Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Wir setzen die Beratung des Punktes I der Tagesordnung fort:
Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1982 ({0})
- Drucksachen 9/770, 9/965 Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses ({1})
Ich rufe auf:
Einzelplan 11
Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung
- Drucksache 9/1191 Berichterstatter:
Abgeordente Grobecker Dr. Friedmann
Wird das Wort von einem der Berichterstatter gewünscht? - Dies ist nicht der Fall.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Friedmann.
({2})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Einzelplan 11, Arbeit und Soziales, umfaßt 53 Milliarden DM. Er ist der größte Einzelplan des Bundes. Es tut mir leid, daß der zuständige Fachminister, Herr Ehrenberg, noch nicht da ist.
({0})
Ich sage „noch nicht", denn es kann ja sein, daß er auf den glatten Straßen heute morgen schon ausgerutscht ist.
({1})
53 Milliarden DM ist ein stolzer Betrag. Es ist, wie gesagt, der größte Einzelplan des Bundes. Zum Vergleich: In diesem Jahr zahlt der Bund rund 70 Milliarden DM für Zinsen und Tilgung alter Schulden, d. h., der Schuldendienst für bisher aufgelaufene Schulden ist fast eineinhalbmal so hoch wie der Haushalt des Bundesministers für Arbeit und Soziales.
Man kann die Rechnung fortsetzen: Herr Ehrenberg vertritt heute seinen sechsten Haushalt.
({2})
- Ich werde Ihnen den Zusammenhang gern noch zeigen. Diese sechs Haushalte haben einen Umfang von insgesamt 280 Milliarden DM. In derselben Zeit sind die Schulden des Bundes um 165 Milliarden DM gestiegen. Fast könnte man sagen, daß die Sozialleistungen des Bundes zu 60 % über Schulden finanziert worden sind.
({3})
Nun fragen Sie, was das soll. Ich sehe sehr wohl einen Zusammenhang
({4})
zwischen den Schulden des Bundes und den Sozialleistungen. Ich möchte nicht sagen, daß allein wegen der Sozialleistungen Schulden gemacht worden seien. In dem Zusammenhang, der mindestens mittelbar besteht, kommt aber zum Ausdruck, daß wir über die Verhältnisse gelebt haben, daß diese Sozialleistungen nicht fest fundiert sind. In dem mittelbaren Zusammenhang kommt auch zum Ausdruck, daß dieser Sozialstaat zu einem Teil auf wackligen Füßen steht. Der Zusammenhang ist insoweit tatsächlich gegeben.
Wir haben in diesen Tagen von diesem Ort aus mehrmals über Beschäftigungsprogramme gesprochen. Das ist auch ganz selbstverständlich. Wir gehen jetzt 1,9 Millionen Arbeitslosen entgegen, und da müssen sich die Fraktionen des Deutschen Bundestages damit beschäftigen, wie man diesem Problem begegnen kann. 1,9 Millionen Arbeitslose ist eine große Zahl. Sie wissen, daß wir von der Union dem Beschäftigungsprogramm reserviert gegenüberstehen. Ich möchte nicht sagen, daß wir einem solchen Programm ausgesprochen ablehnend gegenüberstehen, aber zumindest reserviert. Denn bei einem Beschäftigungsprogramm müßte es um Investitionen der öffentlichen Hand und der privaten
Wirtschaft gehen. Bei der öffentlichen Hand ist bei den Gemeinden und bei den Ländern nicht mehr viel zu machen, weil auch diese schon hoch verschuldet sind. Wenn den Gemeinden und den Ländern nicht die allermeisten Kosten neuer Investitionen abgenommen werden, können sie nicht mehr mitziehen.
({5})
In Teilen unseres Landes haben wir bereits Bettenstillegungspläne, weil wir da und dort zu viele Krankenhäuser haben. Eine Reihe von Gemeinden und Städten macht sich schon Gedanken, ob sie Schwimmbäder und Turnhallen schließen müssen, weil sie mit den Betriebskosten nicht mehr fertig werden. Das heißt, über die öffentliche Hand wird im Rahmen eines Beschäftigungsprogramms nicht mehr allzuviel zu machen sein. Es geht nicht ohne die privaten Investitionen. Insoweit muß bei allen Überlegungen über die Schaffung neuer Arbeitsplätze die Frage privater zusätzlicher Investitionen eine starke, eine dominierende Rolle spielen.
({6})
Nun müßte man j a meinen, daß bei dieser Diskussion um neue Arbeitsplätze der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung - er ist inzwischen eingetroffen; ich freue mich, Herr Minister Ehrenberg, daß Sie zur Beratung Ihres Haushalts jetzt da sind -,
({7})
in dem Konzert um ein Beschäftigungsprogramm eine führende Rolle einnimmt. Weit gefehlt! Ich glaube nicht, daß mir jemand von Ihnen sagen kann, daß Minister Ehrenberg in den letzten Wochen oder Monaten mit besonders weitreichenden, gravierenden Vorschlägen an die Öffentlichkeit getreten sei. Die ganze Diskussion um die Beschaffung neuer Arbeitsplätze wird vom Gewerkschaftsbund, vom Finanzminister, vom Wirtschaftsminister, vom Bundeskanzler, aber jedenfalls nicht vom Arbeitsminister Ehrenberg getragen. Herr Ehrenberg ist auf Tauchstation gegangen.
({8})
- Er ist physisch inzwischen da;
({9})
fest steht aber, lieber Herr Kollege George, daß Herr Minister Ehrenberg weder eine Analyse über die Zusammensetzung der Zahl der Beschäftigten hier jemals vorgetragen hat noch ernst zu nehmende Vorstellungen über die Lösung des Problems der Arbeitslosen hier dargelegt hat.
({10})
Ich möchte daran erinnern, wie die Funktionsbezeichnung des Herrn Ministers Ehrenberg heißt. Er heißt „Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung". Zuerst wird die Arbeit genannt, dann das Soziale. Das ist nicht zufällig. Das war schon in der Bibel so. Auch dort wird die Arbeit zuerst genannt, dann kommt das Ausruhen und das Soziale.
({11})
- Herr Minister Ehrenberg versteht sich mehr als Sozialminister, aber nicht als Arbeitsminister. In dieser Diskussion versagt er, wenn es darum geht, neue Arbeitsplätze zu schaffen.
({12})
Im Haushalt von Herrn Minister Ehrenberg sind 3,5 Milliarden DM Zuschuß für die Bundesanstalt in Nürnberg vorgesehen. Von Nürnberg aus müssen ja die Gelder für die Arbeitslosen gezahlt werden.
({13})
Diese 3,5 Milliarden DM werden von der Bundesregierung für nötig gehalten, auch nach Erhöhung des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung von 3 auf 4 %. Trotzdem, wir hatten heute vor zehn Wochen von diesem Pult aus eine intensive Diskussion darüber, ob diese 3,5 Milliarden DM reichen würden. Ich habe damals Berechnungen vorgetragen, daß in Nürnberg in diesem Jahr 5 bis 6 Milliarden DM fehlen werden, die in vollem Umfang zu Lasten des Bundeshaushalts und damit zu Lasten des Steuerzahlers gehen. Dies bedeutet folgendes: Die Koalition trägt hier vor, daß in diesem Jahr „nur" 26,5 Milliarden DM neue Schulden gemacht würden; es kommen aber mit Sicherheit jene Schulden dazu, die mit den Arbeitslosen zusammenhängen und zusätzlich entstehen, also jene von mir genannten 5 Milliarden DM.
({14})
Es hat in der Folgezeit einige Auseinandersetzungen gegeben, wer mit diesen 5 Milliarden DM nun recht haben möge. Auch im Haushaltsausschuß hat Herr Ehrenberg mit seinen Fachleuten und dem Präsidenten der Bundesanstalt viele Argumente angeführt, weshalb es nicht zu jenen 5 Milliarden DM kommen werde. Trotzdem, es kommt dazu. Ich möchte dies auch gleich im einzelnen begründen.
({15})
Zwei Vorbemerkungen möchte ich aber doch noch machen dürfen.
Erstens. Nürnberg vollzieht lediglich, was von Bonn aus vorgegeben wird. Die Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg hat weder die rechtlichen noch die tatsächlichen Möglichkeiten, auf Grund eigener Einschätzung von Eckdaten einen eigenen Haushalt nach eigenen Vorstellungen aufzustellen. Die Bundesanstalt muß nach den Vorgaben der Bundesregierung handeln, und die Bundesregierung hat diese Vorgaben auch gemacht.
Zweitens. Wenn wir so nachdrücklich darauf hinweisen, daß das, was wir heute auf dem Arbeitsmarkt erleben, eben mehr kosten wird, dann empfinden wir als CDU/CSU keinerlei Schadenfreude. Es geht uns um keinerlei Rechthaberei, sondern uns beDr. Friedmann
drückt genauso wie Sie das Schicksal jedes Arbeitslosen, der gerne arbeiten würde aber, keine Arbeit bekommt.
({16})
Arbeit ist für den Menschen eben mehr als Broterwerb.
({17})
Arbeit ist Selbstverwirklichung. Arbeit ist Lebensgestaltung. Arbeit ist Bestätigung durch die Umwelt. Arbeit ist zu einem erheblichen Teil Sinn des Lebens.
({18})
Und deshalb empfinden wir mit jedem, der heute ohne Arbeit dasteht, obwohl er gerne arbeiten würde.
({19})
- Sie sagen, wir würden die Arbeitslosenunterstützung kürzen wollen, Herr Kollege. Wir haben im Rahmen unserer Sparvorschläge gesagt, daß wir dafür seien, das Arbeitslosengeld so zu bemessen, daß es finanziell interessanter sei, zu arbeiten, als arbeitslos zu sein. Das ist unsere Sprachregelung.
({20})
- Das ist kein Zynismus, sondern das ist eine richtige Einschätzung der Situation, zu der auch Sie noch kommen müssen, und unter dem Druck der Fakten auch kommen werden.
({21})
Wie gesagt, dieses Finanzloch von 5 Milliarden DM wird in Nürnberg entstehen. Ich möchte Ihnen dies nun auch vorrechnen:
Bisher hat die Bundesanstalt damit gerechnet, daß wir in diesem Jahr im Durchschnitt 1,6 Millionen Arbeitslose haben würden. Jedesmal, wenn ich nachgefragt habe, wieso denn das so sein solle, lautete die Antwort, auch des Fachministers, das werde so sein, weil es die Bundesregierung so beschlossen habe.
({22})
- Auch ich bin der Meinung, Herr Westphal, daß dies dummes Zeug ist. Ich gebe Ihren Zwischenruf an Minister Ehrenberg weiter; denn das Argument stammt von ihm.
({23})
Nun sind wir in das neue Jahr bereits mit 1,7 Millionen Arbeitslosen hineingegangen. Im Augenblick liegt die Zahl bei etwa 1,9 Millionen. Es gibt ernstzunehmende Stimmen, daß nach einem gewissen Abbau der Arbeitslosigkeit in den Sommermonaten der Höhepunkt der Arbeitslosigkeit erst Anfang nächsten Jahres erreicht werden könnte. Einig sind sich alle Experten, daß trotz eines gewissen Wirtschaftswachstums in der zweiten Jahreshälfte, das es durchaus geben kann, der Arbeitsmarkt nicht wesentlich entlastet wird, weil die wirtschaftenden Unternehmen zunächst einmal die freien Kapazitäten ausnutzen werden. Es ist deshalb nicht übertrieben, wenn man wie das Ifo-Institut in München und andere Institute davon ausgeht, daß wir in diesem Jahr 150 000 Arbeitslose mehr haben werden, als von der Bundesregierung und von Nürnberg unterstellt worden ist. Diese 150 000 Arbeitslosen kosten zusätzlich 1,8 Milliarden DM. In diesem Betrag ist das nicht inbegriffen, was durch die höhere Zahl der Arbeitslosen an Steuern weniger eingeht und an Sozialprodukt weniger erzeugt wird,
({24})
sondern in diesen 1,8 Milliarden DM, verehrter Herr Kollege Franke, sind tatsächlich nur die Zahlungen an die Arbeitslosen und die Beitragsausfälle bei der Bundesanstalt enthalten. - Das sind schon einmal 1,8 Milliarden DM.
Es geht weiter: Sie haben unterstellt, daß wir in diesem Jahr nur 250 000 Kurzarbeiter haben würden. Zum Vergleich: Es waren im letzten Jahr 380 000. Herr Ehrenberg argumentiert damit, daß die Zahl der Kurzarbeiter zurückgehe, wenn die Zahl der Arbeitslosen zunehme. Als Grund führt er an, daß die Unternehmer ihre Arbeitnehmer heute eher entlassen würden, als daß sie sie durch Kurzarbeit durchhalten. Ich habe Herrn Ehrenberg diese These nie abgenommen. Wie gut ich daran tat, zeigt auch die Erfahrung der letzten Monate. So hat z. B. die Zahl der Arbeitslosen im Dezember um gut 60 000 zugenommen, dennoch ist die Zahl der Kurzarbeiter um rund 200 000 gestiegen; im Monat vorher war es eine ähnliche Entwicklung. Die Wirtschaftslage ist heute eben so schlecht, daß auch die Kurzarbeit trotz zunehmender Arbeitslosigkeit zunimmt. Das, was bei den Spargesetzen beschlossen wurde, wird sich nicht so auswirken, wie Bundesarbeitsministerium und SPD/FDP-Koalition unterstellen. Wenn wir nur die Zahlenansätze des letzten Jahres nehmen, wenn wir also nur, wie im letzten Jahr, mit 380 000 Kurzarbeitern rechnen, dann heißt dies, daß weitere etwa 600 Millionen DM im Haushalt von Nürnberg fehlen werden. Dies ist also eine zweite Position.
Die dritte: Die Bundesregierung hat vorgegeben, daß Nürnberg davon auszugehen habe, daß von den Arbeitslosen nur 56,25 % Arbeitslosengeld beziehen würden. Ich bin nicht der Meinung, daß dies richtig ist. Denn es ist eine Erfahrungstatsache der letzten Jahre, daß die sogenannte Empfängerquote zunimmt, je mehr die Arbeitslosigkeit steigt. Im letzten Jahr hat sich dies im Februar ganz deutlich gezeigt. Wir haben es auch bei der letzten Rezession Mitte der 70er Jahre erlebt, als die Empfängerquote bei fast 65 % lag.
Man muß einmal überlegen, welche Art von Arbeitnehmern zur Zeit arbeitslos wird. Das sind zur Zeit in erster Linie Bauarbeiter, die durchweg allesamt Anspruch auf Arbeitslosengeld haben. Wenn ich unterstelle, daß nur die, die jetzt in diesem Monat arbeitslos werden, zum allergrößten Teil Anspruch
auf Arbeitslosengeld haben, dann erhöht dies die Empfängerquote bereits von 56 % auf fast 60 %.
({25})
- Und das sind - danke für den Hinweis, Herr George - alles Höchstempfänger. Dies heißt in der Konsequenz, daß in Verbindung mit dieser Empfängerquote gut ein weitere Milliarde DM fehlen wird. Daran wird sich nichts ändern, das wird niemand wegargumentieren können.
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Ein weiterer Punkt: Im letzten Jahr hatte die Bundesanstalt für 30 Millionen Ausfalltage Schlechtwettergeld zu zahlen. Für dieses Jahr wurde unterstellt, daß dies nur an 15 Millionen Tagen, also an halb so viel Tagen, der Fall sein werde. Natürlich fragt man hier Herrn Minister Ehrenberg, mit welchen himmlischen Mächten er einen Vertrag abgeschlossen hat, daß es in diesem Jahr nur an halb so viel Tagen entsprechend kalt ist oder regnet.
({27})
- Lieber Herr Kolb, hier merkt man genau, wie bewußt versucht wurde, Zahlenansätze nach unten zu frisieren.
({28})
Es wird vor allem etwas weiteres verkannt: Seit die Arbeit so knapp geworden ist, versuchen viele Unternehmer - aus verständlichem Grund -, die Arbeit zu strecken. Es sind also nicht mehr nur die Arbeitnehmer, die an Schlechtwettergeld interessiert sind, sondern auch die Unternehmer sind daran interessiert, damit sie so die Arbeit strecken und die Arbeitnehmer durchhalten können. Selbst wenn ich den Zahlenansatz des letzten Jahres mit 30 Millionen Ausfalltagen nicht übernehme, sondern nur auf 25 Millionen Ausfalltage gehe, fehlen weitere 600 Millionen DM in Nürnberg, die auch anfallen werden.
Ein weiterer Punkt: Man hat hinsichtlich der Beitragseinnahmen unterstellt, daß von einer durchschnittlichen Lohnsteigerung von 5 % ausgegangen werden könne. Der Jahreswirtschaftsbericht, den wir hier demnächst diskutieren, wird eine niedrigere Zuwachsrate ausweisen.
({29})
Das heißt: Von hier aus, Herr Grobecker, sind die Einnahmen offensichtlich auch falsch eingeschätzt worden. Ich gebe zu, daß es hier nur um eine Größenordnung von etwa 100 Millionen DM Beitragseinnahmen weniger geht; ein Pappenstiel allerdings ist auch das nicht.
({30})
- Daß Sie als Gewerkschaftsfunktionär hier nicht
zusammen können, Herr Grobecker, daß Sie die Gelegenheit sogar nutzen, hier ein Stück Tarifpolitik zu machen, das sehe ich Ihnen nach. Nur, den Hintergrund Ihrer Argumentation, den muß man kennen. Herr Grobecker, Sie und Ihr Kollege Lutz haben nach meiner letzten Rede seitenlang Ausführungen gegen mich verbreitet, auch über den Parteiapparat der SPD.
({31})
Ich möchte heute nicht darauf eingehen. Darüber werden wir bei anderer Gelegenheit reden, nämlich Ende des Jahres, wenn die Ist-Zahlen vorliegen. Schließen Sie aber bitte daraus, daß ich nicht weiter darauf eingehe, nicht, daß ich dies vergessen hätte.
({32})
Der, mit dem ich hier die politische Auseinandersetzung zu führen habe, ist Herr Ehrenberg. Wenn Sie mal Arbeitsminister sind, werden wir es miteinander zu tun haben.
({33})
All diese Beträge, die ich hier detailliert aufgezählt habe, werden sich auf gut und gerne auf 5 Milliarden DM summieren.
({34})
- Herr Löffler, ich kann keine Zwischenfragen zulassen, ich habe nur noch zehn Minuten Zeit.
({35})
Ich bin gerne wie das letzte Mal zu einer zweiten Runde bereit. Da kann ich dann auf all Ihre Argumente eingehen.
({36})
Herr Kollege Löffler, wir wollen uns an die Ordnung des Hauses halten.
({0})
Herr Löffler, darf ich aus Ihrem Zwischenruf schließen, daß dann auch der ganze Bundeshaushalt eine Vermutung ist,
({0})
die nach bisheriger Praxis schwer danebengehen wird? Wir haben da unsere Erfahrungen.
({1})
Dies alles wird sich also auf rund 5 Milliarden DM summieren, die Nürnberg mehr braucht und um die die Schulden des Bundes erhöht werden müssen. Wer da immer noch Zweifel hat, dem möchte ich eine Vergleichsrechnung vorführen.
({2})
Im letzten Jahr hat die Bundesanstalt am Jahresanfang mit 1 085 000 Arbeitslosen gerechnet. Es sind
dann hinterher 185 000 mehr geworden. In VerbinDr. Friedmann
dung damit mußte Nürnberg einen Nachtragshaushalt aufstellen, für den es 4,25 Milliarden DM bekam. Im letzten Monat wurden weitere 500 Millionen DM als überplanmäßige Ausgabe nachgeschoben. Dies heißt, wegen 185 000 Arbeitslosen mehr brauchte Nürnberg im letzten Jahr runde 5 Milliarden DM mehr im ganzen Zusammenhang. Dies ist genau das, worüber wir nun auch in diesem Jahr reden.
({3})
Nun sagen Sie, Herr Löffler, es sei eine Rechnung. Ich rechne hier tatsächlich und muß Ihnen immer wieder eines sagen: Zahlen haben es an sich, daß sie auf den Tisch kommen, und über diese Zahlen werden wir eben wieder reden und immer wieder reden.
Sie können sie einfach nicht wegdiskutieren.
({4})
Meine verehrten Kollegen, man kann sich nicht vorstellen, daß Herr Ehrenberg dieses Ganze nicht auch entsprechend einschätzt.
({5})
Herr Ehrenberg weiß genau, worüber wir hier reden. Er hat uns im letzten Jahr vorgeführt, wie er solche Dinge zu handhaben gedenkt. Der letzte Haushalt der Bundesanstalt war um die Zeit aufzustellen, als die Bundestagswahlen 1980 stattfanden. Er hat ihn bewußt so niedrig gehalten, daß er nicht gleich nach den Wahlen mit ungünstigen Zahlen operieren mußte.
({6})
Im Laufe der nächsten Wochen hat sich gezeigt, daß er für den Arbeitsmarkt 4,5 Milliarden DM mehr braucht. Die hat er dann im Laufe der Beratungen über den Bundeshaushalt stillschweigend nachgeschoben;
({7})
denn letztes Jahr wurde der Bundeshaushalt erst im Juni verabschiedet, und das hat er genutzt, um so, daß es die Öffentlichkeit fast nicht merkte, 4,5 Milliarden DM für Nürnberg nachzuschieben.
({8})
Genau dies probiert er diesmal wieder. Herr Ehrenberg weiß natürlich - ({9})
- Herr Löffler, ich muß hier tatsächlich die Schliche des Herrn Ehrenberg aufzeigen, und ich frage mich, und ich frage auch Sie, Herr Wehner, warum Sie einen Minister so tragen und unterstützen, der nicht
nur uns, sondern auch Sie so an der Nase herumführt.
({10})
Herr Ehrenberg weiß natürlich genau, daß Nürnberg auf Grund von Gesetzen zahlt; und weil dies so ist, müssen Zuschüsse an Nürnberg hier nicht im Rahmen eines Nachtrags des Bundeshaushalts erfaßt werden. Er setzt also wieder darauf, am Bundestag vorbei operieren zu können. Wenn dann seine Zahlen hier zur Rechenschaft anstehen, ist es inzwischen der Schnee von gestern.
Doch eines ist interessant, nämlich wie sich Nürnberg und wie sich das Arbeitsministerium zu dieser ganzen Entwicklung stellen. Nachdem wir hier die Debatte - auch im Haushaltsausschuß - hatten, mußte Nürnberg ja seinen Haushalt aufstellen. Dazu waren auch Beschlüsse der entsprechenden Gremien nötig, Beschlüsse des Vorstands und des Verwaltungsrats. In beiden Gremien sitzen Regierungsvertreter.
Nürnberg hat einen Beschluß gefaßt, der es wert ist, hier vorgelesen zu werden. Denn in diesem Beschluß geht Nürnberg voll und ganz auf Distanz zur Bundesregierung. Ich lese diesen Beschluß einmal vor.
({11})
Die vorgesehene Zahl von 900 000 Arbeitslosengeldempfängern
- was also die Bundesregierung vorgegeben hat kann der Verwaltungsrat nur als haushaltspolitische Zielgröße hinnehmen, die mit erheblichen Unsicherheitsfaktoren behaftet ist.
({12})
- Es geht schon weiter; warten Sie nur, was noch kommt.
Ähnliches gilt für die Änderungen des festgestellten Haushalts, die sich aus den Regelungen des AFKG ergeben. Der Verwaltungsrat sieht sich außerstande, die insoweit von der Bundesregierung übermittelten Vorgaben und die ihnen zugrunde liegenden Berechnungen nachzuprüfen, und rechtlich gehindert, sie durch seine eigenen arbeitsmarktpolitischen Einschätzungen zu ersetzen.
({13})
Insoweit kann der Verwaltungsrat daher weder eine Verantwortung für die arbeitsmarktpolitischen Konsequenzen noch für die Richtigkeit der Einschätzungen übernehmen.
({14})
Er fährt dann fort:
Hinsichtlich der vorgesehenen Kürzungen um
30 Millionen im Invstitionshaushalt hält der
Verwaltungsrat seine Rechtsauffassung aufrecht, daß diese Maßgabe vom Haushaltsgenehmigungsrecht der Bundesregierung nicht gedeckt ist.
Jetzt bitte ich, genau hinzuhören:
Er akzeptiert sie, wie auch die übrigen Maßnahmen, um die Verabschiedung des Haushalts
- der Bundesanstalt - nicht zu gefährden.
({15})
- Dieser Beschluß ist gefaßt worden, nachdem die Debatte hier stattgefunden hat, nachdem die Beratungen im Haushaltsausschuß waren und nachdem die Bundesregierung ihre Auflagen nach Nürnberg gegeben hat. Da steckt schon alles drin. Dies heißt, Nürnberg geht auf Distanz zur Bundesregierung.
({16})
Das noch Erstaunlichere ist: Im Vorstand der Bundesanstalt hat Frau Staatssekretärin Fuchs und im Verwaltungsrat haben zwei Vertreter des Arbeitsministeriums diesem Beschluß zugestimmt.
({17})
Hier so, dort so - was soll man davon halten?
({18})
Ich möchte hier, meine verehrten Kollegen, an eine Episode erinnern, die einen ernsten Hintergrund hat. Als wir bei den Beratungen im Haushaltsausschuß am 3. Dezember - Herr Löffler, ich sage das Datum genau - um 12.55 Uhr in die Mittagspause gingen - ich habe mir das in einem Aktenvermerk festgehalten; es war im Saal 2501 des Hochhauses -, hat Herr Ehrenberg mir zugesagt, daß er zurücktreten werde, wenn sich meine Zahlen als richtig erweisen sollten.
({19})
Herr Ehrenberg, wir sind uns einig: Ein Mann, ein Wort!
({20})
Was Sie gesagt haben, das gilt. Da sich die Zahlen als richtig erweisen, Herr Minister Ehrenberg, möchte ich Ihnen den guten Rat geben: Fangen Sie schon einmal an, den Schreibtisch aufzuräumen und Ihre Aktenmappe zu packen!
({21})
Sie, meine Damen und Herren, und Sie auf der Regierungsbank werden verstehen, daß wir unter diesen Umständen dem Einzelplan 11 unsere Zustimmung nicht geben werden.
({22}) Schönen Dank.
({23})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Grobecker.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrter Herr Friedmann, dieser konstruierte Zusammenhang zwischen Sozialleistungen und Schulden, den Sie zu Beginn Ihrer Ausführungen hergestellt haben, ist nun wirklich an den Haaren herbeigezogen. Sie müssen in diesem Zusammenhang doch auch ein bißchen über Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern nachdenken. Wir jedenfalls sind es nicht gewohnt, daß Sie sich hier so hinstellen und damit beginnen, nach draußen den Eindruck zu suggerieren, die Schulden seien in einem Zusammenhang mit dem Sozialhaushalt zu sehen. Geben Sie zu, daß das Unsinn ist; dann sind wir schon eine Ecke weiter.
({0})
Zweitens zu dem, was Sie zu Minister Ehrenberg gesagt haben. Sie haben zunäschst beklagt, daß er sich nicht an der öffentlichen Debatte über mögliche Arbeitsmarktinitiativen beteiligt, die im Augenblick stattfindet. Ich will Ihnen sagen, der Herbert Ehrenberg - ich kenne ihn lange - ist ein disziplinierter Sozi. Er ist eben nicht in die Öffentlichkeit gegangen, sondern brütet über mögliche Ideen.
({1})
- Ja, es macht doch Spaß, so am Vormittag, oder?
({2})
Sie werden also schon sehen! Wenn wir hier im Februar entsprechende Programme debattieren, werden Sie die Handschrift von Herbert Ehrenberg wiederfinden. Verlassen Sie sich darauf! Er tut Ihnen nicht den Gefallen, in diesem Augenblick öffentlich zu pusten.
({3})
Das wird er nicht machen!
Ferner bitte ich Sie darum, klarzustellen, daß das mit dem Rücktritt nicht zwischen uns beiden abgemacht ist. Ich möchte ganz gerne, daß er noch ein bißchen bleibt. Nicht daß da ein falscher Eindruck entsteht!
({4})
Nun noch ein Wort zu Ihrer Einschätzung, daß Arbeit Selbstbestätigung ist. Daß Arbeit Selbstbestätigung ist und daß „nicht arbeiten" nicht nur bedeutet, daß man dann kein Geld hat, sondern auch deswegen schlimm ist, weil man arbeiten will, weil man die Arbeit braucht, müssen Sie nun Sozialdemokraten überhaupt nicht verklaren. Das muß hier nicht erörtert werden! Erwecken Sie nicht den Eindruck, wir seien diejenigen, die es mit der Arbeit nicht so ernst nehmen! Das ist gefährlich.
Weiter muß ich Ihnen sagen, daß Ihr - so muß ich es schon nennen - Zynismus hinsichtlich des ArGrobecker
beitslosengeldes im Vergleich zu dem, was man verdient, wenn man arbeitet, ziemlich schlimm ist.
({5})
Herr Friedmann, Sie haben offensichtlich keine Ahnung von der Höhe der Löhne, die gezahlt werden.
({6})
Das ist eine schlimme Geschichte, und ich will Ihnen, was dieses Thema angeht, gern einmal helfen.
Nun zu dem, was Sie über die Risiken ausgeführt haben. Sie haben ausdrücklich gesagt, daß Sie dabei keine Schadenfreude empfinden, und Schadenfreude unterstelle ich Ihnen auch nicht. Dennoch erwecken Sie den Eindruck, daß es Ihnen Spaß macht, in dieser Wunde zu bohren. Nun, das ist oppositioneller Brauch, aber vermeiden Sie bitte den Eindruck, daß Sie sozusagen erwarten, daß auf jeden Fall mehr Arbeitslose auf der Straße sein werden.
({7}) Sie verbreiten damit die Mentalität,
({8})
es sei unabänderlich, daß es mehr Arbeitslose geben wird. Das ist falsch. Es wäre wirklich schade, wenn es dabei bliebe.
({9})
Vielleicht geht es Ihnen auch nur darum, recht zu behalten. Das ist dann schon eine mildere Form, für die hier jeder Verständnis hat, denn Sie sind Oppositioneller. Natürlich, wenn Sie hier vor zehn Wochen gesagt haben, so und so werde es nach Ihrer Einschätzung kommen, möchten Sie gern, daß sich das auch bestätigt und daß Sie recht behalten. Aber wir müssen uns nicht unbedingt nach dem richten, was Sie für notwendig halten; wir haben unsere eigenen Beschlüsse.
Es darf in diesem Punkt nach meiner Auffassung keine Rechthaberei geben. Es geht nicht um Rechthaberei, sondern es muß um die Anstrengungen gehen, die noch geleistet werden müssen, damit Ihre Befürchtungen zerstreut werden. Wenn wir uns darüber einig wären, wären wir eine Ecke weiter.
({10})
Was nützt es uns eigentlich im Parlament, und was nützt es vor allen Dingen den Arbeitslosen, wenn Sie Ihren oppositionellen Ehrgeiz darin sehen, nachzuweisen, daß es mehr Arbeitslose geben wird? Sie verbreiten damit nicht Optimismus. Es geht in diesen Tagen - das werden auch Sie schon bemerkt haben; jedenfalls haben wir gestern schon den ganzen Tag darüber geredet - darum, daß ein Weg oder möglichst auch mehrere Wege gefunden werden, die Arbeitslosenzahl zu drücken. Darum geht es in diesen Tagen.
({11})
In diesem Zusammenhang gibt es eben auch Arbeit, die zunächst in der Regierung zu leisten ist.
({12})
Den Terminplan kennen Sie. Wir werden im nächsten Monat - Sie selbst haben darauf Bezug genommen - den Jahreswirtschaftsbericht lesen.
Wir finden uns jedenfalls nicht mit der Arbeitslosigkeit ab. Wir finden uns auch nicht damit ab, Arbeitslosigkeit zu finanzieren, wir wollen Arbeit finanzieren,
({13})
und zwar, wenn es eben geht, sinnvolle Arbeit, nicht nur den Schwarzwald weiß anmalen, wie das bei einem großen Mann mal geheißen hat.
Für den Einzelplan 11 gilt im übrigen, was der Bundesminister für Wirtschaft gestern hier für seinen Etat festgestellt hat, Herr Friedmann. Man verringert das Haushaltsrisiko nicht, indem man die Risikotitel großzügig ausstaffiert, um darauf dann auszuruhen. Das ist nicht der richtige Weg. Ein knapper Haushalt ist ein Weg, dazu zu kommen, auch darüber nachzudenken, wie man mit dem Geld auskommen kann. Nun steht fest, daß für 1982 schon jetzt mit einem weiteren erheblichen Anstieg der Arbeitslosigkeit gegenüber dem Jahre 1981 gerechnet werden muß; darüber gibt es keinen Zweifel. Dem trägt der Bundeshaushalt auch schon jetzt Rechnung; denn in den Haushaltsansätzen ist die Zahl von 3,5 Milliarden DM untergebracht worden. Dies entspricht, aufgeschlüsselt auf die zu vermutende Arbeitslosigkeit von 1,6 Millionen Arbeitslosen, exakt dem, was die wissenschaftlichen Institute im Herbst in ihrem Gemeinschaftsgutachten vorgelegt haben. Nun, warten wir in Ruhe ab. Ich glaube nicht, daß es notwendig ist, hier heute darüber zu debattieren, ob denn dabei wohl mehr oder weniger herauskommen wird. Nur, wenn es notwendig wird, dann werden wir selbstverständlich handeln. Die Wirtschaftspropheten haben sich nach meiner Erfahrung - Sie haben sie j a auch gemacht - in den letzten Jahren häufig geirrt, leider eben auch nach unten, was die wirtschaftliche Entwicklung angeht. Wir werden Korrekturen vornehmen, wenn klar ist, daß wir sie vornehmen müssen. Wir werden das nicht aus dem Stegreif machen. Ich unterstelle Ihnen nicht, daß sie Stegreifreden hier halten, obwohl Sie ja diesen Eindruck erwecken, weil Sie kein Stück Papier dabei haben.
Die Begrenzung des Bundeszuschusses, Herr Friedmann, meine Damen und Herren, wurde überhaupt erst möglich - und da wäre auch von Ihnen eine Würdigung angebracht - durch die rechtzeitige Verabschiedung des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes im Dezember des vorigen Jahres. Ohne diese Konsolidierungsmaßnahmen wäre das Defizit der Bundesanstalt im Haushaltsjahr 1982 schon jetzt auf 13 Milliarden DM angestiegen. Ich gebe zu, daß es bei diesen Konsolidierungsmaßnahmen Knackpunkte gibt, die auch mir nicht geschmeckt haben. Aber den wesentlichen Teil, insbesondere bei den Umschulungsmaßnahmen, haben wir halten können. Das bedeutet eben auch, daß
durch solche Maßnahmen Arbeitslosigkeit gemindert wird, und das bedeutet wiederum direkte Haushaltsentlastung.
Bei Ihrer Rechnung - z. B. bei der Quote, die Sie angeführt haben, wie viele Kolleginnen und Kollegen Arbeitslosenunterstützung bekommen - haben Sie etwas vergessen. Da geht die Bundesanstalt von 56,25% aus. Sie sagen, das wird weitaus mehr. Bei dieser Argumentation haben Sie eben vergessen - ich will ja nicht sagen: wissentlich vergessen, aber Sie haben es vergessen -, daß im Konsolidierungsgesetz ausdrücklich Maßnahmen drinstehen, die dazu führen, daß z. B. Anwartschaften verlängert werden und damit, insgesamt gesehen - ich will das nicht noch einmal referieren, weil wir ja im letzten Herbst ausführlich darüber geredet haben -, diese Quote vermutlich gehalten werden kann.
({14})
Stören Sie sich nicht an dem Wort „vermutlich". Daß solche Beschlüsse von Selbstverwaltungsorganen zustande kommen, wie Sie sie hier geschildert haben, ist doch nicht von der Hand zu weisen. Das ist völlig klar; sonst wären es j a keine Selbstverwaltungsorgane. Natürlich kann es einen Dissens zwischen dem Bundesarbeitsministerium und den Selbstverwaltungsorganen in der Bundesanstalt geben. Aber das ist doch kein Beweis dafür, daß Rechnungen nicht stimmen.
({15})
- Hören Sie mal, das ist doch prima, daß Regierungsvertreter dort sitzen. Wenn wir gesetzlich verpflichtet sind, Geld nach dort zu überweisen - wie in den letzten Jahren -, dann müssen dort auch Regierungsvertreter mitreden können.
Herr Friedmann, ich konzediere Ihnen - ungern zwar, aber ich tue es -: Es können im Durchschnitt des Jahres 1982 mehr Arbeitslose werden, als jetzt im Bundeshaushalt zugrunde gelegt werden.
({16})
- Frohlocken Sie nicht; das hat niemand bestritten. Wir haben gesagt - und daraus machen Sie zum zweitenmal in diesem Hause eine Affäre dieser Art -: Natürlich müssen sich Arbeitslosenversicherung, Kommunen, Länder und Bund in dem Zeitraum, für den der Haushalt aufgestellt und verabschiedet wird, an den vorhandenen Datenkranz halten.
Ich will nur noch einmal sagen - für den Fall, daß später Protokolle ausgetauscht oder zitiert werden -: Es gibt eine Wahrscheinlichkeit, daß es mehr werden.
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- Noch einmal für Sie und alle, die uns hier zuhören: Die Bundesanstalt für Arbeit wird auf keinen Fall illiquide. Sie wird jedem von Arbeitslosigkeit Betroffenen das Arbeitslosengeld auszahlen. Dafür
müssen wir und dafür werden wir sorgen. Ich sage das, damit es keine Mißverständnisse und Irritationen durch Ihre Ausführungen hier gibt.
({18})
Ich will für Sie und diejenigen, die uns zuhören, folgendes hinzufügen. Bevor wir in einem möglichen Nachtragshaushalt die Zuschüsse an die Arbeitslosenversicherung erhöhen, muß jede Möglichkeit, Arbeit zu beschaffen, ausgeleuchtet werden. Wir werden bis Februar abwarten, ob es dazu richtige Vorschläge gibt, die hier auch akzeptiert werden.
Meine Damen und Herren, nicht weil ich ablenken, sondern weil ich hinlenken will auf Maßnahmen, die in diesem Einzelplan 11 des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung trotz der engen Finanzlage notwendigerweise vorgesehen werden müssen und die für uns von politischer Bedeutung sind, will ich gern noch kurz auf drei Bereiche eingehen.
Erstens zu den Maßnahmen zur Berufsvorbereitung und zur sozialen Eingliederung insbesondere auch ausländischer Jugendlicher und Rückwanderer: Trotz Finanzenge sind 220 Millionen DM insgesamt vorgesehen. Davon kommen vom Bund 37 Millionen DM, von den Ländern 7 Millionen DM, aus dem Europäischen Sozialfonds - das ist einer der seltenen Fälle, daß etwas zurückfließt - 11 Millionen DM und von der Bundesanstalt für Arbeit 165 Millionen DM.
Sie erkennen daran, daß diese eigentliche Länderaufgabe nur geringfügig von den Ländern finanziert wird. Dies ist ein Merkposten für den Minister bei seinen Verhandlungen. Die Zahl der Teilnehmer an diesen Kursen ist in den letzten Jahren erfreulicherweise sehr stark gestiegen. Es waren 1980 nur 4 800 Teilnehmer; schon 1981 waren es 9 000. Es werden 1982 bei weitem mehr sein. Bei den Intensivkursen zur Erlernung der deutschen Sprache und den Eingliederungslehrgängen geht es darum, sowohl ausländische Jugendliche als auch Einwanderer - im Sinne von Rückwanderern - auf den Beruf und die Arbeit vorzubereiten.
Zweitens zur Förderung von Modellmaßnahmen zur besseren Versorgung von Krebspatienten. Es ist vorgesehen, die im Haushaltsjahr 1981 angelaufene Förderung von Modelleinrichtungen zur Versorgung von Krebspatienten im Jahr 1982 mit einem Betrag von 15 Millionen DM fortzuführen und zu erweitern. Ziel der Förderungsmaßnahmen ist es, den Standard der medizinischen Versorgung von Krebspatienten so weit anzuheben, daß das heute vorhandene Wissen in der Krebsdiagnostik, in der -therapie und in der -nachsorge möglichst allen Krebskranken ohne Einschränkung zugute kommt. Das ist eine wichtige Sache, die zwar nur wenig Geld kostet, aber erwähnenswert ist, weil auch das eigentlich eine Aufgabe der Länder ist. Deshalb auch Modellvorhaben, von dem wir, übrigens einvernehmlich, meinen, daß es nicht über 1985 hinaus gefördert werden sollte. Es hat vielmehr einen Anstoßcharakter.
Drittens. Trotz - oder vielleicht besser: gerade wegen - der etwas unerfreulichen Nachrichten, die
uns der Bundesrechnungshof aus Dortmund übermittelt hat
({19})
- das habe ich nicht bezweifelt; müssen Sie sich das jedesmal bestätigen lassen?
({20})
- ja, ja; ich weiß aber, woran ich bei Ihnen bin; das haben wir gestern gesehen -, lege ich Wert darauf, noch einmal festzustellen: Die Gründung des Bundeszentrums zur Humanisierung des Arbeitslebens in Dortmund bei der Bundesanstalt
({21})
im Sommer 1980 hat sich als richtig erwiesen. Sie war bekanntlich sehr umstritten.
({22})
Die Forschungsanwendung ist durch dieses wirksame Instrument verbessert worden. Bei dem Streit um die Forschung im Zusammenhang mit der Humanisierung des Arbeitslebens, den ich gelegentlich auch mit dem Kollegen Zumpfort gehabt habe, ging es darum, ob das, was erforschbar bzw. erforscht ist, auch anwendbar ist. Das Instrument in Dortmund ist dafür ausdrücklich geschaffen worden.
Das neue Jahresprogramm des Bundeszentrums zeigt deutlich, daß für diese Einrichtung ein großer Bedarf besteht, und zwar vor allem, Herr Cronenberg - Sie reden j a nach mir - für kleine und mittlere Unternehmen und die dort Beschäftigten. Eine wichtige Einrichtung, die auch von den Freien Demokraten gewürdigt werden sollte!
Bei dieser Einrichtung wie auch bei anderen, insbesondere auch im Zusammenhang mit Gesetzen wie dem Chemikaliengesetz - mir fällt dabei z. B. auch der Zoll ein - gibt es Probleme mit der Personalausstattung. Wir können keine Gesetze beschließen, für deren Durchführung wir nicht auch das Personal zur Verfügung stellen. Beim Chemikaliengesetz stehen wir vor einer schwierigen Entwicklung; denn wir haben gesetzlich geregelt, daß neue Chemikalien angemeldet und geprüft werden müssen. Dafür müssen wir aber auch das Personal zur Verfügung stellen. Ich sage das vor allen Dingen an die Andresse meiner Kollegen aus dem Haushaltsausschuß; denn in den letzten zwei Jahren haben wir beim Personal natürlich sehr strikte Maßstäbe angelegt, Herr Esters. In bestimmten Bereichen, in denen wir politisch etwas erreichen wollten, müssen wir auch das Personal zur Verfügung stellen.
Abschließend, meine Damen und Herren: Bei der Beratung des letzten Haushalts hat es in der zweiten und dritten Lesung einen eher persönlich gehaltenen Dialog zwischen mir und Herrn Hoppe gegeben. Ich wollte damals, vor Beginn der Operation 1982, meinem Bedürfnis entsprechen und zum Ausdruck bringen, was ich für notwendig halte. Ich hatte - das gebe ich zu - vor der Entwicklung etwas Angst, insbesondere auf Grund der historischen Erfahrungen, die wir in unserem Land gemacht haben. Weil dieser Dialog damals in öffentlicher Sitzung stattfand, will ich heute an die Adresse von Herrn Hoppe sagen - er wird das hören bzw. es wird ihm übermittelt -: Herr Hoppe, im letzten Herbst hat es zwar geknirscht, es hat aber geklappt. Mir ging es damals darum, daß der soziale Frieden bei den Streichungsaktionen, die notwendigerweise erfolgen mußten, erhalten bleibt. Der soziale Friede ist erhalten geblieben. Ich denke, daß wir es noch eine ganze Strecke zusammen aushalten werden. - Herzlichen Dank.
({23})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Cronenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Grobecker, selbstverständlich werde ich die Grüße und Wünsche, die Sie von hier aus an Kollege Hoppe gerichtet haben, als Postillon d'amour übermitteln.
Kollege Friedmann hat eine Beschreibung des IstZustands aus seiner Sicht gegeben, verbunden mit Spekulationen. Diese Spekulationen gipfelten in der Feststellung, daß, wenn es mehr Arbeitslose gibt, als in die Rechnung eingestellt sind, die Ausgaben des Bundeshaushalts und die Schulden ebenso steigen. Diese Feststellung ist natürlich nicht zu bestreiten.
Kollege Friedmann hat sich hier hingestellt wie ein Funktionär, der darüber jammert, daß in einer Planwirtschaft die vorgegebenen Zahlen nicht stimmen. Er hat dies zu belegen versucht, indem er drei, wenn ich es richtig verstanden habe, Kriterien für seine Beweisführung genannt hat.
Da gibt es erstens das Wetter. Gegen dieses, Herr Kollege Friedmann, kann man sich sinnvollerweise weder bei Lloyd noch bei der Bundesanstalt für Arbeit versichern. Dann hat er gesagt, die Bundesanstalt habe nicht die richtige Empfängerquote eingestellt. Sie ist höher eingestellt als in der Vergangenheit. Sie haben die Entwicklung tendenziell richtig beschrieben; das ist nicht zu bestreiten. Dann haben Sie wie in den vergangenen Debatten wiederum darauf spekuliert, daß u. a. im Dezember dieses Jahres die Arbeitslosenquote höher sein werde, als sie eingestellt worden sei.
Was ist geschehen? Sachverständige haben ihre Meinung geäußert. Wir haben im Haushaltsausschuß gegen Ihre Stimmen eine Berechnung angestellt. Sie ist nicht zu optimistisch; das wäre in der Tat eine Gefahr gewesen. Die Berechnung ist aber auch nicht zu pessimistisch; dies wäre ebenso gefährlich gewesen. Geld, das die Wirtschaft dringend braucht, wäre ihr entzogen worden. Der Haushalt hat ja nun Bedarfsfelder genug, wo Geld eingesetzt worden ist.
Die Dinge sind, Herr Kollege Friedmann, realistisch eingestellt worden. Ich gehe davon aus, daß - bei allen Risiken, die nicht geleugnet werden ({0})
Ihre Spekulationen nicht stimmen. Ich wiederhole:
Wer kann denn eigentlich sagen, ob wir im Durch4738
schnitt dieses Jahres 50 000 Beschäftigte mehr oder weniger haben werden, unter Berücksichtigung des Monats Dezember, wo insgesamt mehr als 22 Millionen Menschen in diesem Lande - nebenbei: eine so hohe Zahl haben wir nur selten gehabt - beschäftigt gewesen sind.
({1})
Wir haben nach wie vor mit den höchsten Beschäftigtenstand.
({2})
Wir haben zwar keine ausreichende Beschäftigung, aber fast den höchsten Beschäftigungsstand, den wir je gehabt haben. Das muß man hier auch einmal erwähnen.
({3})
- Herr Kollege Kolb, auch Sie sind verpflichtet, sich Zahlen anzusehen, ehe Sie so dümmliche Bemerkungen hier von sich geben.
({4})
Diese ganze Diskussion wird in meinen Augen ohnehin ein wenig dümmlich geführt. Diejenigen, die für Beschäftigungsprogramme sind, sind gegen Arbeitslosigkeit, und die, die gegen Beschäftigungsprogramme sind, sind angeblich für Arbeitslosigkeit; so kann diese Diskussion nicht geführt werden.
Deswegen lassen Sie mich hier einige Feststellungen treffen, wie wir die Dinge sehen. Zunächst einmal hat die Koalition in Erwartung dieser Entwicklung - nicht unter Berücksichtigung eines so harten Winters - die Operation '82 so veranstaltet, wie sie veranstaltet worden ist: mit erheblichen beschäftigungspolitischen Initiativen, mit den richtigen Maßnahmen. Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, die Sie ja aus meiner Sicht dankenswerterweise im Vermittlungsausschuß mitgewirkt haben, die Sie Ihren Beitrag geleistet haben, sollten nun im Interesse dieses Landes die Erfolge, die hier drin sind, nicht kaputtreden.
({5})
Sie sollten dafür sorgen, daß nicht durch eine falsche Diskussion ein Klima geschaffen wird, das in der Tat schädlich ist.
Kollege Kiep hat gestern von dieser Stelle unter Berufung auf den Kanzler richtigerweise darauf aufmerksam gemacht, daß ein erheblicher Teil in unserer Wirtschaftspolitik Psychologie ist. 50 % - das war Ihre Quote und die des Kanzlers. Wenn das richtig ist - und in der Tat bin ich mit Ihnen, Herr Kollege Kiep, der Meinung, das ist richtig -, dann haben Sie die Verpflichtung, bei aller berechtigten Kritik im Detail an der Politik dieser Regierung, diese Kritik nicht so zu überziehen, daß das Klima, besonders das Investitionsklima, in diesem Land durch diese überzogene Kritik leidet. Aus dieser Verantwortung sollen Sie sich nicht herausstehlen.
({6})
Deswegen bitte ich in aller Redlichkeit, aber auch mit aller Eindringlichkeit: Denken Sie daran, daß alles, was jetzt diskutiert und überlegt wird, mit Sicherheit keine Auswirkung auf die jetzige Arbeitslosigkeit des Winters 1981/82 haben kann. Alles, was zur Diskussion gestellt wird, egal, ob schlecht oder richtig, und alles, was an Maßnahmen überlegt wird, kann bestenfalls in der - wenn Sie so wollen - Saison des Winters 1982/83 Auswirkungen haben. Und jeder, der vergißt, auf diese Tatsache hinzuweisen, und Illusionen zu wecken versucht, schadet diesem Land.
({7})
Ich bitte Sie sehr eindringlich, darauf Rücksicht zu nehmen.
({8})
Herr Abgeordneter Cronenberg, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kolb?
Meinem Präsidenten im Bund der Selbständigen wird selbstverständlich diese Gelegenheit gewährt, Herr Präsident.
Der Herr Abgeordnete Kolb hat das Wort zu einer Zwischenfrage.
Herr Kollege Cronenberg, eine Frage an Sie: Im vorigen Jahr haben sich die Zahlen der Bundesanstalt, wie sie vorgegeben waren, überhaupt nicht halten lassen. Sie sprechen jetzt davon, wir sollen Psychologie machen. Warum gehen Sie nicht darauf ein, wieso die Ansätze des Jahres 1981 so falsch waren? Ich frage Sie: Wer hat hier die falsche Psychologie gemacht: die Regierung oder wir?
Die Regierung hat unter realistischer Betrachtung der ihr vorgegebenen Daten und Kenntnisse so gehandelt, wie sie verantwortlich handeln mußte.
({0})
Sie ist insgesamt erfolgreicher gewesen. Das lassen wir uns nicht kaputtreden, auch nicht von Ihnen. Ich hoffe, daß Sie, gerade im Interesse Ihrer Mitglieder, diese Miesmacherei nun einstellen.
({1})
Was haben wir getan? Wir haben im Haushalt dafür gesorgt, daß im Haushalt äußerste Sparsamkeit herrscht. Wir haben die konsumtiven Ausgaben gekürzt. Wir haben die Überprüfung von Mißbrauch und Wildwuchs auch im Sozialbereich vorgenommen. Wir haben die Nettokreditaufnahme beschränkt. Wir haben erklärt, daß wir keine Steuererhöhung im Jahr 1982 vornehmen. Für uns ist die Steuerlastquote eine Marke von ganz großer BedeuCronenberg
tung. Wir haben eine Begrenzung der Abgaben vorgenommen. Wir sind für eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft und haben uns überall, wo möglich, dafür eingesetzt, gerade im technologischen und technischen Bereich.
Wir stellen noch einmal fest, daß der Schlüssel für eine Verbesserung der Situation in den beiden wichtigen Faktoren Zinssenkung und Lohnpolitik liegt.
Herr Kollege Kiep hat erfreulicherweise auch von dieser Stelle aus festgestellt, daß Zinssenkungen durch eine Verbesserung der Leistungsbilanz erleichtert werden. Ich bin Ihnen dankbar, daß Sie auf diese tendenziell beachtliche Verbesserung der Leistungsbilanz gestern hingewiesen haben. Auch dies, Herr Kollege Kiep, ist nicht vom Himmel geschenkt worden, sondern ist natürlich auch der Erfolg dieser Politik, nämlich eine Bewertung dieses Haushalts 1982, weil natürlich in der Änderung der Relation zwischen Dollar und D-Mark hier sozusagen eine Bewertung einer positiven Entwicklung liegt. Auch das sollte man nicht übersehen.
({2})
Wenn wir dafür zu sorgen haben, daß diese Zinsen sinken, müssen wir diese Politik der „Operation 82" fortsetzen.
Der Schlüssel liegt unbestritten auch in der Lohnpolitik. Deswegen muß auch von dieser Stelle aus deutlich gemacht werden, daß der Staat für die Beschäftigungslage nicht etwa die Alleinverantwortung, sondern ein Stück Mitverantwortung hat. Hier wird manchmal der Eindruck erweckt, als sei für die Beschäftigung im Land allein der Staat verantwortlich. Die Hauptverantwortung in diesem Bereich liegt bei den Tarifpartnern. An sie möchte ich, ohne Einmischung in die Tarifautonomie, von dieser Stelle aus, noch einmal mit aller Eindringlichkeit appellieren, daran zu denken, daß sie einen entscheidenden Schlüssel für die künftige Entwicklung unserer Beschäftigtensituation haben. Ein Prozent mehr oder weniger Lohn- und Gehaltserhöhung bedeutet acht Milliarden DM mehr oder weniger. Allein für den öffentlichen Dienst - Herr Kluncker sollte sich das einmal ganz genau vor Augen führen - bedeutet ein Prozent mehr oder weniger zwei Milliarden DM mehr oder weniger Ausgaben. Vor diesem Hintergrund müssen die Entwicklungen auf dem Tarifsektor bewertet werden.
Wenn also diese Voraussetzungen erfüllt werden, dann können wir uns, wie es die Sachverständigen gesagt haben, darüber unterhalten, ob man im Detail das eine oder andere Beschäftigungsprogramm diskutieren sollte. Ich bin für meine Person außerordentlich vorsichtig und möchte die Bewertung, ob dies zu bejahen ist, erstens vom Verwendungszweck und zweitens von der Finanzierbarkeit abhängig machen.
Nun hat der verehrte Kollege Roth zu den Freien Demokraten gesagt, wir benähmen uns wie der Suppenkaspar im Struwwelpeter.
({3})
Wir hätten also angeblich wie der Suppenkaspar gesagt: Meine Beschäftigungssuppe esse ich nicht.
({4})
Ich möchte, um im Bild des Kollegen Roth zu bleiben, eine andere Geschichte aus dem „Struwwelpeter", nämlich den Zappelphilipp, erwähnen. Da heißt es:
Doch der Philipp hörte nicht, was der Vater zu ihm spricht. Er gaukelt und schaukelt,
er trappelt und zappelt.
({5})
Genau dies, lieber Herr Kollege Roth, können wir in dieser Situation nicht ertragen.
({6})
Denn wir möchten nicht, daß der Bundeskanzler zum Schluß vor dem Tisch sitzt und sagt:
Und der Vater blicket stumm auf dem ganzen
- leeren - Tisch herum.
({7})
Vor diesem Hintergrund bitte ich auch unsere Vorsicht in der Frage der Beschäftigungspolitik zu bewerten.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Westphal?
Bitte, Herr Westphal.
Herr Kollege Cronenberg, ist Ihnen aufgefallen, daß unser gemeinsamer Kollege Roth, den Sie hier so nett angenommen haben, in den letzten zehn Tagen kein einziges Interview gegeben hat,
({0})
während Ihre Kollegen von der FDP eine ganze Menge Interviews gegeben haben?
({1})
Hochverehrter Herr Kollege Westphal, ich kenne dieses Zitat aus der „Welt am Sonntag". Es war nicht ein Zitat dort, sondern er wurde dort unter der Rubrik „Zitate" zitiert.
({0})
Ich gehe davon aus, daß es korrekt ist. Ich meine, daß
dieser zarte Hinweis auf die Festlegung unserer Po4740
sition in dieser netten Art auch dem Kollegen Roth gefallen wird, und insofern habe ich keine Sorgen, daß hier Scherben fabriziert worden sind, die dann Schaden anrichten.
({1})
Es geht uns darum, daß hier keine Suppe fabriziert wird, die wir alle zusammen auslöffeln müssen. Es sollte also keine Suppe geben, die mehr Schaden als Nutzen anrichtet. Das ist meine Position.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Leisler Kiep?
Ja.
Um in dem Duktus Ihrer außerordentlich amüsanten Ausführungen zu bleiben, erlaube ich mir die Frage, Herr Kollege Cronenberg: Würden Sie in diesem Kontext die Handlungsweise und die Diskussionen des FDP-Parteipräsidiums unter die Kategorie der Suppenkaspar oder der Zappelphilippe einordnen?
({0})
Auch ich möchte im Bild bleiben, Herr Kollege Kiep. Die Diskussion - ich habe das soeben sehr bewußt gesagt -, die um diesen Fragenkomplex geführt worden ist, ist bedauerlich und schade. Ich halte sie nicht für gut. Ich leugne auch nicht, daß ich über die Erklärungen des Präsidiums in dieser Form etwas unglücklich war. So möchte ich sagen, was dem einen sein Präsidium, ist dem anderen sein Zappelphilipp.
({0})
Hier denke ich an Albrecht und Stoltenberg, die ja auf Ihrer Seite ähnliche Verwirrung zu stiften beliebten,
({1})
wie dies offensichtlich durch diese Diskussion geschehen ist.
({2})
Bei der Sache selbst ist es entscheidend und wichtig, daß Klarheit herrscht, und zwar sowohl hinsichtlich unserer als auch hoffentlich hinsichtlich Ihrer Position.
({3})
Im übrigen möchte ich noch einmal sehr ernst darauf hinweisen, daß der Verwendungszweck solcher Beschäftigungsprogramme außerordentlich gewissenhaft zu prüfen ist. Ich möchte Ihnen in diesem Zusammenhang an einem Beispiel erläutern, wie ungewöhnlich schwierig es ist, die richtige Verwendung zu finden, wie Medizin zur Droge werden kann, wenn man Richtiges tun will und trotzdem ungewollt Schaden anrichtet. Wir haben alle gemeinsam das Energiesparprogramm unterstützt, bei dem mit 4 Milliarden DM Häuser geschützt, energiesparende Maßnahmen, wie bessere Fenster und ähnliches, finanziert wurden. Diese Branche hat auf Grund dieser Subvention Überkapazitäten aufgebaut, die nun zusammenbrechen. Sie ist zur notleidendsten Branche überhaupt geworden.
({4})
So ist, wie ich meine, Medizin zur Droge geworden. Der Präsident dieser Branche erklärt heute: Subventionen stiften nur Unheil. Hilfen für Bauern produzieren Butterberge, BAföG beschert Studentenberge, und uns Fensterbauern brachte das Geld aus Bonn einen Berg von Überkapazitäten.
({5})
- Nun mag man diese Bewertung durchaus für übertrieben halten; für uns muß sie aber Verpflichtung und Hinweis sein, sehr gewissenhaft darauf zu achten, ob wir mit gutgemeinten Maßnahmen möglicherweise ungewollt Schaden anrichten. Hier bitte ich nicht nur um Ihr Verständnis, sondern auch um Ihre Unterstützung.
Nun sehe ich, daß ich, obwohl ich gern noch einiges gesagt hätte, aufgefordert werde, hier Schluß zu machen. Ich kann also nur mit dem Appell an alle, auch und insbesondere an die Opposition, schließen, das, was mit der Vorlage dieses Haushaltes - tendenziell auch in Ihrem Sinne - richtigerweise geschehen ist, richtig zu würdigen und nicht, wie ich schon einmal gesagt habe, in Miesmacherei zu verfallen. Bei allem Verständnis dafür, daß Sie dieser Regierung etwas am Zeuge flicken wollen, und auch bei mancher Kritik von mir im Detail an der einen oder anderen Verhaltensweise: Ich appelliere an Sie, die Grundstruktur dieses Haushalts zu bejahen und anzuerkennen, daß wir uns auf dem richtigen Wege befinden, daß hier einiges - und zwar nicht wenig - geschehen ist. Unter dem Motto „Dem Mutlosen gilt alles nichts, dem Mutigen gilt wenig viel" möchte ich Sie bitten, in diesem Sinne für dieses Land etwas zu tun und nicht nur die parteipolitische Brille - im Sinne von „der Regierung schaden" - aufzusetzen. Wenn ich ein wenig Erfolg mit diesem meinem Appell hätte, hätte es sich gelohnt, hier einige Minuten zu sprechen. - Ich danke Ihnen.
({6})
Das Wort hat der Herr Abgeordneter Franke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Herr Abgeordneter Franke, seien Sie so freundlich, mir den „Struwwelpeter" heraufzugeben.
({0})
Herr Präsident, ich war etwas irritiert, hier eine solche Vorlage vorzufinden, und habe mir während der kurzen Zeit überlegt, wo ich meinen Vorredner einreihen sollte, als Zappelphilipp oder Suppenkaspar. Ich habe mich dafür entschieden, ihn zum Hans-guck-in-die-Luft zu erklären.
({0})
Herr Cronenberg, ich bitte einverstanden zu sein, der Bitte des Präsidenten nachzukommen und ihm dieses Buch zu überreichen. Er wird es Ihnen nachher zurückgeben.
({1})
Herr Abgeordneter Franke, ich wollte Sie nur nicht verleiten, daß Sie aus dem „Struwwelpeter" auch noch die nachfolgenden Reime vortragen.
({0})
Herr Präsident, wenn wir in dieser moderaten Form einem letztlich sehr ernsten Problem gerecht werden könnten, hätte ich gegen diese Art der Auseinandersetzung bei den Haushaltsberatungen nichts einzuwenden. Wenn die Lage nicht so ungeheuer ernst wäre, wie sie hier in den letzten Tagen von meinen Kollegen geschildert worden ist, könnten Wilhelm Busch und hier der „Struwwelpeter" ausreichen.
({0})
Wie soll es weitergehen? - So fragt Jürgen Eick in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und bezieht sich dabei auf die Finanzschwierigkeiten im Bereich der Sozialversicherungsträger in der Bundesrepublik Deutschland. Daß wir unsere Sozialleistungen nur aus unserer Hände Arbeit finanzieren können, ist jedem klar. Man muß aber den Eindruck haben, daß die Regierenden von SPD und FDP in den letzten Jahren die primitivsten Grundsätze ökonomischer Vernunft vermissen ließen. Ökonomische Vernunft und, daraus hergeleitet, ökonomisches Handeln schaffen erst die Voraussetzungen, um unser soziales Netz tragfähig zu machen.
({1})
Wer die Grundsätze ökonomischer Vernunft verletzt - sei es aus ideologischer Verblendung oder sei es aus Untätigkeit -, der verletzt die Tragfähigkeit unseres sozialen Sicherungsnetzes.
({2})
Meine Damen und Herren, ich erinnere hier an die Forderung des damaligen Fraktionsvorsitzenden der SPD, Helmut Schmidt, aus dem Jahre 1966. Er sagte damals sinngemäß, daß diejenigen, die den Haushalt 1966, die damalige Finanzlage und die Nettokreditaufnahme von einigen hundert Millionen DM zu verantworten hätten, ins Gefängnis gehörten. Sie hätten also eine sehr fahrlässige Handlung begangen. Wenn wir den Bundeskanzler Schmidt - er ist leider heute nicht anwesend, wie auch ein großer Teil des Bundeskabinetts genauso wie gestern nicht anwesend ist; wenn er hier wäre, würde ich ihn persönlich ansprechen ({3})
an seinen eigenen Worten messen würden oder, besser, ihn nach seinen eigenen Worten bestrafen wollten für die hohe Verschuldung des Bundes in Höhe von nahezu 300 Milliarden DM, für die hohe Arbeitslosigkeit von 7,3 % im Dezember, mit leider steigender Tendenz in diesem Jahr, für die hohe Inflationsrate von nahezu 7 %, dann gäbe es keine Teufelsinsel, kein Gefängnis, welche eine angemessene Bestrafung dieser Regierenden, Helmut Schmidt an der Spitze - nach den eigenen Bestrafungsforderungen von Helmut Schmidt -, letztlich ermöglichen könnten.
({4})
Lassen Sie mich das im einzelnen ausführen. Ich möchte zu drei Feldern kurz etwas sagen: zum Problem der Arbeitslosigkeit, zur Rentenversicherung und zur Gesundheitspolitik.
Lassen Sie micht zur Arbeitslosigkeit, ergänzend zu dem, was mein Kollege und Freund Friedmann hier vorhin gesagt hat, noch einiges sagen: Leider sind in den nächsten Monaten 2 Millionen Arbeitslose zu erwarten. Das heißt - und das sage ich schon seit Jahren, allerdings mit anderen Zahlen -, das sind 2 Millionen Steuerzahler weniger, das sind 2 Millionen Beitragszahler für die Rentenversicherung weniger, das sind 2 Millionen Beitragszahler für die Krankenversicherung weniger, und das sind 2 Millionen Beitragszahler für die Bundesanstalt für Arbeit weniger. Das Ergebnis sehen wir an den Zahlen, die Friedmann hier soeben genannt hat.
({5})
Man muß sich die Arbeitslosenstatistik genau ansehen: Im Dezember hatten wir 1,7 Millionen Arbeitslose. Aber, meine Damen und Herren, zu diesen 1,7 Millionen Arbeitslosen muß man doch noch die hinzurechnen, die, wenn sie nicht in gewissen Maßnahmen wären, in der Arbeitslosenstatistik als Arbeitslosengeldempfänger auftreten würden. Das sind erstens 171 142 Teilnehmer an beruflichen Förderungsmaßnahmen. Das sind 38 309 Beschäftigte in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Das heißt, im Dezember 1981 gab es schon über 1,9 Millionen Arbeitslose, wobei ein kleinerer Teil in der Statistik eben woanders aufgeführt wurde.
({6})
Die meisten dieser nun schon fast 2 Millionen Menschen sind Menschen, deren Arbeitswilligkeit - ich sage: die meisten - völlig außer Zweifel steht. Diejenigen, die geschickt die Maschen und Lücken der Gesetze mißbrauchen, sind nicht repräsentativ für die gute Gesinnung der großen Zahl unserer Bürger.
2 Millionen heißt auch 2 Millionen Einzelschicksale. Heute werden Bürger arbeitslos, die seit 20, 25 Jahren in Arbeit standen. Auch wenn sie besonders qualifiziert sind, finden sie durch die von Ihnen wegen der mangelnden binnenwirtschaftlichen Nachfrage geschaffenen Lage am Binnenmarkt hier keinen Arbeitsplatz.
({7})
Die SPD fordert seit einiger Zeit, ein Beschäftigungsprogramm aus zusätzlichen Steuern zu finanzieren. Das sind die gleichen Leute, die vor vier Wo4742
chen hier im Plenum für die Kürzung der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gestimmt haben,
({8})
die gleichen Leute, die für 1982 300 Millionen DM für vorgesehene Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gestrichen haben, die gleichen Leute, die für 1983, 1984, 1985 je 600 Millionen DM aus der mittelfristigen Finanzplanung bei den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen herausgestrichen haben. Und heute stehen sie auf und fordern ein Beschäftigungsprogramm.
