Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich Ihnen einige Mitteilungen zu machen:
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll der Punkt 5 betreffend Legehennen in Käfigbatterien von der Tagesordnung abgesetzt werden.
Ergänzt werden soll die Tagesordnung um die Beratung der Beschlußempfehlungen des Vermittlungsausschusses. Diese Zusatzpunkte sind in einer Liste aufgeführt, die Ihnen vorliegt:
1. Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({0}) zu dem Zweiten Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur ({1})
- Drucksache 9/1140 Berichterstatter:
Abgeordneter Vogel ({2})
2. Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({3}) zu dem Neunten Gesetz zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes
- Drucksache 9/1141 Berichterstatter:
Abgeordneter Vogel ({4})
3. Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({5}) zu dem Gesetz zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen ({6})
- Drucksache 9/1142 Berichterstatter:
Abgeordneter Vogel ({7})
4. Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({8}) zu dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes
- Drucksache 9/1143 Berichterstatter:
Abgeordneter Vogel ({9})
5. Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({10}) zu dem Gesetz zur Konsolidierung der Arbeitsförderung ({11})
- Drucksache 9/1144 Berichterstatter:
Abgeordneter Vogel ({12})
6. Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({13}) zu dem Gesetz zur Ergänzung und Verbesserung der Wirksamkeit kostendämpfender Maßnahmen in der Krankenversicherung ({14})
- Drucksache 9/1145 Berichterstatter:
Abgeordneter Vogel ({15})
7. Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({16}) zu dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze ({17})
- Drucksache 9/1146 Berichterstatter:
Abgeordneter Vogel ({18})
Diese Zusatzpunkte sollten am Donnerstag um 18 Uhr aufgerufen werden.
Ist das Haus mit der so geänderten Tagesordnung einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Die Fraktion der SPD schlägt für die aus dem Deutschen Bundestag ausgeschiedene Abgeordnete Frau Schley den Abgeordneten Roth als ordentliches Mitglied für den Gemeinsamen Ausschuß nach Art. 53 a des Grundgesetzes vor. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Der Abgeordnete Roth ist damit als ordentliches Mitglied im Gemeinsamen Ausschuß nach Art. 53 a des Grundgesetzes bestimmt.
Wir treten ein in die
Fragestunde
- Drucksache 9/1134 Ich rufe als erstes den Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau auf. Das Haus ist durch den Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Sperling vertreten. Ich rufe die Frage 1 des Abgeordneten Herberholz auf:
Kann die Bundesregierung Auskunft darüber geben, welche Forschungsaufträge sie an wen vergeben hat, um herauszufinden, welcher Raumbedarf für ein Kind beziehungsweise einen Jugendlichen ({19})
Vizepräsident Windelen
als Minimum angesehen wird ({20}), und welche finanziellen Mittel dafür aufgewandt wurden?
Herr Kollege Herberholz, die Antwort lautet ja. Wenn Sie es wünschen, kann ich Ihnen auch eine Liste mit sieben Forschungsberichten vorlesen, deren Gesamtkosten 620 000 DM betragen haben. Ich kann ihnen diese Liste auch überreichen. Allerdings haben diese Forschungen nicht nur Ziffern für den Raumbedarf von Kindern in Ein- und Zwei-KinderFamilien - 8 bis 12 qm - gebracht, was die Kinderzimmergrößen angeht, sondern eine Vielzahl von Vorschlägen zur Wohnwertsteigerung durch ausreichende Stellflächen, Bewegungsräume und die sinnvolle Anordnung von Türen und Fenstern. Die Forschungsberichte sind zum Teil in unserer Berichtsreihe veröffentlicht.
Zu einer Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Herberholz, bitte.
Herr Staatssekretär, könnte mir die Bundesregierung zustimmen, daß ein Mißverhältnis besteht zwischen den Forschungsausgaben, um herauszufinden, welcher Raumbedarf für Kinder besteht, nämlich die von Ihnen genannten 650 000 DM, und den Forschungsausgaben, um z. B. herauszufinden, welcher Raumbedarf für eine Legehenne erforderlich ist, nämlich 2 Millionen DM?
Herr Kollege Herberholz, mich überrascht die Höhe des Betrages für die Legehennen auch ein bißchen angesichts der Tatsache, daß wir nur 620 000 DM zur Erforschung des Raumbedarfs von Kindern und für andere Fragen ausgegeben haben. Aber vielleicht möchten Sie auf etwas anderes hinaus. Ich habe viel Respekt vor Leuten, die sich um den Raumbedarf von Legehennen kümmern, aber ich habe mehr Respekt vor den Leuten, die sich um die Verwirklichung einer angemessenen Wohnraumversorgung von Kindern kümmern. Die Angemessenheit beider Dinge sollte auch im Bewußtsein der Bevölkerung vorhanden sein.
Zu einer weiteren Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Herberholz.
Herr Staatssekretär, in Anbetracht dessen, daß man wissenschaftlich ermittelt hat, daß für Legehennen ein Raumbedarf zwischen 400 und 600 qcm als angemessen anzusehen ist: Sehen Sie für ein Kind bis zu 18 Jahren einen Raumbedarf von 8 bis 12 qm als angemessen an?
Herr Kollege Herberholz, ich weiß nicht, ob dieser Vergleich nicht ein bißchen zu einfach gewählt ist, weil halt das Kinderzimmer für ein bis zwei Kinder mit 8 bis 12 qm nicht die einzige Bewegungsfläche für das Kind oder die Kinder ist, die in einer Wohnung eingeplant wird. Insofern kann man dies wohl nicht mit dem Platz für eine Legehenne vergleichen, der immer nur in der gleichen Größenordnung zur Verfügung steht und wo keine Chance besteht, sich im Flur, in der Küche, im Garten oder im Wohnumfeld zu tummeln. Darin,
daß sie dort sitzen muß und nicht weg darf, liegt wohl für die Legehenne das eigentliche Problem.
Ich rufe die Frage 2 des Abgeordneten Dr. Jahn ({0}) auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Ausführungen des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung im Jahresgutachten 1981/1982, wonach der Miethausbau - wie schon seit Jahren - auch 1981 schwach geblieben sei, weil staatliche Regelungen verhinderten, daß er sich lohne, und welche Initiativen wird die Bundesregierung ergreifen, um einen grundlegenden Abbau der Investitionshemmnisse herbeizuführen?
Herr Kollege Jahn, nun wird es etwas ernster als beim Problem der Legehennen,
({0})
das allerdings auch ein ernst zu nehmendes Problem ist.
Eine Beurteilung der von Ihnen zitierten Aussage des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ist nur dann möglich, wenn der vollständige Wortlaut der Textziffer 102 des Jahresgutachtens 1981/82 für die Bewertung zugrunde gelegt wird.
Dieser vollständige Text lautet:
Deutliche Auswirkungen der hohen Zinsen waren 1981 auch im Wohnungsbau zu spüren, weniger bei den vielfältigen Modernisierungsmaßnahmen als beim Bau neuer Häuser. Hatten viele Bauwillige ihre Pläne schon 1980 verschoben, weil die Belastung ihres Einkommens mit Zinsen und Tilgungsleistungen zu groß geworden wäre, zumal bei der starken Verteuerung des Bauens, so waren die Bedingungen 1981 angesichts des weiteren Zinsanstiegs und der geringeren Einkommenssteigerungen für die meisten noch ungünstiger. Es überrascht daher nicht, daß die Aufträge für Ein- und Zweifamilienhäuser das Jahr über weiter zurückgingen. Gleichzeitig, und wohl auch im Zusammenhang damit, hat indes die Nachfrage nach Eigentumswohnungen weiter zugenommen. Der Miethausbau blieb 1981 schwach. Kräftig ist er freilich schon seit Jahren nicht mehr, weil staatliche Regelungen verhindern, daß er sich lohnt; auch 1981 hat sich an diesen Investitionshemmnissen nichts Grundlegendes geändert. Insgesamt waren die neu vergebenen Wohnungsbauaufträge in den ersten acht Monaten 1981 preisbereinigt um 10 v. H. niedriger als ein Jahr zuvor. Wegen des Überhangs an unerledigten Aufträgen aus dem Vorjahr blieben die Fertigstellungen nicht ganz so stark hinter denen des letzten Jahres zurück; gleichwohl waren die realen Wohnungsbauinvestitionen 1981 um schätzungsweise 31/2 v. H. niedriger als 1980.
Nun zur Bewertung: Im Zusammenhang mit dem Mietwohnungsbau genannte „staatliche Regelungen", die als „Investitionshemmnisse" angesehen werden, werden vom Sachverständigenrat weder spezifiziert noch in ihrer Wirkungsweise dargelegt.
Im übrigen wird die Bundesregierung gemäß § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft in ihrem Jahreswirtschaftsbericht zum Gutachten des Sachverständigenrates insgesamt Stellung nehmen.
Zu einer Zusatzfrage der Herr Abgeordnete Dr. Jahn, bitte schön.
Herr Staatssekretär, da in dem Sachverständigengutachten, das Sie zitierten, auch steht, daß staatliche Regelungen verhindern, daß Mietwohnungsbau stattfindet, und da diese Auffassung von Graf Lambsdorff, unserem Bundeswirtschaftsminister, geteilt wird, frage ich Sie: Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Bundeswirtschaftsministers, nach der das zur Zeit geltende Mietrecht mit eine Ursache für die Investitionshemmnisse im Wohnungsbau ist?
Herr Kollege Jahn, Sie kennen die Tagesordnungen und die längeren Planungen unseres Ausschusses, in dem wir uns in jeder Sitzungswoche begegnen. Daher wissen Sie, daß es eine Reihe von Änderungsvorschlägen zum geltenden Mietrecht gibt. Aus diesen Änderungsvorschlägen können Sie ersehen, daß bestimmte staatliche Regelungen, nämlich die des Mietrechts, nach Auffassung der Bundesregierung geändert werden sollten, damit gerade den Bedenken, die Sie zu Ihrer Frage bewegen, Rechnung getragen werden kann.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Jahn.
Herr Staatssekretär, da Sie in diesem Sachzusammenhang das Mietrecht ansprechen, frage ich Sie: Ist der von Herrn Bundesjustizminister Schmude vorgelegte Vorschlag zum Zeitmietenvertrag als persönlicher Vorschlag zu verstehen, oder beinhaltet dieser Vorschlag die offizielle Meinung der Bundesregierung?
Herr Kollege Jahn, der Vorschlag von Herrn Justizminister Schmude ist mit den interessierten einschlägigen Ressorts abgesprochen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft. Das Ressort ist durch seinen Staatssekretär Dr. Granzow vertreten.
Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Thüsing auf:
Ist nach Auffassung der Bundesregierung die in der BundLänder-Kommission erarbeitete ziel- und maßnahmenorientierte Planung auch dann eine wichtige Leitlinie für die zukünftige Ausgestaltung unseres Bildungswesens, wenn eine Einigung mit der Finanzseite nicht gelingt?
Herr Abgeordneter, in der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung haben die für Bildung und Forschung zuständigen Minister der Länder und des Bundes in mehr als dreijährigen Beratungen und schwierigen Verhandlungen mit dem Entwurf der Fortschreibung des Bildungsgesamtplans - trotz unterschiedlicher parteipolitischer Standpunkte - ein gesamtstaatliches Konzept für das Bildungswesen der 80er Jahre erarbeitet. Dabei haben sie die Erfahrungen der letzten Jahre gemeinsam verarbeitet und gleichzeitig die Aufgaben der kommenden Dekade mit ihren vielfältigen Herausforderungen festgelegt.
