Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 21 auf:
Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Berufsbildungsbericht 1982 - Drucksache 9/1424 Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Bildung und Wissenschaft ({0}) Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Haushaltsausschuß
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat hat für die Aussprache eine Redezeit von drei Stunden vereinbart. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich höre und sehe keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, wird das Wort zur Einbringung gewünscht? - Herr Parlamentarischer Staatssekretär Kuhlwein hat das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bundesbildungsminister ist dankbar, daß diese Debatte heute hier zustande kommt, und freut sich besonders darüber, daß alle Fraktionen diese Debatte gewünscht haben. Ich hoffe, daß - so wie der Bundesbildungsminister - auch alle Fraktionen an einem guten Ergebnis dieser Aussprache interessiert sind. Unsere Aufgabe hier ist es, in aller Öffentlichkeit rechtzeitig und deutlich noch einmal an alle Beteiligten zu appellieren, daß sie bei den Ausbildungsplätzen noch einmal zulegen. Warum das so ist, möchte ich hier noch einmal kurz darlegen.
Die Zahlen für die Entwicklung sind mittlerweile bekannt; sie können auch im schriftlichen Bericht nachgelesen werden. Aber viele, die es angeht, haben offenbar Schwierigkeiten, Zahlen aufzunehmen. Und manche, die Zahlen lesen, sehen eben bloß die Zahlen. Daß hinter diesen Zahlen, meine Damen und Herren, menschliche Schicksale stecken, daß dahinter die Hoffnungen von Jugendlichen und ihren Familien stecken, daß dahinter ein gutes Stück der Zukunft unserer Gesellschaft steckt, wird gelegentlich übersehen. Die Jugendlichen, die eine Ausbildung suchen, nicht im Stich zu lassen, ist ein Gebot der Stunde. Diese Debatte soll dazu beitragen, daß sich die Situation bessert.
Ich möchte einige Eckdaten zur derzeitigen Ausbildungssituation ins Gedächtnis rufen und zugleich auch bewerten. 1981 haben wir zum ersten Mal seit Jahren einen Rückgang bei der Zahl der Ausbildungsverträge gehabt. Die Ausbildungsbilanz ist schlechter geworden; wir haben einen Trendeinbruch. Denn wenn sich ein bisher günstiger Trend nicht fortsetzt, dann ist das ein Trendeinbruch. Ich verstehe nicht, wie Herr Kollege Pfeifer das bestreiten kann. Wenn man die Zahlen ernst nimmt, dann ist das sogar ein dramatischer Trendeinbruch. Damit will ich die Lage gar nicht dramatisieren; sie ist leider so.
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Andere sollten das auch nicht verharmlosen. Denn hier geht es um Menschen, denen geholfen werden muß. Hier geht es darum, daß Politiker ihre Verantwortung für diese Menschen unter Beweis stellen.
Was ich dramatisch nenne, ist das: In sechs Bundesländern stand 1981 nicht einmal rein rechnerisch für jeden Jungen und jedes Mädchen ein Ausbildungsplatz bereit. Das heißt: Selbst dann, wenn die Mädchen und Jungen schlechthin jeden angebotenen Ausbildungsplatz - wo immer auch im Lande, in welchem Beruf auch immer - genommen hätten und hätten nehmen können - vielleicht über hundert Kilometer Entfernung hinweg -, hätte das Angebot in sechs Bundesländern oder in jedem dritten Arbeitsamtsbezirk nicht ausgereicht. Das sind Tatsachen, und Tatsachen zu nennen ist wohl keine Dramatisierung.
Es ist wahr: Bundesweit gab es 1981 noch immer 2,4 % mehr angebotene Ausbildungsplätze als Bewerber; das waren genau 15 208 Plätze. In jedem Beruf sind das im Durchschnitt, bezogen auf das gesamte Bundesgebiet, ganze 34 Plätze. Wenn man etwas mehr ins Detail geht, dann wird es konkreter, dann ist es auch näher an der Realität und näher an den Erfahrungen der Jugendlichen, die manchmal
Dutzende von Bewerbungen loslassen müssen, ohne damit Erfolg zu haben.
Ich möchte ein Beispiel dafür geben, was es heißt, wenn ausgerechnet wird, daß es ja immer noch ein „Überangebot" gebe, und man sich dann vielleicht dabei beruhigt. Ende September 1981 gab es bei den Maurern bundesweit noch 3 281 unbesetzte Ausbildungsplätze. Auf Rheinland-Pfalz - um ein Land zu nennen, das sich nicht im Wahlkampf befindet - entfielen davon rund 270 freie Maurer-Plätze. Von Ahrweiler bis Landau über Trier, Koblenz, Mainz, Kaiserslautern und Ludwigshafen und die Landgebiete dazwischen gab es also 270 ungenutzte Angebote für eine Maurerausbildung. Sieht man das von den Jugendlichen her, dann wird die Suche nach dem freien Ausbildungsplatz schnell zur Suche nach der berühmten Stecknadel im Heuhaufen. Mit dem „Überangebot" ist es dann nicht mehr so weit her.
Beim Beruf Verkäuferin im Nahrungsmittelhandwerk, für den es bundesweit ebenfalls noch etwa 3 000 freie Plätze gab, liegen die Verhältnisse übrigens ähnlich. Zahlen, meine Damen und Herren, kann man bundesweit verschieben, aber nicht junge Menschen.
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Für das 1982 beginnende Ausbildungsjahr wird sich die Lage weiter zuspitzen. Die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen wird ansteigen. Im Berufsbildungsbericht 1982 wird die Nachfrage auf knapp 660 000 geschätzt. Das ist fast die Nachfrage des bisherigen Spitzenjahres 1980. Das sind 31 000 mehr als 1981.
Diese Einschätzung wird durch die Zahlen der bei den Arbeitsämtern gemeldeten Bewerber gestützt. Ende Januar gab es 15% mehr Bewerber als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres, und die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen war demgegenüber im Januar um 10 % niedriger als im Vorjahr. Nach den ersten Meldungen der Arbeitsämter über das Angebot Ende Februar hat sich der negative Trend trotz aller Appelle eher noch verstärkt. Es gibt kaum jemanden, außer vielleicht einigen Kollegen von der Opposition, die das nicht in Unruhe versetzt.
Ich zitiere „DIHT-Informationen" vom 2. März 1982: „Anlaß zu Besorgnis gebe allerdings die Entwicklung im Jahre 1982." „Bonner General-Anzeiger", 4. März 1982:
Präsidium und Handwerksrat des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks haben Sorge über die Entwicklung des Lehrstellenangebots in der Bundesrepublik geäußert .. .
Auch der Hauptausschuß des Bundesinstituts für Berufsbildung hat in seiner konstituierenden Sitzung am 5. März 1982 die derzeitige Ausbildungssituation als besorgniserregend bezeichnet und Betriebe und Verwaltungen, Bund und Länder, auch die beruflichen Schulen, zu noch größeren Anstrengungen aufgerufen. Solche Zitate, meine Damen und Herren, ließen sich reihenweise fortsetzen.
Ich habe kein Verständnis dafür, wenn einige die Probleme verdrängen oder verniedlichen. Sie könnten sich mitschuldig machen, wenn im Herbst Tausende junger Menschen enttäuscht auf der Straße stehen.
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Es gibt in dieser Situation zwei Argumente, die ich nicht akzeptieren kann. Das eine ist der Hinweis auf den statistischen Überhang. Das führt zur Verharmlosung des Problems. - Das andere ist der achselzuckende Hinweis darauf, daß die konjunkturelle Situation nun einmal nicht ohne Auswirkung auf das Angebot bleiben könne.
Daß ein Zusammenhang zwischen Konjunktur und Ausbildungsplatzssituation besteht, wird von uns auch nicht bestritten, aber ich bestreite - und da bin ich anderer Ansicht als die Opposition -, daß man das dabei dann bewenden lassen dürfte. Die Jugendlichen in den geburtenstarken Jahrgängen haben eben ihre eigene Konjunktur. Und dem muß Rechnung getragen werden.
Wo die Verantwortung dafür liegt, daß dem Rechnung getragen wird, das hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom Dezember 1980 zum Ausbildungsplatzförderungsgesetz deutlich gesagt. Dort heißt es, man müsse erwarten - und ich zitiere -, „daß die gesellschaftliche Gruppe der Arbeitgeber diese Aufgabe" - nämlich die Aufgabe der praxisbezogenen Berufsausbildung der Jugendlichen - „nach Maßgabe ihrer objektiven Möglichkeiten und damit so erfüllt, daß grundsätzlich alle ausbildungswilligen Jugendlichen die Chance erhielten, einen Ausbildungsplatz zu bekommen". Dann fügen die Verfassungsrichter noch einen wichtigen Nachsatz an, der auch nicht übersehen werden darf. Da heißt es wörtlich:
Das gilt auch dann, wenn das freie Spiel der Kräfte zur Erfüllung der übernommenen Aufgabe nicht mehr ausreichen sollte.
Der Hinweis auf diese verfassungsgerichtlich bestätigte Verantwortung der Arbeitgeber ist nicht mehr als eine Tatsachenfeststellung. Er hat mit Drohung, wie manche glaubten, überhaupt nichts zu tun. Die „gewachsene Aufgabenteilung" zwischen Staat und Wirtschaft in der Berufsausbildung, von der das Bundesverfassungsgericht gesprochen hat, kann ja wohl nicht nur eine Schönwetterveranstaltung sein.
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Wir wollen sie auch in stürmischem Wetter nicht in Frage stellen. Aber diese Linie kann man nur durchhalten, wenn alle Jugendlichen, die einen Ausbildungsplatz suchen, auch in solchen schlechteren Zeiten tatsächlich versorgt werden.
Meine Damen und Herren, wir stehen vor einer Bewährungsprobe für das duale System. Wer dieses System gefährden will, der mag in diesen Monaten Augen und Ohren zumachen. Es steht außer Zweifel, daß der Staat nicht tatenlos zusehen könnte, wenn eine große Zahl ausbildungswilliger Jugendlicher im Herbst auf der Straße bliebe. Dann würde kaum jemand verstehen, wenn der Staat bloß wegen des Systems auf eigene Aktivitäten verzichtete.
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Dann wäre die gewachsene Aufgabenteilung in Frage gestellt, dann wäre zumindest Hilfe zur Selbsthilfe fällig, wie das Bundesverfassungsgericht das genannt hat.
Die Bundesregierung hat in ihrem Beschluß vom 1. März 1982 zum Berufsbildungsbericht deutlich gemacht, daß sie davon ausgeht, daß die vorhandenen und erkennbaren Ausbildungsprobleme durch verantwortungsbewußtes Handeln der Betriebe und Verwaltungen gemeistert werden können. Dazu muß allerdings etwas getan werden. Dafür können wir alle etwas tun. Ich erinnere etwa an die Initiative des Kollegen Reschke, der 150 Betriebe in seinem Wahlkreis mit der Bitte angeschrieben hat, die Zahl der Ausbildungsplätze zu erhöhen. Die Reaktion war außerordentlich positiv. Ich erwähne als weitere Beispiele die Kollegen Nelle und Stockleben,
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die sich genauso, wie das auch die Bundesregierung getan hat, insbesondere bei Peine-Salzgitter aktiv für die Erhaltung von Ausbildungskapazitäten eingesetzt haben. Herr Kollege Daweke, es muß Ihnen doch nicht peinlich sein, wenn aus Ihren Reihen einmal einer gelobt wird.
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Auch andere haben solche Bemühungen aufzuweisen. Sie alle haben gezeigt, wie und wo wir auch als Politiker vor Ort etwas tun können.
Viele Gespräche in den vergangenen Wochen haben mir gezeigt, daß der Trendeinbruch des vergangenen Jahres auch darauf zurückzuführen ist, daß die Unternehmer falsche Signale bekommen haben. Es gab verfrühte Entwarnungsmeldungen. Viele Unternehmensleitungen bis hin zum einzelnen Handwerksmeister hatten den Eindruck, ihr Beitrag zum Ausbildungsplatzangebot sei nicht mehr so wichtig und notwendig. Der Berufsbildungsbericht 1982 macht deutlich, daß wir bei den Schulabgängern frühestens 1985 über den Berg sein werden. 1983 und 1984 müssen wir noch mit sehr hohen Schulabgängerzahlen rechnen. 1983 werden es mehr sein als 1981. 1984 werden wir nur wenig darunterliegen. Deshalb müssen in diesem Jahr die richtigen Signale gesetzt werden. Die Spitzenorganisationen der Wirtschaft wirken daran mit, und auch viele Unternehmen haben diese Aufgabe bereits erkannt. So hat z. B. das Volkswagenwerk mitgeteilt, daß die Ausbildungsleistung um 5% gesteigert werden soll. Auch andere Unternehmen haben das vor. Aber das sind immer noch zu wenige.
Auch die Ausbildung in öffentlichen Einrichtungen muß verstärkt werden. Auch dafür gibt es erste Ansätze. So hat z. B. der Hamburger Senat ein Programm für zusätzliche Ausbildungsplätze und für eine vorübergehende Verstärkung schulischer Ausbildungsangebote verabschiedet. Es gibt weitere Initiativen in den Ländern, und auch in den Bundeseinrichtungen wird einiges getan. Aber diese Anstrengungen reichen noch nicht aus. Es muß mehr Initiativen zur Erweiterung des Angebots geben,
und zwar bald, denn lange Vorlaufzeiten gibt es nicht mehr.
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Die Aufgabe besteht, wie der Bundeskanzler gesagt hat, darin, daß kein Jugendlicher resignieren muß, der einen Ausbildungsplatz sucht. Eine Gesellschaft muß Schaden nehmen, wenn junge Menschen in ihrem Anspruch auf eine solide Ausbildung enttäuscht werden. Bei dieser Anstrengung steht viel auf dem Spiel. Die Bewältigung der Ausbildungsprobleme ist auf jeden Fall auch eine jugendpolitische Aufgabe ersten Ranges. Die Jugendlichen messen uns an der Lösung dieses Problems. Keiner hier im Hause oder auch draußen sollte das Thema damit erledigen, daß er feststellt: Mein Sohn oder meine Tochter ist j a versorgt.
Die Aufgabe verlangt Solidarität der Generationen. Sie muß gelöst werden, und sie kann gelöst werden. Die öffentlichen und privaten Arbeitgeber verfügen auch objektiv über die Möglichkeiten dazu. Man kann das im Berufsbildungsbericht nachlesen. Ich will nur einiges daraus nennen. Wenn nur jeder zehnte Ausbildungsbetrieb auch nur einen einzigen Ausbildungsplatz mehr anbieten würde, dann hätten wir bereits 40 000 zusätzliche Ausbildungsangebote.
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- Genau, Herr Kollege Daweke. Aber 40 000 mehr wäre mehr Auswahl für den einzelnen, der einen Ausbildungsplatz in seinem engeren Heimatbereich und auch in dem Beruf sucht, den er gerne haben möchte.
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Noch lieber wären mir natürlich 100 000 mehr; dann wäre die Auswahlmöglichkeit noch größer, und wir würden uns der Erfüllung dessen nähern, was in Art. 12 des Grundgesetzes steht, daß jeder einen Anspruch darauf hat, den Arbeitsplatz und die Ausbildung frei zu wählen.
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Die Angebote werden von den Jugendlichen auch angenommen. Es ist nicht wahr, daß die Jugendlichen unrealistische Berufsvorstellungen hätten oder immer nur Modeberufen nachliefen, wie das die Opposition in ihrem Resolutionsentwurf insinuieren möchte. Eine Vielzahl von Untersuchungen zeigt, daß die Jugendlichen in diesem Punkt viel nüchterner sind, als man so glaubt.
Allerdings: Wir sollten die Jugendlichen auch nicht überfordern, wenn wir von ihnen immer wieder Anpassung erwarten. Es ist nicht nur legitim, sondern sogar notwendig, daß junge Menschen eigenständige Wünsche, ein eigenes Bild von ihrer persönlichen Zukunft haben. Niemand sollte ihnen das Recht absprechen, wenigstens etwas zu wollen und sich etwas vorzustellen.
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Wir sollten auch etwas großzügiger bei der Abgrenzung von realistischen und unrealistischen Wünschen sein. Denn wir können doch nicht eine
Pari. Staatssekretär Kuhlwein
Jugend wollen, die nur noch überlegt, was geht, und nicht mehr überlegt, was eigentlich sein sollte.
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Heranwachsende junge Leute müssen sicher lernen, sich im notwendigen Umfang auch an Rahmenbedingungen zu orientieren. Aber wir können doch nicht wollen, daß ihre erste Erfahrung mit der Arbeitswelt heißt, daß man sich auf jeden Fall ducken muß und daß man nehmen muß, was gerade geboten wird.
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Der schlechteste Weg, das Problem anzupacken, ist, es auf die Jugendlichen, die die Schwächsten bei diesem ganzen Geschäft sind, abzuschieben. Dazu gehört, daß da über Anspruchsdenken, überzogene Ausbildungsanforderungen, mangelnde Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft der Jugendlichen lamentiert wird. Mit solchen Vorwürfen die Jugendlichen einzuschüchtern, erscheint mir ausgesprochen fragwürdig.
Ich meine, was 1980 gelungen ist, muß auch 1982 gelingen können, besonders weil heute die Voraussetzungen dafür weit besser als damals sind. Es gibt mehr Ausbildungsbetriebe, mehr qualifizierte Ausbilder, mehr Plätze in überbetrieblichen Ausbildungsstätten. 1982 absolvieren über 600 000 Jugendliche eine Abschlußprüfung. Damit werden viel mehr Ausbildungsplätze als in früheren Jahren frei. Es kann nicht angehen, daß sie bei der großen Nachfrage, die wir haben, nicht mit neuen Auszubildenden besetzt werden.
Manchmal richtet sich der Vorwurf des Anspruchsdenkens auch gegen jene, die mehr Qualität in der Ausbildung fordern, und gegen jene, die nicht bereit sind, mehr Quantität gegen weniger Qualität einzutauschen. Ein solcher Handel - das wissen wir schon seit langem - wäre für die Attraktivität der Berufsausbildung im dualen System in hohem Maß schädlich. Die berufliche Bildung darf doch nicht gegenüber dem Standard in der schulischen Ausbildung abfallen. Im Gegenteil. Wir wollen mehr Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner Bildung anstreben. Verläßliche Qualitätsstandards in der beruflichen Bildung sind daher nicht ausbildungshemmend, sondern ausbildungsfördernd.
Die Entwicklung gerade der letzten Jahre hat gezeigt, daß wir trotz oder, wie ich es sehe, gerade wegen der steigenden Qualitätsanforderungen in der beruflichen Bildung die Bereitschaft, diesen Weg zu wählen, steigern konnten. Der Anteil eines Jahrgangs, der einen Ausbildungsvertrag abschließt, ist immerhin von rund 50 % im Jahr 1976 auf über 60 % im Jahr 1980 gestiegen. Dieser Anteil kann nach den Planungen der Bund-Länder-Kommission sogar noch gesteigert werden. Niemand sollte sich deshalb auf die angeblich zu hohen Anforderungen an die Qualität der Ausbildung berufen, wenn es ihm im Grunde darum geht, sich seiner Ausbildungspflicht als Unternehmer zu verweigern.
Hier hilft nur, die Prioritäten richtig zu setzen und in jedem einzelnen Betrieb die Herausforderung anzunehmen. Wenn die Aufgabe dieses Jahres bei der
Bereitstellung von Ausbildungsplätzen nicht bewältigt wird, dann, so fürchte ich, hätten sich die Betriebe selber aus der gewachsenen Aufgabenteilung herausmanövriert, auf der die deutsche Berufsausbildung beruht, in der sie erfolgreich war und auf der sie nach unserer Auffassung auch in Zukunft beruhen sollte.
Und wenn schon für einige die jugendpolitischen, die bildungspolitischen und die gesellschaftspolitischen Argumente nicht ausreichen sollten: Es gibt ja schließlich auch ökonomische Gründe dafür, alle Jugendlichen, die das wollen, mit einem Ausbildungsplatz zu versorgen. Wer heute nicht oder nicht genügend ausbildet, muß sich nicht wundern, wenn ihm ab Mitte der 80er Jahre qualifizierte Facharbeiter oder Gesellen fehlen werden.
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Das gilt für den einzelnen Betrieb genauso wie für die gesamte Volkswirtschaft. Für die Bundesrepublik als exportabhängiges Land ist es überlebensnotwendig, über möglichst viele gut ausgebildete Arbeitskräfte zu verfügen.
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Die Bundesregierung hat bei den im Rahmen der Gemeinschaftsinitiative für Beschäftigung, Wachstum und Stabilität vorgesehenen Maßnahmen zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit sorgfältig darauf geachtet, daß auch nicht im geringsten der Eindruck entstehen könnte, die Arbeitgeber würden aus ihrer Verantwortung für das Ausbildungsplatzangebot auch nur teilweise entlassen. Für den beschleunigten Ausbau überbetrieblicher Ausbildungsstätten, für die Ausbildung benachteiligter Jugendlicher sowie für bildungs- und ausbildungsbegleitende Hilfen für arbeitslose Jugendliche sollen insgesamt 400 Millionen DM zusätzlich bereitgestellt werden. Die Ausbildung beim Bund in anerkannten Ausbildungsberufen soll nennenswert über den Stand des Vorjahres und den Stand des Jahres 1980 hinaus angehoben werden. Nach dem heutigen Stand gehen wir davon aus, daß wir in diesem Bereich gegenüber 1981 eine Steigerung von 10,4 % schaffen werden.
Auch bei den Industrieunternehmen mit überwiegender Bundesbeteiligung ist insgesamt eine deutliche Steigerung über die Ausbildungsleistung des Jahres 1980 hinaus vorgesehen, soweit der Bund direkt darauf Einfluß nehmen kann. Bei aller Kritik an den Unternehmen im Bereich des Bundes sollte auch festgehalten werden, daß dort weit über den eigenen Bedarf hinaus ausgebildet wird. Wenn sich alle Industrieunternehmen in der Bundesrepublik so verhielten wie die bundeseigenen oder zum Teil von Bund beherrschten Unternehmen, dann wäre ein beträchtlicher Teil unseres Problems gelöst.
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- Ja, Peine-Salzgitter hat j a nun Verbesserungen gebracht dank dem Einsatz auch unserer Kollegen aus dem Bundestag. Wir haben aber gleichzeitig bei der Diskussion darüber erfahren, daß andere bundeseigene Unternehmen in diesem Jahr ganz kräftig
zugelegt haben. Auch das sollte hier einmal festgehalten werden.
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- Auch da haben sie ganz kräftig aufgestockt. Das können Sie in den Statistiken nachlesen.
({18})
- Das Handwerk hat leider im letzten Jahr so wie andere Bereiche auch einen kräftigen Einbruch gehabt, während der Bund im letzten Jahr keinen Einbruch bei seinem Angebot an Ausbildungsplätzen gehabt hat. Dennoch wollen wir nicht verschweigen, Herr Kollege, daß das Handwerk seit 1976 erhebliche Anstrengungen gemacht hat, um seiner Aufgabe auch auf diesem Feld gerecht zu werden.. Wir sind auch dankbar dafür.
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Der Bund will in dieser Frage mit gutem Beispiel vorangehen. Wir erwarten von den Ländern und Gemeinden, daß sie ebenfalls einen fühlbaren Beitrag leisten. Ich will in dem Zusammenhang nicht verschweigen, daß bei den Laufbahnausbildungen des Bundes in Konsequenz der Sparbeschlüsse für den öffentlichen Dienst zur Zeit ein Abbau vorgesehen ist. Die Gründe sind hier bekannt. Dennoch kann und sollte vielleicht die Entwicklung des Ausbildungsplatzangebots uns veranlassen, zu prüfen, ob das vorgesehene Tempo des Abbaus berufsbildungsund jugendpolitisch so wirklich zu vertreten ist. Hier ist auch das Parlament gefragt, wenn es Entscheidungen über Stellenpläne und über Haushalte von Ministerien trifft.
Die Jugend wird diese Gesellschaft am Ende daran messen, ob es gelingt, ihr als der nachwachsende Generation eine faire Chance zu geben. Alles Reden über und mit der jungen Generation, jeder sogenannte „Dialog", ob er auf Bundesparteitagen oder in kleinen Netzen stattfindet, wird vergeblich sein, wenn jungen Leuten die Türen zur Ausbildung vor der Nase zugeschlagen werden.
Ich fordere alle Fraktionen und alle Mitglieder des Hohen Hauses auf - wie ich auch von hier aus die ausbildende Wirtschaft und die öffentlichen Betriebe noch einmal auffordern möchte -, mit allen ihren Möglichkeiten dazu beizutragen, daß in diesem und auch in den kommenden Jahren jeder Jugendliche die Chance einer guten Ausbildung erhält, einer guten Ausbildung, mit der er etwas anfangen kann und auf die wir uns verlassen können. Davon wird die Zukunft unserer Gesellschaft und auch die unserer Wirtschaft ganz entscheidend abhängen.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Pfeifer, und damit ist die allgemeine Aussprache eröffnet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn der Berufsbildungsbericht 1982 feststellt, daß sich die seit 1976 stetig anhaltende Verbesserung der Ausbildungsplatzsituation im vergangenen Jahr nicht fortgesetzt hat, so ist das in der Tat - da stimme ich Ihnen, Herr Staatssekretär Kuhlwein, zu - ein Anlaß zu Besorgnis, zumal der neu konstituierte Hauptausschuß des Bundesinstituts für Berufsbildung in der vergangenen Woche zum Ausdruck gebracht hat, daß im Jahr 1982 ein ausgewogenes Verhältnis von Angebot und Nachfrage bei den beruflichen Ausbildungsplätzen gefährdet ist und wir infolgedessen nicht ohne weiteres damit rechnen können, daß das Angebot an Ausbildungsplätzen wie bisher größer als die Nachfrage der Jugendlichen nach solchen Ausbildungsplätzen bleibt.
Die Sorge, insbesondere die Sorge der Hauptschüler, der Realschüler und der Schüler an Sonderschulen, nach der Schule einen Ausbildungsplatz zu finden, ist also größer geworden. Ohne Zweifel erfordert die Sicherung eines ausreichenden Angebots an Ausbildungsplätzen von allen Verantwortlichen im Bereich der beruflichen Bildung vermehrte Anstrengungen. Vor allem halte ich es für notwendig, daß wir zu einem partnerschaftlichem Zusammenwirken von Staat und Wirtschaft mit dem Ziel finden, die berufliche Ausbildungssituation im laufenden Jahr wieder zu verbessern.
({0})
Die Vertrauensgrundlage für ein solches für die Zukunftssicherung unserer jungen Generation lebensnotwendiges partnerschaftliches Zusammenwirken von Staat und Wirtschaft schmälert allerdings, wer in dieser Situation den ausbildenden Betrieben ungerechte Vorwürfe macht oder wer an die Adresse von Handwerk, Handel und Industrie, wie kürzlich leider auch der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, die Drohung richtet, demnächst andere Saiten aufziehen zu wollen.
Die Bundesregierung ist derzeit schnell bei der Hand - das haben wir auch heute morgen wieder gehört - mit unterschwelligen Vorwürfen an die Adresse der ausbildenden Wirtschaft.
