Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung gebe ich folgende amtliche Mitteilung bekannt. Für den verstorbenen Abgeordneten Amrehn hat mit Wirkung vom 6. Oktober 1981 der Abgeordnete Boroffka die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag erworben. Ich begrüße ihn und fordere ihn gerne zur Mitarbeit in diesem Hause auf.
Wir treten in die Fragestunde - Drucksache 9/860 ein.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf. Hier steht nur noch die Frage 24 des Abgeordneten Müller ({0}) aus. Die Frage wird schriftlich beanwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf. Zur Beantwortung steht uns Herr Staatssekretär Schlecht zur Verfügung. Die Frage 26 des Abgeordneten Dr. Lammert sowie die Fragen 31 und 32 des Abgeordneten Menzel werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt. Ich rufe die Frage 25 des Abgeordneten Dr. Hupka auf:
Welche berechtigten Interessen hat die Sowjetunion nach Auffassung des Bundeswirtschaftsministers in Afghanistan, nachdem er in seiner Tischrede in Moskau am 24. September 1981 erklärt hat, „Für die Lage in diesem Land muß eine Lösung gefunden werden, die den berechtigten Interessen aller Beteiligten Rechnung trägt."?
Herr Abgeordneter, es kann nicht Sache der Bundesregierung sein, darzulegen, welche Interessen andere Staaten an einer Lösung für die Lage in Afghanistan haben können. Es ist aber ganz offensichtlich, daß eine Lösung nur möglich ist, wenn sie den Interessen aller Beteiligten Rechnung trägt.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, was hat der Bundeswirtschaftsminister aber nun tatsächlich unter dem Ausdruck „berechtigte Interessen der Sowjetunion" verstanden, zumal die Sowjetunion bei ihrer Invasion am 27. Dezember 1979 gleichfalls von sogenannten berechtigten Interessen gesprochen hat?
Herr Abgeordneter, ich beziehe mich auf meine Antwort. Es ist der Sache nicht dienlich, hier darzulegen, welche Interessen andere Staaten haben. Ich wiederhole: Es ist ganz offensichtlich, daß eine Lösung nur möglich ist, wenn den Interessen aller Beteiligten Rechnung getragen wird. Im übrigen hat der Bundeswirtschaftsminister diesen Satz in seiner Rede ganz klar in den Gesamtzusammenhang gestellt, daß nämlich nicht nur über Wirtschaftsfragen gesprochen werden muß, sondern daß sich das gesamtpolitische Klima verbessern muß, um wieder zu gedeihlichen Beziehungen zu kommen.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Ist dem Bundesministerium für Wirtschaft bekannt, daß die Rede, die der Bundesaußenminister vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen zum Thema Afghanistan gehalten hat, einen ganz anderen Duktus hatte, weil er von dem Streben nach Unabhängigkeit und Souveränität des afghanischen Volkes gesprochen hat und mit keinem Wort sogenannte berechtigte Interessen der Sowjetunion in seine Rede einbezogen hat?
Herr Abgeordneter, der Bundeswirtschaftsminister hat von den „berechtigten Interessen aller Beteiligten" gesprochen. Damit meinte er selbstverständlich auch die Interessen des afghanischen Volkes. Die Tischrede des Bundeswirtschaftsministers steht in absolutem Einklang mit den Äußerungen des Bundesaußenministers und ist mit ihm vorher abgestimmt worden.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 27 des Abgeordneten Glos auf:
Sind der Bundesregierung die Auswirkungen der vorgesehenen kurzfristig stark steigenden Stahlpreiserhöhungen insbesondere auf die mittelständischen Stahlverarbeiter im Zulieferbereich bekannt, und hat sie diese Folgen bei ihrer Stahlpolitik bedacht?
Herr Abgeordneter, der Bundesregierung ist selbstverständlich bekannt,
daß die Steigerung der Stahlpreise einzelne Stahlverarbeiter, namentlich auch mittelständische Unternehmen, vor erhebliche Probleme stellen kann. Etwaige Auswirkungen im einzelnen lassen sich allerdings nur sehr schwer abschätzen, da sie von einer großen Zahl von Faktoren unterschiedlicher Art, wie z. B. Struktur der betroffenen Branchen oder dem Einsatz von Stahl usw., abhängen. Diese Folgen berücksichtigt die Bundesregierung im Rahmen der ihr gegebenen Möglichkeiten. Es kann allerdings auch nicht übersehen werden, daß die Stahlverarbeiter lange Zeit Vorteile aus den offenbar häufig nicht kostendeckenden Stahlpreisen auf dem EG-Markt gezogen haben. Die stahlverarbeitende Industrie kann - auch angesichts ihres Eigeninteresses an der Erhaltung einer leistungsfähigen Stahlindustrie - nicht damit rechnen, auf Dauer zu nicht-kostendeckenden Preisen mit Stahlerzeugnissen beliefert zu werden.
Im übrigen muß man sehen, daß die Festlegung der Stahlpreise den anbietenden Unternehmen obliegt. Hier kann sich die Bundesregierung nicht einmischen. Aber diese Unternehmen müssen auch sehen, ob sie ihre Preisvorstellungen am Markt durchsetzen können.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, falls die deutsche Stahlindustrie ihre Preise so sprunghaft und rigoros anheben sollte, daß dabei die von Ihnen auch erwähnten mittelständischen Zulieferbetriebe in Schwierigkeiten kämen, möglicherweise kartellrechtliche Schritte einzuleiten?
Was die kartellrechtlichen Schritte anlangt, so unterliegt dieser Bereich den Wettbewerbsregeln des Art. 65 des Montan-Vertrags, also der EG-Kommission und nicht der Bundesregierung. Ich möchte hier einer etwaigen Prüfung und Beurteilung durch die EG-Kommission nicht vorgreifen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir in der Auffassung zu, daß die für alle am Markt Beteiligten, insbesondere für die Stahlverbraucher, schmerzhafte Lösung durch eine Preiserhöhung in diesem Ausmaß hätte vermieden werden können, wenn die Bundesregierung in der Vergangenheit innerhalb der EG schärfer gegen die Wettbewerbspraktiken der ausländischen Stahlanbieter vorgegangen wäre?
Herr Abgeordneter, dies hat die Bundesregierung seit langer Zeit im Rahmen der ihr gegebenen Möglichkeiten getan. Es gelang leider erst vor nicht allzulanger Zeit, bei den anderen Mitgliedstaaten einen restriktiveren Subventionskodex durchzusetzen.
Ich möchte aber darauf aufmerksam machen, daß inzwischen die Verbände der Stahlerzeuger und der Stahlverarbeiter Gespräche über einen möglichen Kompromiß geführt haben. Der Bundeswirtschaftsminister hat auf Einladung der Beteiligten daran teilgenommen, dabei aber eine Schiedsrichterrolle abgelehnt. Er hat sich für wechselseitige Information zur Verfügung gestellt. Diese Gespräche haben zu dem Ergebnis geführt, daß die Preise nicht, wie ursprünglich vorgesehen, in einem Schritt, sondern nur in Etappen angehoben werden. Die Bundesregierung geht davon aus, daß diese Lösung den Interessen beider Seiten Rechnung trägt. Über diese Moderatoren- und Informationsrolle hinaus sieht die Bundesregierung allerdings keine Veranlassung, sich in dieser Sache weiter zu engagieren. Dies ist Angelegenheit der Unternehmen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Urbaniak.
Herr Staatssekretär, sind der Bundesregierung Gründe bekannt, warum die angekündigte Stahlpreiserhöhung zum 1. Oktober dieses Jahres nicht durchgeführt worden ist?
Dies ist eine Entscheidung der Unternehmen. Dabei haben offensichtlich nicht alle Unternehmen in gleicher Weise mitgemacht. Es gibt aber auch Überlegungen bei der EG-Kommission, ob Höhe und Zeitpunkt absolut richtig waren.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Tillmann.
Herr Staatssekretär, welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung angesichts der bereits vorgenommenen und noch angekündigten Stahlpreiserhöhungen für die mittelständischen Zulieferbetriebe, sich zwischen dem Angebotsdiktat und Angebotsmonopol der Stahlindustrie einerseits und der absoluten Nachfragemacht -z. B. der Automobilindustrie - andererseits überhaupt noch zu behaupten?
Herr Abgeordneter, wer die Gespräche zwischen Stahlerzeugern und Stahlverarbeitern verfolgt hat, kann nicht davon reden, daß es hier ein absolutes Diktat der Anbieter gebe. Hin und wieder könnte man vielleicht eher das Umgekehrte annehmen. Es gibt jedenfalls potente Nachfrager, die bei der Entscheidung der Stahlerzeuger eine Rolle gespielt haben, diese Preiserhöhungen nicht, wie ursprünglich vorgesehen, in einem Schritt, sondern nur etappenweise vorzunehmen. Diese potenten Nachfrager haben den Stahlerzeugern deutlich gemacht, daß sie ihre Preiserhöhung am Markt nicht durchsetzen können. Die Beurteilung der Marktsituation, die Sie eben gegeben haben, entspricht also nicht den Tatsachen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jansen.
Herr Staatssekretär, um auf die Ursprungsfrage zurückzukommen: Sind Sie mit mir der Auffassung, daß man nicht beides haben kann, sondern entweder die Sanierung der Stahlindustrie mit entsprechender Preisentwicklung oder Discount-Preise für den mittelständischen Bereich?
({0})
Hier gibt es offensichtlich ein Dilemma. Es war die Aufgabe, in diesen Gesprächen einen fairen Kompromiß zu finden, der beiden Seiten Rechnung trägt.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Zeitler.
Herr Staatssekretär, hat die angesprochene Wettbewerbsverzerrung ihre Ursache nicht auch darin, daß die deutsche Stahlindustrie zu lange keine kostendeckenden Preise nehmen konnte?
Ich habe dies bereits bei meiner Antwort klar bestätigt.
Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 28 des Herrn Abgeordneten Glos auf:
Hätten die Auswirkungen der bevorstehenden Stahlpreiserhöhungen insbesondere auf mittelständische Stahlverarbeiter verhindert oder gemildert werden können, wenn in der Vergangenheit durch geeignete Schritte erreicht worden wäre, daß innerhalb der Europäischen Gemeinschaft die Stahlproduktion nicht subventioniert wird?
Herr Abgeordneter, Unternehmen, die in größerem Umfang subventioniert werden, können nichtkostendeckende Preise natürlich leichter verkraften als nichtsubventionierte Unternehmen. Deshalb kann wohl davon ausgegangen werden, daß die Stahlpreise bereits seit längerem erheblich höher lägen, wenn überhaupt keine staatlichen Subventionen an Stahlunternehmen in anderen EG-Ländern gezahlt worden wären. Allerdings - und dies war gerade meine Antwort auf die eben gestellte Frage - wären die Stahlverarbeiter dann bereits früher wahrscheinlich mit wesentlich höheren Stahlpreisen konfrontiert worden. Also die Tatsache, daß die Stahlpreise jetzt in Richtung kostendeckende Preise angehoben werden müssen, hängt natürlich auch damit zusammen, daß sie zu lange Zeit wegen der Subventionierung in anderen Ländern nicht kostendeckend sein konnten.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie dieses sprunghafte Hochfahren der Stahlpreise im Hinblick auf die Wettbewerbssituation der deutschen Automobilindustrie, insbesondere hinsichtlich der japanischen Anbieter, aber auch allgemein auf dem nationalen wie auf dem internationalen Markt? Sehen Sie hier große Nachteile für diesen Industriezweig kommen?
Herr Abgeordneter, die Vertreter der deutschen Automobilindustrie waren bei diesen Gesprächen zwischen Verarbeitern und Erzeugern dabei. Meine Bemerkung auf die Vorfrage über die Marktkonstellation schloß ein, daß hier die Vertreter der deutschen Automobilindustrie ein gewaltiges Wort mitgesprochen haben und mit dazu beigetragen haben, daß es nicht zu der ursprünglich vorgesehenen sprunghaften Anhebung gekommen ist, sondern nur zu einer etappenweisen.
Noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wären Sie, nachdem Sie von einer „quasi freiwilligen Vereinbarung" zu nicht sprunghaften Preiserhöhungen unter Beteiligung großer und potenter Nachfrager gesprochen haben, gegebenenfalls bereit, auf die Stahlunternehmen einzuwirken, dieses nicht sprunghafte Erhöhen auch für kleine, mittelständische Nachfrager auf diesem Markt vorzusehen?
Der Bundeswirtschaftsminister sieht es nicht als seine Aufgabe an, in diesem Sinne auf die Unternehmen einzuwirken, sondern er geht davon aus, daß die bisherigen Gespräche zu einer Lösung führen, die beiden Seiten Rechnung trägt. Sollte der Wunsch aus den beiden Bereichen geäußert werden, daß es noch einmal zu einem Gespräch in Gegenwart des Bundeswirtschaftsministers kommen möge, so wird er sich dem sicher nicht entziehen. Aber es ist nicht seine Aufgabe, Preise festzusetzen und auf bestimmte Preisentscheidungen einzuwirken.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Tillmann.
Herr Staatssekretär, kann die Bundesregierung sagen, in welchem Maße die mit Billigung der Bundesregierung angekündigten und durchgeführten Stahlpreiserhöhungen auf die Preissteigerungsrate, also die Inflationsrate, durchschlagen werden?
Ich kann Ihnen diese Frage im Moment nicht beantworten. Ich bin aber gerne bereit, die Antwort schriftlich nachzureichen, soweit dies feststellbar ist.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Urbaniak.
Herr Staatssekretär, gibt es Erkenntnisse darüber, daß der gefundene Subventions- und Verhaltenskodex für die Stahlunternehmen in der Europäischen Gemeinschaft jetzt dazu führen wird, daß sich die Preisentwicklung so ergibt, wie man das vereinbart hat, und daß keine unberechtigten Subventionen mehr gezahlt werden?
Herr Abgeordneter, Sie wissen, daß es hier bestimmte Fristen gibt, die vereinbart worden sind. Wir haben Informationen, daß der Kodex zu wirken beginnt, allerdings nach der Methode „langsam, aber sicher" und „gut Ding will Weile haben".
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Rapp.
Herr Staatssekretär, Sie haben auf die stufenweise Anhebung der Preise hingewiesen. Es ist ja keineswegs eine sprunghafte, sondern eine stufenweise Anhebung der Preise. Das soll nächstes Jahr mit Hilfe von Rabatten geschehen. Auch das haben Sie gesagt. Befürchtet die Bundesregierung, daß diese Rabatte je nach Nachfrage unterschiedlich hoch ausfallen werden?
Herr Abgeordneter, ich habe darüber keine Erkenntnis. Dies müssen wir den Vereinbarungen der Unternehmen überlassen. Ich habe diese Befürchtung aber nicht.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 29 des Herrn Abgeordneten Dr. Spöri auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung Konkurrenzsituation und Arbeitsplatzentwicklung in der deutschen Textilindustrie?
Herr Abgeordneter, die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie befindet sich ebenso wie die entsprechenden Industrien in anderen Industrieländern seit Jahren in einem tiefgreifenden Umstrukturierungsprozeß, um sich den veränderten Wettbewerbsverhältnissen am Weltmarkt anzupassen. Wegen der Schwierigkeiten, die sich vor allem aus den schnell wachsenden Exporten der Entwicklungsländer an Textil- und Bekleidungserzeugnissen ergeben, ist der Textil- und Bekleidungssektor seit Jahren der handelspolitisch am stärksten geschützte industrielle Sektor der Bundesrepublik.
Trotz dieses Schutzes und im Rahmen dieses Schutzes hat die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie große Anstrengungen unternehmen müssen, um die heutige Position im internationalen Wettbewerb als weltgrößter Exporteur zu erlangen. Ich füge hinzu, sie ist auch weltgrößter Importeur.
Bei nur langsam steigenden Umsätzen konnte in den letzten zehn Jahren die Produktivität in der Textilindustrie um 72,5 % und in der Bekleidungsindustrie um 37,5 % gesteigert werden. Andererseits - und dies ist die Kehrseite der Medaille - mußten in dieser Zeit in der Textil- und Bekleidungsindustrie rund 2 250 Betriebe geschlossen und rund 330 000 Arbeitskräfte freigesetzt werden.
Dieser Prozeß der Anpassung an veränderte weltwirtschaftliche Bedingungen, dieser Prozeß der Anpassung auch an erklärte entwicklungspolitische Ziele der Bundesregierung, nämlich den Entwicklungsländern ihre Produkte abzunehmen, ist noch nicht abgeschlossen und dürfte sich auch in Zukunft, wenngleich wahrscheinlich wesentlich abgeschwächt, fortsetzen. Die Industrie muß also weiterhin versuchen, ihre Leistungsfähigkeit zu steigern, ihre Flexibilität zu erhöhen und sich die Verbrauchernähe zunutze zu machen.
Die Bundesregierung wird durch ihr Eintreten für eine Verlängerung des Welttextilabkommens für den notwendigen handelspolitischen Flankenschutz sorgen.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, Sie haben soeben in Ihrer Antwort als eine Hauptursache der strukturellen Schwierigkeiten der Textilindustrie die außenwirtschaftliche Konkurrenz auch der Entwicklungsländer genannt. Können Sie mir bestätigen, daß ein wichtiger Konkurrenzfaktor und ein Faktor für die negative strukturelle Entwicklung in der Bundesrepublik im Bereich der Textilindustrie auch die Tatsache war, daß andere EG-Länder merkliche Subventionen im textilen Bereich gegeben haben und daß dies zu Lasten der deutschen Textilindustrie wettbewerbsverzerrend war, und was werden Sie dagegen unternehmen?
Herr Abgeordneter, es ist richtig, der größte Teil unseres Außenhandels auch im textilen Bereich vollzieht sich - nahezu zur Hälfte - mit den anderen EG-Ländern. Wir haben zunehmende Kenntnis, daß einige EG-Länder begonnen haben, ihre Textilbranchen zu subventionieren. Die Bundesregierung läßt keine Gelegenheit aus, die Kommission und die betreffenden Mitgliedstaaten energisch darauf hinzuweisen, wenn dies nicht den Beihilferegeln des EG-Vertrages entspricht, und drängt auf Abhilfe. Dies passiert beinahe jede Woche. Ich nenne nur das Stichwort Belgien.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung in der Textilindustrie in der Bundesrepublik bisher - außer mit handelspolitischen Maßnahmen - schon einmal strukturpolitisch aktiv geworden?
Herr Abgeordneter, nicht im Sinne einer sektoralen Politik - wenn Sie von öffentlichen Mitteln reden -, aber ich sagte bereits: die Textilbranche ist der handelspolitisch am stärksten geschützte Bereich in der Bundesrepublik. Dies ist natürlich immer eine wesentliche strukturpolitische Flankierung gewesen. Ich denke nicht an den Einsatz von öffentlichen Subventionen. Ich mache aber darauf aufmerksam, daß ein Großteil der Textilunternehmen in strukturschwachen Regionen liegt und daß diese Unternehmen die Möglichkeit haben, die Mittel der regionalen Wirtschaftsförderung in Anspruch zu nehmen. Die Statistik weist aus, daß ein Großteil der öffentlichen Mittel für regionale Wirtschaftsförderung an Textil- und Bekleidungsunternehmen geht. Insofern kann ich Ihre Frage bejahen.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß die Bundesregierung die Festschreibung sozialer Mindestbedingungen nach den Normen der Internationalen Arbeitsorganisation im neuen Welttextilabkommen ablehnt, und wenn ja, mit welcher Begründung?
Herr Abgeordneter, selbstverständlich unterstützt die Bundesregierung die Bemühungen im Rahmen der Internationalen Arbeitsorganisation um Verbesserung der sozialen Bedingungen in den Entwicklungsländern. Sie unterstützt uneingeschränkt das vom EG-Rat im Verhandlungsmandat bekräftigte Ziel, daß Maßnahmen zur Förderung der ungestörten und gerechten Entwicklung des Handels - wie das Welttextilabkommen ja auch - zur Sozialentwicklung der Entwicklungsländer beitragen und der Bevölkerung zugute kommen sollten.
Bei der Verfolgung dieser Vorstellungen, die wir energisch betreiben, muß man jedoch berücksichtigen, daß die Entwicklungsländer ihre Prioritäten zum Teil anders setzen als wir. Für sie sind in aller Regel auch Arbeitsplätze mit vergleichsweise sehr niedrigen Löhnen - wegen des allgemeinen Niveaus in diesen Entwicklungsländern - erstrebenswerte Arbeitsplätze, an denen ein übergroßer Mangel herrscht.
Sie betrachten zudem Korrekturversuche der Industrieländer in diesem Bereich als Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten und werten sie als Vorwand der Industrieländer, um in Wahrheit protektionistische Ziele zu verfolgen. Es besteht deshalb keine Aussicht, die Textilimporte im Rahmen des Welttextilabkommens von der Einhaltung einer konkreten Sozialklausel abhängig zu machen.
Aber ich wiederhole noch einmal: Wir werden im übrigen die Bemühungen der ILO energisch unterstützen, daß es insgesamt zu besseren Arbeitsbedingungen in diesen Ländern kommt.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Urbaniak.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung Anhaltspunkte dafür, daß im Rahmen des Welttextilsektors vor allen Dingen in der Europäischen Gemeinschaft bereits ein Subventionswettlauf begonnen hat? Gibt es nicht auch hier Möglichkeiten, darauf einzuwirken - ähnlich wie auf dem Stahlsektor -, daß ein solcher Subventionswettlauf unterbleibt?
Herr Abgeordneter, ich habe diese Frage bereits vorhin angeschnitten. In der Tat haben wir konkrete Hinweise darauf, daß mehrere Regierungen ihre Industrie durch gezielte sektorale Subventionen unterstützen. Es ist klar, daß negative Auswirkungen solcher Aktionen auf die Industrien anderer Mitgliedsländer und die Gefahr eines Subventionswettlaufes nicht von der Hand zu weisen sind.
Ich sagte bereits, die Bundesregierung läßt keine Gelegenheit aus, Kommission und Mitgliedstaaten auf die Konsequenzen solcher Subventionen zum Nachteil lebensfähiger Unternehmen in der Gemeinschaft hinzuweisen. Im Textil- und Bekleidungsbereich bestehen Gemeinschaftsregeln, die die Beihilfegewährung nur in Ausnahmefällen und unter der Voraussetzung zulassen, daß sie nicht zur Kapazitätsausweitung führen. Die Kontrolle darüber hat die Kommission. Wenn die Kommission entgegen der Auffassung eines Mitgliedstaates eine Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ansieht, so hat ein solcher Mitgliedstaat das Recht der Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Wir behalten uns selbstverständlich einen solchen Schritt vor, wenn es in anderen Mitgliedstaaten zu evidenten Mißständen in dieser Richtung kommen sollte.
Aber darüber hinaus gibt es kaum Aussichten, bei der Mehrheit der Mitgliedstaaten einen deutlich restriktiveren Subventionskodex, also einen speziellen Subventionskodex wie bei Stahl auch für Textil durchzusetzen. Es besteht eher die Gefahr, daß solche Bemühungen sogar zu einer Aufweichung der geltenden Gemeinschaftsregeln führen.
Wir halten es deshalb derzeit für erfolgversprechender, uns für eine konsequentere und restriktivere Anwendung der vorhandenen Regelungen einzusetzen, um einen solchen unerwünschten Subventionswettlauf zu verhindern. Ich sagte bereits: Wir lassen keine Gelegenheit aus - und dies passiert beinahe jede Woche -, anderen Mitgliedsländern und der Kommission entsprechend auf die Hühneraugen zu treten.
Darf ich die Damen und Herren von der Bundesregierung darauf aufmerksam machen, daß wir heute auf Grund der Tagesordnung zwingend die Fragestunde um eine halbe Stunde verkürzen müssen. Ich wäre sehr dankbar, wenn die Antworten etwas kürzer gefaßt würden, damit mehr Fragesteller heute noch zum Zug kommen.
Das Wort zu einer Zusatzfrage hat der Herr Abgeordnete Rapp.
Herr Staatssekretär, rechnet die Bundesregierung auch dies zu den protektionistischen, im wesentlichen zu Lasten der deutschen Textilindustrie gehenden Praktiken, wenn in Europa zunehmend Ursprungskennzeichnungen verwendet werden, und was unternimmt die Bundesregierung dagegen?
Die Antwort auf die erste Frage lautet: Ja.
Die Antwort auf die zweite Frage: Wir werden dagegen vorgehen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Bindig.
Was hält die Bundesregierung von dem immer wieder erhobenen Vorwurf, daß der Textilhandel die Preisvorteile aus Billigeinfuhren nicht oder nicht zureichend an den Verbraucher weitergibt?
Herr Abgeordneter, mir ist dieser Vorwurf nicht bekannt. Ich bin gern bereit, ihm nachzugehen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Menzel.
Herr Staatssekretär, darf man aus Ihren Antworten schließen, daß die Bundesregierung die Auffassung teilt, daß auch Staatshandelsländer und die sogenannten Schwellenländer ihre Handelshemmnisse und Zollschranken abbauen müssen, damit der Textilaußenhandel keine Einbahnstraße bleibt?
Ja.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Jens.
Herr Staatssekretär, meinen Sie nicht, daß die Bundesregierung zusätzlich auch et3300
was für Textilstandorte tun müßte, so wie sie etwas für Stahlstandorte tut, bevor es zu größeren Arbeitslosenquoten kommt?
Nein, Herr Abgeordneter. Wir glauben, daß die geltenden Regeln der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" dafür ausreichen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Feile.
Herr Staatssekretär, können Sie uns die derzeitige Exportrate der deutschen Textilindustrie sagen, insbesondere wie sie sich in den letzten Jahren entwickelt hat, und welche Schlüsse ergeben sich aus Ihrer Sicht aus dieser Entwicklung?
Erlauben Sie bitte, daß ich Ihnen diese Frage schriftlich beantworte. Ich kann sie jetzt nicht aus dem Stand beantworten.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 30 des Herrn Abgeordneten Dr. Spöri auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung den Verhandlungsstand zum neuen Welttextilabkommen?
Die jüngste Verhandlungsrunde des GATT-Textilausschusses in Genf hat noch keinen entscheidenden Durchbruch gebracht. Im wesentlichen haben Industrieländer und Entwicklungsländer noch einmal ihre bisherigen Positionen unterstrichen. Ein sehr wichtiges Zwischenergebnis ist allerdings, daß alle Beteiligten, auch die Entwicklungsländer, sich zu dem Welttextilabkommen als internationalem Rahmen für den Welttextilhandel bekennen.
Bei den letzten Verhandlungen haben die USA mit der Vorlage des Entwurfs für ein Verlängerungsprotokoll die Initiative an sich gezogen. Demgemäß konzentrierte sich hierauf die Diskussion. Der US-Entwurf geht von einer Verlängerung ohne Textänderung des Welttextilabkommens mit einigen neuen Nuancen aus, z. B. geringere Zuwachsraten für die besonders lieferstarken Länder und Berücksichtigung der Verbrauchsentwicklung in den Einfuhrländern bei der Bemessung der Zuwachsraten. Damit liegen die USA auf der durch Bundesregierung und EG-Kommission von Anfang an befürworteten Linie.
Nach der Ablehnung weitergehender Einfuhrbeschränkungen durch die USA, z. B. Verminderung der Basismengen für die Bemessung der Importquoten, die sogenannten cut backs, und negative Zuwachsraten, dürfte die Durchsetzung entsprechender Forderungen, die von einigen EG-Ländern angemeldet worden sind, kaum möglich sein. Die weiteren Verhandlungen werden schwierig sein. Es wird der Kompromißbereitschaft aller Beteiligten bedürfen, um zu dem gewünschten Verhandlungserfolg in Form eines fairen Interessenausgleichs zu gelangen, vor allem rechtzeitig zu gelangen.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, wie ist Ihre konkrete Position in der Frage der Laufzeit? Werden Sie eine Laufzeit des neuen Abkommens von mindestens zehn Jahren anstreben?
Ich bin im Moment überfragt, wie die Vorstellungen der EG-Kommission dazu aussehen. Aber in Genf wird sicher darüber zu verhandeln sein, welches die angemessene Laufzeit ist.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung im Rahmen der künftigen Verhandlungen versuchen, den Katalog der hochsensiblen Produkte - hier sind die Importquoten relativ hoch - zu erweitern?
Herr Abgeordneter Spöri, dazu gibt es inzwischen Vorschläge der EG-Kommission, die in einigen Bereichen eine Erweiterung, in anderen Bereichen, wo man der Meinung ist, daß diese nicht mehr so hochsensibel sind, auch eine Zurücknahme vorsehen. Wir werden die Vorschläge der EG-Kommission prüfen. Ich glaube, sie liegen in der richtigen Richtung. Wahrscheinlich kommt es teilweise zu einer Erweiterung.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Soell.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß die Bundesregierung die Festschreibung sozialer Mindestbedingungen nach den Normen des Internationalen Arbeitsamtes im neuen Abkommen ablehnt und wenn j a mit welcher Begründung?
Herr Abgeordneter, ich wundere mich über diese Frage. Sie wurde gerade gestellt, und ich habe sie beantwortet.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Rapp.
Herr Staatssekretär, aus welchen Gründen ist ein einheitliches Verhandlungsmandat der EG-Kommision nicht zustandegekommen? In welchen Punkten weicht unsere Verhandlungsposition wesentlich von der anderer EG-Staaten ab, und was folgt daraus, daß die EG nicht mit einer Stimme spricht, für die Verhandlungen?