Die Fortschreibung des Bildungsgesamtplans kann damit einen maßgeblichen Beitrag zur Sicherung gleichwertiger Bildungschancen im Bundesgebiet leisten. Sie zielt darauf ab, nach der Phase der quantitativen Expansion die Qualität von Bildungsangeboten und Bildungsinhalten verstärkt zu verbessern und gesamtstaatliche Vorsorge für neu aufgetretene Probleme wie die gleichberechtigte Betreuung und Ausbildung der Kinder unserer ausländischen Mitbürger zu treffen. Sie ist eine große Leistung des Bundesstaates mit seinen vielfältig aufgefächerten Zuständigkeiten im Bildungswesen. Von daher ist diese Planung als gemeinsame Auffassung der Bildungsminister selbstverständlich auch dann zumindest Leitlinie oder Orientierungsrahmen für die Weiterentwicklung des Bildungswesens, wenn eine abschließende Einigung mit der Finanzseite - aus welchen Gründen auch immer - nicht gelingt. Ohnehin kann nur in den jährlichen Haushaltsberatungen in den Ländern, im Bund und in den Gemeinden entschieden werden, welche Maßnahmen konkret finanzierbar sind. Im Interesse eines Mindestmaßes einheitlicher und gleichmäßiger Entwicklung des Bildungswesens im gesamten Bundesgebiet sollten sich daher alle verantwortlichen Kräfte bemühen, von der gemeinsamen und sehr mühsam erarbeiteten Planung in jedem Falle soviel wie möglich zu verwirklichen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Thüsing.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, was nach Auffassung der Bundesregierung die Gründe sind, die einen erfolgreichen Abschluß der Arbeiten bisher verhindert haben oder zur Zeit verhindern?
Herr Abgeordneter, man kann mit Fug und Recht sagen, daß der Abschluß der Arbeiten zum Bildungsgesamtplan überfällig ist. Die Arbeiten haben 1977 begonnen und hätten bis Ende 1979 abgeschlossen werden können.
Es sind dann vielfältige Hindernisse aufgetreten. Ich erinnere an den sehr unnötigen Streit um die Gesamtschule, der u. a. zum Rücktritt des Kultusministers Remmers als stellvertretender Vorsitzender der Kommission geführt hat. Ich erinnere an die langwierigen Auseinandersetzungen um die Anhörung der Verbände, die an dieser Fortschreibung maßgeblich interessiert sind: von den Eltern bis zu den Lehrern, Schülern und Studenten. Ich erinnere schließlich an die Probleme der Abstimmung mit der Finanzseite.
Gleichwohl ist festzuhalten, daß sich die Bildungsseite seit Juni 1981 auf die Fortschreibung verständigt hat und daß bei gutem Willen aller Beteiligten auch auf der Finanzseite, mit der wir in intensiver Verbindung stehen, eine Beendigung der Arbeiten in wenigen Wochen oder Monaten möglich wäre. Wenn es nicht dazu kommen sollte, dann müßten andere Gründe als die von mir erwähnten dafür maßgeblich sein.
Zu Ihrer zweiten Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Thüsing.
Herr Staatssekretär, können Sie, da Sie das angedeutet haben, näher erläutern, was diese anderen Gründe sind, die nach Ihrer Auffassung maßgeblich sind?
Herr Abgeordneter, man kann sich manchmal des Eindrucks nicht erwehren, daß einigen, die an dieser Arbeit beteiligt sind, die Schwächung der Bildungspolitik insgesamt kein zu geringer Preis dafür zu sein scheint, daß kein gesamtstaatlicher Rahmen für die Entwicklung des Bildungswesens zustande kommt; das mag ein Grund sein. Oder um es noch deutlicher zu sagen: Es könnte sein, daß partikularistische Strömungen die Verabschiedung dieses Bildungsgesamtplans letztlich verhindern, obwohl wir so weit gelangt sind.
Ein anderer denkbarer Grund wäre, daß fortbestehende Meinungsunterschiede hinsichtlich der Struktur des Bildungswesens - ich erinnere noch einmal an den Komplex Gesamtschule - einige Partner in diesem Geschäft veranlassen könnten, der Verabschiedung eines Planes nicht zuzustimmen, der vorsieht, daß die unterschiedlichen Pläne und Strukturen zur Fortentwicklung des Bildungswesens gleichberechtigt nebeneinanderstehen und daß im deutschen Bildungswesen - im Gegensatz zu den vergangenen Jahren - ein Zustand der Toleranz und der gegenseitigen Gewährung herrschen soll. Das sind aber nur Vermutungen, die allerdings nicht ganz unbegründet sind.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Weyel.
Herr Staatssekretär, sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, trotz der schwierigen Finanz- und gesamtwirtschaftlichen Bedingungen zu einer gemeinsamen Vorsorgeplanung zu kommen, die mit einer für die Bildungs- wie für die Finanzseite tragbaren Finanzierungsaussage versehen ist?
Frau Abgeordnete, diese Möglichkeiten sehen wir durchaus. Ich darf berichten, daß wir zwei Spitzengespräche mit Vertretern der Finanzministerkonferenz hatten: der Vorsitzende der Konferenz, Herr Minister Titzck aus Schleswig-Holstein, und Herr Bürgermeister Thape aus Bremen auf der Finanzseite und Herr Minister Engholm für den Bund sowie Herr Minister Engler für das Land Baden-Württemberg auf der Bildungsseite. Bei diesen beiden Spitzengesprächen ist eine Gruppe von Staatssekretären, der auch ich angehöre, beauftragt worden, zu versuchen, eine Annäherung zwischen den beiden Positionen der Finanzseite und der Bildungsseite zu erreichen. Diese Gruppe von vier Staatssekretären hat dreimal getagt und eine weitgehende Annäherung erreicht. Dabei haben beide Seiten Zugeständnisse gemacht oder angeboten.
Über das Ergebnis dieser Staatssekretärsberatungen ist bei der letzten Finanzministerkonferenz am 3. Dezember beraten worden. Leider hat sich die Finanzministerkonferenz aus Gründen, die mir schwer verständlich sind, nur dazu entschließen können, diese Beratungen zur Kenntnis zu nehmen. Sie hat eine weitere Beschlußfassung erst für Ende Januar 1982 in Aussicht gestellt. Sie hat leider auch ein weiteres Spitzengespräch zwischen Vertretern der Finanzministerkonferenz, insbesondere ihrem Vorsitzenden, Herrn Minister Titzck, und den Vertretern der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung abgelehnt. Ich darf dazu sagen, daß nach dem Abkommen über die Bund-Länder-Kommission eine solche Ablehnung von Gesprächen über ein laufendes Planungsgeschäft durchaus ungewöhnlich ist.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Dr. Wilms.
Herr Staatssekretär, Sie sagten eben, Sie könnten sich denken, daß vielleicht partikularistische Interessen der Verabschiedung des Bildungsgesamtplanes entgegenständen. Könnten Sie sich auch denken, daß echte bildungspolitische, d. h. konzeptionelle Unterschiede in der Bildungspolitik der Verabschiedung hinderlich im Wege stehen?
Nein, ich kann mir eigentlich nicht denken, daß echte bildungspolitische Konzepte dem entgegenstehen.
({0})
Ich denke, es gibt nur ein echtes bildungspolitisches Konzept für alle Bildungspolitiker, nämlich die Ressourcen für das Bildungswesen in den 80er Jahren lockerzumachen,
({1})
die bestehenden Defizite abzubauen und dort, wo sich unterschiedliche Auffassungen im Bildungswesen behaupten, also im Bereich der Schulstrukturen, ein System der Toleranz, der gegenseitigen Duldung und Anerkennung unterschiedlicher Konzeptionen zu verankern.
({2})
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Purps.
Herr Staatssekretär, ich möchte Sie fragen: Welchen Schaden befürchten Sie, wenn es nicht zu einem Konsens zwischen Bund und Ländern über die Sicherung und die Weiterentwicklung des Bildungswesens in den 80er Jahren kommt?
Ich glaube, der Schaden wäre sehr groß, und zwar sowohl in sachlicher
als auch in bundesstaatlicher und vertrauenspolitischer Hinsicht. Sachlich muß man ganz deutlich sagen, daß Einigkeit stark macht. Das gilt auch für die Bildungspolitik. Wenn sich die Bildungspolitiker nicht einigen, wird ihre Position in den Verteilungskämpfen der 80er Jahre schwierig sein.
Unter dem Gesichtspunkt des Föderalismus ist zu sagen, daß der Föderalismus, für den mit der Fortschreibung des Bildungsgesamtplanes eine Bewährungsprobe verbunden ist, die er beinahe bestanden hat, dadurch eine schwere Niederlage hinnehmen müßte, und zwar völlig unnötig. Dazu ist auch zu sagen, daß ein bestehendes Abkommen, das der Bundeskanzler und die Ministerpräsidenten aller Länder unterzeichnet haben, verletzt würde, wenn diese Fortschreibung nicht zustande käme. Es ist zu befürchten - ich habe das angedeutet -, daß sich nach einer Phase der relativ gleichmäßigen Entwicklung des Bildungswesens ein Trend zum Partikularismus und zum Provinzialismus verstärkt. Weiterhin ist zu besorgen, daß das Vertrauen der Eltern, der Schüler, der Auszubildenden und der Studenten, aber auch der ausbildenden Wirtschaft in die Fähigkeit zu gesamtstaatlicher Bildungsplanung auch im Bundesstaat erschüttert wird. Ich glaube, das sind Nachteile genug.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Abgeordneter Weisskirchen.
Herr Staatssekretär, teilen Sie die Befürchtung, daß das, was wir bildungspolitisch gemeinsam zu tun haben, gefährdet werden könnte, wenn es nicht gelingt, den Bildungsgesamtplan bald zu verabschieden, weil dann nämlich die Probleme von bestimmten Gruppen immer größer werden würden, z. B. von Jugendlichen, von Ausländerkindern, von Behinderten, aber beispielsweise auch in bestimmten Teilregionen der Bundesrepublik?
Diese Sorge ist sehr berechtigt, Herr Abgeordneter Weisskirchen. Der wesentliche Fortschritt der Fortschreibung gegenüber dem ersten Bildungsgesamtplan liegt ja darin, daß er sich nicht nur mit globalen Zahlen und Zielen hinsichtlich der Expansion beschäftigt, sondern die Defizite, die wir inzwischen klar erkannt haben, konkret aufnimmt und für ihre Behebung plädiert.
Dabei geht es einmal um die Versorgung der 1,2 Millionen ausländischen Arbeitnehmerkinder. Zweitens geht es darum, in den bevölkerungsarmen Räumen ein wohnortnahes Angebot aufrechtzuerhalten. Das verlangt eine verstärkte Bereitstellung von Lehrern; auch dazu gibt es Vorschläge.
Es ist drittens zu besorgen, daß die Stabilisierung des Systems der beruflichen Ausbildung, des dualen Systems, an dem wir alle festhalten wollen, darunter leiden könnte, daß die Berufsschulen als der schulische Teil nicht so ausgebaut werden, wie das erforderlich wäre, und daß die Wirtschaft das Gefühl hat, daß ihre Verpflichtung nicht so groß ist, wie es nach diesem Plan tatsächlich geboten wäre.
Schließlich ist, was die Hochschulen angeht, zu besorgen, daß die Maßnahmen zur Bewältigung der
Überlast - infolge der noch ansteigenden Studentenzahlen der nächsten Jahrgänge - nicht rechtzeitig getroffen werden, so daß Lehre und Forschung und damit auch der Standard unserer Hochschulen empfindlich leiden könnten.
All das wären Folgen - neben vielen anderen, die ich bereits genannt habe -, die eintreten müßten, wenn dieser Plan nicht recht bald verabschiedet wird.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Abgeordneter Herkenrath.
Herr Staatssekretär, ich darf noch einmal nach den partikularistischen Interessen fragen: Glauben Sie ernsthaft, daß beispielsweise Meinungsunterschiede, die es im Zusammenhang mit dem Stichwort Gesamtschule gibt, unter partikularistische Interessen fallen, oder sehen Sie nicht konzeptionelle Unterschiede, die da vorliegen?
Selbstverständlich, Herr Abgeordneter. Aber wir haben in den letzten zehn Jahren j a auch gelernt, auch aus eigenen Fehlern.
