Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
- Drucksache 9/1089 Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie auf. Zur Beantwortung der Frage steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Stahl zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 1 des Herrn Abgeordneten Dr. Kunz ({0}) auf:
Gibt es neue, in der Praxis anwendbare Techniken zur wesentlichen Reduzierung des Volumens der in Kernkraftwerken gelagerten leicht- und mittelradioaktiven Abfälle, wie z. B. die Veraschung, und wie wird diese von der Bundesregierung bewertet?
Herr Kollege Dr. Kunz, Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Die wesentlichen Techniken zur Verringerung des Volumens radioaktiver Abfälle, die in Kernkraftwerken derzeit durchgeführt oder erprobt werden, sind erstens Lagerung getrockneter Flüssigkeitsabfälle in Gußbehältern - Verringerung um 50 % -, zweitens Hochdruckverpressung kompaktierbarer Abfälle - Verringerung um 15 % -, drittens Verbrennung - Verringerung um 5 % -. Eine Kombination aller drei Verfahren reduziert den Abfall etwa auf ein Drittel.
Die Bundesregierung begrüßt alle Verfahren, die zu einer Verringerung der radioaktiven Abfälle führen. Das Verpressen und das Verbrennen führen zu endlagerfähigen Produkten. Ob das Verfahren, das die größte Volumenverringerung ermöglicht, nämlich das Einbringen verfestigter Verdampferkonzentrate in Gußbehälter, ebenfalls ein endlagerfähiges Produkt ergibt, wird derzeitig noch untersucht.
Bei der Beurteilung dieser Verfahren muß beachtet werden, daß zusätzliche Handhabungsschritte, insbesondere das Aussortieren der brennbaren Abfälle, unter Umständen eine zusätzliche Strahlenexposition des Betriebspersonals mit sich bringen können. Im einzelnen ist das in den atomrechtlichen Genehmigungsverfahren zu beurteilen.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, wie hoch ist die Gefährdung bzw. der Gefährdungsgrad der anwohnenden Bevölkerung durch Sammelstellen und Zwischenlager von leicht- und mittelradioaktiven Abfällen bei den bisher angewandten Verfahren?
Herr Kollege Kunz, es ist bekannt, daß die Einrichtung derartiger Sammelstellen einer ausführlichen Prüfung unterliegt. Nach dem Wissensstand und den Erfahrungen, die wir haben, ist eine Gefährdung der Bürger damit nicht gegeben.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß bei der Lösung der hier angesprochenen Fragen, nämlich des Sammelns und Zwischenlagerns von leicht- und mittelradioaktiven Abfällen engste Zusammenarbeit zwischen Bund und den Ländern das Gebot der Stunde ist?
Herr Kollege Kunz, ich stimme Ihnen zu, daß das Zusammenwirken des Bundes und der Länder das Gebot der Stunde ist. Aber, Herr Kollege Kunz, ich möchte darauf aufmerksam machen, daß es nicht in der Hand der Bundesregierung liegt, z. B. bei Landessammelstellen in irgendeiner Form Einfluß zu nehmen. Vielmehr obliegt diese Entscheidung, auch was die Standorte anbetrifft, den jeweiligen Landesregierungen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Kuhlwein zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 2 der Abgeordneten Frau Benedix-Engler auf. - Frau Kollegin Benedix-Engler ist nicht im Saal. Es wird so verfahren, wie es in der Geschäftsordnung vorgesehen ist. Das gilt auch für die Frage 3 der Abgeordneten Frau Benedix-Engler.
Präsident Stücklen
Damit, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, sind Sie schon entlassen - aus der Fragestunde entlassen.
({0})
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf.
Die Frage 4 des Abgeordneten Dr. Hennig wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf.
Die Fragen 5, 6, 8, 9 und 10 sollen auf Wunsch der Fragesteller, der Abgeordneten Weirich, Purps und Nelle, schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 7 des Herrn Abgeordneten Poß auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeit der Einführung einer Gewerbesteuer für Freiberufler?
Herr Kollege Poß, eine Ausdehnung der Gewerbesteuer auf freie Berufe oder die Einführung einer gewerbesteuerähnlichen Berufssteuer, was im Ergebnis das gleiche wäre, würde das bisher geltende System der Gewerbesteuer grundlegend verändern. Eine solche Maßnahme könnte deshalb nur im Rahmen einer eventuellen künftigen Reform der Gewerbesteuer in Betracht gezogen werden.
In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, daß die Steuerbelastung für freiberufliche Leistungen auf Grund des 2. Haushaltsstrukturgesetzes durch die vorgesehene Streichung der bisher geltenden Umsatzsteuerermäßigung angehoben wird.
Meine Kolleginnen und Kollegen, Sie haben inzwischen festgestellt, daß die Beantwortung durch den Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Haehser erfolgt.
Ich rufe die Frage 11 des Herrn Abgeordneten Dr. Spöri auf:
Wird die Bundesregierung aus ihren Antworten auf die Fragen 82 und 83 der Fragestunde am 25./26. November 1981 auch dahin gehende Konsequenzen ziehen, daß sie einen Gesetzentwurf zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes vorlegt, der die Einnahmen aus dem Förderzins bei der Ausgleichsbemessung im Rahmen des Länderfinanzausgleichs berücksichtigt?
Herr Kollege Spöri, im Gesetz über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern ist neben der Umsatzsteuerverteilung zwischen Bund und Ländern und den Zuweisungen des Bundes an leistungsschwache Länder auch der Finanzausgleich unter den Ländern geregelt, also der horizontale Finanzausgleich und die Ergänzungszuweisungen.
Die gesetzlichen Regelungen des Beteiligungsverhältnisses von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer und der Ergänzungszuweisung des Bundes an leistungsschwache Länder sind Ende 1980 ausgelaufen. Wie bereits in der Antwort auf Ihre Fragen in der Fragestunde am 25. und 26. November ausgeführt wurde, werden im Rahmen der noch laufenden Verhandlungen zwischen Bund und Ländern über die gesetzliche Neuregelung des Beteiligungsverhältnisses an der Umsatzsteuer auch Volumen, Dynamik und Verteilung der Bundesergänzungszuweisungen überprüft.
Ob diese Änderungen des Finanzausgleichsgesetzes auch eine Neuregelung des Finanzausgleichs unter den Ländern enthalten werden, die insbesondere die Entwicklung nichtsteuerlicher Einnahmen berücksichtigt, wird sich erst im Laufe der Verhandlungen zwischen dem Bund und den Ländern zeigen. Der derzeitige Finanzausgleich ist im wesentlichen ein Steuerkraftausgleich. Die Einbeziehung z. B. der Einnahmen aus dem Förderzins auf inländische Erdöl- und Erdgasgewinnung in den Finanzausgleich würde deshalb eine grundlegende Änderung des geltenden Finanzausgleichssystems bedeuten. Wegen der vielschichtigen Problematik und wegen der Bedeutung einer solchen Korrektur des in Jahrzehnten entwickelten Ausgleichssystems kann der Bund diese Überlegungen nur in engem Zusammenhang mit den Bundesländern anstellen, zumal Veränderungen der Zustimmung der Bundesländer im Bundesrat bedürften.
Zusatzfrage, bitte.
Ich will diese komplizierten BundLänder-Verhandlungen mit meiner Zusatzfrage nicht vorausnehmen, aber können Sie mir zumindest bestätigen, Herr Staatssekretär, daß die Bundesregierung - ausgehend von der inzwischen eingetretenen Schieflage im Länderfinanzausgleich, die mir in der letzten Fragestunde ja bestätigt worden ist - im Rahmen dieser Verhandlungen mit einem Vorschlag zur Berücksichtigung der Förderzinsen im horizontalen Finanzausgleich an die Bundesländer herantreten wird?
Herr Kollege Dr. Spöri, ein Ja auf diese Frage wäre mir zu unvorsichtig. Aber ich will doch folgendes sagen: Es gibt Länder, die es mit der Last der Steinkohlen zu tun haben, die unter der Erdoberfläche liegen, und es gibt andere Länder, die es mit dem Segen zu tun haben, der aus einer solchen Abgabe von Förderzinsen fließt. Ich räume ein, daß man mit dem Segen leichter fertig wird als mit der Last.
Noch eine Zusatzfrage, bitte.
Wenn es, Herr Staatssekretär, in den Bund-Länder-Verhandlungen im Rahmen des Finanzausgleichs zu einer Berücksichtigung der Förderzinsen kommen könnte, wann wäre dies aus Ihrer Sicht frühestens möglich?
Herr Kollege, der neue Ausgleich ist fällig. Ich habe ja gesagt, daß mit dem Auslaufen des Jahres 1980 bereits neue Abmachungen nötig sind. Verhandlungen sind demzufolge erforderlich. Nach meiner Vermutung werden die Verhandlungen wohl im Frühjahr nach Abschluß
der derzeitigen schwierigen Verhandlungen zwischen Bund und Ländern im Zusammenhang mit der Haushaltsfrage beginnen müssen. Es wird nicht am Bund liegen, einen schnellen Abschluß herbeizuführen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Frau Parlamentarische Staatssekretärin Fuchs zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 12 des Herrn Abgeordneten Pauli auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Es wird verfahren, wie in den Richtlinien vorgesehen ist.
Ich rufe die Frage 13 des Herrn Abgeordneten Collet auf:
Wieviel Überstunden wurden in der Bundesrepublik Deutschland 1972, 1979 und 1980 in der Industrie, im privaten Dienstleistungsbereich und im öffentlichen Dienst in jedem der drei Bereiche geleistet?
Ich würde gern die Fragen 13 und 14 gemeinsam beantworten.
Der Fragesteller ist einverstanden. Ich rufe auch die Frage 14 des Herrn Abgeordneten Collet auf:
Wann wird die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Änderung der auf der 48-Stundenwoche basierenden Arbeitszeitordnung ({0}) von 1938 vorlegen zur Anpassung dieser AZO an die heute nahezu überall gültige 40-Stundenwoche, um auch auf diese Weise der berechtigten Kritik der Arbeitslosen und ihrer Gewerkschaften am Überstundenwesen Rechnung zu tragen?
Herr Kollege, der Bundesregierung liegen aus der amtlichen Arbeitszeitstatistik nur Angaben über die Überstunden der männlichen und weiblichen Arbeiter in der Industrie vor. Hier haben Arbeiter 1972 im Durchschnitt 3,5 Überstunden, 1979 2,5 Überstunden und 1980 2,3 Überstunden geleistet; das sind in den genannten Jahren jeweils 8, 5,9 und 5,5 % der durchschnittlichen bezahlten Wochenarbeitszeit. Bei den Arbeiterinnen gingen die Überstunden in den gleichen Jahren von 0,9 über 0,4 auf 0,5 % zurück. Für männliche und weibliche Arbeiter insgesamt lagen die Überstunden 1972 im Durchschnitt bei 3, 1979 bei 2,1 und 1980 bei 2 Überstunden; dies entspricht in den genannten Jahren jeweils 7,5 und 4,8 % der durchschnittlichen bezahlten Wochenarbeitszeit. Aus diesen Zahlen ist zu ersehen, daß die Zahl der Überstunden seit 1972 zurückgegangen ist.
Zu Ihrer zweiten Frage teile ich Ihnen mit, daß das Bundesarbeitsministerium den Entwurf eines Arbeitsschutzgesetzes vorbereitet, in dem auch die Arbeitszeit neu geregelt werden soll. Dabei soll die aus dem Jahre 1938 stammende Arbeitszeitordnung den heutigen Verhältnissen angepaßt werden. Der Entwurf wird zur Zeit innerhalb der Bundesregierung mit dem Ziel beraten, ihn möglichst bald den Spitzenverbänden der Arbeitnehmer und Arbeitgeber sowie den obersten Arbeitsbehörden der Länder zur
Stellungnahme zuzuleiten. Ich bitte um Verständnis, wenn ich Einzelheiten noch nicht mitteilen kann.
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, können Sie mir die Zahlen vom Dienstleistungsbereich und vom öffentlichen Dienst nachliefern, wenn sie jetzt noch nicht zur Verfügung stehen?
Die Statistik weist diese Überstundenzahlen leider nicht aus, Herr Kollege.
Noch eine Zusatzfrage.
Können Sie die Zahlen für den eigenen Bereich des Bundes zusammenstellen lassen?
Ich will der Frage gerne noch einmal nachgehen. Nach dem, was mir meine Mitarbeiter gesagt haben, gibt es derartige Statistiken nicht. Ich will aber noch einmal mit Nachdruck prüfen, ob es doch solche Zahlen gibt.
Weitere Zusatzfrage, bitte.
Ist der Bundesregierung bekannt, daß eine Anzahl von Betrieben einen großen Anteil an dem Durchschnitt der Überstunden hat, von dem Sie berichtet haben, daß es sogar Betriebe gibt, die acht oder neun Monate lang im Schnitt 50 und mehr Stunden in der Woche haben?
Dieses ist der Bundesregierung bekannt.
Weitere Zusatzfrage.
Nachdem Sie sagten, jetzt sei eine Vorlage gemacht, frage ich: Welchen sachlichen Grund gab es, eine solche Vorlage nicht schon früher zu machen? Treffen meine Informationen zu, daß dabei das Bundeswirtschaftsministerium Schwierigkeiten sieht?
Ihre Vermutung trifft zu.
Noch eine Zusatzfrage, bitte.
Welcher Art sind denn diese sachlichen Bedenken, die dort vorgetragen wurden?
Diese sachlichen Bedenken werde ich Ihnen jetzt nicht mehr vortragen, Herr Kollege, weil wir auf dem Wege sind, uns mit dem Wirtschaftsminister zu einigen. Ich bin zuversichtlich, daß es in den nächsten Wochen gelingt, einen abgestimmten Entwurf zu versenden.
Ist diese Einigung -
Nein, keine weiteren Zusatzfragen, Herr Abgeordneter. Sie haben sowieso schon wegen des kurzen dienstlichen Gesprächs, das ich mit dem Parlamentarischen Staatssekretär Haehser geführt habe, viereinhalb Zusatzfragen gehabt.
({0})
Präsident Stücklen
Die Fragen 15 und 16 des Herrn Abgeordneten Dr. Friedmann sollen auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Penner zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 17 des Herrn Abgeordneten Dr. Wörner auf:
Hält die Bundesregierung Form und Inhalt der Erklärung des Sprechers des Bundesverteidigungsministeriums vom 5. November 1981, in der dieser dem Abgeordneten des Deutschen Bundestages Würzbach „rein parteipolitische Wichtigtuerei" vorgeworfen und Politikern der CDU „kleinliches parteipolitisches Gezänk" unterstellt hat, mit der im Soldatengesetz verankerten Pflicht des Soldaten zu parteipolitischer Zurückhaltung für vereinbar?
Herr Kollege Dr. Wörner, das Recht der freien Meinungsäußerung nach Artikel 5 Grundgesetz gilt auch für Soldaten. Die Ausübung dieses Grundrechts wird jedoch durch das Soldatengesetz eingegrenzt, ohne daß dadurch der Kern des Grundrechts betroffen werden darf. Ob Meinungsäußerungen eines Soldaten als rechtmäßig oder pflichtwidrig zu werten sind, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu klären.
Die Funktion des Pressesprechers des Bundesministeriums der Verteidigung strahlt nach der Natur der Sache zugunsten des Grundrechts aus. Bei der Bewertung des Sachverhalts im konkreten Fall darf nicht außer acht bleiben, daß die beanstandeten Aussagestücke als Antwort auf einen schwerwiegenden politischen Sachverhalt, der Diskretion im Interesse der Erhaltung von Arbeitsplätzen verdient gehabt hätte, zu verstehen waren. Im übrigen sollte auch in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden, daß die Äußerungen selbst zutreffend erst aus der Funktion als Pressesprecher gewichtet werden können.
Die Bundesregierung sieht daher zu Maßnahmen keinen Anlaß.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Heißt das, daß Sie auch in Zukunft Soldaten der Bundeswehr, in welcher Funktion auch immer, dazu ermächtigen werden, über Abgeordnete dieses Hauses Qualifikationen parteipolitischer Art auszusprechen?
Herr Kollege Dr. Wörner, von Ermächtigung kann keine Rede sein.
({0})
- Von Ermächtigung kann keine Rede sein. Ich widerhole das. Bei meiner Bewertung war ausschlaggebend, den zur Bewertung stehenden Sachverhalt zu würdigen. Und ich muß bei dieser Würdigung bleiben.
Eine weitere Zusatzfrage.
Heißt das, Herr Staatssekretär, daß Sie zukünftig die Äußerung etwa eines Obristen des deutschen Heeres über eine Äußerung von Ihnen, in der er Ihre Äußerung als parteipolitische Wichtigtuerei und als parteipolitisches Gezänk bezeichnet, der gleichen Bewertung unterliegen lassen würden; und wohin käme unsere Armee, wenn das Schule machen würde?
Herr Kollege Dr. Wörner, daß bei Soldaten eine Zurückhaltung geboten ist, ergibt sich aus meiner Antwort. Aus meiner Antwort ergibt sich aber auch, daß eine zutreffende Würdigung des von Ihnen beanstandeten Sachverhalts nur vorgenommen werden kann, wenn man die Funktion in Rechnung stellt, aus der heraus die Antwort gefallen ist. Und das ist die Funktion des Pressesprechers des Bundesministeriums der Verteidigung.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, ob es, bezogen auf das Soldatengesetz, in dieser Beziehung zwischen den Soldaten, die das Amt eines Pressesprechers haben, und denen, die sonst ihre Pflicht in der Bundeswehr tun, ein unterschiedliches Recht gibt?
Herr Kollege Dallmeyer, ich habe klarzulegen versucht - es würde sich vielleicht empfehlen, meine Darlegungen im Protokoll nachzulesen -, daß bei der Würdigung der Frage, ob Verstöße gegen geltendes Recht vorliegen, die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls genau zu gewichten sind. Und bei der Frage, ob ein Verstoß gegen das Soldatengesetz vorliegt, das j a auch Zurückhaltung in politischen Fragen für den Soldaten zum Gegenstand hat, darf die Funktion dessen, der solche Äußerungen tut, nicht unberücksichtigt bleiben.
Im übrigen lasse ich keinen Zweifel daran, daß sich solche Problematiken im Rahmen der Bundeswehr immer auftun. Der Bundesminister der Verteidigung hat bei anderen Gelegenheiten deutlich gemacht, daß er sich im Zweifelsfall immer zugunsten des Rechts auf freie Meinungsäußerung zu entscheiden gedenkt.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Berger.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Auffassung, daß der Soldat im vorliegenden Fall, wenn er nach Ihrer Meinung schon nicht seine Dienstpflichten nach dem Soldatengesetz verletzt hat, zumindest seine Kompetenz überschritten hat?
Diese Äußerung kann ich nicht teilen, weil diese Äußerung nur im Zusammenhang mit der Wahrnehmung seiner Pflichten als Pressesprecher des Bundesministerium der Verteidigung zu sehen ist.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 18 des Abgeordneten Francke ({0}) auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß es nicht Aufgabe eines Soldaten sein kann, die Äußerungen eines Bundestagsabgeordneten parteipolitisch zu qualifizieren?
Herr Kollege Francke, die Bundesregierung teilt den von Ihnen angesprochenen Grundsatz. Ausnahmen können sich aber aus einer besonderen Funktion des Soldaten als Pressesprecher des Bundesministeriums der Verteidigung ergeben.
({0})
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihre Antwort so verstehen, daß ein Kommandeur, der sich aus sachlicher Überzeugung gegen Äußerungen zur Wehr setzt, die der SPD-Abgeordnete Apel in Zusammenhang mit Haushaltskürzungen gemacht hat, ebenfalls frei von jeglicher Kritik bleibt?
Herr Kollege Francke, wir können das Plenum des Deutschen Bundestages nicht zum Forum machen, ob Verstöße im Einzelfall vorliegen, ja oder nein. Es ging bei der Fragestellung, die Ihrer Frage zugrunde lag, um einen konkreten Sachverhalt. Diesen haben wir im Bundesministerium der Verteidigung sehr sorgfältig gewichtet. Wenn Sie andere Einzelfälle haben, die Sie für beanstandenswert halten, bin ich gerne bereit, in eine Einzelprüfung einzutreten.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihrer Bemerkung schließen, daß die Formulierungen, die Gegenstand der Fragestunde sind, die ausdrückliche Billigung des Bundesministers gefunden haben?
Ich habe mich bei meiner Feststellung darauf beschränkt, summierend zu sagen: die Bundesregierung sieht zu Maßnahmen keinen Anlaß. Ich möchte es bei dieser Formulierung bewenden lassen.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wörner.
Herr Staatssekretär, bedeuten Ihre Ausführungen, daß in der Tat nach Auffassung von der gegenwärtigen Bundesregierung die Funktion eines Pressesprechers einen Soldaten der Bundeswehr instand setzt, einen Abgeordneten des Deutschen Bundestages parteipolitisch abzuqualifizieren?
Herr Kollege Dr. Wörner, Sie sind ja für präzise Fragen bekannt, die gelegentlich auch mit Polemik gewürzt sind. Ich nehme das so hin, und Sie entschuldigen bitte, daß ich diese Frage etwas bewertend kommentiere. Aber ich wiederhole, was ich vorhin gesagt habe: bei der
Würdigung der Frage, ob es sich im konkreten Fall um einen Verstoß gegen dienstliche oder gesetzliche Pflichten handelt, sind die konkreten Umstände des Einzelfalls maßgebend. Die Äußerungen des Pressesprechers des Bundesministeriums der Verteidigung sind nicht losgelöst von seiner Funktion als Pressesprecher zu bewerten. Das ergibt sich - ich wiederhole das - aus der Natur der Sache.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Petersen.
Herr Staatssekretär, hat nach Ihrer grundsätzlichen Auffassung der hohe Offizier, der die Stellung eines Pressesprechers des Ministeriums bekleidet, denn Generalvollmacht, sich zu einer parteipolitischen, personenbezogenen, von gewählten Abgeordneten gemachten Äußerung kommentierend oder qualifizierend zu äußern?
Herr Kollege Petersen, es geht in diesem Fall nicht um die Frage, ob ein Offizier Generalvollmacht hat. Es ging um die Frage, ob im konkreten Fall ein Verstoß nachweisbar ist, der dann zu Maßnahmen des Bundesministers der Verteidigung Anlaß gegeben hätte. Diese Frage habe ich verneint.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dallmeyer.
Herr Staatssekretär, meine Frage schließt an die Frage des Kollegen Petersen an. Glauben Sie, daß dann zukünftig der Pressesprecher des Verteidigungsministers in konkrete parlamentarische Auseinandersetzungen dieser Art eingreifen kann - es ging ja, wie Sie wissen, um einen bedeutenden Fehlbetrag im Verteidigungshaushalt, der erneut aufgetaucht ist - und daß künftig, wenn solche Fehlbeträge genannt werden, der Pressesprecher in dieser Weise in die laufende parlamentarische Debatte eingreifen kann?
Herr Dallmeyer, es ging nicht nur um einen Fehlbetrag - der übrigens nicht unserem Hause anzulasten ist, jedenfalls nicht zur Gänze -, sondern es ging darum, daß in diskreter Form dem dafür bestimmten Gremium, nämlich dem Verteidigungsausschuß, Informationen unterbreitet wurden, die im Interesse der Erhaltung von Arbeitsplätzen mehr Diskretion verdient hätten, als sich das dann ergeben hat.
Was die Funktion des Pressesprechers des Bundesministeriums der Verteidigung angeht, so hoffe ich, daß er seine Dienstpflichten so versieht, daß er das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit auch künftig befriedigen kann.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Kunz ({0}).
Herr Staatssekretär, können Sie dem Hohen Hause wenigstens verraten, ob die vorhin angesprochene Äußerung des Pressesprechers des Verteidigungsministeriums die Billigung der Bundesregierung findet?
Herr Kollege Dr. Kunz, ich habe keinen Anlaß, etwas zu verraten. Aber ich habe Anlaß zu betonen, daß die Bundesregierung zu Maßnahmen gegen den Pressesprecher des Bundesministeriums der Verteidigung keinen Anlaß sieht.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 19 des Herrn Abgeordneten Berger ({0}) auf:
Wie will die Bundesregierung zukünftig verhindern, daß Soldaten auf diese Weise in parteipolitische Auseinandersetzungen einbezogen werden?
Herr Kollege Berger, die Bundesregierung hält daran fest, daß auch ein Soldat Pressesprecher des Bundesministeriums der Verteidigung sein kann. Die bisherigen Erfahrungen lassen dies geraten erscheinen, auch wenn es im Einzelfall zu Spannungen zwischen allgemeinen soldatischen Pflichten und den Anforderungen als Pressesprecher kommen kann.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen im Lichte dieser Erfahrungen nunmehr vielleicht die Erkenntnis gekommen, daß bei dem vorliegenden Fall, also bei der Auswahl des betreffenden Soldaten zum Pressesprecher, nicht nach dem Grundsatz „Der richtige Mann auf den richtigen Platz" verfahren sein könnte?
Ich würde sagen, ich kann diese Beurteilung zwar aus Ihrer Sicht verstehen, ich kann sie aber nicht teilen.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, hält es die Bundesregierung nicht für notwendig, durch eine klare Dienstanweisung solche Kompetenzüberschreitungen wenigstens für die Zukunft auszuschließen?
Ich kann der Ihrer Frage zu Grunde liegenden Unterstellung nicht folgen. Ich bin der Meinung, daß gerade ein Pressesprecher auch im Bundesministerium der Verteidigung einen gewissen Freiraum braucht, der nötig ist, um die erforderlichen Informationen an die Öffentlichkeit zu liefern.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Wörner.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen noch in Erinnerung, daß der Vorgänger des jetzigen Verteidigungsministers, Bundesverteidigungsminister Leber, zwei hohe deutsche Offiziere aus der Bundeswehr gefeuert hat, weil sie sich erlaubt haben, qualifizierende parteipolitische Bemerkungen über den Fraktionsvorsitzenden der SPD zu machen, und teilen Sie meine Auffassung, daß hier zweierlei Maßstäbe angewandt werden?
({0})
Herr Kollege Dr. Wörner, ich kann diese Einschätzung nicht teilen. Ich glaube, daß es sich um Sachverhalte handelt, die nicht miteinander vergleichbar sind.
({0})
Weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dallmeyer.
Herr Staatssekretär, wollen Sie dann bitte freundlicherweise sagen, ob künftig für die Pressesprecher - bzw. Soldaten, die in ähnlicher Funktion tätig sind - gilt, was Sie hier ausgeführt haben, daß sie nämlich dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit in der hier geschilderten Weise nachkommen dürfen?
Herr Kollege Dallmeyer, der Bundesminister der Verteidigung hat nie einen Zweifel daran gelassen, daß er sehr stark daran interessiert ist, daß auch die Soldaten, und zwar unabhängig von der Funktion, sich bei Debatten beteiligen, bei denen auch elementare Interessen ihrer selbst berührt sind.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dreßler.
Herr Staatssekretär, um jeden Zweifel auszuräumen, darf ich nach Ihren Antworten und den darauffolgenden Fragen mit Ihrem Einverständnis feststellen, daß auch zukünftig der Bundesminister der Verteidigung einen Soldaten, den er für qualifiziert hält, zum Pressesprecher des Bundesministeriums der Verteidigung berufen würde?
Davon können Sie ausgehen. Das ist auch in früheren Zeiten der Fall gewesen, und das wird auch sicher dann der Fall sein, wenn es künftig darum geht, neue Pressesprecher zu berufen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Francke ({0}).
Herr Staatssekretär, wenn die Bundesregierung schon keine Veranlassung sieht, Maßnahmen gegen den Pressesprecher zu ergreifen, darf ich Sie fragen, ob die Bundesregierung wenigstens dem Pressesprecher empfohlen hat, in Zukunft eine größere Zurückhaltung bei der Formulierung seiner Erklärungen walten zu lassen.
({0})
Die Bundesregierung möchte sich an dieser Stelle auf das beschränken, was ich vorhin gesagt habe. Ich bin der Meinung, daß es auch der Funktion des Pressesprechers nicht dienlich sein kann, bei jeder sich bietenden GeParl. Staatssekretär Dr. Penner
legenheit, die die eine oder andere Seite als mißliebig empfindet, korrigierend einzugreifen.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Rossmanith.
Herr Staatssekretär, anknüpfend an die Zusatzfrage des Herrn Kollegen Dr. Wörner darf ich Sie fragen: Können Sie kurz aufzeigen, wo Sie die Unterschiede bei der Bewertung der beiden Sachverhalte sehen?
Ich habe vorhin schon gesagt, daß der Sachverhalt, der hier zur Debatte steht, nicht losgelöst gesehen werden kann von der Funktion des Pressesprechers des Bundesministeriums der Verteidigung. Das ist ein wesentlicher Grund. Ich habe auch zum Ausdruck gebracht, daß gerade wegen der Funktion der Artikel 5 des Grundgesetzes, der von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besonders hochgehalten wird, in besonderer Weise zu beachten ist.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 20 des Herrn Abgeordneten Spranger auf:
Wieviel zusätzliche Flugbewegungen, insbesondere Tiefflüge, werden durch die in der Bundesrepublik Deutschland notwendige Ausbildung und Übung mit dem neuen besonders für den Tiefflugeinsatz konzipierten Kampfflugzeug MRCA Tornado anfallen, und welche Vorkehrungen hat die Bundesregierung zur Verringerung der dadurch eventuell für die Bevölkerung entstehenden Lärmbelastung getroffen?
Herr Kollege Spranger, durch die Umrüstung auf das Waffensystem Tornado wird sich die Anzahl der Flugbewegungen und der Tiefflüge nicht erhöhen. Die besondere Eignung des Tornado für Tiefflugeinsätze bedeutet vor allem eine Reduzierung der Belastung der Besatzung in diesem Einsatzspektrum.
Zusatzfrage? - Keine Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 21 des Herrn Abgeordneten Spranger auf:
Zu welchen konkreten, den Fluglärm mindernden, Ergebnissen haben die von der Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion zur Bekämpfung des Fluglärms vom 7. Februar 1980 unter Nummer 3.3 angeführten Bemühungen um die Entwicklung lärmarmer Triebwerke auch für Militärmaschinen beim Flugzeugtyp MRCA Tornado geführt, und zu welcher Fluglärmverminderung bei Tiefflügen wird dies führen?
Beim Tornado werden bereits im Triebwerk der kalte äußere und heiße innere Gasstrom gemischt. Die geringere Abgasgeschwindigkeit und die gleichzeitig herabgesetzte Temperatur bewirken eine Verminderung des Lärmpegels, gemessen an Flugzeugen ähnlicher Leistung. Dennoch hat auch die Ausschöpfung aller wirtschaftlichen und technischen Möglichkeiten den Tornado nicht zu einem leisen Flugzeug gemacht.
Keine weiteren Zusatzfragen. Dann rufe ich die Frage 22 des Herrn Abgeordneten Weiß auf:
Wie erklärt die Bundesregierung den Widerspruch zwischen ihren Aussagen, daß einerseits eine lückenlose Überwachung der einzelnen Tiefflugbewegungen von Militärflugzeugen technisch nicht möglich sei sowie die vor etwa zwei Jahren bereits angekündigten Untersuchungen zur Erstellung exakter Übersichten über eventuelle Häufung von Tiefflügen in bestimmten Gebieten noch nicht abgeschlossen seien, und ihren Feststellungen andererseits, daß Tiefflüge in bestimmten Gebieten dort nur nach den geltenden Bestimmungen durchgeführt würden sowie die Fluglärmbelastung einzelner Gebiete derjenigen in vielen anderen Regionen der Bundesrepublik Deutschland vergleichbar sei?
Herr Kollege Weiß, mit Ergebnissen einer von Ihnen angesprochenen Untersuchung über die Tiefflugsituation, die ein ziviles Institut durchführt, ist im Jahre 1982 zu rechnen. Aus technischen und finanziellen Gründen erscheint eine lückenlose Überwachung der einzelnen Tiefflugbewegungen nicht möglich.
Die Luftwaffe macht darum Stichprobenkontrollen. Dabei werden das Tiefflugaufkommen, das Verhalten der Besatzungen und die Einhaltung der Bestimmungen im Erfassungsbereich der eingesetzten Radargeräte überprüft. Verstöße wurden bisher nur selten festgestellt. Die Stichprobenkontrollen ergänzen die unmittelbare Dienstaufsicht durch die fliegerischen Vorgesetzten.
Die Aussagen über die Fluglärmbelastung einzelner Regionen stützen sich auf ausgewertete Flugpläne, Erkenntnisse der Flugbetriebs- und Informationszentrale beim Luftwaffenamt und die Luftraumüberwachungen bei Stichprobenkontrollen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 23 des Herrn Abgeordneten Weiß auf:
Wieviel zusätzliche Flugstunden von Militärmaschinen insgesamt müssen, etwa durch die infolge Mittelknappheit erzwungene Kürzung von Auslandstrainingsprogrammen, in diesen und in den nächsten Jahren in der Bundesrepublik Deutschland zusätzlich geflogen werden?