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Meine Damen und Herren, mich wundert es, daß im Berufsbildungsbericht oder im Kabinettsbeschluß zum Berufsbildungsbericht vom 1. März 1982 mit keinem Wort auf die prekäre wirtschaftliche Lage eingegangen wird,
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in der sich heute vor allem mittelständische ausbildende Betriebe befinden, obwohl dies doch die eigentliche Ursache für den Rückgang der Zahl der Ausbildungsplätze im Jahr 1981 ist.
({3})
Herr Staatssekretär Kuhlwein sagte eben, die Lage sei 1982 besser als 1980. Dann muß ich aller5520
dings fragen: In welchem Land leben Sie denn eigentlich?
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Man kann doch die Ausbildungsmöglichkeiten der Wirtschaft nicht von der gegenwärtig außergewöhnlich schlechten Wirtschaftslage abkoppeln wallen.
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Wenn in einem Jahr über 11 000 Betriebe in Konkurs gehen, dann hat das halt leider nicht nur negative Auswirkungen auf die Arbeitsplätze, sondern leider auch negative Auswirkungen auf die Zahl der Ausbildungsplätze.
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Wenn beispielsweise in der Bauindustrie die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge, wie es im Berufsbildungsbericht heißt, um über 8 % abgenommen hat, so ist dazu zu sagen: Wer die ungünstige konjunkturelle Entwicklung gerade in der Bauindustrie kennt, kann doch nicht im Ernst behaupten wollen, daß für den Rückgang der Zahl dieser Ausbildungsplätze eine nachlassende Ausbildungsbereitschaft verantwortlich ist, sondern das hat doch etwas mit der Konjunktur zu tun!
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In Wahrheit ist es doch folgendermaßen. Wir haben im Jahre 1981 schwere Einbrüche auf dem Arbeitsmarkt erlebt. Die Bilanz der Zahl der Ausbildungsplätze war demgegenüber im vergangenen Jahr immer noch positiv. Dies entspricht einer Tendenz der zurückliegenden zehn Jahre, als die Gesamtzahl der Beschäftigten in der Wirtschaft um 750 000 gesunken, die Zahl der Lehrlinge aber um über 500 000 gestiegen ist. Die Ausbildungssituation war also immer besser als der konjunkturelle Trend.
Meine Damen und Herren, dies zeigt doch, daß Handwerk, Handel und Industrie ihre Ausbildungsverpflichtungen ernst genommen haben und deswegen hier nicht offene oder versteckte Vorwürfe oder gar Prügel verdienen, sondern sehr viel mehr zunächst einmal ein Wort des Dankes, der Anerkennung und der Ermunterung.
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Kein einziges Wort des Dankes kam heute morgen aus dem Munde des Sprechers dieser Bundesregierung.
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Wenn es in diesem Jahr noch wachsende Probleme für die junge Generation bei der Suche nach Ausbildungsplätzen gibt, dann ist auch dies in allererster Linie eine Folge der schlechten wirtschaftlichen Entwicklung, in der sich unser Land befindet, für welche die Bundesregierung mitverantwortlich ist und die leider auch die junge Generation jetzt ausbaden muß.
Lassen Sie mich noch etwas hinzufügen. Ich halte es für ganz falsch, wenn Teile der Koalition - ich meine vor allem Kollegen aus der SPD-Fraktion - in dieser Situation wiederum mit dem Gedanken an eine Ausbildungsplatzabgabe oder mit dem Gedanken an eine staatlich verordnete Umlagefinanzierung spielen. Die Edding-Kommission hat festgestellt, daß Handwerk, Handel und Industrie im Jahre 1971 für die berufliche Erstausbildung in den Betrieben 5,2 Milliarden DM ausgegeben haben. Diese Ausgaben sind im Jahre 1980 auf über 20 Milliarden DM gesteigert worden. Umgerechnet auf die Zahl der Ausbildungsplätze sind das über 1 000 DM im Monat pro Lehrling. Meine Überzeugung ist: Kein staatliches oder staatlich verordnetes Finanzierungs- oder Umlagesystem wäre auch nur im entferntesten zu ähnlichen Steigerungsraten in der Lage gewesen.
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Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion kann deshalb nur davor warnen, durch eine Neubelebung der Diskussion über Ausbildungsplatzabgabe oder über ein staatlich verordnetes Umlagefinanzierungssystem die zum Teil erst in den letzten Jahren wieder neu für die Ausbildung gewonnenen Betriebe in ihrer Ausbildungsbereitschaft zu verunsichern. Deswegen muß diese Diskussion jetzt endgültig einmal abgeschlossen werden.
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Um den Jugendlichen, die für ihre Berufsausbildung eine Lehrstelle suchen, ein ausreichendes Ausbildungsplatzangebot zu gewährleisten, halte ich demgegenüber folgende Maßnahmen für notwendig. Erstens. Die erst vor wenigen Jahren angestellten Prognosen, wonach Anfang 1980 die Zahl der Schulabgänger, die eine Lehrstelle suchen, zurückgehen sollte, waren falsch. Die Herausforderung der geburtenstarken Jahrgänge bleibt noch einige Jahre bestehen. Deshalb dürfen die Ausbildungsanstrengungen nicht nachlassen. Wir unterstützen deshalb den Appell aller Spitzenorganisationen der Wirtschaft an die ausbildenden Betriebe in Handwerk, Handel und Industrie, ihre Ausbildungsanstrengungen trotz der wirtschaftlich schwierigen Lage fortzusetzen und jeden nur möglichen Beitrag dazu zu leisten, daß jedem ausbildungswilligen Jugendlichen ein Lehrstellenangebot gemacht werden kann.
Wir unterstützen diese Appelle vor allem deshalb, weil die Alternative nur steigende Jugendarbeitslosigkeit wäre. Und diese gehört zum Ungerechtesten und zum Schlimmsten, was jungen Menschen widerfahren kann. Wir unterstützen diese Appelle, weil die Alternative - da stimme ich Ihnen zu, Herr Staatssekretär - ein zunehmender Mangel an qualifizierten Facharbeitern in der Zukunft wäre, was sich Handwerk, Handel und Industrie im eigenen Interesse nicht leisten können.
Zweitens. Wir fordern die Bundesregierung auf, mit ihrer Politik dazu beizutragen, daß die Ausbildungsbereitschaft und die Ausbildungsmöglichkeit insbesondere der kleinen und mittleren Betriebe erhalten bleiben und gestärkt werden. Dazu gehört auch, daß die Bundesregierung allen pauschal abqualifizierenden Wertungen über die AusbildungsPfeifer
qualität in kleinen und mittleren Betrieben nachdrücklich entgegenwirkt und solchen Wertungen widerspricht, wenn sie irgendwo vorgetragen werden.
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Drittens. Wir fordern die Bundesregierung auf, mit der ausbildenden Wirtschaft erneut ein konstruktives Gespräch über die Beseitigung von unnötigen Ausbildungshindernissen zu führen. Dazu wird Frau Dr. Wilms nachher noch einiges sagen. Ich möchte nur ein konkretes Beispiel anführen. Im März des letzten Jahres hat die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen in einer Verordnung unter anderem die berufs- und arbeitspädagogische Eignung eines Beamten geregelt, der als Ausbilder eingesetzt werden soll. Dabei wird jeder Beamte als zur Ausbildung geeignet angesehen, wenn er sich pädagogisch fortgebildet hat, was unter anderem auch dann angenommen wird, wenn er ein Jahr als Ausbilder eingesetzt war. Demgegenüber muß ein Ausbilder der gewerblichen Wirtschaft eine besondere berufs- und arbeitspädagogische Prüfung ablegen, die in der Regel ein Fortbildungsseminar mit 100 Unterrichtsstunden voraussetzt. Von einer solchen Prüfung sind nur Ausbilder befreit, die entweder zwischen 1964 und 1974 mindestens sechs Jahre oder in der Zeit von 1969 bis 1974 ohne wesentliche Unterbrechung ausgebildet haben. Ich bin nun wirklich für Qualität in der Ausbildung, und ich weiß, daß Qualität in der Ausbildung zunächst einmal qualifizierte Ausbilder voraussetzt. Aber ich halte es nicht für in Ordnung, wenn der Staat an die Ausbildung in der gewerblichen Wirtschaft formale Qualitäts- oder Qualifikationsanforderungen stellt, die um ein Mehrfaches höher als die Anforderungen liegen, die er in dem eigenen Bereich an sich selbst stellt.
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Viertens. Der Berufsbildungsbericht gibt keine hinreichende Auskunft über diejenigen Jugendlichen, die ihre Ausbildung abbrechen oder die das Bildungssystem nach einem Bildungsgang verlassen, der keine volle berufliche Qualifikation vermittelt. Solche Jugendlichen sind aber in einem besonderen Maße von der Jugendarbeitslosigkeit bedroht, und hier sind politische Hilfsmaßnahmen nach meiner Meinung noch in wesentlich größerem Umfang erforderlich, als das in den letzten Jahren der Fall gewesen ist; denn eine nicht abgeschlossene Berufsausbildung ist wirklich eine Ursache für Jugendarbeitslosigkeit.
Fünftens. Wo der Bund Ausbildungsplätze anbietet, muß die Bundesregierung mit gutem Beispiel vorangehen und dürfen die Ausbildungsplätze in diesem Jahr nicht verringert werden. Der Parlamentarische Staatssekretär hat den Bund gelobt. Ich will auch dazu etwas sagen: Die Bundesregierung hat vor einem Jahr, im März 1981, eine Zunahme des Ausbildungsplatzangebotes um 11 % im Bereich des öffentlichen Dienstes in erster Linie deshalb angekündigt, um einen Rückstand der hier bei öffentlichen Arbeitgebern beispielsweise gegenüber dem Handwerk besteht, auszugleichen, langsam aufzuholen. Tatsächlich betrug die Zunahme 2,4 %. Es kann also gar keine Rede davon sein, daß die öffentlichen Arbeitgeber ihren Ausbildungsverpflichtungen in dem von der Bundesregierung zugesagten Umfang nachgekommen sind. Deswegen müssen die Anstrengungen hier größer werden.
Mit allem Nachdruck fordern wir die Bundesregierung darüber hinaus auf, darauf hinzuwirken, daß bei den Unternehmen mit Bundesbeteiligung keine Verringerung des Lehrstellenangebots eintritt oder der Abbau von Lehrstellen, wo er schon in Gang gekommen ist, unterbleibt.
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Ich weiß, es gibt positive Beispiele, und ich erkenne das an. Aber es gibt auch negative Beispiele. Wir haben neulich im Ausschuß erst ausführlich darüber gesprochen. Die Bundesregierung muß sich darüber im klaren sein, daß ihre Appelle an die private Wirtschaft wenig Glaubwürdigkeit und damit auch wenig Wirkung erreichen, wenn sie dort, wo sie selbst zuständig ist und etwas tun kann, nicht glaubhafte Beispiele setzt.
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Sechstens. Es gibt Untersuchungen, wonach sich im vergangenen Jahr 73 % der Jungen und 83% der Mädchen mit ihren Ausbildungswünschen auf 27 bzw. 25 Berufe konzentrierten. Demgegenüber blieben vor allem in handwerklichen Berufen Ausbildungsplätze unbesetzt, obwohl sie teilweise gute und sehr gute Berufschancen eröffnen. Es ist die Aufgabe der Berufsberatung, einschließlich der für diese Beratung politisch Verantwortlichen, sicherzustellen, daß die Jugendlichen und ihre Eltern eine umfassende Information über das örtliche Ausbildungsplatzangebot erhalten. Wir appellieren aber ebensosehr an die Jugendlichen und an ihre Eltern, sich in ihren Berufsvorstellungen nicht von vornherein zu sehr und ausschließlich an sogenannten Modeberufen zu orientieren, sondern sich zunächst einmal über die ganze Breite des Berufsbildungsangebots und die mit den einzelnen Berufsbildungsangeboten verbundenen Berufschancen zu informieren. Es ist gar keine Frage, daß die Entscheidung für die Ausbildung schwerer geworden ist. Deswegen muß sie auch mit großer Sorgfalt getroffen werden. Ich glaube, Herr Staatssekretär, das ist durchaus etwas, was wir der jungen Generation ans Herz legen können, ohne daß wie sie überfordern, wie ich überhaupt einmal sagen möchte: Es kann j a nicht nur so sein, daß die Politiker Programme machen und sich dann alles verbessert, sondern wir müssen auch einmal darüber nachdenken und aussprechen, was junge Leute tun können, damit auch sie selbst zu einer vernünftigen Entscheidung in ihrem Interesse kommen.
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Siebtens und letztens. Wir fordern die Bundesregierung auf, besonderes Gewicht auf die Maßnahmen zu legen, die das Angebot an beruflicher Ausbildung für benachteiligte und für behinderte Jugendliche verbessern. Wenn man es nüchtern betrachtet und auch wenn man den Bericht liest, muß man sagen, daß im Jahr der Behinderten die Situation der behinderten Jugendlichen unbefriedigend geblieben ist. Ich meine, daß auch hier die Bundesre5522
gierung zunächst einmal im eigenen Verantwortungsbereich mit besonders gutem Beispiel vorangehen sollte.
Dann allerdings, meine Damen und Herren, dürfen sich Vorschläge, wie wir sie im letzten Jahr bei der Vorlage des sogenannten Arbeitsförderungskonsolidierungsgesetzes gehört haben, wo nämlich eine drastische Reduzierung der Mittel für die Behindertenwerkstätten vorgeschlagen worden ist, nicht wiederholen; diese Vorschläge sind geradezu ein fatales Beispiel für politisches Fehlverhalten gewesen. Es war letztlich die CDU/CSU, die das über den Bundesrat und den Vermittlungsausschuß verhindert hat.
({17})
Auch hier bin ich also der Meinung, daß Sie erst einmal vor der eigenen Türe kehren sollten, bevor Sie sich an die Adresse anderer wenden.
Zusammenfassend möchte ich sagen: Die Bundesregierung hat allen Grund, in der Berufsbildungspolitik in ihrem eigenen Verantwortungsbereich einiges zu korrigieren und in Ordnung zu bringen. Solange dies nicht geschehen ist, sollte sie es unterlassen, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Wenn man von einem Trendeinbruch sprechen kann, Herr Staatssekretär, dann von einem Trendeinbruch in der Konjunktur und von einem Trendeinbruch auf dem Arbeitsmarkt. Davon sind leider auch die Ausbildungsplätze betroffen. Die dafür Verantwortlichen sitzen aber nicht dort, wohin der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft immer gerne mit dem Finger zeigt,
({18}) sie sitzen hier auf der Regierungsbank.
({19})
Meine Damen und Herren, es hängt sehr von der Ausbildungsbereitschaft der ausbildenden Betriebe ab, aber es hängt genauso von der Politik der Bundesregierung ab, ob im Jahre 1982 die Jugendlichen genügend Lehrstellen erhalten werden.
({20})
Wir sind bereit, jede Maßnahme zu unterstützen, die das bewährte System der beruflichen Bildung in Betrieb und Schule stärkt und ausbaut und die dazu beiträgt, daß Handwerk, Handel und Industrie in ihrer Ausbildungsbereitschaft so gestärkt werden, daß sie die in den letzten Jahren unter Beweis gestellten starken Ausbildungsanstrengungen fortsetzen können. Dann aber kann die Bundesregierung nicht so tun, als ob das alles nur die Verantwortung und die Verpflichtung von anderen wäre; dann muß die Bundesregierung zunächst einmal ihren eigenen Verpflichtungen nachkommen.
({21})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Weisskirchen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr
Pfeifer, Sie haben es sich nicht nehmen lassen, so zu reagieren, wie wir es von Ihnen gewohnt sind:
({0})
Im Ausschuß können wir miteinander sehr sachlich diskutieren, aber hier im Plenum fallen Sie in eine Rolle, die ich eigentlich angesichts Ihrer sonstigen Sachlichkeit nicht verstehen kann.
({1})
Zunächst einmal will ich im Namen der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion den Kolleginnen und Kollegen von FDP, CDU und CSU herzlich dafür danken, daß wir auf Grund unserer Anregung heute den Berufsbildungsbericht 1982, der vor kurzem veröffentlicht wurde, hier im Bundestag umgehend miteinander behandeln können.
Herr Pfeifer, wir sollten einen Fehler nicht machen, den uns viele Jugendliche - wie ich finde, zu Recht - vorwerfen, daß wir nämlich nichts anderes tun, als manchmal polemisch damit umzugehen, daß es ihre Lebenschancen sind, die Lebenschancen der jungen Menschen, über die wir hier sprechen, und daß sie nicht irgendeine Verschiebemasse dafür sind, daß wir glauben, daß der eine oder der andere politische Gesichtspunkt dabei siegen könnte. Mit dieser Polemik ist den jungen Menschen überhaupt nicht gedient.
({2})
- Herr Pfeifer, lassen Sie mich deswegen jetzt einmal auf einige Punkte eingehen, die Sie hier genannt haben. Wer leugnet denn, daß die Frage des Ausbildungsmarktes irgend etwas mit dem Konjunkturverlauf zu tun hat? Niemand zweifelt daran, daß das miteinander zu tun hat. Das ist keine Frage. Selbstverständlich danken wir all denen, die in den letzten Jahren dafür gesorgt haben, daß es mehr Ausbildungsplätze gibt als zuvor. Nicht zuletzt waren es die Bildungsminister der sozialliberalen Koalition, die mitgeholfen haben, daß in den letzten Jahren tatsächlich mehr Ausbildungsplätze geschaffen worden sind. Selbstverständlich war das so!
({3})
Auch das können Sie ja nicht leugnen; Sie wissen das ja im Grunde auch. Was soll dann also diese billige Polemik?
Wir danken dem Handwerk, der kleinen und mittleren Industrie, daß sie ganz bewußt dafür gesorgt haben, daß genügend Ausbildungsplätze angeboten werden. Nur: Was wir fürchten, ist doch, daß sich der Trendeinbruch, den Sie im Berufsbildungsbericht nachlesen können, in diesem Jahr fortsetzt. Würde er sich fortsetzen, dann stünden - das haben Sie doch selber auch gesagt - viele junge Menschen am Ende des Ausbildungsjahres 1982 vor einer persönlichen Katastrophe. Nichts anderes sagen wir, nichts anderes sagen Sie. Bitte schön, wenn das so ist, dann laßt uns doch offen und sachlich über die Probleme sprechen, damit wir sie lösen können, und nicht in der Öffentlichkeit Schlachtengemälde vorführen
Weisskirchen ({4})
und die Probleme auf dem Rücken der jungen Menschen austragen.
({5})
Zur Frage der Finanzierung. Sie leugnen nicht - wir leugnen das auch nicht -, daß es darauf ankommt, daß all das, was mit Ausbildung zu tun hat - sei es in den Betrieben, sei es in den Berufsschulen oder wo auch immer -, etwas mit der Frage zu tun hat: Wer soll das bezahlen? Darum und um nichts anderes dreht es sich. Wir müssen darüber nachdenken,
({6})
ob es nicht sinnvoll ist, daß auch diejenigen, für deren Zukunft vorgesorgt wird, nämlich die Betriebe - ich nenne das Stichwort Facharbeitermangel - überlegen, wie das Ganze finanziert werden soll. Sie haben die Edding-Kommission angesprochen. Sie selber, Herr Pfeifer, - entschuldigen Sie, daß ich noch einmal darauf hinweisen muß, aber Sie wissen es doch auch -, Herr Kohl und andere haben alle bis in die Mitte der 70er Jahre gesagt: Wir brauchen die Ausbildungsabgabe. - Oder etwa nicht? Das waren sehr sinnvolle Überlegungen. Wie können sie praktisch werden? Es gibt j a Beispiele in Konstanz und anderswo, wo ja die Kammern solche Umlagenfinanzierungen von unten her mit der Zustimmung der Handwerksbetriebe praktizieren. Richtet sich denn das, was Sie sagen, auch dagegen, was das Handwerk in den Innungen und in den Kammern selber macht und will? Ich verstehe die Kritik überhaupt nicht. Das hat gar nichts mit der Sache zu tun, das geht völlig am Kern vorbei. Auch daher muß ich noch einmal sagen: Unterlassen Sie doch diese billige Polemik; es nützt niemandem.
({7})
Zum Bund. Sie haben recht, Herr Pfeifer - ich sage das ganz deutlich -, daß auch in manchen Ausbildungsbereichen des Bundes große Probleme existieren. Deswegen diskutieren wir ja auch heute darüber. Herr Daweke, wir haben j a versucht, heute einen gemeinsamen Antrag zu verabschieden. Ich finde, daß manche der Punkte, die Sie hier vorschlagen, genau auf der Linie dessen liegen, was wir diskutiert haben und was dem Parlament heute in unserem Entschließungsantrag auch vorliegt, bis auf zwei Punkte. Nur wollen Sie j a nicht zugeben, daß wir in sehr vielen Punkten sehr viel enger zusammenstehen könnten. Deswegen sage ich zum Schluß: Herr Pfeifer, die Polemik könnten wir unterlassen. Ich wäre nicht gern polemisch geworden, sondern ich hätte lieber über die Sache gesprochen, um die es geht. Dazu möchte ich jetzt zurückkommen,
({8})
nachdem ich das zurückgewiesen habe, worüber Sie hier nur polemisiert haben.
Die Jugendlichen - um die geht es nämlich - verschwinden sehr oft hinter dieser Polemik und
hinter diesem riesigen Zahlenwerk, das wir mit dem Berufsbildungsbericht vorgelegt bekommen haben. Es ist unsere Pflicht, über deren Probleme und über deren Sorgen zu reden. Deswegen möchte ich noch einmal sagen: Laßt uns nicht polemisch spielen mit den Lebenschancen junger Menschen! Die Auseinandersetzung um die Lösung des Problems, wie es uns gelingt, eine genügende Zahl guter Ausbildungsplätze anzubieten, um die es uns allen doch geht, darf nicht der billigen Taktik derer ausgeliefert werden, die auf dem Rücken der Zukunftsängste der jungen Menschen vermeintliche Vorteile herausschlagen wollen.
({9})
Solche Vorteile, die man für sich aus einer billigen Polemik ziehen könnte, haben kurze Beine, Frau Benedix-Engler.
({10})
Nichts widert nämlich die jungen Menschen mehr an, als wenn sie sehen, daß wir auf ihre Kosten Schaugefechte austragen, daß wir auf ihre Kosten Schlachtengemälde liefern.
({11})
- Hören Sie mir doch mal bitte schön einen Moment zu!
({12})
- Wissen Sie, ich könnte mir von dieser Debatte versprechen - vielleicht gelingt es Ihnen auch noch, diesem Versprechen ein klein wenig Substanz hinzuzufügen -, daß wir unserer Verantwortung gerecht werden, in der Sache zu streiten - und da gibt es genügend zu streiten -, aber auch ein Stück dazu beizutragen, daß nicht das eintritt, was wir auf Grund der Analysen befürchten müssen, nämlich daß am Ende des Ausbildungsjahres 1982 viele Mädchen und Jungen eine Hoffnung weniger haben werden.
Herr Pfeifer, lassen Sie mich vielleicht noch schnell auf einen Punkt zurückkommen, den Sie in Ihrem Antrag haben. Sie behaupten, die Bundesregierung betreibe eine einseitige Informationspolitik. Nun kann man gegenüber dem, was im Berufsbildungsbericht steht, und auch gegenüber manchen Presseerklärungen von uns oder von anderen, vielleicht auch von Ihnen, viele Vorwürfe erheben - dagegen ist nichts einzuwenden -, aber es gibt doch erst, seitdem die sozialliberale Koalition und diese Regierung besteht, überhaupt eine solche klare statistische Grundlage, über die wir sachlich diskutieren können. Was hat das mit einseitiger Informationspolitik zu tun? Überhaupt nichts!
Ich lasse auch gern mit mir über einen Punkt diskutieren, der in Ihrem Antrag steht: ob man nicht bestimmte statistische Teile des Berufsbildungsberichts verbessern könnte. Selbstverständlich wäre da ein Ansatzpunkt. Das haben auch die Gewerkschaften - Sie kennen die Stellungnahme - vorgeschlagen.
Weisskirchen ({13})
Wichtig ist nur - das hat der Berufsbildungsbericht 1982 erneut unterstrichen -: Jedes zehnte junge Mädchen und jeder zehnte junge Mann bleiben ohne Ausbildung. Auch ist jetzt wieder bestätigt worden, daß die Zahl derer wächst, die einen Ausbildungsplatz suchen, aber keinen finden. Ich erinnere nur daran, daß das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg eindeutig ein Vorurteil widerlegt hat, das in manchen Köpfen herumspukt. Nur 4 % der Jungarbeiter - das hat die Analyse ergeben - verzichten von vornherein auf eine weitere Ausbildung. Und die Shell-Studie, dieses dreibändige dicke Werk, bestätigt: Nur 2 % der Jugendlichen geben auf die gestellte Anfrage an, daß sie einen Berufsbildungsabschluß nicht erwerben können oder nicht erwerben wollen. Die Leistungsbereitschaft - nach ihr werden ja die jungen Menschen so oft kritisch gefragt - ist vorhanden. Die jungen Menschen sind bereit, etwas zu leisten. Ich finde, es ist notwendig, daß wir dieser Leistungsbereitschaft entgegenkommen. Die erdrückende Mehrheit der Jugend will eine Ausbidlung beginnen und will sie auch abschließen.
Herr Pfeifer, Sie haben mit Recht davon gesprochen: Was einer größer werdenden Gruppe von Jugendlichen fehlt, ist eine wirkliche Chance für eine solche Ausbildung. Wie groß diese Gruppe ist, darüber gibt es Streit unter den Gelehrten. Im Berufsbildungsbericht 1981 heißt es, es seien 11 %, 115 000, im Jahre 1980 gewesen. Im vorliegenden Bericht wird vermutet, daß sich diese Zahl nicht verringert habe. Der Deutsche Gewerkschaftsbund rechnet für 1981 mit 270 000 und für 1982 mit über 300 000 jungen Menschen, die „unversorgt" seien. - Das ist sowieso eine schreckliche Sprache, die wir uns da angewöhnen: „unversorgt". Es geht doch um die Einzelschicksale dieser jungen Menschen.
Das Nürnberger Institut schrieb an die Enquete-Kommission „Jugendprotest im demokratischen Staat", man vermute, die Zahl der „Unversorgten" müsse knapp so hoch geschätzt werden wie die Zahl der Arbeitslosen unter 20 Jahre.
({14})
Das wären heute etwa 165 000. Man muß also damit rechnen, wenn man alles zusammenzählt, daß die Zahl, die der Deutsche Gewerkschaftsbund vorgelegt hat, ziemlich realistisch ist.
