Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 2/11/1982

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Die Sitzung ist eröffnet. Meine sehr verehrten Damen und Herren, am 6. Februar hat Abgeordneter Schmidt ({0}) seinen 65. Geburtstag gefeiert. Wir gratulieren ihm nachträglich. ({1}) Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat soll die Tagesordnung um den Zusatzpunkt erweitert werden, der Ihnen schriftlich vorliegt: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({2}) zu dem Antrag der Abgeordneten Kittelmann, Dr. Abelein, Dr. Waigel, Dr. Wörner, Dr. Hüsch, Dr. von Geldern, Echternach, Amrehn, Höffkes und der Fraktion der CDU/CSU 3. Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen - Drucksachen 9/581, 9/1342 - Berichterstatter: Abgeordneter Rapp ({3}) Erhebt sich gegen die Erweiterung der Tagesordnung Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann ist so beschlossen. Nach § 78 Abs. 5 der Geschäftsordnung dürfte die Beratung des Zusatzpunktes frühestens am dritten Tag nach Verteilung der Drucksache beginnen. Für die heutige Beratung muß deshalb von der genannten Geschäftsordnungsvorschrift abgewichen werden, und zwar gemäß § 126 der Geschäftsordnung mit einer Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder des Bundestages. Erhebt sich dagegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann ist einstimmig so beschlossen. Damit ist dem Erfordernis der Zweidrittelmehrheit entsprochen. Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({4}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" für den Zeitraum 1981 bis 1984 - Drucksachen 9/755, 9/1235 Berichterstatter: Abgeordneter Sauter ({5}) Wünscht der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Sauter.

Franz Sauter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001926, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe war schon bei der Beratung umstritten. Die Kritik ist bis heute nicht verstummt. Sowohl im Bundestag als auch in den Länderparlamenten wurde beklagt, daß die Abgeordneten keine Mitwirkungsmöglichkeit haben. Dies trifft für alle Mischfinanzierungen zu. Der federführende Ausschuß bittet deshalb das Hohe Haus, der Beschlußempfehlung auf Drucksache 9/1235 zuzustimmen. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, rechtzeitig, bevor der Planungsausschuß Entscheidungen trifft, dem Bundestag die Vorschläge für die Gestaltung der Gemeinschaftsaufgabe zu unterbreiten. Wir verbinden damit die Erwartung auf angemessene Berücksichtigung. Durch die Haushaltskürzungen sind die Möglichkeiten zur Durchführung von Maßnahmen nach dem Gemeinschaftsaufgabengesetz eingeschränkt. Deshalb ist eine Konzentration der Mittel erforderlich. Diese erstmalige Möglichkeit der Mitwirkung des Parlaments bedeutet leider auch, daß wir die Aufgabe haben, den Mangel zu verwalten. Schließlich gibt es zahlreiche EG-Richtlinien, die Einfluß auf die Agrarstruktur haben. Wir bitten um eine Überprüfung und eine entsprechende Anpassung. Die Kritik an der Gemeinschaftsaufgabe, von der einleitend die Rede war, kam und kommt aus allen politischen Lagern. Die Forderung, Mischfinanzierungen abzuschaffen, ist ja immer mit dem Hinweis auf eine Änderung des Länderfinanzausgleichs verbunden. Dennoch, meine Damen und Herren, gehe ich davon aus, daß dieses Gesetz die nächsten Jahre noch überleben wird. Bei einer kurzen Würdigung will ich gern einräumen, daß die Gemeinschaftsaufgabe positive Wirkungen im Bereich der Agrarstruktur und der Verbesserung des Küstenschutzes, aber auch für den Sauter ({0}) ländlichen Raum hatte. Das einzelbetriebliche Förderprogramm konnte jedoch landwirtschaftliche Betriebe, die sich teilweise in einer dramatischen Situation befinden, nicht besser über die Runden bringen. Die Gemeinschaftsaufgabe war nicht nur für die Landwirte nützlich; ich habe darauf hingewiesen, daß diese Maßnahmen allen in den betroffenen Gebieten zugute kamen. Der Beschäftigungseffekt war erheblich. Gerade auch deshalb bedauern wir die Kürzungen. Der Bund, meine Damen und Herren, stellt 1982 - dies war auch schon 1981 so - weniger Mittel bereit als in den Jahren 1973 und 1974. Damals waren es 1,2 Milliarden DM, heute sind wir bei knapp 1 Milliarde DM angelangt. Allein die Kürzungen 1981 um 260 Millionen DM, also um 20 % - 1982 haben wir den gleichen Betrag -, bedeuten einen Ausfall an Investitionen im ländlichen Raum von fast 1 Milliarde DM. Ich weiß zwar, wie empfindlich Minister Ertl auf Kritik reagiert, jedoch kann er von der Opposition nicht erwarten, daß man ihm für diese Kürzungen noch Lorbeerkränze windet. Im Gesetz steht an erster Stelle der Maßnahmen die Flurbereinigung. Dies ist, wie ich finde, nach wie vor der beste Weg zur Verbesserung der Agrarstruktur. Das KTBL hat in Rheinland-Pfalz interessante Untersuchungen angestellt. Die Arbeitsersparnis beträgt nach dieser Analyse nach einer Neuzuteilung 30 % bis 40 %. Nach Durchführung der Verfahren waren 37 % der Schlepperstunden weniger erforderlich - eine beachtliche Leistung und ein wesentlicher Beitrag zur Energieeinsparung. Als Folge der Kürzungen können neue Verfahren derzeit nicht eingeleitet werden; laufende Maßnahmen werden verzögert. Wenn wir uns die Aufteilung der Mittel ansehen, so stellen wir fest, daß die Flurbereinigung - nach dem einzelbetrieblichen Programm und den Maßnahmen der Wasser- und Kulturbautechnik - erst an dritter Stelle liegt. Über eine Umschichtung der Mittel muß offen diskutiert werden. Die Vorschläge, meine Damen und Herren, die ich jetzt mache, sind Anregungen von unserer Seite, über die weiter nachgedacht werden soll, auch mit den Ländern. Fertige Rezepte haben wir nicht; mir sind sie auch suspekt. Die Kosten für die Verfahren, von denen vorher die Rede war, steigen. Rebflurbereinigungen, die fortgesetzt werden sollen, sind kaum noch finanzierbar. Die betroffenen Winzer sind überfordert, dennoch werden die Teilnehmerbeiträge erhöht. Über Einsparungen im Bereich der Flubereinigung muß diskutiert werden. Wir wissen, daß die Kosten für das beschleunigte Zusammenlegungsverfahren und den Landtausch wesentlich geringer sind. Lassen Sie mich hinzufügen: Im ebenen Gelände muß nicht jeder Feldweg schwarz gemacht werden. Durch Ausweisung größerer Flurstücke brauchen wir weniger Straßen und Wege. Der Naturschutz und die Landschaftspflege stellen derzeit zusätzliche Forderungen. Sicher, bei mancher Flurbereinigung wurde auch übertrieben. Nach Abschluß des Verfahrens gab es gelegentlich weder Baum noch Strauch. Nur halte ich nichts davon, wenn wir jetzt von einem Extrem ins andere fallen. Die Interessen des Naturschutzes sind ja im Flurbereinigungsgesetz verankert. Die Verbandsklage wäre jedoch ein weiteres Erschwernis für die Flurbereinigung. Ich habe die Ausführungen von Dr. Schmidt in Berlin zur Verbandsklage und zur Landwirtschaftsklausel mit großem Interesse gelesen. Ich weiß nicht, ob seine ganze Fraktion da hinter ihm steht. Meine Damen und Herren, die Einbeziehung der Ortslagen in die Verfahren bringt einen erheblichen Effekt, aber sie verlängert und verteuert die Prozedur. Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen haben die ungünstigste Flurverfassung. Dies muß bei der Aufteilung der Mittel künftig stärker berücksichtigt werden. Ich habe dem Minister wegen der Benachteiligung von Baden-Württemberg vor zwei Monaten einen Brief geschrieben, der bis heute nicht beantwortet ist. Auch in der Begründung zum heutigen Antrag finden Sie entsprechende Hinweise. Meine Damen und Herren, es ist auf die Dauer unzumutbar, diesem Land allein die Rolle des Zahlmeisters beim Finanzausgleich zuzuweisen, bei der regionalen Wirtschaftsstruktur die Leistungen des Bundes auf Null zu setzen und uns dort, wo wir einen enormen Nachholbedarf haben, nämlich bei der Agrarstruktur, nicht stärker zu berücksichtigen. ({1}) Ich sage dies an die Adresse aller Bundesländer. Die Verbitterung in unserem Land nimmt zu; eine Korrektur ist überfällig. Über das einzelbetriebliche Programm haben wir schon manche kontroverse Debatte geführt. Die Union hat seit Beginn der Maßnahmen Kritik angemeldet. Wir haben immer die Starrheit und die Ausschließlichkeit des Programms kritisiert. Das außerlandwirtschaftliche Einkommen als alleiniger Maßstab für die Förderung ist nicht geeignet, die Probleme zu lösen. Das Ergebnis sind der Zwang zur Produktionssteigerung, ein enormer Verdrängungswettbewerb und wachsende Unruhe unter den Landwirten. ({2}) Wegen der knappen Mittel und wegen des Antragsstaus sind uns die Hände für die Zukunft gebunden. Die eingegangenen Zusagen müssen aber abgewikkelt werden. Die Konzentration der Mittel soll dann vor allem auf Betriebe gerichtet sein, bei denen ein öffentliches agrarstrukturelles Interesse besteht. Früher wurde uns gesagt: Zum Ertl-Programm gibt es keine Alternative. ({3}) - Ja, das ist richtig. - Um unsere Position klarzumachen: Wir haben uns nicht grundsätzlich gegen die einzelbetriebliche Förderung ausgesprochen; wir haben die Exklusivität des Programms kritisiert. Inzwischen hat auch die Bundesregierung einen Lernprozeß durchgemacht: Es gibt Prosperitätsklauseln und Obergrenzen bei der Veredelung. Die EG hat zu Sauter ({4}) Recht kritisiert, daß gerade in strukturschwachen Gebieten dieses Programm mit seiner Orientierung am außerlandwirtschaftlichen Einkommen ungeeignet ist. Wenn wir von Umschichtungen reden, sollten wir auch ganz offen über die Wiedereinführung eines Agrarkredits nachdenken. In Bayern und in Baden-Württemberg haben wir damit gute Erfahrungen gemacht. ({5}) Vor nicht allzu langer Zeit hat die Bundesregierung selber, damals in Bad Zwischenahn, intensive Überlegungen in dieser Richtung angestellt. Wir werden auf dieses Problem ohnehin zurückkommen müssen, da sich die Liquidität der Betriebe in dramatischer Weise verschlechtert. Für die Landwirte in den benachteiligten Gebieten könnten über den Agrarkredit zusätzliche Hilfen gewährt werden. Wir anerkennen dankbar die Bemühungen mehrerer Bundesländer für die Betriebe, die auch bei guter Bewirtschaftung oft nur die Hälfte des Durchschnittseinkommens erzielen. Die Agrarpolitik der Bundesregierung, meine Damen und Herren, war, wie ich finde, in den letzten Jahren zu sehr auf den Vollerwerbsbetrieb fixiert. Aber für den Zu- und Nebenerwerb gab es dennoch Trost, wenigstens auf dem Papier: Aufstiegshilfe, Übergangshilfe, Anpassungshilfe, Umstellungshilfe. Es war ein Programm zu Werbezwecken der Regierung und für den Papierkorb. Die Inanspruchnahme war fast null. Die künftige Agrarpolitik darf jedoch die Zu- und Nebenerwerbsbetriebe nicht im Abseits stehen lassen. Wir können, meine Damen und Herren, nicht eine Agrarpolitik betreiben, die vor den wirtschaftlichen Verhältnissen bei uns die Augen verschließt. Wir haben 2 Millionen Arbeitslose, und gerade im ländlichen Raum wird die Lage immer dramatischer. Selbst wenn die Lage auf dem Arbeitsmarkt besser werden sollte, befürchte ich, daß diese Regionen noch lange eine überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit haben werden. Dies alles hat unmittelbar mit dem Thema dieser Debatte zu tun. Die Zahl der Betriebe hat 1981 um 2,1 % abgenommen. Im Schnitt der letzten zehn Jahre waren es 2,6 %. Angesichts dieser Tatsache ist es fast makaber, darauf zu setzen, daß sich der Strukturwandel beschleunigt, oder gar wie die Regierung im Rückgang der Zahl der Betriebe das Heil für die Agrarpolitik zu sehen oder gar wie der Herr Staatssekretär Gallus laut Pressemeldung zu meinen, 100 000 Betriebe sollten in den nächsten fünf Jahren verschwinden. ({6}) Herr Staatssekretär, ich bin auch über die Diktion, die Sie hier gewählt haben, betroffen. Mancher Vollerwerbsbetrieb wird auf Dauer nicht ohne Nebentätigkeit auskommen. Die Zu- und Nebenerwerbsbetriebe - dies wissen wir ohnehin - sind auf außerlandwirtschaftliche Arbeitsplätze angewiesen. Allerdings dürfen dann diese Arbeitsplätze nicht in allzu weiter Ferne liegen. Dies bedeutet konkret: Wenn wir das Bekenntnis zu allen drei Betriebsarten nicht auf dem Papier stehen lassen wollen, dann brauchen wir Arbeitsplätze und Wirtschaftskraft nicht nur in den Zentren, sondern auch in den ländlichen Regionen. Wir von der Union stemmen uns nicht gegen den Strukturwandel. Nur ist „Wachsen oder Weichen" für die Union keine Maxime der Agrarpolitik. ({7}) Der Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz ist ein Spiegelbild des finanziellen Dilemmas, in dem sich die Bundesregierung befindet. Dringende Aufgaben werden nicht mehr erfüllt, und dies, obwohl die Sachverständigen uns raten, im Bereich der Gemeinschaftsaufgaben mehr zu tun, da es sich hier um investive Maßnahmen handelt. Die Kürzungen im Einzelplan 10 sind wesentlich einschneidender als die im Gesamthaushalt, und neben der Sozialpolitik ist davon besonders die Gemeinschaftsaufgabe betroffen. Diese bitteren Tatsachen beweisen mehr als viele Worte, welchen geringen Stellenwert die Landwirtschaft im allgemeinen und der zuständige Minister im besonderen heute noch haben. Er wird aus den eigenen Reihen demontiert und ist dabei, ein politisches Leichtgewicht zu werden. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich mit dem Hinweis schließen, daß es sehr schwierig sein wird, die tiefe Resignation, die sich in unserem Land ausgebreitet hat, zu überwinden. Auch die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe, die in existentieller Not sind, wächst. Was nottut in dieser Situation, sind angemessene Preise, eine bessere wirtschaftliche Entwicklung, aber auch eine bessere Regierung. Die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" kann, wenn sie trotz notwendiger Sparmaßnahmen mit Mitteln ausreichend ausgestattet und sinnvoll eingesetzt wird, einen wichtigen Beitrag leisten, den Landwirten und den Menschen im ländlichen Raum wirksam zu helfen. Ich bitte das Hohe Haus um Zustimmung zu unserer Beschlußempfehlung. - Ich danke Ihnen. ({8})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Abgeordnete Immer.

Klaus Immer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000995, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin eigentlich sehr überrascht, daß Herr Kollege Sauter in dieser moderaten Weise - abgesehen von einigen kleinen Schlenkern - im Grunde das unterstützt, was die Koalitionsfraktionen gefordert haben - es ist ja unsere Idee gewesen, der Sie sich angeschlossen haben -, nämlich bei der Aufstellung des jeweiligen Rahmenplans in einem Maße mitzuwirken, in dem das bisher vielleicht nicht möglich war. Der Ausgangspunkt ist ja wohl nicht in einer Zeit gewesen, in der knappe Mittel zur Verfügung standen, sondern diese Initiative geht ja auf die Ergebnisse der Anhörung dieses Ausschusses am 29./30. November 1977 zurück, in der wir uns dafür ausgesprochen haben. Leider hat das sehr lange gedauert. Immer ({0}) Ziel der Beschlußempfehlung ist es, die Einflußmöglichkeiten des Parlaments, in diesem Fall des Bundesparlaments, und des Fachausschusses zu stärken. Wir wollen die Ausgleichsfunktion des Bundes stärken und möchten verhindern, daß die Gemeinschaftsaufgabe in ein Ungleichgewicht gerät. Die Gemeinschaftsaufgabe hat sich im wesentlichen bewährt. Die Bedeutung wird durch den Mitteleinsatz klar; seit Inkrafttreten sind vom Bund immerhin Mittel in Höhe von rund 11,2 Milliarden DM aufgewendet worden. Die Auswirkungen sind auch von Ihnen, Herr Sauter, gewürdigt worden. Trotzdem sind wir beide der Meinung - ebenso die Fraktionen im Ausschuß -, daß man die Instrumente jeweils auf ihre Wirksamkeit überprüfen und fragen muß, ob nicht neue Probleme aufgetaucht oder andere in den Hintergrund getreten sind. Daher sprechen wir uns für eine Durchforstung des Förderkatalogs aus, nicht rigoros, sondern sehr behutsam, wie man das ja auch im Forst sehr behutsam macht - kein Kahlschlag, sondern sehr genau wissend, was dabei möglicherweise herauskommen kann. Wir müssen dabei die Ausgleichsfunktion des Bundes mit den regionalen Bedürfnissen der Länder kombinieren. Beides muß in einer ganz bestimmten Waage bleiben. Dabei wird es natürlich Konflikte geben, insbesondere wenn wir an die EG denken, die uns da j a auch noch hereinwirkt und nicht zuläßt, daß wir manche Maßnahmen ergreifen. Diese Konflikte sind nur durch faire Kompromisse zu lösen. Wir wenden uns - ich glaube, daß Sie als Opposition das gemeinsam mit uns tun - gegen Aufweichungstendenzen. Im Augenblick liegt in einem anderen Bereich ein Bundesrats-Entwurf zur Änderung des Gesetzes zur Gemeinschaftsaufgabe vor, der darauf abzielt, die Stimmenverhältnisse im Planungsausschuß - in diesem Falle erst einmal als Test - der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" so zu verändern, daß der Bund praktisch nur eine Stimme gegen elf haben soll; diese Beratungen sind ja gerade erfolgt. Wenn das käme, dann würden wir überhaupt keine Chance mehr haben, weil der Bund geschwächt wäre; das Bundesparlament wäre nicht in der Lage, in irgendeiner Weise einwirken zu können. Sie wissen, daß dieser Vorschlag von Niedersachsen initiiert worden ist und von den anderen Bundesländern mitgetragen wird; wir wissen allerdings noch nicht genau, in welcher Weise und wie stark. Herr Sauter, Sie haben - diesen Punkt muß ich ansprechen - von den Kürzungen gesprochen. Auch wir beklagen selbstverständlich die Kürzungen, aber wir müssen sagen, was denn eigentlich passiert, wenn - so war es heute in den Nachrichten zu hören; gestern ist das auch in der Pressekonferenz dargelegt worden - nach dem 7-Punkte-Programm der Opposition Subventionen gekürzt werden sollen, ohne daß allerdings gesagt wird, wo dies geschehen soll. ({1}) - Entschuldigung, wir können uns über den Begriff „Subventionen" gern einmal unterhalten. Ich nehme ihn ganz neutral. Ich sage dies also gar nicht als Kritik. Ich sage gar nicht, daß Subventionen schlechte Dinge sind. Es sind Zuweisungen, um notleidenden Bereichen zu helfen. Das ist in diesem Falle auch so, denn die Landwirtschaft kann ihre Strukturen nun einmal nicht aus eigener Kraft verbessern. Wir meinen, man muß hier mithelfen. Fangen wir dann aber doch einmal an, zu überprüfen, wo denn gekürzt wird. Wenn ich richtig unterrichtet bin, hat Herr Stoltenberg aus Schleswig-Holstein hintenherum über ein Telex auf der einen Seite gefordert, die Mittel zu erhöhen; auf der anderen Seite reist er herum und sagt: „Wir müssen sparen". Diese Dinge passen einfach nicht zusammen. ({2}) Deshalb müssen wir das einmal ganz klar aussprechen. Ich möchte einen Punkt herausheben, der in der Gemeinschaftsaufgabe völlig unstrittig ist.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Klaus Immer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000995, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein, sonst komme ich mit meiner Zeit nicht aus. ({0}) - Ich lese nie ab. Ich pflege kein fertiges Referat vorzulegen. Ich möchte auf einen Punkt - Herr Eigen, Sie werden nachher j a vielleicht darauf eingehen - zu sprechen kommen, der innerhalb der Gemeinschaftsaufgabe völlig unbestritten ist und der auch, wenn es um Kürzungen, Streichungen usw. geht, nicht zur Debatte steht. Ich meine die Frage des Küstenschutzes. Allerdings meinen wir, daß die Bundesregierung auch hier verstärkt ihren Einfluß geltend machen könnte. Ich möchte drei Punkte herausheben, die wir den beteiligten Ländern gewissermaßen mit auf den Weg geben wollen. Erstens. Deichverstärkung hat Vorrang. Der Bau einer zweiten Deichlinie ist in der Regel nicht erforderlich. ({1}) Zweitens. Der Schutz des Menschen durch Deichverstärkungen und der Naturschutz im Wattenmeer sind keine Prinzipien, die auseinanderklaffen müssen; sie können, gerade wenn wir Deichverstärkungen vornehmen und uns darauf im wesentlichen beschränken, kombiniert werden. ({2}) Drittens möchte ich noch auf einen Irrtum zu sprechen kommen. Es gibt immer wieder das Argument als Hilfsargument, daß man durch den Bau großer neuer Deichanlagen in den Küstengebieten, die ja meistens aus alter Tradition leider mit Arbeitslosigkeit zu kämpfen haben, Arbeitslosigkeit beseitigen oder Betriebe stabilisieren könne. Sie wissen, daß Großanlagen EG-weit ausgeschrieben werden müssen. Im Augenblick scheint es so zu sein, daß die Holländer durch das Vorhandensein größerer Maschinenkapazitäten in diese AusschreibunImmer ({3}) gen hineindrängen. Unsere Betriebe sind in der Regel zu klein oder nicht genügend ausgestattet. Ich will nur sagen, daß dies auch ein wichtiger Punkt ist. Man sollte also nicht übers Land ziehen und sagen: Wenn wir diesen oder jenen Deich neu gebaut hätten, hätten wir soundso viele Arbeitsplätze schaffen können. Meine sehr verehrten Damen und Herren, gestatten Sie mir noch einige spezielle Hinweise. Die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" hat in der Vergangenheit - das wird auch in der Zukunft so sein - neben den Wirkungen auf die landwirtschaftlichen Bedingungen auch auf die Arbeitsplatzsituation positive Wirkungen gehabt. Denn bei den Maßnahmen sind auch Investitionen initiiert worden. Sie haben - wegen der örtlichen Begrenztheit der Aufgabe natürlich an Ort und Stelle - dazu geführt, daß Betriebe erhalten werden konnten, nicht nur landwirtschaftliche Betriebe, sondern Dienstleistungsbetriebe, Handwerksbetriebe und so fort. Um so wichtiger erscheint es mir - das haben wir schon öfter gefordert -, daß wir dort, wo es irgendwie geht, eine stärkere Verklammerung der beiden großen Gemeinschaftsaufgaben - „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" auf der einen und „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" auf der anderen Seite - erreichen. Auch auf diesem Gebiet müssen wir mit den verwandten Ausschüssen, die in diesen Bereichen tätig sind, zu gemeinsamen Aktionen kommen, zu gemeinsamen Bewertungen. Wir fordern auch die Bundesregierung auf, daß die beiden Häuser, die da zuständig sind, in dieser Form etwas genauer zusammenarbeiten. Wir bitten auch die Länder, das zu kombinieren. Dritter Punkt: Nur die Synthese von Ökologie und Ökonomie - ich meine das ganz ernst - kann die Zukunft auf dem Lande sichern. Wir werden trotzdem immer wieder einen Interessenkonflikt zwischen Urbanität und dörflicher Idylle haben. Beides zusammen kann man wohl nicht haben. Man kann nicht aus jedem Dorf eine Großstadt machen; das wollen wir auch nicht. Aber man muß dafür sorgen, daß die Ergänzungsbedingungen zwischen dem Ort des Wohnens, dem Ort der landwirtschaftlichen Tätigkeit und den Bedingungen, unter denen in den Großstädten oder zentralen Orten private und öffentliche Dienstleistungen angeboten werden, in einem gesunden Verhältnis stehen. Das bedeutet insbesondere, daß wir daran denken müssen, inwieweit und in welcher Form wir das gute Programm der Dorferneuerung wieder in Gang setzen. ({4}) Ich meine, ein guter Weg wäre - auch wenn das Ressort vielleicht nicht dieser Meinung ist -, das Programm innerhalb des Städtebauförderungsgesetzes mit einer Sonderquote und mit einem ganz klar umrissenen, unbürokratischen Weg zu etablieren, weil es dann nicht eine Aufgabe ist, die je nach Konjunktur in Gang gesetzt wird, sondern eine Daueraufgabe; denn sie ist eine Aufgabe wie die des Städtebauförderungsgesetzes. ({5}) Ich möchte einen weiteren Punkt hinzufügen. Wir reden in den Bereichen der Industrie und im Gewerbe von „Humanisierung der Arbeitswelt". Ich will hier nicht einen neuen Fördertitel einbringen. Ich möchte aber bewußt machen, daß wir in der Landwirtschaft, wo es wenig abhängig Beschäftigte gibt, Menschen in einem Familienverband haben, die arbeiten und zum großen Teil hart arbeiten, so daß wir auch hier das Problem der Humanität im Arbeitsablauf haben. ({6}) - Ja, auch in der Landwirtschaft, ich sage das ganz bewußt. - Wir müssen überlegen, inwieweit wir hier einmal initiativ werden können. Wir sollten einmal fragen, wie denn die Familienangehörigen, wie die Frauen, wie die Kinder eingespannt sind, inwieweit sie überfordert sind, inwieweit sie häufig zur Arbeit in inhumaner Weise herangezogen werden müssen. Ich will das ganz neutral sagen. Wir sollten einmal darüber nachdenken, nicht um zu einem Programm zu kommen, aber um das zu analysieren und dann zu Konsequenzen zu kommen. Ich möchte zusammenfassen. Erstens. Eine Durchforstung der Gemeinschaftsaufgabe in dem Sinne, wie ich es vorhin gesagt habe, ist dringend erforderlich. Zweitens. Die Bundeskompetenz darf nicht ausgehöhlt werden. Darum bitte ich um Ihre Unterstützung, daß wir das Ansinnen des Bundesrates zur Veränderung der Stimmen im Planungsausschuß abwehren. Das kann bundesseitig nur unser aller Wille sein. ({7}) Drittens. Die regionalen Bedürfnisse der Länder wollen wir in die Überlegungen, die wir bundesseitig machen, einbeziehen. Wir wollen keineswegs etwa als Bundesparlament - und wir erwarten das auch von der Bundesregierung - einfach diktieren, was die Länder zu schlucken haben. Es soll eine Gemeinschaftsaufgabe sein, in der alle Faktoren, alle Aufgaben miteinander kombiniert werden müssen. Viertens. Die Strukturverbesserung - das klang vorhin bei Herrn Sauter an - hat Vorrang vor der Förderung der Produktion. Wir wollen nicht produktionsfördernde Maßnahmen zu sehr in den Vordergrund stellen angesichts der Situation, die wir in unserem Lande und in der Europäischen Gemeinschaft alle kennen. Fünftens wollen wir mit dieser Beschlußempfehlung eben das erreichen, was wir alle unterschrieben und eingebracht haben: eine rechtzeitige Einflußnahme des Deutschen Bundestages, des Fachausschusses und der mitberatenden Ausschüsse, damit wir Einfluß nehmen können, um die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" besser wahrzunehmen, zum einen im Dienste der Landwirtschaft, aber auch im Dien5126 Immer ({8}) ste des ländlichen Raums, der uns allen am Herzen liegt. - Ich danke Ihnen. ({9})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bredehorn.

Günther Bredehorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000256, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als Oldenburger bin ich ganz besonders erfreut, hier heute morgen sprechen zu können; verehrte Frau Präsidentin, Sie sind ja seit gestern abend mit der höchsten Oldenburger Würde ausgezeichnet, denn Sie sind jetzt die Oldenburger Grünkohlkönigin. ({0}) Dazu meinen ganz herzlichen Glückwunsch! Als Oldenburger Untertan möchte ich wünschen, daß Sie in diesem Jahr eine glückliche Regentschaft führen. ({1}) Meine Damen und Herren, in meiner Stellungnahme zum Einzelplan 10 in der nur drei Wochen zurückliegenden Haushaltsdebatte habe ich klar zum Ausdruck gebracht, daß wir Freien Demokraten die notwendigen Kürzungen im Etat des Landwirtschaftsministers und insbesondere bei der Gemeinschaftsaufgabe gerade bei der gegenwärtigen Einkommenssituation der Landwirtschaft für eine harte und schmerzliche Sache halten. Dennoch bin ich auch als Agrarpolitiker nach wie vor bereit, diese Kürzungen mitzutragen und sie hier in diesem Hohen Hause wie auch draußen im Lande zu vertreten. Denn es bleibt uns kein anderer Weg - jedenfalls sehe ich außer der von uns für unvertretbar gehaltenen Erhöhung der Nettokreditaufnahme keinen -, die staatlichen Ausgaben den sinkenden Einnahmen aus Steuern und Sozialbeiträgen anzupassen, als eben der, diese Ausgaben zu kürzen. Wenn ich dies feststelle, verkenne ich dabei selbstverständlich nicht die teilweise hohen Beschäftigungswirkungen der Gemeinschaftsaufgaben, ({2}) die uns allen gerade in der derzeitigen Situation besonders am Herzen liegen müssen. Herr Sauter hat dies in seinem Beitrag auch herausgestellt. Die Opposition macht sich meiner Meinung nach die Sache allerdings etwas zu leicht, indem man in der Öffentlichkeit einerseits fast den Eindruck erweckt, als hätten die im Haushaltsjahr 1982 für die Gemeinschaftsaufgabe zur Verfügung stehenden 1,050 Milliarden DM eine Verhinderung von Investitionen zur Folge, und andererseits behauptet, für die Reduzierung der Mittel bei der Gemeinschaftsaufgabe sei allein der Bund, also die regierende Koalition, verantwortlich. Es wird gesagt, die Opposition könne dies - natürlich in trauter Eintracht mit dem Bauernverband - nur lauthals kritisieren und beklagen. Ich meine, dieses Muster ist vielleicht doch ein bißchen zu schwarz gewebt, denn wenn ich das Wort „Gemeinschaftsaufgabe" und die Konzeption dieses Instruments nach Art. 91 a des Grundgesetzes richtig verstanden habe, tragen hier doch Bund und Länder gleichermaßen Verantwortung. Diese Verantwortung dokumentiert sich in einer gemeinsamen Planung und Finanzierung der Maßnahmen. Das heißt - und das wissen Sie genauso gut wie ich -, daß der Bund eine Mitplanungs- und Mitfinanzierungskompetenz von 60 bzw. 70 % hat, während die Durchführung der Aufgaben reine Ländersache ist. Unabhängig von der Erstattung des Bundes ist es den Ländern folglich auch unbenommen, zu den vorgesehenen Fördermaßnahmen weitere Fördermittel zusätzlich zur Verfügung zu stellen bzw. ein eventuell ursprünglich eingeplantes größeres Länderfördermittelvolumen zu verausgaben. Dies ist aber nicht der Fall, obwohl Sie von der Union doch in einigen Bundesländern den Agrarminister stellen. Auch wenn Sie uns wegen unserer Anstrengungen, den Bundeshaushalt zu konsolidieren, kritisieren: Ich habe Verständnis für die Landesfinanzminister, auch für die, die - wie z. B. in Niedersachsen, in Schleswig-Holstein und in Rheinland-Pfalz - Ihrer Partei angehören; ich habe Verständnis dafür, daß sie sich bei den Komplementärmitteln oder bei möglichen Zusatzmitteln auch nach der finanziellen Decke strecken müssen, wenn sie die Kreditaufnahme ihres Landes nicht noch weiter erhöhen wollen. Dafür haben wir sehr viel Verständnis, denn die Notwendigkeit der Konsolidierung unserer Haushalte ist uns ja sozusagen als gemeinsame Aufgabe gestellt. Nachdem wir in Zeiten wirtschaftlichen Wachstums, d. h. in den 70er Jahren, die Etatansätze für die Gemeinschaftsaufgabe von Jahr zu Jahr aufgestockt und seit 1973 insgesamt 12,3 Milliarden DM Bundesmittel ausgegeben haben und aus konjunkturpolitischen Gründen das Programm für Zukunftsinvestitionen mit 970 Millionen DM Bundesmittel durchgeführt haben, müssen wir jetzt die Gemeinschaftsaufgabe aus haushaltspolitischen Gründen im Vergleich zu 1980/81 um 25 % kürzen. Doch im Gegensatz zu Kürzungen bei den Zuschüssen für die landwirtschaftlichen Sozialversicherungssysteme sind durch die Reduzierung der Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe die verfügbaren landwirtschaftlichen Einkommen weitgehend nicht direkt negativ tangiert. Insbesondere in einer Zeit allgemeiner wirtschaftlicher Stagnation und hoher Arbeitslosigkeit stellt nach meinem Verständnis - lassen Sie mich das sagen - auch etwas weniger Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes eine Verbesserung, ein Voranbringen und einen Fortschritt in der Agrarstrukturpolitik dar. Allerdings erhöhen knappere Mittel den Druck und die Verantwortung an den Politiker, diese Mittel sinnvoll, effizient und möglichst noch gezielter einzusetzen. ({3}) Auf der Grundlage des bisher schon Erreichten sehen die Freien Demokraten dabei folgende Schwerpunkte: Erstens. Für mich als Niedersachse und Bewohner der Küste ist hier an erster Stelle der KüstenBredehorn Schutz zu nennen, weil es dabei um den Schutz von Menschenleben und Sachwerten geht. Für das Land Niedersachsen z. B. sind in diesem Bereich einschließlich des Zukunftsinvestitionsprogramms 1,3 Milliarden DM eingesetzt worden. Damit konnten rund 480 km Deiche erhöht und verstärkt werden. Für den Küstenschutz insgesamt an Nord- und Ostsee haben wird rund 2,7 Milliarden DM ausgegeben und haben damit über 900 km Deiche neu gebaut bzw. verstärkt. Für die FDP ist diese Aufgabe auch in Zukunft so lange ein besonderer Schwerpunkt, bis wir auch die letzten Deiche sturmflutsicher ausgebaut haben. ({4}) Als zweiten Schwerpunkt im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe sehen wir die besondere Begünstigung der strukturschwachen ländlichen Räume an, damit diese Räume ihre Funktion als Produktionsstandort, Wohnort und als Erholungsgebiet erfüllen können. Dabei müssen die überbetrieblichen und einzelbetrieblichen Maßnahmen zusammenwirken, wobei nach meiner Meinung den wasserwirtschaftlichen und landeskulturellen Maßnahmen wegen ihrer Breitenwirkung eine besonders hohe Priorität eingeräumt werden muß. Daneben befürworten wir Freien Demokraten vor allem Maßnahmen mit Dorferneuerungscharakter, weil dafür ein besonderer Beschäftigungseffekt nachgewiesen worden ist und diese Maßnahmen einer Vielzahl von Menschen im ländlichen Raum zugute kommen. Die Anstrengungen unseres Ministers Josef Ertl, den Belangen von Natur- und Umweltschutz in den Förderungsgrundsätzen stärker Rechnung zu tragen, werden von der FDP nachhaltig unterstützt. ({5}) Konkret werden jetzt bei der Durchführung von Flurbereinigungs-, Wasserwirtschafts- und Küstenschutzmaßnahmen Landschaftsrahmenpläne erstellt. Die Naturschutzbehörden werden an den Verfahren beteiligt. Das ist der richtige Weg, der von uns konsequent unterstützt wird. Herr Sauter, Sie meinten vorhin, die Verbandsklage verhindere eventuell Flurbereinigungen usw. Wir Freien Demokraten werden - und das steht in der Regierungserklärung - die Verbandsklage in dieser Legislaturperiode auf den Weg bringen. Sie wird sich auch bei Flurbereinigungsverfahren - davon bin ich überzeugt - durchaus auch positiv auswirken. ({6}) Sie haben vorhin schon gesagt, Sie wollen auch nicht mehr die Flur ausräumen. Ich glaube, Sie werden uns auf diesem Wege noch folgen. Viertens. Der 1981 und 1982 eingeschlagene Weg, bestimmte Maßnahmen der Gemeinschaftsaufgabe auszusetzen bzw. einzustellen, muß im Interesse der Konzentration der Mittel weiter beschritten werden. Es kann meiner Meinung nach nicht Aufgabe des Bundes sein, sich an allen Maßnahmen finanziell zu beteiligen. Nicht zuletzt durch Art. 91 a des Grundgesetzes sind Bund und Länder zur Maßnahmenkonzentration verpflichtet. Fünftens. Bei der einzelbetrieblichen Förderung geht es uns Liberalen vor allem um folgende Punkte: Erhaltung einer bäuerlich strukturierten Landwirtschaft, stärkere Berücksichtigung der Bedürftigkeit, Berücksichtigung der Belange des Marktes. Besonders in Überschußbereichen sollte auf EG-Ebene keine Förderung für Investitionen in diesen Bereichen gewährt werden. Die genannten Punkte zur Weiterentwicklung der einzelbetrieblichen Förderung müssen vor allem Gegenstand der Beratung zur Änderung der einschlägigen EG-Richtlinien werden. Die Agrarpolitik muß als sektorale Wirtschaftspolitik in die allgemeine Wirtschaftspolitik einbezogen sein. Herr Sauter, Sie forderten vorhin in Ihrer Rede ein Agrarkreditprogramm oder einen Agrarkredit. Ich meine: Statt notwendige Kürzungen untätig zu beklagen, ist es politisch wirkungsvoll und wichtig für unsere Landwirte draußen, dazu beizutragen, daß die von der Koalitionsregierung am 3. Februar 1982 beschlossene Gemeinschaftsinitiative - also, wenn Sie so wollen, auch eine Gemeinschaftsaufgabe - für Arbeit, Wachstum und Stabilität möglichst schnell Gesetzeskraft erhält. ({7}) Gerade für die landwirtschaftlichen Unternehmer - ich sage bewußt: landwirtschaftliche Unternehmer, auch wenn Sie von der CDU/CSU vorzugsweise die Einkommen der Landwirte den Brutto-Einkommen der gewerblichen Arbeitnehmer gegenüberstellen - wird die zehnprozentige Investitionszulage als Stimulans ihrer Investitionstätigkeit ihre Wirkung haben, besonders deshalb, weil nach der vorgesehenen Konstruktion durch die zehnprozentige Investitionszulage gerade die Mehrinvestition begünstigt wird, also die Investition, die über das durchschnittliche Investitionsvolumen der vorherigen drei Jahre hinausgeht. Wegen der verhältnismäßig geringen Investitionstätigkeit der Landwirtschaft in den vergangenen Jahren dürfte diese Schwelle für die Bezuschussung von sehr vielen landwirtschaftlichen Betrieben ohne Probleme erreicht werden. Abschließend stelle ich fest: Wir Freien Demokraten werden auch künftig die Gemeinschaftsaufgabe als ein grundlegendes Instrument zur Förderung von Investitionen im ländlichen Raum und zur Verbesserung der Einkommensituation der Landwirte aufrechterhalten und ausbauen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. ({8})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich darf mich ausnahmsweise herzlich für die freundlichen Worte an mich bedanken. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Eigen.

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorweg auch von mir herzlichen Glückwunsch, gnädige Frau! Hoffentlich werden Sie Ihr Amt weise führen. ({0}) - Warten Sie mal ab! Kollege Immer hat hier etwas über Herrn Stoltenberg ausgesagt, was ich im Moment nicht nachkontrollieren kann. Eines steht fest: Hintenrum arbeitet Stoltenberg nie. ({1}) Wenn Ihre Wirtschafts- und Finanzpolitik so geradlinig wie Dr. Stoltenberg, unser Ministerpräsident in Schleswig-Holstein, wäre, dann hätten wir nicht die Probleme in Deutschland, die wir heute leider haben. ({2}) - Auch wir haben Probleme bei uns. Aber Sie wissen ganz genau, daß die Wirtschafts- und die Konjunkturpolitik vor allem von der Bundesseite her und nicht so sehr von den Ländern bestimmt werden.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Aber gern; selbstverständlich. Ich werde dafür doch Zeit haben.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Frau Abgeordnete Blunck, bitte.

Lieselott Blunck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000207, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Eigen, gestehen Sie mir zu, daß trotz der Tatsache, daß Herr Stoltenberg 30 Jahre lang eine nach Ihrer Auffassung geradlinige Politik in Schleswig-Holstein vertreten hat, z. B. im Raum Nordfriesland eine Arbeitslosigkeit von bis zu 20 % herrscht, die doch wohl der Strukturschwäche von Schleswig-Holstein und nicht dem Bund anzulasten ist? ({0})

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darauf will ich Ihnen gern antworten. Dr. Stoltenberg war in der Zeit, die Sie meinen, hier Minister in einer Bundesregierung, die eine gute Finanz- und Wirtschaftspolitik betrieben hat. ({0}) Damals, als wir die Regierung stellten, wurde die Arbeitslosigkeit abgebaut. Sie fangen jetzt wieder an, sie aufzubauen. Darüber sollten Sie nachdenken. ({1}) Herr Kollege Bredehorn, Sie haben gesagt, Sie wollten die Verbandsklage auf den Weg bringen, wie es in der Regierungserklärung stehe. Sie sind immerhin lernfähig; denn Sie bringen sie nur auf den Weg. Das hilft uns schon. Ich bin ganz sicher: Wenn Sie Derartiges vollziehen, was in der Regierungserklärung steht - da steht auch etwas von solider Finanzpolitik und so schönen Sachen -, ({2}) wenn diese Dinge wirklich Gesetz werden sollten, wenn die Verbandsklage wirklich Politik in Deutschland wird, dann haben Sie damit keine Wirtschaftsförderung vorgenommen, sondern die Wirtschaft endgültig stranguliert. Dann geht bei uns nichts mehr. Auch ein Beschäftigungsprogramm nützt nichts mehr, wenn Sie mit solchen Maßnahmen genau entgegengesetzt arbeiten. ({3}) Herr Kollege Bredehorn, Sie haben natürlich recht, daß die Gemeinschaftsaufgabe eine Aufgabe von Bund und Ländern ist. Nur hat der Bund seinen Anteil in zwei Jahren einseitig von 1,41 Milliarden DM auf 1,05 Milliarden DM gesenkt. Die Länder haben ihren Anteil von 30 oder 40 % zum Teil mitgesenkt. Wir haben in Schleswig-Holstein - Sie haben uns angesprochen - ein Existenzsicherungsprogramm aufgelegt, um das zu verhindern, was Herr Staatssekretär Gallus landauf landab verkündet. Wir wollen nämlich möglichst viele leistungsfähige bäuerliche Betriebe erhalten. Darum ringen wir, und wir wollen sie nicht in den Nebenerwerb bringen. ({4}) Mein eigentliches Thema ist der Küstenschutz. Da sagen wir ganz einfach und deutlich: Wer nicht will Beken, de mut wieken. ({5}) - Wer nicht will deichen, der muß weichen, lieber Franz Sauter. - Diese Aufgabe ist von der Natur her eine Gemeinschaftsaufgabe, weil die Küstenländer, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hamburg und Bremen, natürlich nicht in der Lage sind, diese große Aufgabe aus eigenen Finanzmitteln durchzuführen. Es ist eine große Aufgabe, in der etwa vier Millionen Menschen -

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Gestatten Sie noch einmal eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Blunck?

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte.

Lieselott Blunck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000207, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Eigen, würden Sie mir zustimmen, daß man mit 200 Millionen DM eine neue Eindeichung auf 9 km Länge schaffen kann, während man, wenn man diese 200 Millionen DM für Deichverstärkung einsetzt, durch die Verstärkung schwacher Deichstellen immerhin in einer Länge von 40 km Deichsicherheit schafft?

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Liebe Kollegin Blunck, ich will das alles gerade vortragen. Wenn Sie warten würden, würden Sie das alles erfahren. Direkt zu Ihrer Frage: Wenn ich mit einer Neueindeichung eine wesentlich kürzere Deichlinie bekomme, kann ich mit 60 km Deichlänge einen viel stärkeren Schutz erreiEigen chen, als wenn ich auf 200 km die Deiche anhebe. Im übrigen bin ich wie Sie für eine Verstärkung der vorhandenen Deiche, wo das geht. Aber wenn ich eine Deichlinie vernünftig verkürzen kann, so kann das für den Schutz der Menschen hinter dem Deich nur sinnvoll sein. Sie können natürlich anderer Meinung sein und diese Meinung von hier aus vertreten. ({0}) Wir sind damit beim Thema. Wir haben durch ständige Verbesserung der Deiche erreicht, daß selbst in der großen Sturmflut im Februar 1962 in den Flächenländern keine Menschenleben zu beklagen sind. Leider war Hamburg damals noch nicht so weit, so daß daher die schreckliche Katastrophe passierte, an die wir uns alle noch erinnern. Das hat auch vom Bund her natürlich ein starkes Goodwill ausgelöst; das ist ohne weiteres zuzugeben. Wir haben einen Zehn-Jahres-Plan aufgelegt, der jetzt leider nicht voll bedient werden kann, weil auch die Deichmittel zum Teil gekürzt worden sind. Wir haben hier das Problem, daß das Wasser an der Küste offensichtlich in etwa 100 Jahren um 25 cm steigt, so daß dies eine ständige Aufgabe sein wird. Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß diese Aufgabe nicht von heute auf morgen zu beenden ist.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Bredehorn?

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Dann muß ich aber wirklich um die Verlängerung meiner Redezeit bitten.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Sie bekommen zwei Minuten mehr.

Günther Bredehorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000256, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Eigen, stimmen Sie mir zu, daß trotz der schmerzhaften Kürzungen bei den Gemeinschaftsaufgaben gerade die Mittel für den Küstenschutz nicht gekürzt wurden und daß gerade das Land Schleswig-Holstein aus Haushaltsresten noch zusätzlich 5,5 Millionen DM bekommen hat?

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Auch das wollte ich noch vortragen, Herr Kollege Bredehorn. Wir bedanken uns sehr dafür. Nur, wir bräuchten 14 Millionen DM anstatt 5,5 Millionen DM. ({0}) - Ja, so ist das nun einmal. Wenn der Schaden auf Sylt, verursacht durch die Sturmflut am 24. November 1981, 20 bis 25 Millionen DM beträgt und man das wieder in Ordnung bringen will, kommt man mit 5,5 Millionen DM eben nicht weit. Aber wir sind selbstverständlich für jede Million dankbar, die wir zusätzlich für eine solche Maßnahme bekommen. ({1}) Ich möchte jetzt ein paar Worte zur Frage „Deich verstärken oder neu eindeichen?" sagen. Wir haben erlebt, daß in St. Margarethen der Deich bei einer Deichverstärkung zusammengebrochen ist. Dabei sind mehrere Häuser zerstört worden. Nun stellen Sie sich einmal vor, so etwas passiert bei einer wirklich schweren Sturmflut. Das wäre gar nicht zu verantworten. Man kann also nur dort den Deich verstärken, wo der Untergrund so sicher ist, daß dieser auch wirklich den neuen schweren Deich verkraftet. Anderswo muß man eindeichen. Diese Eindeichung ist nicht so schädlich, wie viele Leute glauben machen wollen; denn vor dem Deich bildet sich Watt neu. Das wird ja auch durch Buhnen-Legen gefördert. Es bilden sich vor dem Deich Quellerflächen, es bilden sich vor dem Deich Salzwiesen. All das entsteht automatisch wieder. Und bedenken Sie dabei bitte eins: Es handelt sich um menschliches Siedlungsgebiet. Es war alles menschliches Siedlungsgebiet, und wir können immer nur ein klein wenig, Stück für Stück, das Gebiet zurückerobern. Gestern haben wir ja gerade den Besuch von Prinz Philipp von England in Nordstrand erlebt. Wir sind sehr froh und sehr dankbar darüber, daß der Präsident des World Wildlife Fund in Schleswig-Holstein gewesen ist. Er hat sich bei der Landesregierung sicherlich in objektiver Weise informiert. Damit wird das ganze dumme Geschwätz von Tierschutz und von Wattenzerstörung endgültig beendet sein. Was wir dort in den Watten leisten, ist wirklich überzeugend. ({2})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Waltemathe?

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Aber bitte, Herr Waltemathe.

Ernst Waltemathe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002419, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Eigen, darf ich Ihre Äußerung über das dumme Geschwätz dahin gehend verstehen, daß Sie der Auffassung sind, Kapitel 8 des Nordsee-Gutachtens, in dem von Deichschutz und der Wattzerstörung die Rede ist, sei dummes Geschwätz, oder könnte dieses Kapitel auch für Politiker der Opposition wichtige Erkenntnisse beinhalten?

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wenn Sie das Nordsee-Gutachten sorgfältig studiert haben, werden Sie festgestellt haben, daß die Äußerungen gegen Neueindeichungen so negativ nicht sind. Vielmehr beachtet man sehr wohl, daß das auch eine Alternative ist. Ich sage ja: Priorität hat die Deichverstärkung nur da, wo es paßt. Der Küstenschutz kann auch mit Vordeichen, d. h. mit Neueindeichungen erreicht werden. ({0}) Lassen Sie mich noch eines hinzufügen. Natürlich deichen wir nur ein, um die Küste sicherer zu machen, um Menschen vor der Sturmflut zu schützen. Wir deichen auch ein, um Wasserrückhaltebecken zur Entwässerung des Binnenlandes zu bekommen. Hier bilden sich neue Biotope, die auch für die verschiedenen Wasservögel an der Nordsee von außerordentlich großer Bedeutung sind. Und was den Vorwurf anbelangt, hier gerieten Tiere in Gefahr: Es geht sogar so weit, daß unsere Landesregierung den Halliglandwirten Entschädigungen gewähren muß, weil die Wandergänse die Grasnarbe derart beschädigt haben, daß ohne Hilfe eine weitere Existenz nicht möglich wäre. Wir sind nicht so arrogant, zu sagen, wir wollten kein Land. Das müssen Sie einmal den Holländern sagen. Ich habe Holland vor einigen Jahren besucht. Dort hat man mir zum Deichbau und zum Eindeichen etwas ganz anderes gesagt als das, was hier landauf, landab verbreitet wird. Wer von „Brot für die Welt" spricht, der darf die Gewinnung neuen Landes nicht ablehnen. Ich sage noch einmal deutlich: Wir deichen nicht ein, um viel neues Land zu bekommen, aber wir sollten uns auch nicht schämen, wenn wir wertvolles neues Land gewinnen. ({1}) Ich werde dafür sorgen, daß jeder Kollege dieses Hohen Hauses die Broschüre des Landes Schleswig-Holstein „Küstenschutz - lebensnotwendige Aufgabe in Schleswig-Holstein" bekommt. Dort steht so viel Interessantes und Wahres, daß die Diskussion ganz bestimmt sachgerechter werden wird. ({2}) - Alles ist wahr, was von der schleswig-holsteinischen Landesregierung gedruckt wird; da können Sie sicher sein. Ich habe nur noch wenige Minuten Redezeit. Ich möchte aber doch noch ein paar Worte zur Wettbewerbslage in der EG auch in bezug auf die Strukturpolitik sagen. Die erste These lautet: Wer kein vernünftiges Preis-Kosten-Verhältnis schafft, mit dem die Landwirte in den Betrieben, zu denen man hin-strukturieren will, auf Dauer ein vernünftiges Einkommen erreichen können, hat die gesamten Mittel für die Strukturpolitik verschwendet, und zwar nicht nur die öffentlichen Mittel, sondern auch die Milliardenbeträge, die die Landwirte selbst in die Strukturpolitik gesteckt haben. Es ist doch völlig sinnlos, beispielsweise zu einem Betrieb von 50 ha hinzustrukturieren, wenn dieser Betrieb von 50 ha durch die schlechte Preis-Kosten-Politik dieser Bundesregierung in Not gerät. Hier ist der erste Ansatz. Wir brauchen zweimal 10 % Preisverbesserungen, um den Kostenschub, der nicht durch die Bundesregierung, sondern durch die OPEC-Länder entstanden ist, auszugleichen. Das muß durch eine maßvolle, aber vernünftige Preisanhebung geschehen. Man muß sich auch einmal ansehen, welche Mittel in Frankreich und Holland, unseren Hauptkonkurrenten, für die Förderung der Landwirtschaft eingesetzt werden. Die Niederlande sind unser Hauptwettbewerber im Veredelungsbereich; Frankreich ist unser Hauptwettbewerber im Bereich der Pflanzenprodukte. Wenn man sich die Förderungsmittel in diesen beiden Ländern anschaut, stellt man fest, daß in Frankreich direkte Einkommensübertragungen erfolgen. Dort geht man sogar so weit, zur Förderung der Lebensmittelindustrie ein eigenes Staatssekretariat zu schaffen, weil man nicht nur den europäischen Markt, sondern auch darüber hinausgehende Märkte für die französische Landwirtschaft erobern will. In Holland und Frankreich ist die Grundeinstellung anders. Dort sieht man die Landwirtschaft nicht als notwendiges Übel an. ({3}) - Das ist das Thema. Dort sieht man vielmehr die Landwirtschaft als die entscheidende Kraft zur Lösung der Wirtschaftsprobleme an. Das ist das Entscheidende. In Holland werden beispielsweise durch das WIR-Programm die Veredelungswirtschaft und der Gartenbau massiv gefördert. Herr Staatssekretär Gallus - Herr Bundesminister Ertl ist offensichtlich leider verhindert -, was stellt die Bundesregierung dem entgegen? Der Bundesminister muß auf diese Frage in bezug auf den Wettbewerb innerhalb der Europäischen Gemeinschaft eine Antwort geben. Die Antwort kann doch nicht sein, daß bei uns die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe wesentlich gekürzt werden, während andere Länder der EG der Strukturpolitik einen enormen Push geben. Dies kann doch nicht die Antwort sein. Auch die bäuerlichen Familien in Deutschland haben ein Recht darauf, daß ihre Regierung ihnen gegenüber Fürsorge walten läßt. ({4}) Meine Damen und Herren, diese Grundeinstellung zur Landwirtschaft und zum ländlichen Raum ist das entscheidende Problem.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Gestatten Sie ein Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Oostergetelo?

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte schön.

Jan Oostergetelo (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001650, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, ich höre zum wiederholten Male von Ihnen, daß Sie das WIR-Programm der Holländer zitieren. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß die Voraussetzung dieses WIR-Programms die Buchführungspflicht aller Landwirte ist, was steuerliche Auswirkungen hat? Sind sie bereit, auch zur Kenntnis zu nehmen, daß die Holländer bis weit nach Hannover pachten, während sich kein Deutscher bereitfindet, in Holland zu pachten? Es kann also wohl nicht so sein, daß es dort sehr viel besser geht als bei uns. ({0})

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, gerade wenn die Holländer bis nach Hannover pachten, ist das ein Zeichen dafür, wie stark die Landwirtschaft dort gefördert worden ist, daß sie dazu in der Lage ist. ({0}) - Ist das was zum Lachen? ({1}) - Dann kaufen Sie doch! ({2}) [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage) - Ich möchte im Moment nicht, Herr Kollege Schmitz. Ich muß in meinen Ausführungen weiterkommen. Versuchen Sie einmal, in Holland Höfe zu kaufen. Dann werden Sie Ihr blaues Wunder erleben. Das WIR-Programm, Herr Kollege Oostergetelo, ist - daran gibt es überhaupt keinen Zweifel; das weiß auch jeder Fachmann - eine massive Förderung für Investitionen, die teilweise über den Steuerabzug läuft. ({3}) Dort, wo kein Einkommen vorhanden ist, wird direkt zugeschossen. Es liegen inzwischen Vergleichsstudien von verschiedenen Kammern vor. Wir wissen, daß es eine Wettbewerbsverzerrung darstellt. Ich komme jetzt zum Erdgasproblem. Auch hier ist zu sagen: Wenn solche Wettbewerbsverzerrungen zugelassen werden, dann muß - dagegen können Sie mit noch so viel Förderung nicht angehen - der Gartenbau in der Bundesrepublik Deutschland leiden. Lassen Sie mich noch ganz kurz das Thema Obstbau ansprechen. Auch da geht es um eine Frage des Wettbewerbs. Denn wie Sie wissen, wird in Frankreich und vor allem in Italien natürlich mehr Obst angebaut als bei uns. Unser flächenmäßig relativ kleiner Obstbau hat es deswegen im Wettbewerb sehr schwer. Gott sei Dank haben wir erreicht, daß der Obstbau wieder in das einzelbetriebliche Förderungsprogramm gekommen ist. Was wir brauchen, ist aber eine wesentlich stärkere, gezielte Förderung der Umstellung von Starkholz auf Schwachholz; sonst werden wir den Obstbau in Deutschland nicht halten können. Diese Aussage gilt natürlich auch für die Obstbauern, die keinen Frost in der Blüte gehabt haben und bei denen man daher im Moment eine relativ gute Situation feststellen kann. Meine sehr geehrten Damen und Herren, zu dieser Problematik der Wettbewerbsverzerrung gehören natürlich noch viele andere Dinge, die ich hier nicht weiter vortragen kann; das ist nachher Sache der Agrardebatte. Aber es ist zu sagen, daß Dinge wie Maßnahmen zum Umweltschutz, das Lebensmittelrecht, die Hygieneverordnung und die Rückstandsverordnung alle mit zu den Strukturmaßnahmen gehören. ({4}) - Jawohl, das ist alles wichtig für die Struktur. Das bedeutet, daß die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft stark beschnitten wird. Ich komme zum Schluß. Ich bin mit Ihrer Aussage, Herr Kollege Immer, daß auch in der Landwirtschaft humane Arbeitsplätze geschaffen werden müssen, völlig einig. Deswegen halte ich ja auch an dem einzelbetrieblichen Förderungsprogramm und an der Althofsanierung fest, auch wenn diese Instrumente wegen der Mittelknappheit jetzt nur schwer eingesetzt werden können. Aber wie wollen Sie humane Arbeitsplätze schaffen? Wie wollen Sie mit einem Beschäftigungsprogramm auch im ländlichen Raum die Wirtschaft, die doch tatsächlich von der Ertragsfähigkeit der Landwirtschaft abhängt, ankurbeln, wenn Sie bei der Gemeinschaftsaufgabe gerade im investiven Teil in so rigoroser Weise kürzen? Sie wissen ganz genau, daß bei der Kürzung, die wir jetzt erfahren haben, beinahe nichts mehr geht. Wir wissen zwar noch nicht, wie das Beschäftigungsprogramm endgültig aussehen wird, aber wenn es so gestaltet wird, wie wir es jetzt hören, wenn mehr investiert werden muß als im Durchschnitt der letzten drei Jahre, dann ist die Landwirtschaft praktisch nicht beteiligt, weil wir in den letzten drei Jahren alles investiert haben, was wir nur erwirtschaften konnten. Wir haben in der Landwirtschaft etwa 1 000 DM je Hektar investiert. Jetzt liegen wir bei der Hälfte, weil das Einkommen gesunken ist. Da kann man doch nicht erwarten, daß einzelne Landwirte oder die Landwirtschaft überhaupt jetzt mehr investieren können als in den letzten drei Jahren.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie jetzt zum Schluß kämen.

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die CDU/CSU, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird die deutsche Landwirtschaft in ihrer schwierigen Einkommens- und Wettbewerbslage nicht im Stich lassen. Sie wird alles tun, was in ihrer Möglichkeit liegt, die Leistungsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft und damit die Wirtschaftskraft des ländlichen Raums zu stärken. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat Herr Abgeordneter Sander.