Beim Bildungsgesamtplan von 1973 hat man den Versuch gemacht, die Unterschiede zur Schulstruktur durch Mehrheitsentscheidungen zu erledigen. Das hat keineswegs verhindern können, daß sich die Bildungsstrukturen im Bundesgebiet unterschiedlich entwickeln; denn die Parlamente und die Parteien haben unterschiedliche Auffassungen über die richtige Schulstruktur.
Die jetzt von uns verfolgte und von den meisten Vernünftigen in diesem Lande auch gebilligte Konzeption besteht in folgendem. Wenn unterschiedliche Auffassungen etwa zur Gesamtschule oder zum gegliederten Schulsystem herrschen, sollen beide Systeme nebeneinander bestehen und die Eltern die Wahl haben, wohin sie ihre Kinder schicken wollen. Das ist aber nur in einem Klima der Toleranz und in einem Bundesstaat möglich, in dem die Bundesländer die Abschlüsse dieser unterschiedlichen Schulstrukturen gegenseitig anerkennen. Wenn das nicht geschieht, wird das auftreten, was ich Partikularismus nenne und was ja jetzt schon zu beobachten ist: das einzelne Länder Abiturienten bzw. Schüler aus anderen Ländern an ihren Universitäten nicht aufnehmen, nur weil z. B. in einem Kurs ein halbes Jahr fehlt oder weil ein bestimmtes Fach nicht bis zur Klasse 13 durchgezogen worden ist. Ein aus meiner Sicht unerträglicher Zustand.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Abgeordneter Schätz.
Herr Staatssekretär, worin liegen die wesentlichen Unterschiede zum Bildungsgesamtplan 1973?
Der Bildungsgesamtplan von 1973 war, wenn Sie so wollen, das Ergebnis einer gewissen Aufbruchstimmung. Er war sehr stark beschränkt auf quantitative Ausbauziele. Das war auch angemessen, weil in den letzten zehn Jah4178
ren erhebliche quantitative Probleme im Schulbereich und im Hochschulbereich zu bewältigen waren. Der Mangel des ersten Bildungsgesamtplans war der Verzicht auf die Auseinandersetzung mit
wichtigen inhaltlichen Fragen und, wie ich ganz offen sagen möchte, auch der Verzicht auf Pädagogik im eigentlichen Sinne.
Dieser Mangel ist im zweiten Bildungsgesamtplan ganz bewußt behoben worden, der sehr stark auf die pädagogischen Aufgaben und Ziele der Schule eingeht. Er beschäftigt sich intensiv mit der sozialen und psychologischen Lage der Studenten in einer Massenuniversität. Er beschäftigt sich mit der schwierigen Lage der Ausländerkinder und ihrer Familien. Er beschäftigt sich ferner mit den besonderen Problemen des dualen Systems der Berufsausbildung usw. Das heißt, dieser zweite Bildungsgesamtplan ist differenzierter, damit realitätsnäher, und er verarbeitet, wie ich bereits eingangs sagte, die Erfahrungen von zehn Jahren Bildungspolitik und Bildungsreform, auch die Erfahrungen mit Fehlern, die sicher allerorts gemacht worden sind.
Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Collet auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß es eine nicht geringe Anzahl junger Lehrerinnen aller Schularten gibt, die sich als junge Mütter für drei bis sechs Jahre beurlauben ließen, wenn sie die Zusage bekämen, daß sie nach Ablauf der Beurlaubung an ihrer Schule oder, wenn dies nicht ginge, in ihrer Stadt oder, wenn auch dies nicht möglich wäre, in zumutbarer Entfernung vom Familienwohnort wieder eine Lehrerinnenstelle bekommen, und ist die Bundesregierung unter diesen Umständen bereit, in der Kultusministerkonferenz darauf hinzuwirken, daß die Bundesländer solche Regelungen einführen, um auf diese Weise wenigstens einem Teil der arbeitslosen Junglehrerinnen und Junglehrer eine Lehrerstelle anbieten zu können, zumal sich dies wegen fest vereinbarter Beurlaubungszeiträume organisatorisch einplanen läßt?
Herr Abgeordneter, der Bundesregierung ist durch Rückfrage bei zwei Ländern bekannt, daß junge Lehrerinnen mit kleinen Kindern in erheblichem Maße von den Möglichkeiten des Beamtenrechts Gebrauch machen, sich für mehrere Jahre beurlauben zu lassen, um ihre Kinder betreuen zu können. Eine Auskunft des Landes Nordrhein-Westfalen ergab, daß 1981 auf Grund der entsprechenden Bestimmung des Landesbeamtengesetzes 5 800 weibliche Lehrkräfte beurlaubt worden sind.
Aus demselben Land - damit komme ich auf den Kern Ihrer Frage - wurde mitgeteilt, daß die zur Betreuung ihrer Kinder beurlaubten Lehrerinnen grundsätzlich auf einer Leerstelle geführt werden, wodurch ihr Rechtsanspruch auf Wiederverwendung gesichert ist. Das Land Nordrhein-Westfalen ist bei der Rückkehr in den Schuldienst bestrebt, im Rahmen der Möglichkeiten dieselbe Schule, der die Lehrerin vor der Beurlaubung angehörte, oder eine andere Schule am Wohnort, zumindest aber eine Schule in zumutbarer Entfernung vom Wohnort auszuwählen. Diese Beurlaubungspraxis des Landes Nordrhein-Westfalen hat nach Auskunft des dortigen Kultusministeriums bisher nicht zu nennenswerten Schwierigkeiten geführt.
In Rheinland-Pfalz liegt nach einer Auskunft des Kultusministeriums ebenfalls eine relativ hohe Zahl
von Beurlaubungen dieser Art vor, nämlich etwa 1 500, davon 796 bei Grund- und Hauptschullehrerinnen.
Unabhängig davon, daß es sich um landesrechtliche Regelungen handelt, auf die der Bund nicht direkt einwirken kann, wäre es sicher möglich, in vielen Fällen arbeitslosen jungen Lehrerinnen oder Lehrern für die Zeit der Beurlaubung Beschäftigungsmöglichkeiten zu gewähren. Wie sich aber insoweit die Praxis im einzelnen darstellt, Herr Abgeordneter, müßten wir durch eine Befragung bei der Kultusministerkonferenz feststellen. Falls Sie das wünschen, sind wir dazu gern bereit. Die Antwort würde aber erfahrungsgemäß eine gewisse Zeit auf sich warten lassen.
Zu einer Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Collet.
Herr Staatssekretär, die nicht unbedeutenden Zahlen, die Sie genannt haben, lassen für mich nicht erkennen, ob grundsätzlich die Zusicherung gegeben wird, an derselben Schule oder zumindest an einer Schule im gleichen Wohnbereich wieder eine Stelle zu bekommen. Ich darf Sie fragen, ob Sie wissen, daß beispielsweise in Rheinland-Pfalz lediglich eine Stelle an Realschulen und Gymnasien angeboten wird, ohne daß gesagt wird, wo diese Stelle ist.
Das ist mir bekannt, Herr Abgeordneter. Auch das Land Nordrhein-Westfalen bietet nicht mit bindender Wirkung eine Stelle an derselben Schule an. Aber wie ich berichtet habe, ist das Land in seiner Praxis - und diese ist ja maßgeblich - mit Erfolg bemüht, den jungen Lehrerinnen, wenn sie nach der Zeit der Beurlaubung zurückkehren, eine zumutbare Stelle zuzuweisen, d. h. an derselben Schule, an der Schule im selben Wohnort oder in zumutbarer Nähe.
Wenn das Land Rheinland-Pfalz diese Praxis nicht in diesem Umfang für möglich hält oder ermöglichen kann, hat das Gründe, denen ich vom Bundesministerium aus nicht nachgehen kann, Herr Abgeordneter.
Zu Ihrer zweiten Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Collet.
Sind Sie nicht auch der Meinung, Herr Staatssekretär, daß die nicht unbedeutenden Zahlen, die Sie genannt haben, noch wesentlich höher lägen, wenn dieses Angebot so lautete, daß nicht nur eine Stelle zugesagt wird, sondern daß eine solche Lehrerstelle im selben Wohnbereich oder in zumutbarer Entfernung angeboten wird?
Angesichts der relativ geringen Mobilität unserer Lehrer, angesichts der Schwierigkeiten, mit kleinen Kindern umzuziehen, und angesichts der Tatsache, daß diese Lehrerinnen in der Regel verheiratet sind und der Mann am Ort der Betreuung des Kindes wohnt, bin ich ziemlich sicher, daß von dieser Möglichkeit in einem breiteren Umfang Gebrauch gemacht würde, als es bisher der Fall ist, wenn solche Inaussichtstellungen
- so möchte ich es einmal bezeichnen - gemacht würden. Ich darf vielleicht dazu sagen, daß die Kultusministerkonferenz in den nächsten Monaten Probleme der Lehrerarbeitslosigkeit in einem etwas breiteren Rahmen diskutieren möchte. Ich könnte mir vorstellen, daß diese Frage dabei eingebracht werden kann und eingebracht werden sollte.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Frau Abgeordnete Weyel.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, ob es auch Sicherheiten für diejenigen jungen Lehrerinnen gibt, die einen zeitlich befristeten Arbeitsvertrag haben, und wie beurteilt die Bundesregierung, falls das nicht so ist, die Auswirkungen im Bereich der Familienpolitik auf diese Gruppe von jungen Frauen, die sich in einem Alter von etwa 25 bis 30 Jahren befindet?
Frau Abgeordnete, die Frage ist mir neu. Ich bin auch nicht in einem Landeskultusministerium tätig. Aber ich glaube, man kann dazu folgendes sagen. Die Regelungen, die ich beschrieben habe, beziehen sich auf Beamtinnen. Da gibt es ganz klare beamtenrechtliche Vorschriften, von denen Gebrauch gemacht wird. Sie stellen offenbar auf Angestelltenverhältnisse ab, nämlich auf Verträge. Und aus dem allgemeinen Vertragsrecht dürfte sich ergeben, daß die Möglichkeiten dort nicht so günstig sind wie nach dem Beamtenrecht. Es werden keine Leerstellen vorgehalten. Es wird ja auch ein Vertrag aufgelöst und nicht ein Beamtenverhältnis suspendiert. Das sind doch, glaube ich, gewichtige Unterschiede. Persönlich würde ich es für sehr gut halten, wenn man angestellten Lehrerinnen bei vergleichbaren Verhältnissen ähnliche Vergünstigungen gewähren könnte, aber ich glaube, die Rechtslage ist da doch schwer vergleichbar.
Ich gehe über zum Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Hierzu liegt nur die Frage 5 des Abgeordneten Clemens vor. Der Fragesteller hat um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich komme zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Das Haus ist durch seinen Parlamentarischen Staatssekretär Gallus vertreten. Die Fragen 6 und 7 des Abgeordneten Wimmer werden auf Antrag des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Anworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 8 des Abgeordneten Dr. von Geldern auf:
Trifft nach Einschätzung der Bundesregierung die Darstellung der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 27. November 1981 unter der Überschrift „Auch bloße Fäuste werden als Argument geboten" über die letzte FAO-Konferenz, tendenziell zu, wonach sich die Stimmung der Konferenz grundsätzlich geändert hat und in der Beitragsfrage von einem Delegierten sogar eine tätliche Auseinandersetzung angeboten wurde, und wie bewertet die Bundesregierung selbst den Konferenzverlauf?
Herr Kollege von Geldern, von dem angeblichen Vorfall ist mir nichts bekannt. Die FAO-Konferenz, an der 146 Länder, vertreten u. a. durch 100 Minister und Vizeminister, teilgenommen haben, verlief sachlich und insgesamt ohne Konfrontation. Die deutliche Position der Industrieländer in Haushaltsfragen machte auf die Entwicklungsländer und das FAO-Sekretariat Eindruck, ohne das Konferenzklima zu verschlechtern. Im Gegensatz zu früher gab es kaum politische Streitfragen. Politische Probleme wie Namibia, Südafrika, FAO-Regionalbüro für den Nahen Osten usw., Gegensätze Vietnams und Nicaraguas zu den USA und ähnliches wurden nur begrenzt angesprochen. Die Konferenz wurde vielmehr mit gründlicher Erörterung der Lage der Weltlandwirtschaft und Welternährung sowie anderer agrarpolitischer Themen und der Diskussion der Weltagrarentwicklungsstrategie ihrem Anspruch als Weltagrarforum weitgehend gerecht.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. von Geldern.