Mich elektrisiert insbesondere - das ist eine andere Zahl, die in den letzten Wochen bekanntgeworden ist -, daß die Jugendarbeitslosigkeit in den letzten Wochen und Monaten dramatisch angestiegen ist. Das Schlimme ist, die Zahl der Ausbildungsplätze hat im gleichen Zeitraum leider abgenommen und nicht zugenommen. Ich frage mich: Muß man sich eigentlich darüber wundern, wenn die Lage so ist, daß junge Menschen kritische Fragen an uns stellen, auch an Sie, auch an das Parlament, an die, die über die Ausbildungsplätze verfügen, und daß aus ihren Fragen an die eigene Zukunft die Sorge um ihre eigenen Lebenschancen hervorscheint? Was geht denn in einem Jugendlichen vor - man muß sich das selbst einmal vor Augen führen -, der nach dem 10. oder nach dem 20. vergeblichen Versuch, einen Ausbildungsplatz zu bekommen, vom Arbeitsamt oder vom Berater gesagt bekommt: „Du lebst halt in einem falschen Arbeitsamtbezirk; fahr mal 60 Kilometer weiter, da kriegst du einen Ausbildungsplatz"? Was geht in einem Jugendlichen vor, der eine solche Antwort bekommt? Wieviel Bitterkeit wächst bei einem jungen Menschen heran, der als Sonderschüler, der als Hauptschüler ohne Abschluß, der als ausländischer Jugendlicher im Kampf um den Ausbildungsplatz erleben muß, daß der Realschüler vorgezogen wird, daß ihm der Abiturient vorgezogen wird? Welche Resignation wächst da bei denen heran, die dabei auf der Strecke bleiben?
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Daweke?
Für Sie immer.
Herr Kollege Weisskirchen, was, meinen Sie, geht in einem jungen Menschen vor, der sich zur Zeit mit der Bitte um Rat an die Arbeitsverwaltung wendet und erfährt, daß dort die Leute aus den Berufsberatungsabteilungen abgezogen und in die Leistungsabteilungen versetzt werden, gerade jetzt ?
Herr Daweke, ich bin sehr dankbar für diese Frage, weil sie mir die Gelegenheit gibt, auf einen Punkt aufmerksam zu machen, über den wir einmal alle nachdenken müssen, alle. Ich schiebe die Schuld nicht ab. Wie ist das eigentlich, wie wirkt sich das aus, wenn wir beginnen, ständig in die Sozialleistungsgesetze hineinzuschneiden und hineinzuschneiden und hineinzuschneiden?
({0})
Dann kommt genau das dabei heraus, was Sie hier vortragen. Wer hat denn letztlich dafür gesorgt, daß diese Spareuphorie ausgebrochen ist?
({1})
Herr Daweke, ich finde, wir sollten an diesen entscheidenden Punkten auch darüber reden, ob solche Vorschläge, wie sie die Union unterbreitet, daß z. B. beim Schüler-BAföG gekürzt wird, daß die jungen Menschen Schwierigkeiten bekommen, nicht eine Wirkung haben, die uns allen nachher weh tut, wie Ihr Beispiel zutreffend zeigt. Ich finde, wir setzen an manchen Punkten falsch an. Ich bitte uns alle herzlich, darüber nachzudenken, ob das, was da getrieben wird, so weitergehen soll; denn auf der Strecke bleiben die Chancen junger Menschen.
Ich will nur darauf aufmerksam machen, daß wir, wenn es uns in diesem Jahr nicht gelingt, dafür zu sorgen, daß mehr Ausbildungsplätze geschaffen werden, wenn es uns durch unsere Anstrengungen nicht gelingt, den Trend, der sich abzeichnet, zu wenden, dann Gefahr laufen, daß viele junge Menschen beinahe zwangsläufig in einen Zynismus hineingedrängt und ihre Erwartungen an das Leben verkürzt werden.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, insbesondere von der Union, ich möchte dazu beitragen und darum bitten, daß wir uns nicht gegenseitig
Weisskirchen ({2})
Schuld zuschieben. Es kommt darauf an, daß wir unsere Kraft zusammennehmen und daß wir denen helfen und die unterstützen, die Ausbildungsplätze anbieten. Dazu können wir sehr viel beitragen. Ich hoffe, daß der Appell, den wir heute auch an alle Verwaltungen richten, an die öffentlichen und an die privaten Arbeitgeber, nicht ungehört verhallt, sondern seinen Niederschlag findet. Die Jugend hat einen Anspruch auf unsere Solidarität.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Neuhausen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sinn und Ziel der heutigen Aussprache zum Bundesbildungsbericht 1982, die alle Fraktionen gewünscht haben, muß es sein, von dieser Stelle und von allen Seiten dieses Hauses aus mit allem Nachdruck deutlich zu machen, daß die Anstrengungen aller für die berufliche Ausbildung und Bildung Verantwortlichen um die Sicherung und Verbesserung der Berufschancen der jungen Menschen aus den geburtenstarken Jahrgängen fortgesetzt werden müssen. Es ist meine feste Überzeugung, daß man dies nicht mit der Ritualistik polemischer Auseinandersetzungen schafft. Leider lassen sich daher im Interesse der Sache auch Wiederholungen nicht vermeiden.
Meine Damen und Herren, der Berufsbildungsbericht, über den ja in den Ausschüssen noch ausführlich zu sprechen sein wird, umfaßt eine Fülle wichtiger und interessanter Daten. Aber für 1982 und damit für diese Aussprache stellt sich eben - das haben wir gehört - die Lösung der fortbestehenden und sogar noch verschärften quantitativen Probleme als die vordringlichste Aufgabe dar. Meine Damen und Herren, gerade weil wir deshalb vor der Notwendigkeit stehen, auch heute an die Wirtschaft, den Bund, die Länder und Gemeinden zu appellieren, in ihren Bemühungen um die Bewältigung dieser Aufgabe nicht nachzulassen, sondern neue Anstrengungen zu unternehmen, jede Möglichkeit zur Erhaltung und zum Ausbau der Ausbildungskapazitäten wahrzunehmen, ist auch ein Blick auf die Erfolge angebracht, die in den letzten Jahren erzielt wurden, Erfolge, in denen sich das Ergebnis der bisherigen Bemühungen der Wirtschaft und ihrer Verbände spiegelt.
({0}) - Vielen Dank für den Beifall.
Meine Damen und Herren, ein paar Zahlen machen das deutlich: 1980 war das Angebot an betrieblichen Ausbildungsplätzen um 216 000 höher als im Jahre 1974; ganz besonders deutlich stieg das Angebot seit 1976. Nur durch dieses verstärkte Angebot konnte die seit 1974 - und hier wiederum besonders deutlich ab 1976 - ansteigende Nachfrage bewältigt werden. 1980 lag sie um 196 000 über dem Stand von 1974.
Zahlen sind Markierungspunkte, meine Damen und Herren. Wir wissen alle, daß sich hinter diesen zusammenfassenden Zahlen immer noch erhebliche Ungleichgewichte zwischen verschiedenen Regionen und auch Branchen verbergen. Wir wissen - ich komme darauf zurück -, daß es Probleme bei der Eingliederung behinderter Jugendlicher und der Sonderschüler gab und gibt. Wir wissen, daß die Berufschancen der jungen Mädchen auch weiterhin verbessert werden müssen. Wir wissen, daß das Problem der Integration ausländischer Jugendlicher nichts von seiner Aktualität verloren hat. Aber insgesamt kann der Feststellung des Kuratoriums der Deutschen Wirtschaft für Berufsbildung zugestimmt werden, daß die quantitative Entwicklung der Nachfrage nach betrieblichen Ausbildungsplätzen in den vergangenen Jahren bewältigt werden konnte und die Wirtschaft dazu einen großen Beitrag geleistet hat.
({1})
Meine Damen und Herren, dafür ist jedem einzelnen zu danken, der zu dieser Entwicklung beigetragen hat. Über die Betriebe hinaus ist den Verbänden und Kammern, den Gewerkschaften und allen für die berufliche Bildung und Ausbildung Verantwortlichen zu danken.
Aber, meine Damen und Herren, die Würdigung dieses Erfolges darf uns nicht den Blick dafür verstellen, daß das Ziel - die Zahlen von 1981 und die Prognose für 1982 zeigen es - eines ausgeglichenen Verhältnisses zwischen Angebot und Nachfrage noch nicht erreicht ist. Vielleicht hat - neben vielen anderen Gründen - auch die Annahme, die schwierigste Hürde sei bereits genommen, 1981 zu dem sehr ernst zu nehmenden Einschnitt in die seit 1974 andauernde stetige Verbesserung geführt. Denn hier und dort wurde bereits Entwarnung gegeben. Aber es bestätigte sich, was das Bundesverfassungsgericht schon Ende 1980 in seinem Urteil zum Ausbildungsplatzförderungsgesetz zu bedenken gab, daß nämlich noch nicht abzusehen sei, ob die Anstrengungen der Wirtschaft, eine hinreichende Zahl von Ausbildungsplätzen zu schaffen, andauernden Erfolg haben würden.
Von 1980 bis 1981 sank das Angebot von rund 695 000 Ausbildungsplätzen um ca. 52 000 auf 643 000. Zwar sank auch die Nachfrage um 40 000, doch es ergibt sich zwischen Angebot und Nachfrage 1981 ein Überhang von nur rund 16 000 gegenüber 28 000 im Jahre 1980. Diese Verminderung des Gesamtüberhangs verschärft das Problem der regionalen und sonstigen Ungleichgewichte. Es wurde schon erwähnt: In sechs Ländern lag 1981 die Nachfrage eben über dem Angebot, 1980 nur in drei Ländern. In Arbeitsamtsbereichen ausgedrückt: 1981 lag in 40 Arbeitsamtsbereichen die Nachfrage über dem Angebot; 1980 war das in 20 Arbeitsamtsbereichen der Fall.
Die besondere Dringlichkeit und Bedeutung für 1982 ergibt sich aus der Kombination dieser Veränderungen von 1980 zu 1981 mit der Prognose für das laufende Jahr; denn für 1982 wird eine Nachfrage nach 660 000 betrieblichen Ausbildungsplätzen erwartet. Diese Nachfrage liegt um 17 000 über dem Angebot für 1981. Das heißt, 1982 würden bei unveränderter Angebotslage 17 000 junge Menschen - wenn wir nur diese globalen Zahlen als Grundlage
der Betrachtung nehmen - mehr nach einem Ausbildungsplatz suchen, als 1981 Ausbildungsplätze angeboten wurden.
Meine Damen und Herren, wenn es sich bei dem Angebotsrückgang im Jahre 1981 wirklich um eine einschneidende Veränderung des Trends seit 1974 und 1976 handelt und die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze noch weiter zurückgehen sollte, so müßte sich eine Schere mit verhängnisvollen Auswirkungen auf die Ausbildungsplatzsituation öffnen. Weil das so ist, darf sich niemand mit vordergründigen Argumenten beruhigen.
Eines der oft gehörten Argumente ist eben der Hinweis auf die von 1980 zu 1981 ebenfalls verminderte Nachfrage. Sie hatte, wie wir alle wissen, verschiedene Ursachen, darunter auch den Abschluß der Einführung des 10. Pflichtschuljahres in Nordrhein-Westfalen, woraus sich eine Verschiebung zu Lasten des Jahres 1982 ergibt.
Ein zweites Argument ist der oft gehörte Hinweis darauf, daß es Angebote für Ausbildungsplätze gebe, die statistisch nicht erfaßt würden. Aber, meine Damen und Herren, das räumt doch auch der Berufsbildungsbericht ein. Das gilt auch für eine Dunkelziffer bei der Nachfrage.
Meine Damen und Herren, als Indikatoren für den Vergleich und für die Beurteilung der voraussichtlichen Entwicklung sind die statistischen Gegenüberstellungen bei allen Zweifelsfragen im Einzelfall von wesentlicher Bedeutung für die Einleitung notwendiger Maßnahmen, was sich auch daran zeigt, daß in Übereinstimmung mit der für 1982 vorausgeschätzten Entwicklung die Arbeitsämter bereits Ende Januar einen Anstieg der Zahl der gemeldeten Bewerber um betriebliche Ausbildungsplätze um rund 15 % feststellen können. Demgegenüber war hinsichtlich der gemeldeten Ausbildungsplätze ein Rückgang um 10 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zu verzeichnen.
Meine Damen und Herren, grundsätzlich gesehen: Das Kuratorium der Deutschen Wirtschaft für Berufsbildung hat die Bewältigung der Nachfrageentwicklung nach betrieblichen Ausbildungsplätzen in seinen im vergangenen Jahr veröffentlichen Grundaussagen zur beruflichen Bildung als eine Bewährungsprobe für Wert und Bedeutung des dualen Systems der Berufsausbildung bezeichnet. Vor dem Hintergrund der auch hier gewürdigten Erfolge ist ebenfalls der Feststellung zuzustimmen, daß das duale System diese Bewährungsprobe bestanden hat. Aber jetzt kommt es darauf an, die nachhaltige Wirkung dieser bestandenen Bewährungsprobe unter Beweis zu stellen; denn bis 1985 dürfen wir den quantitativen Aspekt der Bemühungen um eine Ausbildungschance nicht unterschätzen. Wenn irgendwo, so ist besonders hier ein vielgefächertes Angebot von Eigeninitiative notwendig, zu dem wir aufrufen möchten. Es gibt Initiativen einzelner Handwerkskammern - ich denke hier an die Handwerkskammer Rotenburg ({2}) -, die sich dieses Problems in eigener Initiative angenommen haben.
Aber nicht nur die Wirtschaft ist gefragt, das wurde schon betont. Der Appell muß sich auch an
alle Bereiche des öffentlichen Dienstes richten. Wir verkennen nicht die Probleme, die sich aus der Haushaltslage von Bund, Ländern und Gemeinden hierbei ergeben. Aber was von der Wirtschaft erwartet wird, muß auch von den öffentlichen Verwaltungen geleistet werden.
({3})
Meine Damen und Herren, aus einer Fußnote des Berufsbildungsberichts geht hervor, daß aus der Mehrzahl der Länder und Gemeinden keine ausreichenden Zahlen über die dortigen Ausbildungsleistungen vorliegen. Hier läge eine praktische und über den bloßen Appell hinausgehende Möglichkeit für alle Parteien, ihre Vertreter in den Länderparlamenten und in den kommunalen Körperschaften zu einer besonderen Initiative zur Stärkung der Ausbildungsbereitschaft dort vor Ort zu veranlassen.
Meine Damen und Herren, man kann das quantitative Problem, das hier im Vordergrund steht, aus zwei Richtungen betrachten, die aber letztlich doch in einer engen Beziehung zueinander stehen. Einmal geht es unmittelbar um die jungen Menschen, für die die Frage des Ausbildungsplatzes eine entscheidende Weichenstellung für ihr ganzes Leben darstellt. Ob sie als einzelne oder als Gruppe den Übergang in eine geordnete Berufsausbildung finden oder sich schon früh ins Abseits gestellt fühlen, ist nicht nur für sie selber von Bedeutung, sondern es ist auch für das ganze künftige Klima in unserer Gesellschaft von Bedeutung. Vor dem Hintergrund der Erwartungen, mit denen junge Leute ihrer beruflichen Ausbildung entgegensehen, wird das ganz besonders deutlich. In diesen Erwartungen spiegelt sich die Bereitschaft zu Einstellungen und Verhaltensweisen, die unsere Gesellschaft braucht. Wir dürfen diese nicht verkümmern lassen.
Aus dem vorliegenden Berufsbildungsbericht geht hervor, daß die jungen Leute - im Gegensatz zu manchen leider weit verbreiteten Vorurteilen - solche Eigenschaften wie Leistungsbereitschaft und Zielstrebigkeit für wichtig in der beruflichen Ausbildung ansehen. Wenn auch der Berufsbildungsbericht realistischerweise vermerkt, daß daraus, daß diese Eigenschaften für wichtig gehalten werden, nicht unmittelbar geschlossen werden könne, daß die Jugendlichen tatsächlich alle leistungsbereit und zielstrebig seien, so schmälert doch diese methodisch richtige Einschränkung nicht die grundsätzliche Übereinstimmung der Einschätzung wichtiger Verhaltensweisen durch die jungen Menschen mit den Erwartungen der Ausbilder.
Diese Feststellung wird bestärkt, wenn man etwa die von der Industrie- und Handelskammer Münster in Auftrag gegebene Studie zur Berufsausbildung ergänzend heranzieht, wonach in der Rangfolge der Erwartungen der jungen Leute an die Berufsausbildung an erster Stelle der Wunsch nach einer Ausbildung steht, die gute Fachkenntnisse vermittelt, und erst mit einigem Abstand der Wunsch nach einem gesicherten Beruf mit Zukunft und dann erst die Hoffnung auf spätere gute Verdienstmöglichkeiten folgen.
Leistungsbereitschaft, Zielstrebigkeit, der
Wunsch nach guten Fachkenntnissen - das sind lauter Tugenden, die ich hier einmal so plakativ zusammenstellen möchte, um auch auf diese Weise ein wenig Werbung für die Ausbildungsplatzsuchenden zu treiben; denn das sind doch die Eigenschaften, die wir in Wirtschaft und Verwaltung brauchen.
({4})
Jeder junge Mensch, der in den 80er Jahren durch Ausbildung qualifiziert wird, ist ein Gewinn für Wirtschaft und Gesellschaft der späteren Jahrzehnte, in denen die Herausforderungen an Produktivität und Kreativität unserer Volkswirtschaft nicht nachlassen, in denen Arbeitskräfte knapp sein werden. - Das sind nicht meine Worte. Das sind die Worte des Vorsitzenden meiner Partei, Hans-Dietrich Genscher. In ihnen liegt die Aufforderung, auch den zweiten mit der Lösung der quantitativen Probleme verbundenen Aspekt gebührend zu berücksichtigen. Nirgendwo sonst wie während der Ausbildung junger Menschen wird die Zukunft von Wirtschaft und Gesellschaft so entscheidend vorgeprägt. Der individuelle Leistungswille ist, wie Genscher richtig sagt, eine wesentliche Grundlage unserer Gesellschaftsordnung. Es gilt, dem vorhandenen Leistungswillen junger Menschen eine Chance zu geben, damit sie den Leistungswillen in einen Leistungserfolg ummünzen können. Nur so können Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit in der Gesellschaft auf Dauer erhalten und ausgebaut werden.
({5})
- Lieber Herr Daweke, lassen Sie mich dies zu Ende führen. Dann werden Sie befriedigt werden.
({6})
Weil der Leistungswille vorhanden ist, können und müssen wir den Betrieben und Verwaltungen Mut machen. Bei diesem Mutmachen will ich mich jetzt nicht unterbrechen lassen; das ist eine psychologische Sache.
({7})
Weil wir schon beim Mutmachen sind, möchte ich auch die oft aufgestellten Behauptungen, die Bewerber verfügten nicht über ausreichende Fähigkeiten im Rechnen, Schreiben und Lesen, nicht übergehen. Sicher dürfen vorhandene Schwächen nicht verharmlost werden. Man mag sich darüber wundern, daß ich dieses Thema hier aufgreife. In vielen Gesprächen mit den einzelnen Ausbildungsstellen spielt es aber eine ganz wesentliche Rolle. Mir erscheint das Ergebnis der vom Bundesminister für Bildung und Wissenschaft in Auftrag gegebenen, vom Institut der Deutschen Wirtschaft durchgeführten und im Berufsbildungsbericht kurz dargestellten Untersuchung über die Qualifikationen der Schulabgänger wichtig, das diesen pauschalen Vorwurf nicht belegt.
({8})
Daß die Leistung um so höher liegt, je höher der
schulische Abschluß - und das bedeutet meistens
auch: je höher das Lebensalter - ist, kann nicht verwundern. Aber für die jüngeren Bewerber gilt auch, daß die Qualität der Ausbildung im Betrieb und die Berufsschulen durchaus geeignet sind, Fähigkeiten zu stärken und zu festigen. Dies bedeutet nicht, daß die Schulen aus ihrer Verantwortung für eine zureichende Vorbildung entlassen wären. Aber es gilt doch, Gewichte zurechtzurücken und Vorurteile zu verhindern.
Hier ist nicht der Ort - obwohl ich es in diesem Beitrag schon getan habe -, sehr detailliert auf Fragen des Berufsbildungsberichts einzugehen. Das wird Aufgabe der Beratung in den verschiedenen Ausschüssen sein. Der allgemeine Appell zu einer Ausbildungsplatzinitiative soll aber auch die konkrete Aufforderung enthalten - ich wiederhole, was hier heute morgen schon öfters gesagt wurde -, den Problemen Behinderter, Sonderschüler und junger Ausländer besondere Beachtung zu schenken. Und er soll auch den jungen Leuten Mut machen, bei ihrer Suche nach Ausbildungsplätzen nicht vorzeitig zu resignieren. Hartnäckigkeit - so heißt es im Berufsbildungsbericht - führt zum Erfolg. Das duale System der beruflichen Bildung - das müssen wir den jungen Leuten immer wieder sagen - bietet große Chancen. Es ist von hoher Qualität.
({9})
An dieser hohen Qualität haben natürlich auch die Bemühungen der Bundesregierung um vielfältige neue Ausbildungsverordnungen einen wesentlichen Anteil.
Eine wichtige Rolle fällt der Berufsberatung durch die Arbeitsämter zu. Es ist mehr als problematisch - zurückhaltend ausgedrückt -, zu hören, daß ein großer Teil der Berufsberater bei den Arbeitsämtern zur Zeit mit anderen Aufgaben betraut wird.
({10})
Gerade die Beratung der Bewerber mit dem Ziel, Ausbildungswünsche z. B. mit den regionalen Möglichkeiten in Übereinstimmung zu bringen, dürfte ja sowohl für die Betriebe wie vor allem für die Ausbildungsplatzsuchenden in dieser kritischen Situation von besonderer Bedeutung sein.
Ich halte dieses Thema für zu ernst, daß man es mit zu großer Polemik und parteipolitischer Auseinandersetzung belasten dürfte. Bei aller Verschiedenheit der Analyse der Begründungen, wie es zu dieser Situation kommt, sollten wir nicht Ausreden Platz geben, die die Möglichkeiten der Anstrengungen untergraben. Dies ist eine wichtige Frage, die wir uns in dieser Diskussion stellen müssen.
Denn es gilt, Hoffnung zu machen, Bereitschaft zu wecken, Resignation zu verhindern. Und wenn wir und nicht nur wir das zu unserer gemeinsamen Aufgabe machen, dann geben wir der Zukunft der jungen Menschen, der Zukunft unserer Gesellschaft und der Zukunft unserer Wirtschaft, die die Grundlage für all das ist, was wir in diesem Staat leben können, eine gute Chance. - Vielen Dank.
({11})
Das Wort hat der Abgeordnete Rossmanith.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde auf das, was Herr Weisskirchen gesagt hat, im Lauf meiner Ausführungen eingehen. Vorweg nur eines, Herr Kollege Weisskirchen: Man sollte, wenn man den Splitter im Auge des anderen erwähnt, nicht den Balken im eigenen Auge übersehen.
({0})
Ich danke dem Kollegen Pfeifer herzlich für seinen sehr sachlichen Beitrag. Er hat den Jugendlichen und der Wirtschaft mehr genutzt. Denn nur miteinander können wir das Problem bewältigen, nicht aber, indem wir hier emotionale Reden über die Jugendlichen halten und dabei denen, die es in den vergangenen Jahren geschafft haben, die Ausbildungsfähigkeit und die Ausbildungswilligkeit und Ausbildungsplätze zu bewahren, nämlich unseren Ausbildern, unseren Betrieben, auch der öffentlichen Hand in allen Bereichen und den freien Berufen, mit der Linken schnell eins auszuwischen versuchen.
({1})
Bundesminister Engholm, der heute leider erkrankt ist und dem ich gute Genesung wünsche,
({2})
hat im Zusammenhang mit dem Berufsbildungsbericht 1982 wieder zu verstärkten Ausbildungsanstrengungen aufgerufen. Vor dem Berufsbildungsausschuß der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände hat er im vergangenen Februar aber einräumen müssen, daß die Ausbildung angesichts der nicht gerade günstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen - so seine Worte - für die Betriebe keine leichte Aufgabe sei. In dieser Annahme und bei diesen Ausführungen möchten wir ihm ausnahmsweise einmal zustimmen. Denn hier hat er in der Einschätzung der Lage die Annahme und die Aussagen der Unionsfraktionen voll getroffen und hiermit übernommen.
Auch wir appellieren natürlich an die Betriebe - das haben wir bereits getan und tun es weiterhin mit aller Deutlichkeit Ausbildungsanstrengungen, wo immer es möglich und erforderlich ist, gerade in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten weiterzuführen und hier vielleicht noch mehr als bisher zu leisten. Dabei muß man sagen: das, was sie bisher geleistet haben, ist angesichts der Wirtschaftspolitik, die hier betrieben wurde, fast an der Grenze des Möglichen geschehen oder über die Grenze hinausgegangen. Wir kennen doch die enorme Leistungsfähigkeit des marktwirtschaftlich fundierten dualen Systems der Berufsausbildung. Hier sind in den letzten zehn Jahren 500 000 zusätzliche Ausbildungsplätze bereitgestellt worden. Hier sind zugleich millionenfach qualifizierte und sichere Arbeitsplätze geschaffen worden. Weil das so ist, deshalb kämpfen wir von der Union dafür, daß dieses hochdifferenzierte und hochqualifizierte Berufsbildungssystem, um das wir in der ganzen Welt beneidet werden, mit seiner Praxisnähe auch erhalten bleibt.
Wir warnen deshalb mit aller Deutlichkeit nachdrücklich davor, die durch falsche politische Weichenstellungen begünstigten akuten Schwierigkeiten auf dem Lehrstellenmarkt unnötigerweise zu dramatisieren und erneut, wie bereits angedeutet, als Knüppel für eine Systemveränderung in der Berufsausbildung einzusetzen.
Herr Minister Engholm stellt die Ursache und die Wirkung auf den Kopf, wenn er jetzt anklagend vor die Wirtschaft tritt, um eine ausreichende Zahl von Ausbildungsplätzen quasi einklagen zu wollen. Die ständige Wiederholung der Vokabel „Ausbildungspflicht", die die Wirtschaft zu erfüllen habe, läßt darauf schließen, daß hier der Bundesbildungsminister auch weiterhin auf das völlig untaugliche Instrument einer Umlagefinanzierung zusteuern möchte, um damit endgültig die Autonomie der Betriebe in der Berufsausbildung an die Leine von Bürokraten und Funktionären zu legen.
({3})
- Ja eben, das Ergebnis haben Sie im Dezember 1980 erhalten, Herr Weisskirchen; das brauchen wir hier doch nicht zu wiederholen.
({4})
Statt die Betriebe ständig zu bedrängen und zu bedrohen, verehrter Kollege, sollten sich der Minister und natürlich auch Ihre Fraktion besser dafür einsetzen, daß endlich wieder eine erfolgreiche Wirtschafts- und Finanzpolitik betrieben wird.
({5})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Weisskirchen? - Bitte.
Herr Kollege Rossmanith, trifft es zu, daß das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 10. Dezember 1980 die Ausbildungsumlage ausdrücklich als ein richtiges und mögliches Instrument gewürdigt hat? Und trifft es zu, daß das Bundesverfassungsgericht darüber hinaus ganz ausdrücklich an die Ausbildungspflicht der Betriebe aller privaten und öffentlichen Arbeitgeber unabhängig von der Konjunkturentwicklung gemahnt hat?
({0})
Herr Kollege Weisskirchen, wir haben nie - Sie werden hier niemanden finden, der eine derartige Meinung geäußert hat - davon gesprochen, daß wir die Wirtschaft, daß wir alle, die ausbilden, nicht in die Pflicht nehmen wollen, Ausbildungs- und Lehrplätze zur Verfügung zu stellen. Nur wehren wir uns einfach dagegen, daß der wirtschaftliche Rahmen eingeschränkt und daß durch sonstige Rechtsgrundlagen ihnen die Möglichkeit entzogen oder es ihnen erschwert wird, Ausbildungsplätze weiterhin zur Verfügung zu stellen. Auf die Schwierigkeiten, die dadurch entstehen, wird im Anschluß an meine Ausführungen noch Frau Kollegin Dr. Wilms näher eingehen.