({9})
Das sind, wie mein Kollege Müller vor einigen Tagen gesagt hat, die gleichen Leute, die die öffentlichen Investitionen um ca. 10 bis 12 % zurückgenommen haben, die am Markt mit Sicherheit Nachfrage schaffen würden.
({10})
Fachleute sagen, man dürfe die Qualifizierung von ungelernten Arbeitslosen nicht behindern; man schaffe dadurch - das wissen wir - potentielle Arbeitslose. Der im Bundesministerium für Arbeit zuständige Abteilungsleiter für Fragen der Arbeitsmarktpolitik soll gesagt haben, daß das, wenn man das täte - Sie haben es schon getan - ökonomischer Unsinn sei; er hat recht. Er ist übrigens einer von denen, lieber Bernhard Friedmann, der, glaube ich, auch diese Entschließung im Vorstand oder im Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit mitunterschrieben hat. Wir wissen ja, unter welchen fast mysteriösen Umständen sein Vorgänger - der hieß Baden - von Ehrenberg „baden gegangen worden ist". Was macht der Ehrenberg jetzt mit Bodenbender, nachdem Bodenbender diesen Beschlüssen hier zugestimmt hat? Geht der auch - ein kleines Wortspiel - baden? Mit Ehrenberg zusammen nimmt er am Ende des Jahres den Hut; denn - ein Mann, ein Wort; dafür bin ich auch - der muß dann gehen.
({11})
Ich gebe Herrn Bodenbender - ich habe das nachgelesen; er hat es mir nicht persönlich gesagt; dann würde ich es hier nicht erwähnen - recht: Wer Ausgaben für die berufliche Qualifizierung kürzt, schafft zusätzlich potentielle Arbeitslose. Denn man weiß doch, daß der größte Teil der am häufigsten Arbeitslosen die mit nicht genügender Qualifikation sind; sie werden immer wieder in Arbeitslosigkeit gestoßen. Diejenigen, die in der Öffentlichkeit nach einem Beschäftigungsprogramm rufen, sind die gleichen Leute auf der linken Seite dieses Hauses - natürlich mit Unterstützung der FDP -, die die finanzielle Grundlage für weitere berufliche Qualifikationen vor vier Wochen verändert haben.
Der ersten Sonderuntersuchung über Arbeitslose der Bundesanstalt für Arbeit vom Dezember 1981 entnehme ich erschreckende Zahlen. Dort ist zu lesen, daß z. B. in der Altersgruppe der 20- bis 24jährigen im September eine Arbeitslosenquote von 8,5 % zu verzeichnen gewesen ist; wohlgemerkt: im September! Inzwischen hat sich das Problem auch für diese Gruppe - aber die Zahlen liegen noch nicht endgültig vor - verschärft. Die Altersgruppe der 25- bis 29jährigen ist mit einer Quote von 7 % vertreten. Das heißt: Die jüngsten, die leistungsfähigsten Menschen in der Bundesrepublik sind mit einer so großen Zahl ihrer jeweiligen Erwerbsjahrgänge an der Arbeitslosigkeit beteiligt.
Der Grund dafür ist eindeutig: Für unsere Bürger in der Bundesrepublik Deutschland ist nicht genügend Arbeit vorhanden. Die Arbeitsfähigkeit, die Arbeitsfreudigkeit unserer Bürger ist ungebrochen, aber die Regierenden kommen ihrer Verpflichtung nicht nach, für eine Belebung der Nachfrage am Binnenmarkt zu sorgen. Der Grund dafür ist für denjenigen, der sich damit beschäftigt - wir haben uns in den letzten Tagen mit den wirtschaftlichen Grundlagen und den wirtschaftspolitischen Zielsetzungen dieser Regierung beschäftigt -, klar: SPD und FDP können sich auf die Realisierung vernünftiger ökonomischer Prinzipien nicht einigen. Der Bürger hat wegen Ihrer Unfähigkeit mit hoher Arbeitslosigkeit und hohen Beiträgen die Zeche zu zahlen.
({12})
Die noch in Arbeit Befindlichen müssen die Fehlleistungen von SPD und FDP mit hohen Steuern und Sozialbeiträgen bezahlen.
Dazu einige Zahlen: Die Bruttolöhne und -gehälter stiegen von 1972 bis 1980 von 386 Milliarden DM auf 697 Milliarden DM, also um 81 %.
({13})
Die Summe der Nettolöhne und -gehälter stieg von 296 Milliarden DM auf 495 Milliarden DM, also nur um 67 %. - Hier beklage ich etwas, Herr Kollege Zwischenrufer, der Sie hauptamtlicher Gewerkschaftsfunktionär sind.
({14})
Ich sage das als ein Gewerkschafter. Mit dem Wort „Funktionär" wollte ich nichts Negatives sagen. Ich halte das für richtig, daß Sie einer solchen Tätigkeit nachgehen.
({15})
Nur, meine Damen und Herren, hier wird sichtbar, daß die Bruttoeinkommen durch hohe Besteuerung und Erhöhung der Sozialabgaben zu einer geringeren Verfügbarkeit an Nettoeinkommen unserer Bürger geführt haben.
({16})
- Ich wollte eben den Gedanken zu Ende führen, dann lasse ich gerne eine Zwischenfrage zu.
Die Summe der Lohnabzüge einschließlich zusätzlicher Sozialaufwendungen der Arbeitgeber, aber ohne Arbeitgeberbeiträge zu den Sozialversicherungen, stieg von 90 Milliarden DM im Jahre 1972 auf 202 Milliarden DM im Jahre 1980, also um über 125%, und selbst unter Eliminierung der Umwandlung der früheren steuerlichen Kinderfreibeträge in ein einheitliches Kindergeld ab 1975 um etwa 110 %.
Herr Präsident, ich lasse sofort die Zwischenfrage zu. Ich wollte eben den Gedankengang zu Ende bringen.
Berücksichtigen wir außerdem noch das äußerst ungünstige Jahr 1981, in welchem die Lebenshaltungskosten um etwa 2 % stärker gestiegen sind als die Nettolöhne und -gehälter, so kommen wir zu dem Ergebnis, daß bei einer Steigerung der Lebenshaltungskosten um etwa 57 % zwischen 1972 und 1980 die jahresdurchschnittliche Steigerung der Kaufkraft der Nettolöhne bei unter 1 % lag.
Auf Ihren Zwischenruf, Herr Kollege Dreßler, zurückkommend, sage ich: Das bedaure ich. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik. Hier ist die Verfügbarkeit der Nettoeinkommen durch Ihre Politik eingeschränkt worden.
({17})
Bitte schön.
Herr Abgeordneter Dreßler zu einer Zwischenfrage.
Herr Kollege Franke, nachdem Sie mich soeben einen hauptamtlichen Gewerkschaftsfunktionär genannt haben, will ich Sie nur fragen, ob Sie bereit sind, zur Kenntnis zu nehmen, daß Betriebsratsvorsitzende nach unserem Betriebsverfassungsgesetz nicht automatisch hauptamtliche Gewerkschaftsfunktionäre sind,
({0})
sondern daß das wesentliche Element der deutschen Gewerkschaftsbewegung aus ehrenamtlichen Funktionären besteht.
({1})
Lieber Herr Kollege Dreßler, Sie werden doch ein altes Betriebsratsmitglied, welches hier spricht, nicht über die Funktion eines Betriebsrates belehren wollen.
({0})
So viel Dienstjahre, wie Sie als Gewerkschaftler haben, habe ich in meinem 40jährigen Arbeitsleben längst als Betriebsrat abgerissen. Das ist kein Problem. Da bedarf es nicht Ihrer Belehrung.
({1})
Herr Kollege Dreßler, lassen Sie mich das versöhnlich sagen: Mit dem Wort „Funktionär", sei es hauptamtlich, sei es nebenamtlich, wollte ich nichts Negatives ausgedrückt haben. Ich gehöre nicht zu jenen, die dem Wort „Funktionär" insbesondere im Bereich der Gewerkschaften einen negativen Beigeschmack verleihen möchten. Ich glaube, daß ich das damit endgültig für Sie und auch für uns alle klargestellt habe.
Aus diesem Teufelskreis „mehr Arbeitslose, mehr Belastung" kommen wir nur durch eine andere Politik heraus. Ihr Weg, der Weg, den die SPD und die FDP beschritten haben, führt aus den Schwierigkeiten nicht heraus. Adam Smith schrieb vor etwa 200 Jahren in seinem Werk „Der Wohlstand der Nationen" - ich glaube, das ist der Vater der Nationalökonomie - etwas, wobei er so ein Bild von einem selbsternannten Weltökonomen im Auge gehabt haben mag. Bitte, hören Sie den Text:
Der einzelne vermag ganz offensichtlich aus seiner Kenntnis der örtlichen Verhältnisse weit besser zu beurteilen, als es irgendein Staatsmann oder Gesetzgeber für ihn tun kann, welcher Erwerbszweig im Lande für den Einsatz seines Kapitals geeignet ist und welcher einen Ertrag abwirft, der den höchsten Wertzuwachs verspricht. Ein Staatsmann, der es versuchen sollte, Privatleuten vorzuschreiben, auf welche Weise sie ihr Kapital investieren sollten, würde sich damit nicht nur höchst unnötig eine Last aufbürden, sondern sich auch gleichzeitig eine Autorität anmaßen, die man nicht einmal einem Staatsrat oder Senat, geschweige denn einer einzelnen Person getrost anvertrauen könnte, eine Autorität, die nirgendwo so gefährlich wäre wie in der Hand eines Mannes, der, dumm und dünkelhaft genug, sich auch noch für fähig hielte, sie ausüben zu können.
Adam Smith 1776.
({2})
Die Sozialisten träumen davon, durch staatliche Lenkung die höchste Beglückung des Volkes erreichen zu können.
({3})
- Herr Minister Lambsdorff, Sie fühlen sich bei Adam Smith natürlich berufen, auch Ihren eigenen Beitrag dazu zu leisten. Ich glaube, das ist Ihr gutes Recht. - Ich lasse das gerne zu, Herr Präsident!
Nicht der Herr Minister für Wirtschaft hat das Bedürfnis, eine Frage zu stellen, sondern der Abgeordnete Graf Lambsdorff.
Ich bin ja der Erfinder des Wortes Schmidt ({0}) - 8. April 1976.
Sie haben zugesagt, eine Zwischenfrage zu gewähren. - Bitte, Graf Lambsdorff, Sie haben das Wort.
Herr Kollege Franke, würden Sie die Freundlichkeit haben und die Bereitschaft zeigen, den Rat entgegenzunehmen, die sehr beherzigenswerten Ausführungen von Adam Smith - nicht nur an dieser, sondern auch an anderer Stelle - auch bei den Tätigkeiten zu beachten, denen Sie sonst Ihre Hauptaufmerksamkeit widmen?
Sie wissen aus unserem langen politischen Zusammenleben, lieber Herr Kollege Lambsdorff, daß ich fähig bin, auch über den Schatten dessen zu springen, bei dem Sie mich jetzt gerade einreihen wollten. Fragen Sie einmal meine Kollegen aus meiner näheren Umgebung. Hin und wieder haben sie diese unkonventionelle Art bei mir gefürchtet, aber meistens haben sie sie geschätzt.
Ich bin bereit, mit Ihnen auch diesen Weg zu gehen. Wir müssen uns natürlich nur bei den 875 Seiten von Adam Smith's „Wohlstand der Nationen" auf die Seiten einigen und darauf, was da gemeint sein könnte. Das kann ich jetzt nicht übersehen. Aber achten Sie bitte auf den Schluß. Ich komme gleich noch auf Adam Smith zurück.
({0})
Meine Damen und Herren, Sozialisten wollen also hier die Welt beglücken. Die vielen Beweise der Untauglichkeit dieses Systems schrecken unsere demokratischen Sozialisten nicht ab, es immer wieder falsch zu versuchen.
({1})
Das Ergebnis dieser Untauglichkeit und das Ergebnis auch der Unfähigkeit der deutschen Sozialisten erleben leidvoll zur Zeit die Bürger in der Bundesrepublik Deutschland.
Lassen Sie mich in der Kürze der Zeit noch ein anderes Thema anschneiden: die Rentenversicherung. Die Finanzlage der Rentenversicherung gerät wieder zusehends ins Gerede. Wenn die Entwicklung am Arbeitsmarkt so weitergeht, entstehen für die Rentenversicherung schon 1983 Liquiditätsprobleme und daraus mit Sicherheit ein notwendiger Handlungszwang. Ich habe irgendwo gelesen, daß der Kollege Schmidt von der FDP gesagt haben soll, man müsse dann den für 1985 vorgesehenen KVdR- Beitrag, also den Krankenversicherungsbeitrag der Rentner, vorzeitig einführen.
({2})
- Herr Präsident, ich möchte keine Zwischenfrage mehr zulassen, weil ich sonst mit meinem Programm nicht durchkomme. Herr Roth ist inzwischen auch eingetroffen. Er muß aber nicht auf mich antworten, sondern er sollte Herrn Cronenberg antworten. Er kann mich hier nicht als Medium für eine Beantwortung der Fragen vom Kollegen Cronenberg benutzen.
Ein paar Zahlen dazu, herausgegeben vom Verband der Rentenversicherungsträger. Der Verband der Rentenversicherungsträger korrigiert seine Septemberangaben von 1981 im Oktober 1981. Er sagt, daß schon 1984 die Schwankungsreserve in Monatsausgaben auf 1,2 Monatsausgaben zurückgeht - unter der Annahme vom Oktober 1981. Die Annahmen sind nach meiner Auffassung heute nicht mehr realistisch. Das gilt sowohl für die Entwicklung der Arbeitsentgelte, der Entgelterhöhung - für 1983 werden 5,80 % und für 1984 5,80 % angenommen -, als auch für die Zahl der Arbeitslosen, die also keine Beiträge an die Rentenversicherung zahlen. Sie stimmen hier für 1982 mit Sicherheit nicht. Sie sind hier mit 1,6 Millionen angegeben, für 1983 mit 1,55 Millionen und für 1984 mit 1,5 Millionen.
Das heißt, meine Damen und Herren: wenn diese Annahmen nicht stimmen - im Januar wird neu nachgerechnet -, dann gerät die Rentenversicherung schon vorzeitig, bevor wir die Rentenreform 1984 in Angriff nehmen können, in Finanzschwierigkeiten. Wir müssen hier leider wieder einmal ran, weil die finanziellen Probleme der Rentenversicherung schneller entstehen, als die Regierung angenommen hat und als wir alle annehmen wollten. Ein Handlungsbedarf entsteht bei weiterer negativer Entwicklung am Arbeitsmarkt.
Von der Finanzierung der Gleichstellung von Mann und Frau im Rentenrecht will ich hier gar nicht lange reden. Nur soviel will ich sagen: Die Bundesregierung hat in ihrer Einlassung zur Finanzierung der sogenannten 84er Lösung einen falschen Eindruck erweckt. Es wird gesagt, zu einem späteren Zeitpunkt müßten die Beiträge zur Finanzierung der 84er Lösung lediglich um 0,3 % erhöht werden. Damit sei alles finanziert. Das ist beileibe nicht so! Denn die Regierung hat vergessen, in diesem Augenblick zu sagen, daß sie nicht zur Finanzierung der Übergangsregelung einen Beitrag leisten wollte, und sie hat zur Finanzierung der sogenannten Erziehungszeiten im Rentenrecht nicht ein einziges Wort gesagt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich lenke Ihre Aufmerksamkeit, ohne daraus zitieren zu wollen, auf die Denkschrift der EKD von gestern, die dazu eine besondere Forderung aufgestellt hat.
({3})
Das heißt, mit 0,3 % ist die Gleichstellung von Mann und Frau im Rentenrecht nicht zu finanzieren. Das ist ein falscher Eindruck, der hier erweckt worden ist.
Ein paar Bemerkungen - ich mache jetzt einen Sprung - zur Gesundheitspolitik. Die Kosten im Gesundheitswesen steigen explosionsartig. 1950 gaben wir in der gesetzlichen Krankenversicherung 2,3 Milliarden DM aus, 1960 das 3,9fache von 1950, nämlich rund 9 Milliarden DM. 1970 waren es 25,2 Milliarden; das ist das 2,8fache von 1960. 1980 waren es rund 90 Milliarden; das ist das 3,5fache von 1970. 1981 wird das 3,5fache von 1970 oder das 10fache von 1960 oder das 39fache von 1950 ausgegeben. Dazu im Vergleich: Das Bruttosozialprodukt betrug 1950 97 Milliarden und liegt heute etwa bei 1,7 Billionen, bei 1 700 Milliarden DM. In diesem Zusammenhang müssen Sie die explosionsartige Entwicklung im Bereich der Krankenversicherung sehen.
Lösungen werden allenthalten diskutiert. SPD und FDP versuchen, mit dirigistischen Maßnahmen das Problem in den Griff zu bekommen. Dabei, bei der Vorbereitung, wird dann ein gigantisches „Sommertheater" inszeniert, das so abläuft:
Erster Akt: Ehrenberg fordert entsprechend dem Gesundheitsprogramm der SPD ein Bündel von dirigistischen, sozialistischen, zur Einheitsversicherung führenden Maßnahmen und läßt dann diese Überlegungen in einen Referentenentwurf fließen.
Zweiter Akt: Bei der Anhörung der Betroffenen gibt es Proteste und wütende Aufschreie.
Dritter Akt: Jetzt tritt die FDP auf.
({4})
Ein Teil der rigorosen dirigistischen und zur Einheitsversicherung führenden Maßnahmen wird zurückgeholt.
Am Schluß bleibt zwar kein Ehrenbergsches sozialistisches Konzept in Reinkultur übrig, aber ein Teil der dirigistischen Maßnahmen hat dann doch Eingang in die Gesetzgebung gefunden. Das wird dann mit dem Namen „Kostendämpfung" versehen, ist es in Wahrheit aber gar nicht.
Dann passiert folgendes. Die FDP läßt sich von einigen Betroffenen als Verhinderer der Einheitsversicherung feiern.
({5})
Am Schluß ist scheinbar jeder zufrieden, erstens Ehrenberg und die SPD damit, daß sie ein Stück ihres Gedankengutes - schrittweise auf dem Wege zum Sozialismus - untergebracht haben, zweitens die FDP damit, daß sie den Eindruck erweckt hat, Sozialismus verhindert zu haben, und drittens ein Teil der Betroffenen damit, daß es nicht noch schlimmer gekommen ist. In Wahrheit werden scheibchenweise Dirigismus und Einheitsversicherung erreicht. Kostendämpfung bleibt auf der Strecke, meine Damen und Herren!
({6})
Von der Korrektivfunktion der FDP war hier in Wahrheit nichts zu sehen.
Daß wir im Bereich der Gesundheitsversicherung und -vorsorge vor tiefen Einschnitten stehen, habe ich in der Öffentlichkeit, auch bei der Anhörung, oft genug gesagt. Ich glaube, daß wir an die Grenzen dieses Systems gekommen sind und daß wir über ein neues System nachdenken müssen, aber nicht über ein neues System auf dem Wege zur staatlichen Gesundheitsvorsorge und zur Einheitsversicherung, sondern über ein System, welches den Bürger unserer freien Gesellschaft auch in die Lage versetzt, die betreffenden Einrichtungen in Anspruch zu nehmen, ohne finanziell - bei heutigen Beiträgen von 12, 13, 14 oder gar 15 %! - an die Grenzen zu stoßen. Das geht nicht mit Sozialismus, nicht mit Einheitsversicherung. Staatliche Gesundheitssysteme sind teurer als dieses System, das wir heute haben, aber wir sollten über ein neues System nachdenken.
({7})
Ich sage das, ohne daß dies mit meinen Kollegen schon endgültig abgestimmt worden wäre. Von dem gewaltigen Apparat derjenigen, die haupberuflich damit umgehen, müssen Sie verlangen - und auch wir verlangen das -, daß solche Entwürfe auf den Tisch gelegt werden.
({8})
„Wird die Medizin unbezahlbar?", fragt Jürgen Eick in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung", und er schreibt:
Zyniker sagen voraus, daß wir demnächst 100 % des Sozialprodukts für das Gesundheitswesen verbrauchen werden. Noch nie gab es so viele Ärzte wie heute und so viele Kranke oder Halbkranke. In den 30er Jahren wurde der Arzt nur in schweren Fällen gerufen. Man half sich selbst
und nutzte dabei die bewährten Hausmittel. Heute gehen viele zum Arzt mit noch so unbedeutenden Wehwehchen, nur um sich etwas verschreiben, vielfach auch, um sich krank schreiben zu lassen. Versuche der Ärzte, die ihren Patienten raten, etwas vernünftiger zu leben, fruchten wenig. Man will die Tablette, aber keinen Rat.
So Jürgen Eick in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Ich habe hier zitiert.
({9})
Hier entsteht, meine Damen und Herren, ein Handlungszwang, und diesem Handlungszwang müssen wir uns unterwerfen.
Herr Präsident, ich bin sofort fertig.
Der Parteitag meiner Partei 1958 in Kiel hat zwei beachtliche Reden erlebt. Die eine hielt Karl Arnold; er sprach über das Thema „Eigentum für jeden". Ludwig Erhard sprach über das Thema „Wohlstand für alle". Das war die Richtung unserer Politik in den 60er Jahren. Ich möchte in Erinnerung an den Parteitag und an die Formulierungen, die dort getroffen worden sind, sagen: Jetzt muß es aber zusätzlich heißen: „Arbeit für alle". Arbeit für alle, das ist eine Verpflichtung der Regierenden. Als Opposition wollen wir selbstverständlich helfen, aber nur durch Soziale Marktwirtschaft, meine Damen und Herren, nicht mit sozialistischen Experimenten.
({10})
Ein Schlußsatz. Der Kollege Hoppe hat hier eine beachtliche Rede gehalten. Sie steht im Gegensatz zum Handeln der FDP, aber die Rede war beachtlich.
({11})
Er sagt: „Operation gelungen, Operationsteam tot." Ein Teil des Kabinetts scheint schon auf dem Krankenbett zu liegen.
({12})
- Sie sind gar nicht hier.
Adam Smith drückte in seinem Werk von vor über 200 Jahren das wörtlich so aus: „Große Nationen werden niemals durch private, doch bisweilen durch öffentliche Verschwendung und Mißwirtschaft ruiniert." Und Sie sind leider dabei, so zu handeln, wie es Adam Smith hier beschrieben hat.
({13})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Winter meint es nicht gut mit dem Arbeitsmarkt und auch nicht mit dem Arbeitsminister persönlich.
({0})
Aber ich hoffe sehr - außer bei Herrn Friedmann;
da habe ich diese Gnade nicht gefunden -, bei den
übrigen Abgeordneten dieses Hauses Nachsicht dafür zu finden, daß das Wegräumen von zwei querstehenden Fahrzeugen auf einer eisglatten Straße in Meckenheim 20 Minuten dauerte. Da dürfte ich, wie ich hoffe, Herr Friedmann, für sechs Minuten Verspätung in diesem Winter '82 Nachsicht finden. Aber das nur als eine persönliche Vorbemerkung zu meiner Verspätung.
Für die Beschlüsse der Bundesregierung zum Bundeshaushalt 1982 einschließlich des Einzelplans 11 brauchen wir Ihre Nachsicht nicht; denn dieser Haushalt ist das, was die Lage erfordert, nicht mehr und nicht weniger. Es ist wenig ersprießlich, Herr Friedmann, wenn Sie hier zu Beginn versucht haben, zu differenzieren zwischen dem Bundesminister für Arbeit und dem Bundesminister für - so heißt es - Sozialordnung. Sie haben es anders genannt; das habe ich nicht mehr im Gedächtnis. Es heißt bei uns: für Sozialordnung. Aus gutem Grund haben unsere Vorgänger, nicht wir, Arbeit und Sozialordnung zusammengefaßt. Sie dürfen versichert sein: dieser Arbeitsminister wird stets auf alle Teile seines Ressorts das gleiche Schwergewicht legen. Es hilft nichts, hier irgend etwas auseinanderdividieren zu wollen.
({1})
Im übrigen, Herr Kollege Friedmann, haben Sie hier erneut versucht, die Zahlen aus den Beratungen des Haushaltsausschusses und aus der zweiten und dritten Lesung des Arbeitsförderung-Konsolidierungsgesetzes hochzubringen. Sie haben nichts Neues hinzugefügt. Sie haben hier die alten, vom Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit und mir gemeinsam im Haushaltsausschuß widerlegten Behauptungen aufgestellt.
({2})
- Er gibt Ihnen vielleicht geheim etwas zu. Das kann ich nicht beurteilen. Ich kann mich nur an das halten, was der Präsident im Haushaltsausschuß und auch sonst öffentlich erklärt hat, nicht an das, was Sie vielleicht in geheimer Zwiesprache mit Herrn Stingl absprechen können. Das kann ich nicht nachvollziehen.
({3})
- Ich unterstelle dem Präsidenten der Bundesanstalt nicht, daß er mit zwei Zungen spricht.
({4})
Insofern glaube ich, Herr Friedmann, daß bezüglich Ihrer Zahlen, Ihrer Angaben und Ihrer Prognosen immer noch das gilt, was der Kollege Grobecker in einer Pressemitteilung nach der Sitzung des Haushaltsausschusses veröffentlich hat. Ich darf das den Kollegen hier ins Gedächtnis zurückrufen. Der Kollege Grobecker hat damals geschrieben:
Aufgefordert, Konsequenzen aus seinen Behauptungen zu ziehen, stellte der Abgeordnete
Friedmann unter dem Gelächter seiner CDUKollegen den Antrag, 5 Milliarden DM zusätzlich, mit einer Sperre versehen, in den Haushalt einzustellen. Deckungsvorschläge für diese Absurdität blieb der Abgeordnete Friedmann dem Ausschuß schuldig.
Ich glaube, mit dieser Erklärung können wir Ihre Behauptungen zu den Akten legen, Herr Kollege Friedmann.
({5})
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Friedmann?
Bitte.
Herr Bundesminister, darf ich Sie darauf hinweisen, daß dieser Antrag wegen der 5 Milliarden DM die logische Folge aus dem war, was Sie falsch für Nürnberg angesetzt haben, und daß es dem Kollegen Grobecker allmählich selbst peinlich ist, was er damals geschrieben hat?
Den Eindruck habe ich nicht, daß es dem Kollegen Grobecker peinlich ist. Er ist genau wie ich der Meinung: Er hat damals das richtige geschrieben. Sie können Ihre Behauptungen so oft wiederholen, wie Sie wollen, Herr Kollege Friedmann; sie werden deshalb nicht richtig.
({0})
Tatsache ist, daß alle ökonomischen Voraussagen in diesem Winter noch viel mehr als in anderen Jahren mit Unsicherheiten behaftet sind.
({1})
- Herr Friedmann, darüber zu lachen ist ein bißchen albern; entschuldigen Sie.
({2})
Es wird sich hier niemand einbilden, eine exakte Voraussage für dieses Jahr machen zu können.
({3})
- Herr Präsident, ich möchte Zwischenfragen im Moment nicht zulassen, jedenfalls nicht Zwischenfragen, die wie ein Perpetuum mobile immer dasselbe wiederholen, etwas behaupten und nicht beweisen.
({4})
Ich wollte Sie gern darauf hinweisen, daß sämtliche Institute - außer dem Kieler Institut -, die Bundesbank und der geballte Finanzsachverstand sämtlicher Bundesländer hinter diesen Annahmen stehen. Sie können weder von einer Selbstverwaltungseinrichtung noch von irgendeiner anderen Instanz erwarten, daß sie mit anderen Annahmen als
denen arbeitet, auf die sich Bundesbank, Bundesregierung und elf Finanzminister der Länder geeinigt haben, die ja ihren Haushalten dieselben ökonomischen Daten zugrunde legen. Es ist geradezu absurd zu erwarten, daß die Bundesanstalt für Arbeit von anderen Daten ausgeht.
Wenn Sie, Herr Kollege Friedmann, hier den Vorstand und den Verwaltungsrat der Bundesanstalt zitieren, so muß Ihnen dazu gesagt werden: Die Vorstandssitzung war am 16. Dezember, die Verwaltungsratssitzung am 22. Dezember. Dank des sehr langwierigen, mühseligen und dann zu einem guten Abschluß führenden Vermittlungsverfahrens ist das Gesetzespaket hier im diesem Hause am 18. Dezember verabschiedet worden. Sie können doch von keinem Selbstverwaltungsgremium erwarten, daß es zwischen dem 18. Dezember und dem 22. Dezember die Auswirkungen dieser Gesetze detailliert prüfen kann. Allein vom Zeitablauf her ist es ganz selbstverständlich, daß die Gremien - ({5})
- Natürlich war Frau Fuchs dabei. Aber schätzen Sie, verehrter Herr Friedmann, den Verwaltungsrat und den Vorstand der Bundesanstalt für Arbeit wirklich so ein, daß alle mit dem Kopf nicken und sagen, das machen wir so, wenn die Parlamentarische Staatssekretärin Fuchs dort einen Vortrag hält? So ist das - glücklicherweise - in den Selbstverwaltungsorganen nicht.
({6})
- Aber natürlich hat sie das, mit gutem Grund.
({7})
- Herr Friedmann, es lohnt sich nicht, Zwischenfragen von Ihnen nicht zuzulassen; denn Sie schreien dann so laut dazwischen, daß ich doch auf Sie antworten muß.
({8})
Ob das eine sehr anständige Methode ist, ist eine offene Frage. Aber Sie können ja die Methode wählen, die Sie für richtig halten.
({9})
Niemand hat sich distanziert, nicht nur Frau Fuchs nicht, sondern auch die anderen Mitglieder des Vorstands und Verwaltungsrats nicht. Vielmehr hat dieses Gremium das getan, was seine Pflicht ist, nämlich die Vorlagen im einzelnen - Sie wissen, wie viele Änderungsbestimmungen das Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz enthält -, Stück für Stück zu prüfen. Ich finde, es ist der Sache wenig dienlich, daraus jetzt Vorwürfe gegen irgend jemanden abzuleiten.
Im übrigen sollten wir angesichts des Ernstes der Beschäftigungslage in der Bundesrepublik, angesichts der Bedeutung, die das Problem Arbeitslosigkeit leider gewonnen hat - aber nicht deshalb, weil die Regierung versagt hat - ({10})
- Dann müßte es j a wohl in den konservativ regierten Staaten Europas besser aussehen als in der Bundesrepublik. Dort sind die Probleme im Zusammenhang mit den Preisen und Arbeitslosen doppelt bis dreifach so groß wie in der Bundesrepublik.
({11})
Es gibt allerdings auch einen europäischen Staat, in dem es sehr viel besser als bei uns aussieht, nämlich Österreich. Wir könnten uns an der österreichischen Politik in manchen Dingen ein Beispiel nehmen.
({12})
Ich glaube, es lohnt sich, einmal darüber nachzudenken, wie es um diesen Sozialstaat aussähe, wenn wir den vielen Vorschlägen gefolgt wären, die nicht die CDU/CSU-Fraktion gemacht hat, die aber die ja viel entscheidenderen CDU- bzw. CSU-Ministerpräsidenten unterbreitet haben. Ich will nur ganz wenige nennen. Herr Späth hat am 27. November 1981 im Bundesrat gefordert: Notfalls muß ein Rentnerkrankenversicherungsbeitrag eingeführt werden. Volumen: 3 Milliarden DM.
({13})
Er hat außerdem gemeint, daß das Arbeitslosengeld in seiner bisherigen Höhe keinen Bestand haben könne. Die vielen Forderungen nach Aufhebung der Lohnfortzahlung hinzugenommen - wenn wir dem allen gefolgt wären, stände es um den Sozialstaat in diesem Lande in der Tat schlecht. So tut es das nicht.
({14})
Wir haben die zweite Lesung des Bundeshaushalts 1982. Ich glaube, es ist wichtig - nicht für Sie; Sie wissen das; aber wichtig für die Bürgerinnen und Bürger im Lande -, darauf aufmerksam zu machen, daß trotz der so großen ökonomischen Schwierigkeiten der Einzelplan 11, der Haushalt des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung der weitaus größte Einzeletat des gesamten Bundeshaushaltes ist. Das ist seit 1975 so der Fall, und das wird auch so bleiben.
({15})
Wenn man die übrigen sozialen Komponenten hinzuzählt, die dem Sozialhaushalt im weiteren Sinne zuzurechnen sind, dann sind es insgesamt 82,1 Milliarden DM oder 34 % des Gesamthaushalts. Herr Kollege Franke, auch wenn Sie den Liquiditätszuschuß für die Bundesanstalt hier abziehen, bleibt der
Sozialetat der größte Etat des Bundeshaushalts, und wir sind stolz darauf, daß er das ist.
({16})
Herr Kollege Franke, um nicht neue Unsicherheit aufkommen zu lassen, ist es auch notwendig, hier zurechtzurücken, was Sie zur Lage der Rentenfinanzen gesagt haben. Wir haben, dem Beschluß von 1978 folgend, zum 1. Januar 1982 die Renten wieder nach der Bruttolohnformel erhöht, nämlich um 5,76 %. Wir halten dies für richtig. Obwohl dieser Steigerungsbetrag und auch die sich auf Grund dieser Formel für die Folgejahre ergebenden Steigerungsbeträge eingerechnet sind, trotz der zur Vermeidung weiterer Beitragsbelastungen der Arbeitnehmer vorgesehenen Aussetzung der Beitragserhöhung um einen halben Prozentpunkt für die Jahre 1982 und 1983, wird es in den nächsten Jahren bei den Rentenfinanzen zwar knapp werden, aber nicht zu Schwierigkeiten kommen.
({17})
Gerade weil immer so viel über Voraussagen gesagt wird, die sich hinterher als zu günstig erwiesen, lohnt es sich, hier auf folgendes hinzuweisen. Die konsolidierten Rentenfinanzen schließen per Jahresende 1981 mit einer Schwankungsreserve von 21,6 Milliarden DM ab. Das sind, Herr Kollege Franke, 3,7 Milliarden DM mehr, als im Rentenanpassungsbericht angenommen worden ist. Das sind auch noch 200 Millionen DM mehr, als die Rentenversicherungsträger im Oktober 1981 selber geschätzt haben.
Ich bitte, bei dieser positiven Entwicklung des Jahres 1981 bei den Rentenfinanzen jetzt nicht den Versuch zu unternehmen, neue Unruhe unter die Rentner zu bringen. Die Rentnerinnen und Rentner können sich darauf verlassen, daß die Rentenversicherung in Ordnung gebracht worden ist und auch in Ordnung bleibt.
Nehmen Sie bitte auch zur Kenntnis, daß die Reform 1984 hierdurch nicht tangiert wird. Hier liegen die Berechnungen des VDR vor, die Sie ja gut kennen. Die sollten nicht durch Hineininterpretieren anderer Tatbestände in Zweifel gezogen werden.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Franke?
Herr Bundesminister Ehrenberg, ist Ihnen noch in Erinnerung, daß ich von Liquiditätsschwierigkeiten für das nächste Jahr gesprochen habe? Und teilen Sie mit mir die Auffassung, daß die Liquiditätsschwierigkeiten deshalb entstehen, weil 0,7 Monatsrücklagen der Rentenversicherung als Betriebsmittel gebraucht werden, so daß die Schwankungsreserve leider als um diesen Betrag gekürzt angesehen werden muß?
Die Auffassung, daß von der Schwankungsreserve 0,7 Monatsrücklagen als Liquiditätsmittel benötigt werden, Herr Kollege Franke, stimmt nicht. Es reicht die knappe Hälfte. Darum ist mit Liquiditätsschwierigkeiten nach unserem Stand nicht zu rechnen. In der Rentenversicherung wäre mit großen Schwierigkeiten zu rechnen gewesen, wenn wir Ihrem und dem Bundesratsvorschlag gefolgt wären und bei der Bundesanstalt für Arbeit die Bemessungsgrundlage für die Zahlung der Versicherungsbeiträge vom Bruttobetrag auf das Arbeitslosengeld abgesenkt hätten; dann wäre es in der Tat zu Schwierigkeiten gekommen. Glücklicherweise sind wir in der Lage gewesen, dieses unkeusche Ansinnen auch im Vermittlungsausschuß, wo es ebenfalls gestellt worden ist, abzuwehren.
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage, Herr Bundesminister?
Ist Ihnen, Herr Bundesminister Ehrenberg, noch in Erinnerung, daß dieser Vorschlag des Bundesrats damit verbunden war, daß die 0,5prozentige Beitragsverschiebung von der Rentenversicherung auf die Arbeitslosenversicherung dann unterblieben wäre?
Das ist mir durchaus in Erinnerung. Nur, das gleicht das nicht aus; das wissen Sie ganz genau, Herr Franke. Nein, Sie haben als Begründung für die angebliche künftige Gefährdung der Rentenfinanzen die verschlechterte Arbeitsmarktsituation und die steigenden Arbeitslosenzahlen angeführt; genau deshalb gleicht dies das eben nicht aus. Wäre man Ihrem Vorschlag und dem des Bundesrats gefolgt, so wären die Rentenfinanzen neuerlich von den Bewegungen des Arbeitsmarkts abhängig gemacht worden; darum haben wir ihn abgelehnt. Und darum ist es unzulässig, Herr Kollege Franke, die Arbeitsmarktsituation als Problem der Rentenversicherung darzustellen. Mehr Arbeitslose kosten die Bundesanstalt mehr, ergeben aber nicht fehlende Beiträge bei der Rentenversicherung.
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage, Herr Bundesminister?
Aber ich muß bitten, Herr Kollege Franke, daß es die letzte ist. Ich komme mit meiner Fraktion in größte Schwierigkeiten, wenn ich hier noch länger die Redezeit überziehe. Aber Ihnen zuliebe: ja.
Ich verspreche: es ist meine letzte.
Herr Bundesminister Ehrenberg, ist Ihnen klar, daß bei einem Zuwachs von 100 000 Arbeitslosen, weil nicht alle gleich Leistungsempfänger sind -die, die jetzt neu eintreten: ja -, ein Minus von 230 Millionen DM bei der Rentenversicherung - trotz der Überweisung der Beiträge an die Rentenversicherung - entsteht?
({0})
Nein. Herr Kollege Franke, das stimmt doch so nicht. Natürlich sind nicht alle Arbeitslosen Leistungsempfänger. Aber wenn sie keine LeiBundesminister Dr. Ehrenberg
stungsempfänger sind, haben sie vorher auch keine Beiträge an die Rentenversicherung gezahlt. Also können Sie sie jedenfalls dort nicht abziehen. Sie sollten umgekehrt gerade über diese Zahl mal mit dem Kollegen Friedmann reden, damit er endlich zu einer anderen Einschätzung der Leistungsempfängerzahlen, bezogen auf die Arbeitslosenzahlen, kommt.
Aber ich bitte wirklich, Herr Kollege Franke, das in den Ausschuß zu verlagern.
({0})
Lassen Sie mich hier noch drei Bemerkungen machen.
Erstens. Wir sollten alle miteinander stolz darauf sein, daß es gelungen ist, trotz der schwierigen ökonomischen und finanziellen Verhältnisse den Kriegsopferetat von 13 Milliarden bis auf kleine Veränderungen von 50 Millionen von Kürzungen freizuhalten. Ich bin stolz darauf, daß es uns gelungen ist, mit Ihrer Unterstützung den bewährten Dynamisierungsverbund zwischen der Rentenversicherung und der Kriegsopferversorgung voll aufrechtzuerhalten.
({1})
Zweitens. Der Kollege Grobecker hat schon darauf hingewiesen, daß Aufhören im Arbeitsschutz und Zurückstellen von Humanisierungsvorstellungen gerade in diesen schwierigen Zeiten die unangemessenste Reaktion wären. Deshalb werden wir hier konsequent unsere bisherige Politik fortsetzen. Herzlichen Dank an den Haushaltsausschuß, daß er uns die Möglichkeit dazu gibt!
Drittens. Ich bin dem Kollegen Grobecker sehr dankbar für seine Ausführungen zu den Vorwürfen des Herrn Friedmann gegen mich in Fragen der Beschäftigungspolitik. Ich bin in der Tat der Meinung, daß keinem Arbeitslosen damit gedient ist, wenn jeden Tag irgend jemand etwas Neues entwickelt und zur Diskussion stellt.
({2})
Darum wird die Bundesregierung in dieser Haushaltsdiskussion keine Pläne entwickeln.
Arbeitnehmer und Arbeitslose aber können sich darauf verlassen, daß diese Bundesregierung nicht aus der Verantwortung abtritt und nicht sagen wird: Wir überlassen es den freien Kräften, irgendwelchen geheimnisvollen Auftriebskräften, die Dinge in Ordnung zu bringen. Wir werden im Zusammenhang mit dem Jahreswirtschaftsbericht das sagen, was möglich und nötig und in der gegenwärtigen weltökonomischen Situation durchführbar ist. Sie können noch so viel rufen, Herr Friedmann, Sie werden mich vorher zu keinen Detailäußerungen veranlassen.
({3}) Lassen Sie mich zum Schluß
({4})
- ich fürchte, Ihr Beifall war zu früh - der guten
Ordnung halber, aber auch, weil es mir ein ehrliches
Bedürfnis ist, den Kolleginnen und Kollegen aus dem Haushaltsausschuß und dem Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung für die ungewöhnliche Arbeitsleistung im vergangenen Jahr herzlich Dank sagen. Ich möchte den Dank an die Beamten des Arbeitsministeriums und der Bundesanstalt für Arbeit hier gern anschließen, die sehr viel mehr leisten und leisten mußten, als bei der gegenwärtigen Debatte über den öffentlichen Dienst so oft zum Ausdruck kommt.
({5})
Ich muß allerdings eines hinzufügen, und darum, Herr Kollege George, sagte ich, Sie seien mit Ihrem Beifall voreilig. Ich habe darauf gewartet, daß sich der Kollege Blüm - er sitzt auf der Bundesratsbank - zu Wort meldet. Er hat es nicht getan.
({6})
- Das meine ich gerade. Es kann wohl nicht so sein, daß im Plenum des Bundestages der Bundesrat das letzte Wort hat.
({7})
Ich muß mich also mit der Drohung hier verabschieden, notfalls noch einmal zu reden. - Herzlichen Dank,
({8})
Das Wort hat der Herr Senator für Bundesangelegenheiten des Landes Berlin, Dr. Blüm.
({0})
Senator Dr. Blüm ({1}): Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Etwas verängstigt und bedroht melde ich mich hier zu Wort.
({2})
Ich will hier nicht als Spielverderber erscheinen, aber, sehr verehrter Herr Bundesminister, Ihrem Stolz darüber, daß der Sozialetat der größte Etat ist, kann ich mich nicht anschließen. Die Größe des Sozialetats besagt nichts über die Qualität des Sozialstaates.
({3})
Denn sonst wäre die Erhöhung der Arbeitslosigkeit ein Beitrag zum Ausbau des Sozialstaates, weil damit die Ausgaben wachsen.
({4})
Mein Beitrag hier gilt der Arbeitslosigkeit, von der wir alle, Bund, Länder und Gemeinden, bedroht werden. Wir brauchen ein großes Bündnis, Bund, Länder, Gemeinden, Parteien, Tarifpartner, gegen die Arbeitslosigkeit, auch ein Bündnis der Solidarität zwischen Arbeitsbesitzern und Arbeitslosen. Die einen sollten sich nicht in. ihren Vorteilen einigeln, und die anderen dürfen die Anstrengungen nicht aufgeben, wieder Arbeit zu finden.
Senator Dr. Blüm ({5})
Arbeitslosigkeit verwandelt die Sozialpolitik in ein Faß ohne Boden. Arbeit geht vor Unterstützung. Ohne die Arbeit der einen können die anderen keine Unterstützung erhalten. Vollbeschäftigung ist deshalb das A und O jeder sozialen Politik. 1,7 Millionen Arbeitslose, das ist der Schock des Jahres. Das Jahr kann ein Rekordjahr werden. Der Pegel steigt. Das ist kein Rohrbruch, und deshalb ist das nichts für sozialpolitische Klempner, sondern wir erleiden schon einen richtigen Dammbruch.
Ich meine, geredet ist nun genug. An Vorschlägen mangelt es wahrhaftig nicht. Die beschäftigungspolitische Diskussion gleicht einer Karusselldiskussion. Die Argumente drehen sich wie die Positionen der Bundesregierung, mal ist Ehrenberg mit dem Beschäftigungsprogramm vorn und Lambsdorff gegen das Beschäftigungsprogramm hinten, und dann ist wieder Lambsdorff vorn gegen das Beschäftigungsprogramm, Ehrenberg wieder hinten, und Matthöfer schaukelt. Das ist die ganze beschäftigungspolitische Karusselldiskussion, die wir nun seit Jahren erleben.
({6})
Das ist nicht ungefährlich. Der Erfolg dieser endlosen Rederei ohne Konsequenzen liegt nämlich darin, daß eine subventionspolitische Lauerstellung erzeugt wird.
({7})
Welcher vernünftige Unternehmer wird denn investieren, solange über Beschäftigungsprogramm, Konjunkturprogramm, Investitionshilfen, und ich weiß nicht, was noch, geredet wird?
({8})
Diese dauernde Erwartungshaltung ist nichts anderes als der beschäftigungspolitische Ruhestand. Jetzt muß gehandelt werden. Ich gebe zu, es gibt keinen Herkules, der mit einem Schlag - ({9})
- Sie werden sich beruhigen können, Herr Glombig. Ich kann nicht in zehn Minuten erklären, was Sie in vier Jahren nicht geschafft haben.
({10}) Es gibt auch kein Patentrezept.
Ich will hier von vier Punkten reden: von Wachstum, Bildung, Arbeitszeit und Einkommen. Meine Damen und Herren, die Wirtschaft schrumpft. Nur der Staat, der öffentliche Dienst wächst. 1969 gab es - ohne Bahn und Post - 2,4 Millionen öffentlich Bedienstete, 1979 waren es 3,1 Millionen. Das ist eine Steigerung um rund ein Drittel. Ich fürchte, das ist Ausfluß jener verspäteten und versteckten obrigkeitsstaatlichen Gesinnung, die in der Sozialdemokratie noch immer fest verankert ist. Wann immer ein Problem auftaucht, was passiert als erstes? Es müssen ein neues Gesetz, ein neues Beratergremium, ein neues Gutachten, eine neue Kommission, zumindestens aber mehrere Planstellen her. Das ist die erste Antwort auf jedes Problem, vor das sich Sozialdemokraten gestellt sehen.
({11})
Diese Entwicklung liegt nicht an den Mitarbeitern im öffentlichen Dienst. Die Eltern der Vermehrung sitzen hier. Es sind die Gesetzgeber, nicht die öffentlich Bediensteten. Unsere Kritik richtet sich nicht an diejenigen, die im öffentlichen Dienst arbeiten, sondern an diejenigen, die ihn aufblähen. Das Geld für den öffentlichen Dienst freilich fehlt. Es fehlt für die Investitionen, für die Innovationen in der freien Wirtschaft, denn auch der Staat lebt ja von der Produktivität, von der Produktion der privaten Wirtschaft. Manchmal habe ich den Eindruck, manche verhalten sich nach dem Muster des Bauern, der seine letzte Kuh verkauft und sich für das Geld eine Melkmaschine anschafft.
({12})
- Sie können es auch noch anders haben. So ähnlich ist das, wenn Sie glauben, Sie könnten durch Ausdehnung des öffentlichen Dienstes die Produktivität der freien Wirtschaft ersetzen.
({13})
Herr Senator, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Grobecker?
Senator Dr. Blüm ({0}): Aber bitte.
Verehrter Herr Senator, es könnte der Fall sein, daß Sie noch zu kurz im Amt sind. Deshalb will ich Sie fragen: Wissen Sie nicht, daß insbesondere bei den Ländern die sogenannte Aufblähung des öffentlichen Dienstes im wesentlichen darin besteht, daß mehr Krankenschwestern und mehr Polizisten eingestellt worden sind?
Senator Dr. Blüm ({0}): Wissen Sie nicht, sehr verehrter Herr Grobecker, auch wenn Sie schon sehr lange hier im Bundestag sind, daß der Bundestag mit einer Gesetzesflut, die hier entstanden ist, dafür gesorgt hat, daß der öffentliche Dienst überall ausgeweitet wurde? Das betrifft nicht nur die Krankenhäuser.
({1})
Sie sehen, die Kenntnis ist nicht von der Zeit im Amte abhängig.
Meine Damen und Herren, es stellt sich die Frage: Wie kommt die private Wirtschaft wieder in Fahrt? Ein Mittel war, Geld, viel Geld, Milliarden in die private Wirtschaft zu pumpen. Dieses Erfolgsrezept haben wir jetzt seit über zehn Jahren probiert. Meine Damen und Herren, ich frage Sie: Ist nicht die Mehrheit dieses Geldes durch den Kamin geraucht? Geld, Investitionszulagen - der Name sagt es schon - haben diejenigen bekommen, die investieren konnten. Wer nicht investieren konnte, hat auch kein staatliches Geld erhalten. Deshalb funktioniert Ihre Wirtschaftspolitik nach dem Motto: Wer hat, dem
Senator Dr. Blüm ({2})
wird noch gegeben. - Das ist zwar ein biblisches Motto, hier aber trotzdem falsch.
Deshalb glaube ich, daß am Ende der Wirtschaftskrise, das wir alle herbeisehnen, die Großen größer, die Kleinen schwächer und der Mittelstand zahlenmäßig geringer sein werden. Das wird das Ergebnis der Krisenmeisterung sein.
Es ist freilich nicht nur die Frage, ob das Geld an der falschen Stelle angekommen ist, sondern auch, wie es eingenommen wurde. Auch dafür gibt es mehrere Wege. Ein Weg ist, sich das Geld, das in die Wirtschaft gepumpt wird, über Kredite zu beschaffen. Wer bezahlt die Kredite? Die Kredite, die Schulden dieser Regierung werden noch die nachfolgenden Generationen bezahlen. Die Kredite wurden nach dem Motto „Nach uns die Sintflut" beschafft.
({3})
Nun zum zweiten Punkt. Auch die unbeteiligten Dritten haben keinen Grund zur Freude. Der Kredithunger des Staates, des Kredithais Staat, hat die Kredite so teuer gemacht, daß selbst diejenigen sich kein Geld leihen können, die es ohne Staat gekonnt hätten.
({4})
Insofern funktioniert diese Wirtschaftspolitik mit einer dreifachen Benachteiligung: Den Schwächeren wird die Kreditmöglichkeit genommen, die Stärkeren erhalten das Geld, und die Kinder bezahlen die Schulden der jetzigen Regierung. Das ist die dreifache Benachteiligung durch diese Wirtschaftspolitik.
Lassen Sie uns, verehrter Herr Kollege Löffler, auch den anderen Weg überlegen, den Weg: Über die Steuerzahler wird das Geld beschafft. Damit kein Irrtum aufkommt: Die Mehrheit der Steuerzahler sind die Arbeitnehmer. Deshalb wird diese Sanierung mit den Steuergroschen der Arbeitnehmer betrieben. Es ist eine Illusion, eine, wie ich zugebe, sozialistische Illusion, zu glauben, solche Massen an Geld, wie wir sie brauchen, könnten wir dadurch erhalten, daß wir nur die Spitzenverdiener anzapfen. Selbst wenn Herr Matthöfer alle Millionäre enteignete, würden ihm am Schluß immer noch zig Milliarden DM fehlen.
({5})
Ohne Anzapfung des Masseneinkommens entstehen keine eindrucksvollen Finanzzahlen. Also, die sozialistischen Lösungen scheitern an den einfachen Gesetzen der Mengenlehre.
Meine Damen und Herren, ich habe auch nicht verstanden - vielleicht erklärt es mir jemand -, daß die ÖTV einerseits gegen 1 % Gehaltskürzung protestiert, in den Gewerkschaften aber andererseits kein Protest zu hören ist, wenn die Mehrwertsteuer erhöht werden soll.
({6})
Die denken möglicherweise ganz kompliziert. Aber
für den Geldbeutel der Arbeitnehmer ist es relativ
belanglos, ob das Geld fehlt, weil das Gehalt um 1 % gekürzt wurde, oder ob das Geld fehlt, weil die Mehrwertsteuer erhöht wurde. Im Gegenteil, die Mehrwertsteuererhöhung trifft den Arbeitnehmer mit fünf Kindern fünfmal, und den Rentner trifft sie. Die Mehrwertsteuererhöhung ist sehr viel unsozialer als alle anderen Kürzungsvorschläge, die jetzt in der Debatte sind.
({7})
Herr Senator, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Westphal?
Senator Dr. Blüm ({0}): Bitte, Herr Westphal.
Herr Senator Blüm, haben Sie das eben gegen Ihren Kollegen Häfele gesagt, der im „Handelsblatt" im Monat Januar dieses Jahres vorgeschlagen hat, die Mehrwertsteuer zu erhöhen?
Senator Dr. Blüm ({0}): Lieber, sehr verehrter Herr Westphal, ich habe das vorgetragen im Zusammenhang mit dem ÖTV-Protest gegen Gehaltskürzungen. Und der Vergleich bei der ÖTV ist die Mehrwertsteuer. Dabei bleibe ich.
({1})
- Ich widerspreche Ihnen, wenn Sie glauben, wir könnten die Investitionsmisere erstens durch ein Anzapfen weiterer Kreditmassen und zweitens durch ein Anzapfen der Steuerfähigkeit der Arbeitnehmer lösen. Darin widerspreche ich Ihnen nachdrücklich.
({2})
Meine Damen und Herren, natürlich werden wir öffentliche Investitionen brauchen. Niemand will doch zurück ins Neandertal. Am wichtigsten werden die öffentlichen Investitionen - ich glaube es jedenfalls - in den Gemeinden sein. Denen ist der Geldhahn zugedreht worden. Deshalb finden sich in vielen Gemeinden und Städten Investitionsruinen. Wenn wir hier die Arbeit sozusagen wieder auftauten, hätten wir viel weniger Vorleistungen zu erbringen, und die Investitionen kämen schneller in Gang.
Herr Senator, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hölscher?
Senator Dr. Blüm ({0}): Bitte schön.
Lieber Norbert Blüm, Herr Senator, wenn Überlegungen, die Mehrwertsteuer zu erhöhen, sozialistisch sind:
({0})
Wie beurteilen Sie denn dann die Erklärung von
Franz Josef Strauß in diesem Haus, der sich für eine
Mehrwertsteuererhöhung ausgesprochen hat - ich zitiere -,
... wenn sie dazu verwendet wird, sowohl auf der Seite der Arbeitnehmer als auch auf der Seite der Arbeitgeber steuerliche Erleichterungen zu ermöglichen,
({1})
die unsere wirtschaftspolitischen Zielsetzungen,
- so Franz Josef Strauß hoher Beschäftigungsstand, ausreichendes Wachstum und Preisstabilität, zu unterstützen versprechen?
({2})
Senator Dr. Blüm ({3}): Sehr verehrter Herr Kollege Hölscher, Sie machen mir die Arbeit leicht. Sie haben meine Antwort Ihrer Frage gleich hinzugefügt. Ich schließe mich der Antwort des Herrn Strauß an.
({4})
Meine Damen und Herren, ich will noch einmal auf öffentliche Investitionen gerade im Bereich der Gemeinden zurückkommen. Dazu bedarf es freilich einer Umstrukturierung, einer neuen Akzentuierung der investiven Ausgaben und eines Zurückdrängens der konsumtiven.
Berlin hat dazu einen - wie ich zugebe - bescheidenen, aber immerhin mutigen Schritt getan. Wir haben die Baumaßnahmen, die Ausgaben zur Förderung des Baus um 10,8 % erhöht. Wir haben für dieses Jahr 1982, was freilich nicht populär ist, die Stellen im öffentlichen Dienst um 2 300 zurückgenommen.
({5})
Ich frage Sie alle, meine Damen und Herren: Muß denn jede öffentliche Leistung kostenlos sein? Sollten wir nicht auch einmal überlegen, ob nicht auch öffentliche Leistungen ihren Preis haben? Muß denn, wenn Sie es denn schon ganz klassenkämpferisch hören wollen, die Millionärsfrau unbedingt einen kostenlosen Kindergartenplatz für ihr Kind haben, während die Arbeiterfrau kein Erziehungsgeld kriegt? Muß das so sein?
({6})
Meine Damen und Herren, Sie sollten den Mut haben, mit uns das Erziehungsgeld einzuführen, und zwar durch Umstrukturierung und nicht durch Anzapfen neuer Geldquellen.
({7})
- Ich weiß, daß es Ihnen weh tut, wenn man Ihnen vorhält, daß Ihr Geschenkladen Sozialpolitik die reichen Leute begünstigt und die Armen benachteiligt; es ist mir klar, daß das weh tut.
({8})
Herr Senator, ich muß Sie schon wieder fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Glombig zulassen.
Senator Dr. Blüm ({0}): Des Herrn Kollegen Glombig gern. Ich wäre nur sehr dankbar, wenn ich meine Rede bei Gelegenheit im Zusammenhang zu Ende führen kann.
({1})
Jetzt gleich, im Anschluß daran; ich danke Ihnen dafür. - Herr Senator Blüm, meinen Sie denn, daß die Millionärin, von der sie soeben gesprochen haben, auch weiterhin den Kinderbetreuungsfreibetrag erhalten sollte?
({0})
Senator Dr. Blüm ({1}): Ich habe davon gesprochen, daß in Berlin Kindertagesstätten kostenlos zur Verfügung gestellt werden,
({2})
und daß es auch ein Gebot sozialer Gerechtigkeit ist, wenn wir - entsprechend der Leistungsfähigkeit - hier eine Gebühr erheben und diese an anderer Stelle zu sozialen Zwecken einsetzen.
({3})
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich unsere gemeinsame Aufmerksamkeit auf das Beschäftigungsprogramm lenken. Das beste, das effektivste Beschäftigungsprogramm sind die Förderung von Firmengründungen und die Verhinderung von Firmenzusammenbrüchen. Das ist, wie gesagt, das beste Beschäftigungsprogramm, das man sich denken kann.
({4})
Da streiten Sie sich mit viel Getöse, ob der Bund 5 oder 6 Milliarden DM für ein staatliches Beschäftigungsprogramm auf die Beine kriegt. Ja, mein Gott, Sie verhindern durch Ihre Politik private Investitionen von 60 Milliarden DM im Kernenergiebereich, im Wohnungsbau, im Kommunikationsbereich. Sie können mit der linken Hand gar nicht so viel ausgeben, wie Sie mit der rechten abwürgen; das ist doch Ihre Politik.
({5})
- Gut, mit welcher Hand sie würgen, soll uns gleich sein. Ich stelle nur fest: 150 000 Bauarbeiter sind arbeitslos, 50 000 arbeiten kurz. Wir brauchen 400 000 Wohnungen; wir haben Wohnungssuchende. Die Bauarbeiter, die arbeitslos sind, wollen arbeiten; davon gehe ich aus.
({6})
Die Unternehmer wollen nicht bankrott machen.
({7})
- Ja, es ist doch richtig: Die Wohnungssuchenden wollen eine Wohnung. Also kann es weder an den
Senator Dr. Blüm ({8})
Bauarbeitern noch an den Wohnungssuchenden noch an den Unternehmern liegen. Wer bleibt übrig, Herr Löffler: Die Regierung, der Gesetzgeber.
({9})
Rudolf Sperner, ein sicherlich über jeden Verdacht erhabener Gewerkschafter, hat vorgerechnet, daß ein Baugesuch heute 20 Dienststellen durchlaufen muß.
({10})
225 Gesetze und Verordnungen müssen beachtet werden,
({11})
bevor überhaupt der erste Stein in die Nähe eines Arbeiters kommt. Vor 15 Jahren waren es 48 Gesetze. Nur, damals, bei 48 Gesetzen, wurden 600 000 Wohnungen gebaut. Heute, bei 177 Gesetzen mehr, werden nicht 600 000, sondern nicht einmal 400 000 Wohnungen gebaut. Mit anderen Worten: Das Gesetz dieser Regierung heißt: Je mehr Gesetze, desto weniger Wohnungen. Das ist das Ergebnis dieser Rechnung.
({12})
Bürokratie und Produktivität sind ein Tandem, bei dem der eine strampelt und der andere bremst; deshalb passen sie nicht zusammen, jedenfalls dann nicht, wenn man aus der Misere herauskommen will.
({13})
- Verehrter Herr Kollege Müntefering, gestatten Sie, daß ich diesen Gedankengang im Zusammenhang vortrage.
Ich glaube, daß gerade die kleinen Unternehmer unter diesem überwuchernden Bürokraten- und Subventionsstaat leiden.
({14})
- Das ist kein Karneval, das ist traurige Wirklichkeit. Der kleine Unternehmer hat keine Stabsabteilung, die jedes Gesetz ausnutzt. Der kleine Unternehmer ist der Verlierer des Subventionsstaats.
({15})
Der Subventionsstaat ist der Staat für die Cleveren, aber nicht der Staat, den wir wollen.
Lassen Sie mich zum nächsten Punkt kommen: Bildung. Wachstum ist eine Maßnahme, Bildung eine andere. Die Hälfte der Arbeitslosen sind Ungelernte. Die Ungelernten, das sind die bevorzugten Kandidaten der Arbeitslosigkeit. Diese Überlegung gilt allerdings nicht nur für den einzelnen. Unsere weltwirtschaftliche Chance liegt vor allem bei den intelligenten Produkten, dort, wo eine hohe Arbeitnehmerqualifikation notwendig ist. Die Serienproduktion werden die Menschen in den armen Ländern der Dritten Welt möglicherweise billiger herstellen; es ist auch die einzige Form, sich mit Arbeit aus dem Elend herauszuarbeiten.
Wir müssen uns auf die Normalität einstellen, daß man sich im Berufsleben immer wieder umstellen muß, fortbilden muß. Der Elektriker des Jahres 2000 wird mit dem Elektriker des Jahres 1982 möglicherweise nur noch den Namen gemeinsam haben. 88 %
- Herr Ehrenberg, das ist ein Kompliment für Sie
- derjenigen, die berufliche Förderungsmaßnahmen 1979/80 in Anspruch genommen haben, konnten anschließend in ein festes Arbeitsverhältnis vermittelt werden. Das ist ein ungeheurer Erfolg, nur frage ich Sie: Warum haben Sie diesen Erfolg demoliert? Warum haben Sie diesen Erfolg, ausgerechnet eine der wenigen arbeitsmarktpolitischen erfolgreichen Strategien, demontiert? Sie betreiben Selbstzerstörung, denn ich glaube schon, daß Bildung eines der wichtigsten Mittel ist, uns die Arbeitslosigkeit vom Hals zu halten, dem einzelnen und unserer Volkswirtschaft.
Ich weiß, meine Damen und Herren, daß es auch in diesem Bereich sehr viel Mißbrauch gibt. Wir müssen den Mißbrauch beseitigen. Allerdings gibt es, Herr Cronenberg, Mißbrauch nicht nur im Bereich der beruflichen Bildung. Wenn ein Student sein Studium abbricht, das wir ihm mit viel Geld ermöglicht haben, dann ist das ein Kavaliersdelikt. Wenn eine Sekretärin ihre Umschulung nicht nutzt, dann schreit alles, als wäre das ein Kapitalverbrechen.
({16})
Auch in diesen unterschiedlichen Bewertungen drückt sich noch ein Stück Diskriminierung der beruflichen Bildung aus.
({17})
- Herr Westphal, Ihre Mehrheit hat doch die berufliche Bildung zertrümmert. Lenken Sie doch nicht zur falschen Seite ab.
({18})
Ich glaube, daß wir in der Bekämpfung des Mißbrauchs weniger die Intelligenz und die Phantasie des Gesetzgebers brauchen als die Praxisnähe der Selbstverwaltung. Die wissen besser, wo die eigentlichen Drückeberger - und das sind Ausnahmen -, wo die Ausbeuter sitzen. Ich glaube, ein Gesetzgeber ist viel zu weit vom Schuß und nicht lebensnah genug, um dem Mißbrauch von Möglichkeiten gerecht werden zu können.
Lassen Sie mich als dritten Punkt etwas zur Arbeitszeit vortragen. Meine Damen und Herren, wir sollten gemeinsam überlegen: Muß denn die Arbeitszeit so stur und starr bleiben, wie sie jetzt ist? Das ist sie seit 200 Jahren. Früher haben die Menschen sicherlich mehr gearbeitet, auch weniger verdient. Eines war bei ihnen aber sicherlich besser abgestimmt: Lebensrhythmus und Arbeitsrhythmus.
Der alte Bauer hat sich Schritt für Schritt aus seiner Lebensaufgabe zurückgezogen. Erst das Industriezeitalter hat den Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand wie einen Kopfsprung organisiert und Kindheit und Erwerbsleben schroff gegeneinander abgetrennt. Muß es so sein, daß eine Mehrheit von Arbeitnehmern morgens auf Sirenengeheul in Betrieb gesetzt wird und abends auf Sirenengeheul wieder außer Betrieb gesetzt wird? Der Mensch ist
Senator Dr. Blüm ({19})
doch keine Maschine, die man mit dem Schalter bedienen kann.
Könnten wir nicht Versuche machen, Lebensrhythmus und Arbeitsrhythmus besser aufeinander abzustimmen? Eine solche neue Zeitordnung würde auch die Raumordnung entlasten. Unsere Infrastruktur wird weitgehend schubweise genutzt und hat sehr viel Brachzeiten. Kollektivisten werden für solche individualisierenden Maßnahmen nie eine Antenne entwickeln. Die denken immer in Massenaggregaten, in großen Verordnungen.
Ich meine, es würde auch eine Chance darin liegen, die Teilzeitarbeit auszubauen. Rheinland-Pfalz hat nachgewiesen, daß bei 61 % der von ihnen untersuchten Vollzeitarbeitsplätze Teilung möglich wäre. Frau Breuel hat nachgewiesen, daß allein im Raum Hannover 40 000 Arbeitsplätze für Teilzeit geeignet wären. Warum soll denn jemand, der nur 4 Stunden arbeiten will, unbedingt 8 Stunden arbeiten? Woher denn all diese Befehlsarroganz? Ich halte es für einen Fortschritt, daß die Frauenvereinigung der CDU das Modell des Job sharing in die Diskussion gebracht hat. Das ist ein Stück Zeitsouveränität, Selbständigkeit für den einzelnen. Adolf Müller hat vor Jahren vorgeschlagen, auf einen Ausbildungsplatz zwei Lehrlinge zu setzen. Dort, wo Blockunterricht möglich ist, ist das sicherlich zu organisieren.
Sie sehen: Auf die großen Lösungen werden wir warten und darüber alt werden. Die wirkliche Lösung besteht aus sehr vielen kleinen einzelnen Schritten, wozu Phantasie und Ausdauer notwendig ist. Die flexible Altersgrenze könnte mit altersspezifischen Arbeitszeitverkürzungen verbunden werden, wie das die Gewerkschaft Nahrung, Genuß, Gaststätten vorschlägt.
Ich meine, meine Damen und Herren, an diesen Beispielen kann deutlich gemacht werden: Die Zeit der großen, globalen Durchbrüche in der Sozialpolitik scheint sich ihrem Ende zuzuneigen. Das Gebot der Stunde heißt Differenzierung. Die Nivellierer werden das nicht können. Die Kollektivisten werden es nicht können. Wir brauchen eine Sozialpolitik, die nicht nach dem Motto verfährt: entweder für alle oder für niemanden. Die Alternative „alles oder nichts" landet mehr als in der Vergangenheit beim Nichts. Wir müssen zu Teillösungen bereit sein.