Herr Staatssekretär, könnte es sein, daß Ihre Antwort hinsichtlich der Beurteilung des Konferenzverlaufs deshalb im Widerspruch zu dem zitierten Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" steht, weil der Kurs der Bundesregierung, wie eine Reihe von Zeitungen immer wieder geschrieben hat, ein „Kurs der Leisetreterei" ist - „Frankfurter Allgemeine" - oder nach der Devise verläuft: „Nur nicht unangenehm auffallen" - ebenfalls „Frankfurter Allgemeine" -, eine „undurchsichtige Haltung der deutschen Seite" zeigt - „Neue Zürcher Zeitung" -, „insgesamt ein ängstlicher Kurs" sei - „Hannoversche Allgemeine Zeitung" -, daß also die Bundesregierung den Konferenzverlauf, wie Sie ihn gerade geschildert haben, deshalb positiv beurteilt, weil sie eine kritische Auseinandersetzung mit der FAO scheut?
Herr Kollege von Geldern, ich muß die Zitate, die Sie aus verschiedenen Zeitungen gebracht haben, für die Bundesregierung zurückweisen, weil das nicht den Tatsachen entspricht. Wie Sie höchstwahrscheinlich wissen, haben wir dem Haushalt nicht zugestimmt. Wir haben auch deutlich gemacht, in welchen Bereichen nach unserer Auffassung zusätzlich Änderungen vollzogen werden müßten, nämlich insbesondere beim Verhältnis der Verwaltungsaufwendungen zu den Programmtätigkeiten und bei der Prüfung des Gesamthaushaltes. Diese Linie wird von uns auch in der Zukunft systematisch verfolgt.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. von Geldern.
Herr Parlamentari- scher Staatssekretär, in dem schriftlichen Bericht der Bundesregierung ist auch der Satz enthalten: „Der Kampf gegen den Hunger wird nicht einfach durch steigende Verwaltungsausgaben gewonnen." - Wenn dieser kritische Satz richtig ist, könnte man zugespitzt vielleicht sogar sagen, daß der Kampf ge4180
gen den Hunger durch unnötig steigende Verwaltungsausgaben verloren werden kann. Ich frage Sie, ob auf dieser Konferenz nicht eine sachliche Konfrontation, von der Sie sagen, sie sei nicht vorgekommen, aus der Sicht der Bundesregierung geradezu notwendig gewesen wäre.
Herr Kollege, der Grund, weshalb wir es relativ schwer haben, mit unseren Auffassungen durchzudringen, liegt darin, daß in diesem Gremium jedes Land - es gibt 152 Mitglieder - eine Stimme hat, gleichgültig, welche finanziellen Leistungen es erbringt. Aber welche Spannungen sich in bezug auf den Haushalt ergeben haben, mögen Sie daran erkennen, daß mit den fünf Nein-Stimmen und neun Enthaltungen rund 64 % des Volumens der Geldleistungen nicht der Auffassung waren, daß der Haushaltsvorschlag so richtig sei. Aber die Entwicklungsländer sind anderer Auffassung gewesen.
Ich rufe die Frage 9 des Abgeordneten Dr. von Geldern auf:
Was hat die Bundesregierung bisher unternommen, um auf mehr Effizienz und weniger Bürokratie in der FAO zu drängen?
Herr Kollege, die Deutsche Delegation hat versucht, darauf hinzuwirken, eine bessere interne und mehr unabhängige externe Evaluierung sowie eine Verminderung der Verwaltungstätigkeit zugunsten produktionsorientierter Programme der FAO zu erreichen. Für die Forderung nach mehr externer Evaluierung, die auch von anderen Industrieländern vertreten wurde, fand sich jedoch keine Konferenzmehrheit.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. von Geldern.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ich zitiere eine andere Pressestimme. Das „Handelsblatt" weist auf den Widerspruch hin zwischen der Tatsache, daß die Bundesregierung die von Ihnen eben geschilderten Bedenken beobachtet, einerseits und der Tatsache, daß der verantwortliche Generaldirektor der FAO, Saouma, mit der Stimme der Bundesregierung wiedergewählt worden ist, andererseits. Können Sie diesen Widerspruch erklären?
Herr Kollege, die Abstimmung war geheim. Es hat eine Gegenstimme und drei Enthaltungen gegeben.
({0})
Noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, dann möchte ich Sie im Blick auf die Zukunft fragen, was die Bundesregierung zu tun gedenkt, um die weitere Personalaufblähung der FAO - Worte wie „mißbräuchliche Postenbesetzung", „Korruptionsgefahr" sind Zitate aus deutschen Zeitungen und Zeit-schiften, auch aus schweizerischen Zeitungen und Zeitschriften - und viele andere Mißstimmigkeiten
und Mängel bei der FAO künftig zu beseitigen? Oder
gedenkt die Bundesregierung hier zu kapitulieren?
Herr Kollege, wir nehmen all diese Kritik, ob in der Presse oder von seiten des Parlaments, sehr ernst und tun alles in unseren Kräften Stehende, um echten Mißständen abzuhelfen. Das geschieht in dem Maße unseres Einflusses bei der FAO, und zwar auch im Zusammenwirken mit den uns befreundeten Staaten.
Herr Abgeordneter Funk zu einer weiteren Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär Gallus, Sie kommen aus einem Land, wo es heißt: Wer zahlt, schafft an. In diesem Fall haben Sie als Regierungsmitglied die Aufgabe, eine Organisation, zu der wir Beiträge bezahlen, besser zu überprüfen. In der „FAZ" steht, daß die FAO 10 000 Mitarbeiter hat, und im Haushaltsausschuß des Bundestages ist bekanntgeworden, daß diese FAO einen Krankenstand hat, der um 20 % höher als bei den übrigen UNO-Organisationen liegt. Wie erklären Sie es sich, daß dieser Krankenstand so abnorm hoch ist? Es werden Gründe dafür angeführt, daß dieser Krankenstand so hoch ist, und diese Gründe hätten wir gern von Ihnen gehört. Wir hätten auch gern von Ihnen gehört, was Sie dagegen tun wollen, daß diese Behörde mit so großen Fehlzeiten belastet ist.
Herr Kollege, die FAO hat 6 900 Mitarbeiter. Ihre Zahlen zum Gesundheitszustand kann ich Ihnen jetzt nicht bestätigen. Ich will aber Ihr Ersuchen gern zum Anlaß nehmen, bei der FAO hinsichtlich Ihres Anliegens schriftlich um Auskunft zu bitten. Sobald ich eine Antwort habe, werde ich Ihnen das zuleiten.
Ich rufe die Frage 10 des Abgeordneten Freiherr von Schorlemer auf:
Ist die Bundesregierung in der Lage, den Widerspruch zwischen der Berechnung des Bundesfinanzministeriums aufzulösen, wonach der Haushalt der FAO für 1982/83 einen realen Zuwachs von 8 v. H. aufweist und der Angabe der FAO, wonach die Zuwachsrate 5,8 v. H. beträgt?
Herr Kollege, die von der FAO angegebene reale Zuwachsrate des Haushalts von 5,8 % umfaßt Programmerweiterungen, errechnet nach dem Preis- und Kostenstand des Budgets 1980/81. Zusätzlich sind jedoch Kostensteigerungen für 1982/83 veranschlagt. Rechnet man diese Kostensteigerungen hinzu, ergibt sich eine Zuwachsrate von 8 %.
Im übrigen handelt es sich bei den Angaben der FAO um saldierte Nettowerte, d. h. Programmzuwachs minus Programmkürzungen. Eine Bruttokalkulation würde sogar eine Steigerung von 8,5 % ergeben.
Zu einer Zusatzfrage Abgeordneter Freiherr von Schorlemer.
Herr Staatssekretär, vielleicht können Sie mir zur Klarstellung die Frage beantworten, wie hoch bei der FAO der
Anteil der Personalkosten und der Sachkosten im Verhältnis zu den Mitteln zur Sicherung der Welternährung am gesamten FAO-Haushalt ist.
Herr Kollege, etwas mehr als die Hälfte sind Personalkosten, und das andere sind Sach-, Programm- und Verwaltungskosten. Das ist die Realität. Die genauen Zahlen müßte ich Ihnen ebenfalls schriftlich mitteilen.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Abgeordneter Freiherr von Schorlemer.
Herr Staatssekretär, würden Sie es für glücklich halten, wenn das Landwirtschaftsministerium eine ähnliche Praxis hätte, nämlich rund die Hälfte des Haushalts nur für Verwaltungskosten ausgeben würde?
Herr Kollege, das würde ich keineswegs für glücklich halten. Man muß dabei aber den Unterschied zwischen einem Landwirtschaftsministerium und der Dienstleistungsaufgabe dieser internationalen Organisation sehen, die trotz aller Kritik seit Ihrer Gründung im Jahre 1945 über lange Jahre in der ganzen Welt segensreich gewirkt hat.
Ich rufe die Frage 11 des Abgeordneten Freiherr von Schorlemer auf:
Welche Konsequenzen wird die Bundesregierung aus dem Auseinanderfallen der sog. Genfer Gruppe der Hauptgeberländer auf der FAO-Konferenz für sich ziehen?
Herr Kollege, die Bundesregierung wird das Verhalten der GG-Mitgliedstaaten auf der 21. FAO-Konferenz bei der nächsten Sitzung dieser Gruppe auf Konsultationsebene in Genf mit dem Ziel zur Sprache bringen, bessere Möglichkeiten zum gemeinsamen Vorgehen zu suchen. So bedauerlich das unterschiedliche Abstimmungsverhalten von GG-Mitgliedern bei der Abstimmung zum FAO-Haushalt 1982/83 ist, so positiv ist es zu bewerten, daß sich die meisten Mitglieder auf eine gemeinsame Erklärung zur Stimmabgabe einigten. Sie unterstrichen damit die eingenommene harte Position und setzten für die Zukunft ein deutliches Signal für verstärkte Prioritäten und begrenztes Haushaltswachstum. Die Bundesregierung wird diesen Ansatzpunkt nutzen und sich für einen frühzeitigen Dialog über FAO-Haushaltsfragen zwischen den GG-Mitgliedern, dem FAO-Generaldirektor und Entwicklungsländern in Rom einsetzen.
Zu einer Zusatzfrage Abgeordneter Freiherr von Schorlemer.
Herr Staatssekretär, wird dieses Auseinanderfallen der sogenannten Genfer Gruppe nicht auch dadurch deutlich, daß die Bundesrepublik Deutschland in keinem der FAO-Ausschüsse als Vollmitglied vertreten ist, ja sogar noch in der Stichwahl gegen Griechenland bei der Besetzung des Finanzausschusses unterlegen ist und nur noch in den Ausschüssen mitwirken
kann, wo jeder Mitgliedstaat sowieso schon entsprechend vertreten ist?
Herr Kollege, im Rat sind wir vertreten. Wir waren früher Mitglied im Finanzausschuß. Die Entwicklungsländer, die die Mehrheit der Stimmen haben, waren wohl der Auffassung, daß sie mit dem Mann ihrer Wahl besser zurechtkommen könnten. Deshalb sind wir hier nicht zum Zuge gekommen. Das ist das Ergebnis einer legitimen demokratischen Wahl gewesen.
Zu Ihrer zweiten Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Freiherr von Schorlemer.
Herr Staatssekretär, ist es nicht so, daß in diesen besonderen Ausschüssen wie Finanzausschuß, Programmausschuß und Satzungs- und Rechtsausschuß eine besondere Kontrolle der Verwaltung der FAO durchgeführt werden kann, weil dort und nur dort die internen Unterlagen vorgelegt werden, und ist es jetzt nicht so, daß die Bundesregierung nicht mehr über diese internen Unterlagen verfügen kann?