({0})
- Ja, bitte, lesen Sie doch das Urteil nach. Dann werden Sie finden, was darin über die Abgabe steht.
({1})
- Das müssen gerade Sie sagen, ich hätte das nicht gelesen. Lesen Sie bitte meine Reden nach, die ich hier zum Berufsbildungsförderungsgesetz gehalten habe.
Sie wollen j a immer von dem eigentliche Thema wegführen. Die 2 Millionen Arbeitslosen sollen ja kein Ergebnis der 12jährigen Regierungszeit der sogenannten sozialliberalen Koalition sein. Die fehlenden Ausbildungsplätze sollen ja auch kein Ergebnis sein, das diese Regierung zu vertreten hat - nein, daran ist die Opposition schuld, gerade so, als habe die Opposition diese Gesetzgebung zu verantworten, als habe in den vergangenen 12 Jahren die Opposition diese Rahmenbedingungen geschaffen.
So lautet Ihre Argumentation. Das finde ich sehr billig. Auf eine solche Argumentation brauchen wir hier gar nicht näher einzugehen.
({2})
Ein weiterer Punkt spielt mit in diesen Zusammenhang hinein. Ich möchte Herrn Minister Engholm auffordern, sich endlich dafür einzusetzen, daß sein Ministerium und das von ihm ausgehaltene Bundesinstitut für Berufsbildung die Wirtschaft nicht mit ständig neuen Auflagen und immer praxisferneren Ausbildungsordnungen „beglücken".
({3})
- Sie können es j a nachlesen; Entschuldigung, Herr Osswald.
({4})
Wir warnen aber auch davor, sich durch das 1982 und 1983 noch anhaltende hohe Niveau der Zahl der Schulabgänger - diese Gefahr wollen wir gar nicht negieren - den Blick auf die dramatische demographische Wende in den 80er Jahren verstellen zu lassen. Sie wissen: 1985 werden bereits 100 000 Jugendliche weniger in das duale System einmünden, und 1990 werden es bereits etwa 200 000 Jugendliche weniger sein. Darauf möcht ich den Minister oder, stellvertretend für diesen, Herrn Staatssekretär Kuhlwein hinweisen.
Ich bin der Meinung, anstatt hier eine solche Dramaturgie ablaufen zu lassen, wie Herr Weisskirchen dies versucht hat, sollten Sie sich lieber fragen, was eigentlich mit dem Personenkreis geschehen soll, dem Sie in den vergangenen Jahren so stark Ihre Aufmerksamkeit schenkten. Ich spreche damit die Akademiker, die Studenten, die Abiturienten an. Wer 50 % eines Altersjahrgangs mit dem Abitur beglücken wollte und die Abkoppelung des Bildungswesens von der Berufs- und Arbeitswelt bewußt betrieben hat, sollte heute Antwort auf die Frage geben, was mit den über 40 000 arbeitslosen Akademikern geschehen soll, die sich auf die politischen Verheißungen verlassen haben. In den Bereichen Philosophie, Pädagogik, Sozialwissenschaften, Jura und anderen vornehmlich geisteswissenschaftlichen Fakultäten studieren heute Hunderttausende, von denen die wenigsten wissen, wo und wie sie in den
nächsten Jahren in Wirtschaft und Verwaltung unterkommen sollen.
Wenn man den amtierenden Bildungsminister reden hört und sein „Spiegel"-Interview von dieser Woche nachliest, ist man fast geneigt anzunehmen, daß er diesem Zustand einen besonderen Akzent dadurch gibt, daß er meint, dies sei ein besonderer Grund zur Freude und eine besondere Leistung sozialdemokratischer Bildungspolitik.
Es wird auch ständig mit dem Begriff der sogenannten „Qualitätsverbesserung" operiert. Man meint mit „Qualitätsverbesserung", man könne den Jugendlichen einfach mehr Theorie zumuten, und schon liefe die Ausbildung wesentlich besser. Ich darf hier auf den bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß zurückkommen, der bei seinen Veranstaltungen immer unter großem Applaus darauf hinweist,
({5})
daß wir in der Bundesrepublik inzwischen viel zuviel Mundwerker und viel zuwenig Handwerker haben.
({6})
Wenn ich mir den Berufsbildungsbericht mit seinen umfangreichen Anlagen und etwa 12 cm Dicke ansehe, bin ich fast gewillt zu sagen: Wir haben nicht nur zu viele Mundwerker, wir haben auch zu viele Schriftwerker in dieser Regierung.
Der Deutsche Industrie- und Handelstag hat im Dezember 1980 in einem vierzehnseitigen Positionspapier „Berufsausbildung"
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Vogelsang?
Ja.
Herr Kollege Rossmanith, wenn Sie beklagen, daß der Berufsbildungsbericht zu umfangreich sei, wie verstehen Sie dann die Forderung von Herr Pfeifer, ihn in bestimmten Bereichen noch umfangreicher zu gestalten, was ich übrigens unterstütze?
({0})
Herr Vogelsang, da haben Sie den Kollegen Pfeifer mißverstanden. Er hat nicht gesagt, der Berufsbildungsbericht solle noch umfangreicher werden, sondern er hat gefordert, daß er hinsichtlich der Sachaussagen, der Inhalte noch etwas deutlicher und konstruktiver als bisher sein müsse. Jedenfalls geht es nicht an, uns ein Zahlenwerk und sonstiges in einer Höhe von mehreren Zentimetern zu bringen - ich habe das bereits erwähnt -, mit dem wirklich nichts mehr anzufangen ist.
({0})
Sie sollten einmal nachlesen, was der DIHT im Dezember 1980 zu dem Thema „Angriff auf das
duale Bildungssystem" gesagt hat. In diesem Positionspapier wird deutlich ausgeführt - Herr Kollege Weisskirchen hat heute j a sehr beklagt, daß wir in den Meinungen so stark differieren -, worin der Grund dafür liegt, daß im Lehrstellenbereich derzeit die bekannten Schwierigkeiten auftreten. Sie wissen ganz genau - ich brauche nicht einmal auf das Bundesinstitut für Berufsbildung zu verweisen -, daß ein Angriff auf das duale System nicht nur geplant, sondern schon voll im Gange ist. Gerade deshalb, Herr Staatssekretär Kuhlwein, weil wir Angriffe auf das duale System verhindern wollen, weil das duale Ausbildungssystem gefährdet ist, werden wir Augen, Ohren und den Mund nicht verschließen, sondern immer wieder, wenn es notwendig ist, laut und deutlich die Forderung erheben, zu einer vernünftigen Ausbildungspolitik zurückzukehren.
Der Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung wird nicht müde, z. B. ständig zu fordern, die Zahl der überbetrieblichen Ausbildungsplätze zu erhöhen. Er ist der Meinung, daß 77 000 überbetriebliche Ausbildungsplätze nicht ausreichten, sondern die Zahl auf 100 000 angehoben werden müsse. Jetzt haben wir ein 400-Millionen-Programm der Bundesregierung zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit vorliegen. Eines der Ziele des Programmes ist es, diese Zahl von 100 000 überbetrieblichen Ausbildungsstellen zu erreichen. Das bedeutet nichts anderes, als daß weiterhin der Weg von der praxisnahen Ausbildung hin zur schulischen Ausbildung beschritten wird.
Ich möchte Ihnen ein Beispiel anführen: den Einzelhandel. Es wird ganz konsequent darauf gedrängt, den zweijährigen Ausbildungsberuf des Verkäufers und der Verkäuferin wegfallen zu lassen
({1})
und nur noch den dreijährigen Ausbildungsberuf des Einzelhandelskaufmannes bzw. der Einzelhandelskauffrau vorzusehen. Ich bitte Sie, einmal zu überlegen, wen Sie damit eigentlich treffen. Sie sprechen oft von dem besonderen Personenkreis der Behinderten, Lernschwachen usw. Mit der Abschaffung solcher Ausbildungsordnungen, d. h. indem Sie mehr Theorie verlangen, nehmen Sie den Leistungsschwächeren jede Möglichkeit einer Ausbildung, weil sie - etwa Hauptschüler ohne Abschluß oder Sonderschüler - nicht in der Lage sind, einen derartigen Ausbildungsgang mit viel Theorie zu absolvieren.
({2})
Ich möchte deshalb zum Schluß den Bundesminister für Wirtschaft an dieser Stelle noch einmal auffordern - der Staatssekretär Grüner vom Bundesministerium für Wirtschaft war vorhin kurz hier, aber er ist in der Zwischenzeit wieder gegangen, und es ist bedauerlich genug, daß sich das Wirtschaftsministerium so wenig um die Berufsbildung kümmert,
daß es nicht für notwendig erachtet wird, in dieser Debatte hier vertreten zu sein -,
({3})
seiner gesetzlichen Aufgabe als Verordnungsgeber in dem von ihm zu verantwortenden Bereich von Ausbildungsberufen nachzukommen.
Wie will der Bundesminister für Wirtschaft sicherstellen - das frage ich ihn -, daß die Belange der Ausbildungsbetriebe hinreichend berücksichtigt werden, wenn deren Vertreter in den entsprechenden Gremien des Bundesinstituts restlos unterrepräsentiert sind? Wie stellt sich der Bundeswirtschaftsminister zu den Vorwürfen, daß die Berufsausbildung zunehmend verschult wird, daß die Berufsgrundbildungsj ahr-Anrechnungsverordnung nicht praxisgerecht ist und daß sich die Reformenergien des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft und des BIBB zunehmend auf eine Pädagogisierung der Betriebe konzentriert haben? Hält er es noch für verantwortbar, daß die Zahl der überbetrieblichen Ausbildungsplätze in den nächsten Jahren um 50 % aufgestockt wird, obwohl sich die Zahl der Auszubildenden bis Ende der 80er Jahre nahezu halbiert haben wird?
Ich habe auch durchaus Verständnis dafür, daß gerade der Bundeswirtschaftsminister Lambsdorff in der gegenwärtigen kritischen Wirtschaftslage viele andere Probleme mit zu lösen hat. Mir ist auch durchaus bewußt, daß sein Eingehen auf meinen Appell für ihn mit Sicherheit neuen koalitionspolitischen Ärger ergeben würde. Der Bundeswirtschaftsminister sollte aber bei allen tagespolitischen Erfordernissen mit bedenken, daß in der Berufsausbildung heute mehr denn je Entscheidungen von langfristiger politischer Tragweite gefällt werden. Er sollte endlich zur Kenntnis nehmen, daß unter aktiver Einflußnahme des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft und des Präsidenten Schmidt vom BIBB heute ordnungspolitisch irreparable berufspolitische Entscheidungen gefällt werden, unter denen das duale System der Berufsausbildung spätestens in der zweiten Hälfte der 80er Jahre nicht mehr lebensfähig sein wird.
Der Bundesminister für Wirtschaft muß jetzt endlich seiner Verantwortung gerecht werden, auf die wir ihn bereits seit Jahren hinweisen. Er muß verhindern, daß die verhängnisvolle bildungspolitische Fehlentwicklung der 70er Jahre in den 80er Jahren auch das duale Berufsbildungssystem mit ergreifen kann. Das ist eine Aufforderung und ein Erfordernis, das nicht nur unsere Wirtschaft, sondern vor allem auch die jungen Menschen, die Arbeitnehmer betrifft, die wir vor Schaden, vor Zukunftsängsten, vor Resignation bewahren wollen. - Herzlichen Dank.
({4})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schätz.
Frau Präsidentin! Verehrte Damen! Meine Herren! Wer den Berufsbildungsbericht aufmerksam studiert, der kommt im Hinblick auf die Ausstattung mit Ausbildungsplätzen in der BundesSchätz
republik nicht umhin, festzustellen, daß der Rückgang des Angebots deutlich größer als die Nachfrage ist und daß für 1981 in jedem dritten Arbeitsamtsbereich das Angebot kleiner als die Nachfrage ist. Ich empfinde es als noch schlimmer für die Jugendlichen, daß in drei Vierteln aller Arbeitsamtsbezirke die Berufswahlmöglichkeiten und die Ausbildungschancen schlechter geworden sind, obwohl die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen weiter hoch bleiben und gegenüber 1981 'auch noch wesentlich steigen wird.
Es ist vorhin darüber gesprochen worden, daß sich die Jugendlichen hinsichlich ihrer Berufswünsche etwas dem Markt anpassen müßten. Ich kann nur sagen: Die Berufswünsche der Jugendlichen sind nicht überzogen, und sie orientieren sich weitgehend an den Möglichkeiten in der Region. Dort liegt eben das Problem. Wo haben wir in den einzelnen Regionen das Angebot, das wir brauchen, damit sich die Jugendlichen wenigstens das an Ausbildung im Bereich ihrer Region ermöglichen können, was sie sich vorgestellt haben?
Die Aussagen im Berufsbildungsbericht lassen leider erkennen, daß nur ein Drittel der Bewerber ihren Berufswunsch hat verwirklichen können. Von den anderen haben 23 % keine Ausbilungsstelle im gewünschten Beruf gefunden.
1980, so weist der Bericht aus, haben 90 % der produzierenden mittelständischen Betriebe gesagt, daß sie einen Facharbeitermangel hätten. Mehr als 50 % der Betriebe haben festgestellt, dadurch würde die Auftragsabwicklung verzögert, die Fertigungskapazitäten würden nicht genutzt und spürbare Umsatzeinbußen seien damit verbunden gewesen. Trotzdem - und das ist für mich unbegreiflich - bilden nur 50 % der Betriebe mit Facharbeitermangel selbst aus. Im Zusammenhang mit den jetzigen Schwierigkeiten, hinreichend Ausbildungsplätze bereitzustellen, kann ich da nur sagen: Das ist jetzt die Bewährungsprobe für das duale System, das auch wir wollen. Jetzt haben wir die Bewährungsprobe, jetzt sind die Kammern gefordert, zu zeigen, was sie können, was das duale System leisten kann.
({0})
Es gibt eine Reihe von Gruppen in der Gesellschaft, denen man ein besonderes Augenmerk zuwenden muß. Das wird auch in dem Berufsbildungsbericht deutlich. Ich nenne hier die jungen Frauen im Beruf. Es zeigt sich, daß 60 % der unversorgten Bewerber um einen Ausbildungsplatz Mädchen sind. Das ist eine deutliche Benachteiligung in dieser Gesellschaft.
Der Anteil junger Frauen an der Berufsbildung, der 1973 35% betrug, ist im Laufe der letzten sieben Jahre nur um 3 % auf 38 % gestiegen. Da kann man schon gar nicht mehr von Erhöhung reden. Das sind j a schon Prozentzahlen, die unter die Vernachlässigungsschwelle fallen. Deshalb meine ich, daß die Entscheidung des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft richtig war, 1981 das Modellprogramm zur Erweiterung der Ausbildungs- und Berufsmöglichkeiten für Frauen fortzusetzen. Ich begrüße das ausdrücklich.
({1})
Es zeigt sich auch im Rahmen dieser Programme, daß die Ausbildung junger Frauen in gewerblichtechnischen Ausbildungsberufen weitgehend reibungslos verläuft, wie ich das j a auch selbst im Laufe meiner beruflichen Praxis erfahren konnte, und daß die Frauen sich langsam Gott sei Dank von dem herkömmlichen Rollenverständnis lösen können, das sie daran gethindert hat, es den Männern in der gewerblichen Wirtschaft gleichzutun. Alle jungen Frauen mit gewerblich-technischer Berufsausbildung, die das wünschten, haben auch einen ausbildungsgerechten Arbeitsplatz als Facharbeiterin erhalten. Ich begrüße es ausdrücklich, daß darüber hinaus 20 % noch eine Weiterbildung aufgenommen haben.
Eine weitere Gruppe, die - auch aus Anlaß der Vorlage des Berufsbildungsberichtes - immer mehr in unser Blickfeld rücken muß, sind behinderte Jugendliche in der Ausbildung. 52 %, d. h. jeder zweite behinderte Jugendliche, sind lernbehindert. 16 % sind körperbehindert mit starker Bewegungseinschränkung. 13 % sind hör- und sprachbehindert. Trotzdem - das ist eine außerordentliche Leistung - haben 90% der behinderten Auszubildenden die Prüfung bestanden. Das ist, so meine ich, eine Leistung.
({2})
Da stellt sich doch für uns die Frage: Wo bleiben diese jungen Menschen nach der Ausbildung? Für mich ist es beruhigend, zu wissen, daß 67 % im Ausbildungsbetrieb bleiben und arbeiten können und daß 23 % in einen anderen Betrieb wechseln, aber auch dort, wie man sieht, ihrer Aufgabe gerecht werden. 3 % sind sogar noch in der Lage, Weiterbildung zu betreiben. Man muß allerdings - obwohl es nur eine kleine Zahl ist - auch sehen, daß leider 5 % arbeitslos bleiben oder nicht erwerbstätig werden.
Hier spreche ich dem Handwerk Anerkennung aus. Die Mehrzahl der behinderten Jugendlichen wird im Handwerk ausgebildet, wie überhaupt das Handwerk, wie mir scheint, immer wieder deutlich hervorzuheben ist, was die Qualität der beruflichen Bildung anbelangt.
({3})
Das mag natürlich auch daran liegen, daß der Handwerksmeister unmittelbaren Kontakt hat.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter?
Herr Kollege Schätz, gestatten Sie eine Zwischenfrage: Wie deuten Sie die Aussage Ihres Kollege Weinhofer, die er hier von gleicher Stelle aus vor einem Jahr gemacht hat, wonach es sich eine Industrienation wie die Bundesrepublik Deutschland doch nicht leisten könne, daß 60 % der Ausbildungsplätze im Handwerk angeboten würden, davon ein Großteil in perspektivlosen, zukunftsunsicheren Berufen?
Da sehe ich überhaupt keinen Widerspruch, und zwar deshalb nicht, weil das keine Frage der Qualität, sondern eine Frage der Perspektiven ist. Es gibt einen Slogan in der Bevölkerung, der lautet: Die größte Bäckerei der Bundesrepublik sind die VW-Werke. - Vielleicht verstehen Sie, was ich damit meine: Es hat keinen Sinn, dort auszubilden, wo keine berufliche Zukunft besteht. Das hat mit der Qualität der Ausbildung selbst überhaupt nichts zu tun. Aber es ist die Aufgabe von uns Politikern, dafür zu sorgen, daß dort ausgebildet wird, wo wir einen Bedarf haben.
({0})
Am Schluß, was die Behinderten betrifft, eine für mich bedauerliche Feststellung: Nur 2 % aller Ausbildungsbetriebe bilden Behinderte aus. Ich meine, das ist nicht vorbildlich, und es ist noch viel zu tun, damit man sagen kann: Auch hier werden die Aufgaben ernst genommen. Deshalb ist es die zentrale Aufgabe der 80er Jahre, für eine Erweiterung und Verbesserung der beruflichen Ausbildungsmöglichkeiten für behinderte Jugendliche zu sorgen.
Eine Zukunftsaufgabe, wenn nicht eine Zerreißprobe für die berufliche Bildung wird es sein, dafür zu sorgen, daß auch ausländische Jugendliche eine Berufsausbildung in der Bundesrepublik bekommen, denn der Anteil der Ausländer unter 15 Jahren an der ausländischen Wohnbevölkerung ist von 1974, wo es noch 18 % waren, gleichmäßig auf 24 % im Jahre 1980 gestiegen. Von den ausländischen Kindern unter 15 Jahren - das müssen wir auch zur Kenntnis nehmen - sind die meisten hier geboren oder im Vor- oder Grundschulalter eingereist. Hier sind wir verantwortlich, dafür zu sorgen, daß sie auch eine Berufsausbildung bekommen.
({1})
- Das habe ich jetzt nicht verstanden; welche Eltern?
({2})
- Sicher, das ist auch eine Aufgabe, die wir - wie so viele Aufgaben im Zusammenhang mit der Ausländerproblematik - aus einer Zeit übernommen haben, in der wir politisch allerdings noch nicht die Verantwortung getragen haben.
({3})
Jedenfalls sehen wir, daß wir verpflichtet sind, nachdem die Möglichkeiten gegeben sind, durch Früheingliederung in das deutsche Schulsystem hier nach einer Lösung zu suchen. Das ist eine Aufgabe, die in der Zukunft vorrangig gelöst werden muß. Aber was ist das größte Hindernis bei der Ausbildung? Die Jugendlichen sagen: Sprachschwierigkeiten, fehlender Schulabschluß, ungenügende Information. Deshalb sind auch 15 000 jugendliche Ausländer in Maßnahmen zur Berufsvorbereitung und sozialen Eingliederung aufgenommen worden; das Stichwort MBSE ist ja hier allgemein bekannt.
Noch einige Zahlen, die andeuten, was da noch auf uns zukommt: Der Anteil der Ausländer am Berufsvorbereitungsjahr ist von 1975/76 von 1 % auf 11 % im Jahre 1980/81 gestiegen. Das, meine ich, ist ein Fortschritt und deutet an, daß die jungen Ausländer bildungswillig sind und sich in unser berufliches Bildungssystem integrieren wollen. Das möchte ich hier ganz deutlich sagen.
({4})
Das ist aber auch eine Mahnung an uns, denn diese Steigerung wird uns deutlich zeigen, welche Aufgaben auf uns zukommen. Bei den Übergängen in das duale System müssen wir für 1981 eine Verdoppelung des Anteils ausländischer Jugendlicher feststellen. Auch das zeigt das Interesse der ausländischen Jugend für unser berufliches Bildungssystem.
Der Anteil ausländischer Schüler an beruflichen Schulen ist 1980/81 um 35 % gestiegen. Das müßten für uns Bildungspolitiker, meine ich, Alarmzahlen ersten Ranges sein, die uns verpflichten. Dabei ist besonders deutlich herauszustellen, daß der Anteil türkischer Jugendlicher an der Zahl ausländischer Schüler, soweit es berufliche Schulen betrifft, 1970 11 % betrug, zehn Jahre später 43 %, ein Jahr später, nämlich 1981, 53 %. In zehn Jahren betrug also der Zuwachs 30 % und jetzt in einem Jahr allein 10 %. Das, meine ich, sollten wir uns merken.
({5})
Dabei ist es so, daß 40 % der berufschulpflichtigen Ausländer der Schulpflicht noch gar nicht nachkommen. Das liegt wohl auch daran - ich sehe den Kollegen im Augenblick nicht, der den Zwischenruf gemacht hat -, daß bestimmte Jugendliche dann einfach nicht mehr aus dem Haus gelassen werden.
Ich meine, da erübrigt sich die Frage, wo überhaupt die Zukunftsaufgaben beruflicher Bildung liegen. Ich danke deshalb dem Bundesminister für Bildung und Wissenschaft und ausdrücklich auch dem Bundesinstitut für berufliche Bildung für diese wichtige Arbeit, die auch in diesem Jahr wieder vorgelegt worden ist.
({6})
Diese Zahlen verdeutlichen erst die Bedeutung des sogenannten Benachteiligtenprogramms für die Hauptschulabgänger ohne Abschluß, die Sonderschüler und für junge Ausländer ohne Ausbildungsplatz. Ich fordere deshalb den Bundesminister für Bildung und Wissenschaft ausdrücklich auf, auf diesem Wege fortzufahren.
In bezug auf den Antrag der CDU/CSU, der hier vorliegt, halte ich es für notwendig, doch noch einige Anmerkungen zu machen. In Drucksache 9/1444 heißt es unter Ziffer 2:
Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, nicht durch die Fortsetzung einer einseitigen Informationspolitik über die Zahl und die Qualität der Ausbildungsplätze die ... Wirtschaft ... zu verunsichern ...
Da kann ich bloß sagen: Jetzt bekommen Sie wohl
langsam Angst vor der eigenen Courage; denn vorher haben Sie immer gesagt: Die Wirtschaft ist in
der Lage, das Problem zu meistern. Ich denke das auch. Aber dann brauchen Sie nicht diese Ziffer zu schreiben. Das kommt mir vor, wie wenn jemand in der Dunkelheit schreit, weil er Angst hat.
({7})
- Wir wollen hier j a nicht über Schwarz und Rot philosophieren.
In Ziffer 3 heißt es:
Der Deutsche Bundestag ersucht die Bundesregierung, bei der Jugend für eine größere Flexibilität hinsichtlich ihrer Berufswünsche zu werben, ..
Da kann ich nur sagen: Wenn wir von Gleichwertigkeit beruflicher Bildung reden, wenn jeder junge Mensch die Chance hat, sich die Schule auszusuchen, die er will, dann wird es langsam Zeit, auch dafür zu sorgen, daß jeder junge Mensch den Beruf erlernen kann, den er will. Insofern wird wohl die Flexibilität etwas einzuschränken sein.
({8})
- Das glaube ich nicht. Aus der Sicht der Jugendlichen gehe ich beileibe nicht an der Realität vorbei.
Jetzt komme ich zur Ziffer 4 Ihrer Vorlage. Dort heißt es:
Für die unternehmerische Planung auch von Ausbildungsplätzen sind möglichst zuverlässige Prognosen Vorbedingung.
Das will ich nicht bestreiten. Ich sage Ihnen aber eines: Wenn Sie nur die unternehmerische Planung sehen, dann sehen Sie ein Stück zuwenig; denn ich bin der Meinung, daß auch die Lebensplanung junger Menschen angemessen zu berücksichtigen ist, daß auch die jungen Menschen eine Sicherheit brauchen, welche Lebenschancen sie haben. Auch das ist mit einzubeziehen.
({9})
Sie sehen nämlich immer nur mit den Augen der Unternehmer. Das scheint mir ein bißchen zuwenig zu sein.
In den Nachrichten der CSU-Landesgruppe vom 5. März wird der Angriff auf das Bundesinstitut für berufliche Bildung und die Gewerkschaften gestartet. Ich kann Ihnen dazu nur sagen: Unternehmer und Lohnabhängige haben ein gleiches Interesse an einer guten Ausbildung, nämlich wegen der Konkurrenzfähigkeit sowohl der Unternehmen als auch der Arbeitskräfte selber; denn auch die müssen schauen, daß sie konkurrenzfähig bleiben. Für Sozialdemokraten ist es selbstverständlich, daß sich die Unternehmer in der beruflichen Bildung engagieren. Darüber brauche wir uns nicht zu unterhalten. Das duale System wird von uns akzeptiert. Bloß scheint mir, daß für die CSU die Mitwirkung der Gewerkschaften in der beruflichen Bildung offensichtlich nicht selbstverständlich ist; denn die Gewerkschaf ten sind ja der Watschenmann von Strauß. Das kann man hier, glaube ich, ruhig so salopp sagen. Jede Gelegenheit wird genutzt, und sei es die Vorlage des Berufsbildungsberichts.
