Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Pfeifer, Rühe, Frau Dr. Wisniewski, Dr. Rose, Dr. Stavenhagen, Frau Benedix-Engler, Daweke, Frau Geiger, Nelle, Rossmanith, Graf von Waldburg-Zeil, Frau Dr. Wilms, Dr. Bugl, Berger ({0}), Lenzer, Bohl, Röhner und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Graduiertenförderungsgesetzes ({1})
- Drucksache 9/908 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Bildung und Wissenschaft ({2}) Haushaltsausschuß
Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist für die Aussprache eine Debattenrunde vereinbart worden. Ist das Haus damit einverstanden. - Ich höre keinen Widerspruch. Es wird so verfahren. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Begründung und Aussprache sollen zusammengefaßt werden. Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Wisniewski.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 13 Millionen DM sind im laufenden Bundesetat für die Förderung graduierter Jungwissenschaftler und Jungwissenschaftlerinnen, die eine Promotion durchführen wollen, angesetzt. Zum Vergleich: Für das bekannte BAföG für Studenten und Schüler wurden 1981 2,4 Milliarden DM bereitgestellt. Man sollte also denken, daß ein solch verhältnismäßig geringer Betrag, wie er für die Graduiertenförderung aufgewendet wird, vor dem Rotstift bei den notwendigen Sparmaßnahmen verschont geblieben wäre. Aber nein, das ist nicht der Fall.
Gegen Ende des Sommers wurde die Öffentlichkeit durch Meldungen aufgeschreckt, daß diese Förderungsmaßnahme mit Ende 1981 überhaupt eingestellt werden sollte, und zwar auch für die, denen für 24 Monate, also über den 31. Dezember 1981 hinaus, finanzielle Unterstützung zugesagt worden war. Es gab erbitterte Proteste empörter Politiker, Hochschullehrer, der betroffenen Verbände, der Studierenden, vor allem aber auch von Ministern der an diesem Programm beteiligten Länder. Die CDU/ CSU-Bundestagsfraktion legte einen Gesetzentwurf vor, eben jenen, den Sie jetzt vor sich sehen. Dies alles führte wohl dazu, daß von der Regierung eine Auslauflösung in Aussicht gestellt wurde. Sie soll für 1982 10 Millionen DM betragen, für 1983 5 Millionen DM; aber dies soll ohne gesetzliche Grundlage geschehen, also lediglich als eine Art Good-Will-Aktion und gezwungenermaßen wegen rechtlicher Verpflichtungen, die eingegangen worden sind.
Dieser Vorgang stellt den bisherigen Höhepunkt oder, wenn man so will, Tiefpunkt einer erbärmlichen bildungspolitischen Bilanz dieser Regierung in diesem Bereich dar. Unter den Regierungen aus SPD und FDP sanken die Mittel für Graduiertenförderung von zunächst 60 Millionen DM auf 20 Millionen DM im Jahre 1979, dann auf 13 Millionen DM im Jahre 1981. Sie werden nach dem Willen dieser Regierung weiter sinken, und zwar auf 10 Millionen DM im Jahre 1982, auf 5 Millionen DM im Jahre 1983 und eben auf null DM im Jahre 1984.
Einen schweren Schlag erhielt das ursprünglich beliebte Stipendienprogramm durch die Umstellung auf Darlehen, die 1975 beschlossen und 1976 wirksam wurde. Seitdem nahm das Interesse an dieser Förderung rapide ab - verständlicherweise, denn welcher junge Mensch will sich schon mehr Schulden als unbedingt notwendig für seine Ausbildung aufbürden. Lieber geht man sofort nach Ende des Studiums in den Beruf. Meine Damen und Herren, darunter leidet die Wissenschaft, denn der Nachwuchs für die Universitäten und die anderen Forschungs- und Lehreinrichtungen kann nur gefunden werden, wenn einer genügend großen Zahl von Begabten und Interessierten die Möglichkeit gegeben wird, bis zur Promotion und - wenn möglich - noch darüber hinaus an den Hochschulen zu arbeiten und sich in ihren wissenschaftlichen und pädagogischen Fähigkeiten zu entfalten und auch zu erproben.
Die Bundesregierung hat diese Zusammenhänge entweder nicht erkannt, oder sie hat nicht auf die vielen hören wollen, die von den verschiedensten Seiten her immer wieder auf dieses Problem hingewiesen haben und hinweisen. Sie hat nichts gegen das
schwindende Interesse an die Graduiertenförderung getan, sie hat nicht versucht - wie es etwa der Gesetzentwurf der CDU/CSU-Bundestagsfraktion 1980 vorschlug -, das Stipendium wieder auf Zuschußbasis zu stellen. So kam es zu dem erwähnten Tiefpunkt, an dem wir jetzt angelangt sind.
Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft kämpfte, wie man weiß, in den vergangenen Monaten engagiert für den Erhalt der BAföG-Mittel in voller Höhe. Als hier Kürzungen von etwa 100 Millionen DM drohten, drohte er sogar mit seinem Rücktritt. Wieso eigentlich stritt er nicht mit gleichem Engagement für die Graduiertenförderung
({0}) mit ihren vergleichsweise geringen Kosten?
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Wieso sollte die Graduiertenförderung ganz gestrichen werden, obwohl ein Einspareffekt letztlich überhaupt nicht gegeben ist, denn es handelt sich um voll zurückzuzahlende Darlehen? Natürlich, die finanzielle Situation der Bundesrepublik Deutschland ist besorgniserregend; neben anderen Faktoren sind es sicher die überhöhten Kreditaufnahmen der Regierungen seit 1975, die zu steigenden Zinsen und - im Verbund damit - zum Niedergang unserer Wirtschaft führen. Sparmaßnahmen sind notwendig. Aber wie will diese Regierung es eigentlich rechtfertigen, daß sie einen wesentlichen Bestandteil der Ausbildungsförderung nicht nur kürzt - dafür hätte man Verständnis aufbringen können -, sondern ganz streicht bzw., wie es nun seit kurzem heißt, in den Jahren 1982/83 auslaufen läßt.
Neben dem BAföG für Studenten und Schüler und neben dem Heisenberg-Stipendium für habilitierte jüngere Wissenschaftler bildet die Graduiertenförderung sozusagen die dritte Säule eines ausgewogenen Förderungsprogramms. Mit diesem Förderungsprogramm tragen die Bundesregierung und die Bundesrepublik dazu bei, daß genügend qualifizierte Nachwuchskräfte für die verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen heranwachsen. Aus diesem Gesamtprogramm will die Regierung eine Komponente herausbrechen. Warum also kämpfte der Minister nicht für den Erhalt? Mag er das Gesetz nicht? Paßt es etwa nicht in die Gleichheitsideologie der SPD/FDP-Koalition, wenn jungen Menschen für eine besondere wissenschaftliche Leistung ein Titel, der Doktortitel verliehen wird? Steht hinter dem Schmude-Plan und der Auseinandersetzung um dieses Gesetz eine strukturelle Veränderung in unserem Bildungswesen? Soll der Doktortitel im wesentlichen nur noch eine Laufbahnbezeichnung für Hochschullehrer werden und nicht weiterhin allen zuerkannt werden, die wissenschaftliche Leistungen vollbringen? Soll Promotion nur noch für solche möglich werden, die das Einkommen dafür haben? Einen solchen Rückfall in das 19. Jahrhundert lehnt die CDU/CSU-Bundestagsfraktion entschieden ab.
({2})
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang abschließend einige grundsätzliche Bemerkungen zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
machen. Die Förderung von Wissenschaft und Wissenschaftlern gehört - ebenso wie die Förderung von Kunst und Künstlern - zu den vornehmsten Aufgaben eines demokratischen Gemeinwesens. Sie ist eine wahrhaft nationale Aufgabe; denn sie kann vom einzelnen nicht geleistet werden. Es ist aber der einzelne, der den Nutzen von Wissenschaft und Kunst letztlich hat.
Die meisten Familien sind überfordert, wenn sie es einem jungen Menschen ermöglichen sollen, daß er sich - das ist heute meist notwendig - bis zum Alter von 26, 28, ja 30 Jahren auf wissenschaftliche Arbeit konzentrieren kann, ohne seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten zu müssen. Wenn vom Bürger gefordert wird, daß er Verständnis für diese Zusammenhänge aufbringt, wenn gefordert wird, daß er die Notwendigkeit öffentlicher Ausgaben in diesem Bereich bejaht, wieviel mehr Verständnis muß dann von den Verantwortlichen in Regierung und Parlament erwartet werden! Es ist doch zu verlangen, daß Bildungspolitiker die Notlage des wissenschaftlichen Nachwuchses in der Bundesrepublik Deutschland kennen. Davon wird genug gesprochen! Doch was Herr Minister Engholm zu diesem Problem bisher verlauten ließ, zeigt keineswegs zureichende Sachkenntnis. Es ist nicht richtig, daß Mitarbeiter- und Assistentenstellen zur Promotionsförderung in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen - so anfangs der Kommentar des Ministers zu diesem Problem. Solche Stellen sollten in der Regel mit bereits Promovierten besetzt werden. Denn die Doppelbelastung aus Promotionsarbeit und Dienstleistung überfordert viele junge Wissenschaftler. So sind Stellenbesetzungen mit nicht promovierten Wissenschaftlern vielfach Notlösungen, die durch bessere Lösungen ersetzt werden müßten. Dazu, meine Damen und Herren, sind wir, die Politiker, aufgerufen.
Notlösungen dieser Art sind weder für die Promovierenden noch für die Dienstleistungen gut und richtig. Wie soll ein junger Wissenschaftler innerhalb von sechs Jahren seine Habilitation schaffen, wenn er sich zuvor noch zwei oder drei Jahre lang auf die Promotion konzentrieren muß? Das muß einerseits bedrohliche Niveauverluste und andererseits menschliche Katastrophen mit sich bringen. Wir dürfen nicht vergessen: Für jeden jungen Wissenschaftler droht nach sechs Jahren die Entlassung, es droht die Arbeitslosigkeit ohne Arbeitslosenunterstützung.
Wenn die sich abzeichnende Gefährdung der deutschen Wissenschaft durch Vernichtung des wissenschaftlichen Nachwuchses mittels unzulänglicher Gesetzgebung - das muß man leider feststellen - aufgehalten werden soll, dann tut sofortige Hilfe not.
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- Ich weiß genau, was ich sage. Ich kenne die Notlage aus eigener Erfahrung wirklich bestens.
Der von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vorgelegte Gesetzentwurf will wenigstens in einem BeFrau Dr. Wisniewski
reich, eben in den der Graduiertenförderung, erreichen, daß dieses Förderungsprogramm trotz seiner auf Grund der Darlehensstruktur bestehenden Mängel nicht ausläuft, sondern die derzeitige Regelung zunächst bis 1983 verlängert wird, und zwar so, daß auch neu hinzukommende junge Wissenschaftler die Darlehen in Anspruch nehmen können. Das ist zwar keine Ideallösung - das wissen wir auch -, aber wenn zum gegenwärtigen Zeitpunkt schon kein Geld vorhanden ist, um ein sinnvolleres Graduiertenförderungsprogramm zu finanzieren, dann sollten wenigstens Möglichkeiten, die bestehen, nicht beseitigt werden. Sollte es möglich sein - im Moment wider Erwarten -, zwischenzeitlich eine bessere Lösung zu realisieren, so wird die CDU/CSU-Fraktion ihre Vorschläge einbringen. Sie kann dazu auf ihren Gesetzentwurf von 1980 zurückgreifen. An die Fraktionen der SPD und FDP ergeht der Appell, sich den Mahnungen und Bitten vieler besorgter Wissenschaftler nicht zu verschließen und gemeinsam mit der CDU/CSU-Fraktion dieses Minimalprogramm zur Rettung des wissenschaftlichen Nachwuchses in der Bundesrepublik Deutschland zu verwirklichen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
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Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Kuhlwein.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der Opposition zielt darauf ab, auch in den beiden kommenden Jahren die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses nach dem Graduiertenförderungsgesetz fortzuführen und neue Stipendiaten aufzunehmen. Diese Initiative ist gut gemeint. Sie zeigt, daß in diesem Haus weitgehende Einigkeit darüber besteht, daß Bund und Länder weiterhin den wissenschaftlichen Nachwuchs an den Hochschulen fördern sollen. Ich werte den Gesetzentwurf auch als Zeichen konstruktiver Zusammenarbeit auf diesem schwierigen Feld auch unter veränderten ökonomischen Bedingungen.
Das Auslaufen der Finanzierungsregelung im Graduiertenförderungsgesetz Ende 1981, das übrigens, Frau Kollegin Dr. Wisniewski, keine neue Sparmaßnahme gewesen ist, sondern schon seit 1977 in dem vom Bundestag und vom Bundesrat beschlossenen Gesetz steht, hat zu einer Situation geführt, in der viele Stipendiaten befürchtet haben, ihr wissenschaftliches Vorhaben nicht beenden zu können. Deshalb hat sich der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft in den letzten Monaten vordringlich darum bemüht, die Weiterfinanzierung der laufenden Stipendien über den 31. Dezember 1981 hinaus zu sichern.
Darüber haben auch intensive Verhandlungen mit den Ländern stattgefunden. Im Ergebnis ist erreicht worden, daß der Bund für 1982 Mittel in Höhe von 10 Millionen DM und für 1983 in Höhe von 5 Millionen DM für die Auslauffinanzierung der bereits bewilligten Stipendien bereitstellt und daß die Länder die Komplementärmittel aufbringen. Obwohl das nach unserer Rechtsauffassung nicht erforderlich gewesen wäre, haben die Länder auf Initiative Bayerns eine förmliche Novellierung des Graduiertenförderungsgesetzes zur Sicherung der Auslauffinanzierung verlangt. Die Bundesregierung hat diesem Petitum zugestimmt. Nachdem sich die Haushälter aller Fraktionen bereits darüber geeinigt haben, betrachten wir die Auslauffinanzierung als gesichert.
({0})
Bei aller Anerkennung, meine Damen und Herren, des guten Willens, den die Opposition mit ihrer Initiative zeigt, wollen wir aber auch die Schwachpunkte ihres Vorhabens nicht verschweigen. Wenn in den beiden nächsten Jahren noch neue Stipendien nach dem Graduiertenförderungsgesetz vergeben werden sollen, reichen die im Haushaltsansatz 1982 und in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehenen Mittel weder beim Bund noch bei den Ländern aus. Viele Länder wären auch gar nicht mehr in der Lage, ihre Haushalte für 1982 zu korrigieren. Auch die Bereitschaft dazu schätze ich nicht sehr hoch ein. Schon aus Gründen der Ehrlichkeit gegenüber den Betroffenen muß man das hier ganz deutlich sagen.
({1})
Man kann ja wohl auch nicht einen ganzen Tag lang - wie gestern - über notwendige zusätzliche Einsparungen reden, um am nächsten Tag dann neue Ausgaben zu beschließen.
({2})
Ich glaube, wir haben eine ganze Menge damit erreicht, daß die Auslauffinanzierung sichergestellt ist. Ein weiterer Schritt wäre im Augenblick unrealistisch. Als Bildungspolitiker bedauern wir das, aber ich sehe keine Möglichkeit, das zu ändern.
Der Gesetzentwurf der Opposition würde außerdem die Probleme mit der Auslauffinanzierung zum Ende des Jahres 1983 wiederholen. Auch dann würde es nach Ihrem Entwurf wieder Stipendiaten geben, die ihre Regelförderungsdauer noch nicht erreicht hätten, und dann müßte man erneut eine Auslauffinanzierung sichern. Angesichts unserer aktuellen Erfahrungen mit einem Gesetz, das zwar die Aufbringung der Bundes- und Ländermittel regelt und befristet, aber nichts zu dieser Frage sagt, muß ich davor warnen, eine solche Regelung erneut in einem Gesetz zu beschließen.
Mindestens ebenso wichtig aber wie diese mehr formalen Bedenken erscheinen mir inhaltliche Einwände. Spätestens seit mit dem ersten Haushaltsstrukturgesetz die bis dahin geltende Zuschußregelung für die Graduiertenförderung in eine Darlehensregelung umgewandelt wurde, hat sich herausgestellt, daß das GFG seiner ursprünglichen Aufgabe nicht mehr voll gerecht wurde, die Besten in ausreichender Zahl zu fördern,
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und daß deshalb eine neue Regelung zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses gesucht werden müsse.
({4})
Wir wissen uns darin, Herr Kollege Pfeifer, mit den Wissenschaftsorganisationen, mit den Hochschulen und mit den Ländern einig.
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Alle haben betont, daß eine echte Neuregelung unter Beteiligung des Bundes notwendig und dringlich sei.
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Die klare sachliche Konzeption dafür, die in den Leitvorstellungen des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft im Juni 1979 vorgetragen worden ist,
({7}) konnte bisher politisch nicht umgesetzt werden.
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Hindernisse dafür sind vor allem die drängenden finanziellen Probleme, aber natürlich, Herr Kollege Pfeifer, auch die von Finanzpolitikern gerade in schwierigen Zeiten zu Recht immer wieder aufgeworfene Frage, wer eigentlich nach Geist und Inhalt des Grundgesetzes die Rechnung zu bezahlen hat.
So ganz abwegig ist ja die Überlegung nicht, daß die Nachwuchsförderung auch oder vielleicht sogar in erster Linie Aufgabe der Hochschulen und damit der Länder sein könnte.
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Wer sich, Herr Kollege Pfeifer, ständig darüber beklagt, der Bund beschließe soziale Wohltaten auf Kosten der Länder oder schaffe ständig neue Mischfinanzierungstatbestände, darf sich nicht wundern, wenn der Bund dann solche grundsätzliche Fragen aufwirft und manchmal auch Konsequenzen zieht.
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Viele Ihrer Freunde in den Ländern haben den Finanzpolitikern auch im Bund sehr häufig für solche Operationen die Argumente geliefert. Manchmal ist dann leider die Bildungspolitik Opfer solcher innerstaatlichen Positionskämpfe geworden.
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Das alles hält den Bundesminister für Bildung und Wissenschaft nicht davon ab, seine Vorstellungen von einer Nachwuchsförderung weiter zu verfolgen. Das Konzept würde dazu beitragen, nicht nur den wissenschaftlichen Nachwuchs für die Hochschulen, sondern auch wissenschaftliche Nachwuchskräfte für andere Berufszweige sicherzustellen. Wer den notwendigen politischen Druck im Bund und in den Ländern für eine solche Regelung erhalten will, sollte nicht mit einer Verlängerung des
alten GFG um zwei Jahre nur Scheinlösungen für das Problem anbieten.
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Wir wollen, Herr Kollege Pfeifer, nicht bis 1983 warten, sondern im nächsten Jahr die notwendigen politischen Entscheidungen angehen. Wir erhoffen uns Ihre Unterstützung sowohl hier im Hause als auch draußen in den Ländern.
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Meine Damen und Herren, nun hat die Opposition zur Finanzierung ihres Gesetzentwurfs weitere Abstriche beim BAföG vorgeschlagen, wobei ich mich ausdrücklich bei Frau Kollegin Dr. Wisniewski für das Lob bedanke, das sie dem Bundesminister für Bildung und Wissenschaft für seinen Einsatz in dieser Frage gezollt hat. Sie haben weitere Abstriche vorgeschlagen, und Sie spielen damit Schüler gegen Hochschulabsolventen aus. Dafür fehlt mir allerdings jedes soziale Verständnis.
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Sie wollen den einen den Weg über das Gymnasium in die Hochschule verschließen, um den anderen den Aufstieg auf den höchsten Gipfel komfortabler auszugestalten. Wir halten, Frau Kollegin, beides für erforderlich, beide Arten der Förderung mit ihrer jeweils besonderen Begründung.