Engelbert Sander (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001917, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Lebten wir in einer Monarchie, müßte ich heute morgen sicherlich „Majestät" sagen. Meine Damen und Herren! Meine Vorredner haben von dieser Stelle aus Wert und Bedeutung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" bereits gewürdigt. Ich darf aber hinzufügen, daß diese Gemeinschaftsaufgabe natürlich nicht bedeuten kann, daß damit die strukturpolitischen Aufgaben der Länder aufgehoben sind, sondern es muß weiter deutlich bleiben, daß die agrarstrukturelle Verbesserung auch eine vorrangige Aufgabe der Länder ist. Wenn man überlegt, daß die Gemeinschaftsaufgabe auch für das Jahr 1982 mit einem Betrag von 1 720 Millionen DM dotiert ist, dann kann man sich nicht der Meinung des Kollegen Eigen anschließen, daß bald nichts mehr gehen werde. Bei dieser Summe kann man eine solche Feststellung hier meines Erachtens nicht treffen. ({0}) Aber was hier trotzdem gesagt werden kann und muß, ist, daß hier eine Kürzung um 76 Millionen DM gegenüber dem Vorjahr stattgefunden hat und daß uns dieses gekürzte Mittelvolumen für 1982 natürlich verpflichtet, über die Notwendigkeit der einzelnen Maßnahmen in dieser Gemeinschaftsaufgabe nachzudenken. Als Stichworte für dieses Nachdenken nenne ich nur einmal die Weinbergsflurbereinigungen, die Investitionen für Nebenerwerbslandwirte, den Bodenerwerb und die langfristige Verpachtung, die Verbesserung der Schlachthofstruktur wie auch die Förderung der Milchleistungsprüfungen, der Buchführung und der Verbesserung des Wohnteils. Ich meine, es gibt mittlerweile sicherlich noch wichtigere Aufgaben, die eine Förderung im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe verdienen. Dabei bin ich mir natürlich dessen bewußt, daß der Bundestag auf die Auswahl der zu fördernden Maßnahmen keinen direkten Einfluß hat; mein Kollege Immer hat darauf bereits hingewiesen. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich jetzt einiges zum Inhalt des uns heute vorliegenden Rahmenplans, bezogen auf das Jahr 1982, sagen. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion begrüßt ausdrücklich, daß die Maßnahmen in der Flurbereinigung im großen und ganzen weitergeführt werden. Die auf Grund der Mittelkürzung für 1982 entfallene langfristige Förderung der Verpachtung und die Einschränkung der Weinbergsflurbereinigung durch Erhöhung der Eigenleistung von 20 % auf 25 % schmälern meines Erachtens nicht die Bedeutung der Maßnahmen in der Flurbereinigung. Die SPD-Fraktion erwartet für die Zukunft, daß bei Maßnahmen der Flurbereinigung noch mehr als in der Vergangenheit darauf geachtet wird, daß sie mit den Notwendigkeiten der infrastrukturellen Entwicklung einer Gemeinde noch stärker verknüpft werden. ({1}) Die Flurbereinigung von heute darf nicht zu einem Hindernis für fortschrittliche Lösungen von morgen werden. Weiter legen wir Wert darauf, daß die Einrichtungen zur Erhöhung des Landschafts- und Freizeitwertes weiterhin gefördert werden. Dazu - meine Damen und Herren, lassen Sie mich das sagen - gehören auch die Entwicklung und Erhaltung wertvoller Biotope. ({2}) Wir begrüßen es, daß allein im Jahre 1980 u. a. 354 geschützte Biotope in das Eigentum geeigneter Träger überführt werden konnten. Aber wir möchten auch deutlich machen, daß die Höhe der öffentlichen Mittel, die für den Ankauf solcher Flächen ausgegeben werden, in einem vertretbaren Verhältnis zum Wert des Objekts stehen muß. Es kann nicht angehen, daß die Sozialpflichtigkeit auch dieses Eigentums außer acht gelassen wird und sich die Eigentümer dabei „goldene Nasen" verdienen. Wenn der Staat, meine Damen und Herrn, Flächen, die für eine erwerbswirtschaftliche Nutzung meist nicht geeignet sind, in Erholungs- und Naturschutzgebiete umwandeln will, so hat sich der Besitzer auch finanziell entsprechend verantwortlich zu verhalten. Er braucht zwar nichts zu verschenken - das fordert niemand -, aber wir wollen auch nicht, daß er daraus einen Reibach macht. ({3}) Eine Bemerkung zur Küste: Hier hat unser Kollege Karl Eigen einiges sehr engagiert vorgetragen. Aber ich darf ihn daran erinnern, daß der Planungsausschuß gerade dem Land Schleswig-Holstein am 16. Dezember einen zusätzlichen Betrag von 5,5 Millionen DM für Küstenschutzmaßnahmen zur Verfügung gestellt hat; damit werden die Ausgabenreste gedeckt. ({4}) - Nun, darüber kann man streiten. - Ich meine, das sollte man natürlich auch einmal sagen, wenn man hier das Klagelied für Schleswig-Holstein anstimmt. ({5}) Meine Damen und Herren, wir wollen auch, daß künftig eingedeichte Flächen unter Naturschutz gestellt werden. Die bloße Landgewinnung aber darf kein Gesichtspunkt für den Bau von Deichen sein. Der Schutz des Menschen und seines Lebensraumes haben den unbedingten Vorrang. Natur- und Landschaftsschutz müssen integrale Bestandteile moderner Flurbereinigung sein und werden. ({6})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Eigen?

Engelbert Sander (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001917, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte sehr.

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Sander, darf ich bitten - da ich ein höflicher Mensch bin -, daß Sie feststellen, daß ich mich für die 5,5 Millionen DM schon bedankt habe, als der Kollege Bredehorn sie ansprach?

Engelbert Sander (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001917, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich gebe zu, daß ich einen Augenblick nicht im Saal war, weil ich ein Telefonat führte. Ich habe nur den letzten Teil zur Kenntnis nehmen können. Da war von diesem Dank nicht die Rede. Wenn das so gewesen ist, ist es in Ordnung. Aber ansonsten gilt weiter das, was ich mit dem „Klagelied" hier sagen wollte. ({0}) Meine Damen und Herren, lassen Sie mich etwas Kritisches zum Bereich der einzelbetrieblichen Förderung ausführen. Der Planungsausschuß hat am 16. Dezember 1981 beschlossen - und wir bedauern, daß wir da nicht über den entsprechenden Einfluß verfügen; wir bedauern das von seiten aller Fraktionen, wie ich hinzufügen darf -, daß auf Grund der Mittelkürzungen bestimmte Maßnahmen einzuschränken seien bzw. nicht mehr gefördert werden sollten. Hierzu zählen auch Maßnahmen innerhalb der Milchwirtschaft. Hier gibt es eine beachtliche Kritik an dem, was zur Zeit in der Milchwirtschaft geschieht. Das bringt mich zu der Meinung, daß wir immer wieder darauf achten müssen, daß die einzelbetriebliche Förderung nicht zu einem übermäßigen Produktionsanreiz führen darf. Was wir wollen, ist eine Verbesserung der Struktur. Dieser Grundsatz muß auch Gültigkeit für den Förderungsbereich Marktstruktur haben. Und er muß für die Agrarpolitik der Europäischen Gemeinschaft gelten. ({1}) Die Bundesregierung sollte deshalb noch mehr als in der Vergangenheit auf die Europäische Gemeinschaft einwirken, um die produktionswirksame Förderung bestimmter Maßnahmen abzubauen bzw. völlig aufzuheben. Hier meine ich, daß die Modernisierungsrichtlinie der Europäischen Gemeinschaft diesem Ziel nicht dient. ({2}) An dieser Stelle sollte aber auch die Frage erlaubt sein, ob die jetzige Praxis der einzelbetrieblichen Investitionsförderung dem ursprünglichen Anliegen noch gerecht wird. Das gilt auch für die Praxis von Brüssel auf diesem Sektor. Wir meinen, im Mittelpunkt der Förderung müßten die kleineren, aber durchaus entwicklungsfähigen Betriebe mit ihren tüchtigen Betriebsleitern stehen. ({3}) Die oft unnütze Förderung - im Sinne des Programms - von Großbetrieben mit relativ großen Summen entspricht nicht unseren Vorstellungen. Sie begünstigt die Überproduktion. Ich meine, wir könnten mit kleinen Förderungssummen außerdem auch mehr Betriebe fördern. In diesem Zusammenhang sollte auch die Frage erlaubt sein, ob die gleichzeitige Förderung eines Maßnahmebereiches durch Bund und Länder sinnvoll ist. Das gilt ebenso für den europäischen Bereich. Europäische Maßnahmen sollten nicht zusätzlich durch nationale Maßnahmen ergänzt werden. Hier muß es eine klare Trennung geben. Ohne Beachtung dieses Grundsatzes, meine Damen und Herren, geht Überschaubarkeit verloren und wird der Verwaltungsapparat nur unnötig aufgebläht. ({4}) Meine Damen und Herren, außerordentlich dankbar sind wir dafür - ich habe noch drei Minuten Zeit -, daß die Förderung unserer Waldwirtschaft nicht nur fortgesetzt, sondern sogar noch verbessert wird. Wer die Bedeutung des Waldes für den Naturhaushalt kennt, und wer die Bedeutung des Waldes für den Menschen empfinden kann, kann dies nur begrüßen. Wenn die Zuschüsse für Erstaufforstungen von Laub- und Mischwald von 70 auf 80 % bzw. von 60 auf 65 % angehoben werden, so kann - ich hoffe das wenigstens sehr - langfristig mit einer deutlichen Zunahme unseres Waldbestandes gerechnet werden. In diesem Zusammenhang ergibt sich die Frage, was noch zusätzlich zur Erhöhung des Wertes von Wald und Flur für den Menschen getan werden kann. Ich gebe zu überlegen, ob die zahlreichen und doch in der Regel gut ausgebauten Wald- und Wirtschaftswege nicht zu einem integrierten Radwegenetz mit ausgestaltet werden könnten. Ohne Zweifel würde sich damit der Freizeit- und Erholungswert unserer Natur erhöhen. Im übrigen darf auch ich noch einmal darauf verweisen, daß die Beschlußempfehlung des federführenden Ausschusses zukünftig bessere Mitwirkungsmöglichkeiten bei der Gestaltung der Gemeinschaftsaufgabe für den Bundestag fordert. Ich darf Sie bitten, dieser Beschlußempfehlung des Ausschusses Ihre Zustimmung nicht zu versagen. - Herzlichen Dank. ({5})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Gallus.

Georg Gallus (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000628

Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich gleich zu Beginn meiner Ausführungen feststellen, daß die Bundesregierung der Beschlußempfehlung des Ernährungsausschusses zur Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" Rechnung tragen wird. Ich möchte mich gleichzeitig für die gute Zusammenarbeit bedanken. Diese Gemeinschaftsaufgabe - das darf ich hier feststellen - ist ein Segen für die deutsche Landwirtschaft gewesen, ist es noch und wird es - so hoffen wir - auch in Zukunft sein, aber nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch für die Küste. Darüber ist hier schon gesprochen worden; ich darf hinzufügen, daß in den letzten zehn Jahren - einschließlich dieses Jahres - insgesamt 1,5 Milliarden DM Bundesmittel für den Küstenschutz aufgewendet worden sind. In diesen zehn Jahren sind durch Althofsanierungen und Aussiedlungen rund 50 000 Betriebe quer durch die Bundesrepublik Deutschland gefördert worden. Meine Damen und Herren, die Opposition hat hier die Kürzung kritisiert. Das ist Tatsache, denn alle wollen sparen. Ich darf in diesem Zusammenhang anmerken, daß ich eigentlich bedauere, daß selbst diejenigen, die diese Gemeinschaftsaufgabe in der Großen Koalition mit beschlossen haben - das war j a auch die CDU -, heute ihre Vaterschaft nicht mehr so recht wahrhaben wollen. ({0}) Wenn man dann einmal die Diskussion in den Ländern verfolgt, dann stellt man fest, daß die Gemeinschaftsaufgabe eigentlich ein ungeliebtes Kind in der deutschen Politik geblieben ist. ({1}) - Es ist ein ungeliebtes Kind in der deutschen Politik geblieben trotz der positiven Erfolge, die damit erzielt worden sind. ({2}) Genau an dieser Schwachstelle, an der so viel Kritik geübt worden ist, namentlich vor der Bundestagswahl, auch von CDU-Ministerpräsidenten, ({3}) hat natürlich der Finanzminister zugegriffen und gekürzt. Das hätte jeder Finanzminister auf der ganzen Welt so gemacht. ({4})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schröder ({0})?

Diedrich Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002076, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wollen oder können Sie nicht begreifen, daß sich die Kritik einiger Ministerpräsidenten der Union nicht gegen diese klassischen Gemeinschaftsaufgaben richtet, sondern gegen die Mischfinanzierung, die ihnen von der jetzigen Bundesregierung aufgezwungen worden ist? ({0})

Georg Gallus (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000628

Wenn Sie mich das fragen, dann begreife ich nur eines nicht: warum dann einer der gewichtigsten Ministerpräsidenten, der Herr Strauß, bei der Streichung der Gemeinschaftsaufgabe den Hochschulbau kritisiert, aber die Streichung im Agrarsektor überhaupt nicht erwähnt hat. ({0}) Das heißt mit anderen Worten, daß hier sehr differenzierte Vorstellungen bei den Ministerpräsidenten der Länder bestehen. ({1}) Aber wir werden ja sehen, wie sich die Situation auf diesem Sektor entwickeln wird. Dann können wir von dieser Stelle aus sicher noch öfter darüber diskutieren. Herr Kollege Sauter, Sie haben hier gesagt, mein Minister hätte Ihnen nicht geschrieben. Vielleicht haben Sie Ihre Post nicht bekommen; vielleicht ist sie irgendwo liegengeblieben. Ich habe hier den Brief, mit dem Ihr Brief vom Dezember beantwortet worden ist. Er trägt den Ausgangsstempel vom 14. Januar 1982. Es tut mir wirklich leid, Herr Kollege Sauter, aber ich muß dies hier klarstellen. Sie haben uns bzw. meinen Minister zu Unrecht verantwortlich gemacht, daß unser Haus nicht zeitig genug antwortet. Meine Damen und Herren, auf Grund der Kürzungen war es natürlich notwendig, die Mittel zu straffen. Das ist allenthalben anerkannt worden. Ich brauche im einzelnen nicht darauf hinzuweisen. Es gibt auch bei den Kuhställen und den Schweineställen eine Beschränkung der Förderung nach oben hin. Von Herrn Kollegen Sander ist hier ja eines ganz deutlich gemacht worden: Was jahrelang geleugnet worden ist, muß heute beachtet werden, nämlich der Zusammenhang von Struktur- und Marktpolitik. Wir müssen dies in der Zukunft noch viel mehr als bisher tun, und zwar europaweit. Sonst werden wir nämlich mit den Überschüssen überhaupt nicht fertig. Das muß man im Zusammenhang sehen. Die Dinge können nicht mehr weiter so einäugig betrachtet werden, wie es lange Zeit der Fall gewesen ist. Herr Sauter, in diesem Zusammenhang möchte ich auf folgendes hinweisen. Wenn Sie im Blick auf die Verteilung der Mittel sagen, Baden-Württemberg und Bayern kämen zu kurz, so kann ich nur entgegnen, daß Baden-Württemberg und Bayern bei den CDU-regierten norddeutschen Ländern intervenieren müßten, nicht aber den Bund für schuldig erklären dürften. ({2}) Ich möchte in diesem Zusammenhang auch einmal darauf hinweisen, daß die Bundesregierung sehr stark darauf Einfluß genommen hat, daß die Förderungsgrundsätze beim Küstenschutz, beim Wasserschutz und bei der Flurbereinigung nach ökologischen Gesichtspunkten ausgerichtet worden sind - und das schon seit einigen Jahren. Wir haben Wert darauf gelegt, daß dies nicht allein in das Benehmen der Länder gestellt wird. Wenn der Bund schon 60 % der gesamten Mittel zahlt, dann muß er auch quer durch die Bundesrepublik dafür Sorge tragen, daß von einheitlichen Vorstellungen in bezug auf die Ökologie bei den entsprechenden Maßnahmen ausgegangen wird. Herr Kollege Eigen, Sie haben sich hier auf Schleswig-Holstein bezogen und von der Entwicklung hin zum 50-ha-Betrieb gesprochen. Nur 4 % der Betriebe in Deutschland haben mehr als 50 ha. Aus Zeitgründen können wir jetzt nicht in die Diskussion über diese Frage eintreten. Ich finde es nur etwas schizophren, wenn mir von seiten derselben Partei einerseits die Zahl 100 000 vorgeworfen und andererseits von einer Strukturentwicklung hin zu 50-ha-Betrieben geredet wird. ({3}) Mehr will ich im Augenblick dazu nicht sagen. ({4})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Georg Gallus (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000628

Ja, bitte.

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, erkennen Sie an, daß dies eine typische Wortverdrehung war? Ich habe die 50 ha nur als eine gegriffene Zahl genommen. Es ging mir um ganz etwas anderes. Es ging mir darum, daß die Einkommensverhältnisse des Zielbetriebes bei der Struktur in Ordnung sein müssen - durchsichtige Preis-Kosten-Verhältnisse; ich erinnere an die Verhandlungen Ihres Ministers in Brüssel - und daß erst dann, wenn dies "erreicht ist, die Strukturpolitik wirklich greifen kann. Das war mein Ansatz.

Georg Gallus (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000628

Nein, Herr Kollege. Ich bin sogar der Auffassung, daß Sie mit dem, was Sie hier sagen, fachlich richtig liegen, nur geben Sie es nicht zu. ({0}) In Schleswig-Holstein wächst doch überhaupt kein Betrieb unter 50 ha mehr. In Schleswig-Holstein gibt es eine positive Entwicklung nur bei Betrieben über 50 ha. Wenn ich die Größenverhältnisse in Schleswig-Holstein auf die übrige Bundesrepublik übertrage, müßten 50 % der Betriebe im übrigen Bundesgebiet zumachen. ({1})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, darf ich Sie aus Gründen der Sachlichkeit der Diskussion bitten, auf meine Frage einzugehen.

Georg Gallus (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000628

Herr Kollege, ich kann die Zeit heute nicht dafür in Anspruch nehmen, über die ganze Preispolitik zu diskutieren. Das ist heute nicht unser Thema. ({0}) Wir haben eine große Agrardebatte vor uns, in der wir diese Dinge im Detail miteinander besprechen können. Ich muß meine Zeit dazu verwenden, etwas über die Förderschwelle zu sagen. ({1}) Herr Kollege Sauter, wenn die Situation dauernd dahin gehend kritisiert wird, die Förderschwelle stehe als eine absolut feststehende Größe im Raum, so muß ich entgegnen, daß das nicht stimmt. Zwar haben wir die Förderschwelle bei 30 500 DM. ({2}) - 5 % können allgemein abgesetzt werden. Jeder Landwirt kann 10 % zusätzlich absetzen. Dann kann in den einzelnen Ländern durch die Ausweisung entsprechender Regionen dafür gesorgt werden, daß die Förderschwelle weiter gesenkt werden kann. In Bayern gibt es eine Region, in der die Förderschwelle bei 20 400 DM liegt. Immerhin ist die Förderschwelle eine Zielschwelle und keine Eingangsschwelle. Das möchte ich hier auch einmal gesagt haben. Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie weisen immer wieder darauf hin, die Regierung müsse abgelöst werden, weil sie kein Konzept habe. Aber Sie haben nun gerade gar keins auf diesem Sektor. ({3}) Lesen Sie einmal die Ausführungen des Herrn Glup in Niedersachsen zur Förderschwelle, die er voll bejaht und die ihm höchstwahrscheinlich noch zu niedrig ist, und dann die Ausführungen der Agrarpolitiker aus dem Süden von der gleichen Partei - man sollte meinen, die seien in einer anderen Partei -; die sagen das Gegenteil von dem, was Herr Glup sagt. ({4}) Da müssen Sie erst einmal dafür sorgen, daß eine einheitliche Auffassung quer durch die Bundesrepublik Deutschland zustande kommt. Was das Agrarkreditprogramm betrifft, meine lieben Freunde von der Opposition, bitte: der Mehrwertsteuererhöhung zustimmen, dann haben Sie etwas ähnliches wie das WIR-Programm in Holland. Ich kann Ihnen nur gut zureden, daß Sie in Ihrem eigenen Lager dafür sorgen. Herr Kollege Eigen, klären Sie Ihren Ministerpräsidenten in Schleswig-Holstein auf, wie segensreich sich das für die Landwirtschaft auswirken würde. ({5}) Das ist nämlich jetzt das Naheliegende. - Ja, Mehrwertsteuer! Herr Strauß hat in der letzten Woche am Dienstag in der „Süddeutschen Zeitung" für die Mehrwertsteuer plädiert, zwei Tage später hat er das Gegenteil gesagt. ({6})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kiechle?

Ignaz Kiechle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001091, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, sind Sie wenigstens bereit, nachzulesen - wenn Sie es schon nicht mehr wissen -, daß gerade die führenden Leute der Freien Demokratischen Partei mindestens ein halbes Jahr lang erklärt haben, eine Erhöhung der Mehrwertsteuer sei von Übel und komme nicht in Frage. Jetzt wollen Sie uns auch noch die Landwirtschaft damit retten. ({0})

Georg Gallus (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000628

Herr Kollege, wenn Sie da schon eine Antwort wollen, dann kann ich Ihnen sagen: wir haben darüber diskutiert und sind am Schluß zu einer einheitlichen Auffassung gekommen. ({0}) Die steht bei Ihnen noch aus. ({1}) Nun noch ein Wort zu den Nebenerwerbsbetrieben. Wenn ein Programm im ganzen Bereich der Landwirtschaft konzipiert ist und nicht angenommen wird, dann liegt das nicht an der Bundesregierung, sondern ({2}) - nein -, sondern daran, daß in der Beratung eben zu wenig darauf Rücksicht genommen worden ist: wenn man wirklich Nebenerwerbspolitik machen will, dann kann die Nebenerwerbslandwirtschaft nicht zur Intensität gefördert werden. ({3}) Wer etwas anderes sagt, der hat überhaupt keine Konzeption in der Agrarpolitik Deutschlands. ({4}) Nun zu den geliebten Hunderttausend, die mir immer vorgeworfen werden. Herr Kollege Sauter, ich muß Ihnen doch einmal vorlesen, was ich hier vor diesem Hohen Hause gesagt habe. Hier verdichten sich Märchen fast zu Lügen draußen, die endlich einmal klargestellt werden müssen. Ich habe hier am 2. Juli 1981 laut Protokoll des Deutschen Bundestages erklärt: Niemand redet davon, daß sie in den nächsten Jahren aufhören müssen. Nein, ich sage: die werden in den nächsten Jahren sich entscheiden müssen, ein Teil wird sowieso auslaufen, ein anderer Teil wird die Entscheidung treffen und in den Nebenerwerbsbereich hinübergehen. Ehrlichkeit ist hier am Platze. ({5})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Georg Gallus (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000628

Nein.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine Zwischenfrage mehr. ({0}) - Meine Damen und Herren, ich kann nur das wiedergeben, was ich hier im Deutschen Bundestag gesagt habe. ({1}) Ich kann nur sagen, daß meine Auffassung voll bestätigt worden ist. ({2}) - Nein, jetzt nicht mehr!

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Es können also keine Zwischenfragen mehr gestellt werden.

Georg Gallus (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000628

Natürlich versucht man - ({0}) - Entschuldigen Sie, ich kann nicht für alles geradestehen, was ein Journalist über mich zusammenschreibt; das tut mir wirklich leid. ({1}) Meine Damen und Herren, ich kann hier nur eines sagen: Wenn man sich den neuen Agrarbericht einmal vor Augen führt, stellt man fest, daß im vergangenen Wirtschaftsjahr wieder rund 17 000 Betriebe ausgelaufen sind, davon nahezu 12 000 - 70 % - nicht etwa aus dem Nebenerwerbsbereich, sondern - genau, wie ich es angekündigt hatte - aus dem unteren Bereich der Vollerwerbsbetriebe. Es gibt in der Zwischenzeit eine Untersuchung der Agrarsozialen Gesellschaft, die dies eindeutig bestätigt. Denn, meine Damen und Herren, auch wenn sich die Opposition zu einer großen Verschwörung des Verschweigens der Tatsache hergibt, daß 75 % der deutschen Landwirte nur eine Betriebsgröße von 1 bis 20 ha haben, ({2}) bleibt diese Tatsache trotzdem wahr. Unsere Politik ist darauf ausgerichtet, auch mit der Gemeinschaftsaufgabe dafür zu sorgen, daß wenigstens die Betriebe mit 20 bis 30 ha die Möglichkeit haben, in der Zukunft mitzukommen. Darum, meine Damen und Herren, geht es! ({3}) Sie müssen in der agrarpolitischen Diskussion einmal ehrlich werden und müssen die Dinge einander richtig gegenüberstellen, wobei von unserer Seite aus - meine Damen und Herren, lassen Sie mich das hier auch einmal in aller Deutlichkeit feststellen ({4}) keineswegs und nirgendwo, weder im Norden noch im Süden, verschwiegen wird, wie ernst die agrarpolitische Situation insgesamt ist. Sie ist aber nicht nur bei uns so schwierig, sondern auch in anderen europäischen Staaten und auch in Amerika. ({5}) Die Opposition mag j a nach dem dortigen Regierungswechsel in der großen Hoffnung nach Amerika geblickt haben, dort würde sich vielleicht ein Konzept für sie selbst entwickeln, aber nach einem Haushaltsjahr kann man sehen, daß die Bundesregierung einen sehr viel vernünftigeren Weg geht, ({6}) nämlich den, meine Damen und Herren, die Zusatzverschuldung zu begrenzen. ({7}) Dazu möchte ich von dieser Stelle aus auch einmal sagen: Natürlich muß dazu auch die Landwirtschaft ihren Teil beitragen, ({8}) aber die deutsche Landwirtschaft ist gegenüber anderen Bevölkerungsgruppen nicht über Gebühr belastet worden. ({9}) - Herr Kollege Sauter, wenn Sie in dieser schwierigen Zeit - ({10}) - Herr Kollege Eigen, Sie können im „Flensburger Tageblatt" nachlesen. Darin steht der Satz, eines könne man dem Staatssekretär nicht absprechen, nämlich Sachverstand. Das können Sie nachlesen! ({11}) - Herr Kollege Eigen, ich weiß gar nicht, was Sie eigentlich wollen! ({12}) Sie haben doch in Schleswig-Holstein gesprochen, und in der Presse hat dann die Überschrift gestanden: Karl Eigen sieht die Zukunft der Bauern positiv. ({13}) Wenn Sie sie schon positiv sehen, ({14}) dann kann ich Ihnen nur eines sagen: Wenn der Herr Sauter glaubt, feststellen zu müssen, der Herr Minister Ertl sei zum Leichtgewicht geworden, dann kann ich nur sagen, Herr Sauter, wegen Ihnen verliert er kein Pfund. ({15}) Meine Damen und Herrn, lassen Sie mich zum Schluß feststellen, daß die Lage der deutschen Landwirtschaft zwar ernst ist, aber nicht hoffnungslos. Die deutschen Bauern müssen wissen, daß diese Bundesregierung das Menschenmögliche tut, auch in dieser schwierigen Zeit der Landwirtschaft zu helfen. Von der Opposition habe ich bisher ein durchgängiges Konzept in der Agrarpolitik vermißt. ({16})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 9/1235 die Annahme einer Entschließung. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so angenommen. Ich rufe den Punkt 3 der Tagesordnung auf: Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Laufs, Dr. Dregger, Spranger, Dr. Riesenhuber, Dr. Miltner, Lenzer, Broll, Fellner, Dr. von Geldern, Gerlach ({0}), Dr. Jentsch ({1}), Krey, Regenspurger, Volmer, Dr. Waffenschmidt, Dr. Bugl, Gerstein, Frau Hürland, Kolb, Dr. George, Dr. Jobst, Dr. Köhler ({2}), Dr. Köhler ({3}), Dr. Kunz ({4}), Magin, Pfeffermann, Prangenberg, Schwarz, Dr. Stavenhagen und der Fraktion der CDU/CSU Verantwortung des Bundes für Sicherstellung und Endlagerung radioaktiver Abfälle in der Bundesrepublik Deutschland - Drucksachen 9/858, 9/1231 Meine Damen und Herren, der Ältestenrat hat für die Aussprache eine Redezeit von drei Stunden vereinbart. - Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Dann werden die Redezeiten entsprechend aufgeteilt. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Laufs.

Prof. Dr. Paul Laufs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit der Vierten Änderung des Atomgesetzes wurden im Jahre 1976 die gesetzlichen Grundlagen für die Verwertung und Beseitigung radioaktiver Abfälle geschaffen. Der Bund erhielt den gesetzlichen Auftrag, Anlagen zur Sicherstellung und Endlagerung radioaktiver Abfälle einzurichten. In der Folge dieser von der Bundesregierung selbst betriebenen Gesetzgebung mußte das bewährte, weltweit als vorbildlich geltende Endlager Asse geschlossen werden, weil die juristischen - nicht die technischen! - Genehmigungsvoraussetzungen nach neuem Recht nicht mehr gegeben waren. Seither türmen sich jährlich Zehntausende von Fässern schwach- und mittelradioaktiver Abfälle aus Forschung, Kernkraftwerken, von Industrie und Medizin zu riesigen Bergen oberirdisch auf, von denen gegenwärtig niemand weiß, wann, wo und in welcher Form sie einmal endgültig beseitigt werden können. Man ist versucht, die Vierte Atomgesetznovelle für das Salzbergwerk Asse als den größten anzunehmenden juristischen Unfall zu bezeichnen. ({0}) Die Bundesregierung kommt ihrer im Atomgesetz festgelegten Pflicht zur Lösung der Entsorgungsfrage ohne Zielstrebigkeit, ohne Tatkraft und ohne Willen zur Einleitung und straffen Organisation der notwendigen staatlichen Maßnahmen in völlig unzureichender Weise nach. ({1}) Wenn Willensschwäche und Hoheitsrechte zusammenfallen, kann nur Lähmung folgen. Diesem Zustand sind wir verzweifelt nahe. ({2}) Bei der Entsorgung der abgebrannten Brennelemente aus Kernkraftwerken bietet sich ein ähnlich tristes Bild. Die SPD begründet seit Jahr und Tag auf ihren Parteitagen von Kiel bis München mit der - wie sie sagt - völlig ungeklärten Entsorgungsfrage ihre Ablehnung von neuen Kernkraftwerkskapazitäten. SPD-geführte Landesregierungen verweigerten von Vahnum A aus dem Jahre 1974 bis Biblis C in diesen Tagen mit dem Hinweis auf fehlende Entsorgungsmöglichkeiten ihre Zustimmung zur Errichtung neuer Kernkraftwerke. Wenn die SPD dann in ihrem Leitantrag feststellt, der Betrieb von Kernkraftwerken sei nach 1990 nicht mehr zu verantworten, wenn keine Entsorgung im Inland nachgewiesen werde, und die SPD-Kollegen in den Bundestagsgremien gleichzeitig mit Nachdruck behaupten, vor dem Jahre 1990 könne über die Eignung von Gorleben überhaupt noch nicht entschieden werden, so wird die Absicht klar. Die Kernenergie soll über die Atommüllfrage gänzlich aus dem Energieprogramm gehebelt werden. Aber es soll sich niemand täuschen: Das Problem der Nuklearabfälle aus der Radioisotopenanwendung in Industrie, Forschung und medizinischen Kliniken würde auch ohne Energiewirtschaft bleiben. Es handelt sich allein aus diesen Bereichen um viele tausend Fässer pro Jahr. Jahrelange Unentschlossenheit und eine Kette von Fehleinschätzungen, die ich noch im einzelnen darstellen werde, und Versäumnisse der SPD/FDPEnergiepolitik haben in der Bevölkerung den Eindruck entstehen lassen, als stünden wir bei der Endlagerung vor lauter ungelösten Problemen, als seien Wiederaufarbeitung und Plutoniumrückführung von unzumutbarer Gefährlichkeit und als bestehe ein ungeheurer Zeitdruck zur Lösung einer weithin desolaten Entsorgungssituation. Dieser negative Eindruck ist nur politisch begründet. Die technischen Probleme und Fragen der nuklearen Sicherheit sind grundsätzlich gelöst. Die Entsorgungsfrage ist zu einem Politikum geworden, das zum Handeln zwingt. Und dazu sind SPD und FDP nicht in der Lage. In einem von dieser Bundesregierung weitgehend mitverschuldeten Klima der Kernenergieskepsis und Atomangst stehen wir heute offensichtlich vor der Situation, daß die politisch schwierig zu realisierenden Aufgaben der Zwischenlagerung, Wiederaufarbeitung und Endlagerung nur noch von unionsgeführten Ländern gelöst werden können. Von einer Lastenverteilung zwischen den Ländern bei der Kernenergieversorgung und -entsorgung kann nicht mehr die Rede sein. ({3}) Ich wende mich der entscheidenden Frage zu: Wie kritisch ist der Zeitfaktor bei der Entsorgungsvorsorge? Wer alle Schritte des Entsorgungswegs von der Sache her betrachtet, kommt zu dem Ergebnis, daß heute zunächst Zeitdruck bei der Bereitstellung von Zwischenlagern besteht. Zwischenlager für nukleare Reststoffe und Abfälle sind hinsichtlich ihrer Sicherheit nach dem gegenwärtigen Stand von Wissenschaft und Technik völlig unbedenklich, auch wenn die Aufbewahrung über Jahrzehnte erfolgt. Nukleare Sicherheit und Strahlenschutz machen tatsächlich keine Probleme. Die langfristige Zwischenlagerung von schwach- und mittelaktiven Abfällen in riesigen Lagerhallen, wie sie derzeit überall bei den Landessammelstellen in Bau sind, ist allerdings technisch und wirtschaftlich unsinnig und nur deshalb erforderlich, weil keine Endlagerstätte in Betrieb ist. Die längerfristige gesicherte Zwischenlagerung verbrauchter Brennelemente aus Kernkraftwerken ist aus der Sicht der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes über mehrere Jahrzehnte hinweg ebenfalls völlig unproblematisch. Sie ist auch technisch sinnvoll und wirtschaftlich vernünftig. Die Reaktorsicherheitskommission sieht die längerfristige gesicherte Zwischenlagerung in besonders gestalteten Transportbehältern über 30 Jahre als vertretbar an. Schweden plant sogar eine 40jährige Zwischenlagerung der Brennelemente in Wasserbecken, die unterirdisch in Granit gehauen sind. Die Wiederaufarbeitung der ausgedienten Brennelemente ist nach dieser Zeitdauer technisch und wirtschaftlich einfacher durchzuführen. Die relativ kurzlebigen Spaltprodukte Tritium und Krypton z. B., deren Rückhaltung und Beseitigung erhebliche Schwierigkeiten machen, sind nach ungefähr 30 Jahren auf ein Zehntel ihres ursprünglichen Inventars, also fast vollständig abgeklungen. Die vorübergehende Aufbewahrung abgebrannter Brennelemente in Kompaktlagern in Kraftwerken und die gesicherte Zwischenlagerung in Transportbehältern über längere Zeiträume sind erforderliche Schritte im Rahmen der integrierten Entsorgungskonzeption und keineswegs eine sicherheitstechnisch problematische Verlegenheitslösung. Aber genau diese Meinung ist im Gegensatz zu allen anderen Staaten, die die Kernenergie nutzen, in der Öffentlichkeit in unserem Land weit verbreitet. In Frankreich, England und den Vereinigten Staaten wird die jahrzehntelange Zwischenlagerung von Brennelementen und konditionierten Nuklearabfällen ganz unumstritten in die Entsorgungsplanung einbezogen und akzeptiert. Bei der Entsorgung der Kernkraftwerke wird zunächst keine Engpaßsituation entstehen, wenn die geplanten Zwischenlager in Gorleben - wo Niedersachsen alles in seiner Macht Stehende tut, um den Bau voranzubringen - und in Ahaus, wo die Dinge lange nicht so gut stehen, in den kommenden Jahren in Betrieb gehen sowie noch dieser oder jener weitere Standort in anderen Bundesländern erschlossen werden kann. Diese Engpaßsituation ist aber im Laufe der 90er Jahre zu erwarten, wenn es nicht gelingt, den nächsten Schritt im Rahmen der integrierten Entsorgungskonzeption zu tun, zu der wir uns bekennen, nämlich die Wiederaufarbeitung zu realisieren. Wir können den Freistaat Bayern nur nachdrücklich dabei unterstützen, die vorbereitenden Arbeiten zur Errichtung einer Wiederaufarbeitungsanlage bei alDr. Laufs ler Berücksichtigung der Sicherheitsgesichtspunkte energisch zu fördern. ({4}) Nach all den Zeitverlusten, die von der hessischen Landesregierung verschuldet wurden, darf der Beginn dieser Arbeiten nicht mehr verzögert werden. Auch die Einrichtung eines Endlagers für hochaktive Abfälle verträgt wegen der außerordentlich langen Zeiträume zu seiner Verwirklichung keinen Zeitaufschub mehr. Der niedersächsische Ministerpräsident hat natürlich recht, wenn er sagt, daß wir heute - die Betonung liegt auf dem Wort „heute" - noch kein Endlager für hochradioaktive Nuklearabfälle brauchen. Man kann hinzufügen: Selbst wenn das gegenwärtig laufende Erkundungsprogramm in Gorleben zum unerwarteten Ergebnis führte, daß dieser Salzstock ungeeignet ist, wäre das kein Grund zur Panik. Es gibt zahlreiche Salzstöcke in Deutschland, die sich möglicherweise eignen, und den richtigen würde man ohne Hektik ausfindig machen können. Meine Damen und Herren, es gibt ernste Befürchtungen, daß der öffentliche Eindruck von einer völlig ungeklärten Entsorgungsvorsorge die Verwaltungsgerichte beeinflussen könnte. Seit die Bundesregierung im Einvernehmen mit den Ländern das Entsorgungsjunktim in die atomrechtlichen Verfahren einführte, gehen die Genehmigungsbehörden dazu über, eine sogenannte Entsorgungsvorsorgeklausel schon in den Regelungsgehalt der ersten Teilerrichtungsgenehmigung für ein neues Kernkraftwerk aufzunehmen. Das vorläufige positive Gesamturteil bei der ersten Teilerrichtungsgenehmigung umfaßt also im Sinne einer Vorverlagerung der betriebsbezogenen Gefährdungsprüfung auch die Entsorgungsfrage. Die Entsorgungsvorsorgeklausel im Fall Philippsburg II verknüpft die später zu erfolgende Betriebsgenehmigung mit dem Vorliegen der ersten Teilerrichtungsgenehmigung für das deutsche Entsorgungszentrum in Gorleben. Sie ist also heute sachlich überholt. Die Genehmigungsbehörde kann nun im Rahmen ihres Ermessens eine überholte, aber hinsichtlich des positiven Grundsatzurteils rechtsverbindliche Entsorgungsvorsorgeklausel einer geänderten Sachlage anpassen und die Betriebsgenehmigung auch bei geringeren Fortschritten der Entsorgungsvorsorge erteilen. Diese Situation ist aber alles andere als befriedigend. Die gesicherte Zwischenlagerung wird auch in diesem Zusammenhang einen höheren Stellenwert erhalten müssen. Zu erwähnen ist auch das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt, das für die längerfristige Zwischenlagerung in Kompaktlagern keine ausreichende gesetzliche Grundlage sieht. Auch wenn nun die Obergerichte erkennen lassen, daß sie Entsorgungsfortschritte nicht an formalen Überlegungen scheitern lassen wollen, erscheint insgesamt die Frage berechtigt, ob nicht eine weitere Entsorgungsnovelle zum Atomgesetz sinnvoll sein könnte, mit der die gesetzgeberischen Vorstellungen für die Entsorgung verdeutlicht und die bisher aufgetretenen Unklarheiten beseitigt werden könnten. Mit dem Entsorgungsjunktim sollte Druck auf die Wirtschaft ausgeübt werden, die erforderlichen Entsorgungsmaßnahmen rasch zu verwirklichen. Heute ist klar, daß es keine wirtschaftlichen, sondern ausschließlich politische Hindernisse dafür gibt, die man den Kernkraftwerksbetreibern nicht anlasten kann. Die deutsche Elektrizitätswirtschaft war 1977 unter dem Druck des Entsorgungsjunktims, das die Wiederaufarbeitung festschrieb, gezwungen, Wiederaufarbeitungsverträge mit dem Ausland abzuschließen. Nach heutigem Sachstand soll die französische Firma COGEMA insgesamt 2 500 Tonnen Uran in abgebrannten Brennelementen, die bis 1990 anzuliefern sind, aufarbeiten. Die britische Firma BNFL soll etwa 200 Tonnen entsorgen. Die COGE-MA-Verträge allein kosten nach heutigen Preisvorstellungen etwa 5 Milliarden DM. Die Kosten werden aber noch deutlich höher liegen, da eine Vielzahl von Aufwendungen später noch einmal auf die Vertragspartner umgelegt wird. Was wäre geschehen, wenn die Entsorgung dieser Mengen nicht durch ausländische Verträge, sondern einheimische Maßnahmen gesichert worden wäre? Vor fünf Jahren wurde eine längerfristige gesicherte Zwischenlagerung nicht akzeptiert. Heute hat sich diese Lage etwas geändert. Tatsächlich ist es nun so, daß die Zwischenlagerung in Frankreich erfolgt, weil eine Wiederaufarbeitung dort vor 1990 auch nicht in vollem Umfang durchgeführt wird. Angenommen, man hätte die 2 500 Tonnen, die nach Frankreich geliefert werden sollen, in Stahlbehältern in deutschen Trockenzwischenlagern untergebracht, so hätte man der deutschen Volkswirtschaft nicht nur einige Milliarden Mark an Devisen erspart und für einheimische Investitionen freigesetzt, sondern der deutschen Stahlindustrie ein Auftragsvolumen von 1,2 Milliarden DM verschafft. Dieses Stahlprogramm zur Nuklearentsorgung hätte unter Berücksichtigung aller Sicherheitskriterien in Ruhe vorbereitet werden können. Es hätte gerade in diesen Jahren voll anlaufen und der Stahlindustrie gewaltige Aufträge in Höhe von 300 Millionen DM jährlich bringen können, womit mindestens 6 000 Arbeitsplätze gesichert worden wären. Wenn man sich den in diesen Tagen stattfindenden erschütternden Kampf der Belegschaft am Hochofen 4 des ThyssenSchalker Vereins um ihre Arbeitsplätze vor Augen führt, wird erst richtig klar, welche Folgen die Bundesregierung mit ihren energiepolitischen Fehleinschätzungen zu verantworten hat. ({5}) Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf die Probleme der Endlagerung lenken, die angesichts der großen Mengen an schwachradioaktivem Müll für diese Abfallkategorie endlich wieder in Gang kommen muß. Die jahrelangen fruchtlosen Irrungen und Wirrungen um die Wiedereröffnung der Asse und die Erkundungen von Konrad und Gorleben machen die zersplitterte und unsachgemäße Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den Bundesministerien sichtbar. Der Bundesminister des Innern befindet sich dabei in einem besonderen Rollenkonflikt: Er ist Minister für nukleare Sicherheit und Strahlenschutz und hat gleichzeitig den Auftrag des Atomgesetzes wahrzunehmen, die PhysikalischTechnische Bundesanstalt bei der Errichtung und dem Betrieb von Anlagen des Bundes zur Sicherstellung und zur Endlagerung radioaktiver Abfälle fachlich anzuweisen. Wer im Interesse einer zügigen Entsorgungslösung der antragstellenden Bundesanstalt fachliche Weisungen zum Handeln erteilt, muß in der öffentlichen Meinung als entschiedener Förderer des Kernenergieausbaus gelten; denn der Widerstand der Atomkraftgegner und -skeptiker hat sich ja von der Reaktorsicherheit weg auf die Entsorgungsfrage verlagert. Diesen Schuh will sich Minister Baum offenbar nicht anziehen. Bis 1979 weigerte er sich, die herrschende Meinung über die Notwendigkeit eines Planfeststellungsverfahrens für die Asse anzuerkennen. Schließlich wurde ein Antrag nach § 3 der Strahlenschutzverordnung auf rückholbare Zwischenlagerung einer begrenzten Abfallmenge gestellt, dafür dann Ende 1979 ein Planfeststellungsantrag eingebracht, der aber bis heute kaum weiterverfolgt wurde. Für die Eröffnung des Planfeststellungsverfahrens Konrad liegt immer noch kein auslegungsreifer Sicherheitsbericht vor, und das nach sechs Jahren Untersuchungsarbeit, die 75 Millionen DM kostete. Der Bundesminister des Innern hat sich außerdem bis heute nicht entscheiden können, ob der Erkundungsschacht in Gorleben nach Berg- oder Atomrecht genehmigt werden soll. Die seit Jahren geforderten verbindlichen Richtlinien über die Konditionierung endlagerfähiger Abfälle stehen ebenfalls immer noch aus. Minister Baum läßt die Dinge treiben. Unentschlossen und dilatorisch kommt er seiner Fachaufsicht dort nach, wo die Kernenergienutzung gefördert wird. Der Bundeswirtschaftsminister auf der anderen Seite hat die allgemeine Dienstaufsicht über die Physikalisch-Technische Bundesanstalt und die Bundesanstalten für Geowissenschaft und Rohstoffe sowie für Materialprüfung. Er stellt die Personalstellen und Finanzmittel für die Errichtung und den Betrieb von Endlagern bereit. Der Bundesminister für Forschung und Technologie führt die Dienstaufsicht über die Gesellschaft für Strahlen- und Umweltforschung und ist für die technologischen und sicherheitstechnischen Entwicklungen im Bereich der Endlagerung verantwortlich. Bei der Koordinierung von Einzelmaßnahmen wirken außerdem noch der Bundesfinanzminister und der Bundesbauminister mit. Bei diesem Kompetenzwirrwarr kommt es zu enormen Reibungsverlusten. Jedes Ressort sieht vorrangig seine Teilzuständigkeit. Es erscheint uns dringend erforderlich, die fachliche, organisatorische und haushaltsrechtliche Verantwortung für die Einrichtung von Endlagern in einem Ressort zusammenzufassen. Dafür käme das Wirtschafts- oder das Forschungsministerium in Betracht. Dem Bundesinnenminister sollte die Fachaufsicht über die Antragsbehörde, also die Physikalisch-Technische Bundesanstalt, genommen werden, damit er sich ausschließlich mit seiner sicherheitsbezogenen Zuständigkeit im atomrechtlichen Verfahren als Sicherheitsminister befassen kann. Es ist in sich nicht schlüssig und richtig, daß Aufsichtspflicht und Weisungsrecht bei der Planung, Antragstellung und auch noch bei der Genehmigung einer Anlage zusammenfallen. Hier wäre es angezeigt, die gesetzlichen Grundlagen neu zu überdenken. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch eine Bemerkung zur Finanzierung machen. Es ist durchaus sinnvoll, daß in Anbetracht der Finanzknappheit des Bundes die Finanzmittel zur Erschließung von Endlagerstätten im Rahmen des Verursacherprinzips von der Wirtschaft geholt werden. Die Bundesregierung hat zu diesem Zweck eine Endlagervorausleistungsverordnung vorgelegt. Dieser Verordnungsentwurf ist scharfer Kritik ausgesetzt, weil er gegen die allgemeinen Grundsätze des Abgaben- und Beitragsrechts verstößt und keine Regelung über die Einbeziehung neuer Abgabepflichtiger enthält. Es läßt sich deshalb nicht absehen, wann die Gelder aus der Wirtschaft beigetrieben werden können. In der Finanzplanung des Bundes sind aber die erforderlichen Mittel nicht eingestellt, so daß nun anstehende Arbeiten in Gorleben verschoben werden müssen. Selbst wenn es gelingt, Verzögerungen auf dem kritischen Pfad der Zeitplanung zu vermeiden, ist auch dieser Vorgang typisch für das unzulängliche Vorgehen der Bundesregierung. Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf die Große Anfrage betont, daß die Einrichtung von Endlagern nicht nur eine technische, sondern auch eine politische Aufgabe sei, die vom Bund nur gemeinsam mit den Ländern gelöst werden könne. Sie bedauert nachdrücklich, daß die Bundesländer neben Asse, Konrad und Gorleben keine weiteren Standorte für Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle benannt hätten. Falls diese Feststellungen mehr bedeuten sollen als das sattsam bekannte törichte Schwarzer-Peter-Spiel, muß die Bundesregierung in dieser Debatte erklären, von welchen Kapazitätsberechnungen sie ausgeht, wenn sie weitere Standorte benannt haben will, und nach welchen Kriterien der sicherheitstechnische Vergleich verschiedener Endlagerstätten erfolgen soll. Die vorliegende Antwort der Bundesregierung gibt dazu überhaupt keinen Hinweis. Der Bundesinnenminister macht es sich zu leicht, wenn er per Rundschreiben von den Bundesländern die Bereitstellung von Standorten anfragt. Niedersachsen ist bekanntlich bereit, entsprechende Anträge des Bundes zu prüfen. Aber die Initiative muß nach der geltenden Rechtslage von der Bundesregierung ausgehen. Wir fordern die Bundesregierung auf, endlich auslegungsreife Antragsunterlagen vorzulegen. Sie kann nur gewarnt werden, sich aus der Verantwortung zu stehlen und eine Standortdiskussion in den Bundesländern zu provozieren, ohne selbst Farbe zu bekennen. Zusätzliche Endlagerkapazitäten können dann erforderlich werden, wenn in großem Umfang von der direkten Endlagerung ausgedienter Brennelemente Gebrauch gemacht würde. Dieser parallele Ansatz muß in Labor- und Feldversuchen erprobt werden und wird bei Sonderanfertigungen wie Mischoxydbrennelementen Verwendung finden. Aus ökologischer Sicht ist die direkte Endlagerung die schlechtere Alternative zur Wiederaufarbeitung, die wir im Rahmen der integrierten Entsorgungslösung haben wollen. ({6}) Aber der parallele Ansatz sollte untersucht und nicht von vornherein grundsätzlich ausgeschlossen werden. Ich möchte zum Schluß kommen und zusammenfassen. Die Bundesregierung hat mit einer unsachgemäßen Hektik die nukleare Entsorgung zur Schlüsselfrage gemacht und sich im Gegensatz zu allen anderen Staaten in Zeitvorstellungen verstrickt, denen sie mit ihrer anhaltenden Untätigkeit nicht entsprechen kann. ({7}) Im Konflikt zwischen ihrer Verantwortung für nukleare Sicherheit und ihrer Pflicht zur Förderung der Kernenergienutzung findet sie nicht zu entschlossenem Handeln. Sie läßt zu, daß alles zerredet wird und alte Fragestellungen, deren Beantwortung längst klar ist, immer wieder eingebracht werden. Was zu tun ist, liegt auf der Hand. Die technischen Probleme sind grundsätzlich gelöst. Aber bei dieser Bundesregierung fehlt der politische Wille. Es ist auch hier hohe Zeit für eine politische Wende. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. ({8})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Schäfer ({0}).

Harald B. Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001931, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Große Anfrage der CDU/CSU nach der Verantwortung des Bundes für Sicherstellung und Endlagerung radioaktiver Abfälle zielt darauf, der Bundesregierung - Kollege Laufs hat eben das gleiche probiert - die Verantwortung für die Verzögerung und die nicht hinreichend gesicherte Entsorgung radioaktiver Abfälle zuzuschieben. ({0}) Dieser Versuch der Schuldzuweisung an die Adresse der Bundesregierung ist, wie man, wenn man die Antwort liest, feststellen kann, gründlich mißlungen. Die Antwort der Bundesregierung zeigt eindeutig auf, daß der Bund in rechtlicher und politischer Hinsicht alles, was in seinen Befugnissen steht, getan hat, um die schadlose und dauerhafte Aufbewahrung bzw. Beseitigung radioaktiver Abfälle, also die Entsorgung, voranzubringen und zu lösen. Die Antwort der Bundesregierung macht auch deutlich, meine Damen und Herren, daß die Lösung der Aufgabe nur durch das Zusammenwirken von Bund und Ländern möglich ist und der Hauptschlüssel zur Realisierung letztlich bei den Ländern liegt. Die Länder haben die Landessammelstellen für die Zwischenlagerung radioaktiver Abfälle einzurichten. Der Bund hat lediglich für die Anlagen zur Sicherstellung und zur Endlagerung radioaktiver Abfälle zu sorgen. Da der Bund - was ich sage, ist trivial, aber zutreffend - bekanntlich nicht über ein eigenes Territorium verfügt, ist er auch bei der Realisierung der Endlagerung tatsächlich, politisch und rechtlich auf die Kooperation und die Bereitschaft der Länder angewiesen. Die Entscheidung der niedersächsischen Landesregierung beispielsweise, in dieser politischen Generation aus politischen Gründen - das war die Formulierung - kein grünes Licht für eine integrierte Entsorgungsanlage in Gorleben zu geben, unterstreicht diesen Tatbestand. Der Ministerpräsident des Landes Niedersachsen, Herr Albrecht, hat zu dieser Entscheidung am 4. Juli 1979 im Deutschen Bundestag ausgeführt: Die Landesregierung, die für den Einsatz der Polizei in Gorleben allein verantwortlich ist, wußte sehr wohl, daß in dieser Situation der Bau einer Wiederaufbereitungsanlage mit vertretbaren polizeilichen Mitteln nicht gewährleistet werden konnte. Wir hatten also - so Albrecht eine Güterabwägung vorzunehmen. Es ist klar, wie wir uns entschieden haben, - nämlich Gorleben nicht bauen zu lassen und ich will es hier in aller Deutlichkeit wiederholen. Wir, die Landesregierung von Niedersachsen, waren und sind nicht bereit, auf verängstigte Menschen zu schießen, damit eine Anlage gebaut werden kann, die zur Stunde zwar wünschenswert, aber nicht absolut notwendig ist. ({1}) Ich will Herrn Albrecht wegen dieser Entscheidung nicht kritisieren. Was ich Ihnen allerdings anlasten muß meine Damen und Herren, und was ich kritisiere, sind die Doppelbödigkeit und die Doppelzüngigkeit Ihrer Argumentation. ({2}) Auf der einen Seite tragen Sie die Hauptverantwortung dafür, daß die entscheidende Realisierung des Baus in Gorleben nicht zustandegekommen ist; auf der anderen Seite treiben Sie ein unwürdiges Schwarzer-Peter-Spiel und wollen dafür die Bundesregierung verantwortlich machen. ({3}) Ich empfehle Ihnen, gleichgültig, wie man es im einzelnen bewerten mag, sich die Entscheidung der Schäfer ({4}) hessischen Landesregierung zum Bau einer Demonstrationswiederaufarbeitungsanlage anzusehen. ({5}) Sie spitzen nur den Mund, und dann grunzen Sie. Das ist Ihre energiepolitische Position. ({6})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Harald B. Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001931, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage. ({0}) - Ich gestatte eine Zwischenfrage von einem Kollegen, von dem ich weiß, daß er sachkundig ist. ({1}) Kurzum, meine Damen und Herren, ({2}) die Lösung der Entsorgungsfrage ist eine Aufgabe, die nur gemeinsam von Bund und Ländern vollbracht werden kann.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Riesenhuber?

Harald B. Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001931, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Gerne.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Bitte, Herr Dr. Riesenhuber.