In diesen CSU-Nachrichten heißt es dann im Text, es sei zu befürchten, daß Instrumente zur angeblichen Qualitätsverbesserung über Gewerkschaften die berufliche Bildung reglementieren. Dazu kann ich Ihnen nur sagen, es ist ein Schattenboxen, das Sie hier machen, wenn Sie sagen, es werde gegen die Interessen der Wirtschaft gearbeitet. Der Wirtschaftsminister oder das Wirtschaftsministerium hat die Interessen der Wirtschaft zu vertreten und vertritt sie auch. Der Hauptausschuß beim Bundesinstitut für berufliche Bildung vertritt alle Gruppen, nämlich die Kammern, die Gewerkschaften und auch die Bundesländer. Es ist also von vornherein bei der Vorlage von Ausbildungsordnungen eine Ausgewogenheit sichergestellt. Im Gegenteil, die Wirtschaft kommt sogar und sagt: Macht eine neue Ausbildungsordnung, damit wir wieder auf dem letzten technischen Stand sind.
Ich bin in der Lage, Ihnen hier die Stellungnahme der Wirtschaft aus der damaligen Anhörung zum Berufsbildungsgesetz vorzulesen, wo es heißt, die Erhaltung des Verfahrens zur Abstimmung von Ausbildungsordnungen und Rahmenplänen spreche für das Institut für Berufsbildung als einfachste Lösung. Als einfachste Lösung! Und weiter wörtlich:
Auch für die Sicherstellung der Arbeitskontinuität spricht insbesondere die Erhaltung des Verfahrens zur Abstimmung von Ausbildungsordnungen und Rahmenlehrplänen. Eine bessere durchsetzbare Alternative ist nicht erkennbar.
Das sagt die Wirtschaft, und Sie stellen sich hin und erklären, das sei falsch!
({10})
Ich komme zum Ende, Frau Präsidentin. Die Bundesregierung hat sich verpflichtet, keine Ausbildungsordnung zu erlassen, der nicht alle Beteiligten zugestimmt haben. Das möchte ich hier ganz deutlich feststellen. Was die Ausbilder-Eignungsverordnung betrifft, so wird hier selbstverständlich für jeden qualifizierten Ausbilder eine Chance gelassen. Die Nachfrage nach Weiterbildung für Ausbilder ist gestiegen. Das zeigt, daß die Ausbilder-Eignungsverordnung nur noch auf eine Grundqualifikation zielt und nicht einmal das verlangt, was heute schon üblich ist. Wenn es Probleme gibt, dann nur noch im Einzelhandel und im Hotel- und Gaststättengewerbe. Das Handwerk hat sein Problem gelöst, nämlich mit dem Qualitätsmerkmal: „Dieser Betrieb bildet aus". Ich kann nur hoffen, daß es auch dem Hotel-und Gaststättengewerbe und dem Einzelhandel gelingt, diesem Beispiel zu folgen.
({11})
Das Wort hat Frau Abgeordnete von Braun-Stützer.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Im Ausschuß für Bildung
und Wissenschaft haben wir aus gutem Grund beantragt, daß der Berufsbildungsbericht im Plenum beraten werden sollte. Die zunehmend bedenklicheren Zahlen auf dem Ausbildungsstellenmarkt beweisen die Notwendigkeit der öffentlichen Debatte dieses Problems, das manche Bürger, aber auch Politiker immer noch nicht ernst genug nehmen bzw. beschönigen.
Nehmen wir z. B. die Stellungnahme von Ihnen, Frau Dr. Wilms. Es tut mir leid, ich schätze sonst Ihre sachliche Art zu diskutieren sehr, aber in dieser Frage wollte ich doch einmal erwidern. Sie sagen in Ihrer Stellungnahme vom 18. Februar, auf dem Ausbildungsstellenmarkt bestünde kein Anlaß zur Dramatisierung, wenngleich eine gewisse quantitative Verschlechterung nicht zu übersehen sei. Oder nehmen wir die Erklärung des hochverehrten Kollegen Kurt Rossmanith zur Reaktion des DGB auf den Berufsbildungsbericht. Auch hier wird überhaupt nicht auf die tatsächlichen Probleme und Fehlzahlen eingegangen. Durch beide Erklärungen - auch die Redebeiträge heute beweisen das - geistert nicht etwa die völlig berechtigte Angst vor den gefährlichen gesellschaftspolitischen Auswirkungen eines ungenügenden Ausbildungsstellenangebots. Was wir in beiden Erklärungen und auch in den heutigen Redebeiträgen statt dessen immer wieder antreffen, ist das inzwischen reichlich angejahrte und hinfällige Gespenst der Gefährdung des dualen Systems der Berufsausbildung.
({0})
Ich freue mich darüber, daß diese Angst in der ausbildenden Wirtschaft seit längerem deutlich nachgelassen hat, und ich ermuntere die Gralshüter dieser Angst im Hohen Hause, sich dieser erfreulich-nüchternen Betrachtungsweise der ausbildenden Wirtschaft anzuschließen.
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Meine Damen und Herren, die wichtigsten Zahlen wurden bereits angesprochen. Der FDP-Fraktion erschien von besonderer Bedeutung, daß der Bund bei diesem Problem mit gutem Beispiel vorangehen müsse. Wir begrüßen es, daß die Bundesregierung zugesagt hat, die Zahl der Ausbildungsstellen im öffentlichen Dienst des Bundes und in den bundeseigenen Industrieunternehmen zu steigern, auch über den eigenen Bedarf hinaus - das erschien uns besonders wichtig. Für die Bildungs- und Haushaltspolitiker heißt dies, daß wir die Mehranforderungen in diesem Bereich bei den demnächst beginnenden Haushaltsberatungen 1983 mitberücksichtigen müssen. Wir haben eine Entschließung zur Ausbildungsstellensituation eingebracht, weil wir mit gutem Beispiel und wachem Auge - auch gegenüber der eigenen Regierung - vorangehen wollten, wenn wir an die ausbildende Wirtschaft appellieren, ihre Ausbildungsanstrengungen zu verstärken.
Der Kollege Neuhausen hat schon darauf hingewiesen, daß die bisherigen Ausbildungsleistungen der Wirtschaft ausdrücklich anzuerkennen und zu würdigen sind. Aber die anstehenden geburtenstarken Jahrgänge erfordern nun einmal ein ganz erhebliches Mehr. Es ist nicht daran vorbeizudiskutieren, daß sich die Zahl der Arbeitsamtsbezirke, in denen das Angebot unter der Nachfrage lag, von 20 im Jahre 1980 auf 45 im Jahre 1981 mehr als verdoppelt hat. Diesem Problem kommt man, befürchte ich, schon gar nicht bei, wenn man es als vorübergehenden Engpaß bezeichnet, wie in der Erklärung von Frau Dr. Wilms zu lesen ist.
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Die rein quantitativen Probleme sind bedauerlich genug; sie sehen noch schlimmer aus, wenn wir differenzieren. Noch immer bedauerlich hoch ist der Anteil von Mädchen und jungen Frauen, die ohne Ausbildungsplatz bleiben. Aus persönlicher Kenntnis einiger Flächenkreise heraus befürchte ich, daß der tatsächliche Bedarf an Ausbildungsstellen für junge Mädchen hier in Wirklichkeit viel größer ist, als er aus den angemeldeten Bedarfszahlen herauszulesen ist. Dort, wo die Ausbildungsstellensituation ohnehin sehr schwierig ist, nämlich in rein ländlichen Gebieten mit weniger entwickelter Infrastruktur, sind eben auch die tradierten männlichen und weiblichen Rollenbilder sehr viel verwurzelter. Wenn der Sohn und auch die Tochter keinen Ausbildungsplatz bekommen, wird es beim Sohn nach wie vor als viel schlimmer angesehen. Denn die Tochter kann sich ja, wie man so schön sagt, zu Hause nützlich machen.
Ein ebenso großes, wenn nicht sogar explosiveres Problem ist die Situation der Kinder unserer ausländischen Arbeitnehmer; auch hierauf ist mehrfach abgehoben worden. Über die Ursachen und vermutlichen Wirkungen dieser Entwicklung haben wir hier im Hause vor einigen Wochen ausführlich beraten. Deshalb möchte ich hier nur einige wenige Punkte anmerken.
Das Hauptproblem, die Sprachschwierigkeiten, wird von Ländern und Gemeinden inzwischen sehr viel gründlicher angegangen; das muß hier ausdrücklich anerkannt werden. Der Sprachunterricht wurde inzwischen quantitativ und qualitativ verbessert, wie ich aus einigen Bundesländern erfahre. In manchen Städten und Gemeinden entsteht inzwischen - unauffällig und effektiv - sehr viel Beispielhaftes, wenn es um Integrationsangebote geht. Man sollte auch durchaus nicht übersehen, daß diejenigen Kinder unserer türkischen Arbeitnehmer, die hier geboren sind und alle Bildungswege von Anfang an und in gemischten Klassen durchlaufen haben, im Ausbildungsstellenmarkt offensichtlich bessere Eingangsmöglichkeiten haben als die sogenannten Seiteneinsteiger, die erst mit 14 Jahren aus der Türkei kommen und die fehlenden Kenntnisse praktisch nicht mehr aufholen können.
Ein weiterer kleiner Hoffnungsschimmer ist wohl daraus abzuleiten, daß manche Realschulen inzwischen einen steigenden Anteil an Türkenkindern haben. Diese kleinen, positiven Signale sollten nicht über die tatsächlich dramatische, viel schlechtere Ausbildungsstellensituation für unsere Ausländerkinder hinwegtäuschen. Sie beweisen aber, daß es sich lohnt, in ein quantitativ und qualitativ verbessertes Bildungsangebot für Ausländerkinder mehr zu investieren.
Es wäre kurzsichtig, wenn wir bei der Debatte über die Ausbildungsstellensituation nur die quantitativen Aspekte und nicht auch die ebenso wichtigen qualitativen Erfordernisse diskutieren würden. Das beginnt schon bei der Bewertung und inhaltlichen Ausfüllung des 10. Hauptschuljahres. Wenn das 10. Hauptschuljahr in allen Bundesländern zu einem attraktiveren Angebot gemacht würde, dann würde allein schon dies eine spürbare Entlastung auf dem Ausbildungsstellenmarkt schaffen.
({3})
Wenn die inhaltliche Ausgestaltung des 10. Hauptschuljahres außerdem überall mehr praxisbezogen wäre und mehr auf die Berufswahl vorbereitete, dann würde es den Schülern mit Sicherheit auch mehr Freude am Lernen vermitteln. Wir appellieren deshalb an die Länder, ihre Bemühungen hier zu verstärken und das 10. Hauptschuljahr zu einem wirklich attraktiven Angebot weiterzuentwickeln.
({4})
Der Appell richtet sich aber auch an die ausbildenden Betriebe und Verwaltungen. Solange es so ist, daß Hauptschüler auf der Suche nach Ausbildungsstellen häufig noch als Anwärter zweiter Klasse angesehen werden, wird die Hauptschule ungerechterweise weiterhin als Restschule angesehen werden. Erfreulicherweise mehren sich inzwischen die ausbildenden Betriebe, die dieses Problem erkannt haben und Hauptschülern größere Chancen einräumen als bisher.
Ein weiteres Problem sind die Eingangsprüfungen der Betriebe, die zwar notwendig sind, aber in ihrer Durchführung teilweise zu Recht kritisiert werden. Es ist unbestritten das Recht jedes ausbildenden Betriebes, seine Eingangsprüfungen nach eigenen Vorstellungen zu entwickeln. Aber bei nüchterner Betrachtungsweise muß man feststellen, daß noch so ausgetüftelte Tests eine wirklich objektive Einschätzung und Auswahl von Bewerbern auch nicht wahrscheinlicher machen.
Umgekehrt stellt sich die Frage, ob bei derlei ausgefeilten Eingangsprüfungen nicht zu viele auf der Strecke bleiben, die sehr wohl für eine Ausbildung geeignet wären. Nehmen Sie z. B. die Bewerbung von Mädchen und jungen Frauen für den gewerblich-technischen Bereich. Weil sie nicht die gleichen schulischen, nämlich technisch-naturwissenschaftlich orientierten Voraussetzungen haben, fallen sie bei der Eignungsprüfung durch, obwohl sie für die Ausbildung und den Beruf möglicherweise besser geeignet wären als der männliche Bewerber. Das nur als ein Beispiel.
Es ist im Rahmen dieser Debatte leider nicht möglich, alle qualitativen Aspekte der beruflichen Bildung zu behandeln. Deshalb nur noch eine grundsätzliche Anmerkung: Wirtschaft und Politik beklagen immer wieder - es hört sich schon fast lithurgisch an - die fehlende Gleichwertigkeit der beruflichen Bildung. Wir alle wissen, daß wir ab Mitte der 80er Jahre mit einem Fachkräftemangel zu rechnen haben werden und die quantitative und qualitative Ausstattung der beruflichen Bildung deshalb noch attraktiver werden muß. Sie ist unbestritten - das
muß ausdrücklich anerkannt werden - auf einem der höchsten Standards aller Industriestaaten, und viele Nachbarländer beneiden uns um diesen Standard.
Aber die wirkliche Gleichwertigkeit der beruflichen Bildung wird erst dann Tatsache sein, wenn das Beschäftigungs- und Besoldungssystem sie auch wirklich gleichwertig behandelt. Womit ist eigentlich noch zu begründen - um ein Beispiel zu nennen -, daß ein Berufsberater für Hauptschüler weniger verdient als ein Berufsberater für Studenten? Allein dieses Beispiel zeigt, wie weit entfernt wir im Alltag von der Gleichwertigkeit der beruflichen Bildung sind.
({5})
In Wirklichkeit liegt da nämlich der Hund begraben und nicht in der Bildungswerbung. Das ist der Kasus knaxus. Solange wir dieses Problem nicht ernsthaft in Angriff nehmen, sondern nur deklamatorisch - sowohl die Politik wie auch die Wirtschaft wie auch der öffentliche Dienst -, wird eine akademische Ausbildung immer attraktiver bleiben.
({6})
- Nein, das Beschäftigungssystem der privaten Wirtschaft hat durchaus seine eigenen Regeln, worauf Sie besonderen Wert legen.
({7})
- Wenn Sie genau zugehört hätten, statt schon dazwischenzureden, bevor ich zu Ende war, hätten Sie mitgekriegt, daß ich das öffentliche Dienstrecht mit gemeint habe. Dafür müssen auch Sie in Ihrer Fraktion Mehrheiten schaffen - um das einmal ganz klar zu sagen.
({8})
- Ich habe auf dieses Problem hingewiesen und gesagt: Wenn wir dieses Problem in den Griff kriegen wollen, dann müssen alle drei Fraktionen, auch Sie, wenn Sie es für richtig halten, die Mehrheit in ihren Reihen dafür gewinnen.
({9})
Dann müssen alle drei Fraktionen eine Änderung
der Ansichten in diesem Hause dazu herbeiführen.
({10})
Ich erteile das Wort der Frau Abgeordneten Dr. Wilms.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir reden heute hier über die Ausbildungssituation. Aber ich glaube, die vorange5536
gangenen Beiträge haben klar gezeigt, daß wir auch über die Beschäftigungs- und Wirtschaftssituation reden müssen. Und wenn Sie, Frau Kollegin von Braun-Stützer mich eben angesprochen haben, weil ich gesagt habe, die Situation auf dem Ausbildungsmarkt habe sich noch nicht dramatisch verschlechtert, dann muß ich sagen: Die Situation in der Wirtschaft hat sich durch die Politik der Bundesregierung dramatisch verschlechtert. Wenn die Jugend heute Angst hat - und ich stimme Ihnen zu: Jugend hat heute Zukunftsangst -, dann hat sie aber insgesamt Angst vor ihrer Zukunft, dann hat sie insgesamt Angst im Hinblick darauf, welche beruflichen Möglichkeiten sie noch hat, welche Chancen ihr überhaupt noch gegeben sind. Das ist eine Angst, die wir alle miteinander beklagen, die aber wir als Opposition - das möchte ich doch einmal sehr deutlich sagen - sicherlich am allerwenigsten hier zu vertreten haben.
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Wenn hier eben vom Kollegen Weisskirchen gesagt wurde - ich glaube, Sie waren es; oder es war ein anderer Kollege von Ihrer Fraktion? -, warum wir denn nicht einen gemeinsamen Antrag miteinander verabschiedeten, dann kann ich nur sagen: Sie sind es doch, die die Punkte in unserem Antrag, die auf die schlechte Wirtschaftslage hinweisen, nicht mittragen wollen, weil Sie nicht gerne an diese Mitverantwortung für die Ausbildungslage erinnert werden wollen.
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Die Zahlen liegen auf der Hand. Kollege Pfeifer hat es schon gesagt. Wenn wir im vergangenen Jahr rund 11 500 Konkurse zu verzeichnen hatten und wenn wir annehmen, daß an jedem dieser Betriebe zwei Ausbildungsplätze hängen, dann ist das eben eine große Zahl von Ausbildungsplätzen, die durch die Konkurse, durch die schlechte Wirtschaftslage nicht besetzt werden können. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß Konjunktur- und Strukturkrisen auf den Ausbildungsmarkt durchschlagen. Das bringt natürlich jetzt auch Probleme mit sich, weil - das ist ein Charakteristikum des dualen Systems - das duale System nicht konjunkturneutral, sondern von der allgemeinen konjunkturellen und strukturellen Lage abhängig ist.
Lassen Sie mich einmal in allem Ernst sagen: Wir sollten uns das Charakteristikum des dualen Systems, zum Beschäftigungssystem und zur allgemeinen Strukturlage in enger Verbindung zu stehen, erhalten, denn sonst kommen wir auch im Bereich der gewerblichen und kaufmännischen Ausbildung zu einer Abkoppelung zwischen Bildungs- und Beschäftigungssystem. Was das bedeutet, sehen wir zur Zeit an den vielen tausend arbeitslosen Lehrern, die keine Zukunftschance haben.
Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Weisskirchen?
Bitte schön.
Frau Dr. Wilms, ich habe vor wenigen Tagen eine Analyse des Kölner Instituts für Mittelstandsforschung über Zusammenbrüche von Betrieben gelesen. Stimmen Sie dem Ergebnis dieser Studie zu, daß Zusammenbrüche zu über 70 % auf Grund eindeutiger Fehler des Managements auftreten, und würden Sie auf Grund dessen auch zustimmen, daß wir alles tun müssen - auch das Bundesverfassungsgericht hat das als unsere Pflicht und die Pflicht der ausbildenden Betriebe festgestellt -, um die Ausbildung von der Konjunktursituation unabhängig zu machen?
Auf den letzten Punkt komme ich sofort. Fehler des Managements spielen sicherlich eine Rolle. Der Grund für Zusammenbrüche sind eine miserable Konjunktur- und eine ganz schlechte Wirtschaftslage. Wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen, dann schlagen gewisse Fehler eines Managements möglicherweise auch voll durch.
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Sie können diesen Zusammenhang nicht damit abweisen, indem Sie sagen: Da ist ein einzelner Betrieb schuld, da ist ein Vorstandsmitglied schuld, da ist eine Unternehmensleitung schuld, wenn es zu einer Pleite kommt. Die Grundursache für die Pleiten, die wir zur Zeit leider, kann ich nur sagen, erleben, liegt darin, daß die gesamte wirtschaftliche Lage nicht mehr stimmt.
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Zuruf von der CDU/CSU: Die Regierung ist
schuld!)
Frau Abgeordnete, gestat-tem Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Rossmanith.
Bitte schön.
Frau Kollegin Wilms, würden Sie mir zustimmen, daß es im Jahre 1971 2 971 Insolvenzen und im Jahre 1981 11 653 gegeben hat und daß diese Steigerung um das Sechsfache nicht allein an einem Mißmanagement gelegen hat?
So ist es. Diese Zahlen zeigen noch einmal, wo die Grundursache für die miserable Entwicklung liegt.
Ich möchte mich sehr deutlich den Appellen an die Betriebe anschließen, die auch von der Wirtschaft selber vorgebracht werden, in denen wir sie ermuntern und bitten, alles in ihren Kräften Stehende zu tun, um den letzten Gipfel der nachwuchsstarken Jahrgänge, der vor uns liegt, zu bewältigen, damit möglichst viele, möglichst alle Jugendliche einen Ausbildungsplatz bekommen. Das sind wir der jungen Generation schuldig. Die Betriebe - auch das ist gesagt worden - tun sich, wie ich meine, damit auch selbst einen Gefallen im Blick auf die eventuell drohende Facharbeiterlücke in den 90er Jahren.
In der politischen Diskussion, auch seitens der Bundesregierung - ich komme auf das zurück, was
Sie, Herr Staatssekretär Kuhlwein, zu Beginn der Debatte gesagt haben -, werden mir zu wenig die Rahmenbedingungen hinterfragt, unter denen Betriebe heute ausbilden und ausbilden wollen. Der Appell an den Goodwill der Betriebe allein ist zwar nützlich, aber er ist mir zu wenig. Die Rahmenbedingungen, unter denen Betriebe ausbilden, werden zu einem ganz großen Teil von der Bundesregierung gesetzt.
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Deshalb möchte ich den Appell an die Betriebe auch an Sie, an die Bundesregierung, weitergeben: Schaffen Sie doch um Himmels willen ein entsprechendes Bildungs- und Wirtschaftsklima, in dem die Betriebe in die Lage versetzt werden, noch mehr ausbilden zu können. Drohungen, die Sie immer wieder - auch heute - in Richtung Wirtschaft ausstoßen, sind für ein solches Klima nicht das geeignete Mittel.
Immer wieder einmal gibt es die Drohung mit der überbetrieblichen Umlagefinanzierung. Sie wissen, daß wir diese nachdrücklich ablehnen. Das betone ich nochmals. Ich brauche nicht zu wiederholen, warum wir eine überbetriebliche Umlagefinanzierung ablehnen. Wir haben das hier häufig genug begründet.
Gelegentlich wird jetzt eine gesetzliche Ausbildungspflicht der Betriebe gefordert. Ich weise ausdrücklich darauf hin, daß eine gesetzliche Ausbildungspflicht nicht verfassungskonform ist. Sie ist nicht mit der Schulpflicht zu vergleichen. Solche Überlegungen sollten schnell verschwinden.
Hier ist heute von einigen Kollegen quasi eine gesellschaftspolitische Ausbildungspflicht der Betriebe angesprochen worden, die im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Ausdruck komme. Ich bitte Sie, verehrte Kollegen von der SPD, das Urteil sehr gründlich nochmals zu lesen. Dort ist nämlich von der gesellschaftspolitischen Ausbildungspflicht der Betriebe nur für den Fall gesprochen, daß die objektiven Möglichkeiten dazu bestehen. Und da kommen wir doch wieder auf die Rahmenbedingungen, die vorhanden sein müssen, wenn man hier von einer Ausbildungspflicht sprechen will.
Es wird auch immer wieder gesagt - das klang auch bei den Sprechern der Koalition und der Bundesregierung durch -: Wenn die betriebliche Ausbildung nicht genügend funktioniert und nicht genug Angebote macht, müssen wir doch wieder stärker zu den überbetrieblichen Maßnahmen kommen. Auch hierüber haben wir häufig diskutiert. Ich brauche das nicht zu wiederholen. Ich sage nur: Ein weiterer Ausbau überbetrieblicher Einrichtungen über die geplanten Maßnahmen hinaus kommt für die aktuellen Engpässe sowieso zu spät und birgt die Gefahr von Überkapazitäten für die 90er Jahre in sich. Last but not least frage ich: Wer soll das bezahlen? Die leeren Kassen bieten hier kaum noch Möglichkeiten.
Herr Staatssekretär Kuhlwein, statt mit Drohungen zu operieren, sollte die Bundesregierung lieber weitere Maßnahmen zur Förderung der betrieblichen Ausbildung überlegen.
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Lassen Sie mich dazu einiges nennen, was zum Teil schon angeklungen ist. Auch ich verweise auf die Ausbildereignungsverordnung. Man gewinnt hier gelegentlich den Eindruck, daß die Bundesregierung allzu starr an dem vorgesehenen Einführungszeitpunkt 1984 und auch an der bisherigen Form festhalten will. Man sollte noch einmal sehr sorgfältig überlegen, ob es nicht flexiblere Lösungen gibt, die im allseitigen Interesse liegen, um Ausbildungsplätze zu sichern.
Ein zweites. Immer wieder kommt auch das Thema der Qualität der Ausbildung in die Diskussion. Aber der Inhalt dieser Forderung bleibt häufig im Nebel. Das führt zu weiterer Verunsicherung. Es ist endlich an der Zeit und viel wichtiger, die vorhandenen Qualitätsvorgaben praxisnah und betriebspädagogisch - ich betone: betriebspädagogisch - anzugehen und umzusetzen und sich an den konkreten Anforderungen der einzelnen Berufe zu orientieren.
Als drittes lassen Sie mich noch einmal sagen: Notwendig ist auch das ständige Überdenken von ausbildungsrelevanten Gesetzen und vor allen Dingen Verordnungen. Sie sollten auf ihre Praktikabilität und aktuelle Notwendigkeit hin überprüft werden. Ich denke z. B. an die teilweise veralteten Schutzbestimmungen etwa über die Ausbildung von Mädchen in gewerblichen Berufen, Bauberufen und ähnlichen Berufen.
Es sei mir in diesem Zusammenhang auch ein Wort an die Länder erlaubt. Der Blockunterricht an Berufsschulen ist an sich zu begrüßen, wenn er flexibel gehandhabt wird. Aber für bestimmte Berufe ist ein Block von beispielsweise drei Monaten zu lang, um eine betrieblich kontinuierliche Ausbildung garantieren zu können. Die Schulverwaltungen sollten hier in manchem flexibler sein. Kürzere Blockphasen wären im Interesse der Auszubildenden, der Betriebe und auch der Berufsschulen.
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Lassen Sie mich einen weiteren Komplex nennen. Auch unsere heutige Diskussion zeigt, daß man mehr über die Schwierigkeiten und Probleme auf der Angebotsseite, der Betriebsseite der Ausbildung spricht und übersieht, daß durch einen Wandel auf der Nachfrageseite, d. h. bei den Bewerbern um Ausbildungsstellen, erhebliche Veränderungen eingetreten sind, die auch die Bundesregierung zum Handeln zwingen.
Hier ist verschiedentlich gesagt worden, daß sich auch die Berufswünsche der jungen Leute sehr geändert haben. Dadurch, daß die formalen Schulabschlüsse der jungen Leute heute im Schnitt höher sind - ich sage das wertneutral -, haben sich die Wünsche nach den sogenannten theoretischen Berufen vergrößert, und die Berufe und Tätigkeiten, die mehr auf praktisch-manuelle Fertigkeiten ausgerichtet sind, erfreuen sich nicht mehr so großer Beliebtheit, obwohl sie zum Teil sehr gute berufliche
Chancen bieten. Diese Beobachtungen macht etwa die Bauwirtschaft, diese Beobachtung macht der Einzelhandel, vor allen Dingen auch der Lebensmitteleinzelhandel.
Ich habe daher die ganz herzliche Bitte an die Bundesregierung und auch an die Sozialpartner, soweit sie hier angesprochen sind: wir brauchen noch eine weitere Verstärkung und Verbesserung der Berufsberatung.
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Es geht nicht an, daß jetzt angesichts der steigenden Arbeitslosigkeit die Berufsberater in den Arbeitsämtern abgezogen und zum Teil in die Arbeitsstellenvermittlung versetzt werden.
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Auch hier noch eine Bitte an die Länder: bitte, tun Sie noch mehr, um die Berufsinformation in der Schule zu verbessern! Denn wir brauchen eine größere Flexibilität und Mobilität junger Menschen, um die eben schon angesprochene, immer noch vorhandene Konzentration auf relativ wenige Modeberufe aufzulösen.
