Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung wird die Tagesordnung um den Zusatzpunkt Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU Welttextilabkommen - Drucksache 9/1072 - ergänzt. - Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Der Zusatzpunkt soll am Freitag in Verbindung mit Punkt 19 der Tagesordnung aufgerufen werden.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
- Drucksache 9/1058 Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen auf.
Die Frage 2 des Herrn Abgeordneten Dr. Wittmann soll auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Stahl zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 29 des Herrn Abgeordneten Dr. Kunz ({0}) auf. - Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Es wird wie in der Geschäftsordnung vorgesehen verfahren.
Die Frage 120 des Herrn Abgeordneten Dr.-Ing. Laermann soll auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. - Damit ist der Geschäftsbereich bereits abgeschlossen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Brück zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 5 der Frau Abgeordneten Dr. Hartenstein auf. - Auch die Frau Kollegin Hartenstein ist nicht im Saal. Es wird wie in der Geschäftsordnung vorgesehen verfahren.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Zur Beantwortung der Fragen
steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär von Schoeler zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 6 des Herrn Abgeordneten Börnsen auf:
Wie erklärt die Bundesregierung, daß das bisher als verschollen geltende sogenannte Zigeunerarchiv angeblich mit Wissen des Bundesinnenministeriums in der Universität Tübingen lagerte?
Herr Kollege, ich wäre dankbar, wenn ich die beiden Fragen zusammenfassend beantworten dürfte.
Einverstanden.
Dann rufe ich auch die Frage 7 des Herrn Abgeordneten Börnsen auf:
Ist es richtig, daß sich in diesem Archiv Dokumente befinden, mit denen Zigeuner Wiedergutmachungsansprüche belegen könnten, und wenn ja, was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um diese Ansprüche zu erfüllen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Das Bundesarchiv hatte von der Existenz dieser Akten erstmals im August 1979 erfahren. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich die Akten bei einem Institut der Universität in Mainz; Von einer Verlagerung der Akten an das Archiv der Universität Tübingen erfuhr der Bundesminister des Innern im September 1980.
Die Frage, ob sich in den jetzt beim Bundesarchiv befindlichen Unterlagen Dokumente befinden, mit denen Zigeuner Wiedergutmachungsansprüche belegen können, kann ich zur Zeit noch nicht beantworten. Letztlich kann die Frage nur auf Grund von Einzelanträgen entschieden werden. Die Unterlagen stehen den eventuellen Anspruchsberechtigten entsprechend der Benutzungsordnung des Bundesarchivs jederzeit zur Verfügung. Das Bundesarchiv wird jeden Antrag unverzüglich und sorgfältig prüfen, insbesondere prüfen, ob solche Dokumente vorhanden sind.
Unabhängig davon bin ich aber der Auffassung, daß zunächst amtlicherseits geprüft werden sollte, ob die Dokumente generell geeignet sind, Wiedergutmachungsansprüche zu belegen. Ich habe Ihre Frage zum Anlaß genommen, in dieser Sache mit
Parl. Staatssekretär von Schoeler
dem Bundesminister der Finanzen, der innerhalb der Bundesregierung für Wiedergutmachungsangelegenheiten zuständig ist, Kontakt aufzunehmen. Der Bundesminister der Finanzen hat zugesagt, im Benehmen mit den Bundesländern, die das Bundesentschädigungsgesetz durchführen, zu prüfen, ob das Zigeunerarchiv Unterlagen enthält, die grundsätzlich Wiedergutmachungsansprüche belegen könnten.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, ist es zutreffend, daß über Herrn Arnold, den ehemaligen Berater des Bundesfamilienministeriums, das sogenannte Zigeunerarchiv bereits ca. im Jahre 1972 dem Bundesministerium des Innern angeboten wurde und daß dieses Angebot nicht angenommen wurde?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Nein.
Weitere Zusatzfrage, bitte.
Teilt die Bundesregierung meine Auffassung, daß durch die verzögerte Zuführung der NS-Zigeunerakten Wiedergutmachungsansprüche von Sinti und Roma verhindert wurden, obwohl die Antragsteller auf Grund der jetzt vorliegenden Unterlagen ihre rassistische Verfolgung hätten belegen können? Herr Staatssekretär, Sie haben gesagt, daß nunmehr auch von Ihnen aus geprüft werden soll, ob Wiedergutmachungsansprüche bestünden: Sind Sie bereit, mich über die weitere Prüfung dieser Angelegenheit schriftlich zu unterrichten?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Selbstverständlich bin ich bereit, Sie über den Ausgang dieser Prüfung schriftlich zu unterrichten.
Was den ersten Teil der Frage betrifft, muß ich noch einmal betonen, daß der Bundesminister des Innern erstmals von der Existenz dieser Akten im Jahre 1979 erfahren hat. Das Jahr 1979 ist nach meiner Kenntnis bezüglich der für Wiedergutmachungsansprüche geltenden Fristen für die Betroffenen genauso schlecht wie das Jahr 1981. Das heißt: ein Auffinden der Akten hätte nur vor 1979 eventuell andere Auswirkungen für die Geltendmachung von Wiedergutmachungsansprüchen eventuell Anspruchsberechtigter gehabt. Vor 1979 wußten wir es nicht. Obwohl der Bundesinnenminister bereits im Jahr 1952 alle obersten Bundesbehörden und alle Ministerpräsidenten der Länder gebeten hatte, alle Akten, die für die Wiedergutmachungsansprüche eventuell relevant sein könnten, dem Bundesarchiv zur Verfügung zu stellen, gab es bis 1979 keinen Hinweis auf die Existenz dieser Akten.
Aber gerade weil das so ist, bin ich mit Ihnen der Auffassung, daß nun geprüft werden muß, ob diese Akten für Wiedergutmachungsansprüche relevant sein können. Gegebenenfalls muß, je nachdem, in welchem Umfange es jeweils der Fall ist, geprüft werden, ob die geltenden Härteregelungen, die es für die Ausschlußfristen gibt, hier einem Anspruchsberechtigten noch helfen können oder ob andere Maßnahmen notwendig sind.
Ich komme noch einmal auf meine Anfangsbemerkung zurück. Ich werde Sie selbstverständlich über das Ergebnis der Prüfung unterrichten, oder ich werde den Finanzminister bitten, der in seiner Zuständigkeit die Prüfung vornimmt, Sie zu unterrichten.
Eine weitere Zusatzfrage? Börnsen ({0}): Dafür danke ich bereits.
Ich stelle folgende weitere Frage. Ist es richtig, Herr Staatssekretär, daß ein genau formulierter wissenschaftlicher Antrag Voraussetzung für den Zugang zu den Akten des Bundesarchivs in Koblenz ist und daß diese Voraussetzung im Falle der Aktenüberlassung des NS-Zigeunerarchivs an Frau Professor Erhard nicht gegeben war? Frau Professor Erhard ist j a, wie bekannt, ehemalige Mitarbeiterin des Reichshygieneinstituts gewesen und hat an der Bibliothek in Tübingen - zuletzt mit Wissen des Bundesarchivs - diese Akten bearbeitet.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Nach meiner Kenntnis lag dem Antrag auf Zurverfügungstellung dieser Akten ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördertes Forschungsvorhaben zugrunde, so daß die Benutzungsordnung des Bundesarchivs für diesen Fall keine Auschlußmöglichkeit vorgesehen hat.
In der Frage, die Sie ansprechen, steckt ja ein sehr grundsätzliches Problem, nämlich: Ob bei der Stellung von Benutzungsanträgen beim Bundesarchiv die politische Einstellung, die politische Vergangenheit des Antragstellers irgendwie relevant sein soll für die Frage ob dem Benutzungsantrag stattgegeben werden soll. Das ist nach der geltenden Fassung der Benutzungsordnung des Bundesarchivs nicht der Fall. Ich glaube, es sprechen letztlich auch überzeugende Gründe dafür, daß das nicht der Fall ist. Wir erleben ja in anderen Bereichen durchaus, wie problematisch es ein kann, wenn man auf solche politischen Einstellungen abstellt.
Noch eine Zusatzfrage?
Herr Staatssekretär, ich hatte allerdings gefragt, ob Sie meine Auffassung teilen,daß eine genau formulierte wissenschaftliche Anfrage überhaupt Grundlage sein muß, wenn man die Unterlagen des Bundesarchivs nutzen will, und daß dies nach meiner Kenntnis hier nicht der Fall war. Wenn man nach dem Kriterium „wissenschaftlicher Antrag" geht. Aber Sie sprachen selber an, daß Frau Professor Erhard -
Herr Abgeordneter Börnsen, ich bitte Sie, eine Frage zu stellen. Es ist keine Diskussion.
Wie bewertet die Bundesregierung, Herr Staatssekretär, die Tatsache, daß die Deutsche Forschungsgemeinschaft 1972 ein Forschungsvorhaben von Frau Professor Erhard förderte, welches sich auf der Basis der NS-Rasseunterlagen mit dem Thema „Manuskript über das Hautleistensystem bei Zigeunern" beschäftigte?
) von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege
Börnsen, ich bitte um Verständnis: bei der Frage, welche Untersuchungen die Deutsche Forschungsgemeinschaft finanziert, ist keine Zuständigkeit des Bundesinnenministers gegeben. Ich glaube, es handelt sich um die Zuständigkeit des BMJFG. Ich bin da aber nicht sicher. Ich bin bereit, diese Frage an das betreffende Ressort weiterzugeben. Ich kenne den Sachverhalt nicht und kann Ihnen dazu keine Auskunft geben.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 8 - des Herrn Abgeordneten Pensky - auf:
Welche Gründe liegen vor, daß zu dem Europäischen Übereinkommen vom 28. Juni 1978 über die Kontrolle des Erwerbs und Besitzes von Schußwaffen durch Einzelpersonen, dem der Deutsche Bundestag am 12. Juni 1980 zugestimmt hat, die Ratifizierungsurkunde noch nicht hinterlegt worden ist?
Das Europäische Übereinkommen vom 28. Juni 1978, Herr Kollege Pensky, über die Kontrolle des Erwerbs und Besitzes von Schußwaffen durch Einzelpersonen ist außer von der Bundesrepublik Deutschland von den Ländern Dänemark, Griechenland, Großbritannien, Irland, Luxemburg, Niederlande, Portugal, Türkei und Zypern unterzeichnet worden. Nur in der Bundesrepublik Deutschland sind bisher jedoch die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Umsetzung in innerstaatliches Recht und damit für eine Ratifizierung geschaffen worden.
Das Übereinkommen tritt nach seinem Art. 12 erst drei Monate nach der Hinterlegung der Ratifikations- oder Beitrittsurkunden durch mindestens drei Staaten in Kraft. Vorbehalte zu dem Übereinkommen, die nach seinem Art. 15 in gewissem Umfang möglich sind, müssen spätestens bei Hinterlegung der Ratifikations- oder Beitrittsurkunde geltend gemacht werden.