Prof. Dr. Dr. Heinz Riesenhuber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001849, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Schäfer, abgesehen davon, daß es nicht glücklich ist, bei den Kollegen zwischen Sachkundigen und Nichtsachkundigen zu unterscheiden, ({0}) möchte ich Ihnen die Frage stellen: Sind Sie der Ansicht, daß sich die SPD nicht doppelzüngig verhalten hat, wenn man bedenkt, daß der Bundeskanzler die niedersächsische Landesregierung hier gedrängt hat, Gorleben zu genehmigen, Herr Ravens aber seinen niedersächsischen Wahlkampf gleichzeitig darauf aufgebaut hat, daß Gorleben unter seiner Führung nicht gebaut werden soll? ({1})

Harald B. Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001931, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ihre Frage, Herr Kollege Riesenhuber, kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß die niedersächsische Landesregierung - ich habe das Verhalten nicht kritisiert ({0}) der ihr auferlegten Verantwortung nicht gerecht geworden ist; das ist der politische Punkt. Im übrigen gestehe ich Ihnen gerne zu, daß Fragen der künftigen Kernenergienutzung in meiner Partei kontrovers diskutiert werden. ({1}) Wo kämen wir denn hin, wenn das nicht mehr möglich wäre? ({2})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Harald B. Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001931, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein. ({0}) Ich habe mir hier als Merkposten aufgeschrieben, meine Damen und Herren, daß wir uns angesichts der Tatsache, daß die Entsorgungsfrage nur gemeinsam von Bund und Ländern zu lösen ist, sowie angesichts der überragenden nationalen Bedeutung, die der Lösung dieser Problematik zukommt, gemeinsam darauf verständigen sollten, nicht vordergründig und kurzatmig parteipolitische Pluspunkte zu sammeln, ({1}) indem wir den innenpolitischen Gegner nur auspunkten und anschlagen wollen. ({2}) Ich werde es deswegen auch bei dieser einzigen Auseinandersetzung belassen. Unsere Aufgabe als Bundestag muß es sein, daß wir auf der Grundlage nüchterner Bestandsaufnahmen Lösungen erarbeiten. Unsere Aufgabe muß es sein, bei den Lösungsvorschlägen auch die in Wissenschaft, Politik und Gesellschaft vorhandenen unterschiedlichen Auffassungen in unsere Entscheidungen mit einzubeziehen und uns dann bei der Realisierung vor Ort allerdings für das, was wir hier im Bundestag für richtig halten, einzusetzen. ({3}) Unser parlamentarischer Streit sollte, meine ich, ein Wettbewerb um die beste verantwortbare Antwort auf das Problem sein, nicht mehr und nicht weniger. Ich bedaure ein bißchen, Herr Kollege Laufs, daß dieser notwendige Ansatz mit Ihrer Schuldzuweisungsrede erschwert worden ist. ({4}) Die SPD-Bundestagsfraktion dankt jedenfalls der Bundesregierung für die umfassende und gründliche Antwort auf die Anfrage der Union. Das ist eine sachliche, eine nüchterne Bestandsaufnahme zur Situation. Sie zeigt, wo wir in der Frage der radioaktiven Abfälle stehen. Sie umreißt die Vorstellungen der Bundesregierung zur Lösung der EntsorgungsSchäfer ({5}) frage, weist die bisher erreichten Einzelschritte und Fortschritte aus, spricht aber auch - wenn auch behutsam - die Probleme und Schwierigkeiten in der gegenwärtigen Entsorgungssituation aus. Viele Menschen in unserem Lande haben Zukunftsangst wegen der Aufrüstung, wegen der großtechnischen kommerziellen Nutzung der Kernenergie, überhaupt wegen großer technischer, technologischer Einheiten, deren Beherrschbarkeit nicht hinreichend dargestellt wird. Sie haben aber auch Angst - dies vor allem im Bereich der Entsorgung -, daß wir durch Entscheidungen von heute die Lebens- und Zukunftschancen der nach uns folgenden Generationen in unzulässiger Weise nicht widerrufbar einschränken und gefährden. Es ist wahr, meine Damen und Herren, daß Angst ein schlechter politischer Ratgeber ist. Wahr ist aber auch: Wir Sozialdemokraten lassen uns in unserem politischen Handeln nicht von der Angst, sondern von der Hoffnung leiten: von der Hoffnung, also der Erwartung des Guten, von der Hoffnung, die nach einem Wort von Ernst Bloch ins Gelingen verliebt ist. Gleichviel: Wir müssen die nicht unbegründeten Ängste und Komplexe, aus denen diese Ängste erwachsen, erkennen und bewußt machen. Nicht verdrängen, nicht tabuisieren, hilft weiter, sondern aussprechen und mitteilen. Notwendig ist also, auszusprechen, was ist, weil nur so notwendiges Vertrauen erzeugt werden kann, weil nur so der nach meiner Überzeugung unabdingbar notwendige energiepolitische Konsens in unserer Gesellschaft erreicht werden kann. Aussprechen, was ist, das heißt, den glaubhaften Versuch zu unternehmen, nichts zu beschönigen, aber auch nichts zu dramatisieren. Unter diesem Maßstab gehe ich nun zur gegenwärtigen Entsorgungssituation über. Dazu zwei Zitate. Die „Zeit" schreibt am 25. September 1981 in einem längeren Beitrag die prekäre Entsorgungssituation und fragt unter der Überschrift „Die Schlinge zieht sich zu": „Droht die deutsche Nuklearindustrie an der Entsorgung zu scheitern?" So die „Zeit", sicher nicht in dem Verdacht stehend, kernenergiefeindlich zu sein. Frank J. Eichhorn von der „Stuttgarter Zeitung", ein sachlicher und sachkundiger Beobachter und Kommentator der Energiepolitik, sicherlich auch kein Kernenergiegegner, schreibt am 26. September 1981 in der „Stuttgarter Zeitung" - ich zitiere -: Die Grundsätze, auf die sich Bund und Länder verständigt haben, sind ebenfalls ein Konzept, aber kein Nachweis einer gesicherten Entsorgung. Da ist eine Kette von Kompakt-, Zwischen- und Endlagern konstruiert worden, die größtenteils nur auf dem Papier steht. Die Experten sagen den Politikern, das alles sei technisch machbar. Aber es ist eben noch nicht gemacht worden. Realität dagegen sind jene Anlagen, deren Abfall nun den unverzüglichen Ausbau der Entsorgungskette erzwingt, weil sonst die Kraftwerke am eigenen Müll ersticken. Er schreibt übrigens auch, daß der notwendige demokratische Konsens in der Frage Energiepolitik unabdingbar sei und fügt hinzu - ich sage das an Ihre Adresse, meine Herren von der Opposition -: ... es ist nicht vorstellbar, daß eine Unionsregierung in Bonn sich im Bereich der Kernenergiepolitik ihre in Oppositionszeiten demonstrierte, eigenartig aufgesetzte Geschlossenheit bewahren könnte. ({6}) Soweit Herr Eichhorn, dem ich in der Tendenz zustimme. Wie sieht nun die Entsorgung - und ich werde mich auf die kerntechnischen Anlagen beschränken - gegenwärtig aus? Zur Zeit ist ihre Entsorgung von radioaktivem Abfall einschließlich der Endlagerung praktisch weltweit nirgendwo realisiert. ({7}) Dies gilt auch für die Bundesrepublik Deutschland. Das ist eine nüchterne Feststellung, die niemand wegreden kann und auch nicht wegreden sollte. Das Ende der Entsorgungskette, ob nun mit oder ohne Wiederaufarbeitung, ist nicht geschlossen, das Problem, großtechnisch jedenfalls, nicht gelöst. Auch dies, meine Damen und Herren, gilt weltweit. An Laborexperimenten, an Laborerfahrungen, an PapierStudien, an planerischen Perspektiven mangelt es wahrhaftig nicht. Sie konnten aber nicht oder nur kaum, jedenfalls nicht hinreichend und abschließend und zufriedenstellend, in die Wirklichkeit umgesetzt werden. Sie wurden teilweise von der Wirklichkeit überholt. Die Entsorgung der Kernkraftwerke in der Bundesrepublik stützt sich vorläufig ausschließlich auf Überbrückungsmaßnahmen. „Entsorgungsvorsorge" heißt die entsprechende notwendige Vereinbarung von Bund und Ländern. Einmal werden abgebrannte Brennelemente im Kernkraftwerk selbst gelagert. Hier will man nur zur Kompaktlagerung übergehen, aus Kapazitätsgründen, um eben den Engpaß, den zeitlichen, aber auch den tatsächlichen räumlichen Engpaß, zu überwinden. Daß es hier rechtliche Bedenken gibt, hat der Kollege Laufs angesprochen. Das ist eine Übergangsmaßnahme, keine Entsorgung im Sinne unserer Zielvorstellungen. Die zweite Säule, das zweite Standbein, sind die Verträge mit der französischen Wiederaufarbeitungsfirma COGEMA in La Hague und mit der entsprechenden BNFL in England. Auch das sind nur - notwendige, füge ich hinzu - Übergangsmaßnahmen. Im Falle von La Hague in Frankreich sind die Franzosen nicht verpflichtet, unsere abgebrannten Brennelemente zu übernehmen, wenn es Schwierigkeiten, wirtschaftliche, politische, technologische Schwierigkeiten in Frankreich geben sollte. Zudem, meine Damen und Herren - und das muß der Bürger bei einer notwendigen Bestandsaufnahme wis5144 Schäfer ({8}) sen, er hat einen Anspruch darauf -, müssen wir ab 1990 die radioaktiven Abfälle aus Frankreich zurücknehmen. Niemand kann Ihnen heute sagen, wo die radioaktiven Abfälle in der Bundesrepublik gelagert werden sollen. Es liegt keine exakte Standortplanung für die wieder von der Bundesrepublik zu übernehmenden radioaktiven Abfälle vor. ({9}) - Ich sehe, meine Damen und Herren, Sie können der Versuchung nicht widerstehen, ein Problem durch die Parteibrille zu betrachten, anstatt es sachgerecht anzugehen. Ich bedauere das angesichts der Problemlage sehr. Drittens: Zwischenlagerung. Wir erkennen an, daß die Landesregierung Niedersachsen bereit ist, in Gorleben ein Zwischenlager zu bauen. Wir erkennen ausdrücklich die Bereitschaft der Landesregierung Nordrhein-Westfalens an; wir halten auch die politische Bedingung der nordrhein-westfälischen Landesregierung, daß Zwischenlager keine Endlager werden dürfen, für notwendig angesichts der Verantwortung, die wir mit der Regelung dieser Frage auf die nach uns folgenden Generationen übertragen. ({10}) Das hat mit Blockieren nichts zu tun, das ist verantwortungsvolle Politik, die bei den heutigen Entscheidungen auch an die nach uns folgenden Generationen denkt. Schließlich viertens: Erkundung, Fortschritte, Probebohrung, Gorleben. Das sind die vier Standbeine, die die gegenwärtige Entsorgungssituation beschreiben. Wir haben - Herr Kollege Laufs, ich werfe Ihnen das nicht vor, weil Sie da noch nicht im Parlament waren - gemeinsam in diesem Bundestag die vierte Atomnovelle beschlossen. Wir haben uns damals bei der Bundesregierung ausdrücklich dafür bedankt, daß sie die vierte Atomnovelle so zügig vorgelegt hat. In dieser Novelle wird nämlich der Betrieb und der Neubau von Kernkraftwerken an eine ausreichend gesicherte Entsorgung gebunden. Wir haben das deswegen gemeinsam in diesem Parlament getan, weil wir im April und im Juli 1976 bei zwei großen öffentlichen Anhörungen im Innenausschuß und im Ausschuß für Forschung und Technologie von der Industrie erfahren haben, daß in der Wirklichkeit die Planung zur Wiederaufarbeitung und Entsorgung längst hinter dem zurückbleibt, was Sie uns auf dem Papier angeboten haben. Einstimmig hat sich der Deutsche Bundestag auf das Entsorgungsjunktim zwischen dem Bau und dem Betrieb von Kernkraftwerken und gesicherter Entsorgung verständigt. Ich würde es sehr bedauern, Herr Kollege Laufs, wenn die Union nun den Versuch machen würde, aus dieser gemeinsamen Entsorgungskoppelung auszusteigen. ({11}) Ich habe jetzt versucht, meine Damen und Herren, in einigen wenigen Punkten eine nüchterne, sachliche Bestandsaufnahme vorzunehmen. ({12}) - Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf: Benutzen Sie den Kopf und nicht den Kehlkopf! Meine Damen und Herren, was folgt nun aus dem, was ich in einer nüchternen Bestandsaufnahme dargelegt habe? Punkt 1: Wir unterstützen ausdrücklich die Bundesregierung, die an den Grundsätzen zur Entsorgungsvorsorge für Kernkraftwerke festhält. Sie dürfen nicht aufgegeben und auch nicht verwässert werden. Für uns kommt keine Änderung des Atomgesetzes in Frage. Wir teilen nicht die Auffassung des niedersächsischen Ministerpräsidenten, der meint, es sei nicht Aufgabe der politischen Generation der jetzt Verantwortlichen, für ein Endlager zu sorgen. Ich weiß nicht - vielleicht können Sie darauf eingehen, Frau Breuel -, was eine „politische Generation der jetzt Verantwortlichen" ist. Geht das um eine Legislaturperiode oder zwei? Jedenfalls teilen wir nicht die Auffassung, daß die Bereitstellung von Endlagern Zeit habe. Es muß jetzt mit Vorrang dafür Sorge getragen werden, daß Endlagerfähigkeit nachgewiesen werden kann. Zweiter Punkt: Der sogenannte parallele Ansatz zur Entsorgung muß weiter verfolgt werden. Auf der Grundlage der laufenden Untersuchungen soll dann auch über den Bau einer Demonstrationsanlage zur Behandlung abgebrannter Brennelemente ohne Wiederaufarbeitung entschieden werden. Dritter Punkt: Wir als Sozialdemokraten unterstützen für die 80er Jahre den Bau einer Demonstrationsanlage zur Wiederaufarbeitung entsprechend den Empfehlungen der Enquete-Kommission und entsprechend der Beschlußlage unserer Partei. Vierter Punkt: Angesichts der noch nicht beantworteten Frage, ob der Salzstock in Gorleben tatsächlich und in dem erforderlichen Umfang für die Endlagerung hochradioaktiven Abfalls geeignet ist, meinen wir, es müßten parallel Erkundungen verschiedener Standorte mit Salzstöcken und anderen geologischen Formationen vorgenommen werden. Die dafür in Frage kommenden Bundesländer werden aufgefordert, ihre Bereitschaft zu einem solchen Vorgehen zu erklären. Fünfter Punkt: „Der Innenausschuß fordert die Bundesregierung auf, die Möglichkeit der integrierten Entsorgung unter internationaler Kontrolle zu prüfen." Ich habe eben bewußt den Innenausschuß zitiert, weil all diese Schlußfolgerungen einvernehmlich im zuständigen Fachausschuß so beschlossen worden sind. Es ist eigentlich schade, Herr Kollege Laufs, daß durch Ihre Rede der Eindruck erweckt worden ist, als ob wir hier in der Sache, was LösungsvorSchäfer ({13}) schläge zur Entsorgung angeht, völlig auseinander wären. ({14}) Meine Damen und Herren, wir führen heute - damit komme ich zum Schluß - eine Debatte über radioaktive Abfälle, über Entsorgung. Wir können die Debatte nicht abteilungsweise führen, ohne den Bezug zu anderen Problemfeldern der Politik herzustellen. Wenn wir heute über Entsorgung reden, müssen wir zur Kenntnis nehmen, daß Entsorgung und die Lösung der damit zusammenhängenden Probleme, das Vorantreiben der Entsorgungsfrage ein wichtiger Bestandteil auch der Energiepolitik sind. Dazu zwei Bemerkungen. Die erste richtet sich an diejenigen Bürgerinnen und Bürger, die gegen jeden Zubau von Kernkraftwerken sind, was nicht die Position der Sozialdemokratie - Fraktion und Partei - ist. Selbst wenn nicht ein einziges neues Kernkraftwerk gebaut würde, müßten wir auf Grund der bereits geschaffenen Fakten die Lösung der Entsorgungsfrage vorantreiben. ({15}) Man kann nicht - das sage ich jetzt in aller Deutlichkeit - für eine sichere Entsorgung sein und dann dort, wo verantwortbar entsprechende Entsorgungsanlagen vor Ort geplant und notwendigerweise umgesetzt werden, generell dagegen sein. Unter den strengen Schutzvorkehrungen des Atomgesetzes muß - auch wenn kein neues Kernkraftwerk mehr gebaut wird - Entsorgung vorangetrieben werden. Zweitens empfehle ich Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, die Lektüre einer Rede des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Ernst Benda, die er am 26. November 1981 zum Thema „Verfassungsrechtliche Aspekte des Umweltschutzes" gehalten hat. Ich empfehle, ganz besonders das zu lesen, was er zum Problem von Umweltschutz und Technik und im Zusammenhang damit auch zur Entsorgung ausgeführt hat. Eines steht für mich fest: Jedes neue Kernkraftwerk, das in Bau und Betrieb gehen soll, muß durch das Nadelöhr der Entsorgung. Wir sind nicht bereit, an dem Grundsatz „Sichere Entsorgung hat Vorrang" Abstriche zu machen. ({16}) Angesichts der gegenwärtigen Entsorgungslage werden sich manche der Vorstellungen und Pläne, jedes Jahr ein bis zwei Kraftwerke zu bauen, nicht realisieren lassen. ({17}) Wir werden die Antwort auf die Große Anfrage in den zuständigen Fachausschüssen intensiv weiter beraten. Wir werden uns dazu wie immer, Herr Kollege Laufs, meine Herren von der Opposition, auch Sachverständiger bedienen. Wir hatten eine große Anhörung über die Frage der Eignung des Salzstokkes Gorleben, die hilfreich war. Mir ist dieser Tage - damit schließe ich - beim Studium der Schrift „Wehrfragen und Sozialdemokratie" aus dem Jahre 1928 von Karl Kautsky eine Passage zu Sachverständigen aufgefallen. Er spricht zwar von Offizieren, aber man kann dies auf Sachverständige generell übertragen. Ich will die Feststellungen von Karl Kautsky aus dem Jahre 1928 gleichsam an uns alle weitergeben. Karl Kautsky schreibt: Man muß die Sachverständigen benutzen, darf sich aber von ihnen nicht beherrschen lassen, muß ihnen kritisch gegenüberstehen, was allerdings erheischt, daß man sich mit den Fragen, die zur Lösung kommen, selbst vertraut macht oder aber - was oft leichter - daß man unter den Sachverständigen, über die man verfügt, die weitestblickenden und selbstlosesten auswählt, die am ehesten imstande sind, die Fachborniertheit durch allgemeines, umfassendes soziales und politisches Wissen zu überwinden, und die am ehesten sich von der Herrschaft persönlicher und beruflicher Interessen loszumachen vermögen. Ich wünsche uns bei der weiteren Behandlung der Antwort auf die Große Anfrage auch viel Freude mit dem Umgang mit Sachverständigen. Karl Kautsky ist dabei für uns in dieser Frage Maßstab unseres Vorgehens. - Herzlichen Dank. ({18})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Ich gebe dem Abgeordneten Wolfgramm das Wort.

Torsten Wolfgramm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002557, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Herr Kollege Dr. Laufs, Ihre Schuldzuweisung war nach meinem Eindruck ja wohl mehr eine lustlose Pflichtübung. Sie hatten Sie wohl auch so in Ihre schriftliche Rede eingebaut. ({0}) Ich meine, daß das Bemühen der Bundesregierung, die Entsorgungsprobleme Lösungen zuzuführen, in diesem ja quasi fortgeschriebenen Bericht deutlich wird. Es wird von uns anerkannt, und es wird von der FDP unterstützt. Ich meine, so leicht kann man es sich mit den Vorwürfen an die andere Adresse nicht machen. Ich stehe nicht an zu sagen, daß hier alle nach dem Sankt-Florians-Prinzip operieren. Der Hinweis auf das Verhalten der Regierung Albrecht ist hier vorhin vorgetragen worden. Ich will noch einmal feststellen, daß die Entsorgung im tatsächlichen Bereich nicht gelöst ist. Alles, was wir wissen, sind Studien, sind Erwartungen, sind aus diesen Studien gezogene Schlüsse. Aber es sind noch keine tatsächlichen, keine unmittelbaren technischen, großtechnischen Ergebnisse, ob wir das nun im integrierten Entsorgungsbereich mit der Wiederaufbereitungsanlage oder ob wir es ohne Wiederaufbereitungsanlage sehen. Wolfgramm ({1}) Übrigens, Herr Kollege Dr. Laufs, auch hier haben Sie sich zu sehr auf die CDU/CSU-regierten Länder gestützt. Ich darf daran erinnern, daß Hessen, das eine sozialliberale Koalition besitzt und sie auch nach dem 27. September fortführen will, ({2}) eine Wiederaufbereitungsanlage plant und bereits entsprechende Schritte einleitet. Es ist sowieso fraglich, ob Wiederaufbereitungsanlagen uns aus ökologischer Sicht nützlich und sinnvoll erscheinen. Auch da müssen wir mehr wissen, um sagen zu können: nicht nur die Rohstoffsicherung ist da ein wichtiger Punkt, und das auch nur im Zusammenhang mit dem Schnellen Brüter, wenn wir ihn überhaupt haben wollen. Wir haben damals hier im Bundestag gesagt, daß der Bundestag sich die Entscheidung über die Brütertechnik vorbehält, daß wir hier durch unser Votum oder durch unser Veto beschließen, ob die Brütertechnologie großtechnisch genutzt werden soll oder nicht. Ich halte daran fest, das ist eine entscheidende Position. Hier steht also nicht nur die Frage der Rohstoffsicherung an, sondern auch die Frage der ökologischen Verwendung und Verwertbarkeit. Damit müssen wir uns noch sehr sorgfältig und intensiv befassen. Endlager Gorleben! Die Bundesregierung sagt zu dem geplanten Endlager bei Gorleben in ihrer Antwort - ich zitiere -: Nach heutigem Kenntnisstand über die allgemeinen geologischen Verhältnisse im norddeutschen Raum und über die bisher bekannten individuellen Eigenschaften des Salzstocks Gorleben kann erwartet werden, daß seine Eignung für die Endlagerung von radioaktiven Abfällen durch die fortschreitende Erkundung bestätigt werden kann. Das ist aber auch noch keine Aussage, auf der man fest fußen kann. Wir wissen, daß nur die bergmännische Erschließung von Gorleben schließlich und endlich und j a erst in einiger Zeit uns hierüber Aufschluß geben kann. Dazu ein Wort über die Genehmigung weiterer Kernkraftwerke. Der Kollege Burkhard Hirsch hat sich in der letzten Debatte zur Kernenergie damit beschäftigt und darauf hingewiesen, daß von den 17 genehmigungsfähigen Anlagen acht nicht ausgenutzt werden. Trotzdem verstärkt sich laufend der Druck, eine tatsächliche Entsorgung zu schaffen. Wir gehen alle davon aus, daß das technisch machbar sein würde. Wir gehen davon aus, daß das technisch beherrschbar sein wird. Ich will da ein Beispiel aus dem Gebiet der Differentialgleichungen nennen: die berühmte Geschichte des Wettlaufs zwischen Achill und der Schildkröte. Wir sind in der Entsorgungsaffäre anscheinend die Schildkröte, und der Druck der Mengen gleicht vielleicht ein wenig dem schnelleren Achill. Nach der Differentialgleichung - ({3}) - Ich komme ja darauf, Herr Kollege Riesenhuber. - Nach der Differentialgleichung wird Achill die Schildkröte nie einholen. Das ist die Vorstellung, die wir dabei haben. ({4}) Aber es ist die Frage, ob sich in der Zukunft diese Differentialgleichung mit ihren Grundgesetzen immer wiederfindet. Sie arbeitet j a, wie wir wissen, abschnittsweise. Nun, das werden wir sehen. In diesem Zusammenhang möchte ich etwas zu dem Hearing über die Möglichkeiten der Lagerung von radioaktiven Abfällen - im speziellen Fall auch in Salzstöcken - sagen. Ich meine, es wäre nützlich gewesen, die Ergebnisse dieses Hearings mit in die Fortschreibung einzuarbeiten. Es gab da eine ganze Menge von nützlichen Anregungen und Hinweisen. Ich möchte die Bundesregierung doch bitten, dies bei einer Fortschreibung auf der Basis von 1977 unter Zugrundelegung der jetzigen Zwischenfortschreibung mit zu berücksichtigen. Das Hearing hat ja erst 1980 stattgefunden, und eine Menge dieser Informationen ist für uns noch verwendbar. Übrigens muß sich das Plenum dabei den Vorhalt machen lassen, daß wir den 77er Entsorgungsbericht hier im Plenum j a nicht behandelt haben. ({5}) - Ja, sicher. Aber das ist auch unsere Schuld. ({6}) Die Antwort der Regierung auf die angeschnittene Frage nach der Meeresversenkung befriedigt mich nicht. Wir haben das Problem, daß bei Tritium, Radium und Krypton 85 diese Möglichkeit bestehen könnte. Die Bundesregierung sagt unter Ziffer 7 eigentlich sehr undeutlich - ich möchte das zitieren -: Obwohl die Meeresversenkung nach den der Bundesregierung zugegangenen Mitteilungen insoweit als ungefährlich bezeichnet werden kann, geht das Ratifizierungsgesetz zum Londoner Übereinkommen vom Grundsatz der Subsidiarität aus; Priorität hat daher die Lagerung der radioaktiven Abfälle an Land. Ich meine, da muß man tiefer gehen und etwas mehr tun; man muß die Forschungsbereiche intensiv fördern, genau wie im Granit-Bereich. Die Abfallmengen, die uns bevorstehen, sind nicht ganz klein. Wenn wir nur 20 000 MW 1985 als wahrscheinliche Größe annehmen, haben wir bis etwa zum Ende der 80er Jahre 10 000 t an abgebrannten Brennelementen vor uns, und dann sind die Prüfungen sozusagen gerade entscheidungsreif. Vielleicht darf ich dem Bundestag auch noch andere Zahlen nennen, weil es ja auch auf schwach und mittelradioaktive Substanzen ankommt. Da wird berechnet: Bis zum 31. Dezember 1980 sind 146 000 Fässer mit je 2001 Inhalt schwach radioaktiven Abfalls und 13 600 Fässer mit 400 1 Inhalt mittelradioaktiven Abfalls angefallen, wobei im Augenblick der Hauptteil natürlicherweise aus dem ForWolfgramm ({7}) schungszentrum kommt; etwa ein Drittel kommt aus den Kernkraftwerken. Der Anteil steigt in der Vorausschau entsprechend den angenommenen MW-Zahlen, und zwar im Jahre 2000 auf 225 000 bis 405 000 Fässer mit schwach radioaktivem Abfall und 70 000 bis 100 000 Fässer mit mittelradioaktivem Abfall. Das sind natürlich schon Zahlen, die, allein was ihr Volumen betrifft, ganz eindrucksvoll sind. Dann, wenn wir uns jetzt noch vorstellen, daß - in welcher Form auch immer und durch was auch immer ausgelöst - La Hague den Vertrag beendet und die Aufarbeitung dadurch nicht mehr möglich ist, kommen wir in sehr kurze Zeiträume und Zeitabstände hinein. Das Verwaltungsgericht Darmstadt hat ja gesagt, daß die Kompaktlagerung in Kernkraftwerken nicht über zwei Jahre hinaus betrieben werden darf. Nun gut, es liegt beim Oberverwaltungsgericht Kassel eine Revision vor, aber das ist noch nicht entschieden. Hier gibt es eine rechtliche Unsicherheit, Herr Kollege Dr. Laufs. Das wollte ich noch einmal klarrücken. Das kann nicht zu einer besonderen Beruhigung der Bürger beitragen. Ich begrüße, daß die Bundesregierung in dem Bericht über die Entsorgungslage der Kernkraftwerke vom 1. Oktober 1981 sagt: Für diesen Fall greift der Grundsatz des Entsorgungskonzepts, daß die sichere Gewährleistung der Entsorgung der Kernkraftwerke eine der unabdingbaren Voraussetzungen für die weitere Nutzung und für den weiteren begrenzten Ausbau der Kernenergie bildet, ein. Das heißt natürlich mit anderen Worten - jedenfalls unterstelle ich das, Herr Bundesinnenminister -, daß in dem Fall dann restriktiv keine weiteren Genehmigungen erteilt werden können. Das ist eine wichtige Position, die die FDP unterstreicht. Das Verpackungsproblem der Brennelemente will ich hier nur kurz streifen. Es soll dort zwei Alternativen geben, die wahrscheinlich bis 1984 in technischem Maßstab gelöst sein sollen. Wir werden das sehen. Ich möchte noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, daß die Mengen zu konventionellen Sicherheitsproblemen führen, und zwar Sicherheitsproblemen, die nicht im Bereich der unmittelbaren Atomtechnik liegen, sondern z. B. im Transport und in der Bewachung. Dadurch, daß es sich um radioaktive Abfälle handelt, wird es kritisch. Ich will nicht verhehlen, daß sich das Landesministerium in Niedersachsen mit der Bereitschaft, die Zeche Konrad und Asse II zur Verfügung zu stellen, in dieser Hinsicht positiv verhalten hat. Herr Kollege Dr. Laufs, im Blick auf die Zeitverzögerung wiederhole ich hier noch einmal ganz deutlich, daß wir die Haltung der Landesregierung in Niedersachsen, Parallelbohrungen abzulehnen, nicht verstehen. Es ist da übrigens von „politischem Schwachsinn" im Zusammenhang mit unserer Forderung gesprochen worden. Sie kennen den Beschluß des Bundestages vom 10. Dezember 1981, in dem darauf noch einmal Bezug genommen wird. Es wird von der Landesregierung vorgetragen, gleichzeitige Bohrungen würden in der Bevölkerung Unruhe aufkommen lassen. Ich kann nur sagen: Was bedeutet das gegenüber der Unruhe, wenn wir nachher im Jahre 1990 feststellen, daß Gorleben vielleicht nicht geeignet ist. Dann beginnen wir mit einem neuen Salzstock oder einer ähnlichen geologischen Situation und fangen die ganzen Prüfungen von vorne an. ({8}) Ich will den Vorwurf der Leichtfertigkeit hier gegenüber der niedersächsischen Landesregierung erheben. Man stützt sich auf die Vorstellung: Gorleben muß einfach geeignet sein; denn was soll sonst geschehen? Das ist im Sinne einer sorgfältigen Prüfung, die wir ja erwarten, und auch der Möglichkeit, daß diese Prüfung bei der bergmännischen Erschließung negativ ausläuft, eine ungeheure Hypothek und Belastung. Was geschehen soll, wenn es nicht geeignet ist, kann sich jeder ausmalen. Acht Jahre Zeitverlust wären auf Grund des technischen Know-how und auf Grund der technischen Entwicklung in diesem Bereich aufzuholen, Frau Minister Breuel, wenn man sich jetzt entschließen würde, solche Parallelbohrungen zu beginnen. Ich meine, wenn man in dieser Frage Verantwortung zeigen will - und das müssen wir alle tun -, kann man nicht auf die nächste Generation der Verantwortlichen verweisen, wie es der niedersächsische Ministerpräsident Albrecht getan hat. Dann muß man jetzt handeln, und dann muß man sorgfältig und mit Umsicht handeln. Und das können wir auch von der Landesregierung Niedersachsen erwarten. ({9}) Ein weiteres Problem ist die Entsorgung über die Grenzen hinaus. Ich meine jetzt speziell den Schacht Morsleben, in dem die DDR schwach radioaktive Abfälle - so die Information - lagern wird. Es gibt bei uns Besorgnisse, daß die mögliche Grundwasserführung, die in den Westen, in die Bundesrepublik geht - es sind ja Probebrunnen gebohrt worden - zu Beeinträchtigungen führt. Ich wiederhole meine Bitte an die Regierung der DDR, es uns zu ermöglichen, durch eine Besichtigung durch Fachleute die Eignung dieses Endlagers Morsleben zu prüfen. Wir sind gern unsererseits zur Betrachtung und Prüfung in Gorleben bereit. Wir müssen uns alle von der Vorstellung freimachen, daß auch die Entsorgungsfrage eine nationale Frage ist und an den Grenzen aufhört; wir müssen uns zu der Vorstellung überwinden, daß die Probleme, die mit der Entsorgung zusammenhängen, eine Zusammenarbeit, zumindest eine gegenseitige Information bedingen. ({10})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Riesenhuber?

Torsten Wolfgramm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002557, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Aber gern, Herr Kollege.

Prof. Dr. Dr. Heinz Riesenhuber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001849, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, ich will Ihren Gedankengang nicht unterbrechen, möchte aber mit einem Satz auf die Dringlichkeit der Prüfung paralleler geeigneter Lagerstätten zurückkommen, die Sie vorhin angesprochen haben, und Sie fragen, ob Sie die Feststellung der Bundesregierung in deren Antwort auf die Große Anfrage für falsch halten. Dort stellt die Bundesregierung fest, daß eine 50jährige Zwischenlagerung solcher Abfälle die heutige Planung in Belgien und Italien vorsieht, daß eine langfristige Zwischenlagerung als unbedenklich anzusehen ist, daß also insofern das Problem einer gesicherten Endlagerung uneingeschränkt besteht, daß wir aber nicht, wie Sie es hier angedeutet haben, unter einem Zeitdruck stehen.

Torsten Wolfgramm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002557, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege, ich teile in diesem Fall nicht die Meinung der Bundesregierung. Ich zitiere hier, was sie selber gesagt hat - vielleicht ist das etwas kürzer und eindeutiger -: Das bisherige Standorterkundungsergebnis ergibt noch keine Notwendigkeit, aus diesem Grund mit Alternativbohrungen zu beginnen. Ich nehme an, daß es vielleicht bei internen Vereinbarungen zwischen der Bundesregierung und der Landesregierung hier schließlich zu dieser Position gekommen ist. Ich teile es für meine Fraktion nicht, weil ich meine, daß wir jetzt noch die Möglichkeit haben, Alternativbohrungen durchzuführen. Ich habe ausgeführt, Herr Kollege, für wie wichtig ich das halte. ({0}) Die Frage der Brütertechnologie wird den Bundestag noch ausführlich beschäftigen, wenn wir den Schlußbericht der Enquete-Kommission vorliegen haben. Der Bundestag darf sich die Debatte und den Beschluß nicht nehmen lassen und darf auch nicht durch eine entsprechende Entwicklung in diesem Bereich in seinem Handlungsspielraum vorher eingegrenzt werden. ({1}) Wir alle müssen diese wichtige Frage auf Grund des dann vorliegenden Berichts sorgfältig prüfen und sie dann entscheiden können. Die FDP bittet den Bundesinnenminister, diesen Bericht von 1977 jetzt mit dem Zwischenbericht umfassend fortzuschreiben. Ich gehe davon aus, daß der Innenausschuß ihn so rechtzeitig vorgelegt bekommt, daß er ihn rechtzeitig beraten kann, damit er dem Plenum rechtzeitig vorgelegt werden kann, dem Plenum, das hier nicht so ganz eindrucksvoll versammelt ist. ({2}) - Oh, wenn Sie das umrechnen, Herr Kollege, sind wir mit einem erheblich größeren Prozentsatz als die Opposition vertreten. ({3}) Die FDP will die Sicherheit vor ungesichertem Zubau. Sie will die Option, ob Brütertechnologie ja oder nein, vom Bundestag entschieden wissen und bis dahin keine Festlegung durch geschaffene Fakten. ({4}) Die FDP unterstützt die Entsorgungspolitik der Regierung, speziell des Bundesinnenministers und des Bundesforschungsministers. - Vielen Dank. ({5})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Das Wort hat nun der Minister für Wirtschaft und Verkehr des Landes Niedersachsen, Frau Breuel. Minister Frau Breuel ({0}): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch bei wohlwollender Prüfung der Antwort der Bundesregierung kommt man erneut zum Ergebnis, daß die Entsorgungssituation in der Bundesrepublik schwierig ist. Wenn man die Ausführungen von Herrn Schäfer und Herrn Wolfgramm einbezieht, möchte ich eher sagen, daß sie kritisch ist. Fünfeinhalb Jahre nach Inkrafttreten der Vierten Novelle zum Atomgesetz, die den Bund verpflichtet hat - ich zitiere jetzt wörtlich -, „Anlagen zur Sicherstellung und zur Endlagerung radioaktiver Abfälle einzurichten", verfügt der Bund weder über eine solche aufnahmebereite Anlage noch liegt für eines der als Endlager in Aussicht genommenen Bergwerke ein bearbeitungsreifer Planfeststellungsantrag vor. Herr Schäfer, auch wenn es richtig ist, daß die Bundesregierung über kein Territorium verfügt, so verfügt sie mindestens über Schreibkräfte, die, wenn sie es politisch wollte, die Anträge aufschreiben könnten. ({1}) In Gorleben laufen die Vorarbeiten für die bergmännische Erkundung. Für die ehemalige Zeche Konrad sind die Eignungsuntersuchungen des Bundes nicht abgeschlossen, und für die Asse, in der wir schon einmal nach der damaligen Rechtslage eingelagert haben, liegen keine abschließenden Anträge vor. Als Folge davon mußten die Länder ihre Landessammelstellen für die Zwischenlagerung der in ihren Gebieten anfallenden leichtradioaktiven Abfälle erweitern, und viele mußten inzwischen auch neue einrichten. Weil es keine freien Kapazitäten eines Bundesendlagers gibt, besteht die akute Gefahr, daß die Länder zunehmend mit der Lagerung überlastet werden, für die der Bund zuständig ist. Das ist nur deshalb so, weil der Bund entgegen seiner RechtsMinister Frau Breuel ({2}) pflicht bisher kein Endlager zur Verfügung gestellt hat. ({3}) Insoweit finde ich es überraschend, obwohl Sie, Herr Baum, dies schon öfter gesagt haben, daß in der Antwort wieder steht, die Bundesregierung habe alle erforderlichen Schritte unternommen. Herr Wolfgramm, dieses halte ich eher als alles andere, was heute morgen hier praktiziert wurde, für eine lustlose Pflichtübung. ({4}) Da immer der Versuch gemacht wird, manchmal in höflicher, manchmal in weniger charmanter Form, die Verantwortung den Länder, speziell Niedersachsen, anzulasten, möchte ich nochmals eindeutig klarstellen, daß es nach der Rechtslage, nach § 9 a Abs. 3 des Atomgesetzes, allein - die Betonung liegt auf dem Wort „allein" - Aufgabe des Bundes ist, Endlager einzurichten. ({5}) Ich möchte hinzufügen - Herr Ehmke, Sie sind ein Jurist, und deshalb werden Sie es verstehen, wie ich annehme -, daß die Länderbehörden in den Genehmigungsverfahren der Rechts- und Zwecksmäßigkeitsaufsicht des Bundes unterliegen, da das Atomrecht als Auftragsangelegenheit von den Ländern durchzuführen ist. Andererseits - dies sage ich genauso deutlich - kann keiner verkennen, was auch für uns gilt, daß die Länder einen erheblichen Teil der politischen Last, die aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie erwächst, mitzutragen haben. Wir haben in Niedersachsen seit langer Zeit eine engagierte Kernenergiepolitik betrieben. Der Anteil der Kernenergie am gesamten Stromaufkommen ist bei uns augenblicklich mit ca. 36 % zweieinhalbmal so groß wie im Bundesdurchschnitt. ({6}) Dieser Anteil wird durch Grohnde und Lingen noch erheblich anwachsen. ({7}) - Da werden Sie neidisch, Herr Hirsch; das verstehe ich ja. ({8}) Denn wir werden den Standortvorteil, den Nordrhein-Westfalen heute noch auf Grund der Braunkohle hat, durch unsere Kernenergiepolitik natürlich ausgleichen, so daß wir mit der Zeit besser werden. ({9}) - Ich komme gleich zum Endlager. Ich lasse es mir nicht entgehen, Herr Schäfer, darauf zu antworten. ({10}) Angesichts dieser Grundeinstellung sind wir natürlich auch an den Entsorgungsproblemen interessiert und wollen unseren Beitrag zur Lösung dieser Probleme leisten. Es gibt drei Endlagerprojekte des Bundes, und alle drei liegen in Niedersachsen - um einmal deutlich zu machen, wie die Lastenverteilung vorgenommen worden ist. ({11}) - Herr Ehmke, in der Bundesrepublik gibt es noch mehr Salzstöcke. Ich weiß nicht, ob Sie die Salzstöcke alle kennen. Ich empfehle Ihnen sehr, sich einmal Hessen anzuschauen. Ich fange bei Gorleben an. ({12}) Am 22. Februar 1977 hat die niedersächsische Landesregierung den Standort Gorleben für das damals geplante nukleare Entsorgungszentrum benannt. Wir sind in die Prüfung eingetreten, die ihren Höhepunkt in dem Symposium unter der Federführung von Professor Weizsäcker gefunden hat. ({13}) - von Weizsäcker, wenn Sie darauf so großen Wert legen. Ich weiß nicht, ob das eine politische Bedeutung hat. Seit der Regierungserklärung von Ministerpräsident Dr. Albrecht im Mai 1979 wurde daraufhin - dann auch im Einvernehmen mit der Bundesregierung - nur das Endlagerprojekt weiterverfolgt. Das haben sich die Regierungschefs dann auch in ihrer Vereinbarung zwischen Bund und Ländern zu eigen gemacht. In der Zwischenzeit ist das hydrogeologische Bohrprogramm des Bundes bis auf wenige ergänzende Bohrungen zum Abschluß gekommen. Die Arbeiten zur Erkundung des Salzstockes gehen zügig voran. Die Bundesregierung als Herr des Verfahrens erklärt ja in der Antwort auf die Große Anfrage selbst, daß das bisherige Ergebnis der Standorterkundung noch - sie sagt „noch"; ich will das betonen - keine Notwendigkeit ergebe, mit Altenativbohrungen an anderen Standorten zu beginnen. Wenn, Herr Wolfgramm, die Bundesregierung jetzt zu anderen Ergebnissen kommt, möge sie entsprechende Anträge stellen. Wir sind nicht Antragsteller. Gebohrt wird dort, wo nach den Anträgen des Bundes gebohrt werden soll. Diese Anträge müssen genehmigt werden. Wir wollen doch einmal deutlich machen, wer die Verantwortung trägt. ({14})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Frau Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wolfgramm? Minister Frau Breuel ({0}): Bitte sehr.

Torsten Wolfgramm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002557, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Minister Dr. Breuel Minister Frau Breuel ({0}): Ohne Doktor. Ich bin nur Hausfrau, Herr Wolfgramm. ({1})

Torsten Wolfgramm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002557, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Das kann sich alles noch entwickeln. Ich hoffe jedenfalls, Sie versagen sich den wissenschaftlichen Entwicklungen nicht ganz. Frau Kollegin, bestätigen Sie die Meldung des „Senders Freies Berlin" vom 10. Oktober 1981, in der es heißt: Der niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht hat es abgelehnt, parallel zu der Untersuchung des Salzstocks Gorleben auf seine Eignung als Endlager weitere Salzstöcke mit dem gleichen Ziel überprüfen zu lassen. Dann hat er auf die nächste Generation von Verantwortlichen in dieser Sache verwiesen. Das ist j a, glaube ich, nicht mehr allein die Position der Bundesregierung. Vielmehr hat er wohl eine Festlegung getroffen, vielleicht die eines Landesministeriums wiedergegeben. Das wäre auch noch zu bestätigen. Minister Frau Breuel ({0}): Herr Wolfgramm, der niedersächsische Ministerpräsident ist so populär und auf so vielen Sendern, daß ich nicht alle seine Sendungen kenne. Insofern bitte ich um Verzeihung, wenn ich auf Ihre Frage konkret nicht antworten kann. ({1}) Ansonsten will ich darauf hinweisen, daß in dem Gespräch, das mein Kollege Schnipkoweit und ich im November 1981 mit den Ministern Baum und von Bülow geführt haben, der erste Hinweis der Bundesregierung gekommen ist, den wir zur Kenntnis genommen haben. ({2}) In der letzten Zeit sind allerdings einige Zweifel an dem Willen der Bundesregierung zur zügigen Fortsetzung der Erkundung des Salzstockes in Gorleben aufgekommen. ({3}) Auf den einen Punkt hat Herr Dr. Laufs bereits hingewiesen, nämlich auf die vom Bund vorgenommene Kürzung von Haushaltsmitteln für die Erkundungsarbeiten. ({4}) Dies hat natürlich in der Bevölkerung eine erhebliche Betroffenheit und Diskussionen ausgelöst. Ein zweiter Punkt. Auch über die genehmigungsrechtliche Behandlung der Erkundungsschächte für das geplante Endlagerbergwerk scheint es neuerdings wieder eine gewisse Unklarheit zu geben. Nach Auffassung der niedersächsischen Landesregierung hat die geplante Abteufung der Untersuchungsschächte im Salzstock nur die Durchführung eines bergrechtlichen Verfahrens zur Voraussetzung. Der Staatssekretär von Herrn Baum, Herr Hartkopf, hat mir im Sommer 1981 schriftlich bestätigt, daß er unsere Auffassung teilt. Er hat darauf hingewiesen, daß dieses mit allen beteiligten Bundesressorts abgestimmt sei, die alle unserer Auffassung seien. Inzwischen allerdings hält der Bundesminister des Innern selber eine erneute Prüfung für erforderlich. Meine Frage nach dem abschließenden Ergebnis der neuerlichen Untersuchungen, weil es natürlich gegenwärtig einen Zustand der Rechtsunsicherheit gibt, ist bisher nicht beantwortet worden. ({5}) Ich komme nunmehr zu den Fragen im Zusammenhang mit den schwach- und mittelradioaktiven Abfällen. Hierzu muß ich mit Bedauern nochmals erklären, daß es hierfür bisher kein Konzept der Bundesregierung gibt. Zu einem solchen Konzept gehört nach unserer Auffassung, daß auch sämtliche außerhalb Niedersachsens liegenden Salzstöcke und Bergwerke in die Bewertung einbezogen werden. Dabei füge ich hinzu, daß man sehr wohl prüfen muß, wie man welche Lastenverteilung verantworten kann. Auch andere Gesteinsformationen müssen untersucht werden. Das Prüfungsergebnis muß mit konkreten Zahlen dem Konzept zugrunde gelegt werden. Die Bundesregierung hat dankenswerterweise bei dem Gespräch im September 1981 eine schriftliche Äußerung zugesagt. Diese ist bis Februar 1982 bei uns nicht eingetroffen. Erst in dieser Woche, fast ein halbes Jahr später, ist zu den ersten Arbeitsgesprächen eingeladen worden, die damals vereinbart worden sind. Daraus kann ich nur schließen: Die Bundesregierung scheint keine besondere Eile in diesen Fragen zu haben. ({6}) Die Novelle des Atomgesetzes aus dem Jahre 1976, auf die ich bereits hingewiesen habe, hat eine Regelung eingeführt - damit komme ich speziell zur Asse -, derzufolge jede Endlagerung radioaktiver Stoffe, auch wenn sie gleichzeitig Versuchszwecken dient, der Planfeststellung nach § 9 b des Atomgesetzes bedarf. Diese Rechtslage hat die Bundesregierung damals zu unserem Bedauern erst Jahre nach der Verabschiedung akzeptiert. Dadurch haben wir bereits damals wertvolle Zeit verloren, die uns heute fehlt. ({7}) Die Rechtslage bedeutet nämlich, daß die Asse nach Auslaufen der vor 1976 erteilten Genehmigungen - sprich: Ende 1978 - für eine weitere Endlagerung der Planfeststellung unterworfen werden mußte. Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß uns noch keine prüfungsreifen Antragsunterlagen von der Bundesregierung vorgelegt worden sind. Wir haben einen großen Aktenordner von Korrespondenzen, wonach wir seit diesem Zeitpunkt die BundesreMinister Frau Breuel ({8}) gierung auf die Problematik dieser Fragen hinweisen. Wir haben die Briefe den anderen Ländern immer zur Verfügung gestellt. Hier ist die Verantwortung eindeutig. Wir haben in der Zwischenzeit der Bundesregierung angeboten, eine rückholbare Zwischenlagerung durchzuführen und dies auch politisch mitzuverantworten. Nach einem Votum der Reaktorsicherheitskommission mußte dies leider aus technischen Gründen unterbleiben. Die Bundesregierung hat daraufhin ihren Antrag zurückgezogen. Ich sage noch einmal: Wir haben in diesen Jahren alles unternommen, um keine Zeit zu verschwenden. Man muß immer wieder feststellen, daß die Uneinigkeit und sicher auch die von Herrn Laufs angesprochene Verzettelung von Kompetenzen zwischen den Ressorts zu Problemen geführt haben. Dabei füge ich allerdings hinzu, daß seit dem Ministergespräch im November für uns einiges etwas deutlicher geworden ist. Immerhin waren wir uns in einem Punkt, was die Asse betrifft, völlig einig: daß die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten im Hinblick auf Gorleben Vorrang haben sollen. Ich komme dann zur Grube Konrad. Seit 1975 wird diese Grube vom Bund auf ihre Eignung für ein Endlager untersucht. Die Untersuchungen sind weit vorangeschritten, aber, soweit wir wissen, noch nicht abgeschlossen. Nun hat die Bundesregierung in ihrer Antwort darauf hingewiesen, daß Niedersachsen hier zunächst keine positive Haltung bezüglich der Zulassung der Grube Konrad gezeigt hat. Auch Sie, Herr Baum, wissen, daß dieses Gespräch auf dem Höhepunkt der Gorleben-Debatte geführt worden ist, als wir über Belastungen sprachen, nämlich darüber, was man zu einem Zeitpunkt alles gleichzeitig verkraften kann. Es ist auch insofern unzutreffend und unerheblich, als eine Entscheidung über die etwaige Eignung des Bergwerks sowieso erst getroffen werden kann, wenn ein Planfeststellungsverfahren eingeleitet bzw. abgeschlossen ist. Erst im Ministergespräch ist deutlich geworden, daß der Bund nun ein solches Verfahren einleiten will. Daraufhin, meine Damen und Herren, haben wir bereits am 11. September zum Ausdruck gebracht, daß wir einer Nutzung von Konrad als Endlager im Falle seiner Eignung im Prinzip nicht negativ gegenüberstehen. Voraussetzung sind natürlich ein Gesamtkonzept des Bundes für die Endlagerung und schließlich ein Planfeststellungsbeschluß. Ich komme dann zur Frage der Wiederaufarbeitung, die hier einige, ich möchte fast sagen, leidenschaftliche Äußerungen hervorgerufen hat. Die Landesregierung hat nie die Notwendigkeit und die Bedeutung von Wiederaufarbeitungsanlagen verkannt, weil sie eben aus energiepolitischen Überlegungen von großer Bedeutung sind. Wir haben mehrfach darauf hingewiesen, daß auch Niedersachsen nach wie vor als Standort für eine Wiederaufarbeitungsanlage in Betracht kommt. Dies, Herr Schäfer, wissen Sie ganz genau: Die Erklärung von Herrn Albrecht vor dem Landtag im Mai 1979, wo er von einer Generation gesprochen hat, hat geheißen: Wir wollen dies nicht jetzt, nicht im Jahr 1979. Alles andere ist deutlich offengeblieben. Ich möchte mir erlauben, Herr Schäfer, vor dem Hintergrund der Diskussion der Enquetekommission zum Schnellen Brüter den Hinweis zu geben: Wer im Glashaus sitzt, sollte lieber nicht mit Steinen werfen. ({9})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Frau Minister, Herr Abgeordneter Schäfer möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen. Sind Sie damit einverstanden? Minister Frau Breuel ({0}): Gern.

Harald B. Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001931, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich frage Sie nach der zeitlichen Vorstellung. Wie ist die Generation der politisch Nächstverantwortlichen zu messen? 5 Jahre, 10 Jahre, 20 Jahre? Minister Frau Breuel ({0}): Herr Schäfer, was die Situation in Bonn betrifft, so können wir bestenfalls nach Tagen und Monaten gehen. Aber das ist natürlich eine völlig andere Frage. Ich will deutlich darauf hinweisen, daß Niedersachsen nach der Entscheidung, die im Mai 1979 verkündet worden ist, und nach der daraufhin zwischen den Regierungschefs getroffenen Vereinbarung immer betont hat: Wir sind uns jeder Zeit bewußt, daß auf Niedersachsen eine Wiederaufarbeitungsanlage zukommen kann. Dies ist völlig deutlich und klar, und ich wäre dankbar, wenn Sie das entsprechend zur Kenntnis nähmen. ({1}) Meine Damen und Herren, wir haben mit unserer Erklärung vom Mai 1979 der Bundesregierung empfohlen, das Projekt eines integrierten Entsorgungszentrums mit einer großen Wiederaufarbeitungsanlage in der von der Bundesregierung bis dahin kompromißlos geforderten unbedingten Form zunächst nicht weiter zu verfolgen und statt dessen das neue Entsorgungskonzept zu entwickeln, das die Zwischenlagerung, das Vorantreiben der F- und E-Arbeiten für die Endlagerung, die Erkundung des Salzstocks bei Gorleben und die zweckmäßige Form der Behandlung und Endlagerung radioaktiver Abfälle umfaßt. Die Bundesregierung hat in einer auch im Mai 1979 bekanntgegebenen Stellungnahme dem Standpunkt der Landesregierung Rechnung getragen. In der Folge haben sich die Regierungschefs des Bundes und der Länder im September 1979 über Grundsätze zur Entsorgung von Kernkraftwerken geeinigt. Sie kennen diesen sogenannten Doppelauftrag. Ich will allerdings noch eines hinzufügen. Wir haben uns damals bei dieser sehr schwierigen Entscheidung verpflichtet gefühlt - vielleicht würde manch einer nicht so polemisch darüber reden und hier ironisch vorlesen, wir hätten Angst gehabt, auf unsere Bevölkerung schießen zu müssen, und ähnliches mehr, wenn er auch einmal vor einer solchen Minister Frau Breuel ({2}) verantwortungsvollen Entscheidung gestanden hätte, meine Damen und Herren -, ({3}) die Bundesregierung darauf aufmerksam zu machen, daß die politischen Voraussetzungen für die Errichtung einer Wiederaufarbeitungsanlage in Gorleben - zur Zeit wenigstens - nicht gegeben sind. Sie alle wissen, daß die niedersächsischen Sozialdemokraten damals nicht bereit waren, das Konzept der Bundesregierung mitzutragen. ({4}) Sie alle wissen, meine Damen und Herren, daß auch der Bundeskanzler, die Bundesregierung, uns damals in unserer Auseinandersetzung mit den niedersächsischen Sozialdemokraten vor Ort völlig allein gelassen hat, weil sie nicht den Mut hatte, in dieser Frage anzutreten. ({5}) Ich gebe ja zu, meine Damen und Herren: Das hat vor drei Jahren noch großes Erstaunen hervorgerufen. Inzwischen haben wir uns auf fast allen Feldern der Politik daran gewöhnt, daß zwischen der Bundesregierung und Landes-, Bezirks- und Kreisverbänden bei der SPD solche Meinungsverschiedenheiten bestehen. ({6}) Damals, meine Damen und Herren, war das noch etwas Aufregendes. Nur, auch das hätte uns nicht davon abgehalten, das Konzept der Bundesregierung zu verwirklichen. Entscheidend für uns war noch ein anderer Punkt - dazu hat Herr Albrecht folgendes ausgeführt -: Obwohl es gesetzlich möglich wäre - und dies aus gutem Grund; ich betone das: aus gutem Grund -, hält die Landesregierung es nicht für richtig, eine Wiederaufarbeitungsanlage zu bauen, solange es nicht gelungen ist, breite Schichten der Bevölkerung von der Notwendigkeit und sicherheitstechnischen Vertretbarkeit der Anlage zu überzeugen. Uns ging es also darum, ein Projekt nicht gegen den Willen der betroffenen Bevölkerung durchzusetzen, das, meine Damen und Herren, zur Lösung der Entsorgungsfrage nicht unerläßlich war, sondern, wie sich inzwischen bestätigt hat, sehr wohl Alternativen hat. Für uns war also nicht nur die Sicherheit der Bevölkerung, sondern auch das Vertrauen der Mehrheit der Bevölkerung in diese Sicherheit ein wichtiges Argument. ({7}) - Herr Ehmke, wir haben der Regierungserklärung Ihres Bundeskanzlers im Oktober 1980 sehr interessiert gelauscht. Er hat gesagt - ich habe jetzt kein wörtliches Zitat -: Es ist ein großer Fehler, den wir nicht begehen werden, der Bevölkerung neue Technologien unvorbereitet überzustülpen. - Von uns aber wollten Sie das damals haben, während Sie selber sich natürlich nicht trauen, das zu tun. Dagegen haben wir uns gewehrt. ({8})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Frau Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Professor Ehmke?

Dr. Horst Ehmke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000440, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Frage war eine andere, gnädige Frau. Wäre es, wenn Sie die Bedingungen so schildern, wie ich sie auch sehe, nicht gut, daß Sie dann den ideologischen Streit um die Kernenergie mit dem dummen Schlagwort „Kernenergie ohne Wenn und Aber", das wir von Ihnen, von Ihrer Partei dauernd hören, aufgeben würden, wenn Sie selbst zugeben, wie viele Wenn und Aber es hier gibt? ({0})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Herr Abgeordneter Ehmke, würden Sie bitte die Antwort am Mikrophon entgegennehmen? Minister Frau Breuel ({0}): Herr Ehmke, ich würde von Ihnen gern einmal ein präziseres Zitat bekommen. Ich habe noch nie einen CDU-Abgeordneten gehört, der gesagt hat: Kernenergie ohne Wenn und Aber. ({1}) Wir haben immer gesagt, meine Damen und Herren: Sicherheit hat Vorrang, auch bei der Kernenergie. Das ist ein Wenn und ein Aber in allen Entscheidungen, die wir zu treffen haben. ({2}) Ich will aber zur Beruhigung der Sozialdemokraten hinzufügen, meine Damen und Herren, daß es bei den Sozialdemokraten in Niedersachsen, jedenfalls bei vielen Sozialdemokraten, inzwischen eine vorsichtige Kehrtwendung in dieser Frage gibt. Ich würde gern noch ein paar Worte zum Zwischenlager sagen; dies ist heute hier auch sehr oft angesprochen worden. Wir haben uns im Jahre 1979 bereit erklärt, durch die Errichtung eines Zwischenlagers dazu beizutragen, daß der Entsorgungsnachweis für den Betrieb von Kraftwerken weiterhin erbracht werden kann. Diese Bereitschaft des Landes, ein Zwischenlager aufzunehmen, ist ja in gar keiner Weise selbstverständlich. Für Endlager gibt es geologische Voraussetzungen, die die Standortwahl auf einige Gebiete beschränken. Zwischenlager, meine Damen und Herren, können jedoch überall errichtet werden, weil sie oberirdisch angelegt werden und unabhängig von geologischen Voraussetzungen sind. Das will heißen, auch andere Bundesländer könnten Zwischenlager errichten. Und in der Minister Frau Breuel ({3}) Tat schien es auch so, Herr Wolfgramm, daß Nordrhein-Westfalen längere Zeit dazu bereit war, wobei Sie dies ausdrücklich begrüßt haben. Bei uns haben Sie es nur zur Kenntnis genommen. Aber da ist man manchmal vielleicht ein bißchen blind. In der Tat schien es so. Nur hat die Landesregierung Nordrhein-Westfalen dann ihre Entscheidung an Bedingungen geknüpft, die bisher nach ihrer eigenen Auffassung nicht erfüllt sind. Deshalb kann ich heute nicht die Frage beantworten, ob die Landesregierung Nordrhein-Westfalen wirklich bereit ist, ein Zwischenlager zu bauen, oder ob sie nur darüber redet. Ich bedaure dies. Aber dies ist so. ({4}) Bei uns sind die Vorarbeiten für ein Zwischenlager unverzüglich aufgenommen worden. Nachdem wir in Anerkennung der Bedeutung dieses Projekts für die Entsorgung der Kernkraftwerke einen Standort im Rahmen des Landesraumprogrammes festgelegt haben, konnten die Anträge der DWK bearbeitet und eine erste Genehmigung erteilt werden. Sie ist übrigens inzwischen vom Oberverwaltungsgericht in Lüneburg bestätigt worden, was wir für eine wichtige, allgemein weiterführende Entscheidung halten. Bei planmäßigem Fortgang der Errichtungsarbeiten könnte noch im Jahre 1983 mit der Fertigstellung und Inbetriebnahme gerechnet werden. Die Inbetriebnahme ist jedoch maßgeblich durch die Bundesanstalten, die mit der Prüfung der Trockenbehälterlagerung befaßt sind, bestimmt. Lassen Sie mich abschließend noch einmal kurz zusammenfassen, meine Damen und Herren, welche Leistung nur ein Land für die Entsorgung der Bundesrepublik erbringt. Erstens. Das Bundesprojekt Endlager Gorleben wird, was unseren Anteil betrifft, zügig, zügiger, als man das jemals erwarten konnte, vorangetrieben. Zweitens. In der Schachtanlage Asse lagern bereits annähernd 125 000 Fässer schwach- und mittelaktiver Abfälle. Noch allerdings fehlt der umfassende Planfeststellungsantrag des Bundes zur etwaigen weiteren Nutzung dieses ehemaligen Salzbergwerkes. Drittens. Die ehemalige Eisenerzgrube „Konrad" bei Salzgitter könnte auf ihre Eignung als Endlager geprüft werden, sobald der Bund seine wissenschaftlichen Untersuchungen abgeschlossen hat und - dies füge ich allerdings auch hinzu, Herr Kollege Baum - wenn er endlich ein Gesamtkonzept für die Entsorgung leicht- und mittelaktiver Abfälle vorlegte. ({5}) Viertens. Die Arbeiten an dem für die Entsorgung der Kernkraftwerke dringendst erforderlichen Zwischenlager werden von unseren Behörden mit Nachdruck betrieben. Wir sind nach unserer Auffassung das einzige Bundesland, das sich hier entschieden, entschlossen, ohne politische Vorbedingungen zur Errichtung eines solchen Zwischenlagers bereit erklärt hat. ({6}) Fünftens. Bei uns wird die Kernenergie einen wachsenden Anteil an der Primärenergieversorgung bei der Stromerzeugung durch Ausbau weiterer Kernkraftwerke erhalten. Auf Grohnde und Lingen hatte ich bereits hingewiesen. Damit - und dies möchte ich gern abschließend sagen -, meine Damen und Herren, hat das Land Niedersachsen im Interesse der Bundesrepublik Deutschland Beiträge erbracht, die größer sind als die aller anderen Bundesländer. ({7}) - Da wird viel Geld hingegeben. Das ist doch auch schon etwas. Und wir brauchen sie. - Das hat mit der Kernenergie aber wirklich nichts zu tun, will ich Ihnen mal ehrlich sagen. ({8}) - Dazu möchte ich keine Äußerungen machen, meine Damen und Herren. Ich will vielmehr versuchen, jetzt meinen Schlußsatz zu sagen. Die Landesregierung erwartet, daß nun auch die Bundesregierung - und ich meine, am 11. September hätten wir erste Fortschritte gemeinsam erarbeitet - auf allen Ebenen die Entsorgungsfrage so zügig vorantreibt, wie es wegen ihrer großen energiepolitischen, aber auch wirtschaftspolitischen Bedeutung geboten ist. ({9})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Ich erteile das Wort dem Herrn Bundesminister des Innern.

Gerhart Rudolf Baum (Minister:in)

Politiker ID: 11000111

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wollte Ihnen keineswegs die Möglichkeit nehmen, der Kollegin hier Ihren Respekt darzubringen. Ich bin eigentlich von Ihnen enttäuscht, Frau Kollegin, ({0}) denn Sie haben sich in eine vordergründige Polemik begeben. ({1}) Ich nehme Ihnen und der niedersächsischen Landesregierung - damit hier kein Zweifel besteht - die Entscheidung von 1979 nicht übel. Aber bitte, Frau Kollegin, dann dürfen Sie nicht mit dieser Selbstgerechtigkeit auf andere zeigen, die sich auch überlegen, ob die Bevölkerung zustimmt oder nicht. ({2}) Ich bin mir sehr wohl bewußt, Frau Kollegin, daß Ihr Land in Fragen der Entsorgung eine schwere Last trägt, ({3}) eine größere als alle anderen Bundesländer. Ich erkenne das an. Aber warum flüchten Sie sich in Vorwürfe gegenüber der Bundesregierung? Ich werde Ihnen jetzt aufzählen, was Sie alles nicht gemacht haben. Warum flüchten Sie sich in Vorwürfe gegenüber der Bundesregierung, die z. B. erst im September des letzten Jahres von Ihnen erfahren hat, daß Sie in der Grube Konrad möglicherweise Abfall lagern wollen? Das haben Sie uns vorher nämlich nicht gesagt, Frau Kollegin. Deshalb konnten wir auch kein Endlagerkonzept erstellen. ({4}) Sie haben Ihre Zustimmung nicht gegeben. Sie haben wahrscheinlich Rücksicht auf Ihre Bevölkerung genommen - das erkenne ich ja durchaus an -, aber dann lassen Sie doch bitte die Vorwürfe gegen uns! Im März 1982 haben wir vereinbart, soll der Abschlußbericht für die Grube Konrad vorliegen; der Forschungsbericht soll also im März 1982 vorliegen. ({5}) - Das haben wir vereinbart, weil ja vorher, Herr Kollege Franke, Niedersachsen gar nicht bereit war, grünes Licht für Konrad zu geben. Bitte berücksichtigen Sie das. - Wir haben vereinbart, daß Mitte 1982 der Planfeststellungsantrag gestellt werden soll. Warum reden Sie denn hier von Schreibkräften, die der Bundesregierung jetzt den Antrag schreiben könnten? Wir haben das doch vereinbart. ({6}) - Nein, den Schreibautomaten wollen wir hier herauslassen. - Frau Kollegin, ich meine, daß wir in dem Gespräch im letzten September mit dem Herrn Kollegen Bülow und mit dem Herrn Kollegen Schnipkoweit einen Schritt zur gemeinsamen Lösung der Probleme getan haben. Ich kann wirklich nur fragen: Warum verfallen Sie hier in diese einseitige Polemik? In der niedersächsischen Landtagswahl wird Ihnen das so oder so, meine ich, nichts bringen. Was Sie da haben, das haben Sie, und was Sie nicht haben, das haben Sie nicht. Im übrigen haben Sie sich sehr geschickt zu dem geäußert, was der Herr Kollege Ehmke hier gesagt hat. Aber wir müssen hier natürlich noch einmal die ganze Wahrheit sichtbar machen. Der Bundeskanzler hat gesagt: Die Bundesregierung lehnt es ab, einen Ausbau der Kernenergie „ohne Wenn und Aber" zu betreiben. ({7}) - Sehr gut! ({8}) Kernenergie darf dem Bürger nicht übergestülpt werden. ({9}) Dem stimmen Sie ja auch zu. Damit widersprechen Sie keinem CDU-Abgeordneten - insofern haben sie völlig recht -, Sie widersprechen aber Ihrem Kanzlerkandidaten Strauß. Der hat das nämlich vor der Wahl gesagt, und dem widerspricht hier der Bundeskanzler. ({10}) Herr Kollege Laufs, jetzt muß ich mich Ihnen zuwenden. Ich frage mich mit einiger Verzweiflung: Ist es denn in diesem Parlament nicht möglich, Fragen zwischen Bund und Ländern von gemeinsamem Interesse, in denen Bund und Länder nur gemeinsam handeln können, in ruhiger Sachlichkeit abzuhandeln? Das gilt für das Ausländerproblem, das wir in der letzten Woche hier behandelt haben. Mein Gott, hier hat doch jeder seine Aufgabe zu erfüllen, hier hat doch jeder sein Päckchen zu tragen! Das ist doch hier schon angeklungen. ({11}) Das gilt ebenso für die Kommunaldebatte, die wir in der vorigen Woche geführt haben. - Natürlich müssen wir unsere Aufgabe erfüllen, aber wir erfüllen sie doch auch. ({12}) Wir brauchen doch zur Erfüllung dieser Aufgabe die Kooperation aller Beteiligten. ({13}) - Die große Wende brauchen wir auf diesem Gebiete nicht, meine Kollegen. ({14}) Wir brauchen sie auf diesem Gebiete sicher nicht. ({15}) Noch ein anderer Punkt, Frau Breuel: Sie haben sich auf den Schacht in Gorleben bezogen und gesagt, die Bundesregierung verzögere das Projekt Gorleben. Ich gehe dorthin - Bohrloch 1010 -, ich spreche mit den Bürgerinitiativen, ich spreche mit dem BGS, versuche, im Rathaus von Lüchow-Dannenberg mit aufgeregten Leuten zu reden, um eine größere Akzeptanz zu bewirken, um also nicht alles auf die Polizei und den Grenzschutz abzuwälzen - Herr Laufs, kommen Sie nächstens einmal mit, wenn wir das in Lüchow-Dannenberg tun -, ({16}) und jetzt sagen Sie, Frau Breuel, wir würden das Projekt Gorleben verzögern. Natürlich haben wir in der Frage, welches Verfahren für den Schacht gelten soll, noch einmal eine Überprüfung vorgenommen. Sie haben gesagt: bergrechtlich! Herr Hartkopf hat Ihnen das auch geschrieben. Es gibt aber zwei Gutachten. Ein Gutachten - es ist erst später vorgelegt worden - hat sich gegen das bergrechtliche Verfahren ausgesprochen. Es war doch unsere Pflicht, erst einmal festzustellen: Was ist denn hier rechtlich eigentlich los? Wollen wir uns denn in Gorleben in ein Gerichtsverfahren ziehen lassen, das dann eine sehr viel längere Verzögerung zur Folge hat als die Prüfung jetzt? Die Prüfung ist abgeschlossen. Ich habe Ihnen das jetzt mitgeteilt. Wir können auf das atomrechtliche Verfahren, auf das Planfeststellungsverfahren in diesem Stadium verzichten. Ich trage das mit. Wir beschränken uns jetzt auf das bergrechtliche Verfahren. Ich habe aber Argumente zusammengetragen, um uns vor einem zeitraubenden Rechtsstreit zu schützen. Das müssen Sie mir doch noch zugestehen. Ich tue das doch im Interesse der Sache Gorleben und nicht, um Sie zu ärgern oder um das Projekt Gorleben zu verzögern. Meine Damen und Herren, meine Rede ist ganz sachlich. Ich mußte jetzt aber zunächst einmal auf einiges erwidern. ({17}) - Ich möchte es so sagen: Meine Rede war sehr ruhig, ohne Angriffe gegen irgend jemanden geplant. Ich muß aber noch einmal deutlich sagen: Der Bund kommt seinen gesetzlichen Verpflichtungen nach. Der Bund hat dafür zu sorgen, daß Anlagen zur Sicherstellung radioaktiver Abfälle eingerichtet werden. Wenn Sie, Frau Kollegin Breuel, hier immer wieder fragen - das klingt ja so wunderbar -, wo denn das Endlagerkonzept sei, so muß ich Sie - darüber haben wir ja auch gesprochen - auf folgendes hinweisen: Ich kann nicht mehr tun, als die Bundesländer zu bitten und mit Ihnen darüber zu reden - ich tue das bei jeder sich bietenden Gelegenheit -, nun auch etwas im Hinblick auf Endlagerstätten in Granit oder wo auch immer zu tun. Ich habe bisher von keinem einzigen Bundesland eine positive Antwort bekommen. Ich habe kein Territorium. Ich bemühe mich aber um die Lösung der Probleme. Das müssen Sie anerkennen. Ich erkenne an, daß Niedersachsen hier etwas tut. Wenn Sie wollen, sage ich das bei jeder passenden Gelegenheit. Frau Kollegin, Sie sollten aber so fair sein, auch das anzuerkennen, was der Bund tut. Hier wird schließlich nicht der niedersächsische Landtagswahlkampf geführt. ({18}) Für die Entsorgung gibt es eine gemeinsame Grundlage in Bund und Ländern, nämlich den Beschluß der Regierungschefs vom 28. September 1979. Dort sind die einzelnen Schritte festgelegt. Das ist hier schon gesagt worden. Die Verantwortung liegt nicht allein bei der Bundesregierung. Sie liegt auch nicht allein bei der Bundesregierung und den Ländern. Sie liegt vielmehr auch bei der Industrie. Schließlich gibt es das Verursacherprinzip. Es wird ja so getan, als würde die Kernenergie in staatlicher Verantwortung, sozusagen verstaatlicht betrieben. Nach dem Verursacherprinzip gibt es aber zunächst einmal auch die Verantwortung der Industrie. Daran muß ich doch auch einmal erinnern. ({19}) Hier in diesem Lande sind Kernkraftwerke gebaut worden, ohne daß sich einer der Industriemanager überhaupt um die Entsorgung gekümmert hätte. Erst wir haben das dann eingeführt. ({20}) - Der Staat setzt die Bedingungen für Umweltschutz, und wir haben sie dann auch gesetzt. Es wird aber wohl erlaubt sein, hier auch an die Verantwortung der Industrie zu erinnern. Ich habe ja gar nicht gesagt, daß die Industrie ihre Verantwortung jetzt nicht wahrnehme. ({21})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Riesenhuber?