Ein gegenseitiges Ausspielen von Schülern und Graduierten ist unerträglich, denn das wäre der Versuch, Probleme dadurch zu lösen, daß man betroffene Gruppen aufeinanderhetzt.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, bitte.
Bitte sehr, Frau Wisniewski.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, wer diesen Vorschlag des gegenseitigen Ausspielens gemacht hat? Ich darf hinzufügen: ich nicht.
Sie haben kritisiert, daß sich der Bundesbildungsminister nicht ähnlich engagiert für die Finanzierung einer Neuregelung zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses eingesetzt habe wie für BAföG.
({0})
Ich weiß aber aus Ihren Reihen - wir haben das schon einmal im Ausschuß erörtert - daß es durchaus immer wieder den einen oder anderen Hinweis gibt, man könnte doch beim Bundesausbildungsförderungsgesetz an der einen oder anderen Stelle, Herr Kollege Pfeifer, Einsparungen vornehmen und
damit z. B. Ihr Gesetz finanzieren. Sehe ich das richtig, Herr Kollege Pfeifer?
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- Er bestätigt das. Dann nehme ich ausdrücklich zurück, daß Sie das gesagt haben, Frau Kollegin.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, noch eine Zusatzfrage? - Bitte sehr.
Herr Staatssekretär, wissen Sie, daß die Arbeitsgruppe „Bildung und Forschung" und die Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion im Ausschuß der Meinung sind, daß bei den Modellversuchen soviel eingespart werden könnte, daß auch für diese Habilitierenden genügend Mittel zur Verfügung stünden?
Darauf werde ich gleich noch eingehen. Ich halte hier aber noch einmal fest - Herr Kollege Pfeifer hat mir das durch Kopfnicken bestätigt -, daß mindestens der Vorsitzende Ihres Arbeitskreises der Auffassung ist, man könnte die Finanzierung auch aus dem Bundesausbildungsförderungsgesetz nehmen.
({0})
- Sehen Sie. Ich hoffe, daß die Opposition über diesen Deckungsvorschlag des Kollegen Pfeifer auch unter dem Gesichtspunkt des von ihr in Hamburg neu entdeckten Dialogs mit der Jugend noch einmal nachdenkt. Das wäre ein trefflicher Dialog.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Pfeifer?
Bitte.
Herr Staatssekretär, da Sie das so ansprechen, möchte ich Sie folgendes fragen. Halten Sie es für in Ordnung, daß z. B. für Schüler, die sitzengeblieben sind, eine Klasse wiederholen müssen, pro Jahr bis zu 50 Millionen DM BAföG ausgegeben werden und Sie gleichzeitig sagen, Sie könnten kein Geld für junge, qualifizierte Wissenschaftler zur Verfügung stellen? Da stimmt doch Ihre Politik vorn und hinten nicht mehr.
({0})
Herr Kollege Pfeifer, wenn Sie einen ab und zu mal einen Gedanken zu Ende führen lassen würden, dann würden Sie die Antworten bekommen, bevor Sie die Fragen stellen müssen; aber Sie sind in dieser Diskussion so unruhig, daß Sie es gar nicht abwarten können, bis alle Argumente von mir dargestellt sind. Ich komme auf diese Frage sofort zu sprechen.
Wollen Sie wirklich dem Schüler, der vielleicht aus Krankheit oder wegen seiner häuslichen Verhältnisse vorübergehend und unverschuldet Leistungsschwächen zeigt, die Wiederholung seiner Klasse unmöglich machen? Wollen Sie den aussortieren, weil er diesen Schulbesuch nicht bezahlen kann, während derjenige, der sitzenbleibt und aus einem gut verdienenden Elternhaus stammt, die Möglichkeit erhält, sein Abitur zu machen? Wir hielten das für ungerecht und unsozial.
({0})
Herr Staatssekretär, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?
Bitte, gern.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß beispielsweise Fachoberschüler dadurch die Klassen 11 und 12 bis zu sechsmal durchlaufen können, daß sie einen Fachwechsel vollziehen, beispielsweise von der Wirtschaft in die Technik, von der Technik zur Sozialpädagogik, so daß auf diese Art und Weise tatsächlich nicht der Schwache, sondern jemand gefördert wird, der das System ausnützt?
Wenn Sie das hier so vortragen, dann werden Sie das genau berechnet haben. Es gibt vielleicht den einen oder anderen Fall, den Sie dafür heranziehen können, wie auch jeder seinen Arbeitslosen hat, der Schwarzarbeit macht. Das ist aber sicherlich nicht die Regel, und wir sollten auch nicht so vorgehen, daß wir solche Fälle immer für allgemeingültig erklären und danach dann politische Entscheidungen bemessen.
({0})
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?
Nach diesen vielen Zwischenfragen, die ich zugelassen habe, möchte ich jetzt gern fortfahren und auch zum Ende kommen, damit wir insgesamt in unserer Zeit bleiben können.
Im übrigen, Frau Kollegin Dr. Wisniewski, haben Sie darauf verwiesen, daß, da die Graduiertenförderung auf Darlehensbasis gezahlt wird, kein Einspareffekt erzielt würde.
({0})
Wir werden Sie an dieses Argument erinnern, wenn Sie vielleicht im nächsten Jahr wieder damit kommen, Haushalts- und Finanzierungsprobleme beim BAföG damit lösen zu wollen, daß Sie den Darlehensanteil beim BAföG für alle Studenten erhöhen.
({1})
Dann wissen Sie sehr wohl - sagen Sie das auch Ihren Kollegen im Bundesrat -, daß damit kurzfristig
keine Einspareffekte und deshalb auch keine Finanzierungsmöglichkeiten für andere Aufgaben zu erzielen sind.
({2})
Wer über das Graduiertenförderungsgesetz spricht, der sollte nicht verschweigen, daß diese Förderung nicht das einzige Instrument für die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ist. Deshalb ist auch die Behauptung, wir täten so wenig für den wissenschaftlichen Nachwuchs, aus der Luft gegriffen. Hauptinstrumente bleiben doch wohl bei der Förderung die Hochschulen selbst mit ihren Stellen, Hauptinstrument bleiben die vielen Drittmittel, die vor allem auch der Bund, etwa über die Deutsche Forschungsgemeinschaft, den Hochschulen zur Verfügung stellt. Damit draußen kein falscher Eindruck entsteht, möchte ich hier gern beispielhaft einige Leistungen nennen, für die der Bundesbildungsminister zuständig ist. Von den bewilligten Beträgen im Normalverfahren der Deutschen Forschungsgemeinschaft sind im Jahre 1980 48 % für die Bezahlung wissenschaftlicher Mitarbeiter, weitere 6 % für studentische Hilfskräfte und weitere 5 % für Stipendien an junge Wissenschaftler ausgegeben worden. Der Bund hat dafür 1980 147 Millionen DM ausgegeben. Auch in den Sonderforschungsbereichen wird etwa die Hälfte der Förderungsbeträge für Beschäftigung und damit zugleich für die Förderung von Nachwuchskräften ausgegeben. Das sind weitere 126 Millionen DM. Der Bund bringt davon drei Viertel auf. Zusammen mit dem Bundesanteil für das Heisenberg-Programm ergibt sich damit für 1980 ein Beitrag des Bundes an der direkten und indirekten Nachwuchsförderung über die Forschungsgemeinschaft von rund 245 Millionen DM, und dieser Betrag soll bis 1982 auf rund 270 Millionen DM gesteigert werden.
Für die Promotionsförderung der Begabtenförderungswerke sieht der Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 1982 12 Millionen DM vor. Im Rahmen der Bewirtschaftung 1981 mußten wir in diesem Bereich Mittel sperren. Wir bedauern das. Wir haben aber andererseits die Deutsche Forschungsgemeinschaft und damit deren Nachwuchsförderung von Sperren frei halten können.
Was schließlich auch nicht vergessen werden sollte - Frau Kollegin Dr. Wisniewski, jetzt komme ich auf Ihren Einwand -, ist die Nachwuchsförderung durch unsere Modellversuche und durch die dazugehörige Begleitforschung. Wenn Sie die Modellversuche wieder einmal schlachten wollen, um damit Ihre besonderen Lieblingskinder zu päppeln, dann sollten Sie auch diesen Zusammenhang berücksichtigen. Wer immer den angeblichen wissenschaftlichen Rückstand gegenüber anderen Industrieländern beklagt, der sollte nicht mutwillig das Instrumentarium zerschlagen, das in der Bundesrepublik zur Forschungsförderung entwickelt worden ist.
({3})
Alles in allem sind es Beträge in der Größenordnung von 300 Millionen DM, die allein aus dem
Haushalt des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft mehr oder weniger direkt in die Förderung von Nachwuchswissenschaftlern fließen. Wenn Sie noch andere Ressorts hinzunehmen wollen, dann sei erinnert an die Max-Planck-Gesellschaft, an Forschungseinrichtungen wie die Institute der Blauen Liste, an die Großforschungseinrichtungen, die Ressortforschung und die großen Forschungs-und Entwicklungsprogramme der Bundesregierung. Der Bund fördert über die gesamte Breite der wissenschaftlichen Fächer mit einem Mehrfachen des von mir genannten Betrages junge Wissenschaftler in allen Bereichen der Forschung.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die Deutsche Forschungsgemeinschaft nicht Promotionsstipendien vergibt und daß alle Förderungsmöglichkeiten, die Sie hier ansprechen, nur indirekte Förderungsmöglichkeiten sind, daß sie Mitarbeit an Projekten beinhalten, die eben nicht - und das ist der wichtige Punkt daran - zur Promotion vorgelegt werden können?
Das ist mir bekannt. Aber das ist hier nicht die entscheidende Frage. Es geht uns generell um die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Ich habe in dem Zusammenhang auch die Aufgabe der Hochschulen genannt, Stellen zur Verfügung zu stellen.
({0})
Aus dieser Aufgabe können wir auch die Länder nicht entlassen.
Gestatten Sie noch eine Zusatzfrage?
Ich möchte jetzt wirklich zum Ende kommen. Ich bin sehr großzügig gewesen.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, das gilt also bis zum Ende Ihrer Ausführungen?
Ja.
Wenn Sie noch andere Ressorts hinzunehmen - ich habe das eben schon genannt -, Max-PlanckGesellschaft, Großforschungseinrichtungen, Ressortforschung, die Forschungs- und Entwicklungsprogramme der Bundesregierung, dann kommen Sie auf noch sehr viel größere Zahlen. Für die Zahlen, die ich hier genannt habe, haben wir ausdrücklich das ausgerechnet, was für die Förderung wissenschaftlichen Nachwuchses gezahlt wird. Wir haben hier auch gerade in diesen schwierigen Zeiten einen finanziell deutlich erkennbaren Schwerpunkt gesetzt.
Wir brauchen auch den internationalen Vergleich nicht zu scheuen, wenn man z. B. berücksichtigt, daß
gegenwärtig in den USA oder auch in Großbritannien im Zuge der Sparpolitik gerade die Forschungsetats und die Ausgaben für die Hochschulen kräftig zusammengestrichen werden. Also auch der Blick nach draußen unterstützt Ihre These nicht, wir stünden international besonders ungünstig da.
Noch ein paar Zahlen gegen Ihre Schwarzmalerei. Nach den neuesten Erhebungen des Wissenschaftsrates gibt es 1981 an den staatlichen Hochschulen 35 000 Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter. Dazu kommen etwa weitere 12 000 junge Wissenschaftler an Hochschulen, die an aus Drittmitteln bezahlten Forschungsprojekten arbeiten, davon etwa die Hälfte von der DFG finanziert. Ein Teil dieser Beschäftigungsverhältnisse wird von Nachwuchskräften besetzt, die eine Promotion anstreben. Ein bedeutender weiterer Teil dient der Beschäftigung von bereits Promovierten und damit auch deren weiterer wissenschaftlicher Qualifizierung, d. h. also einer Förderung auch über die Promotion hinaus. Verglichen mit den knapp 2 000 Graduierten, die gegenwärtig nach dem GFG gefördert werden, haben diese Bereiche zweifellos eine sehr viel größere Bedeutung. Ich sage das nur, damit nach diesem Generalangriff, den wir hier gehört haben, die Dimensionen wieder zurechtgerückt werden.
Ich habe eingangs gesagt, Ihr Gesetzentwurf sei gut gemeint, und ich halte auch daran fest. Ich möchte auch ausdrücklich darauf verzichten, Ihnen Showabsichten zu unterstellen. Aber ich halte den Gesetzentwurf für finanzpolitisch nicht fundiert, gesetzestechnisch problematisch und für wenig sachdienlich, wenn Sie wirklich mit dem Bundesbildungsminister ein neues Konzept für die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses in die politische Tat umsetzen wollen. Die Bundesregierung kann Ihrem Entwurf deshalb nicht zustimmen.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Thüsing.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Ihnen zusammen Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU-Fraktion, halten wir die Lage und die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses für unbefriedigend. Tatsächlich brauchen wir bessere Instrumente, die auf der Basis des bisherigen Graduiertenförderungsgesetzes aufbauen.
Es geht deshalb gar nicht darum, Frau Kollegin Wisniewski, daß hier etwa ein Instrument ganz gestrichen werden soll. Es wird darum gehen, dieses Instrument zu verbessern. Wir bedauern mit Ihnen, daß die Verbesserung dieses Instruments bisher nicht gelungen ist. Wir werden gemeinsam mit Ihnen versuchen, an der Verbesserung der Graduiertenförderung zu arbeiten.
Es gibt keine Berechtigung, Frau Wisniewski, für den Verdacht der Ideologie, den Sie ausgesprochen haben, wir hätten etwas gegen den Doktorgrad und gegen Graduierung. Belehrungen über die Zustände im 19. Jahrhundert brauchen wir Sozialdemokraten auch nicht.
Ich betone noch einmal, daß für uns nach wie vor die Leitlinien gültig sind, die schon vom damaligen Bundesminister für Bildung und Wissenschaft im Mai 1979 vorgelegt wurden, ebenso die Erläuterungen vom Juli 1979: Leitvorstellungen für die künftige Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses.
Ich halte die fünf wichtigen Punkte fest, damit Klarheit über unsere Konzeption besteht.
Erstens wurde damals gesagt, daß es natürlich auch, aber nicht nur um die Promotionsförderung, sondern ebenso um die Förderung vergleichbarer wissenschaftlicher Arbeiten geht, also auch um Förderung nach der Promotion. Es ist eine Binsenwahrheit, daß gerade nach der Promotion die für die Forschung fruchtbarste Zeit junger Wissenschaftler ist.
Zweitens. Wir möchten Stipendien auch als Anschlußstipendien nach einer Berufstätigkeit vergeben.
Drittens wird in den Leitvorstellungen gesagt, daß in Einzelfällen Stipendien für Nachwuchskräfte mit Berufserfahrung aus wissenschaftlicher Tätigkeit auch außerhalb der Hochschulen gewährt werden sollen.
Viertens. In Sonderfällen sollen Stipendien im Anschluß an den Studienabschluß vergeben werden, ohne daß dies zu einer Promotion führen muß.
Der fünfte wichtige Punkt: Es wurde von der Möglichkeit gesprochen, Sach- und Reisekosten im Zusammenhang mit einer Promotionsarbeit zu übernehmen. Denn oft scheitert ein wissenschaftliches Vorhaben an der banalen Schwierigkeit, daß ein Archiv oder eine andere Forschungseinrichtung nicht oder nur zu kurz aufgesucht werden können.
Das sind die nach wie vor gültigen Leitvorstellungen, die damals von allen, die sich mit dem Thema beschäftigt haben, begrüßt wurden, auch von Ihnen. Wir werden versuchen, auf der Basis dieser Leitvorstellungen zu vernünftigen Lösungen zu kommen.
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Tatsächlich muß man kritisch anmerken, daß Zukunftsinvestitionen immer weniger als Investitionen in den Bildungsbereich hinein gesehen werden. Wir haben, wie Sie wissen, auch im neuen Haushalt Zukunftsinvestitionen eingesetzt, beispielsweise für Mikroelektronik, für Verkehr, für Energie, auch für Krisenbranchen wie Stahl. Aber das öffentliche Bewußtsein, auch das Bewußtsein in den Parteien, bis hinein in die Fraktion des Bundestages, daß Investitionen, verstärkte Investitionen auch in den Bildungsbereich hinein für uns wichtig, überlebenswichtig sind, ist vielen abhanden gekommen. Lassen Sie uns deshalb als diejenigen, die sich hier im Bundestag zentral mit dieser Frage beschäftigen, gemeinsam dafür streiten, dieses Bewußtsein wieder zu stärken.
({1})
Auch aus diesem Grund ist der von Ihnen erhobene Verdacht, Frau Wisniewski, unbegründet.
Wissenschaftlicher Nachwuchs wird nicht nur in Forschungseinrichtungen und Hochschulen benö3796
tigt, sondern in allen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft, in denen es um die Lösung von augenblicklichen und Zukunftsproblemen geht.
Sie von der CDU/CSU haben in Ihrem Antrag selber auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die einer befriedigenden Lösung im Augenblick entgegenstehen, wenn Sie sagen, die Zeit sei für eine umfassende Lösung der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses noch nicht reif - das meinen wir auch -, und befriedigende Lösungen stießen zum jetzigen Zeitpunkt auf Haushalts- und Finanzschwierigkeiten. Auch aus diesem Grunde - das soll hier gesagt werden - haben die Vertreter der CDU/ CSU im Bundesrat der gesetzlichen Regelung der Auslauffinanzierung ja zugestimmt, einer Regelung also, die sicherstellt, daß die jetzt geförderten Studenten - das sind rund 3 500 - in den nächsten beiden Jahren weiter gefördert werden.
Wie Sie wissen, werden in der letzten Zeit zunehmend Vorstellungen vorgetragen - auch Ihr Antrag ist von diesem Geist nicht ganz frei -, nach denen es wesentlich darauf ankomme, eine wissenschaftliche Elite zu fördern. Wir meinen, daß das nicht der richtige Weg ist. Wir meinen, daß die Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur Förderung besonders Befähigter zwar ein Punkt eines Kataloges sein müssen, aber nicht ausreichen. Wir wenden uns deshalb gegen einen problematischen Elitebegriff. Es kommt nicht nur auf die Elite an, sondern es kommt darauf an, eine breite Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses zu ermöglichen. Da geschieht natürlich weiterhin einiges, und zwar nicht nur in den nächsten beiden Jahren; nicht nur werden die jetzigen Stipendiaten weiter gefördert, sondern darüber hinaus gibt es eine Fülle von anderen Förderungsmöglichkeiten. Der Parlamentarische Staatssekretär hat in seiner Rede darauf hingewiesen.
Die jetzt auslaufende Regelung hat- auch darauf soll an dieser Stelle einmal verwiesen werden - tatsächlich segensreich gewirkt. Immerhin wurden in den Jahren von 1971 bis heute über 40 000 Nachwuchswissenschaftler gefördert. Über 40 000! Das ist sicherlich eine gute Bilanz, eine Bilanz, die uns allen Verpflichtung sein sollte, gemeinsam für noch bessere Strukturen der Förderung zu sorgen.
Deshalb will ich abschließend feststellen: Eine Neuregelung des Graduiertenförderungsgesetzes kann, wie Sie selbst zugegeben haben, so rasch nicht vorgelegt werden. Der zuständige Ausschuß für Bildung und Wissenschaft wird sich mit dem Problem beschäftigen und auch Ihren Antrag ernsthaft beraten. Es darf nicht so getan werden - das darf auch nicht das Ergebnis dieser Debatte sein -, als machte man sich über die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses keine Gedanken. Im Gegenteil: Wir alle sind aufgerufen, dieses Problem, die Schwierigkeiten zu sehen; in der Öffentlichkeit und auch im Parlament klarzumachen, daß die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses eine wesentliche Zukunftsinvestition ist, und dafür zu sorgen, daß wir die notwendige Unterstützung von allen Seiten, der interessierten Öffentlichkeit und dieses Hauses bekommen. - Herzlichen Dank.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Engel.