Die Bundesregierung beabsichtigt, die Ratifikationsurkunde zu hinterlegen, sobald die Prüfung abgeschlossen ist, ob es erforderlich ist, Vorbehalte zu dem Übereinkommen zu erklären. Die Klärung dieser Frage hängt insbesondere davon ab, ob Waffenlieferungen an Polizeien oder Streitkräfte sowie im Zusammenhang mit staatlichen Kooperationen dem komplizierten Mitteilungs- und Genehmigungsverfahren, wie es in dem Übereinkommen vorgesehen ist, unterliegen. Die Bundesregierung ist bemüht, eine Klärung alsbald herbeizuführen. Zur Zeit wird im Benehmen mit dem Europarat versucht, die aufgetretenen Zweifel durch eine Interpretationserklärung - möglichst in Form einer Zirkularnote an alle Mitgliedstaaten - aus dem Weg zu räumen. Diesem Verfahren gibt die Bundesregierung den Vorzug vor einer vorsorglichen Ausschöpfung aller möglichen Vorbehalte.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie darauf hinweisen, daß es ja nicht darum geht, Waffenhandel zu unterbinden, sondern ihn zu kontrollieren, und hier geht es dann im wesentlichen um die
Kontrolle des Erwerbs und des Besitzes von Schußwaffen durch Einzelpersonen. Gleichzeitig frage ich Sie, ob das bei Ihrer Prüfung, die sich insbesondere auf Waffenlieferungen an Polizeien oder Streitkräfte bezieht, bedacht worden ist. Ich weiß nicht, ob das in den Zusammenhang paßt.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Pensky, Sie sprechen gerade die aus der Sicht der Bundesregierung entscheidende Frage an. Es ist durchaus eine Interpretation dieses Abkommens möglich, die auch Waffenlieferungen an Polizeien oder Streitkräfte einbezieht. Dies ist angesichts des Mitteilungs- und Genehmigungsverfahrens, das das Abkommen enthält und das für den Erwerb durch Einzelpersonen überaus sinnvoll ist und von uns für notwendig gehalten wird, für den Bereich der Polizei und der Streitkräfte nicht nötig, überflüssig und auch bürokratisch. Deswegen wollen wir klarstellen, daß das nicht einbezogen wird.
Nun gibt es dafür zwei Möglichkeiten. Wir könnten Vorbehalte erklären. Wir glauben aber, daß es der Ratifizierung des Abkommens insgesamt - nicht nur durch die Bundesrepublik Deutschland, sondern auch durch die anderen Staaten - mehr dient, wenn wir, anstatt den Weg der Vorbehaltserklärung zu wählen, durch eine Zirkularnote den Inhalt des Abkommens eindeutig klarstellen, weil wir annehmen, daß das auch der Ratifikation in den anderen Staaten, die ja ebenfalls ratifizieren müssen - mindestens drei -, bevor das Abkommen in Kraft treten kann, dienlich sein wird.
Zusatzfrage?
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß angesichts der Tatsache, daß dieses Europäische Übereinkommen von der Bundesrepublik Deutschland im Europarat initiiert worden ist und daß wir die Ratifizierung dieses Übereinkommens vor mehr als einem Jahr hier in diesem Hause vollzogen haben, die Vorprüfung dieses Sachverhalts, den sie hier herausstellen, doch reichlich lange dauert?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Pensky, ich habe darauf hingewiesen, daß die Bundesrepublik Deutschland der einzige Staat ist, der die Voraussetzungen der Umsetzung in innerstaatliches Recht geschaffen hat. Sie sehen daran, daß das Interesse der Bundesrepublik oder der Bundesregierung an der endgültigen Inkraftsetzung dieses Abkommens nach wie vor sehr groß ist.
Ich will Ihnen dazu noch sagen, daß wir den von mir vorhin erwähnten Weg der Zirkularnote gerade auf Ihren Anstoß in einer der letzten Fragestunden hin gewählt haben, um eine möglichst rasche Unterzeichnung sowohl durch die Bundesrepublik als auch möglichst vieler - mindestens drei - anderer Vertragspartner zu erreichen. Ich habe hier einen Anstoß, den Sie gegeben haben, aufgenommen, und ich wäre froh, wenn Sie das im Rahmen Ihrer Tätigkeit auf der Ebene des Europarates auch so weitertragen könnten, damit sich daraus möglicherweise eine Initialzündung auch für die anderen Staaten entwickelt.
Keine weitere Zusatzfragen? - Dann rufe ich die Frage 9 des Herrn Abgeordneten Pensky auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, auf die Vertragsstaaten des Europarats dahin gehend einzuwirken, daß diese unter dem Gesichtspunkt der Eindämmung des illegalen Waffenhandels und der damit verbundenen wirksameren Bekämpfung der Schwerkriminalität das Europäische Übereinkommen zum Waffenrecht in ihre nationale Gesetzgebung umsetzen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung hofft, daß die von ihr beabsichtigte Hinterlegung einen Impuls auch für den Ratifizierungsprozeß in den anderen Vertragsstaaten geben wird.
Ich bedanke mich, Herr Staatssekretär. Ich darf noch fragen, ob Sie dann bereit sind, mir ihre Unterlagen zur Verfügung zu stellen, damit ich sie in Straßburg im Europarat in dem zuständigen Ausschuß, in dem ich arbeite, gleich mit ins Gespräch bringen kann, weil diese Frage dort ständig auf der Tagesordnung steht.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Selbstverständlich, Herr Abgeordneter.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage Nr. 10 des Herrn Abgeordneten Stiegler auf. Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Es wird wie in der Geschäftsordnung vorgesehen verfahren. Das gleiche gilt für die Frage 11 des Herrn Abgeordneten Stiegler.
Ich rufe die Frage 12 des Herrn Abgeordneten Dr. Emmerlich auf:
Welcher Zusammenhang besteht nach Auffassung der Bundesregierung zwischen der in diesen Waffenfunden zum Ausdruck kommenden Bereitschaft zur Gewalt und der steigenden Flut neonazistischer Propaganda, und was gedenkt die Bundesregierung hiergegen zu tun?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Kollege Dr. Emmerlich, Waffenbeschaffungen indizieren nach Auffassung der Sicherheitsbehörden erhöhte Gewaltbereitschaft. Dies gilt auch für die Funde, die Rechtsextremisten, insbesondere Neonazis zuzuordnen sind. Die Gewaltbereitschaft wird durch die aggressive Propaganda einiger neonazistischer Schriften unterstrichen. Blätter wie „NS-Kampfruf", die Schriften des Deutsch-Kanadiers Zündel und die sogenannten Briefe des ehemaligen Rechtsanwalts Manfred Roeder sind dabei ebenso hervorzuheben wie zahlreiche Flugblätter der „Volkssozialistischen Bewegung Deutschlands - Partei der Arbeit".
Einige der Schriften haben seit Ausstrahlung der Fernsehserie „Holocaust" im Jahre 1979 konkret zu gewalttätigen Aktionen bis hin zum Mord aufgerufen. Auf Grund dessen ist in den letzten Jahren die Beobachtungstätigkeit des Verfassungsschutzes und die Tätigkeit der Ermittlungsbehörden erheblich verstärkt worden. Dies hat dazu geführt, daß die Zahl der Ermittlungs- und Strafverfahren sowie der Verurteilungen von Rechtsextremisten stetig angestiegen ist. Gerichte und Staatsanwaltschaften treten der Verbreitung von Propagandamitteln und der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen durch konsequente Anwendung der entsprechenden Strafbestimmungen entgegen.
In diesem Zusammenhang ist besonders auf die bundesweite Durchsuchungsaktion bei Beziehern rechtsextremistischer Schriften am 24. März dieses Jahres hinzuweisen. Dabei wurden insgesamt 900 Bezieher festgestellt und über 6 000 Bücher und Zeitschriften und 2 000 Flugzettel und 29 Schußwaffen sichergestellt.
Die Zahl der Ermittlungsverfahren ist von 386 im Jahre 1976 auf 1 128 im Jahre 1980 angestiegen, die Zahl der rechtskräftigen Verurteilungen von 207 auf 304.
Neben der konsequenten Anwendung der geltenden Strafbestimmungen müssen Gesetzeslücken, die bei der Verfolgung neonazistischer Aktivitäten zutage getreten sind, geschlossen werden. Ein entsprechender Gesetzentwurf wird zur Zeit erarbeitet.
Wir können die Bekämpfung des Rechtsextremismus aber nicht allein der Polizei und den Gerichten überlassen. Auch gesetzliche Maßnahmen allein sind nicht ausreichend. Vorrangiges Ziel muß es sein, den Anfängen zu wehren und rechtsextremistische Einstellungen und Verhaltensweisen erst gar nicht entstehen zu lassen. Voraussetzung dafür ist zunächst, daß wir die Gefahren des Rechtsextremismus ernst nehmen. Der Bundesminister des Innern hat seit Jahren auf die besorgniserregende Entwicklung hingewiesen. Gegenüber diesen Warnungen ist leider auch aus dem parlamentarischen Bereich der Vorwurf erhoben worden, die Gefahren des Rechtsextremismus würden - ich zitiere aus der Presseerklärung eines Kollegen - „aufgeplustert".
Eine zweite Voraussetzung für eine präventive Bekämpfung ist die Kenntnis der Ursachen des Rechtsextremismus. Ein Beitrag zur Beantwortung dieser Frage auf empirisch-wissenschaftlicher Grundlage ist die vom Bundesminister des Innern geforderte Untersuchung „Neonazistische Militanz und Rechtsextremismus unter Jugendlichen" von Wissenschaftlern der Universität Frankfurt. Die Ergebnisse dieser Untersuchung bieten Ansätze für präventive Bekämpfungsmaßnahmen.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, können Sie einige zusätzliche Angaben darüber machen, welche Erkenntnisse oder Anhaltspunkte es dafür gibt, auf welche Umstände rechtsextremistische, insbesondere rechtsterroristische Einstellungen und Verhaltensweisen zurückzuführen sind?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Wir ziehen dabei die Ergebnisse der von mir eben erwähnten Studie heran, deren Schwerpunkte ich versuchen will, wie folgt zu charakterisieren. Das allumfassende Ergebnis, das für alles gilt, was ich im nachfolgenden sage, ist, daß die Neigung zu rechtsextremistischen Einstellungen und Verhaltensweisen kein zwangsläufiger Prozeß ist, der auf einige wenige Faktoren zurückgeführt werden kann, wohl aber das Ergebnis immer wieder feststellbarer Bedingungskonstellationen.
Zu diesen Bedingungen gehört häufig eine nach rechts tendierende Vorprägung durch das ElternParl. Staatssekretär von Schoeler
haus. Jugendliche erfahren, daß das offizielle, durch Schule und Medien vermittelte Geschichtsbild der Nazi-Zeit von den Berichten ihrer Angehörigen abweicht, die diese Zeit miterlebten und dazu neigen, die negativen Seiten zu verdrängen oder beschönigend darzustellen. Soweit diese Jugendlichen rechtfertigende Äußerungen über die Zeit des Nationalsozialismus aufnehmen, fehlt es häufig an Gesprächspartnern, die sich mit ihnen inhaltlich auseinandersetzen. Die Erwachsenen entziehen sich dieser für sie oft unangenehmen Diskussion allzuoft.
Charakteristisch für die in rechtsextremistischen Gruppen organisierten Jugendlichen scheint auch eine besonders schwere Reifungskrise zu sein, die durch eine überdurchschnittliche Häufung von Problemen in Elternhaus und Schule, durch Schwierigkeiten am Arbeitsplatz und durch soziale Isolation gekennzeichnet ist. Hinzu kommt der oft zufällige Kontakt mit rechten Gruppen, die den Jugendlichen für sie attraktive Gemeinschaftserlebnisse bieten. Der Einstieg erfolgt dann eben häufig unpolitisch über das Interesse an Abenteuern oder an Lagerfeuerromantik.
Diese Gruppierungen sind gerade für Jugendliche besonders anziehend - das ist ein weiteres Ergebnis dieser Untersuchung -, die einfache Lösungen für die tatsächlich schwierigen gesellschaftlichen und politischen Probleme suchen, die Eigenverantwortung nicht zu tragen in der Lage sind und statt dessen Orientierung bei Autoritäten suchen. Die eigene und durch die Gruppenzugehörigkeit verfestigte Einstellung wird überdies nicht selten dadurch verhärtet, daß rechtsextremistische Positionen in dieser Orientierungsphase von Jugendlichen lediglich stigmatisiert werden, ohne daß eine inhaltliche Auseinandersetzung erfolgt.