Herr Abgeordneter Rapp, wir liegen auf der Linie der EG-Kommission. Es gab weitergehende Vorstellungen einiger Länder, insbesondere Frankreichs, und zwar nicht nur in Richtung auf eine Verlängerung des Welttextilabkommens ohne Textänderung und Verbesserungen im Bereiche von bilateralen Abkommen, sondern auch vor allem in Richtung auf geringere Importquoten, sogenannte cut backs, und teilweise negative Zuwachsraten. Die bisherigen Verhandlungen haben ergeben - dies habe ich gerade ausgeführt -, daß es absolut hoffnungslos ist, mit den Entwicklungsländern, aber auch mit den Vereinigten Staaten auf dieser Basis zu einem Ergebnis zu kommen.
Wegen dieser extremen Forderungen einiger EG-Länder geriet die EG in Genf in die Isolierung. Deshalb haben die USA die Initiative an sich gerissen. Es muß nun über ein neues Mandat in der EG verhandelt werden.
Ich sagte bereits: Es bedarf der Kompromißbereitschaft aller, um zu einem fairen und rechtzeitigen Ergebnis zu gelangen. Das Schlimmste, was der deutschen Textilindustrie und ihren Arbeitnehmern passieren könnte, wäre ein Scheitern der Verhandlungen über das Welttextilabkommen. Es ist das eigentliche Ziel der Bundesregierung, dies zu verhindern.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Auch.
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die Handhabung des Ursprungsnachweises strenger geregelt werden muß und daß bei nachgewiesenen Umgehungseinfuhren Strafabzüge vorgenommen werden müssen?
Wir sind der Meinung, Herr Abgeordneter, daß Umgehungseinfuhren voll auf die vorhandenen Kontingente anzurechnen sind. Insoweit werden wir dagegen vorgehen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Bindig.
Hat die Bundesregierung bei der Verbesserung der Kontrollmaßnahmen gegen Umgehungseinfuhren Erfolge erzielt, und plant sie weitere Maßnahmen, um Umgehungseinfuhren wirksam bekämpfen zu können?
Jawohl, wir haben Erfolge erzielt. Wir sind jetzt zusammen mit der Kommission dabei, diese Regel zu straffen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jens.
Ich hoffe, Sie haben diese Frage noch nicht gehört.
({0})
Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung die Chancen für den rechtzeitigen Abschluß der Verhandlungen über das Welttextilabkommen, und was wären nach Ihrer Ansicht die Folgen, wenn die Verhandlungen scheitern würden?
Herr Abgeordneter, ich habe eben bereits darauf aufmerksam gemacht,
({0})
daß es einige Schwierigkeiten deshalb gegeben hat, weil die EG in die Isolierung geraten ist. Wir müssen nun auf der Linie, die die USA vorgetragen haben, erneut verhandeln. Ich beurteile die Chance nach wie vor als groß, daß wir rechtzeitig zum Ende des Jahres zu einem Abschluß kommen, mindestens aber bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die bilateralen
Abkommen auslaufen. Dies ist Ende des Jahres 1982 der Fall. Das wäre gerade noch rechtzeitig. Ich hoffe aber, daß es früher ein Ergebnis gibt.
Ihre zweite Frage beantworte ich wie folgt:
({1})
Wenn es zu einem Scheitern oder zu einer erheblichen Verzögerung käme, müßten wir mit erheblichen unilateralen Maßnahmen vieler Länder rechnen, und dies wäre sehr gefährlich für die Textilindustrie der EG insgesamt und der Bundesrepublik speziell. Deshalb müssen wir alles tun, damit es zu einem rechtzeitigen und fairen Abschluß kommt.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, da Sie in Ihrer Antwort auf die bilateralen Verträge und auf unilaterale Maßnahmen abheben, darf ich Sie fragen: Was gedenkt die Bundesregierung dann zu tun, wenn sich die Arbeitsmarktsituation in diesen Regionen, insbesondere soweit dort vornehmlich Textilstandorte angesprochen sind, verschlechtert, d. h., welche Maßnahmen auch kurzfristiger Art gedenkt sie zu ergreifen?
Herr Abgeordneter, sie hat keine kurzfristigen Maßnahmen vor. Ich glaube, wir sollten erst einmal abwarten, ob wir beim Welttextilabkommen zu einem angemessenen Ergebnis kommen.
Ich sagte bereits, daß wir zwar eine Verlängerung des Welttextilabkommens anstreben, aber bei der konkreten Bemessung der Zuwachsraten wie bisher im Rahmen der bilateralen Abkommen auch darauf aufpassen, daß bei sensiblen Produkten die Zuwachsraten geringer sein werden, daß man die Verbrauchsentwicklung und die Wettbewerbsfähigkeit angemessen berücksichtigt und daß man bei lieferstarken Entwicklungsländern geringere Zuwachsraten ansetzt.
Lassen Sie mich darauf aufmerksam machen, daß schon bisher die Zuwachsraten infolge der bilateralen Abkommen erheblich unter den 6 % liegen, die im Abkommen stehen. Im Jahre 1980 betrug die Zuwachsrate der Effektiveinfuhren aus Niedriglohnländern im beschränkten Bereich nur 1,5%, und im ersten Halbjahr 1981 gab es sogar einen ganz gewaltigen Rückgang bei der Einfuhr aus diesen Ländern, eine beträchtliche Minusrate.
Infolgedessen kann man nicht von einer gravierenden Verschlechterung der Lage sprechen, und deshalb gibt es keinen Anlaß, über kurzfristige Maßnahmen nachzudenken.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Zur Beantwortung der Fragen steht uns der Herr Parlamentarische Staatssekretär Gallus zur Verfügung.
Präsident Stücklen
Die Frage 34 wird vom Fragesteller, dem Abgeordneten Bredehorn, zurückgezogen.
Ich rufe Frage 33 des Herrn Abgeordneten Bredehorn auf:
Wie hoch wären die Einsparungen im Agraretat, wenn 5 v. H. der Subventionen und 5 v. H. der Sozialausgaben gekürzt würden?
Herr Kollege Bredehorn, eine Kürzung der Subventionen und Sozialausgaben im Bereich der Landwirtschaft um 5% würde im Haushaltsjahr 1982 zu Haushaltsverbesserungen von rund 326 Millionen DM führen; davon entfielen rund 269 Millionen DM auf Ausgaben im Einzelplan 10,11 Millionen DM auf Ausgaben im Einzelplan 08 und 46 Millionen DM auf Mehreinnahmen. Die Berechnung geht generell von den Finanzhilfen des Bundes und den Steuervergünstigungen aus, wie sie im Entwurf des 8. Subventionsberichts für 1982 ausgewiesen sind. Bei der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" und bei den Sozialleistungen werden die Beträge zugrunde gelegt, die im Finanzplan '81 bis '85 für das Jahr 1982 vorgesehen waren.
Bitte, eine Zusatzfrage.
Werter Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß die Vorschläge der Opposition zur Haushaltssanierung im Agrarbereich - und Sie haben die Zahlen j a eben gerade genannt - die Landwirtschaft mehr belasten, als die Sparbeschlüsse der Koalition zu diesem Bereich es tun?
Herr Kollege, ich habe Ihnen die Zahlen genannt, und die Zahlen sprechen für sich.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie denn angesichts dieses Sachverhalts den Vorwurf von Agrarpolitikern der Opposition, diese Bundesregierung betreibe soziale Demontage?
Diese Frage lasse ich nicht zu, Herr Abgeordneter. Denn auch der Herr Parlamentarische Staatssekretär hat nicht das Recht, die Meinungsäußerung einer parlamentarischen Gruppierung zu bewerten.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Eigen.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß die Frage des Kollegen Bredehorn in der Sache falsch ist? Denn die Opposition hat nicht von 5 % genereller Kürzung gesprochen, sondern von bis zu 5 %, bei Anrechnung der Abzüge im Einzelplan 10 aus dem Jahre 1981.
Herr Abgeordneter Eigen, diese Frage lasse ich auch nicht zu; denn wir führen keine Diskussion darüber.
Ich rufe die Frage 35 des Herrn Abgeordneten Eigen auf:
Wie wird sich nach Meinung der Bundesregierung der bedingungslose Expansionskurs der französischen Regierung unter Premierminister Pierre Mauroy für die französische Landwirtschaft in der EG auswirken, und wird sich die Bundesregierung zu den vier Prioritäten der französischen Regierung - Verteidigung der Gemeinschaftspräferenzen, Verbesserung der Marktordnung für Wein, Obst und Gemüse, die Rückkehr zum Prinzip der einheitlichen Preise und eine aktive Exportpolitik - im Rahmen der Debatte um die EG-Agrarreform einlassen?
Herr Kollege Eigen, ob und inwieweit die französische Regierung einen bedingungslosen Expansionskurs für ihre Landwirtschaft verfolgt, kann derzeit nicht abgesehen werden. Dazu waren die Einlassungen von französischer Seite bei bilateralen Verhandlungen und bei den Gesprächen in Brüssel zuwendig konkret.
Zu den vier genannten Punkten ist aus der Sicht der Bundesregierung folgendes zu bemerken:
1. Die Bundesregierung hat sich immer zum Prinzip der einheitlichen Preise in der gemeinsamen Agrarpolitik bekannt. Solange in der Gemeinschaft die Wirtschafts- und Währungsunion nicht verwirklicht ist, kann, wie die jüngsten Entwicklungen auf dem Währungssektor zeigen, auf das Instrument des Währungsausgleichs in der gemeinsamen Agrarpolitik nicht verzichtet werden.
2. Aus der Sicht der Bundesregierung ist eine Anpassung der gemeinsamen Agrarpolitik notwendig. Dabei muß das Prinzip der gleichmäßigen Lastenverteilung gelten. Das heißt, die Instrumente der Marktordnungen für die sogenannten mediterranen Produkte müssen ebenfalls kritisch überprüft werden.
3. Hinsichtlich der Gemeinschaftspräferenz spricht sich die Bundesregierung für die Einhaltung der bestehenden Einfuhrverpflichtungen der Gemeinschaft insbesondere auf dem Zucker- und Rindfleischektor aus. Bei den sogenannten Getreidesubstituten sowei bei Soja scheidet die Einbeziehung in eine der Getreidemarktordnung entsprechende Abschöpfungsregelung aus handelspolitischen Gründen aus. Eine solche Lösung würde im übrigen zu erheblichen Kostensteigerungen in der Landwirtschaft und zu großen Einkommensproblemen insbesondere bei den Veredlungsbetrieben führen. Die in den letzten Jahren stark gestiegenen Einfuhren von Nebenprodukten der Getreideverarbeitung, z. B. Cornglutenfeed, und die damit verbundenen Belastungen des Haushalts der Gemeinschaft geben allerdings Veranlassung zu Gesprächen mit den Hauptlieferländern mit dem Ziel einer möglichst einvernehmlichen Lösung dieser Problematik.
4. Die Bundesregierung lehnt eine aggressive Exportförderung ab. Die Gemeinschaft ist nach den USA der größte Exporteur von Agrarprodukten auf dem Weltmarkt. Eine drastische Einschränkung der Agrarproduktion in der Gemeinschaft oder eine nachhaltige Steigerung des Inlandsverbrauchs ist auch in Zukunft nicht zu erwarten. Deshalb wird der Agraraußenhandel der Gemeinschaft für die Stabilisierung der Binnenmärkte eine erhebliche Bedeutung behalten. Langfristige Exportsicherung ist daher vor diesem Hintergrund ohne Zweifel erforderlich.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, das war eine richtige Regierungserklärung von seiten des Landwirtschaftsministers.
({0})
Darf ich bitten, es ein bißchen kürzer zu machen. Es gibt viele Fragen.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Dann frage ich ganz kurz. Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, die Interessen der deutschen Landwirtschaft bei den Verhandlungen in Brüssel über die Agrarreform genauso klar zu vertreten, wie es die französische Regierung für ihre Landwirtschaft zu tun bereit ist? Da können Sie mit Ja antworten, wenn es so ist.
Herr Kollege, die Bundesregierung hat das bisher getan und wird es auch in Zukunft tun.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß wesentliche Elemente der europäischen Agrarpolitik von Ländern der Europäischen Gemeinschaft ganz anders gesehen werden und vor allen Dingen in Frankreich und Holland eine intensive Exportpolitik und Expansionspolitik zugunsten der Landwirtschaft betrieben wird, während die Bundesregierung sich, wie Sie ausgeführt haben, in diesem Bereich sehr restriktiv verhält?
Herr Kollege, die Bundesregierung hält sich in ihrer agrarpolitischen Haltung in der EG an die Verträge von Rom sowie an die Vereinbarungen, die getroffen worden sind, und versucht dabei, zwischen allen Staaten einen vernünftigen Kompromiß auch für die Zukunft zu finden.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 36 des Herrn Abgeordneten Eigen auf:
Wie stellt sich die Bundesregierung zu der erklärten Absicht der französischen Regierung, der französischen Landwirtschaft mit einer direkten Einkommensübertragung die Einkommenssenkung des letzten Jahrs auszugleichen, während die Regierung der Bundesrepublik Deutschland mehrjährige Einkommensminderungen für die deutsche Landwirtschaft hinnimmt und zusätzlich die Ansätze im Haushalt 1982 für die Gemeinschaftsaufgabe „Agrarstruktur und Küstenschutz" und im Sozialbereich empfindlich kürzt?
Die französische Regierung beschloß Ende vergangenen Jahres Beihilfen zur Aufrechterhaltung des landwirtschaftlichen Einkommens für 1980. Sie gab das im Notifizierungsverfahren der Kommission der Europäischen Gemeinschaften bekannt. Die Kommission hat daraufhin im Rahmen des im EWG-Vertrag vorgesehenen Verfahrens die staatlichen Beihilfen Frankreichs überprüft und in ihrer Entscheidung am 8. Juli 1981 die Unvereinbarkeit der französischen Maßnahmen mit dem geltenden Gemeinschaftsrecht festgestellt. Gleichzeitig hat sie die Regierung der Französischen Republik aufgefordert, diese Beihilferegelung aufzuheben. Das bei der
Kommission anhängige Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Die Bundesregierung verkennt nicht die schwierige Situation der französischen Landwirte, die insbesondere durch die hohe französische Inflationsrate hervorgerufen wurde und die letztlich auch zu erheblichen Einkommensrückgängen geführt hat. Gleichwohl wendet sich die Bundesregierung gegen nationale Alleingänge anderer Mitgliedstaaten. Sie wird deshalb auch den Fortgang des Vertragsverletzungsverfahrens gegen Frankreich mit Aufmerksamkeit weiterverfolgen.
Zum zweiten Abschnitt Ihrer Frage möchte ich folgendes bemerken. Es ist richtig, daß im Wirtschaftsjahr 1979/80 die Einkommen in den deutschen Vollerwerbsbetrieben je Familienarbeitskraft um 1,9 % zurückgegangen sind und daß für 1980/81 ein Rückgang um etwa 12 % erwartet wird. Diese für die Landwirtschaft unbefriedigenden Ergebnisse waren die Folgen der drastischen weltweiten Verteuerung des Erdöls sowie ungünstiger natürlicher und struktureller Bedingungen in diesen Jahren. Im Programmteil des Agrarberichts 1981 hat die Bundesregierung ausführlich dargestellt, welche Maßnahmen sie zur Erfüllung ihrer agrarpolitischen Ziele und der Aufträge des Landwirtschaftsgesetzes ergriffen hat und für die Zukunft plant. Grundvoraussetzung für einkommenswirksame agrarpolitische Maßnahmen sind jedoch funktionsfähige Märkte und eine Strukturpolitik, die nicht weitere Produktionsanreize schafft.
Die Problematik des Haushalts 1982 ist hinlänglich bekannt. Im übrigen sind die Beratungen in den Ausschüssen noch nicht abgeschlossen. Allerdings möchte ich herausstellen, daß die Anhebung der Vorsteuerpauschale der deutschen Landwirtschaft deutliche Einkommensverbesserungen bringen wird.
Zusatzfrage.
Kann ich dann, da Sie von bedeutenden Einkommensverbesserungen sprechen, davon ausgehen, daß sich die Bundesregierung korrigiert und die Vorsteuerpauschale von 7 auf 8 % anhebt?
Herr Kollege, ich habe das auf eine Anhebung um ein halbes Prozent bezogen.
Weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß eine direkte Einkommensübertragung - in Frankreich gibt es nicht nur Einkommensübertragungen, sondern auch noch Produktzuschüsse der öffentlichen Hand - mit dem EWG-Vertrag von Rom nicht vereinbar ist und daß die Bundesregierung alles unternehmen müßte, um neben der Kommission zusätzlich dafür zu sorgen, daß solche direkten Einkommensübertragungen nicht möglich sind, und daß sie, wenn sie Politik werden sollten, dann natürlich in allen Ländern und auch in der Bundesrepublik Deutschland gestattet werden, weil, wie Sie selbst gesagt haben, auch die
deutsche Landwirtschaft Einkommenseinbußen hat erleiden müssen?
Zum ersten Teil Ihrer Frage: ja. Zum zweiten Teil Ihrer Frage kann ich Ihnen mitteilen, daß wir dazu beigetragen haben, daß das Vertragsverletzungsverfahren in Gang gekommen ist. Zum dritten Teil Ihrer Frage möchte ich feststellen, daß unsere Politik darauf abzielt, daß die Agrarpolitik in der EWG nicht ausufert, sondern daß diese dem Vertrag nicht entsprechenden Maßnahmen eingeschränkt bzw. in allen Staaten beseitigt werden.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Bredehorn.
Herr Staatssekretär, Sie sprachen von Einkommensverbesserungen für die deutsche Landwirtschaft durch die Anhebung der Vorsteuerpauschale um 0,5 %. Können Sie beziffern, welche Größenordnung sich daraus ergibt?
Herr Kollege, ich kann Ihnen das nicht genau angeben. Es sind etwa einige hundert Millionen DM. Ich werde Ihnen das schriftlich mitteilen.
Eine weitere Zusatzfrage. Herr Abgeordneter Susset.
Herr Staatssekretär, würden Sie vielleicht, da schon Ihr Kollege nach den Zahlen fragte, die Zahlen bekanntgeben, die uns durch die Vertreter des Finanzministeriums und des Landwirtschaftsministeriums im Ausschuß schon gegeben wurden, nämlich daß 1 % etwa 500 bis 600 Millionen DM ausmacht?
({0})
Herr Kollege, ich habe das bereits getan. Ich sagte „einige hundert Millionen DM". Ich kann jetzt keine genauen Zahlen sagen. Dazu müssen genaue Berechnungen angestellt werden. Aber wenn ein ganzes Prozent 500 Millionen DM ausmacht, entspricht ein halbes Prozent nach Adam Riese ungefähr 250 Millionen. Wenn Sie 600 Millionen nehmen, sind es 300 Millionen.
Genau dies wollte der Abgeordnete Susset durch die Frage konkretisiert wissen. - Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Stahl zur Verfügung.
Die Frage 41 des Herrn Abgeordneten Dr. Lammert wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 37 des Herrn Abgeordneten Weirich auf:
Was sind die Gründe für die Vergabe eines Forschungsauftrags seitens des Bundesforschungsministeriums an Dr. Ing. Klaus Traube von der Freien Universität Berlin über 683 000 DM?
Herr Kollege Weirich, die Technische Universität Berlin führt im Rahmen einer interdisziplinären Projektgruppe Untersuchungen über den Zusammenhang zwischen Energieverbrauchsstrukturen und Gesellschaftsstrukturen durch. Für das Forschungsvorhaben „Auswirkungen verschiedener Auswahlmechanismen für Energietechniken auf Energiebedarf und gesamtgesellschaftliche Kosten" ist der Technischen Universität Berlin auf deren Antrag hin eine Bundeszuwendung bewilligt worden. Projektleiter ist Dr. Ing. Klaus Traube.
Im Rahmen des Forschungsvorhabens sollen am Beispiel des Sektors Raumheizung Energieversorgungsstrukturen untersucht werden, die sich aus verschiedenen gesellschaftlichen Wert- und Zielvorstellungen ergeben können. Fragen dieser Art werden heute breit und unterschiedlich qualifiziert diskutiert. Hierzu gibt es jedoch wenig fundiertes Material.
Aufgabe des Bundesministeriums für Forschung und Technologie ist es durchaus, auch unkonventionellen Fragestellungen nachzugehen, wenn die Studien Ergebnisse liefern können, die bei der Gestaltung der Energieforschung berücksichtigt werden müßten. Aus diesen Gründen wurde der Technischen Universität Berlin nach sorgfältiger Prüfung und Eingrenzung der zu untersuchenden Fragestellung eine Bundeszuwendung bis zu 683 000 DM bewilligt.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, lassen Sie mich zu diesem Aspekt grundsätzlich fragen: In welchem Umfang werden über Forschungsaufträge und Gutachten seitens der Bundesregierung eigentlich Bürgerinitiativen im Bereich der Antikernenergiebewegung unterstützt, teilweise auch die Teilnahme an Demonstrationen gegen Kernkraftwerke oder kerntechnische Anlagen mitfinanziert?
Herr Kollege, die Bundesregierung unterstützt, wie ich eben darstellte, einen großen gesellschaftlichen Bereich, der im Bereich der Forschung tätig ist. Das wird j a auch von der Opposition des Deutschen Bundestages nicht in Frage gestellt.
Speziell auf das, was Sie angesprochen haben - wie viele Studien vergeben werden -, kann ich Ihnen keine Antwort geben; denn es läßt sich z. B. nicht spezifizieren - und es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, das zu tun; das bezieht sich auf die Wertung, die Sie abgegeben haben -, wer für oder gegen Kernenergie ist.
Keine weiteren Zusatzfragen. - Dann rufe ich die Frage 38 des Herrn Abgeordneten Weirich auf:
Wie werden die Forschungsberichte im einzelnen ausgewertet, und wo sind sie erhältlich?
Herr Kollege Weirich, was allgemein die Auswertung von Studien und Gutachten bzw. die Verfügbarkeit von Forschungsberichten für die Öffentlichkeit angeht, verweise ich
auf meine Antwort vom 16. Februar 1981. Ich habe auf entsprechende Fragen des Abgeordneten Lenzer sinngemäß folgendes ausgeführt:
Ausgewählte Schlußberichte werden in den Berichtsreihen des Bundesministers für Forschung und Technologie veröffentlicht. Ein weiterer Teil wird von den Auftragnehmern bzw. Zuwendungsempfängern selbst veröffentlicht. Auch nicht veröffentlichte Studien und Gutachten stehen, wenn nicht besonders schutzwürdige Interessen entgegenstehen, in der Bibliothek des Bundesforschungsministers zur Einsichtnahme bzw. Ausleihe zur Verfügung.
Alle vom Forschungsminister in Auftrag gegebenen Studien und Gutachten werden ausgewertet und in den Entscheidungsprozeß einbezogen. Im speziellen Fall der Zuwendung an Hochschulen - und damit auch an die Technische Universität Berlin - besteht die Auflage, daß der Zuwendungsempfänger die Ergebnisse innerhalb eines Jahres nach Abschluß der Arbeiten veröffentlicht.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Können Sie den konkreten Zeitpunkt nennen, zu dem Sie die Veröffentlichung in diesem Fall erwarten? Sie sagen, nach Ablauf eines Jahres.
Das Projekt läuft vom 1. Oktober 1980 bis zum 31. Mai 1982. Wenn dieser Bericht über das Vorhaben dem Forschungsminister binnen eines Jahres vorgelegt werden muß, bedeutet das, daß der späteste Termin der 31. Mai 1983 wäre.
Noch eine Zusatzfrage? - Bitte.
Noch eine kurze Zusatzfrage. - Herr Staatssekretär, ich darf doch davon ausgehen, daß angesichts des sehr kostspieligen Gutachtens diese wichtigen Erkenntnisse dem zuständigen Bundestagsfachausschuß rechtzeitig zugänglich gemacht werden?
Herr Kollege Weirich, dieser Forschungsauftrag an die TU Berlin ist von der Kostenseite durchaus mit anderen vergleichbar. Aber selbstverständlich ist die Bundesregierung gern bereit - sie tut das ja laufend -, diese Studie dem Ausschuß für Forschung und Technologie und anderen interessierten Ausschüssen, wenn gewünscht zur Verfügung zu stellen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich möchte einschieben: Die Frage 61 des Herrn Abgeordneten Hansen wird zurückgezogen.
Ich rufe die Frage 39 des Herrn Abgeordneten Dr. Bugl auf:
Wieviel Gutachten und Studien hat das Bundesforschungsministerium seit 1973 für den Bereich Energieforschung vergeben, und wo sind diese Gutachten erhältlich?
Herr Kollege Bugl, im Förderungsbereich Energieforschung und Energietechnologie wurden seit 1973 15 Gutachten und 246 Studien vergeben. Auf den Teil der Frage, wo diese Gutachten und Studien erhältlich sind, wiederhole ich die Antwort, die ich dem Herrn Abgeordneten Lenzer auf eine gleichlautende Frage bereits am 16. Februar gegeben habe.
Der Bundesminister für Forschung und Technologie veröffentlicht ausgewählte Schlußberichte in seinen Forschungsberichtsreihen. Diese sind beim Fachinformationszentrum Energie, Mathematik, Physik erhältlich. Ein Teil der Gutachten und Studien wird über Verlage oder durch Auftraggeber bzw. Zuwendungsempfänger veröffentlich. Belegexemplare der nicht veröffentlichten Studien und Gutachten sind in der Bibliothek des BMFT vorhanden und stehen zum Ausleihen, soweit nicht bestimmte schutzwürdige Interessen zuwiderlaufen, zur Verfügung. Von der Ausleihe wird reger Gebrauch gemacht. Es besteht ein zentraler Nachweis darüber, wo die Schlußberichte verfügbar sind.
Eine weitere Zusatzfrage? - Bitte.
Herr Staatssekretär, nach welchen Kriterien werden die Berichte veröffentlicht?
Herr Kollege Bugl, ich habe soeben ausgeführt, daß diese Berichte in der Regel alle veröffentlicht werden bis auf den Teil, hinsichtlich dessen andere Verträge zwischen dem Zuwendungsgeber und dem Zuwendungsempfänger bestanden. Es steht jedem frei, derartige Studien, wenn sie bei uns in der Bibliothek oder anderswo öffentlich zugänglich sind, in Augenschein zu nehmen, also durchzusehen und vom Inhalt Kenntnis zu nehmen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 40 des Abgeordneten Dr. Bugl auf:
Welche konkreten Folgerungen hat das Bundesforschungsministerium aus den bisher abgegebenen Gutachten zum Bereich Energieforschung im einzelnen gezogen, dargestellt an einigen Fallbeispielen?
Herr Kollege Bugl, Gutachten werden gemäß den haushaltstechnischen Richtlinien des Bundes an Sachverständige zur Verbesserung von Entscheidungsgrundlagen in Auftrag gegeben. Hierzu gibt es aus letzter Zeit folgende Beispiele. Das von der Enquete-Kommission „Zukünftige Kernenergie-Politik" gewünschte Gutachten von Professor Häfele über die Kapazität einer Demonstrationswiederaufbereitungsanlage hat die Auffassung der Bundesregierung bestätigt, daß eine Größenordnung von 350 Jahrestonnen, wie sie in Hessen geplant wird, vertretbar ist. Das BMFT hat dieses Gutachten der Enquete-Kommission und den zuständigen Ausschüssen des Deutschen Bundestages zugeleitet.
Auf die Bekanntmachung der zu vergebenden Aufgaben im Rahmen der Risikostudie Phase B z. B. sind 100 Meldungen beim BMFT eingegangen. Ein Gutachten der Firma Dornier wird dem Bundesfor3306
schungsminister Grundlagen und Vorarbeiten für eine Auswertung der Vorschläge liefern.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Dann rufe ich die Frage 42 des Herrn Abgeordneten Dr. Kübler auf:
Ist die Bundesregierung nach ihren kürzlichen Gesprächen mit der niedersächsischen Landesregierung über die Endlagerung radioaktiven Abfalls darüber unterrichtet, ob es zutrifft, daß die niedersächsische Landesregierung Überlegungen, das stillgelegte Salzbergwerk Asse als Endlager für radioaktiven Abfall wieder in Betrieb zu nehmen, bislang negativ gegenübersteht, und wenn ja, welche Folgerungen zieht die Bundesregierung daraus?
Herr Kollege Kübler, Ihre Anfrage beanworte ich wie folgt: Am 11. September 1981 haben die Herren Bundesminister Baum und von Bülow mit dem niedersächsischen Minister für Wirtschaft und Verkehr, Frau Birgit Breuel, und dem niedersächsischen Sozialminister, Herrn Hermann Schnipkoweit, ein Gespräch über die Endlagerung schwachradioaktiver Abfälle geführt. Bei diesem Gespräch haben die niedersächsischen Minister erneut auf Sicherheitsbedenken der Bergbehörden hinsichtlich des Salzbergwerks Asse für den Fall der Endlagerung größerer Mengen an schwach- und mittelradioaktiven Abfällen hingewiesen. Bedenken bestehen dabei vor allen Dingen hinsichtlich der Stabilität des Bergwerks. Deshalb werden schon seit mehreren Jahren die Bewegungen des Gebirges sorgfältig beobachtet. Ferner sind bereits 1979 Planungen für Maßnahmen in Auftrag gegeben worden, die für eine Stabilisierung des Bergwerks geeignet sind.