Herr Präsident! Meine Herren! Meine Damen! Der Gesetzentwurf der CDU/ CSU-Fraktion besitzt durchaus unsere Sympathie, was seine Motivation betrifft. Das stelle ich ausdrücklich an den Beginn meiner Bemerkungen; denn gerade in der augenblicklichen Situation erscheint es mir wichtig, vorhandene Gemeinsamkeiten aufzuzeigen, besonders wenn es um Fragen geht, die die junge Generation und unsere Bemühungen um ihre Zukunftsbewältigung betreffen.
Es waren j a Zweifel darüber aufgekommen - von einigen Ländern sind sie sogar mit verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten begründet worden -, ob der Bund wegen der klaren Befristung der Finanzierung des gegenwärtigen Graduiertenförderungsgesetzes auf den 31. Dezember 1981 von diesem Zeitpunkt ab überhaupt noch zahlen dürfe. Die Unruhe unter den Geförderten war also durchaus berechtigt; Sie haben darauf hingewiesen, Frau Kollegin Dr. Wisniewski, und wir stimmen ganz mit Ihnen darüber überein: Es muß sichergestellt sein, daß diejenigen, die in der Förderung sind, ihre wissenschaftlichen Arbeiten noch mit der bisherigen finanziellen Unterstützung zu Ende führen können.
Für die inzwischen erzielte Einigung zwischen Bund und Ländern auf eine gemeinsame Auslauffinanzierung sind in dem gestern verabschiedeten Haushaltsstrukturgesetz die Weichen gestellt worden. Auch bei den Ländern sind die entsprechenden haushaltsmäßigen Vorkehrungen getroffen. Allerdings werden, wie ich hörte, einige Länder, wenn auch in geringem Umfang, die ihnen für 1981 zur Verfügung gestellten Mittel nicht voll in Anspruch nehmen, weil sie die Belastung durch neue Stipendien in ihren Haushalten für die Jahre 1982 und 1983 nicht mehr gedeckt sehen.
Der unbefangene Betrachter kann diese Unbeweglichkeit von zwölf Staatshaushalten im Verhältnis untereinander nur mit kritischem Bedauern zur Kenntnis nehmen; erlauben Sie mir diese persönliche Anmerkung. Aber das ändert nichts am Sachverhalt. Jedenfalls erscheint es nunmehr wenig sinnvoll, zu dieser Auslauffinanzierung zusätzlich ein weiteres, nur geringfügig verbessertes Gesetz zu verabschieden, das, wenn ich richtig sehe, von keiner Fraktion als befriedigende und umfassende Neuregelung akzeptiert wird, auch nicht von der CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Wir sollten uns nun vielmehr gemeinsam darauf konzentrieren, auf der Grundlage der vorliegenden Erfahrungen mit dem bisherigen Gesetz eine neue Konzeption der Nachwuchsförderung in allernächster Zeit zustande zu bringen, jedenfalls vor Ablauf der zwei Jahre, für die - wenn der CDU/CSU-Gesetzentwurf in Kraft treten würde - dieser uns allenfalls ein oberflächlich ruhiges Gewissen bringen könnte.
({1})
Im Grundsatz stimmen wir überein, daß ein ersatzloses Auslaufen auf Dauer im System der FördeFrau Dr. Engel
rung des wissenschaftlichen Nachwuchses eine sehr gravierende Lücke aufreißen würde. Aufgabe des Bundes und damit eines neuen Graduiertenförderungsgesetzes kann es aber nicht sein, die Aufgaben der Länder, der Hochschulen und der Forschungseinrichtungen in diesem Bereich ersetzen zu wollen. Die bestehende Pluralität an Förderungsmöglichkeiten muß erhalten bleiben. Die Neuregelung soll eben nicht in der simplen Wiederbelebung des Graduiertenförderungsgesetzes jetziger Art mit all seinen Problemen bestehen, sondern muß so ausgestaltet werden, daß damit tatsächlich besonders qualifizierte junge Wissenschaftler für die Forschung erhalten oder gewonnen werden können. Die Förderungsbedingungen müssen mit Sicherheit attraktiver werden.
Die 1975 durch das erste Haushaltsstrukturgesetz vorgenommene Umstellung der Graduiertenförderung auf die Volldarlehensregelung hat sich eindeutig nicht bewährt.
({2})
Sie haben das sehr eindrucksvoll dargestellt, Frau Kollegin Dr. Wisniewski.
Die Rückkehr zu einer angemessenen Zuschußförderung ist daher notwendig, da es in unser aller Interesse sein muß, qualifizierte Leute, die sonst abwandern würden, an den Hochschulen und für die Forschung zu halten. Wir sind der Meinung, daß die vom Bundesminister für Bildung und Wissenschaft entwickelten Leitvorstellungen Grundlage eines neuen Konzepts zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses sein sollten. Sie haben beispielsweise im Wissenschaftsrat, in der Kultusministerkonferenz und in der Westdeutschen Rektorenkonferenz grundsätzlich eine breite Zustimmung gefunden.
Auch wenn wir den jetzt vorgelegten Gesetzentwurf in den Ausschußberatungen aus den genannten Gründen wohl ablehnen werden, wiederhole ich ausdrücklich, daß in der allgemeinen Zielsetzung durchaus ein Konsens besteht. Die Förderung des begabten wissenschaftlichen Nachwuchses ist für uns eine sehr wesentliche staatliche Aufgabe mit einem hohen Stellenwert. Wir können nicht oft genug darauf aufmerksam machen, daß es sich hier nicht um eine Sache der Wohltätigkeit oder um Luxus handelt, sondern um eine Zukunftsvorsorge allerersten Ranges!
Die Ermöglichung freier wissenschaftlicher Betätigung in der besonders kreativen Phase nach der Beendigung des Studiums ist nicht nur für den einzelnen Wissenschaftler eine Chance, seine durch das Studium erworbenen intellektuellen Kapazitäten einzusetzen und weiterzuentwickeln, sondern auch ein Beitrag für die Erhaltung und ständige Weiterentwicklung des wissenschaftlichen Leistungsniveaus unserer Gesellschaft und damit auch unserer Wettbewerbsfähigkeit im weltweiten Wettstreit von Wissenschaft und Forschung und - nicht zu vergessen - auch im Bereich der Wirtschaft. Auch in Zeiten des knappen Geldes müssen wir auf diese Herausforderung eine positive Antwort finden. Vielleicht sollten wir uns in diesem Zusammenhang
auch klarmachen, daß die Stipendien für junge Wissenschaftler, um die es hier geht, dem Staat nicht mehr Kosten verursachen als im Durchschnitt ein Arbeitsloser.
Was der Kollege Grüner vor zehn Jahren bei der Einbringung des Graduiertenförderungsgesetzes gesagt hat, gilt heute unvermindert fort:
Investitionen auf dem Gebiete der Bildung und Ausbildung, der Forschung und der Wissenschaft sind zugleich gesellschaftspolitische und wirtschaftspolitische Investitionen ...
In derselben Debatte versicherten Sie, Herr Kollege Pfeifer, die Opposition würde immer bereit sein, den Bereich der Bildungspolitik und der Hochschulpolitik „aus den großen Kontroversen in diesem Hause herauszuhalten". Frau Kollegin Wisniewski hat heute auch ein schönes Beispiel dafür gegeben.
Daß das in den letzten Jahren immer gelungen ist, ist aber sicher zu bezweifeln. Das Bild, das generell von der Opposition über die Anstrengungen des Staates, auch des Bundes, für den wissenschaftlichen Nachwuchs gezeichnet wird, ist grau in grau, um nicht zu sagen: schwarz in schwarz.
({3})
Erlauben Sie mir dazu eine kurze Bemerkung. Ich glaube, es nützt niemandem, wenn Sie die Leistungen des Staates wider besseres Wissen übergehen oder verächtlich machen und nur an das Selbstmitleid der Betroffenen appellieren.
({4})
Damit helfen Sie der jungen Generation nicht - nicht einmal der Opposition. Denn die so viel zitierte Staatsverdrossenheit wird gerade dadurch mit provoziert, und sie trifft letzten Endes alle demokratischen Parteien.
({5})
Es geschieht eine Menge, auch für den wissenschaftlichen Nachwuchs, auch nach Auslaufen des Graduiertenförderungsgesetzes. Institutionen wie die Studienstiftung, die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Großforschungseinrichtungen sowie die Max-Planck-Gesellschaft, bekommen ihre finanziellen Mittel ja nicht aus irgendwelchen Kanälen, sondern ganz überwiegend aus den staatlichen Haushalten. Diese Leistungen bleiben. Das sollten wir nicht nur feststellen, sondern auch anerkennen.
Das heißt allerdings nicht, daß wir uns damit zufriedengeben. Denn - und da werden wir wieder Übereinstimmung finden - für die kommenden Jahre ist das, was bisher vorgesehen ist, nicht genug. Darum hoffe ich nochmals, daß wir in den nächsten Monaten gemeinsam eine für längere Zeit tragfähige neue Konzeption für die Graduiertenförderung finden, wohl wissend, daß dies seine Bedeutung nicht lediglich im Quantitativen hat, sondern viel mehr darin, neue Formen der Nachwuchsförderung zu finden.
Zum Schluß noch eine grundsätzliche Bemerkung, meine Herren und Damen. Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, auch unter erschwerten finanzwirtschaftlichen Bedingungen, muß auch dazu beitragen, die Berufschancen der wachsenden Zahl junger Wissenschaftler zu verbessern. Die gegenwärtige Arbeitsmarktsituation und die wirtschaftspolitische Perspektive für dieses Jahrzehnt machen deutlich, daß der Grundsatz der Solidarität zwischen den Generationen und zwischen denen, die Arbeit haben, und denen, die Arbeit suchen, gestärkt werden muß.
({6})
Das vorliegende Thema sollte ein kleiner, aber nicht unwesentlicher Beitrag hierzu sein. - Ich danke Ihnen.
({7})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf zur federführenden Beratung an den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft und zur Mitberatung an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Ist das Haus mit den vorgeschlagenen Beratungen einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr ({0}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Straßenbaubericht 1980
- Drucksachen 9/812, 9/939 - Berichterstatter: Abgeordneter Milz
Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist für die Aussprache eine Redezeit von 90 Minuten vereinbart worden. Ist das Haus damit einverstanden?
- Damit ist diese Redezeitbegrenzung beschlossen.
Wird das Wort vom Berichterstatter gewünscht?
- Berichterstattung und Aussprache?
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Milz.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Bevor ich für die Unionsfraktion zur Problematik des Straßenbaus in der Bundesrepublik Deutschland einige Bemerkungen mache, halte ich als Berichterstatter für sinnvoll, uns alle auf eine Neuerung aufmerksam zu machen. In früheren Jahren wurde dieser Straßenbaubericht ausschließlich im Verkehrsausschuß beraten und zur Kenntnis genommen. Nach der neuen Geschäftsordnung muß dieser Bericht wie alle anderen Berichte in das Plenum des Deutschen Bundestages, um dort besprochen und zur Kenntnis genommen zu werden. Meine Damen und Herren, als Berichterstatter verweise ich, wie der Präsident dies schon getan hat, einmal auf den Bericht in der Drucksache 812 und
zum anderen auf das Ergebnis der Beratung des Ausschusses in der Drucksache 939.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich nun für die Unionsfraktion zur Problematik des Straßenbaus ein paar Bemerkungen machen. Straßenbau ist - wie dies auch bei jedem anderen Aufgabengebiet in jedem anderen Ressort der Fall ist - eng verknüpft mit der Persönlichkeit des Ministers, mit der Politik, die dieser Minister vorgibt, mit der Politik, die dieser Minister zu verantworten hat. Deshalb ist es notwendig, sich zunächst einmal mit der Politik des Ministers auseinanderzusetzen und den Versuch zu machen, an der Politik dieses Ministers - insbesondere dort, wo sie falsch ist - deutlich zu machen, weshalb es unserer Auffassung nach in ganz bestimmten Bereichen zu völlig unbefriedigenden Entwicklungen gekommen ist.
({0})
Dabei, meine Damen und Herren, kann ich nicht darauf verzichten, auf eine gewisse Kontinuität im Bereich der Verkehrspolitik der Sozialdemokraten aufmerksam zu machen. Denn wenn Sie die Verkehrspolitik der Sozialdemokraten seit 1969 einmal kritisch beleuchten, werden Sie feststellen, daß es auf keinem Gebiet der Politik so viele Bocksprünge gibt, wie es in der Verkehrspolitik der Fall ist.
(Beifall bei der CDU/CSU - Tillmann
({1})
Meine Damen und Herren, wir haben einmal einen Verkehrsminister Leber gehabt, der die staunende deutsche Öffentlichkeit mit der Feststellung überraschte: In 15 Jahren wird niemand weiter als 10 km von der nächsten Autobahn entfernt wohnen.
- Damals schon hat die Unionsfraktion gesagt: Solche Ziele kann man sich nicht setzen, sie sind unrealistisch.
Kurze Zeit danach - nachdem Herr Leber diese Aufgabe nicht mehr wahrnahm - haben wir andere Verkehrminister gehabt, die erklärten: Der Straßenbau ist überhaupt nicht so wichtig; wir müssen jetzt in erster Linie der Bundesbahn den Vorrang geben.
Nun, meine Damen und Herren, haben wir einen Verkehrsminister, der gar erklärt, das Straßennetz in der Bundesrepublik Deutschland habe den Status des Jahres 2000 schon erreicht.
({2})
- Ich will gleich darauf zu sprechen kommen.
Meine Damen und Herren, wenn ein privates Unternehmen durch den Firmenleiter in so relativ kurzer Zeit von einem Wechselbad ins andere getrieben würde, wie es bei der Verkehrspolitik geschehen ist, hätte dieses private Unternehmen - wie viele Unternehmen in der Straßenbauwirtschaft aus anderen Gründen, nämlich wegen der falschen Verkehrspolitik - schon längst die Tore dichtmachen müssen.
({3})
Sehen Sie, meine Damen und Herren, wir wissen ja, daß Sozialdemokraten zumindest in einem Punkt beim Umgang mit großen Zahlen geradezu meisterlich sind: wenn sie Zukunftsperspektiven aufzeigen, wenn sie Zahlen aufzeigen, die man am Ende nicht in Mark und Pfennig ausrechnen kann. Das gelingt ihnen meisterlich. Dort aber wo es darum geht, etwas am Ende auch in Mark und Pfennig darzustellen, erleben wir - das hat die gestrige Diskussion gezeigt -, wie Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklaffen.
Meine Damen und Herren, zum „Netz 2000". Der Minister, der j a gerne draußen - ich werde das an anderen Stellen deutlich machen - verkündet, wie gut er die Verkehrspolitik beherrscht, nimmt offenbar gar nicht zur Kenntnis, daß wir die geburtenstarken Jahrgänge haben. Sie drängen nicht nur in die Berufe. Ihnen kann es gar nicht schnell genug gehen, auch den Führerschein zu machen. Noch bevor sie 18 Jahre alt sind, drängen sie in die Fahrschulen. Herr Minister, glauben Sie etwa, daß diese jungen Leute den Führerschein machen, um sich anschließend in einem Omnibus zu setzen oder sich anschließend mit der Bahn transportieren zu lassen? Diese jungen Leute werden, ob Sie das wollen oder nicht, auch danach drängen, einen eigenen Wagen zu haben und mit dem eigenen Wagen zu fahren. Dazu sind Straßen notwendig. Deshalb hat dieses Netz nicht den Status des Jahres 2000.
Die Unionsfraktion weiß, daß man nicht „auf Deubel komm' raus" Straßen bauen kann. Wir wissen auch, daß man sich im Straßenbau nach den Möglichkeiten richten muß, die der Haushalt hergibt. Er gibt - auch im Straßenbau - zur Zeit weiß Gott wenig her. Wir sind die letzten, die sagen, da müsse der Straßenbau eine Ausnahme machen.
Aber - damit komme ich wieder zum Minister - wenn dieser gleiche Minister ohne Not von dieser Stelle erklärt, sollte es irgendwann einmal Bemühungen geben, der Wirtschaft zu helfen, eigne sich der Straßenbau überhaupt nicht für staatliche Investition, dann zeugt das schlicht und ergreifend von einem nicht mehr zu überbietenden Unwissen.
({4})
Das ganz einfach deshalb, weil kein Wirtschaftszweig mehr von öffentlichen Aufträgen abhängig ist - ob von Gemeinden, ob von Ländern oder vom Bund - als der Straßenbau. Wer baut denn die Straßen sonst?
Im übrigen - das sage ich einmal mit dem Versuch, es kaufmännisch zu sehen -: wenn ein Minister, der ja weiß, daß er mit seinem Finanzministerkollegen in harte Auseinandersetzungen gehen muß, um für seinen Haushalt etwas herauszuholen, noch bevor die Prozedur überhaupt losgeht, einen wichtigen Trumpf aus der Hand gibt, ist das alles andere als ein sinnvolles kaufmännisches Verhalten und ein weiterer Beweis dafür, daß die Dinge nicht so gesehen werden, wie man sie sehen muß.
({5})
Lassen Sie mich ein paar Bemerkungen zu Grundsatzfragen machen, wie wir sie im Zusammenhang mit dem Bau von Straßen sehen. Wir wissen sehr genau, daß unser Land vom Straßenbau allein nicht leben kann, wir wissen aber ebenso, daß es auch heute in unserer Republik weite Gebiete gibt, die auf die Straßen angewiesen sind. Diese Gebiete können wir nicht entwickeln, wenn wir nicht vernünftige Straßen dorthin bauen,
({6})
zumal justament in den Gebieten nach der Konzeption des Ministers nicht nur keine Straßen gebaut werden, sondern sich auch noch die Bundesbahn zurückzieht. Wovon sollen denn die Leute in diesen Bereichen leben? Wir sind nicht dafür, daß sie zu Ausstellungsstücken werden.
Ein Wort zur Sprunghaftigkeit der Verkehrspolitik. Ich fuhr dieser Tage mit einem Kollegen durch meinen Wahlkreis. Wir fuhren an einer Brücke vorbei, und mein Mitfahrer fragte mich: Was ist das eigentlich für eine Brücke? Ich sagte ihm darauf, das sei eine „So-da-Brücke". Er konnte das natürlich nicht verstehen und glaubte, es handle sich um Politikerdeutsch, und Politikerdeutsch ist leider Gottes nicht immer verständlich. Ich habe versucht, ihm zu erklären, was das sei. Ich habe gesagt: „Die Brücke steht nur so da." Hier füge ich hinzu, meine Damen und Herren, wenn Herr Minister Hauff nicht aufpaßt, wird er zum „So-da-Minister", dann ist er am Ende nur noch „so da", ohne daß er irgendeine besondere Aufgabe hat.
({7})
Der Bericht, den uns der Minister vorgelegt hat, beschäftigt sich u. a. mit einem wichtigen Punkt der Verkehrspolitik. Der Minister hat nämlich wie sein Vorgänger erklärt, der Bürger müsse mehr als bisher an der Straßenplanung beteiligt werden. Damit hier kein Mißverständnis aufkommt: Auch wir sind der Meinung, daß es notwendig ist, den Bürger so früh wie möglich über die Absichten der Straßenplaner zu informieren; auch wir sind der Meinung, daß man dem Bürger Gelegenheit geben muß, die Vorhaben der Straßenbauplaner nicht erst zur Kenntnis zu nehmen, wenn die Pläne fertig sind. Darüber gibt es keinen Streit zwischen uns.