Gerhart Rudolf Baum (Minister:in)

Politiker ID: 11000111

Ja, gerne.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Bitte, Herr Abgeordneter Riesenhuber.

Prof. Dr. Dr. Heinz Riesenhuber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001849, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, könnten Sie mir bitte erläutern, wo die Industrie in dem Zusammenhang, den Sie vortragen, gegen bestehende Gesetze verstoßen hat?

Gerhart Rudolf Baum (Minister:in)

Politiker ID: 11000111

Die Industrie hat nicht gegen bestehende Gesetze verstoßen, sondern sie hat sich eine ganze Zeitlang um die Entsorgung überhaupt keine Gedanken gemacht. ({0}) Das ist meine Feststellung. Das liegt lange zurück. Das haben wir dann geändert. 1977 gab es Entsorgungsrichtlinien, die sind 1979 - nach der spektakulären Entscheidung in Niedersachsen - überarbeitet worden. Erst dann, nachdem bereits eine ganze Reihe von Kernkraftwerken in Betrieb waren, ist wirklich eine Entsorgungsvorsorge getroffen worden. So war es.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Herr Minister, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Riesenhuber?

Prof. Dr. Dr. Heinz Riesenhuber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001849, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sind Sie nicht der Ansicht, Herr Minister, daß es dann Aufgabe des Staates gewesen wäre, vor der Ankündigung durch einen Beamten Ihres Hauses im Jahre 1976 die entsprechenden Rahmenbedingungen für die Entsorgungsvorsorge staatlicherseits so zu setzen, daß die Industrie sich darauf einstellt, bevor eine Mehrzahl von Kraftwerken betrieben wird? Es kommt mir darauf an, saubere Verantwortlichkeiten zu schaffen. Es ist nicht hilfreich, wenn in einer solchen schwierigen Situation Verantwortungen hin- und hergeschoben werden, so daß im Grunde niemand mehr verantwortlich ist.

Gerhart Rudolf Baum (Minister:in)

Politiker ID: 11000111

Ein CDU-Abgeordneter, der hier nach dem Staat ruft, ist eine Seltenheit, muß ich sagen. ({0}) Ich habe immer etwas davon gehalten, daß die Leute selber auf ihre Verpflichtungen kommen. Das ist mir wirklich ein neues Erlebnis. Die Länder haben Verantwortungen; das ist hier schon deutlich geworden. Sie haben z. B. Landessammelstellen für die Zwischenlagerung einzurichten. Dieses System kann nur funktionieren, wenn alle Beteiligten zu der Erreichung des gemeinsamen Zieles beitragen, Bund, Länder, Industrie. Ich werte es als eine ausdrücklich positive Unterstützung des Bundes durch die Länder bei der Erfüllung seiner Verpflichtung, daß sich verschiedene Bundesländer bereit erklärt haben, Anlagen der Entsorgung - im weitesten Sinne gemeint - errichten zu lassen. Herr Laufs, das sind doch nicht nur die CDU/CSU-geführten Länder. Wie kommen Sie eigentlich dazu, so etwas zu sagen? Sie wissen doch ganz genau, daß Nordrhein-Westfalen in Ahaus eine ernstzunehmende Anstrengung unternimmt. Wie kommt denn Frau Breuel dazu, die ernstzunehmenden Anstrengungen von Nordrhein-Westfalen hier in Zweifel zu ziehen? Wo haben Sie denn die Fakten dafür? ({1}) Was ist denn mit Hessen? Hessen ist eingesprungen, nachdem Herr Albrecht in dieser Entscheidung, die hier schon mehrfach genannt worden ist, 1979 auf das integrierte Zentrum verzichtet hat. Ich habe Verständnis dafür. Aber warum kritisieren Sie jetzt Hessen, das einen Teil dieser Last auf sich nimmt? ({2}) Es war ein Verfahren zur Einrichtung einer Wiederaufbereitungsanlage in Niedersachsen im Gange. Dieses Verfahren ist im Sande verebbt. Die Wiederaufarbeitungstechnologie mußte abstrakt behandelt werden - im Bundesinnenministerium und im Forschungsministerium -, weil Niedersachsen den einzigen bestehenden, laufenden Antrag nicht weiter verfolgt hat. Ich kritisiere ja gar nicht, aber ich bitte, daß Sie um der Fairneß willen die anderen, die sich dann bemüht haben, diese Lücke zu füllen, nicht kritisieren. Dazu gehört Hessen. ({3}) Wir haben also Wiederaufarbeitungsbemühungen in Hessen, aber auch in Bayern; das muß anerkannt werden. Es gibt Zwischenlagervorbereitungen in Niedersachsen und in Nordrhein-Westfalen, und es gibt die Endlagerproblematik in Niedersachsen, die hier schon angesprochen worden ist. Hier sind also Fortschritte gemacht worden. Ich möchte den Ländern dafür ausdrücklich danken. Ich möchte aber darauf hinweisen, daß auch der Bund die Länder bei allen Problemlagen unterstützt hat, die sich im Ablauf des Genehmigungsverfahrens bei solchen Anlagen ergeben haben. Das war nicht nur bei den spektakulären Fällen wie in Brokdorf und Gorleben der Fall. Wir haben uns um die Kooperation bemüht. Ausdruck dieser Gemeinsamkeit zwischen Bund und Ländern ist der Beschluß der Regierungschefs vom 28. September 1979. Alle Regierungen haben sich damit der gemeinsamen Verantwortung von Bund und Ländern auf diesem Gebiet gestellt. Wir werden und müssen alles tun - da stimme ich den Vorrednern zu, die das gesagt haben; wir sind verantwortlich -, um rechtzeitig dafür zu sorgen, daß der nukleare Abfall sicher verbracht, sicher gelagert werden kann. Diese Verantwortung können wir nicht auf spätere Generationen abschieben. Ich glaube, darüber besteht hier Einigkeit, obwohl ich sagen muß, Herr Kollege Laufs: In Ihren Worten heute früh klang wieder ein kleiner Zweifel durch, ob wir denn bei der Entsorgungskopplung nicht möglicherweise zu weit gegangen seien. Ich habe das sehr genau gehört. Sie haben diese Zweifel heute noch einmal zum Ausdruck gebracht. Sie haben sich ungefähr so ausgedrückt: wir hätten das zur Schlüsselfrage gemacht, wir hätten hier hektisch gehandelt. - Ich stelle Ihnen noch einmal unsere Position dar: Ohne Entsorgungsfortschritte, wie sie von Bund und Ländern festgelegt worden sind, gibt es auch keine Fortschritte bei der Kernenergie. Wir haben diese Kopplung gewollt und wir werden an dieser Kopplung festhalten! ({4}) Bereits damals, nämlich 1977, war das gültige Entsorgungskonzept vorgezeichnet. Es hat dann eine Revision erfahren müssen; das war ein sehr schwieriges Verfahren, dem wir alle uns nach der Entscheidung, die der niedersächsische Ministerpräsident getroffen hat, 1979 gestellt haben. Nun sind hier Zweifel in der Frage laut geworden, wie es denn mit dieser Entsorgungsvorsorge praktisch stehe. Hier muß man noch einmal deutlich sagen, daß Entsorgungsvorsorge so, wie sie in den Richtlinien steht, ja nicht bedeutet, daß Anlagen heute schon fertiggestellt sein müßten. Es sind vielmehr einzelne Schritte vorgezeichnet; wir haben uns eine Meßlatte gelegt. Ich bitte darum, uns an dieser Meßlatte zu messen und nicht an anderen Erwartungen, es sei denn, man wollte diese gemeinsamen Richtlinien von Bund und Ländern ändern. Ich halte mich an diese Richtlinien, und ich sage Ihnen: Ich halte mich an diese Richtlinien strikt. Ich habe mich daran - um hier eine aktuelle Problematik einzuführen - auch gehalten, als ich jetzt vor der Entscheidung stand, drei Kernkraftwerkprojekte, nämlich Isar II, Biblis C und Emsland, zu beurteilen. Die Reaktorsicherheitskommission hat zu diesen im Konzept gleichartig ausgerichteten Anlagen die letzte für die Prüfung erforderliche Empfehlung am 16. Dezember des letzten Jahres gegeben. Das Bundesinnenministerium hat alle atomrechtlichen und sicherheitstechnischen Voraussetzungen im Rahmen der uns obliegenden gesetzlichen und politischen Verantwortung geprüft. Auf der Grundlage dieser Prüfung ist festgestellt worden, daß aus der Sicht der Reaktorsicherheit und des Strahlenschutzes gegen Standort und Konzept dieser drei Anlagen keine Bedenken bestehen. Ich werde also die Unbedenklichkeitserklärungen den zuständigen Landesbehörden nunmehr zugehen lassen. Was die Entsorgung dieser neuen Anlagen angeht, gilt folgendes. Den Antragstellern dieser Vorhaben obliegt es - dies kommt auch in meiner Stellungnahme zum Ausdruck -, gegenüber der Genehmigungsbehörde spätestens vor Erteilung der ersten Teilbetriebsgenehmigung folgenden Nachweis zu erbringen: Ab Inbetriebnahme der Kernkraftwerke muß für einen Betriebszeitraum von sechs Jahren im voraus der sichere Verbleib der bestrahlten Brennelemente sichergestellt sein. Der Nachweis kann z. B. erbracht werden durch Verbringung der bestrahlten Brennelemente in zugelassene Einrichtungen der Betreiber oder durch Wiederaufarbeitung im Ausland. Dabei muß sichergestellt sein, daß eine Verpflichtung zur Rücknahme der radioaktiven Abfälle erst dann entsteht, wenn die sichere Behandlung und Beseitigung im Inland gewährleistet ist. Die Nachweise sind während der Betriebsdauer der Anlagen fortzuschreiben. Wenn diese Anlagen also etwa Ende dieses Jahrzehnts in Betrieb gehen, muß bis in die Mitte der 90er Jahre hinein ihre Entsorgungsvorsorge nachgewiesen sein. Das heißt, ich habe die gemeinsamen Richtlinien auf diese drei Projekte übertragen, und dies findet sich jetzt in dem Bescheid wieder, den ich den drei betroffenen Ländern geben werde. Das Entsorgungskonzept, das der gemeinsamen Entsorgungsvorsorge von Bund und Ländern zugrunde liegt, ist nach unserer Ansicht tauglich. Das von Bund und Ländern gemeinsam getragene Konzept kann die Entsorgung langfristig gewährleisten. Im Bericht der Bundesregierung über die internationale Bewertung des Kernbrennstoffkreislaufs - INFCE - an den Deutschen Bundestag vom 30. Januar 1980 heißt es ausdrücklich, daß „die nationale und internationale Kernenergiepolitik der Bundesregierung in den Bereichen, die Gegenstand der INFCE-Untersuchungen waren, bestätigt worden ist". Dies gilt vor allem für das integrierte Entsorgungskonzept, also Zwischenlagerung, Endlagerung in Salzformationen und die industrielle Wiederaufarbeitung von Reststoffen. Im übrigen, meine Kollegen, muß ich noch eine Bemerkung zu den Entsorgungsgegnern machen. Die gibt es j a nicht nur auf der Seite der Wirtschaft. Dort gab es sie jedenfalls. Es gab einige, die Zweifel hatten, ob wir eine solche Entsorgungskoppelung überhaupt vornehmen sollten. Es gab auch in Ihrer Fraktion diese Zweifel. Sie sind heute noch einmal angeklungen. Ich finde es außerordentlich merkwürdig, daß Menschen in unserem Lande, die sich in der Sorge um den Umweltschutz und in der Sorge um die Lasten, die nachfolgende Generationen möglicherweise übernehmen müssen, damals mit uns gemeinsam angestrengt haben, diese Entsorgungskoppelung durchzuführen, jetzt alles nur Erdenkliche tun, um die Verwirklichung des Entsorgungskonzeptes kaputtzumachen. Das ist eine ganz unglaubwürdige Position; das muß ich Ihnen sagen. ({5}) Ich sehe diese Entsorgungskoppelung als eine wichtige Komponente auch unter Umweltschutzgesichtspunkten an. Das heißt, wenn wir überhaupt kein Kernkraftwerk mehr genehmigen würden, auch dann müßten wir diese Entsorgungsvorsorge treffen. Das muß man sich vor Augen halten. ({6}) Es gibt natürlich Risiken und Gefahren für dieses Konzept. Ich kann Ihnen heute nicht sagen, ob es wirklich in all diesen Schritten so verwirklicht werden kann. Deshalb habe ich auch in den Entsorgungsbericht folgendes hineingeschrieben - manchen ist das zu wenig; Herr Kollege Schäfer, ich denke an Ihre öffentlichen Stellungnahmen: Trotz der Geschlossenheit des Entsorgungskonzeptes der Regierungschefs und seiner Realisierbarkeit in dem vorgesehenen Zeitraum kann bei den verschiedenen Einzelvorhaben grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden, daß Ereignisse und Entwicklungen eintreten, die zu kürzer- oder längerfristigen Schwierigkeiten führen können. Für diesen Fall greift der Grundsatz des Entsorgungskonzeptes, daß die sichere Gewährleistung der Entsorgung eine der unabdingbaren Voraussetzungen für die weitere Nutzung und für den weiteren begrenzten Ausbau der Kernenergie bleiben. Die Bundesregierung wird nicht zögern, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, damit die Entsorgungsvorsorge gesichert bleibt. Das heißt, ich habe hier angekündigt, daß ich in bezug auf die Entsorgungskoppelung die Konsequenzen ziehen werde, falls etwas nicht so, wie geplant, verwirklicht werden wird. Ich kann Ihnen ebenso wenig wie Sie mir garantieren, daß jeder Schritt im vorgesehenen Zeitraum abläuft. Bisher ist aber zu einer negativen Feststellung - ich komme gleich auf das Endlager Gorleben - noch kein Anlaß. Die schwach- und mittelaktiven Abfälle sind hier schon behandelt worden. Wir streben also an, daß noch vor Ende der 80er Jahre, Frau Kollegin Breuel, wenigstens eine der beiden Anlagen, Konrad oder Asse, verfügbar ist. Sie kennen die Entwicklung von Asse. Auch hier ist zu Vorwürfen überhaupt kein Anlaß. Wir haben das Planfeststellungsverfahren für Asse im August 1979 eingeleitet. Warum also hier diese Polemik? Es gab allerdings bei der niedersächsischen Bergbehörde Bedenken. Diesen Bedenken haben sich RSK und PTB angeschlossen. Es waren Bedenken wegen der gleichzeitigen Lagerung und der Forschungsvorhaben, die dort geschehen sollten. Wir brauchen aber diese Forschung, meine Kollegen, um Gorleben verwirklichen zu können. Das heißt, wenn Niedersachsen jetzt sagt „Keine Forschung mehr", werden wir, wenn die Forschung im Frühjahr 1983 abgeschlossen ist, die notwendigen Schritte unternehmen. Frau Kollegin, Sie haben gesagt: „Nicht Forschung und Lagerung gleichzeitig". Wir haben uns darauf eingestellt. Jetzt läuft ein Verfahren ab, das wir gemeinsam vereinbart haben. Ich sehe für Polemik wirklich keinerlei Anlaß. Die Bundesregierung setzt ihre Bemühung zur Untersuchung der Endlagerung - z. B. in Granit - und zur Eignung von Salzstöcken in verschiedenen Gebieten der Bundesrepublik fort. Ich stimme Ihnen zu, daß Sie ein Anrecht darauf haben, auch in anderen Bundesländern festgestellt zu wissen, ob dort Formationen für die Endlagerung vorhanden sind. Für die schwach- und mittelaktiven Abfälle muß das doch zumindest einmal geprüft werden, damit Niedersachsen nicht alleine gelassen wird. Das habe ich immer gesagt. Dabei haben Sie meine volle Unterstützung. Es gibt hervorragende Granitformationen im Schwarzwald und im Bayerischen Wald, ist mir gesagt worden. Das muß man einmal untersuchen. Ich bin überzeugt, daß sowohl Baden-Württemberg wie Bayern die Last dann auch auf sich nehmen würden. Nur können wir nicht dort, wo es keine Gesteinsformationen gibt, solche künstlich herstellen, um der politischen Zusammensetzung der Landesregierung entsprechen zu können. ({7}) - Man kann natürlich der Meinung sein, wir haben die falschen Landesregierungen. Da werden wir uns nie oder nur sehr selten einigen. Die hochradioaktiven Abfälle entstammen der Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente aus Kernkraftwerken. In der Bundesrepublik befinden sich zur Zeit etwa 47 m3 dieser hochaktiven Abfälle. Die andern lagern bei der COGEMA in La Hague; das wissen Sie. Die Option der Rücknahme kann frühestens zum 1. Januar 1990 ausgeübt werden, so daß eine Verbringung der Abfälle aus La Hague in das Bundesgebiet in transport- und endlagerfähiger Form frühestens in den 90er Jahren erfolgen kann. Die vorbereitenden Arbeiten zur Erkundung des Salzstocks Gorleben - jetzt komme ich auf die Frage, die hier eine große Rolle gespielt hat - gehen termingerecht voran. Natürlich hatten wir unsere Sorge mit den Bohrungen. Aber es ist j a dann nach dieser Kraftprobe weitergebohrt worden. Von manchen Seiten ist behauptet worden, schon die bisherigen Untersuchungen hätten die Nichteignung des Salzstocks nachgewiesen. Dies trifft nicht zu. Die Nichteignung ist nicht nachgewiesen. Gestützt auf die Bewertung durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt und die Bundesanstalt für Geowissenschaft und Rohstoffe konnten mein Kollege von Bülow und ich 1981 feststellen: Auf Grund der vorliegenden Berichte sind bisher keine Tatsachen bekannt, die begründete Zweifel an der bisherigen Einschätzung des Salzstocks Gorleben rechtfertigen. Dies bedeutet, daß nach heutigem Kenntnisstand über die allgemeinen geologischen Verhältnisse im norddeutschen Raum und über die bisher bekannten individuellen Eigenschaften des Salzstocks Gorleben zu erwarten ist, daß seine Eignung durch die fortschreitende Erkundung nachgewiesen werden kann. Die Bundesregierung hat stets darauf hingewiesen, daß ein endgültiges Urteil erst auf Grund der bergmännischen Erkundung abgegeben werden kann. Nun ist die Frage, ob wir es uns leisten können, die endgültige bergmännische Erkundung abzuwarten. Und da sagt die Bundesregierung: Nein. Die Bundesregierung weiß, daß wir in diesem Jahr in Kürze zwei Schachtvorbohrungen in die Mitte des Salzstocks hinein vornehmen. Und, Frau Kollegin Breuel, wir behalten uns vor, unmittelbar nach Vorlage dieser Ergebnisse auf Sie zuzukommen und auf unseren alten Wunsch - möchte ich sagen - zurückzukommen. Denn wir haben diesen Wunsch ja am Anfang der ganzen Prozedur geäußert, nicht an einer einzigen Stelle, sondern an mehreren Stellen in Niedersachsen zu bohren. Wir behalten uns ausdrücklich vor, möglicherweise noch in diesem Jahr auf diesen Wunsch zurückzukommen. Denn wir wollen die bergmännische Erkundung nicht abwarten, wenn sich Zweifel an dem Projekt Gorleben ergeben. Sie werden dann einen Antrag bekommen. Sie haben ja heute gefragt: Wo ist der Antrag? Ich nehme Sie, wenn es dazu kommt, dann gern beim Wort. Ich will jetzt nichts im einzelnen über die Finanzierung sagen. Wir haben ja jetzt eine Kostennovelle durchgesetzt, so daß das Verursacherprinzip stärker zur Geltung kommt. Herr Kollege Wolfgramm, ich möchte auch nichts zur Meeresverschmutzung sagen. Das wird in den weiteren Beratungen eine Rolle spielen. Für Ihre Fragen habe ich Verständnis. Darauf müssen wir eingehen; ebenso auf das Problem Morsleben. Dazu werde ich Ihnen gern einige Mitteilungen machen. Wir haben eine Beschleunigung der Genehmigungsverfahren eingeleitet. Ich möchte nur sagen: Die Inbetriebnahme des Kraftwerks Grafenrheinfeld erfolgte am 9. Dezember 1981, achteinhalb Jahre nach der Antragstellung. Da werden manche sagen: Das ist aber sehr lang. Sicher. Wir bemühen uns, diesen Zeitraum zu verkürzen. Nur weise ich darauf hin: Es ist eine komplizierte Technologie, und es ist eine Sicherheitsfrage. In Amerika dauern die Genehmigungsverfahren durchschnittlich 14 Jahre. Herr Reagan versucht jetzt, das zu verringern. Das ist keine Entschuldigung. Wir haben uns auch nicht zu entschuldigen, sondern wir tun das, was wir für verantwortbar halten. Ich habe mich in diesem Zusammenhang nicht entschließen können, einer weiteren Verrechtlichung sicherheitstechnischer Anforderungen zuzustimmen, die Sie verlangt haben. Ich habe 1981 einer auch der Verfahrensbeschleunigung, vorrangig aber der Erhöhung der Rechtssicherheit dienenden Änderung der atomrechtlichen Verfahrensverordnung zugestimmt. Diese Verordnung liegt derzeit dem Bundesrat vor. Ich sehe in diesem Moment, Herr Laufs, keinen Anlaß für weitere gesetzgeberische Schritte. Abschlußbemerkungen: Die unverzichtbaren Elemente der Kernenergiepolitik der Bundesregierung sind: Sicherheit hat Vorrang vor wirtschaftlichen Erwägungen. Technische Sicherheit und RechtssicherBundesminister Baum heit bleiben ständiges Entwicklungs- und Planungsziel. Sicherheit muß auch durch die zügige Verwirklichung der Entsorgung gewährleistet werden. Hier werden wir offen berichten. Hier wird nichts verschwiegen. Und hier sollte alles regelmäßig auch in diesem Haus offen diskutiert werden. - Ich danke Ihnen. ({8})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Gerlach.

Paul Gerlach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000665, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bemerkungen des Bundesinnenministers veranlassen mich, noch einmal auf den Grund unserer Großen Anfrage zurückzukommen. Wir haben die Große Anfrage eingebracht, weil unsere Energieversorgung in den kommenden Jahrzehnten nicht auf den Beitrag der Kernenergie verzichten kann. Die dritte Fortschreibung des Energieprogramms der Bundesregierung bringt das deutlich zum Ausdruck. Ich möchte zwei Passagen zitieren: Ein größerer Anteil von kostengünstigem Strom aus Kernkraftwerken würde die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft stärken. Oder es heißt dort: Die Kerntechnologie mit der Beschäftigung hochqualifizierter Arbeitskräfte ist unverzichtbar für einen modernen Industriestaat, der mittel- und langfristig den international wettbewerbsmäßigen Standort seiner Wirtschaft halten will. „Unverzichtbar" heißt doch wohl: ohne Wenn und Aber. Es ist schade, daß der Herr Kollege Ehmke nicht mehr da ist. ({0}) Herr Bundesinnenminister, das ist die Aussage der Bundesregierung und nicht nur die Aussage des Franz Josef Strauß. Wir wollen das hier einmal ganz klarstellen. Damit bestätigt die Bundesregierung, daß die Grundlinie der Energiepolitik der CDU/CSU richtig, die der SPD hingegen falsch war. Das Programm orientiert sich jetzt nämlich am bedarfsgerechten Zubau der Kernenergie und nicht mehr an der Restenergiebedarfsdeckung. Der Beitrag der Kernenergie ist jedoch nur möglich, wenn, entsprechend den gesetzlichen Vorschriften, die Entsorgung geklärt ist. Die Bereitstellung endgültiger Lagerstätten für radioaktive Abfälle ist unabdingbare Voraussetzung für den weiteren Ausbau und die weitere Nutzung der Kernenergie in der Isotopenanwendung. Um so bedauerlicher ist es, daß, wie die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der. CDU/CSU-Fraktion aufzeigt, die Bundesregierung trotz aller Beteuerungen nur halbherzig tätig wurde und weit hinter den Erwartungen des Beschlusses der Regierungschefs von Bund und Ländern vom 28. September 1979 zur Entsorgung der Kraftwerke zurückgeblieben ist. Sie schafft es ganz einfach nicht, die dringenden Entsorgungsfragen mit dem notwendigen Nachdruck anzugehen. ({1}) Der ganze Wirrwarr wurde heute deutlich. Wolfgramm, Schäfer, Bundesinnenminister, das war ein Purzelspiel, mal so, mal so, mal hü, mal hott, mal pro, mal kontra. Das ist die Situation, das ist die Lage der Bundesregierung. ({2}) Der Endlagerung kommt dabei im Zuge der verschiedenen Maßnahmen der Entsorgung entscheidende Bedeutung zu. Wir registrieren hier noch immer das schwächste Glied in der Entsorgungskette. Wenn auf diesem Gebiet in den nächsten Jahren keine deutlichen Fortschritte erzielt werden, dann besteht - das muß deutlich gesagt werden - die große Gefahr, daß die Kernkraftwerke abgeschaltet werden müssen. In einer ganzen Reihe von Bundesländern würde damit ein wesentlicher Anteil der Stromerzeugung nicht mehr zur Verfügung stehen. Nach § 9 a Abs. 3 des Atomgesetzes hat der Bund Anlagen zur Sicherstellung und zur Endlagerung radioaktiver Abfälle einzurichten. Was soll der Vorwurf an meinen Kollegen Riesenhuber, die Wirtschaft wolle nun plötzlich vom Staat bestimmte Aufgaben erledigt bekommen? Das ist doch die Bedingung des Atomgesetzes. Herr Bundesinnenminister, das sollte man sich einmal wieder vergegenwärtigen. ({3}) Der Bund ist der verantwortliche Errichter und Betreuer von Endlagern für radioaktive Abfälle. ({4}) Was die Bundesregierung bisher getan oder, besser gesagt, nicht getan hat, zeugt nicht gerade von hohem Verantwortungsbewußtsein. Noch einmal: Beschönigungen nutzen da überhaupt nichts. Herr Kollege Schäfer, ich glaubte heute morgen meinen Ohren nicht zu trauen, als Sie relativ positiv zu der Sache gestanden haben. Ich höre noch Ihre früheren Äußerungen - ich kann sie wegen Zeitmangels nicht zitieren -, die Sie bei den Jusos gemacht haben und wahrscheinlich auch wieder machen werden. Da kann man nur noch sagen, daß das vielleicht ein Märchen, „Des Schäfers Wanderjahre", ist. Hoffen wir aber, daß es doch zu einem positiven Ergebnis kommt! Ich will damit nur auf folgendes hinweisen. Es ist einfach nicht angebracht, hier relativ positive Erklärungen abzugeben und draußen genau das Gegenteil zu sagen. ({5}) Wenn die Bundesregierung wegen innerhalb der Regierungsparteien vorhandener Widerstände den Beschluß der Regierungschefs nicht fristgerecht erfüllen kann und die dringenden Entsorgungsfragen weiter aufschieben will, so ist das ein erneuter Beweis ihrer Unfähigkeit, dieses Land zu regieren. Hinter dem Nebelvorhang von Zahlen und Scheinaktivitäten versucht die Bundesregierung, die Tatsa5160 Gerlach ({6}) che zu verschleiern, daß sie bei der Lösung des Problems der Endlagerung in den letzten Jahren keinerlei Fortschritt erreicht hat. Eher müssen wir heute von einem Rückschritt sprechen; denn vor fünf Jahren stand immerhin noch Asse II zur Verfügung, während wir heute überhaupt keine Möglichkeit mehr zur Endlagerung radioaktiver Abfälle haben. Beim Lesen der Antwort der Bundesregierung auf unsere Große Anfrage fühlt man sich an den Pantomimen Marcel Marceau erinnert, der auf der Bühne den Eindruck erweckt, unter größter Anstrengung voranzuschreiten, während er in Wirklichkeit an Ort und Stelle stehenbleibt. Das ist das Bild, das die Bundesregierung in dieser Frage heute bietet. ({7}) Natürlich ist die Mitwirkung der Länder bei der Beantwortung der Standortfrage, insbesondere auch hinsichtlich des Endlagers notwendig. Ich bin der Auffassung, daß auch in der Frage der Belastungen der einzelnen Länder ein gewisser Lastenausgleich herbeigeführt werden muß. Nur, die Skepsis der Bundesländer ist mehr als berechtigt. Es machen sich nämlich Spekulationen breit, daß sich der Bund klammheimlich aus der ihn treffenden Verpflichtung des § 9 a stehlen will. Die Untätigkeit der Bundesregierung darf nicht dazu führen, daß die in den Ländern vorhandenen und noch zu errichtenden Zwischenlager eines Tages als abschließende Entsorgungseinrichtungen behandelt werden. Solche Manipulationsversuche erschweren die Aktivitäten der Länder beträchtlich, während in der Zwischenzeit die die Bundesregierung tragenden Parteien die ideologischen Däumchen drehen. Wir begrüßen die Feststellung der Bundesregierung in ihrer Antwort, daß die Eignung des Salzstocks Gorleben für die Endlagerung von radioaktiven Abfällen bestätigt werden könne. Die Probleme und die Schwierigkeiten, die noch auftreten und die vom Bund bisher nicht gelöst worden sind, sind von der Frau Minister Breuel dargelegt worden. Mit Recht weist die Bundesregierung auch darauf hin, daß die Errichtung von Anlagen zur Sicherstellung und zur Endlagerung radioaktiver Abfälle nicht nur ein technisches, sondern auch ein politisches Problem, auch eine politische Aufgabe, ein politischer Auftrag - möchte ich sogar sagen - ist. Die politische Seite macht der Bundesregierung ganz offensichtlich noch mehr Schwierigkeiten als die technische. Da liegt nämlich der Hase begraben, und das, obwohl ja gerade die Regierung das Politische als ihr Geschäft ansehen sollte. In diesem Zusammenhang vor allem muß sich die Bundesregierung den Vorwurf gefallen lassen, ihren Führungsaufgaben nicht gerecht geworden zu sein. Die in den Regierungsparteien vorhandenen Vorbehalte gegen die Kernenergie sind immer noch so stark, daß sie sich bei lebenswichtigen Entscheidungen für die Bundesregierung als Hemmschuh erweisen. Ich bin sehr dankbar für das Beispiel, das Sie gebracht haben, Herr Kollege Wolfgramm. In der Tat: Die Bundesregierung ist wie eine Schildkröte. Schwerfällig bewegt sie sich vorwärts, wenn sie sich überhaupt noch bewegt. Sie hat einen dicken Panzer gegen alle Argumente angelegt. So kann es natürlich nicht weitergehen. Natürlich muß sie gegenüber dem Achill, der vorhandenen Dynamik der Wirtschaft, unterlegen sein. Die Bundesregierung ist lahm wie eine Schildkröte. Das ist die Problematik. ({8}) Wenn wir heute im Zusammenhang mit der Kernenergie von einer Akzeptanzkrise sprechen, muß sich mancher namhafte Politiker aus den Reihen der Regierung und der sie tragenden Parteien fragen lassen, in welchem Umfang er zum Entstehen dieser Krise beigetragen hat. Die jahrelange Verteufelung der Kernenergie ist nicht ohne Auswirkung geblieben. Hier werden menschliche Ängste freigelegt, die Teilen unseres Landes bürgerkriegsähnliche Zustände beschert haben. Die zwiespältige Haltung vor allem der Politiker der SPD, aber auch der FDP - wir wollen einmal an Gorleben denken, auch wenn Sie dort zwischenzeitlich einen sehr aktiven Mann verloren haben - ist kaum geeignet, die in Teilen der Bevölkerung bestehenden Zweifel auszuräumen. Die Bundesregierung unterstreicht zwar die Notwendigkeit des weiteren Ausbaus der Kernenergienutzung, versucht jedoch immer wieder, durch unklare Formulierungen möglichst allen Standpunkten innerhalb der Koalitionsparteien gerecht zu werden. Symptomatisch für diese Hinhaltetaktik der Koalitionsparteien sind die Beschlüsse der ersten Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags „Zukünftige Kernenergie-Politik", wonach die endgültige Entscheidung für oder gegen den Ausbau der Kernenergie um zehn Jahre aufgeschoben werden soll. Wen soll es wundern, daß sich die Bevölkerung zur Kernenergie zurückhaltend bis ablehnend verhält, wenn Unentschlossenheit und Zerstrittenheit die Haltung der Bundesregierung und der sie tragenden Parteien zur Energiepolitik kennzeichnen? Irrationale Ängste sind bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie am stärksten ausgeprägt, weil die hier angewandten Technologien am weitesten fortentwickelt und ihre Auswirkungen nur schwer durchschaubar sind. In dieser Situation, da eine emotionale Angst der Menschen zu gefährlichen Reaktionen führen kann, sind zu allererst die Politiker gefordert. Sie müssen durch eine rückhaltlose Sachaufklärung mithelfen, den Menschen die Angst vor der Zukunft zu nehmen. Gerade dort, wo Demagogen die Angst der Menschen für ihre Zwecke mißbrauchen, bedarf es einer offenen und glaubwürdigen Informationspolitik. ({9}) Wie müssen sich denn unsere Mitbürger fühlen, die in den bereits bestehenden kerntechnischen Anlagen arbeiten? Müssen sie sich nicht vorkommen wie Kinder des Bösen, von Grünen und Chaoten verteufelt, von der Bundesregierung überhaupt nicht unterstützt? Sie müssen sich so fühlen, als hätten sie Gerlach ({10}) die Absicht, das Unheil in die Welt zu bringen. Ich kenne die Gedanken und Gefühle dieser Menschen aus vielen Gesprächen, die ich mit ihnen geführt habe. Gerade weil sie sich von den für die Politik dieses Landes Verantwortlichen im Stich gelassen fühlen müssen, will ich ihnen von dieser Stelle aus Dank und Anerkennung für ihre Arbeit für die Allgemeinheit ganz deutlich aussprechen. Wir fordern die Bundesregierung auf, eine Übersicht über die von den einzelnen Bundesministerien in Auftrag gegebenen Forschungs- und Entwicklungsprojekte zusammen mit einer Zeitprognose vorzulegen. ({11}) Auf diese Zeitprognose kommt es in der Tat entscheidend an. Es muß sichergestellt werden, daß für die Ende 1984 zu treffenden Entscheidungen einverwertbares Zwischenergebnis vorliegt. Bei der Beseitigung tritiumhaltiger Abfälle sollte die Bundesregierung eine umfassende Prüfung aller denkbaren Methoden vornehmen und sich nicht auf die Verpressung in den Untergrund beschränken. Eine raschere Gangart ist vor allem im Interesse derjenigen Länder der Bundesrepublik geboten, die sich - wie der Freistaat Bayern - zu einem verstärkten Ausbau der Kernenergie entschlossen haben. Die unabdingbare Voraussetzung bleibt: Die Sicherheit für Mensch und Umwelt hat an erster Stelle zu stehen. ({12}) Wegen der großen Bedeutung der Kernenergie für die künftige Stromversorgung - so wird beispielsweise ab 1984 Bayern den größten Anteil der Kernenergie an der Stromversorgung haben - hat der Freistaat Bayern zweifelsfrei ein ganz besonderes Interesse an der Lösung der Entsorgungsfragen. Richtschnur für alle Entscheidungen im kerntechnischen Bereich ist also der Grundsatz, daß dem Schutz der Bevölkerung vor möglichen gesundheitlichen Gefahren absolute Priorität zukommt. Das Zögern der Bundesregierung bei der Einrichtung von Endlagern für radioaktive Abfälle hat z. B. für Bayern beträchtliche Auswirkungen. So zwang das Verhalten des Bundes, zusätzliche Lagerkapazität in der geplanten Sammelstelle in Mitterteich - neben der Landessammelstelle München-Neuherberg - zu schaffen. Die bayerische Staatsregierung hat auf der Grundlage des Beschlusses der Regierungschefs die Prüfung, ob ein geeigneter Standort für eine Wiederaufbereitungsanlage vorhanden ist, mit positivem Ergebnis abgeschlossen. Die Deutsche Gesellschaft zur Wiederaufbereitung von Kernbrennstoffen hat sich für einen Standort im Raum Schwandorf entschieden. Die Errichtung einer Wiederaufbereitungsanlage würde die Entsorgung zahlreicher Kraftwerke langfristig sichern. Die Bereitschaft zur Aufnahme einer solchen Anlage muß allerdings davon abhängig gemacht werden, daß der Bund für die zügige Errichtung eines Bundesendlagers für radioaktive Abfälle sorgt. Neben der genannten Errichtung einer Sammelstelle für schwach- und mittelradioaktive Abfälle in Mitterteich wurde auch die Errichtung einer Anlage zur Volumenreduzierung von brennbaren schwachradioaktiven Abfällen und zur endlagerfähigen Konditionierung der Verbrennungsrückstände in Karl-stein im Landkreis Aschaffenburg in das Landesentwicklungsprogramm Bayern aufgenommen. Eine derartige Anlage zur Veraschung brennbarer radioaktiver Abfälle beabsichtigt die KWU in ihrer Kernenergieversuchsanlage in Karlstein zu errichten. Die ausführliche Darstellung der kerntechnischen Entwicklung in Bayern erschien mir besonders geeignet und auch notwendig - der Herr Bundesminister, der im Augenblick nicht zuhört, hat vorhin entsprechende Zwischenrufe von der Regierungsbank aus gemacht -, um die Wichtigkeit und Dringlichkeit der Einrichtung von Anlagen zur Endlagerung radioaktiver Abfälle zu unterstreichen. Sicherlich lassen sich auch aus anderen Bundesländern überzeugende Beispiele anführen. Wir werden j a sehen, wie das in Nordrhein-Westfalen und in Hessen weitergeht. Im Augenblick scheint dort in der Tat Funkstille zu herrschen. Bayern dürfte auch deswegen ein gutes Beispiel sein, weil die Entwicklung auf dem Gebiet der Kernenergie in allen wesentlichen Teilschritten ihren Ausgang von Bayern genommen hat; daran darf ich einmal erinnern. So wurden in Garching 1958 der erste Forschungsreaktor, 1962 in Kahl das erste Versuchsatomkraftwerk und 1966 in Gundremmingen das erste Leistungskraftwerk der Bundesrepublik Deutschland in Betrieb genommen. Die Antwort der Bundesregierung ist sicherlich eine gute Fleißarbeit von Experten in den Ministerien, denen ich hiermit im Namen der CDU/CSU-Fraktion einmal ausdrücklich danken möchte. ({13}) Diese Antwort hat uns die Notwendigkeit, aber auch die Dringlichkeit der Sicherstellung und Endlagerung radioaktiver Abfälle aufgezeigt. Sie hat uns vor Augen geführt, daß durch Untätigkeit der Bundesregierung viel kostbare Zeit verlorengegangen ist. Das rapide Ansteigen der jährlich anfallenden Mengen radioaktiver Abfälle sollte auch für die Bundesregierung eine ernste Warnung sein, zu handeln, statt nur zu reden - zu handeln, bevor es zu spät ist. ({14})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Meine Damen und Herren, wir treten in die Mittagspause ein. Die Sitzung wird um 14 Uhr mit der Fragestunde fortgesetzt. Anschließend wird die Debatte fortgeführt. Ich unterbreche die Sitzung. ({0})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt. Vizepräsident Wurbs Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde Es steht der Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung an. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Buschfort zur Verfügung. Ich rufe die Frage 13 des Abgeordneten Dr. George auf: Trifft die Information in einem Beitrag in der Fachzeitschrift „Die Betriebskrankenkasse", Heft 9/10 1981, zu, wonach im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung erste Gespräche über eine Rechtsverordnung zu einem gemäß § 319a RVO von den Krankenkassen zu führenden Mitgliederverzeichnis stattgefunden haben und wonach im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung überlegt wird, auch sämtliche Leistungsaufwendungen personenbezogen und maschinell zu erfassen?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Herr Kollege George, wenn es gestattet ist, würde ich die Fragen 13 und 14 gern im Zusammenhang beantworten.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Sind Sie damit einverstanden, Herr Abgeordneter? ({0}) Ich rufe dann auch die Frage 14 des Abgeordneten Dr. George auf: Hält die Bundesregierung einen derartig gigantischen Erfassungsaufwand vom finanziellen Aufwand und vom Datenschutz her gesehen für vertretbar?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Herr Kollege Dr. George nach § 319 a der Reichsversicherungsordnung haben die Krankenkassen ein Mitgliederverzeichnis zu führen, in das die zur rechtmäßigen Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Aufzeichnungen aufzunehmen sind. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Inhalt und Form des Mitgliederverzeichnisses zu bestimmen. Mitglieder- und Leistungsdaten werden heute im Rahmen der Verwaltungsvorschriften über das Rechnungswesen bei den Trägern der sozialen Krankenversicherung vom 31. August 1956 aufgezeichnet. Es ist beabsichtigt, die teilweise veralteten Verwaltungsvorschriften durch eine Rechtsverordnung nach § 319 a der Reichsversicherungsordnung zu ersetzen und das Mitgliederverzeichnis dem inzwischen weiterentwickelten Leistungsrecht anzupassen. Hierüber haben im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung erste Gespräche mit den Spitzenverbänden der Träger der Krankenversicherung stattgefunden. Dabei ist jedoch keinerlei Festlegung darüber getroffen worden, ob Leistungsdaten über den heutigen Umfang hinaus zu erfassen sind und in welcher Form dies geschehen soll. Allerdings muß es in der gesetzlichen Krankenversicherung zu einer verbesserten Leistungs- und Kostentransparenz kommen; dazu bedarf es entsprechender Regelungen. Bei der Erarbeitung des Entwurfs der Rechtsverordnung werden der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung und sicherlich auch die Träger der Krankenversicherung darauf achten, daß kein unnötiger und unwirtschaftlicher Erfassungsaufwand betrieben und der Schutz personenbezogener Daten entsprechend den Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes und des Sozialgesetzbuches sichergestellt wird.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. George.

Dr. Haimo George (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000662, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ich darf bei aller Notwendigkeit, eine Reform dieser Vorschrift durchzuführen, dennoch fragen, ob sich das Arbeitsministerium bewußt ist, daß die nach Erlaß und Anwendung der Rechtsverordnung zu erfessenden Daten eine starke politische, gesellschaftspolitische Komponente haben und hier schon eine Orwellsche Vision sichtbar wird. Ich bitte, Antwort darauf zu geben, ob Sie sich dieser gesellschaftspolitischen Situation bewußt sind.

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Herr Kollege, wir haben ja, wie Sie wissen, in diesen Bereichen bereits einige Versuche der vereinfachten Erfassung von Daten durchgeführt - ich darf an den Rendsburger Vorgang erinnern -; dabei haben sich diese politischen Wirkungen ja bereits gezeigt. Sie wissen, daß wir die Vorgänge damals sehr behutsam behandelt haben. Ich bin ganz sicher, daß wir - einvernehmlich mit den Krankenkassen und mit den Selbstverwaltungsorganen - nur eine Erfassung von Daten einleiten werden, soweit sie auch wirtschaftlich vernünftig ist und keinen unnötigen Verwaltungsaufwand herbeiführt.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Keine Zusatzfrage? - Danke schön. Die Frage 15 des Abgeordneten Pauli wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Auch die Frage 16 wird auf Wunsch des Fragestellers, des Abgeordneten Dr. Friedmann, schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Wir kommen nunmehr zur Frage 17 des Abgeordneten Pohlmann: Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß der vom Bundesarbeitsminister laut amtlicher Statistik für 1981 festgestellte Krankenstand von 5,2 Prozent ({0}) die tatsächliche Abwesenheit wegen Krankheit in den Betrieben exakt wiedergibt, z. B. im Hinblick darauf, daß die Krankenkassen kurzdauernde Arbeitsunfähigkeitsfälle in der Regel nicht erfassen und die Krankenkassen durch den Wegfall der Barleistungen in den ersten sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit kein unmittelbares Interesse mehr an einer vollständigen Erfassung des Krankenstands haben?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Herr Kollege Pohlmann, auch bei Ihnen würde ich die Fragen 17 und 18 gern im Zusammenhang beantworten.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Sind Sie damit einverstanden? ({0}) Vizepräsident Wurbs Ich rufe also auch die Frage 18 des Abgeordneten Pohlmann auf: Wie beurteilt die Bundesregierung den überproportional starken Anstieg des Krankenstands ausländischer Arbeitnehmer, der nach den Erhebungen der Deutschen Verbindungsstelle, Krankenversicherung-Ausland, bis Ende der 60er Jahre um ein Fünftel his ein Viertel unter dem Krankenstand der Pflichtmitglieder insgesamt lag, 1970 deutlich anstieg und heute um ein Drittel über dem durchschnittlichen Krankenstand liegt?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Herr Abgeordneter Pohlmann, die statistischen Erfassungsmethoden des Krankenstandes haben sich seit 1970 nicht geändert. Der jetzt für 1981 ermittelte Krankenstand hat also den gleichen Genauigkeitsgrad wie die Krankenstände der Vorjahre. Der Krankenstand wird von den Krankenkassen an Hand der eingegangenen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen als Stichtagsergebnis zu jedem Monatsersten ausgezählt. Die Krankenkassen haben dabei nach der Statistik-Vorschrift aber auch alle krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeitsfälle zu berücksichtigen, die ihnen auf anderem Wege zur Kenntnis gelangen. Fehlzeiten auf Grund von Heilverfahren, die von der Unfall- oder Rentenversicherung durchgeführt werden und an denen die Krankenkassen kostenmäßig nicht beteiligt sind, werden in der Statistik der Krankenversicherung nicht berücksichtigt. Ich habe keinen Zweifel, daß die Krankenkassen die Vorschriften formgerecht anwenden und somit alle ihnen bekannten Fehlzeiten melden, die nach der Statistikvorschrift zu erfassen sind. Bei der Bewertung des erfaßten Krankenstandes ist zu berücksichtigen, daß die Angestellten in der Regel eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erst nach Ablauf des 3. Arbeitstages vorlegen müssen. Daher kann sich bei Kurzzeitfällen dieser Personengruppe eine statistische Untererfassung ergeben. Bei Arbeitern ist vom Gesetz vorgesehen, die Arbeitsunfähigkeit schon vom ersten Tag der Abwesenheit an zu belegen. Soweit nicht Arbeitgeber, z. B. in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen, auf diese Vorlage während der ersten drei Tage der Abwesenheit verzichten, wird dieser Personenkreis also vollständig erfaßt. Andererseits kann eine statistische Untererfassung dadurch entstehen, daß eine vorzeitige Arbeitsaufnahme der Krankenkasse nicht stets zur Kenntnis gelangt. Die Betriebskrankenkassen können auf Grund ihrer organisatorischen Nähe zu den Personalverwaltungen der Betriebe die eben genannten Erfassungsprobleme bei Kurzzeitfällen weitgehend vermeiden. Aus einer Sonderstatistik der Betriebskrankenkassen geht jedoch hervor, daß der Anteil der Arbeitsunfähigkeitstage von Kurzzeitfällen an der Gesamtzahl der Arbeitsunfähigkeitstage nur durchschnittlich 1,7 % beträgt. Die Kurzzeitfälle haben somit auf das Ergebnis der Krankenstandsstatistik nur einen geringfügigen Einfluß. Die unterschiedliche Höhe der Krankenstände bei verschiedenen Krankenkassen oder Kassenarten ist in erster Linie auf Unterschiede hinsichtlich der Morbidität der Versicherten und hinsichtlich ihrer Beanspruchung am Arbeitsplatz zurückzuführen. Deutlich wird dies z. B. am unterschiedlichen Krankenstandsniveau von Betriebskrankenkassen verschiedener Wirtschaftsbranchen. Hier schwankte der Krankenstand 1980 zwischen 8,1 % bei Krankenkassen des Hüttenwesens und 4,9 % bei Krankenkassen für Handel, Kreditinstitute und Versicherungen. Im übrigen hat auch bei den Betriebskrankenkassen der Krankenstand 1981 gegenüber 1980 um rund 8 % und damit etwa im gleichen Umfange wie im Durchschnitt aller Krankenkassen abgenommen. Zu Ihrer zweiten Frage muß ich Ihnen mitteilen, daß die vorhandenen Unterlagen fundierte Aussagen nicht zulassen, auf welchen Ursachen der überdurchschnittliche Anstieg des Krankenstandes ausländischer Arbeitnehmer beruht. Die deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung-Ausland führt daher zur Zeit eine Untersuchung unter anderem über die im In- und Ausland entstandenen Krankheitszeiten durch. Nach ersten Zwischenergebnissen lag der Anteil der im Ausland entstandenen Arbeitsunfähigkeitstage an der Gesamtzahl der Arbeitsunfähigkeitstage ausländischer Arbeitnehmer im zweiten Quartal 1981 bei knapp 4 % und im dritten Quartal, der Ferienzeit, bei etwas über 9 %. Die Größenordnung dieser Ergebnisse vermag den überdurchschnittlichen Krankenstand der ausländischen Arbeitnehmer nicht zu erklären. Die Verbindungsstelle Krankenversicherung-Ausland setzt die Untersuchung dieses Fragenkomplexes fort.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Pohlmann.

Eberhard Pohlmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001732, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär Buschfort, nachdem Sie zugeben mußten, daß bei Ihnen keine vollständige Erfassung des Krankenstandes vorliegt: Hielten Sie es nicht für redlicher, das auch der Öffentlichkeit mitzuteilen und nicht mit Zahlen zu operieren, deren Aussagewert doch etwas fragwürdig ist?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Herr Kollege Pohlmann, wir operieren überhaupt nicht mit Zahlen, sondern wir veröffentlichen seit 1970 nach den gleichen Erfassungsmethoden erhobene Daten. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß wir die Daten seit 1970, also nach Einführung der Lohnfortzahlung durch die Große Koalition, nach den gleichen Kriterien veröffentlichen und man auf Grund dieser Daten feststellen muß, daß es während der Gesamtzeit von 1970 bis 1981 kaum nennenswerte Schwankungen gegeben hat und wir im genannten Zeitraum im Jahre 1981 das bisher günstigste Ergebnis hatten.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine weitere Zusatzfrage, bitte.

Eberhard Pohlmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001732, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, heute verfügen j a die Verwaltungen der Krankenversicherungsträger in zunehmendem Maße über EDV-Anlagen. Halten Sie es davon ausgehend nicht für angezeigt, eine aussagekräftige amtliche Statistik über den Krankenstand zu erstellen, die z. B. auch nach der Stellung im Beruf unterscheidet?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Herr Kollege, ich habe vorhin bereits darauf hingewiesen, daß es schon jetzt möglich ist, auf Branchenunterschiede aufmerksam zu machen. Eine fehlerlose Statistik wäre zweifellos eher möglich, wenn den Krankenkassen alle Arbeitsunfähigkeitsdaten mitgeteilt würden. Ich glaube aber nicht, daß die Abweichungsquoten - es gibt sowohl eine Über- als auch eine Untererfassung - erheblich sind. Was uns Sorge bereitet, sind spezielle betriebliche Abweichungen. Hier stimme ich Ihnen zu: Wir haben alle Veranlassung, diese speziellen Abweichungen zu untersuchen und zu beachten, denn auch wir und die Versichertengemeinschaft - davon gehe ich aus - und auch die Arbeitgeber sind nicht daran interessiert, Krankheit zu finanzieren, wo sie nicht vorhanden ist.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine weitere Zusatzfrage.

Eberhard Pohlmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001732, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie haben interessante Angaben über den Krankenstand bei den Ausländern gemacht, insbesondere über das erste Quartal und über die Ferienmonate. Glauben Sie, daß hier möglicherweise auch Mißbrauch vorliegt, und - wenn das der Fall sein sollte - was will die Bundesregierung tun, um den Mißbrauch zu vermeiden?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Herr Kollege, ich will Mißbrauch bei Ausländern und auch bei deutschen Arbeitnehmern im Einzelfall nicht ausschließen. Wir alle wissen, daß es so etwas gibt. Bemerkenswert sind insbesondere die Veränderungen in den letzten Jahren. In der Zeit von 1965 bis 1975 war der Krankenstand der ausländischen Arbeitnehmer niedriger als der Krankenstand der deutschen Arbeitnehmer, z.T. beachtlich niedriger. Seit 1976 ist uns zunächst ein geringfügiges Übermaß und im Jahre 1981 ein Mehr von 1,79 % im Durchschnitt bei den ausländischen Arbeitnehmern gemeldet worden. Ich bin mit Ihnen der Auffassung, daß wir dies beobachten müssen, will allerdings auch sagen: Die Arbeitgeber wären gut beraten, von dem Instrumentarium der Überprüfung und der Beanstandung, das zur Verfügung steht, auch Gebrauch zu machen, und die Ärzte wären gut beraten - denn zu jeder Arbeitsunfähigkeit gehört auch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Arztes -, gewissenhaft zu prüfen, ob Arbeitsunfähigkeit auch wirklich vorliegt.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Hinsken.

Ernst Hinsken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000906, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, treffen Meldungen zu, wonach die häufigsten Krankheitstage in der Bundesrepublik Deutschland der Montag und der Freitag sind, und worauf führen Sie das zurück?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Herr Kollege, ich habe diese Frage, soweit wir die Möglichkeiten dazu haben, im Ministerium überprüfen lassen. Wir haben keine Anhaltspunkte dafür, daß diese Behauptung zutrifft.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. George.

Dr. Haimo George (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000662, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, da die Krankenziffern nach einem bestimmten Stichtag ermittelt werden: Gibt es bei Ihnen auch eine Übersicht darüber, wie viele Personen, die Arbeitslosenhilfe beziehen, aus der Arbeitslosigkeit in die Krankheit gehen und dann wieder anspruchsberechtigt werden? Gibt es dafür schon Schlüsselzahlen?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Herr Kollege George, es mag durchaus Daten bei der Bundesanstalt geben; ich werde das überprüfen. Wenn uns solche Daten zur Verfügung stehen, werde ich sie Ihnen zuleiten. ({0}) Herrn Pohlmann ebenfalls.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe Frage 19 des Abgeordneten Eigen auf: Ist der Bundesregierung bekannt, daß in Sonderkulturbetrieben der Land- und Forstwirtschaft ({0}) auch 1982 viele Saisonarbeitsplätze zur Verfügung stehen werden, die aber nach Erfahrung der Vorjahre trotz der wachsenden Zahl der Arbeitslosen nicht besetzt werden können, und was gedenkt die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Arbeit zu tun, um im Rahmen der geplanten Beschäftigungsprogramme die arbeitslosen Arbeitnehmer in diesen offenen Stellen zu vermitteln, um diesen Betrieben damit die Existenz zu sichern?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Herr Kollege Eigen, die Bundesregierung geht davon aus, daß auch 1982 auf Saisonarbeitsplätze in Sonderkulturen der Land- und Forstwirtschaft Arbeitslose vermittelt werden können. Vermittlungserfolge hängen aber wesentlich davon ab, daß angemessene Arbeitsbedingungen geboten werden, z. B. auch eine ausreichende Bezahlung für Zeiten der Arbeitsbereitschaft, in denen aus witterungsbedingten Gründen nicht gearbeitet werden kann. Ferner ist es erforderlich, offene Arbeitsplätze den Arbeitsämtern frühzeitig zu melden, damit die Vorbereitungen für die Vermittlung von Arbeitslosen rechtzeitig getroffen werden können. Auch zur Besetzung der gemeldeten offenen Saisonarbeitsplätze wird die Bundesanstalt für Arbeit alle Möglichkeiten der Arbeitsvermittlung einschließlich der Leistungen zur Förderung der Arbeitsaufnahme nutzen.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Eigen.

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß es im vorigen Jahr und im vorvorigen Jahr oft auch bei einer Arbeitslosenzahl von 1000 bis 1500 Personen pro Vermittlungsstelle nicht möglich war, landwirtschaftliche Saisonarbeitskräfte zu vermitteln? Offensichtlich muß es an der Zumutbarkeitsschwelle gelegen haben. Was gedenkt die Bundesregierung zu ändern?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Herr Kollege, meine Erfahrungen gehen dahin, daß es weniger die Zumutbarkeitsschwelle war, sondern daß in vielen Fällen, in denen ein beachtlicher Bedarf vorhanden war, die Arbeitsämter über diesen Bedarf nicht inParl. Staatssekretär Buschfort formiert waren. Hier muß ich hinzufügen, daß die rechtzeitige Meldung des Bedarfs auch deshalb notwendig ist, weil wir in diesem Bereich in aller Regel mit den örtlich verfügbaren Arbeitslosen nicht auskommen, so daß für diesen Teil des Arbeitsmarkts eine überregionale Anwerbung notwendig ist. Deshalb darf ich noch einmal appellieren, den Bedarf den Arbeitsämtern so rechtzeitig wie möglich mitzuteilen.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Eigen.

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ich werde Ihnen schriftlich Fälle anzeigen, bei denen es völlig anders gelaufen ist, in denen rechtzeitig angemeldet wurde und dennoch nicht vermittelt werden konnte und später sogar Strafverfahren eingeleitet wurden, weil, um die Ernte überhaupt durchzuführen, Türken beschäftigt worden sind. Das lag einzig daran, daß die Arbeit nicht vermittelt werden konnte.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Darf ich bitten, zu fragen.

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich stelle dazu zusätzlich die Frage, ob möglicherweise die neuen Verwaltungsvorschriften für das sogenannte 390-DM-Gesetz zusätzliche Hinderungen bringen.

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Herr Kollege, Sie wissen ja so gut wie ich, daß dieses Gesetz in der Form, wie es beabsichtigt war, gar nicht in Kraft getreten ist. Ein Gesetz, das gar nicht in Kraft getreten ist, kann auch kein zusätzlicher Hinderungsgrund sein.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe Frage 20 des Abgeordneten Hinsken auf: Für wie viele im Ausland lebende Kinder von in der Bundesrepublik Deutschland tätigen Eltern bzw. Elternteilen wird zur Zeit Kindergeld bezahlt, und wie hoch war dieser Betrag in DM ausgedrückt im Jahr 1979, 1980, 1981?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Herr Kollege Hinsken, wenn Sie einverstanden sind, würde ich die Fragen 20 und 21 gern im Zusammenhang beantworten.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Sind Sie damit einverstanden?

Ernst Hinsken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000906, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Dann rufe ich noch Frage 21 des Abgeordneten Hinsken auf: Wie hoch sind die monatlichen Zahlbeträge für das erste, zweite und folgende solcher Ausländerkinder insgesamt?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Herr Kollege Hinsken, Angaben über die Zahl der im Ausland lebenden Kinder von ausländischen Arbeitnehmern, für die Kindergeld gezahlt wird, und über die Höhe des von ihnen bezogenen Kindergeldes liegen auf Grund der Kindergeldstatistik der Bundesanstalt für Arbeit vor. Diese erfaßt die Zahl der Kinder und die Höhe der Beträge exakt erst seit 1980. Für die weiter zurückliegenden Jahre und für den Bereich des öffentlichen Dienstes muß auf Schätzungen zurückgegriffen werden. Danach wurde Kindergeld gezahlt: im Jahr 1979 für 859 000 Kinder in Höhe von etwa 512 Millionen DM, im Jahr 1980 für 730 000 Kinder in Höhe von etwa 435 Millionen DM und im Jahr 1981 für 625 000 Kinder in Höhe von etwa 370 Millionen DM. Zu Ihrer zweiten Frage kann ich Ihnen mitteilen, daß die monatlichen Zahlbeträge insgesamt derzeit betragen: für die ersten Kinder etwa 5 Millionen DM, für die zweiten Kinder etwa 8 Millionen DM, für die dritten Kinder etwa 10 Millionen DM, für die vierten Kinder etwa 5 Millionen DM und für weitere Kinder etwa 3 Millionen DM, d. h. pro Monat insgesamt 31 Millionen DM.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine Zusatzfrage? - Bitte, Herr Abgeordneter.

Ernst Hinsken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000906, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, gibt es andere Staaten, die auch Kindergeld für Ausländerkinder, die sich nach wie vor in ihrer Heimat befinden, bezahlen?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Ja, es gibt fast überall solche Regelungen. Ich will hinzufügen: Es gibt wesentlich großzügigere und auch schlechtere Regelungen als die, die die Bundesrepublik hat.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine weitere Zusatzfrage, bitte schön.

Ernst Hinsken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000906, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wären Sie bereit, hier einige Länder zu nennen?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Beispielweise haben die Niederlande das sogenannte Beschäftigungslandprinzip, d. h., die Holländer zahlen für die im Ausland lebenden Kinder Geldbeträge nach holländischen Sätzen. Die Bundesrepublik, das wissen Sie, strebt das sogenannte Wohnlandprinzip an. Danach soll für die Kinder im Ausland ein Kindergeld in der gleichen Höhe gezahlt werden, wie sie das eigene Land für das im Inland lebende Kind gewährt. Das ist in aller Regel finanziell gesehen - eine ganz andere Regelung, als sie in Holland besteht. Die Franzosen haben eine Regelung, die sozusagen eine Kombination zwischen Wohnland- und Beschäftigungslandprinzip ist.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Hinsken.