Im wesentlichen handelt es sich hierbei um eine Verfüllung der sogenannten Südflanke. Über das Konzept zur Verfüllung der Südflanke sind bereits mehrere Gespräche zwischen dem Betreiber der Schachtanlage Asse, der Gesellschaft für Strahlen- und Umweltforschung, und den niedersächsischen Bergbehörden geführt worden. Diese Gespräche sollen fortgeführt werden mit dem Ziel, die Planungen möglichst bald abzuschließen und Maßnahmen zur Stabilisierung des Bergwerks einzuleiten.
Die genannten Planungs- und Erkundungsmaßnahmen werden bis 1984 soweit abgeschlossen sein, daß dann ein Urteil darüber möglich ist, ob die für die weitere Endlagerung in der Schachtanlage Asse erforderlichen Sicherheitsnachweise überzeugend erbracht werden können.
Die Bundesregierung hat mit der niedersächsischen Landesregierung auch über die Einleitung eines Planfeststellungsverfahrens für das stillgelegte Eisenerzbergwerk Konrad gesprochen. Sie hat mit Genugtuung zur Kenntnis genommen, daß die niedersächsiche Landesregierung diesem Projekt im Prinzip nicht ablehnend gegenübersteht. Angesichts der günstigen technisch-wissenschaftlichen Ergebnisse der Eignungsuntersuchung sowie der Kapazität der Schachtanlage Konrad ist es das Ziel der Bundesregierung, die Errichtung eines Endlagers in der Schachtanlage Konrad mit Priorität anzustreben.
({0})
Herr Abgeordneter, es tut mir leid, die Fragestunde ist abgelaufen. Ich gebe noch bekannt, daß die Frage 60 des Herrn Abgeordneten Kirschner vom Fragesteller zurückgezogen wurde.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/ CSU Einsetzung eines Untersuchungsausschusses
- Drucksache 9/853 Das Wort zur Begründung hat der Herr Abgeordnete Vogel ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 2. Juni 1981 gegen 13.50 Uhr wechselte der Oberstleutnant der Nationalen Volksarmee der DDR Claus-Dieter Rauschenbach bei Tann in der Rhön über die Demarkationslinie von der DDR in die Bundesrepublik Deutschland. Am 4. Juni 1981 gegen 22 Uhr kehrte Rauschenbach, begleitet von seiner Ehefrau, über den bayerischen Grenzübergang Rudolphstein in die DDR zurück.
In Bewertung dessen, was in der dazwischenliegenden Zeit geschah, schrieb vor wenigen Tagen eine angesehene deutsche Tageszeitung:
Seit dem Fall des DDR-Grenztruppenoffiziers Rauschenbach, der in die Bundesrepublik übertrat und nur ganz kurze Zeit da blieb, ist das Vertrauen dahin, daß hierzulande die gegenwärtige Bundesregierung der Freiwilligkeit zur Rückkehr nicht unter opportunistischen Erwägungen nachhilft.
Rauschenbach war Kommandeur des 3. DDRGrenztruppenregiments „Florian Geyer" in Dermbach. Der Grenzsicherungsabschnitt dieses Regiments reicht etwa vom Grenzübergang Eußenhausen-Henneberg im Süden bis östlich von Heringen im Norden. Das sind Luftlinie rund 75 km.
Als Regimentskommandeur gehörte er zur sogenannten Gruppe 2 000, d. h. zum Kreis derjenigen in den DDR-Streitkräften, die für Sicherheitsfragen vom Ministerium für Staatssicherheit der DDR operativ eingesetzt werden.
Es handelte sich also nicht um einen alltäglichen Fall, sondern um einen ungewöhnlichen Fall. Rauschenbach gilt als der bisher ranghöchste Offizier der Nationalen Volksarmee der DDR, der in die Bundesrepublik Deutschland gekommen ist.
Die Bundesregierung, die nach § 2 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes vom 11. April 1978 die Parlamentarische Kontrollkommission umfassend über die allgemeine Tätigkeit der Nachrichtendienste und über Vorgänge von besonderer Bedeutung zu unterrichten hat, hat erst Anfang Juli, nachdem in der Presse auf Grund von Indiskretionen und Informationen aus dem Verantwortungsbereich der Bundesregierung ausführlich über die mit dem Namen Rauschenbach verbundenen Vorgänge berichtet worden war, die Parlamentarische Kontrollkommission unterrichtet.
Art und Weise sowie Inhalt der Unterrichtung - dies haben die Kollegen der Koalition genau wie wir
Vogel ({0})
als Peinlichkeit und Zumutung empfunden - haben die Mitglieder der CDU/CSU in der Parlamentarischen Kontrollkommission sofort nach der betreffenden Sitzung zu der Auffassung gebracht, daß durch einen Untersuchungsausschuß des Deutschen Bundestages in den ungewöhnlichen Vorgang für die daran interessierte Öffentlichkeit Klarheit gebracht werden müsse, und zwar nicht zuletzt wegen der Folgen, die dieser Vorgang in der DDR auslösen könnte oder schon ausgelöst hat.
Diesem Ziel dient der heute zur Beratung anstehende Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Dieser Untersuchungsausschuß wird vor allem die Verantwortlichkeiten für die im Zusammenhang mit der Rückkehr Rauschenbachs in die DDR am 4. Juni 1981 innerhalb der Bundesregierung getroffenen Entscheidungen zu klären haben.
Für die lauten Reaktionen aus der Koalition auf den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses haben wir keinerlei Verständnis. Es kann überhaupt nicht die Rede davon sein, daß damit die Parlamentarische Kontrollkommission unterlaufen oder geschwächt werde.
({1})
- Hören Sie doch in Ruhe zu, Herr Kollege Wehner. Ich weiß, daß dies für Sie ein empfindlicher Punkt ist.
Das Schicksal der Parlamentarischen Kontrollkommission mit ihrer spezifischen Aufgabenstellung hängt in viel stärkerem Maße, ja entscheidend von der Bereitschaft der Bundesregierung ab, mit diesem Kontrollinstrument des Parlaments angemessen und kooperativ umzugehen. Hier ist von seiten der Bundesregierung in der Tat vieles verbesserungsbedürftig, wenn ich die Erfahrungen seit Inkrafttreten des Gesetzes im April 1978 zusammenfassend bewerte, ohne daß ich die bisherige Arbeit der Parlamentarischen Kontrollkommission abwerten möchte. Wir bekennen uns ohne Vorbehalt zu diesem gemeinsam geschaffenen Kontrollinstrument und können uns nur wünschen, daß es so wirksam wie möglich arbeitet.
Bei der Aufgabe, die dem Untersuchungsausschuß gestellt wird, geht es gar nicht um die Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes. Der Opposition in diesem Hause kann niemand vorwerfen, daß sie zuwenig Rücksicht auf die spezifischen Belange der Nachrichtendienste nehme. Wenn empfindliche Gegenstände aus diesem Bereich an die Öffentlichkeit gezerrt werden, zeichnen immer andere dafür verantwortlich. Wir werden stets dafür eintreten, daß die Nachrichtendienste ihre Aufgabe effektiv erfüllen können, und in unserem politischen Verhalten darauf die gebührende Rücksicht nehmen. Wir sind aber nicht bereit, die Klärung von Verantwortlichkeiten, die innerhalb der Bundesregierung angesiedelt sind und die mit nachrichtendienstlicher Tätigkeit nichts zu tun haben, in einem zur Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit geschaffenen Gremium vergraben zu lassen, dessen Beratungen sowohl der Natur der Sache nach als auch kraft spezieller gesetzlicher Regelung geheim sind.
Die Beschimpfung der Opposition wegen ihres Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, die wir wahrscheinlich auch gleich wieder zu erwarten haben, erinnern mich in fataler Weise an die öffentlichen Angriffe auf die Opposition vor Einsetzung des Guillaume-Untersuchungsausschusses im Jahre 1974. Damals wurde auch mit Beschwörungsformeln die Zuständigkeit des früheren parlamentarischen Vertrauensmännergremiums reklamiert. In der Begründung unseres Antrages am 6. Juni 1974 habe ich mich damit ausführlich auseinanderzusetzen gehabt.
Es ist schon ein merkwürdig anmutender Vorgang, daß „Mißbrauch" geschrien wird, wenn die Opposition die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses beantragt, und das ausgerechnet bei einer Angelegenheit, bei der es um die Klärung von Verantwortlichkeiten innerhalb der Bundesregierung geht, die zu kontrollieren Aufgabe des ganzen Parlaments ist. Noch merkwürdiger mutet es an, daß die Absicht der Opposition, einen Untersuchungsausschuß zu beantragen, aus interessierten Kreisen der Bundesregierung selbst unverhohlene Ermutigung erfährt, während aus einer Parlamentsfraktion heraus lautes Geschrei ertönt. Man kann über die Zweckmäßigkeit eines Untersuchungsausschusses immer verschiedener Meinung sein und sich darüber auseinandersetzen. Wenn aber so laut „Mißbrauch" gerufen wird, wie es Herr Kollege Jahn in seiner Presseerklärung vom 29. September 1981 getan hat, dann muß das doch erst recht hellhörig machen.
Aus guten Gründen heißt es in § 1 Abs. 2 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes, daß die Rechte des Bundestages und seiner Ausschüsse unberührt bleiben. Dazu gehört insbesondere das Recht des Parlaments aus Art. 44 des Grundgesetzes, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen. Entscheidend ist, daß zwischen der Parlamentarischen Kontrollkommission und ihren Aufgaben und einem Untersuchungsausschuß und seinen Aufgaben wesentliche Unterschiede bestehen. Das eine Gremium kann das andere nicht ersetzen. Der Untersuchungsausschuß wird nicht zum Zwecke der Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes, sondern im Interesse der Aufklärung der Öffentlichkeit eingesetzt. Er dient der Aufhellung eines bestimmten, allgemein interessierenden Vorganges oder Gegenstandes und damit der Aufklärung der Öffentlichkeit.
In diesem Zusammenhang muß ich noch einmal auf die umfangreichen Presseveröffentlichungen auf Grund von Indiskretionen aus dem Verantwortungsbereich der Bundesregierung hinweisen, die zu einem erheblichen Teil der ersten Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission Anfang Juli dieses Jahres vorausgegangen waren. Gerade durch diese Veröffentlichungen ist die Aufmerksam3308
Vogel ({2})
keit der Öffentlichkeit erregt und ihr Aufklärungsbedürfnis geweckt worden.
({3})
Die Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission konnten damals nur voller Neid zur Kenntnis nehmen, was alles an Detailinformationen an die Öffentlichkeit gebracht wurde.
Wegen der auf das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit abstellenden Zielrichtung des Untersuchungsausschusses werden nach Art. 44 des Grundgesetzes die erforderlichen Beweise in der Regel in öffentlicher Verhandlung erhoben. Es herrscht das Prinzip der Öffentlichkeit. Die Parlamentarische Kontrollkommission ist notwendigerweise ein Geheimgremium. Der Untersuchungsausschuß hat in jedem Fall das Ergebnis der Beweisaufnahme zu würdigen und, anders als die Parlamentarische Kontrollkommission, im Plenum des Bundestages einen schriftlichen Bericht zu erstatten, der eine Beschlußempfehlung zu enthalten hat.
Ich fasse zusammen: Der Antrag der CDU/CSU-Fraktion auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist das adäquate Mittel, dem aus dem Verantwortungsbereich der Bundesregierung erzeugten Aufklärungsbedürfnis der Öffentlichkeit Rechnung zu tragen.
Wir bitten die anderen Fraktionen dieses Hauses, nicht nur der Einsetzung des Untersuchungsausschusses zuzustimmen, sondern auch bei der Aufklärung der mit dem Namen Rauschenbach verbundenen Vorgänge kooperativ mitzuwirken. - Ich danke Ihnen.
({4})
Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist für die Aussprache ein Beitrag bis zu zehn Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. Ist das Haus damit einverstanden? - Es ist damit so beschlossen.
Das Wort zur Aussprache, die ich damit eröffne, hat der Herr Abgeordnete Jahn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! An dem Antrag der CDU/CSU auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses stimmt nur eines. Er ist der äußeren Form nach zulässig. In der Sache ist er unbegründet. Er dient allein der öffentlichen Irreführung.
({0})
Er ist politisch unangemessen. Er gefährdet eine bisher unangefochtene Übereinstimmung aller Fraktionen des Deutschen Bundestages schwer.
({1})
Der Wortlaut des Antrages selbst und übrigens auch seine Begründung zeigen, wie unbegründet er ist. Seine Behauptungen sind ungenau, seine Beschuldigungen gegen die Bundesregierung unklar, seine Begründung verliert sich im Nebel von Verdächtigungen.
Der Vorgang, der angeblich untersucht werden muß, ist einfach und klar.
({2})
Ein Bürger der DDR, Offizier dort, kam freiwillig in die Bundesrepublik Deutschland. Auf Befragen erklärt er sich, wiederum freiwillig, bereit, mit seiner Frau, die es wünscht, und Vertretern der Regierung seines Landes, die es verlangt und verlangen kann, zu sprechen. Danach erklärt er - erneut freiwillig -, er wolle in die DDR zurückkehren.
Die Tatsache, daß es sich um einen ranghohen Offizier handelte, hat dazu geführt, daß nach seinem Grenzübertritt verschiedene Dienststellen des Bundes an dem Vorgang beteiligt waren. Gegen diese Dienststellen des Bundes sollen mit dem Untersuchungsantrag alle möglichen Verdächtigungen aufgebracht werden, insbesondere der Vorwurf, Pflichten verletzt und die Interessen des Bundes nicht geachtet zu haben.
Ich frage Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU: Welche Einstellung, welche Gesinnung steckt eigentlich hinter dieser Art von Bewertungen? Was hätte die Bundesregierung denn tun sollen? Sollte sie den Mann etwa als Kriegsgefangenen behandeln, oder was denn?
({3})
Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland ist die eines freien Landes. Hier gilt Artikel 11 des Grundgesetzes, der die Freizügigkeit verbürgt. Hier darf auch eine Regierung niemand festhalten gegen seinen Willen, wenn sie sich nicht der Freiheitsberaubung schuldig machen will.
({4})
Und in diesem Land werden Verträge mit dem anderen deutschen Staat eingehalten.
({5})
An diese Rechtsgrundsätze hat sich die Bundesregierung gehalten und hat damit die Interessen der Bundesrepublik Deutschland gewahrt.
Was gibt es denn da zu beanstanden? Was gibt es denn da zu untersuchen? Was hätte denn eigentlich noch geschehen sollen? Oder geht Ihre Hingabe an die Sonthofener Richtlinien schon so weit,
({6})
daß Sie der Regierung vorwerfen wollen, sie habe sich an Recht und Gesetz gehalten?
({7})
Bei dieser eindeutigen Sach- und Rechtslage bleibt nur eine Feststellung. Sie wollen um jeden Preis irreführen, und Sie wollen um jeden Preis verdächtigen. Sie wollen den Eindruck erwecken, Ihnen seien irgendwelche Kenntnisse oder Erkenntnisse vorenthalten worden, es gäbe Unklarheiten.
({8})
Jahn ({9})
Meine Damen und Herren, dazu stelle ich in aller Eindeutigkeit fest: Jede Behauptung in dieser Richtung ist unwahr.
({10})
Denn auf den Antrag Ihrer Vertreter in der Parlamentarischen Kontrollkommission ist diese am 8. Juli zusammengetreten und von der Bundesregierung umfassend und erschöpfend unterrichtet worden. Keine Frage ist unbeantwortet geblieben, keine einzige Frage.
({11})
Am Ende der Sitzung hat der Vorsitzende - es war damals Herr Dr. Kohl - festgestellt, es gebe keine Fragen mehr, auch nicht von ihm, auch nicht von Herrn Dr. Zimmermann, die beide dieser Kommission angehören.
({12})
Dies war auch in Ordnung, sie hatten ja keine Fragen mehr. Trotzdem - und da wird man ja wohl fragen dürfen, was das für eine Art des Umgangs miteinander ist - gehen Sie nach dieser Feststellung heraus und kündigen an, Sie würden einen Untersuchungsausschuß beantragen.
({13})
Als Sie den Antrag, den man auf Anhieb nicht so unbedingt ernst nehmen mußte, gestellt haben, haben wir erneut eine Sitzung der Parlamentarischen Kontrollkommission verlangt. Sie hat am 28. September stattgefunden. Auch in dieser Sitzung sind sämtliche Fragen eingehend behandelt und erörtert worden. Auch diese Sitzung ist wieder mit der Feststellung abgeschlossen worden, daß keine Fragen mehr vorliegen. Sie haben lediglich gesprächsweise am Ende der Sitzung den einigermaßen undeutlichen Wunsch geäußert, es solle der Staatsminister Huonker noch gehört werden in der Parlamentarischen Kontrollkommission. Das haben Ihre Vertreter aber nicht beantragt. Wir haben den Antrag gestellt. Wir haben es auf diese Weise erreicht; die Anhörung wird demnächst stattfinden, einen Termin dazu haben wir verabredet.
Trotzdem wollen Sie die vorbehaltlose Bereitwilligkeit der Bundesregierung, jede Frage zu beantworten, öffentlich in Zweifel ziehen, Sie verlangen dennoch einen Untersuchungsausschuß. Meine Damen und Herren, offensichtlich wollen Sie hier ein Drehbuch ablaufen lassen, das Ihnen vorgeschrieben worden ist. Dazu ist Ihnen jedes Mittel recht, sogar die Mißachtung der unverzichtbaren, vom Gesetz vorgeschriebenen Schutzbestimmungen über die Geheimhaltung der Beratungen der Parlamentarischen Kontrollkommission.
({14})
Oder wollen Sie bestreiten, daß die Fragen, die in Ihrem Antrag gestellt werden, die Kenntnisse wiedergeben, die Ihnen in der Parlamentarischen Kontrollkommission anvertraut, geheim anvertraut worden sind? Oder können Sie den Inhalt der Fernsehsendung des Bayerischen Rundfunks vom 22. September 1981 erklären, in der Ihr Herr Voss schon mitgewirkt hat und in der bereits die von Ihnen gewünschten Ergebnisse vorab angekündigt werden? Ich
zitiere aus dieser Sendung - aus einer Nachschrift -:
Nun wird
- das war vor der letzten Sitzung der Kontrollkommission am nächsten Montag noch einmal die Parlamentarische Kontrollkommission tagen, und danach wird der Bundestag vermutlich wieder einmal einen Untersuchungsausschuß einsetzen - auf Antrag der Opposition, die sich nicht davor fürchtet, daß hier die Regierung den Fall Rauschenbach in eine bayerische Abhöraffäre ummünzt. Denn die Beamten im Münchener Polizeipräsidium haben ja nach dem Polizeiaufgabengesetz mitgehört, und der zuständige BND-Beamte hat davon gewußt.
Der Untersuchungsausschuß kann demnach von folgenden Erkenntnissen ausgehen. Erstens. Die Kommunikation zwischen Zoll, Grenzschutz, Nachrichtendienst und Verfassungsschutz, zwischen Kanzleramt, Innen- und Innerdeutschem Ministerium hatte Mängel. Zweitens. Der Pullacher Nachrichtendienst ist wieder einmal im Gerede, obwohl sein Chef Kinkel gerade dieses vermeiden wollte. Drittens. Die politische Verantwortung für den Fall Rauschenbach liegt bei Staatsminister Huonker. Er hatte gegenüber Kinkel Weisungsbefugnis, und er hat davon Gebrauch gemacht. Viertens. Eine Gegenleistung Ost-Berlins gibt es bis zur Stunde nicht.
Das wollen Sie dann am Ende auch noch in Form eines Untersuchungsergebnisses als besondere Erkenntnisse festgestellt haben. Hier wird es in einer öffentlichen Fernsehsendung bereits angekündigt.
Die Schlußfolgerung, die Sie gern hätten, lassen Sie dort auch gleich verkünden. In derselben Fernsehsendung heißt es am Ende:
So mag das Fazit des Untersuchungsausschusses sein, daß ein Minister in einer schweren Güterabwägung einen Fehler gemacht hat. Dieses, so meine ich, kann immer wieder einmal passieren
- sagt der Kommentator in der Politik, ist allerdings auch nicht ohne Belang. Denn immerhin war es gerade Huonker, dem vor einem Jahr das Scheitern des innerdeutschen Gipfels angelastet wurde, für das eben der Nachholtermin feststeht.
Ein merkwürdiges Zusammenwirken zwischen dieser Sendung, dem, was Sie aus der Parlamentarischen Kontrollkommission wissen, und dem, was Sie heute zu diesem Untersuchungsausschuß sagen.
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Am 9. März 1978 haben wir in diesem Hause einstimmig mit Ihren Stimmen das Gesetz über die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste verabschiedet. Vorausgegangen waren lange und
Jahn ({16})
sorgfältige gemeinschaftliche Überlegungen. Wir waren uns damals einig: Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste ist notwendig; notwendig ist auch eine gesetzliche Grundlage dafür. Wir haben sie gemeinsam geschaffen, weil wir der Überzeugung waren - bis vor kurzem übereinstimmend waren -, daß dies gut und notwendig sei für die Stärkung der Rechte des Deutschen Bundestages gegenüber der Exekutive, daß es aber auch gut sei für die anerkannte Stellung der Dienste in unserem demokratischen Staat. Wir waren uns aber auch einig darüber: Das geht nur, wenn wir das vorgeschriebene Verfahren sorgfältig gemeinsam beachten.
Mit Ihrem heutigen Antrag kündigen Sie diese gemeinsame Überzeugung auf. Wie soll die Parlamentarische Kontrollkommission in Zukunft arbeiten, wenn die dort erhaltene Unterrichtung beliebig mißbraucht wird?
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Sie machen einen schweren Fehler. Dessen Folgen werden schwer zu überwinden sein. Sie fügen der wirksamen Kontrolle der Nachrichtendienste Schaden zu.
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Daran werden wir uns nicht beteiligen. Im Gegenteil, wir werden darüber wachen, daß der Schaden, den Sie heraufbeschwören, kleingehalten wird.
Wir achten das Recht der Minderheit. Seinem Gebrauch können wir dann nicht zustimmen, wenn er zum Mißbrauch wird.
Die SPD-Bundestagsfraktion wird sich deshalb zu Ihrem Antrag auf Einsetzung des Untersuchungsausschusses der Stimme enthalten.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Engelhard.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Opposition auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses hat in der Öffentlichkeit eine recht zwiespältige bis ablehnende Aufnahme gefunden. So wurde etwa darüber spekuliert, warum gerade zum Fall Rauschenbach die Opposition auf einem Untersuchungsausschuß besteht, und es wurde die Frage gestellt, warum gerade zu diesem Zeitpunkt dieser Antrag gestellt wird. Ich habe in der Presse gefunden, daß auch ganz unverblümt und im Klartext gesagt wurde, in dieser Woche werde hier wohl das überflüssigste Unternehmen dieser Art gestartet.
Ich stelle die Frage, ob die Kommentatoren irren, ob sie etwa an einen staatspolitisch wertvollen Forschungsdrang der Opposition nach Wahrheit die falsche Elle kleinlicher Kritiksucht anlegen. Ich meine: nein. Denn die informierte Öffentlichkeit spürt ganz einfach instinktiv, daß es der Opposition nur darum geht, jetzt öffentlichkeitswirksam in einer Skandalenquete das breitzutreten, was intern im vertraulichen Kreis der Parlamentarischen Kontrollkommission längst geklärt ist und, soweit es noch nicht als geklärt angesehen wird, bis zur Neige auszuloten man gar nicht so sehr das Bestreben hatte.
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Was Sie hier unternehmen, was Sie hier wollen, ist rechtlich möglich. Aber es ist politisch unklug, und es ist auch nicht ungefährlich.
Ich erinnere daran, daß es 1978 erstmals gelungen ist, die parlamentarische Kontrolle der nachrichtendienstlichen Tätigkeit des Bundes auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. Damals wurde die Parlamentarische Kontrollkommission geschaffen. Sie hat nun mit ihren acht Mitgliedern über mehr als drei Jahre hin gearbeitet, erfolgreich gearbeitet, wie nicht wir uns selbst bestätigen, sondern wie wir aus der Öffentlichkeit von ernst zu nehmenden Stimmen wissen. Und wenn Sie einmal zurückdenken, stellen Sie fest, daß in diesen drei Jahren im nachrichtendienstlichen Bereich nichts passiert ist, was wie in der Zeit davor zu hohen Wellen der Empörung Anlaß hätte geben können.
Die Parlamentarische Kontrollkommission ist also der richtige Ort, auch den Fall Rauschenbach eingehend zu behandeln. Das ist dort geschehen, und das hätte, wenn es jemandem nicht genügt hat, dort vertieft werden können.
In der Parlamentarischen Kontrollkommission muß die Bundesregierung über die allgemeine Tätigkeit der Nachrichtendienste umfassend berichten, ebenso über einzelne bedeutsame Vorgänge. Jedes einzelne Kommissionsmitglied hat Anspruch auf diese Unterrichtung.
Allerdings haben Sie, Herr Kollege Vogel - aber das ist ja eigentlich nicht der Streit um die Sache -, natürlich mit der Feststellung recht, daß durch die Schaffung der Parlamentarischen Kontrollkommission die Rechte des Deutschen Bundestages nicht verkürzt worden sind. In § 1 Abs. 2 des Gesetzes heißt es ausdrücklich:
Die Rechte des Bundestages und seiner Ausschüsse bleiben unberührt.
Gemeint ist das Recht jedes einzelnen von uns, Fragen an die Bundesregierung zu richten. Natürlich kann sich der Innenausschuß mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz und seiner Tätigkeit weiter beschäftigen. Der Verteidigungsausschuß wird sich hier und da mit dem Militärischen Abschirmdienst beschäftigen. Der Haushaltsausschuß hat natürlich auch das Recht, die Mittelanforderungen für die Dienste zu durchforsten und ihnen das Notwendige zuzuteilen, allerdings auch in einer besonders vertraulichen kleinen Kommission. Ebenso ist es völlig unbestritten, daß natürlich auch in diesem Bereich Untersuchungsausschüsse eingesetzt werden können.
Aber was ist das Problem? Wir wissen aus langer Erfahrung, daß dies alles zur wirksamen Kontrolle der Nachrichtendienste nicht zugereicht hat. Deswegen hat man zusätzlich die Parlamentarische Kontrollkommission geschaffen. Sie verkürzt nicht die parlamentarische Kontrolle, sondern sie stockt sie wirksam auf. Wenn das so ist, sollte man, wenn man Schaden von der Sache abwenden will, in dem GreEngelhard
mium, das vor drei Jahren neu geschaffen wurde, nichts unversucht lassen, zu einer Klärung zu kommen.
Und was findet statt dessen statt, Herr Kollege Vogel? Es findet eine nicht ungefährliche Doppelstrategie statt: auf der einen Seite die Unterrichtung in der Parlamentarischen Kontrollkommission, die dann zur Klärung führt. Was dort geklärt wird und auf den Tisch kommt, bleibt vertraulich. Aber in Ihrem Zangenangriff der Doppelstrategie wollen Sie parallel dazu einen Untersuchungsausschuß. Dort soll Offenlegung erzwungen werden. Dann erfolgt natürlich keine Klärung; denn mit dem, was Sie dort erfahren werden - ich sage es jetzt bereits voraus -, sind Sie nicht zufrieden und werden ein umfangreiches Minderheitenvotum zum besten geben.
Dann - und hier bin ich nicht Prophet, sondern hier bin ich jemand, der sich fürchtet - wird dies alles an die Öffentlichkeit getragen. Beim Strauß-Abhöruntersuchungsausschuß hatten wir es, daß aus zwei als „Geheim" und „Streng geheim" eingestuften Sitzungen am nächsten Tage - die Wahrheitsgemäßheit bestätige oder dementiere ich hier nicht - alles in einer Zeitung nachzulesen war. Dies ist die weitere Gefährlichkeit dieser Doppelstrategie.
Und zuletzt, meine Damen und Herren von der Opposition, folgendes: Meine These von der Doppelstrategie haben Sie ja in der in Aussicht genommenen personellen Besetzung des Untersuchungsausschusses trefflich bestätigt. Wenn ich richtig unterrichtet bin, wird die sozialdemokratische Fraktion die Kollegen Dr. Emmerlich und Jahn, zwei Mitglieder aus der Parlamentarischen Kontrollkommission, und Herrn Kollegen Wischnewski entsenden, der schon von seinem Amt als Staatsminister im Bundeskanzleramt her voll in die außenpolitische, die deutschlandpolitische und die nachrichtendienstliche Problematik solcher Fragen eingeweiht und ein Kundiger ist. Für meine Fraktion bin ich gebeten worden, in diesem Untersuchungsausschuß mitzuwirken.
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Die Opposition entsendet drei ehrenwerte Kollegen, aber alle drei sind nicht Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission.