Es hat sich nicht feststellen lassen, ob und in welcher Höhe die angesprochene Kürzung von Flugstunden im Ausland durch eine größere Anzahl von Inlandflügen aufgefangen worden ist. Für das Jahr 1982 wird sich das Problem nicht stellen, weil mit einer Kürzung der Ausbildungstrainingsprogramme in diesem Jahr nicht zu rechnen ist.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Dann rufe ich die Frage 24 des Herrn Abgeordneten Wimmer ({0}) auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Es wird, wie in den Richtlinien vorgesehen, verfahren.
Ich rufe die Frage 25 des Herrn Abgeordneten Sielaff auf:
Entsprechen der Ablauf der ersten Gelöbnisfeiern der Bundeswehr in Industriebetrieben und die Rede des Kommandeurs der Heimatschutzbrigade 54 auf der Gelöbnisfeier in Rockenhausen, in der die Friedensbewegung als „schreiende Meuten von Gewaltdemonstranten" bezeichnet wurde, die den Staat und die Sicherheit in Frage stellen und die Drahtzieher seien, die in Wirklichkeit die freiheitlich-demokratische Grundordnung beseitigen wollen ({1}), den Vorstellungen des Bun4004
Präsident Stücklen
desverteidigungsministers, mit dieser Art der Gelöbnisfeiern eine neue Begegnungsform zwischen Wehrpflichtigen und Arbeitnehmern gefunden zu haben und damit die Verbundenheit der Soldaten mit den arbeitenden Menschen zu stärken?
Herr Kollege Sielaff, gestatten Sie, daß ich beide Fragen im Zusammenhang beantworte?
Ja.
Dann rufe ich auch die Frage 26 des Herrn Abgeordneten Sielaff auf:
Stimmen diese Äußerungen des Oberst Loch, Kommandeur der Heimatschutzbrigade 54, auf der Gelöbnisfeier am 24. November 1981 bei der Firma Keiper in Rockenhausen mit den Auffassungen des Bundesverteidigungsministeriums überein?
Das Echo auf das Gelöbnis in Rockenhausen war nicht ungeteilt. Dadurch kann auch die Zielsetzung, die Verbindung der Bundeswehr zu den arbeitenden Menschen zu unterstreichen, berührt worden sein. Der angesprochene Beitrag hat dieser Zielsetzung nicht genutzt.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, sind Sie der Meinung, daß die Durchführung von Gelöbnisfeiern in privaten Betrieben - darum handelt es sich - und insbesondere die Rede von Herrn Oberst Loch wirklich sinnvolle Beiträge zur Friedensdiskussion sind, wie ich aus Äußerungen der „Welt" von gestern entnehmen konnte?
Zum ersten Teil der Frage möchte ich feststellen, daß der Herr Bundesminister der Verteidigung selbst im Anschluß an die Diskussionsveranstaltung „Soldat und Gesellschaft" die Überlegung angestellt hat, zu neuen Formen der Gelöbnisfeier zu kommen, und dabei auch erwogen hat, einmal in einen Betrieb zu gehen.
Zum zweiten Teil der Frage möchte ich mich auf das beschränken, was ich in der Antwort auf Ihre Frage zum Ausdruck gebracht habe.
Weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich möchte doch noch einmal genauer nachfragen: Ist das Bundesverteidigungsministerium wirklich der Meinung, daß in dieser Rede lediglich - ich zitiere einen Zeitungsabschnitt - „Vokabeln verwendet wurden, die nicht jedermann gefallen oder schmecken", oder ist es der Meinung, daß insbesondere der Geist dieser Rede verletzend, unsachlich und, wie ich meine, auch manipulierend ist, da z. B. eine direkte Linie von der Prophetie eines Sowjetideologen von 1931 zur heutigen Friedensbewegung hergestellt wird und dann Kommunisten, Chaoten, progressive Pastoren, Pazifisten; Revoluzzer und Drückeberger in einen Topf geworfen und quasi als Helfershelfer sowjetischer Ideologen dargestellt werden?
Herr Kollege Sielaff, manchem Ihrer Schlüsse kann ich nicht folgen.
Was den angesprochenen Beitrag angeht, bleibe ich dabei: Der angesprochene Beitrag hat der Zielsetzung des Bundesministers der Verteidigung, die mit einem Gelöbnis auch in einem Fabrikbetrieb verbunden war, nicht genutzt.
Weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, kann ich aus Ihrer Antwort entnehmen, daß das Bundesverteidigungsministerium diese Rede durchaus als positiven Beitrag ansieht?
Also, Herr Kollege Sielaff, ich glaube, daß man dies beim besten Willen nicht aus meiner Antwort entnehmen kann.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dallmeyer.
Herr Staatssekretär, können Sie dann im Zusammenhang mit den beiden Fragen klarstellen, ob das Verteidigungsministerium weiterhin an der vom Verteidigungsminister selbst kreierten Idee festhält, künftig unter anderem auch solche Gelöbnisfeiern ins Auge zu fassen und durchzuführen?
Wir werden weiter daran festhalten, nach neuen Formen der Gelöbnisfeier zu suchen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß bei dieser Suche auch die Erfahrungen von Rockenhausen mit verwertet werden.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, können Sie dann die Frage beantworten, wie Sie vor dem Hintergrund Ihrer Äußerungen zu den ersten drei Fragen, die heute eine Rolle gespielt haben, die Aussage über die Rede des angesprochenen Kommandeurs bewerten?
({0})
Ich will es mir versagen, öffentlich Erwägungen darüber anzustellen, wie nun bei unterschiedlichen Gewichtungen das Haus unterschiedlich reagiert. - Das will ich mir versagen.
Aber ich habe besonders zum Ausdruck gebracht, daß die Rede des angesprochenen Kommandeurs der Zielsetzung des Bundesverteidigungsministers nicht genutzt hat. Ich habe nicht mehr, aber auch nicht weniger gesagt.
({0})
Weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Berger.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß die Aussagen, die Herr Oberst Loch in seiner Rede bei dieser Gelöbnisfeier am 24. November 1981 getroffen hat, etwa
Berger ({0})
dem entsprechen, was der Kollege Wimmer in der Frage 24 vom Bundesminister der Verteidigung zitiert hat?
Herr Kollege Berger, das kann ich so nicht bestätigen.
Keine weiteren Zusatzfragen. Dann rufe ich die Frage 27 des Herrn Abgeordneten Enders auf. - Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal; das gilt dann auch für die Frage 28. Es wird wie vorgesehen verfahren.
Ich rufe die Frage 29 der Frau Abgeordneten Fromm auf:
Inwieweit treffen Presseberichte ({0}) zu, in denen behauptet wird, die Bundeswehr habe neben den Mobvorräten noch 600 Millionen Liter Treibstoff als „Krisenpolster für Friedenszeiten" und 350 Millionen Liter als „Bewirtschaftungsvorrat", sie schwimme geradezu in Benzin und die Lagerung koste allein 24,8 Millionen DM jährlich?
Frau Kollegin Fromm, es trifft zu, daß die Bundeswehr neben dem Verteidigungsvorrat weitere Kraftstoffreserven hat. Diese sind namentlich nach der Energiekrise der Jahre 1973/74 kontinuierlich gebildet worden. Der Deutsche Bundestag hat für die Einlagerung des Treibstoffs im Inland 24 Millionen DM im Einzelplan 14 zur Verfügung gestellt.
Danke!
Keine weiteren Zusatzfragen. - Ich rufe die Frage 30 der Abgeordneten Frau Fromm auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung gegebenenfalls diesen Vorgang haushaltsrechtlich und politisch vor allem auch im Hinblick auf frühere Katastrophenmeldungen z. B. vom Generalinspekteur Brandt ({0}) wegen angeblich unzureichender Treibstoffversorgung, der Absage oder Einschränkung von Manövern und der Nachbewilligung von 155 Millionen DM?
Frau Kollegin Fromm, die für den jährlichen Bedarf der Bundeswehr an Betriebsstoff für die Ausbildung erforderlichen Finanzmittel werden jährlich ermittelt und in den jeweiligen Haushalt eingebracht. Im Jahre 1981 war es mit dem vorgesehenen Ansatz von 730 Millionen DM auf Grund der Preissteigerungen nicht möglich, die für den Betrieb der Bundeswehr unbedingt erforderliche Menge an Betriebsstoff zu beschaffen. Auch mit der Nachbewilligung der 155 Millionen DM liegen die Verbrauchskontingente noch um etwa 15 % unter dem Bedarf.
Eine Zusatzfrage, bitte!
Da habe ich eine Zusatzfrage. Wie ist es trotz der hohen Treibstoffvorräte zu begründen, daß Flugstunden eingeschränkt werden mußten?
Ich will jetzt zu Ihren langfristigen Planungen keine Antwort von Ihnen bekommen. Auf der anderen Seite weiß ich, daß wir im September bei Manövern sehr starke Beschränkungen hatten. Ich war selbst bei einem Manöver und habe mich vor Ort erkundigt. Diese Einschränkungen beim Treibstoffverbrauch wurden damit begründet, daß wir momentan nicht so viele Vorräte hätten.
Wie können Sie das nun in einen Zusammenhang bringen, auf der einen Seite genügend Vorräte, auf der anderen Manövereinschränkungen?
Ich bleibe bei meiner Einschätzung, daß der Treibstoffvorrat des Jahres 1981 15 % unter dem Bedarf gewesen ist.
Es ist allerdings bekannt, daß es im Jahr 1981 auch zum Ausfall von Ausbildungsflügen gekommen ist, weil Mittel aus anderen Titeln nicht zureichend beschafft werden konnten.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Können Sie mir aber bestätigen, daß wir nicht fürchten müssen, daß die Bundeswehr, sollten ähnliche Preissteigerungen eintreten, in ihrer Sicherheit gefährdet werden könnte?
Das kann ich nicht bestätigen.
({0})
Frau Kollegin Fromm, die Richtlinien für die Fragestunde sehen vor, daß der Fragesteller zu jeder Frage zwei Zusatzfragen hat. Sie haben aber nicht nur die zwei Zusatzfragen voll ausgeschöpft, sondern auch eine ganze Kette von Zusätzen und Erklärungen abgegeben, die nicht mehr den Richtlinien entsprochen haben. Ich habe nur deshalb nicht widersprochen, weil ich gegenüber einer Dame Kavalier sein und nicht streng nach den Richtlinien verfahren wollte. Bitte das nächstemal wieder eine Frage.
Eine Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dallmeyer.
Herr Staatssekretär, gestatten Sie im Zusammenhang mit den Fragen der Frau Kollegin, die j a zu Recht gestellt worden sind, die Zusatzfrage, ob nicht die Eindrücke, die hier ja richtig geschildert worden sind, in der Hauptsache dadurch entstanden sind, daß die Planung in diesem Haushaltsjahr außerordentlich hektisch vorgegangen ist, was die Zuteilung von Kraftstoffkontingenten anging.
Verehrter Herr Kollege Dallmeyer, der Ablauf des Haushaltsjahrs 1981 hat sicherlich verschiedene Ursachen. Eine Ursache, eine wesentliche Ursache liegt sicherlich darin, daß die Opposition ihre Aufgabe manchmal zu wörtlich gesehen hat.
({0})
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Mahne zur Verfügung.
Präsident Stücklen
Ich rufe die Frage 31 des Herrn Abgeordneten Lutz auf:
In wieviel Jahren spätestens wird eine schwächer belastete Bundesbahnstrecke praktisch unbefahrbar sein, wenn auf ihr nur noch die „Kleinstunterhaltung" gemäß HVB ({0})-Verfügung vom 28. September 1981 vorgenommen wird, und wieviel Streckenkilometer werden davon in Bayern betroffen sein?
Herr Kollege Lutz, wegen des Sachzusammenhangs möchte ich Ihre beiden Fragen gemeinsam beantworten.
Einverstanden. Dann rufe ich auch die Frage 32 des Herrn Abgeordneten Lutz auf:
Wenn durch den „Kleinstunterhalt" gemäß HVB ({0})-Verfügung vom 28. September 1981 die Strecke in den Zustand versetzt ist, daß die Betriebssicherheit nicht mehr gewährleistet werden kann, welche Stelle verfügt dann die endgültige Streckenstillegung, und in welchem Umfang wird vorher der Bahnbetrieb bei nur noch bedingt vorhandener Betriebssicherheit gefahren?
Herr Kollege, es trifft nicht zu, daß die Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn gemäß Verfügung vom 28. September 1981 Unterhaltungsmaßnahmen auf schwächer belasteten Strecken bzw. Streckenabschnitten außerhalb des sogenannten unternehmerischen Kernbereiches auf die Kleinstunterhaltung beschränkt. Richtig ist, daß der bisher schon bestehende Genehmigungsvorbehalt der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn für Investitionsvorhaben über 100 000 DM an Strecken außerhalb des oben genannten Bereiches angesichts der angespannten finanziellen Lage der Deutschen Bundesbahn aus haushaltstechnischen Gründen auf alle Vorhaben ausgedehnt wurde. Somit kann auch nicht abgeleitet werden, daß dieser Genehmigungsvorbehalt eine Vorstufe für spätere Streckenstillegungen darstellt.
Gemäß § 4 des Bundesbahngesetzes ist die Deutsche Bundesbahn gehalten, die Strecken in einem betriebssicheren Zustand zu erhalten. Eine Entbindung von der Betriebspflicht - dies gilt auch für die Einstellung des Reisezugbetriebes - ist nur mit einem entsprechenden gesetzlichen Verfahren möglich.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich davon ausgehen, daß mit dem jetzt beschlossenen Kleinstunterhalt auf gewissen Strecken diese Strecken nicht systematisch heruntergewirtschaftet werden und somit letztendlich doch in einer Einstellung des Personenverkehrs und vielleicht später des Güterverkehrs münden?
Nein, Herr Kollege, Sie können davon ausgehen, daß dies nicht der Fall sein wird. Die Verfügung des Vorstands der Deutschen Bundesbahn hat eigentlich ihre Begründung ausschließlich in der Erstellung einheitlicher Investitionskriterien auf allen Strecken, unabhängig von den jeweiligen Direktionen, um im Rahmen der zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel auch objektive Kriterien hierfür zu haben.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, halten Sie dann auch die Sorgen der Eisenbahner für unbegründet, daß auf den für den Kleinstunterhalt vorgesehenen Strecken besondere Schwierigkeiten bei Brückenbauten auftauchen könnten?
Herr Kollege, es gab bisher den Genehmigungsvorbehalt für Investitionen über 100 000 DM. Dieser Vorbehalt ist jetzt auf allen Investitionen ausgedehnt worden, und dies geschah ausschließlich vor dem Hintergrund der knappen Mittel. Ich glaube, dies ist von daher gerechtfertigt. Damit wird nicht angestrebt, eine Verkehrsbeschränkung auf den Strecken vorzunehmen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger ({0}).
Herr Staatssekretär, da sicherlich auch Ihnen wie uns allen bekannt ist, daß beim langfristigen Unterlassen von Investitionen für bestimmte Bahnstrecken die Attraktivität der Verkehre stark gemindert wird und dadurch auch die Zahl der Benutzer sinkt, kann das Verkehrsministerium ausschließen, daß diese durch die mangelnde Attraktivität ausgelöste Verminderung der Zahl der Reisenden wiederum als Argument benutzt wird, um schließlich doch die Stillegung eines bestimmten Verkehrs auf bestimmten Strecken zu fordern?
Herr Kollege, damit ist keine Attraktivitätsminderung der Strecke verbunden. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, daß Investitionen in den Strecken außerhalb des UKB-Netzes nur dann durchgeführt werden, wenn eine eingehende Überprüfung ihre unbedingte Notwendigkeit und ihre wirtschaftliche Vertretbarkeit ergeben hat. Wenn diese Notwendigkeit und die wirtschaftliche Vertretbarkeit gegeben sind, werden auch die Investitionen vorgenommen.
Weitere Zusatzfrage? - Herr Abgeordneter Haase.
Herr Staatssekretär, dürfte ich Ihre Antwort so verstehen, daß Reparaturarbeiten, die größeren Umfang haben und die nicht unter die Kleinstunterhaltung zu subsumieren sind, in den vergangenen Jahren völlig unbegündeterweise auf diesen Strecken vorgenommen worden sind?
Nein! Alle Unterhaltungsmaßnahmen über 100 000 DM waren bisher schon genehmigungspflichtig, Herr Kollege.
Weitere Zusatzfrage? - Herr Abgeordneter Antretter.
Herr Staatssekretär, ist es nach Ihren Darlegungen gerechtfertigt, wenn ich zu der grundsätzlichen Auffassung komme, daß wir einerseits Schienenstrecken, gegen die der Bürger bereits mit der Fahrkarte abgestimmt hat, indem er gar nicht mehr darauf fährt, nicht aus Prestigegründen
oder aus nostalgischen Gründen aufrechterhalten können, aber andererseits Schienenstrecken, die auf Grund ihres Aufkommens und der Siedlungsstruktur beispielsweise als sinnvoll erscheinen, auch künftig in unsere Nahverkehrsüberlegungen integrieren?
Herr Kollege, dieses ist genau richtig. Die Investitionspolitik der Deutschen Bundesbahn ist darauf ausgerichtet.
Weitere Zusatzfrage? - Herr Abgeordneter Hinsken.
Herr Staatssekretär, sind dann die Befürchtungen der GdED, wonach Nebenstrecken außerhalb des Kernbereichs verrottet werden sollen, berechtigt, ja oder nein? Sie weichen nämlich dieser gestellten Frage immer wieder aus.
Herr Abgeordneter Hinsken, diese Zusätze sind nach den Richtlinien für die Fragestunde nicht zulässig. Sie haben den Herrn Parlamentarischen Staatssekretär so direkt gefragt, daß er gar nicht ausweichen kann.
({0})
Ich würde mir auch nicht gern meine Antwort vorschreiben lassen, aber ich will Ihrer Frage durchaus nicht ausweichen.
Die Bundesbahn investiert in ihrem Streckennetz im Rahmen der zur Verfügung stehenden Mittel. Sie wird diese Mittel unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit und der unbedingten Notwendigkeit einsetzen, und sie wird sie so einsetzen, daß das Leistungsangebot der Bahn nicht verschlechtert wird.
({0})
Herr Abgeordneter Jäger, Sie wissen, es gibt da keine Diskussion, es gibt auch keine Inquisition. - Herr Abgeordneter Dr. Kunz zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, nachdem keine Aussicht auf Besserung der Finanzlage der Deutschen Bundesbahn besteht, möchte ich Sie fragen, wie die Bundesregierung in Anbetracht der soeben beschriebenen und von Ihnen bestätigten Einschränkung der Ausbesserung vermeiden will, daß in absehbarer Zeit zwangsläufig solche Strecken, an denen keine Reparaturen mehr vorgenommen werden, wegen mangelnder Verkehrssicherheit stillgelegt werden müssen.
Herr Kollege, ich habe darauf hingewiesen, daß die Bundesbahn gemäß § 4 Bundesbahngesetz gehalten ist, ihre Strekken in einem betriebssicheren Zustand zu erhalten. Eine Entbindung von der Betriebspflicht ist nur mit entsprechenden gesetzlichen Verfahren möglich. Ich gehe davon aus, daß die Verfügung des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn die Betriebssicherheit auf diesen Strecken nicht gefährdet, sondern weiterhin gewährleistet.
Weitere Zusatzfrage? - Frau Abgeordnete Schmidt ({0}).
Herr Staatssekretär, wenn sich, wenn ich Sie richtig verstanden habe, nichts geändert hat gegenüber den Verfügungen, die es vor dem letzten September gegeben hat, ist meine Frage: Warum war dann im letzten September seitens des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn eine neue Verfügung notwendig?
Frau Kollegin, Sie haben mich mißverstanden. Natürlich hat sich etwas geändert. Bis zur Verfügung im September waren alle Investitionen an Strecken, die über 100 000 DM kosteten, genehmigungspflichtig. Diese Genehmigungspflicht ist jetzt auf alle Investitionsmaßnahmen ausgedehnt worden, also auch auf die Maßnahmen, die unter 100 000 DM liegen.
Weitere Zusatzfrage? - Herr Abgeordneter Immer.
Herr Staatssekretär, inwieweit hält das Bundesverkehrsministerium an der einmal geäußerten Auffassung fest, daß bei der Frage, ob und inwieweit ganz bestimmte Strecken aufrechterhalten werden sollen, notfalls auch die Bundesländer in die Pflicht genommen werden sollten, jeweils zur Defizitdeckung beizutragen?
Herr Kollege, wir haben eine solche Möglichkeit der Beteiligung der Bundesländer durch die Novellierung des Bundesbahngesetzes versucht. Dieses war im ursprünglichen Entwurf enthalten. Es ist erkennbar gewesen, daß die Länder ihre Zustimmung zu diesem Gesetz verweigert hätten, wenn dieses im Gesetzentwurf geblieben wäre. Von daher müssen wir davon ausgehen, daß zur Zeit eine solche Möglichkeit, die uns auch wünschenswert erschiene, nicht gegeben ist.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Immer.
Inwieweit ist es sinnvoll, daß die Bundesländer bei jeder in Frage stehenden Stillegung oder Umwidmung einer Strecke ein lautes Geschrei erheben, wenn sie sich auf der anderen Seite nicht bereitfinden, notfalls für eine Dekkung des Defizits zu sorgen?
Die rechtliche Grundlage ist so, wie ich sie dargestellt habe. Auf der anderen Seite ist der Bundesminister für Verkehr der Auffassung, daß es insgesamt eines stärkeren Engagements für den öffentlichen Personennahverkehr sowohl von seiten der Länder als auch von seiten der Gemeinden, vor allem auch der Landkreise, bedarf, um ein Angebot zu erstellen, das bedarfsgerecht und so attraktiv ist, daß es vom Bürger auch entsprechend angenommen wird. Wir sind darum sehr bemüht und versuchen, durch Modellversuche ein at4008
traktives Verkehrsangebot auch in der Fläche zu schaffen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Herberholz.
Herr Staatssekretär, Sie führten aus, daß in Zukunft alle Unterhaltungsmaßnahmen genehmigungspflichtig seien. Darf ich das so verstehen, daß Sie z. B. bei einer reinen Frachtgutstrecke mit 57 Frachtgutkunden und 800 000 DM Minus im Jahr diese Genehmigung in Zukunft nicht erteilen?
Dieses ist eine Entscheidung des Vorstands, die jeweils im Einzelfall zu treffen ist. Deshalb kann ich hier keine Bewertung vornehmen.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Schmidt ({0}).
Herr Staatssekretär, haben Sie Kenntnis davon, daß die Bundesbahn aus dieser Maßnahme Personaleinsparungen erwartet?
Nein.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Haase ({0}).
Herr Staatssekretär, darf ich dann annehmen, daß die Erteilung von Genehmigungen, die bisher durch die Bundesbahndirektionen erfolgte und jetzt in die Zuständigkeit der Zentrale in Frankfurt fallen soll, neue Planstellen erfordert?
Dieses ist nicht der Fall, Herr Kollege.
Keine weitere Zusatzfrage. - Ich rufe die Frage 33 der Frau Abgeordneten Schmidt ({0}) auf:
Wieviel Streckenkilometer, die erst in den letzten zehn Jahren modernisiert worden sind, werden in Bayern demnächst durch einen Investitionsstopp gemäß HVB ({1})-Verfügung vom 28. September 1981 gezielt in den Zustand der nicht mehr vorhandenen Betriebssicherheit geführt, und wie hoch dürfte sich der daraus ergebende Investitionsfehlaufwand belaufen?
Herr Präsident, ich würde gern, wenn Sie gestatten, die Fragen 33 und 34 zusammen beantworten.
Dann rufe ich auch die Frage 34 der Frau Abgeordneten Schmidt ({0}) auf:
Sind die durch HVB ({1})-Verfügung vom 28. September 1981 vorentschiedenen grundsätzlichen Einschränkungen im Streckennetz der Deutschen Bundesbahn ({2}) mit den Gebietskörperschaften abgestimmt worden, und hat der Vorstand der DB den Gebietskörperschaften Alternativvorschläge zum weiteren vollen Unterhalt der Strecken unterbreitet?
Es trifft nicht zu, daß mit der von Ihnen zitierten Verfügung der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn ein Investitionsstopp ausgesprochen wurde. Richtig ist, daß der bisher schon be stehende Genehmigungsvorbehalt für Investitionsvorhaben über 100 000 DM angesichts der angespannten finanziellen Lage der Deutschen Bundesbahn aus haushaltstechnischen Gründen auf alle Vorhaben ausgedehnt wurde. Somit kann auch nicht abgeleitet werden, daß dieser Genehmigungsvorbehalt eine Vorentscheidung zu grundsätzlichen Einschränkungen im Streckennetz der Deutschen Bundesbahn und zur Reduzierung der Sicherheit darstellt.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, kann es möglich sein, daß aus dieser Anweisung des Vorstandes der Bundesbahn einzelne Bundesbahndirektionen eine Anweisung gemacht haben, daß künftig nur noch der Kleinstunterhalt an bestimmten Strecken durchzuführen ist? Wie unterscheidet sich dieser Kleinstunterhalt von den üblichen Sicherungsmaßnahmen an solchen Bundesbahnstrecken?
Frau Kollegin, die Weitergabe dieser Verfügung erfolgte innerhalb der einzelnen Direktionen, in der Regel unter Beigabe einer Übersichtskarte, in der die Strecken außerhalb des Streckennetzes des unternehmerischen Kernbereichs verzeichnet sind. Dieses ist verschiedentlich auch von der Presse so interpretiert worden, als sollten diese Strecken stillgelegt werden. Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß das aus dieser Verfügung des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn nicht zu ersehen bzw. zu schließen ist. Ich habe ferner darauf hingewiesen, daß es darauf ankommt, nach einheitlichen, objektiven, bundesweiten Kriterien auch die Unterhaltungsarbeiten an den Strekken vorzunehmen, die unter 100 000 DM an Investitionsmitteln erforderlich machen.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Wie viele Strekkenkilometer sind von diesen Maßnahmen zusätzlich betroffen?
Ich kann das nicht quantifizieren, Frau Kollegin.
Eine weitere Zusatzfrage.
Ist es gar nicht möglich oder könnten Sie diese Frage gegebenenfalls schriftlich nachreichen?
Von den 28 500 km sind etwa 11 000 bis 12 000 km betroffen. Aber ich kann es nicht genau quantifizieren.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, befürchten Sie, daß durch diese Maßnahmen gerade im ländlichen Raum Auswirkungen auf die Strukturpolitik möglich sind?
Nein, Frau Kollegin.
Ich möchte in diesem Zusammenhang gern mit einer Vorstellung aufräumen, die wir alle immer wieder vertreten und die uns von Bürgern in unseren Wahlkreisen immer wieder entgegengehalten wird. Das Verkehrsangebot im öffentlichen Personennahverkehr darf nicht ausschließlich auf den Bereich des Schienenpersonennahverkehrs beschränkt werden, sondern das Verkehrsangebot im öffentlichen Personennahverkehr muß in seiner Gesamtheit gesehen werden. Die Verkehrsleistungen, die z. B. durch Busse erbracht werden können, sind oft sehr viel bedarfsgerechter. sehr viel kundennäher, als das im Schienenpersonennahverkehr der Fall ist. Deshalb müssen wir diesen strukturellen Veränderungen in den jeweiligen Regionen auch Rechnung tragen.
Wir versuchen das durch die Entwicklung und Förderung entsprechender Modelle, auf die ich hingewiesen habe. Ich glaube, die Attraktivität des Personennahverkehrs insgesamt wird durch Umstellungsmaßnahmen des Personennahverkehrs von der Schiene auf die Straße nicht leiden, sondern teilweise erheblich gewinnen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Immer.
Herr Staatssekretär, nachdem Frau Kollegin Schmidt in ihrer zweiten Frage die Gebietskörperschaften angesprochen hat, möchte ich Sie fragen: Können Sie bestätigen, daß der Bundesverkehrsminister anläßlich eines Symposiums über den öffentlichen Personennahverkehr in Koblenz gesagt hat, daß der Landkreistag seine grundsätzliche Bereitschaft bekundet habe, sich an der Finanzierung oder Trägerschaft des Personennahverkehrs in Verbundsystemen zu beteiligen?
Der Bundesverkehrsminister hat diese Äußerung des Landkreistages, sich beim öffentlichen Personennahverkehr stärker zu engagieren, sehr dankbar zur Kenntnis genommen. Wir hoffen, in enger Zusammenarbeit mit dem Landkreistag und mit den Ländern nunmehr entsprechende Regelungen finden zu können, durch die die Attraktivität des öffentlichen Personennahverkehrs gerade in der Fläche gesteigert wird.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, inwieweit kann das sogenannte Hohenloher Modell auch für andere Räume attraktiv sein, und besteht die Möglichkeit, dieses Modell etwas mehr zu popularisieren, bekanntzumachen, damit sich solche Gebietskörperschaften daran orientieren können?
Das Hohenloher Modell wird durch fünf weitere Modellversuche in der Bundesrepublik ergänzt.
Ich glaube, das Hohenloher Modell brauchen wir nicht mehr bekanntzumachen, weil es bereits eine sehr starke Beachtung in der Öffentlichkeit gefunden hat. Nach Abschluß der Modellversuche werden aus ihnen sicherlich wichtige Erkenntnisse für die
Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs abgeleitet werden können.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lutz.
Herr Staatssekretär, der Hinweis auf den Bus zwingt mich doch noch einmal zu der Frage, ob die kleinstunterhaltene Strecke nicht ein Zwischenschritt zum schienenungebundenen Verkehr ist.
Das ist nicht zwangsläufig der Fall.
Eine weitere Zusatzfrage.
Sie sehen, daß hier noch viele Unklarheiten sind. Können Sie sich vorstellen, daß der Vorstand der Bundesbahn gut daran täte, die Frage des kleinstunterhaltenen Streckennetzes in der Öffentlichkeitsarbeit mit den Bürgern betont zu erörtern?
Herr Kollege, ich gehe davon aus, daß die Deutsche Bundesbahn dies in der jeweiligen Örtlichkeit auch tut. Wir haben hier ja nur die Möglichkeit, die Fragen global anzusprechen und können sicherlich nicht auf einzelne Strekken eingehen. Aber der Vorstand der Deutschen Bundesbahn hat die Einzelstrecken sehr genau überprüft. Ich muß noch einmal darauf hinweisen, daß es hier lediglich um einen Investitionsvorbehalt geht, der weitere Investitionen und Unterhaltungsarbeiten auch in der Zukunft ermöglichen und sicherstellen wird, daß die Strecken in einem betriebssicheren Zustand erhalten bleiben.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Haase ({0}).
Herr Staatssekretär, können Sie sich vorstellen, daß es zu erheblichen Beunruhigungen im Bereich der Arbeitnehmer der Deutschen Bundesbahn führen kann, wenn Sie antworten, daß die Maßnahmen im Rahmen des „Kleinstunterhaltes" nicht zwangsläufig zu Einschränkungen führen müssen?
Herr Kollege, wir können die Deutsche Bundesbahn und das Strekkennetz nicht als ein Netz sehen, daß keinen Veränderungen unterliegen wird. Wir haben bei der Bundesbahn erhebliche Investitionen in den Neubau von Strecken vorgesehen und nehmen solche Investitionen vor. Das bestehende Streckennetz bedarf aber jeweils auch einer Überprüfung entsprechend dem Verkehrsaufkommen, das auf diesem Netz liegt. Insofern müssen auch hier notwendige Veränderungen bei der Umstellung des Verkehrs von der Schiene auf die Straße möglich sein, wenn wir nicht letztlich eine Bahn mit einem Streckennetz unterhalten wollen, das wir nicht mehr finanzieren können.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Haase.
Herr Staatssekretär, aus der Anordnung der Deutschen Bundesbahn, daß eingeschränkte Leistungen auch dann nicht vorgenommen werden dürfen, wenn sie durch eigenes Personal - Bundesbahnpersonal - durchgeführt werden könnten, muß doch wohl gefolgert werden, daß es hier zu erheblichen Personaleinschränkungen kommen kann. Ansonsten wären doch die bisherigen Personalaufwendungen jedenfalls nicht denkbar.
Herr Kollege, nun sind eigene Personalkosten natürlich auch Kosten. Wenn ich das Personal dann in anderen Bereichen einsetzen kann, habe ich diese Kosten gespart, ohne daß hier eine Minderung des Personals vorgenommen wird.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hinsken.
Herr Staatssekretär, sind Sie auch dann - wie die Deutsche Bundesbahn - für die Verlagerung des Personenverkehrs von der Schiene auf die Straße, wenn die Straßenverkehrssituation dies nicht zuläßt?
Herr Kollege Hinsken, das muß jeweils von Fall zu Fall geprüft werden. Generell kann ich nur die Feststellung treffen, daß Umstellungsmaßnahmen bisher nicht an der Situation des Straßenverkehrs gescheitert sind, weil die wenigen zusätzlichen Busse, die auf die Straße verlagert werden, von dieser durchaus verkraftet und aufgenommen werden können. In Einzelfällen mag das anders sein; dem muß man dann Rechnung tragen.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Kann ich dann davon ausgehen, daß Bundesregierung und Bundesbahn würdigen, was von der Länderseite gewünscht und verdeutlicht wird, bzw.: wie verhält sich die Bundesregierung, wenn von dort festgestellt wird, daß die eine oder andere Verlagerung nicht vorgenommen werden kann?