Herr Kollege, wir werden in engstem Kontakt mit den Vertretern uns befreundeter Staaten in den Ausschüssen bleiben, um über sie entsprechend Einfluß zu nehmen.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Eigen.
Herr Staatssekretär, könnte sich die Bundesregierung vorstellen, daß sie im Rahmen ihrer Tätigkeit in der UNO dafür sorgte, daß die Organisation der UNO in ihrem Finanzgebaren so überprüft werden könnte, daß man den Geberländern, insbesondere auch der Bundesrepublik Deutschland - sie trägt bei der FAO über 10 % -, die Zahlung solcher Summen zumuten kann und daß diese Überprüfungen auch für Parlamentarier glaubhaft sind?
Herr Kollege, das ist in der Tat eine generelle Frage der gesamten Organisation der Vereinten Nationen. Wir werden alles tun, um auf dem Weg einer besseren Überprüfung weiterzukommen.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. von Geldern.
Herr Staatssekretär, hat der „Spiegel" recht, wenn er schreibt, daß nicht nur der hohe Krankenstand bei der FAO verwunderlich sei, sondern es dort unter den Mitarbeitern auch ein großes Alkoholproblem gebe und nicht nur die Hälfte, sondern zwei Drittel der Gelder, die insbesondere aus unserem Land kommen, im Verwaltungsaufwand versickern und nicht an die Armen in der Welt gelangen?
Herr Kollege, ich kann das nicht bestätigen. Ich habe vor wenigen Minuten gesagt, daß wir, soweit die Kritik berechtigt ist, den Sachen nachgehen werden. Es hat aber so
den Anschein, als ob auch sehr subjektive Kritik hier Platz greift und damit die Organisation als solche in bezug auf die Lösung ihrer Aufgabe, den Armen in der Welt Hilfestellung zu leisten, Schaden nimmt.
Ich rufe die Fragen 12 und 13 des Herrn Abgeordneten Dr. Meyer zu Bentrup auf. - Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Wir verfahren entsprechend der Geschäftsordnung.
Ich rufe die Frage 14 des Herrn Abgeordneten Funk auf:
Trifft es zu, daß sich Vertreter des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in der deutschen Delegation unter Umgehung der Kompetenzen auch zu entwicklungspolitischen Fragen äußerten, obwohl das Bundesministerium für wirtschaftliche Zuammenarbeit in der Delegation ebenfalls vertreten war?
Herr Kollege Funk, die Erklärungen der deutschen Delegation, der Beamte des Außenministeriums, des BMF, des BMZ und des BML angehörten, sowie die jeweiligen Sprecher wurden auf den täglichen Delegationsbesprechungen festgelegt. Die deutschen Sprecher traten als Vertreter der Bundesregierung und nicht als Ressortvertreter auf.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Funk.
Gestatten Sie die Nachfrage, Herr Staatssekretär, weshalb Sie dann nicht vorher koordiniert haben? Es ist doch bekanntgeworden, daß die Aussagen der Delegation nicht einheitlich waren.
Herr Kollege, ich kann Ihnen hier nur nochmals bestätigen, daß koordiniert worden ist.
({0})
Herr Kollege, wollen Sie noch eine Zusatzfrage stellen?
Ja. - Ich wundere mich und auch meine Kollegen wundern sich, weshalb man nicht vor einer Konferenz festlegt, was man tun will. Worauf führen Sie zurück, daß der Bericht, obwohl man doch schon mit einem unbehaglichen Gefühl dort hingereist ist - und es ist auch bekanntgeworden, daß die Deutschen eine relativ kritische Linie gefahren haben -, nicht so rechtzeitig dort eingetroffen ist, daß er noch hätte eingebracht und vorgetragen werden können? Es hat doch keinen Sinn, einen Bericht zu erstellen, der dann nicht vorgetragen wird.
Herr Kollege, ich kann nur immer wieder wiederholen, daß das nicht stimmt, was hier kolportiert wird; es ist koordiniert worden.
({0})
Der Kollege Funk hat eine weitere Frage gestellt, die Frage 15. Ich rufe sie auf:
Ist die Klage der Frankfurter Allgemeinen Zeitung begründet, wonach die deutsche Delegationsleitung „wider besseren Wissens Halbwahrheiten als Information ausgeteilt und Kontakte einzelner Delegationsmitglieder zu Journalisten, von denen eine distanziertere Berichterstattung zu erwarten war, auf ungehörige Art unterbunden hat"?
Herr Kollege, der in der genannten Zeitung erhobene Vorwurf ist ungerechtfertigt. Der deutsche Delegationsleiter hatte während der Konferenz zu Pressevertretern Kontakt und hat zum Abschluß der Konferenz mit Vertretern der deutschsprachigen Presse ein eineinhalbstündiges Pressegespräch geführt. Dieses wurde von den Anwesenden, zu denen auch zwei FAZ-Vertreter gehörten, ausdrücklich begrüßt. Beschwerden wurden dabei nicht laut.
Herr Abgeordneter Funk, Sie wollen eine Zusatzfrage stellen. Bitte schön.
Haben Sie das genauso überprüft, Herr Staatssekretär, wie die anderen Ankündigungen, die Sie uns jetzt gemacht haben?
({0})
Herr Kollege, Sie werden doch nicht glauben, daß ich das, was ich jetzt eben gesagt habe, widerrufe.
({0})
Das, was ich hier gesagt habe, ist die tatsächliche Lage, wie sie sich dort ergeben hat. Ich kann nicht bestreiten, daß einige Pressevertreter vielleicht subjektiv anderer Meinung gewesen sind. Das ist aber das Wesen der Presse.
({1})
Wollen Sie noch eine Frage stellen, Herr Abgeordneter? - Bitte schön.
Da gebe ich Ihnen recht. Aber das Wesen einer Delegation sollte es sein, sich anders als die Presse zu verhalten. Das wäre wichtig.
({0})
Ich hoffe, daß der Herr Staatssekretär die Frage herausgehört hat.
({0})
Herr Präsident, ich habe keine Frage herausgehört.
({0})
Herr Abgeordneter Dr.Ing. Kansy zu einer weiteren Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, könnte der Umstand, daß sich die Pressevertreter bei Ihrem Pressegespräch nicht beklagt haben, vielDr.-Ing. Kansy
leicht daran liegen, daß sie erst, als sie draußen vor der Tür waren, gemerkt haben, daß sie nicht Wahrheiten, sondern Halbwahrheiten gehört haben?
Herr Kollege, ich muß die Äußerung zurückweisen, daß der Delegationsleiter hier mit Halbwahrheiten operiert hat. Ich stelle aber anheim, inwieweit das, was in einer Pressekonferenz gesagt wird, subjektiv vom einzelnen Pressevertreter - ich muß es noch einmal sagen - aufgenommen und ausgelegt wird.
Herr Abgeordneter Dr. von Geldern, Sie haben das Wort zu einer weiteren Zusatzfrage.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, da Sie die Informationspolitik der deutschen Delegation trotz einer einhellig kritischen Haltung in der deutschen Presse dazu so herausstellen, frage ich Sie, wie Sie es beurteilen, daß die 85köpfige Informationsabteilung der FAO auf eine Anfrage des „Spiegels" geantwortet hat, sie könne nicht beantwortet werden, man sei zu sehr beschäftigt.
Herr Kollege, der Grad der Beschäftigung ist sehr relativ.
({0})
Er bezieht sich darauf, wieviel Arbeit anfällt und wie viele Menschen zur Verfügung stehen. Es kann durchaus sein, daß dort so viel Arbeit ist, daß 85 zuwenig sind, um mit der Arbeit nachzukommen.
({1})
Ich rufe die Frage 16 des Abgeordneten Herkenrath auf:
Trifft es zu, daß die Probleme, die die deutsche Delegation bei der letzten FAO-Konferenz mit sich selbst hatte, anderen Konferenzteilnehmern nicht verborgen geblieben sind, und was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um einen daraus möglicherweise erwachsenen Schaden abzuwenden?
Herr Kollege, die deutsche Delegation hat ihre Stellungnahme auf der Basis vorangegangener Ressortabstimmung in Delegationsbesprechungen wie üblich überarbeitet und nach außen wirksam vertreten. Ihre Erklärungen sind von anderen Konferenzteilnehmern beachtet und u. a. durch Bezugnahme auf diese gewürdigt worden. Die deutsche Haltung ist, soweit im Rahmen solcher internationaler Konferenzen möglich, in den Konferenzbericht eingeflossen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Herkenrath.
Herr Staatssekretär, ich habe also richtig gehört: Ihre Antwort auf meine Frage heißt nein. Begrüßen Sie denn die Bemühungen der Opposition, Ihnen dabei behilflich zu sein, der Öffentlichkeit einmal die wahren Sachverhalte zu schildern, nachdem das in der Presse offenbar immer so einseitig und falsch dargestellt worden ist?
Herr Kollege, eine gute Opposition ist in einem demokratischen Staat etwas wert.
({0})
Herr Abgeordneter Herkenrath zu einer weiteren Zusatzfrage.
Ich schließe daraus: Ihre Antwort ist ja.
Ich kann Sie nicht daran hindern, Herr Kollege, mir Fragen zu stellen.
Dies, Herr Staatssekretär, steht in der Geschäftsordnung und ist dort klar geregelt.
Sie wollten noch eine Frage stellen, Herr Abgeordneter?
Ich habe schon zwei gestellt.
Weitere Zusatzfragen? - Herr Abgeordneter Eigen.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, daß es gut wäre, wenn das federführende Haus - Ihr Ministerium - dafür sorgte, daß die negativen Aussagen in der Öffentlichkeit über die FAO so schnell wie möglich durch positive Fakten korrigiert werden, weil die UNO mit der FAO für die Entwicklung des Lebens der Menschen auf der Erde nicht nur in der Dritten und Vierten Welt, sondern auch in den Industrieländern von großer Bedeutung ist und wir es uns deswegen gar nicht leisten können, daß eine solche Organisation auf Dauer negativ beurteilt wird?
Herr Kollege, ich bin mit Ihnen der Auffassung, daß auf dem schnellsten Weg dafür gesorgt werden muß, echte Mißstände auszuräumen, soweit die Kritik berechtigt ist. Zum zweiten hat mein Minister heute morgen bei seinem Bericht in zwei Ausschüssen dieses Hohen Hauses - des Ernährungsausschusses und des Entwicklungshilfeausschusses - schon Rede und Antwort gestanden. In dieser Weise werden wir weiterhin versuchen, auch gegenüber der Öffentlichkeit die Dinge klarzustellen.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. von Geldern.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir angesichts der Tatsache, daß Sie im Verlauf dieser Fragestunde mehrfach angekündigt haben, man werde geäußerter Kritik nachgehen, nicht darin zu, daß es die Verpflichtung der Bundesregierung gewesen wäre, diesen kritischen Fragen vor der Konferenz nachzugehen - bevor Herr Generaldirektor Saouma wiedergewählt worden ist - und nicht danach?
Herr Kollege, hier müssen wir zwei Dinge auseinanderhalten: auf der einen Seite die Wahl des Herrn Generaldirektors Sa4184
ouma und auf der anderen Seite die Kritik, die wir zum Teil teilen. In bezug auf die Haushaltsfragen haben wir unserer Meinung dadurch deutlich Ausdruck gegeben, daß wir mit Nein gestimmt haben.
Ich rufe die Frage 17 des Abgeordneten Herkenrath auf:
Trifft es zu, daß die deutsche Delegation in der Endabstimmung über den Haushalt der FAO nicht von ihrem Recht Gebrauch gemacht hat, ihre abweichende Meinung zur Notwendigkeit einer unabhängigen Kontrolle zu Protokoll zu geben, warum ist dies nicht geschehen, und welche Folgerungen zieht die Bundesregierung aus diesem Versäumnis?