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Wir hätten Sie, Herr Kollege Vogel, gern in diesem Kreise gesehen. Jetzt tritt auf diesem Wege der Doppelstrategie etwas ein, was ich einmal als einen sehr merkwürdigen, fast makabren politischen Staffellauf besonderer Art hin zum Ziel der Wahrheit, ausgerüstet mit dem Stab der Wahrheitssuche, bezeichnen möchte. Die Informierten unter Ihnen aus der Parlamentarischen Kontrollkommission wissen, wenn das Unternehmen beginnt, daß sie ja bereits am Ziel sind. Aber sie behalten dieses Herrschaftswissen für sich. Sie sagen nicht: Wir wissen alles; alles ist geklärt und in Ordnung. Sie schweigen. Sie behalten es ihren politischen Freunden gegenüber für sich, aber sie wollen oder können den Bewegungsdrang anderer nicht bremsen. Und so übergeben sie denn den Stab, damit Unkundige zum großen Rennen ansetzen und dem staunenden Publikum das Schauspiel eines Phantomlaufs geboten wird.
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Wir werden - und damit komme ich zum Schluß ({4})
uns der Arbeit im Untersuchungsausschuß nicht versagen. Aber, um im Bild zu bleiben, Sie haben das Recht weiterzulaufen. Nur können Sie nicht erwarten, daß wir - aus Ehrlichkeit Ihnen gegenüber und aus Sorge um die gemeinsame Sache - auch noch zum Startschuß beitragen. Wir werden uns deswegen bei Ihrem Antrag der Stimme enthalten.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU „Einsetzung eines Untersuchungsausschusses" auf Drucksache 9/853 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen ist der Antrag angenommen.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
a) Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/ CSU
Demonstration am 10. Oktober 1981 in Bonn
- Drucksache 9/871 -
b) Antrag der Fraktion der SPD und FDP Friedens- und Sicherheitspolitik der Bundesregierung und Gewährleistung der Meinungsfreiheit
- Drucksache 9/874 Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist verbundene Debatte für die Tagesordnungspunkte 3 a und 3 b vereinbart worden. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Als erstes rufe ich den Antrag der CDU/CSU auf. Herr Abgeordneter Dr. Zimmermann hat sich zu Wort gemeldet. Ist das nur Begründung oder Begründung mit Aussprache?
({0})
- Also Begründung mit Aussprache; wie ich erfahren habe, auch von seiten des Redners der SPD.
Bitte sehr, Herr Dr. Zimmermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der CDU/ CSU begrüßt die Bereitschaft der FDP-Fraktion und die - nach widersprechenden Erklärungen - auch der SPD-Fraktion, dem Vorschlag der Union zuzustimmen und das Thema „Friedens- und Sicherheitspolitik" im Zusammenhang mit der morgigen Demonstration zu behandeln.
Die Abgeordneten dieses Hauses sind als gewählte Volksvertreter zu einer Klärung der Positionen ebenso aufgerufen wie die Bundesregierung.
Das Plenum des Bundestages ist hierfür das richtige Forum.
({0})
Die Debatte hat sich auch deshalb als notwendig erwiesen, weil sich Mitglieder dieses Hauses seit Wochen in Gruppen oder allein in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete oder als Mitglieder der Bundesregierung öffentlich und höchst unterschiedlich zu der Demonstration eingelassen haben. Das gilt vor allem für die Fraktion der SPD, deren Erscheinungsbild der Bundeskanzler erst vorgestern in einem Interview wörtlich als „überaus diffus" bezeichnet hat.
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Der Deutsche Bundestag hat sich zuletzt am 26. Mai dieses Jahres mit Fragen des Friedens und der Sicherheit, mit der sowjetischen Aufrüstung, vor allem bei den Mittelstreckenraketen, und mit dem Doppelbeschluß der NATO zur Nachrüstung und zu Abrüstungsgesprächen beschäftigt. Der Bundeskanzler hat damals an dieser Stelle seine Rede mit dem Hinweis beendet - ich zitiere -, „daß Stetigkeit und Berechenbarkeit der Außenpolitik dieser Bundesregierung unverzichtbar sind, unverzichtbar für unsere Partner im Westen, unverzichtbar für den Zusammenhalt des westlichen Bündnisses, unverzichtbar für den Frieden in einer zunehmend unsteten und unsicheren Welt".
Genau darum geht es, und genau darauf richten sich auch die Blicke des Auslandes, besorgt die der USA und erwartungsvoll die der Sowjetunion. Denn sowohl im Westen wie im Osten weiß man natürlich, daß die Haltung der Bundesregierung nur die eine Seite der Medaille ist, daß auch die Seite der die Bundesregierung bildenden Parteien dazugehört. Seit dem 26. Mai 1981 haben sich die Gewichte in bezug auf den NATO-Doppelbeschluß offensichtlich verschoben, und zwar sowohl qualitativ als auch quantitativ; qualitativ, weil die Kampagne gegen die Position der NATO und der Bundesregierung massiver geworden ist, quantitativ, weil morgen offenbar eine der größten Demonstrationen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland stattfinden soll.
Dem Deutschen Bundestag liegen zwei Entschließungen vor, über die wir debattieren und abstimmen wollen. Das erklärte Ziel der CDU/CSU ist es, möglichst zu einem einheitlichen und klaren Votum in diesem Haus zu kommen. Wir haben uns daher in unserem Entschließungsantrag auf zwei Feststellungen konzentriert, zum einen auf die Feststellung, daß der offizielle Aufruf der Veranstalter sich einseitig gegen den NATO-Doppelbeschluß und damit gegen die Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland richtet.
({2})
Der zweite Punkt unserer Forderung ist die logische Schlußfolgerung aus dem ersten: Wenn der Aufruf einseitig ist - und er ist es -, dann ist er auch unvereinbar mit dem erklärten Ziel der Bundesregierung, den Beschluß der NATO vom 12. Dezember 1979 zu verwirklichen. Und zu diesem Ziel haben sich bis auf einige Abgeordnete der SPD-Fraktion
alle Mitglieder des Deutschen Bundestages am 26. Mai 1981 bekannt.
Die CDU/CSU lehnt den gemeinsamen Antrag der Fraktion der SPD und FDP nicht inhaltlich ab. Dieser Antrag ist jedoch unzureichend und so sichtbar der Ausdruck einer nur formalen gemeinsamen Plattform bei unterschiedlichen Sachpositionen, daß seine Aussagekraft gering ist.
({3})
Es ist wohl selbstverständlich, daß SPD und FDP von ihrem Mehrheitsbeschluß am 26. Mai nicht abrücken. Zu der notwendigen Bekräftigung dieses Beschlusses war die Koalition jedoch offenbar nicht in der Lage, obwohl es derartige Bestrebungen gab.
Was den angekündigten Beginn der Rüstungskontrollverhandlungen zwischen USA und Sowjetunion angeht, so entsprechen sie dem zweiten Teil des NATO-Doppelbeschlusses und werden von uns ausdrücklich begrüßt. Es ist weiterhin die selbstverständliche Aufgabe der Bundesregierung, entsprechend diesem Beschluß sowohl den Verhandlungsbeginn als auch die Verhandlungen selbst im Sinne der westlichen Position zu fördern. Das ist die Auffassung aller Fraktionen dieses Hauses.
Was das Recht auf friedliche Demonstration angeht, so hat meines Wissens niemand vor, das Grundgesetz zu ändern. Hier wird Selbstverständliches festgestellt und von der Koalition ein Thema angesprochen, das bisher keines war und nach unserer Auffassung auch keines werden sollte.
({4})
Die CDU/CSU-Fraktion will sich inhaltlich mit den Argumenten der morgigen Demonstration auseinandersetzen, um eine unzweideutige Position des Deutschen Bundestages zu erreichen. Hier hoffen wir auf eine breite Mehrheit.
Offiziell debattieren wir jetzt über zwei Entschließungsanträge, in Wirklichkeit jedoch über ein halbes Dutzend verschiedener Meinungen. Für die CDU/CSU-Fraktion kann ich feststellen, daß unser Antrag von allen Mitgliedern unserer Fraktion einmütig vertreten wird. Das gleiche kann innerhalb der Koalitionsparteien wenigstens die SPD-Fraktion nicht behaupten.
Zur Diskussion müssen auch die sonstigen Meinungsäußerungen aus diesem Hause herangezogen werden, die außerhalb dieses Hauses abgegeben worden sind.
({5}) Ich nenne nur die wichtigsten Stimmen:
erstens den Begrüßungsappell von jetzt etwa 60 SPD-Abgeordneten an die Teilnehmer der morgigen Demonstration,
({6})
die der Bundeskanzler als Kampfansage an seine Politik versteht;
zweitens die verständnisvolle Erklärung von 16 FDP-Abgeordneten zu den Motiven der Demonstration, die zumindest sehr unterschiedlich sind;
drittens den Vorschlag einer Gruppe von Abgeordneten innerhalb der SPD-Fraktion, die dem Vernehmen nach eine Aufforderung zur Teilnahme an der Demonstration durchsetzen wollten;
viertens den Entwurf einer Stellungnahme, die vor wenigen Tagen in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" abgedruckt war, wo sowohl die Einseitigkeit der Demonstration festgestellt als auch die Teilnahme von SPD-Mitgliedern mißbilligt wurden.
Es gehört der angebliche Brief des Bundeskanzlers und stellvertretenden SPD-Vorsitzenden Helmut Schmidt dazu, aus dem der „Spiegel" in seiner letzten Ausgabe Wortzitate bringt, die nicht dementiert worden sind. Der Kanzler habe hier den Parteivorsitzenden Brandt aufgefordert, das SPD-Präsidiumsmitglied Eppler zu ersuchen, auf der Demonstration nicht zu sprechen und allen Sozialdemokraten zu empfehlen, sich von dieser Kundgebung fernzuhalten.
Ferner gehören sechstens die fünf Punkte des Kanzlers dazu, die sich Herr Kollege Wehner zu eigen gemacht hat. Eine Tatsache, die von der SPD-Fraktion laut Presseerklärung mit Beifall aufgenommen wurde. Viel besser wäre es freilich gewesen, die SPD hätte dieses Papier verabschiedet und die entscheidenden Punkte 4 und 5 in den Entwurf ihres Entschließungsantrags mit der FDP eingearbeitet.
({7})
Nimmt man zu diesen unterschiedlichen Bekundungen noch die vielen Einzelstimmen aus der Koalition hinzu, so steht die deutsche und internationale Öffentlichkeit verwirrt vor einem Chor deutscher Disharmonie. Heute ist die Gelegenheit für den Bundeskanzler, aber auch für die Repräsentanten beider Koalitionsparteien, durch ihr persönliches Wort und vielleicht auch durch einen entsprechend neu zu formulierenden Antrag für Klarheit in der Sache zu sorgen.
Die Sorge um den Frieden in der Welt bewegt uns alle. Die Ermordung von Anwar El Sadat hat uns -wieder einmal gezeigt, wie instabil die Weltlage ist und zu welchen Wahnsinnstaten Fanatiker und Terroristen fähig sind. Die Anschläge auf den amerikanischen Präsidenten und auf den Papst, der Mord an Präsident Sadat sind blutige Zeichen in einer Welt, in der sich die Menschen nach Friede und Eintracht sehnen, in der aber Unfriede und Gewalt zu den traurigen Realitäten gehören.
Gerade wir Älteren, die wir den Zweiten Weltkrieg noch bewußt erlebt haben, erleben auch den Frieden bewußt. Weil wir wissen, wie schrecklich der Krieg ist, schätzen wir die Erhaltung des Friedens um so höher.
({8})
Zu den Widersprüchlichkeiten der Politik gehört, daß jetzt, nachdem die von der Koalition geführte Bundesregierung zwölf Jahre amtiert, die sich wie alle Bundesregierungen davor der Erhaltung des Friedens in Freiheit verpflichtet fühlte und die ihre Zielprojektionen unter dem Stichwort „Friedenspolitik" zusammenfaßte, die Menschen nach dieser
Phase, wo angeblich der Frieden immer sicherer wurde, um den Frieden mehr fürchten als vorher. Das hat seine Gründe.
Zwar fühlte sich die von SPD und FDP gestellte Bundesregierung insofern in der Kontinuität der vorangegangenen Unions-Regierungen stehend, als sie am Konzept von Sicherheit einerseits und Entspannung andererseits festhielt. Das argumentative Schwergewicht wurde jedoch immer stärker auf die Entspannung verlagert. Das Bewußtsein, daß eine ausreichende Sicherheit erst die unmittelbare Voraussetzung für Entspannung ist, ist dabei vielen Menschen verlorengegangen.
In dieser Phase der Isolierung der Entspannung von ihren sicherheitspolitischen Grundlagen fand die Sowjetunion ideale Voraussetzungen für eine ungehemmte Aufrüstung. Der Bundeskanzler selbst war es, der vor wenigen Jahren auf diese bedrohliche Entwicklung, auf den Ausbau der sowjetischen Überlegenheit vor allem bei den atomaren Mittelstreckenraketen hingewiesen hat. Je massiver die Sowjetunion rüstete, desto dringender wurde die Notwendigkeit zur Nachrüstung des Westens.
Insofern hat das verlorengegangene militärische Gleichgewicht in Europa der bisherigen Entspannungspolitik die Grundlage entzogen. Wer eine realistische Entspannung auf der Grundlage der Souveränität will, dessen Ziel muß es sein, die sowjetische Überrüstung abbauen zu helfen. Die Gefahr für den Frieden kommt durch die sowjetischen Raketen, die schon da sind, die auf unsere Städte, auf unser Land gerichtet sind. Wir müssen uns auf den Abbau der modernen sowjetischen Raketen vom Typ SS 20, mobil, zielgenau, konzentrieren.
({9})
Jede SS 20 weniger würde den Frieden sicherer und das Maß einer möglichen Nachrüstung geringer machen.
Carl Friedrich von Weizsäcker hält in seinem neuesten Buch „Der bedrohte Friede" eine große reale Abrüstung der Mittelstreckenraketen für notwendig. Er sagt:
Genau sie sind die Waffen, welche Mittel- und Westeuropa bedrohen. Die Gefahr würde vermindert nur durch eine drastische Reduktion, möglichst eine vollständige Abrüstung der sowjetischen Mittelstreckenraketen.
Dann sagt Carl Friedrich von Weizsäcker einen entscheidenden Satz - ich zitiere wörtlich -:
Es ist nicht zu erwarten, daß die Sowjetunion zur Abrüstung ihrer Mittelstreckenraketen bereit sein könnte, wenn die Gegenbewegung unserer eigenen Bevölkerung den Aufbau unserer Mittelstreckenraketen ohnehin verhindert.
({10}) Genauso ist es.
Je entschlossener die Bundesregierung, der Deutsche Bundestag und die demokratischen Parteien für die Verwirklichung des NATO-Doppelbeschlusses eintreten, desto günstiger sind die Aus3314
sichten für die Abrüstungsverhandlungen mit den Sowjets.
({11})
Wer die Nachrüstung des Westens aus ehrlicher Überzeugung vermeiden will, muß sich stark machen für die westliche Verhandlungsposition. Er darf dabei bei den Sowjets keinen Zweifel darüber aufkommen lassen, daß es sonst zur Nachrüstung kommt.
Wir nehmen die Sorge vieler Mitbürger, gerade auch junger Menschen, um den Frieden ernst. Wir diskutieren mit denen, die diskutieren wollen, die Informationen aufnehmen und die Argumenten zugänglich sind. Aber wir können diese Diskussion nur bestehen, wenn wir selbst einen Standort haben. Hier scheint mir bei manchen Mitgliedern dieses Hauses und in der Folge dann auch draußen einiges in Fluß geraten zu sein.
({12})
Was soll man davon halten, wenn leitende Beamte und enge Mitarbeiter des Bundesministers Engholm den Aufruf zur morgigen Demonstration unterstützen oder wenn nach der unglücklichen Aussage des Kultusministers Girgensohn in Nordrhein-Westfalen, der Bundesverband der Jungsozialisten in der SPD die Schülervertretungen anschreibt und Rechtshilfe bei dem Antrag auf Schulbefreiung zum Zweck der Teilnahme an der Demonstration anbietet?
({13})
Das alles läuft dann durch die Postfrankiermaschine des SPD-Erich-Ollenhauer-Hauses in Bonn.
({14})
Mehrere Landtagsabgeordnete haben in Zeitungsanzeigen zur Teilnahme an der morgigen Demonstration aufgerufen.
({15})
Diese drei Beispiele zeigen, wieweit sich Teile der SPD mit den sogenannten Friedensbewegungen eingelassen haben.
Meine Damen und Herren, die morgige Demonstration soll nach dem Willen der Veranstalter der vorläufige Höhepunkt einer Kampagne gegen den NATO-Doppelbeschluß sein, einer Kampagne, die eindeutig im Interesse Moskaus liegt, von kommunistischen Gruppen bei uns propagiert und von einer pazifistischen Strömung getragen wird. Vielen ist schon wieder entfallen, daß es am 6. Mai 1980 bei den öffentlichen Gelöbnissen von Bundeswehrsoldaten in Bremen zu blutigen Krawallen gekommen ist. Die Gelöbnisse waren jedoch nur der Anlaß. Die Demonstration zielte gegen den, wie es hieß, „entspannungsfeindlichen NATO-Beschluß über Produktion und Stationierung neuer atomarer Mittelstreckenraketen". Die Unterzeichner des Papiers von damals finden wir heute wieder unter dem Aufruf zur morgigen Demonstration.
({16})
Überhaupt kann man feststellen, daß es von Bremen über Brokdorf und Frankfurt bis zur Anti-Haig-Demonstration in Berlin im wesentlichen die gleichen Gruppen und Zirkel sind, die mitmachen.
({17})
Dabei stellt sich die Frage nach der Aktionseinheit zwischen Kommunisten und Demokraten. Frau Kollegin Renger hat mit Recht an den Unvereinbarkeitsbeschluß der SPD von 1970 erinnert. Damals beschlossen Parteivorstand, Parteirat und Kontrollkommission den Satz:
Zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten gibt es keine Aktionsgemeinschaft. Für derartige Fälle sollen SPD-Mitglieder auf den parteischädigenden Charakter ihres Verhaltens hingewiesen und notfalls ein Parteiordnungsverfahren eingeleitet werden.
Der Bundeskanzler selbst hob die Beteiligung der Kommunisten an der Demonstration in seinem Interview mit der „Stuttgarter Zeitung" kritisch hervor.
Mit der Frage der Aktionsgemeinschaft zwischen Demokraten und Kommunisten hat sich auch der Verteidigungsausschuß des Deutschen Bundestages als Untersuchungsausschuß bei der Untersuchung der Vorfälle vom 6. Mai 1980 beschäftigt. Im Abschlußbericht der Mehrheit des Ausschusses, also der SPD- und FDP-Abgeordneten, heißt es:
Parteien, Verbände und Kirchen sollten die Notwendigkeit von Landesverteidigung und Bundeswehr stärker verdeutlichen und sich an entsprechenden Veranstaltungen beteiligen. Andererseits gehört hierzu die notwendige Abgrenzung gegen Kräfte mit undemokratischen Intentionen, um der Gefahr mißverständlicher Aktionseinheiten mit derartigen Gruppierungen begegnen zu können. Dies gilt auch für die Durchführung von Demonstrationen.
({18})
Dieser Beschluß des Verteidigungsausschusses ist erst ein Jahr alt. Aber die bitteren Erfahrungen von Bremen sind offenbar, vor allem in der SPD, vergessen worden.
Niemand kann heute sagen, wie es morgen in Bonn wird. Alle hoffen auf einen friedlichen Ablauf und können nur damit rechnen, daß das auch im Interesse der Veranstalter und der Mehrzahl der Teilnehmer liegt; eine Garantie kann niemand übernehmen. In der Öffentlichkeit ist aber der Eindruck erweckt worden, das einzige Kriterium dieser Demonstration sei der friedliche Verlauf. Zuallererst muß man jedoch die Zielrichtung dieser Demonstration sehen, und die läuft einseitig gegen den Westen und die Bundesregierung.
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In dem offiziellen Aufruf richtet sich die Forderung Nummer eins gegen neue Atomwaffen in Europa. Das heißt, die Sowjetunion bleibt ungeschoren; denn sie hat ja bereits neue Atomwaffen gegen uns in Stellung gebracht.
Die zweite Forderung ergeht an die Mitgliedsländer der NATO, ihre Zustimmung zum NATO-Doppelbeschluß zurückzuziehen. Deshalb kann es einfach nicht stimmen, Herr Kollege Brandt, wenn Sie in Ihrem heutigen „Express"-Interview behaupten, wer an dieser Kundgebung teilnehme, demonstriere nicht gegen die Bundesregierung, sondern trete für einen gleichgewichtigen Rüstungsabbau in Ost und West ein.
({20})
Erst in den Punkten drei und vier des Aufrufs werden als unverbindliche Zukunftsperspektive ein atomwaffenfreies Europa und wirksame Abrüstungsverhandlungen gefordert. Die Einseitigkeit der Demonstration, die vielen Teilnehmern sicher ebensowenig bekannt ist wie die kommunistische Orientierung zahlreicher Organisationen, wird allerdings durch die Rednerauswahl bestätigt. Alle bisher genannten Redner sind bereits als strikte Gegner des NATO-Doppelbeschlusses hervorgetreten. Das gleiche gilt für die meisten der teilnehmenden Organisationen. Nach Aufruf, Rednern und teilnehmenden Organisationen ist die Stoßrichtung eindeutig gegen die offizielle Politik der Bundesregierung gerichtet.
({21})
Es gehört daher schon einiges an Beweglichkeit - um mich höflich auszudrücken - dazu, diese Demonstration zu begrüßen und gleichzeitig noch einmal für den NATO-Doppelbeschluß einzutreten, wie das offenbar eine größere Zahl von SPD-Kollegen vor hat.
({22})
Ich möchte die harte Klassifizierung der SPD durch den Bundeskongreß der Grünen letzte Woche hier nicht zitieren, um Sie zu schonen.
({23})
Die SPD sollte wissen, daß man ein Spiel mit verteilten Rollen nicht auf die Dauer betreiben kann.
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Inzwischen sind die Bürger darauf gekommen, daß mit der ruhmreichen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands doch etwas nicht stimmen kann, deren Repräsentanten in den zentralen Fragen unserer Politik, wie bei der Nachrüstung und der Kernenergie, gegensätzliche Positionen beziehen und deren Einigungsformeln immer inhaltloser werden, wie es der bisher vorliegende Entschließungsentwurf beweist.
Die morgige Demonstration hat eine Vorgeschichte. Nach allem, was wir wissen kommt die Idee, eine Serie von Kundgebungen in Westeuropa gegen den NATO-Beschluß durchzuführen, vom „Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit", einer laut Verfassungsschutzbericht des Bundesinnenministers kommunistisch gesteuerten Organisation. Die Initiativsitzung dazu hat in Frankfurt am 7. und 8. Februar dieses Jahres stattgefunden. Die organisatorischen Vorbereitungen wurden auf dem Evangelischen Kirchentag in Hamburg weitergeführt. Der Auftakt einer ganzen Welle von Demonstrationen soll morgen in Bonn sein. Der zuständige Organisator der Demonstration von der „Aktion Sühnezeichen" antwortet auf die Frage „Warum gerade Bonn?" wie folgt: Wir haben Bonn deswegen gewählt, weil wir heute wissen, daß die Bundesregierung im Dezember 1979 bei der Beschlußfassung über den sogenannten NATO-Doppelbeschluß eine führende Rolle gespielt hat. Derselbe Mann bestätigt in einem anderen Interview die Verbindungen zum „Krefelder Appell", der im wesentlichen DKPinspiriert ist, wie der Kollege Ehmke zu Recht festgestellt hat. Die Aussage des verantwortlichen Referenten lautet: Wir werden als Veranstalter dafür sorgen, daß diese Strömungen, mit Sicherheit vor allem der Krefelder Appell, in dem Redespektrum der Abschlußkundgebung vertreten sind. - Ich gehe davon aus, daß die verantwortlichen Stellen des Bundes und des Landes Nordrhein-Westfalen die notwendigen Vorbereitungen getroffen haben.
Jeder hat das unbestrittene Recht, morgen an dieser Demonstration teilzunehmen. Nur sollte jeder auch wissen, daß er mit seiner Teilnahme nicht lediglich für Frieden und Abrüstung eintritt,
({25})
was alle Vernünftigen tun, sondern daß gegen die Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland demonstriert wird. Es kommt nicht so sehr darauf an, was der einzelne denkt, als vielmehr darauf, was auf den Transparenten steht, hinter denen er herläuft. Für den einzelnen können es ehrenhafte Motive sein, doch können wir damit nicht die Zielsetzung beschönigen, wie es einige Kollegen in diesem Hause glauben tun zu müssen.
Ich stimme dem Bundeskanzler zu, der von der Demonstration abrückt und darin eine Kampfansage gegen seine Politik sieht. Ich stimme dem Bundesaußenminister zu, der die Mitglieder seiner Partei auffordert, nicht mitzumarschieren, damit keine falschen Eindrücke entstehen.
Der Kollege Bahr erkennt natürlich den Gegensatz dieser Demonstration zur Politik der Bundesregierung. Es klingt aber schon sehr merkwürdig, wenn er herunterspielend meint, der Unterschied liege lediglich in einem einzigen Punkt: der Stellung zum NATO-Doppelbeschluß.
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Der Kollege Bahr weiß wie ich, daß das der entscheidende Punkt ist und daß man hier bei intellektueller Redlichkeit an der Unvereinbarkeit nicht vorbeikommt.
({27})
Es gibt aus den Reihen der Koalition viel drastische Kritik an der Teilnahme von SPD-Mitgliedern. Staatsminister Corterier spricht von einem Dolchstoß in den Rücken des Kanzlers und der Regierung, und der langjährige stellvertretende SPD-Bundes-vorsitzende, Bürgermeister Koschnick aus Bremen, bezeichnet ihn deswegen als einen Trottel.
({28})
- Ein Beifall von einer ganz unerwarteten Seite!
({29})
- Das war ein unerwarteter und bezeichnender Beifall.
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Meine Damen und Herren, der FDP-Generalsekretär sieht die Demonstration auf das Herz der sozialliberalen Koalition gezielt. Das hat offenbar der Kollege von der FDP nicht gelesen.
({31})
Ich frage mich, warum bei diesem Widerspruch in der Zielsetzung Bundesregierung und Koalition nicht in der Lage sind, wenigstens eine distanzierende Erklärung zu dieser Demonstration abzugeben. Wir wissen alle, daß der sehr maßvolle Entschließungsantrag der CDU/CSU in diesem Hause eine große Mehrheit fände, wenn jeder Abgeordnete nach seinem Herzen abstimmen könnte.
({32})
Davon bin ich ganz fest überzeugt; denn es kommt nicht jeden Tag vor, daß eine Opposition einen so maßvollen und vorsichtig formulierten Antrag zur Stützung der Regierungspolitik vorlegt. Das kommt nicht jeden Tag vor.
({33})
Meine Herren von der SPD, Sie wissen genau, daß unser Antrag weit hinter dem zurückbleibt, was nicht wenige SPD-Abgeordnete unter Ihren „Kanalarbeitern" formulieren wollten, wenn man der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" glauben darf.
({34}) Da steht zu lesen:
Am 10. Oktober wollen sich Sozialdemokraten in Bonn an der Demonstration gegen den Doppelbeschluß der NATO beteiligen. Wir halten das nicht für richtig. Diese Demonstration ist einseitig. Sie richtet sich weder gegen das konventionelle Übergewicht der Sowjetunion noch gegen deren Raketenvorsprung. Diese Demonstration leistet dem Bestreben der Sowjetunion Vorschub, ihr Übergewicht in Europa festzuschreiben, um ihre Interessen durchsetzen zu können. Diese Demonstration leistet jenen Kräften Vorschub, die die Grundlage unserer Sicherheit, nämlich die Verbindung zu den Vereinigten Staaten, lockern wollen.
Meine Damen und Herren, das ist eine Sprache, die unzweideutig ist, die richtig im Inhalt ist und verstanden wird. Dieser Antrag ist bloß deshalb nicht zur Diskussion und zur Abstimmung in der SPD gestellt worden, weil man die Risse, die in dieser Partei und Fraktion bestehen, nicht noch vertiefen wollte. Das war der einzige Grund.
({35})
Der Deutsche Gewerkschaftsbund ist offiziell von der Demonstration von morgen abgerückt,
({36})
wenn er auch nicht verhindern konnte, daß Einzelgewerkschaften und deren Vertreter mitmachen. Aber der DGB hat wenigstens gehandelt.
({37})
Die SPD-Fraktion jedoch sieht sich nicht einmal in der Lage, die fünf Punkte des Bundeskanzlers, in denen eine Distanzierung zu der morgigen Veranstaltung vorgenommen wird, zum Beschluß zu erheben.
({38})
Wir sind in ernster Sorge über die Zukunft unserer Sicherheit, über die Zukunft in Frieden und Freiheit. Aus dieser Sorge heraus haben wir uns entschlossen, als Opposition einen Antrag zur Stützung der Bundesregierung im Deutschen Bundestag einzubringen, was nicht die primäre Aufgabe der Opposition ist.
({39})
- Es ist das eigentlich Traurige, daß Sie auch in einer solchen Stunde außerstande sind, sich einen Hauch von Ernst zu bewahren.
({40})
Es sind nämlich jetzt nicht taktische Winkelzüge gefragt, sondern verbindliche Aussagen.
Die morgige Demonstration ist, jenseits aller Meinungen einzelner Teilnehmer, in ihrer Zielsetzung einseitig gegen den Westen gerichtet und unvereinbar mit der Politik der Bundesregierung im westlichen Bündnis.