Das sind die wesentlichen Ergebnisse dieser Untersuchung.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, halten Sie vermehrte Angebote auf dem Gebiet der Jugendarbeit für nützlich, die den Wünschen der Jugend besser gerecht werden, insbesondere jenen Wünschen, die sich umschreiben lassen mit Abenteuerlust und Sehnsucht nach Geborgenheit in einer Gemeinschaft junger Menschen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Ja, ich halte das für notwendig.
Ich möchte in diesem Zusammenhang zitieren, was Bundesminister Engholm zu dieser Frage in diesen Tagen gesagt hat - ich möchte dem ausdrücklich zustimmen -:
Wir dürfen brachliegendes soziales Engagement insbesondere der jungen Generation nicht rechtsextremistischer Ansprache überlassen. Formen der Selbstorganisation, soziale Hilfen, dem Bedürfnis nach sinnvollem Erleben von Gemeinschaft nachgeben, Angebote zur Befriedigung von Abenteuerlust - das alles sind zunächst nur allgemeine Stichworte, die, wenn sie ernst gemeint sind, ihre Konkretisierung auch in der Tagespolitik erfahren müssen.
Herr Engholm fährt fort:
Das ist sicher ohne Geld noch schwerer als sonst, darf aber nicht aus dem Blickfeld geraten, wenn z. B. Bildungs- und Ausbildungspolitik in die Gefahr geraten, daß über sie nur noch unter finanzpolitischen Gesichtspunkten entschieden wird. Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit und Mangel an Ausbildungsplätzen hilft auch, Nährboden für rechtsextreme Denk- und Verhaltensmuster zu entziehen.
Ich schließe mich dieser Auffassung von Herrn Engholm voll an.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Waltemathe.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung Erkenntnisse über die Zahl derjenigen Rechtsextremisten, die zu terroristischer Gewalt bereit sind - wie viele gehören zum harten Kern -, und gibt es zwischen dieser Zahl und der Zahl der Bezieher neonazistischer Propaganda einen direkten oder indirekten Zusammenhang?
von Schoeler, Pari. Staatssekretär: Wir gehen davon aus, daß die Zahl der Anhänger neonazistischer Kleingruppen etwa 1400 beträgt. Zu ihnen kommen noch 400 ständige Unterstützer.
Die Zahl der Bezieher von nationalsozialistischem oder neonazistischem Propagandamaterial ist naturgemäß schwer zu ermitteln. Die Dunkelziffer ist hier groß. Ich habe in meiner Antwort auf die Frage des Kollegen Emmerlich bereits darauf hingewiesen, daß wir bei der letzten größeren Druchsuchungsaktion, die sich insbesondee auf importierte neonazistische Propagandamaterialien bezogen hat, 900 Bezieher festgestellt haben. Diese Bezieher sind nicht identisch mit den 1800 erkannten Neonazis, aber es sind auch nicht völlig andere Personen - die beiden Kreise überschneiden sich also -, so daß Sie davon ausgehen können, daß ein gewisser Teil dieser 900 über den Kreis der 1800 hinaus für neonazistische Propaganda ansprechbar ist, ohne daß er Mitglied einer dieser neonazistischen Gruppierungen ist.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Däubler-Gmelin.
Danke schön. - Herr Staatssekretär, ich möchte in meiner Frage gern auf Ihren Begriff der neonazistischen Propaganda zurückkommen, auf die Sie in Ihrer Antwort gerade eingegangen sind. Kann ich davon ausgehen, daß Sie auch jene sich spezialisierenden Verlage, insbesondere auch ihre steigende Auflage, die Schriften wie „Ist Rassebewußtsein verwerflich?" oder „Feuerzeichen" herausgeben, die sich in sehr eindeutiger, vor 40 Jahren begonnener Art und Weise mit der Geschichte unseres Volkes verfälschend auseinandersetzen, im Auge haben, und können Sie uns sagen, was Sie damit tun?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Diese Verlage rechtsextremistischer oder neonazistischer Publikationen - überwiegend geht es dabei um rechtsextre3840
Parl. Staatssekretär von Schoeler
mistische Publikationen - werden vorn Verfassungsschutz aufmerksam beobachtet; in den Verfassungsschutzberichten informieren wir jedesmal darüber. In diesem Zusammenhang wird, was die Bekämpfungsmöglichkeiten angeht, neben der Beobachtungstätigkeit des Verfassungsschutzes, neben der Warnfunktion, die die Verfassungsschutzberichte, Debatten und andere öffentliche Diskussionen haben, auch das Gesetzgebungsverfahren, das ich erwähnt habe, eine Rolle spielen. Denn dabei wird ja auch die Frage zu beantworten sein, inwieweit man gegen das Leugnen und Verharmlosen von Völkermord durch den Nationalsozialismus auch mit gesetzgeberischen - sprich: strafrechtlichen - Mitteln vorgehen wird.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schröder.
Herr Staatssekretär, Sie haben einen Zusammenhang zwischen einem falschen, im Elternhaus vermittelten Geschichtsbild und der Neigung, rechtsradikalen Tendenzen zu folgen, hergestellt. Würden Sie angesichts dessen meinen und mir zustimmen, daß es falsch wäre, den Politikunterricht in den Schulen - wie etwa in Niedersachsen - einzuschränken, und würde die Bundesregierung bereit sein, in den dafür zur Verfügung stehenden Gremien auf eine Verstärkung des Politikunterrichts und eben nicht auf seine Reduzierung hinzuwirken?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Schröder, wir müssen auf jeden Fall darauf hinwirken, daß die Aufklärung über die grausame Wirklichkeit während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in der politischen Bildung sowohl in den Schulen als auch in der Erwachsenenbildung einen deutlichen Schwerpunkt einnimmt. Denn alles, was wir auf Grund der Ursachenforschung bisher wissen, belegt, daß Unkenntnis oder mangelnde Kenntnis über die Verbrechen der damaligen Zeit auch eine der Wurzeln sein kann, die Jugendliche letztlich zu diesen neonazistischen Gruppen führen.
Um die Frage genau zu beantworten: Ich kann nicht zum Umfang des politischen Unterrichts generell Stellung nehmen. Aber angesichts des Rechtsextremismus und seiner Bekämpfungsmöglichkeiten muß die Bundesregierung appellieren, daß die Information über die Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft im Unterricht einen hohen Stellenwert bekommt.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Duve.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mit mir darin überein, daß Keimzellen dieser rechtsterroristischen Aktivitäten der letzten Zeit Wehrsportgruppen gewesen sind, daß hier namentlich die Wehrsportgruppe Hoffmann zu nennen ist, die ja am Anfang als außerordentlich lasch angesehen wurde, jedenfalls in ihrem Heimatland? Haben Sie Erkenntnisse darüber, daß diese Wehrsportgruppen - vielleicht unter anderem Namen - weitere sportliche Veranstaltungen und Wochenendausfahrten unternehmen, und stehen diese unter Beobachtung?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Die Wehrsportgruppe Hoffmann war nicht nur eine Keimzelle dieser neonazistischen Bestrebungen, sondern sie war eine der Hauptorganisationen im Bereich neonazistischer Gruppen, eine, aus deren Kreis heraus mehrere der schwersten rechtsterroristischen Gewalttaten verübt worden sind.
Was die Frage der Beobachtung von Wehrsportgruppen generell betrifft, so muß ich hier auf eines aufmerksam machen: Es gibt neben eindeutig rechtsextremistisch orientierten Wehrsportgruppen auch solche, bei denen zwar der Name „Wehrsportgruppe" verwendet wird, eine rechtsextremistische Orientierung aber nicht festzustellen ist. Für uns kann also nicht der Name „Wehrsportgruppe", sondern nur die politische Zielsetzung einer solchen Gruppe Ansatzpunkt sein, weil auch in diesem Bereich das Prinzip gilt, daß die Beobachtungstätigkeit des Verfassungsschutzes nicht über den gesetzlichen Auftrag hinaus ausgedehnt werden darf. Bei allen Wehrsportgruppen, bei denen es Anhaltspunkte für rechtsextremistische Zielsetzungen gibt, muß die Beobachtungstätigkeit des Verfassungsschutzes ansetzen und setzt sie tatsächlich auch an.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 13 des Herrn Abgeordneten Gnädinger auf:
Wie viele Waffen welcher Art wurden 1979, 1980 und 1981 in rechtsextremistischen Kreisen in der Bundesrepublik Deutschland sichergestellt, und wie beurteilt die Bundesregierung die Entwicklung dieser Zahlen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Gnädinger, es wurde gemäß BKA-Statistik aus dem rechtsextremistischen oder rechtsterroristischen Bereich an Schußwaffen sichergestellt: im Jahre 1979 154, im Jahre 1980 205 und im Jahre 1981 bis zum 30. September 117. An Sprengstoffen wurden sichergestellt: 1979 ca. 6,5 kg, 1980 ca. 3,9 kg, 1981 bis zum 30. Juni ca. 5,4 kg. Die Waffen- und Sprengstoffunde im Raum Uelzen sind, wie sich aus den Zahlen für 1981 ergibt, noch nicht berücksichtigt. Nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen muß davon ausgegangen werden, daß die Funde in Uelzen weit mehr als 100 kg Sprengstoff betragen. Die Funde von Waffen und Sprengstoffen bestätigen die von Rechtsextremisten und neonazistischen Gruppierungen ausgehende Gefahr sowie den Fanatismus und die Gewaltbereitschaft, die in diesen Gruppen herrschen.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, auf welche Weise diese Waffen und Sprengstoffe von den rechtsextremistischen Kreisen beschafft wurden?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Es gibt zu den Waffenfunden in Uelzen, Herr Kollege Gnädinger, nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen Hinweise bezüglich einiger Waffen, bezüglich einer VielParl. Staatssekretär von Schoeler
zahl von anderen noch nicht. Die Ermittlungen dazu sind in vollem Gange.
Beim gegenwärtigen Stand der Ermittlungen möchte ich eigentlich davon absehen zu sagen, welche Hinweise es im einzelnen gibt, weil das für die weiteren Ermittlungen schädlich sein könnte. Ich bin aber gerne bereit, sobald der Stand der Ermittlungen das erlaubt, Ihnen einen Überblick über diesen Komplex zu geben.
Weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Gansel.
Herr Staatssekretär, in welchem Umfang stammen die Waffen, die bei Rechtsextremisten gefunden worden sind, aus Bundeswehrbeständen, und inwieweit hat die Bundesregierung, da ja schon seit längerer Zeit bei links- und rechtsextremistischen Terroristen Bundeswehrwaffen festgestellt worden sind, die Bewachungsmaßnahmen innerhalb der Bundeswehr verschärft?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Gansel, ich muß Sie bitten, den zweiten Teil Ihrer Frage dem Verteidigungsminister vorzulegen, weil ich aus dem Stegreif keine Einzelheiten nennen kann.
Zum ersten Teil der Frage: Nach meinem Kenntnisstand ist nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen bezüglich zwei der in Uelzen gefundenen Waffen davon auszugehen, daß sie aus Bundeswehrbeständen stammen. Es muß aber noch einmal be-
) tont werden, daß die Ermittlungen nicht abgeschlossen sind, im Augenblick nicht einmal die Feinasservierung im Bundeskriminalamt angesichts der Fülle der gefundenen Waffen. Was ich Ihnen hier sage, ist also wirklich nur ein Zwischenergebnis.
Weiter Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Riedl.
Herr Staatssekretär, wie erklären Sie sich, daß Sie auf die Fragen des Kollegen Gansel, in welchem Umfang die Munition und die Waffen, die bei Rechtsextremisten gefunden worden sind, aus Bundeswehrbeständen stammen, so gut wie keine Antwort geben, nachdem doch diese Geschichten schon wochenlang zurückliegen? Ich darf Sie ganz konkret fragen: Gibt es denn zwischen Ihrem Haus und dem Verteidigungsministerium keine Informationskontakte?
von Schoeler, Pari. Staatssekretär: Natürlich gibt es solche Informationskontakte und Informationen. Aber die Frage nach Sicherungsmaßnahmen der Bundeswehr möchte ich lieber von dem Kollegen beantwortet sehen, der für diesen Bereich zuständig ist. Dafür werden Sie auch Verständnis haben.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Emmerlich.