Herr Kollege, jede Maßnahme muß jeweils in der Örtlichkeit abgestimmt werden. Forderungen, die hier in der Örtlichkeit erhoben werden, werden sicherlich in die Entscheidungen des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn einfließen. Soweit es sich um Streckenstillegungen handelt, müssen der Verwaltungsrat und der Bundesverkehrsminister gehört werden. Hier würden solche örtlichen Belange in den Entscheidungen natürlich auch mit berücksichtigt werden.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 35 des Herrn Abgeordneten Haase ({0}) auf:
Hält die Bundesregierung es für vertretbar, daß festgeschriebene Planungen für das Erweiterungsnetz der S-Bahn Nürnberg durch eine Anordnung der Bundesbahndirektion Nürnberg vom 1. Oktober 1981 über die Reduzierung von Reparaturarbeiten bis faktisch Null auf 25 v. H. des Streckennetzes in Nordbayern außer Kraft gesetzt werden?
Herr Kollege Haase, nach Angabe der Deutschen Bundesbahn trifft es nicht zu, daß festgeschriebene Planungen für das Erweiterungsnetz der S-Bahn Nürnberg durch eine Anordnung der Bundesbahndirektion Nürnberg außer Kraft gesetzt werden. Eine Anordnung vom 1. Oktober 1981 ist nicht bekannt.
Zusatzfrage, bitte.
Ist es richtig, daß die Strecke von Siegelsdorf nach Markt Erlbach zum erweiterten Nahverkehrsstreckennetz der S-Bahn im Großraum Nürnberg gehört, und ist es dann richtig, daß diese Strecke in der Anordnung der Bundesbahndirektion vom 26. 10. 1981 steht und hier keine Reparaturen mehr ausgeführt werden sollen, die über diese Kleinstreparaturen hinausgehen?
Herr Kollege Haase, Sie werden Verständnis dafür haben, daß ich hier überfragt bin. Ich habe das Streckennetz der Deutschen Bundesbahn auch für den Raum Nürnberg insgesamt nicht präsent. Ich würde Ihre Frage gern schriftlich beantworten.
Weitere Zusatzfrage.
Vielen Dank für das Angebot. - Herr Staatssekretär, unterstellt, meine Feststellungen sind hier richtig, kann ich damit rechnen, daß das Bundesverkehrsministerium sich im Sinne Ihrer vorhergehenden Ausführungen dafür verwenden wird, daß hier eine Korrektur vorgenommen wird?
Wenn Ihre Feststellung zutreffend ist, dann ja.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 36 des Herrn Abgeordneten Haase ({0}) auf:
Hält es die Bundesregierung mit den von ihr festgestellten Grundsätzen über den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs ({1}) für vereinbar, daß Züge in diesem Verkehr zur Hauptverkehrszeit nicht an Bahnhöfen, die für den ÖPNV-Verkehr erst vor kurzem ausgebaut wurden, halten?
Herr Kollege, die Deutsche Bundesbahn muß auch im öffentlichen Personennahverkehr ihr Verkehrsangebot nach einer allgemeinen, regelmäßigen und ausreichend großen Verkehrsnachfrage ausrichten. Werden nach den Verkehrsbeobachtungen einzelne Züge oder Zughalte regelmäßig in nicht ausreichendem Maße genutzt, so ist die Deutsche Bundesbahn auf Grund ihrer Pflicht zu wirtschaftlicher Betriebsführung gehalten, ihr Verkehrsangebot vom nächstfolgenden Fahrplanwechsel an darauf abzustellen. Die Bedienungskonzeption wird damit nicht vorrangig nach dem Vorhandensein von Bahnhöfen oder Haltepunkten ausgerichtet, sondern nach der Nachfrage und Ertragserwartung für jeden einzelnen Zug.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß im Zuge des ZIP-Programms eine Anzahl von Bahnhöfen im Bereich des öffentlichen
Haase ({0})
Nahverkehrs auf S-Bahn-Qualitäten umgestellt wurde, also zu einem Zeitpunkt, zu dem doch absehbar war, wie hoch die Frequentierung dieser Bahnhöfe ist, und ist eine solche absehbare Regelung nun dadurch erledigt, daß die Züge an diesen Bahnhöfen jetzt nicht mehr halten?
Herr Kollege, vielleicht kann ich diese Frage sogar konkreter beantworten. Wenn es sich in Ihrer Frage um die Bahnhöfe Fürth-Burgfarrnbach und Fürth-Unterfürberg handelt, dann kann ich Ihnen sagen, daß entgegen Ihrer Auffassung die beiden Bahnhöfe nicht vor kurzem ausgebaut sind. Richtig ist, daß bei beiden Bahnhöfen vor kurzem Bahnunterführungen gebaut wurden. Aus diesem Grunde konnte Personal eingespart werden. Außerdem wurden die Bahnhöfe mit Fahrscheinautomaten ausgestattet. Wie ich aus der mir überstellten Kopie des Fahrplans ersehen habe, ist es so, daß auf der Strecke Fürth-Markt Erlbach lediglich in Fürth-Unterfürberg der Zug 4908 am Vormittag nicht hält. Auf umgekehrtem Weg halten in Fürth-Unterfürberg von insgesamt 14 Zügen fünf nicht. In Fürth-Burgfarrnbach halten zwei Züge nicht.
Das zeigt, daß die Züge an diesen Bahnhöfen weitestgehend halten und daß man hier dem Verkehrsbedürfnis und Verkehrsaufkommen nachgekommen ist.
Noch eine Zusatzfrage. Bitte.
Herr Staatssekretär, ich bedanke mich sehr herzlich dafür, daß Sie fast Gedanken gelesen haben. Sind Sie bereit, noch einmal bei der Bundesbahndirektion Nürnberg nachzufragen, ob der Bahnhof und der Bahnsteig in Fürth-Unterfürberg oder in Fürth-Burgfarrnbach nicht doch im Zug der Maßnahmen, die Sie vorhin geschildert haben, ebenfalls ausgebaut worden sind?
Ich will gern nachfragen und werde Ihnen das Ergebnis meiner Recherchen mitteilen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 37 des Herrn Abgeordneten Rossmanith auf:
Trifft es zu, daß die Fahrpreisermäßigung für kinderreiche Familien bei der Deutschen Bundesbahn für Fahrten mit Bussen der Deutschen Bundesbahn keine Gültigkeit haben und daß Kinder aus kinderreichen Familien, die im Besitz eines entsprechenden Ausweises sind, hier keine Fahrpreisermäßigung erhalten und bejahendenfalls, ist die Bundesregierung bereit, hier eine Gleichstellung für Bahn und Busse herbeizuführen?
Herr Kollege Rossmanith, es trifft zu, daß es - mit Ausnahme derjenigen Bahnbuslinien, auf denen Schienenersatzverkehr betrieben wird - keine Fahrpreisermäßigung für kinderreiche Familien für Fahrten mit Bussen der Deutschen Bundesbahn gibt.
Die Fahrpreisermäßigung für kinderreiche Familien ist im Jahr 1956 aus familienpolitischen Gesichtspunkten eingeführt worden, um kinderreichen Familien das gemeinsame Reisen auf der Schiene über größere Entfernungen zu Urlaubs- und Erholungszwecken zu erleichtern. Wegen der engen Verzahnung mit dem Fernverkehr wurde der Schienenpersonennahverehr damals in die Tarifmaßnahme einbezogen. Die Fahrgeldausfälle der Deutschen Bundesbahn, die sich im Jahr 1981 auf rund 60 Millionen DM belaufen werden, trägt der Bund.
Der Bahnbusverkehr rechnet zu den Nahverkehrsmitteln mit eigenem Tarifsystem. Zwischen seinen Tarifen und denen des Postreisedienstes besteht eine sehr enge Verbindung.
Eine Ausdehnung dieser Fahrpreisermäßigung auf die in der Verkehrsgemeinschaft zusammengefaßten Bundesbusdienste würde sich nicht vermeiden lassen und zu erheblicher haushaltsmäßiger Belastung des Bundes führen.
Darüber hinaus wäre die Einführung solcher Ermäßigungen in Tarifgemeinschaften, an denen sich die Busdienste des Bundes beteiligen, ebenfalls aus Kostengründen nicht möglich.
Die Bundesregierung wird daher die jetzige Regelung beibehalten.
Eine Zusatzfrage. Bitte.
Herr Staatssekretär, bedeutet Schienenersatzfunktion, daß an diesen Strekken, an denen bislang keine Schiene bestanden hat, die also schon immer auf Busse angewiesen waren, diese Ermäßigung ebenfalls nicht gilt?
Das ist richtig, Herr Kollege.
Eine weitere Zusatzfrage.
Sehen Sie darin nicht eine zusätzliche Benachteiligung kinderreicher Familien und der Fläche als solcher?
Herr Kollege, ich habe den Zielkonflikt deutlich gemacht. Einmal gilt es sicherzustellen, daß kinderreiche Familien über weite Entfernungen unter erheblichen Vergünstigungen reisen können. Ich habe Ihnen die Entwicklung dieses Familienangebots dargestellt. Auf der anderen Seite habe ich Ihnen den Zielkonflikt auch hinsichtlich der Finanzierung dieser Maßnahmen deutlich gemacht. 60 Millionen DM, die wir jetzt für diese Maßnahme ausgeben, ist die obere Grenze des von uns Finanzierbaren. Es ist nicht immer nur eine Frage des Wünschbaren, sondern es ist eben auch eine Frage des Machbaren.
Eine weitere Zusatzfrage. Herr Abgeordneter Jäger ({0}).
Herr Staatssekretär, da Sie uns soeben mit beredten Worten die Vorzüge einer bedarfsgerechteren Deckung der Flächenbedienung durch die Umstellung von Schienenverkehr auf Busverkehr dargelegt haben: bedeutet das nicht, daß die von Ihnen dargelegte Haltung der Bundesregierung im Grunde wie die Faust aufs Auge zu der von Ihnen ebenfalls vorhin geschilderten Umstellung von Personenschienenverkehr auf Busverkehr
Jäger ({0})
paßt, bei der ja nun immer mehr Familien schließlich darauf angewiesen sind, den Bus zu benutzen, um auch eine Fernreise antreten zu können, zumindest bis zum nächsten Bahnhof, wo dann der Intercity-Zug geht?
Herr Kollege, soweit es sich um reinen Schienenersatzverkehr handelt, ist dieser Schienenersatzverkehr ja in die Fahrpreisermäßigung mit einbezogen. Soweit es sich um eine volle Ausgliederung des Schienenpersonennahverkehrs in den Busverkehr auf die Straße handelt, ist das nicht mehr der Fall. Hier muß man, eben vor diesem Hintergrund des Zielkonflikts, den ich dargestellt habe, wirklich abwägen, und hier sehen wir keine Möglichkeit der Aufbesserung.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 38 des Herrn Abgeordneten Daweke auf. - Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird entsprechend den Richtlinien nicht beantwortet. Das gleiche gilt für die Frage 39.
Bevor ich die Frage 40 aufrufe, darf ich mitteilen, daß die Fragen 42 und 43 auf Wunsch des Abgeordneten Milz schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 40 des Abgeordneten Dr. Kunz ({0}) auf:
Inwieweit treffen Pressemeldungen zu, daß die Deutsche Bundesbahn erneut plane, die Auslastung von DB-Schienenstrecken zu überprüfen mit dem Ziel, gegebenenfalls das vorgeschriebene Verfahren zur Verlagerung oder Einstellung des Personenverkehrs einzuleiten, insbesondere für die DB-Strecken Bayreuth-Kirchenlaibach, Kirchenlaibach-Weiden, Bayreuth-Weidenberg, Weiden-Floß, Wiesau-Waldsassen bzw. Wiesau-Tirschenreuth?
Herr Dr. Kunz, die Deutsche Bundesbahn überprüft laufend die Verkehrsentwicklung der nur schwach genutzten Strekken. Auf Grund des Nachfragerückgangs strebt sie weiterhin die Umstellung des Reisezugbetriebes der Strecken Bayreuth-Warmensteinach, Neustand-Floß, Wiesau-Waldsassen und Wiesau-Tirschenreuth an.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, können Sie mir die Unterlagen zur Verfügung stellen, die bei den Überprüfungen letzten Endes zu dieser Entscheidung bzw. zu der beabsichtigten Entscheidung herangezogen werden?
Herr Kollege, dieses beruht ausschließlich auf der Entwicklung des Verkehrsaufkommens. Wir sind gern bereit, Ihnen das frühzeitig an die Hand zu geben.
Noch eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, treffen dann in der Tat die Pressemeldungen zu, die auf Äußerungen von GdEB-Funktionären beruhen, daß die von mir angesprochenen Strecken künftig zumindest Gefahr laufen, stillgelegt zu werden?
Die von Ihnen angesprochene Strecke Kirchenlaibach-Weiden - das möchte ich gleich feststellen - wird nicht umgestellt werden; diese Strecke wird aus strukturellen Gründen beibehalten. Für die anderen von Ihnen genannten Strecken ist das Verfahren vorerst ausgesetzt worden. Hier soll die Verkehrsentwicklung abgewartet werden. Wann das Stillegungsverfahren weitergeführt wird, ist noch nicht abzusehen. Die Verkehrsentwicklung auf diesen Strecken ist mit Ausnahme einer Strecke, Wiesau-Tirschenreuth, wo sich das Verkehrsaufkommen von 1976 bis 1980 gehalten hat, rückgängig, teilweise erheblich rückgängig.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 41 des Herrn Abgeordneten Hupka auf:
Welches sind die Gründe dafür, daß in einem Werbeprospekt der Deutschen Bundesbahn „Städte-Touren 1981/82" Städte wie Kopenhagen, Brüssel, Luxemburg, Straßburg, Venedig und Prag mit den uns geläufigen deutschen Namen angeführt werden, während Breslau zuerst mit der polnischen dann mit der deutschen Bezeichnung in Klammern angeführt wird?
Herr Kollege Dr. Hupka, der Bundesminister für Verkehr hat auf entsprechende Fragen früher schon mehrfach gegenüber Mitgliedern des Deutschen Bundestages, insbesondere in der Sitzung des Deutschen Bundestages vom 30. Januar 1975, durch den damaligen Parlamentarischen Staatssekretär Jung auch Ihnen gegenüber ausgeführt, daß sich die Deutsche Bundesbahn hinsichtlich der Ortsbezeichnungen im Prospektmaterial an den praktischen Bedürfnissen der Reisenden ausrichten muß. Nicht überall im Ausland können bei der Planung und Durchführung von Reisen gebräuchliche deutsche Städtenamen zugrunde gelegt werden. Besonders in den früheren deutschen Ostgebieten kann sich der Reisende mit den deutschen Ortsbezeichnungen leider nicht mehr zurechtfinden, da dies verhindert wird. Entsprechend einer Forderung der polnischen Seite gegenüber der Deutschen Bundesbahn bei der Vereinbarung dieses Reiseprogramms ist deshalb der heutige amtliche polnische Name für Breslau angegeben worden. Dem berechtigten Interesse der deutschen Reisenden, auch den früheren deutschen Ortsnamen in dem Prospekt zu finden, wurde durch den Klammerzusatz Rechnung getragen.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, warum hat sich aber nun die Deutsche Bundesbahn einer derartigen, doch wohl ungewöhnlichen polnischen Forderung gebeugt, wenn es andererseits derartige Forderungen aus der Tschechoslowakei bezüglich Prag oder aus Frankreich bezüglich Straßburg nicht gibt?
Die Bundesbahn hat sich dem nicht gebeugt, sondern hat hier in einer Vereinbarung mit der polnischen Eisenbahnverwaltung eine entsprechende Regelung getroffen.
Weitere Zusatzfrage, bitte.
Wenn eine Vereinbarung mit der polnischen Eisenbahnverwaltung getroffen worden ist, muß doch irgendwie eine Forderung der polnischen Bahn vorgelegen haben?
Dieses habe ich in meiner Antwort auf Ihre Frage schon dargelegt.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger ({0}).
Herr Staatssekretär, hätte aus den von Ihnen angegebenen Gründen für die Doppelbezeichnung nicht auch in der Weise auf die polnische Forderung Rücksicht genommen werden können, daß für die Städte, die der Kollege Hupka anführt, zunächst der gebräuchliche deutsche Name und dann in Klammern die polnische Bezeichnung gesetzt worden wäre, und aus welchen Gründen ist dies nicht getan worden?
Ich habe schon darauf hingewiesen, Herr Kollege Jäger, daß heute die deutschen Städtenamen in Polen nicht mehr zu finden sind. Ihre Erstnennung hätte der Orientierung der Reisenden wenig gedient. Aus diesem Grunde ist so verfahren worden, daß der deutsche Name angefügt wurde.
({0})
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Möller.
Herr Staatssekretär, was wären die Folgen gewesen, wenn sich die Deutsche Bundesbahn den Forderungen der polnischen Bahn nicht angeschlossen hätte?
Ich vermag Ihre Frage nicht zu beantworten.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Rossmanith.
Herr Staatssekretär, habe ich richtig verstanden, daß Sie in Ihrer Antwort an den Kollegen Jäger die deutschen Ostgebiete als Polen bezeichnet haben?
Sie haben mich richtig verstanden. Das sind Gebiete, die sich heute in Polen befinden.
({0})
Keine weiteren Wortmeldungen.
Ich rufe die Frage 44 des Herrn Abgeordneten Fischer ({0}) auf:
Warum ist der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesministerium für Verkehr, Mahne, nicht in der Lage, meine konkret gestellten Fragen nach dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme von den fragwürdigen Markterschließungspraktiken der Deutschen Lufthansa durch Staatssekretär Ruhnau konkret zu beantworten?
Herr Fischer, die Bundesregierung widerspricht Ihrer Unterstellung, es habe „fragwürdige Markterschließungspraktiken der Lufthansa" gegeben. Der Aufsichtsrat der Deutschen Lufthansa hat sich am 24. September 1981 mit einer Vorstandsentscheidung befaßt, nach der seinerzeit für einen bestimmten umsatzsteigernden Zweck Finanzmittel eingesetzt worden waren. Diskussionen und Entscheidungen des Aufsichtsrats sind nicht öffentlich.
Im übrigen habe ich Ihre Frage unter Beachtung der Regeln des Aktienrechtes am 21. Oktober 1981 be antwortet.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, Sie würden also heute nicht mehr bestreiten wollen, daß jedenfalls Herr Staatssekretär Ruhnau seit 1977 bereits von den zumindest in der Presse so bezeichneten merkwürdigen Markterschließungspraktiken gewußt hat?
Ich kann das weder bestreiten noch kann ich es bejahen. Denn nach § 395 des Aktiengesetzes sind Aufsichtsratsmitglieder von Gebietskörperschaften lediglich diesen gegenüber von der Verschwiegenheitspflicht befreit. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse - und hierzu gehören auch in vielfältiger Form Markterschließungskosten - müssen in jedem Fall gewahrt bleiben. Dies gilt z. B. auch für Beamte gegenüber dem Bundestag, den Länderparlamenten und deren Ausschüssen.
Herr Kollege, ich will noch auf die Entstehungsgeschichte des § 395 Aktiengesetz hinweisen. Damals hatte der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages weitergehende Auskunftsrechte bei Aktionären von Gebietskörperschaften beantragt. Dieser Antrag ist jedoch vom Deutschen Bundestag abgelehnt worden.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Sie sehen zwar die Schutzfunktion, aber Sie sahen keinen Anlaß, einen Bericht der „Welt" vom 9. Oktober zu dementieren.
({0})
Ich frage, aus welchem Grunde Sie diesen Anlaß nicht gesehen haben, da bereits im Juni 1977 der gesamte Sachverhalt, der jetzt erneut untersucht worden ist, aufgeklärt war und nach diesem Bericht auch die Aufsichtsratsmitglieder Hesselbach und Ruhnau davon gewußt haben. Ich darf Sie also fragen, welches die Gründe sind, diesen Bericht nicht zu dementieren.
Ein solches Dementi hätte, wenn es gegeben worden wäre, sicherlich die Verschwiegenheitspflicht bereits verletzt.
({0})
Keine weiteren Zusatzfragen. Wir sind am Ende der Fragestunde.
Präsident Stücklen
Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({0}) zu dem Gesetz zur Förderung der Berufsbildung durch Planung und Forschung ({1})
- Drucksache 9/1081 Berichterstatter: Senator Apel
Wünscht der Berichterstatter das Wort? - Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Senator Apel.
Senator Apel ({2}): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Namens des Vermittlungsausschusses erstatte ich zu dem soeben aufgerufenen Berufsbildungsförderungsgesetz folgenden Bericht:
Der Deutsche Bundestag hat das Gesetz in seiner 55. Sitzung am 1. Oktober 1981 verabschiedet, das die Rechtsgrundlagen für die Arbeit des Bundesinstituts für Berufsbildung - kurz BIB genannt - wiederherstellen soll, nachdem das Bundesverfassungsgericht das Ausbildungsplatzförderungsgesetz am 10. Dezember 1980 für nichtig erklärt hatte.
Der Bundesrat hat in seiner 505. Sitzung am 6. November 1981 den Vermittlungsausschuß angerufen und eine Änderung des Gesetzesbeschlusses in neun Punkten mit vielen Unterpunkten begehrt. Der Vermittlungsausschuß hat in seiner 5. Sitzung am 25. November 1981 diese Änderungsbegehren des Bundesrates behandelt und schlägt Ihnen dazu einen Kompromiß vor. Er liegt Ihnen schriftlich in der Drucksache 9/1081 vor.
Das erste Anrufungsbegehren des Bundesrates bezog sich auf den § 2 Abs. 2. Umstritten war, ob es dort, so der Bundestag, „Bildungsplätze" heißen sollte oder ob es, so der Bundesrat, „Ausbildungsplätze" sein sollen. Der Vermittlungsausschuß ist dem Bundesrat in diesem Punkt gefolgt. Das erscheint sachangemessen, weil in Abs. 1 die Berufsbildungsplanung zunächst umfassend verstanden wird und weil sodann in Abs. 2, um den es hier allein geht, die Schwerpunkte gesetzt werden. Danach soll diese Planung insbesondere dazu beitragen, ein ausreichendes Angebot an Ausbildungsplätzen zu gewährleisten. Das ist in der Tat die Hauptaufgabe des Instituts. Die so gefundene Formulierung - ich hebe das hervor - schließt jedoch nicht aus, daß in die Planung auch Plätze für Fortbildung und Umschulung einbezogen werden.
Das § 5 - Berufsbildungsstatistik - betreffende zweite Anrufungsbegehren des Bundesrates ist vom Vermittlungsausschuß nicht aufgenommen worden. Der Vermittlungsausschuß folgt damit dem Gesetzesbeschluß des Bundestages.
Drittens. Ein neuer Abs. 2 in § 5 stellt klar, daß die Auskunftspflicht für die Daten zur Bundesstatistik bei den „zuständigen Stellen" liegt. Der Bundesrat hatte geltend gemacht, daß ohne die genaue Benennung des Kreises der Befragten die Statistik zu einem wesentlichen Teil nicht vollziehbar sei. Ich darf hier hinzufügen, daß die Einfügung dieses neuen Absatzes die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes nach Art. 84 Abs. 1 des Grundgesetzes auslösen dürfte. Nach den Einlassungen der Vertreter der Länder, die naturgemäß unter Kabinettsvorbehalt standen, ist mit der Zustimmung des Bundesrates zu rechnen, wenn das Gesetz in der nun vom Vermittlungsausschuß vorgeschlagenen Fassung angenommen wird. Auch heute inzwischen angelandete Nachrichten aus den südlichen Teilen unserer Heimat dürften daran, so unterstelle ich, nichts ändern.
Das vierte Anrufungsbegehren betraf den § 6 Abs. 1 und damit den Sitz des Instituts in Berlin und seine Außenstelle. Das Anrufungsbegehren wurde vom Vermittlungsausschuß nicht aufgenommen. Statt dessen hielt der Vermittlungsausschuß eine Erklärung, die hiermit ausdrücklich Gegenstand dieses Berichts wird, für ausreichend. Danach betrachtete der Vermittlungsausschuß das Anliegen des Bundesrates als erledigt. Die Erklärung hat folgenden Wortlaut:
1) Der Vermittlungsausschuß nimmt die Erklärung der Bundesregierung zur Kenntnis, daß in Berlin bleibt, was in Berlin ist.
2) Der Vermittlungsausschuß erwartet, daß der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft erneut prüft, ob und in welchem Umfang Aufgaben, die zur Zeit in der Außenstelle Bonn wahrgenommen werden, nach Berlin übertragen werden können. Der Ausschuß nimmt die Erklärung des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft zur Kenntnis, daß er an dieser Überprüfung mitwirken wird.
3) Der Vermittlungsausschuß fordert den Bundesminister für Bildung und Wissenschaft auf, darauf hinzuwirken, daß der Generalsekretär des Bundesinstituts für Berufsbildung seinen ständigen Sitz in Berlin nimmt.
Das fünfte Anrufungsbegehren betraf den § 6 Abs. 2 - Aufgaben des Berufsbildungsinstituts - mit einer ganzen Reihe von Unterpunkten.
Erstens. Der Vermittlungsausschuß empfiehlt, in Abs. 2 der Einleitung die Worte „im Rahmen der Bildungspolitik der Bundesregierung" zu streichen, weil dann entbehrlich, wenn - das ist der zweite Vorschlag des Vermittlungsausschusses zu § 6 - nicht nur die Mitwirkung an Ausbildungsordnungen und dergleichen dem Weisungsrecht des zuständigen Bundesministers unterstellt wird - diese Beschränkung wollte der Bundesrat -, sondern auch die Mitwirkung am Berufsbildungsbericht und an der Statistik, so wie der Bundestag das beschlossen hat. Der Vermittlungsausschuß schlägt Ihnen vor, so zu beschließen.
Drittens. Überbetriebliche Ausbildungsstätten sollen, so schlägt der Vermittlungsausschuß weiter vor, in die Förderung des Berufsbildungsinstituts einbezogen bleiben, wie der Deutsche Bundestag das beschlossen hatte. Dem Begehren des Bundesrates soll aber insoweit entgegengekommen werden, als diese Bestimmung bis zum 31. Dezember 1986 befristet wird. Sollte diese Aufgabe dann weiter wirSenator Apel ({3})
ken, wäre erneutes gesetzgeberisches Handeln nötig.
Viertens. Der Vermittlungsausschuß schlägt weiter vor, es dabei zu belassen - so der Deutsche Bundestag in seinem Gesetzesbeschluß -, daß das Institut die Bundesregierung in Fragen der beruflichen Bildung aus eigenem Recht berät und nicht - so das Anrufungsbegehren des Bundesrates - nur auf Anforderung der Bundesregierung gutachtlich tätig wird. Dem Vermittlungsausschuß erschien eine solche vom Bundesrat gewünschte Einschränkung der Kompetenzen insbesondere des Hauptausschusses wegen der Bedeutung der dort vertretenen Gruppen und Personen nicht angemessen.
Fünftens. In bezug auf die Berufsbildungsforschung hat sich im Vermittlungsausschuß die restriktive Linie des Bundesrates durchgesetzt. Danach sollen die Förderung neuer Medien und die Entwicklung von Prüfungsaufgaben nicht mehr zu den besonderen Aufgaben des Instituts gehören. Die Tätigkeit des Instituts im Rahmen der allgemeinen Forschungsaufgaben schließt indes auch diesen Aufgabenbereich nicht aus. Weiter soll es auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses bei dem Gesetzesbeschluß des Bundestages bleiben, nach dem die Anerkennung von Fernlehrgängen weiterhin vom Bundesinstitut selbst durchgeführt wird.
Die übrigen Änderungen zu § 6 Abs. 2 sind von nachgeordneter Bedeutung. Überwiegend wurde dem Deutschen Bundestag gefolgt. Ich bitte, die Einzelheiten aus der Drucksache zu entnehmen.
Zu § 6 Abs. 3 - Verordnungsermächtigung -: Der Bundestag wollte den zuständigen Bundesminister ermächtigen, durch Rechtsverordnung eine - begrenzte - Aufgabenerweiterung des Instituts vornehmen zu können. Dem Vermittlungsausschuß erschien das einerseits entbehrlich, weil der Aufgabenkatalog in Abs. 2 aus heutiger Sicht umfassend sei. Im Rahmen des normalen Verwaltungshandelns könne daher wohl jedes konkrete Problem bearbeitet werden, das unter diesen weitgefaßten Tatbestand zu subsumieren sei. Andererseits sei es angemessen, erneut gesetzgeberisch tätig zu werden, wenn es sich um eine völlig neue, heute auch noch nicht im Ansatz erkennbare Aufgabe handele, die dem Institut übertragen werden solle. Der Vermittlungsausschuß ist insoweit dem Bundesrat gefolgt.
Das siebte Anrufungsbegehren betraf § 8 Abs. 2, die Aufgaben des Hauptausschusses. Der Bundesrat wünschte, daß, abgesehen von der Generalklausel in § 8 Abs. 1, dem Hauptausschuß keine weiteren Aufgaben zugewiesen werden. Der Vermittlungsausschuß ist dem in der Hauptsache nicht gefolgt. Er schlägt vor, die Formulierung des Gesetzesbeschlusses des Deutschen Bundestages zu übernehmen, demzufolge der Hauptausschuß die Bundesregierung in grundsätzlichen Fragen der Berufsbildung zu beraten hat. Er wünscht jedoch, daß eine Spezifizierung und insoweit Schwerpunktsetzung, wie der Deutsche Bundestag sie beschlossen hat, nicht erfolgt. Er empfiehlt also, alles zu streichen, was auf den soeben zitierten Satz folgt und mit den Worten „Er hat insbesondere" beginnt. Dies bezieht sich auf die Nummern 1 bis 5 in § 8 Abs. 2 Satz 2.
Die Ziffern 8 und 9 des Anrufungsbegehrens des Bundesrates sind entfallen, weil in dem Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses die vorausgesetzten Änderungen in § 6 Abs. 2 nicht enthalten sind.
Abschließend darf ich darauf hinweisen, daß der Vermittlungsausschuß gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen hat, daß über die Änderungen im Deutschen Bundestag gemeinsam abzustimmen ist.
Namens des Vermittlungsausschusses darf ich das Hohe Haus um Zustimmung bitten.
({4})
Wird das Wort zur Abgabe einer Erklärung gewünscht? - Dies ist nicht der Fall. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Der Vermittlungsausschuß hat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen, daß über die vorliegenden Änderungen gemeinsam abzustimmen ist. Wer dem Antrag des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 9/1081 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke. Gegenprobe! - Eine Gegenstimme. Stimmenthaltungen? - Keine Stimmenthaltungen. Der Antrag des Vermittlungsausschusses ist mit großer Mehrheit angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Laufs, Dr. Dregger, Spranger, Dr. Riesenhuber, Bohl, Broll, Dr. Bugl, Fellner, Dr. von Geldern, Gerstein, Dr. Götz, Dr. Jentsch ({0}), Dr. Jobst, Krey, Dr. Kunz ({1}), Lenzer, Lowack, Magin, Dr. Miltner, Niegel, Regenspurger, Dr. Stark ({2}), Volmer, Dr. Waffenschmidt, Weiß, Zierer, Schwarz und der Fraktion der CDU/CSU
Erhöhung der Rechtssicherheit atomrechtlicher Genehmigungsverfahren
- Drucksache 9/953 Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist für die Aussprache eine Debattenrunde vereinbart worden. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Dies ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die allgemeine Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Schäfer ({3}).
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Uns liegt ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion zur - angeblichen - Erhöhung der Rechtssicherheit atomrechtlicher Genehmigungsverfahren vor. Ich will auf diesen Antrag mit einigen Bemerkungen kurz eingehen.
Das Atomgesetz, das die rechtliche Vorschrift zur Genehmigung kerntechnischer Anlagen ist, ist eindeutig. Es sieht vor, daß bei der Genehmigung kerntechnischer Anlagen - ich zitiere jetzt - „nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Errichtung und den Betrieb der Anlage getroffen werden muß".
Schäfer ({0})
Mit dieser im deutschen Recht einmaligen Forderung - Stand von Wissenschaft und Technik - trägt der Gesetzgeber dem besonders hohen Gefährdungs- und Schadenspotential kerntechnischer Anlagen Rechnung.
Die bindende Rechtsvorschrift des Atomgesetzes hat sich bewährt. Sie ist eine der wesentlichen Ursachen für den hohen Sicherheitsstandard der Kernkraftwerke in der Bundesrepublik Deutschland. An dieser Bestimmung darf auch im Interesse von Sicherheit und Schutz der Bevölkerung nicht gerüttelt werden, übrigens auch nicht und erst recht nicht auf Grund von wirtschaftlichen Überlegungen.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluß vom 8. August 1978 zum Schnellbrutreaktor in Kalkar die Genehmigungsbehörde in Auslegung des § 7 des Atomgesetzes auf einen dynamischen Grundrechtsschutz festgelegt. Damit bin ich bereits bei dem Antrag der CDU/CSU. Das Gericht sagt hierzu - ich zitiere jetzt wörtlich -:
Die gesetzliche Fixierung eines bestimmten Sicherheitsstandards durch die Aufstellung starrer Regeln würde, wenn sie sich überhaupt bewerkstelligen ließe, die technische Weiterentwicklung wie die ihr jeweils angemessene Sicherung der Grundrechte eher hemmen als fördern. Sie wäre ein Rückschritt auf Kosten der Sicherheit.