({41})
Das festzustellen, nach innen und nach außen, darauf kommt es uns an. Und aus diesem Grunde bitte ich namens der CDU/CSU, unseren Entschließungsantrag aufzugreifen. Ich sage „aufgreifen", weil ich die Hoffnung habe, daß es im Verlauf der Debatte doch noch zu einer gemeinsamen Entschließung des Deutschen Bundestages kommt. Es wäre gut für alle.
({42})
Wird das Wort zur Begründung weiter gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Meine Damen und Herren, ehe ich das Wort weiter erteile, möchte ich gerne einen Gast begrüßen, der unserer heutigen Debatte beiwohnt. Auf der Diplomatentribüne hat der Generalsekretär des Europarates, Herr Dr. Franz Karasek, Platz genommen. Ich habe die Ehre, Herr Generalsekretär, Sie im Namen des Deutschen Bundestages sehr herzlich zu begrüßen.
({0})
Wir freuen uns, Herr Generalsekretär, daß Sie unserer Einladung gefolgt sind und heute dieser Debatte beiwohnen. Wir freuen uns auch ganz besonders, daß Sie Ihre Anwesenheit in der Bundesrepublik
Vizepräsident Dr. h. c. Leber
dazu nutzen, einen Besuch in Berlin zu machen. Guten Aufenthalt!
({1})
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Brandt.
({2})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In einem Punkt glaube ich mit dem Kollegen Zimmermann, nach dem, was er hier gesagt hat, zunächst einmal übereinstimmen zu können: Es steht nicht zu unserer Disposition, sondern es steht im Grundgesetz, daß die Freiheit der Meinung auch in Demonstrationen ausgedrückt werden kann.
({0})
Es darf eine Binsenwahrheit der demokratischen Rechtsstaatlichkeit genannt werden,
({1})
daß Anspruch auf Achtung seiner Meinung hat, wer friedlich demonstriert.
({2})
Ich lese in einer angesehenen deutschen Wochenzeitung - wie Sie vermutlich auch gestern gelesen haben, Herr Kollege Barzel -:
Die friedliche Demonstration ist ein Lebenselement der Demokratie,
({3})
ein Zeichen ihrer Stärke und Lebendigkeit.
Ich bin nicht froh darüber, daß wir über solche Selbstverständlichkeiten streiten und sogar noch abstimmen müssen,
({4})
weil Sie dies herausfordern.
({5})
Mir ist schwer vorstellbar, daß im britischen Unterhaus, in der Assemblée Nationale oder im amerikanischen Kongreß eine so eingeführte Debatte für angemessen gehalten werden würde.
({6})
Herr Abgeordneter Brandt, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Barzel?
Herr Kollege Barzel, immer; aber sonst muß ich nachher ein bißchen aufpassen, um mit der Zeit zurechtzukommen, Herr Kollege Barzel.
({0})
Herr Kollege Brandt, womit würden Sie begründen, daß hier ein Antrag zur Abstimmung vorliegen soll, der das Grundrecht auf Demonstration in Frage stelle, das im Grundgesetz steht und das wir alle bejahen. - Zu einer freien Meinungsäußerung sollte freilich auch das unvermummte Auftreten gehören. Dies steht doch hier nicht zur Debatte. Gegen wen polemisieren Sie jetzt, Herr Kollege Brandt?
({0})
Zu dem zweiten Teil Ihrer Frage - ({0})
- Das hilft ja alles nichts. Sie können doch, auch wenn heute eine taktische Frontbegradigung vorgenommen worden ist, nichts daran ändern, daß Sie gegen die Demonstration als solche angegangen sind und es deshalb notwendig war, das Recht auf freie Demonstration klarzustellen; das tut die Koalition.
({1})
Ich möchte Ihnen unter dem noch frischen Eindruck einer Amerikareise sagen: etwas weniger Aufgeregtheit, als in diesem Zusammenhang zur Schau gestellt wird, würde dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschland gut bekommen.
({2})
CDU und CSU - oder soll ich sagen: CSU und CDU? - haben sich auf das taktische Manöver eingelassen, sich als Helfer der Bundesregierung darstellen zu wollen oder, wie Herr Zimmermann eben sagte, die Regierungspolitik stützen zu wollen. Welch zweifelhafte Taktik!
({3})
- Da scheint doch sehr viel Nervosität bei Ihnen zu sein.
({4})
In dem Antrag der Opposition wird der Eindruck erweckt, man stütze den NATO-Doppelbeschluß vom Dezember 1979 in seinen beiden Teilen, und man bezieht sich dann auf die Bundestagssitzung vom 26. Mai 1981. In Wirklichkeit ist es aber doch so, Herr Zimmermann: nach dieser Bundestagssitzung vom Mai 1981 hat beispielsweise der Vorsitzende der CSU, Ministerpräsident Franz Josef Strauß, auf dem Parteitag der CSU im Juli in München gesagt, daß er gegen diesen Doppelbeschluß ist.
({5})
Ich habe - und es ist schon eine Dreistigkeit, Herr Zimmermann, dazu in München Beifall zu klatschen und hier das Gegenteil zu vertreten -,
({6})
hier vor mir liegen nicht irgendein Zeitungsbericht, Herr Kohl, sondern der Bericht über diese Rede des Herrn Strauß im „Bayernkurier"
({7})
vom 18. Juli - das ist schon die redigierte Fassung -,
({8})
und danach sagt - ({9})
- Ich habe ja gesagt, die Nervosität schlägt stark durch; aber mich bringen Sie nicht aus der Ruhe.
({10})
Dort spricht Herr Strauß von dem Geburtsfehler des NATO-Doppelbeschlusses, der taktisch bedingt war, und sagt, der Geburtsfehler bestehe darin, daß man sich nicht allein auf den Rüstungsbeschluß beschränkt habe.
({11})
Ich bin sehr gespannt, wie Sie das aus der Welt schaffen wollen.
Weil dies so ist, deshalb war und ist es notwendig, daß die Koalition in ihrem Antrag nicht die allgemeine Bezugnahme auf die Entschließung vom 26. Mai 1981 vorschlägt, sondern es ist angebracht und richtig, daß die Koalition den Bundestag einlädt, sich auf den Beschluß vom Mai 1981 zu beziehen und zu sagen, dieser Beschluß - wie wir es vorschlagen - gelte unverändert. Und wir schlagen vor, daß der Bundestag die zwischenzeitige Aufnahme von Gesprächen und den Beschluß der Regierungen der beiden nuklearen Weltmächte begrüßen solle, Rüstungskontrollverhandlungen noch in diesem Jahr zu beginnen. Wir schlagen vor, dem Bundeskanzler und dem Bundesaußenminister für ihren gemeinsamen Beitrag zu dieser hoffnungsvollen Entwicklung Dank zu sagen.
({12})
Und wir schlagen vor, verehrte Kollegen, im übrigen - und dazu habe ich meine Meinung schon gesagt - festzustellen, daß die Freiheit der Meinung, die auch in Demonstrationen ausgedrückt werden kann, durch das Grundgesetz gegenüber jedem Bürger gewährleistet ist. Wer friedlich demonstriert, hat Anspruch auf Achtung seiner Meinung.
({13})
In diesem Zusammenhang muß ich - weil wir ja hier anständig miteinander umzugehen haben ({14})
folgendes hinzufügen. Bei der Beurteilung des NATO-Doppelbeschlusses ist für die SPD vom Beschluß vom 26. Mai in diesem Hause auszugehen. Grundlage für die positive Entscheidung der damals abweichenden Kollegen für den heutigen Antrag ist die in dem Antrag zum Ausdruck kommende Anerkennung der zwischenzeitlichen Erfolge der Bemühungen von Bundeskanzler und Bundesaußenminister, die Partner an den Verhandlungstisch zu bringen.
({15})
Aber angesichts der Haltung der CSU im Juli - nachdem hier im Mai beschlossen worden war - wundert es mich schon, wie Sie hier den Mut aufbringen, von Stetigkeit und Berechenbarkeit zu sprechen und dann noch so zu tun, als ob man sich darüber wundere, daß es draußen viel Verwirrung und Unruhe gibt.
({16})
Wieso erwarten Sie, Herr Zimmermann, von der „Aktion Sühnezeit" mehr Klarheit, als Sie sie aufzubringen in der Lage oder bereit sind?
({17})
Da Sie von dem Einbinden der beiden christlichen Gruppen gesprochen haben, die die ursprünglichen Veranstalter der für morgen geplanten Kundgebung sind, möchte ich aus einem mir vorliegenden Bericht zitieren, der davon handelt, daß am 29. September 1981 der Innenminister der niederländischen Regierung vor seinem Parlament zu dem Stellung genommen hat, was er die „Verleumdungskampagne gegenüber dem interkirchlichen Friedensrat" nennt. Das ist eine Regierung, in der Ihre niederländischen Freunde so vertreten sind, wie die unseren darin vertreten sind. Der Innenminister Vanthijn hat sicher nach reiflicher Überlegung so formuliert, wie er es formuliert hat. Er sagt nämlich: Ich bin übrigens froh, daß mir diese Fragen vorgelegt wurden - das war dort in einer parlamentarischen Fragestunde -, weil es mir die Möglichkeit gibt, auseinanderzusetzen - so sagte der Minister -, wie sehr die Regierung es bedauert, daß eine so wichtige meinungsbildende Gruppe wie der interkirchliche Friedensrat, welcher den Wortsinn des Unbehagens breiter Bevölkerungsschichten über die weitergehende Atomwaffenrüstung ausdrückt, immer wieder in ein falsches Licht gestellt wird, ohne einen Anschein von Beweis. - So sagt es der verantwortliche Minister einer uns befreundeten Regierung über eine Gruppe, die mit den beiden von mir genannten bei uns zusammenhängt.
Dann hat Herr Zimmermann wieder den Versuch gemacht - gleich zu Beginn seiner Ausführungen -, den Eindruck zu erwecken, als ob er und seine Freunde die besseren Verbündeten der USA seien. Herr Zimmermann, dann müssen Sie einmal darleBrandt
gen, für welche Militärpolitik der USA Sie eigentlich sind: ob für die, die der spätere Präsident Reagan im Wahlkampf vertreten hat, oder für die, die er im Januar bekanntgegeben hat, oder für die, die er am letzten Freitag vorgelegt hat?
({18})
Daß darüber in den USA gestritten wird, ist dort die größte Selbstverständlichkeit.
({19})
Aber wer, Herr Zimmermann, die zum Teil einander widersprechenden Varianten einer noch nicht voll ausgeformten Politik unseres Hauptverbündeten jeweils mit gleichem Beifall bedenkt, der kann auf Grund seines Übereifers nicht für ganz voll genommen werden.
({20})
Der Bundeskanzler hat dieser Tage in demselben Interview, aus dem Sie, Herr Zimmermann, vorgetragen haben, an den Beschluß der Sozialdemokraten auf ihrem Essener Parteitag im Juni erinnert, den alle Sozialdemokraten tragen, in dem wir uns auf den Doppelbeschluß berufen und den Vorrang des Verhandlungsangebots in diametralem Gegensatz zu dem herausheben, was Strauß in Juli in München auf dem CSU-Parteitag gesagt hat. Der Bundeskanzler führt darin weiter aus - was auch hier schon mit sehr vielen hämischen Bemerkungen bedacht wurde -, daß es unsere Vorstellung bleibt und jetzt auch die der amerikanischen Führung ist, zur Null-Option zu kommen,
({21})
d. h. das Nachrüsten der einen Seite - unserer Seite - dadurch überflüssig zu machen, daß Vorrüstung zurückgenommen wird. Das muß das Ziel der Verhandlungen sein.
({22})
- Das habe ich doch gesagt. Das habe ich doch wohl eben gesagt.
({23})
Das steht auch in der Entschließung vom Mai 1981. Habe ich nicht soeben gesagt: Damit die eine Seite nicht nachzurüsten braucht, muß die andere Seite Vorrüstung zurücknehmen. Das sind doch wohl zwei Seiten.
({24})
- Bitte?
({25})
- Auf Null. Natürlich ist das die Verhandlungsvorstellung. Bloß, Sie haben hier doch zugestimmt. Sie
haben ja vergessen, was Sie hier mal beschlossen haben.
({26})
Dort steht nämlich, in der Entschließung vom 26. Mai, daß die Verhandlungen erleichtert werden, wenn die Sowjetunion den Bau und die Stationierung weiterer SS 20 einstellen und die vorhandenen Mittelstreckenraketen schrittweise abbauen würde. Das haben Sie mitbeschlossen. Und heute wollen Sie es nicht wahrhaben.
({27})
Die Regierung darf sich auch weiterhin nicht von Aufgeregtheiten und Widersprüchlichkeiten der Unionsparteien abhängig machen,
({28})
sondern sie muß sich weiterhin um ihre konstruktiven Beiträge bemühen. Und die müssen wir den besorgten Menschen - und derer gibt es nicht wenige im Lande - vermitteln. Ich werbe bei den Besorgten im Lande um Vertrauen für diese Bemühungen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland.
({29})
Und ich werde mit meinen Freunden den Hysterikern entgegentreten, die zu falscher Zeit mit falscher Begründung rufen, das Vaterland sei in Gefahr,
({30}) und erst recht den gefährlichen Demagogen,
({31})
die sich nicht scheuen, Teile der Koalitionsparteien, Krawallmacher und Terroristen auf eine Stufe stellen zu wollen.
({32})
Das ist eine üble Stimmungsmache. Wir lehnen es ab, auf dieser Ebene zu diskutieren.
({33})
Das es Unsicherheit gibt, daß es Sorgen gibt, auch Angst bei vielen, auch bei vielen Ihrer Wähler, verehrte Kollegen von den Unions-Parteien,
({34})
daran kann es keinen Zweifel geben. Und das ist ja keine Schande. Die Parole, daß der deutsche Junge nicht weinen dürfe, ist ja veraltet.
Soll man etwa nicht unruhig werden dürfen, wenn man weiß, daß heutzutage in einem Jahr 500 Milliarden Dollar für Rüstung ausgegeben werden, daß heute mehr Tonnen Sprengstoff als Tonnen Lebensmittel auf der Welt lagern, daß heute so viel Sprengkraft lagert, wie einer Million Hiroschima-Bomben entspricht?
Es gibt Grund genug für die, die morgen gegen weitere Rüstung in Ost und West demonstrieren wollen,
({35})
nebenbei gesagt: auch gegen die zunehmende Militarisierung der Dritten Welt.
({36})
- Die DDR, Herr Kollege Mertes, hatte ich wohl bei „Ost" schon mit genannt, oder ist die DDR neuerdings ein Faktor für sich selbst? Ich habe gesagt: „In Ost und West" und auch in der Dritten Welt, denn auch durch das weitere Rüsten dort wird die Menschheit nicht sicherer, sie macht sich immer ärmer. Deshalb muß sie aus dem Teufelskreis heraus.
({37})
Und was ist falsch daran, wenn Deutsche sich zusätzlich Sorgen machen, was aus Deutschland wird? Daß wir in des Wortes eigentlicher Bedeutung vital betroffen sind, ist ja wohl nicht falsch. Es gibt doch viele Menschen, die sich fragen: Wir wissen nicht, was aus anderen Teilen der Welt werden mag, sollte es zu einem clash kommen, aber daß die Deutschen in den beiden Teilen Deutschlands vernichtet werden könnten, davon müssen wir erst einmal ausgehen. - Deshalb haben wir noch mehr Grund als andere, uns dieser Sorge anzunehmen, und auch deshalb, weil in keinem Teil der Welt so viel atomare Zerstörungsmittel gelagert sind wie heute auf dem Boden beider deutscher Staaten.
({38})
Was hat man eigentlich davon, Herr Zimmermann, was hat der demokratische Staat davon, wenn man die Vielen, die meisten derer, die morgen kommen wollen, in eine falsche Ecke drückt,
({39})
während sie in Wirklichkeit ihrer Sorge vor dem Wettrüsten Ausdruck geben wollen?
Es ist niemand legitimiert, morgen dort für die SPD zu sprechen, aber es ist eine unstatthafte Ablenkung, das in die Frage umfunktionieren zu wollen, ob irgendwo auch einige Kommunisten mitlaufen.
({40})
Für die SPD gilt, was Sie freundlicherweise zitiert haben, daß wir nämlich Aktionseinheiten mit den Kommunisten ablehnen. Das war und das bleibt so.
({41})
Jetzt frage ich Sie einmal: Den Friedensappell des
Deutschen Gewerkschaftsbundes, über den ich hier
im September gesprochen habe, werden Sie hoffentlich noch unterschreiben; die meisten haben es ja noch nicht getan.
({42})
Der Deutsche Gewerkschaftsbund kann sich auch nicht dagegen schützen, daß hier und da ein paar Kommunisten mit unterschreiben, aber er trägt ihn, und wir tragen unsere Politik. Sie haben ja ihre eigenen Abgrenzungsprobleme; das wollen wir heute auf sich beruhen lassen. Meine Kollegen von der CDU und CSU, Sie tun dem deutschen Ansehen keinen Dienst, wenn Sie im Wissen um den tatsächlichen Einfluß der Kommunisten in der Bundesrepublik dem Ausland gegenüber einen kommunistischen Popanz aufbauen wollen.
({43})
Ich habe Breschnew ins Gesicht gesagt: Schätzen Sie das nicht falsch ein. Das sind nicht Leute, die für Sie sind, das sind nicht Leute, die russische Raketen lieber haben als amerikanische, sondern die wollen, daß auf beiden Seiten abgerüstet wird, gleichgewichtig, beiderseitig!
({44})
Ich sage Ihnen hier: Sie sollten nicht ohne Not Tausende beleidigen,
({45})
indem Sie sie zu Mitläufern Moskaus machen.
({46})
Ich bleibe dabei: Ich habe auf deutschem Boden Schlimmeres erlebt, als mich mit jungen Leuten auseinandersetzen zu müssen, die auf ihre Weise für Frieden eintreten.
({47})
In der erwähnten deutschen Wochenzeitung las ich gestern, was dem voll entspricht:
Niemand hat den geringsten Grund, sich einer Massendemonstration zu schämen, bei der Deutsche sich für den Frieden einsetzen.
Wenn sie es auf nicht hinreichend klare Weise tun, muß man dies deutlich sagen, und man muß hier und anderswo darüber reden; und das tun wir.
Doch gerade mit dem Blick auf die morgige Veranstaltung will ich Dreierlei sagen, und zwar an die Adresse der Vielen, in denen ich nicht meine Gegner erkennen kann, sondern meine Freunde.
({48})
Erstens. Friedenswille ist gut, aber wir haben daraus Friedenspolitik zu machen.
({49})
Zweitens. Auf die friedlichen Mittel kommt es an. Drittens. Man darf nicht einäugig argumentieren
({50})
oder mit sich argumentieren lassen.
({51})
Zum zweiten Punkt, der Friedfertigkeit, haben einige meiner Kollegen auf, wie ich glaube, durchaus überzeugende Weise das zu Papier gebracht, was wir alle uns zu eigen machen können: Nur der gewaltlose Protest ist ein glaubwürdiger Protest gegen den Krieg. Deshalb laßt uns gemeinsam dafür sorgen, daß unser Friedenswille nicht durch gewalttätige Minderheiten in Zweifel gezogen wird.
({52})
Ich freue mich über die Ankündigung junger Christen und junger Sozialdemokraten - was einander ja nicht ausschließt -, daß sie es nicht der Polizei überlassen wollen, Randalierer abzuschütteln, sondern sich aktiv für den gewaltfreien Verlauf einsetzen wollen. Unser Volk will nicht das, was in Bremen und in Berlin und anderswo war. Wir verabscheuen es! Und wir dürfen das nicht auf dem Buckel der Kollegen Polizisten abladen lassen.
({53})
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich habe gesagt, man muß vor Einäugigkeit auf der Hut sein, d. h. nicht nur vor fremden Beeinflussungen, sondern auch vor solchen Regorismen, die praktische Friedenspolitik unmöglich machen können. Andererseits gibt es keine Veranlassung, sich nicht jeder Art von schwieriger und anspruchsvoller Diskussion zu stellen. Meine Partei tut das. Wo andere ihre Konzeptionen entwickeln, muß man die Kraft finden, sie an den eigenen zu messen. Manche von uns haben ja im Laufe der Jahre auch schon hinzulernen müssen: Man darf kritische Bürger nicht unterschätzen. Wir stellen unsere politische Überzeugung auf den Prüfstand. Wir sind, wir waren und wir werden weiter bereit sein, Gespräche zu führen, Argumente zu wägen und jeden ernsthaft um Unterstützung und Mitarbeit zu bitten, der einen Beitrag leisten möchte. Das gilt für die morgen sich zusammenfindenden Bürger ebenso wie für die Mitglieder der Opposition in diesem Hause.
Meine Damen und Herren, ich sage dies als Vorsitzender einer Partei, die - mit den deutschen Gewerkschaften - eine alte Tradition - keinen Monopolanspruch, aber eine alte Tradition - als Bewegung des Friedens in deutschen Landen hat, einer Partei, deren Vorsitzender August Bebel lieber ins Gefängnis gegangen ist, als den Mitteln für den in Annexion umschlagenden Krieg gegen die Franzosen zuzustimmen,
({54})
einer Partei, die 1917 mit dem Zentrum zusammen die Friedensresolution im Deutschen Reichstag eingebracht hat, nachdem es vorher nicht möglich gewesen war, den Krieg zu verhindern, einer Partei,
die 1932 nicht ohne Grund gesagt hat - und sie ist ja auf schreckliche Weise bestätigt worden -, daß Hitler Krieg bedeutet.
Nun sind wir immer noch dabei, uns mit den Folgen des Hitler-Krieges herumzuschlagen. Daraus ergibt sich für mich das besondere Gewicht dessen, was zu beschließen wir dem Deutschen Bundestag vorgeschlagen haben, nämlich sowohl die Bestätigung als auch die Begrüßung des hartnäckigen Bemühens der Bundesregierung, das im deutschen Interesse, im Interesse aller deutschen Bürger, liegt, wobei wir uns an die Entschließung vom 26. Mai dieses Jahres anlehnen.
({55}) - Sie doch auch!
({56})
- Hören Sie doch erst einmal zu, worauf sich das bezieht, nämlich auf den letzten Satz, in dem wir damals zu dem Sonderthema, an das Sie eben denken und das natürlich ein ungeheuer wichtiges ist, guten Grundes gesagt haben - Sie haben dem leider nicht zustimmen können -, daß wir die Bundesregierung bitten, die Politik der aktiven Friedenssicherung der zurückliegenden Jahre fortzuführen. Das ist der Punkt!
({57})
Darauf kommt es an. Davon dürfen und werden wir uns nicht abbringen lassen, und dabei können wir viel Unterstützung brauchen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
({58})
Das Wort hat der Abgeordnete Mischnick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Entschließungsantrag der Opposition und nicht zuletzt die begründende Rede des Kollegen Zimmermann machen es nach meiner Überzeugung notwendig, nicht nur die klare Marschrichtung der Bundesregierung in der Friedenspolitik zu unterstreichen und zu unterstützen, sondern auch einige Bemerkungen zur Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie über das Selbstverständnis des Parlamentes zu machen.
Der Entschließungsantrag der Unionsparteien ist für mich doch eine sehr merkwürdige Sache. Ich will gar nicht auf die Entstehungsgeschichte eingehen, über die man auch reden könnte. Aber, meine Damen und Herren, wo kämen wir denn hin, wenn wir in Zukunft erwarten müßten, daß bei jeder Demonstration, wofür oder wogegen sie auch stattfindet, in diesem Haus vorher eine Debatte stattfindet!
({0})
Wo kämen wir hin, wenn wir dann hier zu Zustimmungs- und Verurteilungserklärungen kommen müßten! Ist denn niemandem von den Erfindern dieses Antrages aufgegangen, daß sie damit das genaue Gegenteil dessen erreichen, was sie eigentlich wollen?
Sie werten die Demonstration in einer Weise auf, die sich diejenigen, die diese Demonstration initiiert haben, niemals haben träumen lassen, daß sie am Tage vorher dazu auch noch eine Bundestagsdebatte bekommen.
({1})
Wenn wir es hier mit bildender Kunst zu tun hätten, dann würde ich von einem Unikat sprechen, aber so ist das Ganze wohl mehr ein Unikum.
Meine Damen und Herren, ich werde zur Zielsetzung der morgigen Demonstration in der Sache noch einiges sagen, möchte aber vorher noch eines feststellen. Ich kann es einfach nicht als Aufgabe des Deutschen Bundestages ansehen, in der Rolle einer Art Vorabzensur und einer Art vorbeugender richterlicher Instanz tätig zu werden. Daß man sich mit Sachpunkten auseinandersetzt, die nicht nur hier in diesem Hause, sondern auch draußen zum Ausdruck gebracht werden, daran ist niemand gehindert. Ich hätte volles Verständnis für den Teil des Antrages der Opposition gehabt, der sich mit dem NATO-Beschluß befaßt, wenn es darüber noch keine parlamentarische Auseinandersetzung in diesem Haus gegeben hätte. Aber das haben wir doch am 26. Mai in diesem Haus mit aller Deutlichkeit, mit aller Ausführlichkeit getan, und es bestand nicht der geringste Anlaß, dasselbe Thema erneut zu diskutieren. Der Bundestag hat damals entschieden, und dabei bleibt es. Interessant ist nur, Herr Kollege Brandt, selbst in der Abstimmung über die Koalitionsentschließung konnte sich die Opposition nicht durchringen, diesem Antrag zuzustimmen. Aber heute beruft sie sich wieder auf einen Antrag, den die Koalitionsfraktionen gemeinsam beschlossen haben.
({2})
Ich muß den Kollegen Brandt mit seinem Hinweis auf die Rede des Kollegen Strauß unterstützen, der wörtlich gesagt hat, in der Sache sei es unlogisch, einen Doppelbeschluß zu fassen, und ihm wäre nur der Nachrüstungsbeschluß lieber gewesen.
({3})
Wenn man Sorge hat, es könnte der eine oder andere vom Doppelbeschluß in Richtung Nachrüstung abweichen, dann ist natürlich auch die Sorge berechtigt, daß der eine oder andere in Richtung Verhandlungen abweichen könnte. Mir wäre es lieber gewesen, daß hier die Gemeinsamkeit in bezug auf den Doppelbeschluß weder so noch so in Frage gestellt wird. Aber wer verlangt, über getroffene Entscheidungen erneut zu debattieren, um sie zu bestätigen, der stellt doch die Wirksamkeit dieser Beschlüsse in Frage, und nicht etwa diejenigen, die es für wenig sinnvoll halten, immer wieder das gleiche noch einmal zu beschließen.
({4})
Wir sind überzeugt, daß das der richtige Weg ist, und dabei bleiben wir.
Ganz nebenbei bemerkt: Sie erreichen natürlich bei dieser Gelegenheit wieder einmal, daß die Mehrheit der Koalition deutlich sichtbar wird.
({5})
Sie haben sich einmal mehr als Schweißapparat der Koalition betätigt.
({6})
- Lieber Herr Kollege, die Glaubwürdigkeit verlieren eher diejenigen, die verbal zu der Entschließung vom 26. Mai 1981 ja sagen, aber dann aus parteitaktischen Gründen nicht bereit sind, in diesem Hause dem, was sie gesagt haben, auch zuzustimmen. Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit.
({7})
Ich denke nicht daran, alle Demonstranten von vornherein in einen Topf zu werfen und sie damit in ein politisches Abseits zu drängen, auch wenn ich selbst - das sage ich in aller Deutlichkeit - diese Demonstration für überflüssig halte, denn es zweifelt doch wohl niemand daran, daß das ganze deutsche Volk sich zum Frieden bekennt, zum Frieden bereit ist, und nicht nur diejenigen, die am Samstag demonstrieren.
({8}) Jeder wird an seinem Platz dafür eintreten.
Ich will auch keine Unterschiede verwischen, im Gegenteil. Ich habe in den letzten Wochen mehrfach betont, daß wir Freien Demokraten die konsequente Anwendung des Doppelbeschlusses der Nordatlantischen Verteidungsgemeinschaft für ein äußerst nützliches Mittel halten, zu konkreten Verhandlungen über eine Begrenzung der Mittelstreckenraketen zu kommen. Die Entwicklung der letzten Monate gibt uns Recht. Unser Dank gilt deshalb dem Bundeskanzler und dem Bundesaußenminster, daß sie seit der Afghanistan-Krise unablässig, zielbewußt diesen Weg verfolgt haben und nun erste Schritte in die richtige Richtung sichtbar werden.
({9})
Sowohl die Aufnahme der Verhandlungen zwischen den USA und der Sowjetunion wie auch das nunmehr erklärte amerikanische Verhandlungsziel einer beiderseitigen Nullösung entspricht genau der Forderung, die wir Freien Demokraten anläßlich unseres Bundesparteitages in Freiburg 1980 beschlossen haben. Dort heißt es wörtlich:
Das Ziel muß sein, auf Produktion und Stationierung atomarer Mittelstreckenraketen auf beiden Seiten ganz zu verzichten.
Es gibt keinen Zweifel, daß der Doppelbeschluß mit seiner Gleichrangigkeit von Nachrüstungsbereitschaft und Verhandlungsbereitschaft seine Wirkung zeigt und uns dem angesteuerten Ziel etwas näher-bringt.
Natürlich haben wir keine Garantie, daß die Nulloption verwirklicht wird.