Herr Staatssekretär, kann nach dem bisherigen Erkenntnisstand der Sicherheitsbehörden davon ausgegangen werden, daß es, was die Waffenfunde in der Lüneburger Heide anlangt, ausgeschlossen ist, daß die Beschaffung und
die Lagerung der Waffen durch eine Einzelperson erfolgt sind, so daß also davon ausgegangen werden muß, daß es sich dabei um Aktivitäten einer organisierten Gruppe handelt?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Nach dem bisherigen Stand der Erkenntnisse gibt es mehrere Hinweise, die den Schluß zulassen, daß es sich bei Lembke nicht um einen ausschließlich allein handelnden Täter gehandelt hat, sondern daß es weitere Personen um ihn herum gegeben hat. Mehr läßt sich beim gegenwärtigen Stand der Ermittlungen nicht sagen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gilges.
Herr Staatssekretär, unterstellen Sie eigentlich, daß es in der Bundesrepublik noch andere Stellen gibt, an denen Rechtsradikale im Boden Waffen vergraben haben, und sind Ihre Sicherheitsorgane eigentlich dabei, das einmal zu durchleuchten - und das ist meine konkrete Frage -, nämlich bei anderen Rechtsradikalen einmal nachzuprüfen, ob nicht auch die im Garten, hinter dem Hause oder sonst irgendwo im Walde Waffen vergraben haben?
({0})
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Die Möglichkeiten, vor und hinter dem Hause umzugraben, sind natürlich begrenzt. Aber um die Frage ernsthaft zu beantworten: Ich kann natürlich nur über den Kenntnisstand der Sicherheitsbehörden Auskunft geben, und der kommt dadurch zustande, daß jedem Hinweis auf möglichen illegalen Waffenbesitz und auf Waffenbeschaffungen konsequent nachgegangen wird und nachgegangen werden muß. Weitere Erkenntnisse gibt es zur Zeit nicht. Das schließt nicht aus, daß es weitere Waffenlager gibt, die erst auf Grund später eingehender Erkenntnisse gefunden werden.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe Frage 14 des Herrn Abgeordneten Gnädinger auf:
Lassen sich regionale Schwerpunkte in der Bundesrepublik Deutschland für diese Waffenfunde und rechtsextremistische Aktivitäten feststellen, und, wenn ja, worin sieht die Bundesregierung die Ursachen für diese Konzentration?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Eine signifikante regionale Schwerpunktbildung der Waffenfunde bei Rechtsextremisten ist, Herr Kollege Gnädinger, im Bundesgebiet nicht erkennbar. Es besteht auch kein Zusammenhang zwischen den Waffenfunden und der Konzentration rechtsextremistischer Aktivitäten.
Regionale Schwerpunkte rechtsextremistischer Aktivitäten waren in den Jahren 1979, 1980 und 1981 vor allem die Räume Hamburg, Bremen, Wilhelmshaven, Berlin, Hannover, Frankfurt, Nürnberg und München. Wie diese Aufzählung zeigt, handelt es sich dabei durchweg um Ballungsgebiete und bevor3842
Parl. Staatssekretär von Schoeler
zugte Aktionsgebiete dort ansässiger rechtsextremistischer Aktivistengruppen.
Eine Zusatzfrage? - Bitte.
Herr Staatssekretär, in Niedersachsen sind 31 Waffenlager gefunden worden, und in diesem Zusammenhang wurde ein gewisser Lembke verhaftet. Können Sie sagen, in welchen Organisationen Lembke Mitglied war und zu welchen Organisationen er Kontakte hatte?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Das war die Frage des Kollegen Stiegler, der vorhin nicht anwensend war.
Herr Lembke war Mitglied in folgenden Organisationen: Bund Vaterländischer Jugend - dort war er Vorstandsmitglied und Geschäftsführer -, Deutsche Reichspartei - diese beiden Organisationen existieren heute nicht mehr; er war Mitglied in der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands - von 1971 bis zumindest 1977 war er Kreisvorsitzender in Uelzen -, er war Mitglied des Freundeskreises für volkstreue Jugend und des Bundes heimattreuer Jugend; er hatte Kontakte zur Deutschen Bürgerinitiative des ehemaligen Rechtsanwalts Manfred Roeder, zum Neonazi Hepp, einem Anhänger der Wehrsportgruppe Hoffmann und Leiter der Kampfgruppe Schwarzwald, und zum jetzigen Landesvorsitzenden der Jungen Nationaldemokraten in Berlin.
Dieses Beispiel zeigt recht deutlich, wie Kontakte zwischen Mitgliedern verschiedener rechtsextremistischer Gruppierungen bestehen. Das Beispiel Lembkes ist wirklich nur ein Beispiel für andere. Ich glaube, man muß darauf hinweisen, daß diese Kontakte die Gefahr in sich bergen, daß die Gewaltbereitschaft im Bereich des Rechtsextremismus zunimmt.
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Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Däubler-Gmelin.
Herr Staatssekretär, Sie haben uns regionale Schwerpunkte - sicherlich nicht alle - genannt, Sie haben uns einzelne Gruppierungen aufgeführt, darunter Niedersachsen, Nürnberg und München. Können Sie uns jetzt noch sagen, ob nach den Waffenfunden und der Verhaftung des Herrn Lembke neue Gesichtspunkte in bezug auf das Attentat auf dem Oktoberfest und die Ermordung einer jüdischen Familie Levin in Nürnberg aufgetreten sind?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Es gibt keinen Zusammenhang, was etwa gemeinsame Begehung dieser Taten oder gleichen Täterkreis oder gemeinsame Planung betrifft. Es gibt also keine Verbindungen zwischen diesen erwähnten Straftaten. Wohl aber gibt es Kontakte zwischen einzelnen Personen, wie ich es eben am Beispiel Lembke deutlich gemacht habe. Ich betone noch einmal: Lembke ist da nur ein Beispiel für vieles andere. Aber hier muß man, glaube ich, zwischen der Begehung konkreter Taten durch einzelne Mitglieder und Gruppenangehörige einerseits und unabhängig von Straftaten bestehenden Kontakten zwischen einzelnen Neonazis unterschiedlicher Gruppen andererseits unterscheiden.
Eine weitere Zusatzfrage, Abgeordneter Gilges.
Herr Staatssekretär, Sie haben bei der Beantwortung der Frage sinngemäß gesagt, daß der Herr Lembke eine ganz normale Biographie - ich habe das so verstanden - eines Rechtsradikalen oder Rechtsextremisten habe. Mich würde mal interessieren -
Herr Abgeordneter, mich würde interessieren, daß Sie eine Frage stellen.
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Gut, Entschuldigung. - Ich frage Sie konkret: Gibt es eigentlich noch mehr Rechtsextremisten mit dieser Biographie, wo Sie unterstellen können, daß sie auch Waffenlager anlegen, und was tun Sie eigentlich - ich habe diese Frage eben nicht scherzhaft gemeint; das ist bei Ihnen vielleicht so angekommen -, wenn es dies gibt, daß das verhindert wird, bzw. wie überprüfen Sie, daß es nicht noch mehr Waffenlager in unserer Republik gibt?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann mich zwar nicht erinnern, daß ich im Zusammenhang mit Lembke von einer „normalen Biographie" gesprochen habe. Aber ich bin sehr wohl der Meinung, daß es eine typische „Karriere" eines im rechtsextremistischen Bereich beginnenden und hin in den neonazistischen Bereich sich entwickelnden Täters ist, die wir hier antreffen. Wenn ich sage: typische „Karriere", bedeutet das auch, daß es andere Fälle dieser Art gibt.
Nun stellt sich natürlich zu Recht die Frage, die Sie aufwerfen: Was kann denn der Staat in solchen Fällen tun? Darauf gibt es im Grunde genommen nur zwei Antworten: Er muß den Verfassungsschutz dazu einsetzen, solche Aktivitäten mit allen rechtsstaatlichen Mitteln zu beobachten, die uns dafür zur Verfügung stehen, und er muß die Polizei und die Staatsanwaltschaften in die Lage versetzen und dazu anhalten, daß die geltenden Bestimmungen gegen solche Personenkreise strikt angewendet werden und, wo das geringste Anzeichen für eine strafbare Handlung ist, Ermittlungen und letztlich Gerichtsverfahren durchgeführt werden. Andere Möglichkeiten haben wir nicht.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Herr Abgeordneter Gilges, Sie haben doch hoffentlich gemerkt, wie großzügig ich war, diese Frage, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Hauptfrage stand, zuzulassen.
Ich rufe die Frage 15 der Frau Abgeordneten Dr. Däubler-Gmelin auf:
Erwägt die Bundesregierung im Zusammenhang mit den Waffenfunden der letzten Zeit Vereinigungen zu verbieten bzw. Vereins- und Parteiverbote einzuleiten oder anzuregen?
Bitte sehr.
Frau Kollegin, grundsätzlich kommt das Verbot bestimmter Organisationen als geeignetes Mittel zur Bekämpfung des Rechtsextremismus in Betracht. Mit dem am 30. Januar 1981 vollzogenen Verbot der Wehrsportgruppe Hoffmann hat die Bundesregierung ihre Toleranzgrenze markiert und ihre Bereitschaft dokumentiert, von diesem Mittel Gebrauch zu machen. Die Bundesregierung wird jedoch wie in der Vergangenheit keine Verbotserwägungen in der Öffentlichkeit anstellen, weil einerseits der Hinweis darauf, daß Verbotsabsichten nicht bestehen, als Freibrief für weitere Aktivitäten verstanden werden könnte, andererseits der Hinweis auf ein beabsichtigtes Verbot eine unerwünschte Warnfunktion haben würde.
Zusatzfrage? - Bitte.
Können wir davon ausgehen Herr Staatssekretär, daß es so unterschiedliche Bewertungen und Einschätzungen zwischen dem Bund auf der einen Seite und einigen Ländern auf der anderen Seite, die j a im Falle der „Wehrsportgruppe Hoffmann" zu starken Unzuträglichkeiten geführt haben, heute nicht mehr in diesem Maße gibt?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Es gibt zur Zeit zwischen Bund und Ländern keine unterschiedlichen Einschätzungen und Bewertungen einzelner neonazistischer Gruppen. Insofern kann ich Ihre Frage bejahen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Emmerlich.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mit mir darin überein, daß nicht wenige der bekannten Wehrsportgruppen als eine Kaderschmiede für Rechtsterroristen angesehen werden müssen, und, wenn Sie diese Einschätzung von mir teilen, ist es dann nicht angezeigt, die von Ihnen soeben angesprochene Toleranzschwelle für die Einleitung von Verbotsverfahren herabzusetzen?
von Schoeler, Parl. Staatssekrètär: Ich teile Ihre Auffassung, daß die rechtsextremistischen Wehrsportgruppen, die wir haben, oft die Funktion haben, die Jugendlichen unter Ausnutzung von Abenteuerlust und Lagerfeuerromantik, von der wir vorher gesprochen haben, immer stärker in rechtsextremistische und schließlich neonazistische Gruppierungen hineinzuführen. Das stellt also einen Schritt auf dem Wege zu Gewaltbereitschaft und -ausübung dar, und daher muß auf Grund der bestehenden Gesetze gegen diese Gruppen eingeschritten werden, und zwar mit aller Deutlichkeit und mit aller Schärfe. Meine Ausführungen würden unlogisch und widersprüchlich, wenn ich mich jetzt noch weiter zu Verbotsüberlegungen äußern würde, nach denen Sie gefragt haben.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 16 des Herrn Abgeordneten Fischer ({0}) auf:
Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Organisationsgrad, Drahtzieher und Geldquellen neonazistischer Gruppierungen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Fischer, von den zirka 1 800 im Verfassungsschutzbericht 1980 erwähnten Neonazis sind etwa 800 als Mitglieder von 22 Gruppierungen bekannt. Zirka 600 Neonazis sind ohne feste Gruppenzugehörigkeit, weitere 400 besonders aktive Spender. Hier sind die Zahlen etwas genauer aufgeschlüsselt, die ich vorhin etwas pauschaler genannt habe. Bei den 22 erkannten neonazistischen Gruppen handelt es sich im wesentlichen um Aktivistenzusammenschlüsse, die regelmäßig nach dem Führerprinzip aufgebaut sind. Ihre Anhängerzahl ist meist gering. Im organisatorischen Zusammenhalt der Gruppen gibt es erhebliche Unterschiede. Das reicht von Zusammenschlüssen, bei denen eine feste Organisationsstruktur nicht erkennbar ist, bis zu relativ straff organisierten Gruppen, z. B. der VSBD/PdA oder der neonazistischen „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V.", abgekürzt HNG.