Das Prinzip des dynamischen Grundrechtsschutzes verbietet also eine Festschreibung des Standes von Wissenschaft und Technik durch den Gesetzgeber, aber nach unserer Auffassung auch auf dem Wege einer Rechtsverordnung, wie es die CDU/CSU im vorliegenden Antrag verlangt. Damit wäre nämlich die vom Verfassungsgericht verlangte dynamische Fortentwicklung der Sicherheitstechnik unterbunden. Selbst wenn eine solche Rechtsverordnung gegebenenfalls bestehende Rechtsuntersicherheiten beseitigen könnte, dürfte dies nicht auf Kosten der bestmöglichen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge geschehen. Genau das würde aber eine Realisierung des Antrags der CDU/CSU-Fraktion bedeuten.
Ich will dies nur an einigen Punkten des Antrags belegen. Ich halte mich dabei an die Begründung und greife nur einige der Begründungspunkte heraus, da ich mich angesichts der zeitlichen Begrenzung nicht zu jedem Ihrer Argumente äußern kann und will. Es wird deutlich, daß Sie Ihren Antrag schnell hingeschludert haben, daß der Antrag nicht bis ins letzte durchdacht ist. Begründung Nummer eins: Sie behaupten, die Bundesregierung habe sich bislang auf den Erlaß von Richtlinien zu technischen Einzelfragen beschränkt; eine allgemein verbindliche Regelung der entscheidenden Frage, bei welcher Ausführung eine Anlage die erforderliche Vorsorge hätte, sei nicht erfolgt. Diese Feststellung ist schlichtweg falsch. Sie wissen, daß die im Atomgesetz niedergelegten grundlegenden Schutzziele in der Strahlenschutzverordnung rechtsverbindlich festgelegt sind. In der Strahlenschutzverordnung werden, wie Sie wissen, beispielsweise die maximal zulässige Ganzkörperdosis für die Umgebung, die maximal zulässige Störfallplanungsdosis und schließlich der Grundsatz, die Strahlenbelastung so gering wie möglich zu halten, festgelegt. Die technischen Anforderungen werden, wie Sie wissen, in einzelnen Sicherheitskriterien verbindlich konkretisiert. Diese Verwaltungsrichtlinien sind im übrigen für die Genehmigungsbehörden der Länder ebenfalls bindend. Kurzum, Ihre Behauptung ist in diesem Punkt nicht zutreffend. Es sind nicht nur Richtlinien zu technischen Einzelfragen vorhanden, sondern es besteht auch ein umfassendes rechtliches und technisches Regelwerk für die Genehmigung kerntechnischer Anlagen.
Ich will auf einen weiteren Punkt in Ihrer Begründung zu sprechen kommen, bei dem es sicherheitsmäßig etwas bedenklich wird. Ich meine Ihre in der Begründung angeführte Behauptung, wesentliche konzeptrelevante Änderungen der sicherheitstechnischen Auslegungsgrundsätze seien in absehbarer Zukunft nicht zu erwarten. Diese Einschätzung ist nicht richtig. Sie wissen, daß zur Zeit auch in der RSK, auch bei den Leuten, die mit der Sicherheit kerntechnischer Anlagen von Berufs wegen befaßt sind, eine Reihe von Diskussionen geführt wird, beispielsweise über die Auslegung unter dem Aspekt möglicher Flugzeugabstürze, über Maßnahmen, die bei einem Unfall eine Beschädigung oder ein Schmelzen des Reaktorkerns verhindern bzw. weniger wahrscheinlich machen, Maßnahmen zur Schadenseindämmung, die dann wirksam werden, wenn trotz aller Präventionsmaßnahmen ein Kernschmelzen eintreten sollte.
({1})
Alle diese Maßnahmen entsprechen noch nicht dem Stand von Wissenschaft und Technik. Die weitere Diskussion darüber würde abgeschnitten, wenn wir mit einer Raktorsicherheitsverordnung den Stand von Wissenschaft und Technik festschreiben würden. Ich will aus den zehn mir wichtigen Argumenten Ihres Antrags noch zwei nennen. Argument Nummer vier: Nicht jede geringfügige Entwicklung könne als neuer Stand von Wissenschaft und Technik interpretiert werden, so behaupten Sie. Sie dürfe nicht zum Anlaß für langwierige Auseinandersetzungen in Verwaltungsstreitverfahren genommen werden.
({2})
Sie führen dann das Beispiel des Berstschutzes an. Zum Berstschutz komme ich nachher noch gesondert. Aber nun generell zu Ihrer Vorstellung, man könne den Stand von Wissenschaft und Technik einfrieren und ihn dann gegebenenfalls stufenweise verändern.
({3})
Ich sage noch einmal: Dies widerspricht dem Verfassungsgerichtsurteil zu Kalkar, in dem ausdrücklich der Grundsatz, daß beim jeweiligen Genehmigungsverfahren der jeweilige Stand von Sicherheit und Technik auch in der fortschreitenden Sicherheitsgewinnung zu berücksichtigen ist, festgeschrieben wird, in dem den Genehmigungsbehörden ausdrücklich diese Auflage gemacht wird. Wir würden hier zu
Schäfer ({4})
einer Einschränkung der Sicherheitsauflagen kommen, wenn wir Ihnen folgten.
Im übrigen macht gerade das Beispiel des Berstschutzes deutlich, meine Damen und Herren von der Union, wie schnell sich die Auffassung auch der Wissenschaftler zu wichtigen sicherheitstechnischen Fragen verändern kann. Ich habe mir noch einmal das herausgesucht, was die Reaktorsicherheitskommission zum Berstschutz zunächst beschlossen hat. Ich beziehe mich auf den 28. April 1976 und den 10. November 1976.
Damals hat die Reaktorsicherheitskommission im Falle des Kernkraftwerkes Ludwigshafen den Berstschutz für erforderlich gehalten. Die Reaktorsicherheitskommission hat am 10. November 1976 darauf hingewiesen, daß mit dem Konzept für das Kernkraftwerk BASF ein Fortschritt in der Sicherheitstechnik verbunden ist. Das bedeutet im Klartext: Notwendigkeit eines Berstschutzes für dieses Kernkraftwerk. Seine Realisierbarkeit wurde im Rahmen einer Konzeptbeurteilung nachgewiesen, so die Reaktorsicherheitskommission.
({5})
Am 5. Juli 1977 ist die schriftliche Begründung des Urteils des Oberverwaltungsgerichts zu Wyhl vorgelegt worden. Am 14. März 1977 haben die Verwaltungsrichter in Freiburg das Kernkraftwerk Wyhl deswegen als nicht genehmigungsfähig bezeichnet, weil der für Ludwigshafen verlangte Berstschutz dort nicht vorgesehen sei.
Zwischen dem 14. März 1977 und dem 5. Juli 1977 hat dann die Reaktorsicherheitskommission ihr eigenes Votum vom November 1976, daß ein Berstschutz einen Sicherheitsgewinn darstellen werde, widerrufen und den Berstschutz als nicht notwendig erklärt.
Ich will jetzt nicht über die Kompetenzen von RSK und SSK Ausführungen machen; ich will nicht Ihr Augenmerk darauf lenken, wie schnell auch Wissenschaftler ihre Auffassung ändern können, zwischen November 1976 und Mai 1977; ich will nur sagen, daß diese Fortentwicklung im Bereich der sicherheitstechnischen Beurteilung dann, wenn das, was Sie heute vorschlagen, meine Damen und Herren, Wirklichkeit werden würde, im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren nicht mehr berücksichtigt werden könnte. Kurzum, sicherheitstechnische Fortschritte würden bei Ihrem Vorschlag eingefroren werden.
Im übrigen würde eine Festschreibung dessen, was Sie vorschlagen, in einer Rechtsverordnung auch keine Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens bedeuten können, weil nämlich dann im Streitfall das Verwaltungsgericht jedes einzelne technische Detail der Anlage nachprüfen müßte. Das würde dazu führen, daß die zum Teil schon heute überlasteten Gerichte bis in jede einzelne technische Frage hinein nachprüfen müßten, ob das Genehmigungsverfahren tatsächlich entsprechend der Rechtsverordnung abgelaufen wäre. Das würde eine weitere Verzögerung bedeuten.
({6})
Meine Damen und Herren, ich will in aller Kürze noch zwei Anmerkungen zur Beschleunigung anfügen. Es liegt dem Bundesrat der Entwurf der Bundesregierung zur Beschleunigung atomrechtlicher Genehmigungsverfahren vor. Besser wäre es, von Rationalisierung zu sprechen. Es liegt am Bundesrat, diesem Verfahren zuzustimmen. Mit diesem Verfahren wird keine Einbuße an Sicherheit und Schutz der Bevölkerung bewirkt. Darüber hinaus bleiben die Beteiligungsrechte der Bürger gewahrt.
Noch eine kurze Bemerkung zum Investitionsstau. Indirekt ist in Ihrem Antrag auch dieses Argument enthalten. Bei der Union verändern sich die Zahlen zum Investitionsstau laufend. Kollege Kohl hat im Februar einen Investitionsstau in diesem Jahr von 30 Milliarden DM beklagt, im April einen solchen von 50 Milliarden DM. 12 Tage später, ebenfalls im April, waren es 100 Milliarden DM. Ein Teil dieses angeblichen Investitionsstaus wird auf die angebliche Blockade kerntechnischer Anlagen zurückgeführt.
Ich führe Ihnen einmal einige dieser angeblichen Blockaden vor. Damit will ich deutlich machen, wo die Ursachen liegen. Zunächst zum Kernkraftwerk Borken ({7}). Der Antrag wurde am 11. September 1974 gestellt. Stand per 1. September 1981: Bis heute wurde vom Antragsteller kein Sicherheitsbericht vorgelegt; bislang war lediglich eine vorläufige Prüfung des Standorts möglich. Investitionsstau? Es wurde noch kein Sicherheitsbericht vom Antragsteller vorgelegt!
({8})
Ich komme jetzt zum Antrag betreffend Vahnum/ Rhein ({9}). Der Antrag wurde am 29. November 1974 nach § 7 des Atomgesetzes gestellt. Das Genehmigungsverfahren ruht im Einvernehmen zwischen dem Antragsteller und den Genehmigungsbehörden.
({10})
Ich rufe auf: Neupotz I. Der Antrag wurde am 16. Juni 1977 gestellt. Der Antragsteller beabsichtigt, bis Ende 1981/Anfang 1982 ein neues, sicherheitstechnisch fortentwickeltes Reaktorkonzept vorzulegen.
Ich rufe auf: Ohu II ({11}). Der Antrag wurde am 13. Februar 1979 gestellt. Es ist eine sogenannte Konvoi-Anlage. Die RSK hat am 14. Oktober 1981 eine positive Empfehlung ausgesprochen.
Zum Schluß rufe ich noch Biblis C auf. Der Antrag wurde am 18. April 1975 gestellt. Dieser Antrag wurde zurückgezogen. Ein neuer Antrag wurde am 18. Oktober 1980 gestellt. Es handelt sich ebenfalls um eine Konvoi-Anlage. Auch hier ist die Genehmigungsvoraussetzung durch das Zurückziehen des ur4018
Schäfer ({12})
sprünglichen Antrags durch den Antragsteller entfallen.
({13})
Meine Damen und Herren, wir werden der Überweisung zustimmen. Herr Kollege Laufs und Herr Bugl, wir sind dankbar, daß wir im Ausschuß über die Frage der Änderung des § 7 des Atomgesetzes noch einmal in aller Ruhe beraten können.
Die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags hat sich in der vorigen Wahlperiode lange mit dieser Frage befaßt. Ich empfehle Ihnen die Lektüre eines entsprechenden Rechtsgutachtens im Materialband 2. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, daß es im Grundsatz beim derzeitigen rechtlichen Instrumentarium bleiben soll. Der Gesetzgeber hat zu verantworten, daß kerntechnische Anlagen sicherheitsmäßig verantwortbar sind. Die Genehmigungsbehörde hat dann im einzelnen den Sicherheitsanforderungen des Gesetzgebers Rechnung zu tragen. Die Behörden sind insoweit - das gestehe ich Ihnen zu - durch die Schutzvorgaben allgemeiner Art gebunden. Das Regelungswerk - Strahlenschutzverordnung und entsprechende Sicherheitsrichtlinien, die Ihnen bekannt sind - reicht grundsätzlich aus, dem dynamischen Rechtsschutz, wie er im Atomgesetz zwingend vorgeschrieben ist, Rechnung zu tragen.
Ihr Antrag, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, geht in die Leere. Damit würde der Stand von Wissenschaft und Technik zumindest auf absehbare Zeit festgeschrieben. Er könnte eine Minderung von Sicherheit und Schutz der Bevölkerung mit sich bringen. Er geriete darüber hinaus in Kollision mit dem von mir zitierten Verfassungsgerichtsurteil zu Kalkar. Er führte auch nicht zu der von Ihnen gewünschten Beschleunigung, und zwar weder im Genehmigungsverfahren noch bei möglichen anhängigen gerichtlichen Entscheidungen.
Wir lehnen Ihren Antrag deswegen in der Sache ab. Wir stimmen der Überweisung zu, weil wir die Hoffnung haben, Sie bei ausführlicher Beratung im Innenausschuß von unserer richtigen Auffassung überzeugen zu können.
({14})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Laufs.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In keinem anderen Land ist der Sicherheitsstandard der Kernkraftwerke höher als in unserem. Das ist gut für uns, und so soll es bleiben. Sorgfalt kostet Zeit und zusätzliches Geld. Aber damit lassen sich die im internationalen Vergleich unangemessen lang gewordenen Bauzeiten für deutsche Anlagen längst nicht mehr erklären.
({0})
Die Ursache für den Investitionsstau und die unnötigen Verzögerungen ist in der Entscheidungsschwäche und der Unsicherheit der SPD/FDP-Regierungspolitik zu finden, die sich an die Kernkraftnutzung nicht wirklich herantraut.
({1})
In dem Maße, wie sich in den 70er Jahren die Kernkraftkontroverse verschärfte, verlängerten sich auch die atomrechtlichen Genehmigungsverfahren. In SPD/FDP-regierten Ländern bewegt sich seit nahezu zehn Jahren überhaupt nichts mehr. Obwohl eine ganze Reihe von Anträgen vorliegen, wurde in Nordrhein-Westfalen und Hessen kein Neubau mehr genehmigt.
Warum ist das so, Herr Kollege Schäfer? In unionsregierten Ländern sind in dieser Zeit zehn Anträge auf die erste Teilerrichtung vorgelegt und genehmigt worden.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schäfer?
Bitte.
Das ist nicht der Punkt, um über Genehmigungen oder Nichtgenehmigungen zu streiten.
Meine Frage: Stimmen Sie mit mir überein, daß beispielsweise das Kernkraftwerk Wyhl auf Grund der politischen Entscheidung der Landesregierung Baden-Württemberg nicht gebaut worden ist - die ich in der Sache für richtig halte -, daß es gegenwärtig nicht eine kerntechnische Anlage gibt, deren Bau oder Planung auf Grund einer Gerichtsentscheidung blockiert wäre? Würden Sie mir das bitte bestätigen?
Das bestätige ich. Aber das ist gerade nicht der Punkt, um den es hier geht, Herr Kollege Schäfer. Ich weise Sie darauf hin, daß in SPD/FDP-regierten Ländern seit nahezu zehn Jahren keine Genehmigungen mehr erteilt worden sind. Die aufsichtspflichtige und weisungsbefugte Bundesregierung, in deren Auftrag die Länder das Atomgesetz vollziehen, lehnte es stets entschieden ab, die Verfahrensweise der Länder zu beanstanden oder gar beschleunigend auf sie einzuwirken.
Trotz eines enorm gestiegenen Bedarfs an billigem Kernenergiestrom in der Grundlast hat sie nichts getan, um die Rechssicherheit der atomrechtlichen Verfahren zu erhöhen und die nahezu unkalkulierbar gewordenen Investitionsrisiken der Wirtschaft - hier geht es ja um Milliardenbeträge - abzubauen und zu beseitigen.
Angesichts dieser Situation ist es unglaublich, wie die Bundesregierung versucht, jede Verantwortung für den Investitionsstau im Bereich der Kernenergie zu leugnen. Es gibt überhaupt keinen Zweifel: Der Bundesregierung fehlte es bisher an einem tragfähigen Willen, die gesetzlichen und verwaltungsrechtlichen Möglichkeiten zur Nutzung der Kernenergie wahrzunehmen und auszuschöpfen. An Ihnen, Herr Kollege Schäfer, ist offensichtlich die seit Jahren geführte Diskussion über die fehlende Rechtssicherheit in den Atomverfahren völlig vorbeigegangen.
({0})
Aber bei der Bundesregierung scheint sich inzwischen ein Wandel angebahnt zu haben. Sie hat in ihrer Regierungserklärung vom 24. November 1980 ihren Willen geäußert, die Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Ein Katalog von Vorschlägen ist in diesem Jahre auch erarbeitet worden. In der dritten Fortschreibung des Energieprogramms wird ebenfalls hervorgehoben, daß der gegenwärtige Beitrag der Kernenergie sowie die Planungs- und Bauzeiten nicht den energie- und industriepolitischen Erfordernissen entsprechen.
({1})
Wenn aber nun in Hessen nach siebenjähriger gewissenhafter Begutachtung alle beteiligten Sachverständigen und Behörden der Errichtung des Blocks Biblis C zustimmen und die Regierung Börner mit immer neuen Vorwänden die Genehmigung verweigert und aufschiebt, so muß man sich fragen, welchen Wert alle großen Absichtserklärungen und Energieprogramme dieser Bundesregierung überhaupt noch haben.
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Hier geht es doch schon lange nicht mehr um Fragen der Sorgfalt und Sicherheit, sondern um das politische Überleben einer SPD-Regierung, die sich ihrer Basis nicht mehr verständlich machen kann.
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Es scheint gewiß zu sein, daß die von der Bundesregierung vorgesehenen organisatorisch-administrativen Maßnahmen zur Beschleunigung der atomrechtlichen Genehmigungsverfahren für Kernkraftwerke nicht greifen werden, wenn die Rechtssicherheit dieser Verfahren nicht erhöht wird. Deshalb hat die CDU/CSU den vorliegenden Antrag eingebracht. Er geht von der Tatsache aus, daß die Verordnungsermächtigungen des Atomgesetzes nicht genutzt wurden und der Erlaß einer Störfallverordnung, einer Radioökologieverordnung und einer Reaktorsicherheitsverordnung heute noch aussteht.
Die Entscheidung über die letztlich politische Frage, wann die erforderliche Vorsorge gegen Schäden getroffen ist, wird in langwierigen Verfahren den Verwaltungsrichtern aufgebürdet. Den Gerichten wird eine Verantwortung zugemutet, die richtigerweise die Exekutive tragen müßte.
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Diese verzichtet verängstigt auf politisches Handeln und wartet ab, bis die Gerichte gesprochen haben. Die Wertentscheidungs- und Gestaltungsdefizite der Bundesregierung wirken wiederum verunsichernd auf die Rechtsprechung zurück, die keine klaren rechtlichen Regelungen auf die Sachverhalte anwenden kann, sondern eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe konkret ausfüllen muß. Bis die Entscheidung über den Baubeginn oder die Betriebsgenehmigung in Rechtskraft erwachsen kann, vergehen deshalb jeweils sechs bis sieben Jahre.
Professor Walther Fürst, der ehemalige Präsident des Bundesverwaltungsgerichts, sprach davon, daß der Richter in die Rolle eines Beckmessers gedrängt werde und Gefahr laufe, selbst unglaubwürdig zu werden, weil er entscheiden müsse, obgleich er wegen unzureichenden Sachverstandes nicht zu entscheiden vermöge. Die Gerichte sind deshalb auch vielfach zu unterschiedlichen Auffassungen gelangt. Diese Situation ist nicht nur für den Antragsteller, sie ist auch für den betroffenen Nachbarn völlig unbefriedigend.
In der gleichen Lage befinden sich die Beamten in den Genehmigungsbehörden und die Gutachter, die von der politischen Führung alleingelassen werden. Als sich das politische Klima für die Kernenergienutzung verschlechterte, gingen sie dazu über, mit zunehmend pessimistischen Annahmen zu rechnen, um auf diese Weise auch hypothetisch diskutierte Unsicherheiten des Vorsorgenachweises abzudekken und ihre Aussagen in den verwaltungsgerichtlichen Streitverfahren bestandsfest zu machen.
Die Genehmigungsverfahren ersticken seit dem in einer Flut von Papier. Das formale Absicherungsbedürfnis der verantwortlichen Behörden und Gutachter schlägt sich in einem verzehnfachten Dokumentationsaufwand nieder. Das Papiergewicht übersteigt häufig das Gewicht der Kraftwerkskomponente. Mit echtem Sicherheitsgewinn hat dies längst nichts mehr zu tun.
Ich möchte Ihnen an Hand eines Beispiels aufzeigen, wie sich das Fehlen verbindlicher Normen auswirkte und die Auflagen in den Genehmigungsverfahren geradezu groteske Formen annehmen konnten.
In der Bundesrepublik Deutschland müssen Kernkraftwerke, unabhängig von der Flugdichte über dem Standort, gegen Flugzeugabsturz ausgelegt werden. In allen anderen Ländern sieht man wegen der geringen Eintrittswahrscheinlichkeit des Ereignisses Flugzeugabsturz exakt auf ein Kernkraftwerk davon ab. In den Sicherheitskriterien des Bundesinnenministers heißt es dazu sehr allgemein, daß die folgenschwersten Einwirkungen sowie Kombinationen von verschiedenen Einwirkungen und Störfällen berücksichtigt werden müssen, soweit das gleichzeitige Eintreten auf Grund der Wahrscheinlichkeit und des Schadensmaßes in Betracht gezogen werden muß.
Da das Ereignis eines Flugzeugabsturzes auf ein Kernkraftwerk mit seinen Folgewirkungen nicht weiter beschrieben wird, können die allgemeinen Sicherheitsanforderungen des Bundesinnenministers unter beliebig ungünstigen Annahmen für den Störfallablauf betrachtet werden. Das gilt für den Impuls und den Auftreffwinkel des Flugzeugs, das Ausmaß der Trümmerwirkungen, die Folgeereignisse beim Brand des Flugzeugtreibstoffs an der ungünstigsten Gebäudestelle, den Betriebszustand des Reaktors, die Wetterlage usw. Es ist geradezu uferlos möglich, pessimistische Annahme auf pessimistische Annahme zu häufen.
Im Genehmigungsverfahren muß nun der Nachweis einer ausreichenden Schadensvorsorge in dem Sinne geführt werden, daß die sicherheitstechnisch wichtigen Anlageteile auch bei Flugzeugabsturz funktionstüchtig bleiben und die Überschreitung
der in der Strahlenschutzverordnung festgelegten Grenzwerte der radioaktiven Expositionen wirkungsvoll verhindern. Für den Ganzkörper sind es 5 rem pro Jahr.
Ungeklärt und offen ist dabei die Frage, in welchem Umfang die Ernährungsketten bei der Berechnung der radioaktiven Belastung der Umwelt berücksichtigt werden müssen. Es ist wohl jedermann verständlich, daß es für die sicherheitstechnische Auslegung eines Kernkraftwerks gegen Flugzeugabsturz einen erheblichen Unterschied macht, ob man im Störfall die Strahlenexposition über Nahrungsaufnahme durch administrative Maßnahmen zu vermeiden erlaubt - etwa durch Aufkauf des verseuchten Grases und der Milch - oder von der Annahme ausgehen muß, daß sich eine Person - über einen Zeitraum von 50 Jahren betrachtet - in der Kraftwerksumgebung ununterbrochen an der ungünstigsten Stelle der radioaktiven Einwirkungen aufhält und alle Nahrungsmittel für diese Person dort erzeugt werden.
Es ist eine eminent politische Entscheidung, ob es bei einem hypothetischen Störfall gerechtfertigt ist, den Berechnungen eine Folge weiterer extremer Konservativismen zugrunde zu legen. Die herrschende Meinung der Sachverständigen verneint dies, weil sich das Restrisiko auf diese Weise nicht wirklich vermindern läßt, solange ganz andere Störfälle auftreten können, die mit höheren Risiken behaftet sind.
Die zuständige Bundesregierung äußert sich dazu nicht und entzieht sich ihrer Pflicht zur Rechtsetzung. Die sicherheitstechnischen Maßnahmen werden deshalb unausgewogen. Die Aufwendungen von Zeit und Geld bringen nicht den besten Nutzen für die Sicherheit.
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Risiko als Maßzahl für Schadensausmaß und Ungewißheit ist nicht vorstellbar. In einer politisch verunsicherten Umwelt neigt man dazu, Schadensfolgen für sich allein zu betrachten, auch wenn diese völlig unwahrscheinlich sind. Katastrophenabläufe sind auch vielfach in einer jede Freisetzungsphysik verleugnenden Weise dem Publikum ausgemalt worden. So sind sie aber tatsächlich unrealistisch. Die Ergebnisse umfangreicher in- und ausländischer Experimente zur Erforschung von Kühlmittelverluststörfällen - landläufig bekannt unter dem Begriff "China-Syndrom" - deuten darauf hin, daß bisherige Annahmen weitaus zu pessimistisch waren. Es sieht ganz so aus, als würde auch ein Kernschmelzunfall in deutschen Kernkraftwerken zu keinem oder nur geringfügigem Umweltschaden führen. Die gefürchtete Dampfexplosion, die so gewaltig verläuft, daß sie die Sicherheitshüllen zerstört, scheint physikalisch unmöglich zu sein.
Alle vorliegenden Erfahrungen und Erkenntnisse rechtfertigen es, den Sicherheitsstandard für deutsche Druckwasserreaktoren üblicher Bauart zu normieren und das Regelungsdefizit durch Rechtsverordnungen zu verringern.
Die Bundesregierung selbst begründet ihre Vorschläge zur Verkürzung der genehmigungsrechtlichen Verfahrensdauer und zur Standardisierung der modernen Druckwasserreaktoren mit der Konsolidierung der sicherheitstechnischen Entwicklung. Ihr ist zuzustimmen, wenn sie feststellt, daß die wesentlichen sicherheitstechnischen Annahmen in den letzten Jahren auf einem hohen Niveau konvergierten.
Bei einer Anhörung von Sachverständigen der Begutachtungs- und Beratungsgremien, Landesgenehmigungsbehörden, Betreiber und Hersteller vor der Arbeitsgruppe Reaktorsicherheit und Strahlenschutz des Innenausschusses ergab sich dieser Tage übereinstimmend, daß die deutsche Sicherheitskonzeption vor spektakulären Änderungen bewahrt werden müsse. Die Einführung der unterirdischen Bauweise oder der fernbetätigten Containmentbelüftung, wie sie von der Bundesregierung im Hinblick auf die Akzeptanz weiterer Kernkraftwerke erwogen wurde, würde den Sicherheitsstandard nicht erhöhen, sondern eine Vielzahl neuartiger Probleme und Unsicherheiten mit sich bringen. Wenn diese Überlegungen zutreffen, bestehen keine Bedenken, das sicherheitstechnische Konzept, die zu beherrschenden Störfälle und die für die Störfallbeherrschung maßgeblichen Schutzziele in einer Reaktorsicherheitsverordnung für Druckwasserreaktoren heute üblicher Bauart zu konkretisieren und verbindlich festzulegen.
Was die rechtliche Zulässigkeit einer Reaktorsicherheitsverordnung betrifft, so vermutet der Herr Kollege Schäfer einen Konflikt zwischen der Verrechtlichung von Sicherheitsstandards und dem dynamischen Vorsorgegebot nach dem Stand von Wissenschaft und Technik. Der Gesetzgeber hat jedoch der ausführenden Gewalt mit Bedacht Verordnungsermächtigungen zur Ausgestaltung der unbestimmten Rechtsbegriffe erteilt.
Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich nur gegen eine gesetzliche - ich betone: gesetzliche - Fixierung eines bestimmten Sicherheitsstandards Bedenken geäußert und in seiner Kalkar-Entscheidung vom 8. August 1978 ausgeführt - Herr Kollege Schäfer, Sie haben hier nicht vollständig, nicht richtig zitiert -, daß sich die bestehende Rechtsunsicherheit u. a. durch Rechtsverordnungen der Exekutive verringern lasse.
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Die CDU/CSU fordert die Bundesregierung mit dem vorliegenden Antrag dazu auf. Sie wünscht sich eine zügige Beratung und Umsetzung, damit die politische Zielsetzung zur Zukunftssicherung der Energieversorgung unseres Volkes ohne Einbuße an Sicherheit und Rechtsschutz auch tatsächlich erreicht werden kann.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Hirsch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ausführungen des Kollegen Laufs lassen mich nur schwer der Versuchung widerstehen, mich ebenfalls von dem Antrag,
den Sie eingebracht haben, zu lösen und mehr darüber zu sprechen, ob die Sicherung unserer industriellen Zukunft tatsächlich, unabhängig von der Energiequelle, die wir wählen, davon abhängt, daß wir immer mehr Energie erzeugen, daß wir eine immer größere Abhängigkeit von elektrischer Energie erleben müssen unter gleichzeitiger unglaublich gigantischer Verschwendung der dabei erzeugten Abwärme, oder ob nicht vielmehr die Entwicklung unserer industriellen Gesellschaft davon abhängt, daß es uns gelingt, endlich mit dem kostbaren Gut Energie sorgfältiger umzugehen. Dies sage ich unabhängig davon, welche Energiequelle wir wählen.
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- Ich glaube nicht, daß die Denkweise einen Schaden anrichtet, sondern ich denke, daß die physikalischen Konditionen auch durch Denken nicht verändert werden können, nämlich die Tatsache, daß bei der Erzeugung elektrischer Energie ein hoher Prozentsatz der Primärenergie - zur Zeit jedenfalls - ziemlich nutzlos verwendet wird, um unsere Luft und unsere Flüsse aufzuheizen, was ja nicht im Sinn des Erfinders sein kann. Da können Sie noch so viel denken; das ist einfach so.
Herr Kollege Laufs, Sie gehen in einer für mich unbegreiflichen Weise über eine ganze Reihe von Tatsachen hinweg. Sie nehmen sie seit langer Zeit nicht zur Kenntnis, z. B. die Tatsache, daß es im Bereich der Kraftwerke keinen Investitionsstau, sondern Genehmigungshalden gibt,
({1})
wie Herr Kollege Schäfer dargestellt hat. Es gibt in Nordrhein-Westfalen, wie Sie wahrscheinlich wissen, die Möglichkeit, elf Kohlekraftwerke zu bauen. Die Genehmigungen werden nicht ausgenutzt.
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- Zu den Kernkraftwerken wissen Sie - das haben wir uns neulich im Innenausschuß vortragen lassen -, daß von 17 Verfahren 9 völlig ordnungsgemäß laufen, während 8 andere Verfahren darunter leiden, daß entweder erteilte Genehmigungen nicht fortgeführt werden,
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daß nur Standortanfragen gemacht werden, daß die Sicherheitsberichte seit über zehn Jahren nicht vorgelegt worden sind oder die Verfahren in Übereinstimmung mit den Antragstellern zur Ruhe gebracht worden sind. Das ist doch der Sachverhalt.
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- Ach, politischer Druck! Ich wäre bereit, wenn ich die Redezeit hätte - ({5})
- Ich kenne die Verhältnisse in Nordrhein-Westfalen. Deswegen sage ich Ihnen das ja. Aber das gilt
bei Kernkraftwerken in anderen Ländern genauso. Hier eine Schwarze-Peter-Jagd anzustellen ist doch ziemlich sinnlos.
Und Sie übergehen eines, Herr Kollege Laufs: daß die Akzeptanz von Kernkraft und die Zahl der Verfahren, die wir haben, ja doch nicht etwa nur von der Kompliziertheit von Vorschriften, sondern von der Akzeptanz abhängt. Und die Akzeptanz ist nicht nur ein Problem eines ordnungsgemäßen Verfahrens, sondern auch die Konsequenz ungelöster Probleme. Sie wissen genauso wie wir, daß die Entsorgungsfrage bei Kernkraftwerken leider nicht in gutem Zustand ist.
Sie erwecken in Ihrem Antrag den Eindruck, als gebe es keine Richtlinien. Es gibt eine ganze Fülle von Normierungen, Richtlinien, RSK-Leitlinien, Empfehlungen, Regelwerken aller Art,
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an die sich die Beteiligten halten, an die sich auch die Genehmigungsbehörden gehalten haben, an die sich auch die Gerichte halten - bis auf einen von Ihnen und Herrn Kollegen Schäfer dargestellten Fall, wo es um das Problem des Berstschutzes ging, der bei einer Anlage eine Rolle spielte.