Ernst Hinsken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000906, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, können Sie sich vorstellen, daß in der Bundesrepublik Deutschland gesetzliche Grundlagen dafür geschaffen werden, damit in Zukunft solche Zahlungen nicht mehr geleistet werden? Und sind Sie mit mir der Meinung, daß es besser wäre, mit diesen Mitteln Kindergeld für deutsche Kinder oder erhöhtes Kindergeld für deutsche Kinder zu zahlen?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Nein, ich bin nicht Ihrer Meinung.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Die letzte Zusatzfrage, Abgeordneter Hinsken.

Ernst Hinsken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000906, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß bei Ausländerkindern, vor allen Dingen bei Türken, in Altersangaben mit Zahlen manipuliert wird? Was hat die Bundesregierung hiergegen in den letzten Jahren getan?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Herr Kollege, wenn es Anhaltspunkte für Manipulationen gibt, werden die Fälle überprüft. Wir stehen mit den türkischen Behörden, aber auch mit unserer Botschaft in der Türkei in ständigem Kontakt, um derartige Vorgänge zu beobachten. Sie haben recht, es soll in Einzelfällen solche Manipulationen gegeben haben. Wir sind der Auffassung, daß das nicht sein darf, und werden, wo immer es möglich ist, dies auch unterbinden.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stutzer.

Hans Jürgen Stutzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002283, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie sagten, daß in Holland im Gegensatz zur Bundesrepublik nach holländischem Gesetz gezahlt wird. Ich nahm immer an, daß in der Bundesrepublik nach deutschem Gesetz gezahlt wird. Irre ich mich hier? Und wenn Sie vom Territorialprinzip gerade in puncto Türkei sprechen: wie zahlt denn die Türkei an die türkischen Kinder Kindergeld?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Herr Kollege, Ihre Frage ist im ersten Teil offenbar auf ein Mißverständnis zurückzuführen. Ich habe gesagt: die Holländer zahlen für die Kinder im Ausland nach holländischen Sätzen. Dann habe ich bezüglich der Niederländer angefügt: d. h. nach dem Beschäftigungslandprinzip. In der Bundesrepublik, so habe ich gesagt, streben wir eine Regelung nach dem Wohnlandprinzip an. Dieses Anstreben einer Regelung nach dem Wohnlandprinzip hat bei uns später eingesetzt. Zu der Zeit gab es bereits mit den traditionellen Anwerbeländern Regelungen. Dazu gehören die Türkei, Spanien, Portugal, Jugoslawien und Griechenland. Hier haben wir heute, wenn man so will, einen Kompromiß zwischen Beschäftigungsland- und Wohnlandprinzip.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Zierer.

Benno Zierer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002594, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wenn es, wie Sie sagen, vorkommt, daß Altersangaben von Ausländerkindern manipuliert werden: welche Konsequenzen hat das eventuell für die in Deutschland lebenden Eltern bzw. für den Elternteil? Wird das eventuell mit einer Ausweisung geahndet?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Diese Frage kann ich nicht beantworten, weil sie an den Innenminister zu richten ist; aufenthaltsrechtliche Fragen kann ich aus der Sicht des Arbeitsministeriums nicht beantworten. Ich will nur eines sagen, obwohl ich weiß, daß das sehr unbefriedigend ist. Es gibt offenbar in der Türkei den Rechtszustand - weil häufig Geburtsdaten nicht von Beginn an korrekt erfaßt worden sind -, daß man ein Geburtsdatum einmal korrigieren kann. Das ist offenbar türkisches Recht; so habe ich es immer gehört. Ich finde, daß das nicht in Ordnung ist. Wir können das nicht akzeptieren, wir akzeptieren das auch nicht. Wir werden die Kindergeldzahlungen einstellen, wenn wir bemerken, daß nach unserer Auffassung „Korrekturen" vorgenommen werden.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Zierer.

Benno Zierer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002594, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist überhaupt die Zusammenarbeit zwischen den deutschen und den türkischen Behörden in diesen Fällen hundertprozentig zuverlässig?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Herr Kollege, die Zusammenarbeit mit ausländischen Stellen ist sehr häufig nicht hundertprozentig in Ordnung. Ich kann Ihnen sagen, daß wir mit fast allen Staaten, wenn es z. B. um die Abwicklung von Rentenfragen geht, erhebliche Schwierigkeiten und insbesondere erhebliche Verzögerungen haben. Dies ist sicherlich auch bezüglich der Türkei so, aber ich will hinzufügen, daß es Kontakte gegeben hat, daß wir immer wieder bemüht waren, auftretende Fehler anzusprechen, und daß wir nicht auf Abweisung gestoßen sind; vielmehr ist - ich darf es vielleicht so formulieren - der gute Wille zweifellos auch auf der anderen Seite vorhanden.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Stutzer.

Hans Jürgen Stutzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002283, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, darf ich noch einmal um die Beantwortung des zweiten Teils meiner Zusatzfrage bitten? Die Antwort steht noch aus. Ich möchte die Frage wiederholen: Nach welchem Recht zahlt denn die Türkei Kindergeld für die türkischen Kinder in der Türkei?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Die Türkei zahlt natürlich nach türkischem Recht. Es ist zwischenzeitlich so, daß in einigen Ländern die jeweiligen Wohnland-Regelungen besser sind als unsere Kindergeldzahlungen ins Ausland. Wir haben Veranlassung, die Abweichungen gelegentlich einmal zu überprüfen und, wenn wir es mit dem Wohnlandprinzip ehrlich meinen, gegebenenfalls auch Korrekturen vorzunehmen.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor. Der Fragesteller der Fragen 22 und 23, der Herr Abgeordnete Sauer ({0}), hat um schriftliche Beantwortung seiner Fragen gebeten. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt. Danke sehr, Herr Staatssekretär! Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Penner zur Verfügung. Vizepräsident Wurbs Ich rufe die Fragen 24 und 25 auf. Hierzu hat der Herr Abgeordnete Hansen um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt. Ich rufe Frage 26 des Herrn Abgeordneten Dr. Voss auf: Sind Pressemeldungen zutreffend, daß der gegen den Oberst Baltutis verhängte Verweis wegen eines Gesprächs mit einem Mitglied des Deutschen Bundestages aufgehoben worden ist, und welche Folgerung zieht die Bundesregierung gegebenenfalls aus der Aufhebung des Verweises, der wesentliche Grundlage für die Versetzung von Oberst Baltutis zur Bundeswehr war?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Herr Kollege Voss, Disziplinarvorgänge sind ihrem Wesen nach vertraulich. Ich sehe mich daher außerstande, den ersten Teil Ihrer Frage zu beantworten. Zum zweiten Teil Ihrer Frage erlaube ich mir, darauf hinzuweisen, daß ein Personalvorgang der angesprochenen Art ebenso einer vertraulichen Behandlung unterliegt. ({0})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Voss.

Dr. Friedrich Voss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002396, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir darin einig, daß dieser Fall bereits die Presse beschäftigt hat, und sind Sie daher bereit, mir zuzugestehen, daß in diesem Falle sowohl der Verweis als auch die Versetzung voreilig und rechtlich wenig geprüft waren, so daß sich die Führung des BND und damit auch die Bundesregierung einer vermeidbaren Schlappe aussetzen mußte?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Herr Kollege Voss, ich vermag mich Ihren Wertungen nicht anzuschließen.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine weitere Zusatzfrage? - Bitte.

Dr. Friedrich Voss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002396, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen denn bekannt, daß - wie behauptet worden ist - dieser Fall vorweg beim Bundesdisziplinaranwalt geprüft worden ist?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Herr Kollege Voss, ich muß mich auf das beschränken, was ich eingangs gesagt habe. Es handelt sich um einen disziplinaren Vorgang, der der Vertraulichkeit unterliegt.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Ich rufe Frage 27 des Abgeordneten Dr. Voss auf: Verfügt die Bundesregierung über Hinweise und Informationen, daß durch Oberst Baltutis dienstlich gewonnene Erkenntnisse jemals an die Öffentlichkeit gelangt sind?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Ihre zweite Frage, Herr Kollege Voss, kann nicht losgelöst von einem Disziplinarvorgang beantwortet werden. Ich darf daher auch insoweit um Verständnis für die gebotene Vertraulichkeit bitten.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Voss.

Dr. Friedrich Voss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002396, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß beispielsweise in DDR-Zeitungen Vorwürfe dieser Art gemacht worden sind?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Herr Kollege Voss, in DDR-Zeitungen wird sicherlich mancherlei geschrieben, aber Sie werden von mir nicht erwarten können, daß ich von dieser Stelle aus Meldungen aus DDR-Zeitungen bestätige oder dementiere.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine zweite Zusatzfrage? - Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Voss.

Dr. Friedrich Voss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002396, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, darf ich Sie dann fragen, wie die Bundesregierung gedenkt, die Ehre eines langjährigen und verdienten Offiziers zu schützen und gegebenenfalls wiederherzustellen?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Herr Kollege Voss, die Bundesregierung wird sich an das geltende Recht halten.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Gerster.

Dr. h. c. Johannes Gerster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000671, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, würden Sie mir darin zustimmen, daß die Fürsorgepflicht des Bundes gegenüber Bundesbeamten es erforderlich machen kann, auch über Disziplinarverfahren zu reden, um etwa dem Beamten Schutz zu gewähren, wenn über ihn in der Öffentlichkeit Falsches behauptet worden ist?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Gerade die Fürsorgepflicht gebietet es, Disziplinarsachen grundsätzlich vertraulich zu behandeln. ({0})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Keine weiteren Zusatzfragen mehr. Ich rufe die Frage 28 des Abgeordneten Würtz auf: Sind dem Bundesverteidigungsministerium die Vorgänge anläßlich der Übung „Clover Fortune" in Twistringen/Landkreis Diepholz ({0}) - Übung von Verhören - bei den holländischen Streitkräften bekannt, und wenn ja, gibt es ähnliche Ausbildungsvorhaben bzw. Methoden bei der Bundeswehr?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Herr Kollege Würtz, dem Bundesministerium der Verteidigung sind die Presseveröffentlichungen bekannt. Das Bundesministerium der Verteidigung hat das niederländische Verteidigungsministerium um Auskunft gebeten. Eine Antwort liegt noch nicht vor. In der Bundeswehr werden Befragungsausbildung und Befragungsübungen durchgeführt. Diese Ausbildung ist unter strenger Beachtung der Gesetze der Bundesrepublik Deutschland und des Kriegsvölkerrechts auf das Einüben von Befragungsrhetorik und für den Bereich der Frontnachrichtentruppe auf die Verbesserung praktischer Fremdsprachenkenntnisse begrenzt; insbesondere ist jegliche Anwendung von physischer oder psychischer Gewalt verboten.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Zusatzfrage des Abgeordneten Würtz, bitte.

Peter Würtz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002571, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, da Sie diesen Vorgang bestätigen, darf ich Sie fragen: Halten Sie die Durchführung dieser Verhörübung in aller Öffentlichkeit, in diesem Falle auf einem Schulgelände, so daß Schülerinnen und Schüler teilnehmen konnten, für sinnvoll und vom militärischen Ausbildungszweck für geboten?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Herr Kollege Würtz, ich habe lediglich zum Ausdruck gebracht, daß die Bundesregierung die Pressemeldung zur Kenntnis genommen hat und dieserhalb die niederländische Regierung um Auskunft gebeten hat. Welche Wertungen zu ziehen sind, hängt auch davon ab, wie die Auskunft der niederländischen Regierung lautet. Ich kann Ihnen aber versichern, daß sich die Bundesregierung auch in diesem Aufgabenbereich streng ans geltende Recht hält.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Zusatzfrage des Abgeordneten Würtz.

Peter Würtz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002571, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, darf ich dann Ihre Antwort so verstehen, daß Sie in dem Augenblick, wo Sie eine Antwort der niederländischen Regierung haben, notfalls neue Schritte unternehmen werden?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Wir werden uns gegebenenfalls - wenn es die Situation erfordert - mit der niederländischen Regierung ins Benehmen setzen.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Keine Zusatzfragen mehr. Ich rufe die Frage 29 des Abgeordneten Lintner auf: Kann die Bundesregierung Presseberichte bestätigen, wonach Streitkräfte der DDR und der Tschechoslowakei Gaswaffensysteme zur Verfügung haben?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Herr Kollege Lintner, die Bundesregierung kann nicht bestätigen, daß die Streitkräfte der DDR und der CSSR mit chemischen Kampfstoffen ausgerüstet sind oder solche Waffen in Depots lagern. Allerdings verfügen alle Armeen des Warschauer Pakts über Waffensysteme, die zum Einsatz chemischer Kampfmittel geeignet sind.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Ich rufe die Frage 30 des Abgeordneten Lintner auf: Welche besonderen Anstrengungen hat die DDR auf dem Sektor „Ziviler Bevölkerungsschutz" unternommen, und wieviel Plätze in Luftschutzeinrichtungen stehen der DDR zur Verfügung?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Herr Kollege Lintner, Kern der Zivilverteidigungsorganisation, die dem Ministerium für Nationale Verteidigung untersteht, sind die von etwa 3 000 aktiven Soldaten geleiteten Zivilverteidigungsstäbe in allen Bezirken der DDR. Die Ausbildung der Zivilverteidigungseinsatzkräfte unter teilweiser Beteiligung der Bevölkerung wurde im vergangenen Jahr durch eine große Zahl komplexer Übungen in allen Bezirken erheblich forciert. Der Bundesregierung ist nicht bekannt, wieviel Plätze in Luftschutzeinrichtungen der DDR zur Verfügung stehen.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Zusatzfrage des Abgeordneten Lintner.

Eduard Lintner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001351, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, worauf führen Sie dieses forcierte Üben in der DDR zurück?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Die Antwort auf diese Frage ist nicht in mein Wissen gestellt.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Weitere Zusatzfrage, bitte, Herr Abgeordneter.

Eduard Lintner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001351, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß darüber innerhalb der Bevölkerung der DDR eine gewisse Unruhe herrscht? Ich gebe insbesondere zu bedenken, daß gerade die Bürgerinitiative, wie seit zwei, drei Tagen bekannt ist, in Punkt 5 ihrer Begründung fordert, daß ein Verzicht auf Übungen zur zivilen Verteidigung geleistet wird.

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Ich kann mir vorstellen, daß diese Aktivitäten der Bevölkerung in der DDR nicht verborgen geblieben sind. Welcher Art die Bewertung der Bevölkerung der DDR in bezug auf diese Aktivitäten ist, kann ich nicht sagen.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Keine Zusatzfragen mehr. Der Fragesteller der Fragen 31 und 32, Herr Abgeordneter Kirschner, hat um schriftliche Beantwortung seiner Fragen gebeten. Das gleiche trifft für die Fragen 33 und 34 des Abgeordneten Jungmann zu. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe die Frage 35 des Abgeordneten Dr. Zumpfort auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkungen des vom amerikanischen Kongreß verabschiedeten Zusatzes zum Haushaltsgesetz, mit dem im Haushaltsjahr 1982 untersagt wird, Waffen und Ausrüstung für US-Truppen außerhalb der Vereinigten Staaten zu kaufen, auf die deutsch-amerikanischen Beziehungen?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Kollege Dr. Zumpfort, gestatten Sie, daß ich Ihre Fragen 35 und 36 im Zusammenhang beantworte?

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Sind Sie damit einverstanden, Herr Abgeordneter Dr. Zumpfort?

Dr. Wolf Dieter Zumpfort (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002609, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Ich rufe also auch die Frage 36 des Abgeordneten Dr. Zumpfort auf: Vizepräsident Wurbs Welche Auswirkungen hat nach Meinung der Bundesregierung dieser Beschluß speziell auf die deutsch-amerikanischen Kompensationsgeschäfte im Rahmen der Lieferung von zwei US-Frühwarnflugzeugen vom Typ AWACS?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Kollege Zumpfort, der Kongreßbeschluß dürfte sich in der Praxis, wenn überhaupt, auf Kraftfahrzeugbeschaffung durch USStreikräfte kritisch auswirken. Nach Einschätzung der Bundesregierung sind von den Kompensationsgeschäften im Zusammenhang mit dem AWACS-Projekt nur die laufenden Kraftfahrzeugbeschaffungen betroffen. Alle übrigen Kompensationsgeschäfte dürften der Spezialmetallklausel unterliegen. Insoweit ist nach entsprechenden Äußerungen von US-Verteidigungsminister Weinberger nicht zu erwarten, daß sich nachteilige Auswirkungen für die NATO-Partner und damit für uns ergeben. Die Bundesregierung wird gerade im beiderseitigen Interesse an Kooperation darauf hinzuwirken versuchen, daß auch die Kraftfahrzeugfrage einer für beide Partner zufriedenstellenden Lösung zugeführt wird.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Zumpfort.

Dr. Wolf Dieter Zumpfort (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002609, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, ist die Auskunft, die Sie uns jetzt gegeben haben, neuer und informativer als das, was gestern schon im Verteidigungsausschuß gesagt worden ist?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Ich denke, das ist der letzte Erkenntnisstand.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine weitere Zusatzfrage, bitte.

Dr. Wolf Dieter Zumpfort (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002609, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, können Sie Auskunft geben, wie die Relation zwischen den Waffenkäufen der Bundesrepublik in den USA und den Käufen der USA von Waffen und militärischen Gütern in der Bundesrepublik Deutschland ist?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Das Verhältnis beträgt über die Zeit gesehen - jenseits dieses Projekts - ungefähr 9:1.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Weitere Zusatzfrage.

Dr. Wolf Dieter Zumpfort (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002609, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Gab es bei dem Kompensationsgeschäft AWACS eine Preisklausel? Meines Wissens ist bei den Kompensationsverhandlungen von einem Preisstand 1978 ausgegangen worden. Wir bezahlen allerdings aus dem Haushalt entsprechend der Preissteigerungsklausel jetzt mehr. Wie verhält es sich mit den Kompensationsgeschäften bei Waffen, die die Amerikaner in Deutschland kaufen?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Bei den Kompensationsgeschäften ist keine Preisgleitklausel vereinbart worden. Es ist allerdings so, daß das Auftragsvolumen von uns erreicht werden wird. Ich muß sagen: Das, was im Lauf zäher Verhandlungen überhaupt an Kompensationsgeschäften hat durchgesetzt werden können, läßt sich nach Einschätzung der Bundesregierung sehen.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Die letzte Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Zumpfort.

Dr. Wolf Dieter Zumpfort (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002609, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, der Beschluß des Kongresses besteht j a aus zwei Teilen: Das zweite Amendment wird nach einem Abgeordneten benannt. Können Sie zufällig sagen, aus welcher Region der Abgeordnete kommt? Kommt er aus einer Region, wo auch Autos produziert werden?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Angesichts der Tatsache, Herr Kollege Dr. Zumpfort, daß es sich um ein Amendment handelt, das den Bereich der Kraftfahrzeuge betrifft, liegt es nahe, anzunehmen, daß dieser Abgeordnete seinen Wahlkreis in einer Gegend hat, in der die Autoindustrie besonders stark vertreten ist.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Zusatzfrage des Abgeordneten Francke ({0}).

Klaus Francke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß die amerikanische Regierung in Verbindung mit dem Entwurf des Haushalts 1982/83 eine Vorlage eingebracht hat, die diese Amendments aufheben soll?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Herr Kollege, ich kann bestätigen, daß Bestrebungen im Gang sind, die Spezialmetallklausel aufzuheben. Bezüglich des McDade-Amendments kann ich das nicht.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Herr Abgeordneter Francke, Ihre letzte Zusatzfrage.

Klaus Francke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, hält es die Bundesregierung für angemessen und richtig, andere Vertragsverhältnisse oder Vertragsunterschriften bis zur Klärung des hier diskutierten Tatbestandes zu unterlassen bzw. hinauszuschieben?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Herr Kollege, selbst wenn die Bundesregierung der Auffassung wäre, daß solche Überlegungen angebracht wären, wäre dies nicht der Platz, das - in aller Öffentlichkeit - auszutragen. Aber die Bundesregierung hat solche Pläne nicht.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Würtz.

Peter Würtz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002571, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, in welcher Form hat die amerikanische Regierung der deutschen Bundesregierung ihre Absicht bekanntgebeben, diesen Zusatz zum Haushaltsgesetz wieder zu verändern?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Der Bundesregierung liegen Informationen vor, nach denen sich der Außenminister der Vereinigten Staaten von Nordamerika, Alexander Haig, besonders darum kümmern will.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Gärtner.

Klaus Gärtner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000627, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, in welcher Form hat die Bundesregierung in den nach Ihren Ausführungen zähen Verhandlungen über die Kompensationsgeschäfte gegenüber der amerikanischen Regierung deutlich gemacht, daß das Parlament der Bundesrepublik Deutschland bei den Kompensationsgeschäften und dem Ankauf der AWACS-Flugzeugsysteme eine sehr stringente Haltung eingenommen hat?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Die Bundesregierung hat bei verschiedenen Gelegenheiten auf verschiedenen Ebenen und auch im Benehmen mit den NATO-Partnern ihre Auffassung gegenüber der Regierung der Vereinigten Staaten geltend gemacht.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Gärtner.

Klaus Gärtner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000627, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, können Sie von den „verschiedenen Ebenen" dem Bundestag einmal eine Ebene nennen, auf der dies geschehen ist, und sagen, in welcher Form das war?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Das war auf der Ebene der NATO-Botschafter. Dann hat sich auch das Auswärtige Amt bei der amerikanischen Regierung bemüht, dies zu tun, und das Verteidigungsministerium ist dabei nicht untätig geblieben.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Würzbach.

Peter Kurt Würzbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002572, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, direkt hieran anknüpfend möchte ich fragen, wann die Bundesregierung erstmals von dem hier in Rede stehenden Beschluß des Kongresses erfahren und was sie unternommen hat.

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Herr Kollege Würzbach, die Initiative ist im Herbst 1981 sehr kurzfristig gestartet worden. Sobald dies bekannt geworden ist, hat die Bundesregierung ihre Initiativen auf unterschiedlichen Ebenen gestartet.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine weitere Zusatzfrage.

Peter Kurt Würzbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002572, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, welches sind die Gründe dafür, daß die Regierung darauf verzichtet hat, beispielsweise das Parlament, den Verteidigungsausschuß über diesen Kongreßbeschluß zu informieren und auch nach Amerika reisende Kollegen aus allen Fraktionen - das ist wenige Wochen her - speziell hierauf hinzuweisen?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Herr Kollege, es ist eine Einschätzung von Ihnen, daß hier ein Verzicht vorlag. ({0}) Wir waren der Meinung, daß die Art und Weise des Vorgehens der Bundesregierung in dieser Frage sachgerecht sei.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Würtz.

Peter Würtz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002571, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, hat der Verteidigungsattaché der Bundesrepublik Deutschland darüber berichtet, daß dieser Zusatz zum Haushaltsgesetz in Amerika in Vorbereitung war?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Ich kann im Moment nicht genau bestätigen, daß es der Verteidigungsattaché gewesen ist; aber wir sind über die bevorstehende Änderung des Haushaltsgesetzes 1982 unterrichtet worden.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 37 des Herrn Abgeordneten Gärtner auf: Plant die Bundesregierung, auf den Kauf des zweiten AWACS-Flugzeugs zu verzichten, wenn der Zusatz zum Haushaltsgesetz nicht aufgehoben wird, und welche Initiativen hat die Bundesregierung gegebenenfalls ergriffen, um auf eine Aufhebung des Beschlusses hinzuwirken?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Herr Kollege Gärtner, die Bundesregierung beabsichtigt, im AWACS-Programm wie geplant fortzufahren. Vertreter des Auswärtigen Amtes und des Bundesministers der Verteidigung sind mehrfach im State Department und im US-Verteidigungsministerium vorstellig geworden, um auf die negativen Folgen der beiden Gesetze hinzuweisen. Die Vorstellungen wurden mit unseren europäischen NATO-Partnern abgestimmt. Sie wurden im Dezember 1981 im NATO-Rat vom Ständigen Vertreter der Bundesrepublik Deutschland gemeinsam mit seinen europäischen NATO-Partnern vorgebracht. Die europäischen NATO-Botschafter haben Ende 1981 bei US-Außenminister Haig ihren Standpunkt nachdrücklich dargelegt.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Gärtner.

Klaus Gärtner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000627, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, aus welchen Gründen wird die Bundesregierung wie geplant an ihren Absichten festhalten, wenn, völlig ungeplant, der Partner nicht daran festhält?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Herr Kollege Gärtner, einmal zwingt uns das Programm dazu, dies zu tun, und im übrigen möchte ich von dieser Stelle aus behaupten, daß die vorgesehenen gesetzlichen Sperren die konkreten Maßnahmen, die Sie im Auge haben, kaum erfassen dürften.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Gärtner.

Klaus Gärtner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000627, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß der Vorgang, über den wir sprechen, d. h. der Kaufentscheid der Bundesrepublik Deutschland und damit auch die Erwartung, daß dieser Kaufentscheid mit seinen Bedingungen natürlich seinen Vollzug auch auf seiten des Partners findet, immerhin drei Jahre zurückliegt und sind Sie nicht auch der Auffassung, daß es zulässig wäre, auch in diesem Lande darüber nachzudenken, ob die Bedingungen nicht neu gefaßt werden müßten, wenn auf der anderen Seite eine entsprechende VerGärtner änderung der Bedingungen auf den Weg des Gesetzgebungsverfahrens gebracht worden ist?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Herr Kollege Gärtner, wir sind daran interessiert, daß beide Partner ihren Teil der Verpflichtungen erfüllen.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Zumpfort.

Dr. Wolf Dieter Zumpfort (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002609, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, könnten Sie sich vorstellen, daß eine Forderung nach vorläufigem Verzicht auf Auslieferung des zweiten AWACS-Flugzeuges vielleicht auch eine Unterstützung der Bundesregierung bedeutet, nämlich dahin gehend, daß der Beschluß von den Amerikanern wieder aufgehoben wird?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Herr Kollege Dr. Zumpfort, das könnte theoretisch sein. Aber es könnte auch sein, daß ein solches Verhalten kontraproduktiv wirkt.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Würzbach.

Peter Kurt Würzbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002572, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, meinen Sie nicht, daß ein rechtzeitiges Einschalten des Parlaments hätte helfen können, daß der Beschluß des amerikanischen Parlaments zügiger und vom Inhalt her umfassender zurückgenommen wird?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Herr Kollege Würzbach, soweit es das McDade-Amendment angeht, kann ich das kaum bestätigen, und zwar aus der besonderen Interessenlage heraus. Der übrige Akt greift j a in unsere Interessen nicht ein.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Auch.

Dieter Auch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000058, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ließe es die Vertragslage zu, auf den Kauf des zweiten Flugzeugs zu verzichten?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Das ist eine schwierige, nicht einfach zu beantwortende Frage. Das AWACS-Programm ist j a ein Programm der NATO, während es sich bei dem Kompensationsgeschäft um ein bilaterales Geschäft handelt.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Francke ({0}).

Klaus Francke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, sind Sie denn bereit, für die Zukunft sicherzustellen, daß die Bundesregierung bei möglichen Wiederholungen die betroffenen Ausschüsse dieses Hauses, aber auch Mitglieder internationaler Ausschüsse rechtzeitig informiert und sie bittet, in gleicher Weise tätig zu werden?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Wir sind daran interessiert, daß unsere Interessen durchgesetzt werden. Sie können davon ausgehen, daß wir auch künftig bemüht sind, unseren Interessen Geltung zu verschaffen.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Gobrecht.

Horst Gobrecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000695, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wäre es möglich, die von Ihnen vorhin als schwierig bezeichnete Frage meines Kollegen Auch nach Prüfung möglicherweise schriftlich zu beantworten?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Herr Kollege Gobrecht, ich glaube, ich habe die Frage beantwortet.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 38 des Abgeordneten Gärtner auf: War die Bundesregierung vor der Beschlußfassung des amerikanischen Kongresses über diese Initiative informiert, und welche Schritte hat sie unternommen, um die Initiatoren dieses Beschlusses auf die möglichen Folgen hinzuweisen?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Herr Kollege Gärtner, die beiden Zusätze im US-VerteidigungsAusgabenermächtigungsgesetz wurden sehr kurzfristig eingebracht. Sie waren der Bundesregierung vor Beschlußfassung des US-Kongresses bekannt. Sie hat ihre Bedenken zusammen mit den anderen ebenfalls betroffenen europäischen Ländern im State Department und im US-Verteidigungsministerium vorgetragen.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Gärtner.

Klaus Gärtner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000627, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, da es um Sondervereinbarungen zwischen zwei Partnern geht, frage ich Sie: Wenn nur zwei Partner an einem Vorgang beteiligt sind, ist es nicht gerade dann möglich, sehr viel schneller und gründlicher zu reagieren, die Motivationen der beiden Seiten auszuleuchten und jene Grundlage wiederherzustellen, die bestanden hat, als es damals zu einem Vertragsabschluß gekommen ist?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß sie in dieser Frage so reagiert hat, wie es die Notwendigkeit geboten hat.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Gärtner.

Klaus Gärtner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000627, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Kann ich davon ausgehen, daß es der Bundesregierung möglich ist zuzugestehen, daß ein Parlament diese Frage anders beantwortet?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Es ergibt sich aus der Natur der Sache, daß das Parlament manchmal anderer Auffassung als die Regierung sein kann.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Francke ({0}).

Klaus Francke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, da Herr Staatssekretär Leister gestern im Verteidigungsausschuß schon das Versäumnis der Nichtunterrichtung der Ausschüsse zugegeben hat, darf ich Sie jetzt fragen: Wie bewertet die Bundesre5172 Francke ({0}) gierung die Tatsache - und welche Gründe haben vorgelegen -, daß erst am 13. Januar dieses Jahres ein erster Brief an Herrn Weinberger geschrieben worden ist, daß der Botschafter der Bundesrepublik beim Besuch des Bundeskanzlers in den USA diesen nicht auf den Umstand aufmerksam gemacht hat und seinerseits nach einer Auskunft Ihres Hauses erstmalig am 9. Februar 1982 im amerikanischen Kongreß vorstellig geworden ist?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Herr Kollege, ich habe wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß es verschiedene Initiativen auf verschiedener Ebene - ich habe sie detailliert aufgeführt - gegeben hat. Wir sind der Meinung, daß diese Initiativen der Sache entsprochen haben.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Keine weiteren Zusatzfragen mehr. Die Fragen 39 und 40 des Abgeordneten Wimmer ({0}) werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe die Frage 41 des Abgeordneten Stutzer auf: Hält es die Bundesregierung im Hinblick auf die Größenordnung des dänischen Verteidigungsbeitrags und auf die Notwendigkeit der gemeinsamen Verantwortung für angemessen, daß ab April alle fünf Kommandostellen der NATO im Bereich der Ostseeausgänge von dänischen Offizieren besetzt werden, oder wird sie sich noch darum bemühen, eine in der Sache abgewogene Kommandobesetzung auszuhandeln?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Herr Kollege Stutzer, von den fünf angesprochenen Kommandostellen stehen Dänemark auf Grund einer Vereinbarung von 1961 ständig die Besetzung des Dienstpostens des Befehlshabers Ostseezugänge ({0}) und des Befehlshabers der Landstreitkräfte in Seeland ({1}) zu. Die Dienstposten der Befehlshaber LANDJUT, AIRBALTAP und NAVBALTAP werden im Wechsel zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Dänemark besetzt. Für den Zeitraum vom 1. April 1982 bis 1. April 1983 werden auf Grund von Personalführungsmaßnahmen, die in enger Absprache zwischen beiden NATO-Partnern und nach Abstimmung im Bundesministerium der Verteidigung getroffen wurden, diese Kommandostellen dänisch besetzt. Vom 1. April 1985 bis 1. April 1986 werden deutsche Offiziere diese Dienstposten innehaben. Ich weise darauf hin, daß dem dänisch/deutschen Befehlshaber jedoch stets ein deutsch/dänischer Chef des Stabes zur Seite steht.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Zusatzfrage des Abgeordneten Stutzer, bitte.

Hans Jürgen Stutzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002283, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, könnten Sie mir für diesen Bereich sagen, wieviel dänische und deutsche Soldaten und wieviel deutsche und dänische Marine- und Marinefliegereinheiten unter diesem Kommando stehen?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Herr Kollege Stutzer, ich habe dem Text Ihrer Frage entnehmen können, daß Sie das Gewicht des einen Partners gegenüber der Bedeutung des anderen Partners aufwiegen wollen. Ich halte einen solchen Vergleich im Interesse der NATO nicht für richtig.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Weitere Zusatzfrage, bitte.

Hans Jürgen Stutzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002283, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, könnten Sie darstellen, welche wesentliche Rolle gerade die deutschen Streitkräfte für den Schutz der dänischen Inseln und Jütlands spielen?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Unsere Streitkräfte spielen sicherlich eine bedeutende Rolle. Es ist nicht zu leugnen, daß Dänemark eine seinen Kräften entsprechende Rolle spielt.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Würzbach.

Peter Kurt Würzbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002572, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist die erwähnte Vereinbarung von 1961 antastbar? Will man in Verhandlungen gehen, sie möglicherweise ein wenig zu modifizieren, oder werden ähnliche Überlegungen überhaupt nicht angestellt?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Wir beabsichtigen nicht, diese Vereinbarung zur Disposition zu stellen.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Danke, Herr Staatssekretär. Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Zander zur Verfügung. Ich rufe die Frage 42 der Frau Abgeordneten Zutt auf: Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse über unterschiedliche Krankheitsanfälligkeit bei männlichen und weiblichen Erwerbspersonen vor?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Frau Kollegin Zutt, der Bundesregierung liegen keine gesicherten Erkenntnisse über unterschiedliche Krankheitsanfälligkeiten bei männlichen und weiblichen Erwerbspersonen vor. Insbesondere lassen sich aus den Statistiken der Krankenkassen über den Krankenstand der Pflichtmitglieder, die für Frauen in der Regel einen geringeren Krankenstand als für Männer ausweisen, solche Erkenntisse nicht ableiten, da mögliche unterschiedliche Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen in der Statistik nicht berücksichtigt werden.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Zusatzfrage, Frau Abgeordnete, bitte sehr.

Ruth Zutt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002611, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Haben Sie Informationen darüber, daß in einzelnen Bundesländern sehr wohl Zahlen über unterschiedliche Anfälligkeiten vorliegen?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Frau Kollegin Zutt, weil in der Frage auf eine Gesamtbeurteilung abgezielt ist, habe ich keine regionalen Untergliederungen der Zahlen zur Hand. Ich würde mich aber bemühen, sie zu besorgen, und kann die Angaben vielleicht schriftlich nachreichen.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Zu einer Zusatzfrage Frau Will-Feld.

Waltrud Will-Feld (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002515, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, gibt es zu diesem Problem denn wissenschaftliche Untersuchungen, die man bei der Diskussion dieses Themas wirklich ernsthaft heranziehen könnte? Sind Ihnen solche Untersuchungen bekannt?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Auch danach war nicht gefragt. Aber ich bin gern bereit, auch festzustellen, ob es solche Untersuchungen gibt. Ich bin darüber deshalb nicht informiert, weil es in die Zuständigkeit des Bundesarbeitsministers fallen würde; denn die Zahlen über die Krankenversicherung und die Krankheitsfälle stehen dort zur Verfügung. Aber ich nehme an, daß es darüber auch Literatur gibt. Ich mache Ihnen das gern zugänglich.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Keine Zusatzfrage mehr. Ich rufe die Frage 43 der Abgeordneten Frau Zutt auf: Gibt es darüber hinaus unterschiedliche Anfälligkeiten zwischen Männern und Frauen bei statistisch relevanten Krankheiten?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Frau Kollegin Zutt, umfassende Erhebungen über den Gesundheitszustand der gesamten Bevölkerung werden in der Bundesrepublik nicht durchgeführt. Eine Morbiditätsstatistik, also eine Statistik der Krankheitsfälle, gibt es nicht. Im übrigen finden sich in der wissenschaftlichen Literatur zu einzelnen Erkrankungen reichlich Angaben über unterschiedliche Anfälligkeit, die aber im Rahmen einer solchen Antwort nicht dargelegt werden können. Es ist aber möglich, auf Grund der Ergebnisse des Mikrozensus, einer Befragung der Haushalte auf repräsentativer Basis, die im April 1978 durchgeführt wurde und die sich zudem auf die subjektiven Angaben der Befragten stützt, Angaben über Unterschiede in der Häufigkeit des Auftretens von Krankheiten zwischen Männern und Frauen zu machen. Nach den Ergebnissen des Mikrozensus 1978 haben die Männer eine insgesamt niedrigere Krankheitshäufigkeit als die Frauen. Die Zahlen, auf 10 000 Einwohner bezogen, lauten: bei Männern 1296, bei Frauen 1650. Gleichwohl ist die Krankheitshäufigkeit der Männer bei einzelnen Krankheitsarten höher als die der Frauen.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Zusatzfrage, bitte schön.

Ruth Zutt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002611, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Haben Sie schon Unterlagen oder Zahlen zu einzelnen Krankheiten - ich sprach von „statistisch relevanten Krankheiten" -, aus denen z. B. hervorgeht, ob es Unterschiede gibt bei Bronchialkrankheiten, Asthma und anderen Krankheiten?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Ja. Ich kann Ihnen einige Krankheiten nennen, bei denen Frauen eine höhere Krankheitshäufigkeit haben als Männer. Das sind z. B. Diabetes mellitus, Grippe, die Krankheiten des Skeletts, der Muskeln und des Bindegewebes, Gelenk- und Wirbelentzündungen und ähnliches. Es gibt aber auch Krankheiten, bei denen die Krankheitshäufigkeit umgekehrt verteilt ist. Ich muß Sie da auf die Literatur verweisen, in der es für die einzelnen Krankheiten dargestellt ist.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Zweite Zusatzfrage, bitte, Frau Abgeordnete.

Ruth Zutt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002611, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Geben die Ihnen vorliegenden Zahlen Anlaß, anzunehmen, daß die Anfälligkeit zu Krankheiten ein Grund für Nichteinstellung von Frauen in gewisse Berufe sein kann?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Dafür kann ich aus den vorliegenden Zahlen überhaupt keinen Anhaltspunkt erkennen.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Gerster.

Dr. h. c. Johannes Gerster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000671, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, gibt es bei diesen partiellen Untersuchungen, die ja auch Gegenstand der Überprüfungen der Enquetekommission Frau und Gesellschaft waren, Erkenntnisse darüber, ob ein Kausalzusammenhang zwischen der Krankheitsanfälligkeit bei Frauen und der Tatsache besteht, daß sie im produktiven Bereich in der Regel den unteren Einkommensschichten angehören und entsprechend auf schwierigeren Arbeitsplätzen - was die Gesundheitsbelastung an: geht - beschäftigt werden?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Ich bin sicher, daß die Statistik relevante Zusammenhänge zwischen Krankheitshäufigkeit und beruflicher Belastung ausweist. Nur kann ich Ihnen das jetzt nicht vortragen.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 44 des Abgeordneten Dr. Meyer zu Bentrup auf: Liegen der Bundesregierung Untersuchungen und Erfahrungsberichte über die stetige Zunahme von Unterhaltungsautomaten vor, die an für jedermann frei zugänglichen Stellen aufgestellt sind und somit eine Gefährdung für Kinder und Jugendliche mit sich bringen können?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Herr Kollege, ich gehe davon aus, daß Sie sich in Ihrer Frage auf Videounterhaltungsgeräte moderner Bauart beziehen, wie sie seit relativ kurzer Zeit auf dem Markt sind. Offizielle Zahlen sind der Bundesregierung nicht bekannt. Pressemeldungen aus jüngster Zeit nennen für 1975 eine Zahl von 5 000, für 1979 eine Zahl von 20 000 und für 1980 eine Zahl von 50 000 in der Bundesrepublik aufgestellter Geräte dieser Art.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, kann die Bundesregierung Berichte bestätigen, nach denen Kinder und Jugendliche an derartigen Unterhaltungsautomaten höhere Beträge - genannt werden bis 1 000 DM - verspielen? So bekommen wir es in Berichten von Familienverbänden zugetragen.

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Ich habe vor wenigen Tagen in der Fragestunde hier über den Zusammenhang zwischen Spielen an solchen Geräten und Folgekriminalität Auskunft gegeben. Danach ergibt sich nicht, daß uns eine nennenswerte Zahl von Fällen bekannt ist, aus denen hervorgeht, daß erhebliche Beträge verspielt werden oder Kinder anschließend zu kriminellen Handlungen neigen; wir sind da auf die Angaben angewiesen, die die Länder uns zur Verfügung stellen. Im übrigen habe ich auch schon in der Fragestunde der 54. Sitzung auf Fragen des Herrn Abgeordneten Vogelsang die Haltung der Bundesregierung zu diesem ganzen Komplex, zu solchen Geräten ausführlich dargestellt.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Fragen 45 und 46 des Abgeordneten Graf von Waldburg-Zeil. - Der Fragesteller ist nicht im Saal. Der Fragesteller der Fragen 47 und 48, der Abgeordnete Wolfram ({0}), hat um schriftliche Beantwortung seiner Fragen gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe die Frage 49 des Abgeordneten Stutzer auf: Wie will die Bundesregierung künftig verhindern, daß tiefgefrorene Lebensmittel, wie Fleisch und Fische, importiert und auf den Markt gebracht werden, die nach den deutschen Verbraucherschutzbestimmungen nicht verkauft werden dürften, oder sieht sich die Bundesregierung nicht in der Lage, ein Verfahren aufzuzeigen, das bei importierten Lebensmitteln dem Verbraucher so wie bei deutschen Lebensmitteln einen ausreichenden Schutz bietet?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Herr Abgeordneter Stutzer, jede Fleischsendung, auch die von tiefgefrorenem Fleisch, unterliegt bei der Einfuhr einer Stichprobenuntersuchung auf Rückstände auf Grund fleischbeschaurechtlicher Vorschriften. Andere tiefgefrorene Lebensmittel wie Fisch unterliegen bei der Einfuhr den allgemeinen lebensmittelrechtlichen Vorschriften. Eine Kontrolle jeder Partie oder Sendung auf alle denkbaren unerlaubten Zusätze und Rückstände ist weder bei der inländischen Erzeugung noch bei der Einfuhr durchführbar. Besteht jedoch - wie im vorliegenden Fall bei Aalen aus den USA und Kanada - ein bestimmter Verdacht, so können gezielte Maßnahmen nach § 48 des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes getroffen werden.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Zusatzfrage des Abgeordneten Stutzer, bitte sehr.

Hans Jürgen Stutzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002283, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, das heißt, daß Sie den zweiten Teil meiner Frage mit Ja beantworten?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Ich muß mir den zweiten Teil Ihrer Frage noch einmal vergegenwärtigen. - Nein, keineswegs. Ich kann das nicht bejahen. Die Bundesregierung hat, was den Fall dieser Aale angeht, unmittelbar nach Bekanntwerden solcher Fälle die obersten Landesveterinärbehörden gebeten, eine verstärkte Untersuchung von Aalen aus den USA und Kanada durchführen zu lassen. Die Zolldienststellen sind unverzüglich angewiesen worden, solche Importe besonders zu kontrollieren. Gegenwärtig wird keine Partie in die Bundesrepublik eingeführt, die nicht stichprobenartig untersucht wird. Die Vorschriften hier sind nach meiner Überzeugung ausreichend. Die Durchführung ist, nachdem ein bestimmter Verdacht aufgetreten ist, intensiviert worden. Zur Zeit werden die Verbraucher in der Bundesrepublik vor dem Import solcher kontaminierter Aale ausreichend geschützt.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Stutzer.

Hans Jürgen Stutzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002283, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, warum wird dann bis heute nicht verhindert, daß massenweise Konserven, z. B. aus exotischen Ländern, hereinkommen, bei denen schon dem Etikett zu entnehmen ist, daß sie z. B. bei uns verbotene Konservierungsstoffe enthalten?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Also, wenn das der Fall ist, werden sie überprüft, und wenn sich der Verdacht bestätigt, werden sie auf dem inländischen Markt nicht zugelassen.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Keine weiteren Zusatzfragen mehr. Ich rufe die Frage 50 des Abgeordneten Sielaff auf: Ist die Beurteilung der Auswirkungen von Asbest in Getränken oder die Verwendung von Asbestfiltern nur in beschränktem Umfang möglich, und stimmt es, daß sich die Aussagen über Asbest in Getränken, insbesondere im Wein, im wesentlichen auf im Ausland erarbeitete Daten stützen?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Herr Abgeordneter Sielaff, bisher sind mir keine gesundheitsschädlichen Auswirkungen von Asbest durch den Verzehr von Lebensmitteln, sondern nur solche durch die Aufnahme von Asbeststäuben über die Atemwege bekanntgeworden. Untersuchungen in der Bundesrepublik Deutschland haben ergeben, daß die sachgemäße Sterilfiltration von Getränken mit neuzeitlichen Asbestfiltern den Gehalt an Asbestfasern nicht erhöht, sondern sogar noch vermindern kann. Aus dem Ausland liegen keine anderen Erkenntnisse vor.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Zusatzfrage? - Bitte sehr.

Horst Sielaff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002172, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wird das Vorhandensein von Asbeststaub in filtrierten Getränken in der Bundesrepublik Deutschland demnach ständig untersucht, oder in welchem Umfang wird es untersucht?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Ich kann Ihnen den Umfang der Untersuchungen zwar nicht nennen, aber daß solche Untersuchungen ständig stattfinden, kann ich Ihnen bestätigen.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Keine Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 51 des Abgeordneten Sielaff auf: Ist von seiten der Bundesregierung geplant, die Verwendung von Asbestfiltern, insbesondere auch für Getränke, in absehbarer Zeit zu untersagen?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Herr Abgeordneter Sielaff, zur Zeit finden bei der EG Beratungen mit dem Ziel statt, das Inverkehrbringen von asbesthaltigen Erzeugnissen zu beschränken. Es kann davon ausgegangen werden, daß aus Gründen des Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz restriktive Vorschriften für die asbestverarbeitende Industrie getroffen werden. Dies würde auch dazu führen, daß die Produktion von Asbestfiltern verringert und ihre Anwendung in der Lebensmittelindustrie eingeschränkt wird.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Zusatzfrage? - Bitte sehr.

Horst Sielaff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002172, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß es bereits seit einiger Zeit asbestfreie Filtrationsprodukte gibt, die den asbesthaltigen in ihrer Leistungsfähigkeit nicht nachstehen? Zander, Parl Staatssekretär: Das kann ich nicht bestätigen, sondern nach den mir vorliegenden Unterlagen ist es so, daß die Verwendung von modernen Asbestfiltern das Hineingelangen von Asbeststaub in Lebensmittel, Nahrungsmittel, Getränke vermindert und nicht erhöht. Ich habe Sie auf die Überlegungen in Brüssel verwiesen, die dahin zielten, insgesamt in der Industrie die Verwendung von Asbest zu reduzieren, was dazu führt, daß Asbeststäube in der Atemluft und der gesamten Umwelt verringert werden können. Das ist, glaube ich, der entscheidende Punkt, den man hier im Auge haben muß.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Zweite Zusatzfrage, bitte, Herr Abgeordneter Sielaff.

Horst Sielaff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002172, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, inwieweit kann die Bundesregierung schon jetzt darauf hinwirken, daß Asbestfilter bei der Filtration von Getränken etwa durch Zellulosefilter ersetzt werden?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Ich glaube, daß erst dann der Zeitpunkt erreicht ist, wenn wirklich feststeht, daß Substitutionsfilter eine bessere Wirkung erzielen. Das wäre sicher der Zeitpunkt. Aber nach den mir vorliegenden Unterlagen ist es noch nicht soweit. Im übrigen wollen wir zunächst einmal abwarten, was die Beratungen in Brüssel zu einer neuen Richtlinie auf diesem Feld ergeben.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Herr Abgeordneter Dolata, wollten Sie eine Zusatzfrage stellen? - Bitte sehr.

Werner Dolata (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000402, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen die Aussage des Herrn Bundesinnenministers bekannt, wonach sich die Asbestindustrie freiwillig verpflichtet hat, in den nächsten drei bis fünf Jahren etwa 30 bis 50% der Asbestzusätze zu reduzieren, und trifft diese Aussage auch auf die Produktion von Filtern, die jetzt hier zur Debatte stehen, zu?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Herr Abgeordneter, diese Aussage ist mir sehr wohl bekannt. Ich begrüße auch, daß es gelungen war, auf freiwilliger Grundlage eine Reduktion herbeizuführen. Der entscheidende Punkt aber ist, daß Schädigungen nur durch Asbeststäube in der Atemluft auftreten und nachgewiesen sind und daß bei der Filtration von Getränken eben diese Stäube in der Atemluft nicht vergrößert, sondern verringert werden, weshalb bei Filtern ein ganz anderes Problem zu sehen ist. Daß insgesamt weniger Asbest in unsere Umwelt und Luft kommt, ist sehr zu begrüßen.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Keine Zusatzfrage mehr. Ich rufe die Frage 52 des Abgeordneten Gobrecht auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die Werbung der pharmazeutischen Industrie für Medikamente allgemein und im besonderen bei der Werbung für Kopfschmerztabletten, wenn für die Einnahme solcher Tabletten auf angebliche gute Verträglichkeit besonders hingewiesen wird?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Herr Abgeordneter Gobrecht, Arzneimittel sind keine harmlosen Verbrauchsgüter; das gilt erst recht für eine Einnahme über längere Zeit. Aus diesem Grunde verbietet das Heilmittelwerbegesetz jede Werbung, die fälschlich den Eindruck erweckt, daß bei bestimmungsgemäßem oder längerem Gebrauch keine schädlichen Wirkungen eintreten. Kopfschmerzmittel müssen darüber hinaus wie alle Schmerzmittel nach Maßgabe der arzneimittelrechtlichen Vorschriften den ausdrücklichen Hinweis tragen, daß sie nicht ohne ärztlichen oder zahnärztlichen Rat längere Zeit oder in höheren Dosen angewendet werden sollen. Jede Werbung, auch die in audiovisuellen Medien, muß diese Warnhinweise wiedergeben und darüber hinaus die Nebenwirkungen darstellen.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Zusatzfrage des Abgeordneten Gobrecht, bitte.

Horst Gobrecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000695, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, hält es die Bundesregierung nicht für konkret erwägenswert, überhaupt Werbung für Medikamente zu verbieten, weil doch alle Medikamente Nebenwirkungen haben, zumindest aber für die, die besonders schädliche Nebenwirkungen haben, worüber in der allgemeinen wie in der Fachpresse hinlänglich berichtet wird?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Herr Abgeordneter, ein generelles Verbot der Arzneimittelwerbung würde dem Informationsbedürfnis der Ärzte nicht entsprechen. Auch würde es dem grundsätzlich anzuerkennenden Recht jedes Bürgers auf Selbstbehandlung und dem daraus folgenden Interesse an sachgerechter Information über geeignete Arzneimittel nicht entsprechen und Probleme im Hinblick auf das Recht der Arzneimittelhersteller aufwerfen, im Rahmen der Berufsausübung Fachkreise und Verbraucher über ihre Erzeugnisse zu unterrichten. Ich denke, daß der richtige Weg nicht das generelle Verbot ist, sondern die Verpflichtung, Werbung in dem bestimmten zulässigen Rahmen mit den entsprechenden Auflagen und Informationen der Verbraucher zu betreiben.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Weitere Zusatzfrage, bitte schön.

Horst Gobrecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000695, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, warum verbinden Sie die Information der Ärzte mit der allgemeinen Werbung - dies leuchtet mir nicht ganz ein -, und hält es die Bundesregierung nicht für ausreichend, wenn in medizinischen Fachzeitschriften entsprechend über neue Medikamente mit all ihren Wirkungen und Nebenwirkungen informiert wird, aber die allgemeine Werbung untersagt wird, weil sie ein Anreiz ist, Medikamente einzunehmen?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Herr Abgeordneter, für verschreibungspflichtige Arzneimittel ist das, was Sie beschreiben, geltendes Recht: Werbung für Fachleute, für Fachkreise.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 53 des Abgeordneten Gobrecht auf: Hält die Bundesregierung angesichts der vielfachen Hinweise auf schädliche Nebenwirkungen langjähriger Einnahme beispielsweise von Kopfschmerztabletten ein allgemeines Verbot der Werbung für Medikamente, zumindest aber ein Verbot der Behauptung guter Verträglichkeit von Tabletten, für notwendig oder wenigstens erwägenswert?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Herr Abgeordneter, wie die Bundesregierung bereits in der Beantwortung der Frage des Abgeordneten Eickmeyer am 29. Dezember 1981 ausgeführt hat, beabsichtigt sie zur Zeit nicht, ein allgemeines Verbot der Werbung für Arzneimittel vorzuschlagen. Das Gesetz über die Werbung auf dem Gebiet des Heilwesens enthält insbesondere für die Werbung außerhalb der Fachkreise, die sogenannte Publikumswerbung, umfangreiche Verbote und Beschränkungen, die unter Abwägung aller Interessen aller Beteiligten dem Gesundheitsschutz Rechnung tragen. Soweit Kopfschmerzmittel der Verschreibungspflicht unterliegen, darf für sie bereits nach geltendem Recht außerhalb der Fachkreise nicht geworben werden; das habe ich Ihnen soeben bereits gesagt.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Zusatzfrage, bitte.

Horst Gobrecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000695, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, halten Sie es denn tatsächlich für ausreichend und wirksam, daß auf Packungen kleingedruckt auf schädliche Nebenwirkungen hingewiesen wird, und halten Sie es für ausreichend, daß z. B. bei der Werbung für Kopfschmerztabletten ganz kurze Einblendungen ähnlichen Inhalts im Fernsehen gemacht werden, die man kaum zur Kenntnis nehmen kann?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Herr Abgeordneter, hier handelt es sich jetzt wiederum um nicht verschreibungspflichtige Schmerzmittel, wie ich aus Ihrer Frage vermuten muß. Hier kann ich Sie noch einmal darauf verweisen, daß es strenge Vorschriften für diese Werbung gibt und daß jeder Verstoß dagegen einen Strafrechtstatbestand erfüllt und entsprechend verfolgt werden kann.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Zweite Zusatzfrage.

Horst Gobrecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000695, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, halten Sie dann nicht unter dem Gesichtspunkt, daß so viele schädliche Nebenwirkungen veröffentlicht werden, wenigstens eine volle Rezeptpflicht für alle Medikamente - bis auf die Medikamente, die mehr psychologischen Charakter haben - für sinnvoll?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Auf die Abwägung, wo die Grenze zum „psychologischen Charaker" bei Arzneimitteln liegt, will ich mich hier nicht einlassen, aber die Voraussetzungen für die Entscheidung darüber, welche Medikamente der Rezeptpflicht unterliegen, sind sehr streng im Arzneimittelgesetz geregelt. Die Entscheidung wird vom Bundesgesundheitsamt unter Hinzuziehung der entsprechenden Fachkreise getroffen; das ist ja letzten Endes keine politische, sondern eine pharmakologische, medizinische Entscheidung. Es mag im Einzelfall immer einen Streit darüber geben, ob es nicht zweckmäßiger wäre, ein Medikament in die Verschreibungspflicht zu überführen - das geschieht ja auch laufend; hier sind dauernd Veränderungen im Gange -; dennoch bleibt es bei einem gewissen Teil, der frei vertrieben werden kann. Dafür gelten die von mir genannten Vorschriften, Verbote und Beschränkungen.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Keine Zusatzfragen mehr. Ich rufe die Frage 54 des Abgeordneten Marschall auf: Welche Entwicklung des Drogenmißbrauchs ist 1981 nach den Erkenntnissen der Bundesregierung festzustellen, und wie wird die weitere Entwicklung vor dem Hintergrund der neuesten Mitteilungen des Suchtstoffkontrollamts der Vereinten Nationen eingeschätzt?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Herr Kollege Marschall, es gibt einige Anzeichen dafür, daß sich die Drogensituation im Jahre 1981 im Vergleich zu früheren Jahren leicht entspannt hat. Die Zahl der Drogentodesfälle belief sich auf 360 gegenüber 494 im Vorjahr und 623 im Jahre 1979. Die von den Drogenbeauftragten der Länder angegebenen Schätzzahlen über den Bestand „harter Konsumenten", überwiegend Opiatabhängiger, ist ebenfalls gegenüber dem Vorjahr von über 50 000 auf rund 45 000 gesunken. Mit diesen beiden Trends stimmt überein, daß auch die Zahl der polizeilich erfaßten drogenabhängigen Ersttäter mit 4 736 in 1981 deutlich niedriger lag als im Vorjahr mit 6 856, desgleichen die der Wiederholungstäter mit 6 037 gegenüber 9 920 im Vorjahr. Auffällig ist der steigende Konsum an unterschiedlichen Ersatzdrogen. Obwohl alle erfaßten Meßpunkte auf einen Abwärtstrend hinweisen, ist aus der letztgenannten Feststellung abzulesen, daß die Situation weiterhin labil ist und auch wieder umkippen kann, wenn etwa eine erneute Heroinschwemme kommen sollte, wie dies nach den Mitteilungen des UN-Suchtstoffamtes über die zu erwartenden Opiumernten nicht auszuschließen ist. Gerade deshalb müßten die getroffenen Maßnahmen sowohl im Bereich der Prävention wie bei der repressiven Gefahrenabwehr mit gleicher Intensität wie bisher fortgeführt werden.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Zusatzfrage, bitte, Herr Abgeordneter Marschall.

Manfred Marschall (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001423, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, kann für den Bereich des Alkoholmißbrauchs eine ähnliche Entwicklung angenommen werden wie die, die Sie vorhin dargestellt haben?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Herr Abgeordneter, das kann ich im Augenblick nicht sagen, weil ich über Alkoholabhängigkeit zur Zeit keine Zahlen zur Verfügung habe.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Keine Zusatzfrage mehr, Herr Abgeordneter Marschall? Zusatzfrage des Abgeordneten Berger.

Markus Berger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000150, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, treffen Informationen zu, daß es insbesondere immer jüngere Menschen, immer jüngere Kinder und Jugendliche sind, die von den Drogenhändlern zum Gebrauch, zum Mißbrauch von Drogen verführt werden, und ist dies nicht eine weitere besondere Gefahr?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Das Einstiegsalter bei Drogenabhängigkeit hat sich nicht weiter nach unten verlagert, wie wir das in früheren Jahren leider beobachten mußten.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 55 des Abgeordneten Marschall auf: Hat die Bundesregierung Informationen, die darauf schließen lassen, daß für das am 1. Januar 1982 wirksam gewordene Betäubungsmittelgesetz in den Ländern die Voraussetzungen zur Umsetzung des Grundsatzes Therapie vor Strafe in der Praxis geschaffen wurden, bzw. in welchen Bereichen sind Umsetzungsdefizite zu befürchten?

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Herr Abgeordneter, der Bundesregierung liegen keine Informationen vor, aus denen auf Defizite bei der Durchführung der Therapiebestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes 1982 geschlossen werden kann. Die Länder haben, soweit erkennbar, die notwendigen Maßnahmen getroffen, um die im Gesetz vorgesehenen Therapiemöglichkeiten sicherzustellen. So wurde im Ständigen Arbeitskreis der Drogenbeauftragten einstimmig ein Votum verabschiedet, mit dem die Grundsätze für eine staatliche Anerkennung von Therapieeinrichtungen für Drogenabhängige bestimmt werden. Alle Bundesländer sind derzeit dabei, rechtliche Regelungen auf dieser Basis zu vollziehen. Es ist überall Vorsorge getroffen, mittels vorläufiger Listen der wahrscheinlich später anzuerkennenden Einrichtungen den Gerichten Gelegenheit zu geben, straffälligen Drogenabhängigen die Therapie zu ermöglichen. Es steht zu erwarten, daß mit diesen vorläufigen Regelungen in allen Einzelfällen eine Überbrückung sichergestellt wird, um schon jetzt in jedem Einzelfall die Therapie sicherzustellen, wo dies dem Gericht angezeigt erscheint.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Keine weiteren Zusatzfragen. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Becker zur Verfügung. Ich rufe die Frage 74 des Herrn Abgeordneten Pfeffermann auf: Treffen Meldungen in der „Welt" vom 27. Januar 1982 zu, wonach bei der Neuvergabe des Postwerbeetats von insgesamt rund 85 Millionen DM für 1983 nur ausländische Agenturen zur Präsentation aufgefordert wurden, und welche waren dies?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident, wenn Sie gestatten und der Herr Kollege Pfeffermann einverstanden ist, würde ich die beiden Fragen des Herrn Kollegen Pfeffermann wegen des Sachinhalts gern zusammenfassend beantworten.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Der Fragesteller ist einverstanden. Dann rufe ich noch die Frage 75 des Herrn Abgeordneten Pfeffermann auf: Gibt es keine deutschen mittelständischen Werbeagenturen, die so leistungsfähig sind, daß sie - mit Ausnahme sogenannter Minietats ({0}) - für einen Auftrag der Deutschen Bundespost in Frage kommen?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege Pfeffermann, der Ansatz der Deutschen Bundespost für Pressearbeit, Public Relations und Werbung beträgt für das Jahr 1982 84 Millionen DM. Die Mittel für die hier angesprochene Werbung belaufen sich jedoch nur auf 40 Millionen DM. Zutreffend ist die Meldung, daß sechs Werbeagenturen zu einer Wettbewerbspräsentation aufgefordert wurden, die teils unmittelbar zu ausländischen Unternehmen gehören, teils selbständige ausländische Tochterunternehmen sind. Diese sechs Werbeunternehmungen wurden aus einem Kreis von 24 Agenturen, denen auch mittelständische Unternehmen angehörten, ausgewählt, und zwar auf Grund eines objektivierten Auswahlverfahrens, das auf den Regelungen der von allen öffentlichen Auftraggebern anzuwendenden Verdingungsordnung für Leistungen beruht. Die Namen der Agenturen dürfen gemäß § 18 Nr. 9 der VOL, Teil A jedoch nicht mitgeteilt werden. Es ist bei der Vergabe eines Werbeetats weder üblich und zweckmäßig noch von der Verdingungsordnung für Leistungen her vorgesehen, eine noch größere Zahl von Agenturen zur Abgabe einer Wettbewerbspräsentation aufzufordern. Aus dem Auswahlverfahren der Deutschen Bundespost ist nicht abzuleiten, daß alle übrigen Werbeagenturen generell nicht leistungsfähig sind. Bei der Wertung der Angebote mit Vorauswahlverfahren hat sich allerdings gezeigt, daß größere Agenturen den Werbeetat der Deutschen Bundespost besser betreuen können. Im übrigen ist anzumerken, daß für die ebenfalls vorgesehene Vergabe der Leistungen im Bereich der Public Relations mittelständische Agenturen aufgefordert wurden. Das geschieht nicht zuletzt deshalb, um auch diesen Agenturen entsprechende Wettbewerbschancen einzuräumen. Da sich der Etat für Public Relations - neben dem Philatelie-Etat von rund 2 Millionen DM - in einer Größenordnung zwischen 6 und 8 Millionen DM bewegt, kann von einem Minietat in diesem Fall nicht die Rede sein.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Pfeffermann, bitte.