Nach außen nicht in Erscheinung tretende Hintermänner mit besonderem Einfluß, um das Wort „Drahtzieher" aus Ihrer Frage aufzugreifen, sind in der neonazistischen Szene bisher nicht bekannt geworden.
Die Finanzierung neonazistischer Gruppen erfolgt im wesentlichen durch Spenden und nur zu einem geringen Teil durch regelmäßige Beiträge. In ihren Publikationen rufen neonazistische Gruppen erfolgreich zu Geldspenden für die eigene Organisation, aber auch für Gesinnungsgenossen auf, die auf Grund von Exekutivmaßnahmen in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind. Auf den Konten der neonazistischen „Deutschen Bürgerinitiative" des bereits erwähnten Rechtsanwalts Manfred Roeder gingen z. B. in den Jahren 1979 und 1980 84 000 DM aus dem In- und Ausland ein. Als Geldquelle zu erwähnen sind auch die Bezugsgebühren für von der jeweiligen Organisation herausgegebene Publikationen. Im übrigen sind neonazistische terroristische Gruppen auch dazu übergegangen, Geldmittel durch Banküberfälle zu beschaffen.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, Sie haben soeben darauf hingewiesen, daß sich diese Gruppen im wesentlichen durch Spenden finanzieren. Sind Ihnen Fälle bekannt, in denen solche Gruppen dadurch eine staatliche Förderung erhalten haben, daß sie als gemeinnützige Einrichtung im Sinne des Steuerrechts anerkannt sind?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Solche Fälle sind mir nicht bekannt. So etwas kommt sicherlich nicht bei den neonazistischen Gruppierungen vor, die im Verfassungsschutzbericht erwähnt worden sind. Wenn so etwas in einem extremistischen Bereich vorkommt, dann müßte das bei den jeweiligen Landesfinanzverwaltungen bekannt sein, und dann
Parl. Staatssekretär von Schoeler
wäre auch zu erwarten, daß dagegen eingeschritten wird. Mir ist kein Fall bekannt, in dem diese Frage im Augenblick von praktischer Bedeutung wäre. Selbstverständlich würden wir uns, wenn wir so etwas erfahren, mit der jeweils zuständigen Verwaltung in Verbindung setzen, um das abzustellen.
Noch eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, ob es zwischen neonazistischen Gruppierungen und den Initiatoren sogenannter Bürgerwehren Verbindungen gibt?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Das muß ich Ihnen schriftlich beantworten; das kann ich Ihnen aus dem Kopf nicht sagen. Aber das werde ich gern tun.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stiegler.
Herr Staatssekretär, Sie haben soeben erklärt, Ihnen sei nicht bekannt, das neonazistische Gruppierungen in gemeinnützigen Vereinen organisiert seien. Ist Ihnen z. B. nicht der in Bayern breit diskutierte Fall des Spielmannszugs Hans Rudel in Amberg bekannt, der als gemeinnütziger Verein anerkannt wird, aber zweifelsohne zu den neonazistischen Organisationen zu rechnen ist?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Ich muß Ihnen ehrlich gestehen, daß mir der Fall nicht bekannt ist. Aber ich bin bereit, dem nachzugehen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 17 des Herrn Abgeordneten Fischer ({0}) auf:
Welche Verbindungslinien neonazistischer Gruppen in das Ausland sind der Bundesregierung bekannt, und welche Bemühungen unternimmt sie, grenzüberschreitend der terroristischen Aktivitäten Herr zu werden?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Seit Jahren bestehen internationale Beziehungen zwischen Rechtsextremisten. Seit 1979 wird eine Intensivierung der Kontakte zwischen neonazistischen Gruppen beobachtet. Von deutscher Seite sind als hauptbeteiligt hervorzuheben: die Volkssozialistische Bewegung Deutschlands/Partei der Arbeit und Junge Front, die Hilfsorganisationen für nationale politische Gefangene und deren Angehörige, die Anhänger der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei - Auslands- und Aufbauorganisation und die Anhänger der Aktionsfront Nationaler Sozialisten.
Von ausländischer Seite wird die Zusammenarbeit vor allem betrieben von den Faisceaux Nationalistes Europeens, den Vlaamse Militante Orde und Occident aus Belgien, den British Movement, Column 88 und League of St. George, Großbritannien, den White Power Movement/White Power Publications und National Socialist Party of America und den Western Guard Party/Samisdad Publishers in Kanada. Seit 1980 war eine bemerkenswerte Zunahme von Kontakten deutscher Rechtsextremisten zur palästinensischen Al Fatah festzustellen.
Zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus besteht seit 1976 auf Ministerebene zwischen den 10 EG-Staaten ein regelmäßiger und enger Informations- und Planungsaustausch: TREVI. Wesentlich auf die Initiative der deutschen Seite ist zurückzuführen, daß sich TREVI zunehmend auch mit dem Rechtsterrorismus beschäftigt. Dies ist insbesondere in der am 8 Dezember dieses Jahres stattfindenden Ministertagung vorgesehen. Die Intensivierung der internationalen Kontakte und Bewegungen von Rechtsextremisten waren ständig Gegenstand eines umfassenden Informationsaustausches zwischen dem Bundesamt für Verfassungsschutz und befreundeten Diensten. In mehreren Fällen wurden Maßnahmen nach dem Paß- bzw. Personalausweisgesetz zur Verhinderung der Ausreise bekannter deutscher Rechtsextremisten eingeleitet.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Emmerlich.
Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß ein wesentlicher Teil des neonazistischen Propagandamaterials aus dem Ausland stammt, und teilen Sie meine Auffassung, daß es angemessen und angebracht ist, den Versuch zu unternehmen, eine derartige Einfuhr neonazistischen Propagandamaterials zu unterbinden?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Es ist richtig, Herr Kollege Emmerlich, daß ein wesentlicher Teil des Propagandamaterials, insbesondere der Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt wird. Da spielen amerikanische und kanadische Gruppen eine besondere Rolle. Der Bundesminister des Innerv hat bei einem Besuch in Amerika gegenüber dem amerikanischen Justizminister auf die Bedeutung dieser Gruppen für den deutschen Rechtsextremismus hingewiesen. Die Einfuhr von Propagandamaterial weist auf eine der bestehenden Lücken in unserem Strafgesetzbuch hin, wo ja die Einfuhr solcher neonazistischer Propagandamittel und Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen nicht unter Strafe gestellt ist. Diese Gesetzeslücke soll mit dem vorhin erwähnten Gesetzgebungsvorhaben geschlossen werden. Das hat in der Tat eine große Bedeutung.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Dr. Däubler-Gmelin.
Herr Staatssekretär, mich würde es interessieren, über die Art der Verbindungen ins Ausland mehr zu erfahren. Handelt es sich dabei um Schulungen, oder beschränkt sich das auf den Austausch von Propaganda? Zum anderen: Sind hier eigentlich Vorfeldorganisationen rechtsextremistischer Art, beispielsweise Jugendorganisationen, einbezogen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Was die Art der Kontakte betrifft, so waren es zunächst überwiegend Kontakte zu gleichgesinnten Gruppen, die in Treffen und ähnlichem bestanden. Es gibt aber in letzter Zeit auch Anzeichen dafür, daß es gemeinsame Planungen und Überlegungen für gemeinsam
Parl. Staatssekretär von Schoeler
zu begehende Taten gibt. Das ist eine neue Entwicklung bei diesen internationalen Beziehungen.
Was den letzten Teil Ihrer Frage betrifft, so muß ich sagen: Ich habe nicht genau verstanden, worauf es Ihnen ankommt und welche Jugendorganisationen Sie meinen.
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- Herr Präsident, ich habe den letzten Teil der Frage nicht verstanden.
Aha; Sie haben akustisch den letzten Teil der Frage nicht verstanden. Frau Abgeordnete, bitte wiederholen Sie!
Danke schön. Um es nochmals deutlich zu artikulieren: Der zweite Teil meiner Frage bezog sich nicht auf die neonazistischen Gruppierungen im engeren Sinn, sondern auf die Vorfeldorganisationen der rechtsextremistischen Gruppierungen, besonders der Jugendorganisationen, und deren Verbindungslinien ins Ausland bzw. deren spezifische Qualität.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Es gibt auch Kontakte der Jungen Nationaldemokraten - um das als wohl wichtigstes Beispiel herauszunehmen - ins Ausland. Wenn Sie dazu Einzelheiten wissen wollen, bin ich gern bereit, Ihnen das schriftlich zu beantworten. Das kann ich aus dem Stegreif nicht tun.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gilges.
Herr Staatssekretär, ich frage Sie nach der Richtigkeit der Behauptung des Zentralrats der Juden, daß es im Ausland Büros gibt, die als Verbindung und Zentralen angesehen werden, die den internationalen Rechtsterrorismus einschließlich deutscher rechtsradikaler Organisationen organisieren. Könnten Sie etwas zu diesen Büros sagen? Werden diese Büros von Ihnen unter Mitarbeit ausländischer Verfassungsschutzorgane, besonders in Frankreich, beobachtet?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Erkenntnisse bezüglich einer internationalen Organisation im rechtsextremistischen Bereich liegen der Bundesregierung nicht vor. Es gibt - ich wiederhole es - lediglich Hinweise, und zwar sich verstärkende Hinweise, auf sich verstärkende Aktivitäten der Zusammenarbeit einzelner Gruppen. Die Hauptbeteiligten habe ich genannt. Einzelne rechtsextremistische Gruppen verfügen natürlich auch über Kontakte ins Ausland. Sie sind sicher auch Organisatoren von Zusammenarbeit z. B. einer deutschen rechtsextremistischen oder neonazistischen Gruppe mit einer französischen. Das ist aber ein deutlicher Unterschied zu dem, wonach Sie gefragt haben, wo von einer internationalen Organisation die Rede war. Dafür gibt es nach dem Kenntnisstand der Sicherheitsbehörden keine Hinweise.
({0})
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 18 des Abgeordneten Dr. Schwenk ({0}) auf.
Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Ursachen neonazistischer Militanz und des Rechtsextremismus insbesondere unter Jugendlichen sowie über dessen ideologische Begründung und Wurzeln?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Schwenk, zu den Ursachen neonazistischer Militanz und des Rechtsextremismus habe ich bereits in den Antworten auf die Fragen des Kollegen Emmerlich einiges gesagt. Bezüglich der in Ihrer Frage ebenfalls angesprochenen ideologischen Fundierung ist festzustellen: Eine ausformulierte einheitliche Ideologie fehlt bei diesen Gruppen. An ihrer Stelle stehen einige stark emotional besetzte Grundauffassungen wie ein vehementer deutscher Nationalismus, der von einer feindseligen Haltung gegenüber dem Ausland und Ausländern begleitet ist. Bekannt ist die entschiedene Ablehnung der ausländischen Arbeitnehmer, der eine Angst vor kultureller Überfremdung zugrunde liegt. Als natürlicher Gegner im Inland gilt die politische Linke.