({10})
Aber wer den Frieden dauerhaft sichern will, Herr Kollege Klein, wer es ernst meint mit der Abrüstung, muß sich dieses hohe Ziel setzen, auch wenn es sich vielleicht nicht voll verwirklichen läßt. Aber dieses Ziel anzustreben, das muß unsere politische Aufgabe sein.
({11})
Wir Liberalen sind eben nicht wie offensichtlich Sie bereit, schon vorab vor erkannten Schwierigkeiten zu kapitulieren, sondern wir bemühen uns, sie zu überwinden, auch wenn sie vielleicht nicht alle beiseite geschoben werden können. Aber wir denken auch nicht daran, jene mit einem Bannfluch zu belegen, die glauben, einen anderen Weg zur Friedenssicherung gehen zu müssen, auch wenn wir diesen Weg nicht für richtig halten.
Viele von denen, die morgen demonstrieren, meinen, daß guter Wille und einseitige Vorleistungen ausreichen oder zumindest äußerst hilfreich seien, um die Bedrohung durch sowjetische SS 20-Raketen verschwinden zu lassen. Das meinen wir ganz und gar nicht. Wir wissen eben aus allen Erfahrungen, daß neben dem Willen zum Frieden auch der Wille zur Verteidigungsbereitschaft und damit auch zur Verteidigungsfähgikeit erforderlich ist. Beides brauchen wir.
({12})
Verhandlungen werden nicht allein vom guten Willen bestimmt und entschieden, harte Fakten beeinflussen sie vielmehr. Beides muß zusammenkommen, beides muß auf die Waagschale gebracht werden, damit auf dem Verhandlungswege ein fairer Interessenausgleich überhaupt erst möglich gemacht wird.
Aber gerade weil wir selbst von der Richtigkeit unserer Politik überzeugt sind, haben wir es doch gar nicht nötig, Andersdenkende wie Feinde zu behandeln.
({13})
Wer von seinem Weg überzeugt ist, kann auch souverän genug sein, sich mit denen gelassen auseinanderzusetzen, die anderer Meinung als er selbst sind.
Jedermann weiß, daß am Samstag in Bonn auch einige tausend Kommunisten, Extremisten und Chaoten ihr Spiel treiben werden, vielleicht sogar ein böses, womöglich ein gewalttätiges Spiel.
({14})
Hier ist natürlich auch die Verantwortung derer anzusprechen, die zu dieser Demonstration aufgerufen haben, alles zu tun,
({15})
um die Demonstration gegen die Gewalt nicht zur Gewalt werden zu lassen.
({16})
Wer es mit der Erhaltung des Friedens ernst meint, muß auch bereit sein, sich gegen diejenigen zu wenden, die aus den eigenen Reihen heraus selbst Gewalt anwenden und damit Friedensdemonstrationen in ihrer Bedeutung umkehren und zu Gewaltdemonstrationen machen.
({17})
Allen denen, denen es aus ihrer Grundeinstellung heraus allein darum geht, den Frieden sicher zu gestalten, sei gesagt, daß wir gesprächsbereit auch dann sind, wenn sie sich zunächst gegen uns wenden. Wir wollen und werden sie nicht in denselben Topf werfen, in dem sich Chaoten, Randalierer und Ewiggestrige gemeinsam wiederfinden; denn es gibt ja nicht nur aus der einen Ecke einen Antiamerikanismus, es gibt ihn auch aus der anderen Ecke. Gerade denjenigen aus der kommunistischen Ecke, die bei einer solchen Demonstration Morgenluft wittern, täten wir den größten Gefallen, wenn wir pauschal verurteilen statt individuell wägen, was es in der Friedensbewegung an Überlegungen und Meinungen gibt.
({18})
Natürlich wissen wir, daß mancher mit vielen Illusionen zu dieser Demonstration geht und die harten Fakten der praktischen Politik nicht sieht oder nicht sehen will. Theo Sommer hat in der „Zeit" mit Recht festgestellt, daß zu den Antriebsmomenten der Demonstranten sicherlich nicht nur existentielle Angst, sondern auch Angst aus Nichtwissen oder Nicht-wissen-Wollen zählt. Darin liegt natürlich auch ein Hang zur Realitätsverniedlichung, ja zur Realitätsflucht.
Aber worauf es uns doch allen ankommen muß, ist, sich voller Verständnis mit den menschlichen Regungen, die hinter dieser Angst stehen, auseinanderzusetzen und zu verhindern, daß diese Menschen in eine Art Prinzip Hoffnung ausweichen, das dann nicht erfüllt werden kann - die Enttäuschung bei den Betroffenen wird dann um so größer -, wenn sie sich Illusionen hingeben.
Natürlich sind die Fakten, warum wir den Doppelbeschluß, Nachrüstung und Verhandlungen, brauchen, schwer einzuordnen und für manchen schwer begreifbar. Aber wir, die wir in der politischen Verantwortung stehen, können und dürfen diesen bequemen Weg in die Illusionen nicht gehen. Wir können uns auch keinen Umweg um sperrige Tatsachen leisten, sondern wir müssen immer wieder versuchen, und zwar einfallsreich, aufgetürmte Schwierigkeiten mit allen ihren Risiken, die darin liegen, zu beseitigen. Deshalb geschieht die Auseinandersetzung, die wir zu führen haben, eben von einer anderen Warte aus als von denen, die aus ihrem Gefühl heraus mit Recht Sorge um den Frieden haben, die aber auf dem Weg, den sie gehen wollen, offensichtlich nicht alles berücksichtigen, was dazu notwendig ist.
Natürlich ist es, wie ich in einer Diskussion hörte, ein großes Risiko für mein Leben, für unser aller Leben, wenn eine monatlich wachsende Zahl von Atomraketen jetzt im sowjetischen Bereich aufgestellt und morgen oder übermorgen auch bei uns als
Gegenmaßnahme aufgestellt wird. Ich finde es klärend - ich will das hier ausdrücklich betonen - und hilfreich, daß eine Reihe von Gegnern des NATO-Doppelbeschlusses inzwischen öffentlich festgestellt hat, daß sie sich ebenso nachdrücklich gegen das - ich zitiere wörtlich - „Rüstungs- und Drohverhalten der UdSSR" wenden. Ich kann nur hoffen, daß dies auch morgen bei dieser Kundgebung mit der genügenden Klarheit deutlich wird.
({19})
- Sie sagen, Sie werden es bestimmt sagen, Herr Kollege Barzel.
({20})
- Herr Kollege Barzel, ist es nicht betrüblich, daß die Frage, ob man andere Meinungen in diesem Bereich bei solchen Veranstaltungen deutlich macht, deutlich machen kann oder nicht, in zunehmendem Maße mit einer Verketzerung verbunden wird, wenn man überhaupt auf die Idee kommt, auch bei einer solchen Gelegenheit eine andere Meinung zu äußern?
({21})
Das ist eine Situation, die ich auf die Dauer für gefährlich halte. Deshalb sage ich: Ich bin gern bereit, mich mit all dem, was ich für falsch halte, nach dieser Kundgebung auseinanderzusetzen. Aber ich werde nicht im vorhinein unterstellen, daß alles, was gesagt ist, nicht dem Frieden, sondern nur kommunistischer Unterstützung dient.
({22})
Dies ist der Punkt, in dem ich mich unterscheide.
Unsere Aufgabe muß allerdings sein, den Menschen das, was wir für richtig erkannt haben, das, was wir in der Sicherheits-, in der Friedens-, in der Deutschland- und in der Außen- und Ostpolitik für politisch notwendig halten, nahezubringen und sie zu überzeugen, daß dieser Weg uns der Sicherung des Friedens näher bringt. Daß diese Überzeugungsarbeit nicht leicht ist, wissen wir. Sie ist mühselig, aber sie kann nur gelingen, wenn sie mit Toleranz verbunden ist. Illusionäre Schwärmerei führt genausowenig weiter wie Rechthaberei oder Drohgebärde. Ich meine, es lohnt sich, sich mit den Gutwilligen auseinanderzusetzen, damit die, die politisch andere Ziele verfolgen, nicht Mitläufer zugetrieben bekommen, weil wir uns nicht bereit finden, uns mit denen auseinanderzusetzen, die, wie wir, den Frieden sichern wollen, aber über den Weg dahin eine andere Meinung haben als wir.
({23})
Wir Freien Demokraten werden die Politik der Bundesregierung, wie sie in dem Doppelbeschluß zum Ausdruck gekommen ist, weiter voll unterstützen. Wir sehen in der Aufnahme der Verhandlungen einen entscheidenden Schritt vorwärts. Jeden, der skeptisch ist, möchte ich bitten, diese Verhandlungen abzuwarten und genausowenig vorher Verurteilungen in dieser Richtung auszusprechen, wie wir es für falsch halten, Verurteilungen über diejenigen auszusprechen, die einen anderen Weg für richtig halten. Gemeinsam gilt es, alles zu tun, daß in Ost und West die Bereitschaft, die Abrüstung als eine gemeinsame Aufgabe zu sehen, nicht nur verbal verkündet wird. Vielmehr müssen wir uns darum bemühen, vorhandenes Mißtrauen abzubauen, Vertrauen zu stärken und daraus die Voraussetzungen zu schaffen, daß wir gemeinsam zu der Rüstungskontrolle kommen, die die Bundesregierung als ihr Ziel sieht und die wir als Freie Demokraten voll mittragen.
({24})
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Der gute Wille genügt leider nicht, um die Welt zu ändern.
({0})
Wenn man das will, dann muß man sich sehr tief bücken, so tief, wie die Erde unter der Stirn des denkenden Menschen liegt; denn dort sind die Steine und das Gestrüpp, die man wegräumen muß, ehe man anfangen kann, die Welt zu verändern."
Dies ist Carlo Schmid 1955 in seinem Aufsatz „Politik im Atomzeitalter". Carlo Schmid fährt fort:
Je gefährlicher für den Bestand des Menschengeschlechts ... aber die Mittel der Politik sind - und Atombomben sind, da sie Waffen sind, eben auch Mittel der Politik -, desto intensiver muß das Nachdenken über die möglichen Ziele und die brauchbarsten Methoden unseres politischen Verhaltens sein; desto weniger können wir uns billige Rezepte leisten und glauben, wir könnten das politische Geschehen in Gleichungen einfangen, die ohne Rest aufgehen.
Das alles hat Carlo Schmid vor mehr als einem Vierteljahrhundert mit Bezug auf dieselbe Frage gesagt, von der auch heute geredet und über die gestritten wird: die atomare Bewaffnung. Carlo Schmid war ein weiser Mann, er hat weit vorhergesehen.
Ich verstehe gut, daß viele Menschen bei uns, vor allem auch viele junge Menschen, Sorgen haben und aus der Sorge um den Frieden nach Gleichungen suchen, die - wie es hier bei Carlo hieß - ohne Rest aufgehen. Ich verstehe das gut. Die Sorge um den Frieden ist weiß Gott berechtigt. Eigentlich teilen doch wir alle hier in diesem Saal die Sorgen vieler Menschen vor immer mehr und immer schrecklicheren Waffen in Ost und West,
({1})
so wie wir alle die Sorgen vieler Menschen auf der Welt um die Erhaltung des Friedens im Nahen Osten teilen - und diese Sorge ist in dieser letzten Woche nicht kleiner geworden -,
({2})
so wie wohl die allermeisten von uns hier im Bundestag die Sorgen vieler Menschen teilen angesichts der wachsenden Bereitschaft in wichtigen Teilen der Welt, politische Zwecke durch Gewaltanwendung zu erzwingen und zu erreichen.
Denjenigen, die heute Angst um den Frieden haben, möchte ich sagen: Auch ich hatte Angst, als zu Beginn des vorigen Jahres, nachdem die Sowjets in Afghanistan einmarschiert waren - und die Kämpfe dauern ja noch an -, die Kontakte zwischen den Weltmächten abrissen, als man miteinander nicht mehr redete, geschweige denn verhandelte. Mich hat das zutiefst geängstigt.
Aber es genügt ja nicht, es ist gefährlich, dabei stehenzubleiben und nur einfach seine Angst öffentlich zu bekennen, wenn man nichts praktisch tut, um die Lage zu verändern und zu verbessern.
({3})
Wer tatsächlich etwas verändern will, wer handlungsfähig bleiben will, der muß nach Wegen zur Bewältigung der Angst suchen, zur Beseitigung der Gründe für die Angst; er muß nach Wegen suchen. Weil das damals zum Beispiel durch den seinerzeit sehr umstrittenen
({4})
Besuch geschehen ist, den Herr Minister Genscher und ich kurz nach dem Beginn der Kämpfe in Afghanistan in Moskau gemacht haben, gibt es heute wieder Grund zur Hoffnung. Die Weltmächte reden wieder miteinander, und wir Deutschen - diese Bundesregierung - haben im Osten wie im Westen weiß Gott dazu beigetragen, daß sie wieder reden und daß sie miteinander verhandeln.
({5})
Ich denke nicht daran, Sorge um den Frieden oder Demonstrationen für den Frieden als Rummel abzuwerten. Ich stimme Willy Brandt zu, der gesagt hat, er habe auf deutschem Boden Schlimmeres erlebt, als daß sich junge Leute für Frieden und Abrüstung engagieren.
({6})
Ich füge für die jüngeren Leute aber eines hinzu: Ich gehöre zu jener Generation, die bereit ist, die Sorge der Jüngeren um den Frieden ernst zu nehmen und nicht nur zuzuhören, sondern auch den Dialog zu führen. Ich habe das zum Beispiel, für die ganze Öffentlichkeit sichtbar, im letzten Sommer auf dem Evangelischen Kirchentag in Hamburg getan - dies war nur ein Beispiel, das zufällig öffentlich herausragte. Ich bin dazu bereit und tue es auch.
Aber um des inneren Friedens willen wende ich mich an alle Jüngeren, sie möchten bitte auch bereit sein, unsere Sorgen ernst zu nehmen und unsere Erfahrungen ernst zu nehmen.
({7})
Sie möchten bitte die Erfahrungen und die Sorgen derjenigen ernst nehmen, die die Erfahrungen haben, die den Zweiten Weltkrieg miterlebt haben, sei es in den Luftschutzkellern der deutschen Großstädte, sei es draußen, wo Millionen geblieben sind; seien
es die Erfahrungen der Flucht und der Vertreibung, seien es die Erfahrungen in den Konzentrationslagern einer Regierung, die Frieden und Freiheit nicht achten wollte, sondern mit Füßen trat. Wir bitten, daß auch uns unsere Sorgen abgenommen werden, daß unsere Erfahrungen, die uns heute zu Konsequenzen führen, daß unsere innere Betroffenheit, daß unsere unverdrängbare eigene Erfahrung im Laufe von 50 und 60 Lebensjahren bitte auch ernst genommen werden.
Wir Deutschen müssen für den Frieden alles in unserer Möglichkeit Stehende tun, weil früher im Namen Deutschlands viel zuviel für den Unfrieden und für den Krieg getan worden ist.
({8})
Wenn ich Carlo Schmid folge, dann genügt nicht, daß man innerlich unruhig ist. Es genügt auch der Ausdruck der Sorge nicht. Und Angst kann die Vernunft lähmen - dies gerade zu einem Zeitpunkt, in dem die eigene weltpolitische Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland wichtiger ist als seit langer Zeit. Extreme, manchmal auch bewußt falsche oder gefälschte Positionen und Vorträge genügen nicht nur nicht, sondern sie tragen sogar zu einer Polarisierung bei, welche die wirksame Friedenspolitik erschweren kann, weil sie ihre innenpolitische Grundlage anknabbert und zerbröseln lassen kann.
Ist dies gewollt? Wollen die Veranstalter und Organisatoren der morgigen Veranstaltung dies? Sie wollen den Frieden. Wer aber den Frieden will, der darf sich auf das Bekenntnis seiner Gesinnung nicht beschränken, der darf die Augen vor der Wirklichkeit nicht verschließen, vor den Bedingungen der Wirklichkeit, unter denen wir Friedenspolitik machen müssen, der muß das tun, was Carlo Schmid gesagt hat.
Für die Bundesregierung und auch für mich hat die Sorge um den Frieden einen übertragenden Wert. Frieden und Vorsorge zur Friedensbewahrung sind an sich und für sich ein Grundwert, genau wie die Vorsorge zur Bewahrung von Freiheit oder zur Sicherung von Gerechtigkeit nach unserer tiefen Überzeugung Grundwerte sind.
({9})
Die Bundesregierung hat 1978 im Mai, nach sehr schwierigen Gesprächen und sehr schwierigen Verhandlungen mit der sowjetischen Führung, mit Generalsekretär Breschnew, die von beiden Seiten unterschriebene Übereinstimmung darin erzielt, daß es wichtig sei - ich zitiere aus der Gemeinsamen Erklärung -, daß niemand militärische Überlegenheit anstrebe - ich zitiere weiter -, daß „annähernde Gleichheit und Parität" sowohl gleiche Sicherheit gewährleiste als es auch Voraussetzung sei für die Fortsetzung der Politik der Zusammenarbeit zwischen uns und dem Osten, zwischen West und Ost.
Aus großer Sorge um die Erhaltung des Friedens hatte ich damals und haben Bundesminister Genscher und ich im folgenden Jahr 1979 erneut der so3326
wjetischen Führung sehr eindringlich dargelegt, welche Folgen es haben würde und müßte, wenn die Sowjetunion gleichwohl von ihrer das Gleichgewicht der militärischen Kräfte in Europa verändernden Mittelstreckenwaffenaufrüstung nicht ablassen würde. Leider hat die Sowjetunion sich bei ihrer weiteren Mittelstreckenraketenrüstung nicht an die Gemeinsame Erklärung vom Mai 1978 gehalten.
({10})
Und dies hat zu dem heute mehrfach schon erörterten Doppelbeschluß des westlichen Bündnisses geführt.
({11})
Es ist maßgeblich dem Wirken dieser Bundesregierung zuzuschreiben, daß mit jenem Beschluß des Bündnisses zur Modernisierung von westlichen Mittelstreckenwaffen in Europa im gleichen Rang das klare Angebot verbunden wurde, mit der Sowjetunion über beiderseitige Begrenzung zu verhandeln. Dies ist realistische Friedenspolitik. Die Verhandlungen beginnen im nächsten Monat, aber handeln, was die Schaffung eines Gegengewichts auf westlicher Seite angeht, würden die Amerikaner frühestens Ende 1983, 1984, 1985, 1986. So lange dauert das dann. Das ist realistische Friedenspolitik - ebenso wie wir durch den Dialog zwischen Ost und West realistische Friedenspolitik treiben, ebenso wie wir dadurch, daß wir den Grundsatz der Mäßigung nicht vergessen, realistische Friedenspolitik treiben.
Wir haben hier bisher eine wichtige Aufgabe wahrgenommen. Wir werden das auch in Zukunft tun. Wir werden das auch tun, wenn Ende November die Verhandlungen zwischen Amerikanern und Sowjets über diese Mittelstreckenwaffen beginnen.
Wir sagen ganz deutlich beiden Seiten, auch unseren eigenen Freunden in Amerika, auch den Sicherheitspartnern in der Sowjetunion, daß diese Verhandlungen nicht benutzt werden dürfen, um bestehende oder sich täglich verstärkende Ungleichgewichte festzuschreiben oder neue Ungleichgewichte anderer Art zu schaffen. Unser Ziel bleibt das gleiche Gewicht der militärischen Kräfte auf beiden Seiten, das gleiche Gewicht der Abschreckungsmöglichkeiten auf beiden Seiten auf niedrigerem Niveau als heute.
({12})
Die Redner der SPD und der FDP, Herr Brandt und Herr Mischnick, die Bundesregierung, Herr Genscher und ich zumal, wir sind uns alle einig darüber, daß ein ideales Verhandlungsresultat wäre, wenn eine Nachrüstung auf amerikanischer Seite entfallen könnte, weil die Sowjetunion bereit wäre, im Wege einer beiderseitigen Null-Lösung den Zustand ihrer Hochrüstung bei den nuklearen Mittelstreckenraketen zu beseitigen, den Zustand, der die Nachrüstung herausfordert. Es kann nicht an einer Seite sein, zu bestimmen, was nun Gleichgewicht ist, sondern darüber muß man sich mühsam einigen.
({13})
Die Einigung würde erleichtert, wenn die sowjetische Führung bereit wäre, den Stand ihrer Rüstung in diesem Bereich ganz transparent zu machen. Sie würde erleichtert, wenn die Sowjetunion aufhören würde, jede Woche eine neue SS-20-Rakete in Stellung zu bringen.
({14})
Diese Fragen werden eines der mehreren wichtigen Themen sein - wirtschaftliche und andere Zusammenarbeit ist ein anderes wichtiges Thema -, wenn ich im Herbst die Ehre und, staatspolitisch gesprochen, die wirkliche Freude haben werde, mit dem sowjetischen Generalsekretär zu sprechen und Herr Genscher mit seinem sowjetischen Außenministerkollegen. Ich sage „wirkliche Freude", weil ich mich wirklich darüber freue, wenn West und Ost miteinander über diese Fragen ernsthaft reden.
({15})
Wir führen diese Gespräche als Teil des westlichen Bündnisses, als einen Beitrag zu dem Prozeß, dessen Kernstück die Verhandlungen zwischen Washington und Moskau sind.
Herr Zimmermann hat den uns alle tief erschrekkenden Mord an Anwar el-Sadat erwähnt, den Tod an einem mutigen, tapferen, um den Frieden bemühten Mann, ein Ereignis, das der ganzen Welt erneut die Gefahren bewußt gemacht hat, die im Nahen Osten entstehen können. Wir setzen unser Vertrauen darein, daß diejenigen, die jetzt das Schicksal Ägyptens bestimmen müssen, daß die Nachfolger des Präsidenten Sadat mit aller Kraft die Bemühungen um den Friedensprozeß fortsetzen werden. Und wir appellieren an die Führer in Israel, ihrerseits festzuhalten an dem, was verabredet ist, und ihrerseits zügig zu verhandeln, damit es endlich zu einem wirklichen Fortschritt kommt.
({16})
Auch durch die Europäische Gemeinschaft werden wir gemeinsam im Rahmen unserer Möglichkeiten unsere Beiträge zu den Friedensbemühungen im Nahen Osten leisten so wie auch anderswo auf der Welt, so wie z. B. übernächste Woche auch bei dem Treffen zwischen Nord und Süd in Cancun in Mexiko.
Diese aktive Friedenspolitik zu führen, haben die Parteien der Regierungskoaltion FDP und SPD bei den letzten Wahlen einen klaren Auftrag bekommen. Die Bundesregierung wird diesen Auftrag erfüllen.
({17})
Und sie weiß, daß unsere Freunde und Verbündeten, aber auch die Sicherheitspartner auf der anderen Seite Vertrauen in diese Politik haben.
Wir finden uns in Übereinstimmung mit unseren Freunden und Verbündeten. Ich habe dies erst gestern und vorgestern in sehr ausführlichen, aber sehr vertrauensvollen Gesprächen mit dem französischen Präsidenten Mitterrand erneut bestätigt gefunden. Übrigens: die Übereinstimmung mit Francois Mitterrand gilt auch für beide Teile des Doppelbeschlusses, und sie gilt auch für das von uns angeBundeskanzler Schmidt
strebte optimale Verhandlungsergebnis einer beiderseitigen Null-Lösung.
({18})
Wie von Herrn Brandt und Herrn Mischnick schon gesagt, gilt, was die Entschließung des Deutschen Bundestages vom 26. Mai zu diesem Thema gesagt hat. Unverändert gilt ebenso, was die Bundesregierung nach der Bundestagswahl am 24. November des vorigen Jahres hier in ihrer Regierungserklärung erklärt hat, genauso heute wie damals.
Schließlich hatten, wenn ich das einfügen darf, wir Sozialdemokraten das gleiche schon vorher beschlossen - zweimal -, das letzte Mal im Juni 1980 auf einem Bundesparteitag in Essen, als wir unser Wahlprogramm fixierten, mit dem wir vor die Wähler hingetreten sind und von ihnen die Zustimmung zu dieser Fortsetzung unserer gemeinsam mit der FDP geführten Friedenspolitik erhalten haben.
({19})
Mir fällt es schwer, zu verstehen, daß die Organisatoren und, wie es scheint, einige der Redner der morgigen Veranstaltung den Nutzen und den bisherigen Erfolg oder Fortschritt unserer beharrlichen praktischen Friedenspolitik nicht anerkennen oder anerkennen wollen.
({20})
Der NATO-Beschluß hat zum Beginn von Verhandlungen zwischen den Weltmächten geführt, zu denen es nach meiner festen Überzeugung und politischen Lebenserfahrung sonst nicht gekommen wäre.
({21})
Wenn dies nicht anerkannt werden soll, dann muß ich mich an alle diejenigen ehrlichen Menschen wenden, die sich als Teil der Friedensbewegung oder der Friedensbewegungen verstehen
({22})
- ich widerspreche nicht -, die morgen in Bonn für den Frieden demonstrieren wollen: Prüfen Sie sich, ob Sie bei Ihren Vorschlägen für den Frieden die Ihnen zugänglichen Informationen ernsthaft und ehrlich abgewogen haben. Lassen Sie sich keine einseitigen Behauptungen einreden. Lassen Sie sich z. B. nicht einreden, die Bundeswehr diene in Wahrheit anderen Zwecken als der Verteidigung unseres Landes.
({23})
Sondern prüfen Sie bitte statt dessen, ob bei Ihrer Einschätzung unserer Sicherheit auch die östliche Rüstung angemessen berücksichtigt wurde.
Und wenden Sie sich an alle, die über atomare Waffen verfügen! Wir Deutschen haben als Signatarmacht des Nichtverbreitungsvertrages einen Anspruch, einen internationalen, völkerrechtlichen Anspruch an alle, die Atomwaffen besitzen und diesen Vertrag ausgearbeitet und uns zur Unterschrift vorgelegt haben, daß sie ihre atomare Rüstung alle verringern.
({24})
Und jenseits der Nuklearwaffen: Wenden Sie sich an alle, die ihren Rüstungsaufwand steigern! Prüfen Sie sich, ob die Art Ihres Engagements für den Frieden gangbare Wege eröffnet! Versuchen Sie dazu beizutragen, daß Verhandlungen zur Abrüstung und zur Sicherung des Friedens geführt werden!
Auf der anderen Seite - und ich wende mich immer noch an die, die demonstrieren wollen -: Bitte, fühlen Sie sich sicher. Wir Politiker und Abgeordneten des Deutschen Bundestages wollen nicht die große Mehrheit der Demonstranten in dieselbe Kategorie wie solche Menschen einreihen, die Gewalt als politisches Instrument einsetzen oder die dergleichen billigen oder gar dazu aufrufen. Wir wollen Sie nicht in einen Topf werfen.
({25})
Und wir wollen Sie nicht, ganz gewiß nicht, in Ihrer großen Mehrheit in einen Topf mit solchen Menschen werfen, die in ihren Herrschaftsbereichen die Freiheit der Person schmählich mißachten oder mit Füßen treten.
({26})
Ich möchte hinzufügen: Wir wollen Sie nicht in ein politisches Abseits drängen. Im Gegenteil. Aber bedenken Sie bitte auch, daß sich sehr zwielichtige Gestalten an Ihre Rockstöße gehängt haben.
({27})
Lassen Sie nicht zu, daß Sie von solchen mißbraucht werden können!
Mit großer Befriedigung habe ich vor zwei Tagen einen Aufruf gelesen, in dem einige der vorgesehenen Redner, nämlich die drei Herren Heinrich Albertz, Kurt Scharf und Helmut Gollwitzer, sich persönlich und gemeinsam eindringlich dafür eingesetzt haben, daß die Demonstranten sich jeder Gewalttätigkeit enthalten.
({28}) Es ist wohl auch nötig, dazu aufzurufen.
({29})
Denn es gibt im Vorfeld dieser Friedensdemonstration auch sehr unfriedliche Töne,
({30})
und man muß auf sich selber aufpassen, auf daß niemand sich verleiten läßt.
Mir ist klar: Die Sache des Friedens kann nicht dadurch schlechter werden, daß sich kommunistische Gruppen an die Rockschöße derjenigen hängen, die für den Frieden eintreten wollen. Die Sache des Friedens kann dadurch nicht schlechter werden.
Aber ebenso ist mir klar, daß wir Deutschen nicht zulassen dürfen und nicht zulassen wollen, daß wir uns in unserer Politik, in der Verfolgung unserer deutschen Interessen von solchen mitbestimmen
lassen, die sich ihrerseits zu gefügigen Werkzeugen der auswärtigen Politik eines anderen Staates gemacht haben.
({31})
Es gibt einige, die die Friedenssehnsucht von Hunderttausenden und Millionen und zig Millionen Deutscher für ganz andere politische Zwecke benutzen möchten.
Leider ist es ganz eindeutig geworden, daß die Organisatoren - ich rede von den Organisatoren und nicht von den Demonstranten - sich von einer Reihe unterstützender kommunistischer Gruppierungen nicht absetzen wollten. Sie haben dadurch auch die Chance verpaßt, ihre eigenen Aufrufe ausgewogen und nicht nur einseitig zu formulieren.