Gerhard O. Pfeffermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001702, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, welches Gremium hat diese Auswahl der Agenturen getroffen, und welche Kriterien waren denn bei der Auswahl der Agenturen entscheidend?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege Pfeffermann, ich weiß nicht, welches Gremium die Auswahl getroffen hat. Ich kann Ihnen nur sagen, daß sich die Auswahlkriterien im wesentlichen auf die Leistungsfähigkeit der Unternehmen beziehen und daß in Übereinstimmung mit dem Bundesrechnungshof der gesamte Werbeetat nur an eine einzige Agentur vergeben wurde, um - trotz unterschiedlicher Werbeformen - ein einheitliches Erscheinungsbild der Deutschen Bundespost sicherzustellen.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine weitere Zusatzfrage, bitte schön.

Gerhard O. Pfeffermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001702, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darf ich in diesem Zusammenhang fragen, ob es in den letzten zehn Jahren schon so war, daß die Deutsche Bundespost nur mit der Agentur Lintas und einer Schweizer Agentur zusammengearbeitet hat, obwohl dies vom Bundesrechnungshof und auch innerbetrieblich gerügt wurde.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege Pfeffermann, ich will mich noch einmal darauf beziehen, daß in der Verdingungsordnung für Leistungen ausdrücklich steht, daß die Namen der Werbeagenturen nicht öffentlich genannt werden dürfen. Deswegen möchte ich auch diese Frage nicht beantworten.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Pfeffermann, bitte.

Gerhard O. Pfeffermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001702, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Dann darf ich die Frage so wiederholen: Trifft es zu, daß in den letzten zehn Jahren nur zwei Agenturen damit beauftragt wurden?

Not found (Staatssekretär:in)

Meines Wissens ja.

Gerhard O. Pfeffermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001702, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Halten Sie dies für gerechtfertigt angesichts der Tatsache, daß die Bundesregierung doch gerade in letzter Zeit immer wieder dazu aufgefordert hat, die mittelständische Wirtschaft besonders zu fördern, und warum wird bei der Deutschen Bundespost dem nicht entsprochen?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege Pfeffermann, ich will noch einmal darauf verweisen, daß es j a um zwei Etats geht: der eine ist der Werbeetat, der andere ist der Etat für Public Relations. Ich habe eben schon ausgeführt, daß in einem gewissen Maße natürlich auch an die mittelständischen Agenturen Auftragsvergaben vorgenommen werden, die ({0}) über die notwendige innerbetriebliche Substanz verfügen.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Zusatzfrage des Abgeordneten Neuhaus.

Alfred Hubertus Neuhaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001590, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß den an der Ausschreibung beteiligten Agenturen ein doch sehr hochnotpeinlicher Fragebogen übersandt wurde, der fast an Inquisition erinnert?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege Neuhaus, ich kenne diesen Fragebogen nicht. Ich will mich aber gern sachkundig machen und bin auch bereit, mit Ihnen noch einmal darüber zu sprechen. ({0})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Zweite Zusatzfrage? - Bitte sehr.

Alfred Hubertus Neuhaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001590, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, glauben Sie wirklich, daß nur größere und, wie von Ihnen bestätigt, auch nur ausländische größere Agenturen in der Lage sind, kreativ für die Deutsche Bundespost zu arbeiten, und ist unter diesem Aspekt die Auswahl der an der Ausschreibung beteiligten Agenturen nicht doch nicht ganz sachgerecht oder in der Zahl zu gering gewesen?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege Neuhaus, ich habe mich davon unterrichtet, wie das Vorauswahlverfahren stattgefunden hat. Ich muß einmal bekräftigen, daß nach diesem Verfahren, bei dem ja zunächst 24 Agenturen zur Debatte standen, korrekt vorgegangen worden ist, und daß es dann bei der Vorauswahl dazu gekommen ist, daß nur auf diese sechs leistungsfähigen Unternehmen, die zum Teil ausländische Unternehmen oder aber Töchter von ausländischen Unternehmen sind, zurückgegriffen wurde - immer nach den Vorschriften der Verdingungsordnung für Leistungen.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Keine weiteren Zusatzfragen mehr. Vizepräsident Wurbs Ich rufe die Frage 76 des Abgeordneten Neuhaus auf: Treffen die Aussagen in dem Bericht „Zweierlei Maß" in Nr. 6/81 „Die Deutsche Postgilde" vom 6. Dezember 1981 zu, nach denen Ferienaushelfer bei der Deutschen Bundespost höher entlohnt werden als die in den jeweiligen Diensten ständig Beschäftigten, und wenn ja, wie groß ist dieser Unterschied?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident, ich würde gern auch hier, wenn der Herr Kollege Neuhaus einverstanden ist, beide Fragen wegen des Sachzusammenhangs zusammenfassend beantworten.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Der Herr Abgeordnete ist damit einverstanden. Dann rufe ich auch die Frage 77 auf: Gibt es Unterschiede ({0}) in der Entlohnung zwischen Ferienaushelfern bei der Deutschen Bundespost und vergleichbaren Ferienaushelfern anderer öffentlicher Verwaltungen des Bundes, und wenn ja, wie groß sind diese Unterschiede?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege Neuhaus, die Aussagen in dem Bericht „Zweierlei Maß" in der Nr. 6/81 in der „Deutschen Postgilde" vom 6. Dezember 1981 treffen insoweit zu, als dort auf den Nettolohnvergleich abgestellt wird. Die Arbeiter der Deutschen Bundespost werden bei der Ausübung gleichwertiger Tätigkeiten auch einheitlich entlohnt. Die als sogenannte Ferienhilfen einzustellenden Arbeiter sind in der Regel im Briefzustelldienst eingesetzt und erhalten ebenso wie die dort beschäftigten ständigen Arbeiter den Lohn der Lohngruppe 2. Im Bruttolohn gibt es mithin zwischen den ständigen und den nicht ständigen Arbeitern keinen Unterschied. Der sich im Nettolohn zugunsten der nicht ständigen Arbeiter, soweit sie Schüler und Studenten sind, zeigende Unterschied liegt einzig in der Tatsache begründet, daß Schüler und Studenten nach der Reichsversicherungsordnung nicht der Beitragspflicht zur gesetzlichen Sozialversicherung unterliegen und daher bei weniger Lohnabzug über ein höheres Nettoeinkommen als die vergleichbaren ständigen Arbeiter verfügen. Eine weitere Vergünstigung ist darin zu sehen, daß Schüler und Studenten die ihnen zunächst einbehaltene Lohnsteuer im Wege des Lohnsteuerjahresausgleichs erstattet bekommen. Im übrigen trifft vorstehend genanntes Problem auch auf den Vergleich mit entsprechend eingesetzten Beamten zu. Nach den vorliegenden Informationen sind im Bereich des Manteltarifvertrages des Bundes MTB II für die Arbeiter des Bundes auch keine besonderen Löhne für die dort einzustellenden Aushilfs- und Saisonarbeiter festgelegt. Mithin ist ein Unterschied in der Entlohnung zwischen sogenannten Ferienaushelfern der Deutschen Bundespost und vergleichbaren Ferienaushelfern des Bundes nicht gegeben.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Neuhaus, bitte.

Alfred Hubertus Neuhaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001590, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß diese Aushilfskräfte, die j a wohl überwiegend in den verkehrsschwachen Ferienmonaten eingesetzt werden, die allgemeine Wochenstundenzahl von 40 vielfach nicht erreichen, und, wenn ja, bis zu wieviel Stunden wöchentlich kann diese Zahl unterschritten werden?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege Neuhaus, nach den betrieblichen Erfahrungen, aber auch nach dem Verkehrsanfall im Tagesablauf bei der Deutschen Bundespost, kommt es häufig vor, daß Teilzeitkräfte mit z. B. nur 20 Stunden eingesetzt werden. Dies ist insbesondere im Briefverteildienst der Fall. Im Zustelldienst ist dies anders. Die dort eingesetzten Ferienaushelfer erreichen grundsätzlich 40 Stunden.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine weitere Zusatzfrage? - Bitte, Herr Abgeordneter.

Alfred Hubertus Neuhaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001590, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, meine Frage zielte eigentlich mehr darauf ab, daß zwar 40 Stunden verrechnet werden, aber eben auf Grund der Verkehrsschwäche in den Ferienmonaten nicht die gleiche Stundenzahl wie von den ständig Beschäftigten erbracht wird.

Not found (Staatssekretär:in)

Nein, Herr Kollege Neuhaus, das trifft so nicht zu. Die Ferienaushelfer sind im allgemeinen, so auch im Zustellbereich, nicht so sach- und fachkundig wie die ausgebildeten Beamten oder Arbeiter, die dort ständig eingesetzt sind. Die Fehlerquote ist in dieser Zeit auch höher, und der Zeitaufwand der Schüler und der Studenten ist größer als der der eingearbeiteten Kräfte. Es kann durchaus vorkommen, daß an einem Tag in der Woche, z. B. am Montag oder auch insbesondere am Freitag, die durchschnittliche tägliche Arbeitszeit überschritten wird und an anderen Tagen wegen eines geringeren Verkehrsanfalls unterschritten wird. Über die ganze Woche gleicht sich dies aber aus.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Neuhaus.

Alfred Hubertus Neuhaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001590, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie teilen also nicht die in diesem Artikel zum Ausdruck gekommene Auffassung des Autors, gerade bei Studenten, die sich als Ferienaushelfer betätigen, sei sehr viel Cleverness vorhanden, deswegen seien diese Studenten an und für sich in der Lage, die Sache beschleunigt abzuwickeln, und dadurch würden eben doch weniger Stunden geleistet, als bezahlt werden?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege Neuhaus, die von uns festgestellte Fehlerquote bei der Zustellung spricht eigentlich für das Gegenteil.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Weitere Zusatzfragen? - Bitte, Herr Kollege Pfeffermann.

Gerhard O. Pfeffermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001702, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, kann es nicht auch so sein, daß die festgestellte Fehlerquote mehr etwas mit der Lässigkeit der Handhabung als mit dem Verkehrsaufkommen zu tun hat und eigentlich keine Aussage über die effektive Arbeitszeit enthält?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege Pfeffermann, dagegen spricht ein anderes Argument. Die Schüler und Studenten, die sich bei der Bundespost in der Ferienzeit um einen Ferienjob bemühen, sind im allgemeinen daran interessiert, eine einwandfreie Leistung zu erbringen, weil sie schon auf den nächsten Ferienjob warten. Die Unterweisung erfolgt durch ausgebildete Kräfte. Insgesamt können wir nur feststellen, daß das Bemühen dahin geht, die Arbeit korrekt zu erledigen, damit die Betreffenden auch in der nächsten Ferienzeit von der Bundespost wieder als willkommene Ferienaushelfer genommen werden.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Pfeffermann.

Gerhard O. Pfeffermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001702, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, nachdem Sie jetzt festgestellt haben, daß es sich um Ferienhelfer handelt, die diese Arbeit regelmäßig ausführen, darf man doch davon ausgehen, daß diese Behinderung durch Unkenntnis der Arbeit nach einer gewissen Zeit aufhört und daß deswegen Ihr Argument, die geringere Belastung in der Ferienzeit werde durch mangelnde Übung in der Praxis ausgeglichen, doch wohl kaum zutrifft, und meinen Sie nicht, daß demzufolge Ihre ersten Antworten doch mehr, sagen wir: der Not gehorchend als der Praxis entsprechend gegeben wurden?

Not found (Staatssekretär:in)

Nein, Herr Kollege Pfeffermann, dieser Auffassung bin ich nicht. Sie wissen, daß diese Ferienaushilfe im allgemeinen vier bis sechs Wochen im Jahr dauert. Es ist nicht davon auszugehen, daß derjenige, der in einem Zustellbezirk Briefe zugestellt hat, im nächsten Jahr wieder im selben Zustellbezirk tätig ist. Er wird wahrscheinlich in einem ganz anderen Bezirk eingesetzt sein. ({0}) - Nein.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Ich bitte darum, hier keinen Dialog zu führen, sondern die Antwort des Staatssekretärs entgegenzunehmen. - Bitte sehr, Herr Staatssekretär.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident, die Frage ist beantwortet.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Keine weiteren Zusatzfragen. Wir sind damit am Ende der Fragestunde. Ich gebe noch bekannt, daß Frau Abgeordnete Schmidt ({0}) ihre Fragen 120 und 121 aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen zurückgezogen hat. Desgleichen ziehen die Fragesteller der Fragen 95 und 96 sowie 101 und 102, die Abgeordneten Leuschner und Catenhusen, ihre Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie zurück. Die Frage 92 des Abgeordneten Fischer ({1}) sowie die Fragen 93 und 94 des Abgeordneten Duve aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern wurden ebenfalls zurückgezogen. Ferner wurden folgende Fragen zurückgezogen: Frage 143 des Abgeordneten Pfeifer, Frage 144 des Abgeordneten Rossmanith, Frage 145 der Abgeordneten Frau Geiger, Frage 146 des Abgeordneten Daweke, Frage 147 des Abgeordneten Nelle, Fragen 156 und 157 des Abgeordneten Rapp ({2}) sowie die Fragen 122 und 123 des Abgeordneten Dr. Soell. Wir setzen die Debatte zu Punkt 3 der Tagesordnung, Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU „Verantwortung des Bundes für Sicherstellung und Endlagerung radioaktiver Abfälle in der Bundesrepublik Deutschland" fort. Das Wort hat der Abgeordnete Reuter. - Bitte, Herr Abgeordneter.

Bernd Reuter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001828, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte noch einmal ganz kurz auf die Debattenbeiträge von heute morgen eingehen. Frau Breuel ist leider nicht mehr hier. Sie hat sinngemäß ausgeführt, daß in Niedersachsen 36 % des erzeugten Stromes aus Kernenergie hergestellt werden. Das ist eine gute Sache. Die Aussage des Ministerpräsidenten von Niedersachsen, wonach man die Endlagerung zukünftigen Generationen überlassen könne, halte ich aber in der Tat für nicht in Ordnung. ({0}) Ich will lobend hervorheben, daß Frau Breuel festgestellt hat, daß man die Kernenergie den Bürgern nicht überstülpen könne. Frau Breuel macht sich damit die Aussage des Bundeskanzlers in seiner Regierungserklärung zu eigen. Es paßt aber nicht mit den Ausführungen des Kollegen Gerlach zusammen. Ich kritisiere das nicht, ich stelle das nur fest, weil Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, immer dann den Finger erheben, wenn die Sozialdemokraten in der Frage des Einsatzes der Kernenergie um einen vernünftigen Weg ringen. Auch Sie haben noch Ihre Diskussion zu führen, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({1}) - Es war auch sehr schwer, Herr Gerlach, Ihnen zuzuhören. Ich möchte an dieser Stelle einmal der Bundesregierung für die umfangreiche und ausführliche Antwort auf die Große Anfrage der CDU/CSU-Fraktion danken. ({2}) Die heutige Debatte, die auf der Grundlage der Antwort auf diese Große Anfrage geführt wird, ist grundsätzlich zu begrüßen. Es besteht somit die Möglichkeit, einmal vor einer breiteren ÖffentlichReuter keit darzulegen, daß es keinen vernünftigen Grund für eine Panikmache in dieser Angelegenheit gibt, auch wenn kurzfristige Entsorgungsengpässe nicht ausgeschlossen werden können. Meine Damen und Herren, wenn ich mir einmal vor Augen führe, wie die Redner der Opposition heute morgen dazu Stellung genommen haben, dann frage ich mich allen Ernstes, ob ihnen die Regierung vielleicht eine andere Antwort gegeben hat als uns. Sie sind in vielen Teilbereichen auf die Antwort der Regierung überhaupt nicht eingegangen. ({3}) Aus der Antwort der Bundesregierung ist zu ersehen, daß schon sehr früh und nach meiner Meinung auch rechtzeitig die entsprechenden Maßnahmen zur Sicherstellung der Endlagerung radioaktiver Abfälle eingeleitet wurden. Die CDU/CSU-Fraktion versucht, in ihrer Großen Anfrage den Eindruck zu vermitteln, als hätte der Bund die alleinige Verantwortung an der derzeitigen Situation, die sicher zugegebenerweise nicht ohne Schwierigkeiten ist. Der Versuch der Opposition, das Problem der Entsorgung von Kernkraftwerken auf die Frage der Endlagerung radioaktiver Abfälle zu beschränken, für die der Bund die Verantwortung trägt, ist jedoch eine unzulässige Verkürzung der gesamten Entsorgungsproblematik. An dieser Stelle muß mit aller Deutlichkeit auf die Mitverantwortung der Bundesländer und der Verursacher hingewiesen werden, d. h. in erster Linie der EVUs, die Kernkraftwerke betreiben. Hier muß noch einmal das Verhalten des niedersächsischen Ministerpräsidenten Albrecht kritisiert werden, der 1979 durch seine Entscheidung das integrierte Entsorgungskonzept der Bundesregierung blockiert hat. ({4}) - Sie haben doch die Verantwortung in Niedersachsen, nicht wir. Sie brauchen doch jetzt nicht auf den Herrn Ravens zu schielen. Wir sind in einem Entscheidungsprozeß mit unserer Meinung. ({5})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Riesenhuber?

Bernd Reuter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001828, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bei der geringen mir verbliebenen Zeit kann ich leider keine Zwischenfrage zulassen. Ich will ja gern zugestehen, daß sich die Aufforderung der Bundesregierung, entsprechende Lagermöglichkeiten für hoch-, mittel- und schwachradioaktive Abfälle zur Verfügung zu stellen, an das Land Niedersachsen wendet. Gleichzeitig sollten die Verantwortlichen des einen oder anderen Bundeslandes darüber nachdenken, in welcher Weise sie den Bund bei seiner Aufgabe aktiv unterstützen können, die Probleme der Endlagerung radioaktiver Abfälle zu lösen. Im Rahmen der noch durchzuführenden Forschungsvorhaben muß auch die Frage geprüft werden, ob das Lager Gorleben ausreicht. Auf Empfehlung, Herr Dr. Riesenhuber, des Ausschusses für Forschung und Technologie hat der Deutsche Bundestag beschlossen, die Bundesregierung zu ersuchen, bereits jetzt alle notwendigen Maßnahmen vorzubereiten, um erforderlichenfalls neben Gorleben andere Standorte für ein Endlager durch oberirdische Erkundungsmaßnahmen zu untersuchen ({0}) und auf die dafür in Frage kommenden Bundesländer einzuwirken, ihre Bereitschaft zu einem solchen Vorhaben zu erklären. ({1}) Ein mögliches Bindeglied zwischen den gegenwärtig laufenden Programmen, die Endlagerung radioaktiver Abfälle sicherzustellen, und der notwendigerweise vorgeschalteten Zwischenlagerung ist für den Bereich hochradioaktiver Reststoffe und Abfälle die vom Deutschen Gewerkschaftsbund in die Diskussion eingebrachte Idee einer rückholbaren Endlagerung. Hierzu haben der Technologieausschuß und der Deutsche Bundestag einstimmig beschlossen, die Bundesregierung zu ersuchen, die Möglichkeit einer rückholbaren Untertagelagerung zu prüfen. Die Industrie sollte sich nicht an diesem Wort „rückholbare Endlagerung" stoßen und nicht das Kind mit dem Bad ausschütten. Dieses Glied der Entsorgungskette sollte sinnvollerweise als modifizierte Zwischenlagerung betrachtet werden, durch die langfristig nutzbare Ressourcen angelegt werden können. Diese Art der Entsorgung hätte den Vorteil, daß zu einem späteren Zeitpunkt die so gelagerten Reststoffe als mögliche Energiereserven verfügbar gemacht werden können und darüber hinaus die Aktivität der Brennelemente weiter abnimmt. ({2}) Diese Konzeption enthebt uns natürlich nicht der Notwendigkeit, externe Zwischenlager einzurichten, die ja in Gorleben und in Ahaus vorgesehen sind. Die Bundesregierung geht davon aus, daß bestrahlte Brennelemente ab Mitte der 80er Jahre im Zwischenlager Gorleben eingelagert werden können. ({3}) Ein weiteres Glied der Entsorgungskette ist die Wiederaufarbeitung bestrahlter Brennelemente. Ich halte die Grundidee eine Entsorgung der Kernkraftwerke mit einer vorgeschalteten Wiederaufarbeitung grundsätzlich für richtig, weil hiermit das Ziel der Rückgewinnung wieder verwertbarer Reststoffe und somit des Schutzes der Ressourcen und der optimalen Endlagerung ökologisch sinnvoll er5182 reicht wird, und zwar auch unabhängig von der Nutzung der Brütertechnologie. Es gibt bei der Endlagerung radioaktiver Abfälle nicht nur ein Mengenproblem, sondern auch den Vorteil, daß die langlebigen Nukleide wie Plutonium und Uran bei der Wiederaufarbeitung aus den abgebrannten Brennelementen herausgezogen werden, um sie dem Brennstoffkreislauf wieder zuzuführen. Damit wäre der Brennstoffkreislauf geschlossen. Auch mit diesem Problemkreis hat sich der Ausschuß für Forschung und Technologie sehr eingehend befaßt. Er hat u. a. einstimmig beschlossen, daß Anträge auf Errichtung einer Wiederaufarbeitungsanlage in einer Größenordnung, wie sie im Land Hessen verfolgt wird, von den zuständigen Behörden zügig auf ihre Genehmigungsfähigkeit geprüft werden sollen. Hier gebührt einmal auch dem verantwortlichen Ministerpräsidenten des Landes Hessen, Holger Börner, ein Wort des Dankes, der in der zurückliegenden Zeit trotz vielfacher Anfeindungen ({4}) seine Bereitschaft, auf diesem Weg konsequent voranzuschreiten, durch praktisches Handeln bewiesen hat, ({5}) und zwar zu einem Zeitpunkt, wo Herr Albrecht in Niedersachsen das unselige Wort gesprochen hat, daß eine solche Sache zwar technisch machbar, aber politisch nicht durchsetzbar ist. ({6}) Im Zusammenhang mit der Wiederaufarbeitung abgebrannter Bennelemente muß insbesondere an die EVUs die Frage gestellt werden, ob sie noch zu dieser Idee der Entsorgungsmöglichkeiten stehen.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bernd Reuter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001828, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte schön, Herr Dr. Riesenhuber.

Prof. Dr. Dr. Heinz Riesenhuber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001849, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege. Sind Sie bereit, mit darin zuzustimmen, daß die Widerstände in Hessen gegen die Politik von Herrn Börner, die Sie so gelobt haben, nicht von der Opposition, sondern im wesentlichen aus der eigenen SPD stammen? Sind Sie zweitens bereit, mir darin zuzustimmen, daß die Position des Herrn Börner dadurch haltbar ist und so gut gehalten werden kann, daß die Opposition dort im Gegensatz zur Opposition in Niedersachsen aus staatspolitischer Notwendigkeit diesem Konzept hier zustimmt und es trägt? ({0})

Bernd Reuter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001828, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Dr. Riesenhuber, ich darf sagen, daß die Mehrheit der SPD in Hessen eindeutig hinter Holger Börner und seiner Politik steht. ({0}) Ich darf fortfahren. Der zur Zeit günstige Uranpreis sollte nicht dazu verführen, das Interesse an einer Wiederaufarbeitungsanlage leichtfertig zu vernachlässigen. Sozialdemokraten sind auch in dieser Frage für eine vorausschauende und transparente Politik, und wir halten uns auch an die gefaßten Beschlüsse. ({1}) - Der liebe Gott hilft Ihnen da nicht, mein Herr. ({2}) Mit der ersten Enquete-Kommission sind wir der Meinung, daß wir uns die Option für einen Ausstieg aus der Kernenergie offenhalten sollten. Gleichzeitig ist es uns aber auch ernst mit der Option zu einem Übergang nach Kernenergie II im Sinne der Empfehlungen der Enquete-Kommission. Parallel zu dieser Möglichkeit sind die laufenden Forschungsvorhaben für eine Endlagerung ohne Wiederaufarbeitung zügig fortzuführen. In diesem Zusammenhang hat der Bundestag beschlossen, die Bundesregierung zu ersuchen, bis 1984 im Rahmen des Forschungs- und Entwicklungsschwerpunktes „Andere Entsorgungstechniken" die erforderlichen Entscheidungsgrundlagen vorzulegen. Wenn Sie die Sache ernsthaft untersuchen, werden Sie feststellen, daß die Bundesregierung hier bereits tätig ist. Es muß die Aufgabe aller verantwortungsbewußten Politiker sein, gerade auf dem Gebiet der Endlagerung radioaktiver Abfälle dafür einzutreten, daß die Mehrheit unserer Bürger auf Grund ihres Verständnisses für die erforderlichen Maßnahmen der zuständigen staatlichen Organe diese akzeptiert. Auch diejenigen in unserem Lande, die für einen Ausstieg aus der Kernenergie plädieren, müssen zur Kenntnis nehmen, daß wir gemeinsam eine Verpflichtung haben, das Problem der Entsorgung zu lösen. Es ist eine nicht wegzudiskutierende Realität, daß Kernkraftwerke vorhanden sind und auch in anderen Bereichen, vor allem in der Medizin, radioaktive Abfälle anfallen. Die Antwort der Bundesregierung zeigt, daß von ihrer Seite bisher nichts versäumt und unterlassen wurde, das Problem der Sicherstellung und Endlagerung radioaktiver Abfälle in der Bundesrepublik zu lösen. Der Bund ist seiner Verantwortung gerecht geworden. Das verantwortungsbewußte Verhalten der Bundesregierung sollte auch Ansporn für die Länder sein, hier den Bund zu unterstützen. Die in der Großen Anfrage der Opposition enthaltenen Unterstellungen und Vermutungen sind daher hinfällig und entbehren jeder Grundlage. ({3})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Professor Laermann.

Prof. Dr. - Ing. Karl Hans Laermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001266, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Kollege Gerlach hat heute morgen das Bild meines Kollegen Wolfgramm von der Schildkröte aufgegriffen. Ich war fast versucht, Sie mit „Herr Kollege Achilles" anzusprechen. Sie haben die Bundesregierung mit einer Schildkröte verglichen. Sie sollten aber auch wissen, daß der Achilles bei aller Schnelligkeit, die ihm als Eigenschaft gegeben war, die Schildkröte nie erreicht hat. ({0}) Das scheint mir den derzeitigen Zustand der Opposition zu beschreiben: Sie rennt, egal, wie langsam die Regierung ist, immer noch hinterher. ({1})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Gerlach?

Prof. Dr. - Ing. Karl Hans Laermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001266, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte.

Paul Gerlach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000665, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, gestehen Sie mir zu, daß ich den Achilles nicht mit der Opposition, sondern mit unserer deutschen Wirtschaft verglichen habe und daß das dann ein ganz anderes Bild gibt?

Prof. Dr. - Ing. Karl Hans Laermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001266, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich habe dieses Bild auf Sie übertragen. Herr Kollege Laufs und auch andere Sprecher der Opposition haben davon gesprochen, daß viel kostbare Zeit verstrichen ist, daß die Bundesregierung nicht gehandelt habe. Ich darf hier noch einmal in Erinnerung rufen, daß die Bundesregierung im Jahre 1976 im Rahmen der Vierten Novelle zum Atomgesetz überhaupt erstmal klargestellt hat, weil dafür ein Bedarf bestand, wer für was zuständig ist. Bis dahin gab es ein mehrjähriges Gerangel zwischen der Chemie, der KEWA und den Elektrizitätsversorgungsunternehmen, wer denn eigentlich die Wiederaufarbeitung zu übernehmen habe. ({0}) Ich glaube, es war richtig und notwendig - da stimmen wir sicherlich alle überein -, daß die Zuständigkeiten per Gesetz eindeutig geregelt worden sind und dem Bund dabei die Zuständigkeit für die Endlagerung zugekommen ist. Ich weiß auch nicht, was diese polemischen Auseinandersetzungen sollen, warum sie stattfinden. Wenn man einmal den Kern, den tatsächlichen Inhalt des Streites betrachtet und das Beiwerk, das Rankenwerk wegläßt, so komme ich zu dem Ergebnis, daß man sich im wesentlichen auf einer gemeinsamen Linie befindet, nämlich die Notwendigkeit der Entsorgung nicht in Frage zu stellen, sondern alles dafür zu tun, daß dieses Problem gelöst wird. Es mag hier oder da marginale Abweichungen geben, und es mag auch Vorstellungen mit oder ohne Wiederaufarbeitung geben. Ich halte das jedoch mehr für einen akademischen Streit. Diese Beurteilung muß man jedenfalls treffen, wenn man die Realität, das, was sich in Wirklichkeit abspielt, im Auge behält. Die Zuständigkeit des Bundes ist unbestritten. Aber der Bund kann diese Zuständigkeit nicht exekutieren, wenn die Länder nicht mitziehen. ({1}) Oder soll er in den einzelnen Bundesländern in der Zukunft Enklaven einrichten? Dann müßten Sie ihm dabei helfen. Ich meine, es geht nur mit den Ländern zusammen. Das kommt ja auch zum Ausdruck in den Vereinbarungen der Regierungschefs von Bund und Ländern und in den daraus abgeleiteten Grundsätzen zur Entsorgungsvorsorge. Hier ist durchaus Gemeinsamkeit zum Ausdruck gekommen, hier ist die Grundlage für weiteres gemeinschaftliches Handeln. Wir hören, daß die niedersächsische Landesregierung bereit ist, ihren Teil zu leisten. Wir hören das gleiche aus Hessen und auch aus Bayern. Also warum eigentlich irgendeinen parteipolitischen Popanz aufbauen, ({2}) ein Schwarzer-Peter-Spiel betreiben, wenn wir am Schluß doch feststellen müssen, daß es gar keinen Schwarzen Peter gibt? ({3}) Durch diese polemischen Auseinandersetzungen tragen wir nur dazu bei, daß es nicht zu einer breiten Zustimmung der Bevölkerung für die notwendigen Maßnahmen und die politischen Entscheidungen kommt, die mit der Entsorgungsfrage verbunden sind. Ich bitte Sie herzlich, das zu bedenken. ({4}) Ich möchte darauf hinweisen - Frau Minister Breuel aus Niedersachsen ist leider nicht mehr anwesend -, daß das Verfahren für das Zwischenlager in Ahaus läuft. Es wird in dem gebotenen Zeitrahmen verwirklicht werden. Man muß natürlich auch berücksichtigen, daß das Verfahren inzwischen umgestellt worden ist - Ende 1979 -, nämlich von der Naßlagerung auf die Trockenlagerung. Aber hier gibt es keinerlei Probleme, wie ich höre, auch nicht von seiten der Industrie, die befürchten lassen, daß eine Realisierung nicht möglich ist. Im Interesse einer maximalen Sicherheit - hier schließe ich an das an, was der Kollege Reuter gesagt hat -, auch im Hinblick auf die Proliferation und zur Sicherung von Brennstoffreserven sowie zur Nutzung der Rohstoffe, die in abgebrannten Brennelementen vorhanden sind, scheint es mir auch vernünftig zu sein, die Technik der Wiederaufarbeitung weiterzuentwickeln. Ich glaube, hier befinden wir uns in Übereinstimmung mit den Empfehlungen der heute morgen von Minister Baum bereits erwähnten INFCE-Konferenz. Es gibt eine Reihe von neuen Entwicklungen und Erkenntnissen, die es angeraten erscheinen lassen, die in den abgebrannten Brennelementen tatsächlich vorhandenen Rohstoffe zu nutzen. Wir führen heute Tritium, Krypton 85 und Xenon ein, alles Stoffe, die aus einer Wiederaufarbeitung gewonnen werden können. Immerhin haben wir im letzten Jahr 100 Millionen DM an Devisen für die Einkäufe von Tritium aufgewandt. Deswegen meine Frage bezüglich der Verwendung von Tritium und Krypton 85: inwieweit - die Bundesregierung möge darauf bitte eine Antwort geben - eine wirtschaftliche Nutzung möglich und vorgesehen ist. In der Antwort ist j a angedeutet worden, daß es hierzu Überlegungen gibt. Ich wäre für konkrete Antworten dankbar. Es ist auch nicht so, Herr Kollege Laufs, daß man das Zeug nur lange genug liegen lassen muß; die gefährlichen Stoffe würden sich dann von selbst auflösen. Ich wiederhole: Tritium und Krypton 85 sind wertvolle Rohstoffe. Krypton 85 beispielsweise für Lampen, die schon seit Jahrzehnten in Gebrauch sind, nur hier nicht. Aber wir sollten darüber nachdenken, was sich alles machen läßt. Vor allen Dingen: Je länger Sie Brennelemente liegen lassen - das gilt allerdings auch für Endlager ohne Wiederaufarbeitung -, um so höher ist der Anteil an Transuranen in den Brennelementen. Die müssen abgetrennt werden. Das bereitet zusätzliche Schwierigkeiten, weil ja das Plutonium im Laufe der Zeit in Transurane zerfällt. Ich möchte darauf hinweisen, daß es unter technischen Gesichtspunkten eine optimale Lagerzeit gibt. Jedenfalls kann man das Problem nicht dadurch lösen, daß man die Dinge nur lange genug liegen läßt. Das können wir allenfalls einmal in der Politik tun, aber nicht in diesen technischen Bereichen. Davor möchte ich warnen. ({5}) - Das muß man der Opposition auch sagen, die an manchen Stellen auch daran interessiert ist, gewisse Entscheidungen nicht herbeizuführen, weil ihr das nicht ins politische Konzept paßt. ({6}) - Da gehe ich auch hin, Herr Pfeffermann. ({7}) Was die Frage der Endlagerstätte betrifft, so sind wir zuversichtlich. Hier freuen wir uns, im Grunde genommen Übereinstimmung bei allerdings unterschiedlicher Darstellung zwischen der niedersächsischen Landesregierung und dem Bundesinnenministerium feststellen zu können, daß Asse und die Eignungsprüfung der Zeche Konrad nun laufen, um dort gewisse Teile an radioaktivem Abfall zu lagern. Wir müssen dabei zur Kenntnis nehmen, daß die Landessammelstellen inzwischen überlaufen und wir einen dringenden Bedarf an zusätzlichen Lagerungskapazitäten für schwach- und mittelradioaktiven Abfall haben. Ich begrüße ausdrücklich, was der Kollege Gerlach in bezug auf die Verbrennung von radioaktiven Abfällen und damit einer Volumenreduzierung, die bis zu 95% möglich ist, gesagt hat. Damit kann man natürlich eine ganze Menge an Problemen beseitigen. Ich glaube, daß die Ergebnisse der vom Forschungsministerium finanzierten Forschungsaufträge gut in die Tat umgesetzt werden können. Wir sind zuversichtlich, daß sich hier in den nächsten Jahren einiges bewegt. Der Salzstock Gorleben ist einer der im Grunde genommen eignungshöffigen Salzstöcke. Wir werden das Ergebnis der Untersuchung abzuwarten haben. Wichtig ist nunmehr, daß die Schachtvorbohrungen vorgenommen werden und danach die Entscheidung für die Abteufung eines Schachts fällt, denn erst dann wird man abschließend und endgültig sagen und feststellen können, ob dieser Salzstock für die Lagerung von hochradioaktivem Material geeignet ist. Aber dafür haben wir wirklich noch eine gebührende Zeit zur Verfügung. Der Zeitraum erlaubt es, den hochradioaktiven Abfall auch nach der Verglasung noch mindestens für ein Jahrzehnt zu lagern, weil dann die Nachwärme weitgehend abgeführt ist und eine Volumenreduzierung damit verbunden ist, was für die Lagerkapazitäten wichtig ist. Wir sollten uns nicht selbst in Hektik bringen. Auch wenn wir jetzt an anderen Stellen bohren, wird das keinerlei weitere Aufschlüsse über das hinaus geben, was wir derzeit beim Salzstock Gorleben wissen. Wenn Gorleben nicht geeignet sein sollte - ich spreche ausdrücklich im Konjunktiv -, müßten wir dann natürlich die acht Jahre für die Abteufung eines Schachts in jedem Fall einsetzen. Welche Rolle spielt da ein Jahr für ein Bohrprogramm? Ich glaube, das könnten wir durchaus gelassen betrachten. Ich sprach schon davon, daß wir insbesondere Asse II und die Schachtanlage Konrad für die Lagerung von schwach- und mittelradioaktivem Abfall und für die Lagerung von Rückständen von Kernkraftwerken erschließen und verfügbar machen müssen. Allerdings habe ich bei der Zeche Konrad im Gegensatz zur Salzlagerung die Frage, welche natürlichen und künstlichen Barrieren vorhanden bzw. vorgesehen sind, die eine Ausbreitung von Radionukliden in die Geosphäre verhindern. Dies ist mir bei der Zeche Konrad noch nicht so ganz klar. Ich möchte noch einmal betonen: Im Hinblick auf die Endlagerung hochradioaktiver Abfälle liegt die vorgesehene Erschließung des Salzstocks im notwendigen und akzeptierbaren Zeitrahmen. Zu klären ist aber, wie ich meine, die Frage nach den konkret seitens der Bundesregierung und der DWK vorgesehenen Maßnahmen, um die nach dem CogemaVerträgen zu übernehmenden Abfälle zu konditionieren, zu transportieren, zu lagern bzw. - wie zu vermuten ist - zwischenzulagern. Ich möchte hier erwähnen, daß ja wohl seit einiger Zeit ein Gutachten des BMFT vorliegt, das die Möglichkeit prüft, die Nachzerfallswärme aus solchen verglasten konditionierten Abfällen zu nutzen. Es scheint uns auch notwendig, ausführlichere Auskunft darüber zu bekommen, wie radiumhaltige Abfälle - vorwiegend aus der Isotopenforschung - langfristig beseitigt werden sollen. Zum Tritium-und Krypton-Problem habe ich gerade schon eine Äußerung gemacht. Was die Versenkung der radioaktiven Abfälle in der Tiefsee betrifft, so unterstützen wir die Auffassung der Bundesregierung voll. Wir räumen der Lagerung an Land Priorität ein. Wir möchten die Bundesregierung bitten, diese Position auch beizubehalten und international in den entsprechenden Gremien und Organisationen darauf hinzuwirken, daß auch andere Staaten von einer Meeresversenkung radioaktiver Abfälle absehen. ({8}) Die Gründe brauche ich nicht näher zu erläutern.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Herr Abgeordneter, ich bitte, zum Schluß zu kommen.

Prof. Dr. - Ing. Karl Hans Laermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001266, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Danke schön, Herr Präsident. Das bedeutet auch, daß verstärkte Bemühungen einsetzen müssen, um eine europäische Kooperation zur Lösung der Entsorgungsfrage und insbesondere zur Endlagerung herbeizuführen. Ich darf dies im Zusammenhang mit dem parallelen Ansatz erwähnen, weil in Belgien beispielsweise die Tonlagerung vorgesehen ist oder untersucht wird. Hier meine ich, daß eine europäische Koordinierung nottut. Denn Abfall, der an irgendeiner Stelle in Belgien gelagert wird, ist ein Risiko von gleicher Kategorie wie eine Lagerung radioaktiver Abfälle in Gorleben. Eine europäische Koordinierung erscheint mir hier also sehr notwendig. Wir begrüßen ausdrücklich die Antwort der Bundesregierung zur Großen Anfrage und sehen in ihr die Bestätigung dafür, daß weitere akzeptable Fortschritte in der Entsorgungsfrage gemacht sind und sich gut fortentwickeln werden. - Ich bedanke mich. ({0})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Das Wort hat Herr Abgeordneter Jansen.

Prof. Günther Jansen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001018, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Große Anfrage der CDU/CSU zeigt dankenswerterweise auf, daß selbst in der Union das Problembewußtsein in Sachen Kernenergie über die Parole vom sogenannten Investitionsstau in diesem Bereich hinausgeht. Das ist das Erfreuliche in der Form der Fragestellung, wie Sie sie aufgebaut haben. Ich frage mich allerdings, wie die Unionsparteien guten Gewissens die Diskussion über das Für und Wider der Kernenergienutzung als bei ihnen abgeschlossen bezeichnen können, wenn sie in ihren Fragestellungen deutlich machen, wie gravierend und grundlegend die Entsorgungsfrage für den gesamten kerntechnischen Bereich ist und im Grunde in ihrem Kern bisher nicht beantwortet wurde. Daraus ergibt sich für mich nach der Debatte die Frage: Ist das, was Sie hier angesprochen haben, wirklich ernsthaft gemeint? Ist das, was Sie von der Bundesregierung wissen wollten, darauf ausgerichtet, die Grundsatzdebatte zu führen, wie die Entsorgungsproblematik in Anbetracht des Gesamtproblems gelöst wird, oder ist es ein taktisches Manöver? ({0}) Ich hatte bei einigen Passagen das Gefühl, daß dies eher in dieser Richtung zu verstehen war, als daß Sie eine konkrete Risikobeschreibung zur nationalen Atommüllsituation erhalten wollen. Aber ich hoffe immer noch, daß das nicht in erster Linie der Fall ist. Denn unabhängig von unseren politischen Heimatadressen und dem, zugegeben, auf allen Seiten immer wieder ideologisch überfrachteten Kernenergiestreit tragen wir alle zusammen die politische Verantwortung für Folgewirkungen, die durch neue Technologien entstehen. Das gilt nicht nur für die Kernenergie, sondern sicher auch für die Chemie und die Biologie. Da sind wir in unserer Sprachführung oft zu nachlässig und zu sehr auf Allgemeinfloskeln bedacht. Lassen Sie mich noch ein paar grundsätzliche Anmerkungen über das Verhalten der Politiker zum heutigen Thema machen. Zu Beginn der öffentlichen Diskussion über die Kernenergienutzung haben wir gesagt: Wir wollen den Bürgern mehr Informationen geben, das Informationsdefizit aufarbeiten, und wir wollen den Dialog. Wenn ich mir ansehe, wie wir die Debatte zum Thema Entsorgung führen, dann habe ich Bedenken, ob wir diesen Ansprüchen wirklich genügen. Wir haben uns längst daran gewöhnt, einen Sachstand mit bestimmten Begriffen zu belegen, die für uns geklärt erscheinen, in der Bevölkerung aber dennoch Unverständnis und Verwirrung hervorrufen. Der Verdacht ist nicht ganz von der Hand zu weisen, daß hier absichtlich bestimmte Begriffe verwendet werden, die schon von ihrem Klang her in der Diskussion befriedigen und beruhigen sollen. Der sogenannte Entsorgungspark erinnert zwar an Blumen und Grünflächen, würde aber in der Realität kaum mit einem Parkwächter auskommen, der vor Sonnenuntergang die Wege harkt und das Tor schließt. Hierzu haben wir durch unsere Debattenführung beigetragen, daß insofern die gravierende Grundsatzfrage Entsorgung nicht ernst genug ausdiskutiert wird. Wenn ich hier trotzdem die gemeinsame Verantwortung aller für die Entsorgung betone, dann tue ich es auch bei meiner grundsätzlichen Position gegen die Kernenergie und gegen ihren weiteren Ausbau. Denn irgendwo geht es jetzt darum, die Suppe gemeinsam auszulöffeln, die man uns - wer auch immer - eingebrockt hat. Sonst sind es nämlich garantiert die Falschen, die die Folgen einer verfehlten Energiepolitik in Verbindung mit der Entsorgungsproblematik auslöffeln müßten. ({1}) Vielleicht wird einigen, denen ich dies gesagt haben wollte, dabei einmal deutlich, daß die kontroverse Debatte in der SPD um die Kernenergie eine Grundsatzdebatte und eine Sachdebatte ist und daß die CDU/CSU daraus nicht immer Kanzlersturzinszenierungen basteln sollte. ({2}) Wenn Sie es nicht selbst schaffen: Sozialdemokraten stehen für Ihre heimlichen Wünsche nach Regierungsübernahme nicht zur Verfügung. ({3}) - Ja, es muß in einem Staat, der auf Demokratie aufbaut, ({4}) wohl eine unmögliche Sache sein, daß Probleme ausdiskutiert werden. ({5}) Es muß wohl so sein, daß einer bei Ihnen vorwegmarschiert; alles andere kann hinterherlaufen. ({6}) Wenn ich Ihre Politik sehe, kommen mir Worte von Lec in den Sinn: Ich sah eine Herde von Leithammeln und hinter ihnen kein einziges Schaf. So in etwa stellt sich das dar, was Sie zeigen. ({7}) Mir ist, um es klipp und klar zu sagen, bei aller Skepsis gegenüber den energiepolitischen Plänen der jetzigen Bundesregierung - Skepsis, die ich hier gar nicht unter den Teppich kehren will - eine beim Thema Kernenergie dialogfähige Bundesregierung allemal lieber als eine Opposition, die im Grunde nicht mehr akzeptieren will, daß diskutiert wird, die aufgehört hat zu diskutieren und die ihre Fortschritts- und Atomkraftgläubigkeit sozusagen in fast guruhaften Zügen darstellt. Das ist doch das, was man bei Ihnen sieht. Nur: Die Probleme der Kernenergienutzung kann niemand wegmeditieren. Die lassen sich, was die Endlagerung angeht, offensichtlich auch nicht wegforschen, zumindest heute noch nicht. Wir beschäftigen uns mit den Gefahren von Kernkraftwerken und der Atommüllbeseitigung, weil wir wissen, daß Mensch und Natur durch radioaktive Strahlung erheblich geschädigt werden können. Daraus folgt der - ich hoffe: unbestrittene Grundsatz, jede Strahlenvermehrung zu vermeiden, es sei denn, der Nutzen oder die Notwendigkeit könnte zu einer Rechtfertigung führen. Wenn wir das vielleicht gemeinsam unterschreiben können, dann fangen wir doch jetzt einmal an, den Kritikern der Kernenergie oder sicherheitsbedürftigen Bürgern zu erklären, wie man dies mit der Tatsache vereinbaren soll, daß bis zur eventuell einmal gefundenen Entsorgung Ende der 90er Jahre dieses Jahrhunderts ein sogenanntes Zwischenlagerkonzept mit folgenden Mengen funktionieren soll: 200 000 bis 400 000 400-Liter-Fässer schwachradioaktiver Abfall, 70 000 bis 100 000 400-Liter-Fässer mittelradioaktiver Abfall und 4 600 Blöcke zu je 150 Liter hochradioaktiver Abfall. Dabei wird schon vorausgesetzt, daß ab etwa 1993 mindestens eine 350-Jahrestonnen-Bewältigung in der Wiederaufbereitung möglich ist. ({8}) Diese Mengen bedeuten für das Brennelementeproblem der Kernkraftwerke eine sogenannte Zwischenlagerung in Form von kunstvollen Stapelordnungen auf engstem Raum in immer größeren Wasserbecken oder Kernkraftwerke, in denen riesige Zusatzhallen errichtet werden. Und dann operieren wir mit den Begriffen Kompaktlager oder Trockenlager. ({9}) Man tut so, als handele es sich um technisch ausgereifte Konzepte. In Wirklichkeit sind es Notnägel, die uns durch Gerichtsbeschluß jederzeit aus der Hand genommen werden können.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Riesenhuber?

Prof. Günther Jansen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001018, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Bitte, Herr Dr. Riesenhuber.

Prof. Dr. Dr. Heinz Riesenhuber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001849, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Jansen, würden Sie mir bitte sagen, ob Sie damit gegen das Entsorgungskonzept argumentieren, das zwischen der Bundesregierung und den Bundesländern vereinbart worden ist?

Prof. Günther Jansen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001018, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich argumentiere grundsätzlich, weil ich meine: Ob die Verantwortlichkeit für die Endlagerung bei der Bundesregierung, die Verantwortlichkeit für die regionale Energiepolitik bei den Ländern liegt, entscheidend ist, daß wir alle zusammen die Verantwortung dafür zu übernehmen haben, was mit dem Atommüll geschieht, der laufend produziert und durch neue Kraftwerke forciert produziert wird, ohne daß ein Gesamtkonzept dieser Gesellschaft und damit der ganzen Nation unter Einbeziehung der CDU-Verantwortlichkeit in Gang gesetzt worden ist; das ist meine Argumentation. ({0})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Herr Abgeordneter, der Abgeordnete Röhner möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen. Sind Sie einverstanden? Bitte, Herr Abgeordneter Röhner.

Paul Röhner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001869, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Jansen, Sie haben sehr beeindruckende Zahlen genannt. Würden Sie in Anbetracht dieser Zahlen hier mitteilen und bekanntgeben, was Ihre persönliche Meinung zur Lösung dieses Problems ist? Sind Sie dafür, daß dies so vorgenommen wird, oder haben Sie einen anderen Standpunkt?

Prof. Günther Jansen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001018, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich bin der Meinung, daß wir im Verlauf der Kernenergiepolitik, die wir in dieser Bundesrepublik gemacht haben, schon zu einem früheren Zeitpunkt die Entsorgungsfrage zentraler hätten beachten müssen, um nicht erst zu diesen Mengen zu kommen bzw. sie sich noch weiter steigern zu lassen. Jetzt sind wir - und deshalb habe ich von der Suppe gesprochen, die wir gemeinsam auslöffeln müssen - an dem Punkt, wo wir das Problem bewältigen müssen, damit nicht die Bevölkerung dadurch betroffen wird. ({0})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Gestatten Sie noch eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Röhner?

Prof. Günther Jansen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001018, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das ist nicht mehr möglich. Meine Zeit läuft gleich aus. Wir sprechen seit Jahren - lassen Sie mich das als letztes sagen - von Zwischenlagerung und Zwischenlagerkapazitäten. Zwischen was eigentlich lagern wir denn zwischen? Doch wohl zwischen einer schon laufenden kerntechnischen Anlage, die Atommüll produziert, und einer höchstens theoretisch gedachten Endlagerung. Das bedeutet doch nichts anderes, als daß die für manche so bequeme energiepolitische Hängematte Kernenergie nur für politische Fakire benutzbar ist, d. h. für Leute, deren Vorstellungskraft ausreicht, das andere Ende der Hängematte ohne Materie waagerecht in der Luft zu halten. ({0}) Oder wie würden Sie Ihren Kindern klarmachen - um bei dem Beispiel der Hängematte zu bleiben -, wie man eine Hängematte zwischen zwei Pfählen aufhängt, von denen nur der eine tatsächlich steht und man sich den anderen denken muß? ({1}) Was will ich damit sagen? Solange es keine Endlagerung gibt, meine Herren von der CDU/CSU, gibt es in Wirklichkeit keine Zwischenlagerung. ({2}) Die sogenannte Zwischenlagerung radioaktiver Abfälle ist nichts anderes als eine weder technisch akzeptable noch politisch gewollte Notendlagerung. Das ist unsere Situation. ({3}) Sie wird in jedem Jahr problematischer, was die Größenordnung angeht, und ihre Verharmlosung wird den Menschen nicht gerecht, die mit diesem Risiko leben müssen. Diese Debatte hätte ihr Ziel erreicht, wenn begriffen würde, daß wir alles tun müssen, um die Entsorgung für den vorhandenen Atommüll im jetzt erreichten Umfang schnell zu gewährleisten - wenn das überhaupt möglich ist. Ich sehe die Schwierigkeiten, aber ich möchte zu Protokoll geben, daß es für uns alle aus objektiver Verantwortung und wegen der Entsorgungssituation auch eine große, reizvolle, wichtige Aufgabe sein kann, wenn wir das, was produziert ist, anfassen, um es zu bewältigen, und aufpassen, daß wir nicht durch einen forcierten unkontrollierten Weiterausbau der Kernenergie die Mengen unverantwortlich groß werden lassen. Ich bitte Sie alle um Nachdenklichkeit in dieser Frage; den wer Entsorgungsprobleme zum parteipolitischen Gezänk ausarten läßt, wird im Endergebnis die Abläufe schwächen, die nötig sind, um ein Entsorgungskonzept durchzusetzen. ({4})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für innerdeutsche Beziehungen ({0}) zu dem Antrag der Abgeordneten Lorenz, Baron von Wrangel, Jäger ({1}), Lintner, Böhm ({2}), Schulze ({3}) und der Fraktion der CDU/CSU Zentrale Beratungsstelle für den innerdeutschen Reise- und Postverkehr - Drucksachen 9/685, 9/1282 Berichterstatter: Abgeordnete Wuttke Böhm ({4}) Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist für die Aussprache ein Beitrag von bis zu zehn Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. Darf ich davon ausgehen, daß die Fraktionen damit einverstanden sind? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist dies so beschlossen. Vizepräsident Windelen Ich frage, ob das Wort zur Berichterstattung gewünscht wird? - Dies ist offenbar nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Böhm ({5}).

Wilfried Böhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000218, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion bedauert außerordentlich, daß SPD und FDP nicht bereit sind, unserem Antrag zur Errichtung einer Zentralen Beratungsstelle für den innerdeutschen Reise- und Postverkehr zuzustimmen, ({0}) einer Initiative, die wir in ähnlicher Form schon vor vier Jahren einmal ergriffen hatten und die auch damals auf die Ablehnung der Koalition gestoßen war. ({1}) Wir bedauern diese Ablehnung, weil wir überzeugt sind, daß eine solche zentrale Beratungsstelle in der Lage sein könnte, erstens dabei mitzuwirken, die Reibungspunkte im innerdeutschen Reise- und Postverkehr zu verringern; zweitens den Bürgern mehr Sicherheit und das Gefühl zu geben, daß allen ihren Beschwerden auch tatsächlich nachgegangen wird; drittens ein bürgernahes Beratungssystem zu entwickeln und viertens der DDR vor Augen zu führen, daß wir bemüht sind, jede, aber auch jede Behinderung und Schikane zu erfassen und nichts achselzuckend auf sich beruhen lassen wollen. ({2}) Die Dunkelziffer bei der Zahl der Fälle, in denen es zu Behinderungen und Schikanen kommt, ist offensichtlich sehr groß, erstens weil viele Bürger von der Sinnlosigkeit der Beschwerde ausgehen, zweitens weil trotz aller Merkblätter und sonstigen Hinweise viele Bürger über die Bestimmungen im Reise- und Postverkehr nicht Bescheid wissen, ({3}) und drittens weil viele Bürger nicht wissen, wohin sie sich wegen der Beratung oder Beschwerde wenden sollen. Ich bin mir sicher, meine Damen und Herren, daß auch viele unserer Kollegen im Deutschen Bundestag, die sich nicht in unserem Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen ständig mit diesen Problemen zu beschäftigen haben, persönlich nicht die Kenntnis von all den unterschiedlichen Bestimmungen haben, die bei Transitreisen nach Berlin, bei Transitreisen durch die DDR in andere Länder oder bei der Einreise in die DDR zu Besuchs- oder Touristenreisen, zur Leipziger Messe oder zu einem Tagesaufenthalt zu beachten sind. ({4}) Schließlich muß ich noch einmal darauf hinweisen, daß die vorhandenen Informationsmittel ein Wirrwarr von Adressen bieten, bei denen Beratung, Betreuung und Beschwerdemöglichkeit angeboten werden. In der Broschüre der Bundesregierung für Reisen von und nach Berlin sind es fünf Adressen, darunter sinnigerweise die des Bundesinnenministers, des Bundesverkehrsministers und des Ministers für innerdeutsche Beziehungen. Das Merkblatt für Reisen in die DDR erwähnt nur eine Adresse, nämlich die des Gesamtdeutschen Instituts, die wiederum nicht in der anderen Broschüre aufgeführt ist. In der ebenfalls von der Bundesregierung herausgegebenen Broschüre „77 praktische Tips für Besuche in der DDR und aus der DDR" sind gar sieben verschiedene Adressen angeführt, die jeweils bei bestimmten Problemen Auskünfte erteilen können. Dabei taucht dann auch die Anschrift der Zentralen Melde-, Beratungs- und Betreuungsstelle auf, die beim Berliner Innensenator eingerichtet ist und die seit sehr vielen Jahren erfolgreich arbeitet, eine hervorragende Einrichtung ist und unter anderem eine systematische Auswertung der ihr bekannt werdenden Fälle von Behinderungen im Reiseverkehr vornimmt. ({5}) Diese Berliner Einrichtung, meine Damen und Herren, könnte nach unserer Überzeugung ein Modell für jene Zentrale Beratungsstelle abgeben, die wir seit Jahren für das ganze Bundesgebiet anstreben. ({6}) Ich empfehle Ihnen, meine Kollegen von der SPD und FDP, gleich uns einmal einen Besuch bei dieser Stelle in Berlin abzustatten, um sich über die Arbeitsweise dieser Dienststelle ein Bild zu machen. Ich bin mir sicher, daß Sie anschließend sagen: So etwas brauchen wir für das ganze Bundesgebiet. Ich bin mir auch sicher, daß Sie dann mehr Verständnis dafür gewinnen, was wir hier mit unserem Antrag erreichen wollen. Im Arbeitsbericht dieser Beratungsstelle heißt es - ich zitiere -: Die Mitarbeiter gewannen aus der Beratungstätigkeit viele zusätzliche Erkenntnisse aus dem West-Ost-Reiseverkehr. Diese Stelle des Berliner Senats - so unverzichtbar sie ist - ist natürlich nicht in der Lage - das möchte ich hier ganz deutlich herausstellen -, diese Aufgabe gegenwärtig für das gesamte Bundesgebiet wirkungsvoll wahrzunehmen. Sie widmet ihre intensive Beratung von Einzelpersonen allerdings schon heute nicht nur Einwohnern von West-Berlin, sondern auch Westdeutschen, und es sind keine Einzelfälle, daß Ratsuchende eigens nach Berlin fliegen, um sich hier persönlich beraten zu lassen. ({7}) Ich möchte hier bewußt, nicht die Einzelheiten der Arbeitsweise dieser Beratungsstelle darlegen, aber nochmals feststellen, daß hier ein Ansatzpunkt ist, von dem aus das gewünschte Ziel erreicht werden kann. Einer der Hauptgründe von SPD und FDP gegen unseren Antrag ist die Behauptung, mit ihm würden mehr Bürokratie und zusätzliche Stellen geschaffen. Wir haben mehrfach darauf hingewiesen, Böhm ({8}) daß dies nicht der Fall ist und das Ziel durch Umorganisation in denjenigen Dienststellen zu erreichen sein müßte, die sich derzeit an vielen Stellen mit der Beratung, Betreuung und Bearbeitung von Beschwerden befassen. Die erwähnte Berliner Stelle führt ihre segensreiche und begrüßenwerte Tätigkeit mit fünf Mitarbeitern, und zwar vier Beamten des gehobenen Dienstes und einem Beamten des mittleren Dienstes durch und bewältigte in dieser Besetzung im vergangenen Jahr rund 25 000 Beratungen. ({9}) Der Alltag des innerdeutschen Post- und Reiseverkehrs besteht ganz gewiß nicht nur aus Behinderungen und reicht gewiß nicht nur von schikanösen Kontrollen über Radarfallen bis zur Verweigerung von Besuchsreisen in noch so dringenden Familienangelegenheiten. Es mag daher sein - ich habe Verständis dafür -, daß der eine oder andere Hemmungen hat, Beschwerden zu sammeln, weil dadurch zwangsläufig die Mißhelligkeiten, die sich im Vollzug der Politik ergeben, in den Mittelpunkt rücken. Unsere Politik sollte sich aber immer an denen orientieren, die Probleme und Sorgen haben. Dabei ist es kein Trost, daß in Zehntausenden oder in Hunderttausenden von Fällen alles reibungslos und gut verläuft. Zum Thema Grenzschikanen bei der Einreise in die DDR schrieb erst unlängst die „Frankfurter Allgemeine Zeitung", die Schikanen wie intensive Gepäckkontrollen, das Verlangen, Handschuhfächer auszubauen, Toilettenpapier aufzurollen und Brieftaschenkontrollen über sich ergehen zu lassen, hätten nicht nur punktuellen ({10}) Charakter, sondern seien gesteuert und verfolgten offenkundig den Zweck, vom Besuch der DDR abzuschrecken. ({11}) Weiter schrieb die FAZ: Es ist dies ein Thema, über das viele Reisende resigniert schweigen und das deshalb, von der verbreiteten Selbstzensur gefördert, die in Sachen DDR heute betrieben wird, auch kaum an die Öffentlichkeit kommt. ({12}) Zum Verbreiten von Unsicherheit und Angst genügt es, nur in einigen Fällen Schikanen und Behinderungen durch die DDR zu praktizieren; dennoch wird das Ziel erreicht, neben der Mauer aus Stacheldraht und automatischen Tötungsanlagen und der finanziellen Mauer des Zwangsumtausches eine dritte Mauer aus Behinderungen und Schikanen zu errichten, die das Reisen erschwert und damit vom Reisen abschreckt. Eine zentrale Erfassung und systematische Auswertung aller Mitteilungen der Bürger würde auch dazu führen, der DDR vor Augen zu führen, daß wir gewillt sind, alle Verstöße gegen die Verträge lükkenlos zu erfassen. Die Bundesregierung erhielte noch mehr Material als bisher, um der DDR sagen zu können, was geschehen muß, um die geschlossenen Verträge in der Praxis besser erfüllen zu können als bisher. Dazu bedarf es der Mitwirkung aller betroffenen Bürger, die aufgefordert sind und bleiben, alle Vorfälle bekannt zu machen. Eine systematische Öffentlichkeitsarbeit für eine zentrale Beratungsstelle könnte somit ein neuer Anstoß für die Bürger sein, an der Gestaltung des Alltags der innerdeutschen Beziehungen mitzuarbeiten. Wir haben heute gehört, daß die DDR anläßlich bestimmter Geburtstage sowie bei Konfirmationen und Kommunionen künftig zusätzlich Genehmigungen für Reisen in dringenden Familienangelegenheiten erteilen will, und zwar auf Grund einer Kann-Bestimmung. Gerade unter dem Eindruck dieser neuesten Meldungen ist es um so wichtiger, daß die Bürger eine Möglichkeit erhalten, die Beschwernisse mitzuteilen, und daß die Bundesregierung dadurch die Möglichkeit erhält, jederzeit zu kontrollieren, inwieweit die DDR diese Kann-Bestimmung auch anwendet. Wir möchten die Tatsachen überprüfen können, um so auch feststellen zu können, ob hinter dieser Ankündigung nicht nur eine propagandistische Absicht steht. ({13}) Die von uns geforderte Zentrale Beratungsstelle ist auch aus diesem ganz aktuellen Grunde wichtiger denn je. Meine Damen und Herren, unser Antrag - ich bitte ihn so zu verstehen - soll ein positiver Beitrag zur Gestaltung und zum Ausbau der innerdeutschen Beziehungen sein. Um so mehr bedauern wir, daß SPD und FDP offenbar zur Ablehnung dieser Initiative entschlossen sind. ({14})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Das Wort hat nun der Abgeordnete Wuttke.