So eindeutig die Feindbilder sind, so unklar sind die eigenen Zielvorstellungen. Als direkter Fortsetzer der Tradition des Hitler-Regimes versteht man sich in diesen Gruppen in der Regel nicht. Man denkt sich verschwommen einen irgendwie gearteten idealen Nationalstaat, der durch eine von Uneigennützigkeit, Unabhängigkeit und fachlicher Qualifikation geprägte Elite geführt werden soll. Die Interessengegensätze innerhalb der Gesellschaft sollen durch eine Haltung der Volksgemeinschaft aufgelöst werden - ein Gedanke, der bereits in den 30er Jahren mit großem Aufwand propagandistisch verbreitet wurde und mit ursächlich für die Katastrophe des Nationalsozialismus war.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, sehen Sie - vor dem Hintergrund der letzten Sätze Ihrer Ausführungen - eine Ihrer Aufgaben darin, den politischen Unterricht innerhalb und außerhalb der Schule verstärkt auf den Abbau von blinder Autoritätsgläubigkeit und überhaupt Autoritätsgläubigkeit zu richten und den Gedanken der Demokratie als der besten Staatsform für die Lösung von Konflikten im Inland und im Ausland darzustellen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Ich stimme Ihrer Auffassung voll zu und möchte die Frage benutzen, um darauf hinzuweisen, daß es sicherlich falsch und kurzsichtig wäre, wenn man glaubte, den Rechtsextremismus erfolgreich bekämpfen zu können, indem man nur informiert über die Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, nur versucht, über die Fehler und die Mängel des Rechtsextremismus Informationen zu geben. Das ist zwar notwendig, aber darüber hinaus liegt die wirksamste Aufgabe zur vorbeugenden Bekämpfung sicherlich darin, gegen Einstellungs- und Verhaltensweisen zu immunisieren, die nicht unbedingt schon rechtsextremistisch sein müssen, letztlich aber den Rechtsextremismus begünstigen. Dazu gehört die von Ih3846
Parl. Staatssekretär von Schoeler
nen erwähnte und weit über das rechtsextremistische Potential hinaus vorhandene Suche nach starken Männern, nach großen Autoritäten, nach Führer- und Leitfiguren. Überall, wo das überstark ausgeprägt ist, ist das schon eine Einstellungs-, eine Verhaltensweise, die in einer Demokratie nicht erträglich ist und die bekämpft werden muß. Das muß geschehen, bevor Menschen aus solchen falschen Vorstellungen heraus letztlich dann in den Rechtsextremismus abgleiten. Dann ist es vielfach zu spät.
Weitere Zusatzfrage.
Stimmen Sie mir zu, daß sich die Unterrichtsinhalte in der politischen Bildung innerhalb und außerhalb der Schule nicht nur auf eine formale Darstellung demokratischen Geschehens begrenzen dürfen, sondern insbesondere von der inhaltlichen Darstellung des Austragens von Konflikten im friedlichen Dialog - eingeschlossen allerdings auch die friedliche Demonstration - geprägt sein sollten?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Ich stimme dem voll zu.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schröder.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß auf dem Hintergrund der von Ihnen mitgeteilten Ursachen über rechtsextremistische Militanz die bisweilen überzogene und sehr emotionale Diskussion des Asylantenproblems die von Ihnen geschilderten Neigungen verstärken könnten, und sind Sie mit mir der Auffassung, daß es Ihre und unser aller Aufgabe sein müßte, dieses Problem in der Öffentlichkeit rationaler zu diskutieren, als es bisher geschehen ist, wenn wir vermeiden wollen, daß die Diskussion dieses und anderer Ausländerprobleme genau zu dem führt, was Sie als eine der Ursachen von Rechtsextremismus hier mitgeteilt haben?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Ich teile Ihre Auffassung. Ich sehe eine große Gefahr in dieser Diskussion über Asylbewerber und über Ausländer generell. Ich glaube, alle die, die sich an der notwendigen Diskussion über Fragen der Reform des Ausländerrechtes und Fragen des Familiennachzugs und ähnliches beteiligen, sollten sich der Verantwortung bewußt sein, und jeder, der sich daran beteiligt, muß aufpassen, daß er nicht ungewollt und vielleicht auch unbewußt solchen Einstellungen, die vom Haß, von der Ablehnung gegenüber unseren ausländischen Arbeitnehmern geprägt sind, Vorschub leistet.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Waltemathe.
Herr Staatssekretär, gibt es nach Ihren Erkenntnissen auch Zusammenhänge zwischen dem Umstand, daß Demokratien mit rechtsgerichteten Regimen wirtschaftlich zusammenarbeiten, und neonazistischen Tendenzen im Inland?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Waltemathe, es gibt keine solche Zusammenhänge bestätigenden oder auch nur vermuten lassenden Erkenntnisse.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordnete Immer.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie vor dem Hintergrund, daß es um Ursachen und Wurzeln ging, fragen, ob es in der Bundesrepublik nicht doch einen viel größeren Nährboden für den Rechtsextremismus gibt, weil nicht nur Verhalten, sondern schon bestimmte Denkstrukturen, aus anderen Gründen innerhalb der Bevölkerung vorhanden, Menschen, gerade junge Menschen, bestärken können, in dieser Richtung zu denken und später leider auch zu handeln?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Mit Sicherheit ist es so, Herr Kollege, daß rechtsextremistische Einstellungen weitaus verbreiteter sind, als es die Zahlen der rechtsextremistischen Organisationen zum Ausdruck bringen. Denn es ist eben ein Unterschied, ob ich bestimmte Meinungen habe oder ob ich in eine Organisation eintrete. Das trifft um so mehr zu, je weiter Sie den Kreis dessen ziehen, was letztlich Rechtsextremismus begünstigt, als Nährboden für Rechtsextremismus dient.
Da sind wir wieder bei einer der Fragen, die wir vorher diskutiert haben. Deswegen muß es j a gerade darum gehen, mit der Bekämpfung nicht erst einzusetzen, wenn jemand in eine rechtsextremistische Organisation eingetreten ist, sondern bereits weit im Vorfeld davor durch das Einüben von Konflikten, durch das Lernen, daß Konflikte zu einer Gesellschaft gehören, durch das Bekämpfen falscher Harmoniebestrebungen, durch das Bekämpfen falscher Führervorstellungen eine Immunisierung gegen das Abgleiten in den Rechtsextremismus zu bewirken.
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Eine weitere Zusatzfrage, Frau Dr. Däubler-Gmelin.
Herr Staatssekretär, meine Frage schließt genau daran an. Nun gibt uns j a das Sinus-Gutachten eine ganze Reihe von relativ konkreten Erklärungsmustern für rechtsradikale Einstellungen und Haltungen an die Hand. Eigentlich müßte das doch - und auch die Erkenntnisse, die da gewonnen wurden - für die Öffentlichkeitsarbeit gerade des Innenministeriums oder auch für die Schulung der Dienste, auch für das Vorgehen der Sicherheitsorgane Konsequenzen haben? Können Sie uns dazu ein bißchen sagen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Bezüglich der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung, der Öffentlichkeitsarbeit des Bundesminiters des Innern, bezüglich der Arbeit der Bundeszentrale für politische Bildung stimme ich Ihnen voll zu. Die nächste
Parl. Staatssekretär von Schoeler
Frage bezieht sich auf diesen Komplex. Vielleicht kann ich dann noch etwas sagen.
Bezüglich der Arbeit der Sicherheitsbehörden möchte ich noch einmal sagen, daß die Sinus-Studie Einstellungen betrifft, und Einstellungen rechtfertigen kein Tätigwerden der Verfassungsschutzbehörden. Darauf lege ich großen Wert.
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Tätigkeiten und Organisationen können und müssen den Verfassungsschutz auf den Plan rufen. Einstellungen haben ihn nicht zu interessieren.
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Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Emmerlich.
Herr Staatssekretär, gehört es nicht auch zu den propagandistischen Bestrebungen neonazistischer und rechtsextremistischer Gruppierungen, die Verbrechen des Nationalsozialismus und seinen verbrecherischen Charakter zu leugnen, weil nur auf diese Weise eine genügende Möglichkeit für die Verführung insbesondere junger Menschen gegeben ist, und halten Sie es, wenn das so ist, für erforderlich, dem mit allen zu Gebote stehenden Mitteln entgegenzuwirken?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Es ist ohne Zweifel so, daß das Leugnen nationalsozialistischer Gewaltverbrechen oder das Bagatellisieren solcher Verbrechen einer der wesentlichen Bestandteile der meisten rechtsextremistischen und aller neonazistischen Gruppierungen ist.
Mit der Frage der Bekämpfungsmöglichkeiten wird sich der Gesetzentwurf beschäftigen müssen, der zur Zeit, wie ich vorhin gesagt habe, erarbeitet wird. Es ist Aufgabe des Gesetzentwurfs, auf der einen Seite Möglichkeiten zur Bekämpfung solchen Leugnens nationalsozialistischer Gewaltverbrechen zu bieten, auf der anderen Seite aber die Gefahr zu vermeiden, die in der Verwendung unscharfer und ungenauer Begriffe liegen würde. Das sollte die Leitlinie - jedenfalls aus der Sicht des Innenministeriums - für die Gesetzesberatungen sein.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dallmeyer.
Herr Staatssekretär, meine Frage schließt an die Frage des Kollegen Waltemathe an. Ich frage, ob es andere Regime gibt, die rechtsextremistische Gruppen in unserem Lande unterstützen, die nicht selber rechtsextrem sind, sondern möglicherweise linksextrem oder anders extrem, wie etwa Libyen im Falle der Wehrsportgruppe Hoffmann?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Es gibt und gab Kontakte und auch Unterstützung seitens der PLO und anderer Gruppen aus dem Nahen Osten. Darüber hinaus sind ähnliche Kontakte oder Unterstützungen bisher nicht bekanntgeworden.
Keine weiteren Zusatzfragen? - Herr Abgeordneter Stiegler, bei Ihnen bin ich im Zweifel, ob Sie eine Zusatzfrage stellen wollen oder nicht. Sie haben sich viermal gemeldet und haben Ihre Meldung viermal zurückgezogen. Sie meinen es jetzt ernst?
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- Bitte sehr.
Herr Präsident, ich kann ja schlecht noch einmal dieselbe Frage wie mein Vorredner stellen.
Ich bin schon zufrieden, wenn Sie es ernst meinen.
({0})
Eben. - Herr Staatssekretär, ich komme noch einmal auf die Sinus-Studie zurück. Gibt es schon eine breite Auswertung der Ergebnisse und auch den Entwurf einer Konzeption, mit der man den Einstellungen, die j a in dieser Studie in erschreckendem Maße zum Vorschein gekommen sind, auf breiter Front - eventuell auch in Zusammenarbeit mit den Ländern - entgegenwirken kann?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann Ihnen im Augenblick nur darüber Auskunft geben, was wir im Bundesinnenministerium überlegen. Da sind wir schon wieder bei der nächsten Frage. Wir überlegen, die Ergebnisse der Sinus-Studie und der vom Bundesinnenministerium in Auftrag gegebenen Studie oder Untersuchung auf empirisch-wissenschaftlicher Grundlage zum Anlaß für speziell auf den Unterricht an Schulen zugeschnittenes Material zu nehmen. Das wäre eine Auswertung der Sinus-Studie wie auch der vom Bundesinnenministerium in Auftrag gegebene Untersuchung. Sicherlich kann das dann nicht alles sein, auch nicht für die anderen Ressorts, aber dazu kann ich im Augenblick keine Auskunft geben.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 19 des Herrn Abgeordneten Dr. Schwenk ({0}) auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, den Schulen auch „Unterrichtsbausteine" zum Thema „Gewalt und Terrorismus von rechts" an die Hand zu geben, wie sie es mit dem Schwerpunkt linker Terrorismus bereits getan hat ({1})?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Die in Ihrer Frage erwähnten „Unterrichtsbausteine" zu den Themen „Gewalt und Terrorismus" sind ein erster Versuch gewesen, Unterrichtsmaterial in einer für die politische Bildungsarbeit neuen didaktischen Form anzubieten, die insbesondere für Schulen geeignet ist. Sie erwähnen mit Recht, daß diese Unterrichtsbausteine schwerpunktmäßig den Linksterrorismus behandeln. Die ansteigende Zahl von terroristischen Gewalttaten von rechts während des Zeitraumes der Erarbeitung der „Bausteine" hat aber bereits dazu geführt, daß der Rechtsterrorismus mit einbezogen wurde. Das gilt für das später erarbeitete Lehrerbegleitheft in noch größerem Umfang.