Herr Kollege, neun Hauptbeitragszahler, die bei der Haushaltsabstimmung mit Nein stimmten oder sich enthielten, haben insbesondere auf deutsche Initiative eine gemeinsame Erklärung zur Stimmabgabe abgegeben, in der unter anderem nochmals eine verbesserte Effizienz gefordert wurde. Sie unterstrichen damit die von ihnen eingenommene restriktive Position und setzten für die Zukunft ein weiteres deutliches Signal für verstärkte Prioritätensetzung und begrenztes Haushaltswachstum. Die Forderung nach verstärkter unabhängiger Evaluierung haben wir mehrfach mit Nachdruck in der zuständigen Kommission vertreten, so daß eine zusätzliche deutsche Erklärung bei der Endabstimmung über den Haushalt nicht mehr nötig war. Die Wirkung einzelner nationaler Erklärungen bei der Endabstimmung wäre sehr viel geringer gewesen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Herkenrath.
Herr Staatssekretär, die ganzen Fragen haben Ihnen ja gezeigt, daß wir die FAO als Einrichtung sehr wichtig nehmen und sie haben auch deutlich gemacht, daß es Probleme gibt. Dürfen wir auf Grund Ihrer Antworten davon ausgehen, daß die Steuergelder, die auch von der Bundesrepublik Deutschland nach Rom gezahlt werden, in Zukunft einer genaueren Kontrolle auf zweckentsprechende Verwendung und Effizienz des Einsatzes unterzogen werden?
Herr Kollege, Sie können davon ausgehen, daß wir alles in unserer Kraft stehende tun werden, Ihrem Petitum gerecht zu werden.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. von Geldern.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär Gallus, das Thema FAO wird heute nicht zum erstenmal in der Fragestunde behandelt. Nachdem Sie das letztemal hier auf parlamentarische Fragen geantwortet hatten, erschien in der „Welt" ein Satz, den ich zitieren möchte. Ich möchte Sie bitten, dazu Ihre Beurteilung zu geben. Der Satz lautet:
Bleibt nur die Frage, ob Parlamentarische Staatssekretäre Ihre Kollegen Abgeordneten mit nichtssagenden Antworten für dumm verkaufen sollen.
Herr Kollege, ich habe mich hier bemüht, die Antworten nach bestem Wissen und Gewissen zu geben und die Vorgänge so zu schildern, wie sie auch meine Beamten, der Delegationsleiter und mein Minister in Rom miterlebt haben.
Ich rufe die Frage 18 des Abgeordneten Eigen auf:
Welchen Erfolg hatten die Aktivitäten der Bundesregierung gegen die EG-schädlichen Einkommenssubventionen der französischen Regierung an die französische Landwirtschaft für 1979, und wie wird die Bundesregierung sich anläßlich neuerlicher noch höherer Einkommenssubventionen für 1980 verhalten?
Herr Kollege Eigen, die Bundesregierung geht davon aus, daß Sie mit Ihrer Frage die Einkommensbeihilfen meinen, die die französische Regierung Anfang 1981 ihren Landwirten für Einkommensverluste im Jahre 1980 gewährt hat. Bekanntlich hat die Kommission einen Teil der Beihilfen für vertragswidrig erklärt. Die französischen Behörden haben in dem noch nicht abgeschlossenen Beihilfeverfahren versichert, daß sie für die Zukunft nicht beabsichtigten, Beihilfemaßnahmen durchzuführen, die mit den Bestimmungen des EWG-Vertrages oder den Vorschriften des einschlägigen Marktordnungsrechts nicht zu vereinbaren sind.
Inwieweit nun, Herr Kollege, das mit dem in Einklang gebracht werden kann, was gestern auf der Jahreskonferenz der französischen Bauernverbände mit der französischen Regierung vereinbart wurde, muß erst abgewartet werden. Ich darf Ihnen das Ergebnis der Jahreskonferenz, das mir aus Paris telefonisch durchgegeben worden ist, bekanntgeben: Beschlossen wurden Hilfen im Umfang von 5,5 Milliarden FF gleich 2,2 Milliarden DM. Es handelt sich dabei um Hilfen sozialer Art mit einem Volumen von rund 1,5 Milliarden FF oder 600 Millionen DM, die als Ausgleichshilfen gewährt werden. Betriebe mit weniger als 50 000 FF Jahresumsatz sollen 3 000 FF jährlich erhalten, Betriebe mit 50 000 bis 100 000 FF Jahresumsatz 2 500 FF jährlich und Betriebe mit 100 000 bis 250 000 FF 2 000 FF jährlich. Offiziell wird von „Solidaritätsbeihilfe" gesprochen. Nach meiner Meinung trägt diese Maßnahme allerdings den Charakter eines direkten Einkommenstransfers. Darüber hinaus sollen noch Strukturbeihilfen in Höhe von rund 3 Milliarden FF gewährt werden. Dazu gehören sogenannte Liquiditätsbeihilfen, Zinsvergünstigungen und Hilfen bei Wasserschäden. Schließlich sollen auch noch Strukturhilfen in engerem Sinne mit einem Volumen von knapp 1 Milliarde FF vereinbart worden sein.
Die Bundesregierung steht auf dem Standpunkt der Kommission, die diese in ihrer Mitteilung an den Rat über „Leitlinien für die europäische Landwirtschaft" ({0}) zum Ausdruck gebracht hat. Hiernach behält sich die Kommission das Recht vor, von dem betreffenden Mitgliedstaat die Rückforderung vertragswidriger Beihilfen zu verlangen. Darüber hinaus erwägt sie, die Übernahme der im Rahmen der gemeinsamen Marktorganisationen getätigten Ausgaben eines
Mitgliedstaates zu Lasten des EAGFL abzulehnen, wenn dieser die einzelstaatliche Beihilfe unter Verletzung der Bestimmungen des einschlägigen Marktordnungsrechts gewährt hat.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Eigen.
Herr Staatssekretär, da die übrigen Subventionen schwer kontrollierbar sind und möglicherweise auch ein Pendant in anderen Ländern finden, aber die direkte Einkommensübertragung im Moment eine rein französische Angelegenheit ist: Ist die Bundesregierung mit mir der Meinung, daß die direkte Einkommensübertragung, um die es sich hier ganz offensichtlich handelt, nicht nur ein eklatanter Verstoß gegen die EG-Wettbewerbsrichtlinien ist, sondern daß damit praktisch der gemeinsame Agrarmarkt durch Frankreich empfindlich verletzt ist?
Herr Kollege, ich muß Ihnen bestätigen, daß diese schon mehrfach erfolgten direkten Zahlungen der französischen Regierung an die französische Landwirtschaft nicht mit dem Geist und dem Charakter des EWG-Vertrages entsprechen. Es kommt nun alles darauf an, wie die Kommission die neuerlichen Zahlungen bewertet. Danach werden wir uns verhalten.
Zu Ihrer zweiten Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Eigen.
Herr Staatssekretär, nun hat aber die französische Regierung ihre eigene Aussage vor der Kommission schon gebrochen, indem sie Zusagen für Einkommensübertragungen für dieses Jahr gemacht hat. Wie verhält sich denn daraufhin die Bundesregierung? Ich hoffe, Sie haben trotz der Kürze meiner Fragen verstanden, was ich meine.
Herr Kollege, die Bundesregierung hat sich schon bei den beiden ersten Malen in Ihrem Sinne bei der Kommission verwendet. Das wird sie bei dem jetzt neu aufgetretenen Fall ebenfalls erwägen. Wir müssen aber, nachdem wir zunächst einen telefonischen Bericht bekommen haben, noch abwarten, wie die ganze Geschichte im Detail aussieht. Dementsprechend werden wir dann bei der Kommission vorstellig werden.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Freiherr von Schorlemer.
Herr Staatssekretär, was haben Sie bei dem telefonischen Bericht, als Sie durch ihn erfuhren, daß die Agrarsozialausgaben für die französischen Landwirte erhöht werden, in Kenntnis der Tatsache gedacht, daß im Bundeshaushalt die Agrarsozialausgaben in der Bundesrepublik gesenkt werden?
Ich habe gedacht, daß bei uns gespart und daß in Frankreich das Haushaltsvolumen gewaltig ausgedehnt wird.
Herr Abgeordneter von Schorlemer, nach der Übung des Hauses bringen wir die Fragen stehend ein, wir nehmen aber auch die Antworten entsprechend entgegen.
({0})
Wir gehen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit über. Das Ressort wird durch den Staatssekretär Dr. Fülgraff vertreten.
Für die Fragen 19 und 20 hat der Fragesteller, der Abgeordnete Immer ({1}), schriftliche Beantwortung beantragt. Es wird so verfahren. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 21 der Abgeordneten Frau Dr. Martiny-Glotz auf:
Reicht die Anzahl der Toxikologen in der Bundesrepublik Deutschland nach Meinung der Bundesregierung aus, um die ab 1. Januar 1982 nach dem neuen Chemikaliengesetz vorgeschriebenen Prüfungen von neu auf den Markt kommenden gefährlichen Stoffen durchzuführen, und was wurde in den vergangenen Jahren im Verantwortungsbereich der Bundesregierung unternommen, um die notwendige Weiterbildung von Medizinern und anderen Naturwissenschaftlern zu Toxikologen in ausreichendem Maße sicherzustellen?
Frau Abgeordnete, die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat 1975 in ihrer Denkschrift „Toxikologie" darauf hingewiesen, daß der bei der Industrie und bei staatlichen Stellen bestehende Bedarf an Toxikologen durch die seinerzeit verfügbaren Weiterbildungsmöglichkeiten nicht gedeckt werden konnte. Die Bundesregierung hat keinen Überblick darüber, in welchem Umfang das Weiterbildungsangebot an den Universitäten seither verbessert und erweitert wurde.
Das Bundesgesundheitsamt hat 1979 in Zusammenarbeit mit der Sektion Toxikologie der Deutschen Pharmakologischen Gesellschaft ein Gutachten darüber vergeben, wie in Zusammenarbeit mit der Industrie und staatlichen Forschungseinrichtungen gegebenenfalls ein zusätzliches Weiterbildungsangebot geschaffen werden kann. Die Ergebnisse des Gutachtens sollen in den nächsten Monaten vorliegen.
Auch die Arbeitsgemeinschaft der Leitenden Medizinalbeamten der Länder bemüht sich in ihrem zuständigen Ausschuß zusammen mit der Bundesregierung, den Bedarf und die Struktur eines eventuellen Weiterbildungsganges darzustellen.
Der Verband der Chemischen Industrie hat ebenfalls in den letzten Jahren zusammen mit der Gesellschaft für Strahlen- und Umweltforschung und der Universität Tübingen Kurse eingerichtet, um Naturwissenschaftler zu Toxikologen weiterzubilden. Da die chemische Industrie in den vergangenen Jahren in zunehmendem Maße toxikologische Untersuchungskapazitäten zur Abschätzung des Risikos chemischer Stoffe aufgebaut hat und da auch Institute der Auftragsforschung Kapazität anbieten, sind Engpässe jedenfalls in der Anlaufphase des Chemikaliengesetzes nicht zu erwarten.
Zu einer Zusatzfrage Frau Abgeordnete Dr. Martiny-Glotz.
Herr Staatssekretär, kann ich dieser Antwort entnehmen, daß die Bundesregierung dem Anerbieten der chemischen Industrie, diese Prüfungen eventuell weitgehend selbst durchzuführen, etwa wohlwollend gegenübersteht?
Frau Abgeordnete, es hat nie etwas anderes zur Debatte gestanden. Die Prüfungen auf akute Toxizität, auf chronische Toxizität, auf Mutagenität, also auf Schädigungen des Erbgutes und der Nachkommenschaft, und auf die mögliche Entstehung von Krebs haben selbstverständlich vom Hersteller der Chemikalie durchgeführt zu werden. Er hat die Unterlagen über diese Prüfungen den staatlichen Stellen einzureichen, und die staatlichen Stellen prüfen dann auf der Basis dieser Unterlagen die Plausibilität und die Bonität der Prüfung, und sie prüfen gegebenenfalls im Einzelfall auch etwas nach.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Frau Abgeordnete Dr. Martiny-Glotz.