Günther Wuttke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002578, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Einbringung des Antrags am 29. Oktober 1981 haben wir schon hier im Plenum darüber diskutiert. Damals führte ich aus, daß die Einrichtung einer Zentralen Beratungsstelle für den innerdeutschen Reise- und Postverkehr überflüssig ist. Ich begründete auch meine Auffasung ausführlich. Die Mehrheit im Ausschuß folgte meinem Vorschlag und lehnte diesen Antrag ab. Zuvor hatten die mitberatenden Ausschüsse ebenfalls abgelehnt. Der Antrag nahm also den gleichen Weg wie der fast wortgleiche Antrag aus dem Jahre 1977. ({0}) Auch damals hatte der Kollege Böhm die gleichen Argumente wie heute verwendet. Allerdings wurden auch damals wie heute von uns die gleichen Argumente für die Begründung der Ablehnung vorgetragen. Ich meine, wir tun hier etwas, was eigentlich einer bestimmten Gattung von Tieren vorbehalten ist, nämlich wiederkäuen. ({1}) Ich bedauere, daß ich dieser Vorgabe meines Vorredners folgen muß. Damals wie heute gilt folgendes. Die Einrichtung einer Beschwerdestelle - so damals genannt - oder Beratungsstelle, wie man sie heute nennt, soll nach dem Willen der Union Behinderungen im innerdeutschen Reise- und Postverkehr erfassen und auswerten und es der Bundesregierung ermöglichen, auf die Beendigung dieser Behinderungen hinzuwirken. ({2}) Aber diese Aufgaben werden von der Bundesregierung schon längst ohne eine solche besondere Stelle voll wahrgenommen. Ebenso gilt damals wie heute, daß die Einrichtung einer Beratungs- oder Beschwerdestelle weder der Sache förderlich ist noch den Betroffenen hilft. Sowohl der Reise- wie der Postverkehr sind Massenverkehrsarten in Größenordnungen von mehreren Millionen. Die Bundesregierung ist selbstverständlich bemüht, daß keinem der Millionen Reisenden und auch Postbenutzern Schwierigkeiten entstehen. Sie wirkt im Rahmen ihrer Möglichkeiten darauf hin, indem sie die Betroffenen durch Merkblätter und tägliche Einzelberatung über die Vorschriften und Besonderheiten in diesem Verkehr unterrichtet. Dies wird von den Betroffenen, den Reisenden und den Postkunden, auch ständig genutzt. Die Beratung aller Reisenden und Postkunden ist also nach wie vor gewährleistet. Ebenfalls ist nach wie vor sicher, daß jede abgegebene Beschwerde die Bundesregierung erreicht und von ihr auch registriert wird. Im Rahmen der Möglichkeiten wird seitens der Regierung und der zuständigen Stellen für Abhilfe gesorgt. Eine Dunkelziffer - davon hat ja auch der Kollege Böhm gesprochen - ergibt sich höchstens daraus, daß eben nicht alle Vorkommnisse gemeldet werden. Die Ursachen dafür, daß diese Vorfälle nicht gemeldet werden, sind verschieden. Ich darf drei herausgreifen. Erstens. Dem Betroffenen ist klar, daß er gegen die DDR-Bestimmungen verstoßen hat und die Bundesregierung ihm gar nicht helfen kann. Zweitens. Der Betroffene befürchtet, wenn auch unbegründet, Rückwirkungen auf die Angehörigen in der DDR, falls er sich beschwert und die Beschwerde bei der DDR-Regierung zur Sprache gebracht wird. Drittens. Der Betroffene hat einfach kein Interesse mehr an der Weiterverfolgung der Angelegenheit. Ein häufiger Beschwerdegrund, nämlich die Erhöhung des Mindestumtausches seit dem 3. Oktober 1980, betrifft alle Reisenden und ist der Bundesregierung in seinen Auswirkungen bekannt. Die Frage wird bei allen Gesprächen mit der DDR erörtert. Von diesem Sachverhalt abgesehen, haben die individuellen Beschwerden seit 1977 nicht zugenommen oder sich auf andere Beschwerdepunkte verlagert. Beschwerden werden in der Regel an Ort und Stelle, d. h. für Reisende am Grenzübergang, für Postkunden bei der zuständigen Postanstalt, entgegengenommen. Das erspart dem Betroffenen kostspielige Telefonate oder einen schriftlichen Bericht, den er oftmals scheut. Außerdem sind die Bediensteten in der Lage, Hilfestellung bei der Meldung zu leisten, wenn es notwendig ist. Natürlich kann sich jeder Beschwerdeführer auch an die zuständigen Ministerien wenden. In jedem Falle ist sichergestellt, daß über einen Vorfall schnell und unkompliziert den zuständigen Stellen - bis zum Minister für innerdeutsche Beziehungen - berichtet wird. ({3}) Ich frage mich: Was soll da eine neue Schaltstelle - wie die beantragte Beratungsstelle schon genannt wurde -, wenn sie verwalten, verschalten, komplizieren oder erschweren würde? Ich meine, da belassen wir es lieber bei dem bewährten bisherigen Verfahren und sind den Bediensteten dankbar, die in persönlichem Kontakt mit den betroffenen Menschen an Ort und Stelle unbürokratisch die Probleme lösen helfen. ({4}) Abschließend darf ich das zitieren, was ich als Begründung der Ablehnung des CDU/CSU-Antrages in den Bericht des Ausschusses geschrieben habe: Die Mitglieder der Koalitionsfraktionen im Ausschuß vertraten den Standpunkt, die bestehende Organisation habe die der Zentralen Beratungs- und Beschwerdestelle zugedachten Aufgaben gut und wirkungsvoll bewältigt. Sie habe sich bewährt. Die gegebenen Möglichkeiten reichten aus, Erkenntnisse zu erfassen und auszuwerten, im Einzelfall Hilfe zu gewähren und in geeigneter Weise durch Verhandlungen im Reise- und Postverkehr Verbesserungen zu erwirken. Eine neue Stelle würde eher behindern als fördern. Auch im Zeichen der Sparmaßnahmen im öffentlichen Dienst sei eine Einrichtung nicht zu befürworten, die auf jeden Fall zu sachlichem und personellem Mehraufwand führen würde. Wer noch nähere Einzelheiten erfahren möchte, dem empfehle ich die Bundestagsprotokolle vom 25. November 1977, vom 11. Mai 1978 und vom 29. Oktober 1981. Das reicht aus, um dem Plenum die Ablehnung des Antrages zu empfehlen, was ich hiermit tue. ({5})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Ich erteile der Frau Abgeordneten Fromm das Wort.

Rita Fromm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000607, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich auf den Antrag der CDU/CSU eingehe, möchte ich feststellen, daß die FDP-Bundestagsfraktion die Mitteilung von ADN, die uns heute vormittag erreichte, begrüßt, die Reisemöglichkeiten für DDR-Bürger zu erweitern. Danach können DDR-Bürger nunmehr bei Vorliegen von Einladungen aus Anlaß von Konfirmationen, ErstFrau Fromm kommunionen und Jugendweihen sowie dem 60., 65., 70., 75. und allen weiteren Geburtstagen reisen. ({0}) Das ist ein Beitrag, die Bemühungen um gutnachbarliche Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten zum Wohle der Menschen fortzuführen. ({1}) Meine Damen und Herren, wir hoffen, daß diesen Erleichterungen noch weitere folgen werden. ({2}) Wir werten dies auch als ein positives Ergebnis der deutsch-deutschen Begegnung vom Dezember 1981, als ein positives Ergebnis unserer Politik. ({3}) Positiv ist auch die Tatsache zu bewerten, daß das staatliche Reisebüro der DDR gestern einen Vertrag mit der Flensburger Reederei „Seetouristik" über 27 Tagesfahrten von Burgstaaken auf Fehmarn bzw. von Travemünde nach Rostock/Warnemünde abgeschlossen hat. Vorgesehen ist eine vereinfachte Grenzabfertigung, d. h., ein Tagesvisum wird unmittelbar nach Festmachen in der DDR ausgestellt, wobei ein Pflichtumtauschsatz nicht zu entrichten ist. ({4}) Doch nun zum Antrag, der uns heute vorliegt. Der Antrag der CDU/CSU, eine zentrale Beratungsstelle für den innerdeutschen Reise- und Postverkehr einzurichten, wurde hier am 29. Oktober letzten Jahres debattiert und an den Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen, den Ausschuß für Verkehr sowie den Ausschuß für das Post- und Fernmeldewesen zur weiteren Beratung überwiesen. Der Ausschuß für das Post- und Fernmeldewesen empfahl am 11. November 1981 mit Mehrheit die Ablehnung des Antrages. ({5}) Der Verkehrsausschuß lehnte ihn am 9. Dezember 1981 gleichfalls mit Mehrheit ab. ({6}) Nach eingehender Diskussion kam auch der Innerdeutsche Ausschuß in seiner Sitzung am 13. Januar dieses Jahres überein, diesen Antrag ebenfalls abzulehnen. ({7}) Auch die uns heute vorliegende aktualisierte Auflage des Antrags von 1977 - Kollege Wuttke wies schon darauf hin - werden wir ablehnen. In diesem Antrag können wir keine neuen und begründeten Forderungen entdecken. ({8}) Seitdem sind im innerdeutschen Reise- und Postverkehr keine wesentlichen Notwendigkeiten eingetreten, die uns veranlassen könnten, eine zentrale Beratungsstelle für den innerdeutschen Reise- und Postverkehr einzurichten. ({9}) Ich möchte die Entscheidung der FDP-Bundestagsfraktion noch einmal im Rahmen der heutigen Beratung begründen. Nach wie vor sind wir Freien Demokraten nicht der Meinung - und wir sehen keinen Anlaß, unsere Meinung zu ändern -, daß eine zentrale Beratungsstelle Beschwerden rascher und wirksamer nachgehen kann. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, daß es für einen betroffenen Bürger leichter sein soll, sich an eine zentrale Beratungsstelle zu wenden. ({10}) Ich halte es für besser, sich an Ort und Stelle z. B. an die Grenzübergangsstelle ({11}) oder an die zuständigen Postdienststellen wenden zu können. ({12}) Sie glauben doch wohl nicht, das es befriedigender ist, wenn man, nach längerer Zeit zu Hause angekommen, schriftlich eine Beschwerde abfassen darf. ({13}) - Ich habe es verstanden, Herr Böhm. ({14})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Frau Abgeordnete, sind Sie damit einverstanden, daß der Abgeordnete Lintner Ihnen eine Zwischenfrage stellt?

Rita Fromm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000607, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte, Herr Lintner.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Herr Abgeordneter Lintner!

Eduard Lintner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001351, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin Fromm, was würden Sie sagen, wenn ich Ihnen berichte, daß im Zusammenhang mit Einreisen und Reisen durch die DDR oft so diffizile Probleme entstehen, daß z. B. die vorhandene Beschwerdestelle in Berlin Tausende derartiger Anfragen - selbst von Behörden und Institutionen, sogar von Grenzpolizeistationen - bekommt, weil die dortigen Beamten den Reisenden keine zutreffende Auskunft geben können?

Rita Fromm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000607, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Lintner, Sie wissen auch, daß den Beschwerden schon vielfältig nachgegangen wird und daß das, was Sie eben gesagt haben, nicht zutrifft. Die Zahl der Beschwerden hat sich nicht erhöht, sondern eher abgenommen. Das ist vorhin noch einmal deutlich geworden. ({0}) - Sie werden es gleich hören, Herr Böhm; ich gehe auch auf Ihren Beitrag ein. Bemerkungen von Kollegen der Opposition, wie man die Dunkelziffer bei Behinderungen, Schikanen und Zurückweisungen erhellen kann, möchte ich so beantworten: Selbstverständlich kann dies nur durch ein Mehr an Öffentlichkeitsarbeit über bestehende Beschwerdemöglichkeiten geschehen. Ich kann nur wiederholen, was ich bereits am 29. Oktober letzten Jahres an dieser Stelle gesagt habe, nämlich, daß die Bundesregierung die Öffentlichkeit über Beschwerdemöglichkeiten äußerst wirksam unterrichtet durch die Broschüren „Reisen in die DDR", „Reisen über die Transitwege", durch zahlreiche Merkblätter, Herr Kollege Lintner, die in allen Postdienststellen ausliegen und die bei Beachtung das Risiko von Verlusten im Postverkehr erheblich verringern. Ein Mehr an Öffentlichkeitsarbeit kann auch eine zentrale Beratungsstelle nicht leisten. Letztlich liegt es immer an den Bürgern selber, von den ihnen angebotenen Möglichkeiten Gebrauch zu machen. ({1}) - Herr Jüger, der Einwurf kam aufs Stichwort. Ich zitiere etwas, was wir auch in der Diskussion im Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen besprochen haben. Ich halte es für reichlich naiv, wenn von seiten der Opposition geglaubt wird, daß allein die Existenz einer zentralen Beratungsstelle dazu beitragen kann, Behörden in der DDR von Behinderungen und Eingriffen abzuhalten. Der von Ihnen erhobene Vorwurf, daß die Bundesregierung Beschwerden nicht nachgeht oder nicht nachgehen will, trifft ebenfalls nicht zu. Jede, aber auch jede eingereichte Beschwerde, ob im Reisebereich oder im Post- und Fernmeldebereich, wird entweder beim Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen, beim Ministerium des Innern oder beim Ministerium für das Post- und Fernmeldewesen bearbeitet. ({2}) Alle Zwischenfälle werden in den entsprechenden Kommissionen angesprochen und behandelt. Erinnern wir uns doch an die letzte Ausschußsitzung. Dort sind uns die Zahlen über die vielfältigen Beratungsmöglichkeiten genannt worden. ({3}) Deshalb kann ich noch einmal darauf verweisen, daß sich die jetzt bestehende Organisation bewährt hat und ihre Aufgabe, Hilfen zu gewähren, Erkenntnisse auszuwerten und durch Verhandlungen Verbesserungen zu erreichen, gut und wirksam bewältigt, während, wie ich schon eingangs erwähnte, eine neue, zentrale Beratungsstelle den Eingang und die Bearbeitung von Beschwerden nicht verbessern würde. Die von Ihnen geforderte Einrichtung einer zentralen Beratungsstelle für den innerdeutschen Reise- und Postverkehr würde auch durch Umsetzen von Beamten zu Mehrkosten im öffentlichen Dienst führen. ({4}) Auch angesichts der angestrengten Haushaltslage halte ich eine solche zentrale Beratungsstelle nicht für finanzierbar. Deshalb lehnen wir Freien Demokraten Ihren Antrag ab. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. ({5})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Der Auschuß empfiehlt auf Drucksache 9/1282, den Antrag der Abgeordneten Lorenz, Baron von Wrangel, Jäger ({0}), Lintner, Böhm ({1}), Schulze ({2}) und der Fraktion der CDU/ CSU auf Drucksache 9/685 abzulehnen. Wer dieser Ablehnung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. ({3}) Die Gegenprobe! - Wer enthält sich der Stimme? - Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist gegen die Stimmen der Mitglieder der Fraktion der CDU/ CSU angenommen. Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf: Beratung der Unterrichtung durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz Vierter Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für den Datenschutz gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 des Bundesdatenschutzgesetzes - Drucksache 9/1243 Im Ältestenrat ist für die Aussprache ein Beitrag von bis zu zehn Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. Darf ich davon ausgehen, daß das Haus mit dieser Regelung einverstanden ist? - Ich stelle dies fest. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Laufs.

Prof. Dr. Paul Laufs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da die Freien Demokraten dem Wunsch der Fraktion der CDU/CSU und der Fraktion der SPD widersprachen, den Vierten Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für den Datenschutz ohne Debatte an die Ausschüsse zu überweisen - was wir bevorzugt hätten -, mache ich für meine Fraktion einige Bemerkungen zu Professor Bulls Bericht. Die Schlagzeilen in der Presse nach der Vorstellung dieses Datenschutzberichts signalisierten ungewöhnlich negative Tendenzen. Von groben und drastischen Verstößen der Sicherheitsbehörden war die Rede. Der Datenschutz weise noch zahlreiche Lücken auf, hieß eine Überschrift. Es hieß, die elektronische Sammelwut nehme zu. Wer den Vierten Tätigkeitsbericht zur Hand nimmt, kann diesen Eindruck nicht bestätigen. Er findet eine Darstellung des Datenschutzes im öffentlichen Bereich, die sich durch zunehmenden Detaillierungsgrad, hohe Aussagekraft und profunde Sachkunde auszeichnet und auch einige unpassende und ärgerliche Feststellungen trifft, auf die ich noch zu sprechen kommen möchte. Zum erstenmal werden Querschnittsthemen behandelt, die übergreifende Erfahrungen aus den verschiedenen Verwaltungsbereichen zusammenfassen. Dies ist zu begrüßen. Der Tätigkeitsbericht soll nicht nur ein Arbeitsbericht sein, der von dem großen Fleiß des Bundesbeauftragten und seiner Mitarbeiter Zeugnis gibt. Wer die früheren Tätigkeitsberichte mit dem neuen vergleicht, kann aus ihm unschwer herauslesen, daß die öffentlichen Stellen bei der Entwicklung des Datenschutzbewußtseins und der materiellen Verbesserung des Persönlichkeitsschutzes bei der Datenverarbeitung sehr viel geleistet haben. Dies gilt auch gerade für den Sicherheitsbereich, in dem sich keineswegs ein allgemeines Vollzugsdefizit findet. Zum Beispiel ist bei der Aktenbereinigung in den Sicherheitsbehörden außerordentlich viel geschehen. Hier wäre auch einmal ein anerkennendes Wort am Platz, das ich in diesem Bericht vergeblich gesucht habe. Die Arbeit des Bundesbeauftragten ist offenbar zu sehr auf die Datenschutzschwachstellen konzentriert, als daß er die andere Seite des Datenschutzes besonders beachten könnte, wo der Datenschutz mißbraucht wird, um andere Interessen zu verfolgen. Es ist bedrückend zu sehen, daß in vielen Fällen aus einem falschen Datenschutzverständnis heraus rechtlich zulässige und erforderliche Amtshilfe nicht geleistet wird. ({0}) So liegt mir z. B. eine Fallzusammenstellung der Polizeidirektion Waiblingen vor, die aufzeigt, wie polizeiliche Ermittlungsverfahren bei illegalem Waffenhandel, Diebstahl, Brandstiftung und anderem erheblich behindert wurde, weil Auskünfte von anderen Behörden, insbesondere von Meldeämtern, mit dem Hinweis auf den Datenschutz verweigert wurden. ({1}) Der Zeit- und Sachaufwand zur Klärung solcher Situationen kann beträchtlich und entscheidend sein. Wir wollen keinen Datenschutz, der den Ganoven hilft, sich aus dem Staub zu machen. ({2}) Aus der polizeilichen Praxis kommen auch Hinweise darauf, daß die verkürzten Löschungsfristen die Erkennung von Wiederholungstätern unmöglich machen können. Mit der datenschutzrechtlichen Überwachung der Aktenhaltung ist eine erhebliche Arbeitsleistung verbunden, die von den Beamten weitgehend zusätzlich zum normalen Dienst erbracht werden muß. Auch das gehört zur anderen Seite, die es verdiente, gewürdigt zu werden. Ein Kapitel über den falschen und überzogenen Datenschutz aus Unkenntnis und zu mißbräuchlichen Zwecken könnte die Glaubwürdigkeit der Tätigkeitsberichte nur erhöhen. Der Vierte Tätigkeitsbericht hat zu heftigen öffentlichen Auseinandersetzungen zwischen Bundesbehörden und dem Bundesbeauftragten geführt, wie wir sie in den vergangenen Jahren immer wieder erleben konnten. Dieser ständige öffentliche Streit dient weder dem Ansehen des Staates, noch stärkt er das Vertrauen der Bürger in unsere Sicherheitsorgane. ({3}) Einen durchaus kritischen Dialog zwischen dem Bundesbeauftragten und der Verwaltung muß es geben, aber nicht zuerst in den Medien. Es scheint mir, als sei der Schwachpunkt in Professor Bulls Auffassung von den Aufgaben eines Bundesdatenschutzbeauftragten in seinem Mißverständnis dieser Tätigkeit als institutionalisiertes Mißtrauen gegenüber den Sicherheitsbehörden begründet. Seine massive und grundsätzliche Kritik an der Verfassungsschutzbehörde kann nicht anders verstanden werden als eine radikale Infragestellung der Rechtmäßigkeit der vom Verfassungsschutz ausgeübten Tätigkeit. Der Bundesbeauftragte lehnt eine Vorfeldtätigkeit in der Erfassung von einfachen Mitgliedern verfassungsfeindlicher Organisationen ab. Allenfalls dürften Daten über Funktionäre gespeichert werden. Wie will er z. B. bei rechtsextremistischen Gruppierungen mit ihrer rasch wechselnden Zusammensetzung Mitglieder von Funktionären unterscheiden? Wie soll der Terrorismus bekämpft werden, der überhaupt keine strukturierte Mitgliedschaft kennt? Die Abwägung zwischen dem Allgemeinwohl des Staates und seiner Bürger und den persönlichen Interessen des einzelnen ist eine schwierige Aufgabe. Die Behörden haben diese Abwägung auf Grund von Verfassung und Gesetz vorzunehmen. Es ist unerträglich, wenn in den Äußerungen des Bundesbeauftragten ein ständiger Vorwurf gegen die Sicherheitsbehörden enthalten ist: als würden sie diesen Ausgleich tendenziell stets zuungunsten der Individualinteressen entscheiden. ({4}) Der Sicherheitsbereich darf kein Bereich frei von Datenschutz sein. Im Gegenteil. Aber Datenschutz darf niemals das Vehikel sein, um die Erfüllung verfassungsmäßiger und gesetzlicher Aufgaben von Polizei, Verfassungsschutz und Nachrichtendiensten zu behindern. ({5}) Die Tätigkeitsberichte zum Datenschutz sollen zweierlei leisten. Sie sollen einmal der Kontrolle der Exekutive durch Aufzeigen von Schwachstellen beim Vollzug des Datenschutzrechts dienen. Sie sol5194 len aber auch einen Überblick über allgemeine Erfahrungen mit dem Datenschutzrecht geben, die zur Änderung des Rechts Anlaß sein könnten. Der Bundesbeauftragte stellt in seinem Bericht - ich möchte das anerkennend hervorheben - im einzelnen die zahlreichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Richtlinien und bereichsspezifischen Gesetzesnormen dar, mit denen das Datenschutzrecht verwirklicht und weiterentwickelt wurde. An dieser Stelle wäre übrigens anzumerken: Wo bleiben eigentlich die Verwaltungsvorschriften des Bundes, nachdem die Länder diese schon im Jahre 1978 verabschiedet haben? Der Bericht gibt also eine beachtliche Darstellung der vielfältigen und konkretisierten Datenschutzrechte, die in diesen Jahren entwickelt worden sind. Diese Entwicklung soll sich auf der Ebene der Vorschriften und bereichsspezifischen Regelungen fortsetzen. Der Bundesbeauftragte bietet darüber hinaus in seinem Vierten Tätigkeitsbericht gleichzeitig Vorschläge für eine umfassende Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes an. Das ist bemerkenswert, zumal diese Doppelgleisigkeit nicht weiter kommentiert wird. Besondere Aufmerksamkeit verdient eine sichtbar werdende neue Zielsetzung in diesen Vorschlägen: Das Datenschutzrecht der Mißbrauchsverhinderung soll zu einem Recht zur Regelung von Informationsbeziehungen weiterentwickelt werden. Der Bundesbeauftragte geht bei seinen Vorschlägen offensichtlich zu sehr von den Erkenntnissen und Erfahrungen im öffentlichen Bereich aus. Er sollte nicht übersehen, daß seine Vorschläge tiefgreifende ordnungspolitische Auswirkungen auf den privaten Bereich haben müßten. Über diese Frage werden wir bei den demnächst anstehenden Beratungen einer ersten Datenschutznovelle noch ausgiebig diskutieren können. Auch der Vierte Tätigkeitsbericht wird uns intensiv beschäftigen. Es bleibt zu hoffen, daß die Schlußfolgerungen aus diesen Beratungen schneller vorliegen werden, als das bei den beiden letzten Tätigkeitsberichten der Fall war. Hinsichtlich unserer Beschlußempfehlung im Innenausschuß sind wir immer noch nicht zu einer abschließenden Beratung gelangt. - Ich bedanke mich für ihre Aufmerksamkeit. ({6})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Wernitz.

Dr. Axel Wernitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002486, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte mir gewünscht, daß Sie umgekehrt vorgegangen wären, Herr Kollege Laufs, d. h. an den Anfang nicht das Lob mit Blick auf den Bericht und dann das Zerfleddern gestellt hätten. Aber, nun gut. Wir werden die Detailaufarbeitung im Ausschuß nachholen. Mit der Vorlage des jährlichen Tätigkeitsberichts kommt der Bundesbeauftragte für den Datenschutz einem vom Gesetzgeber gewollten Auftrag nach, die verschiedenen Bereiche der Bundesverwaltung mit der Meßlatte des Datenschutzes zu kontrollieren und zu erörtern und diese Tätigkeit gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit zu dokumentieren. Die bisher vorgelegten vier Berichte belegen, daß Professor Bull seine Aufgaben nach dem Bundesdatenschutzgesetz intensiv und konsequent wahrnimmt. Der Datenschutzbeauftragte handelt im Sinne des Gesetzes, wenn er die Handhabung der Datenschutzvorschriften durch die Bundesbehörden in seinen Tätigkeitsberichten ungeschminkt, kritisch und engagiert darstellt und würdigt. Bei dem vorgegebenen Spannungsverhältnis bzw. Zielkonflikt zwischen Möglichkeiten und Wünschen der Datenverarbeitung einerseits und den rechtlichgesetzlichen Auflagen zum Schutz des Bürgers vor unzulässiger Datenverarbeitung personenbezogener Daten andererseits sind unterschiedliche, ja kontroverse Wertungen des Tätigkeitsberichts durchaus natürlich. Dies zeigt sich übrigens nicht nur bei der teils kontroversen und kritischen Diskussion im Zusammenhang mit den vom Bundesbeauftragten vorgelegten Tätigkeitsberichten; ähnliches hat sich z. B. auch im Anschluß an die von verschiedenen Landesbeauftragten für den Datenschutz erstatteten Berichte immer wieder ereignet. Der Datenschutzbeauftragte handelt im Sinne des gesetzlichen Auftrags, wenn er - wie ja geschehen - neben der Darstellung positiver Entwicklungen einschließlich der abgestellten Mängel auch die Palette datenschutzrechtlicher Monita und Defizite dokumentiert. Parlament und Öffentlichkeit haben Anspruch darauf, daß in diesen Tätigkeitsberichten sowohl die Aktiva als auch die Passiva des Datenschutzes aktuell präsentiert werden. Die parlamentarische Aufarbeitung des Vierten Tätigkeitsberichts wird zeigen, ob und inwieweit dies in vollem Umfang gelungen ist. Der Vierte Tätigkeitsbericht bietet erneut auf rund 60 Seiten eine breite Palette aus der Arbeit des Bundesbeauftragten. Es würde den Rahmen einer Kurzdebatte sprengen, wollte man hier den Versuch unternehmen, auch nur einen knappen Überblick über den Bericht zu vermitteln. Ich möchte auch heute meine frühere Anregung und Bitte wiederholen, daß sich vielleicht doch mehr als nur ein paar damit besonders befaßte Kollegen gelegentlich die Zeit nehmen, um in diese Bundestagsdrucksache hineinzuschauen. Wer dies tut, wird feststellen, daß es keineswegs nur um Grundsatzfragen, sondern häufig um ganz konkrete handfeste Anliegen und Probleme unserer Bürger bei der personenbezogenen Datenverarbeitung geht. Insofern geht es hier sehr wohl auch um Kärrnerarbeit, um die wir Parlamentarier uns gründlich kümmern müssen. Dies wird leider allzuoft durch spektakuläre Einzelfälle in den Hintergrund gedrückt. Für das Grundanliegen des Datenschutzes, nämlich die Persönlichkeitsrechte des Bürgers im Sinne des Grundgesetzes zu wahren, wäre es eine schlimme Sache, wenn die Datenschutzberichte bei der öffentlichen Umsetzung, insbesondere in den Medien, zu bloßen Sensations- oder tatsächlichen bzw. auch vermeintlichen Konfliktquellen reduziert würden. Hier sehe ich für die Zukunft nicht unbeachtliche Gefahren für das Ansehen und die Akzeptanz des Datenschutzes. Erfreulich ist die Feststellung im Tätigkeitsbericht, daß das Interesse des Bürgers an datenschutzrechtlichen Fragen und sein Bedürfnis nach Informationen über das Gesetz und die Anwendung unverändert groß sind. Als allgemeine Erfahrung aus den im Berichtsjahr durchgeführten Prüfungen hat der Datenschutzbeauftragte festgehalten, daß vorsätzlich keine personenbezogenen Daten unzulässig verarbeitet wurden. Er stellte allerdings auch fest, daß es eine erhebliche Anzahl von Fällen gab, in denen Behörden unzulässige Verarbeitungen für zulässig hielten und durchführten. Diese Fälle stehen naturgemäß stärker im Blickpunkt der kritischen Öffentlichkeit. Von der Anerkennung und positiven Würdigung aus der Sicht des Datenschutzes im Vierten Tätigkeitsbericht, so z. B. gegenüber dem Deutschen Patentamt, der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, der Deutschen Bundesbank und anderen Einrichtungen, wird draußen leider kaum Notiz genommen. Dies gilt übrigens auch für den Bereich der Sicherheitsbehörden. Von den insgesamt ausgesprochen positiven Passagen über die Prüftätigkeit etwa bei BND und MAD im Tätigkeitsbericht ist bislang kaum Notiz genommen worden. Auch dieser Tätigkeitsbericht und die sich daran jetzt anschließende öffentliche Kontroverse geben Anlaß, darauf hinzuweisen, daß es zu einem konstruktiven und disziplinierten Dialog zwischen Sicherheitsbehörden und Datenschutzexperten keine vernünftige Alternative gibt. Nur eine so verstandene Kommunikation kann das objektiv gegebene Spannungsverhältnis zwischen Datenschutz und Sicherheit für die Optimierung der Bürgerrechte im demokratischen Staat fruchtbar machen. Auch jetzt gilt es, eine falsche und gefährliche Konfrontation zwischen innerer Sicherheit und Datenschutz zu vermeiden. Denn es geht hier im Grunde um Bürgerrechte, die nicht gegeneinander aufgerechnet werden dürfen, sondern miteinander verbunden bleiben müssen. In allen anstehenden Einzelfragen dieses Bereiches kommt es darauf an, überzeugende Antworten auf den Auftrag des Grundgesetzes zu finden: effektive Sicherheit in klaren rechtlichen Grenzen einschließlich des Datenschutzes. Meine Damen und Herren, hier ist über die Novelle, die bevorsteht, gesprochen worden. Wir werden das Material des Tätigkeitsberichts in diese Beratungen einbeziehen. Wir rechnen damit, daß die Novelle, die der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung angekündigt hat, in diesem Jahr vorgelegt wird. Bei der notwendigen Weiterentwicklung und Verbesserung des Datenschutzrechts wird auch auf etwas sehr zu achten sein, was im Vierten Tätigkeitsbericht unter dem Kapitel „Datenschutz im Ausland" angesprochen wird: das Thema Datenschutz und Bürokratismus. Hier werden erkennbare Tendenzen, den Datenschutz zu konzentrieren und ihn von unnötigen bürokratischen Elementen zu entlasten, begrüßt. Weiter heißt es in dem Bericht wörtlich - ich zitiere -: Es würde dem Gedanken des Datenschutzes schaden, wenn er über das, was zum Schutz der Rechte und Interessen des Bürgers notwendig ist, hinausginge. Ich füge hinzu, meine Damen und Herren, daß wir diesen richtigen und wichtigen Ansatz selbstverständlich auch unserer Arbeit am Datenschutzrecht in der Bundesrepublik Deutschland zugrunde legen müssen. Abschließend möchte ich die Bitte äußern, daß die sieben neben dem federführenden Innenausschuß mitberatend beteiligten Ausschüsse, wozu möglicherweise noch gutachtliche Stellungnahmen weiterer Ausschüsse kommen, ihre Stellungnahmen zum Vierten Tätigkeitsbericht möglichst bis zur Sommerpause abgeben, damit der federführende Innenausschuß seine zusammenfassende Beschlußempfehlung an das Plenum spätestens im Oktober, also, wie es hier mit Recht der Kollege Laufs in bezug auf den Zweiten und den Dritten Tätigkeitsbericht gesagt hat, vor dem nächsten Tätigkeitsbericht, erstatten kann. Meine Damen und Herren, wir stimmen seitens der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion dem Überweisungsvorschlag des Ältestenrats zu. - Vielen Dank. ({0})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Ich gebe dem Abgeordneten Dr. Hirsch das Wort.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000908, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben in der Tat - da hat Herr Kollege Laufs recht - auf einer Behandlung des Berichts hier im Plenum deswegen bestanden, weil man nach der Vorlage des Vierten Tätigkeitsberichts - im Ausschuß sind wir beim Zweiten oder Dritten Bericht - sowie nach der Vorlage der Datenschutzberichte des hessischen Datenschutzbeauftragten Simitis und der baden-württembergischen Datenschutzbeauftragten Dr. Leuze nun wirklich sagen kann, daß der Datenschutz nicht etwa eine Angelegenheit nervenschwacher Zeitgenossen oder sonst beschäftigungsloser Politiker ist, sondern daß der Gesetzgeber in der Tat hinter den Ereignissen herhinkt. Vergleicht man alle drei Berichte, dann muß man sagen, erstens, daß die elektronische Datenverarbeitung in den letzten Jahren eine immer schnellere Entwicklung genommen hat, zweitens, daß die Sammelwut der Behörden und insbesondere der Forschungseinrichtungen geradezu erstaunlich ist, weil sie nicht begreifen, daß eine Vielzahl von Informationen die Entscheidungen teurer, aber nicht notwendigerweise richtiger macht, drittens, daß man die Datenverarbeitung in keinem Bereich mehr abschaffen kann, ohne ein Chaos anzurichten, und viertens, daß der Gesetzgeber hinter der Entwicklung herhinkt. Das gilt sowohl für die internationale Datenverarbeitung - hier gibt es breite Datenströme, aber kein internationales Datenrecht - als auch für das Arbeits- und Betriebsverfassungsrecht. Die meisten personenbezogenen Daten, die verarbeitet werden, sind Arbeitnehmerdaten. Herr Professor Bull hat in seinem Bericht den Bereich der Sicherheitsbehörden sehr eingehend einer sehr kritischen Würdigung unterzogen; das ist hier mehrfach dargestellt worden. Ich meine, daß man betonen muß - das hat der Bundesinnenminister getan -, daß in den NADIS- und KPS-Richtlinien ganz entschiedene Anstöße gegeben worden sind, um die Dateien zu bereinigen. Man muß aber genauso sagen, daß Datenschutz nicht heißen kann, sich im Sicherheitsbereich blind oder taub zu machen; das ist ganz richtig. Allerdings muß man zugestehen, daß es in diesem Bereich drastische Fehlleistungen zu Lasten der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen gegeben hat. So sind in Baden-Württemberg bis zum Herbst 1981 vom Verfassungsschutzamt - unter Einbeziehung des Landeskriminalamts - alle Personen überprüft worden, die Zugang zu Kernkraftwerken hatten oder haben wollten, und zwar Beschäftigte, Mitarbeiter fremder Firmen, aber auch alle Besucher dieser Kernkraftwerke, ohne daß die Betroffenen das zum großen Teil auch nur erfahren haben. Erwähnenswert ist auch eine andere bemerkenswerte baden-württembergische Spezialität, nämlich die Personenauskunftsdatei der Polizei, in der bei mangelhaften Sicherungsvorkehrungen alle Personen registriert wurden, die mutmaßlich oder tatsächlich Straftaten begangen hatten. Das waren in Baden-Württemberg Anfang des vergangenen Jahres 650 000 Personen mit 1,3 Millionen Straftaten, und zwar deswegen, weil jeder ({0}) - wenn ich den Satz noch aussprechen darf -, der dort einmal registriert war, auch registriert blieb, selbst wenn sich in einem Strafverfahren seine Unschuld eindeutig ergeben hatte oder kein begründeter Tatverdacht mehr gegen ihn verblieb.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Laufs?

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000908, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja, natürlich.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Bitte, Herr Dr. Laufs.

Prof. Dr. Paul Laufs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Hirsch, ist Ihnen bekannt, daß in Baden-Württemberg - ich nehme an, auch in den anderen Bundesländern - von Besuchern kerntechnischer Anlagen schon Wochen vor dem Besuchstermin ein Antrag gestellt werden muß, in dem nähere Angaben, z. B. über Paß-nummern etc., gemacht werden müssen, und daß danach nur eine Anfrage beim Verfassungsschutz erfolgt? - Dr. Hirsch ({0}): Herr Kollege Laufs, meine Zeit läuft. Lesen Sie den Bericht von Frau Dr. Leuze. Dort wird dargestellt, wenn Sie es im Detail hören wollen, daß in der Tat auch Besucher ohne ihr Wissen vom Verfassungsschutzamt - unter Einschaltung des Landeskriminalamtes - überprüft worden sind und daß, wenn Erkenntnisse bei diesen Behörden vorlagen, fast alle diese Erkenntnisse dem Sozialministerium übermittelt worden sind, damit dann entschieden werden konnte, ob der Betroffene das Kernkraftwerk besuchen darf oder nicht. Der Betroffene selber ist dazu - im übrigen auch nicht zur Übermittlung seiner Daten - überhaupt nicht gehört worden; das ist die Wahrheit. ({1}) Es gibt in Baden-Württemberg auch, wenn Sie mich darauf schon ansprechen, z. B. Dateien von Personen, von denen noch niemand behauptet hat, daß sie sich überhaupt strafbar gemacht haben, z. B. eine Prostituiertendatei. ({2}) Wer so etwas anfängt oder duldet, wird bei der Registrierung aller denkbaren sozialen Randgruppen enden und deren Kriminalisierung einleiten. Dem baden-württembergischen Bericht verdanken wir auch die Erkenntnis, daß dort in mehreren hunderttausend Fällen die ärztliche Schweigepflicht im Zusammenhang mit Krebsregistern und vor allem im Zusammenhang mit dem sogenannten Zentralinstitut für seelische Gesundheit gebrochen wurde, ein Institut, das sich wahrhaftig nicht nur durch Uneinsichtigkeit, sondern auch durch einen extremen Datenhunger hervorgetan hat. Es ist schon erstaunlich, wenn sich ein Ministerium in diesem Zusammenhang auf den Standpunkt gestellt hat, daß die Sammlung der Patientendaten zwar rechtswidrig, aber in einem höheren Interesse notwendig gewesen sei. Es steht einem Ministerium zwar zu, die Änderung bestehender Gesetze anzustreben, aber es steht ihm nicht zu, ein Gesetz nicht zu befolgen, weil es ihm nicht paßt oder weil es ihm lästig ist. Daraus ergeben sich folgende Konsequenzen: Erstens. Das Problem Krankheitsregister oder Krebsregister muß gesetzlich geregelt werden; dazu hat Herr Professor Simitis eindrucksvolle Vorschläge gemacht. Zweitens. Es ist in den Berichten sehr eindringlich dargestellt worden, daß die Entwicklung der neuen Medien zu völlig neuen Möglichkeiten der Ausforschung der Benutzer führen kann. Drittens. Es muß unter allen Umständen sichergestellt werden, daß die ärztliche Schweigepflicht nicht länger mißachtet wird, und zwar auch nicht unter Berufung auf noch so sinnvolle Forschungen. Ich finde, daß das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt - und das seit mehreren tausend Jahren - höher zu bewerten ist; das wird es wohl auch bleiben. Viertens. Es muß verhindert werden, daß im Zusammenhang mit den Sozialdaten oder im Zusammenhang mit den Meldegesetzen Personenkennzeichen eingeführt werden. Fünftens. Es ist dringend eine Novellierung des Datenschutzrechtes notwendig, mit der der Tätigkeitsbereich der Datenschutzbeauftragten neu vermessen werden muß. Die Regelung des Schadensersatzanspruchs, die Unentgeltlichkeit der Auskunft, die Weiterübermittlung von Datenberichtigungen und die Rechtsstellung des betrieblichen Datenschutzbeauftragten gehören dabei zu den wesentlichsten zu regelnden Positionen. Ich habe hier nur die wichtigsten Einzelpositionen aufgeführt, von denen wir meinen, daß sie entscheidungsreif sind. Wir bitten den Bundesinnenminister, Novellierungsvorschläge möglichst bald vorzulegen, damit sie noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden können. Wir müssen dafür sorgen, daß der Einzelmensch nicht dem fatalen Eindruck erliegt, daß er von einer allmächtigen oder allwissenden Maschinerie beherrscht wird, ihr ausgeliefert ist, über deren Möglichkeiten er selbst nicht verfügen kann. Als das Buch von Orwell „1984" erschien, waren die Leser von dieser Vision entsetzt. Dieses Entsetzen hat durch Gewöhnung nachgelassen, aber gänzlich un-berechtigterweise. Die Versuchung, die Möglichkeiten der Datenverarbeitung extensiv zu nutzen und das natürlich immer im Sinne irgendeines höheren berechtigten Interesses, ist ständig vorhanden und außerordentlich groß. Wir Liberalen möchten beizeiten die Grenzen der Wirksamkeit des Staates auch im Bereich der Datenverarbeitung neu vermessen. ({3})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Innern. von Schoeler, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Drei kurze Bemerkungen zu dem, was Sie gesagt haben, Herr Kollege Laufs: Zunächst zu Ihrer mit etwas Emphase - soweit das die Besetzung des Saales zugelassen hat - vorgetragenen Feststellung, Sie wollten keinen Datenschutz, der den Ganoven helfe, sich aus dem Staub zu machen - wenn ich mir das richtig aufgeschrieben habe. Sie haben dabei auf ein Papier Bezug genommen, das Ihnen offensichtlich eine Polizeidienststelle aus Ihrem Wahlkreis übergeben hat, und Sie haben das Geschick besessen, die hier auf diese Weise einzuführen. Das neidet Ihnen sicher keiner der Kollegen, aber ich muß schon fragen, was denn diese Feststellung eigentlich soll. Denn Sie haben sich auf Fälle des Datenaustausches zwischen Polizeibehörden und Meldebehörden bezogen. Das war das Beispiel, das Sie erwähnt haben. Nun wissen Sie doch so gut wie ich, daß wir das Gesetz, das diesen Informationsaustausch regelt, einvernehmlich mit Ihrer dankenswerten großen Unterstützung und Ihrer sachkundigen Mitarbeit zusammen, ohne jeden Dissens in der Sache, beschlossen haben. Also was soll dann dieser emphatische Satz, Sie wollten keinen Datenschutz, der den Ganoven helfe, sich aus dem Staub zu machen? Ich bitte Sie, dann auch aufzupassen, wenn Sie formulieren; dann das muß draußen doch so verstanden werden, daß es Leute gäbe, wo immer die auch sitzen - das haben Sie verschwiegen -, die wollten das schon oder würden es zumindest billigend in Kauf nehmen. ({0}) Ich stelle fest: Es will hier niemand, es wollte niemand, es will auch niemand billigend in Kauf nehmen. Wir haben auch nichts dergleichen beschlossen. ({1}) - Das ist genau der Punkt: Mit dem Datenschutzbewußtsein, mit der Schulung der Mitarbeiter, mit dem Lernprozeß, der im Zusammenhang mit dem Datenschutz sicherlich für alle Beteiligten notwendig ist, hat das zu tun. Da stimmen wir überein. Dann wekken Sie aber bitte nicht mit solchen - ich sage es noch einmal - etwas emphatischen Ausrufen hier einen völlig falschen Eindruck bei denen, die dieser Debatte folgen. Zweite Bemerkung. Sie haben gefragt: Wo bleiben denn die Verwaltungsvorschriften? Man bekommt fast Mitleid, weil Sie offensichtlich händeringend versuchen, zu ergründen, wann sie nun kommen. Sie wissen es. Wir haben es letzte Woche im Innenausschuß besprochen. Ich habe Ihnen gesagt: Die Bundesregierung macht nicht jetzt, wo wir schon über die Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes nachdenken, Verwaltungsvorschriften, weil sie nicht zweimal Verwaltungsvorschriften machen will, jetzt und nach der Novellierung wieder neu. Ich werde diesen Einwurf, diese Frage wieder in Erinnerung bringen. Wenn wir über den Abbau von Bürokratie reden, sind Sie es, die eine Flut von Vorschriften beklagen. Aber jetzt fordern Sie von uns Vorschriften, die absehbar in kurzer Zeit wieder geändert werden müßten. Das gibt doch keinen Sinn. Dritte Bemerkung. Herr Kollege Laufs, Sie haben zu Recht auf das Ziel der Berichte des Bundesbeauftragten für den Datenschutz hingewiesen. Ziel dieser Berichte ist, eine Grundlage für die Kontrolltätigkeit des Parlaments zu liefern, die Kontrolle der Verwaltung auf dem Gebiet des Datenschutzrechts, aber vor allem auf dem Gebiet der Datenschutzpraxis. Nun habe ich bei dem Diskussionsbeitrag, den Sie hier abgegeben haben, passagenweise den Eindruck gehabt, daß der Bericht des Datenschutzbeauftragten nicht mehr Grundlage für die Kontrolle der Regierung, sondern Grundlage für die Kontrolle des Datenschutzbeauftragten sein solle. Wenn der Bundesbeauftragte für den Datenschutz hier kritisiert wird - was Ihr gutes Recht ist, ich spreche Ihnen das nicht ab; es ist gar keine Attacke gegen Sie, sondern eine etwas nachdenkliche Bemerkung -, dann stellt sich natürlich die Frage: Ist es denn auf Dauer eigentlich gut und richtig, daß sich derjenige, der hier kritisiert wird - das zu tun muß sicher das Recht eines jeden Kollegen sein -, hier nicht dazu äußern kann? Ich muß sagen: Ich habe das - nicht das, was Sie gesagt haben, aber diese Situation - als unbefriedigend empfunden. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zu dem Bericht selbst kommen. Wir haben in den letzten Jahren im Bereich des Datenschutzes große Fortschritte gemacht. Ich glaube, das ist mit ein Ver5198 Parl. Staatssekretär von Schoeler dienst des Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Datenschutzbeauftragten der Länder; ({2}) es ist aber auch das Verdienst der vielen Mitarbeiter in datenschutzrelevanten Bereichen von Staat und Wirtschaft. Dieser Dank gilt nicht zuletzt Bereichen von Staat und Wirtschaft. Dieser Dank gilt nicht zuletzt den Mitarbeitern im Sicherheitsbereich, mit dem sich der diesjährige Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten erneut ausführlich beschäftigt. Der Datenschutzbeauftragte hat eine Reihe von Beanstandungen erhoben. Wir haben einem großen Teil dieser Beanstandungen bereits entsprochen. Wir sind dabei, die offenen Probleme in Angriff zu nehmen, und stehen bei der Lösung dieser Fragen in engem Kontakt mit dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz. Dieser gute Kontakt zwischen Exekutive und dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz ist, glaube ich, in beiderseitigem Interesse und vor allem im Interesse der Sache ungeheuer wichtig. Es kann gar kein Zweifel bestehen: Bei der Schaffung bereichsspezifischer Datenschutzregelungen insbesondere auch im Sicherheitsbereich handelt es sich um eine langfristige Aufgabe. Dabei wird es Probleme, vereinzeltes Fehlverhalten und Anlaß zu Beanstandungen immer wieder geben. Dies muß uns bewußt sein, denn Datenschutz - das macht das Beispiel, das Sie am Anfang erwähnt haben, sicherlich deutlich - ist für alle Beteiligten ein Lernprozeß. Wir empfinden deshalb die zahlreichen Hinweise und Anregungen des Bundesbeauftragten als durchaus hilfreiche Unterstützung bei den Bemühungen um weitere Fortschritte auf dem Gebiet des Datenschutzes. Kritische Bemerkungen zur Datenverarbeitung im Sicherheitsbereich dürfen nicht den Blick dafür verstellen, daß gerade im letzten Jahr bedeutsame Erfolge erreicht worden sind. Ich erinnere z. B. an die Richtlinien für die Führung kriminalpolizeilicher Sammlungen und an die Datenrichtlinien für das Bundeskriminalamt. Ich erinnere auch an das datenschutzgerechte Konzept des zentralen Kriminalaktennachweises - und all das im Einvernehmen mit den Ländern, trotz mancher Auffassungsunterschiede im Detail. Ich betone auch, daß. die Sicherheitsbehörden der Bereinigung von Dateien und Aktensammlungen großes Gewicht beimessen. So wird derzeit beim Bundeskriminalamt eine besondere Bereinigungsaktion durchgeführt. Wenn sie im April dieses Jahres abgeschlossen ist, werden nahezu 1 Million Kriminalakten und erkennungsdienstliche Unterlagen vernichtet sein. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat in den letzten zwei Jahren rund 500 000 Altbestände ausgesondert. Diese Aussonderungen, meine Kollegen - das ist vielleicht auch für die öffentliche Debatte wichtig -, sind keineswegs nur aus Datenschutzgründen erforderlich; sie sind auch erforderlich, damit die Informationssammlungen effizient sind, damit sie zur Erfüllung der Sicherheitsaufgaben wirksam beitragen. Auch hier kann natürlich nur schrittweise vorgegangen werden. Die sonstigen laufenden Aufgaben dürfen nicht vernachlässigt werden. Ein großer Fortschritt im letzten Jahr war die Eingrenzung der personenbezogenen Amtshilfe des Bundesgrenzschutzes für die Nachrichtendienste. Hier haben wir Risiken für den Bürger, die über die Beeinträchtigung der Persönlichkeitssphäre noch weit hinausgehen, beseitigt. Die Neuregelung der Amtshilfe ist seit dem 1. Dezember 1981 in Kraft. Es werden jetzt nur noch solche personenbezogenen Informationen an die Nachrichtendienste weitergeleitet, die ohnehin bei der grenzpolizeilichen Kontrolle anfallen. Das Ausmaß der Übermittlung ist auf das erforderliche Mindestmaß beschränkt. Es ist beabsichtigt, die Amtshilfe mit ihren Eckwerten gesetzlich zu regeln. Bei der gesetzlichen Regelung wollen wir auch die Erfahrungen berücksichtigen, die mit der jetzigen Neuregelung in der Praxis gewonnen werden. Wir werden bis zur Vorlage eines Gesetzentwurfs einen Erfahrungszeitraum von etwa einem Jahr abwarten. Um all diese Lösungen, meine Damen und Herren, ist gerungen worden. Es versteht sich von selbst, daß dabei nicht jeder seine Wunschvorstellungen durchsetzen konnte. Es kam darauf an, tragfähige Kompromisse zu finden, die die berechtigten Anliegen des Datenschutzes mit den Anliegen der Sicherheitsbehörden abgewogen vereinen. Oft war auch die datenschutzfreundliche Lösung zugleich ein unmittelbarer Gewinn für die Sicherheit. Der Vierte Tätigkeitsbericht des Datenschutzbeauftragten befaßt sich sehr ausführlich mit der Fortentwicklung des Datenschutzes. Einen Schwerpunkt bilden die Ausführungen zur Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes. Der Bundesinnenminister wird in den kommenden Wochen einen Referentenentwurf zur Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes vorlegen. Dabei geht es nicht um eine Totalrevision des Gesetzes. Das Bundesdatenschutzgesetz von 1978 hat sich als ein Auffanggesetz bewährt, das durch bereichsspezifische Regelungen ergänzt wird. Um die Stellung des Bürgers im Datenschutzrecht weiter zu verstärken, wird es bei der Novelle darum gehen, die inzwischen gesammelten Erfahrungen umzusetzen, aber auch die technische Fortentwicklung einzufangen, bevor es zu spät ist. Die Bundesregierung dankt dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz für seine zahlreichen Anregungen in dem Bericht. Ich bin sicher, daß auch dieses Mal in einem Prozeß kooperativer Auseinandersetzung zwischen allen Beteiligten ein vernünftiges Ergebnis zu erzielen ist. Wir wollen ein Bundesdatenschutzgesetz, das praxisnah und bürgerfreundlich zugleich ist. Wir wollen eine Novelle, die dem Bürger nützt, weil sie seine Daten noch wirksamer schützt. ({3})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Der Ältestenrat schlägt vor, den Vierten Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für den Datenschutz - Drucksache 9/1243 - zur federführenden Vizepräsident Windelen Beratung an den Innenausschuß und zur Mitberatung an den Rechtsausschuß, den Ausschuß für Wirtschaft, den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung, den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit, den Ausschuß für das Post- und Fernmeldewesen, den Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau und den Ausschuß für Forschung und Technologie zu überweisen. Ist das Haus mit den vorgeschlagenen Überweisungen einverstanden? - Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist dies so beschlossen. Ich rufe den Zusatzpunkt zur Tagesordnung auf: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({0}) zu dem Antrag der Abgeordneten Kittelmann, Dr. Abelein, Dr. Waigel, Dr. Wörner, Dr. Hüsch, Dr. von Geldern, Echternach, Amrehn, Höffkes und der Fraktion der CDU/CSU 3. Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen - Drucksache 9/581, 9/1342 Berichterstatter: Abgeordneter Rapp ({1}) Ich frage, ob der Berichterstatter das Wort wünscht. - Dies ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Kittelmann.

Peter Kittelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001106, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die 3. Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen ist die bedeutendste internationale Konferenz, deren Ergebnis von unübersehbarer Konsequenz für die zukünftigen Beziehungen zwischen Nord und Süd, aber auch - was sehr häufig übersehen wird - zwischen Ost und West sein wird. Die CDU/CSU begrüßt es, daß es heute wieder möglich ist, bezüglich der Einstellung zum bisherigen Ergebnis der Seerechtskonferenz einen gemeinsamen Antrag zu verabschieden. Dieser Antrag beinhaltet die Übereinstimmung aller drei Fraktionen darüber, ihrer Sorge über den Stand der Seerechtskonferenz Ausdruck zu verleihen. Er beinhaltet einen Verhandlungsauftrag an die Bundesregierung, entsprechend den bisher verabschiedeten Anträgen auf der Konferenz eine Änderung der bisherigen Ergebnisse zu erreichen. Des weiteren bestätigt dieser Antrag frühere Beschlüsse. Die CDU/CSU stellt fest, daß die Entscheidung der Konferenz, die Freie und Hansestadt Hamburg zum Sitz des zukünftigen Internationalen Seegerichtshofes zu bestimmen, erfreulich ist, zu begrüßen ist. Die Wahl Hamburgs ist aber, wie es auch die SPD-Fraktion und die FDP-Fraktion in den Ausschüssen zum Ausdruck gebracht haben, keinerlei Präjudiz für den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu einer Seerechtskonvention. Die CDU/CSU begrüßt es, daß vor allen Dingen der Antrag vom 22. Juni 1977 der drei Fraktionen des Deutschen Bundestages weiterhin wesentlicher Bestandteil der Auffassung des Deutschen Bundestages ist. Ich darf deshalb einige Grundzüge dieses Antrags in Erinnerung rufen. Erstens. Die Sicherung eines dauerhaften Zuganges ohne Diskriminierung zu den Meeresbodenschätzen ist allen interessierten Nationen zu gewähren. Zweitens. Eine institutionelle Kontrolle des Meeresbodenbergbaus darf nicht zu dirigistischer, bürokratischer oder im Ergebnis monopolistischer Ausrichtung des Meeresbodenregimes führen. Sie darf weder zu Lasten der Verbraucherstaaten sich auswirken noch den Zufluß moderner Technologien in die Erzeugerstaaten behindern. Drittens. Insbesondere dürfen Maßnahmen einer Meeresbodenbergbaubehörde oder -kontrollinstanz zur Gestaltung von Fördermengen und Preisen nicht zu unzumutbaren Nachteilen für die Verbraucherländer, seien es Entwicklungs- oder Industrieländer, führen. Viertens. Angesichts der langen Vorlaufzeit für Investitionen im Meeresbergbau besteht ein allgemeines Interesse an definitiven Entscheidungen, damit eine schnelle Erschließung der maritimen Rohstofflager ermöglicht wird. Fünftens. Weder der Bundesrepublik Deutschland noch anderen Teilnehmerstaaten sind Lösungen zuzumuten, bei denen in vielen Fällen Lasten nicht in einem angemessenen Verhältnis zum volkswirtschaftlichen Nutzen stehen. Die CDU/CSU weist auf die Erklärung, die Inhalt unserer heutigen Entschließung ist, nochmals ausdrücklich hin. Wir verfolgen seit Beginn der Seerechtskonferenz den Verlauf dieser Konferenz außerordentlich kritisch. Die CDU/CSU stellt hier heute nochmals ausdrücklich folgendes fest: Das bisherige Konferenzergebnis ist für die Bundesrepublik Deutschland in den wesentlichen Fragen unakzeptabel. Der Bundesregierung muß vorgeworfen werden, viele Jahre die Bedeutung der Seerechtskonferenz unterschätzt und wesentliche Entwicklungen verschlafen zu haben. ({0}) Es bedarf nicht der Ausführungen Golo Manns, um ein mangelndes Verhältnis der Deutschen zum Meer festzustellen; aber seine Ausführungen sind lesenswert. Es ist für kritische Beobachter außerordentlich schwer, ein langfristiges seerechtliches Konzept der Bundesregierung zu erkennen. Jahrelang wurden negative Entwicklungen auf der Konferenz hingenommen, oder aber ihnen wurde nur mit schwach erkennbarem Widerstand begegnet. Die mangelnde Langzeitplanung der Bundesregierung kommt z. B. auch im laufenden Austausch der Botschafter bei der Seerechtskonferenz zum Ausdruck. Häufig wurden sie in einem Alter berufen, in dem es von vornherein feststand, daß sie nur kurze Zeit später pensioniert werden mußten und es dann auch wurden. Wie kann man so kontinuierliche Arbeit auf einer so bedeutenden Konferenz leisten, wo es wesentlich darauf ankommt, daß man sich persönlich zwischen den Delegationen, vor allem aber zwischen den Verhandlungsleitern kennt, Einfluß als Persönlichkeit gewinnt und die vielen Verknüpfungen zwischen den verschiedenen Gruppierungen, die man erst nach jahrelangen Erfahrungen kennenlernt, dann zum Vorteil seines Landes ausnutzt. Die Forderung der CDU/CSU, die Seerechtskonferenz zum Thema von Gipfelkonferenzen zu machen, wurde sehr häufig als lästig empfunden. Das letzte Beispiel war das bedeutende Treffen von Cancun. Auf meine Frage nach dem Treffen, welche Bedeutung die internationale laufende Konferenz auf diesem Treffen hatte, wurde von Frau Hamm-Brücher schriftlich geantwortet: „Keine. Das Thema wurde nicht zur Sprache gebracht." Dies geschah, obwohl es mehrere Aufträge auch des Deutschen Bundestages gibt, die Frage auf jeder Gipfelkonferenz zur Sprache zu bringen. Natürlich sind andere westliche befreundete Länder an vielen Problemen der Seerechtskonferenz nicht so interessiert wie wir, weil sie größere Vorteile haben, Langküstenstaaten vor allen Dingen. Aber gerade deshalb ist es wesentlich, ein einheitliches Konzept der westlichen Länder, der EG, der NATO, vor allem aber mit den USA, Kanada und Australien durch zähe Verhandlungen zu ermöglichen. Statt dessen überließ man es den Delegationen, in der Session jeweils selber diese Arbeit zu erledigen. Ebenso geschah es im Vorfeld der Konferenz. Dies mußte schon deshalb häufig erfolglos sein, weil die entscheidenden Gesprächspartner zur Veränderung für uns negativer Haltungen nur auf Ministerebene erreichbar gewesen wären. Wo blieb das Konzept, Hilfe von den Entwicklungsländern zu erlangen, die mit uns durch enge wirtschaftliche Beziehungen verbunden sind? Wo bleibt die sichtbare Koodinierung zwischen den vielen laufenden internationalen Konferenzen im Nord-Süd-Bereich? Die Fragenkette könnte endlos verlängert werden. ({1}) Dieses mangelhaft maritime Bewußtsein wird vorhersehbar der deutschen Volkswirtschaft schweren Schaden zufügen. ({2}) Die CDU/CSU ist trotzdem bemüht, die Gemeinsamkeit in den wesentlichen außenpolitischen Fragen so lange zu erhalten, wie ersichtlich ist, daß die Bundesregierung zumindest das gleiche Ziel anstrebt. ({3}) Zu kritisieren ist, wie ich eben ausgeführt habe, der Weg, auf dem man dieses Ziel zu erreichen glaubt. Wir wissen, daß Gemeinsamkeit gerade seitens einer Opposition nirgends als ein Geschenk empfunden wird. Das soll es auch nicht sein; vielmehr entspricht es der konstruktiven Bereitschaft der CDU/ CSU, der Bundesregierung in außenpolitischen Fragen bei einer vorhandenen Übereinstimmung die Unterstützung des ganzen Deutschen Bundestages nicht zu verweigern. Lassen Sie mich offen sagen, daß diese Bereitschaft in den letzten Wochen leider vor allem durch die SPD-Fraktion harten Proben ausgesetzt worden ist. Wir müssen uns in Zukunft wieder darauf verlassen können, daß interfraktionell erarbeitete Entwürfe nicht wochenlang liegengelassen werden und anschließend in den entscheidenden Gremien so kurzfristig behandelt werden müssen, daß ein Eingehen auf gewünschte Veränderungen nur noch schwer möglich erscheint. Es ist zu bedauern, daß bei der Problematik der Seerechtskonferenz die SPD scheinbar dabeigewesen ist, immer weniger auf ihre Experten wie den Kollegen Grunenberg und immer mehr auf Verhinderer vom ideologisch linken Flügel zu hören. Was sich z. B. vor einigen Wochen bei der von der Bundesregierung gewünschten Novellierung des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Tiefseebergbaus gezeigt hat, wiederholte sich zum Teil bei den Beratungen dieses gemeinsamen Antrags. ({4}) Nur bedingt gilt hier der Satz: Ende gut, alles gut. ({5}) - Herr Wehner, wenn Sie mir zugehört haben, müssen Sie schon konkretisieren, wo Sie nicht meiner Meinung sind. ({6}) Ich habe nämlich bisher nur etwas gesagt, was im Prinzip von allen drei Fraktionen gemeinsam so gesehen wird. Für die CDU/CSU ist das bisherige Ergebnis aus vielen Gründen nicht ratifikationsreif. Mit Sorge ist zu verfolgen, daß die Seerechtskonferenz immer mehr zu einer Rechtsetzungskonferenz mit unübersehbaren präjudiziellen Konsequenzen wird. ({7}) Die CDU/CSU stellt eindeutig fest, daß die bisherigen Ergebnisse noch keinerlei völkerrechtliche Wirkung haben, und fordert die Bundesregierung auf, dies in internationalen Gremien, wo immer es möglich ist, eindeutig festzustellen. Die Forderung der Mehrheit der Entwicklungsländer und des Ostblocks, die Beschlüsse der UN-Vollversammlung zur Moratoriumsfrage und zur Frage des gemeinsamen Erbes der Menschheit zum Völkerrecht zu erheben, ist rechtlich unhaltbar und daher unwirksam. Die Bundesregierung ist aufgefordert, der immer mehr auswuchernden Inbesitznahme von Wirtschaftszonen durch die Küstenländer energisch zu widersprechen. Es ist ein Hohn, wie einzelne Staaten dabei sind, trotz des sogenannten Erbes der Menschheit die 200-Seemeilen-Wirtschaftszone immer mehr zu einer territorialen Hoheitszone zu erklären. Die CDU/CSU erwartet eine eindeutige und klare Unterstützung der amerikanischen Bemühungen um eine Verbesserung des bisherigen Verhandlungsergebnisses, soweit dies deutschen Interessen entspricht. Vor allem zum Bereich des Tiefseebergbaus stellt die CDU/CSU fest, daß für die deutsche Wirtschaft zu den jetzigen Bedingungen eine Beteiligung unmöglich ist. Die Wirtschaft aber ist auf die Rohstoffe des Meeres angewiesen. Tausende von Arbeitsplätzen sind in der Bundesrepublik gefährdet oder können nicht geschaffen werden, wenn wir vom Tiefseebergbau ausgeschlossen werden. Die CDU/CSU stellt fest, daß wir erstens ein Nein sagen zu den bisher in der Konvention vorgesehenen Entscheidungsmechanismen, die dazu führen, daß vor allem die Länder, die keine Tiefseebergbau betreiben wollen oder können, die absolute Kontrolle über diesen ausüben. Zweitens. Wir sagen ein Nein zu vorgesehenen Produktionsbeschränkungen, die gegenüber unseren liberalen Marktvorstellungen kontraproduktiv sind. Drittens. Wir sagen nein zum teilweise sogar kostenlosen Zwangstechnologietransfer. Viertens. Wir sagen nein zu den überhöhten Abgabebedingungen, denen die Tiefseebergbau betreibende Wirtschaft unterworfen werden soll und die diese nicht gerade dazu anreizt, Tiefseebergbau zu betreiben. Fünftens. Wir sagen nein zu zuviel Bürokratie und Dirigismus. Sechstens. Wir sagen nein zur unsachlichen Besetzung des Rates der Meeresbehörde und der durch nichts berechtigten Bevorzugung des Ostblocks. Die vorgesehenen wirtschaftlichen Belastungen für die Unternehmen sind abzulehnen, weil sie zu unzumutbaren Knebelungen führen. Die Zurückdrängung des Wettbewerbs, die Einführung von mehr Protektionismus und Dirigismus wird zwangsläufige Konsequenzen für andere Bereiche der Weltwirtschaft haben. Dieses ist unzumutbar. Die vorhandenen Rechtsunsicherheiten werden jede Investitionsneigung von privaten Unternehmen zügeln oder vereiteln. Im Klartext: Die wesentlichen Teile über die Regelung des Tiefseebergbaus sind abzulehnen. Mein Kollege Dr. Köhler wird nachher vertiefen, daß diese Regelungen auch für das wohlverstandene Interesse der Entwicklungsländer katastrophale negative Folgen haben können. ({8}) Ich verweise auf weitere Bedenken der CDU/CSU, die sich aus dem hier vorliegenden Antrag ergeben, und verweise ausdrücklich auf frühere Beschlüsse des Deutschen Bundestages. Meine Damen und Herren, der Wind wird rauher in der außenwirtschaftlichen See. Es wird Zeit, daß die Bundesregierung die SOS-Signale ernster nimmt. Wir brauchen nicht nur eine trainierte Mannschaft in der Delegation, sondern der Proviant und die Munition müssen im Vorfeld der Session gebunkert werden. Die Bundesregierung ist gefordert, daß wir im richtigen Geleit mit abgestecktem Kurs fahren, damit das ganze Unternehmen kein Himmelfahrtskommando wird. Meine Damen und Herren, keiner wird ein unabhängiges Gremium wie den Deutschen Bundestag zwingen, eine Konvention zu ratifizieren, die lebenswichtige Interessen des deutschen Volkes nicht berücksichtigt. Die CDU/CSU sagt heute eindeutig nein zu wesentlichen Ergebnissen der Seerechtskonferenz, soweit sie bisher vorliegen. ({9})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Dr. Holtz.