({8})
Nur: Meine Damen und Herren, in dem Augenblick, in dem man das Votum einer noch so ernstgemeinten Bürgerinitiative an die Stelle der Entscheidung eines Gemeinderates setzt, sind wir nicht bereit, dies mitzumachen.
({9})
Am Ende muß der Stadtrat oder der Gemeinderat die Entscheidung treffen, was in dem Gebiet geschieht, und nicht eine Bürgerinitiative.
({10})
Lassen Sie mich zwei andere Punkte in aller Kürze anschneiden.
({11})
- Herr Kollege Merker, ich weiß zwar, daß Sie als besonderer Liebhaber der Straße jetzt gerne etwas sagen würden, aber bitte, die Zeit reicht nicht. Ich will Ihnen das Wochenende nicht unnötig verlängern.
({12})
Nein, verkürzen.
Entschuldigung, Herr Präsident. Ich bedanke mich für die Richtigstellung.
({0})
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zwei Punkte anschneiden, die in der Diskussion über Straßenbau eine große Rolle spielen. Der Minister zieht durch die Lande und läßt keine Gelegenheit aus zu sagen: Wir haben a) die Radfahrer erkannt - ich weiß nicht, wie viele Radfahrer es gibt und wen er damit meint, aber es gibt ohne Zweifel welche, die man ernst nehmen muß -, und wir wollen b) jetzt mehr Radwege bauen. Dagegen ist nichts einzuwenden. Nur: Wenn nur ein Minimum von dem, was an Anträgen gestellt worden ist, um Radwege zu bauen, verwirklicht werden konnte, dann, meine ich, sollte der Minister mit seinen Aussagen etwas zurückhaltender sein, denn dies ist eine Irreführung der Öffentlichkeit.
({1})
Und dann - dies ist ganz interessant, meine Damen und Herren, die Sie nicht dem Verkehrsausschuß angehören - kommen Kollegen aus der SPD-Fraktion und sagen: Nun j a, wenn die Straßenbaufirmen mit ihren Maschinen nicht ausgelastet sind, dann können die ja jetzt Radwege bauen.
({2})
Stellen Sie sich einmal vor, eine Maschine, die dazu ausgelegt ist, eine zweispurige Autobahn zu bauen, würde jetzt für den Bau eines Radweges eingesetzt. Ob der auch zweispurig werden soll, daß weiß ich nicht. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, wie man eine solche Maschine wirtschaftlich so einsetzen kann.
({3})
Ein weiteres zumindest in den Reden draußen immer von Herrn Minister Hauff dargestelltes Lieblingskind sind die Ortsumgehungen. Man sagt: Wir wollen weniger neue Straßen bauen, dafür aber mehr Ortsumgehungen. Der Bürger soll Ruhe haben; er soll, wenn er Feierabend hat, nicht noch durch Straßenlärm beeinträchtigt werden. - Bis dahin sind wir bereit, dieser Auffassung zu folgen. Darüber hat es im Verkehrsausschuß nie einen Zweifel gegeben. Nur: Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß im vergangenen Jahr, im Berichtszeitraum - dies können Sie in der amtlichen Drucksache des Ministers nachlesen -, 136 Maßnahmen zum Bau von Umgehungsstraßen zur Durchführung angemeldet worden sind und - nun hören Sie gut zu - ganze 13 begonnen wurden.
({4})
So geht es wohl nicht: Man kann nicht bei allen Verkehrsverbänden so tun, als würde man eine solide in die Zukunft weisende Politik betreiben, und wenn man dann das Ganze einmal auf die Wirklichkeit hin überprüft, dann kommen Zahlen heraus, über die es sich eigentlich gar nicht zu reden lohnt.
({5})
Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Ich finde, es ist schon wichtig für uns alle, auch einmal die Frage zu prüfen, welches Verhältnis dieser Minister zu Entscheidungen des Deutschen Bundestages und zu den vom Deutschen Bundestag verabschiedeten Gesetzen hat. Was will ich damit sagen? Wir haben im Juni des vergangenen Jahres das Straßenbaugesetz - für die nächsten fünf Jahre gültig - nach langwierigen Beratungen im Verkehrsausschuß novelliert. Das hat den Verkehrspolitikern sehr viele schlaflose Nächte bereitet. Wir waren am Ende froh, daß wir das Ganze einigermaßen unter Dach und Fach gebracht hatten. Nachdem die Bundestagswahl den Ausgang genommen hatte, den sie nahm - übrigens finden Sie heute kaum noch jemanden, der schuld daran sein will, daß die Bundestagswahl so ausgegangen ist, wie sie ausgegangen ist -, kam plötzlich Herr Hauff so in dem Stil: „Hoppla, hier bin ich" und sagte: Was juckt mich das Gesetz des Bundestages; ich mache etwas völlig anderes. Das, was da beschlossen worden ist, entspricht nicht der Wirklichkeit. Hier hat mein Vorgänger falsche Zahlen genannt, das kann alles nicht so bleiben. Ich werde etwas völlig anderes machen. - Meine Damen und Herren, so geht man mit Beschlüssen des Bundestages um.
Hinzu kommt, daß wir in der Zwischenzeit eine Vorlage im Verkehrsausschuß haben, mit der wir uns beschäftigen müssen und von der kein Jurist sagen kann, welche Qualität diese Vorlage hat: ob das der Entwurf einer Verordnung oder ob das eine Gesetzesnovelle ist oder nicht. Der Herr Minister in seiner Allzuständigkeit behält sich vor, allein zu entscheiden, welche Straßen denn nun gebaut und welche nicht gebaut werden.
Dieser Politik, meine Damen und Herren, dieser insbesondere nur in der Öffentlichkeit vorgetragenen Politik können und werden wir unsere Zustimmung nicht geben. Wir werden - wie in der Vergangenheit, Herr Minister - Ihre besondere Art der Verkehrspolitik mit besonders kritischen Augen beobachten. - Ich bedanke mich.
({6})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Topmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Milz
({0})
- des Kollegen Milz - haben wenig mit dem Tagesordnungspunkt zu tun gehabt, der uns vorgegeben ist,
({1})
nämlich Straßenbaubericht 1980.
({2})
- Natürlich, und deshalb waren die Ausführungen ja auch schlecht.
({3})
Herr Kollege Milz, Sie haben hier versucht, sich einen Popanz aufzubauen und sind zunächst einmal -({4})
- Herr Pfeffermann, wenn wir Sie in unseren Reihen hätten, würde uns das sicherlich möglich sein. Sie sollten sich einmal bemühen, Beiträge zur Sache und nicht zur Polemik zu liefern.
({5}) Denn eines ist uns heute morgen klargeworden:
({6})
daß die Union auch im Bereich der Verkehrspolitik
- anders als bisweilen im Ausschuß - offensichtlich davon Abschied genommen hat, hier nach gemeinsam zu tragenden Lösungen zu suchen. Ich habe, verehrter Herr Kollege Milz, hier nicht einen konstruktiven Vorschlag gehört, sondern Sie haben sich lediglich mit einer polemisch ausgestatteten Zustandsbeschreibung zufriedengegeben.
({7})
Ich stelle anheim, inwieweit uns das verkehrspolitisch weiterbringen kann.
({8})
Wir jedenfalls - das möchte ich hier ausdrücklich betonen - begrüßen die im Straßenbaubericht des Jahres 1980 aufgeführten Auswahlkriterien für neu zu beginnende Maßnahmen. Diese Kriterien entsprechen unseren Vorstellungen, die in der Verabschiedung des Zweiten Änderungsgesetzes zum Gesetz über den Ausbau der Bundesfernstraßen mit dem anliegenden Bedarfsplan vom 13. Juni 1980 ihren Niederschlag gefunden haben.
({9})
- Da müssen Sie den Bericht einmal lesen, Herr Pfeffermann. - In dem Straßenbaubericht wird deutlich, daß der zweite Fünfjahresplan für den Ausbau der Bundesfernstraßen im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten erfüllt worden ist. 980 Kilometer Autobahnen und 1 306 Kilometer Bundesstraßen konnten von 1976 bis 1980 fertiggestellt werden. Ich meine, das ist ein Ergebnis, auf das wir alle stolz sein können. Dazu haben Sie, verehrter Herr Milz, überhaupt keine Ausführungen gemacht.
Hier setzt auch meine Kritik an dem von Ihnen verfertigten Bericht ein, Herr Milz. Wenn Sie sagen, daß nur 63,6 % der geplanten Bundesautobahnen fertiggestellt worden seien, soll das wohl den Eindruck erwecken, daß der Straßenbau schon in der Zeit von 1976 bis 1980 weit hinter den gesteckten Zielen zurückgeblieben sei. Sie verschweigen in Ihrem Bericht, daß die Übererfüllung des Solls bei den Bundesstraßen, nämlich 115,6 %, dadurch zu erklären ist, daß im Einvernehmen mit den Bundesländern aus dem Kontingent der Autobahnneubaustrecken wesentliche Maßnahmen zu Bundesstraßen herabgestuft worden sind.
({10})
- Genau wie Sie habe auch ich eine Zeitbegrenzung, verehrter Herr Milz. Ich kann eine Frage aus den gleichen Gründen nicht zulassen.
Die Zahlen machen deutlich, daß das Weniger im Autobahnneubau durch ein Mehr im Bundesstraßenbau ausgeglichen wird, so daß wir ingesamt auf eine Quote von immerhin 85,6 % der Bauziele des 2. Fünfjahresplanes kommen. Ich meine auch hier, daß wir damit ein gutes Ergebnis erzielt haben.
An dieser Stelle sollte noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen werden, daß die Bundesrepublik Deutschland mit ihrem fertiggestellten Fernstraßennetz im internationalen Vergleich einen hervorragenden Stand erreicht hat. Das konnten Sie auch mit Ihren polemischen Ausführungen in Richtung des Ministers nicht in Frage stellen. Dies hat doch wohl in erster Linie dazu beigetragen, daß von großen Teilen unserer Bevölkerung dem Straßenbau, auch und gerade dem Bau neuer Autobahnen, zu Recht nicht mehr die hohe Bedeutung beigemessen wird, wie dies in der Vergangenheit der Fall war. Ein Umdenken wurde deshalb auch im politischen Raum erforderlich, um so die Grundlagen unserer Straßenbaupolitik in der Bevölkerung mehrheitsfähig zu halten. Deshalb und wegen der veränderten finanziellen Rahmenbedingungen ist es notwendig, die Prioritäten im Fernstraßenbau der nächsten zehn Jahre innerhalb des 1980 festgestellten Bedarfs neu zu setzen.
Sie, Herr Milz, haben an dieser Stelle eben zu Unrecht den Versuch unternommen, dem Bundesverkehrsminister vorzuwerfen, der festgestellte Bedarf hätte für ihn keine Geltung mehr. Sie wissen genau wie ich, daß der Bundesminister im Verkehrsausschuß ausdrücklich herausgestellt hat, daß der im vorigen Jahr festgestellte Bedarf auch für ihn verbindlich sei.
({11})
Der Bundesverkehrsminister hat diesen Erkenntnissen durch die Aufteilung der Dringlichkeits3802
stufe I in die Ausbaustufen I a und I b Rechnung getragen, eine Maßnahme, verehrter Herr Milz, die von uns nachdrücklich begrüßt wird.
({12})
Mit dieser Aufteilung werden der Tiefbauwirtschaft, den Gemeinden und Regionen die notwendigen Rahmendaten für genauere Investitionsentscheidungen der Zukunft genannt.
({13})
Gleichzeitig wird damit sichergestellt, daß nur solche Maßnahmen geplant und begonnen werden können, bei denen ein zügiger Baufortschritt im Rahmen der im Straßenbaubericht vorgegebenen Prioritäten finanzierbar ist. Hierdurch werden in der Vergangenheit erkennbare Mängel ausgeräumt, nämlich daß an zu vielen Stellen neu begonnen und dadurch der Verkehrswert einer neuen Straße erst nach langer Zeit erreicht wurde. Auf einen Nenner gebracht bedeutet dies doch folgendes: Wir wollen in der Zukunft weniger Maßnahmen beginnen, dafür die begonnenen Maßnahmen aber schneller abwikkeln. Hierdurch wird sichergestellt, daß MilliardenBeträge über einen längeren Zeitraum nicht nutzlos gebunden werden. Weiterhin kann durch eine sinnvolle Beschränkung der Planung, die durch die Aufteilung der Dringlichkeitsstufe I in die Ausbaustufen I a und I b eingeleitet wird, ein unzulässiger Druck auf den Baubeginn ausgeschlossen werden.
Im Verlauf der bisherigen Debatte ist auch, insbesondere von Herrn Milz, Kritik an der nur schleppenden Abwicklung des Ortsumgehungsprogramms geübt worden. Es ist sicherlich richtig, daß auch wir mit den bisher vorliegenden Ergebnissen nicht zufrieden sind.
({14})
Nur sollte man sich dann einmal der Mühe unterziehen - das habe ich bei Herrn Milz vermißt -, nach den Gründen zu suchen, warum diese Ergebnisse heute nicht dem entsprechen, was wir bei der Aufstellung dieses Programms im Jahre 1979 sicherlich erwartet haben.
Die Haushaltskürzungen gegenüber dem zum Zeitpunkt der Programmaufstellung gültigen Finanzplan 1978 bis 1983 haben auch zu Verzögerungen - das muß zugegeben werden - beim Ortsumgehungsprogramm beigetragen. Für die Investitionsansätze im Bereich des Straßenbaus im Haushaltsjahr 1982 beträgt die Differenz zwischen altem und neuem Ansatz rund 900 Millionen DM. Von solchen Kürzungen - wen sollte das überraschen? - sind wegen der Notwendigkeit, laufende Maßnahmen vorrangig zu bedienen, die neu zu beginnenden Investsitionsschwerpunkte, u. a. auch das Ortsumgehungsprogramm, überproportional betroffen worden.
Die Haushaltskürzungen - auch das muß hier einmal gesagt werden - erklären jedoch nur zu einem, wenn Sie so wollen, geringen Teil den schleppenden Programmablauf. Wesentlich ist die ungenügende Baureife vieler Maßnahmen. Diese wird insbesondere von planungsrechtlichen Schwierigkeiten beeinflußt, aber auch durch die Disposition der Länder über ihre eigenen Planungskapazitäten.
({15})
- Das gilt auch in Bayern.
({16})
Programmatische Investitionsschwerpunkte des Bundes müssen doch wohl zwangsläufig ihr Ziel verfehlen, wenn die Länder ihre Planungskapazitäten nicht oder nur zögernd auf diese neuen Ziele auszurichten bereit sind.
({17})
- Ich habe von allen Bundesländern gesprochen. Auch in Nordrhein-Westfalen bestehen die Schwierigkeiten. Natürlich ist das so.
({18})
Die Schwierigkeiten bestehen auch dort, weil man sich bisher zuwenig, glaube ich, bemüht hat, auf die Landesstraßenbauämter, auf die zentralen Baubehörden stärker als bisher politisch einzuwirken, daß es hier nicht darauf ankommt, bestimmten Architekten und Bauplanern bestimmten Vorrang einzuräumen, sondern dem politischen Wollen und Willen des Parlaments und des Bundesverkehrsministers. Darauf kommt es doch an.
({19})
- Verehrter Herr Kollege Jobst, dasselbe, was Herr Milz für sich in Anspruch genommen hat, muß ich leider in Anspruch nehmen, obwohl ich gern eine sicherlich hochqualifizierte Frage beantworten würde.
({20})
Als Beleg hierfür kann ich feststellen, daß die im Jahre 1977 im ZIP aufgenommenen Ortsumgehungsprojekte bis heute zu einem Drittel noch nicht begonnen wurden. Das ist sicherlich nicht die Schuld des Verkehrsministers. Es ist sicher auch nicht die Schuld des Deutschen Bundestags und des Verkehrsausschusses. Es liegt vielmehr daran, daß man diesen Maßnahmen in den Ländern bis zum heutigen Tage nicht die Bedeutung eingeräumt hat, die wir ihnen gern einräumen würden.
({21})
- Mein Gott, was verlangen Sie denn noch, verehrter Herr Milz! Ich hatte eben doch deutlich meine Meinung dazu zum Ausdruck gebracht. Sie sollten hinhören und nicht nur auch vom Platz aus in Polemik machen wollen.
({22})
Weil wir auch und gerade nach dem Verlauf der heutigen Debatte den Eindruck gewinnen konnten,
daß in einigen Bundesländern nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, daß die vom Bundesverkehrsminister gesetzten neuen Investitionsschwerpunkte, die unsere volle Unterstützung finden, von den Länderbehörden nahtlos eingehalten werden, möchten wir eigentlich den Bundesverkehrsminister dazu ermuntern, Erfolgskontrollen einzuschalten. Dabei denken wir daran, daß regelmäßige Erfolgskontrollen über den Planungsstand durchzuführen wären. In diesem Zusammenhang wären die Länder dann gehalten, wenigstens die Ursachen für eventuelle Planungsrückstände offenzulegen.
({23})
- Ich komme noch dazu, verehrter Herr Dr. Schulte.
Wir würden es im übrigen begrüßen, wenn der Bundesverkehrsminister bei der Fortschreibung des Ortsumgehungsprogramms künftig auch die großen - oder sagen wir: die größeren - Ortsumgehungen in den Titel 741.27 aufnähme. Damit - das ist jedenfalls unsere Auffassung - würde auch gegenüber der Öffentlichkeit verdeutlicht, daß auch Ortsumgehungen mit einem höheren finanziellen Aufwand dieselbe verkehrspolitische Bedeutung haben.
Herr Kollege Milz, Sie behaupten in Ihrem Bericht u. a., daß der starke Rückgang des Straßenbaus in den vor uns liegenden Jahren zu Lasten verkehrsferner und strukturschwacher ländlicher Räume gehe,
({24})
daß dadurch auf bestimmten Autobahnabschnitten vermehrt Stauungen mit entsprechenden volkswirtschaftlichen Verlusten entstünden oder aber nicht abgebaut würden. Diese Aussagen werden von uns jedenfalls in dieser Einseitigkeit nicht geteilt.
Dabei wird offenbar bewußt oder unbewußt verschwiegen, daß es gerade in Städten und Gemeinden tagtäglich zu sehr viel größeren Stauungen kommt. Die Entlastung dieser Städte und Gemeinden kann aber am besten durch Ortsumgehungen erreicht werden. Dies wird in dem heute zur Behandlung anstehenden Straßenbaubericht richtig und entsprechend bewertet. Wir werden dabei einen Großteil der vorhandenen Mittel so einsetzen, daß die bestehende verkehrliche Infrastruktur deutlich verbessert wird.
Es ist eine Binsenweisheit, Herr Milz - daran kommen wir nicht vorbei -, daß ein Autobahnneubau sehr viel mehr Geld verschlingt, als eine bestehende Bundesstraße durch entsprechende Ortsumgehungen zu verbessern. Das ist der entscheidende Punkt, und hier gilt das, was ich bislang schon zur Ortsumgehung gesagt habe. Gerade der ländliche Bereich wird durch das Ortsumgehungsprogramm stärker als der städtische Bereich begünstigt. Die Menschen in diesen Gebieten warten auf diese Maßnahmen, die sowohl Autofahrern als auch Fußgängern und der Bevölkerung allgemein in den betreffenden Städten und Gemeinden gleichermaßen eine Verbesserung bringen. Demgegenüber werden die
Zentren der Großstädte und der Ballungsgebiete durch den verstärkten Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs besser erschlossen.