({32})
Unter den Bedingungen unseres Landes würde es der Eindeutigkeit der Friedenssache nützen, wenn man sich diese ganz anders Interessierten von den Rockschößen streifen würde. Der Sache der Entscheidungsfreiheit der Deutschen für den Frieden und für die einzelnen Schritte, die nötig sind, um den Frieden zu wahren und zu festigen, nützt es nicht, wenn das organisatorische Geschick der Deutschen Kommunistischen Partei und einiger ihrer Vorfeldorganisationen den Hang zum Handeln, den Hang zum Agieren, den verständlichen Hang aller Jugendlichen zum Aktionismus ausnutzt, etwa der Kommunistische Arbeiterbund Deutschlands oder die „Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg" oder die Gruppe Internationaler Marxisten oder der Spartakus, und wie sie alle heißen.
({33})
Der Sache des Friedens schadet eine manipulierende Mitläuferschaft solcher, die den Parolen ausländischer Regierungen nachlaufen. Wir haben deutsche Interessen zu vertreten.
({34})
Und solche deutschen Kommunisten, die ausländische politische Zwecksetzungen im Inneren unseres Landes mit manipulativer Argumentation zu unterstützen trachten,
({35})
die sind im Irrtum, im besten Fall sind sie im Irrtum. Aber auch solche Menschen dürfen nach unserem Grundgesetz bei uns demonstrieren. Aber die jungen Leute in unserem Lande sollen wissen: Meine politischen Freunde dürfen weder in der DDR noch in der Sowjetunion demonstrieren.
({36})
Sie sollen auch wissen, daß es in jenen kommunistischen Staaten kein Wehrdienstverweigerungsrecht gibt wie bei uns.
({37}) Das gibt es dort nicht.
Ich traf gestern auf einem Empfang im PrälatBöhler-Haus den früheren Kollegen Georg Kliesing, den die Älteren hier noch gut kennen werden. Das
hat mich daran erinnert, wie - außer ihm gehörten Fritz Erler, Richard Jaeger und, ich glaube, auch der damalige Abgeordnete Mende dazu, ich selber auch - wir damals in der Mitte der 50er Jahre im Zusammenhang mit der zweiten Wehrverfassungsergänzung hier für unser Land ein Kriegsdienstverweigerungsrecht geschaffen haben, das es so liberal in der ganzen Welt nicht wieder gibt. Nicht, weil die, die ich soeben namentlich genannt habe, damals selber Kriegsdienstverweigerer oder Gewissenspazifisten gewesen wären,
({38})
sondern weil wir aus der eigenen schrecklichen Erfahrung des Zweiten Weltkrieges und der Nazi-Zeit wußten, welch entsetzliche Zerstörung es in der Seele eines jungen Menschen anrichten kann, wenn der Staat ihn zu etwas zwingt, was er selber vom Gewissen her glaubt, nicht tun zu dürfen.
({39})
Um der Würde der Person willen haben wir dieses Kriegsdienstverweigerungsrecht geschaffen.
({40})
Ich räume ein: Es hätte noch etwas liberaler sein können; vielleicht gelingt das eines Tages noch,
({41})
aber ich füge ebenso hinzu - unsere Kollegin Frau Renger hat uns jüngst durch einen Aufsatz oder ein Buch, das vorab gedruckt wurde, daran erinnert -: Kurt Schumacher hatte auch recht, wenn er viele Male festgestellt hat, daß aller Respekt vor dem Gesinnungspazifismus nicht dazu führen kann, daß Gesinnungspazifismus zur Friedenspolitik des Staates wird. Staatspolitik darf er nicht werden. Das haben wir auch nicht gewollt, als wir seinerzeit dieses Gesetz gemacht haben, und wir wollen es heute nicht.
Mir scheint, daß auf der Demonstration, die morgen beabsichtigt ist, mindestens vier verschiedene Hauptströmungen eine Rolle spielen: erstens die überzeugten Gesinnungspazifisten. Ich sage noch einmal: die haben meinen Respekt, genau wie 1955, so auch 1981 und so lange, wie ich leben werde.
({42})
Zweitens gibt es offenbar eine sehr große Gruppe, die zwar das militärische Gleichgewicht zwischen Ost und West für unverzichtbar hält - und deshalb auch unsere Mitgliedschaft und unseren Beitrag zum westlichen Bündnis für unverzichtbar hält -, die aber Nachdruck darauf legen will, daß das Gleichgewicht auf niedrigeren Ebenen als bisher hergestellt werde. Zu dieser Gruppe der Friedensbewegung möchte ich mich für meine Person bekennen.
({43})
Und dazu möchte sich die ganze Bundesregierung
bekennen und, wenn ich es richtig sehe, auch beide
die Bundesregierung tragenden Koalitionsfraktionen.
({44})
- Ich höre durch Zuruf, daß sich die Opposition auch dazu bekennen will. Wir werden es dann gleich von Herrn Kohl hören.
Drittens gibt es eine Gruppe, die auf das Gleichgewicht verzichten will und zu einseitiger Abrüstung des Westens oder jedenfalls der Bundesrepublik Deutschland bereit ist. Dazu muß ich sehr klar sagen: Solche Politik schafft nicht zusätzliche Sicherheit, sondern zusätzliche Unsicherheit. Das können wir nicht billigen.
({45})
Dann gibt es viertens, wie schon gesagt, eine kleine Minderheit, die die Interessen anderer Staaten vertreten will, die uns z. B. einreden will, sowjetische Raketen seien für den Frieden und amerikanische für den Krieg. Mit denen könnte ich niemals gemeinsam etwas unternehmen.
({46})
Für mich ist das Ringen um den Frieden ganz untrennbar mit Redlichkeit verbunden.
Das Grundgesetz, dessen Art. 8 mein Freund Willy Brandt vorhin schon zitiert hat,
({47})
spricht ganz ausdrücklich von dem Recht aller Deutschen, sich friedlich - „friedlich" steht da im Grundgesetz - zu versammeln. Ich möchte die Betonung noch einmal auf das Wort „friedliches Versammeln" legen. Man kann dieses Grundrecht der Versammlungsfreiheit durch Einwirkung von außen unterdrücken. Man kann die Freiheit von außen unterdrücken. Aber auch Gewaltanwendung von innen kann dieses Grundrecht aushöhlen. Nur die friedliche Ausübung des Rechts wird vom Grundgesetz geschützt.
Aber dieser Schutz des Grundrechts auf Demonstration, auf freie Meinungsäußerung sollte nicht in der Absicht wahrgenommen werden, sich an die Stelle der vom Grundgesetz geschaffenen Institutionen zu setzen. Nach dem Grundgesetz sind dazu, die Politik unseres Gemeinwesens zu beschließen und zu gestalten, im wesentlichen der Deutsche Bundestag und die Bundesregierung berufen. Gerade weil die Demonstranten für sich Gewissensfreiheit beanspruchen - und das sollen sie auch -, wäre es sehr unmoralisch, wenn sie erwarteten, daß sich die Frauen und Männer in diesem Hause oder in der Bundesregierung zu einer Politik gegen ihr eigenes Gewissen zwingen lassen könnten.
({48})
Das kann mit dem Wort von gegenseitigem Ernstnehmen nicht gemeint sein.
Die Bundesrepublik hat in jüngster Zeit Erfahrungen mit Grenzen der friedlichen Demonstrationen machen müssen. Die Lehre von Bremen, Brokdorf, Berlin und anderswo lautet, daß friedlich gemeinte Demonstrationen den Veranstaltern aus den Händen laufen können. Der Keim der Gewalt kann aufblühen und die guten Absichten überwuchern. Wer aber den äußeren Frieden sichern will, der darf nichts tun, was den inneren Frieden bricht. Denn der Friede beginnt bei uns selbst, zu Hause. Übrigens, er endet auch bei uns selbst.
({49})
Ich appelliere an alle: bewahren wir den inneren Frieden. Anders bleiben wir nicht imstande, den äußeren Frieden zu sichern. Und wir hier im Bundestag, die frei gewählten Abgeordneten von vier großen demokratischen Parteien, sollten nicht zulassen, daß wir uns hier im Bundestag auf fremdes Kommando hin zerspalten.
({50})
Zum Schluß, meine Damen und Herren. Ich sprach von der Erfahrung meiner eigenen Generation, der Kriegsgeneration, der Generation, die unter dem Gewissenszwang der nationalsozialistischen Schulpolitik, Organisationspolitik und Militärpolitik aufgewachsen ist. Als ich nach sechs Kriegsjahren und Kriegsgefangenschaft nach Hause kam, da begann für mich mit 27 Lebensjahren sozusagen das normale Leben. Es war weiß Gott nicht normal unter den damaligen Umständen unseres Vaterlandes. Viel Zerstörung, viel Elend. Mich hat das dazu geführt, mich der Politik zuzuwenden, um in der Politik mitzuhelfen, daß es möglichst gerecht zugehe in einem Land, in einer Gesellschaft, die von schwerster Bedrückung, aber auch von Ungerechtigkeit, die durch das Schicksal sich ergeben hat, heimgesucht wurde. Aber auch, damit die Schrecken der Vergangenheit überwunden wurden. Ich wollte helfen, um diesen Ausdruck Kurt Schumachers zu benutzen, die Schrecken der Vergangenheit zu überwinden, und, um ihn genauer zu zitieren, ich wollte helfen, daß die Schrecken der Vergangenheit sich nicht wiederholen können. Und das gilt sicherlich für viele Menschen meiner Generation. Ich habe dann mein politisches Leben in einer Partei verbracht, die seit ihrer Begründung vor beinahe 120 Jahren konsequente, unbeirrbare Verfechterin des Friedenswillens in diesem Volk gewesen ist und ist und auch in der Zukunft sein wird. Sie wird so bleiben.
({51})
Ich stehe jetzt im achten Jahr an der Spitze einer Koalitionsregierung aus Freien Demokraten und Sozialdemokraten, deren tragende Grundlage der Wille zum Frieden ist, die Fortsetzung einer Politik der Entspannung und der Sicherheitspartnerschaft zwischen West und Ost. Die Bundesregierung wird weiterhin alles tun, damit verhandelt wird und nochmals verhandelt und nochmals verhandelt wird, damit Ergebnisse dabei herauskommen, damit die Interessen der beiden Weltmächte zum Ausgleich gebracht, aber gleichzeitig unsere deutschen Interessen dabei zum Zuge gebracht werden.
({52})
Sie haben, Herr Kollege Zimmermann, vorhin den Deutschen Gewerkschaftsbund zum Zeugen für das aufgerufen, was Sie gerade ausführten. Ich bin seit mehr als 30 Jahren Mitglied einer Gewerkschaft des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Als ich ins Berufsleben eintrat, bin ich in eine Gewerkschaft eingetreten. Wenn das nicht nur einmal heute gemeint ist, was Sie gesagt haben, sondern auch bei anderer Gelegenheit genauso gemeint wird und wenn Sie sagen könnten, Herr Abgeordneter Kohl, der Sie nach mir sprechen, daß Sie den Friedensaufruf des Deutschen Gewerkschaftsbundes genauso wie mein Freund Brandt oder wie ich selber es bei vielen Gelegenheiten schon öffentlich gesagt habe, für richtig halten, für ausgewogen, für im Interesse des deutschen Volkes halten, dann wären wir uns in dieser heutigen Debatte noch ein Stück nähergekommen.
Letzter Satz: Ich werde mir das Wort „Friedenspolitik" und den Inhalt unserer Friedenspolitik von niemandem abhandeln lassen!
({53})
Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Dr. Kohl.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer Zeuge dieser heutigen Debatte war und wer insbesondere die Rede des Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und jetzt die Rede seines Stellvertreters, des Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland, gehört hat, verspürt - ich glaube, die meisten im Saale haben das verspürt -, um welches Ringen es in der deutschen Politik in Wirklichkeit geht.
Herr Bundeskanzler, Sie haben, vom Beifall vieler - nicht aller - Ihrer Fraktionskollegen begleitet, mit dem Satz geschlossen:
Ich werde mir das Wort „Friedenspolitik" und den Inhalt unserer Friedenspolitik von niemandem abhandeln lassen.
Sie haben das mit einem Ausruf getan, aber in Wahrheit steht am Ende doch ein Fragezeichen.
Es waren zwei Welten der Politik - die Rede Brandt, die Rede Schmidt -, die wir heute gehört haben.
({0})
Es war die Rede des Parteivorsitzenden Willy Brandt, der gemeinsam mit anderen in seiner Partei - viele sagen ja, das sei die Mehrheit der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands - aufgebrochen ist zu einem anderen Ufer für die deutsche und auch für die internationale Politik. Vieles von dem, Herr Bundeskanzler, was Sie durchaus eindrucksvoll vorgetragen haben, hatte die Eintönung und die Tonart einer Abschiedsstimmung.
({1})
Sie haben Positionen vertreten, von denen Sie wissen, daß sie in weiten Teilen von Ihrer eigenen Partei nicht mehr geteilt werden.
({2})
Sie haben bei Ihrer Rede viel Zustimmung in der CDU/CSU-Fraktion gefunden. Sie konnten feststellen, daß die, die auf den Bänken der Sozialdemokraten ehrlich waren und ganz anders denken, wenigstens so anständig waren, daß sie nicht applaudiert haben. Das ist genau das Problem der deutschen Politik in unseren Tagen, daß Sie hier Richtiges vortragen, aber in Wahrheit gar nicht mehr die notwendige Mehrheit in der eigenen Partei und Fraktion haben, um das, was als richtig erkannt ist, tatkräftig durchzusetzen.
({3})
Sie konnten das in den Ausführungen Ihres ersten Vorsitzenden, des Kollegen Brandt, erkennen. Dazu nur wenige Bemerkungen.
Herr Brandt, ich weiß nicht, was für Ausführungen Sie zum Thema Demonstrationsrecht für notwendig erachtet haben. Können Sie mir irgend jemand in diesem Saal oder draußen im Lande nennen, der das Recht auf friedliche Demonstration für Bürger der Bundesrepublik Deutschland bestreitet? Ist nicht eigentlich die Frage berechtigt: Wie weit sind wir heruntergekommen, daß Sie den Inhalt des Grundgesetzes in einen Entschließungsantrag des Deutschen Bundestags aufnehmen müssen,
({4})
daß Sie eine bare Selbstverständlichkeit in einer freiheitlichen Demokratie noch einmal zur Abstimmung stellen? Ich muß schon sagen, es ist auch ein Ergebnis der Politik von SPD und FDP, daß wir im zwölften Jahr Ihrer Regierungszeit einen Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen vor uns liegen haben, in dem bestätigt wird, daß in Deutschland das freie Demonstrationsrecht der Bürger gilt. Wer es nötig hat, das bestätigen zu lassen, muß sich die Frage gefallen lassen, welche Politik zu dieser Entwicklung geführt hat.
({5})
Ein Zweites. Herr Kollege Brandt, Sie haben viel von Aufgeregtheiten gesprochen. Wer war denn in diesen Tagen eigentlich aufgeregt? Glauben Sie, daß der Bundeskanzler heute aufgeregt war, als er in seinen Ausführungen die Sorge um die Zukunft des Landes zum Ausdruck brachte? Glauben Sie, daß viele Ihrer politischen Freunde aufgeregt waren, als sie etwas zum Umfeld und zu den Gefahren der morgigen Demonstration gesagt haben? Ist es nicht vielmehr so, daß wir uns aufregen müssen, weil Sie, Herr Brandt, und Ihre Freunde aufgebrochen sind, um eine andere Politik in Deutschland zu machen? Das ist doch das Problem, vor dem wir stehen.
({6})
Ein Letztes zu den Bemerkungen Willy Brandts von diesem Pult aus: Sie sprachen die Militär- und Sicherheitspolitik der amerikanischen Administration an. Wer die Geschichte der Regierungsbildungen in Amerika kennt, weiß, daß es dort - wie übrigens auch bei uns - nach jeder RegierungsneubilDr. Kohl
dung Anlaufprobleme gibt, zumal dann, wenn sich die neue Administration aus Anhängern der jeweils anderen Partei zusammensetzt. Aber daß ausgerechnet Sie, Herr Brandt, Präsident Reagan Äußerungen vorhalten, die er vor und nach der Wahl gemacht hat, verstehe ich nicht. Wenn es in diesem Saal überhaupt jemanden gibt, der über x Äußerungen, die ein anderer vor der Wahl gemacht hat, schweigen sollte, sind Sie es und Herr Schmidt. Sie sollten dazu kein weiteres Wort sagen.
({7})
Nun, Herr Bundeskanzler, zu dem, was Sie heute sagten. Allerdings muß ich gleich vorwegschicken: Wir müssen uns natürlich auch über das unterhalten, was Sie sonst im Umfeld dieser Debatte gesagt haben. Sie sprachen zu Recht davon, es gehe uns gemeinsam um die Bewahrung des Friedens. Sie sprachen sehr eindrucksvoll von dem Zusammenhang zwischen innerem und äußerem Frieden. Das ist gut so; denn niemand kann dem Frieden nach außen dienen, wenn er nicht bereit ist, dem Frieden im eigenen Lande zu dienen. Gerade das sollte eine Art Magna Charta deutscher Demokraten sein - auch in den 80er Jahren.
Aber Sie waren es doch, Herr Bundeskanzler, der dazu beigetragen hat, jenes Klima zu schaffen, in dem der anderen Seite die Friedensfähigkeit abgesprochen wurde. Sie haben uns doch kürzlich hier attestiert, wir besäßen wohl den Friedenswillen, jedoch nicht die Friedensfähigkeit. Heute sind Sie, Herr Bundeskanzler, von Ihren eigenen Worten eingeholt worden. Heute sind es Mitglieder Ihrer eigenen Partei, die Ihnen und Ihrer Politik die Fähigkeit zum Frieden absprechen. Heute kämpfen Sie mit dem Rücken zur Wand um die Glaubwürdigkeit Ihrer Politik. Müßte diese Entwicklung - Sie haben heute viel von Gemeinsamkeit gesprochen - nicht auch bei Ihnen die Einsicht fördern, daß es niemandem nützt und daß es dem Lande schadet, wenn sich Demokraten untereinander die Fähigkeit zum Frieden absprechen?
Herr Bundeskanzler, es war nicht irgendwann, sondern vor wenigen Tagen, als Sie so sprachen. Am vergangenen Wochenende haben Sie auf der Arbeitstagung Ihrer Partei - ich zitiere - „den Herren Kohl, Strauß, Albrecht, Dregger - oder wie sie heißen mögen" - schlicht und einfach die Fähigkeit abgesprochen, der großen Aufgabe zu dienen, die Interessen der beiden Weltmächte zum Ausgleich zu bringen.
({8})
Herr Abgeordneter Kohl, darf ich Sie einen Augenblick unterbrechen? - Meine Damen und Herren, ich wäre sehr dankbar, wenn an der Bundesratsbank und bei der sozialdemokratischen Fraktion etwas mehr Aufmerksamkeit für den Redner einkehrte.
({0})
Herr Bundeskanzler, Sie besteiten der größten und stärksten demokratischen Partei in der Bundesrepublik mit solchen Äußerungen nicht nur die Fähigkeit zum äußeren Frieden, sondern auch ihren Beitrag zum inneren Frieden. Ich möchte hoffen, daß das, was Sie heute hier gesagt haben, einen Anfang begründen kann - einen Anfang auf jenem Felde, auf dem Parteipolitik notwendigerweise ausgeschlossen werden sollte, nämlich auf dem Felde der Solidarität der Demokraten gegen jede totalitäre Gewalt, von welcher Seite sie auch immer kommen mag.
({0})
Unser Volk hat in diesem Jahrhundert zwei schreckliche Weltkriege erlebt. Wir alle wissen, daß ein dritter Weltkrieg die Apokalypse, das Ende unseres Erdballs, bedeuten könnte. Wollen wir uns angesichts dieser Bedrohung wirklich den Willen zum Frieden, den Willen zu weltweiter Abrüstung, die Fähigkeit zum Handeln für den Frieden gegenseitig absprechen? Meine Damen und Herren, lassen Sie uns mit aller Leidenschaft um den besten Weg, um die besten Mittel streiten, wie wir den Frieden bewahren wollen, wie wir Abrüstung erhalten können! Aber lassen Sie uns doch einig sein, daß wir das gleiche Ziel wollen: den Frieden und die Freiheit für unser Vaterland!
({1})
Und damit bin ich auch beim Thema der morgigen Demonstration. Herr Kollege Mischnick, mir ist völlig unverständlich, wie Sie in Ihrer heutigen Rede eine derartige Position einnehmen können. Was hat Parlament noch zu bedeuten, wenn wir angesichts einer derartigen Herausforderung hinsichtlich der Grundpfeiler deutscher Politik auseinandergehen und in diese aufgeregte Situation hinein nicht unser klares Wort sagen? Sie sollten uns doch dankbar sein, daß wir Ihnen die Gelegenheit gegeben haben, sich auch von jenen in der FDP abzusetzen, von denen sich Ihre eigene Partei schon längst hätte absetzen müssen.
({2})
Es gibt hier niemanden - ich sage es noch einmal -, der das Grundrecht der freien Meinungsäußerung bestreitet. Aber, meine Damen und Herren, Herr Bundeskanzler, es ist nicht richtig, daß Sie kürzlich in diesem Zusammenhang den schiefen Vergleich brachten, es sei eine absurde, eine kommunistische oder eine faschistische Vorstellung, jungen Leuten die freie Meinungsäußerung verbieten zu wollen. Das steht doch in der geistigen Nähe jener Therorie der „Berufsverbote", die es in der Bundesrepublik Deutschland ebenfalls nicht gibt.
({3})
Wir - ich hoffe: wir alle - führen die Auseinandersetzung doch nicht darüber, daß Mitbürger in der Bundesrepublik Deutschland morgen ihr Grundrecht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit in Anspruch nehmen. Das, worum es uns geht, ist, daß wir uns rechtzeitig - und für jeden erkennbar und hörbar - darüber aussprechen, was Ziele und Inhalte dieser Demonstration sind, was möglicherweise Mittel und Methoden sein können.
Herr Kollege Brandt, Sie haben in diesem Zusammenhang den Unvereinbarkeitsbeschluß der Sozialdemokratischen Partei im Blick auf Zusammenar3332
beit mit kommunistischen Gruppen erwähnt. Angesichts der aktiven Teilnahme führender deutscher Sozialdemokraten und angesichts der Tatsache, daß möglicherweise Zehntausende Ihrer Sympathisanten, Anhänger und Mitglieder bei dieser Demonstration sind, ist es doch pure Heuchelei, so zu tun, als hätte dieser Beschluß bei dieser Demonstration keinen Platz.
({4})
Die Wahrheit ist, Herr Bundeskanzler, daß morgen neben vielen friedlichen, wohlmeinenden Mitbürgern der harte Kern der deutschen kommunistischen Bewegung in Bonn demonstriert. Die Wahrheit ist, daß dies Volksfront ist, daß damit eine Grundvoraussetzung der Solidarität deutscher Demokraten auf Ihre Verantwortung in der SPD zerbrochen wird.
({5})
Die Wahrheit ist, daß Sie zwar hier in diesem Saale Kurt Schumacher zitieren, aber das, was er praktiziert hat, in Ihrer Zeit nicht mehr praktizieren.
({6})
Die Wahrheit ist, daß Sie mit Ihrem Tun, mit Ihrem schwächlichen Tun oder mit Ihrer kalkulierten duldenden Hinnahme dieser Entwicklung schweren Schaden für die Bundesrepublik Deutschland im Ausland stiften. Auch das gehört zu dieser Wahrheit.
({7})
Herr Bundeskanzler, wer den offiziellen Aufruf zur morgigen Demonstration mit Nüchternheit liest, weiß, daß sich dieser Aufruf mit der Aufforderung an die NATO-Mitgliedsländer, den Beschluß über die Stationierung neuer Mittelstreckenwaffen zurückzuziehen, zentral gegen die erklärte Sicherheitspolitik Ihrer Regierung und der riesigen Mehrheit des Deutschen Bundestages und - auch dies behaupte ich - der übergroßen Mehrheit der Bürger in der Bundesrepublik Deutschland richtet.
Sie selbst haben ja diesen Aufruf zitiert, in dem es heißt: Eine Chance auf Verhinderung der Nachrüstung besteht dann, wenn es der Friedensbewegung gelingt, den inneren Frieden in diesem Land entscheidend in Frage zu stellen. Herr Kollege Brandt, das ist die Sprache der Totalitären. Das kann doch nicht eine Sprache sein, die ein deutscher Sozialdemokrat akzeptieren kann! Wenn Sie Verständnis für viele dokumentieren, die mitlaufen, dann grenzen Sie sich doch wenigstens von jenen ab, die eine ganz andere Republik als die Bundesrepublik Deutschland wollen!
({8})
Mit diesen Äußerungen sind doch zwei Ziele der Demonstration klar definiert, erstens die Gefährdung des äußeren Friedens durch die Preisgabe des Prinzips des Gleichgewichts, auf dem die Verteidigungspolitik unseres Landes und die des westlichen Bündnisses beruht, und zweitens die erklärte Absicht, den inneren Frieden zu stören.
Denken wir doch einmal jene Politik zu Ende, die das Präsidiumsmitglied der SPD Eppler und das
Vorstandsmitglied der FDP Borm morgen demonstrativ einfordern werden! Die Überrüstung der Sowjetunion und vor allem ihre wachsende europäische Überlegenheit soll festgeschrieben werden.
Meine Damen und Herren, Sie müssen doch vor unseren Bürgern die Frage beantworten: Warum sollte die sowjetische Führung freiwillig auf ihre militärische Überlegenheit verzichten? Die Erfahrung der Geschichte beweist, daß militärische Überlegenheit immer die Versuchung mit sich gebracht hat, den schwächeren Nachbarn als politische Geisel mißbrauchen zu können. Der Erfolg des Doppelbeschlusses der NATO vom Dezember 1979 besteht doch erkennbar gerade darin, daß die Sowjetunion sich bereit gefunden hat, am 30. November in Genf in Verhandlungen über eine Begrenzung der eurostrategischen Waffen einzutreten. Ein Verzicht auf den Nachrüstungsteil des Doppelbeschlusses wäre eine einseitige Vorleistung der westlichen Seite, die die Sowjetunion - das weiß doch wirklich jeder - noch nie honoriert hat und niemals honorieren wird.
({9})
Gerade diejenigen, denen es wirklich ernst um die Sicherung von Frieden und Freiheit ist, die Krieg unmöglich machen wollen, müssen wissen, daß nur mit diesem Doppelbeschluß Abrüstung möglich wird. Kündigt unser Land, kündigt die Bundesrepublik Deutschland, wie es das Ziel jener Demonstration ist, den NATO-Beschluß auf, würde sich unvermittelt die Frage nach der Bündnistreue, nach der Zuverlässigkeit, ja nach der Verteidigungsfähigkeit unseres Landes stellen. Damit stünde die Grundentscheidung deutscher Politik, die Kontinuität deutscher Außen- und Sicherheitspolitik seit 30 Jahren zur Disposition - Grundentscheidungen, die den Frieden und die Freiheit in Europa gesichert haben; Grundentscheidungen, die die Voraussetzung dafür geschaffen haben, daß morgen Zehntausende junger Leute in Bonn aufziehen können, die zeit ihres jungen Lebens niemals Krieg, Elend und Not erlebt haben. Auch das muß man in diesem Zusammenhang doch einmal aussprechen.
({10})
Die massive Teilnahme aller kommunistischen Gruppierungen aus der Bundesrepublik Deutschland und aus den benachbarten Staaten unterstreicht doch die Zielsetzung jener Gruppen. Die Kommunisten wissen ganz genau: Solange die Erfahrung der Deutschen aus dem Zweiten Weltkrieg währt; solange Millionen Vertriebene und Flüchtlinge ihre eigenen Erfahrungen ihren Kindern weitergeben; solange die Teilung Deutschlands und das Unrecht mitten in Deutschland mit Mauer und Stacheldraht symbolisiert werden - so lange hat die kommunistische Partei Deutschlands keinerlei Chance, auf dem Wege freier Wahlen einen Fortschritt zu erringen. Die Tatsache, daß bei den Wahlen der letzten Jahrzehnte die Kommunisten immer unter der Markierung von 2 Prozent geblieben sind, ist ein einzigartiger Vorgang in der Welt. Das muß
man am Vorabend einer solchen Demonstration deutlich machen.
({11})
Aber gerade weil sie bei der freien Entscheidung der Wähler keine Chance haben, versuchen sie nun auf vielfältigen Wegen Einfluß in der Bundesrepublik Deutschland zu gewinnen. Deswegen ist es so wichtig, auf die kommunistische Beteiligung, auf das Unterwandern und Unterlaufen friedlicher Demonstranten hinzuweisen. Hier gilt es den Anfängen zu wehren. Herr Brandt, es wäre Ihre Pflicht, in der Art Kurt Schumachers dazustehen und für klare Verhältnisse in der SPD zu sorgen.
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Herr Bundeskanzler, wir sind mit Ihnen einer Auffassung, daß es niemandem gestattet ist, alle diejenigen, die an dieser Demonstration teilnehmen, in einen Topf zu werfen. Es haben vielfältige Motive und vielfältige Gründe dazu geführt.
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- Aber auch das ist nicht wahr. Das Problem bei vielen Ihrer Kollegen besteht ja darin, daß sie gar nicht mehr zuhören können. Schauen Sie sich doch einmal den Skandal an, wie sie sich verhalten, wenn ein Redner der Union das Pult betritt! Das ist doch Ihre Vorstellung von Demokratie!
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Gerade weil wir nicht bereit sind, die Demonstranten pauschal in einen Topf zu werfen, was die Motivationen, die Absichten, die Ängste angeht, die dabei deutlich werden, können wir uns nicht damit abfinden, daß hier über die Teilnahme der Kommunisten mehr oder minder hinweggeredet wird.