Dieser Zusammenhang ist mir klar, Herr Staatssekretär; das steht ja so im Gesetz. Aber worauf bezieht sich dann das von Ihnen in Ihrer ersten Antwort ausgeführte Anerbieten der Industrie, weiteres Know-how zur Verfügung zu stellen?
Dies muß ein Mißverständnis sein, Frau Abgeordnete. Ich habe nicht gesagt, daß die Industrie staatlichen Stellen Know-how zur Verfügung zu stellen beabsichtigt, sondern habe gesagt, daß die chemische Industrie ihrerseits zusammen mit einer Einrichtung der Großforschung, der Gesellschaft für Strahlen- und Umweltforschung, und einem Universitätsinstitut in Tübingen für ihren eigenen Bedarf - d. h. um in der Lage zu sein, die labormäßige Prüfung der Chemikalien überhaupt durchzuführen - Chemiker und andere Naturwissenschaftler zu Toxikologen weitergebildet hat.
Ich rufe die Frage 22 des Abgeordneten Kirschner auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucher, daß gesundheitsschädliche Stoffe bei kosmetischen Mitteln im Interesse der Verbraucher so lange verboten werden sollten, bis ihre Nichttoxität einwandfrei erwiesen ist, und wenn ja, warum wird dann eine neuerliche Verlängerung der Kosmetikverordnung aus dem Jahr 1977 vorgelegt?
Die Kosmetikverordnung, Herr Abgeordneter, nennt eine Reihe von chemischen Stoffen, insbesondere auch Farbstoffe, die nur bis zum 31. Dezember 1981 zur Herstellung von Kosmetika zugelassen sind. Ihre Zulassung wurde zeitlich beschränkt, weil der Nachweis ihrer gesundheitlichen Unbedenklichkeit auf Grund fehlender Langzeitversuche bisher noch nicht erbracht werden konnte. Diese Stoffe werden aber zum Teil schon seit vielen Jahren oder seit Jahrzehnten in kosmetischen Mitteln verwendet. Es liegen keine Anhaltspunkte darüber vor, daß sie unter den vorgesehenen Einschränkungen gesundheitliche Schäden hervorrufen.
Über ihre weitere Verwendung in kosmetischen Mitteln wird im nächsten Jahr auf der Ebene der Europäischen Gemeinschaften entschieden werden. Daher muß mit der 5. Verordnung zur Änderung der Kosmetikverordnung die vorläufige Zulassung dieser Stoffe um ein weiteres Jahr verlängert werden, um eine Umsetzung der zu erwartenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen zu ermöglichen. Der Verzicht auf eine solche Verlängerung würde gesundheitspolitisch unerwünschte Auswirkungen haben, z. B. ein Verbot aller fluoridhaltigen Zahnpasten, denen eine karieshemmende Wirkung zugesprochen wird. Die Bundesregierung teilt daher die Auffassung der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucher nicht, daß diese Stoffe nun im Vorgriff auf Regelungen der Europäischen Gemeinschaften verboten werden sollten.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Kirschner.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß von der geplanten Verlängerung der Kosmetikverordnung zum Teil auch solche chemischen Stoffe betroffen sind - ich darf hier aus der „Verbraucherpolitischen Korrespondenz" der AgV zitieren -,
die nur mit Einschränkungen und z. T. mit Warnhinweisen verwendet werden dürfen, wie beispielsweise Quecksilberverbindungen und 8Quinolinol und sein Sulfat, das nicht nach Sonnenbädern und in Babypuder verwendet werden darf.
In der Tat, Herr Abgeordneter, trifft es zu, daß unter den Stoffen, deren Zulassung jetzt um ein Jahr verlängert werden soll, solche sind, deren Anwendung unter Einschränkungen oder unter Beachtung besonderer Auflagen empfohlen wird. Es trifft auch zu, daß unter den auf dem Markt befindlichen Kosmetika, die nicht Stoffe enthalten, deren Zulassung jetzt verlängert werden soll, sondern die unter normalen Bedingungen auf dem Markt sind, solche Produkte sind, für die bestimmte Warnhinweise oder Einschränkungen - sei es für einzelne Personengruppen, bei denen eine Allergisierungsgefahr besteht, sei es für bestimmte Anlässe, z. B. Sonnenbäder - bestehen.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Kirschner.
Herr Staatssekretär, wann ist mit dem Abschluß der von Ihnen genannten wissenschaftlichen Untersuchungen zur gesundheitlichen Unbedenklichkeit konkret zu rechnen?
Wir hoffen, daß mit einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung - das ist nicht ganz der Kern Ihrer Frage - für die Zulassung der Stoffe, deren Zulassung wir in der Bundesrepublik jetzt um ein Jahr verlängern wollen, in der ersten Hälfte 1982 gerechnet werden kann, so daß dann eine endgültige rechtliche Regelung für diese Stoffe in der Bundesrepublik möglich ist. Das würde
bedeuten, daß die Beurteilung bei einem Teil der Stoffe zu dem Ergebnis kommt, daß die Untersuchungen ausreichend sind, um sie endgültig zuzulassen. Es wird sicherlich einen weiteren Teil von Stoffen geben, bei denen man zu dem Ergebnis kommt, daß die Untersuchungen für eine endgültige Zulassung auch jetzt noch nicht ausreichen.
Ich rufe die Frage 23 des Abgeordneter Kirschner auf:
Ist die Bundesregierung bereit, dafür Sorge zu tragen, daß auf den Kosmetika deutlich aufgedruckt wird, um welche chemischen Substanzen es sich handelt und welche gesundheitlichen Risiken damit eventuell verbunden sind?
Herr Abgeordneter, bei kosmetischen Mitteln müssen bereits eine Reihe von Inhaltsstoffen gut leserlich und deutlich sichtbar auf der Packung angegeben werden. Bei Verwendung einiger weniger Stoffe ist darüber hinaus in gleicher Weise noch ein Warnhinweis anzubringen - ich war darauf soeben bereits eingegangen -, der auf mögliche gesundheitliche Risiken aufmerksam macht. Der Verbraucher hat somit die Möglichkeit, sich beim Kauf kosmetischer Mittel rasch darüber zu informieren, ob bei ihrer Anwendung bestimmte gesundheitliche Risiken bestehen und ob die Erzeugnisse z. B. Stoffe enthalten, die bei ihm allergische Reaktionen auslösen können. Bei einer Deklaration aller kosmetischen Inhaltsstoffe wäre es dagegen für den betroffenen Verbraucher schwierig, aus der großen Zahl chemischer Bezeichnungen den für ihn wichtigen Stoff herauszufinden.
Zur Zeit beschäftigt sich die Kosmetik-Kommission des Bundesgesundheitsamtes mit der Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Weise Inhaltsstoffe kosmetischer Mittel noch besser kenntlich gemacht werden könnten. Die Bundesregierung wird die dort erzielten Ergebnisse mit allen betroffenen Kreisen, insbesondere mit der Verbraucherschaft, erörtern und erforderlichenfalls bei den Europäischen Gemeinschaften auf eine Ergänzung der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen drängen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Kirschner.
Herr Staatssekretär, kann ich davon ausgehen - da Sie ja selbst sagen, daß die Zahl der chemischen Substanzen und deren Wirkungen für den Verbraucher fast nicht überblickbar ist -, daß sich die Bundesregierung mit allem Nachdruck dafür einsetzen wird, daß in Zukunft bei diesen Kosmetika auf eventuelle schädliche Wirkungen von bestimmten chemischen Substanzen hingewiesen wird, beispielsweise auf allergische Auswirkungen usw.?
Wie ich bereits ausführte, Herr Abgeordneter, ist dies bereits heute der Fall. Ich hatte gesagt, daß für alle solche Stoffe, bei denen auch für einzelne Verbrauchergruppen ein Risiko bestehen kann, eine Kennzeichnung und ein Hinweis bereits heute vorgeschrieben sind.
Die andere Frage war, ob es sinnvoll ist, alle chemischen Bestandteile eines Produkts auf der Pakkung aufdrucken zu lassen, oder ob man dadurch nicht gerade zu einer Verunsicherung beiträgt, weil der Verbraucher dann die eigentlichen für ihn möglicherweise risikoreichen einzelnen Bestandteile aus der Vielzahl nicht mehr herausfindet. Dessenungeachtet wird die Bundesregierung alle Schritte unternehmen, um Substanzen, die in Kosmetika enthalten sein können und die ein Risiko bedeuten, deutlich und eindeutig zu kennzeichnen.
Wir verlassen den Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit und gehen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen über. Das Haus ist durch seinen Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Kreutzmann vertreten.
Ich rufe die Frage 24 des Abgeordneten Schulze ({0}) auf:
Ist es zutreffend, daß ein vor 19 Jahren geflüchteter ehemaliger DDR-Soldat und jetziger westdeutscher Berufskraftfahrer kürzlich am Grenzübergang Marienborn von Grenzsoldaten der DDR verhaftet wurde und dieser vorher vom Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen die Auskunft erhalten hat, daß er die Transitstrecke unbedenklich benutzen könne?
Herr Kollege Schulze, wenn Sie damit einverstanden sind, möchte ich die Fragen 24 und 25 auf Grund des jüngsten Standes der Angelegenheit gemeinsam beantworten.
Ich bin einverstanden.
Dann rufe ich noch die Frage 25 des Abgeordneten Schulze ({0}) auf:
Wenn ja, welche Maßnahmen sind in diesem Fall bisher getroffen worden, um die umgehende Freilassung des zu Unrecht verhafteten Bürgers der Bundesrepublik Deutschland zu erwirken, und gedenkt die Bundesregierung, gegen diesen klaren Rechtsverstoß der DDR gegen das Transitabkommen zu protestieren, um zukünftig derartige Übergriffe auf die Transitstrecken zu verhindern?
Herr Kollege, es trifft zu, daß am 24. November 1981 der Kraftfahrer Wolfgang Prowe aus Ratingen, der im Jahre 1962 als Angehöriger der Nationalen Volksarmee der DDR in die Bundesrepublik geflüchtet war, im Transitverkehr nach Berlin von Grenzorganen der DDR verhaftet worden ist. Der Leiter unserer Delegation in der Transitkommission hat am 26. November 1981 fernschriftlich gegenüber dem Delegationsleiter der DDR die Festnahme als unvereinbar mit dem Transitabkommen beanstandet und die Freilassung von Herrn Prowe verlangt. Herr Prowe ist am 7. Dezember 1981 in die Bundesrepublik Deutschland zurückgekehrt. Der Vorgang wird in der bevorstehenden Sitzung der Transitkommission am 16. Dezember 1981 behandelt werden.
Bevor Herr Prowe seine Fahrt antrat, hat seine Ehefrau am Morgen des 23. November 1981 fernmündlich im Bundesministerium für innerdeutsche
Beziehungen angefragt, ob ihr Mann die Transitwege benutzen könne. Sie ist daraufhin unter Berücksichtigung der Rechtslage und der Praxis im Transitverkehr von und nach Berlin pflichtgemäß beraten worden. Dabei mußte für die Flucht des Herrn Prowe aus der DDR im Jahre 1962 der Geschehensablauf zugrunde gelegt werden, den Frau Prowe bei ihrer Anfrage mitgeteilt hat. Dieser gab auf Grund vieljähriger Erfahrungen keinen Anlaß, Herrn Prowe von einer Benutzung der Transitwege abzuraten.
Zu einer Zusatzfrage Abgeordneter Schulze ({0}).
Herr Staatssekretär, stützt sich die vom Innerdeutschen Ministerium an Frau Prowe erteilte Auskunft über die Unbedenklichkeit der Benutzung der Transitstrecke auf Erfahrungen mit Praktiken und Vereinbarungen mit der DDR?