({20})
Ich will auch auf den letzten Punkt in der gebotenen Kürze eingehen. Veränderte Arbeitszeiten haben veränderte Einkommen zur Folge. Die Produktivität kann nicht zweimal verfuttert werden. Wir brauchen einen Einkommensbegriff, bei dem Geld und Freizeit miteinander verbunden sind. Wir brauchen ein Höchstmaß von Entscheidungen des einzelnen, seine Anteile zu bestimmen. Lohn weiter vorwärtszutreiben in alten Gewohnheiten und Arbeitszeitverkürzungen mit der gleichen Stärke zu fordern, heißt, auf zwei Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen. Ich bin sicher, daß die Einsicht in die Abwägung bei den Arbeitnehmern weiter verbreitet ist als bei manchem Tarifstrategen. Wenn einer mit 60 in die Rente geht - in Gottes Namen! Dann kann er nur nicht die gleiche Rente erhalten wie derjenige, der bis 65 weiterarbeitet.
({21})
Sonst würde der 65jährige Arbeitnehmer dem 60jährigen Rentner die Rente bezahlen. Das kann ja wohl auch nicht das Gebot der Gerechtigkeit sein.
Das dickste Brett der Borniertheit in der Einkommenspolitik ist freilich die Vermögensbildung. Meine Damen und Herren, wenn sich die Arbeitnehmer bei den Lohnerhöhungen zurückhalten sollen, damit investiert werden kann, damit Maschinen angeschafft werden können, dann müssen die Arbeitnehmer für diese Lohnzurückhaltung dadurch belohnt werden, daß sie an den Investitionen beteiligt werden. Für ein Vergelt's Gott werden die das nicht machen. Und deshalb: Neue Spielräume für die Einkommenspolitik gibt es nur durch eine investive Beteiligung der Arbeitnehmer. Darüber reden wir jetzt schon seit 30 Jahren. Ich fürchte, meine Damen und Herren, wenn wir noch 10 Jahre darüber reden, werden wir die Vermögensbildung totgeredet haben.
Die Bundesregierung hat geradezu eine Staffette von Ankündigungen in Gang gesetzt - Koalitionsvereinbarungen, Regierungskommission. Ein Minister war schon einmal speziell für Eigentumsbildung eingesetzt - Herr Maihofer war das. Wie eine Gebetsmühle wird die Vermögensbildung immer - besonders in Wahlzeiten - angekündigt. Gekommen ist nichts. Das wichtigste Stichwort der Vermögensbildung dieser Regierung heißt „demnächst". Und mit diesem Demnächst leben wir nun.
Ich habe in den alten Bundestagsprotokollen nachgelesen: Burgbacher-Plan, eingebracht von der CDU/CSU. Man liest diese Protokolle heute geradezu mit nostalgischer Wehmut. Schorsch Leber, Rosenthal haben sich damals an dieser Diskussion beteiligt. Die CDU legte einen Entwurf vor, jeder Arbeitnehmer sollte pro Monat 20 Mark Produktivkapitalanteile erhalten, 240 Mark im Jahr. Ich gebe zu, das ist wenig. Sie haben damals zu Recht gesagt, es sei zu wenig. Ich frage Sie: Was haben Sie eigentlich in der Zwischenzeit gemacht? Wenig ist immer noch mehr als nichts. Und Sie haben nichts gemacht in der ganzen Zeit - nichts und nochmal nichts!
({22})
Diese steuerpolitischen Spiele sind doch nur etwas für Feinschmecker, aber nichts für den Max Müller am Schraubstock, und wir brauchen eine Vermögenspolitik, die jedermann einsieht, die plausibel und handhabbar ist, und wiederum nicht nur für die Cleveren.
Heute wären, wäre der Burgbacher-Plan nicht damals von Ihnen verhindert worden, 60 Milliarden Kapital in Arbeitnehmerhand.
({23})
Die eigentumspolitische Blockade der sozialdemokratischen Partei Deutschlands und der FDP hat die Arbeitnehmer 60 Milliarden Eigentum gekostet! Das ist eine bittere Wahrheit.
({24})
Senator Dr. Blüm ({25})
Hätten wir nur 1 % der Lohnsteigerungen seit 1978 als Investivlohn abgezweigt, wäre in drei Jahren, also 1985, ein Vermögen von 10 500 DM ({26}) in der Hand jedes Arbeitnehmers. Ich drücke das in Zahlen aus, damit jeder erkennt, was durch die Borniertheit derjenigen verlorengeht, die für Eigentum keinen Sinn haben, sei es, weil sie altmarxistische Eierschalen nicht abstreifen konnten, sei es, weil sie alte Gewohnheiten nicht aufgeben konnten.
Da gibt es ja auch eine große Koalition zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften. Auch die Arbeitgeber waren unter Schleyer in Sachen Vermögensbildung schon einmal weiter, als sie heute sind,
({27})
und diese Echternacher Springprozession - ein Schritt vor, zwei Schritte zurück - ist nicht die partnerschaftliche Schrittkombination, wie wir sie uns wünschen.
({28})
Herr Senator, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Glombig?
Senator Dr. Blüm ({0}): Bitte schön, Herr Glombig.
Herr Senator Blüm, sind Sie wirklich der Meinung, daß man nur etwas behaupten muß, um als seriöser Redner dazustehen, oder sind Sie nicht doch der Meinung, daß auch und gerade seit Bildung der sozialliberalen Koalition in der Vermögensbildung so viel getan worden ist,
({0})
daß heute Millionen von Arbeitnehmern - mehr als zu Ihrer Zeit - an den Maßnahmen der Vermögensbildung teilnehmen,
({1})
und zwar mehr sowohl von der Zahl als auch von der Höhe der Beträge her?
({2})
Senator Dr. Blüm ({3}): Erstens sind es nicht, wie der Burgbacher-Plan es gewollt hat, alle Arbeitnehmer, und zweitens gilt das nicht für jenes entscheidende einkommenspolitische Feld der Investitionen. Meine Damen und Herren, es sei jedem seine Wohnung, sein Eigenheim gegönnt, und das soll weiter gefördert werden. Aber wenn wir in der Einkommenspolitik weiterkommen wollen, darf sich die Einkommenspolitik nicht auf den Konsumlohn konzentrieren. Denn was haben Arbeitnehmer von einer Lohnerhöhung von 7 %, wenn anschließend die Preise um 5 % steigen und wenn das, was die Preissteigerung nicht wegnimmt, von der Steuer oder durch einen höheren Arbeitslosenversicherungsbeitrag weggenommen wird, so daß sie fünf Wehen nach der Lohnerhöhung genauso naß sind wie sechs Wochen vorher?
Wenn wir wirklich real etwas bewegen wollen, gibt es, glaube ich, nur den Weg, die Arbeitnehmer an dem Teil der Volkswirtschaft zu beteiligen, der um ihrer Zukunft willen nicht verfuttert werden darf, sondern festgelegt werden muß.
({4})
Herr Glombig, so lautstark ist ja die Front der Gegner dieses Investivlohns nicht; jedenfalls ist sie nicht einheitlich. In den Gewerkschaften gibt es auch Freunde: Bauarbeiter, Nahrung und Genuß, Textil. Ich gebe zu, die großen Tankschiffe haben es mit der Manövrierfähigkeit etwas schwer,
({5})
aber bei den kleinen Gewerkschaften setzt sich diese Einsicht durch. Die DAG hat vor wenigen Tagen einen Vorschlag gemacht. Wenn es nicht mit allen geht, dann - so müssen wir auch den Arbeitgebern zurufen - macht es mit jenen, die es wollen. Die Beweislast haben die Neinsager, und die tragen die Verantwortung für den vermögenspolitischen Rückschritt.
({6})
Meine Damen und Herren, Wachstum, Bildung, Arbeitszeit, Einkommen: Keine Maßnahme für sich schafft die Lösung, keine von diesen Maßnahmen ist ein Patentrezept. Sie müssen zusammenkommen. Nur muß jetzt gehandelt werden. Jeder Tag, an dem nichts geschieht, vergrößert das Desaster, und ich sehe am Horizont eine neue Klassengesellschaft auftauchen: Die Jungen, Gesunden, Tüchtigen erhalten immer Arbeit, und die Älteren, Kranken, Behinderten, Nichtgelernten stehen vor der Tür. Die Gesellschaft beruhigt sich mit dem Trost, daß ja niemand verhungern muß. Das ist unsere Gesellschaft nicht! Jeder hat im Rahmen seiner Möglichkeiten das Recht und die Pflicht, zu seinem Lebenseinkommen beizutragen.
({7})
Das Wort hat der Herr Bundesminister Ehrenberg.
({0})
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Das, was Herr Blüm hier gesagt hat,
({0})
bedarf der Korrektur. Ich will versuchen, das so kurz wie möglich mit zwei Bemerkungen zu seinen Punkten und einer Vorbemerkung zur Vermögenspolitik zu machen. Es ist in einer Zwischenfrage, Herr Kollege Blüm, schon angesprochen worden, in welcher Weise Sie hier vernachlässigen, was im letzten Jahrzehnt vermögenspolitisch geschehen ist. Aber was ich besonders merkwürdig finde - und, Herr Kollege Blüm, das zeigt Ihre ganze Art zu argumentieren -, ist dies: Sie reden hier über den BurgbacherPlan, ohne denen, die noch nicht lange genug hier sind, zu sagen, daß dieser Plan in diesem Hause vorgelegt wurde, als die CDU die Mehrheit hatte, und daß ihn die CDU nicht verabschiedet hat.
({1})
Es hat doch nicht zu unseren Zeiten einen Burgbacher-Plan gegeben, sondern mit einer CDU-Mehrheit in diesem Hause hat der Burgbacher-Plan nie das Licht der Welt erblickt; so ist das.
({2})
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Vogt?
Bitte.
Herr Minister, würden Sie mir zustimmen, wenn ich sage, daß der Gesetzentwurf zur Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivkapital der Wirtschaft im April 1970 hier in diesem Hause eingebracht worden ist, und zwar zur gleichen Zeit, als Sie auf die glorreiche Idee kamen, das 312-DM-Gesetz einfach nur zu verdoppeln?
Das ist richtig,
({0})
nur, das war nicht der Burgbacher-Plan; der stammt aus der Mitte der 60er Jahre. Dieser Gesetzentwurf, den Sie ansprechen, war ein dünner Abklatsch des Burgbacher-Plans.
({1})
Aber, meine Damen und Herren, sehr viel deutlicher muß hier dem Herrn Blüm in den Punkten geantwortet werden, in denen er zu Anfang in einer von ihm ja gewohnten, nach Popularität haschenden Weise hier - ({2})
- Wissen Sie, was der Herr Blüm hier getan hat: er hat aufgezählt, was alles den Menschen im Lande wehtut, wenn man über die Finanzierung eines vernünftigen Programms strukturverbessernder und beschäftigungspolitischer Impulse spricht. Da hat Herr Blüm lauter Dinge aufgezählt, die wehtun. Da bleibt die Konsequenz übrig: man kann gar nichts machen, weil alles irgendwo wehtut. Und alle geben dem Herrn Blüm recht, daß es wehtut. Mit dieser Art von Popularitätshascherei, Herr Blüm, kommt eine Bewegung zustande, wie wir sie in den USA haben, wo man 43 Milliarden Dollar Defizit angekündigt, inzwischen 116 Milliarden Dollar Defizit erreicht hat und der Unwille im Volk immer schlimmer wird.
({3})
Den Unwillen erzeugt man, wenn man den Leuten nach dem Munde redet und selber konkrete Vorschläge nicht zu bieten hat.
({4}) Genau, meine Damen und Herren, wie einfach - ({5})
- Ich muß j a nur schreien, weil Sie so viel dazwischenreden. Wenn Sie still wären, würde ich ganz leise reden.
({6})
- Versuchen wir es; aber auch Sie, still zu sein. Das muß ein Abkommen auf Gegenseitigkeit sein; sonst geht es nicht.
({7}) - Sie sind es ja nicht.
Der Kollege Blüm - ich sage immer noch „Kollege", obgleich er Senator ist; aber ich hoffe, das darf ich ({8}) hat hier vorzugaukeln versucht,
({9})
als ob öffentliche Investitionsprogramme und auf dem Kreditweg finanzierte Programme wie beispielsweise das 1977 verabschiedete Zukunftsinvestitionsprogramm mit einem Volumen von zuletzt 20 Milliarden DM nichts, sondern sogar nur neue Unsicherheiten und negative Veränderungen gebracht hätten.
Herr Kollege Blüm, Sie sollten wissen - Sie wissen es auch, Sie verschweigen es nur -, daß wir 1977 21,3 Millionen Beschäftigte und 1980 22,3 Millionen Beschäftigte hatten, d. h. genau 1 Million mehr.
({10})
- Nein, nur eine halbe Million, Herr Franke. Darüber haben wir uns schon einmal gestritten. Schauen Sie nach! Sie müssen das nicht auf 1975, sondern auf 1972 beziehen. 1975 hatten wir genau wie 1977 21,3 Millionen Beschäftigte. 1972 wurde die Zahl von 22 Millionen überschritten, sonst nie.
Diese Steigerung der Beschäftigtenzahl um 1 Million innerhalb von vier Jahren ist ja wohl nicht vom Himmel gefallen, sondern sie ist - natürlich nicht allein, aber in erster Linie - diesem gewaltigen Investitions- und Beschäftigungsanstoß durch das Zukunftsinvestitionsprogramm zu verdanken.
({11})
Das muß man wissen. Die Bedingungen für die Kreditfinanzierung haben sich seit 1977 nicht durch unser Verschulden,
({12})
sondern durch die weltwirtschaftlichen Veränderungen
({13})
- ich muß wieder lauter werden; es hilft nichts - verschoben,
({14})
weshalb es sehr viel schwieriger ist, heute eine gleich wirksame Aktivität zu entfalten.
Sie können sich darauf verlassen, vor allen Dingen die Arbeitnehmer und die Arbeitslosen können sich darauf verlassen,
({15})
daß die Bundesregierung im Rahmen des Jahreswirtschaftsberichts das Nötige tun wird.
({16})
Ich möchte an dieser Stelle noch sehr gern zum Ausdruck bringen: In dieser ganzen hektischen beschäftigungspolitischen Diskussion hat der Deutsche Gewerkschaftsbund konkrete, vernünftige Vorschläge gemacht. Er hat dazu beigetragen, diese Diskussion wesentlich zu versachlichen. Außer diesen Vorschlägen des Deutschen Gewerkschaftsbunds ist einer der ganz wichtigen Punkte - das ist ein Thema, Herr Kollege Blüm, bei dem wir uns glücklicherweise nahekommen, auch das gibt es ja noch ({17})
der Vorschlag der Gewerkschaft Nahrung-GenußGaststätten zur Verkürzung der Lebensarbeitszeit in einer Kombination aus Tarifverträgen und Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit. Ich halte das für einen ganz wesentlichen Vorschlag. Das Bundesarbeitsministerium ist gemeinsam mit den Initiatoren auf der Gewerkschaftsseite dabei, diese Möglichkeiten Stück für Stück durchzuprüfen. Auch darüber werden Sie im Februar im Zusammenhang mit dem Jahreswirtschaftsbericht Näheres hören. - Herzlichen Dank.
({18})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lutz.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Als gestern dieses Hohe Haus über die finanziellen Mittel für Berlin debattierte, mußten wir der Anwesenheit des Herrn Bundessenators entraten. Ich hatte mir gedacht: Er hat einen Berufswechsel vorgenommen und ist Arbeitssenator von Berlin geworden. Als ich aber seine Rede gehört hatte, stellte ich fest: Er ist doch Bundessenator. Das scheint in der Regierung Weizsäcker ein sozialpolitischer Entertainer zu sein, der etwas karnevalistisch versimpelt hier Beschäftigungspolitik darstellt.
({0})
Wenn ich mir vorstelle, wieviel an Substanz in einer halben Stunde über die Rampe gebracht werden könnte,
({1})
muß ich den Herrn Blüm der schrecklichen Verschwendung zeihen. Da hat sich wieder einmal sein Mühlrad der durchaus gekonnten Polemik gedreht. Er hat die Chance verpaßt, etwas zu den eigentlichen Problemen des Haushalts, zur wirklichen beschäftigungspolitischen Bestandsaufnahme und beschäftigungspolitischen Strategie, zur Situation der Rentenversicherung, zur Situation des Gesundheitswesens zu sagen. Wir hätten es gern gehört. Das hätte ihm immer noch Raum für sein schauspielerisches Talent geboten. Ich bedaure es, daß er es unterlassen hat, mit Fakten zu operieren, dieses Feld sozusagen hat brachliegen lassen.
Als mein Kollege Glombig den Zusammenhang zwischen dem Kindergarten für die Millionärsgattin und dem Kinderbetreuungsfreibetrag herstellte und ihn fragte, ob man hier nicht etwas machen sollte - ei, da war von dem wortgewaltigen Herrn Senator sogar nichts zu vernehmen.
({2})
Ich frage mich: Warum wohl?
({3})
Lassen Sie mich noch zu einer Bemerkung kommen. Der Herr Friedmann - es tut mir sehr leid, daß das durch die Debattenstrategie alles so weit nach hinten gerutscht ist - hat uns heute den ganzen Tag wieder - jedenfalls solange er durfte - mit seinem Milliarden-Theater genervt und gelangweilt.
({4})
Der Bundesarbeitsminister hat in seiner Replik versucht,
({5}) auf die Quellen Ihrer Erkenntnisse zu stoßen.
({6})
Es ist ihm nur halb geglückt. Ich kann Herrn Ehrenberg sagen, warum das so ist.
Als Sie das letzte Mal hier in gleicher Eigenschaft mit den Milliarden jonglierten, haben Sie diesem Haus erzählt, Sie hätten sich diese Zahlen gerade noch vorher per Telefon durch den Vizepräsidenten der Bundesanstalt für Arbeit bestätigen lassen.
({7})
- Lesen Sie es im Protokoll nach. - Das hat nur einen Haken gehabt: Sie haben an diesem Tag nicht mit dem Herrn Vizepräsidenten telefoniert.
({8})
Mit anderen Worten: Das war eine faustdicke Friedmannsche Wahrheit, eine faustdicke.
({9})
Sie sind übrigens brieflich aufgefordert worden, das zurechtzurücken. Sie haben diesen Brief nicht beantwortet. Das war eine zweite Friedmannsche Stilübung.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Friedmann?
Aber bitte sehr, Herr Friedmann.
Herr Kollege Lutz, darf ich Sie bitten, zur Kenntnis zu nehmen, daß in dem Protokoll nicht steht - lesen Sie das bitte nach -, ich hätte mit Herrn Vizepräsidenten Minta telefoniert.
Dann haben Sie das wahrscheinlich wieder korrigiert.
({0})
- Das ist schon denkbar. Aber ich möchte sagen, Herr Friedmann: Buchen wir es unter Ihren Realitätsbezügen ab! Vielleicht können wir uns da etwas näherkommen.
({1})
Aber wir wollen zum Thema kommen. Ich habe nur 15 Minuten.
In Zeiten wie diesen - das ist nicht zu bestreiten - weht uns Sozialpolitikern der Wind ins Gesicht. Nur allzu übermächtig ist die Versuchung, in die Milliarden-Etats der Rentenversicherung, der Arbeitslosenversicherung und der Kriegsopferversorgung hineinzuschneiden. Die, die das wollen, reden dann von der Krise des Wohlfahrtsstaates. Von ihnen wird der Eindruck zu erwecken versucht, als habe ein Übermaß an sozialer Sicherung unsere Wirtschaft ins Schleudern gebracht.
Auf diese Form der Henne-oder-Ei-Debatte möchte ich mich nicht gern einlassen wollen. Ich meine nämlich, andersherum wird ein Schuh daraus: Wirtschaftliche Probleme strahlen auch auf den Sozialstaat aus und bringen seine verschiedenen Sicherungskreise in Bedrängnis. Sie zwingen zur Zurücknahme von Zusagen und zum gezielteren Einsatz von Leistungen. Das ist so. Wer will das bestreiten? Wenn der Kuchen, den es zu verteilen gilt, kleiner wird, werden die Verteilungskämpfe natürlich bitterer. Das spürt man auf tarifpolitischem Gebiet. Das merkt man am Klima in den Betrieben. Das zeigt sich aber auch und gerade auf politischem Feld.
Deshalb beurteilen wir Sozialdemokraten die Haushaltsoperation 82 zuallererst nach dem Kriterium: Lassen sich die einzelnen Schritte in der veränderten wirtschaftlichen, aber auch politischen und gesellschaftspolitischen Landschaft rechtfertigen? Wir sind zu der Überzeugung gelangt, daß das so ist. Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich hinzufüge: Leicht ist uns das nicht gefallen.
Wir rechtfertigen unsere Entscheidungen vor uns und vor den Arbeitnehmern mit der Tatsache, daß die beabsichtigte Abkehr vom sozialstaatlichen Prinzip abgeschmettert werden konnte. Wir rechtfertigen sie vor uns mit der Tatsache der finanziellen Absicherung der Säulen unseres Sicherungssystems, von der Kranken- über die Unfall-, Renten- und Arbeitslosenversicherung bis hin zur Kriegsopferversorgung, die gelungen ist. Wir rechtfertigen sie vor uns mit der Erwartung, daß auf gesicherten Fundamenten neue Lösungen erarbeitet werden, um auf dem Arbeitsmarkt tatsächlich längerfristig eine Trendwende herbeizuführen.
Über die Rechengrößen, mit denen wir dabei zu arbeiten haben, ist schon genug gesagt worden, Sachkundiges und weniger Sachkundiges. Ich habe mir zur Aufgabe gesetzt, ein paar Grundprinzipien unserer Sozialpolitik in Ihre Erinnerung zu rufen.
Für uns ist die Massenarbeitslosigkeit kein selbstverschuldetes Übel, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem, das auch von der Gesamtgesellschaft getragen und überwunden werden muß.
({2})
Für uns ist Krankheit kein Risiko, das sich wie auch immer privatisieren ließe. Wir meinen, die Würde des Kranken läßt sich nur im Sozialverband der Versichertengemeinschaft garantieren.
Für uns ist die Behinderung kein Anlaß zu karikativer Mildtätigkeit, sondern eine Situation, in der die Gemeinschaft dem Behinderten Hilfen zur Behebung der Schäden und zur Wiedereingliederung leisten muß.
Für uns ist das Alter keine Verwahrungsstufe, die sozial abzufedern wäre, sondern die Zeit, in der die arbeitende Generation der älteren die Erfüllung eines Lebens zu garantieren hat.
Für uns ist der Sozialstaat kein bürokratischer Moloch, der den einzelnen entmündigt, sondern der Sozialverband, der die Entfaltung des einzelnen, seine Würde und letztlich auch seine Lebens- und Überlebenschance garantiert.
({3})
Für uns ist Menschlichkeit ohne den sozialen Staat nicht vorstellbar. Wo bürokratische Wucherungen den sozialen Staat überlagern, gilt es, die Wucherungen zu beschneiden, nicht aber den Sozialstaat in Frage zu stellen.
({4})
Über die Rücknahmen und Veränderungen, die mit dem Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz verbunden waren, haben wir im letzten Jahr ausführlich debattiert. Es hat wenig Sinn, die Debatte wieder aufzuwärmen, wie es der Herr Blüm versucht hat. Es stimmt: Uns allen ist das Zurückschneiden bei den operativen Elementen des Arbeitsförderungsgesetzes, bei der Frage der Umschulung, der Qualifizierung und der Höherqualifizierung sehr, sehr schwergefallen. Es war ein finanzielles Problem. Aber das Rezept, das Sie uns vorgeschlagen
haben, nämlich dieses operative Element ungeschmälert zu erhalten und das alles durch eine Senkung der Arbeitslosenunterstützung zu finanzieren, war für uns nicht annehmbar.
({5})
Dieses Programm wäre ein unsoziales Programm, eine Abkehr vom Sozialstaat, eine höhnische Politik gewesen, die den Arbeitslosen auch noch die Folgen von Arbeitslosigkeit allein aufgeladen hätte.
({6})
Zum Problem der Unterbeschäftigung ist schon gestern und vorgestern viel gesagt worden. Ich verkneife es mir, nachzutarocken. Mit der Frage beschäftigungspolitischer Initiativen werden wir uns hoffentlich schon sehr bald befassen. Daß sie unser aktives Mitdenken und Mithandein braucht, steht für mich außer Zweifel. Deshalb beschränke ich mich hier auf ein paar grundsätzliche Anmerkungen.
Schön wäre es, wenn wir einen tiefgreifenden Wandel von den Selbstheilungskräften des Marktes erwarten könnten. Aber das ist Kleinkinderglaube. Wenn es nicht zu einem abgestimmten Verhalten aller Beschäftigten - der öffentlichen und der privaten - kommt, werden die strukturellen Probleme unserer Zeit nicht zu bewältigen sein. Deshalb ist, so finde ich, dem Bundeskanzler ganz besonders zu danken, daß er sich unablässig darum bemüht, daß der Gesprächsfaden zwischen den wichtigen Gruppen unserer Gesellschaft nicht abreißt,
({7})
sondern daß Wirtschaft und Gewerkschaft, Bundesbank und Politik immer wieder an ihre Verantwortung gegenüber der großen Zahl der Arbeitslosen gemahnt werden.
Für unser Spezialgebiet, die Sozialpolitik, scheint mir ferner der Hinweis vonnöten, daß Abwarten und Nichtstun der teuerste Luxus wären, den wir uns leisten könnten. Bald ist der Moment abzusehen, wo wir an die 20 Milliarden DM Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe zu zahlen haben werden, wenn nichts geschieht. Dies wäre dann eine besonders groteske Form der Verschwendung. Mit diesem Geld werden keine gesellschaftlichen Werte geschaffen, keine Innovationen stimuliert, wird die Bitterkeit der Arbeitslosen nur teilweise und mühsam zugedeckt. Wieviel sinnvoller wäre es - auch die 38 Professoren haben uns jetzt daran erinnert -, die Mittel der öffentlichen Hand für arbeitsplatzschaffende und beschäftigungssichernde Aktivitäten einzusetzen!
Niemand behaupte, es gebe keinen Raum für solche Aktivitäten. Niemand behaupte, es ließen sich nicht die Mittel dafür freimachen. Nein, was fehlt, ist vorerst noch die Einsicht bei Ihnen in den Sinn und in die Notwendigkeit derartiger Schritte. Aber darüber wird, so meine ich, in absehbarer Zeit hier zu reden sein.
Es wird auch darüber zu reden sein, ob und wie wir zu einer gemeinsamen Strategie von Bund, Ländern und Gemeinden in ihrem Investitionsverhalten kommen. Es wird darüber zu reden sein, und meine
Freunde und ich werden zu einer Tendenzwende in der Ansicht beizutragen suchen, daß man Arbeitslosigkeit nur durch Zahlung von Arbeitslosenunterstützung mehr oder weniger abfedern kann. Wir und unser Koalitionspartner sollten danach suchen, wie wir wieder Mittel für die Umschulung, die Qualifizierung und die Höherqualifizierung der Arbeitslosen freimachen können, weil das Geld dafür zweifelsohne besser angelegt ist, als damit das Abwarten, die Lethargie, die Sinnlosigkeit, die Hoffnungslosigkeit der Arbeitslosigkeit zu finanzieren.
Den Arbeitslosen - damit will ich schließen - wäre sehr viel mehr geholfen, wenn Sie, Herr Blüm, und Ihre Freunde sich nicht auf Wortkaskaden beschränkten
({8})
und nicht nur Anklagereden hielten und nicht nur mit hohlem, fast schon zynisch wirkendem Pathos über Beschäftigung geredet hätten,
({9})
sondern sich mit uns um Beschäftigungspolitik bemühten. - Ich danke Ihnen.
({10})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmidt ({0}).
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Franke hat an den Anfang seiner Ausführungen hier die Überschrift eines Artikels in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" gesetzt: „Wie soll es weitergehen?". Ziemlich am Ende seiner Ausführungen sagte er dann: „Eine andere Politik", auch eine Überschrift aus der „FAZ", müßte gemacht werden.
Ich habe mir diese Debatte drei Stunden lang angehört und feststellen müssen, daß seitens der Opposition nichts dazu gesagt wurde, wie es nach ihrer Meinung weitergehen sollte,
({0})
obwohl der Kollege Franke - das gebe ich gern zu - in sehr vielen Fachzeitschriften sehr kluge Artikel über sozialpolitische Perspektiven schreibt.
({1})
Das scheint dann immer so zu sein, daß sicher der Kollege Franke, aber zweifellos nicht die CDU/CSU geschlossen dahintersteht; denn sonst könnte er so etwas einmal hier vortragen. Hier wird immer nur in Negation gemacht, und hier wird sogar der Versuch gemacht - ich muß darauf noch einmal eingehen, Herr Kollege Blüm -, die ganz große Mehrheit dieses Hauses für dumm zu verkaufen.
({2})
Folgende Zahl sage ich hier bewußt einmal auch für das Protokoll. Weniger als 20 % der Mitglieder dieses Hauses haben dem Deutschen Bundestag bereits vor 1969 angehört. Viele kennen also die Zusammenhänge nicht und können nicht wissen, daß
Schmidt ({3})
der Kollege Blüm mit seinem Hinweis auf den Burgbacher-Plan in einen Zeitraum dieses Bundestages zurückging - er hat es nostalgisch nachgelesen, wie er gesagt hat -, wo dieser Plan in der CDU/CSU voll umstritten war und die CDU/CSU den Kanzler stellte. So war die Situation mit dem Burgbacher-Plan. Herr Kollege Vogt, Sie wissen, daß dann 1970 ein kleiner Aufguß davon gebracht wurde. Das geschah nur deshalb, weil Sie in der Opposition waren und sich sagen konnten, daß das nicht durchkommt, weil es die CDU/CSU nicht mehr machen konnte.
({4})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Vogt?
Bitte.
Herr Kollege, stimmen Sie mir darin zu, daß der Burgbacher-Plan zwei Elemente gehabt hat, nämlich auch einen Beteiligungslohn auf gesetzlicher Basis, und stimmen Sie mir darin zu, daß dieser Gesetzentwurf im Frühjahr - wenn ich mich richtig erinnere, im April -1970 hier im Hause eingebracht und von Ihnen abgelehnt worden ist und daß damit der Weg verbaut worden ist, von dem Senator Blüm gesprochen hat, daß nämlich die Mehrheit der Arbeitnehmer an der Bildung von Produktivkapital beteiligt würden?
Herr Kollege Vogt, ich kann Ihnen so nicht zustimmen. Ich gehöre diesem Haus seit 1961 an, und ich habe die Auseinandersetzung in einer Koalition mit Ihnen mitgemacht, ob dieser Plan nun von der CDU vorgelegt werden sollte, und ich habe damals keine einheitliche Meinung der CDU/CSU in toto feststellen können. Erst nach 1969, als Sie - -({0})
- Herr Jenninger, am besten lesen wir einmal gemeinsam nostalgisch nach, was hier 1965/66 zu dem Thema gesagt wurde.
({1})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie noch eine zweite Zusatzfrage.
Ja.
Herr Kollege Schmidt ({0}), stimmen Sie mir zu, daß ich damals dem Deutschen Bundestag angehört habe und daß die Debatte über die erste Lesung dieses Burgbacher-Plans am 15. April 1970 hier in diesem Saal stattgefunden hat und daß Sie diesen Gesetzentwurf abgelehnt haben? Darf ich Sie bitten, sich sachkundig zu machen?
Verehrter Herr Kollege Vogt, dies hat überhaupt nichts mit meinen Feststellungen zu tun; denn der Bundesarbeitsminister hat vorhin schon klargestellt, daß 1970 ein solcher Gesetzentwurf kam, als Sie in der Opposition waren. Als Sie regierten, wurde dieser Plan von Herrn Burgbacher Ihrer Partei vorgelegt, und Sie haben ihn nicht durchgesetzt, weil Sie ihn in der Masse nicht wollten.
({0})
Ich glaube, wir müssen einmal einen Privatdisput austragen. Schließlich war ich schon damals in meiner Fraktion für die Vermögensbildung zuständig und kenne die Dinge ziemlich genau.
({1})
Wie soll es weitergehen? Ich habe schon durch die Zwischenfragen eine Reihe von Minuten verloren. Lassen Sie mich versuchen, aus meiner Sicht dazu drei Feststellungen für die Freien Demokraten zu treffen.
({2})
Zum einen werden wir uns - darüber ist in den letzten Tagen sehr viel gesagt worden - über ein irgendwie geartetes Programm zur Überwindung der Arbeitslosigkeit hier in diesem Hause unterhalten müssen. Wir Freien Demokraten halten das, was von vielen Seiten aus allen Teilen dieses Hauses in der letzten Zeit geschehen ist, ebenfalls für falsch, nämlich das eine zu verdammen, das andere hochzuhieven und hinterher das Gegenteil zu tun. Es hat wirklich nur Sinn, dann - wir Freien Demokraten haben ja im Herbst liberale Grundsätze zur Überwindung der Arbeitslosigkeit vorgelegt -, wenn alle Daten nach dem Jahreswirtschaftsbericht vorliegen, in einer gemeinsamen Aktion das Bestmögliche zu erreichen, und zwar ohne Neuverschuldung und ohne zusätzliche Steuererhöhungen. Wir dürfen dabei die Erfahrungen aus der Vergangenheit nicht vergessen. Diese Erfahrungen zeigen - der Kollege Cronenberg hat ein Beispiel aus einem bestimmten Bereich angeführt -, daß Programme, die viel Geld kosten, hinterher wegen überhöhter Kapazitäten plötzlich zu neuen Arbeitslosen führen können. Solche Programme sind mit Sicherheit nicht mit den Freien Demokraten zu machen.
Wie soll es weitergehen? Ich möchte hier auf die Ausführungen des Kollegen Franke eingehen. - Herr Kollege Franke, Sie haben mich hier angesprochen, als Sie darauf hinwiesen, daß ich vor einiger Zeit in mehreren Presseartikeln und auch in einigen Vorträgen darauf verwies, daß möglicherweise die grundsätzlich beschlossene Einführung eines Krankenversicherungsbeitrages für Rentner
(Franke ({3})
- j a, ich wollte dazu aber einiges sagen -, für die
man sich j a sowohl im Rahmen der Koalitionsbildung als auch in der Regierungserklärung von seiSchmidt ({4})
ten der sozialliberalen Koalition ausgesprochen hat
die Einzelheiten können Sie nachlesen: sechs Jahresschritte, 1 % pro Jahr usw. -,
({5})
auf Grund von Schwierigkeiten bei der mittel- und langfristigen Finanzierung der Rentenversicherung - 15-Jahres-Rechnung, Rücklagen usw. - zu einem früheren Zeitpunkt, als ursprünglich geplant, erfolgen müßte. Es geht hier um die Abschmelzung um 1 % bis zum halben Beitragssatz. Ich habe dies bewußt gesagt.
({6})
Ich habe gesagt: möglicherweise bereits vorher erfolgen müßte. Ich glaube, wir alle sind uns in diesem Hause klar, daß man dann, wenn - auch die Finanzierung der Rentenversicherung ist nicht ohne Berücksichtigung der wirtschaftlichen Entwicklung und der Arbeitslosigkeit ohne weiteres vorauszuberechnen - die Rücklagensituation und die Liquiditätssituation in der Rentenversicherung so etwas vorher nötig machen sollten, diesen Gedanken wird prüfen müssen. Der Zeitpunkt dafür scheint mir aber nicht heute gegeben zu sein, sondern beispielsweise bei der Vorlage des Rentenberichtes im Februar/März dieses Jahres und bei der dann notwendigen Debatte, wenn sich zeigen sollte, daß die Rücklagen in den nächsten Jahren nicht mehr ausreichen würden, wenn die Einmonatsrücklage unterschritten würde.
Eine zweite Bemerkung zur Rentenversicherung. Die Grundlagen für die Reform 1984 sind durch die Kommission geschaffen worden. Wenn ich es richtig im Kopf habe, sind die Zielsetzungen, was diese Reform angeht, aller vier Parteien, die in diesem Hause vertreten sind, ziemlich gleich: Teilhaberrente, eine bessere soziale Absicherung der Frau, Erziehungsjahre, das sind Forderungen aller drei Parteien. Wir begrüßen es am meisten, daß wir die ersten waren, die das programmatisch festgelegt haben.
({7})
- In unseren Rententhesen stand das bereits, da war die 84er-Kommission noch nicht ganz mit ihren Beratungen zu Ende.
Wir begrüßen sehr, daß hier ein Gesamtkonsens in der Zielsetzung besteht, weil ich der Auffassung bin
- ich habe das schon in mancher vorherigen Debatte zu diesem Thema gesagt -, daß die zukünftige Regelung der Altersversorgung, in der Rentenversicherung und auch in anderen vergleichbaren Systemen, möglichst - wie auch früher oft geschehen - gemeinsam von diesem Hause verabschiedet werden sollte; denn es ist doch unsere gemeinsame Sorge.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Dr. Wex?
Frau Dr. Wex, bitte.
Herr Kollege, würden Sie, um den Wettbewerb der Ideen auch weiter durchzuhalten, dem Hohen Hause zur Kenntnis geben, daß wir schon vor dem Bundesverfassungsgerichtsurteil die Partnerrente mit der Anrechnung der Erziehungszeiten eingebracht haben - nur, damit das auch richtig in den Akten steht?
({0})
Der Begriff „Partnerrente", gebe ich gern zu, stammt nicht von den Freien Demokraten, sondern bei uns heißt es „Teilhaberrente". Zum zweiten habe ich mich nicht auf die Vorarbeiten in allen Parteien bezogen, sondern lediglich festgestellt - und das tue ich noch einmal -, daß die FDP als erste auf einem Parteitag ein Programm verabschiedet hat, in dem diese Dinge festgelegt sind. - Das war nicht ein Gesamtprogramm für die 84er-Reform, was Sie damals vorlegten. Das waren Einzelgedanken - selbstverständlich.
({0})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage von Frau Dr. Lepsius?
Bitte.
Herr Kollege Schmidt ({0}), stimmen Sie mir darin zu, daß die sogenannte Partnerrente von 1975 lediglich dem Namen nach, aber nicht inhaltlich etwas mit der Teilhaberrente zu tun hat - weil es sich in der Tat um die Umsetzung des Rentensplittings im Versorgungsausgleich handelte und wir eine derartige Regelung in der Teilhaberrente überhaupt nicht vorgesehen haben?
Ich stimme dem zu. Ich habe der Frau Kollegin Wex lediglich den Begriff „Partnerrente" als etwas aus der CDU Gekommenes bescheinigt, mich aber nicht weiter zur Sache geäußert, sondern über die 84er-Vorstellungen zur Teilhaberrente, die inzwischen von allen Parteien getragen werden, gesprochen.
Ich sehe: Meine Zeit geht zu Ende. Ich werde mich also auf wenige Bemerkungen beschränken müssen. Für mich ist es aber manches Mal angenehmer, mehr im Frage-und-Antwort-Spiel hier die Dinge zu klären, als große Vorlesungen zu halten, was mir sowieso nicht liegt.
Daher zwei Bemerkungen zum Schluß - es sind gerade noch zwei Minuten übrig -: eine Bemerkung zur 84er-Reform und der Finanzierung von Erziehungsjahren.
Wenn ich eben gesagt habe, wir brauchten für diese Reform möglichst die Einstimmigkeit dieses Hauses, dann möchte ich auch daran erinnern, daß wir wahrscheinlich ebenso die Einstimmigkeit brauchen, um die Finanzierung der Erziehungsjahre durch Umschichtungen oder wie auch immer im Haushalt zu gewährleisten; denn durch höhere Beiträge, durch höhere Bundeszuschüsse wird dies nicht möglich sein. Ich bin gerade hier sehr interessiert, daß sich das gesamte Haus Gedanken darüber macht, wir wir es haushaltsmäßig schaffen können, solche Erziehungsjahre - ob nun zuerst eines oder
Schmidt ({0})
zwei oder drei, wäre dann eine Frage der Durchführung - zu finanzieren. Ich warne bloß alle diejenigen, die glauben, das könnte man noch den Beitragszahlern auferlegen oder das könnte man den Rentnern abziehen oder das könnte man durch höhere Bundeszuschüsse schaffen. Dies ist eine familienpolitische Aufgabe, damit eine Aufgabe der Gesamtheit, die aus Haushaltsmitteln finanziert werden muß. Dies wird nicht einfach sein. Hier bitte ich um Unterstützung der Vorstellungen, die wir haben.
Letzte Bemerkung, nur zwei Sätze zur Krankenversicherung - ich wollte einiges mehr sagen -: Herr Kollege Franke, Sie haben wieder einmal - wie schon so oft - von dem Dirigismus in diesem Bereich, von dem Weg zur Einheitsversicherung, scheibchenweise, und was weiß ich alles gesprochen.
({1})
Ich stelle hier zunächst einmal fest: Das erste Gesetz zur Kostendämpfung
({2})
hat keinen Schritt zur Einheitsversicherung - dies ist heute nach einigen Jahren wohl feststellbar -, wohl aber Kostendämpfung gebracht. Das zweite, jetzt zum 1. Januar in Kraft getretene Gesetz, das Krankenversicherungs-Ergänzungsgesetz, wird ebenfalls Kostendämpfungen bringen. Es ist also nicht wahr, wenn hier immer wieder behauptet wird, es brächte nichts. Denn, meine Damen und Herren: Weshalb hat es denn eine schwierige Diskussion über 1 Milliarde DM Mehrleistungen der Versicherten auf Grund gewisser Einschränkungen - Erhöhung der Verordnungsblattgebühr usw. - gegeben? Doch wohl deshalb, weil mit dieser Milliarde DM geringere Ausgaben und damit Kostendämpfung bewirkt werden.
({3})
- Herr Kollege Franke,
({4})
ich spreche hier zur Krankenversicherung; über die Kosten des Gesundheitswesens muß man sich anderswo unterhalten. Aber Sie haben ja von der Krankenversicherung gesprochen. Es wird Einsparungen, Kostendämpfungen geben, etwa durch die Tatsache, daß sich Ärzte und Zahnärzte für 1982 darauf verständigt und zugesagt haben, keine ihnen sonst nach altem Gesetz, altem Kostendämpfungsgesetz, zustehenden Anpassungen in Anspruch zu nehmen. Es wird also, wie gesagt, Einsparungen geben.
({5})
- Ich habe es zwar schon einmal gesagt, aber damit es im Protokoll steht, sage ich es noch einmal: Ich gehe davon aus - unter Zugrundelegung bereits vorhandener Zahlen, mit denen man das hochrechnen kann -, daß es Einsparungen in Höhe von etwa 2 Milliarden DM geben wird.
Noch eine letzte Bemerkung zur Zukunft. Denn wir wollen hier ja nicht nur eine Bestandsaufnahme machen, sondern auch wissen, wie es weitergehen soll. Ich bin dankbar, daß die Bundesregierung einen Auftrag zur Krankenversicherungsstrukturreform gegeben hat. Gleichzeitig möchte ich aber auch sagen, daß dies nicht etwa, wie Sie das für Ihre nächste Rede vielleicht schon wieder im Hinterkopf haben, ein Weg in die Vereinheitlichung, in die Einheitsversicherung oder gar in einen staatlichen Gesundheitsdienst sein soll. Dies wird und muß vielmehr die Überlegungen wieder aufgreifen, die bereits in den letzten Jahren zur besseren Wettbewerbsgestaltung, zur Stärkung des gegliederten Systems und zu mehr Möglichkeiten der Selbstverwaltung, aber auch zu Korrekturen der manchmal vorhandenen Überbeanspruchung ohne Eigenverantwortung des einzelnen angestellt worden sind. Diese Fragen, auch die Frage der Selbstbeteiligung in kleineren Fällen, werden eine Rolle spielen, wenn wir in der Lage sein wollen - damit komme ich jetzt auf das gesamte Gesundheitswesen -, die Kosten unseres Gesundheitswesens zu tragbaren Beiträgen für alle Versicherten weiterhin überhaupt aufzubringen. Das beste Gesundheitssystem ist zweifellos ein gegliedertes, das von der Selbstverwaltung getragen wird, aber auch finanziert werden kann. Hier, zur Strukturreform werden uns viele Gedanken einfallen müssen. Bei den Freien Demokraten jedenfalls wird es hier keine Gedanken in Richtung Vereinheitlichung und Einheitsversicherung und damit - später - in Richtung höhere Kosten und schlechtere Leistungen geben. - Vielen Dank.
({6})
Meine Damen und Herren, zum Einzelplan 11 liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Ich schließe die Aussprache.
Das Wort zu einer Erklärung zur Aussprache nach § 30 der Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Dr. Friedmann.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Kollege Lutz hat vorhin sinngemäß erklärt, ich hätte in meiner Rede am 12. November von dieser Stelle aus behauptet, mit dem Vizepräsidenten der Bundesanstalt für Arbeit telefoniert zu haben,
({0})
und er hätte mir alle Zahlen bestätigt, die ich hier anschließend vorgetragen habe. Außerdem hat Herr Kollege Lutz angedeutet, ich hätte möglicherweise das Protokoll des Deutschen Bundestages geändert. Ferner hat Herr Kollege Lutz behauptet, ich hätte dem Vizepräsidenten der Bundesanstalt auf seinen Briefwechsel nicht geantwortet.
({1})
Ich darf hier folgendes feststellen: Sämtliche Behauptungen des Herrn Lutz entsprechen nicht den Tatsachen.
({2})
Ich habe mit dem Vizepräsidenten der Bundesanstalt niemals telefoniert; dies läßt sich auch nicht aus dem Protokoll des Deutschen Bundestages vom 12. November ableiten.
({3})
- Frau Kollegin Lepsius, Sie können das Protokoll j a bitte nachlesen. - Ich habe zweitens niemals auf das Protokoll des Deutschen Bundestages Einfluß genommen, auch nicht auf dessen Entwurf.
({4})
Ich möchte zum Dritten erklären: Ich habe dem Herrn Vizepräsidenten der Bundesanstalt auf seinen ersten Brief schriftlich geantwortet. Ich sah allerdings auf Grund des Tons und der Qualität des Schriftwechsels keine Veranlassung auf weitere Briefe des Herrn Vizepräsidenten zu antworten.
Was Herr Lutz hier gesagt hat, entspricht nicht der Wahrheit. Dies wirft ein Licht auf sein Verhalten und die Qualität seiner Äußerungen. - Schönen Dank.
({5})
Noch eine Erklärung zur Aussprache nach § 30 der Geschäftsordnung, Herr Abgeordneter Lutz.
Auf die eben gehörte persönliche Erklärung gebe ich folgende persönliche Erklärung ab:
Ich habe vorgestern mit dem Herrn Vizepräsidenten der Bundesanstalt für Arbeit telefoniert. Der Herr Vizepräsident der Bundesanstalt für Arbeit hat mir bestätigt, daß seine Vorhaltungen nicht beantwortet wurden.
({0})
Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzelplan 11. Wer dem Einzelplan 11 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen die Stimmen der CDU/CSU ist der Einzelplan 11 in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe auf: Einzelplan 15
Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit
- Drucksache 9/1195 Berichterstatter:
Abgeordnete Dr. Rose Hoffmann ({0})
Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Rose.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie heißt es so schön: Besondere Ereignisse werfen ihre Schatten voraus.
({0})
Wir behandeln jetzt den Einzelplan des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit. Vorhin wurde das bekannte Jugend- und Kinderbuch „Struwwelpeter" zitiert. Ich bin der Regie und Herrn Cronenberg von der FDP sehr dankbar, daß dieses alte deutsche Erziehungsbuch hier vor dem Deutschen Bundestag wieder einmal zu Ehren kam. Nur eines ist leider Gottes nicht richtig dabei: In diesem Buch werden dem bösen Buben die Leviten gelesen, doch wenn ich auf die Regierungsbank schaue, böse Buben haben wir zwar genug, aber: Wo sind sie denn? Sie ziehen es vor, woanders aufzutauchen. Heute wird der Haushalt dieser Bundesregierung gelesen. Wo sind sie denn, vom Bundeskanzler angefangen über alle Minister? Meine Damen und Herren, da findet nebenbei - und darin liegt die Mißachtung dieses Parlaments - ein Hearing zu fast demselben Thema statt, das wir hier behandeln, nämlich zu der Frage, ob ein Antidiskriminierungsgesetz für die Frauen notwendig ist. Da ist eine Reihe von Ministern anwesend, bei uns ist eine leere Bank. Meine Damen und Herren, so geht diese Regierung mit dem Parlament um. Das können wir uns auf Dauer nicht gefallen lassen.
({1})
Meine Damen und Herren, eine Rede zum diesjährigen Haushalt des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit kann leider an einer Tatsache nicht vorbei: Die Bundesfinanzen sind so arg zerzaust, daß gespart werden muß: Wir kennen diese Wahrheit, und wir konnten auch im Haushaltsausschuß gerade bei diesem Einzelplan nicht mehr viel ändern, weil die letzten Reserven sowieso schon angeknabbert sind und die berühmten Umschichtungen zugunsten der einen oder der anderen Gruppe nicht mehr möglich waren. Wir mußten im Gegenteil ein paar Mark finden, um die schwerwiegendsten Probleme andernorts lösen zu helfen. Wer sich aber die Zahlen der Einzeletats anschaut, der merkt sehr schnell, daß zwar die einen sparen, daß es aber eine Reihe anderer gibt, die sogar noch einen Zuwachs zu verzeichnen haben.
Bekanntlich nimmt der gesamte Bundeshaushalt um fast 10 Milliarden DM zu. Er hat eine neue Rekordhöhe von 240,5 Milliarden DM. Für den Bereich der Jugend- und Familienpolitik heißt es jedoch, den Gürtel enger schnallen. Meine Damen und Herren, in der Tat, das Volumen des Einzelplans 15 beträgt 1982 zwar immer noch gut 18,7 Milliarden DM und steht damit an vierter Stelle aller Einzeletats, aber das besagt ja nichts. Kollege Blüm hat ja vorhin darauf hingewiesen, daß die Höhe des Sozialetats nicht auch soziale Leistung bedeutet. Was ich sagen möchte: Mit 1 452,6 Millionen Mark realem Abzug - im Vergleich zum Vorjahr - hält ausgerechnet das Ministerium für Jugend, Familie und Gesundheit die Spitzenstellung unter den Verlierern - und das, obwohl man einen neuen Aufgabenbereich zugewiesen bekam, den Zivildienst, der mit rund 500 Millionen
Mark zu Buche schlägt. Meine Damen und Herren, wie nennt man denn das in Ihrem neumodischen sozialliberalen Jargon? - Im Familienministerium findet ein „Minuswachstum" statt.
Wir halten also fest: Sozialliberale Politik hat zweierlei bewirkt.
({2})
Es muß jetzt insgesamt gespart werden, und es wird besonders Hand angelegt an die breite Masse, an die breite Masse der Familien, und an so manche vernünftige und segensreiche Einrichtung zum Nutzen der Schwachen.
Wer die finanzpolitische Großwetterlage kennt, der kommt natürlich nicht an einem Abbremsen der öffentlichen Ausgaben vorbei. Ich habe aber immer noch im Ohr, wie von der Regierungsseite gesagt wurde, man möchte nur die Mißbräuche beseitigen, man möchte den Wildwuchs beschneiden.
({3})
Ich frage Sie: Wollen Sie denn behaupten, indem Sie beim Familienministerium so sehr schneiden, daß hier ein Wildwuchs zu verzeichnen ist? Sie sind bei Ihren Sparmaßnahmen an der völlig falschen Seite angekommen.
({4})
Meine Damen und Herren, wollte man makaber sein, dann müßte man feststellen, daß durch diesen Sparzwang wenigstens eines deutlich wird: Es kommt der familienpolitische Kurs dieser Regierung zum Ausdruck; die Konturen kommen klarer zu Tage; es wird deutlich, wohin hierzulande die Familienpolitik führen soll;
({5})
der Stellenwert der Familie wird sichtbar. Es gibt keine verbrämenden Sonntagsreden mehr. Wir sind am Tor der Wahrheit angelangt Wir sehen den Offenbarungseid.
Meine Damen und Herren, ich zitiere aus der Weihnachtsausgabe der „Süddeutschen Zeitung":
Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland stellt Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Was bedeutet diese Aussage, und wird sie in der Praxis realisiert? Betrachtet man einige herausragende Beispiele wie etwa die Regelung des Kindergelds, die Benachteiligung der Nur-Mütter oder den Wohnungs- und Städtebau, so kommt man sehr schnell zu dem Schluß: Die Familienpolitik ist in der Wohlstandsgesellschaft, wider alle Beteuerungen der Politiker, ein Stiefkind.
Verehrte Damen und Herren, dieser Beurteilung der „Süddeutschen Zeitung" ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen. Nur ziehen wir uns den Schuh nicht an. Es ist Ihre Politik, die zu diesen Ergebnissen geführt hat.
({6})
Es gibt in der Tat kaum eine Gruppe in unserer Gesellschaft, die durch die Finanzmisere des Bundes so erschüttert wird wie die Familie.
({7})
Der Blick ins Portemonnaie der deutschen Familie zeigt die Wahrheit.
Ich zeige einmal an ein paar Beispielen auf, was wirklich im Jahre 1982 passiert.
Es ist j a nicht bloß die Kürzung des Kindergeldes. Ich stelle mir einmal einen kleinen Arbeiter oder kleinen Beamten vor, der zwei oder drei Kinder hat. Durch die Kürzung des Kindergeldes hat er automatisch im Monat schon 40 Mark weniger. Sie haben aber dann auch die höheren Krankenversicherungsbeiträge beschlossen. Dann macht wieder eine ganz nette Summe aus. Sie haben die Erhöhung der Eigenbeteiligung bei den Krankheitskosten beschlossen. Sie haben verschiedene andere Sparmaßnahmen oder woanders Erhöhungen beschlossen. Auch das will ich sagen, weil es wirklich aus dem Volk gegriffen ist. Ich stelle mir den kleinen Arbeiter draußen vor, der sich kein Vergnügen leisten kann, keine große Urlaubsreise oder sonstige Dinge.
({8})
Er hat nur - wenn auch gesundheitspolitisch nicht vernünftig - das Vergnügen der kleinen Zigarettenschachtel. Durch die Erhöhung der Tabaksteuer verlangt man zusätzliches Geld von ihm.
({9})
- Ich wäre dankbar, lieber Herr Löffler, wenn Ihre Partei, die sich immer als die Partei der kleinen Leute und der Arbeitnehmer betrachtet hat, endlich einmal merken würde, was draußen diskutiert wird, was bei den Arbeitern am Biertisch diskutiert wird, wie Sie ihnen das Geld herausziehen.
({10})
Gehen Sie einmal in die Geschäfte, in die Betriebe und in die kleinen Gasthäuser. Dann werden Sie merken, was wirklich die Sorge des deutschen Volkes ist.
({11})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jaunich?
Selbstverständlich.
({0})
Herr Kollege, wenn Sie öffentliche Stimmen über die Familienpolitik hier einführen, wären Sie geneigt, die Beurteilung des Deutschen Familienverbandes in seiner Zeitschrift vom Januar dieses Jahres auch mit einzuführen, in der es heißt: „Von einer CDU/CSU-Regierung werden die Familien nichts Besseres zu erwarten haben"?
({0})
Verehrter Herr Kollege, ich kann Ihnen nur antworten: Wir reden über das, was real ist, nicht über das, was kommt.
({0})
Das, was real ist, ist, daß Sie uns in eine Situation gebracht haben, in der die Lage der Familien schlechter ist als vor wenigen Jahren, als wir noch an der Regierung waren.
({1})
Meine Damen und Herren, vielleicht noch ein anderes Beispiel, bei dem die Leute ja auf Grund der schlechten Entwicklung des Haushalts und der Bundesfinanzen auch betroffen sind. Ich meine die höheren Zinsen. Schauen wir uns doch den Familenvater draußen an, der sich mit viel Mühe und oft mit Eigenleistung seiner Familienangehörigen ein Eigenheim bauen und leisten wollte.
({2})
Schauen wir uns an, wie er jetzt von den gestiegenen Zinsen betroffen wird! Wir sind ja nahe daran, daß es eine Reihe von Familien gibt, die leider Gottes daran denken müssen, ihre Häuser zu verkaufen.
({3})
weil Sie mit Ihrer Politik familienfeindlich operiert haben.
Meine Damen und Herren, alle diese Punkte muß man zusammenzählen, auch wenn es jetzt nicht unbedingt etwas mit dem Haushalt des Familienministeriums zu tun hat; aber es gehört zu Ihrer Familienpolitik. Ich kann nur sagen, die wahre Lage der Familien im Jahre 1982 ist trostlos geworden.
Wundert sich da noch jemand darüber, daß die Attraktivität, eine Familie mit Kindern zu haben, schon allein aus materiellen Gründen abnimmt? Zum Vergleich sei nur erwähnt, daß bei den Franzosen das Familieneinkommen ganz anders bewertet wird und daß dort durch eine kluge Steuerpolitik das Bruttogehalt praktisch auch das Nettogehalt ist. Zumindest war es bei den Franzosen so; jetzt ist ja der Sozialist Mitterrand dran, und vielleicht ergeben sich dann dieselben Verhältnisse, wie wir sie seit Jahren haben.
({4})
Bei uns verstärkt sich das Gefühl, daß alles andere wichtig ist, bloß nicht die Bestrebung, die Grundgesetzaussage zu realisieren, die da heißt, daß die Familie nicht bloß zu schützen, sondern auch zu fördern ist.
({5})
Im Gegenteil, meine Damen und Herren, die Familie wird zum vorrangigen Opfer der sozialliberalen Gesellschaftspolitik.
({6})
Es soll offensichtlich nur mehr eine bestimmte Form der Familie geben, bei der beide Elternteile berufstätig sind, bei der die Kinder ganztägig betreut werden, bei der das abendliche Freizeitverhalten gesellschaftsrelevant sein soll und bei der dann auch noch durch eine steuerliche Umgestaltung, z. B. durch die Aufhebung des Familiensplittings, andere Lebensformen attraktiv gemacht werden.
Meine Damen und Herrn, ich möchte hier das alte Thema der „Nur-Hausfrau" nicht zu sehr in den Vordergrund stellen. Aber mir ist aufgefallen, daß immer häufiger auch diskutiert wird, daß es so falsch nicht sein kann, wenn sich eine Mutter zu Hause auf die Kindererziehung konzentriert und dadurch auf Zusatzverdienst, auf Rente und auf Freiheit - denn es heißt j a immer: wer arbeitet, ist freier
- verzichtet. Immerhin aber tritt der umgekehrte Fall zunehmend auf, daß nämlich der Mann zum Hausmann wird. Wenn man dem „Stern" vom 22. Oktober 1981 glauben darf, denkt schon jeder vierte verheiratete Mann an eine Rolle als Hausmann.
({7})
- Sicher gibt es viele, die nicht dazugehören, und auch ich gehöre nicht dazu.
({8})
Aber ich will den „Stern" auch nicht in allen Punkten anzweifeln. Denn er schreibt sogar mit Bewunderung weiter: „Gute Väter sind sie alle, die Hausmänner."
Meine Damen und Herren, was ich damit sagen will, ist folgendes. Wenn sich immer mehr Leute aus der Berufswelt, aus dem Streß zurückziehen und die Erziehung der Kinder, das Zusammenleben mit den Kindern bevorzugen, wenn also jetzt auch Männer soweit sind, dann kann es doch so falsch nicht sein, wenn auf der anderen Seite gesagt wird: Die Frauen, die diese Arbeit übernehmen, brauchen eine besondere Förderung durch den Staat, weil sie eben, wie ich vorhin erwähnt habe, auf wesentliche Voraussetzungen verzichten.
({9})
Genau das ist es, was wir immer gesagt haben. Und die Gleichberechtigung geht soweit, daß der Mann das dann natürlich auch bekommen soll.
Wir unterstützen Sie, meine Damen und Herren, j a in Ihrer Arbeit für die gesetzliche Absicherung der Gleichberechtigung der Frauen. Nur, bezogen auf das Familienministerium und auf die Frau Minister, die heute leider nicht da sein kann -
Herr Kollege, eine Sekunde, bitte! Ich möchte dem Hause nur mitteilen,
Vizepräsident Frau Renger
daß die Frau Minister erkrankt ist. Der Herr Parlamentarische Staatssekretär vertritt sie. Ich bitte darum, das zur Kenntnis zu nehmen.
({0})
Wir wünschen ihr von dieser Stelle aus gute Besserung!
({0})
Ich habe vorhin bei dieser Bemerkung natürlich nicht aus diesem Grunde eine Kritik angefügt; sie kann eben leider nicht da sein. Sie werden ihr das bitte bestellen.
Aber die Kritik kann ich ihr oder ihrem Hause trotzdem nicht ersparen, daß man bei den Bestrebungen um die Gleichberechtigung der Frau im Ministerium für Jugend, Familie und Gesundheit offensichtlich nicht weiter gekommen ist, weil es immer wieder heißt, das Innenministerium habe hier die Federführung. Da frage ich mich, warum wir dieses Familienministerium für diese Aufgaben überhaupt noch brauchen.
Meine Damen und Herren, ich möchte festhalten, der Schutz der Familie ist das elementarste Menschenrecht.
({1})
Dieses Recht wird einem allerdings erst richtig bewußt, wenn Menschen, wie z. B. die zur Zeit rund 11 Millionen politischen Flüchtlinge, die wir in Südostasien, in Afrika und in Südamerika haben, brutal an der Erhaltung dieses Rechts gehindert werden. Wenn wir uns in die Situation dieser Menschen vertiefen, wird uns auch das Wertvolle, was Familie bedeutet, bewußt. Wer in Not ist, wendet sich j a zuerst an seine Verwandten und nicht an irgendwelche Beratungsstellen psychosozialer Art. Man braucht die Familie. Erst in solchen Situationen wird sich der einzelne bewußt, um was es geht.
({2})
Ich möchte in diesem Zusammenhang den Wohlfahrtsverbänden ein Lob aussprechen, die in vorbildlicher Weise mit Mitteln des Bundesprogramms für ausländische Flüchtlinge und aus kirchlichen Eigenmitteln in derzeit 13 Modellzentren ausländische Flüchtlinge in der Bundesrepublik betreuen.
({3})
- Ja, aber nicht für die Deutschen, verehrter Herr Kollege, sondern für die Ausländer, die hierher gekommen sind; die brauchen natürlich diese Hilfe.
({4})
Die paar Millionen Mark, die der Bundeshaushalt 1982 für dieses Programm vorsieht, sind aus humanitärer Sicht gut angelegt. Die Regierung hat hier unsere volle Zustimmung.
Lassen Sie mich jetzt den zweiten Bereich des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit anschneiden, das ist die Gesundheitspolitik.
({5})
Man erinnert sich bestimmt der Aussagen der letzten Jahre. - Der Zuruf, auch diese Gesundheitspolitik sei krank, ist richtig. Ich habe das bereits in meiner letzten Haushaltsrede gesagt. Es hat sich kaum etwas verändert, zumindest nicht zum Besseren.
Die Kompetenz des Gesundheitsministeriums wird immer stärker angezweifelt, wozu der Richtungsstreit nicht bloß mit dem Innenministerium, wie ich vorhin schon sagte, sondern auch mit dem Arbeitsministerium besonders beiträgt. Die Auseinandersetzungen um die Gesundheitskosten und die Krankenhausfinanzierung sind nur das bekannteste Beispiel für die Überlegenheit des letzteren.
In der Öffentlichkeit wird zur Zeit aber ein Thema besonders behandelt, über das ich hier ein paar Sätze sagen möchte. Das ist zwar emotionell nicht lösbar, aber es bedarf zumindest einer Klärung, weil auch hier die Frau Ministerin betroffen ist. Es geht um den Tierschutz, genauer gesagt, um die Tierversuche zu medizinischen Zwecken.
({6})
Ich schließe mich jener Aussage an - und es gibt sicherlich viele Kollegen, die sich ebenfalls dieser Meinung anschließen -, daß jede unnötige Tierquälerei vermieden werden muß. Praktisch ist jede Tierquälerei unnötig.
({7})
Ich bin sicher, daß die Zukunft Lösungsmöglichkeiten bringen wird, die weitgehend auf Experimente an Tieren verzichten.
({8})
Man muß aber wie überall die Kirche im Dorf lassen.
({9})
Wenn es nämlich um die Forschung für die Gesundheit von Menschen geht, dann kommen meiner Meinung nach Tierversuche immer noch vor Versuchen an Menschen.
({10})
Ich sage das deshalb, weil ich die selbstanklagende Haltung der Frau Minister bei einer Auseinandersetzung um diese Tierversuche z. B. am letzten Sonntag in „Bild am Sonntag" nicht verstehe, wenn gleichzeitig der neue Präsident des Bundesgesundheitsamtes bessere und mehr Versuche an Menschen fordert.
({11})
Das war selbst Ihrem Kollegen und Pfarrer Fiebig zuviel, wie seine Anfragen in diesem Deutschen Bundestag beweisen.
Damit habe ich ein Stichwort: das ist das Gesundheitsamt in Berlin.
({12})
Meine Damen und Herren, dieses Bundesgesundheitsamt bedarf unserer besonderen Betreuung. - Kollege Hoffmann, ich hoffe, Sie machen das dann genauso. Es bedarf unserer besonderen Betreuung zum einen, damit der an sich gute Ruf dieser weltweit bekannten Gesundheitseinrichtung ausgebaut wird, Betreuung zum anderen aber auch, damit das Bundesgesundheitsamt nicht noch mehr auf dem zuletzt eingeschlagenen Weg fortfährt und zu einer Gängelungsanstalt für das freie Gesundheitswesen wird.
Inzwischen ist das Bundesgesundheitsamt bekanntlich zu einer Riesenbehörde mit über 1 600 Mitarbeitern aufgestiegen.
({13})
- Über 1 600 Mitarbeiter.
({14})
Immer neue Aufgaben erfand die Bundesregierung für diese Behörde. Immer neue Verwaltungs- und Überwachungsplanstellen wurden ihr zugewiesen. Ich erwähne nur den Zusammenhang mit dem Arzneimittel- oder Chemikaliengesetz. Das Amt ist inzwischen so groß, daß man glaubt, von dem bisher sparsamen Weg bei den Planstellen abgehen und neben dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten auch noch einen Zentralabteilungsleiter bestellen zu müssen.
({15})
- Ich habe im vorigen Jahr in ähnlicher Weise argumentiert, Kollege Glos: Arbeitsbeschaffungsprogramm für Genossen! Wir haben uns im Haushaltsausschuß j a auch darüber unterhalten, wer berufen werden sollte. Ich hoffe nur, daß diese Methoden durch diese öffentlichen Äußerungen endlich ein Ende finden.
({16})
Bisher war im Bundesgesundheitsamt eine Personalunion immer ausreichend. Aber jetzt ist eben der neue Präsident weiterhin in Bayern ansässig, und da braucht man offensichtlich zusätzliche Leute, die ihm in der Amtsführung zur Seite stehen.
({17})
Daß diese Leute nach alter Erfahrung aus einem bestimmten Spektrum kommen, ist nichts Neues. Man kann in diesem Zusammenhang sicherlich dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Herrn Benda, dankbar sein, als er von der „Ämterpatronage" sprach.
({18})
Es gibt kaum ein Ministerium und kaum eine öffentliche Behörde wie das Ministerium für Jugend, Familie und Gesundheit, wo in den letzten Jahren eine derartige Zunahme an Genossen innerhalb der Verwaltung zu verzeichnen ist.