Parl. Staatssekretär von Schoeler
Die Bundesregierung prüft zur Zeit, wie die Ergebnisse der vorhin erwähnten vom Bundesinnenministerium in Auftrag gegebene Untersuchung über die Ursachen neonazistischer Militanz und des Rechtsextremismus unter Jugendlichen in Unterrichtsmaterial zu diesem Thema in vergleichbarer didaktischer Form umgesetzt werden kann.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, sind Sie in der Lage, jetzt schon zu sagen, wann mit einem Ergebnis gerechnet werden kann, und ob diese Arbeiten zügig und mit Unterstützung aller Beteiligten durchgeführt werden?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Die Arbeit wird zügig durchgeführt werden. Einen Zeitpunkt kann ich Ihnen im Augenblick noch nicht nennen. Ich bin aber gerne bereit, sobald ein solcher Zeitpunkt absehbar ist, ihn Ihnen zu nennen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Werden die Abgeordneten ein Musterheft der Erarbeitungen bekommen, um notfalls und interessehalber - wir haben ja Interesse - für die Verbreitung der Ergebnisse in unseren Wahlkreisen mit zu sorgen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Selbstverständlich wird das jeder interessierte Kollege bekommen; das ist gar keine Schwierigkeit.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Immer.
Herr Staatssekretär, halten Sie es in diesem Zusammenhang auch für erforderlich, daß man sich mit dem Gedankengut auseinandersetzt, daß die Traditionsvereinigungen ehemaliger Angehöriger der Waffen-SS in Wort und Schrift verbreiten?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Im Zusammenhang mit der politischen Bildungsarbeit und didaktisch aufbereitetem Unterrichtsmaterial, glaube ich, geht es - gerade im Anschluß an das, was wir vorhin diskutiert haben - weniger darum, über Einzelheiten der Erscheinung des Rechtsextremismus, über Gruppen, Organisationen, Anhänger und Mitgliederzahlen, zu informieren, sondern es geht vielmehr darum, vorbeugend gegen Einstellungen, die zum Rechtsextremismus führen, zu immunisieren. Ich hielte es also für falsch und für einen - oftmals beschrittenen - bequemen Ausweg, Informationsmaterial als reine Wissensvermittlung über einzelne Organisationen zu begreifen; das geht ins eine Ohr hinein und aus dem anderen wieder heraus und verfehlt gerade den Zweck, zu immunisieren. Deswegen bitte ich Sie, ein solches Vorhaben, bei dem wir zur Zeit überlegen und prüfen, wie wir das machen wollen, nicht mit solchen Vorstellungen und Forderungen zu belasten.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stiegler.
Herr Staatssekretär, gibt es wegen dieser „Unterrichtsbausteine" bereits Verabredungen mit den Kultusministern, die dann auch sicherstellen, daß diese „Bausteine" im Unterricht verwendet und eingesetzt werden, gibt es insbesondere mit dem Freistaat Bayern, der bei der Einführung solcher Dinge nicht sehr großzügig ist, entsprechende Vereinbarungen?
({0})
Herr Abgeordneter Stiegler, bleiben Sie bitte am Mikrophon, nicht nur, weil der derzeit amtierende Präsident aus Bayern stammt.
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- Dem Dialekt nach ja. - Es ist nicht gestattet, Wertungen vorzunehmen.
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Ich bitte, sich daran zu halten. Diesen Teil der Frage lasse ich nicht zu, den anderen Teil lasse ich selbstverständlich zu. - Bitte sehr.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die bereits vorliegenden Bausteine werden auf Grund einer Absprache mit den Kultusministern aller Länder gegenwärtig im Unterricht verwendet. Wir befinden uns bei dem Projekt, über das wir jetzt diskutieren - ein entsprechendes Projekt, das die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchungen über die Ursachen bewertet -, im Augenblick in einem Stadium, wo wir überlegen, wie wir so etwas konzipieren, d. h. noch in einem sehr frühen Stadium. Eine Absprache mit den Kultusministern der Länder kann erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Ich sehe da auch nach unseren bisherigen Erfahrungen mit den Kultusministern der Länder keinerlei Schwierigkeiten voraus.
Herr Abgeordneter Gilges, eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, halten Sie es nicht für notwendig, daß die Bundesregierung anregt, daß es einen Erlaß der Kultusministerkonferenz zur Behandlung des Rechtsextremismus im Schulunterricht gibt? Halten Sie es nicht für notwendig, daß die Bundesregierung - und deswegen frage ich Sie - da eine Initiative ergreift?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, mir ist nicht bekannt, ob es nicht bereits einen solchen Beschluß der Kultusministerkonferenz gibt. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie eine Frage dazu an den Bildungsminister richteten. Ich bin wirklich überfragt, welche Beschlüsse die Kultusministerkonferenz gefaßt hat.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe Frage 20 des Herrn Abgeordneten Dr. von Geldern auf:
Stimmt die Bundesregierung der Ansicht zu, daß die Aktionen von Greenpeace gegen das Tankschiff „Kronos" in der Deutschen Bucht möglicherweise Straftatbestände erfüllen, und wenn ja, welche Folgerungen hätten daraus im Verantwortungsbereich der Bundesregierung gezogen werden müssen?
Herr Kollege, der Bundesregierung liegen Informationen vor, daß die Firma Kronos Titan GmbH Strafanzeige gegen Greenpeace wegen der Vorfälle am 20. Oktober 1981 beim Wasserschutzpolizeiamt Bremen erstattet hat. Die Anzeige sieht den Tatbestand des gefährlichen Eingriffs in den Schiffsverkehr - § 315 Strafgesetzbuch - und den Tatbestand der Nötigung - § 240 Strafgesetzbuch - als erfüllt an. Die Bundesregierung möchte durch eine strafrechtliche Bewertung der Vorfälle dem Ausgang dieses Verfahrens nicht vorgreifen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Duve.
Herr Staatssekretär, wären Sie denn, wenn Sie eine rechtliche Bewertung ablehnen, bereit, eine politische Bewertung vorzunehmen, daß Aktivitäten dieser in der ganzen Welt bekannten und auch weithin akzeptierten Organisation in vielen Fällen erst dazu geführt haben, daß wir und die Bevölkerung aufmerksam wurden auf sehr dramatische Zustände im Bereich der Nordsee - ich erinnere an die Diskussion über das Nordsee-Gutachten hier -, daß man das, was diese jungen Menschen dort tun und sagen, also nicht pauschal verurteilen kann?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Duve, ich lege Wert auf die Feststellung, daß es hier keineswegs um eine generelle Wertung der Aktivitäten von Greenpeace geht. Es geht um einen ganz speziellen Vorgang auf der Nordsee, der zur Zeit Gegenstand einer Strafanzeige ist und den ich im Augenblick weder rechtlich noch politisch werten will, weil das letztlich ein Eingriff in dieses Verfahren wäre. Es geht aber ausschließlich darum und keineswegs um die Tätigkeit dieser Organisation generell.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 21 des Herrn Abgeordneten Dr. von Geldern auf:
Wie vereinbart die Bundesregierung ihre in der Fragestunde vom 12. November 1981 auf meine Fragen zu diesem Zwischenfall gegebene Antwort, „nach einer pragmatischen Arbeitsteilung werden für Einsätze dieser Art in der Nordsee zur Zeit die in diesem Seegebiet stationierten Zollboote tätig" mit dem Gesetz über den Bundesgrenzschutz und seine Aufgaben und mit der notwendigen Überwachung der Verkehrssicherheit durch die polizeiliche Exekutive?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Der Bundesgrenzschutz ist im Rahmen der Aufgaben des § 6 des BGS-Gesetzes für die Verhinderung, Erforschung und Verfolgung von Straftaten auf hoher See, soweit deutsches Strafrecht zur Anwendung kommt, zuständig. Dies gilt theoretisch überall auf hoher See. Faktisch kann der Bundesgrenzschutz diese Aufgabe jedoch nur dort wahrnehmen, wo er präsent ist. Das ist in der Nordsee nicht der Fall. Seit jeher werden die genannten Aufgaben in der Nordsee vom Zoll wahrgenommen, der deshalb auch in diesem Fall tätig geworden ist.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, halten Sie es wirklich für eine ausreichende Antwort, zu sagen, das sei seit jeher so gewesen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Wenn das meine vollständige Antwort gewesen wäre, hätten Sie mit Ihrer Kritik recht. Es war aber nicht meine vollständige Antwort, und deswegen ,kann ich Ihre Frage bejahen.
Herr Abgeordneter von Geldern, es geht nicht, daß Sie hier ein Zwiegespräch führen. Dies war also keine Zusatzfrage. Bitte Ihre nächste Frage.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß es angesichts dieses Vorfalls, zu dem hier die Frage gestellt worden ist, erwägenswert wäre, künftig den Bundesgrenzschutz und nicht den Zoll in der Nordsee mit solchen Angelegenheiten zu befassen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege von Geldern, dieser Auffassung kann ich nicht zustimmen. Der Bundesgrenzschutz ist gegenwärtig in der Nordsee nicht präsent. Der Zoll hat in der Vergangenheit immer größten Wert darauf gelegt, daß er die Aufgaben in der Nordsee wahrnimmt. Nun ist die Tatsache, daß der Zoll darauf Wert legt, für sich genommen noch kein Grund. Aber es ist auch sachgemäß, daß es eine Arbeitsteilung zwischen Zoll und Bundesgrenzschutz gibt.
Eine solche Arbeitsteilung ist schon deshalb notwendig, weil der Auftrag nach § 6 des BGS-Gesetzes räumlich wirklich absolut unbegrenzt ist; theoretisch bezieht er auch den Indischen Ozean ein. Sie sehen daraus, daß nicht überall, wo § 6 gilt, ein Zolloder BGS-Boot anwesend sein kann. Also muß man sich darauf beschränken, eine pragmatische Aufgabenteilung zwischen Zoll und Bundesgrenzschutz zu finden. Sie ist im vorliegenden Fall gefunden worden.
Da Ihre erste Bemerkung keine Zusatzfrage war, haben Sie die Gelegenheit, eine weitere Zusatzfrage zu stellen.
Herzlichen Dank, Herr Präsident.
Herr Staatssekretär, ich möchte Sie dann abschließend fragen, ob Sie Ihre Ausführungen zu § 6 des BGS-Gesetzes tatsächlich so verstanden wissen wollen, daß die Nordsee als Einsatzgebiet für den Bundesgrenzschutz nicht ernsthaft in Betracht zu ziehen sei.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege von Geldern, ich glaube, diese Frage - gestatten Sie mir diese Bewertung - geht am Kern des Problems vorbei; denn letztlich ist entscheidend, daß die Aufgaben nach § 6 des BGS-Gesetzes wahrgenommen werden. Ob sie vom Zoll oder vom BGS wahrgenom3850
Parl. Staatssekretär von Schoeler
men werden, ist nicht die entscheidende Frage. Tatsächlich ist hier ja auch der Zoll initiativ geworden.