Der Haushaltsansatz für den Bundesfernstraßenbau - das habe ich bei Ihnen soeben vermißt - kann nicht losgelöst von der allgemeinen Haushaltssituation betrachtet werden. Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie fordern lautstark ein höheres Auftragsvolumen für die Straßenbauwirtschaft, um freiwerdende Kapazitäten abbauen zu helfen, quasi ein Investitions- oder ein Beschäftigungsprogramm. Im gleichen Atemzug bekunden Sie wieder einmal genauso lautstark, daß die Staatsausgaben keinesfalls durch wie auch immer geartete Maßnahmen erhöht werden dürfen, sondern vielmehr und rigoroser als bisher Subventionen - nach Ihrer Vorstellung sicherlich auch Sozialleistungen ({25})
gestrichen werden müssen. Wo bleibt hier denn eigentlich die Logik?
Ich will gern noch einmal darauf hinweisen, daß man mit uns Sozialdemokraten in dieser auch für die Tiefbauwirtschaft schwierigen Zeit über beschäftigungsfördernde Maßnahmen sprechen kann. Wir haben nie ein Hehl daraus gemacht. Wenn Sie aber schon derartige Forderungen aussprechen, dann machen Sie bitte auch gleichzeitig realistische Dekkungsvorschläge! Aber es ist inzwischen leider auch in diesem Bereich schon Tradition geworden, daß sich Ihre Arbeit in der Problemdarstellung erschöpft
({26})
und nicht, wie es die Bevölkerung eigentlich auch von Ihnen erwartet, auch das gemeinsame Bemühen um Lösungsmöglichkeiten umfaßt.
({27})
Im übrigen ist durch den neuen Prioritätenkatalog sicherlich auch ein Beitrag zur Arbeitsplatzsicherung geleistet worden. Ich verkenne zwar nicht die Tatsache, daß die Reduzierung der entsprechenden Straßenbaumittel von etwa einer Milliarde DM jährlich zur Freisetzung von Arbeitsplätzen führen kann, möglicherweise schon geführt hat.
({28})
Jedoch wird durch die von uns geforderten Schwerpunkte im Bundesfernstraßenbau der derzeitige Beschäftigungsgrad eher als durch eine stärkere Forcierung des Neubaues von Autobahnen zu halten sein.
Wenn Sie auch die Reduzierung des Haushaltsansatzes für den Straßenbau beklagen, Herr Kollege Milz, so möchte ich Ihnen hier mit aller Deutlichkeit sagen, daß diese eine Milliarde DM als Investitionsmittel für den öffentlichen Personennahverkehr und die Deutsche Bundesbahn dem Verkehrshaushalt insgesamt erhalten geblieben ist, der im übrigen mit mehr als 12 Milliarden DM immer noch der
größte Investitionshaushalt des Bundes ist. Wir gehen beispielsweise davon aus, daß die Tiefbauwirtschaft flexibel genug ist, ihre nicht genutzten Kapazitäten stärker auf diese Bereiche auszurichten.
Ich komme zum Schluß. Schließlich möchte ich noch einige Worte zu der bei den Ausschußberatungen vorgebrachten Kritik der CDU/CSU zur Bürgerbeteiligung an der Planung von Bundesfernstraßen sagen. Wir stimmen mit den Vorstellungen des Bundesverkehrsministers völlig überein, der die Linienbestimmung von künftig zu bauenden Bundesfernstraßen davon abhängig machen will, daß die Bürger in allen Phasen der Planung informiert und beteiligt werden. Nur eine rechtzeitige Beteiligung der Bürger sichert später einen zügigen und reibungslosen Bauablauf.
({29})
Ich lege Wert auf die Feststellung, daß nach meinen bisherigen Erfahrungen überall dort, wo dieser Forderung Beachtung geschenkt wurde, auch durch Beteiligung von Bürgerinitiativen, die überwältigende Mehrheit der betroffenen Bürger bereit war, die geplante Maßnahme mit zu unterstützen.
Ich darf namens der SPD-Fraktion abschließend betonen, daß die im Straßenbaubericht 1980 aufgeführten neuen Perspektiven unsere volle Unterstützung finden.
Vielen Dank.
({30})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Merker.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Jobst, Sie können davon ausgehen, daß ich einiges richtigstellen werde, zumal mir die Rede des Kollegen Milz heute morgen wieder einmal bewiesen hat, daß die Opposition immer noch nichts dazugelernt hat.
({0})
Sie haben die Zeichen der Zeit, meine Kollegen, immer noch nicht erkannt. Sie träumen immer noch davon, daß Sie diese Bundesrepublik in eine Betonlandschaft verwandeln können.
({1})
Diesen Traum werden wir nicht mitmachen. Sie übersehen nämlich - -({2})
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter.
Herr Abgeordneter Pfeffermann, das können Sie sich denken, aber aussprechen dürfen Sie es hier nicht. Das ist unparlamentarisch.
({0})
- Sie können j a darauf antworten und einen Gegenbeweis antreten.
Herr Präsident, ich bedanke mich dafür. Ich muß gestehen, ich habe akustisch den Zwischenruf nicht mitbekommen. Aber nach diesem Zwischenspiel werde ich ihn natürlich mit großer Freude im Protokoll nachlesen.
({0})
- Quatsch? Ach Gott, das hätte ich gar nicht einmal übelgenommen, Herr Präsident; da bin ich von dem Kollegen Pfeffermann aus dem Ausschuß etwas ganz anderes gewohnt.
({1})
Meine Kollegen von der Opposition, Sie übersehen nämlich bei Ihrer Kritik an dem, was im Straßenbaubericht 1980 der Bundesregierung vorgetragen worden ist, völlig, daß wir inzwischen ein Straßennetz haben, eine Infrastruktur im Straßenbereich, um das uns nahezu die gesamte Welt beneidet. Ich glaube, daß wir mit unserem Straßennetz - wenn wir Amerika ausnehmen - ein Beispiel in der ganzen Welt darstellen können. Der Straßenbaubericht 1980 ist ja nicht nur -
Herr Abgeordneter Merker, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, ich will doch die Sitten, die der Kollege Milz eingeführt hat, hier nicht weitertreiben.
Herr Kollege Merker, wenn Sie von diesem ausgezeichneten Straßenbaunetz in der Bundesrepublik sprechen, was teilweise zutrifft, und auf andere Länder verweisen, frage ich Sie: Gibt es diese großen Staus in den Ferienmonaten mit den unmenschlichen Folgen für die Betroffenen auch in anderen Ländern in der Weise wie in der Bundesrepublik Deutschland auf unseren Straßen?
({0})
Herr Kollege Dr. Jobst, ich weiß ja
- das knüpft an das an, was ich zu Ihnen gesagt habe -, daß Sie immer noch davon träumen, ein Straßennetz in dieser Bundesrepublik herstellen zu können, das auch einer solchen kurzfristigen Spitzenbelastung gewachsen ist. Diesen Traum, Herr Kollege Dr. Jobst, werden wir nicht mitmachen.
({0})
Da der Straßenbaubericht 1980 auch gleichzeitig der Abschluß des zweiten Fünfjahresplanes ist, ist es, glaube ich, erlaubt, auch einmal einen Blick auf
die Leistungen zurückzuwerfen, die innerhalb der beiden Fünfjahrepläne geleistet worden sind. Meine Vorredner haben zu Recht darauf hingewiesen, was denn nun an Leistungen innerhalb des Jahres 1980 gemacht worden ist. Ich will ein klein wenig weiter zurückgehen und darauf hinweisen, daß wir in dieser Zeit zwischen 1971 und 1980 immerhin 3 000 km neue Autobahnen und 2 600 km neue Bundesstraßen gebaut haben. Damit haben wir insgesamt ein Straßennetz, das 7 500 km Autobahn und 32 000 km Bundesstraßen umfaßt.
Aber diese Entwicklung, die ich begrüße - ich möchte da überhaupt kein Mißverständnis aufkommen lassen -, hat natürlich ihre Kehrseite. Die Kehrseite heißt ganz eindeutig, daß wir mit dem hervorragenden Straßennetz, das wir geschaffen haben, auch einen Beitrag zum Rückgang des öffentlichen Personenverkehrs geleistet haben. Wir sollten uns durchaus mal sehr selbstkritisch vor Augen halten, daß wir im öffentlichen Verkehr bei der Bundesbahn und in anderen öffentlichen Verkehrsleistungen, insbesondere im Personennahverkehr, es mit einer Entwicklung zu tun haben, die innerhalb von 20 Jahren zu einem Rückgang von nahezu 80 % auf knapp 20 % geführt hat. Diese Entwicklung sollte uns Anlaß sein, darüber nachzudenken, ob nicht bei dem Auseinanderdriften der Leistungen im öffentlichen Verkehr und im privaten Verkehr jetzt endlich ein Stillstand kommen und versucht werden muß, diese Schere zu schließen.
Wir kommen bei diesem Nachdenken zwangsläufig zu der Auffassung, daß es erforderlich ist, im Bereich des Straßenbaus neue Schwerpunkte zu setzen. Die FDP sagt dies übrigens schon seit Jahren. Ich merke in Klammern an: Wenn die Opposition uns dabei gefolgt wäre, wäre uns heute die eine oder andere unangenehme Diskussion im Zusammenhang mit der Kapazitätsauslastung bei der deutschen Bauindustrie erspart geblieben.
Ich weise aber ausdrücklich darauf hin, daß auch die FDP mit großer Sorge die derzeitige Entwicklung sieht, soweit die deutsche Bauwirtschaft davon betroffen ist. Wir haben allerdings schon seit Jahren darauf hingewiesen, daß wir den Straßenbau der letzten Jahrzehnte nicht ohne Korrektur auf die vor uns liegenden Jahrzehnte übertragen können und daß wir zu einer Kapazitätsanpassung auch in der deutschen Bauindustrie in diesen Jahren kommen müssen. Wir können die Kapazitäten, die sich in den vergangenen Jahrzehnten im Straßenbau entwikkelt haben, für die nächsten Jahre ganz einfach nicht aufrechterhalten. Aber diese Anpassung muß behutsam geschehen. Wechselbäder kann unsere Wirtschaft dabei nicht vertragen.
Ich gestehe Ihnen gern zu, daß wir zur Zeit in einer Phase sind, wo wir ein Maß erreicht haben, das wir alle miteinander nicht mehr vertreten können. Einen Sturzflug jedenfalls können wir uns nicht leisten. Wir sollten alle miteinander dazu beitragen, daß wir die notwendige Anpassung in diesem Bereich durch einen Gleitflug erreichen.
Dazu gehört aber auch, daß wir miteinander etwas ehrlicher umgehen und nicht nach außen den Eindruck erwecken, wie Sie es mindestens vor zwei Jahren bei der Beratung des Bedarfsplans noch gemacht haben, als könnten wir diesen Straßenbau in diesem Umfang in den nächsten Jahren und Jahrzehnten fortführen. Ich sage noch einmal: Wir müssen zu einem Abbau der Kapazitäten kommen. Dabei muß es unser Ziel sein, diesen Abbau mit einer größtmöglichen Verstetigung, wenn auch auf einem niedrigen Niveau, zu erreichen.
Dabei wird es selbstverständlich auch zu Umschichtungen kommen. Ich glaube, Herr Kollege Milz, es ist ein großes Mißverständnis, wenn Sie hier irgend jemandem unterstellen, er habe gesagt, daß die Maschinen, mit denen in der Vergangenheit Autobahnen gebaut wurden, nunmehr und in Zukunft benutzt werden sollen, um Radwege zu bauen.
({1})
- Das ist doch eine Überzeichnung, die völlig unzulässig ist.
Es wird selbstverständlich zu einer Verschiebung der Kapazitäten kommen. Das ist völlig klar. Man kann sich natürlich mit diesen maschinellen Investitionen in Zukunft auch auf den Bau von Bundesstraßen konzentrieren. Von den Bundesstraßen wird es zu einer Kapazitätsverschiebung in die Bereiche der Gemeinde- und Kommunalstraßen kommen. Ich weise darauf hin, daß es im Tiefbaubereich zu Umschichtungen und Kapazitätsverschiebungen selbstverständlich auch in völlig andere Bereiche kommen wird. Ich nenne z. B. die, wie ich finde, dringend erforderlichen Investitionen im Bereich der Fernwärme oder auch des Ausbaus des Kabelnetzes.
Wir bemühen uns, diese Klarheit auch für die deutsche Bauwirtschaft zu erreichen. Deshalb begrüßen wir die Vorstellung des Bundesministers, die Dringlichkeit der Straßenbaumaßnahmen in die zwei Baustufen 1 a und 1 b zu unterteilen. Dieses Vorhaben der Bundesregierung unterstützen wir ausdrücklich.
Wir unterstützen ihn auch dabei, bei der Festsetzung neuer Dringlichkeiten neue Schwerpunkte zu setzen. Für uns ist völlig klar, daß die Bemühungen um die Beseitigung von Unfallschwerpunkten absoluten Vorrang haben müssen. Das gilt auch für den Bau für Ortsumgehungen. Ich stimme Ihnen übrigens darin zu, daß das, was 1980 geschehen ist, völlig unzureichend ist. Wir müssen in diesem Bereich in den nächsten Jahren sehr viel stärkere Anstrengungen machen, zumal da der Bau einer Ortsumgehung ein ganz wesentlicher Beitrag zum Umweltschutz ist, weil sie den innerstädtischen Verkehr entlastet.
Wir werden auch dazu kommen müssen, unser Straßennetz auf die notwendige Schließung von Lücken zu überprüfen. Erst dann werden wir uns daranmachen können, großflächige neue Straßen zu schaffen.
Für besonders wichtig halten die Freien Demokraten das von der Bundesregierung beabsichtigte Programm für den Bau von Radwegen. Wir begrüßen die Erklärung der Bundesregierung außerordentlich, sie werde noch in diesem Jahr ihr Radwe3806
geprogramm vorlegen. Ich gehe davon aus, daß darüber dann im Bundestagsausschuß für Verkehr diskutiert werden kann - in ähnlicher Weise, wie wir das im Zusammenhang mit den Fernstraßen gemacht haben -, damit wir endlich einmal einen Begriff von den Bemühungen und Anstrengungen bekommen, die die Bundesregierung auf diesem Gebiet macht. Ich meine, daß die Bereitstellung von 65 Millionen DM alleine für Radwege an Bundesstraßen, die in der Baulast des Bundes liegen, ein ganz guter Erfolg ist. Wenn die Länder und Kommunen in der gleichen Weise ihren Beitrag leisten würden, hätten wir die Chance, glaube ich, neben dem Bundesfernstraßen- und Autobahnnetz in dieser Republik auch noch ein gut funktionierendes Radwegenetz zu errichten.
({2})
Ich will auf einen Punkt zu sprechen kommen, der uns Liberalen ganz besonders am Herzen liegt und der mit einer etwas unterschiedlichen Tendenz von Herrn Milz - er hat sich dazu sehr kritisch geäußert - und von Herrn Topmann - er hat das wie wir positiv gesehen - schon angesprochen worden ist. Ich spreche von der Bürgerbeteiligung. Die CDU/CSU hat die Bürgerbeteiligung im Verkehrsausschuß ausdrücklich kritisiert, und Herr Milz hat die Bedenken zu diesem Plan heute morgen ebenfalls vorgetragen. Für die Freie Demokratische Partei sage ich ausdrücklich: Wir begrüßen die Erklärung des Bundesministers, daß in Zukunft keine Linienbestimmung für Bundesfernstraßen oder Autobahnen in seinem Hause mehr erfolgen wird, wenn vorher nicht eine Bürgerbeteiligung in ausreichendem Maße stattgefunden hat.
({3})
Im Gegensatz zu Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, teilen wir nicht die Skepsis, daß damit eine unzumutbare Verzögerung im Straßenbau auftrete. Im Gegenteil: Wir sind der Auffassung, daß durch die frühzeitige Einbeziehung der Meinung der Bürger eine Konfrontation vermieden werden kann, die sich sonst später entwickeln könnte. Wir bedanken uns, daß hiermit eine von den Freien Demokraten seit langem vertretene Forderung endlich erfüllt worden ist. Ich habe noch nie einen Planer erlebt, meine Damen und Herren von der Opposition, der so arrogant gewesen wäre zu glauben, daß seine Planungen durch einen intensiven Meinungsaustausch mit den Betroffenen nicht noch verbessert werden könnten.
Zuzustimmen ist Ihnen selbstverständlich, daß den Bürgern, den einzelnen Bürgerinitiativen natürlich keine Entscheidungskompetenz zukommen werden kann. Das ist doch selbstverständlich. Ich verstehe daher gar nicht, weshalb Sie gegen dieses Verfahren Bedenken haben, wenn doch gleichzeitig erklärt wird, daß das lezte Wort natürlich die gewählten Räte in den jeweiligen Kommunen haben.
Ich habe mir noch ein paar Stichworte notiert, aber ich will darauf verzichten, sie anzusprechen, weil ich noch mit einigen Sätzen auf den Kollegen Milz eingehen will. Er hat den Bundesminister in ziemlich scharfer Weise wegen seiner Bemühungen
angegriffen, die im vergangenen Jahr beschlossene Dringlichkeitsstufen neu zu gestalten und die Stufe I des Bedarfsplans in zwei Baustufen zu unterteilen. Herr Milz, ich finde es ziemlich schlimm - ich unterstelle, daß der Bundesminister dazu gleich selber noch etwas sagen wird -, daß Sie den Eindruck erwecken, als mißachte er Beschlüsse, die der Bundestag im vergangenen Jahr einmütig gefaßt hat. Ich will Sie jetzt einmal an ein privates Gespräch erinnern, Herr Kollege Milz, das wir beide vor wenigen Tagen geführt haben. Sie sind, wie ich durchaus zugebe, mit einem vernünftigen Vorschlag zu mir gekommen, nämlich für Ihre - ich will einmal sagen - Lieblingsstrecke oder auch Prestigestrecke eine Lösung unter den derzeit geltenden finanziellen Rahmenbedingungen zu suchen. Dieses Bemühen unterstütze ich; das habe ich ausdrücklich gesagt. Aber das darf doch wohl nicht nur für die B 256 n gelten.
({4})
Mit Blick auf die B 256 n haben wir im vergangenen Jahr Beschlüsse gefaßt, die wir jetzt gemeinsam auf ihre Praktikabilität hin überprüfen wollen, um das Beste herauszuholen. Aber das gilt doch für alle Straßenbaumaßnahmen in dieser Republik. Deswegen verstehe ich nicht, weshalb Sie ausgerechnet bei diesem Punkt mit solch einer Polemik reagiert haben.
({5})
Meine Damen und Herren, ich möchte zusammenfassen, indem ich noch einmal auf einige Schwerpunkte hinweise, auf die ich im Verlauf meiner Ausführungen eingegangen bin. Wir sind der Auffassung, daß die Aufgaben, die im Straßenbau vor uns liegen, in erster Linie unter dem Stichwort zusammengefaßt werden können: zunächst einmal kontinuierlicher Ausbau des bestehenden Straßennetzes, Beseitigung von Unfallschwerpunkten, Bau von Ortsumgehungen, Bau von Radwegen. Dabei wird es zu Umschichtungen der Investitionsmittel nicht nur innerhalb des Straßenbaubereiches kommen - darauf habe ich eben hingewiesen -, sondern es wird auch zu Umschichtungen bei den Investitionen für den Straßenbau im Verhältnis zu den Investitionen im öffentlichen Personennahverkehr und bei der Deutschen Bundesbahn kommen.
Dies, meine Damen und Herren, sind Schwerpunkte einer modernen Verkehrspolitik. Die Bundesregierung ist auf dem rechten Wege. Wir folgen ihr dabei.