Hier wurde schon darauf hingewiesen - ich möchte es noch einmal vertiefen -, daß die Betriebe heute mit einer breiten Palette von Ausbildungsstellenbewerbern fertig werden müsse: vom Sonderschüler bis zum Abiturienten, j a heute zum Teil bis zum Hochschulabbrecher. Dies bringt auch zusätzliche organisatorisch-pädagogische Probleme mit sich, für die die Regierung Hilfestellung leisten muß.
Ich möchte nur ein paar Dinge stichwortartig erwähnen. Ich weise noch einmal auf die wachsende Gruppe arbeitsloser junger Leute hin, die man als die Lernschwachen, die Lernunmotivierten bezeichnet. Ich meine nicht die Behinderten im eigentlichen Sinne. Gerade dieser Gruppe der lernschwachen, wenig lernmotivierten jungen Menschen täte man neben einer zusätzlichen sozialpädagogischen beruflichen Förderung vor der Ausbildung einen großen Gefallen, wenn man ihnen zeitlich begrenzte Teilqualifikationen anböte. Denn diese Leute stehen häufig vor dem Alles oder Nichts, oder sie bekommen den Stempel des Behinderten, wenn sie die Sonderausbildungen nach § 48 des Berufsbildungsgesetzes machen. Ich meine, hier hätte das Bundesinstitut für Berufsbildungsforschung eine wirkliche Aufgabe, den Dingen deutlicher nachzugehen.
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Auch folgendes muß ich sagen. Die ausländischen Jugendlichen sind angesprochen worden. Ich glaube, wir brauchen uns nicht gegenseitig zu bestätigen, daß die Probleme ausländischer Jugendlicher unser aller Anstrengungen bedürfen, um zu einer Lösung oder wenigstens zu dem Ansatz einer Lösung zu kommen. Aber meines Erachtens gehen die entscheidenden Impulse zur Lösung der Probleme jugendlicher Ausländer von der allgemeinen Ausländerpolitik aus. Hier hat die Bundesregierung über Jahre hinweg durch Untätigkeit versagt. Wir können es uns nicht so einfach machen, die Problemlösungen jugendlicher Ausländer allein dem Bildungsbereich zuzuweisen, wie es jetzt geschieht.
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Schule und Betrieb werden mit den Problemen alleine nicht fertig. Auch der Berufsbildungsbericht - das ist mir der Beweis dafür - bringt nur Problembeschreibungen, aber keine Lösungen. Hier muß die Ausländerpolitik der Bundesregierung endlich einmal genau sagen, wie sie es denn gerne hätte.
Lassen Sie mich als dritte Gruppe die wachsende Zahl der Abiturienten und Hochschulabbrecher nennen, die in den Betrieben eine Ausbildung suchen. Die Betriebe nehmen sie zum Teil recht gern. Aber viele Betriebe haben auch erkannt, daß die jungen Abiturienten, die kommen, ihnen unter Umständen nicht als Fachkräfte auf Dauer erhalten bleiben, sondern die betriebliche Ausbildung als eine Übergangsphase betrachten. Ob Abiturienten auch künftig in der betrieblichen Ausbildung bleiben, ob sie dem Betrieb als Fachkraft erhalten bleiben, wird entscheidend davon abhängen, ob es gelingt, den Abiturienten die gleiche Entlohnung und die gleichen Aufstiegschancen zu bieten wie den Absolventen der Hochschulen.
Hier ist auch die Reform des öffentlichen Dienstrechts angesprochen, Frau Kollegin von Braun-Stützer; da stimme ich Ihnen zu.
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Der Staat hat nämlich auf dem Markt der Hochqualifizierten immer noch eine Vorreiter- und Vorbildfunktion, auch für den Bereich der Wirtschaft.
Erlauben Sie mir ein letztes Wort zu den Mädchen. Meine Damen und Herren, der Berufsbildungsbericht zeigt, daß die Mädchen auch auf dem Ausbildungsmarkt noch längst nicht die gleichen beruflichen Chancen wie die Jungen haben. Aber ich halte es nicht für ausreichend, hier nur auf die Modelle zur Ausbildung von Mädchen in den gewerblichen Berufen zu verweisen.
Herr Staatssekretär Kuhlwein, ich begrüße diese Modellversuche sehr; das wissen auch die Kollegen. Wir sollten sie weiter fortführen. Aber wir sollten uns davor hüten, zu glauben, daß wir damit das Thema der beruflichen Integration und der beruflichen Qualifizierung von Frauen in der Arbeitswelt im Griff und abgeschlossen hätten. Hier vermisse ich einige nähere Ausführungen im Berufsbildungsbericht.
Lassen Sie mich zum Schluß noch auf einen Punkt hinweisen, der mir für die Art, wie die Bundesregierung die Probleme der betrieblichen Ausbildung, der Ausbildung in der Wirtschaft, behandelt, bezeichnend erscheint. Im Berufsbildungsbericht werden die finanziellen Leistungen der öffentlichen Kassen recht ausführlich dargestellt. Aber es muß doch eigentlich ein bißchen verwundern, wenn einerseits die 1981 von Bund und Ländern zusammen aufgewandten Mittel von ca. 1,8 Milliarden DM groß herausgestellt werden, während die ca. 25 Milliarden DM, die die deutsche Wirtschaft für die Ausbildung
der Jugendlichen aufgewandt hat, einfach unerwähnt bleiben.
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Ich meine, hierzu wäre im Bericht sicherlich ein Wort notwendig gewesen.
Lassen Sie mich als abschließenden Satz noch einmal sagen: Die Unternehmen haben in den letzten Jahren enorme Anstrengungen zur Ausbildung der Jugendlichen unternommen. Wir haben dafür zu danken. Wir haben die herzliche Bitte, daß diese Anstrengungen auch in den nächsten Jahren weiter fortgesetzt werden. - Danke.
({9})
Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Thüsing.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Über Daten und Fakten der gegenwärtigen dramatischen Ausbildungssituation - wir müssen sie wohl so bezeichnen - ist heute morgen schon viel gesprochen worden. Es muß allen klar sein: Mindestens bis 1985 ist das Problem unverändert aktuell, wenn nichts Entscheidendes geschieht. Es kann aber nichts geschehen, wenn man die Probleme auf die falschen Ebenen verschiebt, wie das hier teilweise, so meine ich, von seiten der Opposition geschehen ist, auch dadurch, daß der hier vorgelegte Entschließungsantrag der Opposition zentral auf die allgemein schlechte Wirtschaftslage und die desolate Finanzlage in den öffentlichen Kassen abhebt.
Ich will daran erinnern, daß das Rezept „Belebt die Wirtschaft, dann werden mehr Ausbildungsplätze angeboten" auch historisch widerlegt ist. Wann hatten wir denn die größte Ausbildungskrise in der Geschichte der Bundesrepublik? - Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre, also zu Zeiten der Hochkonjunktur. Damals hatten wir die Tatsache zu verzeichnen, daß nahezu ein Viertel aller Jugendlichen nicht ausgebildet wurden.
Das hat sich heute entscheidend verbessert, und zwar durch gemeinsame Anstrengungen, durch einen gemeinsamen gesellschaftlichen und politischen Prozeß, in einer Wirtschaftslage, die sich nicht verbessert hat. Natürlich wäre es dem einen oder anderen Unternehmen leichter, bei besserer konjunktureller Lage mehr Ausbildungsplätze anzubieten. Das soll nicht verkannt werden. Aber nun nur auf die schlechte wirtschaftliche Lage abzuheben würde tatsächlich bedeuten, das Problem auf eine falsche Ebene zu schieben.
({0})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Daweke?
Ja.
Bitte, Herr Abgeordneter Daweke.
Herr Kollege Thüsing, darf ich Sie jetzt so verstehen, daß die Äußerungen, die Sie kürzlich in Paderborn auf dem Bezirksparteitag der SPD Ostwestfalen gemacht haben - es handele sich bei der Krise unserer Wirtschaft um eine Krise des Kapitalismus -, dann auch nicht richtig sein können, weil ihnen ein singulärer Ansatz zugrunde liegt?
Die Presse hat so berichtet. Ich habe diesen Satz nicht gesagt. Aber, Herr Daweke, ich bin gern bereit, mit Ihnen über dieses wichtige Thema zu reden - auch öffentlich -, jedoch nicht an dieser Stelle.
Es geht auch nicht um unterschwellige Vorwürfe gegen die Wirtschaft, es geht nicht um Drohungen und Verunsicherung. Wer betreibt das denn von unserer Seite? Wenn der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft mit der Wirtschaft offen redet, ist das in Ordnung. Dieser Mann genießt dort großes Vertrauen als einer, der fachkompetent ist, der weiß, was die Probleme sind. Es ist doch keine Drohungsund Verunsicherungsstrategie, die dieser Mann betreibt.
({0})
Auch wir danken der Wirtschaft für ihre Anstrengungen. Natürlich gibt es viele Unternehmen, die trotz schwieriger Rahmenbedingungen mehr Ausbildungsplätze geschaffen haben, natürlich gibt es manchen Handwerksmeister, der ein Herz für Jugendliche hat und deshalb mehr Auszubildende eingestellt hat, nahezu unabhängig von seiner wirtschaftlichen Lage oder seinen betrieblichen Bedürfnissen.
({1})
Natürlich erkennen wir das an. Es wäre doch falsch, das nicht zu tun.
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Wenn das nicht zureichend geschehen oder unklar geblieben sein sollte, will ich das wirklich gern nachholen.
Aber wir müssen uns entscheiden. Wir sollten orientiert an den Interessen und den Zukunftsaussichten der Jugendlichen diskutieren. Darum geht es. Wir sind in der glücklichen Lage, feststellen zu können, daß in diesem Falle die Interessen der Jugendlichen identisch sind mit der Forderung nach Weiterentwicklung unserer wirtschaftlichen Lage und nach Vollbeschäftigung. Deshalb gehen die Interessen nicht so auseinander, wie das oft unterstellt wird.
Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, die wirtschaftliche Lage zum Kernpunkt Ihres Antrages machen, muß ich Sie fragen: Wer hindert Sie denn daran, die Gemeinschaftsinitiative dieser Regierung zu unterstützen, gerade auch als Bildungspolitiker?
({3})
Ich kämpfe für eine Verbesserung dieser Initiative
in jenen Punkten, in denen es mir richtig erscheint.
Aber wenn ich mir den Himmel voller bunter Luftballons hänge, ist damit gar nichts geschehen. Es geht darum, konkrete Verbesserungen zu erreichen. Die von Ihnen regierten Länder sind nicht daran gehindert, diese Gemeinschaftsinitiative zu bereichern, zu verstärken, zu verbessern, und zwar auch in den Kommunen. Darauf kommt es an. Ich fordere Sie auf, das zu tun.
({4})
Es geht also nicht um die Neubelebung der Diskussion, vor der Herr Pfeifer gewarnt hat, sondern um eine Diskussion, in der wir uns bemühen müssen, dazu beizutragen, die Ausbildungschancen der Jugendlichen in den nächsten Jahren zu sichern. Da gibt es auch von der Opposition eine Reihe von sehr akzeptablen Vorschlägen. Herr Pfeifer hat Maßnahmen vorgetragen. Ich will Ihnen sagen, Herr Pfeifer: Alle die Maßnahmen, die Sie vorgetragen haben, können von uns unterstützt werden. Selbstverständlich muß man bedenken, daß Sie in Ihrem Vortrag als Oppositionspolitiker an der einen oder anderen Stelle die Dinge angespitzt haben. Aber grundsätzlich haben Sie die Themen angesprochen, um die wir uns kümmern müssen. Sie können sicher sein, daß wir zur Kooperation bereit sind, wenn wir darüber im Ausschuß gemeinsam zu sprechen haben. Ich bin damit voll einverstanden.
Natürlich hat niemand etwas dagegen, die Prognosen zu verbessern, die Verantwortlichen anzusprechen, die Ausbildungsbereitschaft zu erhöhen und einer Diskussion entgegenzutreten, wenn sie unangemessen ist, d. h. wenn behauptet wird, es werde nur unqualifiziert ausgebildet.
({5})
Aber dort, wo Qualitätsmängel vorhanden sind, muß es möglich sein, das auch in dieser Lage offen zu sagen mit der Richtung und dem Ziel, die Qualität zu verbessern. Das ist eine ständige Aufgabe und kann nicht damit abgetan werden, daß hier abqualifiziert werde.
Frau Wilms, ich will Ihnen sagen, daß wir natürlich zu Gesprächen über Ausbildungshindernisse bereit sind. Was die Ausbildereignungsverordnung angeht, so haben sich in den letzten Jahren Zehntausende von Ausbildern bemüht, die Prüfungen abgelegt, die Qualifikationen erworben. Nun ist ein Rest übriggeblieben, und wir können diesem Rest nicht einfach einen Freibrief ausstellen.
({6})
Wo es Schwierigkeiten, auch zeitlicher Art, und vernünftige, einsehbare Gründe gibt, sind wir zu Gesprächen bereit, und der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft hat diese Gesprächsbereitschaft seinerseits ausdrücklich betont. Sie haben da unsere Unterstützung.
({7})
Was den Bund angeht, so hatten wir Schwierigkeiten auch mit den öffentlichen Unternehmungen. Wir haben das nicht verheimlicht, sondern es wie auch Sie vorgetragen. Aber ich stelle auch positiv fest, daß
beispielsweise im Bereich von Bahn und Post in diesem Jahr 1982 1 100 Ausbildungsplätze mehr als im letzten Jahr zur Verfügung gestellt werden. Herzlichen Dank an die verantwortlichen Minister!
({8})
Wir haben aber gleichzeitig im Bereich von Bahn und Post die Möglichkeit, weitere 1 220 Auszubildende einzustellen. Wir haben dafür kein Geld. Ich mache den verantwortlichen Fachministern keinen Vorwurf. Lassen Sie uns gemeinsam versuchen, die Mittel für diese über 1 200 Ausbildungsplätze zu beschaffen! Das ist eine wichtige gemeinsame Aufgabe.
({9})
Herr Pfeifer, Sie haben das Problem der Konzentration auf bestimmte Berufe angesprochen. Natürlich sind wir für verbesserte und verbreiterte Aufklärung.
Sie haben dann weiter das Problem der Benachteiligten und Behinderten angesprochen. Ich habe schon auf die Gemeinschaftsinitiative verwiesen. Dort ist ein eigenes Zusatzprogramm gerade zur Unterstützung der Benachteiligten und Behinderten enthalten. Unterstützen Sie diese Gemeinschaftsinitiative gerade in diesem Punkt!
({10})
Ich will noch einige Grundsätze ansprechen, die mir wichtig erscheinen, damit die berufliche Zukunft der Jugendlichen gesichert wird. Ich habe schon vor der Verlagerung der Diskussion auf eine andere, falsche Ebene gewarnt. Das gilt auch für die sich ständig wiederholende Klage, die Schüler könnten am Ende ihrer Schulzeit nicht genug, sie könnten nicht einmal ausreichend rechnen, lesen und schreiben. Ich kenne durch meine berufliche Vergangenheit genug Lehrer und ich weiß, daß die Probleme gerade im Bereich der Hauptschule genau erkannt sind und daß sich Hunderttausende von Lehrern bemühen, den Schülerinnen und Schülern ein solides Fundament für ihren beruflichen Weg mitzugeben. Wo es Mängel gibt, muß darüber offen geredet werden; aber ich warne vor einer Verlagerung der Diskussion auf diese Ebene mit dem Hinweis darauf, man könne mehr Auszubildende einstellen, wenn nur die schulischen Voraussetzungen besser wären.
Es gibt tatsächlich - auch das lassen Sie mich erwähnen - noch bestimmte Bereiche in Handwerk und Industrie, wo tatsächlich mehr ausgebildet werden könnte. Wir haben nach Untersuchungen, die Sie nachlesen können - Sie kennen sie zum großen Teil, so denke ich -, im handwerklichen Bereich nach wie vor 18% aller Betriebe, die ausbilden könnten, es aber nicht tun. Lassen Sie uns auch in unseren Wahlkreisen - das gilt für alle Abgeordneten dieses Hauses, glaube ich - mit diesen Betrieben in dieser dramatischen Situation sprechen!
In der Industrie gibt es unterdurchschnittliche Ausbildungsquoten in kleinen Betrieben. Ich will in diesem Zusammenhang das Bauhauptgewerbe lobend erwähnen. Dort sind durch gemeinsame Anstrengungen der Tarifpartner trotz wirtschaftlicher
Krisenerscheinungen hervorragende Ausbildungsergebnisse auch hinsichtlich der Zahlen erzielt worden.
({11})
Wenn beispielsweise auch bei den Kleinbetrieben mit bis zu 50 Beschäftigten im Bauhauptgewerbe 65 % aller Betriebe ausbilden und wenn von den Betrieben mit 50 bis 200 Beschäftigten 82 % ausbilden, dann ist das eine hervorragende und ausdrücklich zu lobende Leistung.
Meine Damen und Herren, berufliche Bildung ist keine Schönwetteraufgabe der Wirtschaft. Sie ist, gerade in schwierigen Zeiten, eine Verpflichtung, und zwar eine Gruppenverpflichtung, eine Verpflichtung auch der Arbeitgeber der öffentlichen Hand und eine gemeinsame Leistung.
Verpaßte Erstausbildung führt in die Dauerarbeitslosigkeit. Der Weg von der verpaßten Erstausbildung in den Sockel der Dauerarbeitslosigkeit ist sehr kurz. Wir wissen, daß nur das Zusammenwirken aller die Probleme lösen kann, mit denen wir es zu tun haben. Das heißt aber auch: nicht nur Ausbildung in der Wirtschaft, sondern auch konsequente Ausweitung vollschulischer Ausbildungsgänge in den Berufsschulen. Diese Ausweitung in Berufsfachschulen, im Berufsgrundschuljahr und im Berufsvorbereitungsjahr hat in den letzten zehn Jahren erheblich zur Lösung der Ausbildungsprobleme beigetragen.
Das gilt, Herr Kollege Rossmanith, auch für die überbetrieblichen Ausbildungsstätten. Ohne diese überbetrieblichen Ausbildungsstätten könnten viele Betriebe nicht mehr ausbilden.
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Diese Erfahrung habe ich auch in meinem Wahlkreis gemacht, wo es vorbildliche Anstrengungen des Handwerks gibt, wo mir die Handwerker sagen: Ohne das von uns unter großen Anstrengungen geschaffene Ausbildungszentrum könnten wir nicht mehr ausbilden. Da ergeben sich, Herr Rossmanith, tatsächlich auch Finanzierungsprobleme, über die man noch einmal sehr ruhig und ohne jede Ideologie nachzudenken hat. Als jemand, der sich seit 1974 intensiv mit dieser Frage beschäftigt, denke ich, daß Sie da einige Fehlinformationen haben, und ich bin gern bereit, mit Ihnen, gerade was die Finanzierungsfrage angeht, in ein Privatcolloquium einzutreten.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich betonen, daß wir auch unkonventionelle Maßnahmen stärker als bisher fördern müssen, daß wir mehr unkonventionelle Maßnahmen brauchen. Angesichts der nahezu abgelaufenen Zeit nenne ich nur ein paar Stichworte: Ausbildungsverbund; Förderung der Bereitschaft mehrerer Betriebe, die eine gesamte Ausbildung allein nicht anbieten können, zusammenzuarbeiten; Blockunterweisung und Blockunterricht, wofür das Elektrohandwerk in Hamburg ein Beispiel ist, wo nämlich eine sehr gute, vorbildliche neue Kooperation von Schule, Betrieb und überbetrieblicher Ausbildung gelungen ist, eine Kooperation von Institutionen, die oft nicht so miteinander harmonieren, wie es notwendig wäre.
Wir müssen auch arbeitslose Facharbeiter in solche Programme integrieren. Wir müssen das bei diesen Facharbeitern angesammelte Fachwissen aktivieren. Da ist auch ein Entgegenkommen der Kammern erforderlich; die Kammern müssen das anerkennen und auf nachweislich gute Ausbildungsleistungen flexibel reagieren.
Lassen Sie mich zum Schluß sagen, daß auch auf lokaler und regionaler Ebene mehr Aktivitäten notwendig sind. Wir können über diese Themen - wie auch beispielsweise über das Problem der Arbeitslosigkeit - nicht nur allgemein reden, sondern müssen auch dafür sorgen, daß die auf lokaler und regionaler Ebene Verantwortlichen endlich an einen Tisch kommen. Und wir Abgeordneten müssen, so denke ich, dort eine aktive Rolle spielen. Gerade wir Abgeordneten sollten auch Initiativen unterstützen, die Jugendliche selbst gegründet haben, etwa eine „Initiative Jugendarbeitslosigkeit", die sich in meinem Wahlkreis gebildet hat.
Ich glaube, wenn wir alle Ausbildungskapazitäten, die in den letzten sechs Jahren einmal genutzt waren, und alle Ausbildungskapazitäten, die zusätzlich vorhanden sind, nutzen und wenn diese Kapazitäten in diesem Jahr angeboten werden, können wir es schaffen, können wir diese große gemeinschaftliche Aufgabe im Interesse der Zukunft der Jugend und damit unseres Volkes bewältigen.
({13})
In diesem Sinne bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen, der die Dinge, die hier wichtig sind, beschrieben hat, der die Probleme nennt, aber auch die Programme erwähnt, die notwendig sind, um die Ausbildungsnot der Jugend zu beseitigen. Ich denke, daß der Antrag der CDU/CSU nicht ausreicht. Vieles darin ist richtig - darüber muß geredet werden -, vieles trifft sich mit unserem Antrag, aber es reicht nicht aus. Ich glaube, wir haben einen soliden, vernünftigen Antrag vorgelegt. Stimmen Sie ihm zu. - Herzlichen Dank.
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Ich erteile das Wort der Frau Abgeordneten Benedix-Engler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, Herr Thüsing, daß ich Ihnen unmittelbar antworten kann. Sie haben uns vorgeworfen, die Probleme auf die falsche Ebene verschoben zu haben. Ich muß Ihnen leider sagen: Genau umgekehrt wird ein Schuh daraus. Ihre Debattenbeiträge haben gezeigt, daß Sie nach wie vor mindestens auf einem falschen Hintergrund diskutieren und die Akzente falsch setzen.
({0})
Meine Damen und Herren von der Koalition, wer wie unsere Wirtschaft über 70 Jahre, über mehrere Generationen hinweg, Berufsbildung verantwortet
({1})
und diese Verantwortung über Konjunkturen und Krisen, über wirtschaftliche und politische Zusammenbrüche hinweg trägt, wer Ausbildung betreibt, die von der ganzen Welt als beispielhaft angesehen wird, der braucht nicht an die Verantwortung gemahnt zu werden, den hat man nicht an die Verantwortung zu gemahnen, noch viel weniger steht demjenigen, der das tut, das Recht auf Drohappelle zu. Es gibt einige - auch Sie, Herr Vogelsang, haben das getan -, die fast nichts unterlassen, diese Verantwortungskompetenz der Wirtschaft auszuhöhlen.
({2})
Meine Damen und Herren, nennen Sie mir doch einmal Aufgabenbereiche im unmittelbaren staatlichen Verantwortungsfeld, in denen schwierige Probleme auch nur annähernd so schnell bewältigt wurden, wie die Wirtschaft sie im Zusammenwirken mit den Ländern und ihren Berufsbildungseinrichtungen in der Berufsbildung bewältigt hat.
Die Feststellung des Herrn Ministers Engholm - ich möchte hier einmal eine Pressemittelung vom 9. Februar von Ihnen zitieren -, „auch bei der Qualitätsverbesserung in der Berufsbildung können wir nicht auf eine goldene Versorgungslage warten", entschuldigen Sie, kann ich nur als töricht bezeichnen; denn Sie wissen doch genauso wie ich, daß das nie die Haltung der Wirtschaft gewesen ist, daß sie der Verantwortung immer nachgekommen ist. Ich erinnere in dem Zusammenhang nur an die Bewältigung des Geburtenüberhanges Mitte der 50er Jahre. Wir hatten damals ähnlich drängende Probleme. Die Zahlen waren auch bedrohlich, und es bewährte sich ein schnelles, unbürokratisches und kostenoptimales Verfahren, das übrigens, weil Sie vorhin gerade die Länder ansprachen, zur Zeit in Niedersachsen praktiziert wird.
Niedersachsen zahlt den Betrieben in den Kammerbezirken, den Amtsgerichtsbezirken mit besonderen Schwierigkeiten bei der Ausbildungslage, pro zusätzlichen Ausbildungsplatz 100 DM, bei Problemfällen 150 DM.
({3})
Niedersachsen hat die Mittel dafür um 21,5 Millionen DM erhöht.
({4})
Meine Damen und Herren, hier wird nicht verniedlicht, hier wird gehandelt. Daran sollten Sie sich ein Beispiel nehmen.
({5})
Im übrigen erfolgt die Abrechnung dieser Gelder in einem ganz vereinfachten Verfahren, nämlich über die zuständigen Kammern.
Die Probleme, vor denen wir heute stehen, könnten noch einmal verringert werden, wenn wir gemeinsam das Problem der Konzentration auf wenige Modeberufe angehen. Darüber wurde schon gesprochen. Hier muß man noch viel mehr Phantasie entwickeln, denn wenn sich die Bewerber bei 446 anerkannten Ausbildungsberufen nach wie vor auf 10 bis 20 konzentrieren, dann haben wir hier eben noch ein gewaltiges Handlungsmanko.
Wenn ich mir so die Zeitungen der letzten Woche ansehe - ich habe hier die „WAZ", eine bedeutende Tageszeitung, die „Neue Ruhr-Zeitung" -: Hier werden freie Lehrstellen annonciert, und zwar 650. Sie werden auch bildlich dargestellt: Kraftfahrzeugmechaniker, Gebäudereiniger, Kunststofformgeber, Schornsteinfeger, Brauer, Mälzer, Konditor, Fleischer usw.; 650 freie Lehrstellen. Raten Sie einmal, wie viele Bewerbungen eingegangen sind: drei. 950 Lehrstellen werden angeboten. Eingang der Bewerbungen: unter zehn.
Ich will darauf hinweisen, daß es eine ganze Reihe von Ausbildungsbereichen gibt, die heute nicht im Bewußtsein der Bevölkerung sind, die nicht attraktiv genug sind, für die wir also viel mehr Aufklärung betreiben müssen, und daß wahrscheinlich wir alle miteinander hier die Bereitschaft zum Umdenken entwickeln müssen. Wir müssen aber auch eigenartige Prestigemaßstäbe abbauen. Es wird z. B. von eingen Lehrern gesagt, man müsse die Ausbildungsberufe daraufhin abklopfen, ob sie den entsprechenden „emanzipatorischen Gehalt" haben. Meine Damen und Herren, die beste Emanzipation ist, glaube ich, die einer positiven Einstellung zum Beruf und der entsprechende berufliche Erfolg im nachhinein.
({6})
Sehen Sie, das ist die Realität. Sie erfordert von vielen von uns eine andere Einstellung.