Ich gebe Ihnen allerdings in einem recht - das muß man ernsthaft überlegen -: Ob es eine formelle Übertragung der Aufgaben des BGS in bezug auf die Nordsee auf den Zoll geben sollte, ist bisher nicht erwogen worden, weil das bisher noch nie praktisch geworden ist. Wir haben eben nur eine pragmatische Arbeitsteilung. Das würde aber bedeuten, daß das, was jetzt praktiziert, gehandhabt wird, formell durch eine Übertragung abgesichert wird. Es gäbe keine Änderung der Praxis. Ich glaube im übrigen, daß sich diese Praxis durchaus bewährt hat.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Duve.
Herr Staatssekretär, da der Ausgangspunkt dieses bis in den Indischen Ozean reichenden Disputs die Aktion von Greenpeace ist, möchte ich Sie fragen: Sind Sie mit mir nicht der Meinung, daß nicht so sehr entscheidend ist, ob Gerät des Bundesgrenzschutzes oder anderes Gerät vielleicht einmal eingesetzt wird, sondern daß das viel wesentlichere Problem hinsichtlich der Nordsee in der zur Zeit nicht feststellbaren Zahl von Straftaten, begangen durch falsche und kriminelle Verklappung, liegt - insoweit sind j a bereits Erwägungen angestellt worden -, nicht aber in den im Grunde begrüßenswerten Aktivitäten solcher Umweltschützer?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, für beide Fälle gilt im Grunde genommen, daß es schon rein von der Ausrüstung des Bundesgrenzschutzes her absolut unmöglich ist - jedenfalls nach dem gegenwärtigen Ausrüstungsstand -, die tatsächliche Wahrnehmung - also nicht nur die rechtliche - bestimmter Aufgaben im Gebiet der Nordsee vom BGS zu erwarten. Dafür ist der Bundesgrenzschutz nicht ausgerüstet. Das gilt für beide von Ihnen genannten Bereiche.
Ich bin sicher, daß im Bereich des illegalen Ablassens von Öl oder ähnlichem eine Menge passiert, was eigentlich eine schärfere Überwachung erfordert. Aber das stößt natürlich immer an die Grenze der Möglichkeiten des Staates, die Einhaltung der geltenden Bestimmungen tatsächlich zu kontrollieren.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schwenk ({0}).
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mit mir darin überein, daß eine formelle Übertragung der Zuständigkeiten auf den Zoll zu einer weiteren Bürokratisierung und zu einem weiteren - wenn auch nicht sehr erheblichen - Ansteigen der Gesetzesflut beitrüge?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe das gesagt, weil ich glaube, daß das der Punkt ist, über den man einmal nachdenken sollte. Meine Ausführungen sind nicht so zu verstehen, das ich das vorgeschlagen habe, sondern ich wollte die
Diskussion, die sich an § 6 etwas festgehakt hat, auf Überlegungen lenken, die eventuell zu praktischen Schlußfolgerungen führen könnten. Das müßte man in Ausschußberatungen genauer erörtern, als es im Rahmen einer Fragestunde im Plenum möglich ist. Ich wollte also eine Anregung geben und die Diskussion auf einen Punkt lenken, von dem ich glaube, daß man über ihn wirklich einmal reden müßte.
Keine weitere Zusatzfrage.
Die Fragen 22 und 23 des Herrn Abgeordneten Milz sollen auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 24 der Frau Abgeordneten Dr. Martiny-Glotz auf:
Wie will die Bundesregierung Bürgerinnen oder Bürgern zuhilfe kommen, die die Broschüre „Hinweise für Anschriften und Anreden" benutzen möchten, aber nicht Latein können, daher auch den Wortstamm von Amtsbezeichnungen und Titeln nicht erkennen können und trotzdem eine Behörde korrekt anschreiben wollen, bei der eine Frau in Amt und Würden ist, und erwägt die Bundesregierung, eventuell eine zweite Broschüre zu erstellen, die die entsprechenden Hinweise für Frauen in Ämtern und Funktionen in ähnlich liebevoller Gründlichkeit enthält?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Die von Ihnen kritisierte Broschüre enthält auf Seite 10 allgemeine Hinweise, die in den meisten Fällen ausreichen dürften, auch Frauen in Behörden und Ämtern korrekt anzuschreiben. Dennoch habe ich großes Verständnis für Ihre Kritik und bin durchaus der Auffassung, daß die „Hinweise für Anschriften und Anreden" im Sinne Ihrer Fragestellung verbesserungsbedürftig sind. Dies wird bei einer zweiten Auflage dieser Broschüre, sofern sie erfolgt, berücksichtigt werden.
Eine Zusatzfrage?
Ja. - Ich begrüße die Selbstkritik des Innenministeriums, aber sie enthebt mich natürlich nicht der Frage, Herr Staatssekretär, ob Sie eine solche Handreichung generell wirklich für notwendig halten.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Ich wäre bereit, mit mir darüber diskutieren zu lassen, ob wir auf das ganze Unternehmen verzichten.
({0})
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 25 des Herrn Abgeordneten Dr. Laufs auf:
Welche Folgerungen zieht die Bundesregierung aus der Aussage des Leiters des Instituts für Strahlenschutz der Gesellschaft für Strahlen- und Umweltforschung, Professor Dr. Jacobi, in der Zeitschrift Atomwirtschaft vom November 1981, daß „heute schon als gesichert betrachtet werden kann, daß 10 Prozent bis 20 Prozent der Lungenkrebserkrankungen auf die Strahlenbelastung durch Radonzerfallsprodukte zurückgehen", im Zusammenhang mit ihren Maßnahmen zu Umweltschutz und Strahlenschutz?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Die Zeitschrift „Atomwirtschaft" hat in ihrem November-Heft die Überlegungen von Professor Dr. Jacobi zum Lungenkrebsrisiko auf Grund der Strahlenbelastung
Parl. Staatssekretär von Schoeler
durch Radonzerfallsprodukte nur sehr verkürzt und mißverständlich zitiert. Professor Jacobi hat auf der Sitzung der Strahlenschutzkommission am 20. November 1981 zu dem Problem wie folgt Stellung genommen:
Zwischen 70 und 90% der Lungenkrebsfälle in der Bundesrepublik Deutschland treten bei Rauchern auf. Das Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken, ist bei Nichtrauchern wesentlich geringer als bei Rauchern. Unter bestimmten, jedoch keineswegs gesicherten Annahmen - z. B. lineare Dosis-Wirkungsbeziehung bei kleinen Strahlendosen - kann geschätzt werden, daß 10 bis 20 % der Lungenkrebsfälle bei Nichtrauchern durch die Radonzerfallsprodukte verursacht werden, die in der Luft von Wohnräumen u. a. als Folge der natürlichen radioaktiven Stoffe in den Baumaterialien auftreten. Diese Schätzungen sind jedoch keinesfalls als gesichert anzusehen. Ihnen steht u. a. die Tatsache entgegen, daß bei Erhebungen über die Inzidenz von Lungenkrebs bei Thorotrastpatienten, die hohen Lungendosen durch Radonzerfallsprodukte ausgesetzt waren, keine Erhöhung gegenüber dem normalen Lungenkrebsrisiko festgestellt wurde.
Die Bundesregierung wird daher die Bewertung der Auswirkungen der Inhalation von Radonzerfallsprodukten auf das Lungenkrebsrisiko durch die Strahlenschutzkommission abwarten.
Zusatzfrage? - Bitte.
Herr Staatssekretär, angesichts des seit langem bekannten und doch immerhin einigermaßen alarmierenden Verdachts auf ein hohes Lungenkrebsrisiko durch erhöhte Radonexposition: Welche Forschungsprogramme hat die Bundesregierung in den vergangenen Jahren zu diesem Thema durchgeführt, und welche finanzielle Ausstattung hatten diese Programme?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Laufs, das kann ich Ihnen im Augenblick nicht beantworten; ich werde das aber gern schriftlich tun.
Bitte!
Herr Staatssekretär, da das Thema des Radonrisikos im Ausland - im Gegensatz zur Bundesrepublik Deutschland - eine hohe Aufmerksamkeit findet: Welches sind die Gründe dafür, daß die Bundesregierung ihre Aufmerksamkeit und den Schwerpunkt ihrer Forschungen, vor allem im Innenbereich, überwiegend auf die minimalen Effekte der Strahlenexposition im Bereich der Kerntechnik ausrichtet?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Laufs, ich glaube, daß es hier um zwei nur insofern vergleichbare Vorgänge geht, als es beide Male um Strahlenexposition geht. Aber Sie können die hier gegenwärtig angestellten Überlegungen und auch den Nachdruck, mit dem sich z. B. der Innenausschuß auf Ihre und die Initiative anderer Kollegen hin mit dem Problem der Radonzerfallsprodukte beschäftigt, sowie die Stellungnahme der Bundesregierung dazu nicht im Sinne eines Desinteresses interpretieren. Im Gegenteil! Die Bundesregierung hat dem Problem große Aufmerksamkeit gewidmet. Sie wird das auch weiterhin tun, z. B. durch den Bericht an den Innenausschuß über mögliche Gegenmaßnahmen, der bis Ende dieses Jahres erbeten worden ist.
Ich glaube, wir sollten die jeweiligen Risiken im Bereich der Strahlenexposition nun nicht gegeneinander aufrechnen, indem wir sagen: Das eine ist wichtig, und deswegen ist das andere unwichtig. Wir sollten uns vielmehr allen Fragestellungen, die es im Bereich der Strahlenexposition gibt, mit gleicher Aufmerksamkeit und gleichem Nachdruck widmen. Das tun wir auch für den Bereich der Radonzerf allsprodukte.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Dann rufe ich die Frage 26 des Herrn Abgeordneten Dr. Laufs auf:
Sind der Bundesregierung die Meßergebnisse aus schwedischen Häusern bekannt, bei denen sich in Häusern aus Blähbeton mit hohem Aluminium-Schiefer-Gehalt Radonwerte ergaben, wie sie sonst nur in Urangruben zu finden sind, und welche Auswirkungen hat dies auf staatliche Vorschriften für Wärmedämmung in der Bundesrepublik Deutschland?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Der Bundesregierung sind die Meßergebnisse aus schwedischen Häusern bekannt. Diese Ergebnisse ergaben Radon-Konzentrationen, die um mehrere Größenordnungen, nämlich zehn- bis hundertmal höher sind, als entsprechende Untersuchungen in Häusern der Bundesrepublik Deutschland ergaben. Die schwedischen Ergebnisse können deshalb nicht Grundlage für neue Vorschriften in der Bundesrepublik sein.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bewußt, daß sie sich mit ihrer von Staatssekretär Dr. Sperling am 22. September 1980 geäußerten Auffassung, es gebe keine direkte Abhängigkeit zwischen höherer Radioaktivität und Dichtheit von Fenstern und Türen, im Gegensatz zur herrschenden Meinung in- und ausländischer Wissenschaftler befindet?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Laufs, dazu müßte ich jetzt die kompletten Äußerungen von Herrn Sperling kennen. Was er eventuell ergänzend gesagt hat, ist mir im Augenblick nicht bekannt. Deswegen kann ich nicht sagen, ob es hier einen Widerspruch gibt oder nicht.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Dürfte ich Sie bitten, mich über Ihre weiteren Überlegungen zu unterrichten?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Selbstverständlich, Herr Kollege.
Wir sind am Schluß der Fragestunde angekommen.
Präsident Stücklen
Ich möchte die Bundesregierung nochmals daran erinnern, daß nach Möglichkeit kürzere Antworten gegeben werden sollten,
({0})
damit auch die anderen Abgeordneten mit ihren
Fragen zum Zuge kommen und Ihre Kollegen aus
der Bundesregierung nicht umsonst die Regierungsbank gedrückt haben.
({1}) Die Sitzung ist geschlossen.