({19})
Wir brauchen uns nicht bloß die politischen Beamten an der Spitze anzusehen, sondern wir können heruntergehen bis zu den Referentenstellen, wo dafür zusätzliche Stellen geschaffen wurden. Auch das sollte man immer wieder sagen.
({20})
Meine Damen und Herren, bei einer Haushaltsdebatte, bei der es um Sparen geht, ist es doch richtig, auch einmal diese öffentliche Verschwendung beim Namen zu nennen, zumal sie wie beispielsweise beim Bundesgesundheitsamt in Berlin nur die Verwaltung fördert und nicht die Forschung. Wir wollen aber mehr Forschung, mehr eigene Anstrengungen auf dem Gebiet des Gesundheitswesens, und nicht nur administrative Handlangereien zu ideologischen Zwecken.
({21})
Ich und meine Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU-Fraktion haben bei unserem letzten Besuch in Berlin mit großem Interesse die erneuten Klagen der verantwortlichen Institutsleiter gehört. Sie alle wünschen sich mehr Freiheit zur Forschung. Wir, das Parlament, sollten endlich, wenn gespart werden muß, nicht an der Forschung sparen, sondern an der Verwaltung, die sowieso überwuchert ist.
({22})
Ich habe vorhin den Richtungsstreit mit dem Bundesarbeitsministerium erwähnt. Darauf will ich nochmals kurz zurückkommen. Es gibt inzwischen ein weiteres Beispiel, wie dem Gesundheitsministerium Zuständigkeiten entzogen werden. Ich nenne das Gebiet des Arzneimittelwesens. Hier hat das Arbeitsministerium die Zuständigkeit übernommen, was durch die Weiterfinanzierung der sogenannten Greiser-Liste, einer bewertenden Arzneimittelklassifikation, und durch die Vollfinanzierung des Bremer Instituts für Präventionsforschung und Sozialmedizin - allein der Name spricht ja schon Bände - bewiesen wird. Es ist ein einzigartiger Vorgang, daß das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit eine Mitfinanzierung der wissenschaftlich wenig einwandfreien Liste schon seit 1976 übernimmt, dann die Sozialdemokratische Partei Deutschlands einschaltet und diese am 10. Juli 1981 über das Arbeitsministerium das ausschließlich aus öffentlichen Mitteln finanzierte Projekt der Öffentlichkeit vorstellt.
({23})
Mir ist nicht bekannt, daß das Parlament darüber jemals unterrichtet wurde, denn bis heute gibt es keine uns zugeleitete Abrechnung über dieses sogenannte Forschungsprojekt. Ich fordere daher das
Haus auf, endlich eine wahrheitsgemäße und vollständige Abrechnung vorzulegen.
({24})
Ich komme zu einem weiteren Punkt, nämlich dem Vollzug des Arzneimittelgesetzes. - Das sind Punkte, warum wir zu einer Mißwirtschaft bei den öffentlichen Finanzen gekommen sind. Ich könnte Beispiele genug aufführen. Ich zitiere nur Beispiele aus diesem Ministerium, das reicht schon.
({25})
Ober das Arzneimittelgesetz hätte nach seinen Bestimmungen der Bundesgesundheitsminister nach Ablauf von vier Jahren, also zum 31. Dezember 1981, dem Parlament einen Erfahrungsbericht vorlegen müssen. Auch das ist bisher nicht geschehen. Ich will gar nicht einmal die Gründe wissen, warum das Haus dieser gesetzlichen Verpflichtung noch nicht nachgekommen ist.
({26})
Wir hoffen nur, daß Sie, verehrter Herr Staatssekretär - wenn nicht heute, dann bald - eine Antwort wissen. Sonst vertieft sich der Eindruck, daß Sie auch auf diesem Feld in den Hintergrund geschoben wurden, weil der Bundesarbeitsminister nämlich andere Fristenregelungen anstrebt, als ursprünglich festgelegt.
({27})
Wenn ich die eben geschilderten Fehlentwicklungen zusammenfasse, ergibt sich ein trauriges Bild dieser Regierung.
Diese Regierung hat aber auch auf dem dritten Feld, der Jugendpolitik, versagt.
({28})
Wir haben in diesem Parlament viele, viele Aussprachen gehabt, in denen es um ernste Sorgen der Jugend ging: die Jugendarbeitslosigkeit, die Zukunftschancen der jungen Generation, der Jugendalkoholismus und die Jugendkriminalität. Alle diese Sorgen bestehen heute noch, obwohl viele, viele Millionen Mark ausgegeben wurden. Man hat offensichtlich am falschen Ende gespart und hat das Falsche bevorzugt.
Aber inzwischen werden die Klagen der Jugendverbände, die die Arbeit für die Jugendlichen leisten, auch immer lauter. Die Mittel des Bundesjugendplans reichen, wenn überhaupt, nur mehr zur Erfüllung der notwendigsten Aufgaben.
({29})
- Ich bin für diesen Hinweis sehr dankbar. Diese Mittel sind zufälligerweise nicht gekürzt worden.
({30})
Wenn Sie sich die Zahlen ansehen, könnte man meinen, daß der Posten sogar eine Steigerung um 2,5
Millionen DM enthält. Der Herr Kollege Mitberichterstatter wird Ihnen das sogar genau sagen können.
({31})
- Durch eine weitere Aufstockung inzwischen 3,5 Millionen DM. Aber welche Mittel sich darin verbergen, ist j a inzwischen bekannt. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen - das ist eine Sache, die noch nicht ganz abgehandelt ist -, was hier umgeschichtet wurde.
Nur, das ändert nichts an den Klagen der Jugendverbände selber, die im einzelnen für ihre Aufgaben nicht mehr Geld bekommen, sondern deren Mittel meistens auf dem Stand des Vorjahres bleiben. Sie haben aber gestiegene Kosten zu verzeichnen, die diese Bundesregierung auch zu verantworten hat: Kosten für die Fahrkarten der Bahn, wenn man auf Tagungen muß; Kosten für die Dienste der Post, Kosten in vielen anderen Bereichen.
({32})
- Ich nehme die Klagen der Jugendverbände ernst. Ich hoffe, Sie, die jetzt Zwischenrufe machen, tun das auch. Täten Sie es nicht, wäre das sehr schade; denn Sie haben sich früher j a immer als Partei der Jugend bezeichnet.
({33})
Der Bundesjugendplan und viele andere Bereiche zeigen uns eines: Diese Regierung hat weder für die Familie noch für die Jugend mehr etwas übrig.
({34})
Wenn Sie etwas für die Jugend übrig haben, ist es immer eine besondere Gattung von Jugendlichen. Dann sind es immer jene, die auf der Straße gehen, die demonstrieren und randalieren. Berichte werden immer nur mit Blick auf Personengruppen gemacht, die sich - egal, mit welchen Maßnahmen - manchmal sogar an den Rand der Legalität gestellt haben. Ich wünsche mir - sicherlich wir alle; sonst wären wir hier fehl am Platz -, daß wir endlich auch von der Jugend sprechen, die im überwiegenden Maß staatsbejahend ist,
({35})
daß wir endlich von der Jugend sprechen, die zu 90 %
- das haben Forschungsergebnisse erwiesen - auch die alten Tugenden hochhalten, als da sind
({36})
die Tugenden der Ehrlichkeit, der Hilfsbereitschaft,
({37})
der Freundschaft - auch des Fleißes - und vor allen Dingen der Solidarität mit den Schwachen.
({38})
Man sollte mit den vielen Jugendlichen sprechen, die bereit sind, Arbeit zu leisten im musischen, im sozialen oder im sportlichen Bereich. Wir müssen
uns der Jugendlichen mehr annehmen, die bereit sind, an den Schulen fleißig zu lernen,
({39})
die ihre Arbeit in den Betrieben leisten, die auch an den Hochschulen ihre Abschlüsse zustande bringen, ohne dem Staat oder den Eltern viele Jahre lang auf der Tasche zu liegen.
({40})
Ich sage zum Schluß: Das ist die überwiegende Mehrheit der Jugendlichen. Wenn wir uns dieser Jugendlichen in Zukunft nicht besonders annehmen, brauchen wir uns nicht zu wundern, daß die Zahl der Jugendkrawalle und Jugendproteste immer mehr zunimmt; denn dadurch wird j a auch das Rechtsbewußtsein verschoben. In der Jugend könnte sich nämlich die Meinung festsetzen, man müsse unbedingt zu jenen gehören, die demonstrieren und Autos demolieren, man habe keine Zukunft vor sich, wenn man wirklich mit eigener Arbeit, mit eigenem Fleiß und mit Verantwortungsbewußtsein etwas leistet.
({41})
Zusammenfassend möchte ich sagen: Kollege Brandt war am Dienstag der Meinung, die letzten Wochen hätten ihm bewiesen, daß die Bundesrepublik die Sozialliberalen bräuchte.
({42})
Ich sage: Wer die derzeitige Jugend-, Familien- und Gesundheitspolitik in diesem Land kennt, hat den Beweis, daß die Bundesrepublik eine andere Regierung, aber nicht die Sozialliberalen braucht.
({43})
Wir wissen - heute vormittag war schon davon die Rede: ein Mann, ein Wort - um die Fehlleistungen. Warum soll die Gleichberechtigung nicht so weit gehen, daß man auch sagen kann: Eine Frau, ein Wort? Auch dieses Ministerium verdient eine andere Führung.
Wir insgesamt, meine Damen und Herren, lehnen den Einzelplan 15 ab.
({44})
Meine Damen und Herren, es ist jetzt zehn Minuten vor eins. Ich muß zwei Kollegen Gelegenheit zur Abgabe von Erklärungen nach § 32 der Geschäftsordnung geben. Ich schlage vor, daß wir diese Erklärungen jetzt noch entgegennehmen und die Sitzung dann nach der Mittagspause fortsetzen. - Danke schön.
Zu einer Erklärung nach § 32 der Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Lutz das Wort. ({0})
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Ich ergänze meine vorige, nach § 30 der Geschäftsordnung abgegebene Erklärung durch die Verlesung des Protokolls Seite 3678. Da heißt es wörtlich:
Vor zehn Minuten hat der Vizepräsident der Bundesanstalt hier angerufen und hat mir ausrichten lassen, die Zahlen, die ich eben genannt habe, würden offiziell von Nürnberg aus alle dementiert werden.
Herr Minta bestreitet einen jeglichen Kontakt.
({0})
Das Wort zu einer Erklärung hat Herr Abgeordneter Dr. Friedmann.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Lutz hat eben aus dem Protokoll vom 12. November 1981 richtig zitiert.
({0})
Darin steht, daß Herr Minta hier angerufen hat. Das heißt aber doch nicht, daß er bei mir angerufen hätte.
({1})
Wenn ich laut Protokoll gesagt habe, daß er mir hat „ausrichten lassen", dann heißt das doch nicht, daß er mit mir gesprochen hat. Aus dem Protokoll ergibt sich klar und eindeutig, daß wir nicht miteinander telefoniert haben.
({2})
Ich habe zwar im nachhinein erfahren, daß die Pressestelle meiner Fraktion mit der Bundesanstalt telefoniert hat und daraufhin ein Mitarbeiter von Herrn Minta in der Pressestelle zurückgerufen hat. Dies ist aber ein Vorgang, mit dem ich nichts zu tun habe.
({3})
Ich erkläre hier ehrenwörtlich: Ich habe in meinem Leben Herrn Vizepräsidenten Minta ein einziges Mal gesehen, gehört und gesprochen.
({4})
Das war bei meinem Besuch in Nürnberg. Ich habe danach nie mehr mit ihm gesprochen, auch nicht fernmündlich. Alle anderen Erklärungen sind wahrheitswidrig.
({5})
Meine Damen und Herren, ich unterbreche jetzt die Sitzung bis 14 Uhr; der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Hoffmann.
Die Sitzung ist unterbrochen.
({0})
Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen eine amtliche Mitteilung machen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die heutige Tagesordnung um die zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Tiefseebergbaus - Drucksachen 9/1074, 9/1176 - ergänzt werden. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Wir fahren in der Debatte fort. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hoffmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der Mittagspause läßt es sich immer nicht ganz so spontan an. Aber wenn ich an die letzten Ausführungen meines verehrten Kollegen Dr. Rose anknüpfen darf,
({0})
- sehr gute Ausführungen! -, kann ich nur sagen, Herr Dr. Rose: Wenn man Klischees aneinanderreiht, wird daraus noch nicht ein Profil.
({1})
Wenn ich das etwas literarischer ausdrücken darf
({2})
- das haben Sie vielleicht noch nicht gehört; es ist von Goethe -: Getretener Quark wird breit, nicht stark.
Das trifft wohl ein bißchen auf die Halbideologie zu, die dort vertreten worden ist. Ich kann mich entsinnen, daß das eine Arie war, die wir hier im Hause mit Sicherheit schon mehrmals gehört haben: über Sinn und Unsinn der Familie.
({3})
Es kann doch gar keine Zweifel geben, daß wir uns völlig einig darüber sind, daß die Familie innerhalb unserer demokratischen Gesellschaft einen Kernpunkt darstellt.
({4})
Und es kann überhaupt nicht die Rede davon sein, daß da irgend etwas vergesellschaftet, sozialisiert, gleichgeschaltet werden soll. Das ist nicht unsere Position. Deshalb prügeln Sie hier ein Phänomen, das nicht vorhanden ist. Ein Phänomen ist eben nicht da.
({5})
Ich bitte, sich doch einmal Gedanken zu machen, wenn man beispielsweise die Frage der Familienfreundlichkeit oder Kinderfreundlichkeit zu sehr an der Frage der finanziellen Ausstattung der Familie aufhängt. Es könnte der fatale Verdacht aufkommen, man verwechsele diese Frage der Kinderliebe mit einer Finanzausstattung. Das finde ich sehr bedenklich. Da muß man sehr aufpassen. ({6})
- So ist das.
Ich möchte nur noch eine Vorbemerkung machen, bevor ich zu Zahlen des Einzelplans 15 komme. Ich finde, Herr Dr. Rose, das, was Sie über das Bundesgesundheitsamt gesagt haben, wird der Aufgabe dieses Amts wirklich nicht gerecht. Es ist nicht sehr fair, wenn man hier - ich hab mir das mal aufgeschrieben - Vokabeln gebraucht wie „Gängelung des Gesundheitswesens", festgemacht am Bundesgesundheitsamt. Das geht doch völlig an der Realität vorbei. Ich halte es auch nicht für nötig, mich im Detail mit diesen Vorwürfen zu beschäftigen. Ich habe das Bundesgesundheitsamt besucht. Ich kenne auch die Details, auf die Sie angespielt haben. Ich finde dabei nur, daß Sie zwar - was ich hoch respektiere
- ein hervorragender Fußballspieler sind, aber sich in dieser Frage im Abseits bewegen.
({7})
Jetzt möchte ich gern eine Grundsatzbemerkung zum Einzelplan 15 machen. Da ich ihn zum erstenmal behandle, ist mir aufgefallen, daß es dabei eine gewisse Schwierigkeit gibt. Haushälter sind oft in der Situation, sich mit dem gesamten Sachverstand gleichzusetzen. Das geht sehr schnell. Denn wenn man etwas an der Finanzmasse operieren kann, hat man so ein gewisses Hochgefühl.
({8})
- Hin und wieder mag das auch stimmen. Ich glaube aber, daß wir sehr schnell in der Gefahr sind, unsere finanziellen Einsichten prioritätenhaft über die inhaltliche Aussage zu stellen. Das kann zumindest hin und wieder passieren.
Deshalb bitte ich darum, daß die Zusammenarbeit, die mit einigen Kolleginnen und Kollegen des Fachausschusses begonnen hat, auf diese Art und Weise fortgesetzt wird. Ich bedanke mich für viele Ratschläge. Ich möchte in diesen Dank auch Frau Minister Huber einbeziehen,
({9})
der ich wünsche, daß es ihr bald wieder gut geht. Wir haben heute morgen gehört, warum sie nicht dasein kann.
({10})
Ich beziehe in diesen Dank auch ausdrücklich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses mit ein, die mir bei der Bearbeitung des Einzelplans 15 sehr hilfreich gewesen sind. Dies gilt ebenfalls für die Behörden, mit denen ich bisher zu tun hatte, insbesondere auch für das Bundesgesundheitsamt. Der intensive Dialog mit den gesellschaftlichen Gruppen, um die es hier geht, steht noch aus, da ich ihn in dieser kurzen Zeit nicht bewältigen konnte. Das ist eine dauerhafte Aufgabe.
Hoffmann ({11})
Damit bin ich schon bei einem der Hauptprobleme dieses Etats. Dieser Haushalt spricht unglaublich viele wichtige gesellschaftspolitische Themen an; aber er verfügt nicht über eine Finanzmasse, die eine große Umverteilung in der Gesellschaft ermöglicht, sondern er bezieht sich mit einem ganz großen Brocken auf das Kindergeld, über das ich jetzt nicht rede, weil darüber schon im Zusammenhang mit dem Haushaltsstrukturgesetz sehr viel geredet worden ist.
({12})
- Das wird heute noch einmal behandelt werden. Verlassen Sie sich darauf!
Wenn man die Kindergeldbeträge aus dem Etat 15 herauszieht,
({13})
bleibt praktisch ein Rest von 1,4 Milliarden DM. Wenn man diesen Betrag wiederum um die üblichen Personal- und Verwaltungsausgaben vermindert, sieht man, daß der finanzielle Bewegungsspielraum in diesem Haushalt relativ gering ist. Um so wichtiger ist es, daß mit diesen relativ geringen Mitteln die gesellschaftspolitischen Anstöße gegeben werden, die wir für richtig halten. Ich möchte deshalb zuerst eine kurze Finanzübersicht geben und dann versuchen, in einigen wichtigen Schwerpunkten Aussagen zu treffen.
Es folgen kurz einige Daten zum Einzelplan 15. Die Kriegsgräberfürsorge wurde um knapp 5 Millionen DM auf 28,6 Millionen DM erhöht. Die Unterhaltsvorschußkasse wurde, entsprechend dem vorausberechneten Bedarf, auf 55 Millionen DM festgesetzt. Quasi in Klammern darf ich dazu sagen, daß wir damit der ideologischen Vorstellung begegnet sind, die nicht in den Berichterstattergesprächen, sondern in der Presse geäußert wurde - auch das ist Familienpolitik -, wir könnten hier einsparen. In der Presse gab es viele Meldungen darüber, daß die Unterhaltszuschußkasse einmal entsprechend getilgt werden könnte.
({14})
- Das ist ein sehr guter Hinweis. - Ich bin sehr froh darüber, daß wir das unbeschadet so halten konnten, wie das im Gesetz vorgegeben ist.
({15})
Ich meine, Sie sollten sich damit auseinandersetzen, daß beispielsweise auch alleinstehende Mütter mit Kindern Familien sind
({16})
und daß man nicht so tun sollte, als gebe es nur die sogenannte heilige Familie und nicht auch die Problembereiche und die Menschen, die besonders auf Hilfe angewiesen sind.
({17})
Ich komme zum dritten Punkt, zur Familienplanung. Nach Auslaufen eines Programms sind die
Mittel auf 8 Millionen DM festgesetzt worden. Auch hier gibt es eine Diffamierungskampagne, die wir Gott sei Dank nicht in den Berichterstattergesprächen zu bewältigen hatten. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß hierunter auch die gesamte Diskussion über Pro Familia fällt. Auch hier bin ich sehr froh, daß das unbeschadet über die Bühne gebracht worden ist.
({18})
Viertens komme ich zu den Zuschüssen an Wohlfahrtsverbände, die sich mit etwa 36 Millionen DM gut gehalten haben.
Der fünfte Bereich, die frühkindliche Sozialisation, wurde um etwa 1 Million DM auf 3,3 Millionen DM erhöht.
Sechstens haben wir die gesundheitlichen Modellaktionen auf dem Vorjahresniveau gehalten.
Siebentens. Für zentrale Jugendstätten erhöht sich der Ansatz auf gut 10 Millionen DM.
Achtens folgt schließlich die Stiftung Hilfswerk für das behinderte Kind. Hier haben wir eine Kürzung vorgenommen, aber nicht etwa in den Inhalten oder den Leistungen, sondern auf Anraten des Bundesrechnungshofes, dem ich an dieser Stelle für diesen Hinweis danke. Wir konnten hier eine Korrektur durchsetzen, die nicht die Leistungen dieser Stiftung tangiert.
Neuntens wurde der Betrag für die Weltgesundheitsorganisation von 37,5 Millionen DM auf über 41 Millionen DM angehoben.
Schließlich sind die nachfolgenden Kapitel 15 03 und folgende nicht gravierend verändert worden. Ich brauche sie also in dieser kurzen Auflistung nicht anzusprechen.
Ich komme damit zu den von mir ausgewählten Schwerpunkten dieses Etats und möchte als ersten den Garantiefonds für junge Zuwanderer ansprechen. Hier steht ein noch völlig unbewältigter Problemkreis vor uns. In den vergangenen Jahren ist aus diesem Etat viel Hilfe an junge Zuwanderer geflossen. Es hat sie für einen völlig unterschiedlichen Personenkreis gegeben, für Menschen, die aus dem Osten Europas zu uns gekommen sind, und Menschen, die aus völlig anderen Erdteilen kamen und politisches Asyl beantragt haben. Es gab zwischen Bund und Ländern nur einen Streit darüber, ob dies denn verfassungsgemäß überhaupt Aufgabe des Bundes sein könne und ob hier nicht eine Bereinigung stattzufinden hätte. Auf Grund dieser Diskussion wurde dann von der Bundesregierung zuerst einmal eine erhebliche Kürzung vorgeschlagen, nämlich von 153 Millionen DM auf 115 Millionen DM.
Ich muß sagen, das bedeutet zum Teil sehr harte Einschnitte in die Leistungen, die an die betroffenen Menschen gehen. Aber wir können feststellen, daß die Grundlinie einigermaßen durchzuhalten ist. Allerdings muß man berücksichtigen, daß in der Zwischenzeit eine völlig veränderte statistische Situation auf uns zugekommen ist. Wir wissen, daß aus Polen in den letzten Monaten viele Bürger zu uns gekommen sind, denen wir keine Hilfestellung, zu der
Hoffmann ({19})
wir j a verpflichtet sind, hätten geben können, wenn der Etat auf diesem Niveau von 115 Millionen DM geblieben wäre. Wir haben ihn deshalb in den Beratungen einvernehmlich um ungefähr 24 Millionen DM heraufgesetzt.
Ich kann das Thema „Asyl" hier nicht ausweiten. An dieser Stelle möchte ich nur darauf aufmerksam machen, daß diese Frage manchmal mit viel Zynismus belegt ist. Unser Grundanliegen muß sein: Die Bundesrepublik Deutschland muß für alle politisch verfolgten Menschen ein Land des politischen Asyls bleiben.
({20})
- Für Menschen, die bei uns politisches Asyl suchen, weil sie verfolgt werden und weil ihre Menschenrechte verletzt werden. Dies ist eine Erfahrung aus der Zeit des Naziterrors bei uns; denn wenn es damals nicht möglich gewesen wäre, daß viele Deutsche in anderen Staaten Asyl gefunden hätten, wären sie schlicht und einfach ermordet worden. Ich glaube, daß das eine historische Begründung für unsere Position ist, politisches Asyl zu gewährleisten.
({21})
Das kann natürlich nicht heißen, daß jegliche Begründung herangezogen werden kann. Ich will dieses Problem nicht ausdehnen. Ich möchte nur auf den folgenden Zynismus aufmerksam machen: Man darf nicht in die Versuchung geraten, bei den politisch Verfolgten zwischen geliebten und ungeliebten Verfolgten zu unterscheiden. Ich will das einmal auf zwei Staaten zuspitzen: geliebt in der Weise, daß polnische Bürger, bei denen wir Not und Menschenrechtsverletzungen sehen, bei uns aufgenommen werden, chilenische Bürger aber Schwierigkeiten hätten. Wenn das so wäre, wäre das ein politischer Skandal. Deshalb warne ich davor, daß man diese Asylfrage so vordergründig an bestimmten Nationen festmacht.
({22})
Der zweite Schwerpunkt, den ich ansprechen möchte, ist der Bundesjugendplan. Hier hat es im vergangenen Jahr durch die 10 %ige Mittelsperre erhebliche Schwierigkeiten gegeben. Daß sie so spät gekommen ist, war für einige Organisationen und einige Gruppen, die inhaltliche Arbeit machen wollen, ein angesprochen starkes Handicap. Wir haben eingesehen, daß wir da etwas tun müssen. Wir haben diesen 10 % niedrigeren Ansatz nicht als Ausgangsposition für das neue Jahr gewählt, sondern haben hier im Vergleich zum Vorjahr einiges drauflegen können. Wir werden dafür jetzt 128,3 Millionen DM aufwenden.
({23})
Ich glaube, daß wir in dieser Frage deutlich machen können, daß Dialogbereitschaft nicht nur formuliert wird, sondern auch finanziell belegt ist.
Ich höre gerade den Zwischenruf: Wann kommt die nächste globale Minderausgabe bzw. Sperre?
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Haushaltssperren, wie sie im letzten Jahr vollzogen worden sind - das sage ich Ihnen ganz ehrlich -, könnte ich nicht gutheißen, wenn sie noch einmal in einer solchen Höhe und so spät kämen.
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Man wird unter den gegebenen finanziellen Möglichkeiten prüfen müssen, ob sich so etwas vermeiden läßt. Ich hoffe, daß wir das vermeiden können; denn der Haushaltsausschuß hat sich sehr viel Mühe im Detail gemacht. Vielleicht kommen wir dann um dieses Problem herum.
In diesem Zusammenhang sind wir angeschrieben worden vom Bundesjugendkuratorium, von Frau Mechthild Merfeld. Ich möchte nur zwei Sätze aus diesem Brief zitieren, weil er gerade aktuell ist und diese Frage einbezieht:
Das Kuratorium befürchtet, daß angesichts vieler drängender Probleme, insbesondere arbeitsmarkt- und sozialpolitischer, die Förderung und Unterstützung der Jugendhilfe ins Hintertreffen gerät.
Man bezieht sich auf eine langjährige Reihe, die ausdrückt, was für diesen Bereich der Jugendpolitik finanziell getan worden ist. Und es stimmt: Dieser Bereich ist sehr knapp bemessen worden. Das muß man sagen. Wir haben allerdings in diesem Jahr - das habe ich schon mit Zahlen belegt - versucht, etwas Luft zu schaffen. Deshalb freue ich mich besonders, daß sich in diesem Brief auch folgendes findet:
Das Bundesjugendkuratorium begrüßt deshalb alle Bemühungen, die darauf gerichtet waren und sind, den Ansatz für den Bundesjugendplan im Haushaltsjahr 1982 zu erhöhen und damit unter anderem zu dokumentieren, daß jugendpolitischen Fragen größeres Gewicht beigemessen werden soll.
Ich bedanke mich dafür. Ich sehe schon, daß wir hier
in einen bestimmten Dialog weiter hineinkommen.
({26})
Es wäre sehr reizvoll, diese Frage auszudehnen. Das kann ich leider in dieser Zeit nicht. Ich möchte nur betonen, daß für mich sehr viele Anregungen aus den Dokumenten zu sehen waren, die die Eidgenössische Kommission für Jugendfragen, Bern, veröffentlicht hat. Es gibt eine Broschüre, die neulich, im September 1981, noch einmal aufgelegt worden ist. Ich zitiere daraus nur die Schlagworte: Interessenkonflikte offen austragen - Autorität ja, Fassade nein - Rücksicht j a, Anbiederung nein - Umdenken ja, Zickzack nein - Realismus ja, aber auch Utopie. Ich glaube, daß das eine gewisse Orientierung dafür geben kann, wie wir weiter versuchen müssen, den Dialog zu führen. Wir können ihn sicher nicht von hier über die Jugendlichen, sondern wir müssen ihn im Detail mit Jugendlichen vollziehen. Deshalb bin ich immer ein bißchen skeptisch,
Hoffmann ({27})
wenn man irgendwo große Foren veranstaltet und glaubt, daß das bereits der Dialog selbst sei.
({28})
Wenn es darum geht, ob wir „Dialog" ehrlich meinen, ist eine der ganz wesentlichen Fragen, wie wir uns mit dem Zivildienst beschäftigen. In der Behandlung dieser Frage ist inzwischen die Bewegungsfähigkeit etwas gewachsen. Ich wünsche sehr, daß wir noch in dieser Legislaturperiode, sehr bald, zu einem Ergebnis entsprechend der Leitlinie kommen, die die SPD-Bundestagsfraktion dazu veröffentlicht hat. Wir bekennen uns zu der Position, daß das Gewissen nicht prüfbar sein kann.
({29})
Wir müssen Regelungen finden, damit diese - ich sage das jetzt einfach einmal - perverse Situation, daß man glaubt, man könnte Jugendliche dadurch kontrollieren und ihre Glaubwürdigkeit testen, daß man sie einen bestimmten Fragenkatalog beantworten läßt und einem bestimmten Verfahren unterzieht, verändert wird.
({30})
Nun wissen wir, daß hier gesetzliche Grenzen vorgegeben sind, in denen wir uns bewegen müssen.
({31})
Aber eines muß völlig klar sein: Es kann nicht so sein, daß eine Bestrafungsaktion für die Menschen stattfindet, die im Zivildienst arbeiten wollen. Das heißt für die SPD-Bundestagsfraktion: Die Inanspruchnahme eines Grundrechts kann und darf nicht durch Bestrafung geahndet werden.
({32})
Dies gibt weder das Grundgesetz noch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts her.
Nun ist dieser Bereich Zivildienstleistende neu in den Etat 15 übernommen worden. Wir werden uns an anderer Stelle länger damit auseinandersetzen können. Ich bin ganz sicher, daß in Zusammenarbeit mit dem Ministerium mit frischem Elan an diese Frage herangegangen wird. Ich habe dieses Problem von meinem lieben Kollegen Grobecker geerbt. Er wird uns in dieser Frage sicher mit Sachverstand zur Seite stehen.
Ich möchte betonen, daß es auch interessante Anregungen zu dieser Frage aus dem Bereich der FDP gibt, beispielsweise den Hinweis, wenn man schon von Veränderungen des Zivildienstes spreche, auch die Frage aufzugreifen, ob es dort bessere Berufsqualifikationen geben könne - eingebunden in den Zivildienst. Ich glaube also, daß das eine interessante Anregung ist.
Ich möchte zum nächsten Thema übergehen, übrigens auch einem, das mit dem Zivildienst in Verbindung steht, nämlich: Wie gehen wir mit bestimmten benachteiligten Gruppen innerhalb unserer Gesellschaft um? Ich greife eine heraus - das Problem der psychisch kranken Menschen. Dies ist für mich ein besonders ernstes Thema. Ich bin deshalb sehr froh, daß im Ausschuß auch von seiten der CDU ein Signal gegeben worden ist, daß man dieses Problem ebenfalls für wichtig halte.
Die Frage der Psychiatrie ist in der Psychiatrie-Enquete aufgenommen worden. Diesen Daten ist nichts hinzuzufügen. Sie haben zwar einige Schärfen verloren, aber im Grundsatz ist dieses Problem nach wie vor eines der bedrängendsten unserer Gesellschaft überhaupt.
Ich freue mich sehr, daß wir im Haushalt 15 diesmal den Ansatz für diesen Bereich von 40 Millionen DM auf 55 Millionen DM aufgestockt haben. Gemessen an der Finanzknappheit unserer Zeit ist das ein Signal, sicher nicht dazu dienend, das gesamte Problem der Psychiatrie zu lösen, aber immerhin doch ein Signal dafür, daß wir uns dieser Gruppe mit Ernst annehmen wollen,
({33})
und dies, meine Damen und Herren, auch dann, wenn CDU/CSU-regierte Länder diese Frage immer noch boykottieren. Ich kann nur dazu aufrufen, endlich die vorhandenen Vorbehalte aufzugeben. Ich freue mich, daß zumindest in einem Land, das von der CDU mitregiert wird,
({34})
nämlich im Saarland, aus dem ich komme, die dortige FDP-Ministerin dieses Signal aufgenommen hat und mit uns trägt. Ich bedanke mich herzlich dafür.
({35})
In diesem Bereich wird es zwingend notwendig sein, daß wir uns mit dem gesamten Problem der gemeindenahen Psychiatrieversorgung auseinandersetzen.
Mangels Zeit gebe ich nur dieses Stichwort und gehe gleich zu meinem nächsten Schwerpunkt mit folgender Überleitung über. Ich kann mir nicht denken, daß sich unsere Gesellschaft als demokratisch bezeichnen würde, wenn sie nicht diese demokratische Qualifikation in der Behandlung ihrer Minderheiten nachweist; das muß sie in sämtlichen Bereichen machen. Auf der anderen Seite ist sicher richtig, daß Demokratie nicht nur aus Minderheitenschutz besteht, sondern daß man auch sehen muß, daß es benachteiligte Mehrheiten innerhalb der Bevölkerung gibt. Das ist das Thema, das jetzt- leider Gottes parallel zu unserer Diskussion - in anderen Räumen des Bundestages diskutiert wird, nämlich die Frage der Gleichberechtigung der Frauen in unserer Gesellschaft. Ich glaube, daß die Aussage leider noch zutrifft, daß es hier eine Mehrheit innerhalb unserer Gesellschaft gibt, die in vielen Teilbereichen noch immer unter Diskriminierungen leidet.
Meine Kolleginnen von der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen haben eine Liste mit Maßnahmen vorgelegt, von denen sie meinen, daß sie wichtig seien. Ich kann sie zwar im einzelnen jetzt leider nicht mehr aufnehmen, weil meine Zeit hier bereits zu Ende geht, aber ich möchte wenigstens einen ganz kleinen Bereich herausgreifen. Von zentraler Bedeutung ist mit Sicherheit die Frage4774
Hoffmann ({36})
stellung: Wie werden Frauen respektiert? Welche Möglichkeiten haben sie im Arbeitsleben? Dazu zitiere ich nur kurz die Fraueninitiative „6. Oktober". Sie beklagt in ihrem Informationsdienst vom Januar 1982: „Versäumnisse und Halbherzigkeiten waren die Markenzeichen Bonner Frauenpolitik." Natürlich würde ich jetzt furchtbar gern vehement protestieren und sagen: Das haben wir alles schon erledigt. Aber leider Gottes - und das geht an einige Richtungen des Hauses - haben wir uns diesen Vorwurf zumindest in einem bestimmten Gesetzentwurf verdient; ich nenne das EG-Anpassungsgesetz. Jeder von Ihnen, der die Diskussion noch im Ohr hat, erinnert sich, daß einige von uns gesagt haben: Wir werden, wenn wir hier nicht das nachvollziehen, was auf europäischer Ebene gefordert worden ist, nämlich Gleichbehandlung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz, eine Klage bekommen - und die steht jetzt vor der Tür. Ich weiß, an wen das geht. Nun gibt es in der FDP sehr viele Kolleginnen und Kollegen, die dieser Frage aufgeschlossen gegenüberstehen. Deshalb bitte ich: Helfen auch Sie mit, ein bißchen über die Regierungsbank hinüberzugucken und dann festzustellen, daß wir die entsprechenden Korrekturen unbedingt durchsetzen müssen.
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Nun habe ich leider nicht mehr die Möglichkeit, Ausführungen über die anderen Bereiche zu machen, wie ich mir das vorgestellt hatte. - Ich komme sehr schnell zum Schluß, Herr Präsident. - Allerdings möchte ich, damit wir auch dieses Signal wirklich senden und empfangen können, noch betonen: Die Finanzmittel des Arbeitsstabes Frauenpolitik, der viel umstritten gewesen ist, sind von 2,8 Millionen DM auf 3,8 Millionen DM aufgestockt worden. Wir versuchen damit insbesondere solche Projekte wie „Frauenhaus im ländlichen Bereich" - es geht hier um das Thema Gewalt gegen Frauen - zu fördern. Ich glaube, das ist ein so ernstes Problem, daß ich es mir verkneifen möchte, jetzt in ein paar Stichworten dazu etwas zu sagen.
Zum Schluß, meine Damen und Herren: Heute morgen - ich sage das jetzt einmal ein bißchen flott - habe ich manchmal richtig Beklemmungen gehabt, als ich hier gehört habe, mit welcher Verve der Herr Senator Blüm so seine lockeren Sprüche zu Fragen der Familie losgelassen hat. Ich verkneife es mir wegen der Zeit, zu zitieren, was er zum Thema Frau und Familie, Frau und Arbeitsplatz gesagt hat. Lesen Sie es bitte einmal nach im „Weltbild" vom 30. Oktober 1981; Sie werden erstaunt sein. Selbst der Papst mit seinen Formulierungen
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in Familiaris consortio ist viel progressiver als das, was Herr Blüm hier losgelassen hat.
({39})
Ich würde mich freuen, wenn die Frauen innerhalb
der CDU/CSU diese Herausforderung auch im Plenum wirklich einmal offensiv aufnehmen würden. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
({40})
Das Wort hat der Abgeordnete Eimer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob ich mich jemals daran gewöhnen kann, daß bei Haushaltsberatungen wie diesen über das gesamte Spektrum der Politik geredet wird, aber nicht oder nur am Rande über den Haushalt, d. h. über das Verhältnis von Einnahmen und Ausgaben, und darüber, wie man beides in Einklang bringen kann und wo die Schwerpunkte liegen können. Ich hätte mir z. B. von dem Haushälter, Herrn Rose, eine andere Rede gewünscht,
({0})
etwa so, wie dies Herr Hoffmann hier gezeigt hat. Ich erwarte nicht, daß Sie uns zustimmen, ich meine, nur vom Thema her.
({1})
Einer der wenigen richtigen Grundsätze und eine sehr richtige Aussage zum Haushalt 1982 war in einer Bemerkung des bayerischen Landesgruppenchefs Zimmermann enthalten, der sinngemäß sagte, daß die Ausgaben vom Konsumtiven zum Investiven hin verlagert werden müßten. Ich kann ihm da nur recht geben, und jeder Bürger wird das für gut halten. Ich frage mich aber, ob jeder weiß, was das auf gut deutsch heißt. Konsumtiv sind im Haushalt Ausgaben für Soziales, für Löhne und Gehälter und natürlich auch für Kindergeld. Meinte Zimmermann vielleicht nicht die öffentlichen Ausgaben im Haushalt, sondern Ausgaben im privaten Bereich, d. h. weniger konsumtive Ausgaben, mehr sparen, einschränken im privaten Verbrauch, eventuell niedrigere Löhne oder vielleicht auch höhere Preise, weil durch höhere Preise höhere Abschreibungen erzielt werden und mehr investiert werden kann? Ganz gleich, was Zimmermann meint, er hatte sicher recht. Er sagt es nur in einer Sprache, die die konkreten Auswirkungen nicht deutlich werden läßt, während er in seiner gleichen Rede und nach ihm alle seine Kollegen, unter anderem auch Herr Rose, diese konkreten Folgerungen aus seiner Rede ablehnten.
Man kann nicht in einer Fachsprache das Richtige fordern und gleichzeitig in der Sprache des Alltags das gleiche weit von sich weisen, weil es dann vielleicht nicht mehr ganz so populär ist. Nein, wenn man das Richtige will und das Notwendige fordert, nämlich weniger Konsum und mehr Investitionen, dann muß man auch zugeben, daß das mitunter wehtun kann.
Ich frage mich, wo das hinführt, wenn wir in dieser Weise den Bürgern nicht ehrlich gegenübertreten; wir, das Parlament, die Politik, wir alle, Sie von der Opposition und wir von der Koalition werden unglaubwürdig. Manche spüren das indirekt, manche erkennen das sehr deutlich.
Eimer ({2})
Ich habe hier eine Zeitschrift, aus der schon zitiert worden ist, nämlich „Die Familie" vom Januar 1982, und da steht folgendes:
Politische Mißachtung haben wir Ende 1980 von SPD und FDP erfahren, als sie nach überkommenen Schablonen der Einfallslosigkeit ausgerechnet den seit Kriegsende zu kurz gekommenen Familienlastenausgleich nochmals zu kürzen vorschlugen. Enttäuschender noch ist die Haltung der CDU/CSU, in der drei prominente Länderchefs sich einen Dreck um die von der Gesamtpartei proklamierte Festigkeit in Sachen Familienausgleich kümmerten und dem faulsten Kompromiß der Kürzung des Kindergeldes zustimmten, wohlwissend, daß damit der formale Einspruch des Bundesrates gegen die Kürzung des Kindergeldes nichts mehr ausrichten würde. Die Erkenntnis daraus:
- das wurde bereits zitiert Von einer CDU/CSU-Regierung werden die Familien nichts Besseres zu erwarten haben.
Warum zitiere ich das? Zum einen, weil der erste Teil des Zitats, wo wir gerupft werden sollen, leicht zu widerlegen ist. Bis 1974, zu einer Zeit, wo der von seiten der Union konzipierte Familienlastenausgleich Gültigkeit hatte, gab es nur einen sehr geringen Ausgleich. Diese Koalition hat durch Einführung des Kindergeldes diese Beträge kräftig erhöht. Ich will Ihnen einige Zahlen nennen: beim Erstkindergeld um 164 %, beim Zweitkindergeld und 94 %, beim Drittkindergeld um 149 %, beim Viertkindergeld um 171 % und bei dem Fünftkindergeld und jedem weiteren Kind um 144 %.
({3})
- Herr Kollege, ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß sich diese Zahlen auf die jetzt gültigen Kindergeldregelungen beziehen. Sie sehen, daß diese Erhöhungen noch immer dreimal so hoch sind wie das, was an Lebenshaltungskosten, an Belastungen auf die Familie zugekommen ist.
({4})
Ich zitiere diese wenig schmeichelhaften Texte zum zweiten deshalb, weil die Auseinandersetzung hier im Hause und in der Öffentlichkeit weder uns noch Ihnen Punkte bringt. Nein, die Verlierer sind wir alle hier. Diese Art der Angriffe macht uns alle unglaubwürdig - die Parteien, das Parlament, die Demokratie.
({5})
Damit kein Mißverständnis aufkommt: Wir verlangen von Ihnen keine Zustimmung. Nein, Kritik ist uns auch recht. Aber wir hätten gerne um der Glaubwürdigkeit dieses Parlaments willen, daß Herr Zimmermann auch sagt, was es bedeutet, wenn er davon spricht, im konsumtiven Bereich solle gekürzt werden, auch wenn es dann in der Öffentlichkeit vielleicht weh tun mag. Wir erwarten, daß in all den Auseinandersetzungen für den Bürger deutlich wird, daß wir - Regierung und Opposition - miteinander oder gegeneinander ringen um die beste
Lösung. Der Bürger muß spüren, daß es uns um die Sache geht und nicht um die persönliche Profilierung.
({6})
Die eigentliche Frage der Politik ist aber - vor allem hier im Haushalt -: Wo sollen Schwerpunkte gesetzt werden bei den Ausgaben im sozialen Bereich, wo müssen wir dem Bürger Unangenehmes zumuten? Um das drückt sich die Opposition. Damit verkümmert diese Politik zu einer Stammtischdiskussion.
Ich will ganz kurz auf das eingehen, was Herr Blüm heute vormittag zu der Mehrwertsteuer gesagt hat. Ich glaube, dieses Beispiel zeigt deutlich, wie leicht man sich Beifall holen kann. Herr Blüm sprach davon, daß die Mehrwertsteuer die Kinderreichen besonders trifft. Dies ist ein Märchen, das sehr oft erzählt wird, aber dennoch falsch ist. Ich frage, ob Herr Blüm nicht weiß, daß die Mehrwertsteuer in zwei Sätzen erhoben wird, nämlich einem halben Satz für die Lebensmittel und einem ganzen Satz für die übrigen Ausgaben. Ich frage mich, ob Herr Blüm nicht weiß, daß Familien, die ein geringes Einkommen oder viele Kinder haben, prozentual einen höheren Anteil an Ausgaben für Lebensmittel haben.
({7})
Ich frage mich, ob Herr Blüm nicht selbst ausrechnen kann, daß gerade bei Kinderreichen und Familien mit einem geringen Einkommen dann der Durchschnittssatz bei der Mehrwertsteuer geringer ist als bei denen, die wenig Kinder oder ein hohes Einkommen haben.
Die Mehrwertsteuer wirkt durchaus sozial und progressiv. Wir könnten diese Maßnahme, Herr Kollege, noch verstärken, wenn die Mehrwertsteuer anders konzipiert wird, nämlich so, daß der Unterschied zwischen Lebensmittelsteuersatz und Steuersatz für alles andere noch weiter auseinandergezogen wird. Das wäre durchaus eine familienpolitisch sehr wirkungsvolle Maßnahme. Wenn Sie das nicht glauben wollen, bin ich gerne bereit, Herr Kollege, das dann auszurechnen. Ich habe einen Taschenrechner dabei. Sie dürfen sogar die Zahlen dazu nennen.
({8})
Das, was Herr Blüm sagte, war nicht nur falsch, sondern der Stil reiht sich auch in das ein, was wir bisher von ihm gewöhnt waren.
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Bei dieser Diskussion von Stilfragen kommen wir zum zweiten Schwerpunktbereich dieses Ministeriums, zur Jugendpolitik. Der Bundestag hat die Enquete-Kommission „Jugendpolitik im demokratischen Staat" eingerichtet. Bei der Diskussion zu dieser Einrichtung sprach ich am 10. April sehr selbstkritisch über unsere Fehler, unser Verhalten hier im Bundestag und in der Öffentlichkeit. Ich hatte sehr
Eimer ({10})
viel Beifall, auch von den Kollegen der CDU/CSU. Man kann sehr leicht von Stil sprechen; es kommt aber darauf an, daß wir es hier auch praktizieren.
({11})
Die wesentlichen Schwierigkeiten, die dieser Staat und diese Gesellschaft mit der Jugend hat, werden wir nicht mit Geld aus diesem Haushalt lösen, sondern nur durch unser Verhalten ändern können. Die Beispiele von gestern abend und auch heute sind nicht dazu angetan, mir Hoffnung zu machen.
Ein Kollege der Union hatte gestern abend sehr viel Beifall - der Herr Kollege Rose hat das Rezept heute auch wieder angewandt -, weil er darauf hinwies, wie wenig Kollegen hier im Bundeshaus und auf der Regierungsbank säßen.
({12})
Wir wissen alle, Herr Kollege Rose, daß diejenigen Kollegen, die nicht hier sind, nicht faul sind, daß unser Arbeitstag lang ist. Wir wissen das alle. Wir haben heute schon ein paarmal gehört, daß parallel zu dieser Sitzung im Bundestag auch eine Anhörung stattfindet zu einem Thema, das für uns hier auch sehr wichtig ist.
({13})
Kein Mensch, meine Kollegen von der Opposition, weiß heute, einen Tag später, wer gestern diese Vorwürfe von einem leeren Plenum gesprochen hat, kein Mensch weiß, welcher Partei der Vorwurf gegolten hat - und heute wird uns das allen angerechnet! Ich meine also, durch solche Reden wider besseres Wissen diffamieren wir uns alle selber, und wir dürfen uns nicht wundern, wenn sich die Bürger, vor allem die Jugendlichen, von uns abwenden
({14})
und wenn Parlamentarismus und Demokratie kein Ansehen haben.
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Lassen Sie mich jetzt aber zu erfreulicheren Dingen kommen. Die Kollegen des Haushaltsausschusses haben nach einigem Drängen Mittel für die Enquete-Kommission „Jugendprotest" bewilligt, damit wir vernünftig arbeiten können. Auch im Bereich des Bundesjugendplans ist es, glaube ich, notwendig, daß wir einen Dank aussprechen, vor allem dem Kollegen Hoffmann, der sich sehr für diesen Bereich eingesetzt hat. Diesen Dank möchte ich ausdrücklich auch auf die Kollegen der Opposition beziehen; hier zeigte sich deutlich, daß die Schwierigkeiten, die wir auf diesem Gebiet haben, wesentlich leichter zu lösen sind, wenn wir zusammenarbeiten.
Ich wäre froh, wenn dieses gemeinsame Bemühen um die Dinge in dieser Debatte etwas deutlicher geworden wäre. Auch die Opposition hat - z. B. über den Vermittlungsausschuß - an der Gestaltung dieses Haushalts Anteil genommen. Ich meine, es würde Ihnen gut stehen, wenn Sie diesem Haushalt zustimmen würden.
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Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Zander.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Beratung des Einzelplans 15 vollzieht sich in den letzten Jahren eigentlich immer nach dem gleichen Schema: Der Sprecher der Opposition bauscht Nebensächliches aus unserem Bereich auf,
({0})
streut Verdächtigungen aus und greift Mitarbeiter wie heute etwa wieder den Präsidenten des Bundesgesundheitsamtes an, ohne daß, wie es sich ja wohl versteht, die Beamten hier Gelegenheit hätten, sich zur Wehr zu setzen.
({1})
- Deswegen stehe ich ja auch hier, und dazu werde ich gern einiges sagen. Ich bin ja erst am Beginn meiner Rede.
Meine Damen und Herren, ich möchte ganz ausdrücklich ein Wort der Anerkennung für die Mitarbeiter unseres Ministeriums und der nachgeordneten Behörden sagen. Sie tragen durch ihre Arbeit mit dazu bei, daß vielen Menschen in unserem Lande Sorgen erspart bleiben und vielen Menschen in unserem Lande notwendige Hilfen angeboten und bereitgestellt werden.
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Ich weise das, was hier an Vorwürfen vorgetragen wurde, zurück und werde darauf am Schluß meiner Ausführungen noch im einzelnen eingehen.
Zuvor möchte ich aber deutlich machen, wofür der Haushalt des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit steht. Er steht für die Familien, er steht für die junge Generation in unserem Land, er steht für viele Menschen, die schwach und hilfsbedürftig sind, er steht für die Verbraucher, die Schutz vor gefährlichen Stoffen, vor Giften, vor Chemikalien in den Lebensmitteln brauchen und die wir auch vor schlimmen Folgen von Arzneimitteln schützen müssen.
Was die Familien angeht, so enthält dieser Einzelplan 15 trotz der jetzt teilweise zurückgenommenen Leistungen ein beachtliches Niveau des Familienlastenausgleichs. Familienpolitisch wünschenswert wären mit Sicherheit höhere Kindergeldsätze, finanzpolitisch aber sind uns, wie Sie, meine Damen und Herren, doch alle wissen, hier Grenzen gesetzt, die wir nicht überschreiten können. Auch ich bedaure das, aber man kann angesichts der Notwendigkeit von Einsparungen ein Leistungsgesetz vom
Umfang des Kindergeldgesetzes doch nicht völlig außerhalb der Betrachtung lassen.
Wenn man sich vor Augen führt, daß der Bundeshaushalt im Jahre 1981 19,3 Milliarden DM Kindergeldleistungen enthalten hat, also mehr als beispielsweise der Haushalt des ganzen Bundeslandes Hessen mit 18,3 Milliarden oder wesentlich mehr als der Haushalt des Landes Rheinland-Pfalz mit rund 11,8 Milliarden DM, wenn man sich also diese Größenordnung vor Augen führt, kann man verstehen, daß angesichts unabweisbarer Einsparungen beim Kindergeld nicht alles unverändert bleiben konnte.
Die Bundesregierung hat seit Jahren große Anstrengungen unternommen, um die wirtschaftliche Lage der Familien u. a. auch durch Erhöhung des Kindergeldes zu verbessern. So ist in den letzten sechs Jahren, in denen die Lebenshaltungskosten um etwa 27 % gestiegen sind, das Kindergeld für zweite, dritte und weitere Kinder wesentlich stärker als die Lebenshaltungskosten gestiegen. Die Kindergeldleistungen für eine Vierkinderfamilie sind jetzt von 650 DM um 40 DM auf 610 DM abgesenkt worden. Das durchschnittliche Kindergeld pro Kind in dieser Vierkinderfamilie verändert sich demgemäß um 10 DM von 162 auf rund 152 DM. Ich finde, das ist immer noch ein ganz beachtlicher staatlicher Beitrag zur Sicherung des Lebensstandards von Familien mit Kindern. Die jetzigen Kindergeldsätze betragen 50 DM für das erste, 100 DM für das zweite, 220 DM für das dritte und 240 DM für die weiteren Kinder.
Sie alle, meine Damen und Herren, wissen auch, daß uns eine einkommensabhängige Gestaltung des Familienlastenausgleichs lieber gewesen wäre.
({3})
Sie alle wissen auch, daß in den Beratungen der hinter uns liegenden Monate von seiten der Opposition keine Vorschläge für eine sozial ausgewogenere Gestaltung des Familienlastenausgleichs gekommen sind. Ganz im Gegenteil. Die Unionsparteien haben die Chance verbaut, beim Kindergeld Kürzungen zu vermeiden und statt dessen die Kinderbetreuungskosten im Steuerrecht abzuschaffen, die nur besser verdienende Familien begünstigen. Da, meine Damen und Herren, hätten Sie sowohl Familiensinn als auch Empfinden für soziale Gerechtigkeit beweisen können.
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Ich möchte, daß das auch für die Zukunft ganz deutlich in unserem Bewußtsein erhalten bleibt. Wenn die Union im Bundesrat keinen Widerstand geleistet hätte, dann wäre den Familien mit zwei und drei Kindern der Wegfall von je 20 DM erspart geblieben.
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Weil das so ist, muß ich dabei bleiben: Der Einzelplan 15 spiegelt auch nach diesen schmerzhaften, aber angesichts der Haltung von CDU und CSU im Bundesrat unvermeidlichen Kürzungen immer noch ein respektables familienpolitisches Engagement der sozialliberalen Koalition wider.
({6})
Der Einzelplan 15 steht auch für die junge Generation in unserem Land. Für die junge Generation muß viel getan werden, nicht nur vom Bund, nicht nur in unserem Haushalt. Die junge Generation sieht sich in den letzten Jahren mit neuen und schwerwiegenden Problemen konfrontiert, mit Problemen, die nicht allein mit Geld zu lösen sind, Problemen, von denen wir uns als Ältere auch nicht mit finanziellen Leistungen an die junge Generation freikaufen können.
Im November des vergangenen Jahres habe ich den Mitgliedern des Bundestages die Studie „Jugend in der Bundesrepublik heute - Aufbruch oder Verweigerung" zugesandt. In dieser Studie haben wir zusammenzutragen versucht, was die jungen Menschen heute bewegt, um ihre Sicht der Dinge und ihr Verhältnis zu Gesellschaft und Staat verständlicher zu machen.
Wir werden die Ablehnung des Staates, die man gelegentlich antrifft, die Ablehnung der parlamentarischen Arbeit, der Parteien bei Teilen der Jugend nicht allein dadurch überwinden können, daß wir Vertreter der Jugend anhören und mit ihnen reden, sondern vor allem dadurch, daß wir eine praktische Politik betreiben, in der diese Jugend auch ihre Sorgen und Vorstellungen wiedererkennt.
Die Zukunftschancen junger Menschen in Ausbildung und Beruf und in anderen gesellschaftlichen Bereichen müssen deutlich verbessert werden.
Vor allem muß die junge Generation wieder Spielraum für eigenes Tun und Selbstgestaltung gewinnen. Viele von ihnen klagen nämlich darüber, daß wir Älteren die Jungen verplanten, daß wir sie in Beton und Paragraphen einmauerten.
Eine der Möglichkeiten, meine Damen und Herren, eigene soziale Erfahrungen mit Gleichaltrigen zu machen, bieten die vielfältigen Formen der Jugendarbeit, die durch den Bundesjugendplan gefördert werden. Ich freue mich, daß es gelungen ist, in einer Phase außerordentlicher finanzwirtschaftlicher Schwierigkeiten beim Bundesjugendplan nicht nur Kürzungen zu vermeiden, sondern die Ansätze um 4 Millionen DM gegenüber den Soll-Ansätzen 1981 zu erhöhen. Dies ist - auch auf dem Hintergrund der Kostensteigerung - sicher kein überwältigender Ausbau. Wir dokumentieren mit dieser Steigerung aber, daß die Jugendpolitik bei uns einen hohen Stellenwert hat.
Herr Kollege Rose, ich kann auch nicht akzeptieren, daß es Klagen von Jugendverbänden über die Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit gibt. Ganz im Gegenteil.
(Zuruf des Abg. Dr. Rose ({7})
Ich habe eben den Geschäftsbericht der Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe auf den Tisch bekommen. Das ist sicher eine repräsentative Stimme. Es heißt in diesem Geschäftsbericht über die Zusam4778
menarbeit mit unserem Haus: „Die Zusammenarbeit mit dem BMJFG gestaltete sich im Berichtsjahr außerordentlich kooperativ." Das ist eine repräsentative Stimme. Mir ist das auch aus vielen anderen Bereichen bekanntgeworden.
({8})
- Herr Kollege Dr. Rose, wenn Sie andere Stimmen oder konkrete Beispiele nennen: Wir sind daran interessiert, solche Kritik abzubauen. Wir tun von uns aus alles, um solcher Kritik entgegenzukommen.
({9})
Wir wollen, was die Anhebungen im Bundesjugendplan angeht, versuchen, durch eine Umschichtung die Mittel vor allem in den Breitenprogrammen der politischen Bildung einzusetzen, mit einem deutlichen Schwergewicht auf der Arbeit mit Hauptschülern, Berufsschülern und jungen Arbeitslosen. Ich glaube, auch das ist wohl in unser aller gemeinsamem Interesse.
Meine Damen und Herren, ich sagte schon: Der Einzelplan 15 steht auch für Schwache und Hilfsbedürftige. Dafür nur eines von vielen Beispielen: die Situation psychisch Kranker. Der Kollege Hoffmann ist darauf schon eingegangen. Die Bundesregierung hält am Modellprogramm für die Psychiatrie fest, weil sie nach wie vor der Überzeugung ist, daß die psychiatrische Versorgung dringend verbessert werden muß. Wir waren zwar gezwungen, das finanzielle Gesamtvolumen zu verringern, auch deshalb, weil statt elf nur sechs Länder bereit waren mitzumachen. Das Modellprogramm ist aber angelaufen. Es wird über die vollen fünf Jahre durchgeführt. Für 1982 haben wir einen Betrag von 55 Millionen DM vorgesehen.
Dienst an Hilfsbedürftigen leisten auch die vielen Tausende von jungen Menschen im Zivildienst, für den wir jetzt zuständig sind. Im Interesse der Jugend hoffe ich, daß wir bald gemeinsam eine Novellierung des Zivildienstgesetzes zustande bringen werden.
({10})
Meine Damen und Herren, soweit zu einigen wichtigen Ansätzen dieses rund 18,8 Milliarden DM umfassenden Haushalts.
Nun zu einigen Einzelfragen, Herr Kollege Rose, die Sie hier angesprochen haben. Ich möchte noch einmal sagen: Aus meiner Sicht sind das aufgebauschte Nebensächlichkeiten, die in Wirklichkeit weder typisch für diesen Haushalt sind noch im einzelnen sachlich berechtigt sind. Dazu einige wenige Bemerkungen.
({11})
- Sicher wichtig, Herr Kollege Rose. Aber ich muß zu allen diesen Punkten sagen, daß sie uns ausgiebig im Haushaltsausschuß und im Fachausschuß beschäftigt haben, wo sie auch hingehören. Meines Erachtens haben sie im einzelnen nicht den Stellenwert, hier in der Plenardebatte diskutiert zu werden.
Dennoch veranlaßt mich Ihre Rede, darauf einzugehen.
Ich möchte erstens etwas zur Rolle der Forschung im Bundesgesundheitsamt sagen. Der Deutsche Bundestag hat durch seine Gesetze dem Bundesgesundheitsamt in den letzten Jahren ständig neue Aufgaben zugewiesen. Ich nenne nur die folgenden Gesetze: Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz, Arzneimittelgesetz, Seuchen- und Tierseuchengesetz, Weingesetz, alle Umweltgesetze, Betäubungsmittelgesetz, schließlich das Chemikaliengesetz.
Die erforderlichen Stellen, um die Arbeit mit diesen Gesetzen beim Bundesgesundheitsamt durchführen zu können, wurden aber nur zum Teil oder auch gar nicht, wie Sie wissen, bewilligt. Dann darf es doch niemanden wundern, wenn sich immer mehr Wissenschaftler in Berlin mit der Umsetzung solcher Gesetze zu Lasten der Forschung im Bundesgesundheitsamt beschäftigen müssen.
({12})
- Herr Kollege Rose, ich möchte die zehn Minuten Redezeit, die ich habe, nicht teilen. Aber bitte, für Sie gern.
Herr Staatssekretär, geben Sie mir dann jetzt recht, daß es keine Nebensächlichkeit war, wenn ich zitiert habe, daß das Bundesgesundheitsamt auf Grund von Gesetzen, die dieses Haus beschlossen hat, so überfordert ist, und daß das diesem Haus heute bekanntgemacht werden muß?
Herr Kollege Rose, so, wie Sie die Frage stellen, gebe ich Ihnen recht. Aber ich habe vorhin diese Begründung und diesen Sachzusammenhang mit den wachsenden Aufgaben durch die Gesetzgebung dieses Hauses, des Deutschen Bundestags, so nicht verstanden. Ich habe Sie vielmehr so verstanden, daß Sie eine Kritik am Ministerium und dessen Führung gegenüber dem Bundesgesundheitsamt hier ausgesprochen haben. So, wie Sie es jetzt formuliert haben, gebe ich Ihnen recht. Da gibt es keinen Dissens.
Ich nenne ein weiteres Stichwort: die Notwendigkeit eines hauptamtlichen Vizepräsidenten. Es war der Haushaltsausschuß, Herr Kollege Rose, der ein Gutachten bei der Firma WIBERA bestellt hat, in dem ausdrücklich wegen der Breite der Aufgaben des Bundesgesundheitsamts und der Breite der damit verbundenen Leitungsaufgaben ein hauptamtlicher Vizepräsident für erforderlich gehalten wurde. Einer Oberbehörde mit 1 600 Mitarbeitern und mit einer so breiten Aufgabenstellung wie dem Bundesgesundheitsamt sprechen Sie einen Verwaltungsleiter ab? Ich glaube, das zeigt einfach wenig Kenntnis von Führungsstrukturen in diesem Amt.
({0})
Schließlich komme ich zu der behaupteten Gängelung bei Arzneimitteln. Was gäbe es für ein Geschrei in diesem Lande - zu Recht, finde ich -, wenn das
Bundesgesundheitsamt bei Krebsverdacht, zumal bei hartem Krebsverdacht, nicht unverzüglich mit einem Verbot einschreiten würde?
Die Greiser-Liste: Das ist ein vom Bundesminister für Forschung und Technologie gefördertes Forschungsvorhaben ohne amtlichen Charakter.
Hinsichtlich des Berichtes über das Arzneimittelgesetz haben wir den Präsidenten des Deutschen Bundestages um eine Fristverlängerung bis Februar gebeten, da wir in diesem Bericht noch eine gegenwärtig laufende Initiative zur Verschärfung des Tierarzneimittelrechtes berücksichtigen wollen.
Ich denke, diese Beispiele machen deutlich, daß die Kritik am Bundesgesundheitsamt so, wie sie vorgetragen worden ist, weder pauschal noch im einzelnen berechtigt ist.
Ich möchte schließen mit dem Dank an die Herren Berichterstatter, mit dem Dank an alle, die in den Ausschüssen des Deutschen Bundestages und im Ministerium selbst am Zustandekommen dieses Haushaltes mitgewirkt haben. - Ich danke Ihnen.
({1})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache zu diesem Einzelplan.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 15, Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit. Wer dem Einzelplan 15 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Enthaltungen? - Der Einzelplan 15 ist angenommen.
Ich rufe auf: Einzelplan 30
Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschnung und Technologie
- Drucksache 9/1201 Berichterstatter: Abgeordnete Dr. Dübber
Dr. Stavenhagen
Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Stavenhagen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bewundere den Einfallsreichtum der Bundesregierung, wenn es darum geht, mit buchhalterischen Tricks Lücken im Haushalt zu schließen. Wir haben beim Bundeshaushalt 1982 nicht nur für den gesamten Haushalt eine globale Minderausgabe von 800 Millionen DM, sondern wir haben im Einzelplan 30 auch noch gewissermaßen eine globale Minderausgabe zweiter Ordnung in Höhe von 150 Millionen DM. Im Klartext: Dem Forschungsminister ist es nicht gelungen, seinen Haushalt ordnungsgemäß aufzustellen. Er behält sich diese 150 Millionen DM gewissermaßen als Reserve in der Hoffnung vor, sie im Laufe des Jahres dann schon irgendwo einzusparen. Dabei hat der Bundesrechnungshof wiederholt kritisiert, daß globale Minderausgaben immer mehr zu einem Finanzierungsinstrument werden. Tatsächlich verwischen sie das nicht ordnungsgemäße Aufstellen eines Haushaltes.
({0})
Der Einzelplan 30 wird auch in seiner Struktur zunehmend schlecher; denn die institutionelle Förderung von Forschungseinrichtungen wird nicht entsprechend der Preissteigerungsrate erhöht. Bei den Investitionsansätzen vieler Forschungseinrichtungen geht es sogar rückwärts. Die Konsequenz ist, daß diese Einrichtungen ihre Forschung nicht mehr im bisherigen Umfang fortführen können. Wir müssen uns aber im klaren darüber sein, daß Einsparungen heute die Arbeitsplätze von morgen beeinträchtigen.
({1})
Gerade in dieser Situation, wo wir uns der 2-Millionen-Marke bei den Arbeitslosen nähern, ist es unsinnig, in der Forschung mit Blick auf die Zukunft nicht genügend zu tun.
({2})
Die Wirtschaftsministerkonferenz hat deshalb auch mit großer Mehrheit gefordert, einen Teil der direkten Forschungsförderung auf indirekte Förderung umzustellen. Sie, Herr Minister, haben das als eine abstrakte Diskussion über das angemessene Verhältnis von direkter zu indirekter Förderung bezeichnet. Das ist keine abstrakte Diskussion. Das Problem ist: Wie bekommen wir ausreichendes, wirtschaftlich nutzbares Wissen?
Nehmen wir als Maßstab zur Beantwortung dieser Frage einmal die Entwicklung der Anzahl der Patente. Wenn wir einen Vergleich dieser Entwicklung in Deutschland in den Jahren 1970 bis 1980 zu der in den USA und in Japan ziehen, dann stellen wir fest, daß die Zahl der jährlichen Patentanmeldungen in Japan in diesem Zeitraum von rund 131 000 auf 191 000 gewachsen ist, in den USA von rund 100 000 auf rund 104 000 zugenommen und bei uns von rund 66 000 auf 51 000 abgenommen hat. Bei uns läuft es allmählich nach dem Motto: Die Fertigung nach Hongkong - die Forschung in die USA! Dann bleibt uns immer noch die Verwaltung; in der sind wir j a Weltmeister.
Die „Wirtschaftswoche" hat am 6. November 1981 auf diesen Tatbestand hingewiesen. Sie zitiert Sie, Herr Minister: „Wir verfrühstücken unsere Zukunft."
({3})
Professor Giersch, einer unserer namhaften Wirtschaftswissenschaftler, stellt fest, daß es für die Wettbewerbsposition der deutschen Wirtschaft und das künftige Wirtschaftswachstum notwendig ist, daß sich das Angebot an wirtschaftlich relevantem Wissen steigern läßt.