({6})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf der heutigen Tagesordnung steht ein Bericht für einen Zeitraum der Verkehrspolitik, in dem ich noch nicht unmittelbare Verantwortung getragen habe. Deswegen fällt es mir leicht, festzustellen, daß dieser Bericht beachtliche Leistungen des Bundes im Bereich des Straßenbaus im zweiten Fünfjahresplan, also zwischen 1976 und 1980, dokumentiert.
Auf das in diesem Bericht Dargestellte, auf das Erreichte können wir selbstbewußt zurückblicken, auch wenn die Opposition so tut, als klaffte eine große Lücke im deutschen Fernstraßennetz. Das ist nicht so. Das Fernstraßennetz in der Bundesrepublik hat einen hervorragenden Ausbaustand.
Auf Ihre Frage, Herr Jobst, wie es eigentlich mit den Spitzenlasten während der Ferienzeiten sei, möchte ich Ihnen nur sehr kurz und klar sagen: In einem Gespräch, das ich vor kurzem mit dem Vorstand des Verbandes der deutschen Automobilindustrie gehabt habe, habe ich die Frage aufgeworfen, ob sich unser Land Investitionen leisten kann, um Spitzenlasten während weniger Monate des Sommers abzudecken. Die einhellige Meinung der dort versammelt gewesenen Herren - die verstehen auch ein bißchen vom Straßenbau - war: Nein, das können wir uns nicht leisten. Das sind Herren, die ein bißchen davon verstehen, auch davon, wie Kosten-Nutzen-Analysen aussehen.
Wir brauchen mit unserem Straßennetz überhaupt keinen internationalen Vergleich zu scheuen. Kein vergleichbarer Flächenstaat in Europa hat ein so gut ausgebautes Straßenverkehrsnetz. Mit den rund 3 000 km Autobahnen, die im letzten Jahrzehnt gebaut wurden, haben wir mit unserem Straßennetz einen notwendigen und großen Sprung nach vorn getan. Das geht auch auf die Bemühungen von Herrn Leber zurück.
Heute kann mit Stolz gesagt werden: Wir haben ein fast flächendeckendes Bundesfernstraßennetz. 55 % aller Autobahnen, meine Damen und Herren, die nach dem Krieg gebaut wurden, sind in den Jahren zwischen 1970 und 1980 gebaut und in Betrieb genommen worden.
({0})
- Sie wurden natürlich vorher geplant. Aber in dem genannten Zeitraum wurden sie gebaut. Auch das, was jetzt geplant wird, wird erst später gebaut. Das ist völlig selbstverständlich. Lassen Sie uns doch nicht über Selbstverständlichkeiten streiten!
Fast alle Nord-Süd-Magistralen, zum Teil in sechsspuriger Bauweise - ich denke etwa an die Strekken Köln-Frankfurt oder Nürnberg-München -, sind jetzt fertiggestellt. Als letzte wichtige Maßnahme fehlt noch die Verbindung zwischen Würzburg und Ulm.
Aber wir sollten bei der Betrachtung der Straßenbauleistungen nicht nur auf die Quantität, sondern verstärkt auch auf die Qualität schauen.
({1})
Was bedeutet es z. B., wenn in den letzten zehn Jahren rund 1 200 km zusätzliche Fahrstreifen an den Bundesautobahnen gebaut wurden? Es bedeutet ein Mehr an Sicherheit und auch ein Mehr an Wirtschaftlichkeit. Heute sind an vielen Steigungsstrekken ausreichende Fahrstreifen vorhanden, die es ermöglich, langsamere Fahrzeuge zu überholen. Damit ist nicht nur eine der wesentlichen Unfallursachen in unserem Land beseitigt, sondern wird auch die unnötige Energieverschwendung im Stau herabgesetzt. Zudem haben sich die Fahrzeiten verkürzt.
Eines der wichtigsten Bauprojekte der letzten fünf Jahre war die Verbreiterung der Autobahn von Nürnberg nach München auf sechs Fahrstreifen. Diese Strecke hat in den Ferienreisezeiten sehr oft Schlagzeilen gemacht, mehr, als uns allen lieb war.
({2})
Nach dem Ausbau kann auch hier der Verkehr flüssiger vorankommen. Es ist uns gelungen, Sicherheit und Leistungsfähigkeit der Autobahnen in den letzten Jahren - das ist völlig unbestreitbar - entscheidend zu verbessern.
In den letzten zehn Jahren ist das Unfallrisiko, gemessen an Unfällen mit Personenschäden, bezogen auf die gefahrenen Kilometer - dies als Maßstab genommen -, auf unseren Autobahnen um über die Hälfte gesunken. Dies ist zweifellos ein Erfolg.
Dennoch kann und will ich mich mit den Zahlen nicht zufriedengeben. Ich glaube, wir sind alle miteinander aufgerufen, weiterhin alle Anstrengungen zu unternehmen, um die Sicherheit auf unseren Straßen zu verbessern.
Hinter den rund 6,8 Milliarden DM für den Straßenbau im Jahre 1980 verbergen sich auch reale Wirkungen auf die Wirtschaft und auf die in dieser Industrie Beschäftigten. Von diesem Betrag wurden 5,9 Milliarden DM für Investitionen aufgewendet. Das bedeutet, daß rund ein Drittel der Arbeitsplätze in der Straßenbauwirtschaft durch den Bundesfernstraßenbau gesichert wurde, und das wiederum ist fast die Hälfte aller Beschäftigten im Straßenbau. Es ist also auch ein erheblicher Beitrag zur Sicherung von Arbeitsplätzen geleistet worden.
Bei aller Befriedigung über das Erreichte können wir nicht die Augen davor verschließen, daß sich der Straßenbau in Zukunft nicht mehr in dem Tempo fortsetzen kann, wie er sich in den letzten Jahrzehnten in der Bundesrepublik entwickelt hat. Angesichts des erreichten Ausbaustandards, angesichts der dringend notwendigen Politik des „Weg vom 01", angesichts der Probleme im Bereich des Umweltschutzes, angesichts der doch mit Händen zu greifenden Gefahren der Zerstörung noch vorhandener zusammenhängender Naturgebiete kann das Straßennetz nicht endlos weiter ausgebaut werden. Hier sind Grenzen erreicht.
Aber auch die aktuelle Finanzsituation muß gesehen werden. Der Verkehrshaushalt kann nicht von der Konsolidierung des Bundeshaushalts ausgenommen werden. Wenn die Opposition bei der Diskussion des Straßenbauberichts 1980 im Verkehrsausschuß die Reduzierung der Straßenbaumittel für unvertretbar hält, so ignoriert sie einerseits die veränderten Rahmenbedingungen für die 80er Jahre, sie ignoriert den hervorragenden Ausbaustandard unseres Bundesfernstraßensystems; und andererseits steht die Forderung - Herr Topmann hat schon darauf hingewiesen - nach Erhöhung der Ansätze für Bundesfernstraßen und damit nach ei3808
ner Erhöhung des Plafonds im Widerspruch zu der mehrfach bekundeten Absicht der Opposition, keine ausgabenerhöhenden Forderungen zu stellen.
Es fragt sich, wie glaubwürdig diese Forderung eigentlich ist. Wie sehen denn überall dort, wo Sie in den Ländern Verantwortung tragen - die Länder machen ja auch erhebliche Straßenbaumaßnahmen -, die Finanzzahlen aus? Ich habe mir das einmal zusammentragen lassen. Ich will nur ein einziges Land nennen, ein unionsregiertes Land. Ich nehme einmal Baden-Württemberg. Ich vergleiche jeweils die Sollzahlen, damit die Zahlen unmittelbar vergleichbar sind.
Baden-Württemberg hat bei den Ausgaben für Landesstraßen 1979 ein Soll von 649 Millionen DM, 1980 ein Soll von 566 Millionen DM, 1981 ein Soll von 465 Millionen DM.
({3})
Das ist ein Rückgang um sage und schreibe 28,3 % in drei Jahren, meine Damen und Herren. Die Vergleichszahl des Bundes lautet 6,7 %. Wenn Sie also Klage führen, dann sorgen Sie bitte dort, wo Sie Verantwortung tragen, dafür, daß das, was Sie hier fordern, wenigstens dort eingehalten wird!
({4})
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Milz?
Bitte schön, Herr Milz.
Herr Minister, hätten Sie die Güte, uns auch die Zahlen für das sozialdemokratisch regierte Land Nordrhein-Westfalen in der gleichen Deutlichkeit einmal vorzutragen?
Das kann ich sehr gern. Ich kann Ihnen auch gern alle Zahlen zur Verfügung stellen. Die Reduktion in NordrheinWestfalen ist etwa halb so hoch wie in Baden-Württemberg.
({0})
Wir können die Zahlenspielereien gern fortsetzen. Ich sage Ihnen nur: Wenn Sie hier etwas fordern und sagen, auch angesichts der schwierigen Finanzsituation ist es unvertretbar, was im Straßenbau passiert, dann sorgen Sie bitte in den Ländern, wo Sie Verantwortung tragen, dafür, daß das wenigstens dort eingehalten wird.
({1})
Sonst entdeckt man nämlich, daß das, was Sie hier machen, Schau ist und nichts mehr mit verantwortlicher Politik zu tun hat.
({2})
Das ist der Punkt, auf den es mir ankommt.
Herr Bundesminister, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?
Herr Minister, wenn Sie von der Finanznot reden - die wir nicht bestreiten -, sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß wir es uns dann insgesamt alle etwas leichter gemacht hätten, wenn Sie von dieser Finanznot, die vor einem Jahr schon da war, bereits damals gesprochen hätten?
Ich komme auf das Problem gleich zurück, weil Sie mir den Vorwurf gemacht haben, ich würde die Gesetze nicht achten. Das verlangt eine Antwort. Ich werde darauf kommen.
Der Bundesverkehrswegeplan 1980 ist nach wie vor die Grundlage der Verkehrswegeplanung, Herr Kollege Milz. Ich möchte Sie herzlich darum bitten, daß Aussagen, die ich in völlig unmißverständlicher Weise im Verkehrsausschuß des Deutschen Bundestages gemacht habe, von Ihnen auch in der Plenardebatte zur Kenntnis genommen werden.
({0})
Es gibt überhaupt kein Deuteln an den Festlegungen des Bedarfsplanes. Sie können doch nicht bestreiten, daß wir dort ein Projektvolumen definiert haben, das eine Größenordnung von 63 Milliarden DM hat. Und in § 1 dieses Bedarfsplanes steht: Das wird in den nächsten zehn Jahren verwirklicht.
({1})
Tatsache ist, daß der Finanzrahmen so aussieht, daß wir für diesen Zeitraum bei der Verabschiedung des Gesetzes 43 Milliarden DM zur Verfügung hatten, und nach heutigen Zahlen sind es 31,5 Milliarden DM.
({2})
Diese Situation, daß wir einen Finanzrahmen haben - ({3})
- Was ist los, Herr Schulte, daß Sie sich so aufregen?
({4})
- Lesen Sie den § 1, dann unterhalten wir uns weiter! Offensichtlich kennen Sie das Gesetz, das Sie mit verabschiedet haben, gar nicht.
Wir stehen im Bundesfernstraßenbau deswegen für die 80er Jahre vor einer Akzentverschiebung. Wir werden künftig verstärkt Substanzerhaltung und Qualitätsverbesserung im vorhandenen Netz betreiben müssen. Wir werden die Verkehrssicherheit noch weiter verbessern müssen. Hierzu sollen die Bundesautobahnbetriebsstrecken weiterhin durch Verbreiterung und durch Anbau von Standspuren den Anforderungen angepaßt und auch modernisiert werden.
In der Bundesfernstraßenplanung wird der Bau von Ortsumgehungen ein wesentlicher Schwerpunkt sein, und ich bin sehr dankbar dafür, daß die Probleme, die dabei entstanden sind, sehr offen und ausführlich dargestellt worden sind und daß insbesondere der Kollege Topmann darauf hingewiesen hat, wo hauptsächlich die Ursache für die Schwierigkeiten liegt.
Einen weiteren Schwerpunkt werden wir nach wie vor auf die Beseitigung von Eisenbahnkreuzungen legen, und auch der Bau von Radwegen wird ein Schwerpunkt sein. Wenn Sie, Herr Kollege Milz, das hier anmahnen, wäre es ganz gut, wenn Sie auch dort die schlichten Zahlen und Fakten erwähnen würden. Wir haben zur Zeit an 22 % der Bundesstraßen Radwege. Wir haben an 8 % der Landesstraßen Radwege, und wir haben an 6 % der Kommunalstraßen Radwege. Das heißt, hier gibt es ein klares Gefälle. Trotzdem stehe ich dazu: Noch in diesem Jahr wird der Bundesradwegeplan vorgelegt werden, weil ich das, was mir kürzlich in einer befreundeten Familie vorgekommen ist, für eine bedenkliche Geschichte halte; dadurch ist mir erst klargeworden, was für Probleme damit verknüpft sind. Da haben Eltern ihre Kinder eine mehrwöchige Radtour nicht antreten lassen, weil sie befürchteten, daß der Zustand auf unseren Straßen das nicht ermöglicht. Deswegen muß in der Investitionspolitik ein weiterer Schwerpunkt der Ausbau eines Bundesradwegenetzes sein, ohne daß wir uns der Illusion hingäben, daß dies die Verkehrsprobleme insgesamt lösen könnte.
({5})
Aber bei all dem müssen wir die Möglichkeiten der vor uns liegenden Jahre realistisch einschätzen. Deshalb habe ich die Stufe I des Bedarfsplanes für die Bundesfernstraßen in die Baustufen I a und I b aufgeteilt, um das, was als Bedarf definiert ist, mit dem in Übereinstimmung zu bringen, was auch tatsächlich finanzierbar ist. Denn heute kann niemand mehr davon ausgehen, daß die Stufe I vor dem Jahr 2 000 verwirklicht werden könnte. Die Baustufe I a enthält dagegen die Projekte, die bis 1990 planungsrechtlich realisiert und finanzwirtschaftlich gesichert begonnen werden können.
Die Arbeiten zur Unterteilung der Stufe I, soweit sie das Bundesverkehrsministerium betreffen, sind abgeschlossen. Die Ergebnisse habe ich dem Verkehrsausschuß und dem Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages ja am 26. Oktober zugeleitet, und auch die Länder haben die Unterlagen bekommen. Ich habe dem Bundestag meine Grundüberlegungen hierzu bereits zu einem Zeitpunkt dargelegt und begründet, der es möglich macht, daß ich mich im Augenblick sehr kurz fasse.
Wir wollen nur Projekte fördern, die wir auch finanzieren können. Damit werden Bauruinen und zu hohe Kapitalbindungen vermieden. Herr Kollege Milz, das ist doch das eigentliche Problem: daß dann, wenn wir nicht die Kraft haben, zu sagen, es ist nicht alles, was in Stufe I steht, in den nächsten 10 Jahren realisierbar, die riesengroße Gefahr besteht, daß Bauvorhaben begonnen werden und daß Kapital gebunden wird, ohne daß ein Verkehrswert entsteht.
Wer sich gegen die Unterteilung in I a und I b wendet, der plädiert im Grunde genommen - lassen Sie mich das mit aller Schärfe sagen - nicht nur dafür, daß den Bürgern Sand in die Augen gestreut wird, sondern auch dafür, daß Steuergelder verschleudert werden. Das ist der Kernpunkt!
({6})
Wir wollen für die persönlichen Entscheidungen der Bürger mehr Sicherheit geben. Da werden wir mehr Bürgerbeteiligung brauchen. Ich meine auch nicht, daß Bürgerinitiativen Entscheidungsträger sind, aber wir brauchen mehr Bürgerbeteiligung, und zwar von Anfang an, von der Bedarfsfeststellung über die Linienführung bis zur Vorbereitung der Planfeststellung; in der Planfeststellung selbst gibt es dann j a einen rechtlichen Anspruch. In allen vorlaufenden Phasen müssen die Bürger stärker beteiligt werden, und deswegen haben wir von seiten des Bundes entsprechende Vorschriften gemacht. Das halten wir für erforderlich.
Wir brauchen auch mehr Sicherheit für die Investitionsentscheidungen von Kommunen und Wirtschaft, damit es ein realistisches Bauprogramm gibt, damit Orientierungshilfen da sind.
Wie Sie mich im Zusammenhang mit den Konjunkturprogrammen zitiert haben, das ist völlig falsch. Es kommt darauf an - da bin ich mir völlig einig mit der IG Bau-Steine-Erden und mit dem Hauptverband des Baugewerbes -, daß das Auf und Ab in der Straßenbaupolitik aufhört und daß wir eine kontinuierliche realistische Investitionsplanung haben.
({7})
({8})
Deswegen haben wir die Unterteilung vorgenommen. Das ist der Punkt, um den es jetzt geht.
Wir wollen bei der Entwicklung der Bundesverkehrswegeplanung auch stärker berücksichtigen, daß der öffentliche Personennahverkehr einen Nachholbedarf hat. Deshalb zielt unsere Akzentverschiebung auf diesen Investitionsschwerpunkt. Für die 80er Jahre sehe ich deutliche Wachstumsraten im Bereich der Investitionen im Streckennetz der Deutschen Bundesbahn und des öffentlichen Personennahverkehrs. Deswegen steigt im Entwurf des Haushalts 1982 der Ansatz für den öffentlichen Personennahverkehr um über 9 %, obwohl insgesamt im Verkehrsbereich kein Wachstum da ist. Ich halte dies verkehrspolitisch, energiepolitisch und umweltpolitisch für vernünftig.
Für die Bauwirtschaft, für die Beschäftigungssituation im Bausektor sehe ich Probleme, es gibt aber keinen Grund zur Schwarzmalerei. Nach wie vor - Herr Kollege Topmann hat schon darauf hingewiesen - ist der Verkehrshaushalt der größte Investitionshaushalt des Bundes mit rund 12 Milliarden DM. Unter den Rahmenbedingungen der wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes, unter den Gesamtbedingungen des Haushaltes ist die Aufrechter3810
haltung eines Investitionsvolumens von 12 Milliarden DM im Verkehrshaushalt der Jahre 1980/81 und nunmehr auch des Jahres 1982 aus meiner Sicht als ein Erfolg zu werten.
Im Endeffekt ist es dabei für die Beschäftigungssituation der Bauindustrie unerheblich, ob die Investitionsmittel für einen Tunnel im Eisenbahnbau oder im Straßenbau ausgegeben werden. Hier gibt es durchaus Möglichkeiten, mit vergleichbaren Maschinen und Apparaturen zu arbeiten. Man sollte da nicht so extreme Beispiele wählen, wie Sie es getan haben, Herr Kollege Milz. Das hilft nicht weiter.