Von den Ausbildern wurde hier leider nur am Rande gesprochen. Herr Thüsing, ich möchte Ihnen gleich antworten. Statt von erfahrenen Ausbildern mit hervorragenden Ergebnissen in fortgeschrittenem Alter noch zusätzliche Prüfungen zu verlangen, sollte man ihnen an dieser Stelle - und das ist völlig zu kurz gekommen - einmal öffentlich Anerkennung zollen.
({7})
Die Schwierigkeiten für Ausbilder sind ja nicht geringer geworden, sondern auf Grund der immer heterogeneren Art der Auszubildenden vom Abiturienten bis zum Ausländer, der der Sprache nicht mächtig ist, und bis zum Sonderschüler ist die Bandbreite so, daß für den Ausbilder ganz besondere Probleme entstanden sind.
Die Auszubildenden werden immer älter. Es ist nicht gleichgültig, wann ein junger Mensch in die berufliche Verantwortung tritt. Bei einer für ihn persönlich überlängten Schulzeit ist nämlich die Lernbereitschaft stark reduziert, ist die Anpassungsfähigkeit geringer geworden, sind die Erwartungen so hoch gesteckt, daß man die betreffenden jungen Leute meistens auf den Boden der Wirklichkeit zurückholen muß.
Noch ein Punkt: Weil Ordnung heute insgesamt nicht mehr als selbstverständlich empfunden wird, weil man die Ordnungen überall in Frage stellt, sind auch die Anforderungen an die erzieherische Kraft des Ausbilders, an seine beispielgebende Art, an
seine ganz personale Zuwendung zum Auszubildenden immer stärker geworden.
({8})
Frau Abgeordnete, der Abgeordnete Thüsing wollte Ihnen gern eine Zwischenfrage stellen. Sind Sie damit einverstanden? - Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Frau Kollegin, ist Ihnen entgangen, daß die von Ihnen erwähnten älteren und erfahrenen Ausbilder die Prüfung auf Grund der Ausbildereignungsverordnung nicht abzulegen brauchten, daß ihnen die Fähigkeit oder das Recht, weiter auszubilden, auf Grund ihrer langen Erfahrungen zuerkannt wurde, wie auch beispielsweise allen Handwerksmeistern?
Das ist mir selbstverständlich nicht entgangen. Wir sind es ja auch gewesen, die immer wieder darauf gedrungen haben, hier flexibel zu verfahren.
({0})
Aber warum bestehen Sie bürokratisch auf dem letzten Rest? Warum eigentlich? Helfen Sie damit den Ausbildern? Ich glaube nicht.
({1})
Das Prestige eines Berufes, die Gleichwertigkeit eines Berufes hängt auch wesentlich davon ab, welche Aufstiegschancen bestehen und welche Aufstiegschancen für die jungen Menschen deutlich gemacht werden. Auch hier setzen Sie immer wieder einen falschen Akzent. Sie erklären nämlich, daß berufliche Bildung nur dadurch gleichwertig werde, daß vor der Berufsbildung möglichst alle eine möglichst lange Schulausbildung haben. Herr Staatssekretär Granzow spricht in einer Pressemeldung vom 11. Februar 1982 davon, daß eine qualifizierte Ausbildung heute auch eine längere Schulzeit als in der Vergangenheit notwendig mache.
Nein, meine Damen und Herren, das Qualifikationsergebnis ist weitgehend abhängig von der Motivation, und die Motivation bildet sich aus den Erfolgserlebnissen im Beruf und nicht aus einer überlängten Schulzeit. Es gibt nämlich nirgendwo bessere Lernergebnisse als im berufspraktischen Bereich, die zudem sofort umgesetzt werden können.
Von daher komme ich zu dem Bereich, der heute noch gar nicht oder nur am Rande erwähnt worden ist, der aber in der Beilage zum Berufsbildungsbericht steht, nämlich dem Bereich der beruflichen Fort- und Weiterbildung. Auch hier sollte man der Wirtschaft einmal Dank sagen für das, was sie in aller Stille und Selbstverständlichkeit mit ihren verschiedensten Einrichtungen natürlich im betriebswirtschaftlichen Interesse und natürlich auch im volkswirtschaftlichen Interesse, zugleich aber im Interesse der Berufstätigen geleistet hat.
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Etwas mehr Anerkennung würde nicht schaden.
Es mangelt aber nicht nur an der Anerkennung. Man hat im Rahmen des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes sogar vergleichsweise schmale
staatliche Förderungsmaßnahmen total eingestellt.
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- So ist es. - Ich meine die Umwandlung der bisher als Zuschüsse gewährten Fördermittel in Rückzahlungsdarlehen für die jungen Menschen, die sich an den verschiedenen Bundesfachschulen des Handwerks weiter qualifizieren wollen.
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Dies ist exemplarisch für das Auseinanderklaffen von Berufsbildungspostulatenund Ihrem tatsächlichen politischen Handeln, meine Damen und Herren von der Koalition.
({5})
Deshalb muß ich dieses Beispiel einmal näher darstellen. Was sind das für junge Menschen, die sich für ein- oder zweijährige Lehrgänge an den verschiedenen überall im Bundesgebiet verstreuten Bundesfachschulen für die verschiedenen Handwerksarten entscheiden? Es sind die durch die Berufsausbildung, durch das duale System Gegangenen, die sich inzwischen zum Facharbeiter emporgearbeitet haben und die nun den Techniker oder den Meister anstreben. Sie sind meist verheiratet, sie haben für eine Familie zu sorgen, und sie gehen mit einem einjährigen Ausscheiden aus dem Beruf ein erhebliches Risiko ein. Zu einem solchen Schritt entschließt sich nur der, der ausgezeichnet motiviert ist, zumal diese Schulen sehr hohe Leistungsanforderungen stellen. Mit diesem Schritt können die jungen Arbeitnehmer eine Höherqualifizierung erreichen, ihre berufliche Mobilität verbessern, die Ausbildereignung erhalten, mit der Meisterprüfung auch die spätere Möglichkeit erlangen, eine eigene Existenz zu gründen, d. h. für einen breiten mittelständischen Besatz zu sorgen, den wir ja in einer freien sozialen Marktwirtschaft dringend brauchen, und vor allen Dingen selbst Ausbildung betreiben.
Meine Damen und Herren, jeder Verantwortliche muß doch wohl hier sagen: Hervorragend, hier werden alle Ziele, die wir erreichen möchten, gleichsam optimal angeboten, das ist der klassische Fall für staatliche Fort- und Weiterbildungsförderung. Aber was tun Sie? Es mutet wirklich geradezu grotesk an: Zunächst wurde 1976 der Rotstift angesetzt. Die Unterhaltsgelder wurden von 90 auf 58 % gekürzt. Jetzt streichen Sie die Zuschüsse ganz und gewähren nur noch rückzahlbare Darlehen. Zu dem Risiko, das dieser junge Arbeitnehmer mit dem Entschluß, einen solchen Lehrgang zu besuchen, für sich und seine Familie eingeht, kommt nun noch die große finanzielle Belastung, die nach Auskünften bei mindestens 20 000 DM liegt. Dies ist das Gegenteil einer aktiven Arbeitsmarktpolitik. Hier wird eine arbeitsmarktpolitische Maßnahme, wie sie richtiger in unserer Zeit überhaupt nicht sein kann, nicht nur nicht anerkannt, sondern wahrscheinlich in kurzer Zeit vernichtet.
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25 000 sind durchschnittlich im Jahr in diese berufliche Fortbildungsmaßnahme eingestiegen. Das ist
mit Abstand die größte Gruppe im Fortbildungsbereich des Handwerks. Schon jetzt zeichnet sich ab, daß die Anmeldungen bis zur Hälfte zurückgehen. Wie gesagt, grotesk ist vielleicht noch ein milder Ausdruck. Wer so handelt, sollte, unter welchen Bedingungen auch immer, eigentlich die Forderung nach Gleichwertigkeit der beruflichen Bildung nicht mehr in den Mund nehmen.
Lassen Sie mich noch kurz einen Bereich ansprechen, der auch noch nicht erwähnt worden ist. Ich meine die berufliche Weiterbildung der Frauen. Wenn wir generell davon sprechen, daß die Erstausbildung heute nicht mehr ausreicht, so gilt das in besonderem Maße für die Frauen. Der Wiedereinstieg in den Beruf nach einer längeren Familienphase gestaltet sich immer schwieriger. Der Berufsbildungsbericht beklagt die geringen Weiterbildungsbeteiligungen von Frauen und die von Resignation bestimmte Weiterbildungsmotivation. Er kommt zu dem Schluß, daß die Weiterbildungsangebote selber in Inhalt, Methode und Organisation die Lebensumstände der Frauen mehr berücksichtigen müssen; dies kann ich nur unterstreichen. Die latente Bereitschaft der Frauen, meine Damen und Herren, ist nämlich größer, als sich dies an der bisherigen Beteiligung auch an Modellversuchen zeigt. Die Angebote müssen deshalb anders akzentuiert werden, den Bedürfnissen der Frauen entgegenkommen. Das heißt, daß die Angebote dezentral, also familiennah gemacht werden müssen, daß die Unterrichtszeiten familienfreundlich, d. h. in Kombination mit den Familienaufgaben angeboten werden müssen und daß die Kurse praxisnah und möglichst mit Hospitationen in entsprechenden Arbeitsstellen verbunden sein sollen.
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Dadurch entstehen Kontakte, Vertrauen, Selbstbewußtsein und auch spätere Einstellungschancen. Die Kurse dürfen auch nicht zu lang sein. Ein Zeitabschnitt, der für Frauen keine zu große Hürde darstellt, sind sieben oder acht Wochen. Im übrigen können ja solche Kurse nach einer Pause fortgesetzt werden. Wichtig ist auch, daß mit der Meldung für eine Teilnahme an solchen Weiterbildungsveranstaltungen nicht sofort eine Entscheidung für den Wiedereintritt in den Beruf verbunden ist. Solche Weiterbildungsmaßnahmen, meine Damen und Herren, sollten den Frauen auch Hilfe zur Bewältigung ihrer jetzigen Familiensituation gewähren. Das heißt, in den Lehrplänen müßten auch Erziehungsfragen, rationelles Haushalten usw. angesprochen werden.
Ein Weiterbildungsangebot dieser Art wäre von vielen Trägern zu realisieren. Hier braucht man nämlich keine stärkere Motivationsphase, von der in dem Bericht die Rede ist. Hier ist kein Unterhaltsgeld erforderlich, das etwa über dem Satz der Sozialhilfe liegt, eine Forderung, die für längere Zeit sowieso unrealistisch sein dürfte. Und: Sie werden erstaunt sein, wie groß die Bereitschaft der Wirtschaft auch hier wieder ist, Hospitationsplätze bereitzustellen. Also, noch einmal: Auch hier müssen Ansätze korrigiert und eventuell liebgewordene Emanzipationsmodelle umgearbeitet werden.
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Meine Damen und Herren, ich muß zum Schluß noch einmal feststellen, daß der Wirtschaft die Sorge, die sie umtreibt, durch die Redebeiträge vor allem von Herrn Weisskirchen, von Herrn Thüsing und anderen mehr in keiner Weise genommen wurde, die Sorge nämlich, daß sie nach der ihr von Ihnen zeitweilig zugedachten Rolle des Retters in der Ausbildungsnachfrage und der Bildungsreform insgesamt nach 1985 wieder zu deren Opfer werden könnte, die Sorge, daß Sie die Betriebsausbildung dann zugunsten allgemeiner Bildungsgänge in einer noch stärkeren Verschulung erneut schwächen wollen.
Ich meine, Sie haben heute die Chance vertan, ein für allemal glaubwürdig deutlich zu machen, daß Sie Ihre Gedankenspiele einer stärkeren staatlichen Einflußnahme endlich überwunden haben. Herr Vogelsang, ich wende mich an Sie mit Ihrem letzten Interview: Herr Vogelsang, mit mehr Staat in der Berufsbildung wird es nicht besser, so wie es nirgends besser wird, wo der Staat in die Selbstverwaltung hineinregiert.
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Der Jugend ist damit ebensowenig geholfen und gedient wie der Wirtschaft, die sich dank Ihrer Politik um ihre Wettbewerbsfähigkeit Sorgen macht.
({10})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Berufsbildungsbericht 1982 auf Drucksache 9/1424 zur federführenden Beratung an den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft und zur Mitberatung an den Ausschuß für Wirtschaft, den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung, den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit und den Haushaltsausschuß zu überweisen. Ist das Haus mit den vorgeschlagenen Überweisungen einverstanden? - Ich stelle fest, daß sich kein Widerspruch erhebt. Dann ist das so beschlossen.
Zu dem Berufsbildungsbericht 1982 liegen Entschließungsanträge der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 9/1444 und der Fraktionen der SPD und FDP auf Drucksache 9/1446 vor. Wird das Wort zur Begründung der Anträge gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Ich rufe dann zuerst den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 9/1444 auf. Es ist beantragt worden, über Annahme oder Ablehnung dieser Anträge hier im Plenum abzustimmen. Wer dem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist gegen die Stimmen der Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion abgelehnt worden.
Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und FDP auf Drucksache
Vizepräsident Windelen
9/1446. Wer diesem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Der Entschließungsantrag ist gegen die Stimmen der Mitglieder der Fraktion der CDU/CSU angenommen.
Ich rufe Punkt 22 der Tagesordnung auf:
a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Wehrbeauftragten des Bundestages
- Drucksache 9/419 -
aa) Bericht des Haushaltsausschusses ({0}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 9/1407 Berichterstatter:
Abgeordnete Carstens ({1}) Esters
Gärtner
bb) Beschlußempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses ({2})
- Drucksache 9/1367 Berichterstatter: Abgeordnete Horn Weiskirch ({3})
({4})
b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({5}) zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP
Ergänzung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages
- Drucksachen 9/420, 9/1368 -
Berichterstatter:
Abgeordnete Dr. Bötsch Dr. Kübler
Meine Damen und Herren, im Ältestenrat sind für die Punkte 22 a) und 22 b) der Tagesordnung verbundene Debatte und eine Redezeit von insgesamt einer Stunde vereinbart worden. Darf ich das Haus fragen, ob es mit dieser Regelung einverstanden ist? - Ich stelle dies hier fest.
Wird das Wort als Berichterstatter gewünscht? - Dies ist nicht der Fall.
Dann eröffne ich die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Weiskirch ({6}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, das wir heute hier in zweiter und dritter Lesung zu beraten und zu verabschieden haben, ist zwar - ich sage das ausdrücklich - kein Jahrhundertwerk; es hat jedoch eine über zehnjährige Geschichte hinter sich und ist durch vier Legislaturperioden hindurch erörtert, immer wieder beinahe verabschiedet und schließlich doch von Mal zu Mal weitergeschoben worden. Ehemalige Bundestagskollegen wie Josef Rommerskirchen, Werner Buchstaller und Leo Ernesti haben sich ihre Meriten um diese Novelle erworben. Und wenn der Kollege Horn von der SPD und ich als die letzten beiden Berichterstatter für dieses Gesetz heute hier einen Schlußstrich ziehen wollen und ziehen können, dann tun wir es im Gefühl der Erleichterung und auch der Befriedigung; denn dieses Gesetz in seiner nunmehr vorgelegten Fassung ist das Resultat einer wirkungsvollen und beispielhaften gemeinschaftlichen Arbeit aller drei Fraktionen des deutschen Bundestages, und es widerlegt die leider weit verbreitete Meinung, daß die Kluft zwischen den Parteien eine sachliche und eine sachdienliche Arbeit nicht mehr zuließe. Es gibt sie noch.
Um was geht es in dieser Novelle, meine Damen und Herren? Lassen Sie mich die aus meiner Sicht wichtigsten drei Punkte nennen.
Erstens. Der Wehrbeauftragte und sein Amt, also auch die bei ihm Beschäftigten, werden enger an den Deutschen Bundestag gebunden. Seine Amtsbefugnisse bleiben zwar unverändert, werden jedoch verdeutlicht und präzisiert.
Zweitens. Das neue Gesetz stellt in der Konsequenz daraus dar, daß der Wehrbeauftragte bei seinen Amtshandlungen als Hilfsorgan des Deutschen Bundestages bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle handelt.
Drittens. Die Vertretung des Wehrbeauftragten durch den Leitenden Beamten, der ja von den übrigen Beschäftigten im Amt deutlich abgehoben ist, wird neu geregelt. Der Wehrbeauftragte selbst - das gilt für die Amtsinhaber seit 1972 - hat diese Novelle immer mit gefördert und mit betrieben, und zwar aus der in der Praxis gewonnenen Erkenntnis heraus, daß der rechtliche und organisatorische Standort des Amtes im Bereich des Deutschen Bundestages verdeutlicht werden müsse. Die Novellierung des Gesetzes ist eben deshalb von allen Fraktionen des Deutschen Bundestages angestrebt und befürwortet worden, weil der dem Wehrbeauftragten zugewiesene parlamentarische Kontrollauftrag so vollzogen werden sollte und vollzogen werden soll, wie er eigentlich schon immer gedacht war, nämlich frei von allen überflüssigen Reibungsverlusten. Auf die Konsequenzen für die Geschäftsordnung wird mein Kollege Bötsch nachher noch zu sprechen kommen. Ich sollte aber bei dieser Gelegenheit erwähnen, daß der Verteidigungsausschuß bei den Beratungen der Novelle sehr konstruktiv und einvernehmlich mit dem Rechtsausschuß und dem Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zusammengearbeitet hat und den von den beiden Ausschüssen vorgetragenen Empfehlungen weitgehend gefolgt ist.
Dadurch, daß sich der Wehrbeauftragte gegenüber dem Parlament - sozusagen via facti - verselbständigt hatte, mußte eigentlich zwangsläufig die Frage aufkommen, ob sich auf diese Weise sein
Weiskirch ({0})
Auftrag eigentlich richtig erfüllen lasse. Die an der Novellierung Beteiligten haben nein gesagt. Die Fraktionen des Bundestages waren sich daher rasch einig, daß die verfassungsrechtlich begründete Zuordnung des Wehrbeauftragten zum Parlament hin mit diesem Auftrag in unmittelbarem Zusammenhang stehe und daß darum auch das Verhältnis des Wehrbeauftragten zur Verwaltung des Bundestages klarer definiert und festgelegt werden müsse.
Das ist nun in dem neuen Gesetz geschehen. Damit wird eine wichtige Institution in unserem demokratischen Staatswesen - wenn ich es einmal so salopp sagen darf - entschlackt. Sie wird neu geordnet, handhabbarer und, so denken wir, effizienter gemacht. Das ist der Wehrbeauftragte ja wohl: eine wichtige Institution.
({1})
Wer in den 50er Jahren die damals für unser Land noch neuartige und ungewohnte Einrichtung mit Skepsis betrachtet haben sollte, dürfte inzwischen seine Meinung geändert haben. Mit dem Wehrbeauftragten ist zum Nutzen der Soldaten - ich sage das einmal so - ein großer Wurf gelungen, und zwar vor allem für die jungen Wehrdienstleistenden, die mit 47 % praktisch die Hälfte aller Bundeswehrsoldaten stellen und besondere Fürsorge beanspruchen können. Wer die jährlichen Berichte des Wehrbeauftragten gelesen hat, der weiß, wieviel er in den vergangenen Jahren an Mißständen in den Streitkräften aufgedeckt, an Fehlleistungen angeprangert, an direkten Hilfen für junge Soldaten geleistet und vor allem an wichtigen Revisionen, Veränderungen und Kurskorrekturen bewirkt hat.
Ich weise deshalb darauf hin, weil wir hier heute formal auch den Jahresbericht 1980 des Wehrbeauftragten zu behandeln haben, der besonders eindrucksvolle Beispiele dafür liefert. Nachdem dieser Bericht 1980 aber bereits Gegenstand einer Plenardebatte gewesen ist und auch im Verteidigungsausschuß des Deutschen Bundestages hinlänglich erörtert worden ist, brauche ich hier heute lediglich zu empfehlen, ihn - und zwar mit dem gebührenden Dank an den Herrn Wehrbeauftragten - offiziell zur Kenntnis zu nehmen.
Ich möchte aber einige allgemeine Bemerkungen hinzufügen. Der Wehrbeauftragte ist also in erster Linie der Anwalt der Soldaten, wenn sie sich in ihrer menschlichen Würde verletzt oder wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen. Er hat darüber zu wachen, daß in unseren Streitkräften die Prinzipien der Inneren Führung geachtet werden. Von ihm erwarten die Soldaten unbeeinflußten Rat und - wenn es darauf ankommt - Fairneß und Stehvermögen. Zu seinen Obliegenheiten gehört aber auch die Sorge um ein gutes und ungestörtes Verhältnis zwischen den Streitkräften und ihrer gesellschaftlichen Umwelt. Und da wird niemand mehr so ohne weiteres sagen wollen, daß in dieser Hinsicht bei uns noch alles in Ordnung, noch alles im Lot wäre. Zwar hat es in den letzten Monaten - gottlob sage ich - keine spektakulären oder gar gewalttätigen Aktionen gegen Gelöbnisfeiern mehr gegeben. Aber die Diskussion aus der Gründerzeit der Bundeswehr in den 50er Jahren, ob und wie sich die Streitkräfte in die Gesellschaft
einordnen ließen, ist plötzlich wieder aufgeflammt. Der jetzt amtierende Wehrbeauftragte - und nun muß ich doch noch einmal auf den Jahresbericht 1980 zu sprechen kommen - hat in seinem Bericht auf diesen beunruhigenden Sachverhalt hingewiesen. Er meinte wörtlich:
Der in den Streitkräften nie ganz verschwundene Zweifel, ob die Gesellschaft sie tatsächlich angenommen habe, hat neue Nahrung erhalten.
Es ist sicherlich vor allem die Aufgabe der demokratischen Parteien, darüber hinaus aber auch aller gesellschaftlichen Kräfte im Lande, die Bundeswehr davor zu bewahren, in eine nichtgewollte und gefährliche Isolierung zu geraten. Manche Friedensdiskussionen begünstigen, bewußt oder unbewußt, eine solche Entwicklung, indem sie die friedenssichernde Funktion unserer Streitkräfte und ihrer Soldaten ignorieren oder verzerren. Aber wenn es auch in den Medien wie in der Öffentlichkeit - Gott sei Dank - einen zunehmenden Trend gegen eine solche Fehlzeichnung der Bundeswehr und ihrer Aufgabe gibt, so ist es doch beruhigend, zu wissen, daß eine Institution sozusagen von Amts wegen Wache hält und notfalls Alarm schlägt: eben der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages.
Ich möchte für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion noch einmal nachdrücklich betonen, daß sie dem Amt des Wehrbeauftragten einen hohen Rang einräumt und daß sie das interfraktionelle Einvernehmen über die Novellierung des WehrbeauftragtenGesetzes begrüßt. Ich will bei dieser Gelegenheit dem derzeitigen Inhaber des Amtes, Herrn Karl Wilhelm Berkhan, und seinen Mitarbeitern, auch im Namen meiner Kollegen für seine Arbeit danken.
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Ich wünsche, daß er und alle, die ihm einmal folgen werden, mit der hier zur Verabschiedung anstehenden Novelle zum Wehrbeauftragtengesetz zum Nutzen unserer Soldaten optimal arbeiten können und optimal arbeiten werden. - Ich danke Ihnen.
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Ich erteile dem Abgeordneten Horn das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man kann hierzu salopp sagen: Was lange währt, wird endlich gut. Denn nach zwölfjähriger Arbeit - zwei Jahren Vorarbeit und zehn Jahren Arbeit im Verteidigungsausschuß -, eingeleitet durch die sogenannte Rommerskirchen-Kommission, können wir die Arbeit an dem Gesetz heute wohl abschließen. Beteiligt waren vier Ausschüsse: der Verteidigungsausschuß, der Geschäftsordnungsausschuß, der Haushaltsausschuß und der Rechtsausschuß. Ich möchte ganz herzlich allen Kolleginnen und Kollegen für die gemeinsame Erarbeitung und die einstimmige Verabschiedung in den Ausschüssen - und wohl auch heute im Parlament - danken. Ich betrachte das als ein Zeichen dafür, daß hier, wie der Kollege Weiskirch ausgeführt hat, sachgerecht gearbeitet wird. Streit um die Erarbeitung und Durchsetzung von Positionen ist notwendig,
aber - dieses Gesetz hat es gezeigt - nicht Selbstzweck.
Ich darf einige Reminiszenzen anfügen. Denn mein Dank und sicher auch der Dank aller Kollegen, die daran gearbeitet haben, gilt auch den Kollegen, die sich in früheren Jahren um das Gesetz bemüht haben. Ich denke an den ausgeschiedenen Kollegen Rommerskirchen, an den Kollegen Buchstaller und den Kollegen Ernesti. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, daß das Amt des Wehrbeauftragten seine Entstehung ganz wesentlich auch der Initiative von Abgeordneten meiner Fraktion verdankt: Ernst Paul, Adolf Arndt und Fritz Erler schufen zusammen mit Richard Jaeger und anderen Kollegen eine Institution nach dem Vorbild einer so bewährten Demokratie wie Schweden, eine Institution, die, wie Fritz Erler es einmal formulierte, Auge und Ohr des Parlaments in den Streitkräften sein sollte.
Das Amt des Wehrbeauftragten wurde nach hartem parlamentarischem Ringen von den im Bundestag vertretenen Parteien einmütig beschlossen. Die beteiligten Ausschüsse und hier besonders der Verteidigungsausschuß haben diese würdige Tradition fortgesetzt, indem sie nach mehreren parlamentarischen Anläufen und über zehnjähriger Dauer die Beratung des Gesetzentwurfs zum Wehrbeauftragtengesetz nunmehr abgeschlossen haben.
Die wichtigsten Neuerungen hat der Herr Kollege Weiskirch hier dankenswerterweise schon dargestellt. Sie bestehen in folgendem. Erstens. Die verfassungsrechtliche Stellung des Wehrbeauftragten ist eindeutiger definiert worden, wie schon aus § 1 hervorgeht. Zweitens. Das neue Gesetz bindet den Wehrbeauftragten und das Amt des Wehrbeauftragten näher an den Deutschen Bundestag. Drittens. Die Stellung des Leitenden Beamten wird in dem Gesetzentwurf herausgehoben; die Beschreibung seiner Tätigkeit steht im Vordergrund.
Der Wehrbeauftragte stellt eine bedeutsame Klammer des Deutschen Bundestages zu unseren Soldaten dar. Ihm ist es aufgetragen, darüber zu wachen, daß die Menschenwürde des Staatsbürgers in Uniform gewahrt wird, daß die Grundsätze der Inneren Führung beachtet werden und daß das Verhältnis zwischen Bundeswehr und Gesellschaft geordnet ist.
Die Bundeswehr besteht nunmehr seit 25 Jahren. Wenn wir uns erinnern, welche Befürchtungen mit Ihrer Aufstellung verbunden waren, und uns nun fragen, was aus den Sorgen geworden ist, dann können wir gerade für den Bereich, für den der Wehrbeauftragte für und im Auftrag des Parlaments ganz wesentlich verantwortlich ist, eine positive Bilanz ziehen.