Wie man in dieser Situation - das ist nicht Ihr Einzelplan; das will ich ausdrücklich sagen; aber es
ist Forschungsförderung, und wir diskutieren hier ja mit der gesamten Bundesregierung - die Personalkostenzuschüsse für die Forschung kürzen kann, wird ewig Ihr Geheimnis bleiben. Das ist ein ausgemachter Unfug; denn gerade dieses Programm wurde von der Wirtschaft aufgegriffen. Es war unbürokratisch, hat gut funktioniert, aber gerade hier kürzt man, indem man den Kreis der Betriebe, die diese Zuschüsse in Anspruch nehmen können, drastisch einschränkt.
({4})
Aber auch bei der Spitzenforschung ist die Lage nicht günstig. Der frühere Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Professor Maier-Leibnitz, weist darauf hin, daß der deutsche Anteil an internationaler Spitzenforschung bei etwa 1 % liegt. Der Präsident der Technischen Universität München, Professor Wild, sagt, daß der Vorstoß in wissenschaftliches Neuland in den Naturwissenschaften heutzutage nur noch selten von deutschen Forschern geleistet wird.
Schauen wir uns einmal die Statistik der Nobelpreise und anderer hoher internationaler Auszeichnungen an! Zwischen 1901 und 1944 gab es 34 Nobelpreisverleihungen an Deutsche. Von 1944 bis heute gab es nur noch 13. Im vergleichbaren Zeitraum wurden 113mal amerikanische Forscher mit diesem Preis ausgezeichnet und 35mal britische Forscher.
Meine Damen und Herren, das Klima für Forschung, die Leistungsfähigkeit unserer Forschung, ist nicht mehr das, was es war. Das muß uns alle besorgt machen. Auch in der Forschung gilt das Gesetz des abnehmenden Grenzertrags. Es wird also zunehmend schwieriger, mit dem eingesetzten Forschungsgeld auch wirklich Resultate zu erzielen. Gerade wenn man das erkennt, ist es unsinnig, in diesem zukunftsgerichteten Bereich in wichtige Dinge hineinzuschneiden.
({5})
Herr Minister, Sie haben einige Bereiche genannt, die Sie in der Zukunft als Schwerpunkte herausstellen wollen. Sie nennen die Elekronik, die Biotechnologie und andere Bereiche. Solchen Schwerpunktbildungen stimmen wir ausdrücklich zu. Was Sie aber nicht geleistet haben, ist, andererseits auch Bereiche auszugucken, die dann eben nachrangig bedient werden müssen. Die Umstrukturierung des Foschungsetats, die Sie bei Ihrem Amtsantritt angekündigt haben, haben Sie bis heute nicht geleistet. Noch immer ist der Forschungsetat ein Sammelsurium von über 6 000 Forschungsprojekten. Noch immer haben Sie das Problem mit viel zu vielen Gutachtern und viel zu vielen Gutachten.
Im „Rheinischen Merkur" heißt es zu diesem Thema: „Die Flucht in die Gutachterei ist nichts anderes als eine Flucht vor der Verantwortung." Professor Bonus, der Autor des betreffenden Artikels, schreibt:
Während die Politiker in Warteschleifen über
dem heillosen Schlachtfeld ideologischer Debatten in den eigenen Reihen kreisen, dekoriert die Wissenschaft die klaffenden Lücken mit hochkarätigem Gedankengut.
Es kommt nicht auf die Zahl der Gutachten an, sondern darauf, daß man weiß, was für eine Politik man machen muß.
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Alle Parteien im Bundestag haben im Juni 1980 erklärt, für die Grundlagenforschung müsse mehr getan werden. Ich erinnere mich an einen Parlamentarischen Abend der Max-Planck-Gesellschaft im Dezember 1981. Da haben die Kollegen von SPD und FDP auf dem Podium einander an Versprechungen und Zusagen überboten, wie großzügig und flexibel sie bei der Forschungsförderung sein wollten und wie unbürokratisch das alles abgewickelt werden solle. Und dann haben die SPD- und FDP-Kollegen im Haushaltsausschuß die einprozentige Kürzung der Personalstellen im Forschungsbereich, die ohnehin unsinnig ist, auch noch mit der Bürokratie eines Oberpostdirektors exekutiert: schön laufbahngruppengerecht, genau schön der Reihe nach.
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- Ich bitte um Nachsicht; ich kann auch eine andere Behörde nennen. Dies hier laufbahngruppengerecht zu machen, wo es um Wissenschaft und nicht um Bürokratie geht, ist eine höhere Form von Schwachsinn.
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Wir haben im Haushaltsausschuß darüber diskutiert. Sie haben in Aussicht gestellt, vielleicht beim Haushalt 1983 von dieser laufbahnberechten Kürzung Abstand zu nehmen und hier mehr Flexibilität walten zu lassen. Sie hätten es hier machen sollen. Sämtliche Forschungseinrichtungen und viele Bundesländer haben zu recht gegen diesen Unsinn protestiert. Wir brauchen in diesem Bereich Flexibilität und nicht bürokratisches Exekutieren.
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Der Minister hat ja gestern endlich eine Meldung über einen vorübergehenden Erfolg bei seinem größten Problem in seinem Haushalt, dem Schnellen Brüter, verkündet. Jetzt endlich soll die Finanzierungslücke geschlossen sein, weil auch die Länder Baden-Württemberg und Bayern ihren Elektrizitätsversorgungsunternehmen empfehlen, sich an diesen Kosten zu beteiligen.
Ich weise Sie darauf hin, Herr Minister, daß das Land Baden-Württemberg hieran gewisse Voraussetzungen geknüpft hat, vor allen Dingen, daß der Parlamentsvorbehalt für die Inbetriebnahme des Schnellen Brüters vom Tisch kommt und daß die Bundesregierung mit ihrer Übung aufhört, in Bonn für die Kernenergie einzutreten, während die Regierungsparteien vor Landtagswahlen durchs Land ziehen und dort massiv dagegen auftreten.
Sie müssen wissen, Herr Minister, daß die badenwürttembergische SPD in Fellbach beschlossen hat,
daß bis 1984 überhaupt kein neues Kernkraftwerk in Baden-Württemberg gebaut werde. Herr Minister, hier müssen Sie Farbe bekennen. Wir haben Sie konkret gefragt: Stehen Sie für die notwendigen Kernkraftwerke in Baden-Württemberg ein? Ja oder nein? Erklären Sie das hier und sagen Sie es dann Ihrer Landespartei in Baden-Württemberg!
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Trotz dieser scheinbaren Schließung der Finanzlücke muß man natürlich darauf hinweisen, Herr Minister, daß Sie immer noch mit getürkten Zahlen rechnen. In dem, was Sie vor wenigen Tagen im Forschungsausschuß vorgetragen haben, stehen für den Schnellen Brüter immer noch 5 Milliarden DM. An diese Summe, Herr Minister, glauben Sie doch selber längst nicht mehr. Warum müssen Sie eigentlich immer erst ein halbes Jahr warten, wenn wir Ihnen die neuen Zahlen sagen, bevor Sie sie dann übernehmen, weil Sie nicht anders können? Der Schnelle Brüter wird teurer als 5 Milliarden DM.
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Das verspreche ich Ihnen. Denn erstens gibt es bei den Genehmigungsverfahren weitere Verzögerungen. Zweitens gibt es, wie man hört, Schwierigkeiten mit der Stahlummantelung. Drittens haben Sie hier in Ihrer Aufstellung immer noch die Hoffnung stehen, daß Holland und Belgien sich mit je 470 Millionen DM daran beteiligen. Das sind je 138 Millionen DM mehr, als bisher versprochen. Ich lese Ihnen vor, was die holländische Regierung am 16. November 1981 dazu erklärt hat:
Mit den Partnerstaaten des Kalkar-Projekts sollen Beratungen eingeleitet werden zur Prüfung der Frage, auf welche Weise der holländische Beitrag zum Kalkar-Projekt beendigt werden kann, sobald dies vertraglich möglich ist, und wie er vorher auf ein Minimum beschränkt werden kann.
Das ist die Regierungserklärung der Holländer. Und da glauben Sie im Ernst, daß die Ihnen 138 Millionen DM mehr als vorher bezahlen. Ihre Rechnung stimmt doch vorn und hinten nicht. Es wäre für dieses Projekt gut, wenn Sie endlich Zahlen, die realistisch sind, auf den Tisch legen wollten.
Herr Minister, alle Haushaltspolitiker haben sich im Haushaltsausschuß unter Hintanstellung aller haushaltsrechtlichen Bedenken wirklich bemüht, diesem Projekt zum Erfolg zu verhelfen. Von Rechts wegen dürfte dies gar nicht etatisiert werden; denn es ist nicht durchfinanziert. Es ist bis vor wenigen Tagen nur bis Ende Februar des laufenden Jahres finanziert gewesen. Das ist ein Skandal.
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Sie müssen Projekte vorlegen, die in der Laufzeit der mittelfristigen Finanzplanung wenigstens einigermaßen solide finanziert werden.
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Deswegen können Sie die Dinge hier nur in Ordnung bringen, wenn Sie eine zeitnahe Kostenberechnung machen, wenn Sie zu vernünftigen Absprachen mit den EVU kommen, wenn Sie vor allen Dingen hier Flagge zeigen und dafür sorgen, daß der Parlamentsvorbehalt vom Tisch kommt und wenn Sie dafür sorgen, daß Ihre Landesparteien in den Bundesländern nicht etwas ganz anderes als Sie hier in Bonn sagen.
({14})
Das wäre vernünftige Forschungspolitik, und damit würden Sie für das eintreten, was die Zukunft unseres Landes erfordert.
Wir können dem Einzelplan 30 in diesem Jahr angesichts der darin enthaltenen Probleme nicht zustimmen.
({15})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Vosen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es sei gestattet, Herr Stavenhagen, einige Ausführungen zu Ihrem Beitrag zu machen. Ich meine, hier kommt das wieder zum Tragen, was wir hier ständig beobachten. In erster Linie wird hier etwas mies gemacht. Es wird kein konstruktiver Beitrag geleistet, sondern Sie machen nur mies.
({0})
Herr Stavenhagen, Sie fordern in diesem und bei jedem Einzelplan immer mehr, und Sie sagen, daß der Haushalt insgesamt kleiner, niedriger sein soll.
({1})
Das verträgt sich schon rein buchhalterisch nicht, und politisch ist es unanständig; so möchte ich es bezeichnen.
({2})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Stavenhagen?
Es tut mir leid. Ich habe in meiner Rede nur eine relativ kurze Zeit. Ich bin aber vielleicht bereit, im Laufe meiner Rede eine Zwischenfrage zu einem Sachproblem zuzulassen.
({0})
- Ich pflege meine Reden selbst zu schreiben, Herr Kollege.
Ich komme zu einem dritten Punkt. Sie werfen der SPD oder der Koalition vor, sie würde in der Forschungspolitik nicht an die Zukunft denken. Ich werde dies in meiner Rede im einzelnen widerlegen und werde nachweisen, daß wir an die Zukunft denken, daß das also anders ist, als Sie es darstellen.
({1})
In Ihrem ersten Beitrag haben Sie dargestellt, daß in der Forschung eine Politik durchgezogen werden soll, die, wie ich es verstanden habe, zu mehr Bürokratismus führt. Sonst reden Sie anders. Wenn ich das, was Sie verlangt haben, rein zahlenmäßig be4782
trachte, so kommt dabei mehr Bürokratismus heraus.
Ich meine letztlich, Herr Stavenhagen, es wäre gut, wenn Sie als Haushälter hier etwas mehr zum Haushalt sprechen würden.
({2})
Ich habe eigentlich nur beim Schnellen Brüter gehört, daß Sie zum Haushalt insgesamt Stellung genommen haben.
({3})
- Sie brauchen sich nicht zu erregen. Auch wir müssen alles ertragen, was Sie hier vortragen, und deswegen sollten Sie jetzt zuhören. Es geht jetzt um den Haushalt.
({4})
Der Einzelplan 30 für den Bereich Forschung und Technologie gehört mit einer Steigerungsrate von 3,7 % zu den Einzelplänen des Bundeshaushalts, die über der durchschnittlichen Steigerung des Gesamthaushaltes liegen. Das ist ein erstes Indiz dafür, daß hier einiges mehr getan wird.
({5})
Der Gesamthaushalt des Bundes steigt, wie wir wissen, „nur" um 3,2% zum Ist 1981, also insgesamt erheblich. In der angegebenen Steigerungsrate des Einzelplans 30 sind die Sonderprogramme Stahlforschung, Mikroelektronik und optische Nachrichtentechnik nicht enthalten. Rechnet man diese 280 Millionen DM noch hinzu, dann kommen wir auf eine Gesamtsteigerung von immerhin 8,3 %. Bei einer Gesamtsteigerung des Haushalts von 3,2 % läßt sich dieser Forschungshaushalt also durchaus sehen, Herr Stavenhagen.
Die allgemeinen Finanzprobleme, die bei der Erstellung des Haushaltsplans zu lösen waren, haben die für den Haushaltsplan zuständigen Politiker der SPD/FDP-Koalition bei der Festlegung des Ausgabenbereichs des Einzelplans 30 zu Kürzungen gezwungen. Sie haben auch eine angesprochen. Der Haushaltsentwurf wurde um insgesamt 206 Millionen DM gekürzt, wovon 56,5 Millionen DM auf gezielte Einzelkürzungen entfallen. Unsere Haushälter haben hier also sehr sorgfältige Arbeit geleistet. Wir haben auch die von Ihnen angesprochene Kürzung von 150 Millionen DM hinzunehmen; ich glaube aber, daß dies gelingen wird.
Unter den schwierigen finanziellen Umständen war es nicht leicht, im Haushalt Akzente für reale Zuwächse zu setzen. Trotzdem ist dies gelungen. So sollen z. B. durch gezielte Forschungsförderung wettbewerbsfähige Arbeitsplätze, von denen Sie nicht gesprochen haben, Herr Stavenhagen, in der Zukunft erhalten und geschaffen werden.
({6})
Die Forschungspolitik des Bundes ist so angelegt,
daß möglichst wirkungsvolle Beiträge zur langfristigen Modernisierung unserer Wirtschaft geleistet werden. Dies geschieht vor allen Dingen im Bereich der Elektronik, der optischen Nachrichtentechnik, der technischen Kommunikation, der Informationsverarbeitung, der Software-Technologie, der Biotechnologie und der Fertigungstechnik. Diese Felder der Forschungsförderung entscheiden in naher Zukunft über die Produktion einer Vielzahl von Branchen unserer Wirtschaft. Wir stehen in diesen Bereichen in hartem Wettbewerb mit unseren Konkurrenten auf den Weltmärkten.
Beispielhaft in diesem Zusammenhang ist das Sonderprogramm zur Förderung der Mikroelektronik - das haben Sie auch verschwiegen, Herr Stavenhagen; dieses Programm ist auch eine positive Komponente dieses Haushalts - mit je 100 Millionen DM in den nächsten drei Jahren, welches der deutschen Industrie helfen soll, Innovationsmöglichkeiten, die durch die Mikroelektronik geboten werden, schnell zu nutzen und damit zugleich Arbeitsplätze und technisch wettbewerbsfähige Produkte zu schaffen. Die modernen Steuerungen für unsere Werkzeugmaschinen entscheiden in den nächsten Jahren über die zukünftige Stellung des deutschen Maschinenbaues. Herr Stavenhagen, ich lade Sie ein, gehen Sie einmal mit mir zur Technischen Hochschule Aachen und schauen Sie sich diese Steuerungen einmal an. Dann wissen Sie, worauf das Schwergewicht in der Zukunft liegt - bestimmt nicht auf Ihrer Schimpferei.
({7})
- Deswegen nicht, Herr Stavenhagen.
Auch die Stahlforschung, für die je 150 Millionen DM für die nächsten vier Jahre ausgewiesen sind, und die Förderung der optischen Nachrichtentechnik mit je 30 Millionen DM in den nächsten drei Jahren weisen in diese Richtung.
Die Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft wird natürlich auch davon abhängen, ob es gelingt, neue zukunftsorientierte Technologien rasch einer möglichst großen Zahl von Unternehmen zugänglich zu machen. Das ist der sogenannte Technologietransfer, eine ganz entscheidende Frage. Es stehen deshalb für die Innovationsberatung, für die externe Vertragsforschung, aber auch für die Zusammenarbeit mit anderen Staaten auf dem Gebiet von Forschung und Entwicklung ausreichend Mittel zur Verfügung.
Ein besonderer Schwerpunkt des Einzelplans 30 ist mit Forschungsmitteln in Höhe von über 2,5 Milliarden DM der Bereich der Energieforschung und -technik. Das ist an und für sich auch ein Betrag, der sich sehen lassen kann, Herr Stavenhagen.
({8})
- Sie haben im großen und ganzen zugestimmt, Herr Lenzer.
Im Rahmen der Aufgaben des Bundes für die Sicherung der Zukunft nimmt der Energiebereich nach dem Verkehrsbereich und der Forschung
außerhalb der Hochschulen den dritten Platz ein. Also: das meiste Geld für die Zukunftssicherung, auf dem dritten Platz die Energieforschung.
({9})
- Ich sage es Ihnen jetzt. Sie können gerne fragen. Sie müssen jetzt nur zuhören. Gerade wegen der Bedeutung der Forderung „weg vom 01" muß dieser Bereich weiterhin hohe Priorität haben. Der Umfang der Förderung der nichtnuklearen Energieforschung mit 738 Millionen DM zeigt auf, daß wir der Kohletechnologie, aber auch neuen und erneuerbaren Energiequellen große Aufmerksamkeit widmen. Im Jahre 1980 wurden für nichtnukleare Energieforschung - auf diesem Gebiet müssen wir in den nächsten Jahren übrigens noch mehr tun - noch 26 Millionen DM ausgegeben. Im jetzt vorliegenden Haushaltsplan können wir somit eine Steigerung der Mittel um 118 Millionen DM ausweisen. Das ist, wie ich glaube, auch ein sicheres Zeichen, daß die Bundesrepublik im Energiebereich nicht nur Kernforschung betreibt.
({10})
Im Kohleveredelungsprogramm wird die Erzeugung synthetischen Öls und Gases aus heimischer Kohle demonstriert und damit die zukünftige Grundlage geschaffen, Arbeitsplätze im Bergbau langfristig zu sichern. Bergleute werden uns dies sicher danken.
({11})
Dies gilt auch für die Versorgung unserer Wirtschaft mit eigener Energie.
Bei der Weiterentwicklung der Kernenergie werden Entsorgungstechnik und Sicherheitsforschung vorrangig bleiben.
Ansprechen möchte ich die finanziellen Schwierigkeiten, die auch Sie angesprochen haben, Herr Stavenhagen, beim Weiterbau der Reaktorlinien. Wir wissen alle, daß die Kosten beim Hochtemperaturreaktor nach Schätzung der Fachleute - Sie haben das in Frage gestellt - bis zur Fertigstellung 3 Milliarden DM betragen sollen. Die ursprünglich geschätzten Kosten betrugen für diesen Reaktortyp vor sechs Jahren, 1976, 690 Millionen DM - 690 Millionen DM damals, heute 3 Milliarden DM. Seine ursprüngliche Bauzeit sollte damals 61 Monate betragen, während nunmehr 150 Monate als unterste Grenze angesehen werden. 55 % der Mehrkosten werden durch Vorprüfungs- und Genehmigungsverfahren verursacht.
({12})
- Das ist eine Frage, wo Technische Überwachungsvereine, Landesbehörden und viele andere mitwirken. Sie können hier keine globalen Vorwürfe in dieser Art erheben.
({13})
Wenn man Sie zur Kernenergie reden hört, kommt einem das vor, als wenn eine tibetanische Gebetsmühle gedreht würde. Das ist immer das gleiche. Dabei kommt nichts Neues heraus.
({14})
Die im Jahre 1972 veranschlagten Errichtungskosten für den Schnellen Brüter in Kalkar schnellten von 1,5 Milliarden DM auf nunmehr geschätzte 5,4 Milliarden DM bis zur Fertigstellung empor. Wir werden abwarten, ob diese Zahlen richtig sind. Aber Ihre Prophetien - Sie schätzen nach oben - dienen auf alle Fälle nicht dazu, die Kosten unten zu halten, sondern Sie erreichen damit das Gegenteil. Sie fordern damit doch diejenigen, die dort arbeiten, förmlich auf, die Preise zu erhöhen. Sie sollten mal ein bißchen in Richtung Sparsamkeit und nicht in Richtung Mehrausgaben reden. Sie reden Preiserhöhungen doch förmlich das Wort, Herr Stavenhagen.
({15})
Vielleicht können Sie uns bei der Finanzierung helfen, indem Sie Ihre guten Beziehungen zur Industrie spielen lassen, denn die Industrie zahlt 316 Millionen DM zum Schnellen Brüter. Das sind 8 %.
({16})
- Sie können da helfen; der Minister tut es j a. - Bedenkt man, daß der Bund neben den Kosten für den Bau dieser neuen Reaktorlinien auch für die Forschung zwischen 5 bis 6 Milliarden DM aufgebracht hat - das sind insgesamt 14 Milliarden DM, das bitte ich einmal festzuhalten, Herr Stavenhagen, alles überwiegend Steuermittel -, kann man von der Elektrizitätswirtschaft als zukünftigem Nutzer dieser Forschung mit Recht eine höhere Beteiligung an der Fertigstellung der Reaktorlinien verlangen.
({17})
Hierüber besteht Einigkeit zwischen den Fraktionen des Hauses, glaube ich wenigstens und hoffe ich sehr.
({18})
Bisher war im Fachausschuß wenigstens nichts anderes festzustellen.
Der Herr Minister hat, wie wir alle wissen, in den vergangenen Monaten alles in seiner Kraft Stehende getan, um mit den Energieversorgungsunternehmen in der Bundesrepublik entsprechende Verabredungen zu treffen, um die Finanzierung vor allem des Schnellen Brüters in Kalkar sicherzustellen. Es gilt, so meine ich, Herr Stavenhagen, in gemeinsamer Übereinstimmung zwischen den Fraktionen dieses Hauses alles zu tun, um die Energieversorgungsunternehmen zu überzeugen, daß sie, auch im
eigenen Interesse, bei der Finanzierung mithelfen müssen. Wenn ich durch jüngste Nachrichten richtig informiert bin, sind mittlerweile die Energieversorgungsunternehmen in Deutschland dazu auch bereit.
({19})
- Das steht an, und zwar, sehr richtig, nach Prüfung von Gutachten; denn ich möchte nicht als Befürworter der Kernenergie
({20})
vor die junge Generation treten, ohne sagen zu können, es wäre nicht alles verantwortungsvoll geprüft worden, um Bedenken gegen die Kernenergie auszuräumen.
({21})
Dazu bin ich nicht bereit. Und deshalb müssen ordentliche Prüfungen vorgenommen werden.
({22})
- Herr Stavenhagen, ich komme jetzt noch zu einem Thema, das für Sie ein weiteres Reizthema ist. Deswegen möchte ich Sie bitten, hier jetzt zuzuhören.
Ein für Sozialdemokraten wichtiger Bereich der Förderung von Forschung und Entwicklung betrifft die Humanisierung der Arbeitsbedingungen. Darüber, so stelle ich nur fest, haben Sie kein Wort verloren. Hier ist es trotz knapper Mittel gelungen, den Haushaltsansatz auf 114 Millionen DM aufzustokken. Ein noch höherer Betrag steht als Verpflichtungsermächtigung in den Haushaltsjahren 1983 bis 1986 zur Verfügung.
Dieses Programm trägt dem berechtigten Verlangen der Arbeitnehmer und der Gewerkschaften Rechnung, daß der Strukturwandel, der mit starken technologischen Veränderungen in der Wirtschaft verbunden ist, von einem Programm begleitet wird, das den in der Wirtschaft beschäftigten Menschen bei der Neustrukturierung ihrer Arbeitsplätze humane Arbeitsbedingungen erschließt. Technologischer Wandel kann nach Meinung der Sozialdemokraten keinesfalls ausschließlich zu Lasten der Arbeitnehmer vollzogen werden.
({23})
Dies schließt die Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse und damit verbundener Betriebserfahrung zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen zwingend ein. In diesem Zusammenhang muß zur Durchsetzung des Programms eine starke Beteiligung der Arbeitnehmer und ihrer Betriebsräte sichergestellt sein. Humanisierung des Arbeitslebens kann nicht ohne die betroffenen Arbeitnehmer erfolgen. Wir glauben, daß wir mit der Fortsetzung des Programms zur Humanisierung des Arbeitslebens
auch in den nächsten Jahren - in Zusammenarbeit mit allen an der Wirtschaft beteiligten Gruppen, also auch den Unternehmern - einen Beitrag zum Erhalt des sozialen Friedens und - was wichtig ist - auch zur Modernisierung der Wirtschaft leisten. Zu diesem Zweck ist es auch nötig, daß die sozialwissenschaftliche Forschung nicht vernachlässigt wird. Auch dem ist durch die Haushaltsansätze Genüge getan.
({24})
- Das geschieht, soweit ich das während der Haushaltsberatungen feststellen konnte, mit Augenmaß.
({25})
Im Bereich der Umweltforschung spielen die Klimaforschung und die Entwicklung neuer technischer Verfahren, die Umweltbelastungen verhindern, eine große Rolle. Insgesamt erhalten die Bereiche Ökologie, Biotechnik, Wasserforschung und Klimaforschung eine Aufstockung von 36 Millionen DM.
Ich muß jetzt einiges - meine Redezeit geht zu Ende - kürzen; ich bitte um Verständnis. Sonst würden Sie noch mehr zum Haushalt hören.
({26})
Die Förderung von Forschung und Technologie für Entwicklungsländer und die wissenschaftlichtechnische Zusammenarbeit mit diesen Ländern bleiben ein weiterer Schwerpunkt.
Alles in allem trägt der Haushaltsentwurf des Einzelplans 30 den Notwendigkeiten einer modernen, sich weiterentwickelnden Volkswirtschaft Rechnung. Ich darf in diesem Zusammenhang dem Minister für Forschung und Technologie, Andreas von Bülow, seinen Mitarbeitern und allen an den Beratungen des Einzelplans Beteiligten - darunter waren auch einige gute Leute von der CDU, das muß ich hier an dieser Stelle ganz offen sagen; allerdings habe ich Ihren Beitrag nicht als gut empfunden, Herr Stavenhagen - recht herzlich danken.
Herr Abgeordneter, ich bitte, zum Schluß zu kommen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung zum Einzelplan 30. - Besten Dank.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Zumpfort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Stavenhagen, ich habe meinen Ohren nicht getraut. In den vorigen Jahren waren Sie immer der erste, wenn es hieß: kürzen, kürzen, kürzen; ich hatte Mühe, Sie zu überbieten. Jetzt sagen Sie plötzlich: mehr, mehr, mehr.
({0})
Ich glaube, Ihr kritisches Auge ist etwas durch die Maxime getrübt worden, die Sie soeben vorgestellt haben. Mein Vorredner hat es schon gesagt: Dieser Haushalt ist ein Haushalt, der überproportional stark steigt:
({1})
mit einem Soll-Soll-Vergleich um 8,3 % und mit einem Soll-Ist-Vergleich um sogar 9,3 %. Dies muß man Ihnen hier leider vorhalten; Sie haben da einen falschen Eindruck erzeugt.
In der Tat haben Sie eine Wunde entdeckt und den Finger da hineingelegt;
({2})
ich meine die globale Minderausgabe. Wir haben dem zwar auch nicht mit Freude zugestimmt,
({3})
aber Sie kennen doch alle das Problem in diesem Etat. Das ist so ähnlich wie bei der Bundeswehr: Durch frühere Projekte ist ein Kostenaufwuchs in die Finanzierung hineingekommen, so daß der Minister Mühe hat, Geld für neue Vorhaben zu bekommen. Mühe hat er. Ich glaube aber, er gibt sich redlich Mühe, und er kriegt das auch ganz gut in den Griff. Unter diesen Voraussetzungen, haben wir gesagt, bekommt er die Möglichkeit, die globale Minderausgabe selber zu bestimmen. Wir haben deutlich gemacht - ich möchte die Forderung hier noch einmal aufstellen, Herr Minister -, daß wir als Parlamentarier daran beteiligt werden wollen. Dies kann nur mit uns und durch uns geschehen, aber nicht an uns vorbei.
Es gibt in diesem Haushalt trotz der Probleme mit alten, großen, barocken Forschungsprojekten auch neue Schwerpunkte. Hier habe ich Ihre Kürzungsanträge vermißt, Herr Kollege Stavenhagen. Ich war der einzige. Es gab da eine Art großer Koalition, und keiner wollte da heran. Da fehlt in der Tat Ihr kritisches Auge, denn viele dieser neuen Forschungsschwerpunkte wachsen mit zweistelligen Zuwachsraten. Wir wissen, daß es gerade das Problem in der Vergangenheit war, daß das Forschungsministerium im Überfluß gelebt hat. Daraus sind sehr viele Probleme entstanden, die wir jetzt noch bereinigen müssen. Bei diesen Zuwächsen hätten wir doch etwas kritischer sein müssen. Ich stand da alleine.
Ich möchte einmal einen Teil der Probleme darstellen, um die es geht, und ich hoffe, daß sie in Zukunft abgestellt werden können. Sie berühren die Projektförderung, die Bürokratie und die mangelnde finanzielle Beteiligung der Industrie. Hier muß ich auch etwas kritischer werden, aber nicht so schlimm wie gestern abend.
Entgegen der bisher geäußerten politischen Absicht des Forschungsministers, Herrn von Bülow, ist der Bereich der Projektförderung im Haushaltsansatz um mehr als 11 % ausgeweitet worden, und zwar auf einem Stand von über 3,5 Milliarden DM mit über 7 000 Projekten. Ich halte das für keine gute Entwicklung. Die FDP hat sich auch in der Vergangenheit für eine Einengung der Projektförderung und eine Reduzierung der Zahl der geförderten Einzelvorhaben eingesetzt.
({4})
- Ich weiß. - Die FDP bewertet auch heute diese Projektförderung immer noch kritisch. Ich gebe deswegen meine Kritik auch nicht auf, dies unter anderem auch deswegen, weil durch politische Erfolgszwänge und durch haushaltstechnisch motivierte Bevorzugung kurzfristiger und mitunter auch an politischen Verwertungsstrategien orientierter Forschungsansätze sehr viel Mißbrauch geschehen ist. Dieses darf und sollte in der Zukunft nicht mehr eintreten. Deswegen müssen wir, weil wir das beim 82er Haushalt unterlassen haben, den 83er Ansatz sehr kritisch unter die Lupe nehmen.
Nach unserer Ansicht sind direkte projektgebundene staatliche Forschungsförderungsmittel eigentlich nur dann sinnvoll, wenn Risiko und Finanzbedarf zur Durchführung eines Vorhabens für das Einzelunternehmen zu groß sind. Dies gilt insbesondere für den Bereich der kleinen und mittleren Unternehmen und wenn es gilt, die internationale Wettbewerbsfähigkeit herzustellen, aber es gilt auch in Bereichen - hier gibt es einen politischen Preis, den man zu zahlen hat -, die von gesamtgesellschaftlichem Interesse sind wie z. B. dem Gesundheitsbereich, dem Umweltschutz und auch der Verbesserung der Lebensbedingungen. Dazu gehört auch die Humanisierung der Arbeit.
Nehmen wir einmal eines der neuen Forschungsprojekte, nämlich Einsatz der Mikroelektronik. Ich frage mich, ob es sinnvoll ist, den Einsatz von Mikroelektronik zu fördern, wo das eigentlich das ureigenste Interesse der Industrie sein muß.
({5})
- Wenn die es nicht schaffen, meinen Sie dann, der Staat kann dem so nachhelfen, daß die besser dazu in der Lage sind? Die nehmen das mit. Das ist für sie eine Spende.
({6})
Wo ist denn das Problem? Ich darf hier einmal aus der „Zeit" zitieren. Ich nehme an, der Herr Minister hat es gelesen, aber vielleicht haben nicht alle Kollegen es gelesen:
Die deutsche Industrie braucht nicht eine Förderung der Anwendung der Mikroelektronik, sondern den Zugang zu den neuesten Erkenntnissen in dieser Technologie. Das ist das Problem. Die kleinen und mittleren Unternehmen, deren Wohlergehen Bonn
- auch uns hier mit Recht so am Herzen liegt, brauchen nicht unbedingt Geld für ihre Produktentwicklung, sondern Informationen über die Entwicklungstendenzen. Der Einsatz von Mikroelektronik wird oft deshalb gar nicht erst versucht, weil Kenntnisse der neuen Technologie fehlen oder zu spät gewonnen werden.
Das genau ist das Problem. Der Autor kommt zu dem Schluß:
Um dieses Informationsdefizit zu füllen, müßte Bonn nicht einmal viel Geld ausgeben. Wichtiger als Hunderte von Millionen - in drei Jahren 300 Millionen DM - sind einige gute Ideen.
Da müßte eigentlich der Forschungsschwerpunkt liegen. Ich habe meine Bedenken, ob das mit diesem Ansatz, der von Null auf hundert Millionen hochgefahren worden ist, richtig gemacht wird. Hier werde ich als Haushälter kritisch sein und kritisch bleiben. Ich hoffe, daß wir das gemeinsam gut regeln werden, Herr Minister.
Nun ein Wort zu den Projektträgern. Wir hören es immer mehr, es ist auch hier schon gesagt worden; man sollte es aber nochmals sagen. Immer mehr von der Energie und der Zeit für die Forschung muß für den Aufwand geopfert werden, den man zur Abfassung der Anträge hat, um an die Forschungsmittel heranzukommen.
({7})
Die Forschungsbürokratie schlägt hier Kapriolen. Es gibt einen zu großen und einen sehr kostenaufwendigen Verwaltungsapparat.
({8})
Hier waren wir als Haushälter immer noch nicht erfolgreich genug. Hier muß immer noch etwas getan werden.
Man muß allerdings sagen: Das Ministerium hat schon reagiert. In dem von mir eben kritisierten Bereich der Anwendung der Mikroelektronik wird zum ersten Mal die sogenannte indirekte spezifische Forschungsförderung eingesetzt. Ich glaube, wir sollten das wohlwollend kritisch begleiten und gucken, ob sich dieses Instrument bewährt. Ich verspreche mir davon etwas weniger an Forschungsbürokratie.
Ich möchte den Minister aber auch auf einen Forschungsbericht der National Science Foundation in den USA hinweisen, in dem nachgewiesen wird, daß Forschungsförderung so etwas wie Glückssache ist. Man hat eine bestimmte Zahl von Forschungsvorhaben, die durch ein Gutachtergremium als forschungswürdig erklärt worden sind, einem anderen Gremium vorgelegt, und dieses kam zu dem Ergebnis, daß mehr als ein Viertel der von dem ersten Gutachtergremium befürworteten Forschungsvorhaben nicht befürwortet werden können. Das heißt, durch die zufällige Auswahl von Gutachtergremien kommt sehr viel Losglück in die Forschungsförderung hinein. Hier ist das Problem, das auch bei der deutschen Forschungsförderung existiert: Die Zahl der Gutachtergremien, die existieren und die wieder neu berufen werden, ist zu groß.
Der letzte Aspekt ist der finanzielle Aspekt. Eine stärkere Beteiligung von Errichtern, Betreibern und Nutzern von Demonstrationsanlagen an den Kosten für die Entwicklung, Errichtung und den Betrieb solcher Anlagen ist aus unserer Sicht unbedingt notwendig.
({9})
Wir sind insbesondere im Bereich der Elektrizitätswirtschaft für eine stärkere finanzielle Beteiligung an den Kosten für die Errichtung von Demonstrationsprojekten für die fortgeschrittenen Reaktorlinien.
An dieser Stelle kann man nur sagen: Wir wünschen dem Minister noch mehr Erfolg, insbesondere daß es ihm beim Schnellen Brüter gelingt, die bisher fehlenden HEW und VEW noch dazu zu bringen, ihren Beitrag zu leisten.
({10})
Zweiter Aspekt hierbei: Wir müßten die staatlichen Zuschüsse noch mehr auf den marktfernen, tatsächlichen Anteil von Forschung und Entwicklung beschränken und auf Übernahme der Restkosten und Rückzahlung der staatlichen Forschungsaufwendungen durch die zukünftigen Nutzer drängen. Dies gilt für die Urananreicherung und für die Entwicklung von Brennelementen; dies gilt auch für die Entwicklung von Entsorgungstechnologien und nicht zuletzt für die Entwicklung beim Bau des TV-Satelliten. Hier ist die Bundespost säumig. Wir wissen auch, daß die Bundesbahn bei dem Projekt Rheine/Freren säumig ist. Da müssen Sie, Herr Minister, noch mal stärker nachdrücken.
({11})
Beim Schnellen Brüter sind wir mittlerweile in der Situation,
({12})
daß die Versorgungsunternehmen eingesehen haben, daß ihr Anteil zu gering ist. Ich bin auch der festen Meinung, wäre ihr Anteil von vornherein größer gewesen, hätte man, weil das Interesse der Industrie größer gewesen wäre, den Kostenaufwuchs besser in den Griff bekommen. Das ist auch ein Grund, weswegen wir sagen: mehr finanzielle Beteiligung der Privaten an solchen Vorhaben! Ebenso wie die andere Industrie muß sich auch die Elektrizitätsversorgungsindustrie daran gewöhnen, in Zukunft einen größeren Anteil an diesen Projekten zu übernehmen.
Beim Hochtemperaturreaktor 300 ist - glücklicherweise, muß man sagen - ein brauchbares Finanzierungskonzept vorgelegt worden. Wir haben ja zusätzlich die Treuarbeit eingesetzt, um zu püfen, wie durch Aufnahme vom Fremdmitteln und über staatliche Bürgschaften eine endgültige Inbetriebnahme sichergestellt werden kann. Zu fragen ist eigentlich nur - und das ist auch das Problem, das im Hause noch nicht ganz gelöst ist -, wie man das Desinteresse der EVUs an der Nutzung verringern kann, wie man die EVUs dazu bringen kann, mehr Interesse an der Nutzung zu zeigen.
Aus industriepolitischer Sicht bietet meines Erachtens gerade der Hochtemperaturreaktor eine technologisch interessante Anwendungsbreite. Stichwortartig seien hier neben der reinen Stromerzeugung z. B. die Nutzung der Prozeßwärme, der Verbund Kohle/Kernenergie und der Wärmemarkt genannt. Dies sollte eigentlich eine dringende Veranlassung sein, mit dem Prototyp des HochtemperaDr. Zumpfort
turreaktors die notwendige Betriebserfahrung zu gewinnen, um dann über eine weitere sinnvolle Nutzung dieser Technologie nachzudenken.
Es gibt noch zwei Probleme, auf die ich gesondert eingehen werde; dann komme ich zum Schluß.
Das eine Problem ist das der Personalkürzungen im Großforschungsbereich. Was mich stört, ist folgendes. Ich habe mittlerweile ein dickes Bündel von Beschwerdebriefen der Großforschungseinrichtungen bekommen, und da bin ich sicherlich nicht der einzige. Wie war denn der Zusammenhang? Der Minister selber hat angekündigt, daß er in einem Zeitraum von fünf Jahren rund 7,5 % an Personal einsparen will, was auch richtig ist. Daran haben Sie, Herr Stavenhagen, eigentlich auch nichts auszusetzen gehabt. Was haben wir gemacht? Wir als Haushälter haben erkannt, daß die 1 %igen Stellenkürzungen, die wir für den Haushalt 1981 beschlossen hatten, nicht nur in diesem Hause, sondern auch in anderen Häusern nicht in unserem Sinne umgesetzt worden sind. Deswegen haben wir beim Haushalt 1982, als wir wiederum beschlossen haben, 1 % der Stellen zu kürzen, die Sache selber in die Hand genommen und dazu gesagt: Wir kürzen nun kegelgerecht. Dies haben wir auch im Forschungsbereich zur Grundlage machen müssen, weil die Bürokratie in der Vergangenheit auch bei der Forschung zugeschlagen hat, weil j a auch die Forschung mit Stellenplänen gewachsen ist. Also konnten wir nur die Stellenpläne und Stellenkegel nehmen.
Wir haben anschließend dem Minister die Freiheit gelassen, die Stellen, die wir zur Kürzung vorgeschlagen haben, selber umzusetzen. Ich weiß nicht, ob er den Forschungsinstituten mitgeteilt hat, daß er die Auswahl getroffen hat; denn offensichtlich sind wir, die Haushaltsabgeordneten, die Buhmänner in diesem Verfahren, und das ist das, was ich hier kritisiere.
Wir haben auf die vielen Briefe auch reagiert. Die Kollegin Simonis hat, stellvertretend für die Haushaltsgruppe der Koalition, den Instituten einen Brief geschrieben, und ich mache hier, stellvertretend für meinen Obmann, Herrn Hoppe, den Vorschlag, daß sich die Obleute der Haushaltsgruppen auf ihrer nächsten Sitzung zusammensetzen, um über Flexibilität beim Haushaltsvollzug 1982 zu sprechen.
({13})
Ich glaube, damit können wir die Probleme in diesem Bereich in den Griff bekommen.
({14})
Es kann aber nicht sein, daß uns noch ganz schnell von hinten durch die Brust per Gesetzesantrag in zweiter und dritter Lesung etwas zugemutet werden soll, was wir schon vorher abgelehnt haben. Ich denke, dieses Verfahren von seiten der Regierung war nicht ganz sauber.
({15})
- Herr Stavenhagen, wir haben j a das Problem im
Haushaltsausschuß besprochen und gesagt, im
Jahre 1983 wollen wir noch größere Flexibilität haben. Aber Sie sind doch Haushälter, und als Haushälter müssen wir doch einmal ein Exempel statuieren, damit es in Zukunft richtig geht.
({16})
- Nein, wir haben nichts versprochen, wir haben das Verfahren gewählt, das ich Ihnen dargestellt habe.
Schließlich ein Wort zur Humanisierung der Arbeit. Wir alle kennen das Problem; es ist hier öfter diskutiert worden. Es handelt sich auch hier um ein Projekt, das in der Vergangenheit zu üppig gefördert worden ist. Es ist auch immer politischer Druck von seiten der Gewerkschaften vorhanden gewesen, hier nicht zu kürzen.
Aber, meine Damen und Herren, ich darf Ihnen einmal ein Inserat aus der „Zeit" vorlesen. Das habe ich auch dem Finanzminister vorgelesen, und er verstand auch nicht, was da im Rahmen der Humanisierung der Arbeit gefördert werden soll. Dort schreibt der Projektträger aus und erbittet Angebote für eine Untersuchung. Die Untersuchung heißt - ich rede jetzt langsamer, damit die Stenographen mitkommen -:
({17})
Darstellung und Analyse disziplinspezifischer und disziplinübergreifender Forschungsansätze zur Erfassung arbeitsbedingter psychischer Belastung und Beanspruchung. - Damit diejenigen, die das Angebot lesen und sich eventuell beteiligen wollen, auch wissen, was damit gemeint ist, steht darunter in Klammern: Bestandsaufnahme und Analyse von Forschungsansätzen zur Entwicklung von Forschungsansätzen für Feldversuche.
({18})
Genau das, meine Damen und Herren, ist das Problem! Hier finanzieren wir eine Forschungsbürokratie, und die Anwender, die Betroffenen, die Arbeiter, wissen gar nicht, was sie damit anfangen sollen; sie verstehen es nämlich nicht.
({19}) Das ist das Problem!
({20})
Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, zum Schluß zu kommen. Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Wir stimmen dem Haushalt des Forschungsministers zu. Wir wissen, wo die politische Aufgabe für dieses Haus für die 80er Jahre liegt. Sie liegt darin, daß eine zweite Industrialisierungsphase vorwärtsgetrieben werden muß. Unsere Wirtschaft muß mit Unterstützung des Forschungsministers eine Art von technologischem Quantensprung machen. Das Problem für den Forschungsminister ist allerdings folgendes. Wir Haushälter fühlen uns - vielleicht lassen Sie mich das noch sagen - insbesondere bei seinem Haushalt wie Zahnärzte: Wo wir näher hinschauen, entdecken wir im4788
mer neue Löcher. Es ist dem Forschungsminister eigentlich nur zu wünschen, daß es ihm und uns gelingt, diese Löcher in Zukunft schnell zu stopfen, damit er diese Aufgabe der 80er Jahre lösen kann. - Vielen Dank.
({0})
Das Wort hat der Herr Bundesminister Dr. von Bülow.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich in wenigen Worten auf die Gegenstände der heutigen Debatte eingehen.
Zunächst zu Ihnen, Herr Stavenhagen. Die globale Minderausgabe von 150 Millionen DM ist nicht schön, sie ist aber natürlich das Ergebnis der Kürzungsaktion für 1981 und die folgenden Jahre mit einer Absenkung der mittelfristigen Finanzplanung um 2 Milliarden DM, der Probleme, die daraus entstanden sind, und des Versuchs, diese Lücke wieder zu schließen. Ich kann nur sagen, daß bei einem Etat von 6 Milliarden DM und einer Fülle von Projekten, die j a im Forschungs- und Entwicklungsbereich angesiedelt sind, die Dinge nicht so planmäßig ablaufen können wie die Automobilproduktion eines Monats, so daß es die Möglichkeit gibt, im Haushaltsvollzug diese Einsparungen zu erbringen. Ich habe ja vor dem Haushaltsausschuß meine Ehre als ehemaliger Haushälter dafür verpfändet, daß dies unter dem Strich auch dabei herauskommt.
Zur Frage der direkten und indirekten Forschungsförderung folgendes. Ich muß sagen, dies ist allmählich ein so unfruchtbarer Streit, daß man ihn nicht hier durch Beiträge weitertreiben sollte. Herr Stavenhagen, ich glaube, wir sind uns darüber einig, daß man mit Steueranreizen Durchbrüche im wissenschaftlichen Bereich grundsätzlich nicht erzielen kann, es sei denn, Herr Kaiser mit seiner OTRAG in Libyen, oder wo immer er in den nächsten Jahren angesiedelt sein mag, wird mit Hilfe der Steuergutschriften, die ihm irgendein Finanzamt - ich glaube, in der Nähe von Frankfurt - vor einigen Jahren eingeräumt hat, über eine Abschreibungsgesellschaft tatsächlich mal eine Rakete erfolgreich in den Himmel hineinbekommen. Das wäre der erste Beweis dafür, daß man über Steuervergünstigungen auch wissenschaftliche Durchbrüche erzielen kann. Ansonsten glaube ich daran nicht. Wir sollten diesen Streit beenden und sollten uns überlegen, wo in der Tat die Vorteile von indirekter Forschungsförderung - und die indirekt spezifische Förderung ist j a auch ein Ansatz, um in dieser Angelegenheit etwas weiterzukommen - und wo die Vorteile von direkter Förderung sind. Beides hat seine Nachteile, beides hat seine Mitnehmereffekte. Man muß beides sauber gegeneinander abwägen und sich dann entscheiden, wo man zu welchem Mittel greift.
Die Patentbilanz ist, glaube ich, auch ein Evergreen in den Debatten über den Forschungshaushalt. Es kommt im Grunde genommen nicht auf die
Zahl der Patente an, sondern darauf, in welchem Umfang auswertbare Ergebnisse vorliegen.
({0})
Da muß man z. B. die ganzen Manipulationen internationaler Konzerne herausrechnen, die natürlich über die Patentbilanzen Gelder von dem einen Land in das andere hin- und herschieben und die Defizite oder Gewinne dort entstehen lassen, wo sie sie am günstigsten - meistens steuerrechtlich - verkraften können. Wenn man die Patentbilanz auf die nationalen Unternehmen beschränkt, erkennt man, daß die Patentbilanz durchweg sehr positiv ist, was nicht heißt, daß Japan in den letzten Jahren nicht tatsächlich zu dem großen Herausforderer geworden ist, wie wir ja alle wissen.
Zu den Nobelpreisen. Es ist sicher richtig, daß unsere Wissenschaft nach dem Krieg - das gilt für die ganzen letzten Jahrzehnte - nicht so zugkräftig gewesen ist und nicht zu so herausragenden Ergebnissen geführt hat, wie das vielleicht in den 20er, 30er Jahren der Fall gewesen ist, bevor die hervorragendsten Wissenschaftler aus Deutschland herausgejagt oder ermordet worden sind. Dieser Aderlaß an führenden Persönlichkeiten in der wissenschaftlichen Welt wird uns vermutlich noch einige Jahrzehnte begleiten. Daran führt keine Forschungsförderung vorbei, daß dieser Tatbestand so ist. Hinzu kommt die ganze sehr schnell durchgezogene Verjüngung an den Universitäten, die nicht immer dazu geführt hat, daß überall gleichmäßige Qualität eingezogen ist.
({1})
- Dazu kann man viel sagen. Das wäre eine Frage der Bildungspolitik, die wir jetzt nicht in die Tiefe hinein erörtern können.
({2})
Lassen Sie mich noch etwas zu den Gutachten sagen. Die Zahl der Gutachten, die wir für unsere Zwecke eingeholt haben, ist in den letzten Jahren stark zurückgegangen. Ich wehre mich aber auf der anderen Seite gegen die Verteufelung von Gutachten. In den einzelnen Referaten des Ministeriums sitzen ja keine Führerpersönlichkeiten, die auf Grund eigener totaler Sachkenntnis ihre Förderentscheidungen treffen, sondern diese Förderentscheidungen sollen aufbauen auf die saubere Eruierung der gesamten Landschaft, auf die Untersuchung, was dort bisher geschieht. Man kann sich nicht allen Sachverstand ins Haus holen; sonst würde das eine Forschungsbürokratie, die vielleicht englische, französische oder amerikanische Ausmaße annähme. Diese 600 Beamte sind vielmehr darauf angewiesen, das Wissen, das es draußen im Land gibt, ins Haus zu holen und Gutachten einzuholen, um sich insgesamt schlauer zu machen. Ich glaube, im Prinzip ist dagegen nichts einzuwenden. Diese Entscheidungen müssen gut begründet werden. Auf der anderen Seite sollte man natürlich nicht aus Ängstlichkeit auf Gutachter zurückgreifen; das ist eine Selbstverständlichkeit.
Nun zur Diskussion über den Schnellen Brüter. Ich bin dankbar, daß sich Lösungen abzeichnen, die es ermöglichen, dieses Projekt über den Februar hinaus zu einem erfolgreichen Ergebnis zu führen. Es stehen eine Reihe von Bedingungen zur Debatte. Eine der Bedingungen betrifft den Parlamentsvorbehalt zur Inbetriebnahme des Schnellen Brüters. Es steht für mich außer Frage, daß man Elektrizitätsversorgungsunternehmen nicht an der Finanzierung beteiligen kann, solange dieser entscheidende Vorbehalt besteht. Deswegen haben wir den Elektrizitätsversorgungsunternehmen auch gesagt, daß wir sie um eine Beteiligung an dem Projekt für den Fall bitten, daß der Parlamentsvorbehalt aufgehoben wird. So lautet die Konstruktion.
Was die Bedingungen der Landesregierung von Baden-Württemberg angeht, so ist der Bundeskanzler darauf in seinem Brief bereits eingegangen, ebenfalls Graf Lambsdorff in der Debatte über die Fortschreibung des Energieprogramms. Die Bundesregierung ist der Meinung, daß in Baden-Württemberg im Zuge der Deckung des Grundlastbedarfs Kernkraftwerke zugebaut werden müssen. Wir bleiben aber auf der anderen Seite bei der Politik, daß wir konkrete Standortentscheidungen nicht treffen können. Das war bisher schon so. Das liegt nicht im Kompetenzbereich der Bundesregierung.
({3})
- Das war ja nicht die Bedingung, daß die Landespartei zu Kreuze kriecht. Das wird sie auch nicht tun. Solche nahezu ademokratischen Vorstellungen können Sie auch über derartige Regierungsvorbehalte nicht durchsetzen wollen. Das ist völlig ausgeschlossen.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, bitte.
Herr Minister, trifft es zu, daß Sie erklärt haben, daß die Grenze von 5 Milliarden DM beim Schnellen Brüter nicht überschritten wird?
Dazu komme ich jetzt. Die 5 Milliarden DM sind, als ich das Ministerium übernahm, in einer sehr umfangreichen Recherche nicht festgelegt, sondern von allen an der Errichtung des Schnellen Brüters Beteiligten ermittelt worden. Diese Kostenschätzung beruht auf einer sehr ehrgeizigen Annahme von Zeitplänen für die Errichtung dieses Kraftwerks. Sollte es im Rahmen dieser Parameter Veränderungen geben, sind tendenzielle Kostensteigerungen natürlich zu diskutieren. Dann stellt sich aber immer noch die Frage, ob die an den Unternehmen Beteiligten nicht alles daransetzen, diese Kostensteigerungen nicht Wirklichkeit werden zu lassen.
Was die Beteiligung von Holland und Belgien angeht, so sind wir nach wie vor guter Dinge, daß das Ziel erreicht werden kann, daß sich bei einer gewissen Plafondierung - von 3,4 Milliarden DM - sowohl Holland als auch Belgien beteiligen. Die Gespräche sind im Gang. Mehr kann dazu im Augenblick nicht gesagt werden.
Lassen Sie mich etwas zum Bürokratismus sagen. Dieser Bürokratismus wird ja landauf, landab beklagt. Schlagworte helfen dabei überhaupt nicht. Es hilft nur eine sehr, sehr mühsame Auseinandersetzung mit den jeweiligen Tatbeständen und natürlich die Auseinandersetzung zwischen den für die Wissenschaft und den für die Finanzen Verantwortlichen. Je mißtrauischer man gegenüber staatlichen Einrichtungen einschließlich den Forschern in ihren jeweiligen Instituten ist, desto mehr führt das zu Überwachungsvorgängen, die die Bürokratie auferlegt. Je mehr Vertrauen Sie auf der anderen Seite in die Forschung setzen - ich bin prinzipiell dafür, zunächst einmal mehr Vertrauen zu gewähren -, um so eher werden Sie Mißbräuche ermöglichen. Beides muß gegeneinander abgewogen werden.
Wenn wir gerade über Bürokratismus reden, so lassen Sie mich in dem Zusammenhang auch zur Personalstellenkürzung im Forschungsbereich etwas sagen. Als ich das Ministerium übernahm, habe ich mich angesichts der knappen Mittel dazu entschlossen, bei den Großforschungseinrichtungen - nicht etwa bei der Max-Planck-Gesellschaft - eine Kürzung der Personalstellen in der Größenordnung von 7,5 % über fünf Jahre anzuordnen. Ich habe nicht angeordnet, daß diese Stellen von vornherein genau auszubringen sind, sondern ich habe den Großforschungseinrichtungen gesagt, sie müßten ein Programm zur Restrukturierung ihres gesamten Forschungsprogramms erstellen. In diesem Rahmen sollten sie Vorschläge machen, wie diese Kürzungen zu erbringen seien.
Der Haushaltsausschuß hat diese Aktion sozusagen überhöht bzw. ergänzt, indem er seinerseits eine 1%ige Kürzung im Stellenbereich einschließlich Max-Planck-Gesellschaft und anderen beschlossen hat. Der Ausschuß hat allerdings ein völlig anderes Verfahren gewählt, indem er die jeweilige Wertigkeit der Stellen genau festgelegt hat.
({0})
Ich halte das nicht für besonders glücklich. Ich halte die Lösung, die wir gesucht haben - den Forschungsinstitutionen die Freiheit zu geben, zunächst einmal selbst zu planen, und dann die entsprechenden Kürzungen auszuwerfen - für flexibler, für unbürokratischer als das, was der Haushaltsausschuß beschlossen hat.
({1})
Ich bin dankbar dafür, daß es sowohl hier als auch außerhalb des Parlaments Erklärungen gegeben hat, daß man bereit sei, gemeinsam mit dem Ministerium nach Flexibilität in der Durchführung zu suchen.
Insgesamt möchte ich sagen, daß wir es uns in den nächsten Jahren sehr überlegen müssen, ob wir im Bereich der Forschung weitere Stellenkürzungen vornehmen können und sollen. Es besteht die Gefahr, daß wir ganze Jahrgänge von kreativen und
tatkräftigen Forschern einfach aus der Forschungslandschaft verbannen. Das können wir uns weder von der Wissenschaft her noch von der Volkswirtschaft her leisten.
({2})
Auch hier sieht man einmal mehr, daß die Frage, was eigentlich Konsum ist, sehr differenziert zu beurteilen ist. Personalausgaben im Forschungsbereich können nicht nur unter rein konsumtiven Gesichtspunkten gesehen werden.
({3})
Zur Projektförderung: Herr Zumpfort, es ist tatsächlich richtig, daß wir nach wie vor eine große Zahl von Projekten haben. Aber Sie müssen sehen, daß allein 30% dieser 6 000 bis 7 000 Projekte im Hochschulbereich laufen. Sie stellen dort teilweise das Salz in der Suppe dar. Ohne diese Förderung würde bei den Hochschulen ein erheblicher Rückschlag eintreten.
Ein weiterer Bereich sind die kleinen und mittleren Unternehmen. Wenn wir uns nur mit großen Unternehmen abgäben, könnte ich mich verpflichten, auf verhältnismäßig wenige Projekte zurückzugehen. Dann würde man einen Sammeltitel nehmen und Siemens, AEG oder wem auch immer entsprechende Positionen einräumen, wie das andere Staaten auch tun. Wenn man aber den Ehrgeiz verfolgt, kleinen und mittleren Unternehmen zu helfen, kommt man zu größeren Zahlen.
Dabei muß ich Ihnen sagen, daß wir im Bereich der Mikroelektronik gerade versuchen, die Bürokratisierung massiv zurückzudrängen. Dadurch, daß innerhalb von sechs Wochen der Förderungsbescheid da ist, die Summe in etwa auf 800 000 DM begrenzt ist, haben wir, glaube ich, ein Maß von Entbürokratisierung erreicht, von dem ich hoffe, daß es dann auch auf anderen Feldern anwendbar ist.
Ich bin auch nicht sicher, ob Sie das folgende richtig sehen. Natürlich stellt sich bei der Anwendung der Mikroelektronik zunächst einmal die Frage, ob die Unternehmen rechtzeitig gespürt haben, daß hier eine große Herausforderung auf sie zukommt. Das ist sicher in vielen Unternehmen nicht der Fall gewesen und zum Teil heute noch nicht der Fall; einfach weil die personelle Zusammensetzung des Unternehmens eher zur Fortsetzung der traditionellen Richtung führt als zur neuen Richtung der Mikroelektronik. Wir wollen mit diesem MikroelektronikProgramm gerade einen Anreiz dafür geben, sich nun massiv damit zu beschäftigen; denn wenn wir mit der deutschen Maschinenbauindustrie, und zwar gerade mit der mittelständischen, weiter zurückfallen, werden wir ganz massiv Marktanteile verlieren.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch etwas zu einem Thema sagen, das nicht angesprochen worden ist, zur Friedens- und Konfliktforschung. Hier tobt ein kleinkariertester Streit - noch hervorgerufen durch den Wahlkampf -, den die CDU/CSU-Länder - meines Erachtens willkürlich - vom Zaun gebrochen haben.
({4})
Die Mehrzahl von uns vertraut darauf, daß wir mit einer Politik des militärischen Gleichgewichts, mit einer Politik der flexiblen Antwort, mit einer Politik der Abschreckung vom Krieg in den letzten Jahrzehnten Sicherheit und Frieden gesichert haben und daß es wahrscheinlich auch möglich sein wird, diese Sicherung in die Zukunft fortzuschreiben. Allerdings muß man wissen, daß diese Art von Frieden, der j a für beide Seiten außerordentlich kostspielig ist, alles andere als komfortabel, alles andere als letztlich sicher ist.
Von daher ist die Sehnsucht, neue Konzepte zu suchen, zu hinterfragen, ob das, was wir als Konzept, als Strategie haben, eigentlich richtig ist, völlig selbstverständlich. Ich bin der Meinung, daß darüber nicht nur die Apparate nachdenken müssen, sondern daß auch die Wissenschaft mit ihrer Fähigkeit, Kritik aufzubauen und konstruktiv einzusetzen, gefordert ist. Deswegen bin ich nach wie vor der Meinung, daß die Initiative des ehemaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann richtig angesetzt hat.
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Nun hat die bayerische Landesregierung ihren Austritt aus der Deutschen Gesellschaft für Friedens- und Konfliktforschung beschlossen.
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Offensichtlich paßt die ganze Richtung nicht. Die Landesregierung hat, nachdem sie ihren Austritt beschlossen und bekanntgegeben hatte, einen Gutachter beauftragt der nachweisen sollte, daß die Deutsche Gesellschaft für Friedens- und Konfliktforschung parteiisch bzw. nicht unvoreingenommen arbeitet. Der Gutachter, entsprechend ausgesucht, kam natürlich pflichtgemäß zu dem gewünschten Ergebnis. Ohne daß die Ergebnisse dieser Forschung auch nur irgendwie einem kritischen Verfahren unterworfen worden wären, ohne daß Rede und Gegenrede stattgefunden hätten, haben sich andere CDU-Landesregierungen dem angeschlossen. Ich hoffe, daß die verbleibenden Landesregierungen noch bei der Stange bleiben. Sollte dies aber nicht der Fall sein, dann können wir es nicht zulassen, daß eine solche Forschungsrichtung, die wir für die Zukunft auch im Interesse des Dialogs mit der Jugend für notwendig halten, kleinkariertem Denken zum Opfer fällt.
({7})
Ich möchte hier erklären, daß wir, wie immer sich die CDU/CSU-Landesregierungen auch einstellen werden, nach Mitteln und Wegen suchen werden, diese Mittelansätze aufrechtzuerhalten.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Stavenhagen?
Herr Minister, angesichts dieses Gutachtens frage ich Sie: Halten Sie es
nicht für einen guten Vorschlag, die Mittel nicht zu streichen, sondern bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft anzusiedeln, damit diese Forschung dort nach objektiveren Gesichtspunkten gefördert werden kann?
({0})
Was das Gutachten bringt, geht auf sehr, sehr selektiv ausgesuchte Tatbestände zurück. Es umfaßt nicht mehr als die Jahre bis 1978. Es handelt sich nicht um ein sehr objektives Gutachten. Ich bin der Meinung, man sollte es einem kritischen Verfahren unterziehen, öffentlich diskutieren und erst daraufhin seine Meinung bilden. Ich glaube nicht, daß allein der Vorschlag, der dahin geht, die Mittel zur DFG hinüberzugeben, eine nennenswerte Verbesserung der ganzen Angelegenheit bringt. Das gilt insbesondere dann, wenn es darum geht, in diesem Bereich eine langfristig angelegte Forschungspolitik zu betreiben.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Catenhusen?
Herr Minister, können Sie bestätigen, daß die Deutsche Forschungsgemeinschaft bereits jetzt an den Entscheidungen über Förderung bei der Deutschen Gesellschaft für Friedens- und Konfliktforschung beteiligt ist?
Das ist so und wird auch in Zukunft so bleiben. Gleichwohl ist eine solche Einrichtung, die sich speziell mit der Frage der Friedens- und Konfliktforschung beschäftigt, wie die DGFK wertvoll, um die Friedensforschung voranzutreiben.
Ich möchte schließen mit dem Dank an die Berichterstatter und den Haushaltsausschuß dafür, daß sie es in Zeiten äußerster Sparsamkeit und des Zurückführens vieler Ansätze gleichwohl erlaubt haben, neue Schwerpunkte mit teilweise überproportionalen Steigerungen zu setzen. Das gilt für die Informationstechnik, besonders die Mikroelektronik, die Biotechnologie, die Energieforschung, besonders im nichtnuklearen Bereich, und die optische Nachrichtentechnik. Ich glaube, daß wir mit diesem Haushalt auf dem guten Weg sind, die Umstrukturierung unserer Industrielandschaft, die im nächsten Jahrzehnt vor uns steht, einzuleiten. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 30 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie -. Wer dem Einzelplan 30 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan ist angenommen.
({0})
Ich rufe auf Einzelplan 06
Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern
- Drucksache 9/1186 Berichterstatter:
Abgeordnete Gerster ({1}) Dr. Riedl ({2})
Gärtner
Einzelplan 36 Zivile Verteidigung
- Drucksache 9/1206 Berichterstatter:
Abgeordnete Borchert Kühbacher
Einzelplan 33 Versorgung
- Drucksache 9/1204 Berichterstatter:
Abgeordnete Borchert Kühbacher
Interfraktionell ist eine verbundene Debatte über die Einzelpläne 06, 36 und 33 mit einer Debattendauer von 100 Minuten vereinbart worden. - Ich sehe: Das Haus ist damit einverstanden.
Wird von den Berichterstattern das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Gerster.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zu Beginn der zweiten Beratung des Einzelplans 06 - des Bundesinnenministers - diesen Bundesinnenminister Baum und seinen Staatssekretär von Schoeler sehr herzlich in unserem Kreis begrüßen. Im Gegensatz zu seinen Ministerkollegen und den Staatssekretärskollegen waren die beiden Herren ja in keinem Stadium der Haushaltsberatungen im Ausschuß und bei den Berichterstattergesprächen in den letzten Monaten anwesend. Sie hatten natürlich immer Wichtigeres zu tun. Aber ich erkenne es wohlwollend an, daß sie bei dieser zweiten Beratung beide und zur gleichen Zeit da sind und gewissermaßen ihren Premiereneinstand in der Haushaltsberatung des Jahres 1982 feiern.
Dieser Einzelplan des Innenministers mit einem Gesamtvolumen von 3,5 Milliarden DM stellt in dem Gesamtrahmen des Haushalts in Höhe von 240 Milliarden DM keinen sehr großen Teil dar. Und doch sind 3,5 Milliarden DM für die unheilvolle Politik des Herrn Baum viel zuviel.
({0})
Ich möchte heute hier über die Politik reden, die mit diesen Finanzmitteln betrieben werden soll, und nicht über Zahlen. Denn die Innenpolitik dieser Re4792
Gerster ({1})
publik ist die Folge eines ganz bestimmten Amtsverständnisses dieses Ministers.
({2})
Hier möchte ich eine Grundsatzbemerkung voranstellen. Der Innenminister hat Garant der inneren Sicherheit und Garant der persönlichen Freiheit der Bürger zu sein. Beide Aufträge sind Teile einer gemeinsamen Aufgabe, die zu Konflikten führen kann. Denn Freiheit und Sicherheit schließen sich zwar nicht gegenseitig aus, können aber gegeneinander Grenzen finden. Und da, wo diese Grenzen entstehen könnten, sind sie so zu ziehen, daß ein Höchstmaß an Freiheit und Sicherheit erhalten bleibt.
({3})
Dies entspricht nicht nur dem Verfassungsauftrag, sondern auch dem Willen der ganz überwiegenden Mehrheit der Bürger, die nicht Freiheit oder Sicherheit, sondern Freiheit und Sicherheit zugleich wollen.
({4})
Diese Grenze zieht Herr Baum einseitig. Er schafft damit eine Schieflage zugunsten der Freiheit einzelner und zu Lasten der Sicherheit aller.
({5})
Er kündigte dies auch hier in diesem Hause, etwa bei der Haushaltsdebatte 1979, an. Damals sagte er:
Sicherheit in Freiheit ist möglich, aber ohne Freiheit gibt es keine Sicherheit. Den Bedrohungen der Freiheit mit rechtsstaatlichen Mitteln zu begegnen, das ist die beste Verteidigung der Freiheit.
Herr Minister Baum, Sie reden in dieser und auch in anderen Reden merkwürdigerweise kaum von der Bedrohung der Sicherheit. Sie reden in der Regel nur von der Bedrohung der Freiheit. Der Satz, ohne Freiheit gebe es keine Sicherheit, ist nur die halbe Wahrheit. Ebenso richtig ist, was Sie verschweigen, daß ohne Sicherheit auch keine Freiheit möglich ist.