Wir haben den Eindruck, daß Sie mit Ihrem Antrag in Wirklichkeit beabsichtigen, die Regelung des § 7 Abs. 2 des Atomgesetzes auszuhöhlen, nämlich den Inhalt des Begriffs der Verpflichtung, die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderlichen Vorsorge gegen Schäden zu treffen. Sie wissen ja, daß es mehrere - ({7})
- Doch! Das ergibt sich aus der Begründung Ihres Antrags. Ich versuche, das deutlich zu machen.
Es gibt zum einen den Begriff „allgemein anerkannte Regeln der Technik". Im Maschinenbaugesetz heißt es „herrschende Auffassung der Praktiker". Dann gibt es den zweiten Begriff „Stand der Technik", wie wir ihn im Bundes-Immissionsschutzgesetz haben. Gemeint ist die Gesamtheit der unter Berücksichtigung neuester Erkenntnisse gewonnenen sicherheitstechnischen Lösungen.
Das Atomgesetz geht darüber hinaus. „Stand von Wissenschaft und Technik" heißt dort: Vorsorge gegen Schäden, die nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen für erforderlich gehalten wird; eine Vorsorge, die nicht unter allen Umständen durch den Stand der Technik begrenzt wird. Diese Bedeutung der Klausel „Stand von Wissenschaft und Technik", also das Hinausgehen über den aktuellen Stand der Technik, ist das wesentliche Kriterium der Schutzvorschriften des Atomgesetzes, weil wir hier im Gegensatz zur konventionellen Technik nicht nach dem Prinzip vorgehen können, daß man aus Schaden klug wird. Sondern wir wollen ja versuchen, durch äußerst vorsichtige und konservative Regelungen und äußerst konservative Annahmen den Eintritt von Schäden überhaupt zu verhindern.
Wenn Sie nun hergehen - weil Sie sagen, in dem Bereich der Druckwasserreaktoren von 1 300 Megawatt wird es schon keine technische Entwicklung mehr geben - und einen Regelstandard festschreiben, dann setzen Sie in Wirklichkeit die Vorsorgeregelungen auf den Stand der Technik. Das ist der eigentliche Inhalt Ihres Antrages.
Nun räume ich Ihnen ein, daß langdauernde Großverfahren insbesondere für die Gerichte dann von äußerster Kompliziertheit sind, wenn der Richter in die Rolle des technischen Sachverständigen hineingedrängt wird. Dazu möchte ich auf das verweisen, was der Präsident des Bundesverfassungsgerichts in einem Vortrag vom Mai dieses Jahres „Technische Risiken und Grundgesetz" ausgeführt hat. Herr Benda sagt - und ich folge ihm darin -, daß die Fixierung solcher technischer Normen, wie es Ihnen vorschwebt, durch den Gesetzgeber oder durch den Verordnungsgeber ihn eigentlich überfordert, weil er in Wirklichkeit die Inhalte seiner Entscheidung von anderen Fachgremien übernehmen muß, ihnen glauben muß, also sie sozusagen nur legitimiert, sie normiert. Durch dieses Verfahren wird das Problem der gerichtlichen Praxis überhaupt nicht gelöst. Es bleibt Ihnen nichts übrig, als auch weiterhin zu prüfen, ob der Regelungsinhalt dem § 7 des Atomgesetzes - „neuester Stand von Wissenschaft und Technik" - entspricht. Und es bleibt dem Richter auch nach einer solchen Verordnung nichts übrig, als zu prüfen, ob der Regelungsinhalt einer solchen Verordnung dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des aktiven Grundrechtsschutzes entspricht, ob also die erforderliche, von uns allen für notwendig gehaltene Vorsorge tatsächlich erfüllt wird.
Benda kommt auf Grund dieser Überlegungen zu dem Vorschlag, nicht die Inhalte zu normieren, sondern vom Inhalt zu einer Verfahrenskontrolle überzugehen, also zu normieren, wie solche technischen Normen zustande kommen, wer in welchem Verfahren an der technischen Normenbildung beteiligt werden soll. Ich finde, daß das ein Ansatzpunkt ist, über den man nachdenken kann.
Nun hat die Bundesregierung 14 Tage vor Erscheinen Ihres Antrages ja wesentliche Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigung getroffen: Vereinheitlichung der Genehmigungsanträge, Übernahme und gegenseitige Anerkennung der Sachverständigengutachten, einheitliche Beurteilung gleichartiger Anlagen, Reduzierung der Zahl der Teilerrichtungsgenehmigungen, Präzisierung der Bürgerbeteiligung.
({8})
- Das hat sie im Bundesrat vorgeschlagen. Ich hoffe, daß sich der Bundesrat diesen segensreichen Vorschlägen nicht hemmend in den Weg stellen wird - Sie haben j a im Bundesrat die Mehrheit, können also diese vernünftigen Vorschläge sofort akzeptieren, ich halte sie für vernünftig -, damit die Genehmigungshalden im Bereich der Kraftwerke in der Tat abgebaut werden.
Lassen Sie mich eine letzte Bemerkung machen, die ich im Zusammenhang mit Diskussionen über
Kernenergie eigentlich ständig wiederholen möchte. Ich bin erfreut, von Ihnen immer wieder betont zu hören, daß der Sicherheitsstandard unserer Kernkraftwerke - heute sagen Sie: insbesondere der Druckwasserbehälter von Druckwasserreaktoren von 1 300 Megawatt - so einzigartig in der Welt ist. Das mag sein. Bitte, folgen Sie uns dann in dem Vorschlag, die Haftungsbegrenzung des Atomgesetzes aufzuheben. Denn wenn diese Reaktoren so sicher sind, ist doch überhaupt nicht einzusehen, warum wir zugunsten der Betreiber solcher Reaktoren eine Haftungsgrenze einführen, über die hinaus sie nicht haften. Wenn es also darum geht, die Akzeptanz zu erhöhen und das Vertrauen der Bevölkerung darin zu stärken, daß man in der Tat auf diesem Wege fortschreiten könne - die Diskussion darüber werden wir im nächsten Jahr führen, wenn der Bericht der Enquete-Kommission vorliegt -, dann würden Sie Ihre Position drastisch erleichtern, wenn Sie sie mit dem Vorschlag verbänden, die Haftungsbeschränkung aufzuheben. - Vielen Dank.
({9})
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär von Schoeler.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Wenn man den Antrag der Fraktion der CDU/CSU liest und hier eben gehört hat, welche Bemerkungen Herr Kollege Laufs gemacht hat, dann muß man zunächst einmal nach den Gründen für diesen Antrag fragen.
({0})
Der Begründung von Herrn Laufs habe ich zwei Punkte entnommen. Zunächst einmal schien es darum zu gehen, eine von der Opposition sehr geliebte Debatte über den angeblichen Investitionsstau zu wiederholen, ohne auch nur den Versuch zu machen, eine Beziehung zu dem Antrag herzustellen. Das ist nun geschehen. Es ist über diesen Investitionsstau diskutiert worden. Dazu will ich hier nur eine Tatsache festhalten: Interessant schien mir zu sein, daß der Kollege Laufs nicht einmal behauptet hat, daß die Bundesregierung für irgendeinen Investitionsstau auf diesem Gebiet verantwortlich sei. Das möchte ich einfach noch einmal festhalten, damit es der Öffentlichkeit bewußt wird.
({1})
Sie haben jetzt weiter gesagt, die Bundesregierung sei zwar nicht verantwortlich, daß es da einen Investitionsstau gebe - das ist auch von den Kollegen Hirsch und Schäfer mit Hinweisen auf die Unterlagen, die dem Innenausschuß vorliegen, bestritten worden -, jedoch solle sie jetzt einmal die Länder anweisen, in den Genehmigungsverfahren zügig zu entscheiden.
({2}) - Das haben Sie gesagt.
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Parl. Staatssekretär von Schoeler
- Von Anweisung! Vom Ausnützen des Weisungsrechtes war die Rede, Herr Kollege Laufs. Exakt das haben Sie gesagt. Ich bitte Sie dann, Ihre Rede nachzulesen. Vielleicht stand es nicht im Manuskript. Aber Sie haben es so gesagt. Sie haben dabei die Länder Hessen und Nordrhein-Westfalen in Bezug genommen.
Nun frage ich: Warum haben Sie eigentlich Hessen und Nordrhein-Westfalen genannt? Sie kennen doch die Unterlagen. Sie wissen doch, daß sich die gleiche Frage, die Sie dort gestellt haben - meines Erachtens unzutreffenderweise -, dann aber auch für Genehmigungsverfahren in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern stellen würde.
({4})
Nützt es denn dieser Sachdiskussion auch nur irgend etwas, wenn Sie jedwede Gelegenheit dazu mißbrauchen, sie in ein falsches, parteipolitisches Fahrwasser hineinzuziehen. Es entspricht nicht den Realitäten, daß hier SPD/FDP-regierte Länder so und CDU/CSU-regierte Länder anders verfahren würden. Das drastischste Beispiel, das der Öffentlichkeit dazu vor Augen geführt worden ist, ist das Verhalten der niedersächsischen Landesregierung in der Frage des nationalen Entsorgungszentrums gewesen.
({5})
- Wissen Sie, der Unterschied zwischen Regierungen und Oppositionen ist, daß Oppositionen opponieren und das Regierungen zu regieren und zu entscheiden haben. Dafür wird sozusagen das Gehalt gezahlt.
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- Das weitet zwar die Debatte sehr aus. Ich meine aber, daß die hessische Landesregierung ein typisches Beispiel dafür ist, daß sie Entscheidungen trifft und verantwortet.
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- Ich diskutiere im Augenblick nicht über Ihre Parteifreunde in Hessen. Das ist sicherlich nicht meine Aufgabe. Ich habe nur nichts gehört, daß Sie etwa Vorwürfe an die Adresse der hessischen Landesregierung erhoben hätten, sie entscheide nicht. Es gibt zwar viele Vorwürfe gegen die hessische Landesregierung, die man den Zeitungen entnehmen kann, aber nicht den, daß sie nicht entscheide.
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- Das scheint Ihnen auch nicht recht zu sein. Aus der Sicht der dortigen Opposition kann ich das verstehen. Allerdings sollten Sie das hier nicht zum Gegenstand einer Debatte mache. Das war der erste Grund.
Nun vermute ich aus Ihrer Rede noch einen zweiten Grund, warum Sie diesen Antrag hier gestellt haben. Der scheint etwas im Widerspruch mit einer Bekundung zu stehen, Herr Kollege Laufs, die Sie - für mich erfreulicherweise - an den Beginn Ihrer Rede gesetzt haben. Sie haben gesagt: Die Kernkraftwerke in der Bundesrepublik Deutschland haben einen hohen, vielleicht sogar den höchsten Sicherheitsstandard im internationalen Vergleich. Sie haben hinzugefügt: Das soll nicht nur so gewesen sein, sondern soll für die Zukunft auch so bleiben.
Ich frage mich, ob das wirklich so bliebe, wenn wir Ihrem Antrag folgten. Ich frage mich weiter, ob Ihr Antrag nicht im Kern viel weniger die Frage der Rechtssicherheit als die Frage der zu fordernden Sicherheitsstandards betrifft. Darum geht es Ihnen und um deren Absenkung in einigen Punkten; diese haben Sie selbst erwähnt. Ich will dazu nachher noch etwas sagen.
Wenn Sie - ich zitiere aus Ihrem Antrag - als Ihr Ziel erklären, „die Rechtssicherheit für Genehmigungsverfahren für Kernkraftwerke zu erhöhen", dann kann ich mich mit diesem Ziel voll identifizieren. Rechtssicherheit - genauer: Berechenbarkeit von administrativen und gerichtlichen Entscheidungen - ist ohne Zweifel ein hohes Rechtsgut. In diesem Ziel stimmen wir überein.
Und dennoch müssen wir Ihrem Antrag widersprechen. Sie fordern den baldigen Erlaß einer Reaktorsicherheitsverordnung. Dieser Forderung könnte nur entsprochen werden, wenn dadurch die laufende Anpassung der Genehmigungsvoraussetzungen an den jeweiligen Stand von Wissenschaft und Technik nicht verhindert würde. Ihre Forderung läuft aber exakt darauf hinaus, den Stand von Wissenschaft und Technik in der Verordnung festzuschreiben. Die technische Entwicklung und die Diskussion darüber sind aber heute noch nicht abgeschlossen. Eine Festschreibung des Standes von Wissenschaft und Technik ist deshalb jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vertretbar. Ich will das begründen.
Erstens. Höchstmögliche Rechtssicherheit für das Genehmigungsverfahren, die Sie mit Ihrem Antrag vornehmlich im Auge haben, ist ein hohes Gut. Vorrang hat jedoch der Schutz der Rechtsgüter Leben und körperliche Unversehrtheit. Diesen Rechtsgütern gilt nach dem Grundgesetz vor allen anderen Rechtsgütern der Schutz der Rechtsordnung und der staatlichen Gewalt. Ich bin sicher, daß Sie alle dieses im Prinzip genauso sehen. In der Praxis würden die Vorstellungen der Opposition aber dazu führen, daß der vorrangige Schutz von Leben und körperlicher Unversehrheit zugunsten des Rechtsgutes Verfahrenssicherheit eingeschränkt würde.
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Das aber darf nicht geschehen.
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Das bedeutet, Herr Kollege Laufs: Wenn und solange nicht ausgeschlossen werden kann, daß die
vorrangig schutzwürdigen Rechtsgüter Leben und
Parl. Staatssekretär von Schoeler
körperliche Unversehrheit durch eine vorzeitige Festschreibung von bestimmten Genehmigungsvoraussetzungen beeinträchtigt werden können, haben die Belange der Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit des Verfahrens zurückzustehen.
Zweitens. Die Güterabwägung spricht auch aus einem aktuellen Grund gegen den derzeitigen Erlaß einer Reaktorsicherheitsverordnung. Sie erwähnen in Ihrem Antrag mehrfach das Wort Berstschutz. Sie stellen es beispielhaft als Kronzeuge für eine weit verbreitete Rechtsunsicherheit in den Genehmigungsverfahren heraus. Dieses Stichwort möchte ich auf seine tatsächliche Bedeutung reduzieren.
Bekanntlich haben zwei Verwaltungsgerichte über die Notwendigkeit eines Berstschutzes unterschiedlich entschieden. Wir können jedoch in Kürze mit einer, wie ich hoffe, abschließenden Klärung in diesem Streitfall rechnen. In der Rechtsprechung zur Störfallauslegung war dieses Beispiel aber nicht typisch. Im Gegenteil, es war ein Ausnahmefall und ist es bis heute geblieben. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Freiburg, die einen Berstschutz als nach dem Stande von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden gefordert hatte, hat keinen Nachfolger gefunden. Diese Entscheidung hat die späteren Genehmigungsverfahren weder über die Genehmigungsbehörden noch über die Gerichte beeinflußt oder gar verunsichert. Gerade der Ausnahmefall Berstschutz zeigt, daß von einer Rechtsunsicherheit über die grundlegenden Genehmigungsvoraussetzungen keine Rede sein kann.
({11})
Der Fall hat aber ein Weiteres demonstriert. Wenn Anlaß zu Zweifeln besteht, dann ist es sicher besser, diese Zweifel in aller Sorgfalt und Gründlichkeit, notfalls im Rahmen eines formstrengen Gerichtsverfahrens, auszudiskutieren, als sie durch eine negative Entscheidung des Normgebers einfach zu verdrängen.
Drittens. Die Bedeutung der Reaktorsicherheitsverordnung für die Genehmigungen und die Gerichtsverfahren ist nur gering zu veranschlagen. Ich nehme sogar an, daß auch Sie insoweit keine übertriebenen Erwartungen hegen. Der Grundsatz der Einzelgenehmigung bleibt hiervon unberührt. Die Entscheidungen der Genehmigungsbehörden würden von einer solchen Verordnung ebenfalls kaum beeinflußt. Das verfügbare umfassende Regelwerk, das in enger Kooperation von Bund und Ländern angewendet und in Genehmigungsentscheidungen zugrunde gelegt wird, gewährleistet einen in der Bundesrepublik Deutschland einheitlichen Sicherheitsstandard auf hohem Niveau und die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden.
Auch für die Gerichtsverfahren bliebe ein möglicher Gewinn durch eine Reaktorsicherheitsverordnung zweifelhaft. Die Zahl der gerichtlichen Streitverfahren und die Kontrolldichte würden grundsätzlich nicht reduziert werden. Die Schwerpunkte der Gerichtsverfahren würden sich allenfalls verlagern.
Man müßte nunmehr prüfen, ob die Verordnungsnormen übereinstimmen mit dem Schutzzweck der Ermächtigungsnorm des Atomgesetzes und darüber hinaus mit dem grundgesetzlichen Postulat der jeweils bestmöglichen Gefahrenabwehr.
Wir müssen uns deshalb ernsthaft fragen, ob wir unser bewährtes System, das uns höchstmögliche Sicherheit vor den Gefahren der Kernenergie ermöglicht und zugleich Rechtssicherheit für die Genehmigungsverfahren in dem vom Grundgesetz und dem Atomgesetz gesetzten Rahmen sichert, aufgeben wollen für angebliche Vorteile, die bei genauerem Hinsehen nicht so recht auszumachen sind.
Viertens. Die Ausführungen in der Begründung des vorliegenden Antrags - und da komme ich auf das zurück, was ich am Anfang gesagt habe - haben mich in der Auffassung bestärkt, gegenüber Ihrem Antrag skeptisch zu sein. Da wird behauptet, die Forderung nach Beherrschung des Störfalls Flugzeugabsturz sei unreflektiert. Wenn ich diese Bemerkung als Begründung für eine Rechtsverordnung interpretieren darf, wird mit dem Antrag ja wohl auch der Zweck verfolgt, bisher durchgesetzte Sicherheitsanforderungen - wie z. B. die Auslegung gegen Flugzeugabsturz - zurückzunehmen oder andere Überlegungen - wie z. B. die Begrenzung der Unfallfolgen von Kernschmelzen - durch eine Verordnung abzublocken.
({12})
Nur allzu schnell kann eine sorgfältige und gründliche Prüfung neuer Vorschläge - wie diese Beispiele zeigen - mit dem Argument abgewehrt werden, die Verordnung sehe diese Maßnahmen nicht vor, und sie seien deshalb als Vorsorgemaßnahmen nicht erforderlich. So bringt man die Entwicklung neuer Schutzkonzepte zu Fall und demotiviert das Suchen nach neuen Wegen zur Erhöhung der Sicherheit.
Meine Damen und Herren, unser derzeitiges System und unsere bisherige Verfahrensweise haben uns gute Ergebnisse gebracht: Sicherheit unserer Reaktoren und eine relativ verläßliche und kalkulierbare Verfahrensgestaltung. Und ich betone ausdrücklich: Kein Kernkraftwerksprojekt ist derzeit gerichtlich blockiert. Die Genehmigungsverfahren für die modernen Druckwasserreaktoren können, wenn die Antragsteller rechtzeitig und zügig ihre Antragsunterlagen vorlegen - was sie bekanntlich nicht immer tun - innerhalb von acht Jahren bis zur Betriebsgenehmigung durchgeführt werden, wie das Beispiel Grafenrheinfeld zeigt. Und diese Zeit ist nicht schlecht.
({13})
Sie ist - mit Ausnahme von Frankreich - kürzer als in allen anderen westlichen Ländern.
Die von der CDU/CSU geforderte Verordnung würde wahrscheinlich keinen Zeitgewinn, mögliParl. Staatssekretär von Schoeler
cherweise aber eine Einbuße an dynamischem Grundrechtsschutz bewirken.
({14})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat schlägt vor, den Antrag der Abgeordneten Dr. Laufs, Dr. Dregger, Spranger und weiterer Abgeordneter der CDU/CSU auf Drucksache 9/953 zu überweisen zur federführenden Beratung an den Innenausschuß und zur Mitberatung an den Ausschuß für Wirtschaft und an den Ausschuß für Forschung und Technologie. Ist das Haus mit den vorgeschlagenen Überweisungen einverstanden? - Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist dies so beschlossen.
Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Volks-, Berufs-, Wohnungs- und Arbeitsstättenzählung ({0})
- Drucksache 9/451 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 9/1111 Berichterstatter:
Abgeordnete Gerster ({2}) Gärtner
Kühbacher
b) Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({3})
- Drucksache 9/1068 Berichterstatter: Abgeordnete Broll Dr. Wendig
({4})
Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist für die Aussprache eine Debattenrunde vereinbart worden. Ich sehe, das Haus ist damit einverstanden.
Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Broll.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich mein Leben überdenke, muß ich sagen: Ich bin ein volkszählungsgeschädigter Bürger. 1950 mußte ich für meinen Vater die Volkszählungsfragebogen ausfüllen, sei es, daß er meinte, mich einer ordentlichen politischen Tätigkeit zuführen zu wollen, sei es, daß er genau die gleichen Schwierigkeiten hatte wie Bundeskanzler Schmidt beim Lesen seiner Energieversorgungsrechnung. 1961 war ich als junger Beamter verpflichtet mit zu zählen. Wahrscheinlich meinte man: Der Mann ist Historiker; der kann mit Zahlen umgehen; dann kann er auch Statistiken machen - obwohl wir in der Geschichtswissenschaft nie Zahlen zusammengezählt haben.
({0})
Und nun bin ich seit 1979 hier im Bundestag mit diesem Entwurf eines Volkszählungsgesetzes beschäftigt, der hier in vielen Sitzungen des Innenausschusses, in einer Anhörung usw. beraten worden ist und, im Unterschied zu dem, was wir eben hier im Plenum erlebt haben, einmütig zwischen den Parteien beschlossen worden, dann allerdings im Vermittlungsverfahren durch die Weigerung des Bundesrates gescheitert ist. Der Bundesrat wollte nicht zustimmen, wenn sich nicht der Bund bereit erklären würde, einen Teil der Kosten, die Ländern und Gemeinden durch diese Volkszählung entstehen, zu erstatten. Dann ist das Gesetz am Ende der letzten Legislaturperiode dem Prinzip der Diskontinuität verfallen, demzufolge wir ja so tun müssen, als ob wir mit jeder Legislaturperiode alles von Null an wieder beginnen könnten.
Die Kosten waren es also, deretwegen das Volkszählungsgesetz in der letzten Legislaturperiode nicht zustande gekommen ist und deretwegen auch die Forderung der Europäischen Gemeinschaft, in allen EG-Ländern die Volkszählung im Jahr 1981 durchzuführen, nicht erfüllt werden konnte.
Es hat neue Beratungen im Innenausschuß und auch zwischen den Vertretern des Statistischen Bundesamtes und der Landesämter gegeben. Ich muß zugeben, daß die Arbeiten, die nun zu einer erheblichen Kürzung des Befragungsprogramms geführt haben, weitestgehend von den Beamten dieser Institutionen geleistet worden sind. Wir haben, Herr Kollege Wendig, wenn man das so sagen darf, „Schützenhilfe", „Geburtshilfe" nach dem mäeutischen Prinzip geleistet. Das ist, so finde ich, im Prinzip auch richtig, denn die Herren Beamten bekommen j a ordentliche Gehälter, während unsereiner von Diäten leben muß.
Wir haben eine Reihe von Kürzungen vorgenommen: Wir verzichten auf die Grundstückszählung insgesamt; wir nehmen bei der Gebäudezählung erhebliche Einschränkungen vor; wir verzichten auf die Nennung des Gesamtumsatzes bei den Unternehmen - ein sehr schwieriger Bereich. Die Unternehmen haben natürlich keine große Neigung, ihre Umsatzziffern bekanntzugeben. Je kleiner eine kommunale Einheit ist, desto gefährlicher ist die Bekanntgabe solcher Zahlen.
So haben wir die Gesamtkosten dieser Berufs-, Volks-, Arbeitsstätten- und Wohnungszählung von rund einer halben Milliarde DM um immerhin 101 Millionen DM auf insgesamt 371 Millionen DM vermindern können.
Bei solch einer Summe fragt man sich natürlich: Wozu das ganze? Könnten wir nicht bei der Politik überhaupt auf Volkszählungen verzichten und Politik einfach auf der Basis des gesunden Menschen4026
verstandes betreiben? Das wäre eine revolutionäre Forderung in unserer modernen Zeit, die sich j a auf ihre Wissenschaftlichkeit so viel zugute hält. Das rührte gleichsam an die Grundfesten unseres Politikverständnisses.
Wir müssen zugeben: Je größer eine staatliche Einheit, je ferner von der Realität die Regierung ist, desto mehr Bedürfnis gibt es nach Zahlenmaterial, in das hinein sich die Wirklichkeit dann verflüchtigt. Die unersättliche Neugier z. B. der Europäischen Gemeinschaft nach Zahlen statistischer Art mag darauf zurückzuführen sein, daß sie verhältnismäßig fern der Wirklichkeit in den einzelnen Regionen arbeiten muß.
Wir wissen, daß große Staaten, also auch die Bundesrepublik, mit einer großen Bevölkerungszahl zum Beispiel im Bereich der Finanzzuweisungen - von Ländern an die Gemeinden, vom Bund an die Länder -, die ja auf Einwohnerzahlen basieren, bei großen Investitionsvorhaben, bei der Wohnungspolitik, der Verkehrspolitik, der Krankenhausplanung und der gesamten Planung im sozialen Bereich ohne einigermaßen verläßliches Zahlenmaterial nicht auskommen. Auch die Regionalpolitik, die Kenntnisse über die Arbeitsplätze haben muß, bedarf einer neueren Zählung. Falsche Voraussetzungen auf Grund falscher, überalterter, überholter statistischer Angaben würden erhebliche Fehler in der Prognose und natürlich erhebliche Fehlleistungen von Investitionsmitteln bewirken. Lassen Sie mich das in einigen konkreten Beispielen darstellen.
Die Volkszählung von 1961 ist von Jahr zu Jahr nach allen Regeln der statistischen Wissenschaft fortgeschrieben worden. Die Fortschreibung ergab für das Jahr 1970 einen Einwohnerstand von 61 508 306 Einwohnern. Die wirkliche Volkszählung von 1970 ergab demgegenüber einen wirklichen Bestand von 60 650 599 Einwohnern. Mit anderen Worten: Es gab eine Differenz von 857 707 Einwohnern zwischen wirklicher Volkszählung und der Fortschreibung einer zehn Jahre zurückliegenden Volkszählung. Wenn es 1970 keine Volkszählung gegeben hätte, hätte man von der Bevölkerungszahl her Politik auf einer Basis machen müssen, die um rund 1 Million von der Wirklichkeit abgewichen wäre. Interessant wird es für die anwesenden Damen sein zu erfahren, daß 534 000 Männer, aber nur 322 000 Frauen zuviel gezählt worden sind. Es scheint ein unabwendbarer Drang des männlichen Geschlechts in die Öffentlichkeit hinein zu bestehen.
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Bei der Wohnungszählung sieht es ähnlich aus. Die Gebäudezählung des Jahres 1961 wurde auf das Jahr 1968 fortgeschrieben. Die Fortschreibung ergab für das Jahr 1968 einen errechneten Bestand von 20 596 621 Wohnungen. Die wirkliche Wohnungszählung ergab im Jahre 1968 einen Bestand von 19 882 286 Wohnungen, mit anderen Worten, eine Differenz, einen Fehlbestand gegenüber der Hochrechnung von 714 335 Wohnungen. Die Wohnungsstichprobe des Jahres 1978 aus einer kleinen Zahl von regionalen Einheiten ergab, hochgerechnet auf das gesamte Gebiet der Bundesrepublik, für das Jahr 1978 einen Bestand von 23 361 200 Wohnungen. Die Hochrechnung der letzten Wohnungszählung von 1968, also ein anderes mathematisches Verfahren, ergab 24 454 169 Wohnungen, mit anderen Worten, eine Differenz von 1 092 969 Wohnungen.
Das sind die Zahlen, mit denen wir arbeiten. Jede Partei kann sich aus diesem sehr unterschiedlichen Material die Zahl heraussuchen, die ihr ins politische Konzept paßt. Jede Partei kann mit völlig reinem Gewissen ihre politische Konzeption auf solch eine, möglicherweise ganz falsche Zahl begründen, und das ist ein Zustand, der - man muß sich das einmal klarmachen - sicher einmal beseitigt werden muß.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Conradi?
Bitte schön, ja.
Herr Kollege Broll, hat sich der Innenausschuß einmal mit der Frage befaßt, warum in dieser Republik jährlich Pferde, Rinder, Schafe, Schweine und Hühner gezählt werden, damit der Landwirtschaft kein Schaden entsteht, Wohnungen jedoch nicht einmal im Zehn-Jahres-Zeitraum gezählt werden, obwohl daraus der Bauwirtschaft, der Wohnungswirtschaft und vor allem den Wohnungssuchenden großer Schaden entstehen könnte?
Herr Kollege Conradi, wir haben uns - allerdings nicht im Zusammenhang mit der Volkszählung, sondern mit der Statistikbereinigung - intensiv mit den zu zählenden Tieren beschäftigt und sind nach langen, intensiven, von Grundsätzen getragenen Debatten zum Entschluß gekommen, zumindest das Zählen von Ziegen zu unterlassen. Seien Sie in dieser Hinsicht also beruhigt!
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Das rechtzeitige Ausgeben von Geld, z. B. für eine Volkszählung, kann auch angesichts der Größe der verursachten Kosten helfen, dem Staat Kosten zu sparen. Geldausgeben zur rechten Zeit ist manchmal billiger, als zu lange mit solchen Dingen zu warten.
Nun lassen Sie mich ganz kurz zu einem Änderungsantrag Stellung nehmen, den wir - zugegebenermaßen recht spät, nämlich heute Mittag - auf den Tisch gelegt haben. Über eine Sache haben wir im Innenausschuß, wenn auch von unserer Seite erfolglos, debattiert. Wir möchten gern, daß es erlaubt wird, was nach dem gegenwärtigen Entwurf verboten ist, daß die Ergebnisse der Volkszählung hinsichtlich der Religionszugehörigkeit mit den Einwohnermelderegistern der Städte und Gemeinden abgeglichen werden können. Es gibt ein herrliches Beispiel dafür, wie ungenau Angaben gerade in diesem Bereich sein können, möglicherweise mit Konsequenzen im Bereich der Kirchensteuer usw., die absolut unverträglich wären. Bei der Volkszählung
1961 hat die Gesamtzahl der den evangelischen Freikirchen angehörenden Mitglieder bei 350 000 gelegen, bei der Volkszählung 1970 lag sie bei 1,2 Millionen. Die Freikirchen selbst hielten die letzte Zahl für völlig unrealistisch und gehen weiter von der ersten, wenn auch schon 20 Jahre zurückliegenden Zahl aus. Wir sollten - ich sage dieses speziell an die Kollegen Wernitz und Wendig - den Kirchen die Möglichkeit geben, diese Daten abgleichen zu dürfen, indem zunächst einmal die Gemeinderegister bereinigt werden. Wir wissen, daß die Kirchen über Datenschutzsatzungen verfügen, so daß in dieser Hinsicht keine Gefahr besteht.
Der zweite Gesichtspunkt ist uns eigentlich erst in den letzten Tagen klargeworden. Das Gesetz verbietet die Abgleichung mit den Gemeinden auch hinsichtlich des Merkmals der Staatszugehörigkeit, Deutscher oder Ausländer. Angesichts der Bedeutung, die die Ausländerpolitik bisher schon hat und weiter bekommen wird, ist die Kenntnis exakter Zahlen hier unverzichtbar.
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Wir haben sehr unterschiedliche Zahlen a) aus dem zentralen Ausländerregister, b) aus den Nachrichten der einzelnen Gemeinden, Städte und Kreise und c) dann möglicherweise aus der Volkszählung. Es wäre unerträglich, wenn aus der Volkszählung wesentlich andere Zahlen herauskämen als aus den beiden erstgenannten Buchführungen.
Wir müssen auch damit rechnen, daß bei der Volkszählung in diesem Bereich nicht ganz exakte Zahlen kommen, entweder weil - ich deute es nur an - eine Reihe von Ausländern sich aus Angst nicht melden, - es gibt ja Länder, in denen bei der Volkszählung bestimmte Prinzipien der Statistik nicht angewendet werden, die hier im Lande selbstverständlich gelten - oder weil die Vermieter sie nicht angeben möchten. Ich bitte also darum, daß Sie unserem Petitum zustimmen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, zum Schluß erinnert uns die Tatsache, daß wir auf Weihnachten zugehen, an jene berühmte Volkszählung, der die Stadt Bethlehem es verdankt, daß sie nicht die geringste unter den Städten ist, wie es so schön heißt, eine Volkszählung, die in der Heilsgeschichte der Welt eine ganz zentrale Bedeutung hat. Sie war damals entschieden umständlicher als heute; denn damals mußten die Bewohner des Landes in ihre jeweiligen Heimatorte heimkehren, was für Joseph und Maria sehr beschwerlich war, wie wir wissen, während heutzutage die Zähler zu uns kommen, um uns zu Hause zu befragen. Und sie war viel gefährlicher als die heutige Volkszählung, meine Damen und Herren; denn hätte Joseph - er hat nicht, wie wir wissen - in Nazareth belegenes Vermögen in Bethlehem angegeben, unweigerlich wäre er auf der Grundlage dieser Volkszählung zu erheblichen Steuerzahlungen herangezogen worden, was in unserem fortschrittlichen Staate unmöglich ist, denn damals kannte man das Grundprinzip der Statistik noch nicht: daß man Ergebnisse statistischer Befragungen nicht für Verwaltungshandlungen nutzen darf. Auch gab es damals - das ist wahrscheinlich der entscheidende Grund für diesen Mangel der damaligen Zeit gewesen - keine Datenschützer. Das Römische Reich unter Kaiser Augustus hatte überhaupt keinen Datenschützer, keine „decemviri ad data asservanda",
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könnte man sagen - eine Kommission, um Daten zu schützen, abgekürzt „dada".