Im Gegenteil, wenn man einmal den Arbeitsmarkteffekt sorgfältig betrachtet, ist unbestreitbar, daß die Bauprojekte im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs, bezogen auf die Investitionssumme, mehr Menschen Arbeit bieten, als wenn man die gleiche Summe für Autobahnbauten einsetzt. Dies gilt ebenfalls für Ausbaumaßnahmen am Bundesstraßennetz. In der Vergangenheit haben wir gebannt auf die Engpässe im Straßennetz gestarrt und geglaubt, die Hauptantwort bestehe im Neubau von weiteren Strecken. Wir haben nicht ausreichend gesehen, daß in anderen Verkehrszweigen noch Kapazitätsreserven stecken und daß wir sie durch Verknüpfen der verschiedenen Verkehrsträger, der verschiedenen Verkehrssysteme besser erschließen, daß wir sie mobilisieren müssen. Heute sind die Nahtstellen zwischen den einzelnen Verkehrsträgern noch die Schwachstellen im Gesamtverkehrssystem. Hier müssen wir den Hebel ansetzen, um Kapazitätsreserven zu aktivieren. Wir müssen die Straße besser mit den anderen Verkehrsträgern, den anderen Verkehrsmitteln verknüpfen.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir eine Schlußbemerkung. Das Bundesfernstraßennetz hat einen hohen Stand erreicht. In den kommenden Jahren wird es sicher noch wachsen müssen, es wird sicherer werden müssen, vor allen Dingen wird es leistungsfähiger werden müssen. Dabei geht Ausbau vor Neubau. Diese Notwendigkeiten dürfen uns aber nicht den Blick für den Strukturwandel versperren, der sich abzeichnet und dem wir nicht ausweichen dürfen. Im Vergleich aller Verkehrswege besteht ein Nachholbedarf der Schiene. Mit Recht gehen wir im Straßenbaubereich davon aus, daß wir unsere Investitionsmaßnahmen in der Vergangenheit am Bedarf der Zukunft orientieren mußten. So ist in diesem Land Straßenbaupolitik erfolgt. Deswegen haben wir ein Straßennetz, das sehr stark an den Bedürfnissen der Zukunft orientiert ist. Wir haben aber ein Schienennetz, das im wesentlichen auf Investitionen zurückgeht, die 50, 60, 70 Jahre zurückliegen. Deswegen müssen dort neue Schwerpunkte gesetzt werden.
({9})
Wir müssen auch erkennen, daß - dies ergibt sich bei einer Abwägung der einzelnen Verkehrsträger - der große Nachholbedarf im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs liegt. Deswegen haben
wir dort auch einen Schwerpunkt in unseren Haushaltsentscheidungen gesetzt. - Herzlichen Dank.
({10})
Das Wort hat der Abgeordnete Hinsken.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der bisherige Verlauf dieser Debatte zum Straßenbaubericht 1980 zeigt wieder einmal die Kurzatmigkeit der Bundesregierung und der Koalition auch in der Straßenbaupolitik. Im Gegensatz zu Ihnen, Herr Verkehrsminister Hauff, möchte ich feststellen, daß hier nichts von Kontinuität, nichts von Verläßlichkeit und nichts von Realitätssinn vorhanden ist. Ich komme im Verlauf meiner Rede noch etwas genauer darauf zu sprechen.
({0})
Gestern war ein 20 000-km-Autobahnnetz die Modeschau Ihrer Straßenverkehrspolitik. Heute betreiben Sie Räumungsverkauf im Stil eines billigen Jakob.
({1})
Wer sich auf die Straßenbauplanungen dieser Bundesregierung verlassen hat, ist heute in der Tat der Verlassene. Mancher Unternehmer, der auf der Basis Ihrer Planungen investiert hat, steht heute leider vor der Pleite. Die Beschäftigten der Branche stehen im wahrsten Sinne des Wortes auf der Straße. Bürger in vielen Städten und Gemeinden, denen durch konkrete Straßenplanungen die Beseitigung von Verkehrsengpässen, von Lärmbelästigungen und Abgasen versprochen wurde, werden jetzt mit diesen Problemen auf die 90er Jahre vertröstet oder gehen ganz leer aus. Sie von der SPD und von der FDP bemühen sich nicht einmal mehr um glaubhafte und plausible Argumente für die politischen Bocksprünge in der Straßenbaupolitik von einem Extrem in das andere.
({2})
- Herr Topmann, ich komme noch genauer auf Sie zu sprechen. Ich werde Ihre Widersprüche aufdekken und darüber hinaus unsere Meinung zu verdeutlichen versuchen.
({3})
Da gibt es einige in Ihren Reihen - ich hoffe, Sie gehören zu diesen -, die zwar nach wie vor den Bedarf im Straßenbau anerkennen, so wie in der letzten Fortschreibung im Jahre 1980 vom Parlament durch Gesetz festgestellt wurde, die dann aber auf die leeren öffentlichen Kassen verweisen und damit den Ausstieg der Bundesregierung aus dem Straßenbau begründen. Die anderen in Ihren Reihen - allen voran Verkehrsminister Hauff - stellen den erst im vergangenen Jahr - dies war ja schließlich vor den Wahlen - neu ermittelten Bedarf selbst wieder in Frage.
({4})
Wie ein Wanderprediger zieht der Herr Verkehrsminister unentwegt durch die Lande und redet von den
geänderten Wertvorstellungen der Bürger, die angeblich keine neuen Straßen und kein besseres Straßennetz mehr wollen. Mit öffentlichen Erklärungen in diesem Stil laden Sie, Herr Bundesverkehrsminister, meines Erachtens den Finanzminister geradezu dazu ein: Bitte nehmen Sie mir das Geld für den Straßenbauweg; ich brauche es überhaupt nicht. ({5})
Hier liegt für die CDU/CSU, für meine Fraktion, der Kern des Übels in der Straßenbaupolitik dieser Bundesregierung. Es geht nicht darum, daß wir in einer schwierigen Situation der öffentlichen Kassen auch im Straßenbau sparen und Opfer bringen müssen; es geht vielmehr darum, daß der Bundesverkehrsminister den Straßenbauetat des Bundes mutwillig zur Reservekasse der Nation macht.
In den vergangenen Wochen und Monaten sind Ihnen, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, so wie mir zahlreiche Briefe aus allen Teilen der Bundesrepublik Deutschland zum Straßenbau vor Ort zugegangen. Vorgestern erreichte Sie und mich ein solches Schreiben aus Kirchhain in Hessen. Ich war noch nie dort und wußte bis gestern nicht genau, wo dieser Ort überhaupt liegt. Bürger dieser Stadt aus allen Schichten der Bevölkerung wenden sich mit einigen tausend Unterschriften flehend an uns, mitzuhelfen, daß der Bau der Ortsumgehung durchgeführt wird, damit - ich zitiere - „das Leben in Kirchhain wieder Freude macht". Dies ist nur ein Beispiel für viele andere in ähnlicher Situation.
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Hier werden konkret Wertvorstellungen zum Ausdruck gebracht, daß nämlich der Durchgangsverkehr aus dem Ort verlagert werden soll, damit für Kinder und Erwachsene die Wege wieder sicherer werden, damit der Lärm abnimmt und die Abgase vermindert werden, kurz gesagt, damit das Leben in diesem Ort wieder ungetrübt Freude macht. Ich bin froh darüber, daß Sie nicht in diesem hessischen Ort wohnen, und ich hoffe, daß Sie auf Ihre hessische Landesregierung Einfluß nehmen, daß sie bei Bundesverkehrsminister Hauff vorstellig wird, um zu erreichen, daß diese Ortsumgehung mit einbezogen wird. Dafür wäre ich Ihnen von ganzem Herzen dankbar, Herr Topmann.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich blätterte sodann in der neuen Straßenplanung
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von Herrn Minister Hauff und stellte fest, daß die Ortsumgehung von Kirchhain für die 80er Jahre - wie so viele andere auch - gestrichen ist. Das ist eine von vielen Maßnahmen, von denen Verkehrsminister Hauff offenbar glaubt, sie entsprächen den neuen Wertvorstellungen der Bürger.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Straßenbaubericht 1980 enthält viele schöne Worte. Tatsache aber ist, daß in diesem Jahr im gesamten Bundesgebiet - ich muß diese Zahl wiederholen, auch wenn sie von meinem Kollegen, Herrn Milz,
schon genannt worden ist - nur noch ganze 17 Ortsumgehungen neu in Angriff genommen werden können; das sind nicht einmal 4 % der ursprünglich vorgesehenen Finanzmittel, Herr Bundesverkehrsminister. Hier wird deutlich, wie sehr sich der Bundesverkehrsminister in die Rolle des Zauberlehrlings manövriert hat: Die Geister, die er hier im Autobahnbau rief, wird er in allen Bereichen der Straßenbaupolitik nicht mehr los. Hier wird deutlich, daß dem Bürger - wie seit 1969 gang und gäbe - viel versprochen und vorgegaukelt wird, doch gehalten wird letztendlich nichts.
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Minister Hauff will dem Bau von Ortsumgehungen erste Priorität einräumen; so jedenfalls seine Propaganda. Ich habe es j a vorhin hier an Ort und Stelle noch einmal verdeutlicht. Aber wenn sogar hier die Mittel fehlen, dann zeigt das, wohin die Straßenbaupolitik dieser Bundesregierung wirklich führt.
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Aus der realen Not eine ideologische Tugend machend, tritt der Bundesverkehrsminister immer wieder mit seiner Parole an die Öffentlichkeit, das Straßenbaunetz sei - so haben Sie auch vorhin gesagt - komplett, die Bürger hätten neue Wertvorstellungen, es dürfe nicht alles zubetoniert werden. Meine sehr verehrten Anwesenden, diese Erkenntnisse muten an wie Hauffs Märchen oder „So-da-Märchen", wie Herr Kollege Milz vorhin spaßhaft vermerkt hat.
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Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, meine Fraktion, die CDU/CSU-Fraktion, verkennt nicht, daß viele Bereiche unseres Landes schon über ausreichende Straßenverbindungen verfügen. Es gibt Bereiche, in denen sich auch der geübte Autofahrer im dichten Autobahnnetz verirren kann. Ihre Aussage aber, Herr Merker, vom Zubetonieren der Landschaft, möchte ich entschieden zurückweisen. Denn es gibt verschiedene Regionen, vor allem periphere ländliche Gebiete - ich denke hier vor allen Dingen an Ostbayern, ich denke an das Emsland, ich denke an das Zonenrandgebiet -, die sehnlichst darauf warten, durch gut ausgebaute Straßen wirtschafts- und gesellschaftspolitisch erschlossen zu werden.
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Im übrigen meine ich auch verdeutlichen zu müssen, daß Kollege Milz mit fundierten Zahlen gearbeitet hat, die im Straßenbaubericht 1980 nachgelesen werden können. Die 115,6 %, Herr Kollege Topmann, die Sie beim Bundesfernstraßenbedarfsplan, beim Bundesfernstraßenausbau als Ersatz für die 63,6 % bei den Autobahnen, die nicht gebaut wurden, genannt haben, sind doch eine Milchmädchenrechnung. Wollen Sie denn den Bürger draußen, der auf diese Autobahn sehnlichst wartet, jetzt mit Bundesfernstraßen abspeisen und sagen: Dies ist unsere große Leistung? Oder sind Sie bereit, den Straßenbe3812
darfsplan so zu vollziehen, wie er im letzten Jahr beschlossen wurde?
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Meine sehr verehrten Anwesenden, ich meine, daß dies gerade auch mit Blick auf die Standortwahl von Industrie- und Gewerbebetrieben besonders wichtig ist. Diese brauchen nämlich gute Verkehrsbedingungen; das spielt für sie bei der Ansiedlung eine gewaltige Rolle. Dazu, daß es außer Straßen in diesen Regionen kaum noch alternative Verkehrsinfrastrukturen gibt, hat die Verkehrspolitik der Bundesregierung wesentlich mit beigetragen. Die Bürger in diesen Gebieten haben, so meine ich, nach 32 Jahren Bestehen der Bundesrepublik Deutschland ein Recht darauf, einigermaßen gleichwertige Verkehrsverhältnisse zu bekommen,
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wie sie in anderen Regionen seit Jahren selbstverständlich sind.
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Ein weiterer Gesichtspunkt ist für mich, daß überproportional hohe Unfallzahlen in diesen Regionen verringert werden können, die häufig mit auf die schlecht ausgebauten Straßen zurückzuführen sind.
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Straßenverkehrsunfälle, meine sehr verehrten Damen und Herren, bedeuten in erster Linie viel menschliches Leid. Sie bedeuten aber auch beträchtliche gesamtwirtschaftliche Folgekosten. Nach neuesten Schätzungen der Bundesanstalt für das Straßenwesen belaufen sich diese Kosten auf etwa 33,5 Milliarden DM jährlich. Straßenbaupolitik muß unseres Erachtens immer auch im Zusammenhang mit den gesamtwirtschaftlichen Folgekosten auf Grund der Unfallhäufigkeit im Straßenverkehr gesehen werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Verkehrsbelastung des Staßennetzes in der Bundesrepublik Deutschland ist im internationalen Vergleich - hier möchte ich Sie teilweise korrigieren, Herr Verkehrsminister - extrem hoch und erreicht beispielsweise das Zwei- bis Dreifache des Wertes, den unsere Nachbarländer Frankreich und Holland haben.
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Dabei muß noch berücksichtigt werden, daß die Prognosen bis 1990 ein weiteres beachtliches Anwachsen des Straßenpersonenverkehrs und Straßengüterverkehrs - also noch mehr Autos auf den Straßen - voraussagen. Für den Straßengüterverkehr ergebe sich die Konsequenz, daß bei noch stärkerer Belastung des Straßennetzes zusätzliche Zeitverluste und höhere Transportkosten nicht vermeidbar wären.
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Verkehrsminister Hauff fordert den Vorrang der Substanzerhaltung und Modernisierung des vorhandenen Straßennetzes.
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Gleichzeitig streicht er aber 3 % der Mittel für Straßeninstandhaltung, obwohl bereits heute - ich bitte Sie, zuzuhören - die Mittel für Instandhaltungsmaßnahmen an der untersten, kaum noch vertretbaren Grenze liegen.
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Schon kurzfristiges Aussetzen von Instandhaltungsarbeiten verursacht zusätzliche Schäden, deren Behebung später ein Vielfaches kosten wird. Bund, Ländern und Gemeinden fehlen nach Schätzungen der Deutschen Straßenliga allein in diesem Jahr rund 3 Milliarden DM für Instandhaltungsarbeiten. Allein auf kommunaler Ebene sind bei den Mitteln für die Instandhaltung von Straßen Streichungen von bis zu 10 % festzustellen.
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- Kollege Merker, wenn Sie sagen, hier seien die Länder gefordert, hier seien die Gemeinden gefordert, sage ich: Das wäre gut und recht, aber die Investitionsschwäche aller Baulastträger, bezogen auf notwendige Instandhaltungsmaßnahmen, geht doch weitgehend auf das Konto des Bundes,
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und zwar erstens direkt durch Mittelkürzungen und zweitens indirekt durch eine verfehlte Haushaltssanierungspolitik, die die Lasten insbesondere im Sozialbereich auf Gemeinden und Länder verlagert und damit die Investitionsspielräume weiter einengt. Das sind die Fakten. Hier schließt sich, so meine ich, der Teufelskreis einer verfehlten Investitions- und Haushaltssanierungspolitik.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, unser Land - das haben wir gestern bei der Debatte ausgiebig zur Kenntnis nehmen können; draußen spürt man es tagtäglich - befindet sich zur Zeit in der größten Rezession seit 25 Jahren. Insolvenzen in bisher noch nicht bekannter Höhe müssen beklagt werden. Viele Arbeitsplätze sind auch in der Tiefbauwirtschaft verlorengegangen. Der Bundeskanzler gibt in Fernsehinterviews - wie dem am letzten Dienstag - ich habe es selbst gesehen - u. a. zu verstehen, daß er die Sorgen der Gewerkschaften über die Arbeitslosigkeit auch in der Bauwirtschaft verstehe. Meine sehr verehrten Anwesenden, ich möchte die Frage stellen: Weiß denn der Bundeskanzler nicht, daß beim Straßenbau zu zwei Dritteln die öffentliche Hand der Auftraggeber ist? Wissen denn der Bundeskanzler und sein Verkehrsminister nicht, daß durch diese fehlenden Aufträge die Existenz vieler mittelständischer Unternehmer und der Arbeitsplätze ihrer Mitarbeiter gefährdet ist?
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- Danke für den Hinweis.
Allein die kurzfristige Reduzierung aller investiven Straßenbaumittel um real 2 Milliarden DM hat
gegenwärtig einen Auftragsrückgang von rund 27 % gegenüber dem Vorjahresniveau zur Folge. Wir müssen einen Verlust von 80 000 Arbeitsplätzen in diesem Wirtschaftsbereich einschließlich Vor- und Nachrüstungsbereichen befürchten - und das angesichts geschätzter 1,6 Millionen Arbeitsloser in diesem Jahr.
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Die CDU/CSU hat die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen frühzeitig gewarnt. Wir hörten jedoch als Antwort nur, wie hervorragend und beispielhaft dieses deutsche Straßennetz sei. Herr Verkehrsminister, Sie sind intensiv darauf eingegangen. Wir hörten von Schwerpunktverlagerungen im Straßenbau, die eine Reduzierung der investiven Mittel erlauben würden. Hinter solchen Formulierungen verbirgt sich jedoch ein immer größer werdendes Dilemma, das Sie, meine Kollegen von der SPD und der FDP, mit zu verantworten haben. Unsere Bürger draußen wollen ein umweltfreundliches Straßennetz.
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Sie wollen sicher zu Fuß gehen können. Sie wollen sicher mit dem Fahrrad fahren können. Sie wollen aber auch sicher sowie sparsam und zügig mit dem Auto fahren können. Aus dem Straßenbaubericht 1980 wird deutlich, daß Sie dabei sind, die Voraussetzungen hierfür zu zerstören.
Die Bocksprünge der Bundesregierung in der Straßenbaupolitik von einem Extrem in das andere macht meine Fraktion, die CDU/CSU, nicht mit.
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Wir haben Ihr „modernes Deutschland" von gestern mit 20 000 km Autobahn nicht mitgemacht. Wir machen auch Ihre heutige Demontage des Straßenbaus nicht mit; denn die bedenklichen Folgen dieser Politik liegen meiner Meinung nach schon heute klar auf der Hand.
Erstens. Der Bundesverkehrsminister hat sich durch seine Straßenbaupolitik um jede Chance gebracht, ein Verkehrslärmschutzgesetz in absehbarer Zeit verwirklichen und finanzieren zu können.
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Zweitens. Es sind die berechtigten Belange des Umweltschutzes, die den heutigen Straßenbau in Unterhaltung, Erneuerung, Neu- und Ausbau um ein Vielfaches teurer machen.
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- Konzentrieren Sie sich bitte auf meine Ausführungen. Das Licht leuchtet schon.
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Ich möchte Ihnen trotzdem noch einiges für Ihr weiteres Leben mit auf den Weg geben.
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- Auch Ihnen, Herr Wehner, wenn Sie sich auch unter Umständen mit der Straßenbaupolitik noch nicht so beschäftigt und befaßt haben, wie es an sich der Fall sein sollte. Sicher, Strauß versteht hiervon mehr als Sie und kümmert sich auch intensiver um die Probleme der Bürger draußen im Lande.
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Wer den Straßenbau in einer Weise kappt, wie es diese Bundesregierung tut, verbaut wesentliche Chancen einer zielstrebigen Umweltpolitik.
Drittens. Es ist insbesondere die regionale Erschließung, die im Fernstraßenbau nicht abgeschlossen ist. Die CDU/CSU ist deshalb nicht bereit, unsere Gesellschaft hinsichtlich Freizügigkeit und Mobilität in eine Gesellschaft erster und zweiter Klasse einteilen zu lassen. Diese Bundesregierung hat wie auf vielen anderen Gebieten auch in der Straßenbaupolitik versagt und somit auch hier das Vertrauen in der Öffentlichkeit verspielt.
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Das Wort hat der Abgeordnete Kretkowski.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe sicherheitshalber gerade noch einmal in die Tagesordnung geschaut und mich vergewissert, daß tatsächlich der Punkt „Straßenbaubericht 1980" auf der Tagesordnung steht.
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Wer nämlich heute der Debatte aufmerksam gefolgt ist, wird den Eindruck gewonnen haben, daß jeden-falls von seiten der Opposition zu diesem Tagesordnungspunkt keine Ausführungen gemacht worden sind.
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Er muß im Gegenteil den Eindruck gewonnen haben, daß Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, diesen Bericht lediglich als Vehikel benutzen wollten, um hier eine politische Show abzuziehen.