({6})
Genauso einseitig ist Ihre Folgerung, den Bedrohungen der Freiheit müsse mit rechtsstaatlichen Mitteln begegnet werden. Das ist einseitig und nur halb richtig. Ebenso wichtig ist, was Sie verschweigen, daß auch den Bedrohungen der Sicherheit mit rechtsstaatlichen Mitteln zu begegnen ist.
Sie fühlen sich einseitig als Vorkämpfer der Freiheit, die Sie einseitig gefährdet sehen. Dabei mißachten Sie nicht nur den Verfassungsauftrag Ihres Amtes, sondern auch die Bedürfnisse der ganz überwiegenden Mehrheit unserer Bevölkerung.
Herr Minister, die Bevölkerung hat heute Angst. Angst vor Krieg, Angst vor sozialem Abstieg, etwa durch Arbeitslosigkeit, Angst vor inneren Turbulenzen. Die Bevölkerung hat Angst, die Politiker könnten ihre Daseinsprobleme nicht lösen. Herr Minister, Angst ist ein Zeichen von Unsicherheit. Deswegen hat die Politik heute mehr denn je die Aufgabe, soweit sie dazu in der Lage ist, Unsicherheiten abzubauen, und dies kann nur auf die sehr naheliegende Weise geschehen, daß man Sicherheit schafft. Herr Minister, genau dies lehnen Sie in vielen Einzelbereichen Ihres Amtes ab. Im Gegenteil, Sie vergrößern durch Ihre Amtsführung die Unsicherheiten. Man hat vor Ihrer Berufung als Innenminister gesagt, Sie seien ohnehin nur vierte Wahl. Wenn man Ihre Arbeit betrachtet, muß man sagen: Diese Betrachter der Zeitgeschichte sind nicht enttäuscht worden.
({7})
Ich möchte dies an einem Beispiel persönlicher Erfahrung verdeutlichen. Ich war vor einem Jahr in Brokdorf bei der Großdemonstration, um mit jungen Polizeibeamten, auch aus meinem Bundesland, zu reden. Das waren Leute von 18, 20, 22 Jahren, die an diesem Fastnachtswochenende lieber in Mainz gewesen wären und dort gefeiert hätten, als bei Nacht und Nebel in der Kälte Gewalttätern gegenüberstehen zu müssen. Ich wollte nach wochenlangen Pressekampagnen und törichten Erklärungen - auch des Innenministers und seines Parteifreundes Hirsch - vor dieser Demonstration ein Stück Solidarität beweisen, Herr Minister, das Sie bei diesen und anderen Anlässen nicht zeigen; denn sonst wären Sie auch einmal bei den Polizeibeamten.
({8})
Diese jungen Leute, diese jungen Staatsbürger sind keine Schlägertypen; sie werden aber in der Öffentlichkeit zunehmend so dargestellt. Sie gingen zur Polizei, um mit ihrem Beruf dem inneren Frieden zu dienen, werden aber zunehmend mit gewalttätigen Demonstranten auf eine Stufe gestellt, als würden hier zwei Kriegsgegner gegeneinander losschlagen. Diese jungen Leute, Herr Minister, verstehen nicht, daß sie unter Inkaufnahme persönlicher Gefahr in einen Konflikt gestellt werden, der auf politischer Ebene gelöst werden müßte, daß dann Politiker ihnen die rechtlichen und praktischen Instrumentarien vorenthalten, die sie brauchen, um - ich nenne dieses Wort - Waffengleichheit wiederherzustellen. Dann erleben diese jungen Leute einen Bundesinnenminister, dem beim Thema Grundrechte grundsätzlich nur die Rechte der Demonstranten und von Radau- und Gewaltbrüdern einfallen.
({9})
Herr Minister, diese Beamten haben auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit, wenn sie für den Staat tätig werden.
({10})
Sie selbst sollten zu diesem Thema einmal Stellung nehmen.
({11})
- Er soll sich schämen, Herr von Schoeler, und Sie auch. Auch Sie sind längst überfällig.
({12})
Gerster ({13})
In dieser Ihrer Haltung liegt der Grund für die Krise im Bundesgrenzschutz. In fünf Jahren haben von 5 000 Dienstanfängern rund 38 % den Bundesgrenzschutz und damit die Sicherheit des öffentlichen Amtes auf eigenen Wunsch verlassen. Diese jungen Leute haben keine Lust, bei Demonstrationen den Kopf hinzuhalten, um dann zu erfahren, daß der Bundesinnenminister für „pragmatische Lösungen" auch unter Hinnahme von Rechtsbrüchen eintritt, wie dies in einem Artikel der „Frankfurter Rundschau" bezeichnenderweise beschrieben wird.
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Tietjen?
Aber gern. Wo ist er denn?
({0})
Herr Kollege, können Sie mir sagen, ob Sie schon einmal den Versuch gemacht haben, wie ich das, zuletzt bei der Einsatzbereitschaft am Frankfurter Flughafen, getan habe, sachlich mit jungen Polizeibeamten zu reden und zu diskutieren, und können Sie mir dann, wenn Sie es versucht haben sollten, bestätigen, daß diese Beamten, wenn man sachlich mit ihnen redet, ganz anders diskutieren und ein ganz anderes Verhalten zeigen, als Sie das hier jetzt glauben machen wollen?
({0})
Ich kann Ihnen nur sagen: Sie müssen da mit einer besonderen Spezies von Polizisten geredet haben. Sagen Sie mir einmal, warum fast 40 % der Bundesgrenzschutzbeamten trotz einer vernünftigen Berufsausbildung und einer Chance im öffentlichen Dienst mit Unkündbarkeit diesen öffentlichen Dienst verlassen. Ich sage Ihnen: Hunderttausende von jungen Leuten gingen zur Polizei, wenn sie nicht von Politikern in eine Schieflage gebracht würden - nach dem Motto, sie würden draußen als Schlägertypen auftreten.
({0})
Herr Kollege Gerster, der Kollege Tietjen fragt, ob er noch eine Frage stellen darf.
Nein, ich möchte gern fortfahren.
({0})
Meine Damen, meine Herren, diese jungen Beamten sollen eine Rechtsordnung sichern, die der Bundesinnenminister - wie in diesem Artikel hier - in Frage stellt. Diese Polizeibeamten fühlen sich mißbraucht. Ich sage Ihnen noch etwas, Herr Kollege. Hier passiert im Prinzip genau das gleiche, was vor Jahren mit der Verunsicherung junger Wehrpflichtiger vor allen Dingen durch die Sozialdemokratische Partei Deutschlands begann. Kollegen von Ihnen bestreiten, daß junge Wehrpflichtige einen Friedensdienst bei der Bundeswehr leisten.
({1})
Diese Entwicklung, die wir bei der Bundeswehr haben, finden Sie jetzt bei der Polizei wieder, weil Kollegen aus der SPD sich hinstellen und so tun, als würden hier Schläger auf arme, notleidende und hilflose Demonstranten losgelassen. Das ist genau die gleiche Diskussionsgrundlage.
Meine Damen, meine Herren, dieser Minister steht auf der Seite der Freiheit. Mir scheint aber, daß dieser Minister die Freiheit der Rechtsbrecher etwas zu sehr in den Vordergrund stellt. Er ist eben weiß Gott ein sehr liberaler Minister.
Lassen Sie mich einen zweiten Bereich ansprechen, das Beamtenrecht und die Funktionen des Ministers als Dienstherr der Beamten. Herr Minister, Sie haben auf der beamtenpolitischen Tagung des Deutschen Beamtenbundes ein klares Bekenntnis zum Berufsbeamtentum abgelegt. Allen Teilnehmern klang das wohl in den Ohren. Sie lehnten unmißverständlich eine Absenkung des Anteils der Beamten ab. Dann sagten Sie, wer Entbeamtungstendenzen das Wort rede und dies als fortschrittlich ausweise, zeige deutlich, daß er Inhalt und Bedeutung der Funktion des Berufsbeamtentums gründlich verkenne. - Ich weiß nicht, Herr Minister, ob Sie dem Generalsekretär Ihrer eigenen Partei Unkenntnis bescheinigen wollten, denn dieser, Herr Verheugen, erklärte genau sechs Tage später in der „Bild"-Zeitung, man könne gut mit einer Million weniger Beamten auskommen. Sämtliche Dienstleistungen - wie bei Bahn und Post - könnten Angestellte übernehmen. - Besteht also zwischen Ihnen und Herrn Verheugen Streit? Ich glaube, mitnichten. Herr Verheugen sagt genau das was Sie seit Jahren zulassen: die schrittweise Umwandlung von Beamtenstellen in Angestelltenstellen. Ich sage Ihnen, was Sie tun: Sie sagen halt vor Beamten das, was Beamte gern hören wollen. Sie sind halt ein sehr ehrenwerter Mann, wie wir wissen.
In der gleichen Rede hat der Minister große Bekenntnisse zur Neutralität der Beamten und zum Institut der politischen Beamten abgelegt. Er wußte dabei, wovon er redet, denn in seinem Hause hat die Drei-Pünktchen-Partei mit ihren Mitgliedern bei den Abteilungsleitern das, wovon sie bei Wahlen nur träumt, nämlich die dicke absolute Mehrheit. Noch nicht einmal ein Sozialdemokrat ist würdig, in Ihrem Haus Abteilungsleiter zu werden. Ich muß sagen: Respekt! Wenn man in Ihrem Hause herumhört, erfährt man auch, daß in Ihrem Hause mehr FDP- Mitglieder sitzen als in einem mitgliederstarken FDP-Kreisverband. Herr Minister, das ist Ämterpatronage, was in Ihrem Hause seit Jahren betrieben wird. Ich sagte aus folgendem Grunde „Respekt": Die CDU, die in Rheinland-Pfalz seit 35 Jahren regiert, hat dies nach so langen Jahren und trotz absoluter Mehrheiten in dieser Perfektion nie geschafft. - Daß dieser Minister mit diesen Methoden die Arbeitsmoral und damit die Qualität der Beamtenarbeit aufs Spiel setzt, steht auf einem anderen Blatt.
({2})
Herr Minister, Sie sind wirklich ein sehr sozialer Mann. Sie kümmern sich um den letzten arbeitslosen Beamten. Da hat doch das Bundesverwaltungs4794
Gerster ({3})
gericht tatsächlich die Entlassung eines DKP-Mitgliedes aus dem Beamtenverhältnis bestätigt. Herr Baum reagierte auf zweifache Weise. Erstens übte er Schelte an der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes,
({4})
und zweitens kündigt er eine Änderung der Beamtengesetze an. Er formuliert, was beim Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz eine evidente Pflichtverletzung wäre, sollte nicht unbedingt eine beim Postschaffner sein. Herr Minister, obwohl das Bundesverwaltungsgericht und die Fachleute in Ihrem Hause Ihnen genau bescheinigt haben, daß diese Differenzierung unzulässig, mit der Verfassung nicht vereinbar ist, versuchen Sie nun, durch eine Gesetzesänderung Kommunisten und anderen Verfassungsfeinden den Einzug in den öffentlichen Dienst zu erleichtern.
({5}) Herr Minister, Ihre Fürsorge geht hier zu weit,
({6})
und ich kündige hier den härtesten Widerstand der CDU/CSU gegen diese Vorhaben an.
({7})
Ich frage mich: Was sollen Hunderttausende arbeitslose Bürger dieses Landes,
({8})
Demokraten, denken, wenn wegen weniger Kommunisten ein traditionelles und erfolgreiches Gesetz geändert werden soll?
({9})
Kümmern Sie sich einmal um die Hunderttausende von Demokraten in diesem Land und nicht um die Kommunisten, Herr Minister!
Herr Kollege Gerster, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten von Schoeler?
Bitte schön, Herr Abgeordneter von Schoeler, bei Ihnen mit Freuden.
von Schoeler ({0}): Herr Kollege Gerster, wären Sie bereit, mir in dem Zusammenhang zu erläutern, warum der neue Berliner Senat die vom früheren Senat in Kraft gesetzte liberale Regelung bei der Einstellungspraxis nach seiner Regierungsübernahme nicht geändert hat?
Ich kann Ihnen sagen, Herr von Schoeler, daß der Senat von Berlin mit Sicherheit nicht die hergebrachten Grundsätze des Beamtentums und die Grundlage unseres Beamtenrechts ändern wird, mit Sicherheit nicht.
({0})
Sie bringen mich auf eine gute Idee, Herr von Schoeler.
({1})
- Ich weiß, daß Sie da nervös werden. Es ehrt Sie, daß Sie für Ihre Gesinnungsgenossen eintreten wollen.
Millionen Mark haben Sie in den letzten zehn Jahren ausgegeben für die Reform des öffentlichen Dienstrechts, für die Reform der öffentlichen Verwaltung, für die Reform des Schreibdienstes, für die Reform des Kraftfahrzeugwesens, für die Reform der Beurteilungskriterien, für die Entbürokratisierung.
({2})
- Nichts. Außer Spesen nichts gewesen, Herr Kollege Haase. Aber weil das Bundesverwaltungsgericht die Entlassung eines Kommunisten bestätigt hat, werden Sie aktiv und wollen Gesetze ändern.
({3})
Herr Abgeordneter Gerster, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Biermann?
Nein. Ich bitte um Nachsicht, Herr Präsident, ich komme sonst mit meiner Redezeit nicht zurecht.
Meine Damen, meine Herren, dieser Herr Baum ist ein klassischer Reformminister. Man sieht es an dieser Praxis.
Besonders reformeifrig ist dieser Minister aber bei der Ausgestaltung des Asylrechts. Das Verfahren wurde seit 1978 zweimal geändert. Die dritte Novellierung steht an. Der Zustrom der Zuwanderer reißt nicht ab. Wir haben 4,7 Millionen Ausländer in diesem Land, davon 3,2 Millionen von außerhalb der EG. Meine Damen, meine Herren, dieser Minister hat das Problem der Scheinasylanten jahrelang verschlafen, nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Noch am 12. Februar 1980 sagte er der „Stuttgarter Zeitung" in einem Interview wörtlich:
Auf die Zahl der Asylbewerber habe ich keinen Einfluß. Ich kann nur dafür sorgen, daß sich das Verfahren beschleunigt. Der Bund hat das Seine zur Beschleunigung das Asylverfahrens geleistet. Der Beitrag der Länder steht noch aus.
({0})
Herr Minister, diese Schuldzuweisung an die Länder - ich muß das in dieser Offenheit sagen - ist in doppelter Weise unverschämt. Für die Gesetzgebung ist der Bund zuständig, nicht die Länder. Durch Ihre gesetzgeberische Untätigkeit bürden Sie Ländern und Gemeinden das Ausländerproblem - man schätzt im Jahr 1 Milliarde DM an Finanzkosten - auf. Die Länder drängen seit Jahren auf Gesetzesnovellierungen. Derzeit liegt wieder ein Gesetzentwurf im Bundestag vor, ein Entwurf mit Zustimmung der sozialdemokratischen Länder, den Sie auch wieder ablehnen. Um den Schein falsch verstandener Liberalität zu wahren, tauchen Sie bei diesem Problem
Gerster ({1})
unter, überlassen Ländern und Gemeinden die Unterbringung Hunderttausender von Scheinasylanten und behaupten dann noch, der Bund habe das Seinige getan, nicht aber die Länder.
Diese unglaubliche Haltung erfordert eine ganz klare Darstellung und Bewertung.
Erstens. Für den ungebrochenen Zuzug von Scheinasylanten tragen zuallererst Sie die volle Verantwortung.
({2})
Zweitens. Durch die tatenlose Hinnahme des unkontrollierten Scheinasylantenzuzugs haben Sie allen Ländern und Gemeinden schwersten Schaden zugefügt.
({3})
Drittens. Sie sind an maßgeblicher Stelle mitverantwortlich für die Verdoppelung des Ausländeranteils im zweiten Teil unserer jungen Republik und damit auch für die bedauerliche Zunahme der Ausländerfeindlichkeit in der Bevölkerung, deren Akzeptanzschwelle überschritten wird. Herr Minister, Sie tragen diese Verantwortung mit, weil die Bürger nicht mehr bereit sind, Ihre Tatenlosigkeit hinzunehmen, weil sie Leistungen verlangen und dann ihren Unmut gegenüber Ausländern abreagieren - wirklich eine sehr verantwortliche Art, Minister in Bonn zu sein.
Meine Damen, meine Herren, der Zwang zum Sparen hat im Haushalt 1982 zahlreiche Opfer verlangt. Ich will hier nur zwei Bereiche in Kürze ansprechen.
Kürzungen gebenüber der Regierungsvorlage sind im Bereich des Umweltschutzes und der Reaktorsicherheit vorgenommen worden, gerade auch vom Haushaltsausschuß. Sie waren zum Teil unvermeidbar, wenn man auch mit Sicherheit andere Prioritäten hätte setzen können. Meine Damen, meine Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Kürzungen sind schmerzhaft, wären aber verkraftbar, wenn die Mittel für wirklich wichtige Maßnahmen und nicht zum Teil für Schaumschlägereien verwandt würden.
Ich will hier ein besonders pikantes Beispiel nennen. Herr Minister Baum, wenn Sie unbedingt Verbände alimentieren möchten, die in Aktionsbündnissen mit Grünen, Bunten und Alternativen heute schon und auch morgen dafür sorgen wollen, daß Ihre Partei aus den Parlamenten herausfliegt, so ist das Ihre Sache. Daß Sie aber neben anderen - ich muß das so sagen - Kinkerlitzchen z. B. für die Aktion eines autofreien Sonntags, der ein Fehlschlag ist und war - ich übrigens brauche keinen autofreien Sonntag; wenn ich Zeit habe, fahre ich mit meiner Familie sehr gern mit dem Fahrrad durch die Gegend;
({4})
das machen viele andere auch -, einmal so locker 215 000 DM herauswerfen - im übrigen haben Sie sich dieser Aktion nur aus Publizitätsgründen angeschlossen -, ist in der gegenwärtigen Finanzsituation unser aller Angelegenheit. Wer Kürzungen in wirklich wesentlichen Umweltbereichen hinnimmt, auch im Bereich der Reaktorsicherheit, sollte zunächst einmal den Zuschußregen zur zum Teil künstlichen Selbstbefriedigung bunter Aussteiger drosseln.
Oder, Herr Minister, was soll man von vielen Publikationen, die für teures Geld erstellt werden, halten, die das Umweltbundesamt herausgibt? Ich möchte hier zur allgemeinen Illustration eine Leseprobe geben. Da ist in einer Schrift über „Ökologische Pioniergruppen" z. B. folgende Gruppe im einzelnen beschrieben - ich zitiere wörtlich -:
Kein Traum mehr ist das Zusammenleben der Lebensgemeinschaft Helenenruhe, die im Jahre 1976 entstand. Sie setzte sich im Juli 1978 aus zwei Erwachsenen und drei Kindern zusammen. Biologischer Landbau, gekoppelt mit spirituellen Zielen, waren die Motivation für diese Lebensgemeinschaft. Die Gruppe lebte von der Matratzenherstellung, von Holzarbeiten und zusätzlich noch von Kindergeld.
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Nach Angaben der Gruppe reichte das gerade aus, um das Existenzminimum zu erreichen.
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Herr Minister, Sie sind nicht für Verrücktheiten gewählt, sondern zur Lösung politischer Probleme. Früher nannte man ein derartiges Gebilde eine Familie, heute nennt man das eine „ökologische Pioniergruppe", für die dann unser Geld ausgegeben wird, um sie der Öffentlichkeit vorzustellen.
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Herr Minister, statt derartigen Schnickschnack, und zwar zuhauf, zuzulassen - das hat nichts mit dem Minister zu tun -, sollten Sie endlich einmal die Gesetzesvorhaben, die seit Jahren gefordert werden und in Ihrem Hause verzögert werden, wirklich auf die Bahn bringen. Ich nenne die Novellierung der TA Luft, seit 1978 überfällig, ich nenne die Großfeuerungsanlagen-Verordnung - ich erspare es mir, auf Einzelheiten einzugehen -, ich nenne das Problem der Autoabgasentgiftung, wo Ihre Regierung unter Ihren Vorgängern - ich glaube, Sie waren schon Staatssekretär - bereits im Jahre 1971 lauthals verkündet hat, bis 1980 die Schadstoffe im Abgas von Kraftfahrzeugen zu reduzieren. In Wirklichkeit sind 1980 die Schadstoffe in der Atemluft durch Autoabgase um ein Vielfaches höher als vor zehn Zahren. Herr Minister, von diesen Maßnahmen, die seit Jahren dringend gefordert werden, wo von Ihnen immer wieder Ankündigungen kommen, sie seien auf dem Weg, ist nichts zu spüren. Es gibt keine Spur. In der wirklichen Tagesarbeit, in der Lösung der schwierigen Probleme zeigen Sie sich weiß Gott als ein sehr überzeugender Umweltminister.
Meine Damen, meine Herren, lassen Sie mich ein letztes Beispiel einer sehr hervorragenden Pflichterfüllung nennen,
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Gerster ({9})
die sogar in einem Gesetz vorgeschrieben ist, die, soweit ich weiß, in derartigen Beratungen noch nie eine Rolle gespielt hat. - Bitte, Herr Löffler, ich höre gerne noch einmal Ihren Zwischenruf.
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- Es ist ein Glück für das deutsche Volk, daß Sie mich am Reden nicht hindern können, Herr Kollege Löffler.
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Ich weiß, daß das vielleicht Ihrem Demokratieverständnis entspricht, Herr Löffler, aber so weit sind wir noch nicht. Die Opposition mundtot machen, funktioniert noch nicht.
({12})
Nach § 96 BVFG ist der Minister zur Förderung der ostdeutschen Kulturarbeit verpflichtet. Meine Damen, meine Herren, ohne diesen ostdeutschen Anteil wäre die Kultur, unsere deutsche Kultur, um vieles ärmer. Sie wäre nicht die Kultur, die wir alle, Deutsche und mit uns die anderen Europäer, als unsere Kultur empfinden. Das sind Nikolaus Kopernikus und Immanuel Kant, Stifter und Eichendorff, Adolf von Menzel, Emil Orlik, Hugo Steiner-Prag, Käthe Kollwitz, Corinth, Pechstein, Kokoschka, das ist unter den deutschen Nobelpreisträgern jeder Dritte. Wir dürfen es gerade in der Bundesrepublik Deutschland und angesichts der schmerzlichen Teilung dieser Nation nicht zulassen, daß die in Jahrhunderten dort gewachsenen Kulturleistungen verkümmern und in Vergessenheit geraten.
({13})
Dies würde kein Volk der Welt zulassen oder auch nur hinnehmen. Wir lassen uns diese Kulturförderung im Jahr ganze 4,2 Millionen DM kosten.
Wir stehen vor der Daueraufgabe, unsere Identität als Kulturnation zu wahren. Meine Damen, meine Herren, das ist nicht nur Sache der Vertriebenen, das hat auch nichts mit Revanchismus zu tun. Im Gegenteil, ostdeutsche Kulturleistungen haben viele Brücken nach Osten geschlagen. Die Frage ist: Wie sollte man sich besser miteinander verständigen, wenn nicht durch Kultur, daneben Sport und andere Möglichkeiten, die einen gemeinsam verbinden?
Ihr eigenes Ministerium, Herr Minister, hat in einem Vermerk festgehalten, daß trotz jahrzehntelanger staatlicher Förderung die Situation in weiten Bereichen der ostdeutschen Kulturarbeit nicht wesentlich verbessert wurde. Der Vermerk fährt fort, wenn in den nächsten Jahren nichts Entscheidendes geschehe, sei zu befürchten, daß der ostdeutsche Anteil an unserer Kultur endgültig in Vergessenheit gerate. Meine Damen, meine Herren, überzeugender kann man den Bankrott dieses Teils der Politik des Bundesinnenministeriums nicht erklären. Herr Minister, ich sage ganz bewußt, aber im Zusammenhang mit dem Beispiel aus dem Umweltbundesamt, das ich vorhin gebracht habe: Mir scheint die Förderung dieser Kultur wichtiger als die Förderung neumodischer Erscheinungsformen - seien es Pioniergruppen oder sonstige Geschichten, Herr Minister; da sollten Sie vielmehr Ihre eigentliche Aufgabe sehen.
({14})
Meine Damen, meine Herren, in der Haushaltsdebatte im Dezember 1979 - ich erwähnte sie vorhin schon einmal - sagte Minister Baum einen bemerkenswerten Satz:
Das demokratische Selbstbewußtsein, das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat sind die eigentlichen Grundlagen unserer freiheitlichen Ordnung, nicht die Gesetze, sondern das Vertrauen der Bürger in diese freiheitliche Gesellschaft. Weimar hatte viele gute Gesetze, aber Weimar ist dennoch zugrunde gegangen, weil dieses Vertrauen nicht vorhanden war.
Ich kann diese Aussage nur unterstreichen. Nur, Herr Minister, pflegt der Bürger das von Ihnen abstrakt beschriebene Vertrauen zu personifizieren. Das heißt positiv ausgedrückt: vom Vertrauen gegenüber dem demokratischen System profitiert der demokratisch legitimierte Minister; und negativ ausgedrückt: mangelndes Vertrauen gegenüber einem Minister führt zur Vertrauenskrise gegenüber dem System, wenn dieser Minister nicht alsbald abgelöst wird. Sie, Herr Minister, sollten sich fragen lassen, ob Ihr Verhalten, das ich an Beispielen geschildert habe, Vertrauen schafft oder abbaut.
Als Minister der inneren Sicherheit fühlen Sie sich als Vorreiter der Freiheit. Das ist ehrenwert,
({15})
führt aber in Ihrer speziellen Aufgabenstellung zur falschen Gewichtung. Sie sind der Minister der Sicherheitsorgane, die sich von Ihnen im Stich gelassen fühlen und zu Ihnen kein Vertrauen haben.
Als Beamtenminister gilt Ihre Hauptvorsorge der Versorgung Ihrer Parteifreunde mit Dienstposten im Innenministerium und darüber hinaus den Berufschancen von Kommunisten, wie ich an einem Beispiel verdeutlicht habe,
({16})
und der Umwandlung von Beamten- in Angestelltenstellen. Glauben Sie, die breite Beamtenschaft hätte Vertrauen zu Ihnen? Ich glaube es nicht.
In der Ausländerpolitik fördern Sie ein ethnisches Mehrvölkersystem in unserem Land und schaden den Ländern und Gemeinden. In der Umweltschutzpolitik verlieren Sie den Blick für das Wesentliche und verplempern Geld für Eintagsfliegen. In der Reaktorsicherheit - einer Existenzfrage unseres Volkes - sind Sie eher uninteressiert als interessiert. Glauben Sie, daß das Vertrauen schafft?
Herr Minister, Sie mögen privat ein ganz netter Mensch sein, beruflich auch ganz strebsam,
({17})
nur auf diesem Posten stehen Sie sich selbst im Wege.
({18})
Gerster ({19})
Als Minister der inneren Sicherheit sind Sie so überzeugend wie ein Atheist, der in Rom zum Papst gewählt würde.
({20})
Sie sind hin- und hergerissen zwischen Ihren Amtspflichten und Ihrem Drang, Patron aller Arten von Außenseitern zu sein.
Ihr Vorgänger Maihofer war 49 Monate Innenminister, bis ihn der Fall Traube eingeholt und schließlich abgeholt hat. Sie sind jetzt 43 Monate im Amt. Ich glaube, daß Ihre Verweildauer im Bundesinnenministerium nicht mehr lange andauert, bis Ihr Fall Traube Sie eines Tages einholen wird. Mit Herrn Maihofer - lassen Sie mich das sagen - wurde ein Idealist getroffen. Bei Ihnen würde es - wenn ich unhöflich wäre, würde ich es sagen - einen Opportunisten treffen,
({21})
es sei denn, Sie schaffen endlich Klarheit darüber, was Sie eigentlich wollen.
({22})
- Ich will gern auf Ihre Zwischenrufe warten. Sie müssen sich nur einigen, daß einer ruft, nicht alle auf einmal
({23})
- Da bin ich sehr sicher, über was Sie sich schämen, Herr Schäfer.
Meine Damen, meine Herren, das ist eine Bilanz, die Ihnen nicht schmeckt, aber eine Bilanz, die vorgetragen gehört. Sie können sicher sein, daß die CDU/CSU-Bundestagsfraktion die bisherige Politik dieses Innenministers ablehnt und damit auch den Haushalt für das Jahr 1982.
({24})
Ich bedanke mich für Ihre muntere Zuhörerschaft.
({25})
Als nächster Redner hat der Herr Abgeordnete Kühbacher das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn es möglich gewesen wäre, hätte ich den Kollegen Gerster unaufgefordert gern zwei Drittel meiner Redezeit zur Verfügung gestellt, denn eine bessere Werbung für die sozialliberale Koalition als Ihre Ausführungen, Herr Kollege Gerster, gibt es gar nicht.
({0})
Herr Kollege Gerster, das, was Sie hier im Plenum darbieten, ist ein Zerrbild der Ausschußberatungen über den Innenhaushalt, den Haushalt Zivilschutz und den Versorgungshaushalt. Alles, was wir im Ausschuß beraten haben, ist einvernehmlich geschehen; auch die Kürzungen sind einmütig erfolgt. Ich kann mich nicht daran erinnern, daß es bei 33, bei 36 oder bei 06 kontroverse Abstimmungen unter den Berichterstattern gegeben hätte.
({1})
- Ich kann mich nicht erinnern! Herr Kollege Gerster, Sie haben in den Berichterstattergesprächen Vorbehalte, daß Sie etwas noch in der Gruppe klären müßten, angemeldet; aber es gab überhaupt keinen Anlaß für derartige Ausführungen, wie Sie sie hier gegenüber dem Innenminister gemacht haben, überhaupt keinen Anlaß!
Herr Abgeordneter Kühbacher, der Herr Kollege Gerster möchte eine Frage an Sie richten.
Ja, bitte schön, gerne.
Herr Kollege Kühbacher, würden Sie mir zugestehen, daß es Usus ist, daß in den Berichterstattergesprächen versucht wird, Kompromisse herbeizuführen, was auch der Interessenlage der Minderheit entspricht und was auch geschehen ist, etwa um Mittel für die Reaktorsicherheit, für Vertriebene und für anderes zu behalten, daß es aber trotz dieser Vereinbarungen eine Reihe von konträren Anträgen gab?
({0})
Ich darf daran erinnern, daß wir z. B. beim Umweltschutz Kürzungen für gewisse Forschungsvorhaben vornehmen wollten, um den Fortgang bei der Reaktorsicherheit sicherzustellen. Würden Sie also bestätigen, daß es sowohl Kompromisse - mit Vorbehalten auch gegen die Mehrheit - gab als auch darüber hinaus konträre Anträge? Oder sage ich die Unwahrheit?
({1})
Herr Kollege Gerster, ich bestreite doch gar nicht, daß es solche speziellen unterschiedlichen Auffassungen in der Sache gegeben hat. Was ich nicht akzeptiere, ist die Art Ihres Auftretens im Verhältnis zur Art der Verhandlung, die wir gemeinsam als Berichterstatter mit dem Innenministerium und dem Ausschuß gehabt haben. Es ist doch eine ganz andere Welt, die Sie darstellen!
({0})
Wissen Sie, wenn die Bürger draußen das sehen und glauben, daß wir so miteinander umgehen, wie Sie hier herumpolemisiert haben, müssen sie doch sagen: Igittigitt, die Politiker!
({1})
Sehen Sie, das kann man nicht machen: über ein Jahr lang sachlich miteinander arbeiten und sich dann hier wie in einer Wahlveranstaltung darstellen.
({2})
Herr Minister Baum, ich kann Ihnen ja nur gratulieren. Hoffentlich gelingt es Ihnen, den Kollegen Gerster öfter in die Bereiche zu holen, in denen Sie
einen schon hohen Stimmenanteil haben. Dann sollten Sie ihn immer gegen sich reden lassen; dann bekommen Sie möglicherweise noch mehr Prozente, als es mir persönlich lieb wäre.
Einige Worte noch zu Ihnen, Herr Gerster. Ich weiß nicht, leben wir beide eigentlich in derselben Republik? Bedrohung, Angst der Bevölkerung, Unterstützung der Rechte von Radau- und Gewaltbrüdern, künstliche Selbstbefriedigung bunter Aussteiger - all dies unterstellen Sie einem Innenminister, von dem ich meine, daß er mit der Art, wie er bei der Bevölkerung ankommt, keinen Anlaß dazu gibt, ihn hier zum Rücktritt aufzufordern. Wo leben Sie eigentlich, daß Sie hier solche Vokabeln, solche Worthülsen in den Mund nehmen? Ich habe das Gefühl, nachdem Herr Todenhöfer uns hier nicht mehr die Ehre gibt, sind Sie der neue Scharfmacher vom Dienst. Aber nun, viel Spaß dabei!
({3})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich ein Wort zum öffentlichen Dienst sagen, zu den Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst, die ja im wesentlichen bei 06 angesiedelt sind, die aber auch den Einzelplan 33 - Versorgung - tangieren. Herr Minister Baum, es wäre, glaube ich, allen hier im Parlament lieb, wenn Sie in den Gesprächen mit den Tarifpartnern bald zu einem Abschluß kämen, weil hier immer wieder die Sachverständigen mit dem Dreiklang, den drei Säulen, zitiert worden sind, auch und insbesondere von Minister Graf Lambsdorff. Eine der wesentlichen Säulen war, daß der Tarifabschluß erkennbar sein muß, wenn man Beschäftigungsalternativen entwickeln will. Es wäre von uns aus die herzliche Bitte an Sie zu richten, daß Sie die Tarifverhandlungen einschließlich der Dinge, die in der Operation 82 von allen Mitgliedern des Hauses einmütig beschlossen worden sind, bald zu Ende bringen. Ich hoffe, daß sich Wege des Aufeinanderzugehens bei der Frage der Lohn- und Gehaltstarifverhandlungen für 1982 dort finden lassen.
({4})
- Ja, selbstverständlich, Herr Broll. Ich habe gerade gesagt, wir haben hier einmütig im Parlament ein Gesetz beschlossen. Das ist doch nicht die Frage. Die Frage ist, ob es sinnvoll ist, daß einer der Tarifpartner auf der Arbeitgeberseite hier ausbricht. Das ist doch wirklich eine Frage, die man stellen muß, ob es auch im Interesse der anderen Tarifpartner der Gewerkschaften ist, nun mit zwei, drei oder vier Organisationsebenen verhandeln zu müssen. Ich weiß nicht, wem der VKA hier einen Gefallen tut; aber das ist j a von anderer Stelle schon angesprochen worden.
({5})
- Gut. Wenn Sie so zustimmen, dann signalisieren Sie das auch nach Ulm, Herr Broll. Ich weiß nicht, wo sonst Herr Lorenser anzusiedeln ist.
Ich möchte etwas zu einigen Randbereichen sagen, die in den letzten Jahren, glaube ich, gut bedient gewesen sind, zum Sport. Im Sportbereich - so ist es heute auch in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zu lesen - wird man mit dem Geld, das wir im Bundeshaushalt bereitstellen - es sind 46 Millionen DM für laufende Arbeit, es sind 23 Millionen DM für weitere Investitionen - auskommen können. Nichtsdestotrotz bleibt auch der Sport aufgefordert zu sparen. Die ehrenamtlichen Kräfte im gesamten Sport sind zu unterstützen. Darauf sollte eines unserer Hauptaugenmerke liegen. Diejenigen, die hauptberuflich Sport machen und auch nach außen vertreten, bleiben aber zur Sparsamkeit aufgerufen.
Eine Sache, die mir zufällig auf den Tisch geflattert ist, Herr Minister Baum, gefällt mir nicht. Da gibt es das Bundesinstitut für Sportwissenschaft. Die geben hier eine schöne Broschüre heraus „Termine und Tagungen". Das mag ja ganz sinnvoll sein. Aber da lesen Sie unter den Terminen: es findet eine Veranstaltung „Sport - Risiko und Chance aus der Sicht des Arztes" in Corvara in Südtirol -14 Tage - statt,
({6})
„Ski- und Eislaufseminar für Sportärzte" vom 17. bis 23. 1. in Oberstdorf - bayerischer Sportärzteverband -, „15. Winterkongreß über Diagnostik und Therapie" - 14 Tage lang in Kühtai in Tirol.
({7})
St. Moritz in der Schweiz, Bad Hofgastein, Lake Placid usw. sind hier enthalten.
({8})
Nun hoffe ich ja nicht, daß wir öffentliche Mittel für diese Tagungen bereitstellen; das würde mich sehr ärgern. Falls hier nur Dienstreisen für die notwendige berufliche Ausbildung der Sportärzte gemacht werden, deren Kosten als Reisekosten abgerechnet und steuerlich geltend gemacht werden, ist das eine andere Medaille, die die Herren zu vertreten haben, die solche Dinge für ihre dienstlichen oder betrieblichen Zwecke mißbrauchen. Aber warum wir aus Bundesmitteln diese Termine auch noch veröffentlichen, damit sie alle Interessierten auch wirklich wahrnehmen können, frage ich mich doch sehr.
({9})
Also, schönen Gruß nach Köln, wir brauchen nicht noch Einladungen auszusprechen für solche Urlaubsveranstaltungen.
Eine Bemerkung zu einem weiteren Bereich, wo ich meine, daß Sparen sehr überlegt sein will, zum Bereich der Kultur. Wenn wir uns einmal den Kulturbereich des Innenministeriums anschauen, erkennen wir, daß die Klage, die gestern hier aus Berlin kam, wir würden für Berlin möglicherweise nicht genug tun, nicht berechtigt ist. Allein die kulturellen Einrichtungen in Berlin, die aus dem Bundeshaushalt und von den übrigen Ländern finanziert werden, verdienen Hochachtung. Ich denke, das sollte einmal anerkannt werden.
({10})
Nur, Herr Minister, auch hier wäre eine Frage von einem Parlamentarier zu stellen: Ist es denn so sinnvoll, für den Bereich des Films Preise von 50 000, von 150 000 DM - ich glaube, eine dreiviertel Million haben wir im Haushalt - auszusetzen, während wir
wissen, daß uns auf der andern Seite in den kleinen Veranstaltungen: Jugend und Musik, Jugend und Theater, Jugendbuchwochen mal 10 000, mal 20 000, mal 30 000 DM für viele kleine Initiativen hier in der Bundesrepublik fehlen. Muß man die Kulturförderung so massiert in einen Bereich lenken? Könnte man nicht viel mehr mit kleinen innovativen Veranstaltungen diesen Kulturzweig verbreitern? Sie hätten dabei unsere Unterstützung, wenn man die Mittel hier einmal gezielter lenken könnte.
Ich will einen weiteren Punkt ansprechen: was die Zusammenarbeit von Bund und Ländern im Bereich der Innenpolitik angeht. Zwei Dinge liegen mir am Herzen.
Der Bereich Sicherheitspolitik ist hier vor einigen Jahren ganz intensiv im Zusammenhang mit dem Personalausweis, mit der Frage des Versteckens von Terroristen, dem man begegnen müsse, diskutiert worden. Die Diskussion über einen fälschungssicheren Personalausweis hat die Innenpolitiker, glaube ich, eine ganze Zeit beschäftigt. Man ist zu dem Ergebnis gekommen, man hat ein Gesetz gemacht. Nun sehe ich, daß der Vollzug dieses Gesetzes, das von den Innenministern der Länder vehement gefordert wurde - ich weiß nicht: war nicht Herr Tandler einer der ganz entscheidenden Verfechter? -, offensichtlich nicht stattfinden soll,
({11})
angeblich deshalb, weil von den Ländern 5 DM oder 6 DM an Kosten nicht aufzubringen sind. Ich frage mich tatsächlich, Herr Miltner: Wie halten wir es mit der inneren Sicherheit? Hier wird nach Gesetzen gerufen, und wenn die Gesetze kommen, werden sie von den Innenministern nicht ausgeführt.
({12})
- Ich höre, es soll am Geld liegen, an den 5 DM. Ich weiß nur, daß dieses Parlament das Gesetz gemacht hat.
({13})
Die Ausführung des Gesetzes liegt nun einmal bei den Ländern.
({14})
- Natürlich müssen es die Innenminister bezahlen. Seit wann fangen wir denn an, vom Bund aus Personalausweise zu bezahlen? Wir wollen doch nicht auf dieser Ebene diskutieren, daß künftig alles aus der Bundeskasse bezahlt wird. Das ist der Punkt. Das ist nun einmal eine Innenaufgabe; darüber gibt es gar keinen Zweifel. Die Personalausweise müssen von den Ländern bezahlt werden. Ich meine, hier ist ein Mangel.
Dasselbe haben wir beim Volkszählungsgesetz. Auch hier sind die Länder nicht bereit, das, was dringend notwendig ist und wozu das Gesetz auf dem Tisch liegt, zu finanzieren.
({15})
- Gut, das ist ein anderer Punkt. Dann sollen Sie hier aber nicht permanent herumtönen, wir würden die erforderlichen Gesetze nicht machen. Das Volkszählungsgesetz ist notwendig - darüber sind wir uns doch alle im klaren -, aber es wird nicht vollzogen.
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- Es kann doch wohl nicht an 4 DM oder 5 DM Zählkosten liegen, daß eine solche wichtige Datenerhebung in unserer Industrienation nicht durchgeführt wird.
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- Herr Broll, es geht hier um verschiedene Ebenen. Mich stört, daß es wichtige Dinge gibt, die auf der Innenebene einwandfrei benötigt werden, die aber, nachdem das Gesetz da ist, nicht vollzogen werden. Das beklage ich. Ich beklage das ganz vehement, weil man nicht alles gleichzeitig auf den Bund abwälzen kann. Dann müssen die Länder ihre Innenministerien abschaffen und alles beim Bund lassen. Aber das kann doch niemand wollen. Eine solche Verfassungswirklichkeit will doch niemand. Von daher ist es nicht konsequent, wie sich die Länder hier verhalten.
Ich hatte vorhin etwas zum Thema „öffentlicher Dienst" gesagt. Dieser Tage ist mir in der „Süddeutschen Zeitung" eine Statistik ins Auge gesprungen, von der ich meine, daß es sich lohnt, darüber nachzudenken. Ich sage das auch, weil wir gleichzeitig den Einzelplan 33 - Versorgung - behandeln. In der „Süddeutschen Zeitung" vom 19. Januar wird etwas über Verdienste und Renten in drei Klassen dargestellt. Ich glaube, es lohnt sich, einmal nachzuschauen, um was es eigentlich geht. Ich beziehe mich nur auf die Altersbezüge von gleichverdienenden Personen über einen langen Lebensabschnitt hinweg.
Da ist es so, daß jemand, der im öffentlichen Dienst Beamter war, nach derselben Lebenszeit wie in der Wirtschaft einen Betrag von rund 3 000 DM an Pension bekommt bei einem angenommenen Höchstverdienst von 4 800 DM. Wäre dieselbe Person in der Wirtschaft beschäftigt gewesen, läge ihr Rentenanspruch bei 1 923 DM. Ist dieselbe Person nicht Beamter, sondern Angestellter mit Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst, dann beträgt ihre Rente plus Zusatzversorgung 3 581 DM. Es ist also ein Sprung von der Wirtschaft zum öffentlichen Dienst von rund 1 000 DM zu verzeichnen; von dort zu den Angestellten im öffentlichen Dienst mit Zusatzversorgung gibt es einen weiteren Sprung um 500 DM.
Ich meine, auch dieser Aspekt muß in die Diskussion um das einbezogen werden, was zur „Operation
82" und deren Vollzug gehört. Ich habe die Bitte, daß sich die Kollegen im Innenausschuß und im Sozialbereich einmal dieses Problems annehmen. Wir können es nicht zulassen, daß wir im privaten und im öffentlichen Bereich wirklich zu drei Klassen von Beschäftigten kommen.
({18})
- Ich weiß das wohl, daß das ein komplexes System ist. Nur: Diese gravierenden Unterschiede sollte man sich einmal anschauen.
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Herr Kollege, ich bitte ja nur darum, daß diejenigen, die im Innenbereich, im Beamtenrecht und im Sozialrecht mehr Sachverstand haben, darüber nachdenken. Wir dürfen nicht zulassen, daß es in der Bundesrepublik bei Personen, die voll ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen, solche Verwerfungen gibt. Um nichts anderes geht es mir.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will einen letzten Punkt ansprechen, weil der Kollege Gerster auch hier gesagt hat, da passiere nicht genug; es sei ganz schlimm, was der Innenminister mache. Für die Belange der ostdeutschen Kultur gab es in der vergangenen Periode einen gemeinsamen Ausschuß. Wie mir Herr Kollege Brandt bestätigt, ist im Zusammenhang mit § 96 BVG stets einmütig gehandelt worden, d. h. also auch im Bereich der Kulturarbeit gibt es eine Einmütigkeit, von der Sie offensichtlich keine Kenntnis nehmen wollen.
Damit Sie sehen, daß wir Abgeordnete des Bundestages auch kleinen Dingen nachgehen, wenn es um Sparsamkeit geht, möchte ich noch eine Sache aus Bonn berichten. Es ist so, daß die Benutzung von Dienstwagen in Bonn immer noch nicht klar ist, d. h. zu welchen Zwecken solche Fahrten zulässig sind. Nach einer entsprechenden Regelung interministerieller Art hoffe ich, daß Dienstwagen nur für dienstliche Zwecke benutzt werden. Dann ist es aber nicht einzusehen, daß sich ein Beamter des Auswärtigen Amtes - ein Ministerialdirektor, B 9 - abends in eine kulturelle Veranstaltung fahren und von dort wieder abholen läßt. Das muß die Bürger, die dort auf Taxen warten, die auch ihre Eintrittskarten selbst bezahlt haben, erbittern.
Meine Bitte wäre, daß gerade in Bonn von Beamten, die nach B 9 besoldet werden, darauf geachtet wird, daß sie keinen Anlaß für solche Bemerkungen geben. Wir werden solchen Sachen nachgehen. Sie blamieren damit den öffentlichen Dienst dort, wo es am allerwenigsten nötig ist. Das sage ich diesem Ministerialdirektor, B 9.
Das wäre es.
({20})
Als nächster Redner hat das Wort Herr Abgeordneter Hirsch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß gestehen, daß mich die Rede des Kollegen Gerster einigermaßen schockiert hat. Aber ich möchte sozusagen zur Beruhigung erst einmal ein paar Worte zum Haushalt selber sagen.
({0})
- Doch. Der Haushalt des Innenministers hält sich, finde ich, im Rahmen der Gesamtsteigerung. Es hat eine Reihe von schmerzlichen Einschnitten gegeben. Das will ich gerade sagen. Das kann bei einem Haushalt, bei dem 50 % der Mittel auf Personalausgaben entfallen, gar nicht anders sein.
Ich stelle mit Befriedigung fest, daß trotz der bestehenden Haushaltsprobleme das langjährige Ausbauprogramm „Innere Sicherheit" inzwischen gut zur Hälfte verwirklicht worden ist und daß das Bundeskabinett ausdrücklich erklärt hat, es sei bei einer Veränderung der Sicherheitslage bereit, auch in diesem Bereich die Mittel für weitere Positionen zu bewilligen.
Es ist so, daß es auch im Bereich des Umweltschutzes einige Abstriche hat geben müssen. Das gilt gerade für den Bereich der Luftreinhaltung. Ich glaube, daß wir bei jeder wirtschaftlichen Situation alles tun müssen, um den Umweltschutz fortzuführen; denn ohne die Bewahrung unserer natürlichen Lebensgrundlagen wird es auf Dauer auch kein wirtschaftliches Wachstum geben.
({1})
Der Gegensatz von Ökonomie und Ökologie ist in meinen Augen ein Scheingegensatz, der uns von richtigen Entscheidungen abhält.
({2})
Wir sollten darauf achten, daß auch die Industrie nicht nur auf staatliche Maßnahmen und Programme rechnet. Vielmehr muß sie selber bereit sein, insbesondere auf dem Gebiet des vorbeugenden Umweltschutzes mehr zu tun. Es kommt nicht nur darauf an, Schadstoffe zu beseitigen, sondern es kommt darauf an, Produktionsverfahren, Wasserkreisläufe usw. so umzustellen, daß Schadstoffe überhaupt nicht erst in die Umwelt gelangen. Wir müssen mehr tun, mehr erreichen für einen vorbeugenden Umweltschutz. Darum begrüßen wir alles, was der Bundesinnenminister tut, um die Neufassung der TA Luft auf den Weg zu bringen.
({3})
Man muß der Industrie auch sagen, daß die Lösung der Probleme nicht darin liegen kann, etwa umweltschädliche Produktionsverfahren in dritte Länder zu exportieren und sozusagen zu einer Art Umwelt-Dumping beizutragen. Wer mit offenen Augen in andere Länder, gerade der Dritten Welt, fährt und sich aussieht, was dort teilweise angerichtet wird, muß wissen, daß solche Verfahren auf Dauer nicht hingenommen werden können.
Zu den Besoldungsproblemen des öffentlichen Dienstes kann mit Rücksicht auf die schwebenden Tarifverhandlungen natürlich nur mit Zurückhaltung Stellung genommen werden. Der öffentliche Dienst hat einen Anspruch auf Gleichstellung mit der allgemeinen Einkommensentwicklung. Dieser
Anspruch ist im wesentlichen erfüllt worden. Aber angesichts der Volumina, um die es geht, können die Personalhaushalte nicht unberührt bleiben. Die daraus sich ergebenden Folgen können nach unserer Überzeugung nicht von den Beamten alleine getragen werden, von denen eben nahezu 70 % zum einfachen und mittleren Dienst gehören; sie können im Grundsatz nicht anders behandelt werden als die tariffähigen Gruppen der Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes. Deswegen stehen wir auch den Vorstellungen der nordrhein-westfälischen Landesregierung, die sich demnächst an den Bundesgesetzgeber wird wenden müssen, mit einiger Zurückhaltung gegenüber, daß sie tiefe Einschnitte im Besoldungsbereich ausschließlich der Beamten und ausschließlich ab A 9 aufwärts anstrebt.
Wir meinen aber auch, daß der Vorsitzende der VKA, der Ulmer Oberbürgermeister Lorenser, der ja Ihrer Partei angehört, darauf achten müßte, die Solidarität der öffentlichen Arbeitgeber zu wahren. Es gibt in dieser Frage beunruhigende Informationen.
({4})
Wir möchten die ÖTV auch darauf aufmerksam machen, daß eine Streikdrohung bei einer aktuellen Lohneinbuße von 0,6 bis 0,7 % - unbeschadet des zu erzielenden Tarifergebnisses - dem bisher berechtigten Anspruch der deutschen Gewerkschaften offenkundig zuwiderläuft, daß sie nämlich bisher in der Tat eine hohe gesamtwirtschaftliche Verantwortung bewiesen und die Autorität des Gesetzgebers nicht angetastet haben.
({5})
Nun zu Ihnen, Herr Kollege Gerster. Wenn ich Sie reden höre, denke ich immer an den Schlachtruf der preußischen Kavallerie: „Nieder in den Staub mit den Feinden Brandenburgs." Wenn Sie glauben, mit solchen Methoden die Probleme eines modernen Staates lösen zu können, dann täuschen Sie sich gewaltig.
({6})
Das ist tiefes 19. und 18. Jahrhundert. Das ist vorbei. Die Antithese, um die es in der modernen Politik geht, ist nicht nur die zwischen Freiheit und Sicherheit - die in Wirklichkeit keine Antithese ist; da haben Sie recht -; es geht vielmehr genauso um die Verpflichtung, das zu beachten, was man in der lateinischen Sprache als den Unterschied zwischen „potestas" und „auctoritas" erkannte. Hier handelt es sich um die Überlegung, daß man mit der schlichten Ausdehnung der staatlichen Macht allein die Autorität des Staates nicht erhält, sondern zerstört.
Bei vielen Ihrer Ausführungen, auf die man kaum im einzelnen einzugehen braucht, habe ich mich gewundert, daß Sie in der Tat ein Staatsbild haben, in dem Sie offensichtlich glauben, unsere Probleme mit Hauruck, mit „Druff" lösen zu können - wie der alte Wrangel -, mit der Ausdehnung staatlicher Machtbefugnisse.
({7})
Mit dem Haß, den Sie predigen und auch hier in Ihrer Rede haben erkennen lassen, zerstören Sie die zwischen allen demokratischen Parteien für die Sicherheit in diesem Lande notwendige Zusammenarbeit und die in dieser Frage notwendige Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. Sie erweisen der Polizei in unserem Lande einen Bärendienst. Sie zerren sie in eine parteipolitische Auseinandersetzung hinein, in der die Polizei in der Tat daran zweifeln muß, ob sie die Solidarität aller demokratischen und politischen Kräfte in diesem Land genießt oder ob sie um persönlicher Profilierungen willen in Zergeleien hineingerissen wird.
({8})
Herr Kollege Hirsch, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Gerster?
Ja, bitte.
Herr Kollege Hirsch, glauben Sie wirklich, daß es der „auctoritas" des Staates - nicht: einzelner Amtsinhaber - dient, wenn der Innenminister als Verfassungsminister in zahlreichen Interviews und Darstellungen der letzten Jahre den Rechtsbruch als eine hinnehmbare Alternative in ganz bestimmten, konkreten Situationen bezeichnet? Glauben Sie, daß damit die „auctoritas" des Staates gestärkt und erhalten wird?
Ich kann nicht begreifen, wie Sie eine pauschale Behauptung aufstellen können, ohne den mindesten Beleg dafür anzubieten.
({0})
Ich sage Ihnen: Ich bewundere die Sorgfalt, mit der dieser Innenminister den notwendigerweise schmalen Grat geht zwischen dem notwendigen Einsatz staatlicher Machtmittel und der Sorge, damit - in der Erkenntnis, daß der Staat mehr ist als nur eine Herrschaftsmaschine - nicht mehr Menschen von diesem Staat wegzutreiben. Das ist ein schmaler Grat, und ich sage Ihnen, daß er sehr sorgfältig gegangen werden muß.
({1})
Wir werden demnächst an Hand eines Antrags, in dem Sie den Eindruck verbreiten, als ob wir am Ende der Weimarer Demokratie wären, darüber sprechen. Ich kann Herrn Kühbacher nur zustimmen. Ich frage mich, ob wir in demselben Staat leben. Es ist wirklich erschreckend, welche Schrekkenskammer Sie immer wieder hervorziehen. Wir sollten uns von Ihren Demonstrationen - nicht von wirklichen - nicht abhalten lassen; denn - auch das ist interessant - wenn Sie von Demonstranten reden, hat man den Eindruck, daß das alles Landfriedensbrecher sind. Daß jemand, der demonstriert, nur ein Grundrecht ausübt, scheint in Ihren Kopf überhaupt nicht hineinzugehen.
({2})
Ich will Ihnen einmal sagen, wo die wirklichen Probleme der Polizei in unserem Lande liegen.
({3})
- Ich will das gerne tun, wenn das nicht auf meine Redezeit angerechnet wird. Ich habe das schon mehrfach öffentlich klargestellt. Ich möchte als Sprecher meiner Fraktion im Innenausschuß in der Tat dorthin gehen können, wo sich jemand, wie ich annehme, falsch verhält. In meinen Augen haben sich die schleswig-holsteinische Landesregierung und der dortige Landrat damals falsch verhalten. Man kann nämlich nicht für ein Kirchspiel von ein paar hundert Quadratkilometern Größe für mehrere Tage ein Grundrecht außer Kraft setzen. Ich habe das für falsch gehalten, und die Erfahrung hat ja auch gezeigt, daß das Demonstrationsverbot nicht durchgehalten werden konnte. Ich habe gesagt: „Ich will dorthin gehen, um mir das anzusehen." Nicht als Demonstrant, das habe ich nicht nötig; ich kann hier demonstrieren.
({4})
Als mich ein Journalist fragte: „Wenn es dort aber nun zu Auseinandersetzungen kommt, weil die Demonstration verboten ist, wollen Sie auch dann dorthin gehen?", habe ich ihm geantwortet: „Natürlich! Dann muß ich es erst recht tun, um zu sehen, was sich dort abspielt und was dort richtig oder falsch gemacht wird." Das ist die Erklärung, die ich schon wiederholt gegeben habe. Ich lasse mir von Ihnen, von niemandem, auch nicht von der Presse, vorschreiben, ob es meine Pflicht ist oder nicht, irgendwohin zu gehen, wo ich mich als Sprecher meiner Fraktion im Innenausschuß darüber informieren muß, ob und wie die innere Sicherheit in diesem Lande gewahrt wird oder nicht.
({5})
Sie lenken von den eigentlichen Problemen unserer Polizei ab; denn ohne Zweifel ist die Entwicklung der Kriminalität nicht gerade erfreulich. Das muß man sagen, aber auch hinzufügen, daß die Aufklärungsquoten ebenso wie die Ausrüstung und die Ausbildung der Polizei von Bund und Ländern keinen Vergleich mit denen der Polizei irgendeines anderen Landes zu scheuen brauchen. Wir müssen begreifen, daß es Veränderungen in der Kriminalität gegeben hat. Das gemeinsame Sicherheitsprogramm stammt aus dem Jahre 1972. Es wäre, glaube ich, sinnvoll, eine neue Anfangsbilanz zu ziehen, die stärkeren Anforderungen, insbesondere die Polizeidichte, angesichts der zu erwartenden Bevölkerungsentwicklung zu überprüfen und die Polizei auf die hohe Zahl der unter uns lebenden Ausländer sowie auf deren Lebensgewohnheiten besser einzustellen. Wir müssen das energisch tun, angesichts der Tatsache, daß über 60 % aller Straftaten Diebstähle sind. In Nordrhein-Westfalen ist jede zehnte Straftat ein Fahrraddiebstahl. Man sollte sich einmal überlegen, warum das so ist. Ich frage mich, was die Leute mit den Fahrrädern machen. Es ist notwendig, die Polizei von einer Fülle bürokratischen Leerlaufs zu befreien.
Wir müssen unseren Polizeibeamten auch sagen, daß ihr Ansehen und ihre Anerkennung in der Gesellschaft ungebrochen und größer sind, als sie es selber annehmen, damit sie nicht glauben, daß wir politische oder soziale Auseinandersetzungen, die es natürlich in dieser Gesellschaft gibt, auf ihrem Rükken und mit Hilfe polizeilich-exekutiver Mittel austragen wollen.
Was die Ausländerkriminalität angeht, muß man übrigens auch einmal darauf hinweisen, daß sie, abgesehen von einer Sonderentwicklung bei Jugendlichen, an der wir selber nicht unschuldig sind - das hängt mir der Frage der Integration ausländischer Jugendlichen zusammen -, keineswegs größer ist als die der deutschen Bevölkerung.
({6})
In bezug auf die Verfassungstreue der Beamten werden Sie sehen - ich will hier aus Zeitgründen das überspringen, was ich dazu sagen wollte -, daß der Gesetzentwurf des Bundesinnenministers diesen Grundsatz in keiner Weise antastet.
({7})
Nur, eines muß ich Ihnen auch sagen: Hier kann man eine unglaubliche Heuchelei beobachten, so als ob der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Praxis der Länder nie eine Rolle gespielt hätte. Sie müssen doch wissen, daß z. B. die Länder BadenWürttemberg und Bayern jahrelang bei der Einstellung - bei diesen Überlegungen geht es gar nicht um die Einstellung - von Beamten des mittleren Dienstes und von vergleichbaren Angestelltengruppen die Frage der Verfassungstreue im Sinne der hier so oft beschworenen Regelanfrage nie geprüft haben, weil man bei der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes offenbar vernünftig differenziert hat; denn es ist ungeheuer schwer, in den Kopf anderer Leute zu gucken. Das ist schon ungeheuer schwer, wenn es sich um Masseneinstellungen handelt.
Was das Asylrecht angeht, kann ich nur sagen: da reden Sie unter souveräner Mißachtung der bekannten Tatsachen, daß die Zahl der Asylbewerber in den letzten Jahren auf Grund der Maßnahmen der Bundesregierung um nahezu 50 % zurückgegangen ist
({8})
und daß seit Bestehen des Bundesamtes für die Anerkennung von Flüchtlingen insgesamt 375 000 Menschen in der Bundesrepublik um Asyl nachgesucht haben. Wir haben aber in der Bundesrepublik über viereinhalb Millionen Ausländer. Beide Probleme werden in einer kaum noch verstehbaren Weise miteinander verquickt.
Ich sage Ihnen: Hier ernten wir die Folge aus der Tatsache, daß der Lebensstandard auf dieser Erde in einer unvertretbaren Weise ungleich verteilt ist.
({9})
Wir versuchen im Grunde genommen, mit verwaltungsmäßigen Entscheidungen dieses Problems Herr zu werden. Wir tun so, als ob es nur um Wirtschaftsflüchtlinge ginge, so kleine Leutchen, die hier schmarotzen wollten, anstatt daran zu denken, daß es Menschen sind, die sich und ihre Familien in, wenn es irgend ginge, vernünftiger Weise ernähren wollen.
({10})
Ich bin mit Ihnen der Meinung, daß das so nicht geht. Aber wir müssen auch erkennen, daß die Flüchtlingsbewegung aus den Ländern der Dritten Welt, aus der Türkei, aus Pakistan - ich rede jetzt einmal nicht von Polen -, in der Tat die Folge der Tatsache ist, daß die Industrieländer westlicher und östlicher Prägung viele Jahrzehnte hindurch ihre humanitären Verpflichtungen diesen Menschen gegenüber nicht erfüllt haben. Das ist der Punkt.
({11})
Ich meine, wir sollten unsere innenpolitischen Probleme mit etwas größerer Gelassenheit sehen und gemeinsam stolz darauf sein, daß diese Bundesrepublik 30 Jahre hindurch eine unglaubliche Stabilität bewiesen hat, die fast so groß geworden ist, daß manche Menschen an der Reformfähigkeit, an der Veränderungsfähigkeit zweifeln, weil die Parteien nach außen ein Harmoniebild verbreiten, als monolithische Blöcke erscheinen. Jeder Außenstehende, jeder neu Hinzukommende zweifelt, ob er überhaupt noch eine Chance hat, in diese scheinbar monolithischen Blöcke, in denen wir unsere Diskussionen um des schönen Bildes willen sorgfältig verbergen, seine Meinungen im parlamentarischen oder Parteienspiel einzubringen.
Die Parteien - alle Parteien - täten sehr gut daran, einmal darüber nachzudenken, wie es kommt, daß sich neben ihnen etwas etabliert hat, was man als „Bewegungen" bezeichnet. Das liegt an vielen Problemen, über die wir heute zum Teil schon gesprochen haben: das Leben in einer technisierten und verwalteten Welt, in der viele junge Menschen daran zweifeln, ob sie einen sinnvollen Berufsweg finden können; die Sorge um den Frieden - nicht um den inneren Frieden -, die Sorge um unsere physische Existenz; die Frage, ob der Bürger die vielen kleinen Entscheidungen, die wir hier diskutieren, noch als sinnvoll ansieht, ob er erkennt, warum wir über solche Details sprechen. Der Sinn unserer Politik, den Menschen zu dienen, wird hinter den vielen technischen Details und hinter solchen Attakken, wie Sie sie geführt haben, nicht mehr deutlich. Das hängt davon ab, ob wir z. B. unsere ausländischen Mitbürger als Menschen oder als bewegliche Teile von Maschinen behandeln, ob wir den Ausländern der zweiten Generation eine faire Integrationschance in unserer Gesellschaft einräumen, ob wir unser Asylrecht in einer Art Hau-ruck-Verfahren organisieren oder die Verheißung dieses Grundrechtes wirklich erfüllen.
Zur Innenpolitik gehört, ob wir trotz der Entwicklung moderner Datenverarbeitungstechnik durch wirksame Schutzregeln die Privatsphäre achten und wahren. Zur Innenpolitik gehört, daß wir trotz der Sorge um wirtschaftliche Belastungen nicht darin scheu werden und nicht vor dem Druck der Interessengruppen zurückweichen, wenn es darum geht, durch wirksame Umweltschutzmaßnahmen die Existenzgrundlagen unseres Lebens zu erhalten.
({12})
Ich hoffe, daß es im Laufe dieses Haushaltsjahres möglich sein wird, zu allen diesen Punkten ausführlich in diesem Haus zu reden, damit wir nicht außerhalb dieses Hauses darüber reden müssen. Dann würde nämlich eins sehr deutlich werden: daß die Sicherheit unseres Staates auf der Bewahrung seiner Liberalität beruht und auf der Überzeugung seiner Bürger, nicht zum bloßen Objekt einer staatlichen Maschinerie geworden zu sein, sondern als Bürger in einer freien Gesellschaft zu leben. Nicht „nieder in den Staub mit den Feinden Brandenburgs", sondern gemeinsam dafür sorgen, daß die Freiheit in diesem Lande erhalten bleibt!
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Als nächster Redner hat Herr Abgeordneter Borchert das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Johannes Gerster hat darauf hingewiesen, Herr Baum, welchen Randgruppen Ihr politisches Interesse gilt. Er hat darauf hingewiesen, daß Sie die Polizei bei ihrer schweren Arbeit weitgehend allein lassen. Herr Kollege Hirsch, wir stimmen Ihnen sicher zu, daß die Polizei die Solidarität aller politischen Kräfte braucht. Nur, ich meine, Herr Kollege Gerster hat mit Recht darauf hingewiesen, daß sie in erster Linie die Solidarität des zuständigen Fachministers braucht. Dies ist der Punkt, über den wir in diesem Bereich zu diskutieren haben. Ich spreche jetzt über einen Bereich, der ebenfalls zu den Bereichen Ihres Ministeriums gehört, die Sie weitgehend vernachlässigen, nämlich den Bereich der zivilen Verteidigung.
Trotz der zahllosen Beteuerungen in den vergangenen zehn Jahren, daß die Verteidigungsfähigkeit der Bundesrepublik ohne eine ausreichende Zivilverteidigung nicht glaubwürdig und nicht überzeugend ist, wurde in den vergangenen Jahren kaum ein anderer Bereich der Politik von dieser Regierung so stiefmütterlich behandelt wie die zivile Verteidigung.
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Die Bundesregierung hat zwar im Weißbuch gefordert, daß die Ausgaben der Zivilen Verteidigung zu den Ausgaben der militärischen Verteidigung ein Verhältnis von 1 : 20 erreichen. Dieses Ausgabenverhältnis war auch schon 1962 mit 1 : 19 in der Bundesrepublik fast erreicht und wird in anderen Ländern - etwa in der Sowjetunion mit 1 : 20, in Schweden
mit 1 : 20 und in der Schweiz mit 1 : 13 - auch heute erreicht oder übertroffen. Bei uns aber hat sich in den vergangenen Jahren dieses Verhältnis ständig verschlechtert. Wir haben im Haushaltsplan 1982 ein Verhältnis von 1 : 58.
({1})
Diese Zahlen zeigen, daß die Investitionen im militärischen Bereich auf Grund der NATO-Verpflichtungen in etwa fortgeschrieben sind, daß aber die nicht vertraglich gebundenen Aufgaben der zivilen Verteidigung in diesen Jahren unter die ideologischen Räder dieser Koalition geraten sind. Während die Bedeutung der Zivilen Verteidigung in vielen Erklärungen der Regierung immer wieder betont wird, zeigt aber der Anteil des Einzelplans 36 in dramatischer Weise, welche Bedeutung die gleichen Politiker diesem Bereich tatsächlich zumessen. Der Anteil des Einzelplans 36 am Gesamthaushalt ist von 1,47 % im Jahre 1961 über 0,52 % 1969 auf heute nur noch 0,32 % gesunken. Ich meine, diese Zahlen zeigen die skandalöse Vernachlässigung dieses wichtigen Bereiches.