Prof. Dr. Uwe Holtz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000948, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte meinem sehr verehrten Herrn Vorredner, der von den Experten gesprochen hat, denen man die Dinge überlassen soll, ein scherzhaftes Wort von Tucholsky zurufen, der folgendes sagte: „Laß Dir von keinem Fachmann imponieren, der Dir erzählt: ,Lieber Freund, das mache ich schon seit 20 Jahren so`; man kann eine Sache auch 20 Jahre falsch machen." ({0}) - Das war auf Sie bezogen. Worum geht es? Bei der Seerechtsproblematik handelt es sich um eine komplizierte Materie. Ihr unmittelbarer Bezug zum konkreten politischen Tagesgeschehen erscheint gering. Der Bürger fühlt sich von ihr kaum berührt, und ihre Tragweite wird auch von politisch Interessierten nur selten überblickt. ({1}) Dabei ist der Ausgang der Seerechtskonferenz für die Bundesrepublik von ebenso großer Bedeutung wie für das gesamte Verhältnis aller Staaten zueinander. Für die Entwicklungsländer ist die Seerechtskonferenz zu einem Prüfstein für die Neuordnung der internationalen Beziehungen geworden. Die Seerechtskonferenz besitzt für mich eine historische Dimension, deren beide erste Etappen der Weltteilungsvertrag zwischen Spanien und Portugal vor 500 Jahren und das Zeitalter des Imperialismus vor 100 Jahren waren, in dem sich die Europäer ein Fünftel der Erde untertan machten. Bei diesen Aufteilungen der nicht von Europäern besiedelten Welt wurden andere Länder durch Raub, Krieg, Unterdrückung bezwungen und von den Staaten, die ihnen die „abendländischen Segnungen" brachten, in Abhängigkeit gehalten. Der dritte Akt der Weltteilung steht heute an. Dabei geht es um die mit Wasser bedeckten Flächen unseres Globus, immerhin mehr als 70 % der gesamten Erdoberfläche. Dabei soll es heute im Gegensatz zu früher - und ich hoffe, daß wir uns da alle einig sind - partnerschaftlich und zivilisiert im Sinne eines gerechten Interessenausgleichs, wie ihn der vorliegende Entschließungsantrag fordert, zugehen. Wo liegt die Bedeutung der See und der Seerechtskonferenz? Die See ist Verkehrsweg, Nahrungsquelle, Kriegsschauplatz, Forschungsobjekt; die See ist Mülleimer, Entsorgungsbecken, Energie- und Rohstoffreservoir, wie man überall in Veröffentlichungen nachlesen kann und wie auch wir wissen. Die industriewirtschaftliche Bemächtigung der Meere erschließt dem Menschen nicht nur neue Reichtümer. Sie kann auch der letzte Schritt in die Katastrophe sein. Würde z. B. auf dem Festland in der gleichen Weise wie beim Fischfang der eßbaren freilebenden Tierwelt zu Leibe gerückt, so wäre diese in wenigen Wochen unwiederbringlich ausgerottet. So Eduard Pestel. Schon diese Perspektive müßte die Staaten der Welt verpflichten, sich an einen Tisch zu setzen. Die Seerechtskonferenz ist die einzige Möglichkeit, eine bereits aus den Fugen geratene Nutzungsordnung der Meere neu zu regeln. Um eine weltweite Anarchie zu verhindern, schlug der maltesische Botschafter bei den Vereinten Nationen 1967 vor, das noch keiner staatlichen Souveränität unterliegende Gebiet der Tiefsee als „gemeinsames Erbe der Menschheit" anzuerkennen. Seit 1973 bemüht sich die UN-Seerechtskonferenz um eine Neuformulierung und Kodifizierung neuer Normen des Seevölkerrechts. Die Bundesrepublik verfolgt auf dieser Konferenz vitale Interessen. Sie ist stark exportorientiert und rohstoffarm. Meerestechnologisch gehört sie zu den besitzenden, den reichen Nationen. Sie ist eines der großen Seehandelsländer der Welt. Die deutsche Handelsflotte wickelt ein Fünftel des gesamten deutschen Außenhandels ab. In der Fischerei und im Tiefseebergbau geht es nicht nur um die Sicherung von Nahrungsquellen und Rohstoffen, sondern auch um den Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Mein Kollege Grunenberg wird noch näher darauf eingehen. Darüber hinaus wird suggeriert - ich habe das soeben wieder gehört -, es liege im nationalen Interesse, ordnungspolitisch auf die freien Marktkräfte zu Wasser genauso zu vertrauen wie zu Lande. Auch die Entwicklungsländer haben eigene vitale Interessen. ({2}) Sie bestehen zu Recht darauf, daß das gemeinsame Erbe der Menschheit nicht von einigen wenigen ausgebeutet wird. Sie wollen, daß die erneute Weltteilung, die jetzt ansteht, sich erstmals nicht zu ihren Lasten auswirkt. Sie wollen einen fairen Interessenausgleich. Aufgabe der Politik ist es, diesen Ausgleich der verschiedenen Interessen herbeizuführen. Wegen der internationalen Verflechtung und des Aufeinander-Angewiesenseins wird gerade in diesem Bereich die Gemeinsamkeit der Interessen, von der besonders der Brandt-Bericht spricht, so deutlich. Es könnte der Versuch sein, zu einer Weltordnungspolitik zu gelangen, die von jenem freien Spiel der Kräfte Abschied nimmt, das nur den Mächtigen nutzt. Preisgabe der Prinzipien der freien Marktwirtschaft? Ich rufe den Kritikern die Erkenntnis der OECD in Erinnerung, die bereits Mitte der 70er Jahre vor dem Sich-Verschanzen hinter ideologischen Positionen gewarnt hat, wenn es darum geht, die Weltordnung weniger krisenanfällig zu ,machen. Wie sind die bisherigen Ergebnisse zu beurteilen? Weder für die Bundesrepublik noch für die beteiligten Entwicklungsländer ist die Seerechtskonferenz optimal verlaufen. Befriedigende Solidarität hat es weder unter den Industrieländern noch unter den Entwicklungsländern gegeben. Jeder hat versucht, seine Interessen durchzusetzen. Vor allem die Langküstenstaaten, darunter die großen westlichen Industrieländer außer der Bundesrepublik Deutschland, gehören zu den Gewinnern. Der entwicklungspolitische Gehalt der bisherigen Seerechtskonferenz läßt sich wie folgt zusammenfassen. In einer von Hunger und Überbevölkerung gepeinigten Welt ist es wenig vorausschauend, eine der wichtigsten Nahrungsquellen dem Gutdünken einer Vielzahl von derzeit mehr als 100 Küstenstaaten zu überlassen. Die Möglichkeiten insbesondere der Binnenländer der Dritten Welt zur Nutzung küstennaher Ressourcen sind nicht berauschend. Der ursprüngliche Gedanke, bei der Nutzung der Tiefsee und des Tiefseebodens alle Staaten entsprechend der Idee des gemeinsamen Erbes der Menschheit gleichberechtigt an den Erträgen zu beteiligen, ist allenfalls in Ansätzen erkennbar. Aber die in der Bundesrepublik und den USA laut gewordene Kritik bezieht sich bezeichnenderweise nicht so sehr auf diese Punkte. Aus der Sicht der Bundesrepublik beurteile ich die Konventionsergebnisse nicht so negativ, Herr Kollege. Ein Bereich von besonderem Interesse für die Verteidigung der Bundesrepublik, nämlich der der Durchfahrsrechte, ist recht befriedigend geregelt worden. Diese Regelung ist besser als die 1958 auf der Genfer Konferenz getroffene Vereinbarung. Als positiv sind weiter die Regelungen über den Umweltschutz auf hoher See und das Streitschlichtungssystem zu bewerten. Wenn es in anderen Bereichen unbefriedigende Regelungen gegeben hat, so beruht dies u. a. auf der ungünstigen geographischen Lage der Bundesrepublik, auf dem Frontenverlauf quer durch die bisherigen Bündnisse und auch auf der Zahl von über 160 Teilnehmerstaaten. Da kann nicht jeder mit seinem Idealstrauß in die Verhandlungen gehen und sagen: Alle Blumen werden mir jetzt auch wieder zurückgegeben. Ich bitte die Opposition, auch anzuerkennen, was die Bundesregierung bislang durchgesetzt hat. Ich möchte der Bundesregierung für ihre Bemühungen danken. Die Bundesregierung hat sich, vor die Alternative gestellt, ein abbröckelndes Seerecht hinzunehmen oder an der Schaffung einer neuen internationalen Ordnung mitzuwirken, zu Recht für das zweite entschieden. Was passiert mit dem Vertragswerk? Dieses Vertragswerk, so hoffen auch wir, kann vielleicht noch Veränderungen erfahren. Die amerikanische Regierung wünscht diese weitreichenden Veränderungen. So weit, so gut. Die Regierung der USA scheint aber sogar bereit zu sein, wie in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 1. Februar 1982 zu lesen war, im Falle einer Nichtberücksichtigung ihrer Interessen ein Veto gegen das Protokoll einzulegen und die Verhandlungen ohne Abkommen platzen zu lassen. Dies könnte verhängnisvoll, vertrauenszerstörend im Nord-Süd-Bereich sein und einen Rückfall in die Sitten vergangener Jahrhunderte beinhalten. Eine solche Meldung verstärkt meine Bedenken, die ich anläßlich der Gesetzesermächtigung zum Tiefseebergbau hatte. Nationale Tiefseebergbaugesetze und westliche Gegenseitigkeitsverträge, die wir ja bald haben werden, sind allenfalls Übergangsregelungen. Da stimmen wir überein. Sie sind keine dauerhafte Lösung für die geschilderten Probleme. Falls sich das noch verbleibende Erbe der Menschheit lediglich die reichen Industrieländer aneignen, könnte dies von der Dritten Welt als ein maritimes Versailles verstanden werden und gewaltsame Revisionsbegehren auslösen. Was tun? Erstens. Die Bundesregierung sollte ihren Einfluß geltend machen, um Verbesserungen zu erreichen, aber auch um ein Platzen der jetzt beginnenden Verhandlungen zu verhindern. Zweitens. Bei den westlichen verbündeten und befreundeten Nationen sollte sie dahin wirken, daß die Versicherung des Bundeskanzlers vom letzten Freitag an dieser Stelle anläßlich der Vertrauensfrage Geltung erhält, nämlich: „Unsere Partner in der Dritten Welt sollen keinen Zweifel daran haben, daß unsere Politik des fairen Interessenausgleichs fortgesetzt wird." Ich habe bei den Ausführungen der Oppositionsvertreter soeben immer nur gehört, wir sagen nein, nein, nein. Sagen Sie doch wenigstens dazu ja! Drittens. Die Bundesregierung muß alle Verhandlungsmöglichkeiten mit allen geeigneten Ansprechpartnern nutzen, um das künftige Seerechtsregime so zu beeinflussen, daß Ineffizienz und Überbürokratisierung möglichst ausgeschaltet werden. Viertens. Die Bundesregierung tritt für die Verbesserung der bestehenden Weltwirtschaftsordnung ein. So heißt es in den entwicklungspolitischen Grundlinien. Das Seerecht ist ein wichtiger Teil dieser Ordnung. Deshalb sollte sich die Bundesregierung auf der Seerechtskonferenz für eine Ordnung einsetzen, die für die beteiligten Seiten gerecht und ausgewogen ist, damit sie langfristig stabil und funktionsfähig bleibt. Das Streben nach materieller Chancengleichheit und nach verstärkter Mitsprache für die Entwicklungsländer ist anzuerkennen. Fünftens. Die Bundesrepublik dient den nationalen Interessen langfristig am besten, wenn sie partnerschaftliche, solidarische Beziehungen zu den Ländern der Dritten Welt, insbesondere den ärmsten Ländern, aufbaut, dafür ihre Entwicklungshilfe einsetzt und bilaterale Verträge mit Entwicklungsländern auf der Basis einer universalen Seerechtskonvention abschließt, die dem gegenseitigen Vorteil dienen. Bei der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit sind vor allem folgende Ziele zu sehen: Beratung und Unterstützung der ärmsten Küstenländer in der Nutzung der marinen Ressourcen ihrer Wirtschaftszonen; Maßnahmen der Forschungshilfe, insbesondere gegenüber den Schwellenländern, und Ausbau der Meeresforschung; Unterstützung und Förderung des Fischereiwesens. Eine so gestaltete Konvention und eine verstärkte entwicklungspolitische Zusammenarbeit der Bundesrepublik mit den Entwicklungsländern auf den soeben genannten Gebieten wird auch von den Kosten her billiger als Weltteilungsverträge der Vergangenheit sein, die in langen Wirtschaftskriegen oder bewaffneten Konflikten enden. Wer bei uns Arbeitsplätze sichern will, muß mit dazu beitragen, daß aus armen Ländern wirtschaftlich und sozial entwickelte, attraktive Partner werden. Wer die Rohstoffversorgung sichern und die Meeresforschung auf verläßlicher Grundlage weiter ausbauen will, wer den Frieden sichern will, muß sich für eine universale Seerechtskonvention einsetzen und Kompromisse akzeptieren. Ich bitte um Zustimmung zur vorliegenden Beschlußempfehlung. - Danke schön. ({3})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Ich erteile dem Abgeordneten Funke das Wort.

Rainer Funke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000624, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ihnen liegt eine Beschlußempfehlung aller Bundestagsfraktionen zur 11. Session der Seerechtskonvention vor. Bislang haben wir entsprechende Resolutionen immer gemeinsam beschlossen, und zwar deswegen, weil diese Seerechtskonferenz wesentliche nationale Interessen auch unseres Landes beinhaltet, die dort geregelt werden. Nach der Rede des Kollegen Kittelmann habe ich heute leider den Eindruck gewonnen, daß von der gemeinsamen Politik aller Bundestagsfraktionen Abschied genommen wird. Uns ist mehrfach das Nein entgegengeschleudert worden, ({0}) ohne daß hierzu eine Notwendigkeit bestanden hat; denn in den Ausschüssen und auch in den Vorberatungen dieser Resolution haben wir mit Ausnahme weniger redaktioneller Änderungen ja weitgehend Einverständnis erzielt. ({1}) Der Kollege Dr. Holtz hat sehr eindrucksvoll und eloquent ausgeführt, wie der Grundsatz, den der maltesische Botschafter bei Eröffnung der Seerechtskonferenz aufgestellt hat, nämlich das gemeinsame Erbe der Menschheit zu regeln, auf dieser Seerechtskonferenz im Grunde genommen bereits pervertiert worden ist, wie wenig hiervon übriggeblieben ist. Ich meine jedoch, daß die Änderung der amerikanischen Politik - sie gibt uns die Gelegenheit, unseren eigenen Standpunkt zu überprüfen - doch eine Reihe von Möglichkeiten eröffnet, die ja auch Anlaß für diese Resolution gewesen sind. Nachdem die amerikanische Regierung im Frühjahr letzten Jahres in New York gefordert hatte, eine Überprüfung der gesamten bisherigen Ergebnisse der Konvention vorzunehmen, haben wir in Genf noch einmal verhandelt. Bei dieser Verhandlung ist materiell nichts herausgekommen. Immerhin ist die Frage des Sitzes des Seegerichtshofs und der Behörde geklärt worden. Als Hamburger Abgeordneter bin ich natürlich froh darüber, daß Hamburg unter großem Einsatz der deutschen Delegation als zukünftiger Sitz des Seegerichtshofs gewählt worden ist. Als Hamburger sage ich ganz bewußt: Wir sollten uns trotz dieser erfreulichen Wahl nicht in der Frage präjudiziert fühlen, ob wir die Ergebnisse der Seerechtskonvention, wie sie in ein, zwei Jahren gefunden werden, mittragen können oder nicht. Wir müssen im Bundestag in der Entscheidung frei sein, ob wir dem Verhandlungsergebnis zustimmen wollen und können. ({2}) Die deutsche Position ist schon auf Grund der geographischen Lage besonders problematisch. Der Verhandlungsspielraum der Bundesregierung ist außerordentlich eng. Herr Kollege Holtz hat das schon richtig ausgeführt: Wir haben bei der Verteilung des Meeres ganz schlecht abgeschnitten. Das liegt nun einmal an der geographischen Situation. Wir liegen bei der Verteilung an der 110. Stelle. Um so mehr ist von Bedeutung, daß bei der zukünftigen Konvention als Vertragspartner auch die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft auftreten kann. Über die Mitgliedschaft der EWG an der Konvention haben wir zumindest über die Römischen Verträge als Europäer die Möglichkeit, die europäischen Wirtschaftszonen mit zu nutzen. Auf Grund unserer ungünstigen geographischen Lage haben wir also eine schwierige Verhandlungsposition. Wir haben in diese Verhandlungen aber auch etwas einzubringen, nämlich unseren hohen Stand der Meeresforschung und unser technologisches Wissen auf dem Gebiet des Tiefseebergbaus. Nach dem bisherigen Stand der Konvention wird allen Staaten das Recht zur Meeresforschung eingeräumt; ja, die Staaten und die internationalen Organisationen sind ausdrücklich aufgefordert, Meeresforschung zu betreiben und zu fördern. Einschränkungen sollen nur gelten in den territorialen Gewässern, in den exklusiven Wirtschaftszonen und dem Schelfgebiet. In diesen Punkten muß dann mit den betreffenden Küstenstaaten verhandelt werden. Diese Einschränkung ist bislang in der Öffentlichkeit immer als Negativum dargestellt worden. Ich meine mit dem Kollegen Dr. Holtz durchaus, daß uns dies auch eine Chance eröffnet, gemeinsam mit den Küstenländern, insbesondere denjenigen, die Entwicklungsländer sind, eine Kooperation zu pflegen, die von gegenseitigem Vertrauen geprägt ist. Auf Grund dieses Vertrauens können die Erfahrungen frei ausgetauscht werden. Hier kann meines Erachtens von unserer Seite aus tätige Entwicklungshilfe geleistet werden, indem die ärmsten Küstenländer in der Nutzung der Tiefseenaturgüter beraten werden. Wir sind natürlich als Bundesrepublik Deutschland, als Land mit vergleichsweise geringen Rohstoffvorkommen, auf die Nutzung der Ressourcen in der Tiefsee angewiesen. Die Industrie der Bundesrepublik Deutschland ist auf Grund ihres hohen technologischen Wissens im Tiefseebergbau in der Lage, eine führende internationale Rolle zu spielen. Lassen Sie mich sozusagen in Klammern hinzufügen: Der Tiefseebergbau ist eine der letzten modernen Technologien, wo die Bundesrepublik international noch eine führende Position einnehmen kann. Wir müssen demgemäß daran interessiert sein, daß diese Position entwickelt und ausgebaut wird, und zwar nicht gegen die Entwicklungsländer, sondern mit den Entwicklungsländern. ({3}) Der Bundestag hat mit der Verabschiedung des Interimsgesetzes und mit der kürzlichen Novellierung, die wir - da gebe ich dem Kollegen Kittelmann durchaus recht - mit einigen Geburtswehen über die Bühne gebracht haben, einige Voraussetzungen zum besseren Investitionsschutz bis zum Abschluß der Seerechtskonferenz geschaffen. Die Bundesrepublik als ein Land, das einen führenden Anteil am Welthandel hat, muß natürlich daran interessiert sein, daß in die Konvention so wenig marktfeindliche Elemente wie möglich aufgenommen werden. Aus diesem Grund ist die amerikanische Position durchaus zu begrüßen, die anstrebt, daß die bisher vorgesehenen Produktionsbeschränkungen neu verhandelt werden sollen. Als ein Land, das davon ausgeht, daß private Initiative und private Investitionen die Grundlage einer modernen Wirtschaftsordnung sein sollten, können wir es nur begrüßen, wenn es gelingt, privaten Unternehmen und Konsortien mehr als bisher vorgesehen einen stärkeren Anteil am Tiefseebergbau zu ermöglichen und die Rechtstellung dieser Unternehmen gegenüber der geplanten - lassen Sie es mich einmal so sagen - Superbehörde zu stärken. Ein weiterer Beratungspunkt - man kann vielleicht sogar vom Mittelpunkt der Beratungen sprechen - in New York wird sicherlich der sogenannte Zwangstechnologietransfer sein. Auch hier kann davon ausgegangen werden, daß die Amerikaner eine Überprüfung des bisherigen Verhandlungsstands erwarten. Nach dem bisherigen Stand der Verhandlungen wäre die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, daß Investoren auf dem Gebiet des Tiefseebergbaus ihre Aktivitäten einstellen, da sie befürchten müssen, daß sie ihre gesamten technischen Unterlagen über die Industrieanlagen, das technische Know-how, das Produktionsverfahren und selbst die Betriebsvorschriften der Meeresbodenbehörde und im Einzelfall auch den Entwicklungsländern zur Verfügung stellen müssen. Und zu den Entwicklungsländern zählen nach den bisherigen Regeln, Herr Dr. Holtz, eben nicht nur die Länder der Dritten und der Vierten Welt, sondern auch die Schwellenländer, z. B. Brasilien, wofür es extra eine sogenannte Brasilien-Klausel gibt, ({4}) und natürlich auch alle OPEC-Länder, wo man aber gewisse Zweifel haben könnte, ob sie tatsächlich darauf angewiesen sind. ({5}) Dabei bieten nicht nur der Zwangstransfer, sondern auch die finanziellen Bedingungen, unter denen dieser Transfer erfolgen soll, Anlaß zu Kritik. Es wird zwar davon gesprochen, daß ein fairer und reasonable Preis akzeptiert werden soll; trotzdem ist diese Regelung nicht sehr befriedigend; denn was fair und was reasonable ist, kann man erst dann wissen, wenn man sieht, wie die Behörde die Begriffe auslegen wird. - Ich weiß, Herr Dr. Köhler, daß darin auch „commercial" steht. Aber wir müssen natürlich auch sehen, daß dies noch ein relativer Begriff ist. Es liegen noch keinerlei Erfahrungen vor. Auch hier muß man abwarten, wie dieser Begriff ausgelegt wird. Im Grunde genommen muß vor allem auch die Industrie, wenn sie investiert, wissen, welche Risiken sie im einzelnen eingeht. Denn da handelt es sich nicht um kleinere, sondern um riesige Millionenbeträge. ({6}) - Wissen Sie, Herr Dr. Holtz, es sind im Grunde genommen drei Firmen der Bundesrepublik. Sie wissen das genauso gut wie ich. Davon ist eine Firma staatlich. Aber das auf dem Markt besonders führende Unternehmen, die Metallgesellschaft, ist eine rein private Aktiengesellschaft. Die vorgesehenen Produktionsbeschränkungen bieten ebenfalls Anlaß zu erheblicher Kritik. Das ist bereits ausgeführt worden. Daher will ich nur kurz dazu sprechen. Hier werden insbesondere die Landproduzenten von Nickel besonders geschützt. Wir sind der Auffassung, daß man nicht einen Naturschutzpark für die bisherigen Produzenten errichten sollte. Wir sehen hierin auch ein zusätzliches Hemmnis für zu tätigende Investitionen. Erschwerdend kommt hinzu, daß die Produktionsbeschränkungen im wesentlichen nach dem Weltnickelverbrauch ausgerichtet sind, obwohl die Manganknollen nicht nur Nickel enthalten, sondern auch Mangan, Kupfer und Kobalt. Wir müssen daran interessiert sein, daß diese drei letzteren NE-Metalle zu vernünftigen Bedingungen an den deutschen Markt gelangen können. All diese Produktionsbeschränkungen helfen im übrigen den Entwicklungsländern nicht, sondern schaden ihnen sogar. Aus diesem Grunde sollten wir hier die amerikanische Position mit vertreten. Mit sehr großer Sorge beobachten wir Freien Demokraten auch, daß von einigen Ländern, vor allem aus der Dritten und der Vierten Welt, zur Verwaltung der Ressourcen des Meeres eine umfangreiche internationale Meeresbodenbehörde gebildet werden soll. Wir sind der Auffassung, daß solche Superbehörden überhaupt nichts bringen. Kleine effektive Einheiten wären zweckmäßig. Lassen Sie mich zum Schluß folgendes sagen. Die 11. Session, die jetzt in New York stattfindet, wird sicherlich nicht die letzte sein können. Denn die Probleme, die dort anstehen, sind so umfangreich, daß ich mir nicht vorstellen kann, daß man sie in den vorgesehenen acht Wochen regeln kann. Hier ist einiges an Kritik geäußert worden, insbesondere vom Kollegen Kittelmann. Ich teile diese Kritik nicht, insbesondere nicht die Kritik an der Bundesregierung. Man muß die gegebenen Verhältnisse, auch die gegebenen Verhältnisse in der Konferenz, berücksichtigen. Denn die Amerikaner hatten früher eine ganz andere Position. Die Bundesregierung hat, soweit ich es übersehe, alles getan, um die deutschen nationalen Interessen zu vertreten und zu einem vernünftigen Ergebnis zu kommen. - Ich danke Ihnen. ({7})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Das Wort hat der Staatsminister im Auswärtigen Amt.

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung begrüßt das Interesse und die tätige Teilnahme einer ganzen Reihe von Kolleginnen und Kollegen des Deutschen Bundestages an der Seerechtskonferenz und dankt für die Unterstützung auch am Konferenzort, die die Regierungsdelegation durch die Mitglieder des Deutschen Bundestages auf diese Weise erfährt. Das ist für unsere Verhandlungsführung natürlich sehr wichtig. Über die Bedeutung der Seerechtskonferenz brauche ich hier nichts mehr zu sagen. Der Umstand, daß es sich bei der jetzt zu behandelnden Vorlage um eine von den drei Fraktionen gemeinsam eingebrachte handelt, zeigt, wie wichtig die Seerechtskonferenz auf allen Seiten des Hauses genommen wird. So viel Gemeinsamkeit hat aber den Kollegen Kittelmann offenbar dann doch etwas verschreckt. ({0}) Er hat hier einige Vorwürfe erhoben, die auch dadurch, daß sie zum x-ten Male erhoben worden sind, nicht richtiger geworden sind. Herr Kollege Kittelmann, ich möchte beinahe so weit gehen, zu sagen: Wenn Sie wenigstens einmal einen neuen Vorwurf bringen würden, dann wäre ich bereit, Ihnen eine Flasche Sekt zu spendieren. ({1})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Köhler?

Dr. Volkmar Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001154, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, des Sektes wegen: Wären Sie bereit, den neuen Vorwurf zu akzeptieren, daß Ihnen erst nach einem relativ langen und im übrigen sehr angenehmen Briefwechsel zwischen uns beiden wirklich deutlich geworden ist, wie sehr in der Frage der Präjudizierung der Ratifikation durch die Wahl Ham5206 Dr. Köhler ({0}) burgs Gefahren auftreten konnten, die Sie offenbar nicht gleich voll übersehen haben?

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Nein, Herr Kollege Köhler, das kann ich nicht akzeptieren. ({0}) Wir waren uns von vornherein darüber im klaren, daß es hier keine Präjudizierung geben dürfe; ich werde darauf gern noch einmal eingehen. Der Briefwechsel, der von Ihnen begonnen worden ist, hat dankenswerterweise dazu beigetragen. daß Außerungen des Konferenzpräsidenten, die möglicherweise hätten mißverstanden werden können, geklärt worden sind. Aber ich glaube, das ist doch etwas anderes als die grundsätzliche Haltung der Bundesregierung in dieser Frage. ({1}) - Nein, da muß schon noch etwas mehr kommen, bis ich dazu bereit bin. ({2}) - Also, einen Piccolo, gut. ({3}) Aber ein Vorwurf ist es natürlich nicht. Herr Kollege Kittelmann, Sie haben davon gesprochen, wir hätten die Bedeutung der Konferenz nicht richtig erkannt, wir hätten die deutschen Interessen nicht nachdrücklich genug vertreten. ({4}) Es ist von meinen Vorrednern mit Recht daran erinnert worden, daß wir es dort mit 156 Verhandlungspartnern zu tun haben. Ich glaube also, daß mir niemand Übertreibung vorwerfen kann, wenn ich sage, daß das wahrscheinlich die schwierigste, jedenfalls aber eine der schwierigsten internationalen Konferenzen ist, die es je gegeben hat. Auch wenn man im Deutschen Bundestag noch so markige Reden hält, ändert das nichts daran, daß die deutschen Interessen dort eben nur sehr schwer durchzusetzen sind. Das ist nur durch sehr zähe, sehr mühsame Kleinarbeit und durch geschickte Verhandlungsführung unserer Diplomaten zu machen. Sie haben dann auch wieder den Uralt-Vorwurf vorgetragen, die Delegation arbeite zwar ganz gut, aber die böse Bundesregierung, also die Spitze, der Außenminister und der Kanzler, lasse sie im Stich. ({5}) Auch das trifft nicht zu. Ich möchte daran erinnern, daß der Bundesminister des Auswärtigen auf der Außenministerkonferenz, die im letzten Jahr zur Vorbereitung des Gipfeltreffens in Ottawa stattgefunden hat, das Thema Seerecht sehr wohl zur Sprache gebracht hat. Dann haben Sie davon gesprochen, wir hätten es in Cancun diskutieren müssen. Nun, wir haben zwar versucht, das auf die Tagesordnung zu bekommen, aber unsere Partner wollten das nicht. ({6}) Es gehören j a immer mehrere dazu, ein solches Thema aufzugreifen; das kann man nicht allein schaffen. Ich hoffe also sehr, lieber Herr Kollege Kittelmann - wir sind uns ja durch manche Aktivitäten in Sachen Seerecht sehr verbunden -, daß diese doch recht scharfen Töne, die Sie vorhin hier von sich gegeben haben, ({7}) nicht der Anfang einer Aufkündigung der Gemeinsamkeit der drei Fraktionen, was das Seerecht angeht, sind. ({8}) Vielleicht kann der Herr Kollege Köhler da dann noch etwas zurechtrücken. ({9}) - Das kostet dann noch einmal einen Piccolo; also gut, dann wird es doch eine ganze Flasche. Wenn Sie das tun sollten, will ich das gerne machen. Ich möchte ausdrücklich noch einmal unterstreichen, was Herr Kollege Kittelmann und auch Herr Kollege Funke gesagt haben. Auch aus der Sicht der Bundesregierung ist die Wahl Hamburgs, die wir im übrigen natürlich sehr begrüßen, als Sitz des Internationalen Seegerichtshofs kein Präjudiz. Die deutsche Delegation hat auf der Konferenz ebenso wie die Delegationen anderer Staaten die Haltung eingenommen, daß für den Fall, daß bei Inkrafttreten der Konvention einer der ausgewählten Sitzstaaten - es geht nicht nur um den Gerichtshof, sondern auch um die Behörde - die Konvention noch nicht ratifiziert hat, die Sitzfrage neu zu behandeln wäre. Sie hat in diesem Zusammenhang klargemacht, daß Zeichnung und Ratifizierung der Konvention durch diese Sitzentscheidung für sie nicht präjudiziert seien. Diese Haltung ist auch nicht etwa mißverstanden oder falsch interpretiert worden - mit Ausnahme dieser einen Angelegenheit, über die wir gerade gesprochen haben, Herr Kollege Köhler. Es ist ebenfalls bekannt, daß die Bundesregierung eine kritische Haltung zu den bisher erreichten Konferenzergebnissen hat. Sie bleibt deshalb bemüht, auch auf der bevorstehenden Session, insbesondere hinsichtlich des Meeresbodenregimes Verbesserungen zu erzielen. Die Tatsache, daß auch ein so wichtiger Konferenzteilnehmer wie die USA - und darauf ist bereits hingewiesen worden - unsere Haltung nunmehr in vieler Hinsicht zu teilen scheint, ist für den Erfolg dieser Bemühungen wichtig. Wir werden uns bei den kommenden Verhandlungen allerdings weiterhin auch um einen engen VerStaatsminister Dr. Corterier bund mit den anderen westlichen Industriestaaten, insbesondere der Europäischen Gemeinschaft, bemühen. Wir müssen dabei natürlich auch die legitimen Interessen der Dritten Welt ständig im Auge behalten. Insofern möchte ich ausdrücklich das unterstreichen, was Herr Kollege Holtz hier vorgetragen hat. Ich möchte, eingehend auch auf etwas, was Herr Kollege Holtz bemerkt hat, ausdrücklich unterstreichen, daß die Absprachen, die jetzt getroffen werden, selbstverständlich nur interimistischen Charakter haben und kein Ersatz für die Konvention sein können. Ich darf zusammenfassend feststellen, daß wir den Antrag, so wie er von den drei Fraktionen hier vorgelegt worden ist, als eine wichtige Stütze und Orientierung für unsere weitere Verhandlungsführung auf der Seerechtskonferenz ansehen. ({10})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Köhler ({0}).

Dr. Volkmar Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001154, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach der wohltuend sachlichen Rede des Kollegen Funke werde ich mir im weiteren eine ganze Menge Ausführungen zur Frage des Meeresbodenbergbaus sparen können. Ich sehe, hier stimmen wir in ganz weitem Maße überein. Dafür finde ich einige andere Themen wichtig und reizvoll - ohne den Weg gehen zu wollen, den Sie, verehrter Kollege Holtz, zu gehen für richtig hielten; für meine Begriffe haben Sie heute eine vorgezogene Ratifizierungsdebatte anzufangen versucht. Darum geht es durchaus nicht. Die Abwägung, was an Erreichbarem erreicht ist und was wir deswegen positiv verbuchen können, und dessen, was gegen eine Annahme spricht, ist nicht die Aufgabe dieser Stunde. Vielmehr ist jetzt der Moment, darauf zu drängen, daß die letzten Möglichkeiten wirklich voll ausgenutzt werden, um dort das zu erreichen, was wir für wünschenswert halten. Deswegen konzentrieren wir uns auf diese Punkte. ({0}) Ich denke, daß die Regierung auch einen Anspruch darauf hat, daß wir das machen. Das, was uns an dieser Diskussion so beschwert, ist doch folgendes, Herr Holtz: der große Abstand zwischen Absicht und Tat, der bei dieser Konferenz - ich meine jetzt nicht durch die deutsche Politik, sondern bei der Konferenz insgesamt - herausgekommen ist. Sie haben um Jahrhunderte zurückgegriffen und von den Teilungen der Erde gesprochen. Sie haben gesagt, diesmal sollte es anders werden, diesmal gehe es um das gemeinsame Erbe. Ja, richtig, aber wir erleben doch inzwischen eine Erbteilung, wie sie in verfeindetsten Familien nicht schlimmer stattfinden könnte, die völlige Pervertierung eines Grundsatzes, dem man im Grunde genommen nur beipflichten könnte, von dem man nur wünschen könnte, daß er weitere Geltung hätte. Ich hätte es z. B. sehr schön gefunden, wenn die Länder der Dritten Welt, die sich bei dieser Frage auf das gemeinsame Erbe der Menschheit berufen, den Vorschlag von Präsident López Portillo, die Energiereserven als gemeinsames Erbe der Menschheit zu verwalten, ebenfalls so ernst zur Kenntnis genommen hätten. Leider Gottes gibt es hier eine gespaltene Moral. ({1}) - Ja, das weiß ich. Bei diesen Argumenten bleibt gar nichts anderes übrig. - Es ist eben hier leider dazu gekommen, daß ein hehrer und guter Ansatz in einer Wolke von finsterstem Nationalismus untergegangen ist. Es muß gerade den Entwicklungspolitiker hier zutiefst betrüben, wenn er sieht, daß 30 der am wenigsten entwickelten Länder unter denen sind, die am meisten von den Ergebnissen gebissen werden. Es läßt sich doch nicht bestreiten, daß unter den zehn Hauptprofiteuren, die durch die Aufteilung der Meere unendliche Millionen von Quadratkilometern zur Beherrschung und Nutzung übertragen bekommen, nur ein einziges Entwicklungsland auftaucht, nämlich Indonesien an fünfter Stelle. ({2}) - Brasilien ist ein Sonderfall, den ich in dieser Beziehung noch einmal absetzen wollte. - Für mich ist es zwar ein erheblicher Sachverhalt, daß die Bundesrepublik erst an 110. Stelle liegt; aber daß unter den ersten zehn nur Indonesien als besonders wichtiges Land der Dritten Welt dabei ist - Brasilien als Sonderfall - und daß 30 der am wenigsten entwikkelten Länder am Schluß der Kolonne marschieren, kann mich mit dem Ergebnis der Umsetzung so großartiger Konzeptionen in keiner Weise befriedigen. Deswegen meine ich, hier muß durchaus noch einmal darüber geredet werden. Daher, meine ich, ist es falsch, wenn wir uns hier heute gegenseitig vorhalten: Ihr redet nur über deutsche Interessen, und Ihr seid die Anwälte der Entwicklungsländer. - Nein, so einfach geht das nicht. Dies ist ein Scheingegensatz. ({3}) Herr Holtz, ich empfinde es übrigens auch nicht als glücklich, wenn Sie in dieser Situation Obsessionen ausleben, die Sie in Richtung Washington haben. Man kann das auch anders zitieren. Am 29. Januar hat

Not found (Mitglied des Präsidiums)

Die Vereinigten Staaten bleiben dem multilateralen Vertragsprozeß verpflichtet, um ein Übereinkommen über das Seerecht zu erreichen. ({0}) Das ist die grundsätzliche Erklärung; hinzugefügt wurde: Wenn wir auf der Konferenz zusammenarbeiten und Wege finden können, um diese Grundbedingungen zu erfüllen, dann wird meine Administration die Ratifizierung unterstützen. Dr. Köhler ({1}) Ja, entschuldigen Sie, wenn wir unter diesen Umständen auffordern, die Gemeinsamkeit mit unseren Verbündeten auszuloten und zu suchen, dann empfinde ich es als störend, wenn in dieser Sekunde schon wieder der Verdacht gesät wird, daß mit diesen Yankees eben nichts anderes als eine Politik des big stick zu machen wäre. Dies ist in diesem Zusammenhang kontraproduktiv. Ich glaube, wir müssen uns hier über eines durchaus klar sein, nämlich darüber, daß die deutsche Politik - auch soweit sie hier in dieser Frage vom Bundestag beeinflußt ist - immer wieder den Versuch gemacht hat, auch die Interessen der Länder der Dritten Welt mit einzubeziehen. Wir haben j a kein Interimsgesetz zum Meeresbodenbergbau gemacht, das vor Protektionismus strotzte, wir haben durchaus - ich habe das vor zwei Jahren mit Staatssekretär Rosenzweig-Diaz in Mexiko besprochen; Sie waren zur gleichen Zeit dort, Herr Holtz - die Möglichkeit darin, z. B. hier joint ventures anzubieten. Ich frage mich allerdings, Herr Staatsminister, ob wir nicht z. B. in dieser Verhandlung gut daran täten, auch noch einmal die Frage anzuschneiden, ob wir nicht joint ventures in völkerrechtlicher Form anbieten können, statt eines Regimes, von dem wir absolute Funktionsuntüchtigkeit und sogar Verhinderung der wirtschaftlichen Nutzung erwarten müssen. Ich denke, daß sich in der letzten Phase dieser Konferenz noch einiges bewegen läßt. Es sollte der Versuch gemacht werden, diese Bewegung zu nutzen. Die 200-Meilen-Wirtschaftszone ist, bezogen auf die räumliche Ausdehnung, sicherlich irreversibel, aber die inhaltliche Ausgestaltung - da hat der Kollege Kittelmann völlig recht - und ihr Rechtsstatus ist gewohnheitsrechtlich noch nicht bis ins letzte klar. Hier sollte man tatsächlich aufpassen, daß sich hier nicht Entwicklungen einschleichen, die wiederum nur als eine Nationalisierung dessen gewürdigt werden können, was man einmal für gemeinsam hielt. Auch die 350-Seemeilen-Festlandsockelzone müßte noch weiter diskutiert werden; sie ist wegen ihrer komplizierten Abgrenzungskriterien ein großes Problem in sich. Ich meine, auch dies muß noch einmal zur Sprache kommen. Schlußendlich möchte ich zu dieser Frage sagen, daß es eben in der Frage des Meeresbodenbergbaus kulminiert. Weitere Einzelheiten dazu möchte ich mir aber ersparen. Hier wurde die Frage gestellt: Ist das, was von euch kam, ein Zeichen für das Ende der Gemeinsamkeit in dieser Frage? Ich möchte auf diese Frage eine sehr klare Antwort geben: Was wir suchen und worum wir uns bemühen, ist im Gegenteil ein Anfang zu einem Mehr an gemeinsamer Politik in dieser Hinsicht, weil wir glauben, daß wir nicht nur auf diesem Grundriß miteinander reden dürfen, sondern daß es in Wahrheit darum geht, aufgeweckt durch die Jahre des Erlebens dieser Konferenz, eine Meerespolitik unseres Landes zu definieren, die wirklich den Umständen Rechnung trägt, daß wir eine Welthandelsnation, eine Exportnation, eine Nation, die einen großen Teil ihrer Waren mit einer großen Flotte transportiert, eine Nation, die auf Fischerei und auch auf Fernfischerei angwiesen ist, sind. Wir müssen uns als Nation trotz der kurzen Küstenlinie, die wir haben, dieser politischen Notwendigkeit stellen und so weit wie irgend möglich gemeinsam dafür auch einen Grundriß der Vertretung unserer Interessen entwickeln. Hier hinein gehören auch die Meeresforschung, die Frage des Technologietransfers und der Erschließung untermeerischer Rohstoffe. Ich habe mich gewundert, wie man so viele Jahre über diese Fragen verhandeln kann, ohne jemals auf die Idee zu kommen, daß zwischen der Lieferung von Fischereiforschungsschiffen im Rahmen deutscher Entwicklungshilfe oder der Installierung und Betreuung von vielen, vielen, ich möchte fast sagen: Hunderten von Fischereiprojekten der deutschen Entwicklungshilfe und diesen Fragen ein Zusammenhang bestände. ({2}) Wo ist politisch zusammengefaßt worden, daß hier Dinge geschehen, die täglich schon eine gemeinsame Arbeit auf diesem Gebiet belegen und die zur Grundlage für einen Interessenausgleich werden könnten, mit dem alle leben können, diejenigen, die überhaupt noch nicht in der Lage sind, die großen Wirtschaftszonen und Wirtschaftsgebiete zu nutzen, die ihnen jetzt zufallen, und diejenigen, die dazu die Möglichkeiten haben? Eine zusammenhängende, in sich wirklich konsistente Meerespolitik, in der auch unsere Entwicklungspolitik gegenüber den Ländern der Dritten Welt eine wesentliche Rolle spielt, ist das, was wir gemeinsam anstreben sollten. Dies zu Ihrer Frage, Herr Staatsminister. Da sind wir zur Gemeinsamkeit bereit. Wir warten auf Sie. ({3})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Der letzte Redner in der Aussprache ist der Abgeordnete Grunenberg. Er hat das Wort.

Horst Grunenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000743, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen führt hierzulande zu Reaktionen, die zwischen breiter Interessenlosigkeit in der Bevölkerung, aber auch in den Medien sowie heftigem Streit zwischen Experten und schon Betroffenen liegen. Betroffene sind z. B. unsere Fischer. Es ist aber auch schwer verständlich zu machen, daß die Seerechtskonferenz kein juristisches Marathonereignis ist, sondern ein politisches Tauziehen um den mit Wasser bedeckten Teil unseres Planeten, um die See, die Meere oder die Ozeane - je nachdem, wie man es ausdrücken will -, die immerhin 70 % der Erdoberfläche ausmachen. Aus dem ursprünglichen Niemandsland soll etwas werden, was allen gehört, und zwar als gemeinsames Erbe der Menschheit. Mit dieser Zielvorgabe begann vor über acht Jahren diese Konferenz der UNO. Je nach politischem Blickwinkel sah und sieht man in dieser Konferenz die Austragung verschiedener Konflikte zwischen Ost und West, Nord und Süd, zwischen Rohstoffländern und Rohstoffhabenichtsen, den Kampf um die Rohstoffmarktbeherrschung, wie man vielleicht besser sagen könnte. Diese Beschreibungen sind alle zum Teil richtig, treffen aber alle nicht das große Thema. Die Interessenlagen sind fließend, nicht starr, wie man das von anderen Konferenzen auf dieser Ebene gemeinhin gewohnt ist. Sicher ist inzwischen eines, nämlich daß zirka ein Drittel der Meere von den Küstenstaaten unter weitgehender nationaler Jurisdiktion innerhalb der 200-MeilenWirtschaftszone wirtschaftlich genutzt werden kann. Weiterhin wird der Meeresboden bis zu einer Festlandssockelaußengrenze von 350 Seemeilen - das bedeutet: 150 Seemeilen über die Grenze der Wirtschaftszone hinaus - von den Küstenstaaten bevorrechtigt ausgebeutet werden. Im Klartext heißt das nichts anderes, als daß zwischen 40 und 50 % des Meeresbodens nicht mehr zum gemeinsamen Erbe der Menschheit zu zählen sind. Das bedeutet aber auch, daß 85 % aller Fischbestände, aller im Meer vorhandenen bekannten Vorkommen an mineralischem Rohstoff und mindestens in gleicher Prozentzahl alle 01- und Gasvorkommen ausschließlich den Küsten-, Insel- und Archipelstaaten zur Verfügung stehen. Wenn man eine Karte mit den neuen Grenzlinien farbig zu gestalten versucht, so wie ich es mir einmal erlaubt habe, dann braucht man wenig blaue Farbe, um den internationalen Teil der Meere entsprechend zu bemalen, sehr wenig im Verhältnis zu früher. Das Erbe der Menschheit -, ein kläglicher Rest, der mit lautem Wortgetöse, ideologisch überfrachtet, hin und wieder das Bewußtsein der Öffentlichkeit weckt. Es ist bedauerlich, daß bei uns in der Bundesrepublik der Sinn für politische Ozeanographie sehr schwach ausgeprägt ist. Deshalb ergehen wir uns, bedingt durch das Wort „Seerechtskonferenz", zu sehr in juristischer Ozeanographie. In der Annahme, daß eine neue ozeanographische Jurisdiktion zugleich auch ozeanographische Politik ist, bedauern wir uns selber allzu schnell als Nichtgewinner dieser Konferenz. Da muß man fragen: Wem nutzt es, wenn wir immer wieder bejammern, daß unser aquatorialer Zugewinn von 40 000 Quadratkilometern uns auf Platz 110 mit Staaten größerer territorialer Ausdehnung - das muß man ja auch dabei sagen - verweist? Ich will sie nicht aufzählen; Sie haben es hier schon gehört. Ich meine, das Bejammern nutzt alles nichts. Da kann man in der Tat so wie Luther fragen - ich sage das jetzt ein bißchen umschrieben -: Wie kann aus einem gewissen verzagten Körperteil ein fröhliches Geräusch entweichen? ({0}) - Man kennt ja die einzelnen Zitate von Luther. - Aber, Herr Köhler, es ist doch so. Ist die Bundesrepublik nicht auch eine der größten Industrienationen? Sind wir nicht auch in der Lage, Spitzentechnologien zu entwickeln? Sind wir nicht auch einer der größten Rohstoffverbraucher der Welt, und das mit einer Bevölkerungszahl, mit der wir auf Platz 11 einer diesbezüglichen Weltrangliste einzuordnen sind? Betrachten wir einmal die Entwicklung aus der Sicht eines afrikanischen Küstenstaates oder eines Inselstaates oder eines Archipelstaates im Indischen oder Pazifischen Ozean. Nehmen wir als Beispiel Fidschi oder Mauritius. Die 200-SeemeilenWirtschaftszonen dieser beiden Inselstaaten bedekken jeweils - bei jedem Staat - ein Areal, in welches die Bundesrepublik vier- bis fünfmal hineinpaßt, ich hätte beinahe gesagt: in welchem sie ersäuft werden kann. Es ist schließlich allzu verständlich, daß diese Staaten unter dem Schutz einer Seerechtskonvention erstens den Schutz und die Kontrolle ihres Zugewinns aus der Luft, auf dem Wasser und unter Wasser anstreben, zweitens diese Staaten den tatsächlichen oder vermeintlichen Fischreichtum ihrer Gewässer zur Verbesserung ihrer Ernährungsbasis oder zum Export als Devisenbringer nutzen möchten, drittens diese Staaten sich Rohstoffe mineralischer Art auf dem Meeresboden erhoffen, viertens diese Staaten sich Hoffnungen auf Rohstoffe unter dem Meeresboden machen und fünftens diese Staaten sich auch eine gute wissenschaftliche Ausbildung ihrer Bevölkerung auf diesem Gebiet wünschen, zumindest aber wissenschaftlich beraten werden wollen. In allen diesen Dingen haben wir nachweisbar alle Voraussetzungen, hier behilflich sein zu können. Zum Beispiel wäre es für uns kein Problem, Wünsche nach einer Coast-Guard-Ausrüstung zufriedenzustellen. Weltweit verlangt man allerdings bewaffnete schwimmende Einheiten. Wir sind durchaus in der Lage, den Aufbau einer örtlich angepaßten Fischerei mitzugestalten. Ein zur Zeit laufendes Projekt im Bereich des westindischen Ozeans hat schon jetzt mehr als beachtenswerte Erfolge erzielt. Unsere wegen ihrer Erfolge weltweit berühmten Forschungsschiffe „Valdivia" und „Sonne" haben bewiesen, daß wir nicht nur Manganknollen explorieren können, sondern auch polymetallische Sulfide zu fördern in der Lage sind, wie das deutsch-saudiarabische-sudanesische Projekt im Roten Meer beweist. Die Exploration und Exploitation des Meeresunterbodens dürften nach den Erfolgen der mit deutscher Beteiligung betriebenen Erschließung von Kohlenwasserstoffen im Golf von Suez und in der Ägäis und anderswo auch wohl ein gutes Renommee sein. Schließlich beweist die Vergabe des Auftrags zum Bau eines indischen Forschungsschiffes oder eines argentinischen Fischereiforschungsschiffes an uns die Qualität unserer Schiffsbautechnologie, was nicht zuletzt auch in dem neuen Polarforschungsschiff zum Ausdruck kommen wird. Ich erinnere in diesem Zusammenhang auch an den spektakulären Erfolg des Taucherbasisschiffs „Stephaniturm" bei der Bergung des Goldes vom gesunkenen Kreuzer „Edinburgh" letztes Jahr im Nordmeer. Auch unsere wissenschaftlichen Kapazitäten und Institutionen auf dem Gebiete der Meeresforschung und -technik gehören zu den anerkanntesten auf dieser Erde. Das sind j a positive Dinge, die wir auch einmal vorweisen müssen. Mit dem Beitritt zum Antarktis-Vertrag - die Antarktis ist ein Refugium, das, weil bereits internationales Gebiet, nicht den Bestimmungen einer Seerechtskonvention unterliegt - haben wir die Möglichkeit eines weiten Betätigungsfeldes wissen5210 schaftlicher Ozeanographie. Ich plädiere auch dafür, daß wir uns im Rahmen der Polarforschung auf unsere alten Anrechte aus dem Spitzbergen-Vertrag wieder besinnen. ({1}) Zur bevorstehenden 11. Session der 3. UN-Seerechtskonferenz sei gesagt, daß wir nicht allzu euphorisch auf Möglichkeiten der Änderung des vorliegenden informellen Verhandlungstextes hoffen sollten. ({2}) Wir sollten aber alles tun, um zu verhindern - das ist hier schon ein paarmal angesprochen worden -, daß im Bereich des gemeinsamen Erbes der Menschheit der Dirigismus und die damit verbundene kostenträchtige Überbürokratisierung so gut wie nichts für die besonders benachteiligten Entwicklungsländer übriglassen. Das ist eigentlich meine größte Befürchtung. Hier bedarf es noch einiger Überzeugungsarbeit. Aber das Vertrauen der Entwicklungsländer in uns kann - auch das ist hier schon lobend erwähnt worden - auch nicht so gering sein, haben doch viele von Ihnen dafür gestimmt, daß Hamburg Sitz des Internationalen Seegerichtshofs wird. Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Der Entschließungsantrag auf Drucksache 9/581 der CDU/CSU vom letzten Sommer ist, glaube ich, in seinem Inhalt doch wohl im wesentlichen überholt. Die Welt hat sich inzwischen ein bißchen weitergedreht. Es ist allerdings erfreulich, daß angemerkt werden kann, daß zwischen den Fraktionen des Deutschen Bundestages weitgehend Übereinstimmung in der Bewertung der 3. UN-Seerechtskonferenz besteht. Dies kommt ja wohl auch in der Beschlußempfehlung, die wir zusammen erarbeitet haben, sehr, sehr deutlich zum Ausdruck. Wichtig scheint mir Punkt 2 der Forderungen der Entschließung zu sein, und, Herr Kittelmann, ich gehe in meiner Forderung dabei sogar noch weiter als Sie. Ich erwarte nämlich, daß die Bundesregierung den Deutschen Bundestag insgesamt über den Verfahrensstand in Form einer Bundestagsdrucksache unterrichtet. Ich bedanke mich recht herzlich für Ihre Aufmerksamkeit. ({3})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Der Auswärtige Ausschuß hat einstimmig empfohlen, die Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Kittelmann, Dr. Abelein, Dr. Waigel, Dr. Wörner, Dr. Hüsch, Dr. von Geldern, Echternach, Amrehn, Höffkes und der Fraktion der CDU/CSU betr. 3. Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen - Drucksache 9/581 - auf Drucksache 9/1342 anzunehmen. Wer dieser Beschlußempfehlung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist die Beschlußempfehlung auf Drucksache 9/1342 einstimmig angenommen. Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf: a) Beratung der Sammelübersicht 29 des Petitionsausschusses ({0}) über Anträge zu Petitionen mit Statistik über die beim Deutschen Bundestag in der Zeit vom 4. November 1980 bis 31. Dezember 1981 eingegangenen Petitionen - Drucksache 9/1267 - b) Beratung der Sammelübersicht 30 des Petitionsausschusses ({1}) über Anträge zu Petitionen - Drucksache 9/1290 Wird das Wort gewünscht? - Dies ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Wer den Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses auf den Drucksachen 9/1267 und 9/1290, die in den Sammelübersichten 29 und 30 enthaltenen Anträge anzunehmen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses sind einstimmig angenommen. Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses ({2}) zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1981 hier: Haushaltsgesetz 1981 - Drucksachen 9/540, 9/1321 Berichterstatter: Abgeordnete Walther Hoppe Carstens ({3}) Wird das Wort gewünscht? - Dies ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 9/1321, den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 9/540 für erledigt zu erklären. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist damit einstimmig angenommen. Ich rufe die Punkte 8 und 9 der Tagesordnung auf: 8. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({4}) zu den Unterrichtungen durch die Bundesregierung Vizepräsident Windelen Vorschlag einer Verordnung ({5}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({6}) Nr. 725/ 79 hinsichtlich der finanziellen Unterstützung von Demonstrationsvorhaben zur Energieeinsparung Vorschlag einer Verordnung ({7}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({8}) Nr. 726/ 79 hinsichtlich der finanziellen Unterstützung von Vorhaben zur Nutzung alternativer Energiequellen Bericht der Kommission der Europäischen Gemeinschaften betreffend die Anwendung der Verordnung Nr. 1302/78 des Rates über die Gewährung einer finanziellen Unterstützung für Vorhaben zur Nutzung alternativer Energiequellen Bericht der Kommission der Europäischen Gemeinschaften über die Anwendung der Verordnung Nr. 1303/78 des Rates über die Gewährung einer finanziellen Unterstützung für Demonstrationsvorhaben zur Energieeinsparung - Drucksachen 9/147, 9/1052, 9/1291 Berichterstatter: Abgeordneter Wolfram ({9}) 9. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({10}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Verordnung ({11}) des Rates betreffend eine gemeinschaftliche Aktion im Bereich der Mikroelektronik Vorschlag für Empfehlungen über das Fernmeldewesen - Drucksachen 9/148, 9/1294 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Schwörer Das Wort wird nicht gewünscht. Ich lasse jetzt über die Vorlagen gemeinsam abstimmen. Wer den Beschlußempfehlungen des Ausschusses für Wirtschaft auf den Drucksachen 9/1291 und 9/1294 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlungen sind damit einstimmig angenommen. Meine Damen und Herren, wir sind damit am Schluß unserer Tagesordnung. Die Präsenzpflicht für Freitag, den 12. Februar 1982, ist aufgehoben. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 3. März 1982, 13 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.