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- Ich habe den Eindruck, daß gerade der Kollege Hinsken den Bericht nicht gelesen hat; sonst hätte er diese Ausführungen hier nicht machen können.
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Man muß den Eindruck haben, daß er nicht nur diesen Bericht nicht gelesen hat, sondern daß er auch den Ausführungen des Ministers nicht zugehört hat. Hätte er das nämlich getan, hätte er hier manche Ausführungen unterlassen.
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Meine Damen und Herren, ich muß die polemischen Anwürfe, die Sie, Herr Kollege Milz, gegen
den Bundesverkehrsminister gerichtet haben, im Namen meiner Fraktion hier ausdrücklich zurückweisen.
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Bei der Diskussion hier verstricken Sie sich - wie auch andernorts - in Widersprüche.
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Ich habe die Diskussion von gestern noch im Ohr. Das ist ja geradezu gespenstisch: Auf der einen Seite fordern Sie die Bundesregierung, auf die Neuverschuldung zurückzuführen
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und deshalb zu sparen, und auf der anderen Seite lamentieren Sie hier heute, wenn auch beim Straßenbau gespart werden soll.
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Auf der einen Seite setzen Sie zur Belebung der Konjunktur auf die selbstheilenden Kräfte des Marktes, und auf der anderen Seite stellen Sie fest - so der Kollege Milz im Ausschuß -, daß der Straßenbau sich in ganz besonderer Weise für ein Konjunkturprogramm eigne.
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Dieses bleibt, meine Kolleginnen und Kollegen, solange politisches Schauturnen, solange Sie nicht bereit sind, hier in diesem Hause oder im Ausschuß auch entsprechende Anträge zu stellen. Stellen Sie doch durch Anträge die Forderung, die Straßenbaumittel zu erhöhen. Dann wären Sie in Ihrer Politik glaubwürdig.
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Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Milz?
Ja.
Herr Abgeordneter Milz.
Herr Kollege, wären Sie bereit, dem Hohen Hause mitzuteilen, daß insbesondere der FDP-Abgeordnete Riemer im Ausschuß erklärte, er sei der Meinung, daß, wenn es überhaupt ein Gebiet gäbe, auf dem derartige Programme greifen würden, dies der Straßenbau wäre?
Herr Kollege Milz, ich kann das bestätigen. Ich komme auch darauf zurück. Sie haben dem nicht widersprochen, daß auch Sie im Ausschuß zwar nicht solche Anträge gestellt, aber diese Ausführungen gemacht haben.
({0})
Lassen Sie mich im Zusammenhang mit der Beschäftigungssituation im Tiefbau gerade an die Adresse der Opposition, aber auch der Bauwirtschaft zwei Anmerkungen machen. Die erste Anmerkung: Bedarfsplanung ist keine Investitionsplanung. In dem vom Ausschußvorsitzenden und auch vom Kollegen Sick vorgelegten Bericht zum Ausbau der Bundesfernstraßen vom 6. Juni 1980 heißt es dazu ausdrücklich: „Der Bedarfsplan wird nur in dem Umfang durchgeführt, in dem Haushaltsmittel aus dem Bundeshaushalt jährlich zur Verfügung gestellt werden."
({1})
Herr Kollege, in der Gegenäußerung der Bundesregierung zum Vorschlag des Bundesrates, die Maßnahmen in der Stufe I - damit gehe ich auf Ihren Punkt ein - auch unter Berücksichtigung von Preissteigerungen innerhalb von 12 Jahren zu finanzieren, heißt es klar und deutlich: „Das Gesetz über den Ausbau der Bundesfernstraßen gilt als Planungsrahmen, ist aber kein finanzwirksames Gesetz." Das heißt doch mit anderen Worten, daß sich sowohl die Straßenbauwirtschaft als auch die Opposition, wenn fehlinvestiert worden ist, nicht auf die von der Bundesregierung vorgelegte Bundesfernstraßenbedarfsplanung berufen können.
Die zweite Anmerkung: Meine Damen und Herren von der Opposition, gerade wenn Sie für Verstetigung im Straßenbau plädieren, gerade wenn Sie die Bauwirtschaft in die Lage versetzen wollen, Investitionsplanung vorausschauend zu betreiben, dann dürfen Sie nicht gegen die Aufteilung der Dringlichkeitsstufe I in die Baustufen I a und I b sein,
({2})
weil diese Maßnahmen für mehr Klarheit und für mehr Tranzparenz auch für die Bauwirtschaft auf Bundesebene sorgt.
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Jetzt komme ich noch einmal auf die Intervention des Kollegen Milz bezüglich der Äußerungen des Kollegen Riemer zurück. Ich muß noch einmal ausdrücklich bestätigen, daß der Kollege Riemer im Ausschuß gesagt hat, daß er dafür sei, den Straßenbau in die Überlegungen mit einzubeziehen, falls ein Investitionsprogramm der Bundesregierung aufgelegt werden sollte.
({4})
So ist das gesagt worden. Auch der Kollege Merker hat in der gleichen Richtung gesagt: Wir müssen aufpassen, daß es nicht zu einem Sturzflug kommt, sondern daß sich die Entwicklung in einem Gleitflug vollzieht. - Wenn es wirklich so sein sollte, daß alle politischen Kräfte in diesem Haus dem TiefbaugeKretkowski
werbe und insbesondere denjenigen, die dort beschäftigt sind, helfen wollen, dann wird dieses Programm nicht ausgerechnet an Sozialdemokraten scheitern.
({5})
Herr Kollege Hinsken, lassen Sie sich versichern, daß der Bundeskanzler sehr genau über die Situation im Gewerbe informiert ist, nicht zuletzt, weil er nicht nur mit der Bauwirtschaft, sondern insbesondere auch mit den dort Beschäftigten spricht.
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In diesem Zusammenhang begrüßen wir Sozialdemokraten ausdrücklich die Konzeption der Bundesregierung, wie sie im Straßenbaubericht 1980 noch einmal dargelegt wurde. Wenn man unter veränderten finanziellen Rahmenbedingungen Arbeitsplätze wirklich sichern will, so ist dies der richtige Weg. Ich muß das noch einmal wiederholen. Nicht der maschinenintensive Neubau großer Fernverbindungen sichert relativ viele Arbeitsplätze, sondern die Vielzahl kleiner, natürlich auch verkehrspolitisch bedeutsamer und notwendiger Maßnahmen, wie etwa die Modernisierung und die Substanzerhaltung im bestehenden Netz, wie der Bau von Ortsumgehungen, wie die Beseitigung von Bahnübergängen, wie der Radwegebau - das Argument mit den Maschinen für den Autobahnbau, die man nicht für den Radwegebau gebrauchen kann, ist geradezu absurd, worauf der Minister schon abgehoben hat -, wie aber auch die Lärmsanierung bei den Bundesfernstraßen.
Es ist richtig, daß die Bundesregierung mit dem Bau von Ortsumgehungen einen eindeutigen Schwerpunkt gesetzt hat. Damit bauen wir Unfallschwerpunkte ab, damit vermindern wir die Umweltbelästigung, und damit beruhigen wir den Verkehr in den Ortschaften. Der Kollege Topmann hat auf die Probleme, die sich bei der Abwicklung des Programms ergeben, hingewiesen. Daraus ist deutlich geworden, daß die Schwierigkeiten im Tiefbau eben nicht allein in den fehlenden Finanzmassen begründet sind.
Wenn allerdings - das möchte ich hinzufügen - von den Planungsbehörden in diesem Zusammenhang vom Widerstand der Öffentlichkeit auch gegen Ortsumgehungsprojekte gesprochen wird, dann muß auch die Frage erlaubt sein, ob in jedem Fall ein so großzügiger Ausbau von Ortsumgehungen, wie wir ihn Tag für Tag erleben, tatsächlich notwendig ist. Ich halte nichts davon, Herr Kollege Milz, Bürgerbeteiligung als Instrument zu diskreditieren.
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Ich frage statt dessen diejenigen, die die Planungen betreiben, ob nicht in vielen Fällen bescheidenere Lösungen besser und sinnvoller wären, nicht nur aus finanziellen Gründen, sondern auch um dem Anliegen der Verkehrssicherheit und den Bedenken vieler Bürger noch mehr Rechnung zu tragen.
Eine Reihe von positiven Punkten des Berichts sollten in solch einer Debatte nicht untergehen. So
konnte den besonderen Belastungen der Bundesfernstraßen durch den Urlaubsreiseverkehr durch wirksame Maßnahmen begegnet werden. Das Fernmeldenetz und die Notrufanlagen wurden weiter ausgebaut, und die Verkehrssicherheit wurde erhöht. 122 km Schutzzäune an Bundesautobahnen gegen wildlebende Tiere wurden errichtet, und durch diese und andere Maßnahmen wurde ein wirksamer Beitrag zum Naturschutz und zur Landschaftspflege geleistet.
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- Ich weiß, das wollen Sie alles nicht hören. Aber ich sage es trotzdem.
Bei den Neubauvorhaben, die nach dem Bericht verwirklicht worden sind, wurde den Belangen des Lärmschutzes durch eine möglichst günstige Trassenwahl und durch aktive und passive Lärmschutzmaßnahmen in hohem Maße Rechnung getragen.
Ein immer größerer Teil der Bevölkerung - dies wird bei einer solchen Diskussion häufig vergessen
- fordert weniger den Ausbau unseres Fernstraßensystems als den Bau von Radwegen. Dies ist vernünftig, weil das Radfahren, so heißt es in dem Bericht, die Gesundheit fördert, die Umwelt schont und Energie sparen hilft. Die Arbeiten am Programm „Radwege an Bundesstraßen" in der Baulast des Bundes sind zwar, wie der Minister ausgeführt hat, noch nicht abgeschlossen, aber werden in Kürze vorgelegt werden können. Wir jedenfalls sind dem Bundesverkehrsminister dankbar, daß er diese Maßnahmen mit in sein Schwerpunktprogramm hineingenommen hat.
Lassen Sie mich auf einen letzten Punkt des Berichts eingehen, der bisher noch nicht vorgetragen wurde. Die Verbesserung der Anbindung von West-Berlin an das Fernstraßennetz der Bundesrepublik hat in der öffentlichen Diskussion in den letzten Jahren einen besonders hohen, nicht nur verkehrspolitischen Stellenwert gehabt. Man sollte auch in dieser Debatte, meine Damen und Herren gerade auch von der Opposition, die Sie dieses Thema immer mitdiskutiert haben, bereits sein, anerkennend zur Kenntnis zu nehmen, daß die Planungen erfolgreich durchgeführt und abgeschlossen werden konnten und daß dabei auch dem Schutz der Umwelt und der Landschaft Rechnung getragen werden konnte. Inzwischen ist ja die A 24 in Schleswig-Holstein auf ganzer Länge im Bau. Wir können nach Lage der Dinge davon ausgehen, daß sie fristgerecht fertiggestellt werden wird.
Ein Wort zum Abschluß. Wenn ein ausländischer Beobachter aus einem anderen Land Europas, ob aus dem Osten oder dem Westen Europas, diese Debatte verfolgt, dann versteht er die Welt nicht mehr. Das, was Sie hier diskutieren, stimmt wie so oft nicht mit der Wirklichkeit überein. Der Ferienurlauber, Herr Kollege Dr. Jobst, jedenfalls weiß trotz Verkehrsstaus, gerade wenn er aus dem Ausland zurückkommt
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- ich komme zum Schluß -, unser Straßensystem zu schätzen. Er wird dem Bundesminister für Ver3816
kehr zustimmen, daß wir über ein leistungsfähiges und gut ausgebautes Straßensystem verfügen.
Wir danken dem Bundesverkehrsminister für die Vorlage des Berichts, der dies noch einmal bestätigt. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird den Minister unterstützen, die insgesamt erfolgreiche Verkehrspolitik auch unter erschwerten Bedingungen fortzusetzen.
Herzlichen Dank.
({10})
Das Wort hat der Abgeordnete Rösch.
Herr Präsident! Verehrte Kollegen! Ich weiß nicht, ob die Debatte heute morgen nicht ein Stück weit zu sehr eine Schwarzweißdiskussion gewesen ist, weil wir uns eigentlich auf allen Ebenen der politischen Entscheidung im klaren darüber sind, daß die Haushaltssituation wünschenswerte Entscheidungen nicht zuläßt. Das gilt natürlich für den Bund im Zusammenhang mit dem Thema der heutigen Diskussion. Aber das gilt selbstverständlich auch für die Länder, wie z. B. im Land Baden-Württemberg vom Minister ausgeführt. Die Schwierigkeiten sind überall.
Lassen Sie mich klar sagen: Es gibt Bereiche, in denen weiterhin Straßenbau erfolgen muß und Straßen als Verkehrswege unterhalten werden müssen. Das gilt besonders für den ländlichen Bereich.
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Wir dürfen uns da überhaupt nichts vormachen: Die verkehrliche Erschließung des ländlichen Raums ist eine wichtige Aufgabe. Sie ist aus strukturpolitischen Gründen und auch deshalb notwendig, damit in diesem ganzen Bereich ein gewisser Ausgleich zwischen dem Ballungsraum und dem ländlichen Raum geschaffen werden kann. Wenn Sie die materielle Belastung ansehen, was der Straßenbau im ländlichen Raum an Aufwand kostet, und damit z. B. die Beträge vergleichen, die zum Ausgleich des Defizits von Untergrundbahnen in Großstädten oder von S-Bahnen erforderlich sind, dann bekommen Sie eine ungefähre Vorstellung von dem Zahlenverhältnis.
Aber ist es wirklich so schlimm - lassen Sie mich die Frage einmal so herum stellen -, daß die Haushaltssituation uns jetzt dazu zwingt, und schon in den vergangenen Jahren gezwungen hat, von dem einen oder anderen Straßenbauvorhaben überhaupt Abstand zu nehmen oder seine Größe oder Ausgestaltung zu reduzieren? Ist es wirklich so schlimm, daß nun teilweise diese großen Überbauungen nicht mehr stattfinden? Ist es wirklich so schlimm, daß wir abkommen müssen von dem teilweise enormen Landverbrauch, von den gigantischen Lösungen, von den großen Schleifen, die man gebaut hat, von der großen Breite, in der man manche Strecken gebaut hat, von den enormen Brücken, die man gebaut hat? Ist es wirklich ein so großer Verlust, wenn wir uns in dem Bereich jetzt ein Stück einschränken?
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Ich sage Ihnen: Nein.
Es liegt in dieser Kürzung heute und in der Zukunft auch eine große Chance zu einer geänderten Gestaltung. Lassen Sie mich das am Schluß dieser Debatte hinzufügen. Ich bin der Überzeugung, daß wir an einem Wendepunkt dieser Straßenbau- und Verkehrspolitik sind.
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- Bloß: Zu der Wende brauchen wir doch nicht Sie! Das können wir doch alles selber. Das wissen Sie doch.
Der Herr Minister hat gesagt, man solle in anderen Verkehrsbereichen, z. B. im Verkehrsbereich der Schiene, investieren. Ich erlaube mir, hinzuzufügen, daß dieser Wendepunkt auch im Bereich des Straßenbaus Ausdruck finden kann, dann nämlich,
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wenn wir bereit sind, in zwei Punkten umzudenken.
Wir sollten alle Möglichkeiten, die verkehrslenkenden Charakter haben, untersuchen, fördern und ihre Entwicklung unterstützen.
({4})
Im Grunde genommen gibt es genügend Straßen; aber das Problem ist die Verteilung des Verkehrs auf den Straßen.
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- Nein! Da bietet die elektronische Industrie - Herr Kollege Dr. Jobst, Sie sollten sich auch für diese moderne Technologie ein bißchen aufgeschlossen zeigen und nicht meinen, die Probleme mit den alten Rezepten lösen zu können - hochinteressante Konzeptionen, etwa von Geräten, die man in Autos bauen kann, oder von Verkehrszählungen an bestimmten Verkehrsknotenpunkten, Konzeptionen, die unter vielen Aspekten interessant sind, sei es unter dem Aspekt des Schutzes von Umwelt und Landschaft, sei es unter Beschäftigungsaspekten, weil dies natürlich ein Industriebereich ist, von dem man sagen kann, daß es möglicherweise in unserem Interesse liegt, in diesem Bereich zu forschen und ihn zu unterstützen.
Wir sollten ernsthaft den Versuch unternehmen, die neue Elektronik im Individualverkehr einzusetzen; denn das könnte uns im Straßenbaubereich vielleicht einige Investitionen ersparen. Das setzt natürlich voraus, daß der Einsatz dieser Elektronik in der Konzeption des Straßenbaus auf die Beseitigung von Engpässen konzentriert wird. Darauf sollte man sich in der Planung bereits heute einstellen. Ich halte das für den richtigen und notwendigen Weg; denn eine Straße ist halt immer nur so schnell, wie sie am Engpaß schnell ist. Der größte, meinetwegen sechzehnstreifige Ausbau nützt überhaupt nichts, wenn dieser Ausbau irgendwo in einen Engpaß mündet. Dann ist das Ganze nämlich für die Katz. Wenn man bestimmte Engpässe beseitigt,
wenn man sich mehr an der Engpaßbeseitigung orientiert als am Bau in der Fläche, dann wird man sagen können, daß wir uns auf dem richtigen Weg befinden. Das gilt insbesondere dann, wenn bei den Planungen die technologische Entwicklung berücksichtigt wird, wenn man bereit ist, in dieser Hinsicht neue Wege zu gehen.
Lassen Sie mich das noch einmal zusammenfassend sagen: Wir sollten eine Verkehrs- und Straßenbaupolitik betreiben, die dem Bedürfnis des ländlichen Raums nach Verkehrserschließung Rechnung trägt. Diese Politik muß zweitens aber auch von der Erkenntnis getragen werden, daß wir genügend Landschaft - in einigen Bereichen zuviel - zubetoniert, daß wir Projekte gebaut haben, die, sieht man sich die gigantischen Ausmaße an, vielleicht gar nicht so notwendig waren.
Worauf es mir bei dieser Diskussion aber insbesondere ankommt: Lassen Sie uns nicht die alten Wege gehen - Straßen, Straßen, Straßen -, sondern lassen Sie uns daran arbeiten, die neue Elektronik, die unter vielen Aspekten von Interesse ist, auf dem Gebiet des Straßenbaus nutzbar zu machen. Uns sollte daran als ein Land, das auf hochentwikkelte Technologie angewiesen ist, besonders liegen. Es ist doch ganz klar: Auf diesem Gebiet gibt es, was die Produktion angeht, für uns große Möglichkeiten in der Zukunft. Lassen Sie uns diesen Weg gehen.
Meine Bitte zum Schluß: Lassen Sie uns nicht in diese Schwarzweißmalerei verfallen. Denken Sie doch nur an folgenden Widerspruch. Die Opposition im Landtag von Baden-Württemberg greift den Verkehrsminister an - zu Recht -, weil die Landesstraßen so schlecht sind, weil im Landesstraßenbau so wenig geschieht, und das gleiche tun Sie als Opposition hier. Lassen Sie uns aus der gegebenen Situation den vernünftigen Schluß ziehen, daß in der Begrenzung, die auf Grund der Haushaltslage auf uns zukommt, möglicherweise eine Gestaltungschance für die Zukunft liegt.
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Herr Abgeordneter, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage? Sie haben noch eine Minute Zeit. - Nein.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ausschuß für Verkehr empfiehlt auf Drucksache 9/939, den Straßenbaubericht der Bundesregierung auf Drucksache 9/812 zur Kenntnis zu nehmen. Ich stelle fest, der Deutsche Bundestag hat durch die noch verbliebenen Kollegen von der Vorlage Kenntnis genommen.
Wir sind damit am Schluß der Tagesordnung angelangt.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 25. November 1981, 13 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.