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Bei den Beratungen des Haushalts 1982 wurde von der Koalition der vergebliche Versuch einer Sanierung der zerrütteten Staatsfinanzen gemacht. Von der im Sommer viel zitierten Wende blieb dabei nur der Wendebrief. Man spitzte zwar die Lippen, aber man konnte nicht pfeifen. In dieser schwierigen Situation des Bundeshaushalts ist es dann gerade gelungen, den Einzelplan 36 um knapp den gleichen Prozentsatz steigen zu lassen wie den Gesamthaushalt. Trotz der zugegeben schwierigen Finanzlage des Bundes wäre es aber notwendig gewesen, mit einer deutlichen Steigerung ein Signal für den veränderten Stellenwert der Zivilverteidigung zu geben. So aber werden die Fehler der Vergangenheit fortgesetzt. Ich bin sicher, daß die Redner der Koalition bei dieser wie auch bei anderen Gelegenheiten immer wieder auf andere Länder verweisen, in denen dies alles j a noch sehr viel schlimmer und sehr viel schlechter sei. Wir kennen diese Argumentation aus der Behandlung vieler Etatansätze in diesen Tagen als offensichtlich ein Allheilmittel für eine Politik in der Sackgasse, aus der diese Regierung keinen Ausweg mehr weiß. Meine Damen und Herren, diese Argumentation, bei der man immer auf andere Länder verweist, erinnert mich in fataler Weise an die Situation des Tabellenletzten in der Bundesliga, bei dem der Präsident den Mitgliedern und Anhängern erklärt, der Verein sei doch in einer vergleichsweise blendenden Situation, denn es gebe schließlich noch Vereine in der Zweiten Liga, in der Landesliga, in der Bezirksklasse, in der Kreisklasse.
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- Der Unterschied zwischen dem Kollegen Riedl und dieser Bundesregierung ist, daß er auch in schwierigen Situationen immer den Mut hat, die Situation realistisch darzustellen - mit dem Ergebnis, daß München 1860 im Gegensatz zur Bundesregierung wieder im Aufwärtstrend ist.
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Dies ist eben der Erfolg einer realistischen Situationsschilderung. Der Hinweis auf noch so viele andere Länder, denen es schlechter gehe, Herr Kollege Löffler, verbessert doch nicht die Situation, sondern beschleunigt den weiteren Abstieg.
Die seit Jahren vergleichsweise bescheidene Bereitstellung von Haushaltsmitteln hat verständlicherweise Auswirkungen etwa auf den Warndienst, den Schutzraumbau, den Katastrophenschutz und vor allem auf die personelle Situation der Zivilen Verteidigung.
Beim Warndienst wird seit Jahren in allen Beratungen die dringend notwendige Senkung der Postgebühren angesprochen. Wir unterhalten uns immer wieder über dieses Problem. Aber auch in diesen Haushalt sind wieder 60 Millionen DM eingesetzt worden. Die jahrelange Diskussion um diesen Bereich zeigt, daß der zuständige Minister nicht in der Lage ist, eine Einigung zwischen der zivilen Verteidigung, der Bundespost und dem Verteidigungsministerium herbeizuführen, um neue, kostensparende Technologien einführen und damit die Kosten senken zu können. In diesem Bereich wie auch in anderen Bereichen, Herr Baum, tagen zur Erarbeitung eines neuen Konzeptes in Ihrem Ministerium seit Jahren Arbeitsgruppen, ohne ein konkretes Ergebnis vorlegen zu können. Diese Tatsache, Herr Minister
- daß keine Ergebnisse vorgelegt werden können
- ist nicht ein Problem des Ressorts, sondern zeigt, daß der zuständige Minister nicht in der Lage ist, die unterschiedlichen Interessen seines Hauses auszugleichen. Die Einführung neuer, kostensparender Technologien und die Verbesserung des Warndienstes scheitert damit an der Führungsschwäche des zuständigen Ministers.
Auch der Stand des Schutzraumbaus zeigt die Hilflosigkeit dieser Bundesregierung. Während in der Bundesrepublik nur für 3 % der Bevölkerung Schutzräume bestehen, gibt es in der Schweiz Schutzräume für 80 % und in Schweden für über 65% der Bevölkerung. In anderen Ländern werden die Schutzräume kontinuierlich ausgebaut, während die Bundesregierung in den vergangenen Jahren über Vollschutz oder Grundschutz debattiert hat und dabei die finanziell durchaus möglichen Maßnahmen vor dem Hintergrund der Alternative des „alles oder nichts" unterlassen hat. Durch diese Diskussion wurde im vergangenen Jahrzehnt versäumt, rechtzeitig mehr Mittel für den Schutzraumbau zur Verfügung zu stellen. Mit den jetzt im Bau befindlichen Schutzräumen und den geplanten Baumaßnahmen ist langfristig auch der erforderliche Grundschutz für die Bevölkerung nicht zu erreichen, auch wenn für diesen Titel 1982 eine Aufstockung um 21 Millionen DM vorgenommen wurde.
Bei den endlich fertiggestellten Schutzräumen streitet der Minister in vielen Fällen mit den Ländern und Gemeinden, wer die Unterhaltung und Verwaltung der Schutzräume übernehmen soll, wie es z. B. bei dem Schutzbunker in Braunschweig nach wie vor der Fall ist. In mehreren Fällen sind Sie, Herr Minister, nicht in der Lage, die Übernahmevereinbarungen mit den Gemeinden abzuschließen. Ich meine, auch dies ist nicht gerade ein Zeichen für die
überragende Führungsstärke dieses zuständigen Fachministers.
Im Bereich des erweiterten Katastrophenschutzes wurde mit dem Konsolidierungsprogramm 1980 bis 1989 ein erster Schritt zur Modernisierung und zur weiteren Ausstattung für den Katastrophenschutz vorgenommen. Nach diesem Konsolidierungsprogramm sollen für zehn Jahre 1,2 Milliarden DM - unter Berücksichtigung des jährlichen durchschnittlichen Preisanstiegs - für Ersatzbeschaffungsmaßnahmen und den erweiterten Ausbau zur Verfügung stehen. Wenn dieses Programm in den nächsten Jahren Erfolg haben soll, meine Damen und Herren, dann ist eine Anpassung an die aktuelle Preisentwicklung dringend erforderlich. Wenn eine solche Anpassung nicht erfolgt, dann werden die positiven Ansätze dieses Programms in wenigen Jahren der Inflation zum Opfer gefallen sein.
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Einen weiteren Schwerpunkt des Katastrophenschutzes stellt die Ausbildung von Leitungs- und Führungskräften dar. Für die Katastrophenschutzschulen auf Landesebene wird von ihnen überprüft, in welchem Umfang eine Kostenverpflichtung des Bundes besteht. Bei der Katastrophenschutzschule des Bundes ist die Organisationsfrage weitgehend ungeklärt. Hierdurch ist auch ungeklärt, wie der jetzige Personalbestand dieser Schule in Zukunft aufrechterhalten werden soll. Ebenfalls offen ist damit die zukünftige Einordnung dieser Schule und damit auch die tarifrechtliche Eingruppierung des Personals. Dies bringt für alle Betroffenen, für die Mitarbeiter an diesen Schulen eine unvertretbare Situation mit sich. Im Interesse der an der Katastrophenschutzschule Beschäftigten und aus Verantwortung ihnen gegenüber erwarten wir eine schnelle Klärung der zukünftigen Weiterentwicklung dieser Schule.
Ohne die Hilfsorganisationen aber würden alle Maßnahmen der zivilen Verteidigung erfolglos bleiben. Allein im Technischen Hilfswerk wirken etwa 55 000 aktive Helfer mit. Diese ehrenamtlichen Helfer tun ihren Dienst an der Gemeinschaft unter Inkaufnahme persönlicher Opfer. Ohne die Bereitschaft dieser vielen Mitbürger, sich trotz aller Belastungen und Schwierigkeiten immer wieder für den Katastrophenschutz zur Verfügung zu stellen, wäre diese wichtige soziale und humanitäre Aufgabe nicht zu erfüllen.
({6})
Noch immer aber sind die Unterkünfte in einem teilweise verheerenden Zustand.
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Nur die Hälfte der rund 650 Gruppen ist gut untergebracht. Bei allen anderen Gruppen sind Aus-, Neuoder Umbauten dringend erforderlich. Bei den unzureichend untergebrachten Gruppen ist seit zwei Jahren keine Fortschreibung über den Stand der Situation erfolgt. Der Minister weiß also nicht einmal, wie diese Gruppen untergebracht sind, was und wie umgebaut werden müßte. In den meisten Fällen, in denen ein Umbau vorgesehen ist, ist es bisher beim Vorsatz geblieben.
In den vergangenen Jahren, als diese Regierung das Geld in vielen Bereichen mit vollen Händen ausgegeben hat, hat die CDU vergeblich gefordert, mehr Mittel für die zivile Verteidigung, vor allem für die Helferorganisationen, zur Verfügung zu stellen.
Herr Kollege Borchert, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kühbacher?
Ich habe leider nur noch sehr wenig Zeit; sonst würde ich es gern machen, Herr Kollege Kühbacher.
Heute müssen die Helfer in unzureichenden Unterkünften weiterarbeiten, weil die Regierung durch die von ihr verschuldete Finanzkrise nicht in der Lage ist, dringend notwendige Maßnahmen für die Unterbringung der Helfergruppen zu finanzieren.
Die Entschädigung der ehrenamtlichen Helfer ist seit 1965 unverändert geblieben. Sie entspricht in keiner Weise mehr der heutigen Preisentwicklung. Aus Verantwortung gegenüber den vielen Helfern, ohne deren selbstlose Arbeit Zivilschutz und Selbstschutz nicht möglich wären, sind zeitnahe Sätze bei der Helferentschädigung dringend erforderlich. Wir können denjenigen, die bereit sind, sich ehrenamtlich zu engagieren, nicht auch noch zumuten, die dabei entstehenden Kosten selber zu übernehmen.
Meine Damen und Herren, die zivile Verteidigung ist die Vorsorge für den Ernstfall und damit eine zentrale Aufgabe für die Existenzsicherung unseres Volkes. Durch die Schuldenpolitik der vergangenen Jahre sind wir so weit gekommen, daß wir in diesem existentiell wichtigen Bereich nicht mehr in der Lage sind, die drängendsten Aufgaben zu finanzieren.
({0})
Mit dem geringen Anstieg der Mittel in diesem Haushaltsplan werden auch in diesem Jahr keine Verbesserungen möglich sein. Die CDU/CSU lehnt daher den Einzelplan 36 und damit die Politik der Bundesregierung, vor allem auch die Politik des zuständigen Fachministers in diesem Bereich ab. - Danke sehr.
({1})
Als nächster Redner hat Herr Abgeordneter Dr. Nöbel das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist ja einiges richtig an dem, was Sie hier vorgetragen haben. Wir sind uns alle einig, daß es im Bereich der Zivilverteidigung an manchem hapert; nur: die Art und Weise, wie das hier vorgetragen wird, die geht natürlich nicht. Was soll z. B. der mathematische Vergleich der Aus4806
gaben für die militärische Verteidigung mit den Ausgaben für die zivile Verteidigung.
({0})
- Das stand im Weißbuch, Herr Würzbach, aber man weiß doch mittlerweile längst - deshalb bitte ich, nicht immer darauf herumzureiten -, daß dieser Vergleich in sich unschlüssig ist. Sie wissen als Militärexperte ganz genau, welche Mittel durch die technische Entwicklung im Bereich militärischer Waffensysteme erforderlich sind und daß dadurch die Schere immer weiter aufgeht. Ich glaube, darüber brauchen wir hier keine Pseudodiskussion zu führen.
({1})
Oder was heißt, die zivile Verteidigung sei einer Ideologisierung zum Opfer gefallen? Ich verstehe das nicht. Oder was heißt, die Fehler der Vergangenheit würden fortgesetzt? Das trifft doch alles gar nicht zu, es sei denn, Sie meinen, Herr Kollege, die Zeit, als CDU und CSU in Regierungsverantwortung standen, denn diese Vorwürfe treffen exakt auf das Jahr 1965 bzw. 1966 zu. Der Herr Gerlach wird jetzt sagen, das Haushaltstrukturgesetz habe die SPD mitbeschlossen. Sie wissen aber auch, warum. Da geschah doch mit der zivilen Verteidigung folgendes: Nicht nur, daß von einem Jahr aufs andere auf einen Schlag 400 Millionen DM gekürzt wurden - das war ja eigentlich das Aus der zivilen Verteidigung und des Zivilschutzes überhaupt -, sondern es konnten auch gerade beschlossene Gesetze, die auf Initiative der Sozialdemokraten damals aus der Opposition heraus hier im Bundestag einvernehmlich beschlossen wurden, z. B. das Schutzraumgesetz, z. B. das Selbstschutzgesetz, ein knappes Jahr später nicht in Kraft treten, weil eben die Mittel fehlten. Da brauchen wir uns hier nicht jedes Jahr gegenseitig die gleichen Vorwürfe zu machen. Mir fallen dann immer wieder die Sünden ein aus der Zeit, als Ihre Parteien noch in der Regierungsveranwortung standen. Sie haben damals vor Fehlinvestitionen gewarnt - ich will hier nicht lange zitieren - und haben damals, wie wir das heute tun, z. B. auf die Selbsthilfe hingewiesen, die durch den Bürger selbst erforderlich ist. Heute haben Sie diese Vokabel ersetzt. Da reden Sie von Pflichten, die Sie dem Bürger auferlegen wollen.
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Ich kann nur sagen: diese Koalition wird unsere Bürger vor diesen Pflichten behüten. Natürlich kann man den gegenwärtigen Ausbau des Warndienstes kritisieren, aber hier und noch mehr im Bereich Schutzraumbau spiegeln sich eben die Sünden der Vergangenheit an deutlichsten wider. Ich brauche mich doch hier nicht jedes Jahr zu wiederholen. Damals in der Wiederaufbauphase ist versäumt worden, Schutzräume in entsprechender Weise zu schaffen. Da brauchen wir uns gegenseitig gar nichts vorzuwerfen. Und so gebe ich gerne zu, daß sich weder die Große Koalition noch einige Jahre lang auch diese Koalition aus SPD und FDP, aber schon gar
nicht die Regierungen Adenauer und Erhard ausreichend um den Zivilschutz gekümmert haben. Hier wird aber etwas verschwiegen, und das werfe ich Ihnen vor. Es, hat seit der Verabschiedung des Gesetzes über den erweiterten Katastrophenschutz 1968 - das gebe ich auch noch zu - eine Reihe von Rezepten und Konzepten gegeben, die dann schließlich nichts eingebracht haben, aber was hier verschwiegen wird, ist doch die Tatsache, daß seit der letzten Legislaturperiode Erhebliches geleistet worden ist. Gut, man muß es relativieren; das ist klar. Aber es kann nicht bestritten werden, daß sich die Situation im Bereich des Zivilschutzes insbesondere seit dem Jahre 1977 wesentlich verbessert hat.
Ich komme jetzt zum aktuellen Haushalt. Wir haben im Bereich des erweiterten Katastrophenschutzes - Sie haben darauf hingewiesen - ein bis 1990 hin angelegtes Konsolidierungsprogramm, das finanziell mit 1,15 Milliarden Mark zu Buche schlägt. Jetzt kann man natürlich verlangen, wir müßten jetzt schon Inflationsraten einbauen. Wo gibt es denn so etwas? Ich kann doch heute noch nicht wissen, wie die Entwicklung bis 1990 ist. Wenn ich natürlich dauernd nur opponiere, dann bringe ich die Inflation selber mit.
In diesem Jahr ist die zweite Rate von 113,6 Millionen Mark fällig. Das bitte ich doch zur Kenntnis zu nehmen. Im letzten Jahr standen 107,9 Millionen Mark zur Verfügung. Dabei geht es im wesentlichen um die Ausrüstung unserer Hilfsorganisationen - Feuerwehren, Deutsches Rotes Kreuz, Malteser Hilfsdienst, Arbeiter-Samariterbund, JohanniterUnfallhilfe - mit Geräten und Fahrzeugen. Darauf kann man sich einstellen. Ein solch langfristiges konkretes Programm hat es noch nie gegeben.
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Darauf kann man sich einstellen, und diese Verbände haben sich bereits darauf eingestellt. Das ist eine ganz solide Politik, die wir hier seit der letzten Legislaturperiode fahren. Wir werden sie fortsetzen.
Ich halte es durchaus für erfreulich, daß beim Technischen Hilfswerk trotz der jetzigen finanziellen Situation immerhin eine kleine Aufstockung möglich war.
Wieso kritisieren Sie den Schutzraumbau? Er ist von 68,1 auf 89,2 Millionen Mark angestiegen. Das ist immerhin eine Steigerungsrate von 31 % gegenüber dem Vorjahr. Wo gibt es das denn sonst im Haushalt?
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Das wird einfach mir nichts dir nichts unter den Tisch gebuttert.
Es hat also keinen Zweck, uns hier alljährlich Mängel vorzuhalten und vorzuwerfen. Es geht um die realistische Einschätzung der Möglichkeiten heute. Und da haben wir eine gemeinsame Beschlußlage seit Ende der letzten Legislaturperiode. Dabei geht es um die Vereinfachung der Zivilschutzgesetzgebung. Da ist vieles zu kompliziert. Der Innenminister wird in Kürze in der Lage sein, einen
Entwurf mit den Ländern zu beraten. Wenn ich richtig informiert bin, kann er in einem Jahr im Kabinett behandelt werden.
Als nächstes erwarten wir die Vorlage des Gesundheitssicherstellungsgesetzes. Sie wissen, das ist eine schwierige Aufgabe. Wir erwarten den Entwurf in dieser Wahlperiode; hoffentlich kommt er recht bald.
Die Koordinierung der zivil-militärischen Zusammenarbeit auf allen Verwaltungsebenen ist ein weiterer Punkt, der in dieser gemeinsamen Entschließung steht. Da gibt es natürlich noch manches nachzuholen. Man kann nicht alles auf einmal.
Ich komme zum letzten Punkt, zur verbesserten Aufklärung der Bevölkerung. Da ist sehr vieles gelaufen. Die letzte Vorsorgebroschüre, die der Innenminister in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband für den Selbstschutz veröffentlich hat, hat in drei Monaten eine Auflage von 400 000 Exemplaren erreicht, die auf Einzelanforderung zugeleitet worden sind. Wir begrüßen sehr, Herr Minister, daß jetzt in dem Ortskennzahlverzeichnis - es erreicht eine Auflage von ungefähr 29 Millionen - die wichtigsten Empfehlungen enthalten sein werden, so daß wir, was die Aufklärung der Bevölkerung angeht, in Kürze einen wesentlich höheren Verbreitungsgrad erlangen werden.
Dann darf doch hier niemand so tun, als sei nichts geschehen. Erinnern wir uns an die Forschungsergebnisse der Kommission von Wissenschaftlern beim Bundesminister des Innern, insbesondere in der Katastrophenmedizin. Davon redet kein Mensch. Dort ist sehr viel geschehen. Erinnern wir uns an die Leistungen des Hubschrauberrettungsdienstes. In 10 Jahren wurden 95 000 Einsätze geflogen und fast 80 000 Patienten ärztlich versorgt. Wir Sozialdemokraten sagen Dank den Piloten, dem Wartungspersonal des Bundesgrenzschutzes und den Notärzten für diese Leistung,
({5})
die einmalig ist in ganz Europa.
({6})
Das ist beispielhaft und zeigt, daß wir, meine Damen und Herren von der Opposition, von der Bundesebene her auch den friedensmäßigen Katastrophenschutz, für den eigentlich die Länder zuständig sind, mit fördern, im Einvernehmen mit den Ländern.
Meine Damen und Herren, die konstruktive Mitarbeit der Opposition hier im Bundestag wäre uns sehr dienlich; sie wäre objektiv sehr nützlich. - Ich danke Ihnen.
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Als nächster Redner hat der Herr Abgeordnete Wolfgramm das Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich habe nur eine sehr kurze Redezeit beantragt, und deswegen werden Sie auch nur kurze Anmerkungen ertragen müssen.
({0})
Dem Kollegen Gerster, dem ich sehr sorgfältig zugehört habe, möchte ich, obwohl das nicht das Thema dieser zweiten Runde ist, sagen, daß mich Ihre Eingangsanmerkung, dieser Innenminister schütze in besonderer Weise die Rechte der Demonstranten und Rabauken und Chaoten, sehr nachdenklich gemacht hat. Sie differenzieren nicht. Sie stellen hier Demonstranten in eine Reihe mit Rabauken, mit denjenigen, die das Demonstrationsrecht pervertieren, und mit Chaoten, die die Pervertierung zum ständigen Umgang machen. Wir machen hier im Bundestag keine Gesetze - ich meine, da werden Sie alle mir zustimmen -, bei denen wir von vornherein die Perversion des Gesetzes als den Normalfall ansehen.
({1})
Herr Kollege Gerster, ich wäre sehr dankbar, wenn auch Sie - ich weiß, daß eine Anzahl von Kollegen Ihrer Fraktion das getan hat - einmal einen etwas zeitraubenderen Blick in die Zürcher Untersuchung über Jugendprobleme werfen würden, in eine Untersuchung, die aus einem Land kommt, das nicht dafür bekannt ist, daß es seine konservativen Grundvorstellungen zu verlassen im Begriff ist.
Wenn Sie zusätzlich auch noch erwägen, daß Sie die Möglichkeit besitzen, Ihre eigenen Untersuchungen nachzulesen, nämlich die aus dem Hearing über Gewalt und Terrorismus, das Ihr Generalsekretär Geissler vor, glaube ich, nicht ganz anderthalb Jahren veranstaltet hat, müßten Sie eigentlich zu dem Schluß kommen, daß diese Darstellung „Demonstranten- und Chaotenrecht vom Innenminister geschützt" nicht angeht. Herr Kollege Gerster, das „Nürnberger Modell" werden wir nicht übernehmen; das werden Sie als Ihre Erfindung behalten dürfen.
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Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Aber gerne.
Herr Kollege, können wir uns denn auf den Nenner einigen, daß der Innenminister eben nicht nur vom Recht der Demonstranten - dazu hat er sich sehr oft geäußert - reden sollte, sondern zumindest in dem gleichen Umfang von dem Recht der ihm unterstellten Beamten auf Unversehrtheit und Unverletzbarkeit? Wenn der Innenminister diese Relation herstellen würde, könnten wir uns doch einverstanden erklären. Er tut es aber nicht!
Der Innenminister schützt, Herr Kollege Gerster, diese beiden Rechtsgüter in genau gleicher Weise, und der Kollege Hirsch hat vorhin schon gesagt, daß Sie nicht ein einziges fundiertes Beispiel dargestellt haben.
Wolfgramm ({0})
Schon allein die Formulierung Ihrer Frage an mich ist eine Unterstellung.
({1})
Herr Kollege Wolfgramm, erlauben Sie noch eine Zwischenfrage?
Nein, ich habe eine zu kurze Redezeit.
Ich möchte eine Anmerkung zu den Ausführungen des Kollegen Borchert machen. Herr Kollege, ich meine, wir haben das, was hier zu machen ist, gemacht. Sie wissen, wir haben ein großes Sonderprogramm zur Fahrzeugbeschaffung und zur persönlichen Ausstattung durchgeführt. Es bleibt dabei, daß ein ideeller Einsatz der Helfer im Katastrophenschutz da ist und auch notwendig ist. Ich möchte an dieser Stelle für meine Fraktion einen herzlichen Dank für diesen ideellen Einsatz sagen.
({0})
Zum Schutzraumbau haben wir hier schon oft deutlich gemacht, wo die Ursachen liegen. Sie wissen, daß natürlich in den 50er Jahren mehr Gelegenheit gewesen wäre. Ich will aber keinen Schuldvorwurf erheben, weil Erkenntnisse auch reifen müssen. Aus vielerlei Gründen des Wohnungsbaus können wir das Problem jetzt nicht durch eine öffentliche Verpflichtung lösen.
Steuerliche Anreize, öffentlicher Schutzraumbau und auch Förderung des privaten Schutzraumbaus sind nach wie vor die Aufgabe, aber wir können das nicht in dem Maße und unter den Bedingungen betreiben, wie es wünschenswert wäre.
An den Beratungen habe ich als Stellvertreter im Ausschuß nicht teilgenommen, aber ich habe mir gesagt, wenn man nicht dabei war, ist ein Blick in die Protokolle nützlich. Da finden wir bei der Beratung des Einzelplans 36 - Maßnahmen der zivilen Verteidigung im Aufgabenbereich des Bundesministers des Innern - den Passus: Der Ansatz wird einvernehmlich um 50000 DM abgesenkt. Ich finde, dann ist es schwierig, daß Sie sich hier vor der Öffentlichkeit hinstellen und nun lauthals zusätzliche Forderungen erheben, von denen Sie selbst im Ausschuß erkannt haben, daß sie mit der Haushaltslage nicht vereinbar sind.
({1})
Ich habe bei der Betrachtung des Haushaltsplans 06 vorgestern bei dem Blick auf den Stellenplan festgestellt, daß sich da doch Erstaunliches tut. Ich sehe das nicht nur im Hinblick auf den Haushaltsplan des Bundesinnenministers. Ich bin Mitglied des Innenausschusses. Es liegt daher nahe, daß ich mich diesem Haushaltsplan zuwende, nicht irgendeinen anderen der Regierung herausgreife. Aber das könnte ich genauso tun für den Haushaltsplan eines Landesministeriums, von Schleswig-Holstein über Niedersachsen oder Hamburg bis nach Bayern herunter, oder einen kommunalen Haushaltsplan. Ich darf dieses Beispiel zu Ihrer Überlegung vortragen: Die Regierungsräte waren und sollten eigentlich auch sein die Säule der Verwaltung, d. h. das Fundament. Dann baut sich darauf auf der Oberregierungsrat - ich beziehe mich jetzt auf den höheren Dienst - und dann der Ministerialrat. Wir haben in diesem Haushalt an Regierungsräten 14, an Oberregierungsräten 77, an Regierungsdirektoren 140, von den Ministerialräten einfacher Klasse, wie sie genannt werden, 31 und de Luxe 82.
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Wenn wir nun den gehobenen Dienst betrachten, ergibt sich, wir haben 180 Oberamtsräte und 66 Amtsräte, und an Regierungsinspektoren, sozusagen das Pendant des Regierungsrates in der Ebene des gehobenen Dienstes, haben wir einen. Der Arme! Was macht der da allein?
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Es gibt allerdings auch einen Minister, und es gibt einen Parlamentarischen Staatssekretär. Ich will hier nicht verschweigen, daß letztere im Ministerium von zweien auf einen reduziert worden sind.
Der ist tüchtig für zwei. Wir haben hier anscheinend im Stellenplan die umgekehrte Pyramide, die auf der Spitze steht, und die muß dann natürlich unten allerlei aushalten. Ich möchte das hier ernsthaft anmerken. Wir haben alle daran mitgewirkt und sind alle daran schuld; aber wir müssen das ändern. Es kann nicht das Ziel sein, daß es sich so weiterentwickelt.
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Dazu kommt für die Beamten selbst die bedauerliche Perspektivlosigkeit für junge Beamte, die tüchtig, die dynamisch, die motiviert sind, die diese Blokkade der oberen Stellen vor sich sehen müssen und feststellen, daß da kaum etwas geht als Belohnung für ihre Motivation, für ihre Leistung, wenn sie die Qualifikationen zeigen. Ich meine, das sollte uns nachdenklich stimmen. Wir wollen ja schließlich nicht verfahren wie in der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie, wo es hieß: bei immer weniger Schiffen immer mehr Admiräle.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der letzten Bemerkung des Kollegen aus meiner eigenen Fraktion bin ich ziemlich sprachlos und auch ratlos.
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Ich könnte mich nicht dem Vorschlag anschließen, jetzt den Stellenkegel abzusenken oder umzudrehen, und zwar aus der Fürsorgepflicht heraus, die ich für die Mitarbeiter habe.
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- Nürnberger Trichter, ja, sicher. - Ich erinnere mich sehr wohl, daß hier in diesem Parlament in Zeiten, als es uns sehr viel besser ging, diese positiven Veränderungen im Stellenkegel oft von allen Fraktionen in diesem Hause gerühmt worden sind.
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Ich bin Ihnen im übrigen für diese Bemerkung sehr dankbar, Herr Kollege Wolfgramm. Ich habe in der nächsten Woche eine Personalversammlung und werde das, was im Parlament hier gesagt worden ist, dem Personal weitergeben.
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Meine Damen und Herren, Sie haben ja eine Reihe von Themen aus dem weiten Feld der Innenpolitik angesprochen. Herr Kollege Gerster, ich glaube, der Herr Kollege Hirsch hat den richtigen Ton gefunden, um Ihnen zu antworten. Ihre Polemik war so von Vorurteilen und falschen Fakten durchzogen, daß ich mich nicht einmal betroffen gefühlt habe, muß ich Ihnen sagen, in keiner Weise betroffen gefühlt habe; denn ich lasse mir in meinem Amte nicht vorwerfen, daß ich nicht für Sicherheit sorge.
Für mich ist Freiheit ohne Sicherheit undenkbar. Einen großen Teil meiner Arbeitskraft widme ich diesem Ziel. Die Frage ist nur, Herr Kollege Gerster, mit welcher inneren Einstellung man versucht, dieses Ziel zu erreichen. Da muß ich Ihnen sagen: Vieles, was die Union auf diesem Weg in den letzten Jahren getan hat, war nicht meine Politik. Ich bin der Meinung: Man braucht die Rechte der Bürger nicht so weit einzuschränken, um das Ziel der Sicherheit zu erreichen. Ich bin der Meinung: Man kann den Datenschutz in den Sicherheitsbehörden ausweiten, ohne die Effektivität der Sicherheitsbehörden zu gefährden.
Ich bin der Meinung, daß man Konflikte eben nicht nur unter Hinweis auf die staatliche Autorität lösen kann oder im Hinblick auf Parlamentsentscheidungen, sondern daß man die Bürger überzeugen muß. Die Tatsache, daß die Bürger heute vielfach an den Parteien vorbei ihre Konflikte auszutragen versuchen, macht es notwendig, daß wir zuhören, daß wir auf die Bürger hören, daß wir auf sie zugehen, daß wir auch ungewöhnliche Mittel wählen, um Konflikte in unserer Gesellschaft zu vermeiden. Das ist doch unser aller Aufgabe, meine Damen und Herren.
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Ich habe niemals einen Rechtsverstoß begrüßt. Wo kämen wir denn hin, meine Damen und Herren! Wir haben uns aber fragen müssen: Wie lösen wir denn die Konflikte? Wie kommen wir denn herunter von den Rechtsverstößen? Wie kommen wir denn weg etwa von der Besetzung der Bohrstelle in Gorleben? Der Herr Kollege Möcklinghoff, CDU-Mitglied, und ich haben zeitweilig einen Rechtsverstoß in Kauf genommen, um zu einer Entspannung der Lage zu kommen. Wir haben mit den Vertretern der Bürgerinitiativen geredet, weil wir eben nicht wollen, daß dies auf dem Rücken der Polizei ausgetragen wird, sondern die Politiker sollten handeln.
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Ich habe bei allen Reden hier in diesem Hause mit Nachdruck gesagt, daß Gewalt kein Mittel der Politik ist und daß für mich die Unversehrtheit der Polizeibeamten, die ihre Pflicht tun, eine ganz unverzichtbare Forderung ist.
Ich sage das auch im Hinblick auf einen ganz aktuellen Fall, der in unserem Lande viele Emotionen, Unverständnis und Heftigkeit hervorgerufen hat. Das betrifft den Ausbau der Startbahn West des Frankfurter Flughafens. Wir müssen den Bürgern sagen, daß sie ihre Mittel wägen müssen, daß sie die Rechtsmittel ausschöpfen können, daß sie einen Anspruch darauf haben, daß die Politiker ihnen erklären, warum etwas geschieht.
Wir müssen den Bürgern aber auch sagen, daß sie keine Gewalt anwenden dürfen, daß sie das Recht respektieren müssen, daß sie die Unversehrtheit der Polizeibeamten respektieren müssen.
Herr Kollege Gerster, dies alles kann man doch nicht anordnen, sondern hier muß man werben, man muß die Bürger überzeugen, man muß bis zum letzten den Versuch machen, die Bürger herüberzuziehen.
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Hier muß man auch bemüht sein, daß keine neuen Solidarisierungen vollzogen werden.
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Unser Ziel muß es doch sein, zu trennen zwischen denen, die ihr Demonstrationsrecht legal in Anspruch nehmen, und denen, die es mißbrauchen. Diejenigen, die Gewalt anwenden, sind j a gar keine Demonstranten, sie machen gar nicht vom Demonstrationsrecht Gebrauch. Nach unserer Verfassung ist das Demonstrationsrecht ein friedliches Demonstrationsrecht.
Wir müssen also Spannungen abbauen, und darum bemühe ich mich. Sie verstehen mich vorsätzlich falsch, Herr Kollege Gerster! Es tut mir leid.
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Ich will Ihnen noch etwas sagen, worin wir uns auch unterscheiden. Wir haben eine Diskussion über die Demonstration am 10. Oktober in Bonn gehabt. Ich habe in diesem Hause gesagt: Das war kein Tag des Kleinmuts in dieser Demokratie, wir brauchen uns dieses Tages nicht zu schämen, ganz gleich, wie wir zur Sache stehen. Es ist eben falsch - das kommt in einer Anfrage Ihrer Fraktion zum Ausdruck, die ich gerade beantwortet habe -, wenn man die Beteiligung von Kommunisten zum Angelpunkt der Beurteilung der ganzen Demonstration macht. Wir möchten die Beteiligung von Kommunisten nicht bagatellisieren und verniedlichen; das haben wir nie getan. Meine Äußerungen zur DKP im Verfassungsschutzbericht finden sicher auch Ihre Zustimmung, Herr Kollege Gerster. Aber wir sind
der Meinung, daß unsere freiheitliche Demokratie das friedliche Engagement von Bürgern auch dann ernst nehmen muß, wenn Kommunisten mitmarschieren, mitorganisieren oder für dieselben Ziele streiten. Das sind wir doch den Bürgern schuldig! Die 250 000 oder 300 000 Menschen in Bonn sind doch keine Menschen, die außerhalb unserer Gesellschafts- oder Freiheitsordnung stehen oder die anfällig wären für die Ziele der DKP! Was für ein undifferenziertes Gebräu wird hier von Ihnen manchmal aufgetischt!
({9})
Noch etwas: Sie haben den Eindruck erweckt - vielleicht interpretiere ich das jetzt etwas zu hart -, als seien wir gegenüber Verfassungsfeinden im öffentlichen Dienst gleichgültig - ich sage das einmal so lapidar-,
({10})
als sei uns das egel, als würden wir die Türen des öffentlichen Dienstes für Leute öffnen wollen, die nicht auf dem Boden dieser freiheitlichen Grundordnung stehen. Ich verlange doch auch, daß jemand, der in diesem Staat eine Verantwortung übernimmt, diese freiheitliche Staatsordnung und Gesellschaftsordnung akzeptiert. Wir haben doch zwölf Jahre lang erlebt, wohin es führt, wenn die Beamten das nicht tun.
({11})
Die Frage ist nur, wie wir diese VerfassungstreuePrüfung durchführen.
Ende dieses Monats ist der sogenannte Extremistenbeschluß zehn Jahre alt. Er besteht in den Ländern fort, die von der Opposition, also von Vertretern Ihrer Partei, geführt werden, und zwar mit kleinen Varianten. Wir haben im Bund 1979 die Regelanfrage abgeschafft; denn die Bundesregierung war und ist der Auffassung, daß derjenige, der von Freiheit redet, Liberalität im Staat auch wirklich herbeiführen muß.
({12})
Der Liberalisierung der Verfassungstreue-Prüfung bei Bewerbern für den öffentlichen Dienst kommt für die politische Kultur in diesem Lande nach allem, was wir in der Diskussion über den sogenannten Radikalenerlaß erlebt haben, eine große Bedeutung zu.
Die Praxis der automatischen Anfragen beim Verfassungsschutz hatte nicht nur Zweifel an der Liberalität in unserem Lande aufkommen lassen. Die Regelanfrage war Ausdruck eines institutionalisierten Mißtrauens des Staates gegenüber seinen jungen Bürgern,
({13})
eines Mißtrauens, das die Grundrechtsausübung mit
Gefahren für die berufliche Zukunft zu belasten
drohte, eines Mißtrauens, das zu Anpassung und
Duckmäusertum, zu Leisetreterei und Furcht führte. Das ist leider heute zum Teil noch der Fall.
({14})
- Nach den Erfahrungen, die ich Ihnen eben geschildert habe, Herr Kollege Miltner - das ist doch alles nicht zu bestreiten; in welcher Umwelt leben Sie? -, sollten Sie den Schluß ziehen, mit dieser Verfassungstreue-Prüfung, wie Sie sie praktizieren, nun Schluß zu machen und mehr Vertrauen in die Liberalität der Bürger dieses Landes zu setzen.
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Wir wollen Bürger, die aufrecht für diese Demokratie eintreten, weil sie sich im Zweifel eben für die Freiheit entscheiden und keine Angst haben sollen, entlassen zu werden oder gar nicht erst von ihrem Grundrecht der freien Berufswahl Gebrauch zu machen.
Was jetzt im Vordergrund steht, ist die Frage, die sich im Anschluß an ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im Fall Peter stellt. Sie haben das sehr süffisant behandelt, Herr Kollege Gerster: als ob ich mir allein Sorgen machen würde um die Berufsausübung eines arbeitslosen Bürgers. Und wenn auch, Herr Kollege Gerster! Aber es geht um mehr als nur um diesen einen Bürger. Es geht um die Frage: Wie behandeln wir die im öffentlichen Dienst schon beschäftigten Lebenszeitbeamten, denen vorgeworfen wird, sie nähmen es mit der Treuepflicht nicht ernst?
Das Bundesverwaltungsgericht - das ist richtig, Herr Kollege Gerster - geht davon aus, daß es nicht auf die konkreten Dienstpflichten ankomme. Das Bundesverfassungsgericht hat demgegenüber sehr deutlich ausgeführt, daß für die Annahme einer Treuepflichtverletzung ein Minimum an Gewicht und Evidenz vorliegen müsse. Das ist auch meine Meinung. Diese Feststellung kann nicht getroffen werden, ohne daß auch die konkreten Dienstpflichten des Beamten im Einzelfall in die Waagschale geworfen werden. Wie der Einzelfall dann entschieden wird, ist eine ganz andere Sache.
({16})
Die Verletzung der konkreten Dienstpflichten - das ist meine Rechts-, meine Verfassungsrechtsansicht, Herr Kollege Miltner - muß herangezogen werden.
({17})
So jedenfalls versteht die Bundesregierung das Gebot der Einzelfallprüfung und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der seinerseits das Rechtsstaatsprinzip artikuliert und auf dessen strikte Beachtung wir drängen.
Wir sind der Auffassung, daß für die Feststellung, ob außerdienstliches Verhalten gegen die Treuepflicht des Beamten verstößt, nicht nur Art und Ausmaß des Verhaltens, sondern auch die dem Beamten nach seiner Aufgabenstellung obliegenden Dienstpflichten zu berücksichtigen sind. An der UnteilbarBundesminister Baum
keit der Treuepflicht, meine Damen und Herren, wird damit nicht gerüttelt.
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Außerdienstliche extremistische Verhaltensweisen sind - daran kann doch kein Zweifel bestehen, Herr Kollege Miltner - z. B. beim Präsidenten des Verfassungsschutzamts eben anders zu beurteilen als bei einem beamteten Postzusteller. Machen Sie einmal irgend jemand in der Welt klar, wieso solche Unterscheidungen bei uns unbegründet sein sollen!
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Die Bundesregierung wird in Kürze einen Gesetzentwurf vorlegen. Dann können wir das im einzelnen diskutieren. Der Entwurf wird die nach unserer Auffassung geltende und in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts angelegte Rechtslage klarstellen und verdeutlichen.
Ich bedaure sehr, daß der Beamte, der beim Bundesverwaltungsgericht unterlegen ist, nicht zum Verfassungsgericht gegangen ist. Er hat offenbar mehr an seine Partei als an sich selbst gedacht.
({20})
Herr Bundesminister, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Spranger?
Gern.
Herr Bundesminister, sind Sie tatsächlich der Meinung, daß die Differenzierung nach der Funktion mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1975 und dem letzten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sowie mit den diesen zugrunde liegenden verfassungs- und beamtenrechtlichen Bestimmungen in Einklang zu bringen ist?
Ja, Herr Kollege Spranger. Sonst hätte ich die Ausführungen, die Sie eben gehört haben, nicht gemacht.
({0})
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?
Bitte, Herr Kollege Miltner.
Herr Bundesminister, können Sie uns näher erläutern, wie diese neue Regelung für die Beamten, die im Dienst sind, und für die Bewerber für den öffentlichen Dienst, die einer extremen politischen Partei angehören, aussehen soll?
Herr Kollege Miltner, ich glaube, bei Ihnen liegt jetzt ein Mißverständnis vor. Wir haben nicht vor, die Bewerbung zu regeln. Dafür gibt es Grundsätze, die ich eben noch einmal in Erinnerung gerufen habe. Es sind Grundsätze der Bundesregierung aus dem Jahr 1979. Die haben Sie damals angegriffen. Aber die sind in
Kraft. Die Einstellung in den öffentlichen Dienst steht für uns jetzt nicht zur Debatte. Die Frage ist nur, wie wir denjenigen beurteilen, der bereits im öffentlichen Dienst ist und dem eine Dienstpflichtverletzung vorgeworfen wird. Da ist die Frage, nach welchen rechtlichen Grundsätzen eine solche Dienstverletzung beurteilt werden soll. Zu welchem Ergebnis man dann im Einzelfall bei einem Mitglied einer Partei kommt, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, kann allgemein nicht gesagt werden; ich bin Anhänger einer strikten Einzelfallprüfung und nicht einer pauschalen Bewertung von Mitgliedern einer bestimmten Gruppe oder Partei.
Erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage?
Herr Bundesminister, können Sie schon angeben, welche Vorschriften in den Beamtengesetzen Sie ändern wollen?
Nein, Herr Kollege Miltner. Das möchte ich heute noch nicht tun. Das wird zur Zeit im einzelnen abgestimmt. Aber ich habe Ihnen die Grundsätze hier genannt, weil ich der Meinung bin, daß das Parlament über die Pläne, die wir haben, informiert werden sollte und weil ich hier zum Ausdruck bringen wollte, daß ich mit den Vorstellungen des Herrn Kollegen Gerster in keiner Weise übereinstimme.
Meine Damen und Herren, Herr Kollege Gerster hat noch einen Bereich angesprochen, der uns in Kürze in diesem Haus erneut beschäftigen wird: die Ausländerpolitik. Ich will deshalb nur einige wenige Bemerkungen dazu machen.
Sie haben so getan, als wäre ich für die Überschwemmung dieses Landes mit Asylbewerbern verantwortlich. Da muß ich Ihnen zunächst einmal entgegnen, Herr Kollege Gerster, daß wir alle an einen außerordentlich wichtigen Verfassungsartikel gebunden sind, nämlich an Art. 16 des Grundgesetzes.
({0})
- Sie sagen: Das ist klar. Aber verhalten Sie sich mal bitte so! Sie müssen diesen Artikel doch genauso respektieren wie ich!
({1})
Es gab Vorschläge, über Asylbewerber schon an der Grenze zu entscheiden usw. Ich sage Ihnen: Die Bundesregierung wird Art. 16 nicht ändern oder in anderer Weise aufweichen lassen.
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Herr Bundesminister, erlauben Sie dazu eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gerster?
Herr Bundesinnenminister, wollen Sie damit behaupten, daß die elf Bundesländer und ihre Repräsentanten im Bundesrat Verfassungsbrecher sind, wenn sie derzeit einen Gesetzentwurf zur Regelung und Beschleunigung des Asylverfahrens vorliegen haben - einer Rege4812
Gerster ({0})
lung, die Sie ablehnen -, und sich diese Herren nicht verfassungswidrig verhalten? Sie können doch nicht einfach sagen: Die Leute, die ein anderes Gesetz haben wollen als ich, wollen die Verfassung brechen. Das können Sie doch mit gutem Gewissen nicht behaupten.
Herr Kollege Gerster, lassen Sie mich erst einmal ausführen, welches meine Meinung ist. Ich muß wiederholen, daß es Vorschläge gab und gibt, die nach meiner Meinung mit dem Art. 16 unserer Verfassung nicht vereinbar sind.
({0})
Und ich fühle mich an den Art. 16 auch bei der Ausführung meiner Amtspflichten gebunden. Das heißt, ich kann nicht so abschätzig über die Menschen reden, die in diesem Land Zuflucht vor politischer Verfolgung suchen, wie es manche in Ihrer Partei tun, Herr Kollege Gerster.
({1})
Da wird von Wirtschaftsasylanten gesprochen. Das sind Armutsasylanten, auch wenn sie nicht politisch verfolgt sind. Sie kommen doch nicht aus Spaß und Vergnügen in unser Land, sondern weil sie bittere Not leiden, wo immer auf der Welt.
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Ich bin natürlich mit Ihnen der Meinung, daß wir nicht Millionen von Menschen hier aufnehmen können. Ich bin natürlich mit Ihnen der Meinung, daß wir den Mißbrauch des Asylrechts einschränken müssen. Ich bin natürlich mit Ihnen der Meinung, daß wir die Verfahren verkürzen müssen.
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- Aber, Herr Kollege Miltner, das ist doch falsch. Unsere Verfahren - jetzt reden wir über den Innenbereich - in Zirndorf dauern ca. sechs Monate. Was wollen Sie denn da noch beschleunigen? Sie jagen j a einem Ziel nach, das überhaupt nicht erreichbar ist, Herr Kollege Gerster, und auch nicht erreicht werden muß. Sechs Monate ist die durchschnittliche Bearbeitungszeit in meinem Verantwortungsbereich. Ich bin den Beamten in Zirndorf dankbar, daß sie so schnell arbeiten.
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Die Zahl der Asylbewerber hat sich von 1980 auf 1981 um die Hälfte reduziert.
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- Ich habe gestern einen Brief des Personalrats bekommen, der die reibungslose Bearbeitung ausdrücklich nochmals festgestellt hat.
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- Ich komme ja gleich zu diesem Punkt. Sie verkennen, verehrter Herr Kollege, daß das, was Herr Kollege Gerster angesprochen hat, im Bereich der Justiz liegt, im sehr schwierigen Verwaltungsgerichtsverfahren. Darüber gibt es jetzt Gespräche zwischen den Fraktionen. Sie können mich nicht als Kronzeugen gegen irgendeine Regelung hier aufrufen. Wir bemühen uns hier, zwischen Bund und Ländern, zwischen allen Parteien um einen Kompromiß. Das ist die Lage.
Herr Minister, Herr Abgeordneter Gerster will eine weitere Zwischenfrage stellen. Sind Sie damit einverstanden?
Gern.
Herr Abgeordneter Gerster.
Schönen Dank, Herr Minister. Darf ich noch einmal konkret fragen: Glauben Sie, daß die Bundesratsinitiative, die von allen Bundesländern getragen wird, der Verfassung widerspricht? Wenn nein, warum lehnen Sie sie dann ab?
Herr Kollege Gerster, ich weiß nicht, ob Sie zuhören können. Ich habe soeben gesagt, daß auch ich mich um einen Kompromiß bemühe. Ein Bestandteil dieses Kompromisses sind meine eigenen Vorstellungen, die Vorstellungen der SPD-Fraktion und die Vorstellungen des Bundesrates. Wie können Sie denn sagen, daß ich das pauschal ablehne? Wir sind doch wohl verpflichtet, in dem schwierigen Gesetzgebungsgeschäft zwischen Bundestag und Bundesrat zu einer Lösung zu kommen, die dann auch trägt. Daran sind wir jetzt. Das sollten wir nicht durch Polemik stören.
Ich möchte Ihnen nur noch folgendes vor Augen führen, wenn hier so leichtfertig über Asylbewerber gesprochen wird. Wissen Sie eigentlich, über wen Sie jetzt reden, Herr Kollege Gerster? Der größte Anteil sind Polen und Afghanen. Ich habe noch sehr viele wohltönende Erklärungen zu Afghanistan im Ohr. Ziehen Sie dann bitte auch .die Konsequenzen.
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Im Ausländerbereich gibt es ja ein Problem, das die Asylfrage verdeckt hat, die ja immer nach vorne gezogen wurde. Es ist eine Frage, die uns alle angeht, nämlich die Frage: Wie gehen wir mit den Familienangehörigen der Ausländer um? Der größte Zuwachs liegt in den letzten beiden Jahren bei Kindern und Familienangehörigen der Ausländer. Das ist eine sehr schwierige Frage. Wir haben im Bundeskabinett dazu Beschlüsse gefaßt. Die Länder haben Entscheidungen getroffen. Hier stehen wir eigentlich vor der Frage, wie wir es mit den Ausländern in unserem Lande halten.
Was ist denn das für ein Phänomen? Sind das noch Gastarbeiter? Kann man bei Türken, die mehr als
zehn Jahre hier sind - und ein Viertel aller Türken ist mehr als zehn Jahre hier -, eigentlich noch von Gastarbeitern reden? Kann man bei Kindern, die hier geboren sind - und ca. 600 000 Kinder sind hier geboren -, von Gastarbeitern reden? Muß man sich hier nicht auf eine De-facto-Einwanderungssituation einstellen, jedenfalls was die angeht, die schon hier sind? Haben wir - Bund und Länder - denn schon die Konsequenzen gezogen? Haben wir den Mut zu ehrlichen Lösungen gehabt?
Das alles müssen wir doch diskutieren. Da kommen Sie doch mit oberflächlicher Polemik nicht weiter.
({1})
Lassen Sie mich noch einiges zum Bereich der inneren Sicherheit sagen. Ich bin dafür dankbar, daß der Bedeutung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden auch bei diesen Haushaltsberatungen Rechnung getragen worden ist.
Sie haben auf Wunsch der Bundesregierung die Polizeivollzugsbeamten des Bundeskriminalamts von den Kürzungen ausgenommen. Ich möchte Ihnen sagen, daß diese Entscheidung nicht nur auf das Bundeskriminalamt, sondern auch auf die Polizeien der Länder eine außerordentlich positive Wirkung gehabt hat. Bestehende Stellensperren und kw-Vermerke wurden gestrichen, und die bisherige Realisierung des Ausbauprogramms innere Sicherheit schlägt jetzt voll durch. Im Jahre 1981 sind dem Bundeskriminalamt 136 neue Kriminalkommissaranwärter zugewachsen, 1983 werden es nochmals über 300 weitere Menschen sein. Das zeigt also, daß die Bundesregierung diese wichtige Sicherheitsbehörde weiter ausbaut und daß wir personelle Engpässe, wie sie heute noch bestehen, beseitigen werden.
Die Sicherheitslage erfordert nach wie vor unsere höchste Aufmerksamkeit. Dies gilt vor allem für die anhaltende Gefahr terroristischer Gewalttaten. Das Attentat, meine Kolleginnen und Kollegen, auf das israelische Restaurant in Berlin hat dies mit aller Deutlichkeit gezeigt. Wir betrauern den Tod eines kleinen Kindes; 24 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Wir sind uns in diesem Hause alle einig, daß diese verabscheuungswürdige Tat aufs entschiedenste verurteilt werden muß. Es gibt Anhaltspunkte dafür - das sage ich hier mit einigem Nachdruck -, daß eine palästinensische Gruppierung für diese Tat verantwortlich sein könnte. Ich möchte dies zum Anlaß nehmen, noch einmal mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck zu bringen, daß wir nicht nur alles tun werden, um diese Taten zu verfolgen, sondern daß wir auch mit unseren internationalen Kontakten alles tun werden, daß solche Taten möglichst verhindert werden.
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Die Anschläge auf den Oberkommandierenden der US-Streitkräfte in Europa, General Kroesen, am 15. September 1981 in Heidelberg und auf dem Flugplatz Ramstein der US-Luftwaffe in Europa am 31. August 1981 bestätigen die fortbestehende terroristische Bedrohung durch die Rote-Armee-Fraktion. In diesen Taten ist die terroristische Gefahr wieder sichtbar geworden. Dies wird sich - das müssen wir befürchten - fortsetzen. Die Entführung des amerikanischen Generals Dozier in Italien hat deutlich gemacht, daß die Terroristen in Italien und in der Bundesrepublik u. a. ein gleiches Angriffsziel haben, nämlich Repräsentanten der Führungsmacht der westlichen Allianz. Es gibt aber keine Erkenntnisse über eine operative Zusammenarbeit zwischen italienischen und deutschen Terroristen bei den verschiedenen Anschlägen. Die bekanntgewordenen Kontakte erstrecken sich auf Informationsaustausch und auf propagandistische Unterstützung.
Ein wichtiger Faktor mit immer noch wachsender Bedeutung sind die Revolutionären Zellen. Sie haben den stellvertretenden Ministerpräsidenten und Wirtschaftsminister von Hessen, Herrn Karry, ermordet. Sie waren es. Sie werden noch intensiver als in früheren Jahren bestrebt bleiben, in Protestströmungen Fuß zu fassen und deren Bestrebungen durch neue Anschläge zu fördern.
Neben diesen beiden Phänomenen, meine Kollegen, ist eine neue Tendenz erkennbar geworden, die als sogenannte Guerilla diffusa beschrieben wird. Dort ist nicht Revolution, sondern Rebellion im Alltag das unmittelbare Ziel. Wir nehmen diese Entwicklung außerordentlich ernst. Hier gibt es Überschneidungen, fließende Übergänge zu den Revolutionären Zellen.
Die Zusammenarbeit der Europäer bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus ist sehr eng. Noch am vergangenen Samstag habe ich mich mit meinen Kollegen aus Italien, Österreich und der Schweiz in Wien getroffen.
Die Gefahr des Rechtsextremismus ist von manchen in diesem Lande unterschätzt worden. Anschläge, Vorbereitungshandlungen, Waffenfunde zeugen aber davon, daß diese Gefahr besteht. Ich möchte sagen, daß sie wächst. Ich erinnere an die Aufdeckung der terroristischen Libanon-Gruppe aus Mitgliedern der verbotenen Wehrsportgruppe Hoffmann, an Festnahmen terroristischer Täter im In- und Ausland sowie an umfangreiche Waffen- und Munitionsfunde in der Lüneburger Heide.
Wir müssen den jungen Menschen, die sich von der absurden, borniert-primitiven Gedankenwelt des Neonazismus angezogen fühlen, klarmachen, daß jede extremistische Betätigung in die Irre führt. Welch beispiellose Unmenschlichkeit ist gerade in diesem Land, meine Kolleginnen und Kollegen, aus dieser Gedankenwelt entstanden! Gestern war der 40. Jahrestag der sogenannten Wannsee-Konferenz, die zum Mord an Millionen von Juden geführt hat. Die Wurzeln des Terrors von rechts liegen tief in unserem Land. Wir dürfen nicht zulassen, daß der nationalsozialistische Unrechtsstaat verharmlost wird. Wir dürfen nicht zulassen, daß junge Menschen wieder verführt werden können. Der Glaube an natürliche Ordnung, an einfache Lösungen, die Neigung, dem anderen die Schuld für die eigenen Probleme zu geben, die bornierte Intoleranz, die Unfähigkeit zum Interessenausgleich - alles dies war doch eine Ur4814
sache für die größte Katastrophe in der deutschen Geschichte.
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Intoleranz beschränkt sich heute keineswegs auf die Zirkel der Gewalttäter. Sie zeigt sich auch in anderen Gruppen der Gesellschaft. Ich glaube, wir alle sollten uns bemühen, daß sie nicht wächst. Sie kann mißbraucht werden. Ich meine die eben schon erwähnte Intoleranz gegenüber Ausländern und gegenüber anderen Minderheiten.
({4})
Eine Demokratie, Herr Kollege Gerster, bekommt doch ihren Wert auch und nicht zuletzt gerade dadurch, wie sie mit Minderheiten umgeht, wie sie mit dem einzelnen umgeht, dem Unrecht geschieht. Darin liegt doch der Wert einer demokratischen Ordnung. Das können Sie doch nicht diffamieren.
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Meine Damen und Herren, es ist vieles angesprochen worden. Ich will aus dem Sicherheitsbereich nur noch einen Komplex nennen, nämlich den Datenschutz. Der diesjährige Bericht des Bundesbeauftragen für den Datenschutz bezeugt die verdienstvolle Kontrolltätigkeit des Bundesdatenschutzbeauftragten. Eine Reihe von Beanstandungen sind nicht nur zu Recht angesprochen worden; ihnen ist auch längst entsprochen worden. Gerade auf diesem Gebiet werden wir unsere Politik entschlossen fortsetzen. Aber das kann nicht von heute auf morgen geschehen. Ich hätte es begrüßt, wenn der Bundesdatenschutzbeauftragte seine unbestreitbar verdienstvollen Ausführungen über einen vernünftigen Ausgleich zwischen Daten- und Persönlichkeitsschutz und sicherheitspolitischen Erfordernissen noch abgewogener formuliert hätte. Ich sage Ihnen mit aller Deutlichkeit: Es muß ein Interessenausgleich zwischen Datenschutz und Sicherheitserfordernissen gefunden werden. Daran müssen wir arbeiten.
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Es darf auch nicht verschwiegen werden, daß die betroffenen Sicherheitsbehörden bereits große und weitreichende Anstrengungen unternommen haben. Ich muß einmal mit aller Deutlichkeit folgendes sagen: Dieselbe Öffentlichkeit, die sehr allergisch auf den zunächst erhobenen Vorwurf gegenüber dem Bundeskriminalamt reagiert hat, es habe angeblich bei der Löschung von kriminalpolizeilichen Daten das Fahndungsfoto des Nazimörders Mengele vernichtet, muß eben auch Verständnis dafür haben, daß die Verwirklichung von mehr Datenschutz im Sicherheitsbereich eine langfristige Angelegenheit ist, die immer wieder das Ringen um einen vernünftigen Ausgleich erfordert.
Der hessische Datenschutzbeauftragte, Professor Simitis, hat dazu einige bemerkenswerte Sätze gesagt:
Der Datenschutz ist ein fortwährender Lernprozeß. Daran sind auch und gerade diejenigen beteiligt, die für eine Verwirklichung der Datenschutzbestimmungen sorgen müssen. Der Datenschutzbeauftragte kann sein Ziel nur erreichen, wenn er seine Aufgabe als konstanten Dialog mit dem Bürger und der Verwaltung begrüßt.
Das heißt, wir können den sich stellenden Aufgaben nur gerecht werden, indem wir die Verwaltung gewinnen, indem wir mit ihr zusammenarbeiten, indem wir sie überzeugen, indem wir sie sozusagen herüberziehen, aber nicht indem wir anordnen. Das ist ein schwieriger Prozeß. Ich versichere Ihnen für die Bundesregierung: Wir werden diesen Prozeß fortsetzen, aber mit Augenmaß.
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Lassen Sie mich - die Zeit ist fortgeschritten - noch einige wenige Bemerkungen zur Umweltpolitik machen. Wir werden uns in unserer Umweltpolitik nicht irremachen lassen. Wir meinen, daß diese Politik auch im Interesse der Wirtschaft liegt. Die Wirtschaft braucht die Berechenbarkeit unserer Entscheidungen. Ich bin ganz Ihrer Meinung, Herr Kollege Hirsch, daß man in einer Zeit, in der es wirtschaftlich schwer wird, den Umweltschutz nicht vernachlässigen darf. Umweltschutz ist eine dauernde Aufgabe. Der Konflikt zwischen Ökonomie und Ökologie ist ein Scheinkonflikt. Wir sichern den weiteren Ausbau unserer Industriegesellschaft nur durch vorsorgenden Umweltschutz, nicht durch Vernachlässigung von Umweltschutz.
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Sie wissen, wir sind dabei, die Luftreinhaltepolitik fortzuentwickeln. Sie haben das etwas bagatellisiert, Herr Kollege Gerster. Die neue TA Luft ist auf der Grundlage der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse erarbeitet worden. Sie orientiert sich am Vorsorgeprinzip, sie setzt die Grenzwerte für wichtige Schadstoffe herab. Wir haben dazu eine Anhörung durchgeführt. Wir haben von verschiedenen Seiten Kritik erfahren, von seiten der Umweltschützer und von seiten der Industrie.
Wir werden die TA Luft noch einmal auf ihre Praktikabilität hin durchsehen. Eines möchte ich hier aber doch deutlich sagen: Das, was sich manche in der Wirtschaft vorstellen - ich erinnere an die Stellungnahme eines Bundesunternehmens, die mir überhaupt nicht gefällt -, nämlich eine Lockerung der Werte, darf und wird im Interesse der Menschen im Ruhrgebiet und anderswo nicht erfolgen.
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Wir lassen uns auch nicht mit dem Gespenst der Investitionshemmnisse schrecken, mit dem die Industrie oder Teile von ihr die unbequemen Regelungen verhindern möchten. Was wir vorschlagen, ist technisch durchführbar und auch finanzierbar.
Die jetzige Novellierung der TA Luft ist nur ein weiterer Schritt der Luftreinhaltepolitik. Noch im Laufe dieses Jahres - ich kann Sie beruhigen, Herr Kollege Gerster - wird eine Verordnung über Großfeuerungsanlagen folgen. Sie wird nur dann „Zähne" haben, wenn sie auch für Altanlagen gilt, und das wird sehr schwierig sein. Wir werden auch die Schwefelemissionen weiter reduzieren. Schon mit der novellierten TA Luft wird eine Senkung der Immissionsbelastungen um 30 % erfolgen.
Resignierende Zukunftsangst hilft uns beim Umweltschutz nicht weiter, ebensowenig wie der naive Glaube, man könne einfach so weitermachen wie bisher.
Noch ein Wort zum öffentlichen Dienst. In Zeiten einer schwierigen Wirtschafts- und Beschäftigungslage - das war unsere gemeinsame Meinung bei der Verabschiedung des Haushaltsstrukturgesetzes -muß auch der öffentliche Dienst einen Beitrag leisten. Der Beitrag, den wir vorgesehen haben - Bundestag und Bundesrat gleichermaßen -, ist, wie ich meine, zumutbar, und er ist auch sozial vertretbar. Ich hoffe sehr, daß sich der Konflikt, in dem wir uns jetzt befinden, auflöst. Ich glaube, die Bürger in diesem Lande hätten kein Verständnis dafür, wenn ausgerechnet in einer Situation, wo wir uns alle darum bemühen, zu einer wirtschaftlichen Gesundung, zu einer Überwindung des Tiefs zu kommen, die Wirtschaft durch Streik lahmgelegt werden würde. Wir müssen also alles unternehmen, um einen Streik zu vermeiden.
Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen aber versichern, daß ich versuchen werde, die Wünsche und Erwartungen des Parlaments hinsichtlich der Höhe und des Zeitpunkts der Kürzungen zu realisieren, wobei es für mich wichtig ist, daß alle Statusgruppen gleichermaßen betroffen sind. Ich kann mich immer noch nicht des Eindrucks erwehren, daß einige in unserem Lande der Meinung sind, der öffentliche Dienst sei eine privilegierte Kaste. Meine Damen und Herren, ca. 70 % aller im öffentlichen Dienst Beschäftigten gehören dem mittleren und gehobenen Dienst an und müssen mit jeder Mark rechnen.
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Das müssen wir auch bei den Entscheidungen, die wir hier im Parlament treffen, berücksichtigen. Das heißt, wir sollten uns sehr genau überlegen, wie jede unserer Entscheidungen sich auf das einzelne Einkommen auswirkt. Der öffentliche Dienst ist kein Sparpotential, das in unbegrenzter Weise zur Verfügung steht, sondern hierbei handelt es sich um Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen. Deshalb meine ich, daß das, was wir beschlossen haben, vertretbar ist und durchgesetzt werden sollte. Aber darüber hinaus können wir nicht gehen.
Nun noch zwei Bemerkungen zur Kulturpolitik, die Sie, Herr Kollege Kühbacher, dankenswerterweise angesprochen haben, wie ich mir überhaupt wünschte, daß dieses Parlament öfter einmal über die Kultur in diesem Lande diskutieren würde.
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In einer Zeit, in der sich die Menschen auf humanere Lebensbedingungen besinnen und ihr Lebensschicksal nicht mehr nur am wirtschaftlichen Fortkommen, an wirtschaftlicher Karriere messen, wäre das, meine ich, wichtig. Kulturpolitik, auch die des Bundes, muß diesem Kulturbewußtsein Rechnung tragen. Die Mittel zur Kulturförderung konnten mit einer Steigerung um 7,7 Millionen der Entwicklung des Gesamtetats angepaßt werden. Das ist erfreulich. Andererseits ist der Spielraum, Herr Kollege
Kühbacher, jetzt außerordentlich gering. Ich halte es für sehr wichtig, daß wir nach diesem fruchtlosen Streit über die Nationalstiftung - fruchtlos, weil die Debatte mit ganz anderen Gesichtspunkten vermengt worden ist - wenigstens einen Teil der Mittel den Künstlern, dem Literaturfonds, dem Kunstfonds und der Musik, zur Verfügung gestellt haben. Ich möchte Sie bitten, daß Sie auch weiterhin für diese Fonds, die von den Künstlern selbst verwaltet werden, Mittel zur Verfügung stellen. Das ist ein außerordentlich wichtiger Impuls, den wir mit geringen Mitteln geben. Kultur ist eben kein entbehrlicher Luxus. Ich meine, wir sollten das auch bei den Entscheidungen der nächsten Jahre beachten.
({12})
Ein Wort noch zur Sportpolitik. Sie haben das auch erwähnt. Ich möchte dem deutschen Sport danken, daß er im letzten Jahr nicht in ein Wehgeschrei ausgebrochen ist. Er hat wirklich aktiv mitgewirkt beim Sparen. Wir haben die Haushaltsansätze heruntergesetzt. Wir haben mit den Verbänden gesprochen. Wir - Sie und wir in der Regierung - haben, auch öffentlich, deutlich gemacht, daß es uns mit der Leistungssportförderung ernst ist, daß wir dem Athleten, der sein Land vertritt oder sich vielleicht nur selbst mit anderen Athleten messen will, die gleichen Chancen einräumen müssen. Das ist die Motivation unserer Leistungssportförderung. Ich möchte mich bei Ihnen bedanken, daß dieses Konzept der Leistungssportförderung auch 1982 fortgesetzt werden kann.
Zur Zivilverteidigung möchte ich nur wenig sagen, nicht etwa, weil ich dazu nichts zu sagen hätte, sondern weil mein Kollege Herr Nöbel dazu alles Notwendige ausgeführt hat. Wir können uns mit der Zivilverteidigung in diesem Lande sehen lassen, Herr Kollege, zwar nicht mit allem, nicht mit dem Schutzraumbau, aber wir können uns mit den Steigerungsraten der Haushalte, die in den letzten Jahren erfolgt sind, durchaus sehen lassen. Sie sind beachtlich. Daß es in diesem Lande so wenig Schutzräume gibt, ist ein Punkt, den Sie beklagen könnten. Das liegt einfach daran, daß nach dem Kriege eben keine Schutzräume gebaut worden sind. Das können Sie doch nicht der jetzigen Bundesregierung vorwerfen, Herr Kollege. Wir haben die Mittel für den Schutzraumbau verstärkt. Ich bin im übrigen der Meinung - Sie sprechen so viel von der Mündigkeit der Bürger, von der Selbstverantwortung und von der Rücknahme staatlicher Leistung -, daß hier die Privaten auch selber eintreten müssen und nicht nur jammern dürfen. Hier müssen die Bürger auch selber finanzieren, und zwar jeder, der dafür Verständnis hat und eine Verpflichtung spürt. Ich würde jeden ermutigen. Er bekommt Steuervergünstigungen. Aber auch die Gemeinden und die Länder sollten das tun. Sie können unmöglich die Bundesregierung dafür verantwortlich machen, daß wir nicht die gleiche Anzahl von Schutzräumen haben wie in der Schweiz.