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Es ist klar, daß ein Reich, das auf dieses wesentliche Merkmal des demokratischen Rechtsstaates glaubte verzichten zu müssen, untergehen mußte - was wir von unserem Staat angesichts der nun zu beschließenden Volkszählung nicht hoffen wollen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Wernitz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Volkszählungsgesetz 1981 versuchte die Bundesregierung in der vorigen Legislaturperiode, in dem früheren Zählungsrhythmus zu bleiben, wonach den Zählungen von 1950, 1961 und 1970 nun die Volkszählung 1981 folgen sollte. Wegen unüberbrückbarer grundsätzlicher Meinungsverschiedenheiten zwischen Bund und Ländern zur Frage der Kostenbeteiligung des Bundes ist bekanntlich seinerzeit das Gesamtvorhaben gescheitert. Ich verweise hier auf den Streit um den Art. 106 Abs. 4 Satz 2 des Grundgesetzes. Das in der 9. Legislaturperiode von der Bundesregierung erneut eingebrachte Gesetzesvorhaben liegt nunmehr - nach Abschluß der Ausschußberatungen - dem Plenum zur Schlußberatung und Abstimmung vor.
Die nach den Beschlußempfehlungen vorliegende Fassung des Volkszählungsgesetzes des Innenausschusses versucht, einen Beitrag zur Lösung der zwischen Bund und Ländern strittigen Frage der Höhe der Kostenbeteiligung des Bundes zu leisten. Ebenso trägt der Gesetzentwurf jetzt dem Bundesratsvorschlag Rechnung, im Interesse einer Vereinfachung und zugleich Reduzierung der mit dem Gesetz verbundenen erheblichen Kosten die vorgesehenen Erhebungen auf das unverzichtbar Notwendige zu beschränken. Dementsprechend wird im Erhebungsbogen und -programm auf die Grundstückszählung verzichtet, die Gebäudezählung wird eingeschränkt, und auf die Frage nach dem Gesamtumsatz der Unternehmen wird verzichtet. Dies führt - Kollege Broll hat darauf schon hingewiesen - zu einer spürbaren Verringerung des Kostenvolumens um die genannten 101 Millionen DM. Der vorgesehene Erhebungsumfang steht im übrigen im Einklang mit den Richtlinien der Europäischen Gemeinschaften und den Empfehlungen der Vereinten Nationen zur Durchführung von Volkszählungen.
Auf Grund einer entsprechenden Erklärung des Bundesministers der Finanzen ist nunmehr vorgesehen, daß der Bund den Ländern zum Ausgleich der Mehrbelastungen, die ihnen durch dieses Gesetz entstehen, freilich ohne Anerkennung einer Lei4028
stungspflicht Finanzzuweisungen in Höhe von 1 DM je Einwohner, damit also etwa 60 Millionen DM, zahlt. Daneben trägt der Bund noch die im Rahmen der bisherigen Kostenverteilung auf ihn entfallenden Kosten, die nach vorliegenden Schätzungen etwa 29 Millionen DM ausmachen.
Damit, meine Damen und Herren, erhöht sich der Bundesanteil bei der Ausschußfassung des Gesetzentwurfs auf runde 24 % der Gesamtkosten, während es demgegenüber beim ursprünglichen Regierungsentwurf etwa 7,6 % waren. In der Tat sollten damit die Weichen für einen letztendlich positiven Abschluß dieses Gesetzgebungsverfahrens gestellt sein. Insbesondere dem Bundesfinanzminister gebührt, so meine ich, ein nachdrückliches Wort des Dankes dafür, daß er durch sein Angebot von Finanzzuweisungen im Grunde den mit entscheidenden Beitrag dazu geleistet hat, dieses wichtige Gesetzesvorhaben aus der Gefahrenzone des erneuten Scheiterns herausgeholt zu haben. Es bleibt wirklich ernstlich zu hoffen, daß der Bundesrat diesem konstruktiven Angebot aufgeschlossen und mit Augenmaß begegnet. Hier ist jetzt wirklich gesamtstaatliche Verantwortung gefragt.
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Meine Damen und Herren, durch die bereits verlorene Zeit ist die ursprünglich für den 19. Mai 1982 vorgesehene Volkszählung gegenstandslos geworden. Nach dem Gesetzentwurf ist die Durchführung jetzt nach dem Stand vom 27. April 1983 geplant.
Der Bundestag hatte in seiner 42. Sitzung am 11. Juni dieses Jahres den Regierungsentwurf zur federführenden Beratung an den Innenausschuß und zur Mitberatung an den Wirtschaftsausschuß, an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung und den Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau überwiesen. Zur Vorbereitung seiner Stellungnahme - auch dies hat der Kollege Broll hier schon genannt - ist eine Berichterstattergruppe eingesetzt worden, sind Gespräche mit den mitberatenden Ausschüssen geführt worden, mit Vertretern der Bundesregierung, mit Vertretern des Statistischen Bundesamts, mit Vertretern der Länder und auch mit Vertretern der kommunalen Spitzenverbände. All ihnen sollte hier gedankt werden, weil dies wirklich konstruktive Gesprächsrunden waren mit dem Ziel, zu einem Konsens zu kommen.
Unstrittig waren insgesamt die Notwendigkeit und die Dringlichkeit der Volks-, Berufs-, Wohnungs- und Arbeitsstättenzählung. Anders verhielt es sich allerdings bei der Bewertung der Vertretbarkeit eines reduzierten Datenkranzes. Dies gilt insbesondere für das Votum des mitberatenden Wohnungs- und Städtebauausschusses, der aus verständlichen Gründen hier natürlich erhebliche Bauchschmerzen gehabt hat, während die anderen beteiligten Ausschüsse der reduzierten Fassung zugestimmt haben. Immerhin wurden nach der Kürzung im Städtebau- und Wohnungsprogrammteil zusätzliche Fragen eingebaut, um eben allzu weitgehenden Informationsverlusten entgegenzuwirken. Hier sind zusätzliche Fragen nach den Gebäudeeigentümern aufgenommen worden. Auch weitere zusätzliche Fragen sind hier eingebaut, die, glaube ich, einen Informationsgewinn bedeuten. Hinzu kommt, daß in den Datenkranz auch eine Frage nach Heizungsarten und verwendeten Brennstoffen bei der Gebäude- und Wohnungszählung einbezogen wurde. Hier ist also eine sehr aktuelle, wichtige und zukunftsträchtige Thematik mit in die Volkszählung aufgenommen worden.
Ich muß an dieser Stelle auch noch auf den Änderungsantrag der Opposition eingehen. Ein Teil dieser gewünschten Änderung hat schon im Ausschuß eine Rolle gespielt, und zwar die Frage nach dem Abgleich zwischen Volkszählungsdaten in bezug auf die Religionszugehörigkeit und dem Melderegister. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf bereits ein klares Votum abgegeben. Die Bundesregierung hat dieses Votum übernommen. Das hängt nicht so sehr mit der Motivation der Kirchen zusammen; aber es läuft im Ergebnis auf das hinaus, was in der Ausschußfassung niedergelegt ist.
Hinter dem, was der Bundesrat wollte, was die Bundesregierung und auch die Ausschußmehrheit akzeptiert haben, steht die Überlegung aus datenschutzrechtlichen Gründen so wenige Merkmale wie möglich in diesen Registerabgleich einzubeziehen. Wenn die Religionszugehörigkeit geändert werden soll, muß das durch eine gesonderte Erklärung erfolgen. Sie sollte nicht gelegentlich oder beiläufig bei einer Volkszählung geändert werden. Hinzu kommt, daß ein solcher Abgleich auch bisher in einer Volkszählung nie vorgesehen und durchgeführt worden ist. Ich glaube, das muß der Klarheit und der präzisen Argumentation willen hinzugefügt werden.
Das gleiche gilt auch für den Abgleich der Staatsangehörigkeit. Hier muß man neben dem Fakt, daß es einen solchen Abgleich bisher nicht gab, darauf hinweisen, daß es einen melderechtlichen Hintergrund gibt. Es geht im wesentlichen darum, auf den Hauptwohnungsbegriff abzustellen. Wenn man eine solche Abgleichsregelung einführen würde - die weder der Bundesrat noch die Bundesregierung wollen -, könnte damit unter Umständen ein erheblicher zusätzlicher Verwaltungsaufwand für die betroffenen Behörden verbunden sein.
Hinzu kommt auch noch der Umstand, daß bei der Erhebung nur zwischen deutsch und nicht deutsch unterschieden werden soll, so daß der Informationsgewinn obendrein außerordentlich gering wäre. Wenn man die Sache von daher betrachtet, werden sie verstehen, daß ich Ihnen empfehle, Ihren Antrag zurückzuziehen. Wir von seiten der SPD-Fraktion - ich nehme an, auch die FDP wird das tun - werden ihn ablehnen. Darauf wird Kollege Wendig sicherlich noch eingehen.
Im ersten Beitrag ist vorhin schon darauf hingewiesen worden, daß die Ergebnisse der Volkszählung unentbehrliche Grundlagen für gesellschafts- und wirtschaftspolitische Planungen und Entscheidungen des Bundes, der Länder und der Gemeinden darstellen. Aber man sollte es auf diesen Bereich nicht begrenzen; denn die Ergebnisse finden darüber hinaus vielfältige Verwendung bei der allgemeinen Beobachtung und Analyse von Änderungen
der Bevölkerungs- und Wirtschaftsstruktur. Das geht bis in den Bereich von Wissenschaft und Forschung.
Es ist festzuhalten, daß wir ohne aktuelles Datenmaterial in einer modernen Volkswirtschaft nicht in der Lage wären, die Aufgaben zu meistern und zu bewältigen, die uns in Richtung auf das Jahr 1990 und darüber hinaus gestellt werden. Ich will nicht, wie es vorhin geschah, eine Fülle von Zahlen nennen, aber doch immerhin auf den Umstand hinweisen, daß wir, die Jahre 1970 und 1961 zueinander in Relation gesetzt, bereits eine um rund 1 Million überhöhte Bevölkerungszahl hatten; damals etwa 860000, jetzt etwas über 1 Million.
Tatsache ist, daß die absolute Bevölkerungszahl für viele Rechtsvorschriften auf allen Ebenen unseres Gemeinwesens benötigt wird. Das fängt an bei der Berechnung der Stimmen der Länder im Bundesrat, geht über die Zahl und Größe der Wahlkreise bei Bundes- und Landtagswahlen bis hin zu den Sitzen in kommunalen Vertretungen und zur Verteilung der Mittel im Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern. Andere Bereiche mehr sind vorhin im ersten Beitrag schon angeklungen, wo es um die Koppelung verschiedener Daten ging.
Vor diesem Hintergrund, wenn man sich klarmacht, daß wir aktuelle, präzise Zahlen brauchen, wird wohl hinreichend deutlich, wie dringend notwendig aktuelle Daten aus einer neuen Volkszählung sind. Ein Hinausschieben dieses Gesetzgebungsvorhabens käme uns in Staat und Gesellschaft, in Forschung und Wissenschaft sehr, sehr teuer zu stehen. Dies gilt um so mehr, wenn man bedenkt, daß wir künftig noch sorgsamer und sparsamer als bisher mit Ressourcen und Geld umgehen müssen. Ein Scheitern des Projektes käme so gesehen geradezu einem Schildbürgerstreich ersten Ranges gleich. In dieser Situation muß deshalb in der Tat noch einmal an die gesamtstaatliche Verantwortung aller Beteiligten appelliert werden.
Wir haben uns in den Beratungen der Ausschüsse redlich bemüht, aus dieser Einsicht heraus zu handeln und einen konstruktiv-realistischen Beitrag zum Gelingen des Gesetzentwurfs zu leisten. Es bleibt zu hoffen, daß die kommende Behandlung des Gesetzes im Bundesrat und gegebenenfalls auch im Vermittlungsausschuß von der Einsicht in die Notwendigkeit der Volkszählung 1983 bestimmt und damit das Signal für dieses Projekt endlich auf Grün gestellt ist.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion stimmt dem Gesetzentwurf zu. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wendig.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Auch wenn ich selbst, verehrter Herr Kollege Broll, wie Sie von Diäten lebe, fühle ich mich diesem Vorhaben von der Sache her wirklich ein wenig verbunden. Mein Dank gilt all denjenigen, die aus der Exekutive, aber auch aus den kommunalen Spitzenverbänden dazu beigetragen haben, daß wir sehr schnell und, wie ich meine - das ist meine Überzeugung -, sehr klar durchgehend ein Modell entwickelt haben, das alle, die es angeht, akzeptieren können. Daß Bund, Länder und Gemeinden, die Wirtschaft usw. dieses Gesetz im Grunde genommen alle wollen, daß also dieser Entwurf überfällig ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, brauche ich hier selber nicht mehr zu betonen. Wir wissen ja, daß der Entwurf in der letzten Legislaturperiode allein an der Frage der Bundesbeteiligung - die Bundesländer meinten: der fehlenden Bundesbeteiligung - im Bundesrat gescheitert ist.
Wer sich der Tatsache bewußt ist - es war mehrfach davon die Rede -, daß die letzte Volkszählung mittlerweile mehr als elf Jahre zurückliegt, wird ermessen, was das Fehlen exakter Daten insbesondere im Bereich der Arbeitsstätten-, der Berufs- und Wohnungszählung für die staatliche, für die kommunale Ebene, aber auch für Wissenschaft und Wirtschaft bedeutet.
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Es war deswegen richtig und notwendig, daß die Bundesregierung ihren Entwurf in dieser 9. Periode - ich sage: einigermaßen umgehend - wieder eingebracht hat. Allein die Tatsache, daß die Bundesrepublik Deutschland nach einer überschläglichen Berechnung - Herr Kollege Broll hat darauf noch präziser hingewiesen, als ich das jetzt tue - gegenüber der letzten oder vorletzten Volkszählung möglicherweise mehr als 1 Million Einwohner weniger hat, als angenommen wird, läßt ermessen, welche Bedeutung genaue Zahlen oder möglichst genaue Zahlen für alle öffentlichen Ebenen, für Wirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft haben. Wer sich jemals ein wenig mit Verwaltung - hier auch im Sinne von Planung, auch Finanzplanung - befaßt hat - ganz gleich, ob in der Wirtschaft oder im öffentlichen Bereich -, weiß, wie wichtig hierfür die richtigen, d. h. zuverlässigen Grunddaten sind. Dabei ist es ganz gleich, um welche Größenordnung es sich handelt; das Prinzip ist immer dasselbe, sei es im Gemeinderat im Zusammenhang mit der Aufstellung eines Flächennutzungsplans oder der Ausweisung eines Wohn- oder Gewerbegebietes, sei es im Landesparlament im Zusammenhang mit dem Ausbau von Straßen und Industrieansiedlung oder sei es hier im Bundestag in Fragen des Wohnungsbaus. All dies sind Fragen, die letztlich auch wieder auf Daten zurückzuführen sind, die wir aus einer solchen Zählung gewinnen können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, alle drei Fraktionen haben sich im Innenausschuß bemüht - unter Beibehaltung der unbedingt notwendigen Daten -, den Entwurf der Bundesregierung in finanzieller Hinsicht etwas „schlanker" zu gestalten, sage ich einmal so salopp, um es auch dem Bundesrat leichter zu machen, einem solchen Entwurf, dem bald zugestimmt werden muß, nun auch seinen Segen zu geben. Dies drückt sich darin aus, daß die Vorlage nach der Empfehlung des Innenausschusses um etwa 101 Millionen DM geringere Kosten verursacht als der Entwurf der Bundesregierung. In
diesem Zusammenhang schlagen wir Ihnen deshalb vor, u. a. auf die Grundstückszählung zu verzichten, die Gebäudezählung erheblich einzuschränken und in § 4 die Frage nach dem Gesamtumsatz der Unternehmen fortzulassen. Wir glauben, daß auch ohne diese Angaben das Gesetz die notwendigen Zwecke voll erfüllen wird. Ich will nicht verschweigen, daß uns Liberalen auch daran lag, die Privatsphäre des einzelnen nicht mehr als notwendig offenlegen zu müssen.
Damit, meine Damen und Herren, komme ich auch zu dem Antrag, den der Herr Kollege Broll soeben eingebracht hat. Herr Wernitz hat für seine Fraktion die Ablehnung begründet. Ich kann dies für meine Fraktion nur unterstreichen. Wir haben j a im Grunde genommen über die Einfügung dieser Sätze, die jetzt gestrichen werden sollen, im Innenausschuß gesprochen. Es kam und kommt uns auch heute darauf an, hier wirklich so wenig wie möglich und nur das, was irgend notwendig ist, zu erfassen oder hineinzuschreiben. Das ist der Grund, warum auch die Fraktion der FDP einem solchen Änderungsantrag nicht zustimmen wird.
Ich will noch ein letztes Wort zu der besonderen Rolle sagen, die gerade die Erhebungen aus diesem Gesetz für die Beurteilung des Wohnungsmarktes haben werden. Gerade hier haben sich vielleicht in besonders eindringlicher Weise die Fehler herausgestellt, die aus dem Fehlen exakter Daten entstanden sind. Die Notwendigkeit zuverlässiger statistischer Unterlagen für die Wohnungsbaupolitik der 80er Jahre ist angesichts der aktuellen Diskussion um die Situation auf dem Wohnungsmarkt - auch im Hinblick auf den sozialen Wohnungsbau - nicht ernsthaft zu bestreiten. Nach Meinung von Fachleuten lassen die aus verschiedenen Statistiken vorliegenden Haushalts- und Wohnungszahlen keine Rückschlüse auf den tatsächlichen Wohnungsbedarf zu. Gerade auch in Zeiten einer schwierigen Haushaltslage sind Planungsunterlagen - z. B. über das tatsächliche Qualitätsniveau der vorhandenen Wohnungen - um so wichtiger, um die geringeren Mittel auch sinnvoll einzusetzen. Wir glauben, mit diesem abgeänderten und, ich sage, finanziell schlankeren Entwurf, dem auch die kommunalen Spitzenverbände nicht widersprochen haben, alles für eine baldmögliche Durchführung der längst überfälligen Volkszählung getan zu haben.
Leider wird sich dennoch eine Volkszählung aus technischen Gründen vor Frühjahr 1983 wohl nicht durchführen lassen. Das ist schon schlimm. In der weiteren politischen Beratung dieser Materie dürfen dann allerdings auch keine weiteren großen Verzögerungen mehr eintreten. Ich sage dies mit allem Nachdruck.
Das Bundesfinanzministerium hat in Aussicht gestellt, daß sich der Bund jetzt finanziell mit etwa 60 Millionen DM, also mit je 1 DM pro Einwohner, beteiligen wird. Als Sie vorhin, Herr Broll, die Weihnachtsgeschichte und das Römische Reich bemühten, glaubte ich eigentlich, Sie würden eher an dieses Angebot des Finanzministers denken. Denn vor Weihnachten liegt doch der Nikolaustag. Das ist ja auch so etwas wie ein Pfefferkuchentermin. Ich würde mir wünschen, daß in der künftigen Beratung der Bundesrat dieses Angebot des Bundesfinanzministers, das ich ausdrücklich unterstreichen und begrüßen möchte, so ein bißchen als Pfefferkuchenangebot ansieht, d. h. ernsthaft gesprochen, als ein Angebot, das eine Grundlage für eine Zustimmung des Bundesrates zu diesem Entwurf bringt.
Meine Damen und Herren, im Grunde wollen also alle Beteiligten dieses Gesetz. Was soll man lange darum herumreden? Ich wiederhole dies noch einmal. Wir sollten aber diesem Willen keinerlei Hindernisse entgegensetzen. Für den Deutschen Bundestag und für die Fraktionen haben wir, meine ich, alles, was dazu notwendig ist, getan.
Namens der Fraktion der FDP beantrage ich Zustimmung zu diesem Entwurf und hoffe, daß auch im Bundesrat die Beratung so schnell und so zügig vonstatten geht wie hier heute.
Ich danke Ihnen.
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Meine Damen und Herren, der Ältestenrat hatte eine Debattenrunde vorgeschlagen. Das Haus hatte sich damit auch einverstanden erklärt. Unabhängig von dieser Regelung hat sich der Kollege Niegel für einen Beitrag von fünf Minuten zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf im Namen des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau und gleichzeitig für meine Kollegin, die Berichterstatterin Frau Schmedt, zu diesem Volkszählungsgesetz sprechen. Politisch hat es überhaupt keine Streitpunkte gegeben. Wir meinen einstimmig, daß wir die Wohnungszählung unbedingt benötigen. Man kann über verschiedene Statistiken der Meinung sein, daß sie, wie es landläufig heißt, überflüssig wie ein Kropf seien oder nur Kosten verursachen. Aber die Statistik über die Wohnungszählung ist gerade nicht überflüssig. Manche Fehlentscheidungen in der Wohnungspolitik kommen zwar nicht nur, aber auch davon, daß nicht genug Zahlen etwa über die Frage, ob der Wohnungsbedarf gedeckt ist, zur Verfügung stehen. Es scheint mir wichtig zu sein, daß wir hier exakte Zahlen haben, zumal seit 1968 keine Wohnungszählung stattgefunden hat.
Ursprünglich war eine Grundstücks-, Gebäude- und Wohnungszählung vorgesehen. Aus vielerlei Gründen, die vorhin zur Sprache kamen, hat man nun eine Abspeckung vorgenommen. Diese Abspekkung - das muß ich zum Bedauern des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau sagen - ist im wesentlichen auf Kosten der vorgesehenen Grundstücks- und Gebäudezählung gegangen. Der ursprüngliche Vorschlag des sogenannten Berichterausschusses hatte sogar das Abspeckungsmodell I a vorgesehen. Es wäre mit den früheren Zählungen überhaupt nicht mehr vergleichbar und praktisch nicht durchführbar gewesen. Ich bin froh, daß wir im Gegensatz dazu wenigstens ein Modell durchsetzen konnten, das mit anderen Zählungen vergleichbar ist.
Aber ausreichend ist es nicht. Ich bedauere, daß es wahrscheinlich nicht möglich sein wird, eine Grundstücks- und Gebäudezählung nachzuholen. Aus städtebaulichen und raumordnerischen Gründen, aber auch aus wohnungspolitischen Gründen wäre das dringend notwendig. Wir arbeiten hier mit bestimmten Vorstellungen, ohne zu wissen, wie draußen die Entwicklung vor sich geht. Deswegen haben manche Städte bereits selber die Initiative ergriffen und versuchen - z. B. Nürnberg -, eigene Maßnahmen durchzuführen. Aber koordiniert ist das nicht.
Wir sollten hier eindeutig auch ein Bundesinteresse bekunden. Zumindest möchte ich heute das Bundesinteresse an der Wohnungszählung unterstreichen. Vorhin sind die 60 Millionen DM erwähnt worden. Gut; wir sind froh darüber, daß der Bundesfinanzminister sich dazu bereit erklärt hat. Aber ich glaube, das Bundesinteresse muß größer sein als eine DM pro Kopf der Bevölkerung, die hier für die zusätzliche Zählung ausgegeben wird.
Welches Schicksal wird dieses Gesetz im weiteren Verfahren haben? An der Frage der Finanzierung und Kostentragung darf vor allem der Wohnungszählungsteil nicht scheitern.
Zur Verbilligung schlage ich vor, daß die jetzt im Übermaß vorhandenen Arbeitslosen als ehrenamtliche und nebenamtliche Zähler und als Hilfskräfte bei der Auswertung der Daten in den Gemeinden, in den Ländern, bei den statistischen Landesämtern und beim Statistischen Bundesamt eingesetzt werden. Es geht auch darum, das Verfahren zu verbilligen und die Arbeitslosen, für die sowieso aus öffentlichen Kassen Arbeitslosenunterstützung gezahlt wird, sinnvoll zur Entlastung dieser öffentlichen Haushalte beitragen zu lassen.
In diesem Sinn bitte ich, das mindeste, das hier für die Wohnungspolitik notwendig ist, nämlich die Wohnungszählung, auch im künftigen Gesetzgebungsverfahren zu lassen und nicht über andere Institutionen, etwa den Vermittlungsausschuß, herauszustreichen.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung.
Ich rufe die §§ 1 bis 8 auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Die aufgerufenen Vorschriften sind einstimmig angenommen.
Ich rufe § 9 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 9/1114 ein Änderungsantrag der CDU/CSU vor. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Der Antrag ist abgelehnt.
Wer § 9 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Der § 9 ist gegen die Stimmen der Fraktion der CDU/ CSU angenommen.
Ich rufe die §§ 10 bis 12, Einleitung und Überschrift auf in der Ausschußfassung. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Die aufgerufenen Vorschriften sind damit einstimmig angenommen. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Das Gesetz ist damit einstimmig angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 5 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für innerdeutsche Beziehungen ({0}) zu dem
Antrag der Abgeordneten Lorenz, Baron von Wrangel, Jäger ({1}), Böhm ({2}), Graf Huyn, Schulze ({3}), Lintner, Sauer ({4}), Straßmeir, Frau Roitzsch, Schmöle, Dr. Hennig, Gerster ({5}), Dr. Kunz ({6}), Amrehn, Kroll-Schlüter, Dr. Marx und Genossen und der Fraktion der CDU/ CSU
Wahlen in der DDR
Antrag der Fraktionen der SPD und FDP Wahlen zur Volkskammer der DDR
- Drucksachen 9/452, 9/610, 9/1054 Berichterstatter:
Abgeordnete Baron von Wrangel, Büchler ({7})
Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist für die Aussprache ein Beitrag von bis zu zehn Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. Darf ich davon ausgehen, daß das Haus damit einverstanden ist? - Ich stelle Ihr Einverständnis fest.
Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Schulze ({8}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch einmal kurz in Erinnerung bringen, was ich vor diesem Hause am 25. 6. dieses Jahres als Begründung zu dem Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Drucksache 9/452, ausgeführt habe. Ich habe für meine Fraktion damals darauf hingewiesen, daß es sich bei den am 14.6. 1981 in der DDR stattgefundenen Volkskammerwahlen nicht um freie Wahlen, wie sie in freiheitlich demokratischen Ländern üblich sind, gehandelt hat. Es wurden Wahlen durchgeführt, die wir eher als Volkszählung bezeichnen können und die damit zugleich eine Verletzung der Menschenrechte darstellen. Im Grunde genommen gehörten also diese Wahlen durchaus vor die Vereinten Nationen, so wie es hier schon wiederholt im Deut4032
Schulze ({0})
schen Bundestag, auch im Zusammenhang mit vorangegangenen Wahlen, festgestellt wurde.
({1})
Zu den elementarsten demokratischen Grundrechten der Menschen gehört es nun einmal, daß man frei wählen und sich ungehindert entscheiden kann. Nur wer frei wählen kann, ist ein freier Mensch, und freie Menschen wünschen wir uns auch und gerade im anderen Teile Deutschlands.
({2})
Meine Damen und Herren, wenn man die Freiheit der Wahl zutreffend als Möglichkeit zur Auswahl unter verschiedenen Alternativen interpretiert, dann kann von Wahlfreiheit in der DDR keine Rede sein. Es gibt nur eine Einheitsliste, zu der man lediglich ja oder nein sagen kann. Ich will aber wegen der Kürze der mir zur Verfügung stehenden Zeit auf das Wahlverfahren in der DDR selbst hier nicht näher eingehen, weil ich es in diesem Hause als bekannt voraussetze.
Der so gewählte Kandidat selbst ist aber auch nicht frei. Die in der Bundesrepublik Deutschland garantierte Gewissensfreiheit der Abgeordneten gibt es in der DDR nicht. Ein Abgeordneter in der DDR, der eine von der vorgeschriebenen Linie abweichende Haltung einnimmt, kann jederzeit aus dem Parlament ausgestoßen werden. Jenes in Artikel 18 des Internationalen Paktes der Vereinten Nationen über bürgerliche und politische Rechte postulierte Grundrecht der Gewissensfreiheit ist also auch in diesem speziellen Falle in der DDR unbekannt.
({3})
Es kommt dazu, was bei den letzten Volkskammerwahlen wiederum deutlich sichtbar wurde, daß letzten Endes auch das Wahlgeheimnis in der DDR nach unserer Auffassung nicht gewahrt ist. Von freien, wirklich geheimen Wahlen in der DDR kann also überhaupt keine Rede sein.
Auf Artikel 25 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Menschenrechte vom 19. Dezember 1966 wird in dem letzten Absatz der Beschlußempfehlung Bezug genommen. Es bleibt noch festzustellen, daß die DDR-Regierung diesem Pakt 1973 selbst beigetreten ist und sich nicht daran hält.
Bei allen grundlegenden Gegensätzen, die nun einmal zwischen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in der Bundesrepublik und dem gesellschaftlichen Ordnungssystem in der DDR bestehen, können wir uns im freien Teile Deutschlands nicht damit abfinden und es stillschweigend hinnehmen, daß unseren Landsleuten in der DDR das Recht, frei zu wählen, bestritten wird.
({4})
Meine Damen und Herren, die DDR muß es sich daher gefallen lassen, daß der Deutsche Bundestag gegen diesen Verstoß der DDR gegen geltendes Menschenrecht protestiert.
({5})
Mit Sorge und Beunruhigung erfüllt gerade uns als Berliner Abgeordnete insbesondere die Tatsache, daß trotz aller Proteste der Vier-Mächte-Status unserer Stadt durch die Direktwahl der 40 Berliner Volkskammerabgeordneten einseitig verändert wurde. Es ist politisch bedeutsam und wird der herausragenden nationalen und internationalen Aufgabe Berlins gerecht, wenn der Deutsche Bundestag hier und heute einstimmig vor der Weltöffentlichkeit zum Ausdruck bringt, daß er sich gegen alle Versuche, den Status von Berlin einseitig zu verändern und letztlich auszuhöhlen, wendet und die strikte Einhaltung und volle Anwendung des Vier-MächteAbkommens als einer wichtigen Garantie der Freiheit unserer Stadt fordert.
Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit als Berliner Abgeordneter im Vorfeld des Treffens Schmidt-Honecker darauf hinweisen, daß letzten Endes auch die drastische Erhöhung der Mindestumtauschabgabe mit dem gravierenden Rückgang der Besucher aus dem freien Teile Deutschlands, insbesondere Westberlins, eine Einschränkung der Menschenrechte darstellt.
({6})
Gerade zum Weihnachtsfest wird die Unmenschlichkeit der Errichtung dieser Finanzmauer deutlich - Herr Kollege Jäger Sie haben mir das Stichwort vorausgenommen -, deren Abbau wir kurzfristig und nachdrücklich fordern.
Auch hier, meine Damen und Herren, handelt es sich, wie es die Bundesregierung selbst festgestellt hat, ebenfalls um eine schwerwiegende Verletzung der Schlußakte von Helsinki. Aus aktuellem Anlaß möchte ich darüber hinaus bemerken, daß das gleiche im übrigen auch für die zunehmend festzustellende Beschränkung der Arbeitsmöglichkeiten unserer Journalisten in der DDR gilt.
({7})
Der Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion geht insofern über den jetzigen gemeinsamen Antrag hinaus, als wir gefordert hatten, über Vorbereitung und Durchführung der Volkskammerwahlen eine Dokumentation den Mitgliedstaaten des internationalen Paktes der Vereinten Nationen über bürgerliche und politische Rechte zu übersenden. Wenn wir die jetzige Formulierung der Beschlußempfehlung als CDU/CSU-Bundestagsfraktion mittragen, so erwarten wir selbstverständlich von der Bundesregierung, daß sie weiterhin jede Gelegenheit dazu benutzt, insbesondere auch auf internationaler Ebene, auf die von uns festzustellende Verletzung der Menschenrechte durch die DDR und des Berlin-Abkommens nachdrücklich hinzuweisen. Ich wiederhole es vor diesem Hause hier noch einmal: Es muß sichergestellt werden, daß in ganz Berlin, in beiden Staaten auf deutschem Boden die allgemeinen MenSchulze ({8})
schenrechte und die politischen Freiheitsrechte der Bürger verwirklicht werden.
({9})
Als Schwerpunkte bei den bevorstehenden Gesprächen zwischen Bundeskanzler Schmidt und dem Staatsratsvorsitzenden der DDR, Herrn Honecker, müssen die menschlichen Erleichterungen für unsere Landsleute im anderen Teil Deutschlands und die Wahrung bzw. Wiederherstellung der elementarsten Menschenrechte in der DDR besonders im Blickfeld bleiben.