Herr Kollege, sie stützt sich darauf. Ich muß allerdings bemerken, daß Freu Prowe den Tathergang der Flucht nur unzureichend geschildert hatte.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Abgeordneter Schulze.
Treffen heutige Presseinformationen zu, wonach die Bundesregierung die Verhaftung des Fernfahrers Wolfgang Prowe unter Ausschluß der Öffentlichkeit behandeln wollte mit der Drohung, jede Veröffentlichung könnte die Freilassung verzögern?
Herr Kollege Schulze, die Bundesregierung ist immer bemüht, die Fälle so zu regeln, daß den Betroffenen dabei kein Schaden entsteht.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Abgeordneter Schulze.
Herr Staatssekretär, wenn die Bundesregierung bestätigt, daß die Verhaftung des Herrn Prowe ein klarer Verstoß gegen das bestehende Transitabkommen ist: Hat die Bundesregierung die Absicht, diesen Verstoß zum Anlaß zu nehmen, nicht nur, wie Sie ankündigen, in der Transitkommission, sondern auch auf Regierungsebene - möglicherweise auch bei dem Gespräch zwischen Herrn Schmidt und Herrn Honecker - auf die Verletzung bestehender Vereinbarungen durch die DDR hinzuweisen, um zukünftig solche Übergriffe auf den Transitstrecken zu verhindern und um auch - das muß ich hinzufügen - andere Transitstrekkenbenutzer zu beruhigen?
Herr Kollege Schulze, die Transitkommission ist eigens geschaffen worden, um diese Streitfragen zu behandeln.
Das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen hat einen umfangreichen Beratungsdienst eingerichtet, an den sich jeder wenden kann. Insbesondere für ehemalige Angehörige der Nationalen
Volksarmee ist es dringend empfehlenswert, bei Benutzung der Transitstrecken vorher Rückfrage zu halten. Dazu steht die Bundesregierung jederzeit zur Verfügung.
Die Tatsache, daß Herr Prowe freigelassen worden ist, beweist, daß sich die DDR zumindest des nicht rechtmäßigen Handelns bewußt war. Damit wird auch deutlich, daß sie wohl kaum dazu neigen wird, etwa laufend ähnliche Übergriffe zu begehen.
Zur letzten Zusatzfrage Abgeordneter Schulze.
Teilt die Bundesregierung die Auffassung der veröffentlichten Meinung, daß es auf Grund des letztlich positiven Ausganges dieser Angelegenheit, d. h. der Freilassung des Herrn Prowe, in ähnlich gelagerten Fällen für den Betroffenen grundsätzlich besser, hilfreicher wäre, wenn sofort nach dem Bekanntwerden einer solchen Festnahme die Öffentlichkeit von der Bundesregierung informiert und gegen den Übergriff auf Transitstrecken protestiert wird, weil offenbar, wie wir es in diesem Fall ja feststellen konnten, nur die öffentliche Anprangerung solcher Willkürakte der DDR von Erfolg getragen ist?
Herr Kollege Schulze, die Bundesregierung ist sofort tätig geworden, nachdem ihr der Tatbestand bekanntgeworden war.
Die Mobilisierung der Öffentlichkeit kann unter Umständen auch zu einer entgegengesetzten Wirkung führen, indem die Angelegenheit nämlich mit Prestigestandpunkten der anderen Seite belastet und dadurch eine reibungslose, schnelle Rückführung erschwert wird.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Abgeordneter Dr. Kansy.
Herr Staatssekretär, welche wesentlichen Unterschiede gibt es hinsichtlich der Behandlung durch die Behörden der DDR zwischen DDR-Flüchtlingen, die die Transitwege benutzen, und DDR-Flüchtlingen, die in die DDR einreisen, und ist die öffentlich oft kolportierte Meinung korrekt, daß alle die DDR-Bürger, die bis zum Abschluß des Grundlagenvertrages die DDR verlassen haben - nach Meinung der dortigen Organe illegal -, im Grunde amnestiert sind und sich nur die nach diesem Zeitpunkt Geflüchteten über ihnen speziell drohende Gefahren erkundigen sollten?
Herr Kollege, zu Ihrer ersten Frage: Die Benutzung der Transitwege ist durch das Transitabkommen festgelegt und dadurch auch abgesichert.
Bei der Flucht kommt es darauf an, ob es sich um Militärpersonen handelt, ob die Flucht von Militärpersonen mit Waffengebrauch oder ähnlichem verbunden war und ob die Flucht, wie Sie schon selber erwähnten, vor 1972 erfolgte. Das ist ausschlaggebend.
Ich rufe die Fragen 26 und 27 des Abgeordneten Gobrecht auf. Der Fragesteller hat um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 28 des Abgeordneten Dr. Voss auf:
Auf welche Rechtsgrundlage gründete sich das Begehren der „DDR", um ein Gespräch mit dem geflüchteten Hauptmann der „DDR"-Grenztruppe Peter Vogel nachzusuchen?
Herr Kollege, nach Ziffer 5 des Protokolls vom 14. März 1974 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik über die Errichtung der Ständigen Vertretungen haben die Ständigen Vertretungen u. a. die Aufgabe, die Interessen des Entsendestaates im Gastland zu vertreten einschließlich Hilfe und Beistand für Personen. Die Ständige Vertretung der DDR hat damit das Recht, Hilfe und Beistand zu leisten.
Zu einer Zusatzfrage Abgeordneter Dr. Voss.
Herr Staatssekretär, ich muß aus Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie mir keine definitive Rechtsgrundlage nennen können. Deshalb meine Frage: Warum ist hier nicht das Rechtshilfegesetz vom Mai 1953 angewendet worden, nach dem nicht die Bundesregierung, sondern der Generalstaatsanwalt des Landes zuständig gewesen wäre, in das der Geflohene seinen Übertritt vollzogen hat?
Herr Kollege, die Bundesregierung hat ein Interesse daran, daß diese Abmachung, die ich erwähnt habe, möglichst großzügig ausgelegt wird; denn es dürfte Ihnen bekannt sein, daß die Zahl der Fälle von Festnahmen von Bundesbürgern und die damit begründete Notwendigkeit zu helfen, weitaus größer ist als die Zahl der umgekehrten Fälle.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Abgeordneter Dr. Voss.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir darin zu, daß ein aus der DDR Geflohener - hier ein Soldat - eine Reihe von Straftatbeständen nach DDR-Gesetzen verwirklicht hat, beispielsweise Fahnenflucht, Republikflucht, Terror, Spionage und ähnliches, und daß aus diesem Grunde diese Rechtsvorschrift, die Sie angewendet haben, nicht zum Zuge kommen kann, sondern daß hier das Rechtshilfegesetz aus dem Jahre 1953 Anwendung finden müßte?
Herr Kollege, der Betreffende hat ja immer die Möglichkeit, den Besuch eines Vertreters der Ständigen Vertretung abzulehnen und sich damit den von Ihnen angeführten Bezügen zu entziehen.
({0}) - Ja, immer.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Abgeordneter Broil.
Herr Staatssekretär, kann man nicht davon ausgehen, daß jemand, der aus der DDR zu uns flieht, grundsätzlich nicht daran interessiert sein kann, seine Interessen von einem DDR-Vertreter wahrnehmen zu lassen, so daß wir zu der Übung kommen sollten, daß nur dann ein Vertreter der DDR beigezogen wird, wenn es der Flüchtling seinerseits ausdrücklich fordert?
Herr Kollege, das würde auf der anderen Seite zur Folge haben, daß die Mitarbeiter unserer Ständigen Vertretung kaum die Möglichkeit hätten, ohne weiteres helfend für die Bundesbürger drüben tätig zu werden.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Abgeordneter Jäger ({0}).
Herr Staatssekretär, ich darf noch einmal auf die Frage des Kollegen Voss zurückkommen. Ist Ihnen aus der zweiten Zusatzfrage nicht deutlich geworden, daß Kollege Voss hier etwas völlig anderes gemeint hat, nämlich nicht die Fälle, daß jemand aus der DDR, der hier in der Bundesrepublik lebt, die Hilfe von Behörden in Anspruch nehmen will, sondern daß umgekehrt die Behörden der DDR - möglicherweise ganz im Gegensatz zum Willen des Betroffenen - einen Kontakt herstellen wollen? Gibt es für solche Fälle überhaupt etwas Vergleichbares in umgekehrter Richtung?
Herr Kollege Jäger, der Bundesbürger, der drüben festgenommen oder irgendwie festgehalten wird, hat jederzeit die Möglichkeit, in der DDR die Hilfe unserer Ständigen Vertretung in Anspruch zu nehmen; das gleiche Recht können wir hier nicht verweigern.
({0})
Zu einer weiteren Zusatzfrage Abgeordneter Hirsch.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung denn überhaupt der Auffassung, daß es einer besonderen Rechtsgrundlage bedarf, wenn Deutsche mit einem Deutschen sprechen wollen?
({0})
- Mit dem Deutschen, nach dem Sie gefragt haben, Herr Kollege.
Herr Kollege Hirsch, ich teile voll Ihre Meinung, daß dies möglich sein muß.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Abgeordneter Graf Stauffenberg.
Herr Staatssekretär, wenn schon unter dem sehr weiten Begriff „Sicherstellung von Rechtshilfe" ein solches Ersuchen behandelt wird, ist dann sichergestellt, daß trotz eines solchen Gesprächs oder eines solchen Gesprächsansinnens der von den DDR-Behörden in den freien Westen Geflohene auch Schutz vor dem langen Arm von drüben hier in der Freiheit hat?
Herr Kollege, das ergibt sich aus unserer rechtsstaatlichen Verfassung und Auffassung.
Wir haben noch zwei Minuten Zeit. Herr Staatssekretär, gehen Sie davon aus, daß eine ordnungsgemäße Beantwortung der verbleibenden Fragen in dieser Zeit noch möglich ist?
Das hängt von dem Herrn Kollegen ab.
Ich rufe dann die Frage 29 des Abgeordneten Graf Stauffenberg auf:
Wie vielen Personen wurde von seiten der „DDR" die Ausreise gestattet, seit das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen am 3. Oktober 1981 erklärte, der Häftlingstausch, von dem auch der Kanzlerspion Guillaume betroffen sei, „ermöglicht ... die bisher ingesamt größte Zahl von Freilassungen und Ausreisen aus der DDR. Sie liege bei rd. 3000." ({0})?
Herr Kollege Graf Stauffenberg, die von Ihnen angesprochene Frage ist in den zuständigen Gremien des Bundestages - ich denke insbesondere an die Parlamentarische Kontrollkommission, den Achter-Ausschuß und den Dreier-Ausschuß, durch Berichte von Bundesminister Franke eingehend dargelegt worden. Der Umfang der Aktion macht es erforderlich, daß sie sich über mehrere Monate hinzieht. Es sind damit auch erhebliche Voraussetzungen verbunden, beispielsweise Aufgabe von Eigentum, Verkauf von Häusern und ähnliche Dinge. Wie gesagt, die ganze Aktion wird sich über mehrere Monate hinziehen. Die Bundesregierung wird nach Abschluß dieser Aktion dem Parlament bzw. den zuständigen Ausschüssen Bericht erstatten.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe dann die Frage 30 des Abgeordneten Graf Stauffenberg auf:
Wird die Bundesregierung bei den Verhandlungen des Bundeskanzlers mit dem „DDR"-Staatsratsvorsitzenden Honecker Mitte Dezember 1981 die Freilassung bzw. Ausreise der genannten Zahl von Personen aus der „DDR" durchsetzen?
Herr Kollege Graf Stauffenberg, die DDR hat die getroffenen Vereinbarungen bisher korrekt erfüllt. Sie werden, wenn Sie sich im Lande umhören, selber feststellen können, daß die Zahl der Familienzusammenführungen in den letzten Wochen und Monaten beträchtlich angeschwollen ist.
Wir sind damit am Ende der heutigen Fragestunde.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 10. Dezember, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.