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Meine Damen und Herren, ich bin am Ende meiner Erwiderung auf vielfältige Angriffe, aber auch
auf Ermutigung, für die ich mich herzlich bedanke. Ich möchte mich meinerseits beim Parlament und insbesondere beim Haushaltsausschuß bedanken. Es war in diesem Jahr nicht einfach. Es war auch mit dem weitverzweigten Etat des Innenministeriums nicht einfach. Sie haben mir sehr geholfen, meine Politik fortzusetzen. Dafür möchte ich mich sehr herzlich bedanken.
({14})
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Einzelpläne.
Ich rufe zuerst den Einzelplan 06 auf, Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Wer dem Einzelplan 06 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Einzelplan 06 ist gegen die Stimmen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion angenommen.
Ich rufe den Einzelplan 36 auf, zivile Verteidigung. Wer dem Einzelplan 36 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Auch der Einzelplan 36 ist gegen die Stimmen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion angenommen.
Ich rufe jetzt den Einzelplan 33, Versorgung, auf. Wer dem Einzelplan 33 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke schön. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Einzelplan 33 ist einstimmig angenommen.
Wir gehen zum Tagesordnungspunkt I.25 über:
Einzelplan 07
Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz
- Drucksache 9/1187 Berichterstatter:
Abgeordnete Frau Zutt Gerster ({0})
Hierzu liegen keine Wortmeldungen vor. Ich gehe davon aus, daß auf eine Aussprache verzichtet wird.
Wir kommen damit zur Abstimmung über den Einzelplan 07. Wer dem Einzelplan 07 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Einzelplan 07 ist gegen die Stimmen der Fraktion der CDU/CSU angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.26 auf:
Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht
- Drucksache 9/1196 Berichterstatter:
Abgeordnete Gerster ({1}) Walther
Auch hierzu liegen keine Wortmeldungen vor.
Wir kommen damit zur Abstimmung über den Einzelplan 19. Wer dem Einzelplan in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke schön. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung, sonst einstimmig angenommen.
Ich gehe zum Tagesordnungspunkt I.27 über:
Einzelplan 31
Geschäftsbereich des Bundes ministers für Bildung und Wissenschaft
- Drucksache 9/1202 Berichterstatter:
Abgeordnete Dr. Rose Westphal
Ich frage, ob das Wort zur Berichterstattung gewünscht wird. - Dies ist nicht der Fall. Wird das Wort zur Aussprache gewünscht? - Dies ist der Fall. Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Rose.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind also beim letzten Punkt der Tagesordnung. Das macht bereits deutlich -
Herr Kollege, ich muß Sie auch im Interesse des weiteren Fortgangs berichtigen. Es gibt noch zwei Punkte auf der Tagesordnung, die heute noch behandelt werden.
Dann korrigiere ich: Wir sind beim letzten Punkt der Einzelpläne. Das deutet darauf hin, daß dieser Einzelplan Schlußlicht in der Bonner Politik ist; es ist die Bildungspolitik.
({0})
Meine Damen und Herren, so ist es. Sie können das, auch wenn Sie Ihren Kandidaten in Schleswig-Holstein noch so sehr unterstützen möchten, nicht abstreiten.
({1})
Nach der Euphorie der 60er und 70er Jahre ist also Bildung und Wissenschaft das Schlußlicht der Bonner Politik. Ich bedauere diesen geringen Stellenwert, denn immerhin geht es um wichtige Bereiche für unsere Jugend und für die Zukunft unseres Landes.
({2})
Aber so ist es halt: Wenn man etwas überzüchtet, wenn man sich übernimmt, dann kommt der Fall.
Schon bei der Regierungserklärung des Bundeskanzlers 1980 tauchte die Bildungspolitik kaum mehr auf. Wenige Sätze mußten für das frühere Starthema genügen. Doch noch deutlicher spüren wir das Ende der Bildungspolitik in Bonn durch den Haushalt 1982. Der Herr Minister wird zwar anschließend sagen: Was wollen Sie denn? Der Haushalt steigt j a um 172 Millionen DM. Ich muß sagen: Ja, das stimmt. Damit gehört er zu den wenigen Haushalten, die einen Zuwachs zu verzeichnen haben.
Bei den Berichterstattergesprächen mit Ihnen, Herr Westphal, als Mitberichterstatter, kam aber schon zum Ausdruck, daß der Minister mit Ausnahme eines einzigen Feldes, nämlich der Modellversuche, nichts mehr gestalten kann. Er hat deshalb flehentlich gebeten, wir sollten ihm wenigstens dabei keine Abstriche machen, was wir ja dann auch nicht getan haben, was er sicherlich bestätigen wird.
({3})
Allerdings sind die Modellversuche nicht das richtige Feld, denn hier hat in den letzten Jahren der Versuch stattgefunden, die Bildungspolitik umzukrempeln, angefangen von ideologischen Versuchen über die Schaffung weiterer Unruhe durch immer neue Projekte bis hin zu dem Bestreben Kompetenzen der Länder an Land zu ziehen, was es eigentlich nicht geben dürfte.
Meine Damen und Herren, wenn man schon sparen muß, dann auch bei den Modellversuchen. Aber um es noch einmal zu sagen, damit das Ministerium nicht gleich direkt vor der Auflösung steht: Es gab auch einige positive Stellungnahmen dazu.
({4})
Lassen Sie mich einige Probleme anführen, die diesen Haushalt inhaltlich gestalten.
Für uns ist unabdingbar, daß die Begabtenförderung weiterhin eine wichtige Rolle spielt.
({5})
Es war daher unverständlich, meine Damen und Herren, daß die 1971 begonnene und von allen Hochschulgremien positiv beurteilte Graduiertenförderung gestrichen werden sollte.
({6})
Gerade jene, die zwischen Diplom und Promotion stehen trotz eines fortgeschrittenen Alters noch mittellos sind und doch die Bereitschaft zeigen, durch eigene Forschungsarbeiten zur Wissenschaft der Bundesrepublik ihren Beitrag zu leisten, verdienen unserer Meinung nach die Förderung. Wir haben uns deshalb gemeinsam - ich betone auch das wieder; warum soll man das nicht am Ende der harten Auseinandersetzung um den Haushalt 1982? - bemüht, zumindest eine Übergangslösung zu finden. Ich habe gerne akzeptiert, daß im Haushalt 1982 wenigstens wieder 10 Millionen Mark eingestellt wurden und das fehlende Geld beim BAföG erwirtschaftet wird.
Meine Damen und Herren und Herr Minister, ich möchte aber darauf hinweisen, daß die erreichten Ergebnisse nur als Übergangslösung betrachtet werden können und daß wir, weil es sich eben um Begabtenförderung handelt, für die Zukunft eine ungefährdete Fortführung anstreben. Das gleiche gilt für die Hochbegabtenförderung, das sogenannte Heisenberg-Programm. Statt der im Regierungsentwurf vorgesehenen 9 1/2 Millionen Mark sind jetzt für 1982 nur 7 Millionen eingesetzt. Wir haben auch dies in den Berichterstattergesprächen einvernehmlich gemacht - Herr Westphal, Sie werden das bestätigen -, da wir die erfreuliche Tatsache sehen, daß einige geförderte Wissenschaftler vorzeitig auf Lehrstühle berufen wurden, also den Beweis für ihre Qualifikation erbrachten.
({7})
Für uns kann das also wiederum nur heißen: Weitere Förderung von Hochbegabten und keine Abstriche, 1983 also nicht auf den gekürzten Ansatz, sondern auf den ursprünglich vorgesehenen zurück.
Meine Damen und Herren, auf verschiedenen anderen Feldern erkennen wir allerdings die Fehlentwicklung der Bonner Bildungspolitik. Das gilt in erster Linie dem Ergebnis der von SPD und FDP gewollten Bildungsexplosion der früheren Jahre. Sie führte nämlich nicht zur Bildung für alle, sondern zu Fehlbelegungen auf Schulen und Universitäten. Sie führte zum Numerus clausus, zur Akademikerschwemme und zur Akademikerarbeitslosigkeit.
({8})
Sie führte aber auch bei Zehntausenden von Studierunfähigen und/oder - als Konsequenz - Studierunwilligen zum Griff nach den Förderungstöpfen, so daß für die eigentlichen Begabten und Leistungswilligen nur mehr wenig übrigblieb.
({9})
Meine Damen und Herren, für interessant halte ich eine Meldung über eine Aussage des Präsidenten der deutschen Lehrerverbände vor wenigen Tagen, daß jeder dritte Schüler fehl am Platz ist.
({10})
Langsam sickert also durch, daß Schule und Schule eben nicht dasselbe ist, daß daher kein falscher Ehrgeiz gezeigt, sondern mittels vernünftiger Förderung der richtige Schulweg eingeschlagen werden sollte.
({11})
Dann gibt es am Ende des unbeliebten Schulwegs auch nicht so viele frustrierte Studenten, meistens der „Logismus"-Richtung, also Soziologie, Psychologie und Politologie. Dann gibt es auch nicht die Akademikerarbeitslosigkeit.
Meine Damen und Herren, Sie haben bestimmt den neuesten Bericht von Josef Stingl gelesen, wonach Akademiker grundsätzlich noch nicht um ihre Jobs bangen müssen, daß es aber unter den Hochschulabsolventen Sorgenkinder gibt, die genau in den vorhin erwähnten Bereichen liegen.
({12})
- Ich nehme noch gerne den Zwischenruf vom Kollegen Grobecker auf. Ich meine den „Präsidenten".
Ich wußte j a gar nicht, daß der Herr Grobecker so4818
viel auf Titel wert legt. Ich kann mich erinnern, daß er sonst immer ein sehr einfacher Mensch ist.
({13})
- Ach so, ist er inzwischen auch was geworden? Dann ist er natürlich auf jeden Titel scharf und dafür dankbar.
Meine Damen und Herren, wir alle wissen, daß die hehre Forderung von einst, jeder zweite müsse Abiturient sein, inzwischen überholt ist, und zwar aus finanziellen ebenso wie aus anderen Gründen. Die Haushaltspolitiker entdecken Folgen immer früher und wußten deshalb relativ bald, daß es damit zu Konsequenzen in Bereichen kommt, in denen wir nicht gern akzeptieren, daß gespart werden muß, nämlich z. B. beim Hochschulbau.
({14})
Die Bundesregierung entschloß sich zu diesen Kürzungen und stiehlt sich damit - das muß ich deutlich sagen - aus der Verantwortung, die sie für die gemeinsamen Hochschulausbaupläne übernommen hatte.
({15})
Nach allen Berechnungen, auch nach denen der Bundesländer, wird es für neue Maßnahmen im Zeitraum bis 1985 praktisch keinen Spielraum mehr geben. Grob geschätzt, wäre nämlich für eine vernünftige Rahmenplandurchführung zumindest der Bundesansatz von 1,1 Milliarden DM, der vor 1980 bestand, mit zeitweiliger Erhöhung auf etwa 1,3 Milliarden notwendig, angesichts des seither entstandenen Rückstaus und der zeitlichen Fixierung, zumindest zum Ende der 80er Jahre noch möglichst weitgehend fertig zu werden.
Aus dem Wissenschaftsrat liegen nunmehr die ersten Zahlenangaben über die Anmeldungen zum 11. und zum 12. Rahmenplan vor. Daraus ergibt sich, daß 1982 allein für die laufenden Vorhaben ein Bedarf an Bundesmitteln von 1,145 Milliarden DM besteht. Wir haben im Haushalt 1982 aber nur 900 Millionen eingesetzt, und davon gehen schon 220 Millionen für die Rückerstattung der Ländervorausleistungen des Jahres 1981 ab, so daß allein bei den laufenden Vorhaben des Jahres 1982 eine Bedarfsdekkungslücke von 465 Millionen DM an Bundesmitteln besteht.
Meine Damen und Herren, ich habe in diesem Zusammenhang Verständnis dafür, daß jetzt vor allem die jungen Universitäten in Deutschland ihre Sorgen äußern. Vielleicht darf ich es einmal sagen: Ich komme selbst aus einen revierfernen Gebiet, in dem aus strukturellen Gründen, aber auch wegen der früher vielbeschworenen Chancengleichheit und der Gerechtigkeit die Errichtung einer Universität sehr begrüßt wurde. Heute können wir sagen, daß nicht bloß im Interesse der Infrastruktur unseres Landes, sondern auch wegen der jungen Menschen und hoffentlich bald wegen der erzielten Leistungen in Forschung und Lehre eine große Tat vollbracht wurde.
Herr Minister, Sie selbst haben - damals noch als Staatssekretär - an den Gründungsfeierlichkeiten der Universität Passau teilgenommen. Sie haben sich dort und später anderswo in Ostbayern die Augen für die Leistungsbereitschaft der Bevölkerung einschließlich der Jugend öffnen lassen.
({16})
Ich appelliere deshalb an Sie, die aufblitzenden Juwele innerhalb unserer hochschulpolitischen Landschaft, nämlich die neuen Universitäten, seien sie im Grenzland, seien sie anderswo,
({17})
nicht wegen der Haushaltsmisere völlig zu vergessen,
({18})
sondern in Ihre Förderungspläne mit einzuschließen.
({19})
Daß wir darob die etablierten Universitäten nicht vergessen wollen, versteht sich von selbst.
Einen ähnlich unbefriedigenden Verlauf wie bei den Kürzungen im Hochschulbereich nimmt die Entwicklung beim Studentenwohnraumbau ein.
({20})
- Ich hoffe, daß wir deren Regionen auch noch entsprechend drankriegen!
Auch hier setzt die Bundesregierung den Rotstift an und sagt sich ebenfalls von früheren Ausbauzielen los.
({21})
Der Parlamentarische Staatssekretär Kuhlwein hat mir erst vor kurzem bestätigen müssen, daß mit den im Haushaltsjahr 1982 bereitgestellten 20 Millionen DM nur die bereits bewilligten oder begonnenen, aber keine neuen Maßnahmen durchgeführt werden können.
({22})
Es handelt sich dabei um ca. 3 000 Wohneinheiten in insgesamt 16 Heimen.
Eigentlich müßte man sagen, auch hier sparen wir am falschen Ende. Statt das zur Zeit vielbeschworene Beschäftigungsprogramm mühsam zusammenzustoppeln, sollte die Bundesregierung lieber ihre gegebenen Zusagen einhalten.
({23}) und beim Hochschulwohnraumbau
({24}) diese Arbeitsplätze schaffen.
({25})
Schließlich hat sie ja oft genug die Zunge gespitzt
und von Anstrengungen bei der Behebung des FehDr. Rose
lens von Studentenwohnräumen gesprochen. Jetzt sollte sie endlich auch pfeifen und die jungen Menschen nicht in zusätzliche Schwierigkeiten bei der Wohnungsbeschaffung stürzen.
({26})
Wenn Sie jetzt sagen: Der redet als Haushälter nur von zusätzlichen Ausgaben, dann sage ich Ihnen: bisher ja. Aber wir haben Ihnen j a gesagt, wo wir diese Kürzungen gemeinsam machen können, wir haben sie im BAföG-Bereich angeboten. Im BAföG-Bereich, meine Damen und Herren, sind Umstrukturierungen möglich und notwendig, damit der öffentliche Mißkredit endlich wieder abgebaut werden kann. Mir sind in den letzten Wochen eine Reihe von Briefen zugegangen, in denen die Bestätigung kam, daß hier so viel Mißbrauch gemacht wurde, daß hier wirklich mal durchgeforstet werden sollte, um das BAföG in anderer Form, aber vor allen Dingen auch knapper zu geben.
({27})
- Bis hin zu der Überschrift in den letzten Tagen, daß es sogar im Gefängnis noch BAföG gibt.
Meine Damen und Herren, es kann nicht geleugnet werden, was die Präsidenten der Wissenschaftsorganisationen im September 1981 äußerten. Sie halten die Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses für besorgniserregend. In der Tat haben sich mit dem Auslaufen des Graduiertenförderungsgesetzes, aber auch mit dem Vorgriff auf zahlreiche Personalstellen und dem dadurch bedingten Fehlen dieser Stellen in der Zukunft die Aussichten künftiger Wissenschaftler nicht gerade verbessert, im Gegenteil. Ähnlich wie die erfolgte Kürzung von 1 % aller Planstellen im Bereich der Grundlagenforschung trägt all dies dazu bei, daß Wissenschaft und Forschung in der auf sie besonders angewiesenen Bundesrepublik eingeschränkt werden.
Es gibt allerdings einen Bereich, in dem die Bundesregierung trotz fehlender Mittel versucht, ihren Einfluß auszuweiten, obwohl da überhaupt keine Notwendigkeit besteht. Ich meine den Bereich der beruflichen Bildung. Wenn ich dazu einige kritische Anmerkungen mache, so nicht deshalb, weil wir in diesem Sektor nicht auch Verbesserungswürdiges wüßten. Meine Kritik bezieht sich vielmehr auf die Bestrebungen des Bildungsministeriums, immer mehr Kompetenzen an sich zu ziehen, also die staatliche Einflußnahme auszuweiten. Die bisherigen Ergebnisse eines staatlichen Zugriffes zeigen aber, daß nur in den seltensten Fällen akzeptable Resultate zu verzeichnen sind. Am deutlichsten ist das ja bei den Ausbildungsstellen. Meine Damen und Herren, wir dürfen hier nicht müde werden, die Betriebe immer wieder aufzufordern, ausbildungsbereit zu sein. Aber die Bundesregierung sollte doch nicht immer mit Drohmaßnahmen in der Tür stehen und damit verunsichern.
({28})
Die Bundesregierung sollte sich lieber an der eigenen Nase nehmen und in den bundeseigenen Betrieben für entsprechende Stellen sorgen. Da hätte sie viel Arbeit.
({29})
Außerdem ist bekannt, daß das neue Berufsbildungsförderungsgesetz lange Zeit mit dem Damoklesschwert des Stopps der dualen Ausbildung drohte. Nach unserer Meinung sollen aber weiterhin die Kammern die Ausbildungs- und Prüfungskompetenz haben; denn sie haben nicht bloß das nötige Prüfungswissen, sondern auch den besseren Einblick in die Markterfordernisse.
({30})
Herr Bildungsminister, wir hoffen daher sehr, daß Sie nach dem Vermittlungsergebnis trotzdem wissen, wo es langgeht,
({31})
und sich auf keine, salopp gesagt: krumme Touren einlassen.
Es gäbe in diesem Zusammenhang selbstverständlich eine Reihe weiterer Punkte anzuschneiden. Aber nicht nur wegen des Abends, sondern auch, weil meine Redezeit abzulaufen droht, möchte ich zum Schluß kommen. Wir, meine Damen und Herren, sehen in der politischen Grundrichtung Ihrer Bildungspolitik so viele Ansätze, die mit unserer Überzeugung nicht übereinstimmen. Wir wissen, daß die Bildungspolitik, die Sie in den letzten Jahren im ganzen Land durchgeführt haben, in der Zwischenzeit zu einer Reihe von Grundsatzurteilen bei den Gerichtshöfen geführt hat. Wir wissen, daß Sie der Jugend dieses Landes - das konnte ich bereits heute mittag bei einer anderen Rede sagen - nicht geholfen, sondern die Verunsicherung dieser Jugend herbeigeführt haben. Es ist deshalb unmöglich, Ihrem Bildungsetat die Zustimmung zu geben. Ich sage für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion: wir lehnen diesen Etat ab.
({32})
Das Wort hat der Abgeordnete Wallow.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was wir gerade gehört haben, war eine eifrige Rede.
({0})
Aber es war blinder Eifer, der mit der bildungspolitischen Realität dieses Landes überhaupt nichts zu tun hat.
({1})
Mich erinnerte das an eine bildungspolitische Buchhaltung, bei der es sich lohnte, auf jeden einzelnen Punkt einzugehen. Aber die Zeit erlaubt es nicht. Deswegen lassen Sie mich ganz kurz auf einige Punkte eingehen, die außerdem noch exemplarisch
den Zickzackkurs der Opposition im Bereich der Bildungspolitik belegen.
({2})
- Lassen Sie mich doch bitte ausreden. Ich will doch nur Ihre Erinnerung auffrischen.
({3})
Vielleicht erinnern Sie sich daran, daß schon vor etlichen Jahren der heutige Kultusminister von Baden-Württemberg, Herr Mayer-Vorfelder, vehement dafür eintrat - damals war er Staatssekretär in der Staatskanzlei unter Herrn Filbinger -, daß die Mischfinanzierung entflochten wird und daß sich der Bund aus dem Studentenwohnraumbau heraushält.
Wir haben das nicht getan, sondern wir haben in zehn Jahren gemeinsam mit den meisten Ländern den Studentenwohnraumbau mit 1,4 Milliarden DM gefördert.
({4})
Jetzt, nachdem die Aufbaujahre abgeschlossen sind, sind die nach der Verfassung dafür zuständigen Länder dafür verantwortlich. Es wurden insgesamt 120 000 Studentenwohnheimplätze geschaffen - eine Leistung, die Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, doch endlich auch einmal anerkennen sollten.
({5})
Der Bund wird seine Verpflichtungen erfüllen. Es wird jedes Projekt zu Ende gebaut.
({6})
- Sie brauchen da Nachhilfe. - Das, was wir jetzt erleben, ist ein erster Erfolg des gemeinsamen Bestrebens, die Mischfinanzierung zu entflechten.
Einer Ihrer beliebten Kritikpunkte sind die Modellversuche. Sie sind quantitativ gesehen kein Schwerpunkt der Bildungspolitik. Aber dieser Bereich ist über Jahre hinweg Zielscheibe der Kritik der Opposition.
Ich muß Sie wirklich fragen: Was haben Sie denn dagegen einzuwenden, wenn in einem Modellversuch Mädchen die sogenannten Männerberufe erlernen?
Was haben Sie dagegen einzuwenden, wenn lernschwache Schüler ohne Hauptschulabschluß in überbetrieblichen Ausbildungswerkstätten mit Anknüpfung an die betriebliche Praxis doch noch zu einem Berufsabschluß kommen?
({7})
Ist es nicht dringend notwendig, daß wir über einen Modellversuch herausfinden, welche Qualifikationsmaßstäbe beispielsweise bei sprachlich benachteiligten Ausländerkindern insgesamt angelegt werden müssen?
({8})
- Ich möchte Sie über Modellversuche aufklären, weil Sie ständig darüber reden, aber nie wissen, was da gemeint ist.
({9})
Was haben Sie eigentlich dagegen, wenn die Ausbildungskapazität beim Medizinstudium dadurch verbessert wird, daß neue Medien erprobt werden, wie das beispielsweise in Essen der Fall ist? Ich empfehle Ihnen, sich das anzuschauen, bevor Sie hier darüber reden.
({10})
- Herr Daweke, ich bin sicher: Wenn wir hier die Muße und die Zeit hätten, die ganzen Projekte durchzugehen - es sind über 100 -, bliebe von Ihrer Kritik nichts mehr übrig.
({11})
Sie sind nämlich einfach dagegen, weil Sie die Modellversuche unter einen diffusen Reformverdacht stellen. Das ist doch der Punkt.
({12})
Ihre Ablehnung entspringt den konservativen Ängsten vor Bewegung und Veränderung.
({13})
Die Modellversuche - das sage ich Ihnen ganz offen - stellen Reformpolitik dar. Wir Sozialdemokraten sind stolz darauf, daß wir trotz der Finanznöte in diesem Bereich noch Reformpolitik betreiben können.
({14})
- Bevor Sie jetzt weitere Zwischenrufe machen, empfehle ich Ihnen wirklich, einmal zuzuhören.
({15})
- Ja, ich werfe mit dem Ding. Wissen Sie auch, warum? Weil die CDU/CSU-regierten Länder insgesamt 53 % dieser Modellversuche für sich in Anspruch nehmen. Das sind 69 Projekte.
({16})
- Herr Daweke und auch Herr Rose - vielleicht nehmen Sie das mit nach Bayern -, allein das schöne Bundesland Bayern
({17})
bekommt im Jahr 1981 für Modellversuche 13 Millionen DM.
Jetzt könnte mir von Ihnen entgegengehalten werden: Die nehmen das Geld, weil es diesen Topf gibt.
({18})
- Ja, so ist es. - Auch da sollten Sie sich informieren. Die Länder sind an der Bestimmung der Inhalte und der pädagogischen Zielsetzung dieser Modellversuche natürlich beteiligt und akzeptieren das. Ihre Haltung stimmt ganz genau mit dem überein, was ich am 20. November 1981 in der „Süddeutschen Zeitung" unter der Überschrift „Verworrene CDU- Bildungspolitik" gelesen habe. Sie können es nachlesen. Ich zitiere:
Die bildungspolitischen Debatten der CDU-Bundespartei gewinnen immer „symbolischeren" Charakter.
({19})
Sie verdichten sich zu einem Gebilde der schönen und angenehmen Bekenntnisse, die von der Realität immer weiter abheben und selbst einige Kultusminister der eigenen Partei
({20}) wachsend befremden.
({21})
Es ist wirklich an der Zeit, daß Sie mit dieser Schaufensterkritik aufhören.
Mein Vorredner hat bezeichnenderweise mit der Begabtenförderung angefangen. Auf BAföG hat er nur einen Satz verwandt. Er hat nämlich gesagt, daß BAföG auch im Gefängnis gezahlt wird. Ich muß Ihnen sagen: Abgesehen davon, daß mich der materialistische Bildungsbegriff, der der gesamten Rede zugrunde lag, sehr erschrocken hat, empfinde ich so etwas als peinlich.
({22})
Das BAföG hat bei meinem Vorredner natürlich aus gutem Grund nur eine geringe Rolle gespielt. Ich bin der Auffassung, daß hier gesagt werden muß: Trotz schwieriger finanzpolitischer Rahmenbedingungen ist der Gesamtbestand der Ausbildungsförderung gesichert. Junge Menschen, die bei ihrer Ausbildung auf finanzielle Unterstützung des Sozialstaats angewiesen sind, können auch zukünftig auf die Hilfeleistungen vertrauen. Für uns Sozialdemokraten ist das eine elementare Bedingung der Sicherung der Chancengleichheit.
({23})
Auch das nenne ich die konsequente Fortführung sozialliberaler Reformpolitik trotz finanzieller Engpässe.
({24})
Der Vorschlag der Unionsparteien und der unionsregierten Länder, das BAföG der Schüler, die bei ihren Eltern wohnen, zu streichen, hätte 94 % aller Schüler getroffen. Davon sind 34 % Arbeiterkinder.
({25})
Das war ein gezielter Angriff auf die Bildungschancen der einkommensschwachen Schichten.
({26})
Dann erklärt der Fraktionsvorsitzende der CDU/ CSU vorgestern, das sei keine soziale Zumutung. Er weiß offenbar nicht, daß das Land, in dem er früher einmal Ministerpräsident war und in dem jetzt Herr Vogel regiert, nicht nur die Streichung-des Schüler- BAföG gefordert hat. Nein, da soll beschlossen werden, daß die Schülerbeförderungsbeiträge der Eltern erhöht werden. Dort sollte beschlossen werden, die Lehrmittel um ein Drittel zu kürzen.
({27})
Jetzt nehmen Sie als Beispiel eine Arbeiterfamilie mit zwei Kindern auf weiterführenden Schulen. Das hätte eine Einbuße von 600 DM und mehr bedeutet.
({28})
Dann hat mein Vorredner dafür nur einen Satz übrig: Es gibt auch BAföG im Gefängnis. Peinlich!
({29})
Diese Kürzung hätte insbesondere die Mädchen getroffen. Denn auch heute fällt, wenn das Geld in Mehrkinderfamilien fehlt, die Entscheidung immer noch zugunsten des Jungen, und die Mädchen enden auf Grund mangelnder Bildungschancen in den Leichtlohngruppen. Das wollen wir Sozialdemokraten nicht.
({30})
Wir werden alles dafür tun, daß es nicht so weit kommt.
Die Mädchen haben zwar im Durchschnitt bessere Schulzeugnisse und Schulnoten; trotzdem stellen sie weit mehr als die Hälfte aller Jugendlichen ohne Ausbildungsvertrag. Ich habe große Sorge, daß sich diese Entwicklung noch weiter zuspitzt und daß sich bei sinkendem Lehrstellenangebot insbesondere die Mädchen die Hacken ablaufen müssen, um einen Ausbildungsplatz zu bekommen.
Wir werden aufpassen müssen, daß nicht wieder das eintritt, was wir durch sozialliberale Reformpolitik schon überwunden glaubten: daß Mädchen ohne Berufsausbildung zu Hause bleiben müssen und darauf warten, daß der richtige Mann auf der Bildfläche erscheint.
({31})
Wenn Sie sich in den letzten Jahren mit uns darüber gefreut haben - das haben Sie doch sicher getan -, daß wir die Zahl der Ausbildungsplätze um 250 000 steigern konnten, dann ist das - man kann es ruhig aussprechen - natürlich auch eine Leistung der privaten Wirtschaft, insbesondere des
4822 Deutscher Bundestag Wahlperiode Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1982
Handwerks. Aber es ist auch eine Wirkung des Ausbildungsplatzförderungsgesetzes.
({32})
Wir hatten nämlich - wenn Sie sich recht erinnern - in früheren Zeiten auch andere Töne gehört. Da gab es diesen ominösen Brief der Spitzenverbände der Wirtschaft, des Handels und des Handwerks, der Abstriche an der Ausbildungsqualität und am Jugendschutz forderte und dafür 50 000 Ausbildungsplätze anbot. Aber über 250 000 Plätze haben wir geschaffen.
Die Bundesregierung hat sich auf diesen Kuhhandel nicht eingelassen. Sie hat in der beruflichen Bildung über Jahre investiert, und sie hat ein Gesetz vorgelegt, daß in seiner Intention die Wirtschaft in die Mitverantwortung für die Ausbildung junger Menschen nahm. Diese Zielsetzung wurde vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich bestätigt. Ich zitiere:
Wenn der Staat in Anerkennung diese Aufgabenteilung den Arbeitgebern die praxisbezogene Berufsausbildung der Jugendlichen überläßt, so muß er erwarten, daß die gesellschaftliche Gruppe der Arbeitgeber diese Aufgaben nach Maßgabe ihrer objektiven Möglichkeiten damit so erfüllt, daß grundsätzlich alle ausbildungswilligen Jugendlichen die Chance erhalten, einen Ausbildungsplatz zu bekommen.
Wenn Herr Zimmermann und vorhin Zwischentufer die Auffassung vertraten, daß dieses Problem allein mit einem Konjunkturaufschwung gelöst wäre, dann will ich Ihnen einmal eine Aussage Ihres jetzigen Fraktionsvorsitzenden und früheren Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz in Erinnerung rufen und vielleicht auch mit auf den Weg geben. Hören Sie gut zu! Ich zitiere Herrn Kohl:
Wir gehen davon aus, daß eine Reform der beruflichen Bildung ein neues Finanzierungssystem für die betriebliche Ausbildung verlangt. Dabei wird es notwendig sein, auch jene Betriebe stärker zur Finanzierung der beruflichen Bildung heranzuziehen, die sich nicht unmittelbar an der für die gesamte Wirtschaft erforderlichen Ausbildung des Nachwuchses beteiligen.
({33})
Wenn wir so etwas sagen, heißt das, daß das duale System abgeschafft werden solle. Dieses historische Zitat von Herrn Kohl ist heute brennend aktuell; denn die Schaffung krisensicherer, konjunkturunabhängiger Ausbildungsplätze, meine Damen und Herren von der Opposition, ist der beste Dialog mit der Jugend.
({34})
Die rote Lampe leuchtet. Ich wäre gern noch auf einige Punkte meines Vorredners eingegangen, etwa auf den Hochschulbau. Lassen Sie mich dazu abschließend sagen: Reformpolitik muß auch auf diesem Sektor weiter verfolgt werden. Noch stärker als bisher müssen wir auf den effizienteren Einsatz staatlicher Mittel achten.
({35})
Wir müssen lernen, kreativ zu wirtschaften,
({36})
d. h. wir müssen in Zukunft die Raumkapazitäten besser nutzen.
({37})
Es ist notwendig, uns zu überlegen, wie es weitergehen soll,
({38})
wenn wir zwischen 1981 und 1983 1,3 Millionen Studenten haben. Wir werden nicht umhin können, zu überlegen, ob wir uns den Luxus leisten können, den es nirgendwo in anderen Industriestaaten der Welt gibt, die Universitäten ein halbes Jahr Leerstehen zu lassen. In diesem Punkt sind wir Bildungspolitiker über kleinliche Streitereien hinweg zu Gemeinsamkeit aufgefordert. Dort brauchen wir Lösungsmöglichkeiten.
Wir Sozialdemokraten sind bereit, das zu tun. Wir sind bereit, über die aktuelle Tagespolitik hinweg in solchen Fragen mit allen zusammenzuarbeiten. Denn erst dadurch ist die mittelfristige Finanzierung und Fortentwicklung unseres Bildungswesens gesichert. Das müssen wir. Denn in den Bildungsinvestitionen liegt unser aller Zukunft.
Der Etat des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft entspricht dieser Forderung. Er ist ein Etat der Vernunft.
({39})
Es muß gespart werden. Aber mit diesem Etat können wir die Fortsetzung der Reformpolitik als gesichert ansehen. Deswegen stimmen wir ihm zu.
({40})
Ich erteile das Wort der Frau Abgeordneten von Braun-Stützer.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst zu Ihnen, Herr Rose: Sie beliebten, die Gebetsmühle von der „ Überproduktion an Akademikern" in unserem Land wieder mal zu drehen.
({0})
Sie meinen damit sicher die Gleichwertigkeit zwischen akademischer und beruflicher Ausbildung, die ja alle Parteien und alle Fraktionen in diesem Land wollen. Aber wie weit es damit in Wirklichkeit her ist, sehen Sie aus folgender Erklärung eines Verbandes und einer Person, die, wenn ich es richtig verstehe, Ihnen wohl sehr nahesteht. Ich zitiere aus dem „Deutschen Depeschendienst" vom 14. Januar:
Jeder dritte Oberstufenschüler im Gymnasium geht heute nach Ansicht des Präsidenten des Lehrerverbandes, Clemens Christians, auf die falsche Schule. Er gehört nicht da hin. Er ist leistungsmäßig Schamott.
Das erklärte dieser Herr Christians. Ein paar Zeilen weiter heißt es:
Sie sollten abgehen, berufsfördernde Schulen besuchen.
Das ist die Gleichwertigkeit zwischen akademischer und beruflicher Ausbildung, die wir zur Zeit haben.
({1})
Der Haushalt 1982 ist der erste einer vermutlich längeren Kette von Haushaltsjahren, in denen die handelnden politischen Ebenen eines beweisen und bewerkstelligen müssen. Es muß den handelnden Politikern, Parteien und Verwaltungen in Bund, Ländern und Gemeinden gelingen, eine Gesellschaft neu zu organisieren, die ihre Konflikte nicht mehr über Wachstumshoffnungen ausgleichen kann. Dies erfordert Weitsicht und die Fähigkeit, sich auch in die Interessenlage und die sachlichen Notwendigkeiten anderer hineinzuversetzen. Dies erfordert auch eine politische Grundhaltung der Gesamtverantwortung, die mit Festigkeit und Umsicht allen massiven Gruppeninteressen und Sankt-FloriansArgumenten entgegentritt, die in unserem Land so erschreckend zunehmen.
Ich meine, daß der Haushalt '82 in seinem Ergebnis ein erster Schritt in die richtige Richtung ist: Er hat die Lasten der Einsparmaßnahmen, wie wir meinen, annähernd gerecht und ohne Bedrohung des sozialen Friedens zuwege gebracht. Ich halte dies für eine enorme Leistung, insbesondere auch der Kollegen im Haushaltsausschuß, die Anlaß zu der Hoffnung gibt, daß wir die weitere Strecke des dornenreichen Weges in den nächsten Haushaltsjahren auch noch bewältigen werden. Eines ist jedoch sicher: Der Druck der Gruppeninteressen und der Sankt-Florian-Argumente wird sich verstärken. Um so wichtiger ist es, kritisch zu prüfen, ob unsere politischen Instrumente dieser Zerreißprobe auch wirklich gewachsen sein werden.
Ein paar kritische Entwicklungen können wir auf allen parlamentarischen Ebenen, vom Bund bis zu den Gemeinden, und in den Verwaltungen schon jetzt beobachten. Zum Beispiel kann man es durchaus als Parlamentarismusproblem ansehen, wenn die Haushalts- und Finanzausschüsse der Parlamente das Gewicht von Überparlamenten bekommen,
({2})
wobei dies wohlgemerkt auch als Kritik an den Fachausschüssen zu verstehen ist; denn bei aller Maulerei über dieses Parlamentarismusproblem habe ich noch keinen Vorschlag aus den Fachausschüssen gehört, der diesen Fehler ernsthaft zu beheben versuchte.
({3})
- Ich konnte mir schon denken, daß du da klatscht.
Ich komme zu einem zweiten Beispiel, nämlich zur überproportional gestiegenen Bedeutung des Vermittlungsausschusses zu einem zweiten Überparlament, was von den Verfassungsvätern mit Sicherheit auch nicht so gedacht war.
Die dritte und, wie ich meine, gefährlichste Entwicklung ist jedoch die allgemeine politische Mentalität des Kästchendenkens. Es tut mir leid, Herr Rose, Ihre Rede war wieder ein Beispiel dafür.
({4})
Ich meine das Denken in Zuständigkeitsbereichen statt in politischen Zusammenhängen, das Denken in Haushaltsjahren und Einzelplänen statt in politischen Prioritäten. Malte Buschbeck hat in einem hervorragenden Artikel in der „Süddeutschen Zeitung" vom 29. Dezember vorigen Jahres genau auf dieses - ({5})
- Das tut mir leid. Den Beitrag habe ich nur partiell mitbekommen. Herr Kollege Obmann, Sie sind an sich immer der Strahlemann, wenn es um Pressezitate geht. Ich vermisse Ihre Rede in diesem Zusammenhang.
({6})
- Das freut mich aber für Sie.
Ich glaube, daß insbesondere der Hinweis auf das Dickicht der Kostenträger und die Verkrustung der Etatgrenzen die kritische Frage erlaubt, ob eine gesamtgesellschaftliche Kostenübersicht überhaupt noch gezogen werden kann. Ich glaube, daß dieser Hinweis von Malte Buschbeck ganz besonders wichtig ist. Er sagt zu Recht: „Die Spardebatte ... hat gesellschaftspolitisch bisher mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet." Ich halte dies für einen ganz wichtigen Gesichtspunkt im Hinblick auf die Haushalte der kommenden Jahre.
Meine Damen und Herren, ich bitte um Ihr Verständnis dafür, daß ich diese grundsätzlichen Fragen ein wenig ausführlich behandelt habe. Bildungspolitik ist aus der Natur der Sache heraus langfristiger und perspektivischer als die meisten anderen Politikbereiche angelegt. Die Bildungspolitik muß nun einmal in Schüler- und Studentengenerationen und nicht nur in Schuljahren denken und planen. Deshalb wirken sich die kritischen Entwicklungen, die ich versucht habe aufzuzeigen, zuallererst und am meisten im Bildungsbereich aus. Daher ist es gerade die Aufgabe der Bildungspolitiker, rechtzeitig auf diese Entwicklungen aufmerksam zu machen, die sich über kurz oder lang auch auf die Beschäftigungs- und Wirtschaftspolitik auswirken werden. Nicht umsonst stand die Haushaltsdebatte, auch die Bildungsdebatte, bisher stark unter dem Eindruck der erschreckend hohen Zahl von 1,7 Millionen Arbeitslosen. Hier beweist sich, daß die Bildungs- und
Hochschulpolitik nicht Luxus für gute Zeiten ist, sondern daß sie einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung der Bildungs- und Berufschancen der jungen Generation geleistet hat und dies auch in Zukunft tun muß.
({7})
Wir haben heute mehr betriebliche Ausbildungsverhältnisse als jemals zuvor in der Bundesrepublik Deutschland. Hier haben sich die gemeinsamen Anstrengungen von Bund, Ländern, Arbeitgebern und Gewerkschaften gelohnt, und für diese Bemühungen ist allen Beteiligten Dank zu sagen.
({8})
Die wirkliche Bewährungsprobe steht allerdings noch bevor. In den nächsten Jahren müssen die Ausbildungsleistungen der Wirtschaft auch über den eigenen Bedarf hinaus noch erheblich verstärkt werden.
({9})
Dies ist zum einen ein Gebot der Solidarität gegenüber der jungen Generation; vor allen Dingen ist dies aber auch ein Gebot der wirtschaftspolitischen und beschäftigungspolitischen Weitsicht. Graf Lambsdorff hat schon in der Einbringungsrede zum Haushalt darauf hingewiesen, daß wir zum Ende dieses Jahrzehnts genau die umgekehrte Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt haben werden. Wir werden dann wieder händeringend nach qualifizierten Arbeitskräften suchen, und das heißt zwingend - deshalb hier noch einmal ein dringender Appell an die ausbildende Wirtschaft -, daß über den eigenen Bedarf hinaus ausgebildet werden muß.
({10})
Die Entwicklung des Ausbildungsplatzangebotes des Jahres 1981 wird diesem Bedarf nicht gerecht, was hier kritisch angemerkt werden muß.
({11})
Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Rossmanith?
Ich gestatte sie.
Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Sehr verehrte Frau Kollegin von Braun-Stützer, sind Sie also mit mir der Meinung, daß sich der Bundeswirtschaftsminister wieder etwas stärker als bisher der Ausbildung der Lehrlinge widmen sollte?
Wenn dem Bundeswirtschaftsminister eines ganz besonders am Herzen liegt, dann ist es die Förderung der betrieblichen Ausbildung. Das kann ich Ihnen versichern. Im Unterschied zu Ihnen lese ich gelegentlich auch, was er sagt.
Diese Appelle können allerdings nur dann wirksam und glaubwürdig vorgebracht werden, wenn der Staat selbst, der Bund, die bundeseigenen Unternehmen, die Länder und Gemeinden auch ihren Beitrag zur Lösung dieses gesellschaftspolitischen Problems leisten. Die Planzahlen des Bundes für 1982 für den Ausbildungsbereich entsprechen dieser Anforderung gegenwärtig jedenfalls nicht.
({0})
Hier bedarf es dringend einer Korrektur. Ich äußere mich dazu genauso kritisch wie auch Ihr Kollege.
In diesem Zusammenhang halten wir es im übrigen für bedauerlich, daß die Länder bisher noch nicht bereit waren, ihre Daten für einen Gesamtüberblick über die Ausbildungsstellensituation im öffentlichen Dienst zur Verfügung zu stellen. Ich fürchte, dies ist ein weiteres Beispiel für das Kästchendenken zum Schaden der Sache, das ich zu Beginn schilderte.
({1})
Zur Verantwortung des Bundes und der Länder gehört auch, daß die Politik des Offenhaltens der Hochschulen, wie sie von den Regierungschefs am 4. November 1977 beschlossen wurde, fortgesetzt wird. Gerade im Hinblick auf den noch vor uns liegenden „Studentenberg" halte ich dies für besonders wichtig.
Die Westdeutsche Rektorenkonferenz hat vor kurzem warnend darauf hingewiesen, daß die Sparmaßnahmen die Funktionsfähigkeit der Hochschulen in Frage stellten und daß eine erhebliche Verschärfung und Ausweitung des Numerus clausus zu erwarten sei. Diese Warnung müssen wir ernst nehmen, denn ein Rückfall in eine zunehmende Studienplatzbewirtschaftung würde nicht nur unmittelbar die Bildungs- und Berufschancen der Studienbewerber, sondern mittelbar auch die Chancen derjenigen treffen, die im dualen System eine Ausbildung und nach dieser Ausbildung einen Dauerarbeitsplatz suchen. Jeder durch einen Numerus clausus abgewiesene Studienbewerber würde die Probleme auf dem Ausbildungs-, Stellen- und Arbeitsmarkt zusätzlich verschärfen.
Die Regierungschefs von Bund und Ländern sollten in diesem Zusammenhang an ihren Beschluß vom 4. November 1977 zur „Sicherung der Ausbildungschancen der geburtenstarken Jahrgänge" nachdrücklich erinnert werden.
({2})
Es wäre gut, wenn der Bundeskanzler - wie auch damals - die Initiative ergreifen könnte, damit nicht nur Zwischenbilanzen im Blick auf den damaligen Beschluß erstellt werden, sondern, darauf aufbauend, ergänzende Maßnahmen von Bund und Ländern möglich werden.
Eine derartige Initiative des Bundes sollte nicht auf die Frage des Numerus clausus an den Hochschulen begrenzt werden. Sie sollte auch das Problem aufgreifen, daß manche an sich vernünftigen Einsparmaßnahmen der öffentlichen Hand dazu
führen, daß die Lasten einseitig zum Nachteil der Berufsanfänger verteilt werden.
({3})
Ein Beispiel dafür ist die vom Bundesrat beim Zweiten Haushaltsstrukturgesetz durchgesetzte Kürzung der Anwärterbezüge um 5 bis 15 %. Ein anderes Beispiel ist die Einsparung von jährlich 1 % der vorhandenen Stellen im Bund und in einigen Bundesländern. Diese Sparauflage, die aus dem gesamten Stellenplan herausgeholt werden sollte, wurde - so sieht es im Augenblick jedenfalls aus - vorwiegend im Ausbildungsbereich angesetzt, so daß das Ausbildungsstellenangebot im öffentlichen Dienst um fast ein Drittel gekappt wurde. Ich habe heute wieder ein konkretes Beispiel dafür gehört. Es ist eben einfacher, um sieben Ausbildungsstellen als um eine Meisterstelle zu kürzen. Das ist das Problem. Dieses Verfahren können wir aber nicht zulassen. Wir halten diese Strategie der Lastenabwälzung für sehr bedenklich.
({4})
Für bedenklich halten wir auch, daß die Kürzung der Einkommen um 0,7 % bei allen Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes mehr Auseinandersetzungen zwischen der ÖTV und den öffentlichen Arbeitgebern verursacht als beispielsweise die Kürzung der Anwärterbezüge oder des Ausbildungsstellenangebotes.
Daß für Ausländerkinder, für Mädchen und Benachteiligte besondere bildungspolitische Anstrengungen und Investitionen notwendig sind, gehört inzwischen zum Inhalt jeder Sonntagsrede. Trotzdem scheinen die Bildungsinvestitionen beispielsweise für den zusätzlichen Sprachunterricht der Ausländerkinder keineswegs den hehren Zielen dieser Sonntagsreden zu entsprechen, was wiederum ein Beweis für das zitierte Kästchendenken ist. Denn bei einer langfristig angelegten Gesamtkostenrechnung ergibt sich schon heute, daß jede Mark, die wir im Bereich der Bildungs- und Berufschancen der Ausländer heute einsparen, morgen sozialpolitisch zu ungeheuren Kosten führen wird.
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Dies ist ein Grund mehr, nachdrücklich zu fordern, daß sich Bund und Länder in der Bildungsplanung sehr schnell einigen, damit der Bildungsgesamtplan von 1973 endlich fortgeschrieben wird.
Es sollte doch zu Denken geben, daß sich über alle Parteigrenzen hinweg inzwischen ein erfreulicher Konsens zwischen den Bildungs- und Kultusministern abzeichnet, ein Konsens, der an die Weitsicht der Finanzpolitiker und Finanzminister appelliert, auch die Haushaltsjahre 1984 und folgende mit in die Überlegungen einzubeziehen; denn jeder ungenügend ausgebildete Arbeitnehmer wird in einem Beschäftigungssystem mit steigenden Qualifikationsanforderungen zu einem größeren Kostenrisiko für die öffentliche Hand werden als eine rechtzeitige Bildungsinvestition. Das sollte eigentlich eine Binsenwahrheit sein, trotzdem scheint sie sich noch nicht überall herumgesprochen zu haben. Der
Anteil des Bildungshaushalts an den Gesamthaushalten der öffentlichen Hand darf deshalb unter keinen Umständen gesenkt werden.
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Gerade im Interesse der jungen Generation müssen die Parteien deshalb wieder stärker zum bildungspolitischen Konsens zurückkehren, z. B. auch beim Bundesausbildungsförderungsgesetz. Der vom Bundesrat vorgeschlagene, aber dann gerade noch vermiedene Kahlschlag beim Schüler-BAföG sollte unter keinen Umstäden wieder auf die Tagesordnung kommen.
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Zu den Aufgaben des Bundes gehört ganz sicher auch die Neuordnung der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Auch sie erfordert Weitsicht und Abkehr vom Kästchendenken. Eine staatliche Ausgabe von gegenwärtig 12 000 DM für einen jungen Wissenschaftler ist schon kostenmäßig günstiger als die Finanzierung eines Arbeitslosen, der im Durchschnitt 20 000 DM pro Jahr kostet. Im übrigen liegt es eindeutig im Interesse der Gesellschaft, daß begabte junge Wissenschaftler in der Hochleistungsphase ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit in der Universitätsforschung gehalten werden und nicht direkt in das Beschäftigungssystem überwechseln. Insofern ist die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses nicht nur ein soziales Förderungsinstrument, sondern ganz eindeutig auch ein Eliteförderungsinstrument.
Für die Zukunft unserer Gesellschaft und auch unserer Wirtschaft im internationalen Wettbewerb ist es überlebenswichtig, daß Bildungsausgaben eindeutig als prioritäre Zukunftsinvestitionen eingestuft werden. Dies setzt unermüdliche Überzeugungsarbeit voraus und das mühsame Bohren von sehr, sehr dicken Brettern. Die FDP wird ihren Teil zu dieser Überzeugungsarbeit beitragen.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister für Bildung und Wissenschaft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin der Frau Kollegin von Braun-Stützer und dem Kollegen Wallow sehr dankbar, daß sie mit hoher Sachkunde und Nüchternheit
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auf die Entwicklung im Bildungswesen hingewiesen haben. Ich sehe die Entwicklung so, wie sie sie dargestellt haben. Ich kann mir deshalb viele Details, die ich sonst hätte sagen müssen, sparen.
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Den Kollegen Rose will ich natürlich auch nicht vergessen. Es wäre für ihn, wie jeder weiß, selbstmörderisch, hätte er anders gesprochen, als er gesprochen hat. Und ich muß hinzufügen: Für mich als schleswig-holsteinischem Sozialdemokraten wäre
es geradezu verhängnisvoll gewesen, hätte er mich hier gelobt. Insofern bleibt alles im Lot.
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Meine Damen und Herren, der Einzelplan 31 wird im Jahre 1982 als ein Haushalt der Bestandssicherung zu bezeichnen sein. Das wird von manchen als nicht genug, als nicht sehr viel angesehen. Ich meine, angesichts der Zeitläufe ist das eine auch für den Bildungsminister ganz zufriedenstellende Entwicklung, mit der er im Jahre 1982 wird leben können. Auch angesichts der kritischen Blicke des Finanzministers will ich das so sagen; denn der Haushalt 31, der Haushalt Bildung und Wissenschaft, hat im vergangenen Jahr zu den großen Sparoperationen beigetragen und wird es auch noch in diesem Jahr ganz beträchtlich tun. Ich brauche hier nur das Stichwort BAföG zu nennen. Jeder, der die Zahlen kennt, weiß, wie tief in meinen Etat gerade am Beispiel BAföG eingegriffen worden ist, und jeder weiß, wie sehr das gerade die engagierten Bildungspolitiker hier im Hause und bei mir im Ministerium geschmerzt hat.
Ich meine gleichwohl sagen zu dürfen: Mit 4 % Zuwachs liegt der Haushalt sehr gut im Trend. Es gibt andere Haushalte, die schlechter gefahren sind. Das heißt nicht, daß ich hier eitel Sonnenschein verbreiten will, aber ich weiß, was es bedeutet, in der heutigen Zeit 41)/0 mehr zu bekommen.
Ich bin auch sehr dankbar dafür, daß wir weitere Einschnitte beim Thema BAföG haben vermeiden können.
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Die Reaktionen der betroffenen Schülerinnen, Schüler, Studenten und ihrer Eltern, die inzwischen klekkerweise eingetroffen sind, zeigen deutlich, daß unsere Argumente „Nehmt es nicht erneut bei den Schwächeren weg" zutreffend gewesen sind. Ich danke deshalb denen, die mir geholfen haben.
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Der Hochschulbau wird bis Mitte der 80er Jahre und darüber hinaus finanziell keine leicht zu realisierende Aufgabe sein. Auf der anderen Seite kann ich bereits heute sagen, daß von Bundesseite bis 1985 ca. 4 Milliarden DM zur Verfügung gestellt werden, was auch kein Pappenspiel ist. Wir werden versuchen, damit sparsam und konzentriert umzugehen.
Für die überbetrieblichen Ausbildungsstätten stehen uns bis zur Mitte des Jahrzehnts 185 Millionen DM jährlich zur Verfügung. Das sind Mittel, die insbesondere in der handwerklichen Ausbildung große Dienste leisten werden. Denn mach kleiner Handwerksbetrieb kann nur deshalb ausbilden, weil wir ihm die Infrastruktur für die bessere Qualität auf dieser Ebene geliefert haben.
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Die Mittel für die Modellversuche sind zwar nicht gerade üppig, aber wenn sie, wie ich es beabsichtige, auf wirklich richtungweisende und Defizitbereiche konzentriert werden, dann werden wir mit den Mitteln für die Modellversuche auch auskommen.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Westphal?
Ja, gern.
Bitte, Herr Abgeordneter Westphal.
Herr Minister, ich freue mich, Ihnen ein bißchen dabei geholfen zu haben, daß Ihnen die Mittel für die Modellversuche erhalten geblieben sind. Aber gestatten Sie einem alten Haushälter, Sie bei dieser Gelegenheit zu fragen, ob Sie dem zustimmen können, daß wir nach drei Tagen Haushaltsberatungen von morgens bis abends beim letzten Einzelplan doch eine Stelle gefunden haben, wo die Opposition einen Kürzungsantrag gestellt hat?
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Herr Kollege, ich will zunächst deutlich sagen, daß Sie mir in der Koalition ohne Wenn und Aber geholfen haben, die Modellversuchsansätze zu retten,
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die ja nicht etwa dazu dienen, die Revolution in unserem Lande zu finanzieren,
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sondern die dazu dienen, daß benachteiligte Jugendliche, behinderte Jugendliche, auch Mädchen, also die, die in unserer Gesellschaft immer noch geringere Chancen haben, eine faire Bildungs- und Ausbildungschance bekommen.
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Die Kollegen der Union haben den Versuch gemacht, über einen bescheidenden Streichungsantrag von 4 Millionen DM, wenn ich mich richtig erinnere,
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ein neues Studentenwohnheim zu bauen. Nur, das, was wir mit den Modellversuchen - auch mit den Ihnen nahestehenden Ländern - reformpolitisch leisten, läßt einen solchen Schnitt von 4 Millionen DM nicht zu. Mit 4 Millionen DM kann man nicht einmal ein halbes größeres Studentenwohnheim bauen.
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Insofern bin ich dankbar, daß wir uns dazu bereit gefunden haben, es so zu belassen, wie es eingebracht worden war.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Daweke?
Gern, ja.
Herr Minister, würden Sie, da Sie bei den Ausschußberatungen nicht anwesend waren, von mir gleichwohl zur Kenntnis nehmen, daß wir nicht einen Kürzungsantrag in dieser Größenordnung, sondern in der Größenordnung der nach Auskunft Ihres Hauses freien Mittel, der im Modellversuchsprogramm nicht zugesagten Mittel gestellt haben? Das waren etwa 40 Millionen DM. Damit hätte man in der Tat schon Studentenwohnheime bauen können.
Also, ich muß nun ganz offen sagen: Ich habe diesen viel weitergehenden Antrag zu Ihrer öffentlichen Ehrenrettung hier nicht genannt. Denn jeder, der Bildungspolitik ernsthaft betreibt, streicht doch nicht die Mittel für Modellversuche radikal zusammen; ich bitte Sie!
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Lassen Sie mich noch sagen, daß das Bundesministerium - mit ganz großem Engagement auch der Mitarbeiter - ein kleines, aber wichtiges Programm für „Jugendliche mit besonderen Problemen" aufgelegt hat. Das sind Sonderschüler, das sind Hauptschüler ohne Abschluß; darunter befinden sich auch viele ausländische Jugendliche - alles junge Menschen, die in unserer Gesellschaft normalerweise kaum eine Ausbildungschance haben. Dieses Programm wird dazu beitragen - es gibt darüber zwischen uns auch keinen Grundsatzstreit mehr, worüber ich sehr froh bin -, in diesem Jahr etwa 3 000 Jugendlichen, die sonst mit einer Null-Chance durchs Leben gehen müßten, eine Ausbildungschance und damit den Eintritt in ein erfülltes Arbeitsleben zu eröffnen. Daß auch das finanziert wird, will ich dankend anerkennen.
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Meine Damen und Herren, wir stehen, wenn ich es auch aus bildungspolitischer Sicht richtig sehe, vor einer großen Zahl von tiefgreifenden Verteilungskämpfen. Wir kennen solche Verteilungskämpfe heute schon zwischen verschiedenen Politik-Bereichen; ich habe das an einigen Punkten ja auch recht schmerzhaft erfahren. Wir kennen solche Verteilungskämpfe traditionell zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, und wir kennen sie zwischen denen, die in der Einkommensskala oben und unten stehen, worüber es in der Geschichte immer Streit gegeben hat. Ich denke, daß wir in den kommenden Jahren - vielleicht schon in sehr kurzer Zeit - vor einem Verteilungskonflikt ganz anderer Art stehen werden, nämlich vor einem Verteilungskonflikt zwischen denen, die Arbeit und damit Einkommen haben, und einer wachsenden Zahl auch junger Menschen, die Arbeit und Einkommen suchen.
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Ich denke, daß diese Frage, der Konflikt, der sich anbahnt zwischen Arbeit Besitzenden und Nichtbesitzenden, auch die eigentliche Frage nach der Fähigkeit unserer Gesellschaft zur Solidarität zwischen den Generationen ist.
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- Ich sage auch als Bundesminister, daß unsere bisherigen Antworten auf diese Herausforderung in keiner Weise überzeugend sind.
Wir haben mit Nachdruck allesamt darauf hingewiesen, daß in diesem Jahre wie auch schon im letzten Jahr ein hoher Zuwachs an Ausbildungsplätzen für die nach Ausbildungsplätzen suchenden jungen Menschen vorhanden sein müßte. Wir haben erlebt, daß trotz aller Hinweise, aller harten Zahlen, Daten, Fakten und Argumente ein Trendeinbruch auf dem Ausbildungsmarkt zustande gekommen ist. Ich will an dieser Stelle mit Nachdruck sagen, weil wir uns auch im Ausschuß hierin völlig einig gewesen sind: Das Signal, das in Salzgitter bei einem öffentlichen Unternehmen gesetzt worden ist, Ausbildungsplätze trotz öffentlicher Wünsche von den Unionsparteien, von den Koalitionsparteien, von Betriebsräten und Gewerkschaften abzubauen, ist für mich ein falsches Signal mit falscher Farbe für die falsche Richtung.
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Das mindeste, was ich von diesem Unternehmen erwarte - da sind wir uns alle weitgehend einig -, ist, daß das Unternehmen, wenn diese Entscheidung schon so gefallen ist, zumindest jenes Maß an Moral und Solidarität aufbringt, im Herbst, dann, wenn sich herausstellt, daß die Zahl der nachfragenden Jugendlichen größer ist, diese Entscheidung praktisch durch eine höhere Einstellungsquote zu revidieren.
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Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang einige Anmerkungen machen, die vielleicht den Rand der Bildungspolitik um einige Zentimeter sprengen. Wenn ich es richtig sehe, dann entsteht durch die Kluft zwischen den Arbeit Habenden und den Nichthabenden eine materielle Situation und ein psychologisches Klima, das uns alle in zunehmendem Maße bedrücken wird. Ich meine, daß auf der anderen Seite in unserer Gesellschaft Aufgaben genug vorhanden sind, die mit der Hilfe arbeitswilliger und ausbildungswilliger junger Menschen erfüllt werden können.
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Wenn ich es richtig sehe, gibt es auch genug finanzielle Masse, um diese Aufgaben, die notwendig erfüllt werden müssen, zu finanzieren.
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Ich meine nur, daß wir dann den Mut haben müssen, viel mehr Mut als in der Vergangenheit, erneut kritisch über die Verteilungsstrukturen, die wir uns in den 50er, 60er und 70er Jahren noch haben leisten können, nachzudenken. Ich will dazu nur einige fragende Anmerkungen machen.
Wir haben in der Bundesrepublik bis zum heutigen Tag ein blühendes Subventionssystem, von dem
man nicht sagen wird, daß es primär die Schwachen und die Armen in der Gesellschaft begünstigt.
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Ich frage mich: Können wir uns diesen Luxus ausufernder Subventionen noch leisten?
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- Ich habe das eben gesagt - hätten Sie zugehört -: Ich richte diese Fragen nicht an Sie, ich richte sie an uns alle; und das muß wohl gestattet sein.
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Ich frage aber in dem Zusammenhang: Wo ist der Vorschlag geblieben, den die Unionsparteien, mit ihren namhaften Leuten an der Spitze, Mitte letzten Jahres in der Öffentlichkeit verbreitet haben, bei allen Subventionen generell 5 bis 10 % wegzuschneiden? Wo ist diese Initiative eigentlich im Bundesrat und im Vermittlungsausschuß geblieben? Ich habe davon nichts mehr gehört.
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Ich will ein Zweites sagen: Wir nennen es Leistung, auch wir auf unserer Seite nennen es Leistung, wenn es auch in schlechten Zeiten Berufsgruppen gibt, die ohne Schwierigkeit und ganz sicher davon ausgehen können, daß sie 100 000, 150 000, 250 000 DM und mehr im Jahr ohne Probleme verdienen, und wir nennen es gleichzeitig auch Leistung - ({12})
- Aber selbstverständlich rede ich doch auch von mir, verdammt nochmal, genau wie ich von Ihnen rede.
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Ich will nur sagen: Gleichzeitig nennen wir es auch Leistung, wenn bei uns im Lande eine Frau, die bereit ist, jedwede Arbeit zu machen, in einer Leichtlohngruppe trotz aller physischen und psychischen Anstrengungen auf nicht mehr als ein Zehntel dieser Jahressumme kommen kann.
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Ich finde es in diesem Zusammenhang besonders unsolidarisch, wenn, wie vor wenigen Monaten passiert, Funktionäre von Ärzteverbänden für den Fall von Kostendämpfungsmaßnahmen streikähnliche Maßnahmen der Berufe mit den weißen Kitteln androhen.
({15})
Ich habe nicht den Eindruck, daß es an der Zeit ist, über die bittere Not von Menschen gerade in diesem Bereich zu klagen.
({16})
Viele Arbeitnehmer in unserem Lande schätzen sich glücklich, wenn sie am Ende ihres Arbeitslebens 70 % ihres bisherigen Einkommens als Rente erhalten. In anderen Bereichen erhält eine nicht kleine Zahl von Menschen 100, 105 oder 110 %. Auch hier muß, glaube ich, bald und sorgfältig darüber nachgedacht werden, ob wir uns angesichts der Ausbildungs- und Beschäftigungsprobleme gerade auch junger Menschen noch solche Privilegien leisten können.
({17})
Über 20 und 30 Jahre hinweg standen jungen Menschen, Hauptschülern, Realschülern, Abiturienten und vor allem jungen Akademikern, alle Berufschancen offen. Sie hatten insbesondere Berufschancen im öffentlichen Dienst, der zeitweilig bis zu zwei Drittel der Absolventen aufgenommen hat. Meine Generation und die davor hat fast alle Chancen gehabt, die der jungen Generation heute nur noch in begrenztem Maße offenstehen: sichere Arbeitsplätze, sicheres, wachsendes Einkommen, solide soziale Sicherung und im öffentlichen Dienst diverse Zulagen. Ich muß ehrlich sagen, daß mir manche Töne, die heute in der Debatte über den Sparbeitrag des öffentlichen Dienstes zu hören waren, angesichts der Situation der Menschen, die nichts haben, zu schrill waren.
({18})
Es ließen sich viele Fragen dieser Art - sie sind an uns alle, auch an mich selbst, zu richten - stellen. Ich glaube, alle Antworten, die wir darauf geben müßten, würden zeigen, daß wir uns in manchen Bereichen unserer Gesellschaft immer noch einen Luxus leisten, den wir uns angesichts der wachsenden Bedürfnisse und Nöte der jungen Generation eigentlich nicht mehr leisten können. Ich meine deshalb, daß Angebote zur Diskussion an die junge Generation zwar auch nötig sind, aber in keiner Weise praktisch helfen. Wir sind aufgefordert, der jungen Generation mit ihren zunehmenden Problemen Taten zu zeigen; wir müssen ihr zeigen, daß wir bereit sind, praktische Solidarität zu üben.
Ich werde mich bemühen, mit den bescheidenen Mitteln des Einzelplans 31 auch im laufenden Jahr solche Beiträge zu leisten, und ich bitte alle hier im Parlament, die klarsichtig sind, diesem Einzelplan Ihre Zustimmung zu geben.
({19})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe deswegen die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 31: Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft. Wer dem Einzelplan 31 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe.
({0})
Enthaltungen? - Der Einzelplan 31 ist gegen die Stimmen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion angenommen.
Vizepräsident Windelen
Wir kommen zum Tagesordnungspunkt I. 28. Ich rufe auf:
Haushaltsgesetz 1982
- Drucksachen 9/1208, 9/1257 Berichterstatter:
Abgeordnete Walther Hoppe
Dr. Riedl ({1}) Borchert
Wortmeldungen liegen mir nicht vor.
Ich rufe die §§ 1 bis 34 sowie Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Die aufgerufenen Vorschriften sind gegen die Stimmen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion angenommen.
Damit ist die zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1982 ({2}) abgeschlossen.
Wir kommen zu dem Zusatzpunkt zur Tagesordnung
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Waigel, Dr. Köhler ({3}), Grunenberg, Ewen, Funke, Dr. von Geldern, Kittelmann, Dr. Klejdzinski, Rapp ({4}) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Tiefseebergbaus
- Drucksache 9/1074 -Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft ({5})
- Drucksache 9/1176 - Berichterstatter: Abgeordneter Kittelmann
({6})
Wünscht der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zur Aussprache gewünscht? - Auch das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Einzelberatung und zur Abstimmung. Ich rufe die Art. i bis 3, Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Die aufgerufenen Vorschriften sind bei einigen Stimmenthaltungen angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich seiner Stimme? - Das Gesetz ist - bei wenigen Stimmenthaltungen - ohne Gegenstimmen angenommen.
Es ist noch über eine Beschlußempfehlung des Ausschusses abzustimmen. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 9/1176 unter Nr. II die Annahme einer Entschließung. Wer der Entschließung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke. Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist damit einstimmig angenommen.
Wir sind am Schluß unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, den 22. Januar 1982, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.