({10})
Es kommt hinzu, daß der Fortgang der innerdeutschen Beziehungen, an dem wir interessiert sind, durch fortdauernde Rechtsverletzungen und -behinderungen durch die DDR nicht gerade erleichtert wird. Auch das sollte die DDR-Regierung von unserer Bundesregierung erfahren.
({11})
Meine Damen und Herren, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion begrüßt es, daß es nach interfraktionellen Gesprächen zu dieser Beschlußempfehlung gekommen ist. Was wir gerade in der Deutschland- und Berlin-Politik brauchen, ist - wie es mein Kollege Peter Lorenz in der deutschlandpolitischen Diskussion hier kürzlich zum Ausdruck gebracht hatte - ein Höchstmaß an Gemeinsamkeit der Fraktionen in diesem Hause. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird nicht zuletzt auch aus diesem Grunde der vorliegenden Drucksache ihre Zustimmung geben. - Ich danke Ihnen.
({12})
Das Wort hat der Abgeordnete Büchler ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Schulze, ich möchte jetzt nicht auf das eingehen, was Sie noch zum Schluß gesagt haben, vor allem nicht auf das, was außerhalb des Themas gelegen hat; Sie werden Verständnis dafür haben. Ich möchte mich auf das beschränken, worum es heute geht.
Mir geht es darum, daß wir, bevor wir über die vorliegende Beschlußempfehlung abstimmen, noch aus unserer Sicht beleuchten, wie dieser gemeinsame Antrag zustande gekommen ist.
Der Deutsche Bundestag hat am 25. Juni 1981 bereits eine Debattenrunde über die „Wahlen in der DDR" geführt. Zwei verschiedene Anträge lagen dem Deutschen Bundestag zur Beratung vor: einer von der Opposition und ein gemeinsamer von der SPD/FDP-Koalition. Ich habe es damals schon betont und muß es auch heute wieder sagen: Der Oppositionsantrag war in vieler Hinsicht zumindest unglücklich, unglücklich allein durch den Zeitpunkt des Antrages. Die Wahlen in der DDR lagen mit dem Datum des 14. Juni bereits in der Vergangenheit, und Sie wollten trotzdem, daß die „bevorstehenden Wahlen in der DDR" verurteilt werden.
({0})
Dadurch war die Debatte insgesamt schlicht ein bißchen absurd, und die Öffentlichkeit hat dafür überhaupt kein Verständnis gehabt.
({1})
- Ich wollte das hier feststellen, und ich sage nur, wie es war. Ich will hier nicht in einen Streit mit Ihnen eintreten, sondern nur noch einmal wiederholen, worum es uns gegangen ist.
Dieser damalige Antrag war unglücklich; das müssen wir feststellen. Und er war natürlich gleichzeitig politisch falsch. Allerdings kann ich heute feststellen, daß Sie den damaligen falschen Antrag mehr oder weniger zurückgezogen haben.
({2})
Sie haben Ihre überzogenen Positionen, die in diesem Antrag verankert waren,
({3})
zurückgezogen, und wir haben im innerdeutschen Ausschuß miteinander
({4})
einen Antrag zustande gebracht, der sich, wie ich glaube, sehen lassen kann. Das spricht nicht gegen Sie, sondern das spricht für Sie.
Sie haben also Abstand genommen erstens von Ihrer Forderung an die Bundesregierung, daß sie eine Dokumentation über den Komplex „Wahlen in der DDR" erstellen solle, zweitens von Ihrem Vorhaben, diese Dokumentation dann an die Vereinten Nationen und an die Regierungen der Mitgliedstaaten der Internationalen Pakte der Vereinten Nationen über bürgerliche und politische Rechte zu übermitteln; drittens von Ihrer Forderung nach einer breiten Informationsaktion über den Charakter der Wahlen in der DDR.
({5})
- Herr Jäger, ich möchte dies zu Ende bringen. Ich will nicht länger als 10 Minuten reden. Sie werden Verständnis dafür haben.
Ich habe Ihnen in der Debatte am 25. Juni schon gesagt, wie falsch diese Forderungen wären. Sie unterschätzen die Urteilsfähigkeit der Menschen. Wir müssen doch niemanden darüber aufklären, was hinter einer Wahl mit 99,85 % Zustimmung steht.
({6})
Büchler ({7})
Zwei Drittel aller Staaten wählen nach ähnlichen Systemen. Wie sollten wir verfahren, wenn wir alle diese Staaten anklagen wollten?
({8})
Sie haben mich damals in Ihren Zwischenrufen wissen lassen, was Sie von der Argumentation, die ich jetzt wiederholt habe, halten. Die Zwischenrufe, die damals gekommen sind, waren ja nicht von Pappe, so z. B.: „Ihre Argumentation ist schlecht!", „So tief sollten Sie nicht sinken!", „Sie haben unseren Antrag nicht gelesen!" usw. Ich beschwere mich darüber nicht. Ich meine nur, meine Argumentation, die Argumentation der SPD-Fraktion und auch der FDP-Fraktion, kann doch nicht so schlecht gewesen sein; denn letzten Endes haben Sie in der Beschlußempfehlung, die uns heute vorliegt, weite Teile unseres Antrages übernommen.
({9})
Die entscheidenden drei Punkte, die Punkte 1 bis 3, der heutigen Beschlußempfehlung sind nämlich Wort für Wort - das wissen Sie - aus unserem Antrag mit übernommen worden.
({10})
- Ich sage das doch nur. Ich will nur die Geschichte hier aufzeigen - und dies nicht polemisch, sondern nur so, daß klar ist, um was es geht.
In diesen drei Punkten geht es um folgendes:
Erstens: Die Direktwahl der Ost-Berliner Abgeordneten steht zu verschiedenen Protokollen und Abmachungen im Widerspruch.
Zweitens: Der Status von Berlin darf nicht einseitig verändert werden.
Drittens: Die Aufrechterhaltung des Viermächtestatus von Berlin ist die Voraussetzung für eine ruhige und friedliche Entwicklung in Berlin.
({11})
Und dies, glaube ich, ist auch der Kern dieser Geschichte.
Wir haben dann einen weiteren Punkt mit hineingenommen. Für mich ist er für die Argumentation nach draußen - ich habe es bereits begründet -überflüssig. Er ist vielleicht auch ein Stück Kleingeisterei. Wir hätten es nicht nötig gehabt, mit dem erhobenen Zeigefinger herumzulaufen. Wir sollten das sowieso lassen. Diese ständige Anklage tut, glaube ich, nicht gut. Wir müssen vielmehr dort, wo es wirklich um Fakten geht, sagen, um was es geht.
Ich habe auch damals betont, daß wir wirklich mehr Zutrauen in die Kraft unserer Demokratie, unseres Parlaments, unserer freiheitlichen Ordnung, unseres Systems haben sollten. Das beinhaltet dann aber, daß wir von diesen kleinlichen Nadelstichen - ich möchte das so generell einmal sagen - absehen.
Etwas anderes ist es, wenn Rechtspositionen verletzt werden. Das können wir nicht hinnehmen, das können Sie nicht hinnehmen. Deswegen haben wir eindeutig und klar in diesem jetzt zum Beschluß vorliegenden Antrag formuliert. Dies ist ohne überflüssiges Beiwerk geschehen, so daß klipp und klar gesagt wird, um was es wirklich geht.
Ich muß mich also hier zum Schluß für die konstruktive Mitarbeit bedanken, daß dieser gemeinsame Antrag zustande gekommen ist.
({12})
Das mag eine Trendwende, eine neue Position Ihrerseits in der Deutschlandpolitik sein.
({13})
Das kann ich nur begrüßen. Darüber kann man sich nur freuen. Ich darf dies auch im Namen der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion sagen. - Ich empfehle also, der vorliegenden Beschlußempfehlung zu folgen. - Herzlichen Dank.
({14})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Wendig.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
({0})
Ich möchte - vielleicht zur Beruhigung - auch ein wenig Historie aufarbeiten, Historie, was das Schicksal der beiden Anträge angeht, über die wir schon einmal im Juni dieses Jahres debattiert haben.
Durch die Wahl zur Volkskammer der DDR am 15. Juni 1980 sind die Ost-Berliner Abgeordneten zum ersten Mal im Wege einer Direktwahl bestimmt worden. Das war der Ausgangspunkt. Dies geschah auf der Grundlage eines Wahlgesetzes der DDR, das selbst schon sehr viel älter ist, das nämlich vom 28. Juni 1978 stammt, also von vor drei Jahren vor der Wahl.
Dieser Vorgang, meine Damen und Herren, hat im Deutschen Bundestag unterschiedliche Reaktionen, was die politische und rechtliche Aufarbeitung angeht, ausgelöst. Die Opposition meinte in ihrem Antrag vom 19. Mai dieses Jahres, den Tatbestand der Direktwahl Ost-Berliner Abgeordneter zur Volkskammer auf den allgemeinen Charakter von Wahlen im System der Deutschen Demokratischen Republik und die damit verbundene Verletzung von MenDr. Wendig
schenrechten ausweiten zu sollen. Wir, die Fraktionen der SPD und der FDP, haben gemeint, die in diesem Vorgang besonders deutlich gewordene Verletzung und Mißachtung bestehender Abkommen über Berlin, insbesondere über das Viermächteabkommen vom 3. September 1971, herausstellen zu müssen.
Über diese unterschiedlichen Anträge haben wir im Deutschen Bundestag am 25. Juni dieses Jahres kontrovers diskutiert. Ich stelle auch heute nicht in Frage, daß die politischen Verhältnisse in der DDR, insbesondere der Charakter der dortigen Wahlen, unseren politischen Überzeugungen und Vorstellungen nicht entspricht. Daran kann kein Zweifel sein. Wir bleiben aber auch dabei - das war ja der Gegenstand der Debatte auf Grund der unterschiedlichen Anträge -, daß eine Debatte vor dem Forum der Vereinten Nationen, wie die Opposition sie beabsichtigt hatte, in der Sache nicht genützt, sondern dem Anliegen, wie wir meinten, eher geschadet hätte.
Um so augenfälliger und eklatanter - darüber besteht keine Meinungsverschiedenheit - sind die Verstöße gegen geltende Abkommen, soweit es um den Status von Ost-Berlin geht. Das Wahlgesetz der DDR vom 28. Juni 1978 stellt in der Einbeziehung von Ost-Berlin in die Direktwahl der Volkskammer einen nicht zu übersehenden und nicht zu billigenden Versuch der DDR-Führung dar, den östlichen Teil der Stadt Berlin voll in ihren Staat zu integrieren. Das ist ja nicht der erste Schritt, sondern vielleicht, so befürchte ich manchmal, schon ein vorletztes Glied einer ganz langen Kette.
Nach Erlaß des Wahlgesetzes der DDR vom 28. Juni 1978 hat es aber nicht an Bemühungen der Bundesregierung gefehlt, auf allen möglichen politischen Ebenen gegen die geplanten Wahlen Verwahrung einzulegen und zu protestieren. Der Bundesregierung gebührt Dank für ihre klare und eindeutige Sprache, die sie hier gesprochen hat.
Auch die drei Westmächte haben mehrfach Gelegenheit genommen, gegen das Gesetz vom 28. Juni 1978 in aller Form zu protestieren. Wir begrüßen es, daß die drei Westmächte in diesem Zusammenhang für die Zukunft jeden Versuch zurückgewiesen haben, die Rechte und Verantwortlichkeiten in Frage zu stellen, die Frankreich, die Vereinigten Staaten von Amerika, das Vereinigte Königreich und die Sowjetunion in bezug auf Deutschland als Ganzes und in bezug auf alle vier Sektoren Berlins übernommen haben. Daran sollten wir nicht rütteln.
Das Geschehene können wir sicherlich nur schwer rückgängig machen, wir nicht, die Westmächte nicht, geben wir uns da keinen Illusionen hin. Wir müssen aber sehr deutlich darum bemüht sein, daß denkbaren weiteren Verstößen gegen den Viermächtestatus von Berlin entgegengewirkt werden kann.
Die Beschlußempfehlung des innerdeutschen Ausschusses, die wir gemeinsam erarbeitet haben, greift alle diese Fragen mit der notwendigen Deutlichkeit auf. Sie bekräftigt mit der Protestnote der drei Westmächte, daß der Status des besonderen Gebiets von Berlin nicht einseitig verändert werden kann und daß die auf der Grundlage des Wahlgesetzes der DDR vom 28. Juni 1978 vollzogene Direktwahl der Ost-Berliner Abgeordneten im Widerspruch zum Viermächteabkommen vom 3. September 1971 steht.
Ich begrüße es, daß darüber hinaus in der Beschlußempfehlung alle drei Fraktionen übereinstimmend den Hinweis auf den Unterschied aufgenommen haben, der zwischen unserer freiheitlich-demokratischen Ordnung und dem gesellschaftlichen Ordnungsprinzip der DDR besteht. Dies schließt die Kritik an dem Wahlsystem ein, das aus der dortigen Gesellschaftsordnung erwachsen ist und das - ich sage es noch einmal - weder unseren politischen Vorstellungen noch den Bestimmungen des Paktes über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966 entspricht.
({1})
Die Feststellung ist notwendig, sie drückt eindeutig und in aller Öffentlichkeit unseren politischen Willen aus, ohne die vermutlich negativen Wirkungen zu haben, die ein Appell vor den Vereinten Nationen unserer Überzeugung nach mit sich gebracht hätte. Das ist das Gemeinsame, und das ist der Unterschied, meine Damen und Herren.
Ich sehe in diesem gemeinsamen Antrag, den wir im innerdeutschen Ausschuß erarbeitet haben, ein Zeichen für die Fähigkeit, hier in entscheidenden und in grundlegenden Fragen der Deutschlandpolitik wirklich Gemeinsamkeit zu zeigen.
({2})
Meine Fraktion begrüßt dies und bittet deshalb, dem Entschließungsantrag zuzustimmen.
({3})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 9/1054 die Annahme einer Entschließung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke. Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Die Entschließung ist damit einstimmig angenommen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit ({0}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht über die Angleichung der Rechtsvorschriften über Arzneispezialitäten
Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinien 65/65/EWG, 75/318/ EWG und 75/319/EWG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten
Vizepräsident Windelen
Vorschlag für eine Empfehlung zu den Versuchen im Hinblick auf das Inverkehrbringen von Arzneispezialitäten
- Drucksachen 9/185, 9/1051 Berichterstatterin:
Abgeordnete Frau Dr. Adam-Schwaetzer
Im Ältestenrat ist für die Aussprache ein Beitrag von bis zu zehn Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. Darf ich davon ausgehen, daß das Haus damit einverstanden ist? - Ich stelle Einvernehmen fest.
Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Neumeister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eines der Hauptziele der Europäischen Gemeinschaft ist es, den freien Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Der Verwirklichung dieses Grundsatzes standen aber im Arzneimittelbereich verschiedene Hindernisse im Wege, die auf übermäßigen Gebrauch der im Art. 36 des EWG-Vertrages vorgesehenen Ausnahmen zum Schutze der öffentlichen Gesundheit beruhten. Gerade aber dieser Beschränkung des freien Warenverkehrs steht oft der richtig verstandene Schutz der Gesundheit entgegen, wenn dadurch die Verwendung neuer wirksamer Medikamente in einzelnen Staaten unnötig verzögert wird oder aber, was sicherlich noch verhängnisvoller ist, Medikamente, bei denen in einigen Mitgliedstaaten schädliche Eigenschaften festgestellt wurden, auf Grund mangelnder Harmonisierung auf dem Markt bleiben.
Der Ausschuß für Wirtschaft im Europäischen Parlament stellte weiterhin fest, daß die technischen Hindernisse im freien Verkehr mit Arzneispezialitäten die Kosten generell erhöhen und verhindern, daß der Verbraucher von den Kosteneinsparungen profitiert, die eine auf die gesamte Gemeinschaft ausgerichtete Produktion ermöglichen würde.
Die vier bisher erlassenen Richtlinien und ein Beschluß des Rates zur Beseitigung der Hindernisse im freien Verkehr mit Arzneimitteln schufen zwar Grundlagen für eine Harmonisierung der Entwicklung und Herstellung der Arzneimittel, schaffen es aber nicht, das umständliche und wenig praktikable Verfahren der Neuzulassung beim Inverkehrbringen eines neuen Arzneimittels in einem EG-Land zu entkrampfen.
Die heute hier vorliegende Änderungsrichtlinie sowie der Empfehlungsvorschlag des Rates zum Inverkehrbringen von Arzneimittelspezialitäten können daher nur begrüßt werden, zumal in ihm erstmalig durch Abbau technischer Hemmnisse Wege zu einer gegenseitigen Anerkennung der von den Mitgliedstaaten erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen gewiesen werden und der Gedanke an die Schaffung einer europäischen Superbehörde im Hinblick auf die derzeitige finanzielle Situation fallengelassen wurde.
Doch darf nun nicht der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung durch neue Hindernisse im Ausschuß für Arzneimittelspezialitäten in Frage gestellt werden, dem Ausschuß, dessen bisheriges unzureichendes Funktionieren dadurch dokumentiert wird, daß er innerhalb von vier Jahren nur mit acht Anfragen für das Inverkehrbringen befaßt wurde. Dieser Ausschuß soll in Zukunft aufgewertet werden und eine doppelte Funktion der Beratung und Anrufung erfüllen, wobei positiv hervorgehoben werden muß, daß die Antragsteller hier ein Anhörungsrecht haben.
Die Rolle dieses Ausschusses, der sich lediglich mit Ausnahmefällen befassen sollte, bedarf allerdings ebenso wie der Bericht, der diesem Ausschuß gegeben wird, nach Art. 13 Abs. 1 einer klareren Formulierung und Definition, um neue Verzögerungen zu verhindern und die angestrebte Verkürzung der Anerkennungsfrist von 120 auf 60 Tage auch unter dem Gesichtspunkt der Arzneimittelsicherheit vertreten zu können.
Die Änderung der Zulassungsrichtlinie der EG würde jedoch bei ihrer Umsetzung in nationales Recht unser Arzneimittelgesetz in einigen Punkten tangieren. So fordert ein Richtlinienvorschlag künftig ein sogenanntes technisches Merkblatt, dessen Zweckbestimmung nicht ganz klar ersichtlich ist. Dieser Vorschlag könnte jedoch die Basis für die deutsche Gebrauchsinformation für die Fachkreise bilden, wodurch der Weg bereitet würde für eine bei uns schon sehr häufig diskutierte differenzierte Information, und zwar eine verbrauchergerechte Gebrauchsinformation oder Packungsbeilage laut § 11 unseres Arzneimittelgesetzes und zusätzlich eine fachbereichsgerechte Gebrauchsinformation, deren Einführung vom Bundesverband der pharmazeutischen Industrie bereits im November 1980 beschlossen wurde.
Die nicht mehr limierte offene Darlegung des sogenannten Verfalldatums entspricht ebenfalls nicht der Regelung unseres Arzneimittelgesetzes. Es bleibt abzuwarten, ob der von der Bundesregierung bis Ende dieses Jahres vorzulegende Bericht über die seit 1978 mit dem Arzneimittelgesetz gemachten Erfahrungen zum Verfalldatum neue Erkenntnisse enthält, die der Forderung der Richtlinie entsprechen würden. In dem Fall würde das Arzneimittelgesetz sicher bei einer eventuell anstehenden Novellierung geändert werden.
Die für den Schutz der öffentlichen Gesundheit geforderte obligatorische Einführung gleicher Bezeichnungen in der EG für sogenannte gleiche Erzeugnisse ist aus bundesdeutscher Sicht nicht gerechtfertigt, da sie sich in zahlreichen Fällen in Richtung Aufhebung von individuellen Warenzeichen auswirken würde. Warenzeichen aber, meine Damen und Herren, sind einerseits Ordnungsfaktoren im Wettbewerb, andererseits Qualitätsgaranten. Im Interesse des Verbrauchers sollte nicht der irrtümliche Eindruck erweckt werden, daß gleiche Werkstoffe automatisch die gleiche Wirksamkeit eines Präparates bedeuten. Man sollte dabei immer die Galenik beachten.
Um zu erreichen, daß die Gemeinschaftsrichtlinie bei der Durchführung der Versuche und bei der Prüfung der Anträge auf Genehmigung für das Inverkehrbringen in den verschiedenen Mitgliedstaaten in gleicher Weise ausgelegt werden, schlägt die Kommission im Wege einer Empfehlung des Rates vor, erläuternde Hinweise, sogenannte Guidelines, zu erstellen, was grundsätzlich begrüßt werden kann.
Nicht akzeptiert werden jedoch Vorschläge in den Guidelines, die über die Bestimmungen der Richtlinien und des Arzneimittelgesetzes hinausgehen und damit praktisch neue Versagensgründe für die Zulassung schaffen. So ist der Vorschlag für Kombinationspräparate in der Anlage VI nicht annehmbar, da er die Basis für eine von allen deutschen Bundesregierungen bisher abgelehnte Bedürfnisprüfung auf dem Arzneimittelmarkt liefert.
Außerdem dürfen wir uns den Hinweis erlauben, daß festgeschriebene Tierversuche für die Zulassung der Arzneimittel in diesen Guidelines für uns auf Dauer nicht bindend sein können, für den Fall, daß wir mit der Entwicklung alternativer Methoden und beim Abbau der Tierversuche, die heute j a doch sehr in Frage gestellt werden, weiterkommen.
Meine Damen und Herren, diese Vorschläge stellen sicherlich einen entscheidenden Schritt zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften auf dem europäischen Arzneimittelsektor und damit zu einer gegenseitigen Anerkennung der Genehmigung für das Inverkehrbringen dar. Diese Erkenntnis enthebt uns jedoch nicht der Verpflichtung, die Bundesregierung aufzufordern, darauf hinzuwirken, daß bei den weiteren Beratungen in Brüssel die im Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit gemeinsam erarbeiteten Vorbehalte, die in der Beschlußempfehlung Drucksache 9/1051 dargelegt sind, berücksichtigt werden. Es bleibt zu hoffen, daß sich darüber hinaus ein Klima des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten entwickelt und bei der für den 1. Januar 1988 angesetzten Überprüfung des Verfahrens die Voraussetzungen für eine endgültige automatische gegenseitige Anerkennung gegeben sein werden.
Die CDU/CSU-Fraktion stimmt dieser Beschlußempfehlung zu und bittet Sie, meine Damen und Herren, ein Gleiches zu tun. - Danke schön.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Fiebig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Arzneimittelrecht eignet sich nicht für parteipolitische Auseinandersetzungen. Das Arzneimittelgesetz, das seit dem 1. Januar 1978 in der Bundesrepublik in Kraft ist, setzt drei gleichwertige Ziele: 1. Sicherheit, 2. Wirksamkeit, 3. Qualität der Arzneimittel. Über diese Ziele besteht Einigkeit. Bestenfalls gibt es unterschiedliche Positionen, wie diese Ziele zu erreichen seien.
Auch in der Europäischen Gemeinschaft besteht Einvernehmen über diese zu erreichenden Ziele. Aber es wird ein langer, mühsamer Weg sein, die
Arzneimittelgesetzgebung in der Gemeinschaft restlos zu harmonisieren.
Die heute vorliegende Richtlinienänderung des Rates ist ein weiterer kleiner Schritt in die richtige Richtung, wenn die gegenseitige Anerkennung einer nationalen Arzneimittelzulassung als endgültiges Ziel anerkannt wird. Sowohl das Arzneimittelrecht in den einzelnen Mitgliedstaaten trotz einer bereits erfolgten Harmonisierung als auch der europäische Arzneimittelmarkt gleichen einem sehr bunten Flikkenteppich. Die einzelstaatlichen Behörden treffen immer noch divergierende Zulassungsentscheidungen. Die Arzneimittelpreise in der Gemeinschaft divergieren oft in skandalöser Weise.
Ich möchte die Bereitwilligkeit des nationalen Gesetzgebers, des Deutschen Bundestags, unterstreichen, eine weitere Harmonisierung des Arzneimittelrechts und der gegenseitigen Anerkennung von Zulassungen und des Arzneimittelmarktes zu erreichen.
Einen Vorbehalt jedoch muß ich machen: Entsprechend einem Beschluß des Deutschen Bundestags hat die Bundesregierung bis zum Ende dieses Jahres einen Bericht darüber vorzulegen, welche Erfahrungen mit dem Arzneimittelgesetz gemacht worden sind. Diesen Bericht muß der Bundestag diskutieren und prüfen, ob das geltende Arzneimittelgesetz novelliert werden soll und muß und gegebenenfalls in welchen Punkten. Unter diesen Vorbehalt müssen die Verhandlungen der Bundesregierung über die vorliegende Änderung der Richtlinie über Arzneimittelspezialitäten gestellt werden. Entscheidungen in Brüssel dürfen kein Präjudiz schaffen, wie weit das deutsche Arzneimittelgesetz novelliert werden soll. Die Bundesregierung sollte sich hüten, Parlamentsentscheidungen vorwegzunehmen.
Ich bin der Auffassung, ohne diesem erwähnten Bericht der Bundesregierung vorzugreifen, daß das Arzneimittelgesetz, das der Deutsche Bundestag 1976 verabschiedet hat, sich bewährt hat. Aber nichts ist so gut, daß es nicht noch besser werden könnte. Der Bundestag wird also prüfen müssen, an welchen Punkten das Arzneimittelgesetz unbedingt geändert werden muß. Eine ständige Gesetzesänderung trägt allerdings nicht zur Rechtssicherheit bei. Bei dieser Beachtung der Notwendigkeit von Kontinuität bin ich der Auffassung, daß bei einzelnen Korrekturen die Philosophie des Arzneimittelgesetzes unbedingt erhalten werden muß. Unter diesen Vorbehalt stellt die vorliegende Beschlußempfehlung des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit an einzelnen Punkten die Verhandlungen der Bundesregierung auf der Ebene der Europäischen Gemeinschaft.
Wie immer steckt der Teufel im Detail. Die Anlage 5 des Vorschlags einer Richtlinie spricht von der Sicherheitsbeurteilung neuer Arzneimittel an Tieren. Niemand wird die Notwendigkeit von Tierversuchen bestreiten. Jedoch hat der Bundestag mehrfach zum Ausdruck gebracht - zuletzt im Bericht zum Umweltchemikaliengesetz -, daß es gelingen müßte, Tierversuche soweit wie möglich durch Versuche an Zellkulturen zu ersetzen. Nicht Ausweitung, sondern Reduzierung von Tierversuchen auf das notwendige
Maß ist die Forderung auch in der jetzt vorliegenden Novellierung des Tierschutzgesetzes.
Mit Entschiedenheit muß der Bundestag auch Forderungen entgegentreten, mehr Versuche an Menschen durchzuführen, wie es zuletzt der Präsident einer Bundesoberbehörde in der Illustrierten „Quick" im Monat Oktober gefordert hat. Die Erfahrungen des Dritten Reiches und die Menschenrechte verbieten Versuche an Menschen. Im geltenden Arzneimittelgesetz sind kontrollierte klinische Prüfungen genauestens geregelt und nur dann zulässig, wenn sie der Behandlung, Heilung und Linderung von Krankheiten dienen. Der Gesetzgeber hat den kontrollierten klinischen Versuch also ganz streng und eng an den Behandlungsauftrag des Patienten an den Arzt gebunden. So und nicht anders geht es. Wer Versuche an Menschen fordert, stellt sich gegen das geltende Gesetz.
Auch unter ethischen Gesichtspunkten muß unbedingt an dieser Beurteilungsweise festgehalten werden. Der Mensch darf niemals Mittel zum Zweck werden.
Lassen Sie mich zum Schluß bitte noch folgende Bemerkung machen. Vor kurzem erschien ein Buch unter dem Titel „Gesunde Geschäfte - Die Praktiken der Pharmaindustrie". Ich setze voraus, daß die Verfasser dieses Buches sorgfältig recherchiert haben. Das Ergebnis dieser Untersuchungen wirft ein bezeichnendes Licht auf einen Teil - ich unterstreiche: auf einen Teil - der Pharmabranche und auf ihre skanalösen Werbe- und Absatzmethoden.
({0})
Es muß Bürger und den Gesetzgeber zutiefst beunruhigen und empören, wenn ein Pharmariese mit exorbitanten Werbegeschenken Ärzte veranlassen will, Medikamente dieser Firma zu verordnen, jener Firma also, die die großen Geschenke macht. Welch eine Menschenverachtung liegt darin, wenn es nur noch um den Umsatz geht, aber nicht mehr um Heilung und Linderung von Krankheiten. Diese Praktiken fördern gerade nicht das Vertrauen in diese Branche oder zynisch gesagt: in diesen Industriezweig. Diese Praktiken sind der Aufmerksamkeit der Europäischen Kommission wert.
Ich bitte, den vorliegenden Beschlußempfehlungen auf Drucksache 9/1051 zuzustimmen.
({1})
Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Abgeordnete Dr. Adam-Schwaetzer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als der Präsident diesen Tagesordnungspunkt aufrief, habe ich gedacht, welche unmöglichen Zungenbrecher uns doch die europäische Bürokratie bescheren kann. Das sind doch Dinge, die einen geradezu auffordern, sich nicht damit auseinanderzusetzen. Das wäre bei dem Thema, das wir heute behandeln, allerdings tatsächlich verkehrt. Das dürfen wir natürlich nicht tun; denn es gibt in dieser Richtlinie einige Vorschriften, die, wenn sie so angenommen würden, tiefgreifende Änderungen unseres Arzneimittelrechtes nach sich zögen. Sie widersprächen den Grundsätzen, die den Bundestag 1976 bei der Verabschiedung des Arzneimittelgesetzes geleitet haben.
Deshalb hat der Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit des Deutschen Bundestages die Bundesregierung in seiner Beschlußempfehlung aufgefordert, über bestimmte Punkte, die in dieser Richtlinie zur Angleichung der Rechtsvorschriften über Arzneispezialitäten behandelt werden, bei der Kommission in Brüssel weiter zu verhandeln.
Es handelt sich hauptsächlich um einige Punkte, die eine Änderung unseres Arzneimittelgesetzes notwendig machen dürften. Ich darf in dem Zusammenhang das Problem des technischen Merkblattes anführen, das von Frau Dr. Neumeister eben schon ausführlich behandelt worden ist, und das Problem der Angabe eines offenen Verfalldatums auf allen Arzneispezialitäten, eine Forderung, die von den Verbraucherverbänden immer wieder gestellt wird und für die man auch sehr viel Sympathie aufbringen kann. Ich glaube aber, daß wir uns damit im Rahmen der Diskussion über den Bericht zum Arzneimittelgesetz, den die Bundesregierung bis Ende des Jahres vorlegen wird, noch etwas näher beschäftigen und fragen müssen, ob das tatsächlich dazu beiträgt, die Arzneimittelsicherheit zu erhöhen oder nicht.
Die vorgeschlagene Richtlinie enthält einige Punkte, die auch von uns nachdrücklich zu begrüßen sind. Da ist zunächst einmal die Tatsache, daß die Kommission nun endlich die gegenseitige Anerkennung von Zulassungen von Arzneispezialitäten als das Prinzip festschreiben will, das in Zukunft gelten soll, um einen großen, einheitlichen, freien Arzneimittelmarkt innerhalb der Europäischen Gemeinschaft zu schaffen unter der Voraussetzung, daß der Standard der Arzneimittelsicherheit in allen beteiligten Ländern der Europäischen Gemeinschaft auf einem gleichen, hohen Niveau gesichert wird. Dies ist nachdrücklichst zu begrüßen, vor allem auch im Interesse der Patienten, die auf Grund der immer größer werdenden Freizügigkeit, von der auch zunehmend Gebrauch gemacht wird, zwischen den einzelnen europäischen Ländern hin und her reisen, ihren Wohnsitz ändern und pendeln. Die gegenseitige Anerkennung ist aber auch deshalb notwendig, um den Aufbau einer weiteren Bürokratie zu vermeiden. Dies wäre notgedrungen geschehen, wenn eine europäische Zulassung, wie das von der Kommission zunächst vorgesehen war, tatsächlich festgeschrieben worden wäre. Dankenswerterweise hat sich die Bundesregierung diesem Ansinnen immer widersetzt. Das in den derzeit geltenden Richtlinien vorgesehene Verfahren ist so unpraktikabel, daß es von den Arzneimittelherstellern praktisch nicht in Anspruch genommen worden ist.
Besondere Beachtung in dem Richtlinien-Vorschlag verdient die Anlage VI, die Anforderungen an fixe Kombinationen von Arzneimitteln festschreiben will. Der Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit war einhellig der Auffassung, daß diese Anlage, so wie sie vorliegt, einer genaueren Prüfung bedarf. Der Text, der vorgeschlagen ist, läßt die VermuFrau Dr. Adam-Schwaetzer
tung aufkommen, daß hier eine Bedürfnisprüfung für Kombinationspräparate eingeführt werden soll. Eine solche Bedürfnisprüfung wäre aber ein zusätzliches Kriterium für die Zulassung von Arzneimitteln, das vom Deutschen Bundestag 1976 bei der Verabschiedung des Arzneimittelgesetzes mit gutem Grund nicht als Kriterium für die Zulassung von Arzneimitteln anerkannt worden ist. Das einzige Kriterium, das nach unserem Arzneimittelrecht bei der Anerkennung einer Zulassung zugrunde gelegt wird, ist die Abschätzung von Nutzen und Risiko eines gesamten Präparats. Das heißt, es wird auch bei Kombinationspräparaten nicht auf die einzelnen Bestandteile, sondern auf das gesamte Präparat abgestellt.