Erhebliche Zweifel haben doch einmal darüber bestanden, ob die parlamentarische Kontrolle der Bundeswehr funktionieren würde. Diese Zweifel sind längst ausgeräumt. Das Gegenteil kann nur behaupten, wer von der Sache nichts versteht. Aus der Furcht vor einem Staat im Staate ist die Realität „Streitkräfte in der Demokratie" geworden. Die Sorge vieler war es, die Aufstellung von Streitkräften könnte den Frieden in Europa gefährden. Die Tatsache ist, daß die Bundeswehr einen gewichtigen Beitrag zur Aufrechterhaltung des militärischen Gleichgewichts und damit des Friedens leistet. Streitkräfte sind heute das Fundament unserer Entspannungspolitik.
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Viele unserer Bürger haben vor der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht gewarnt. Das war aus damaliger Sicht verständlich. Aber die Entscheidung hat sich als richtig erwiesen. Der Dienst junger Männer ist zum selbstverständlichen und unverzichtbaren Bestandteil unserer Verteidigungsanstrengungen und der geistigen Verfassung unserer Bundeswehr geworden.
Gestern sagte Professor Klaus von Schubert von der Bundeswehrhochschule in München:
Die allgemeine Wehrpflicht ist die einzige sowohl mit dem demokratischen Staat als auch mit der Industriegesellschaft und ihrem technischen Standard vereinbare Wehrform. Die Frage nach Krieg oder Frieden ist so fundamental für uns geworden, daß wir sie nicht bei einem spezialisierten Dienstleistungsunternehmen deponieren und beruhigt in der Tagesordnung fortfahren können. Die Wehrpflicht muß uns täglich an unsere politische Verantwortung erinnern.
Ich darf diesen Passus mit einem Auszug aus dem Weißbuch von 1970 schließen, wo der damalige Verteidigungsminister Helmut Schmidt sagte:
Jede Ansammlung von Macht, politischer Macht, wirtschaftlicher und bewaffneter Macht, erzeugt in einer Demokratie Spannungen, Mißtrauen und Wachsamkeit. Die Bundeswehr ist eine der umfangreichsten und stärksten Organisationen in der Bundesrepublik Deutschland. Sie macht nicht nur einen großen Teil der staatlichen Exekutive aus, sondern ist zugleich einer der größten Dienstleistungsbetriebe in unserem Lande und überdies das stärkste Instrument staatlicher Macht. Dieses Instrument bedarf deshalb der wachsamen Kontrolle.
Diese Aussage gilt unverändert.
Die häufigen Besuche des Wehrbeauftragten in der Truppe, vor Ort, garantieren dafür, daß die Nöte und Sorgen der Soldaten unmittelbar wahrgenommen und nicht nur vom Schreibtisch aus erledigt werden. Etwa die Hälfte unserer Soldaten sind Wehrpflichtige. Der Wehrbeauftragte ist ihr bester Anwalt.
Das Amt des Wehrbeauftragten hat sich bewährt. Deshalb stellt die Novellierung des Gesetzes, die sich nunmehr an langjähriger Erfahrung orientieren konnte, einen echten Fortschritt dar. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion stimmt dem Gesetz zu.
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Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Popp.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der Vorbereitung auf diese Debatte ist mir dasselbe Sprichwort in den Sinn gekommen, das der Kollege Horn gerade zitiert hat.
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- Ich glaube, dieser Geist geht in diesem Fall noch über die Koalition hinaus.
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Ich glaube, es ist wirklich ein gutes Gesetz geworden.
Die Beratungen im Verteidigungsausschuß und auch im mitberatenden Haushaltsausschuß waren bei diesem Gesetz durchweg einvernehmlich. Wenn es auch einmal Meinungsunterschiede gegeben hat, so konnten schließlich doch gemeinsame Auffassungen gefunden werden.
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Nun ist es nicht unbedingt Sinn und Zweck eines demokratischen Parlaments, immer und überall einmütige Auffassungen und einstimmige Beschlüsse zu erreichen. In vielen Fällen kann es dies nicht geben und soll es dies auch nicht geben. Dort, wo Gemeinsamkeiten um jeden Preis angestrebt werden, kommt es zur Verkleisterung und zur Verwischung unterschiedlicher politischer Auffassungen, und das kann nicht gut sein. Denn das es in einem freien Parlament unterschiedliche Meinungen und Auffassungen gibt und diese auch zum Ausdruck gebracht werden können, zeichnet ja gerade ein demokratisches Parlament gegenüber einem Pseudoparlament à la Volkskammer aus. Der Bürger hat einen Anspruch darauf, zu erfahren, worin sich die Parteiauffassungen unterscheiden. Es ist deshalb kein Parteiengezänk, wenn in einem Parlament unterschiedliche Positionen mit Nachdruck, Engagement und Leidenschaft vertreten werden.
Es ist aber ebensowenig ein Schaden, wenn auch einmal ein politisches Gesetz die ungeteilte Zustimmung des Hohen Hauses erhält. Das uns vorliegende Gesetz über den Wehrbeauftragten ist ein solches Gesetz. Es ist keineswegs nur eine Formalität oder eine Geschäftsordnungsfrage, was hier geregelt werden soll, sondern mit diesem Gesetz wird der politische Stellenwert des Wehrbeauftragten bekräftigt. Der Wehrbeauftragte ist der Beauftragte des Deutschen Bundestags. Es kann seine Position nur stärken, wenn er der Vertrauensmann aller Fraktionen ist.
Es ist deshalb zu begrüßen, daß dieses Gesetz nicht nur einvernehmlich beraten wurde, sondern auch im Verteidigungsausschuß einstimmig verabschiedet und als gemeinsamer Gesetzentwurf aller drei Fraktionen vorgelegt wurde.
So kann ich dem, was meine Vorredner hier gesagt haben, eigentlich nur uneingeschränkt zustimmen. Ich will die Debatte nicht unnötig verlängern. Wenn ich trotzdem ein paar Anmerkungen mache und einige Aspekte herausgreife, so deshalb, weil mir dieses Gesetz wichtig ist und nicht der Eindruck
entstehen darf, als messe die FDP diesem Gesetz keine Bedeutung bei.
Die Institution „Wehrbeauftragter" war ja ursprünglich - das ist bereits angeklungen - mehr oder weniger ein Kompromiß, der nicht überall ungeteilte Zustimmung fand. Heute wird diese Institution „Wehrbeauftragter" von allen Parteien nicht nur als Kompromiß hingenommen, sondern als nützliche Kontrollinstanz begrüßt. Und was besonders wichtig ist: Der Wehrbeauftragte genießt auch bei den Soldaten aller Dienstgrade und Dienststellungen Zustimmung und Vertrauen. Aus dem „institutionalisierten Mißtrauen", wie er einmal genannt wurde, ist ein „institutionalisiertes Vertrauen" geworden.
Die Soldaten wissen, daß es eine Instanz gibt, an die sie sich wenden können, wenn sie sich beschwert fühlen, ohne den Dienstweg einhalten oder gar gleich gerichtliche Schritte unternehmen zu müssen. Allein die Möglichkeit zu haben, eine solche Instanz einzuschalten, gibt ein Gefühl des Nichtausgeliefertseins und der Sicherheit. Das ist viel wert in einer Armee, in der einige staatsbürgerliche Rechte notgedrungen eingeschränkt sind und die - zu Recht oder zu Unrecht - von ihren Vorgängerarmeen her manchmal vorbelastet erscheint und vielfach beargwöhnt wird.
Der Wehrbeauftragte ist der Ombudsmann der Streitkräfte. Er ist gleichsam das Sicherheitsventil unserer demokratischen Armee. Subjektivem Unmut und subjektivem Unrechtsempfinden kann Luft gemacht werden, objektive Ungerechtigkeiten können beseitigt werden.
Die Besuche des Wehrbeauftragten bei der Truppe, seine Gespräche mit den Soldaten und die Eingaben an den Wehrbeauftragten geben ihm nicht nur die Möglichkeit, im Einzelfall tätig zu werden, sondern sie geben ihm häufig auch wertvolle Hinweise auf Fehlentwicklungen oder Mißstände allgemeiner Art schon in den Ansätzen und ermöglichen oft rasche und rechtzeitige Abhilfe durch die Vorgesetzten. Der Wehrbeauftragte wurde deshalb auch als „Frühwarnsystem" bezeichnet. Viele Kommandeure haben mir bestätigt, daß sie deshalb in der Tätigkeit des Wehrbeauftragten eine willkommene Unterstützung bei der Erfüllung ihrer Aufgaben sehen.
Der jährliche Bericht des Wehrbeauftragten gibt den Abgeordneten des Bundestages, gibt der breiten Öffentlichkeit wertvolle Hinweise. Dabei liegt es in der Natur der Sache, daß der Wehrbeauftragte den Finger auf die Wunden legt, auf Mißstände hinweist, die es in ähnlicher Form und in ähnlichem Umfang auch in anderen Bereichen unserer Gesellschaft gibt, zumal in Gesellschaftsbereichen, in denen Menschen eng zusammenleben. Damit will ich die Mißstände keineswegs verniedlichen; ich möchte damit lediglich zum Ausdruck bringen, daß durch das Aufzeigen solcher Mängel gelegentlich der Eindruck entsteht, als herrschten in der Bundeswehr die Mißstände vor. Dieser Eindruck ist mit Sicherheit falsch und ist auch von dem Wehrbeauftragten mit seinen Berichten nicht beabsichtigt.
Ich halte diese Feststellung für wichtig, weil es gerade bei der Vorlage des Jahresberichts 1980 nicht selten vorkam, daß sich Mitbürger - das waren keineswegs böswillige - mit Empörung über den inneren Zustand der Bundeswehr erregten. Böswillige taten es natürlich auch; für die sind solche Berichte immer ein gefundenes Fressen. Aber damit muß man leben.
Ich wage die Behauptung: Wenn es in anderen Bereichen - ich möchte gar keine Beispiele nennen - auch so etwas wie einen Wehrbeauftragten gäbe, gäbe es ähnliche Feststellungen. Gleichwohl müssen wir die vom Wehrbeauftragten aufgedeckten Probleme und Mißstände ernst nehmen.
Es ist richtig, daß der Wehrbeauftragte in seinen Jahresberichten Schwerpunkte setzt, die Jahr für Jahr verschieden sind. Natürlich interessiert uns, ob die im vorjährigen Jahresbericht angesprochenen Probleme inzwischen an Bedeutung verloren haben oder weiterbestehen.
Wir können heute feststellen, daß der Wehrbeauftragte eine geglückte Institution unseres demokratischen Staatswesens ist. Ich möchte bei dieser Gelegenheit nicht meine Überzeugung verhehlen, daß das Wirken des derzeitigen Amtsinhabers nicht unwesentlich dazu beigetragen hat. Dafür ihm und seinem Amt unseren Dank!
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Aber auch seine beiden unmittelbaren Vorgänger haben positiv dazu beigetragen, daß sich das Amt des Wehrbeauftragten konsolidiert hat und das Ansehen gewinnen konnte, das es heute genießt.
Mit dem vorliegenden Gesetz wird der verfassungsrechtliche Standort des Wehrbeauftragten verdeutlicht. Das ist schon angesprochen worden. Seine Funktion als Hilfsorgan des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung aller seiner Aufgaben wird klar herausgestellt. Die Amtsbefugnisse des Wehrbeauftragten werden im Interesse einer intensiven parlamentarischen Kontrolle verstärkt. Sein Anhörungsrecht wird aufgewertet. Die Vertretung des Wehrbeauftragten wird durch die Stärkung der Stellung des leitenden Beamten, durch Fortfall einer wenig sinnvollen bisherigen Regelung neu gefaßt. Die Dienststelle des Wehrbeauftragten wird organisatorisch verstärkt in den Bundestag eingebunden.
Ich hoffe und wünsche, daß damit die Arbeit des Wehrbeauftragten zum Nutzen unserer Soldaten unterstützt und erleichtert wird. Die FDP-Fraktion stimmt deshalb der Gesetzesvorlage zu.
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Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Dr. Bötsch das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ergänzend zu den Ausführungen, die Herr Kollege Weiskirch für unsere Fraktion aus der Sicht des Verteidigungsausschusses und insbesondere grundsätzlich zur Funktion des Wehrbeauftragten gemacht hat, darf ich einige Anmerkungen aus verfassungsrechtlicher und
verfassungspolitischer Sicht anfügen; denn der Geschäftsordnungsausschuß hat sich vornehmlich unter diesen Gesichtspunkten mit dem Gesetzentwurf befaßt und ihn ausführlich gutachtlich beraten, auch soweit keine Änderungen der Geschäftsordnung vorgesehen waren oder sind.
Ich möchte einige Schwerpunkte dieser Beratung erläutern, die vielleicht dem einen oder anderen uninteressant oder langweilig vorkommen, was aber natürlich nichts über deren Wichtigkeit aussagen kann.
Die Regelung des Zeugnisverweigungsrechts des Wehrbeauftragten wurde unseres Erachtens sachgemäß jetzt so normiert, daß er den Abgeordneten und den Journalisten nicht völlig gleichgestellt wird. Dies ergibt sich schon aus der Notwendigkeit und der Möglichkeit, eine Aussagegenehmigung zu erhalten, die nach der jetzigen Gesetzesformulierung nur unter ganz engen Voraussetzungen versagt werden darf. Das heißt, die letzte Entscheidung liegt dann in vielen Fällen beim Wehrbeauftragten, der nach seinem Gewissen entscheiden muß, ob er von der Aussagegenehmigung Gebrauch machen will. Diese Entscheidung ist wohl notwendig, weil nur er beurteilen kann, ob das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Soldaten, der Anliegen an ihn herangebracht hat, gegeben ist.
Ein weiteres wichtiges Problem, das sehr ausführlich beraten wurde, ist das Verhältnis des Wehrbeauftragten zum Parlament insgesamt. In der Begründung des ursprünglichen Entwurfs, wie er zunächst in erster Lesung hier behandelt wurde, stand, daß klargestellt werden sollte, daß der Wehrbeauftragte die Wahrnehmung aller seiner Aufgaben als Hilfsorgan des Bundestags bei der Ausübung parlamentarischer Kontrolle durchführe. Diese Zielsetzung schien uns im ursprünglichen Entwurf in seinen Formulierungen nicht gewährleistet, so daß in der Änderung dieses Entwurfs notwendigerweise die Worte „des Bundestages" zusätzlich zum Verteidigungsausschuß wieder eingefügt wurde. Dies ergibt sich unseres Erachtens zwingend aus Art. 45 b des Grundgesetzes, der festlegt, daß „ein Wehrbeauftragter des Bundestages" berufen wird. Da es aber bisher nicht etwa zu Konfliktfällen zwischen dem Weisungsrecht des Verteidigungsausschusses und dem Plenum des Bundestages gekommen ist, war auch nicht ersichtlich, warum das Gesetz insoweit geändert werden sollte.
Sehr ausführlich beschäftigte sich der Geschäftsordnungsausschuß mit der Frage der Stellung der Bediensteten beim Wehrbeauftragten. Hierbei muß angemerkt werden, daß für die Beamten des Deutschen Bundestages § 176 des Bundesbeamtengesetzes in Verbindung mit § 7 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages gilt. Wir sind nach ausführlicher Diskussion der Überlegung gefolgt, auch die Beschäftigten beim Wehrbeauftragten in diese Regelung einzubeziehen. Die Gefahr, daß andernfalls für die Beamten des Bundestages, zu denen auch die beim Wehrbeauftragten gehören, zweierlei Recht entstehe, kann nicht von der Hand gewiesen werden.
Um aber der besonderen Stellung des Wehrbeauftragten Rechnung zu tragen, wurde festgelegt, daß bei Maßnahmen gegenüber Bediensteten das Benehmen mit dem Wehrbeauftragten herzustellen ist, wobei uns dieses Benehmen für das Verhältnis des Leitenden Beamten, des direkten Stellvertreters im Amt, zum Wehrbeauftragten nicht ausreichend erschien, weshalb wir expressis verbis festgelegt haben, daß für „die Bestellung, Ernennung, Umsetzung, Versetzung und Zurruhesetzung des Leitenden Beamten . das Einvernehmen mit dem Wehrbeauftragten erforderlich" ist.
Das ursprünglich im Entwurf vorgesehene Vorschlagsrecht des Wehrbeauftragten gegenüber dem Präsidenten des Bundestages - wie es dort hieß - schien uns mißverständlich zu sein, da man hier bei dem Leitenden Beamten möglicherweise sogar an die Institution des politischen Beamten denken könnte, insbesondere deshalb, weil die Frage, ob man das so handhaben sollte, ja in früheren Zeiten schon einmal diskutiert wurde.
Im Zusammenhang mit der Änderung der Geschäftsordnung schlägt Ihnen der Ausschuß auch eine Änderung an ganz anderer Stelle vor, die durch die heutige Tagesordnung damit etwas unglücklich verknüpft wurde, nämlich die Gleichstellung der Behandlung von Beschlüssen zu Entschließungen des Europäischen Parlaments mit der Behandlung von EG-Vorlagen. Danach werden nur diejenigen Beschlußempfehlungen des federführenden Ausschusses im Plenum behandelt, mit denen dem Bundestag ein über die Kenntnisnahme hinausgehender Beschluß empfohlen wird. - Ich will mich auf diese Bemerkung beschränken und bitte Sie wegen der fortgeschrittenen Zeit darum, Einzelheiten der einschlägigen Drucksache 9/1368 zu entnehmen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Kübler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie schon meine Vorredner ausgeführt haben, befinden wir uns hier in der politisch erfreulichen Situation, daß alle Fraktionen einstimmig eine wichtige Gesetzesänderung vornehmen. Ich hebe dies besonders deshalb hervor, weil ich glaube, daß damit unterstrichen wird, daß die Arbeit des Wehrbeauftragten nach einer entsprechenden Bewährungszeit von allen Fraktionen des Deutschen Bundestages getragen wird.
Das ist, glaube ich, im Interesse der Soldaten unserer Bundeswehr gut so. Die Soldaten können ein hohes Maß an Vertrauen in die Arbeit des Wehrbeauftragten setzen, und damit trägt der Wehrbeauftragte - so verstehe ich auch sein Amt - wesentlich mit zur Stabilisierung der inneren demokratischen Gepflogenheiten der Bundeswehr und zum Klima, in dem die Soldaten ihren Dienst tun, bei.
Wir brauchen nicht zu verschweigen, daß daran natürlich auch die vom Bundestag gewählte Person des Wehrbeauftragten einen großen Anteil hat. Ich möchte namens meiner Fraktion Ihnen, Herr Wehrbeauftragter Berkhan, und Ihren Mitarbeitern herzlich dafür danken, daß Sie es allen Fraktionen des Deutschen Bundestages leicht gemacht haben, die auf Grund der praktischen Erfahrungen notwendig gewordenen Gesetzesänderungen vorzunehmen.
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Ich möchte mich darauf beschränken, auf diejenigen Änderungen einzugehen, die vom Geschäftsordnungsausschuß federführend behandelt worden sind. Im noch geltenden Gesetz über den Wehrbeauftragten gibt es den § 16 Abs. 2 Satz 3, der durch die jetzige Novellierung abgelöst werden soll. Dort steht:
Die Beamten werden auf seinen - des Wehrbeauftragten Vorschlag vom Präsidenten des Bundestages ernannt und entlassen.
Bei der Änderung der Geschäftsordnung - wir müssen diese Änderung der Geschäftsordnung vornehmen - geht es darum, einen guten Teil dieser alten Vorschrift in die Geschäftsordnung zu übernehmen, nämlich die praktische und rechtliche Einflußmöglichkeit des Wehrbeauftragten auf die Auswahl derjenigen seiner Mitarbeiter, die ihm besonders wichtig sind. Da dies aus dem Wehrbeauftragtengesetz herausgenommen werden mußte, ist dies jetzt in § 7 der Geschäftsordnung eingebracht worden. Dabei war wichtig, dies so zu regeln, daß einerseits die Rechte des Präsidenten des Deutschen Bundestages als Dienstvorgesetzter gewahrt und andererseits dem Fach- und Arbeitsinteresse des Wehrbeauftragten Rechnung getragen werden kann.
Meine Damen und Herren, im Grundsatz gilt für die Beamten des Wehrbeauftragten damit die gleiche Regelung wie für die Beamten des Deutschen Bundestages. Ich ergänze hier, daß dies bedeutet, daß die Mitarbeiter des Wehrbeauftragten personal-vertretungsmäßig vom Personalrat des Deutschen Bundestages vertreten werden. Dazu kommen, wie auch Herr Kollege Dr. Bötsch ausgeführt hat, die abgestuften Beteiligungsrechte des Wehrbeauftragten, auf die ich hier im einzelnen nicht mehr eingehen möchte. Mir scheint, daß durch diese Neuregelung die Stellung des Wehrbeauftragten im Personalentscheidungsbereich weiter gestärkt worden ist.
Die mit dieser Regelung behobenen Schwierigkeiten geben den Wandel nicht nur im Selbstverständnis des Wehrbeauftragten als einer parlamentarischen Institution, sondern eben auch in verstärktem Maße einen Wandel in der Art und Weise wieder, wie der Wehrbeauftragte seine ihm zugewiesene Aufgabe wahrnimmt. Ursprünglich war man doch insofern von anderen Voraussetzungen ausgegangen, daß der Wehrbeauftragte mit einem relativ kleinen Stab durch die Lande reist und vor Ort prüft, welche Beschwernisse der Soldaten es gibt.
Es hat sich im Laufe der Zeit erwiesen, daß der zunehmende Andrang, der Zulauf von Akten mit einer Fülle äußerst schwieriger Fälle durch eine etwas seßhaftere Institution bearbeitet werden muß. Natürlich wird es auch in Zukunft Inspektionsreisen
des Wehrbeauftragen vor Ort von derselben Wichtigkeit geben müssen.
Lassen Sie mich - hier wende ich mich besonders an den Wehrbeauftragten - kurz etwas zur Frage der haushaltsrechtlichen Einbindung sagen. Es würde der Stellung des Wehrbeauftragten nicht gerecht werden, wenn wir ein Einzelplanrecht beschließen würden, sondern wir werden mit-der jetzigen Regelung eines Kapitels innerhalb des Bundestags-Einzelplanes der Stellung des Wehrbeauftragten als parlamentarischer Institution gerechter.
Eine Gesamtbewertung der Änderung bedeutet - dies ist auch vom Gesetzgeber so beabsichtigt - eine Stärkung der Stellung des Wehrbeauftragten als parlamentarischer Institution, um die praktischen Arbeits- und Wirkungsmöglichkeiten des Wehrbeauftragten zu erhöhen. Meine Fraktion spricht sich daher für die Annahme der Änderungen aus.
Wir haben jetzt noch einen völlig anderen Punkt zu behandeln. Das ist die Frage der Behandlung von Unterrichtungen im Deutschen Bundestag und in den federführenden Ausschüssen. Lassen Sie mich im Hinblick darauf, daß die Frage der Zusammenarbeit zwischen dem Europäischen Parlament und seinen Organen und dem Deutschen Bundestag und seinen Organen von Wichtigkeit ist, einige Anmerkungen dazu machen.
Es geht hierbei nicht um die Frage des Drucks und der Verteilung von Entschließungen des Europäischen Parlaments als Bundestagsdrucksachen an den Bundestag - dies erfolgt nach wie vor -, sondern es geht um die Frage der Berichtspflicht des federführenden Bundestagsausschusses bei den gedruckten und verteilten Entschließungen des Europäischen Parlaments.
Die jetzige Geschäftsordnung sieht keine ausdrückliche Berichtspflicht des federführenden Ausschusses vor. Im Interesse der Arbeitsfähigkeit des Deutschen Bundestages ist allerdings eine automatische Berichtspflicht auch nicht zweckmäßig. Eine Beschlußempfehlung und ein Bericht an den Bundestag sind bei Unterrichtungen grundsätzlich nur dann sinnvoll, wenn der federführende Ausschuß dem Bundestag einen über die Kenntnisnahme hinausgehenden Beschluß empfehlen will. Diese auf den ersten Blick als Detailfrage erscheinende klarstellende Neuregelung gehört, wie gesagt, zu dem großen Gesamtkomplex der vielen Fragen der wirkungsvollen Zusammenarbeit zwischen dem Europäischen Parlament und dem nationalen Parlament, also unserem Bundestag. Wir stehen hier eher noch am Anfang der Diskussion. Die Zusammenarbeit zwischen den Organen des Europäischen Parlamentes und des Deutschen Bundestages muß in der Tat sowohl im informativen wie auch im Bereich der gegenseitigen Abstimmung stark intensiviert werden.
Der am Mittwoch dieser Woche erfolgte Besuch des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages beim Haushaltsausschuß und beim Wirtschafts- und Währungsausschuß des Europäischen Parlaments hat dies besonders deutlich gemacht. Es war im übrigen offensichtlich der erste offizielle Besuch eines Bundestagsausschusses bei Ausschüssen des Europäischen Parlaments. Diese Art von offiziellen Begegnungen zwischen Ausschüssen trägt sicher auch dazu bei, klarer zu erkennen, wann eine Berichterstattung des federführenden Ausschusses an den Bundestag erfolgen sollte.
In diesem Sinne betrachtet meine Fraktion die Ergänzung des § 80 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages als einen Beitrag zur weiter dringend notwendigen Normalisierung der Zusammenarbeit zwischen dem Europäischen Parlament und dem Bundestag. Im Namen meiner Fraktion bitte ich um Zustimmung auch zu diesem Änderungsantrag. - Vielen Dank.
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Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zuerst zur Einzelberatung und Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 22 a: Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes über den Wehrbeauftragten des Bundestages - Drucksache 9/1367.
Ich rufe Art. 1 Nr. 1 bis 18 in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Die aufgerufenen Vorschriften sind damit einstimmig angenommen.
Ich rufe Art. 1 Nr. 19 auf. Hierzu liegt Ihnen auf Drucksache 9/1441 ein Änderungsantrag der Abgeordneten Weiskirch ({0}), Neumann ({1}) und Möllemann vor. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Eine Enthaltung, sonst einstimmig angenommen.
Wer Art. 1 Nr. 19 in der Ausschußfassung mit der soeben beschlossenen Änderung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die aufgerufene Vorschrift ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Art. 1 Nr. 20, Art. 1 a und 2 sowie Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die aufgerufenen Vorschriften sind einstimmig angenommen.
Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen.
Meine Damen und Herren, nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll sich jetzt die dritte Beratung unmittelbar anschließen. Da in der zweiten Beratung eine Änderung angenommen worden ist, müssen wir gemäß § 84 unserer Geschäftsordnung mit mindestens der Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder des Bundestages beschließen, daß die dritte Beratung jetzt schon erfolgen kann. Ich frage deswegen, ob das Haus damit einverstanden ist. - Ich stelle ausdrücklich die Frage, ob Gegenstimmen oder Enthaltungen vorliegen. - Das
Vizepräsident Windelen
ist nicht der Fall. Dann ist das mit der erforderlichen Mehrheit so beschlossen.
Wir treten damit in die
dritte Beratung
ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 22 b: Ergänzung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses auf Drucksache 9/1368 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 23 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Verteidigungsausschusses ({2}) zu der Unterrichtung durch den Wehrbeauftragten
Jahresbericht 1980
- Drucksachen 9/240, 9/1399 Berichterstatter:
Abgeordnete Weiskirch ({3}) Horn
Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zur Aussprache gewünscht? - Auch das ist nicht der Fall.
Wir kommen damit zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Verteidigungsausschusses auf Drucksache 9/1399 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist damit einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Schluß unserer Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 24. März 1982, 13 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.