Die Entscheidung über den therapeutischen Nutzen eines Medikaments - eine solche Entscheidung wäre eine Bedürfnisprüfung praktisch - trifft nach unserem Recht allein der Arzt. Dies ist die Therapiefreiheit, auf die wir stolz sind und die wir auch erhalten wollen. Die Einführung einer solchen Bedürfnisprüfung für Kombinationspräparate träfe vor allem Naturheilmittel. Ich habe den Eindruck, daß es durchaus in der Absicht auch einiger Mitglieder dieses Hauses liegen könnte, wenn Naturheilmitteln durch die Verabschiedung einer solchen Vorschrift das Verbleiben auf dem und vor allen Dingen der Zugang zum Arzneimittelmarkt erschwert würde. Die FDP könnte sich mit einer solchen Einschränkung der Pluralität von Therapierichtungen, mit einer solchen Einschränkung der Pluralität des Arzneimittelangebots und auch der Therapiefreiheit nicht abfinden.
({0})
In der Beschlußempfehlung wird die Bundesregierung deshalb aufgefordert, einem solchen zusätzlichen Kriterium nicht zuzustimmen.
Meine Damen und Herren, ich denke, mit den vom Ausschuß vorgeschlagenen weiteren Verhandlungszielen für die Bundesregierung bei der Behandlung dieses Richtlinien-Vorschlags bei der Europäischen Kommission kann ein deutlicher, entscheidender und guter Beitrag geleistet werden, der einem hohen Standard von Arzneimittelsicherheit innerhalb der Europäischen Gemeinschaft förderlich sein würde. Deshalb bitte ich Sie, der Beschlußempfehlung so zuzustimmen. - Vielen Dank.
({1})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 9/1051 die Annahme der Entschließung. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Stimmt jemand dagegen? - Enthält sich jemand der Stimme? - Es ist einstimmig so verfahren.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 7 auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Waigel, Dr. Köhler ({0}), Grunnenberg, Ewen, Funke, Dr. von Geldern, Kittelmann, Dr. Klejdzinski, Rapp ({1}) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Tiefseebergbaus
- Drucksache 9/1074 Das Wort dazu wird nicht gewünscht.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf zur federführenden Beratung an den Ausschuß für Wirtschaft, zur Mitberatung an den Auswärtigen Ausschuß und an den Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit zu überweisen. Ist das Haus mit den vorgeschlagenen Überweisungen einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch; es ist entsprechend beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 8 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für das Post- und Fernmeldewesen ({2}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Postversorgung auf dem Lande
Konzept des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen für die künftige Postversorgung auf dem Lande
- Drucksachen 9/408, 9/1070 Berichterstatter: Abgeordneter Lintner
Das Wort zur Berichterstattung wird nicht gewünscht.
Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist für die Aussprache eine Debattenrunde vereinbart worden. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe, das ist der Fall.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Lintner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schon vor gut zweieinhalb Jahren - man höre und staune -, nämlich am 5. April 1979, legte die CDU/CSU-Fraktion ihren Antrag ,,Postversorgung auf dem Lande" vor. In ihm wurde damals die Bundesregierung aufgefordert, unverzüglich ein Konzept für die künftige Postversorgung auf dem Lande vorzulegen. Der Antrag war dringend notwendig geworden, weil die Deutsche Bundespost im letzten Jahrzehnt zum Nachteil der Bürger in den ländlichen Gebieten und im Stadtrandbereich den Rückzug aus der Fläche angetreten hatte. So waren von den rund 19 400 Poststellen des Jahres 1970 bis zu unserem Antrag schon rund 7 000 aufgelöst worden; weitere 5 000 bis 9 000 Poststellen waren seinerzeit von der Auflösung bedroht. Somit war ein postalischer Kahlschlag auf dem Lande zu befürchten. Er hätte unweigerlich zum Fortfall einer Vielzahl von Arbeitsplätzen geführt, die gerade im ländlichen Raum unentbehrlicher sind als anderswo, ganz zu schweigen von den persönlichen Härten für die betroffenen Postbediensteten, die damit verbunden gewesen wären. Die dabei zwangsläufig noch zusätzlich auftretenden Einschränkungen in der Infrastruktur hätten entsprechende negative Folgen für die Lebensqualität im allgemeinen und die Wettbewerbsfähigkeit des ländlichen Raumes im besonde4040
ren gehabt. Das alles gilt, meine Damen und Herren, auch für künftige Regelungen.
Als unser Antrag am 21. Juni 1979 in der ersten Lesung im Plenum behandelt wurde, meinte damals der Kollege Wuttke, die Erstellung eines Konzepts der Postversorgung sei durch das Bundespostministerium weitgehend abgeschlossen. Er warf uns vor, wir griffen wieder einmal mit viel Reklame eine populäre Frage auf, deren Lösung durch den zuständigen Minister - man höre - unmittelbar bevorstehe. Der Kollege Wuttke wurde - wie in vielen anderen Fällen so auch hier - eines „Schlechteren" belehrt; denn bei der Post ging's nicht so schnell.
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- Bei dem Postminister! Ich korrigiere mich gern, Herr Kollege Pfeffermann. - Noch zwei Jahre dauerte es nämlich - mittlerweile hatten sich auch die Herren der Regierungskoalition von der Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit unseres Antrages überzeugen können -, bis der Bundespostminister die damals „unmittelbar" bevorstehende Lösung vorlegen konnte.
Die jetzt von der Bundesregierung vorgelegte Konzeption für die Postversorgung auf dem Lande enthält zwei Grundsatzregelungen, die diese künftige Postversorgung bestimmen sollen. Es sind einerseits die Grundsätze für die Beibehaltung, Aufhebung oder Neueinrichtung von Poststellen, den Einsatz fahrbarer Postschalter sowie die Landzustellung und andererseits die Neuregelung des Dienstrechts der Posthalter. In dem vorgelegten Konzept heißt es, die ortsfeste Amtsstelle solle der Eckpfeiler der künftigen Postversorgung auf dem Land, und fahrbare Postschalter und Landzusteller sollten nur Ergänzung hierzu sein. Man hätte nun in den Ausschußsitzungen erwarten können, daß sich der Bundespostminister an Hand entsprechender Zahlenangaben über die möglichen Auswirkungen des Konzepts dazu bekannt hätte.
({1}) Dies war aber nicht der Fall.
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Der Bundespostminister konnte weder angeben, ob und wie viele Poststellen auf Grund des neuen Konzepts möglicherweise noch geschlossen werden, noch zu welchen Ergebnissen und Auswirkungen die neue Personalbewertung und -bemessung bei Poststellen und Posthaltern führen wird.
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- Die Konfusion war komplett. Ich gebe Ihnen da völlig recht, Herr Kollege Pfeffermann.
Insbesondere im Zusammenhang mit der Bewertung und Bemessung des künftigen Status der Posthalter waren die Einlassungen des Bundespostministers völlig unzureichend. Dies ist um so bedauerlicher, als gerade davon ja ganz einschneidende und möglicherweise auch sehr entscheidende Auswirkungen für die Postversorgung des flachen Landes ausgehen werden. Wenn beispielsweise in Kürze 30 bis 40 fahrbare Postschalter mehr als bisher eingesetzt werden sollen, so ist dabei sicher ein weiterer Abbau von 200 bis 300 Poststellen zu befürchten. So sind auch im Zusammenhang mit den neuen Bemessungsgrundlagen die Befürchtungen nicht von der Hand zu weisen, die von einer Auflösung eines weiteren Drittels der zur Zeit vorhandenen Poststellen sprechen.
Auch unsere beamtenrechtlichen Bedenken im Hinblick auf den Fortfall der Möglichkeit der Posthalter, Beamter auf Widerruf zu werden, konnten nicht geklärt werden. Unser Antrag, zu dieser Frage den Innenausschuß zur Klärung zu hören und den nicht vollbeschäftigten Posthaltern bis zu einer entsprechenden Neuregelung des Beamtenrechts den Status „auf Widerruf" zu belassen, wurde leider von der Ausschußmehrheit ohne Angabe sachlicher Gründe - wie ich betonen muß - abgelehnt.
({4})
Die Argumente des Bundespostministeriums, das der Beamte auf Widerruf sich in einem ungünstigen Dienstverhältnis befinde, haben die Betroffenen selber nie geäußert. Ich hatte immer den Eindruck, daß den Betroffenen die bisherige Regelung lieber war als das, was jetzt auf sie zukommen soll.
({5})
Der Bundespostminister handelt hier im übrigen auch sehr inkonsequent. Denn er beteuert immer wieder, sogar schriftlich, daß die Posthaltertätigkeit eine typische Beamtentätigkeit sei; und dann handelt er konkret gegen seine eigene Beteuerung.
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Es fragt sich also, warum er diese beamtenrechtlich mögliche Gestaltung der Posthaltertätigkeit partout abschaffen will, zumal gerade jetzt die Teilzeitbeschäftigung von Beamten Gestalt anzunehmen scheint. Dazu ist auch noch der als Ergänzung gedachte fahrbare Postschalter, obwohl schon im Einsatz, in seiner konkreten Ausgestaltung innerbetrieblich immer noch nicht abschließend geklärt.
Der CDU/CSU kann es aber nicht zugemutet werden, bei den zu vagen Angaben über die Auswirkungen des Konzepts quasi einer Katze im Sack zuzustimmen oder gar einen Freibrief für die Zukunft zu erteilen. Deshalb werden wir dem Konzept nur unter der Voraussetzung zustimmen, daß der derzeitige Bestand an Poststellen im wesentlichen erhalten bleibt.
({7})
Dies bedeutet, daß die ortsfeste Amtsstelle in den ländlichen Bereichen tatsächlich Eckpfeiler einer optimalen Postversorgung sein muß und Vorrang vor fahrbaren Postschaltern hat. Sollten sich daher gravierende Änderungen abzeichnen, so ist sichergestellt, daß sich der Ausschuß erneut rechtzeitig mit dieser Materie befassen wird.
({8})
- Herr Kollege Paterna, der Gedanke tauchte zuerst bei uns auf, und Sie haben sich ihm dann angeschlossen.
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Diese Vorsicht ist insbesondere im Hinblick auf die zur Zeit noch nicht abgeschlossene neue Personalbewertung und -bemessung der Posthalter angezeigt. Denn es ist zu befürchten, daß durch die wesentlich härtere Bewertung des Arbeitsanfalls bei den Poststellen nicht nur eine Abstufungswelle eintritt, sondern auch die Grundarbeitszeit von wöchentlich sechs Stunden vielfach nicht erreicht werden wird. Deshalb ist es auch notwendig, daß die Post zunächst selber alles tut, um überall und vor allem im ländlichen Bereich weitere Kunden zu gewinnen, z. B. dadurch, daß sie sich bei den Öffnungszeiten im Schalterdienst den örtlich spezifischen Gewohnheiten und Bedürfnissen anpaßt.
({10})
Bei alledem darf auch nicht vergessen werden, daß die Deutsche Bundespost eine gemeinwirtschaftliche Verpflichtung hat, also z. B. der Prioritätenfestsetzung des Zonenrandförderungsgesetzes und des Bundesraumordnungsgesetzes unterliegt. Zudem ist von Bund, Ländern und Gemeinden mit einem enorm hohen finanziellen Aufwand die Infrastruktur im ländlichen Raum verbessert worden. Diese Maßnahmen dürfen nach Ansicht der CDU/CSU-Fraktion durch zu rigorose Schließung von Postämtern nicht unterlaufen werden. Vielmehr müssen diese strukturpolitischen Maßnahmen von der Post unterstützt werden. Deshalb muß es eben auch Ziel der Deutschen Bundespost bei der Postversorgung auf dem Lande und insbesondere im Zonenrandgebiet sein, nicht ihre Präsenz abzubauen, sondern möglichst viele Poststellen zu erhalten und, wenn möglich, auch neue zu schaffen, dies auch, um den betroffenen Menschen zu helfen, sei es den Postbediensteten, sei es den Kunden, die alle in diesen ländlichen Räumen weiter leben wollen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Wuttke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu den Vorwürfen des Kollegen Lintner kann ich mir die Antwort ersparen. Der Ausschußbericht wurde in vollem Einvernehmen mit der Union verfaßt und einstimmig angenommen. Man hätte sich diese Debatte eigentlich ersparen können. Jetzt weiß ich auch, weshalb hier noch einmal debattiert werden muß: Man mußte eben noch einmal etwas anderes sagen.
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- Herr Kollege Pfeffermann, wir haben uns doch noch nie verstanden, draußen schon, aber hier im Plenum nicht; denn Sie wußten immer alles besser.
Mit der vorliegenden Unterrichtung zur Postversorgung auf dem Lande kommt die Bundesregierung der Verpflichtung nach, die ihr dieses Haus mit Beschluß vom 16. November 1979 aufgegeben hat. Aus der geforderten Darlegung von Grundsätzen, die für den Betrieb von Poststellen maßgeblich sind, ist trotz der gestrafften Form der Ausarbeitung noch ein wenig mehr geworden. Die Deutsche Bundespost argumentiert auch; das haben wir im Ausschuß bemerken müssen. Sie zeigt die Probleme ihrer Amtsstellenorganisation aus ihrer Sicht, und ich denke, es ist gut und richtig, daß diese Sicht mit in die öffentliche Diskussion gebracht wird. Denn es ist ja nicht alles richtig, was populär, und nicht alles falsch, was nicht populär ist.
Die Deutsche Bundespost hat wegen ihres gemeinwirtschaftlichen Auftrages bei ihrer Organisation Aspekte zu berücksichtigen, die eigentlich zueinander im Widerspruch stehen. Aus der gesetzlich verankerten Bedienungspflicht hat sie das Amtsstellennetz mit den Augen des Kunden zu sehen. Sie muß sich daher bemühen, die Postversorgung gleichmäßig auszubauen und kundenfreundlich zu gestalten. Daß dieser Gesichtspunkt nunmehr in die bundesweit geltende Organisationsrichtlinie aufgenommen wird, ist ein nicht nur äußerlicher Fortschritt gegenüber der bisherigen Vorschrift, die seit 1959 in Kraft ist.
Zu diesem Kundenaspekt gesellt sich die betriebliche Problematik. Der Bundespostminister ist nach dem Postverwaltungsgesetz verpflichtet, die Anlagen der Deutschen Bundespost technisch und betrieblich den Anforderungen des Verkehrs entsprechend weiterzuentwickeln. Die Deutsche Bundespost hat daher ihren Betrieb umzustellen oder anzupassen, wenn sich äußere Bedingungen ändern.
Es liegt nun in der Natur der Sache, daß solche Betriebsentwicklungen das vorhin skizzierte Kundeninteresse tangieren können. Die Bundespost darf die Postversorgung nicht allein auf betriebswirtschaftliche Überlegungen abstellen. Daß die Deutsche Bundespost auch Wirtschaftlichkeit zu berücksichtigen hat, ist hier nicht strittig, es sei denn, wir würden uns andernfalls gleich auf ein Gesetz einigen, das den Bundesrechnungshof auflöst.
({1})
Und so verschweigt die Deutsche Bundespost auch zu Recht diesen wirtschaftlichen Aspekt in dem vorliegenden Konzept nicht. Das Konzept der Bundesregierung, das die für den Betrieb von Poststellen maßgeblichen Grundsätze auch auf diese von mir genannten Gesichtspunkte stützt, versucht die schwierige Aufgabe zu lösen, diese Gegensätzlichkeiten aus Kundeninteresse, Betriebsnotwendigkeit und Wirtschaftlichkeit so aufeinander abzustimmen, daß alle drei Kriterien gleichgewichtig zum Zuge kommen. Das ist ein schwieriges Unterfangen.
Wer das vorliegende Konzept aber einmal aufmerksam auf diese Gleichgewichtigkeit gegensätzlicher Prämissen abklopft, kann feststellen, daß die4042
ses Vorhaben recht gut gelungen ist. Das gilt einmal für die wirtschaftliche Seite. Es wird ein Minimum an statistisch nachweisbarer Nachfrage nach den angebotenen Dienstleistungen gefordert. Wo eine kaum noch nennenswerte Nachfrage erheblich kostengünstiger durch andere Formen als die kleine Poststelle 2 befriedigt werden kann, darf die Post in ihrer Organisationsfreiheit nicht eingeschränkt werden.
Unter dem betrieblichen Blickwinkel sagt das Konzept, daß die Postämter und Poststellen am besten dort stehen, wo sie für die Annahme, die Leitung und die Zustellung der Sendungen betrieblich gebraucht werden.
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Das ist zunächst ein sanfter Hinweis darauf, daß die Postversorgung irgendwo auch noch mit Briefen und Paketen zu tun hat.
Was zwischen dem Einwurf eines Briefes in den gelben Kasten und der Zustellung des Briefes in die Wohnung des Empfängers passiert, das passiert ja alles auch irgendwo in Postämtern und Poststellen, ohne daß der organisatorische Ablauf, der dahintersteht, für die Öffentlichkeit sichtbar in Erscheinung tritt. Aber für die Post ist der Zusammenhang sichtbar da. Sie muß ihn eben berücksichtigen.
Schließlich bringt die Post in dem Konzept Kundeninteressen selbst ins Spiel, obwohl gerade diese Interessen leicht mit der Betriebswirtschaft kollidieren. Lassen Sie mich hierfür zwei Beispiele nennen.
Erstens. Kleine Poststellen erhalten Zeitzuschläge, die bis zu 100 % der gemessenen Arbeitsleistung ausmachen können. Das bedeutet, daß Poststellen 2, auch wenn sie nach einem Bemessungsergebnis nur sechs Stunden pro Woche für die Kundenbedienung benötigen, werktäglich dennoch zwei Studen der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen.
Zweitens. Die Bedingungen für die Dichte des Amtsstellennetzes sind kundenfreundlicher gestaltet worden. Grundsätzlich gilt nach wie vor eine Entfernung von 2 000 m bis zur nächsten Amtsstelle als zumutbar. Erstmals wird aber in die Postvorschrift die Möglichkeit aufgenommen, unter Berücksichtigung örtlicher Besonderheiten von einem Einzugsbereich auszugehen, der bei 1 500 m Wegeleistung endet.
Das eröffnet die Möglichkeit zur Neueinrichtung von Postanstalten unter bestimmten strukturellen Voraussetzungen. In der zurückliegenden Diskussion ist der fahrbare Postschalter oft als Grund für Befürchtungen über einen Kahlschlag bei den Poststellen angeführt worden. Auch Kollege Lintner hat das gesagt. Das jetzige Konzept bestätigt solche Befürchtungen nicht. Hier hat die Deutsche Bundespost gegenüber früheren weitreichenden Überlegungen eine Wende vollzogen, wie sie die SPD gefordert hat.
Die Deutsche Bundespost wird beim Einsatz von fahrbaren Postschaltern, die, richtig eingesetzt, eine Bereicherung des postalischen Angebots sein können, behutsam und auch zurückhaltend sein. Das gilt ganz besonders für das Zonenrandgebiet. Der wichtigste Grundsatz des Konzepts besagt, daß ortsfeste Postämter und Poststellen Eckpfeiler der Postversorgung bleiben; auch das ist schon gesagt worden. Die Erwartungen, die damit für den Bestand der Postämter und Poststellen verbunden sind, hat der Postausschuß deutlich formuliert.
Ich darf die einstimmig gefaßte Beschlußempfehlung des federführenden Ausschusses für das Post-und Fernmeldewesen zum Konzept für die künftige Postversorgung auf dem Lande zusammenfassend noch einmal in Schwerpunkten herausstellen. Sie enthält die aus sozialdemokratischer Sicht notwendigen Ergänzungen und Klarstellungen zum Konzept.
Erstens. Die Verbesserung der Infrastruktur im ländlichen Raum soll von der Post unterstützt werden.
Zweitens. Die ortsfeste Annahmestelle auch in ländlichen Bereichen soll grundsätzlich als Eckpfeiler einer optimalen Postversorgung erhalten bleiben. Soweit möglich, ist ihr der Vorrang vor fahrbaren Postschaltern zu geben. Die Inanspruchnahme ortsfester Amtsstellen soll durch stärkere Ausrichtung auf Kundenbedürfnisse verbessert werden.
Drittens. Den besonderen Bedingungen im Zonenrandgebiet, dem Willen des Zonenrandförderungsgesetzes muß Rechnung getragen werden. Besonders hier soll der dritte Absatz von Textziffer 5, wonach ortsfeste Amtsstellen den fahrbaren Postschaltern vorzuziehen sind, gelten. Eine Verbesserung des Dienstleistungsangebots soll den Bestand der vorhandenen Amtsstellen festigen.
Viertens. Die Einrichtung fahrbarer Postschalter unterliegt der Einzelfallprüfung durch das Postministerium und ist auf das geringste Maß zu beschränken.
Fünftens. Die Zahl der derzeit vorhandenen Poststellen muß im wesentlichen erhalten bleiben.
({3})
Sollte dies bei der Verwirklichung des Konzepts nicht der Fall sein, erwartet der Ausschuß entsprechende Korrekturen.
Herr Pfeffermann, obwohl noch nicht Nikolaustag ist, haben Sie immer wieder die Gelegenheit wahrgenommen, etwas in ihren Bart zu brabbeln, was ich hier leider nicht verstehe.
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- Ich unterstreiche das, weil Sie eben gegenteiliger Auffassung sind; das müssen Sie mir doch gestatten. Sie haben, obwohl es nicht notwendig war, die Gelegenheit wahrgenommen, hier noch einmal Ihre Auffassung von Anno dazumal, auch von 1979, darzulegen, obwohl sich vieles geändert hat.
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Das zeigt ja der einstimmige Beschluß.
Meine Damen und Herren, mit diesem Beschluß ist sichergestellt, daß die flächendeckende Postversorgung auf dem Lande im Interesse unserer Bürger auch künftig gesichert ist und daß es keine Kahlschlagsanierung bei den ortsfesten Amtsstellen geben wird.
Wichtig ist für uns in diesem Zusammenhang auch, daß mit dem vorliegenden Konzept und den Beschlüssen des Ausschusses keine negativen Auswirkungen für die betroffenen Beschäftigten bei der Deutschen Bundespost verbunden sind. Ich halte das Konzept für eine ausgewogene Lösung eines nicht leichten Problems.
Ich bitte, dem Beschlußvorschlag des Postausschusses zuzustimmen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Merker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Lintner, ich finde, Sie haben hier eben ein Schattenboxen veranstaltet. Sie haben eine Diskussion, die wir eine Zeitlang im Ausschuß geführt haben, hier ins Plenum getragen und haben dabei den Eindruck erweckt, als hätte sich in der Zwischenzeit nichts geändert, was falsch ist. Ich gestehe Ihnen gern zu, daß ich mich bei den Ausschußberatungen eine Zeitlang auch ein bißchen geärgert habe, als der Informationsfluß durch den Bundespostminister nicht ganz so gut war, wie ich mir das vorgestellt hatte; ich habe das auch gesagt. Aber, Herr Kollege Lintner, Sie sollten nicht hergehen -
Erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Pfeffermann?
Ja, sonst kriege ich meine Redezeit nicht voll.
({0})
Bitte schön.
Herr Kollege Merker, Sie sind doch sicherlich bereit einzuräumen, daß sich die Ausgangssituation insofern natürlich nicht geändert hat, als uns die endgültigen Auswirkungen dieses Konzepts in Zahlen auch bis zur Stunde nicht genannt werden konnten und wir deswegen die Sicherung einbauen mußten, daß wir, wenn wesentliche Abweichungen von dem, was in Aussicht gestellt wurde, erfolgen rechtzeitig informiert werden möchten. Insofern haben wir immer noch ein Stückchen Hoffnung mit in dem Konzept. Die endgültigen Auswirkungen kennen wir noch nicht; jedenfalls konnten wir sie nicht endgültig genannt bekommen.
Herr Kollege Pfeffermann, Sie haben schon wieder einen Frühstart gemacht. Hätten Sie nur noch zwei Minuten gewartet, hätte ich Ihnen die Frage auch so beantwortet. Ich habe mich doch noch mit dem Kollegen. Lintner beschäftigt.
({0})
Sie haben so natürlich die Gelegenheit, sich, obwohl Sie nicht als Redner Ihrer Fraktion hier auftauchen, im Protokoll wiederzufinden - was ich durchaus verstehe.
Ich beschäftige mich nach wie vor mit dem Kollegen Lintner und komme dabei selbstverständlich auf das, was Sie hier gefragt haben.
Ich hatte gerade angefangen zu sagen, daß der Herr Kollege Lintner hier den Eindruck erweckt habe, als stünden wir immer noch in der Situation der ersten Ausschußberatung. Damals hatten wir in der Tat eine Weile den Eindruck, daß die Auswirkungen dieses Konzeptes noch nicht ganz zu übersehen seien.
({1})
- Sie haben doch hier gesagt, daß Sie die Befürchtung hätten, daß 200 oder 300 Poststellen abgebaut würden, daß die Abschaffung der Posthalterstellen erfolgen solle. Das sind alles Stichworte, die Sie in Ihrer Rede genannt haben. Warum haben Sie denn nicht gesagt, daß von der Bundesregierung eindeutig klargestellt worden ist, daß nicht beabsichtigt ist, daß ein Abbau der Posthalterstellen stattfindet? Warum haben Sie nicht gesagt, daß wir ausdrücklich mit dem Bundesminister vereinbart haben, daß dann, wenn die Zahl der fahrbaren Postschalter - ({2})
- Wir haben das doch vereinbart. Wir haben eine klare Vereinbarung. Wenn die Zahl der fahrbaren Postschalter eine bestimmte Grenze - ich glaube, sie liegt bei 70 - überschreitet - ({3})
- Dann sollten Sie aber hier doch nicht sagen, daß Sie immer noch den Wissensstand von vor vier Wochen hätten, und nicht so tun, als würde der Abbau von ortsfesten Posthalterstellen hier proklamiert werden.
({4})
Das Gegenteil ist doch der Fall. Wir haben doch mit diesem Konzept erstmals die Möglichkeit, neben betriebswirtschaftliche Aspekte, die bei der Einrichtung solcher Poststellen beachtet werden müssen, in Zukunft auch Gesichtspunkte der Kundendienstfreundlichkeit zu setzen. Damit wird die Post sogar in die Lage versetzt - was strukturpolitisch durchaus erwünscht ist -, unter Umständen Versäumnisse, die der eine oder andere von uns hier auch mit zu verantworten hat - ich meine Versäumnisse im Zuge von kommunalen Neuordnungen -, wieder ein klein wenig auszubügeln. Die Post hat hier wirklich
die Chance, dort, wo die Infrastruktur geringer geworden ist, mit ihren Dienstleistungen zu verbleiben
- und das ist in den ländlichen Bereichen der Fall. Damit wird, nach meiner Auffassung jedenfalls, deutlich, daß der Postservice auf dem Lande nicht etwa verschlechtert, sondern verbessert wird. Deswegen begrüßt die FDP auch dieses Konzept.
Vor mir hat bereits vor Jahren der Kollege Hoffie darauf hingewiesen, daß nach unserer Auffassung die Qualität des Postservices auf dem Lande nicht verschlechtert werden dürfe, sondern vielmehr der Verbesserung bedürfe. Ich glaube, die Chance dazu besteht mit dem Konzept, das hier jetzt vorgetragen worden ist.
({5})
- Herr Kollege Kansy, Sie müssen nicht immer so große Worte wählen. Das Wort „Wende" haben wir in einem völlig anderen Zusammenhang ausgesprochen.
({6})
Sie dürfen sie nicht im Zusammenhang mit dem fahrbaren Postschalter sehen. Aber ich will gern dieses Stichwort einmal aufnehmen, ({7})
- Eben! Ich bin Ihnen so unheimlich dankbar, daß Sie mir die Stichworte liefern.
Herr Kollege Merker, keiner der Redner hat seine 15 Minuten Redezeit in Anspruch genommen.
({0})
Ich habe dies auch nicht vor. Aber ich muß dem Kollegen Kansy, wenn er schon solche Stichworte liefert, doch darauf antworten.
Ich bin im Gegensatz zu Ihnen, Herr Kollege Kansy, nicht der Auffassung, daß diese fahrbaren Postschalter nun etwa Teufelswerk seien. Ich meine, daß man mit dem fahrbaren Postschalter sehr wohl eine bestimmte Qualität im Hinblick auf Kundendienstfreundlichkeit erreichen kann; denn man kann sich damit sehr viel flexibler bewegen und sehr viel dichter an die Wohngebiete herankommen.
({0})
- Eben. Deswegen finden wir das auch alles ganz prima. Wir sind überhaupt nicht der Auffassung, daß dies alles Teufelswerk sei. Wir sind allerdings der Auffassung, daß dies in einen vernünftigen Rahmen, in ein vernünftiges Gesamtkonzept eingebaut werden sollte.
({1})
Genau dies wird mit dem Konzept, das der Bundesminister vorgelegt hat, erreicht.
Die FDP begrüßt deswegen nachdrücklich die Feststellung, daß die festen Amtsstellen zwar Grundpfeiler der Postversorgung bleiben sollen, daß aber daneben der fahrbare Postschalter überall dort eine Rolle spielen wird, wo der Arbeitsanfall für den Landzusteller zu groß ist und für die ortsfeste Annahmestelle eine Wochenarbeitszeit von sechs Stunden nicht erreicht werden kann. Dies ist, glaube ich, ein ganz brauchbares, ein vernünftiges Konzept.
Größere Bürgernähe durch fahrbare Postschalter kann nach unserer Auffassung nur dann erreicht werden, wenn die Kriterien für die Einrichtung eines solchen fahrbaren Postschalters - auch darauf habe ich in den Ausschußsitzungen hingewiesen - von den Oberpostdirektionen mit einer ausreichenden Flexibilität gehandhabt werden können.
Dieses Konzept hat alle Befürchtungen beseitigt, daß die Post einen Rückzug aus der Fläche plant. Wir finden dieses Konzept gut und stimmen ihm deshalb zu.
({2})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 9/1070, den Bericht der Bundesregierung auf Drucksache 9/408 zur Kenntnis zu nehmen. - Ich stelle fest, es erhebt sich dagegen kein Widerspruch. Es ist entsprechend beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Dritten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts ({0})
- Drucksache 9/1065 -
Das Wort wird dazu nicht gewünscht. Der Altestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 9/1065 zur federführenden Beratung an den Rechtsausschuß, zur Mitberatung an den Ausschuß für Wirtschaft zu überweisen. Ist das Haus mit den vorgeschlagenen Überweisungen einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Es ist entsprechend beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf:
Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen Bundeseigenes Gelände in Hannover- Langenhagen; Veräußerung einer insgesamt 10,89.21 ha großen Teilfläche an
a) Die Landeshauptstadt Hannover und
b) die Fa. VDO Meß- und Regeltechnik GmbH, Hannover
- Drucksache 9/1071 Vizepräsident Dr. h. c. Leber
Das Wort wird dazu nicht gewünscht. Der Ältestenrat schlägt die Überweisung des Antrages an den Haushaltsausschuß vor. Ist das Haus mit der Überweisung einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:
Beratung der Sammelübersicht 24 des Petitionsausschusses ({1}) über Anträge zu Petitionen
- Drucksache 9/1021 Das Wort wird dazu nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses auf Drucksache 9/1021, die in der Sammelübersicht 24 enthaltenen Anträge anzunehmen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke sehr. Stimmt jemand dagegen? - Enthält sich jemand der Stimme? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:
Beratung der Übersicht 6 des Rechtsausschusses ({2}) über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht
- Drucksache 9/1073 Dazu wird das Wort auch nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Der Rechtsausschuß empfiehlt auf Drucksache 9/1073, von einer Äußerung oder einem Verfahrensbeitritt zu den in der vorgenannten Drucksache aufgeführten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht abzusehen. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Es ist entsprechend beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 13 und 14 auf:
13. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({3}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag für eine Entscheidung des Rates über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften
- Drucksachen 9/459, 9/1045 Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Mitzscherling
14. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses ({4}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Festlegung der grundlegenden Maßnahmen für den Strahlenschutz bei ärztlichen Untersuchungen und Behandlungen
- Drucksachen 9/344, 9/1078 Berichterstatter:
Abgeordnete Dr. Laufs, Schäfer ({5})
Das Wort wird dazu nicht gewünscht. Ich lasse jetzt über diese Vorlagen gemeinsam abstimmen. Wer den Beschlußempfehlungen der Ausschüsse auf den Drucksachen 9/1045 und 9/1078 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke sehr. Gibt es Gegenstimmen? - Keine Stimmenthaltungen? - Es ist entsprechend beschlossen.
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung angelangt. I Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 3. Dezember 1981, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.