Sie, Herr Bundeskanzler, haben mit Recht gesagt: Linksextremistische Gruppen haben die Demonstration von Anfang an unterstützt und sich unverhohlen bemüht, sie für ihre politischen Nahziele zu mißbrauchen. Sie fuhren fort: Die Mitwirkung dieser linksextremistischen Kräfte ist von einem Teil der offiziellen Veranstalter geduldet oder sogar gefördert worden. Ich habe dem nichts hinzuzufügen. Herr Brandt, wo ist Ihre Ausführung zu diesem Thema in Ihrer heutigen Rede?
({15})
Ich frage mich, Herr Bundeskanzler: Warum haben Sie in Ihrer eigenen Partei nicht schon früher, sondern erst heute in dieser von uns herbeigeführten Debatte so klar und deutlich geredet? Warum haben Sie sich als der stellvertretende Vorsitzende der SPD nicht entschiedener von dieser Nachbarschaft in der eigenen Partei distanziert? Warum haben Sie nicht dazu beigetragen, daß die Partei jenen Unvereinbarkeitsbeschluß endlich realisiert, der doch sonst nur auf dem Papier steht?
Herr Brandt, ich stimme Ihnen zu, wenn Sie sagen: Ich habe, verdammt noch mal, auf deutschem Boden Schlimmeres erlebt, als daß junge Menschen für Frieden und Abrüstung eintreten. - Nur, Herr Kollege Brandt, das ist doch nicht das Thema.
({16})
Sie werden doch beim besten Willen nicht sagen können, daß jene, die morgen ein entscheidendes Stück Verantwortung für diese Demonstration tragen, die in Amsterdam oder in Rotterdam oder in Brüssel an den Strippen ziehen - Sie wissen das so gut wie ich -, vor allem unter dem Gesichtspunkt demonstrieren, daß es ihnen um Frieden und Abrüstung geht. Es geht doch nicht um junge Leute, die zum Teil mißbraucht werden für eine politische Tendenz, die sie in ihrem Herzen niemals billigen werden. Es geht um jene, die die Drahtzieher dieser politischen Entwicklungen sind.
In der Tat, wenn morgen das, was ich eben von Ihnen zitierte, alleiniger Inhalt der Demonstration wäre, wäre diese Demonstration nicht unser Problem. Aber, meine Damen und Herren, wir dürfen doch vor der Realität in unserem Vaterland nicht die Augen verschließen. Kann man wirklich mitten im geteilten Deutschland guten Gewissens mit Kommunisten für Frieden und Abrüstung demonstrieren - angesichts der militärischen Aufrüstung kommunistischer Staaten; angesichts der kommunistischen Diktaturen mitten in Europa; angesichts der Geiselnahme der Menschen in der DDR; angesichts von Mauer, Stacheldraht und Schießbefehl; angesichts der Tatsache, daß heute zu einem anderen Tagesordnungspunkt über das Thema geredet wird, daß wir für Geld Menschen, deutsche Menschen, aus dem anderen Teil Deutschlands freikaufen müssen? Meine Damen und Herren, das ist doch die Realität, in der wir leben. Und wer in dieser Realität nicht sieht, was Kommunisten für Geschäfte in unserem Lande besorgen, der muß sich fragen lassen, ob er fähig ist, Verantwortung für die deutsche Politik zu tragen.
({17})
Ich frage viele der Gutwilligen, die da morgen demonstrieren: Wo war eigentlich und wo ist ihre Demonstration, wenn es um die Verhältnisse und die Zustände im heutigen Regime im Iran geht? Ich frage jene gleichen Gruppen, die sofort dabei waren, als es damals gegen den Schah zu demonstrieren galt. Viele, die morgen sprechen werden, haben gegen die amerikanische Politik in Vietnam demonstriert. Wo ist heute ihr Protest gegen den Völkermord in Vietnam, in Kamputschea, in Afghanistan?
({18})
Wo bleibt, Herr Kollege Brandt, Ihr Wort, das Wort der Sozialistischen Internationale, gegen den Giftgaseinsatz der Sowjetunion in Asien? Herr Kollege Brandt, an den Einzelheiten Ihrer Politik kann man erkennen, wohin die Reise geht.
Herr Abgeordneter Kohl, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Brandt?
Bitte schön.
Bitte schön, Herr Abgeordneter Brandt, Sie haben das Wort.
Da Sie die Güte haben, Herr Kollege Kohl, zu einem Zeitpunkt, wo ich nicht mehr antworten kann, Fragen an mich zu richten: Würden Sie so gut sein, mir die Frage zu beantworten, ob Sie für Verhandlungen sind, wie der Deutsche Bundestag es beschlossen hat, oder ob Sie wie Herr Strauß, Ihr CSU-Vorsitzender, gegen die Verhandlungen der NATO sind?
({0})
Aber meine Damen und Herren, es ist natürlich das Recht des Abgeordneten Brandt, hier eine Frage zu stellen. Wenn wir schon in feierlicher Entschließung feststellen, daß es ein Demonstrationsrecht gibt, wollen wir wenigstens auch das Rederecht im Bundestag selbstverständlich ausüben.
Herr Kollege Brandt, Sie haben schlicht und einfach falsch zitiert. Ich habe diese Rede selbst gehört. Deswegen brauche ich nicht Ihr Zitat. Sie müssen den gesamten Passus der Rede von Franz Josef Strauß noch einmal lesen. Sie werden dann feststellen, daß er die Vorgeschichte des NATO-Beschlusses entwickelt hat und daß der Zusammenhang, den Sie herstellen, ganz und gar unstatthaft ist. Sie wissen das im übrigen genau. Sie wollen nur ablenken von dem, was wirklich ist.
({0})
Mir scheint, Herr Brandt, es wäre nützlicher, Sie würden sich gegenwärtig um den inneren Zustand Ihrer Partei kümmern als um den Zustand anderer Parteien.
({1})
Ich will es Ihnen gerade an einem Beispiel sagen: Wohin ist eigentlich die Partei Kurt Schumachers gekommen, wenn ich in diesen Tagen in Ihrem eigenen Pressedienst, Herr Brandt, das Flugblatt eines DKP-Kreisverbandes lese - Sie haben das kommentarlos abgedruckt -, in dem hier in Bonn die Bürger, Geschäftsinhaber, Haus- und Autobesitzer aufgefordert werden, Beschädigungen durch Aufkleber und Plakate vorzubeugen, auf denen sie ihre Sympathie mit dem Demonstranten bekunden, wenn sie sich vor schweren Ausschreitungen schützen wollen?
({2})
Nach 12 Jahren SPD/FDP-Regierung drucken Sie in Ihren eigenen Presseorganen Nachrichten der Deutschen Kommunistischen Partei ab, die bittere Erinnerung an die Nazizeit emporkommen lassen.
({3})
Herr Abgeordneter Dr. Kohl, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Duve?
Ich darf gerade noch das Zitat bringen, dann gern. Vielleicht kann der Kollege das Zitat dann gleich noch weiterführen.
In diesem Flugblatt heißt es weiter:
Alle, die diese Hinweise nicht ernst nehmen, sollen sich hinterher nicht beschweren, sie hätten von nichts gewußt.
Bitte schön, Herr Kollege.
Herr Abgeordneter Duve, Sie haben das Wort zu einer Zwischenfrage.
Herr Dr. Kohl, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß ppp heute ganz klargestellt hat, welche Absicht es damit verfolgt hat, gestern diesen abscheulichen erpresserischen Text zu publizieren?
({0})
Das ist doch ganz eindeutig, Herr Abgeordneter Kohl, daß, wenn man eine Erpressung - ({1})
- Ich muß mich in den Gepflogenheiten üben. Herr Dr. Kohl, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß aus der Art des Abdrucks und aus dem Wortlaut dieser erpresserisch formulierten Darstellung der DKP ganz eindeutig hervorgeht, was der Abdrukkende hier beabsichtigt hat, und keineswegs, daß er - ({2})
Verehrter Herr Kollege, zwei Anmerkungen zu Ihrer Frage. Erstens: Warum haben Sie das erst heute kommentiert, nachdem gestern über diese Verlautbarung ein solcher Aufruhr entstanden ist? Und die zweite, die viel wichtigere Frage lautet: Ist das nicht der klassische Fall für den Unvereinbarkeitsbeschluß betreffend das Zusammengehen von Sozialdemokraten und Kommunisten?
({0})
Herr Kollege Brandt, ich frage noch einmal: Gibt es für Sie wirklich keine Alternative, keine Alternative für die deutschen Sozialdemokraten, für den Frieden zu demonstrieren, ohne daß Sie dies gemeinsam mit Kommunisten und auch Chaoten und anderen, wohlmeinenden Bürgern tun? Könnte eine von Ihnen geführte Regierung nicht viel überzeugender Friedenspolitik betreiben und damit öffentlich für den Frieden demonstrieren? Wäre es nicht um aller derjenigen willen, die aus echter Sorge um den Frieden morgen an der Demonstration teilnehmen, besser gewesen, sie frühzeitig - auch von Ihrer Seite - und entschiedener auf den Mißbrauch des Demonstrationsrechts hinzuweisen? Wäre es nicht - und das ist meine konkrete Frage an Sie, Herr Brandt - auch der Zeitpunkt gewesen, die Gemeinsamkeit aller Demokraten in diesem Hause unter Beweis zu stellen?
Sie berufen sich häufig auf den Gewerkschaftsbund. In der Tat hat der DGB in diesen Tagen Ihnen ein Beispiel gegeben. Und, Herr Bundeskanzler, wir haben keine Schwierigkeiten damit, wenn der Deutsche Gewerkschaftsbund eine richtige Erklärung
und Meinung abgibt, diese Meinung zu unterstützen. Wir sind allerdings auch frei genug, Erklärungen und Meinungen, die nicht unserer Überzeugung entsprechen, ebenso entschieden zu verneinen. Aber das ist doch das freie Spiel demokratischer Kräfte in der Gesellschaft.
Die morgige Demonstration - das ist klar - ist erst der Anfang einer Demonstrationsstrategie, die auf Ihren Bundesparteitag, Herr Kollege Brandt, im April in München gerichtet ist. Eine Massenbewegung in die SPD hinein soll erreichen, daß auf Ihrem Parteitag die Politik dieser Bundesregierung in einem entscheidenden Punkte geändert wird. Ein Regierungsmitglied Ihrer Partei, Herr Brandt, hat deshalb zu Recht davon gesprochen, daß die morgige Demonstration ein Dolchstoß in den Rücken des sozialdemokratischen Bundeskanzlers sei. Diese ganz und gar richtigen Äußerungen sind doch nur deshalb aus Ihren Reihen so rüde beantwortet worden, weil der, der die Antwort gab, verspürt hat, daß Herr Corterier mit seiner Meinung recht hat.
({1})
Herr Bundeskanzler, bei allem, was Sie heute sagten, bleibt doch die Tatsache bestehen, daß ein Viertel Ihrer Fraktion und auch Teile der FDP-Fraktion sich mit dieser Demonstration solidarisiert haben. Das Mitglied Ihres Bundesvorstands - ein Mann, der längst auf eine weite politische Reise gegangen ist -, Herr Jochen Vogel, erklärte am 6. Oktober: „Die Zahl derer ist größer geworden, die mit der Bundesregierung nicht in allen Punkten übereinstimmen." Der saarländische Landesparteivorsitzende, Herr Lafontaine, spricht sich ganz offen und ohne jede Hemmung in der Zwischenzeit gegen den Doppelbeschluß der NATO aus. Ihr Landesverband in Schleswig-Holstein fordert die Aufhebung des Aufrüstungsteiles des NATO-Doppelbeschlusses. Sie, Herr Bundeskanzler, haben vorhin von „fremden Mächten" gesprochen, die solche Forderungen stellen. Es geht hier nicht um fremde Mächte, es geht um aktive, starke, immer stärker werdende Gruppen in Ihrer eigenen Partei.
({2})
Der Vorstand der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen hat alle sozialdemokratischen Rechtskundigen zur Teilnahme an der morgigen Demonstration aufgerufen.
({3})
Herr Brandt, Sie traten heute in Ihrer Rede für die Sicherheitspolitik der Regierung ein. Als Vorsitzender der Sozialistischen Internationale faßten Sie zu gleicher Zeit einen Beschluß, in dem Sie sich - ich zitiere - gleichermaßen der gegenwärtigen Stationierung und der künftigen Einführung von TNF-Potentialen auf beiden Seiten in Europa widersetzen. Das ist doch in der Logik gegen den Nachrüstungsbeschluß.
Im Pressedienst Ihrer Partei vom Juli wird diese Strategie auf einen Nenner gebracht. Dort heißt es: Die SPD setzt auf die Friedensbewegung. Herr
Brandt, heute muß ich Sie fragen: Auf welche Friedensbewegung setzen Sie?
({4})
Herr Bundeskanzler -
Herr Abgeordneter Kohl, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein.
Herr Abgeordneter Brandt, der Redner möchte in seinen Ausführungen fortfahren.
Der Kollege Brandt kann doch nachher hier sprechen. Wir sind doch immerhin ein frei gewähltes Parlament.
({0})
Es ist doch die Möglichkeit, daß jeder an dieses Pult geht. Für unsere Fraktion gibt es keine internen Abmachungen, daß einzelne nicht reden dürfen, weil sie eine abweichende Meinung haben.
({1})
Herr Bundeskanzler, ich will Ihnen ein weiteres, sehr aktuelles und im Ausland sehr beachtetes Beispiel für das Verschwimmen der Konturen zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten nennen. Vor wenigen Tagen hat zur Eröffnung einer Ausstellung kultureller Darstellungen Kubas der SPD-Abgeordnete Klaus Thüsing folgendes erklärt:
Kuba - das gilt den fortschrittlichen Menschen auch in meinem Lande als Hoffnung gerade für die verelendeten und unterdrückten Massen der 3. Welt ...
Als Hoffnung für die Unterdrückten hat Kuba in der Bundesrepublik große Sympathien, ... ha, ben sich viele fortschrittliche Menschen in meinem Lande zusammengeschlossen in Solidarität zu Kuba, den Erfolgen und Hoffnungen seiner Menschen, die auch hier - wie nirgends auf der Welt - ihr Ziel schon erreicht haben.
Herr Kollege Brandt, Herr Kollege Schmidt, ist das wirklich noch Ihre Politik, die hierbei deutlich wird? Ist das wirklich Ihre Politik, daß hier ein Land verherrlicht wird, das in weiten Teilen der Welt Stellvertreterkriege für die Sowjetunion und andere begonnen hat?
({2})
Und, Herr Bundeskanzler, was nützt es dann, wenn Sie hier sagen: Die größte Gefahr für den Verlauf und das Ergebnis der Verhandlungen sehe ich gegenwärtig darin, daß die sowjetische Führung glauben könnte, den Doppelbeschluß zu Fall bringen zu können. Ob sie danach, wenn ihr dies gelänge, noch ernsthaft verhandelt? Da haben Sie recht, wenn Sie sagen: Das ist mir fraglich.
Und, Herr Bundeskanzler, auch das gehört in diese Stunde hinein.
({3})
- Jeder benimmt sich so, wie er sich selbst versteht.
({4})
Insofern ist es, finde ich, ganz richtig, wenn die deutschen Mitbürger erkennen, wie das Verhältnis zwischen Redner und Angesprochenem hier ist.
({5})
Es muß Sie in der SPD doch aufrütteln, wenn täglich in der sowjetischen Presse Aufrufe zu engerer Zusammenarbeit von Sozialdemokraten, Sozialisten und Kommunisten zu lesen sind. Das sind Aufrufe - wie es in einem wörtlich heißt - „zu aktiven, zielsicheren Aktionen", um den „Kräften der Reaktion, des Krieges und des Faschismus einen Schlag zu versetzen". Ja - wer sind denn die „Kräfte der Reaktion, des Krieges und des Faschismus"? Herr Bundeskanzler, das sind Ihre Verhandlungspartner im Westen. Das sind unsere amerikanischen, unsere französischen, unsere englischen Freunde. Wenn Sie jetzt zulassen, daß hier nicht mehr eine klare Trennung besteht, wenn Sie aus vordergründigen parteipolitischen Interessen, um überhaupt überleben zu können, zulassen, daß Sie in diese düstere Zone der Gemeinsamkeit eintreten - dann ist das für uns in der Union eine undenkbare Situation. Dann gibt es keine Chance, Herr Wehner, für Gemeinsamkeit zwischen Sozialdemokraten und Christlich-Sozialen und Christlichen Demokraten in Deutschland.
({6})
Sie alle, auch Sie, Herr Bundeskanzler, haben viel dazu beigetragen, die Verhandlungsposition der USA und der westlichen Allianz zu schwächen. Sie haben immer wieder Zeitpläne in die Öffentlichkeit gebracht - wohl wissend, daß realistische Verhandlungsergebnisse doch nur unter der Voraussetzung zu erwarten sind, daß angesichts der schwierigen Materie die westliche Verhandlungsseite nicht unter einen unverantwortlichen Zeitdruck gesetzt wird, daß nicht wieder wie bei den Ostverträgen internationale Verhandlungen unter innenpolitischen Erfolgszwang gesetzt werden, nur weil Sie von der SPD im April Parteitag haben und im Ansehen der deutschen Bevölkerung in einem ungewöhnlichen Tief stehen.
Realistische Verhandlungsergebnisse sind nur von zähen und harten Debatten zu erwarten. Die Sowjetunion muß wissen, daß die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten nicht um jeden Preis verhandeln können - und verhandeln werden. Wer die USA zwingen will, eine Einigung um jeden Preis herbeizuführen, schwächt ihre Verhandlungsposition gegenüber der Sowjetunion. Es ist wichtig, das am Vorabend dieser Verhandlungen auch für den gesamten Deutschen Bundestag auszusprechen.
({7})
Für die sowjetische Führung, Herr Bundeskanzler, besteht doch keine Veranlassung, am Verhandlungstisch Zugeständnisse zu machen, wenn sie damit rechnen kann, daß das Ausbleiben von Ergebnissen vor allem in der Bundesrepublik Deutschland und in Ihrer eigenen Partei, der SPD, den Ruf weiter fördern würde, daß der Westen dann einseitig auf die Stationierung eurostrategischer Waffen verzichten müßte - und wenn die Sowjetunion erkennen kann, daß sie damit den Gegensatz zwischen den Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik Deutschland vertiefen könnte.
Aber genau das, Herr Bundeskanzler, bewirken Sie, wenn Sie erklären: Die Amerikaner sind an konkreten Ergebnissen interessiert - und sie müssen es sein. Sie wissen, daß dies eine conditio sine qua non für das Festhalten aller europäischen Regierungen am Doppelbeschluß - und nicht nur dafür - ist.
Herr Bundeskanzler, wir wünschen uns, daß Sie in gleicher Entschiedenheit, wie Sie es heute getan haben, auch bei jeder Gelegenheit in der eigenen Partei einmal deutlich machen, von wem eigentlich die Gefahr für den Frieden in Europa ausgeht.
({8})
Wenn Herr Breschnew, wie Herr Brandt gesagt hat, um den Frieden zittert und zweifellos friedliebend ist, dann frage ich Sie, Herr Brandt: Warum treten denn eigentlich die Wiener Verhandlungen über den Truppenabbau in Europa seit acht Jahren auf der Stelle? Warum ist die Nachfolgekonferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa in Madrid im letzten Jahr nicht zu einem Ergebnis gekommen? Warum schleppen sich die Genfer Abrüstungskonferenzen seit Jahren ergebnislos dahin? Liegt das daran, daß die Amerikaner nicht wollen, oder gar daran, daß der Teilnehmerstaat Bundesrepublik Deutschland die Verhandlungen erschwert? Sie wissen genau: Daran liegt es nicht. Es liegt daran, daß die Sowjetunion Blockade ausübt.
Ich frage Sie, Herr Bundeskanzler und Herr Brandt: Was ist aus der Initiative der Europäischen Gemeinschaft zur Regelung des Afghanistan-Konflikts geworden? Ist diese Regelung an den Europäern oder den Amerikanern oder am Nj et mit der Sowjetunion gescheitert? Ich frage: Wer hat die Initiative der ASEAN-Staaten zur Beendigung des Völkermordes in Kamputschea sabotiert? Das war doch die Sowjetunion - und nicht die Amerikaner und nicht die Europäer!
({9})
Ich frage Sie, meine Damen und Herren, im Blick auf die dramatischen Geschehnisse in Polen: Wer bedroht heute Polen mit einer Intervention?
Meine Damen und Herren von der SPD, Sie wissen die Antwort. Aber das Klägliche ist, daß viele von Ihnen nicht mehr den Mut oder nicht mehr den Willen haben, diese Wahrheiten offen auszusprechen. Wenn am 30. November die amerikanisch-sowjetischen Verhandlungen über die eurostrategischen Waffen und im Frühjahr nächsten Jahres die SALT-Verhandlungen wiederaufgenommen werden, dann sieht man das ganze Dilemma der Abrüstungspolitik. Es werden gleichzeitig auf fünf Ebenen in der Welt Verhandlungen über Abrüstung und Rüstungskontrolle geführt. Wir müssen alles tun, um bei der Sowjetunion zu erreichen, daß sie dort endlich den Beweis dafür erbringt, wie ernst sie es mit dem Frieden, mit Entspannung und mit Abrüstung und Rüstungskontrolle meint.
Herr Bundeskanzler, auch Sie, Herr Kollege Brandt, haben sehr Nachdenkliches über den Willen der Deutschen zum Frieden gesagt. Herr Bundeskanzler, Sie haben unter dem Beifall des gesamten Hauses erklärt: Wir alle wollen den Frieden. - Ich glaube, dieses Wollen gilt nicht nur für die Mitglieder des Deutschen Bundestages, sondern das gilt für das gesamte deutsche Volk, für unsere Mitbürger in der Bundesrepublik Deutschland, aber auch für unsere Landsleute im anderen Teil Deutschlands.
Es gibt kaum ein Volk auf dieser Erde, das in so bitteren Erfahrungen die Lehre vom Frieden durch die Geschichte vermittelt bekommen hat. Jeder von uns hat seine ganz persönlichen Erfahrungen in diesen zwei Weltkriegen, in denen in der Tat die Lichter in Europa ausgingen: die Millionen und Abermillionen von Toten, die Millionen, die den Verlust ihrer Heimat, den Verlust von Hab und Gut zu betrauern haben, die Vielen, die alles und jedes verloren haben. Es gibt kaum jemanden in diesem Saale, der nicht seine sehr persönlichen Erfahrungen in diesen Zeiten machen mußte, mit seiner eigenen Familie betreffend den Vater, den Bruder, die nächsten Verwandten. Ich sage noch einmal: Wir alle wollen den Frieden, die ältere und die mittlere Generation, die diese Erfahrungen selbst gemacht hat, auf den Schlachtfeldern der Sowjetunion oder in Afrika, in den Gefangenenlagern bis tief hinein in die 50er Jahre: die Alten, die am Ende ihres Lebens jetzt um den Frieden bangen und die zwei Weltkriege erleben mußten, die alles erfahren und viel erlitten haben, und die Jungen, die insofern eine glückliche Generation unserer Geschichte sind, da sie in den letzten 35 Jahren in unserem Land in Frieden und Freiheit leben konnten, die die Hoffnung und die Chance für ihr Leben ganz selbstverständlich entwickeln durften. Meine Damen und Herren, daß all jene, die ich hier eben ansprach, Angst haben, Angst vor einem neuen Krieg und vor all dem Schrecklichen, was er bedeuten kann, ist angesichts einer waffenstarrenden Welt mehr als verständlich.
Deswegen sind vielleicht die Deutschen noch mehr als andere - nicht, weil sie moralisch besser wären, sondern weil sie schlimmere Erfahrungen hinter sich gebracht haben - geeignet, leidenschaftlich für Abrüstung und Entspannung in der Welt und in der eigenen Region einzutreten - wenn dies wirkliche Abrüstung und Entspannung ist, weltweit und kontrolliert.
Die Angst in unserer Zeit hat viele Gründe. Sie hat Gründe, die in großem Umfange mit der Säkularisierung unserer Zeit zu tun haben. Der Verlust des Glaubens an das Transzendente hat nicht ein Mehr an Freiheit, sondern ein Mehr an Angst gebracht.
Deshalb ist es richtig - und das sage ich auch zu jenen, die sich als Christen berufen fühlen, morgen für den Frieden zu demonstrieren -, daß gerade wir, die wir versuchen, unser Leben als Christen zu führen, Werke des Friedens tun wollen.
Aber ich wende mich mit Entschiedenheit gegen diejenigen, die das Wort Gottes als Argumentensammlung für politische Auseinandersetzung mißbrauchen
({10})
und die mit dem Anspruch „Wir wollen endlich mit der Bergpredigt ernst machen" allen denjenigen, die für christlichen Realismus eintreten, unchristliche Gesinnung nachsagen.
Meine Damen und Herren, diejenigen, die sich in der Kampagne „Frieden ohne Waffen" auf das Friedensgebot der Bergpredigt berufen, müssen sich schon fragen lassen, ob es mit ihrem Gewissen vereinbar ist, bestimmte Forderungen der Bergpredigt, so das Friedensgebot, absolut zu setzen, andere Forderungen der Bergpredigt aber zu relativieren oder gar zu unterschlagen.
({11})
Die Bergpredigt gilt für uns Christen als Ganzes, nicht nur teilweise. Oder kann etwa das „Sorgt euch also nicht um morgen; denn der morgige Tag wird für sich selbst sorgen" für uns in den 80er Jahren bedeuten, daß wir nicht Solidarität mit den Schwachen und den Ärmeren üben müssen, daß dieser Staat aus seinem Solidarverständnis heraus nicht ein Netz sozialer Sicherheit knüpfen muß, daß wir nicht Mitverantwortung für die Not und das Elend in der Dritten Welt tragen?
Kein Zweifel, die Bergpredigt gilt. Sie ist ein Anruf für unser persönliches Verhalten aus dem Glauben. Aber es ist Christenpflicht, daß wir diesen Glauben für uns persönlich bezeugen, und Glaube ist nicht statisch, Glaube ist immer aktuell, er ist nicht auf Programme fixiert, sondern am lebendigen Gott orientiert. Wer nur ein Programm sucht, der braucht - das wissen wir - Gott nicht, aber er wird mit seinem Programm nicht sehr weit kommen, er wird an ihm scheitern, solange Gott ihn nicht von seiner Auffassung befreit.
Karl Barth schrieb 1938, in einer düsteren Zeit der Deutschen - und dieses Zitat gehört in diese Stunde -:
Die Kirche kann das Gebot Gottes mit keinem Prinzip identifizieren, mit dem Pazifismus so wenig wie mit dem Militarismus. Um des rechten Friedens willen darf die Kirche dem Staat nicht wehren, das Schwert zu führen. Die Diktatur ist als solche die Bedrohung des rechten Friedens und Bedrohung des rechten Friedens durch Diktatur heißt: durch jede Diktatur, ob es eine braune oder eine rote Diktatur ist.
({12})
Uns als Christen ist die Bewahrung des rechten Friedens aufgetragen, aber die Bibel kann uns nicht sagen, wie wir im Alltag am besten vorgehen. Christen - auch das ist Christenpflicht - und Nichtchristen müssen gemeinsam im Austausch der Argumente Mittel und Wege prüfen und wählen, diese Welt, die uns aufgegeben ist, friedlicher und menschlicher zu gestalten.
Der Christ kann seine persönliche Verantwortung gegenüber Familie, Staat und Welt nicht einfach überspielen. Er sieht sich in die Ordnung dieser Welt verwiesen, er muß in ihr wirken. In diesem Bereich des vom Heilshandeln Christi Relativierten gehört die Welt und das Handeln des Politikers. Als Politiker sind wir den Ordnungen dieser Welt verpflichtet, daß wir dem Bösen und der Zerstörung, der Rechtsunsicherheit, der Anarchie wehren sollen. Der Christ, der in Verantwortung für seinen Nächsten steht, muß widerstehen können. Und er muß es tun - auch das will ich zum morgigen Tag sagen - ohne Haß. Er muß es tun mit der Einsicht in die Notwendigkeit des friedlichen Miteinander der Menschen. Er muß es tun, weil er um die Grenzen seines Handelns weiß, das nicht Heil schaffen, sondern Unheil verhindern soll.
Herr Abgeordneter Kohl, darf ich Sie einen Augenblick unterbrechen. Meine Damen und Herren, der Präsident hat nicht die Möglichkeit, Sie zu bitten zuzuhören. Aber er hat die Pflicht, dafür zu sorgen, daß Ruhe herrscht, damit diejenigen, die zuhören wollen, die Möglichkeit dazu haben.
({0})
Das ist es ja, Herr Präsident, daß die gleichen, die vom Dialog reden, ganz dialogunfähig sind.
({0})
Ich sage es noch einmal: Wir wissen um die Grenzen unseres Handelns, das nicht Heil schaffen, sondern Unheil verhindern soll. Das Heil ist uns nicht für diese Welt verheißen worden. Es ist auch nicht mit Mitteln der Politik zu erreichen. Als Politiker geht es uns um die Sorge für das Wohl des Landes und seiner Menschen. Für diese zu sorgen ist uns aufgetragen nach dem Maße unserer Einsicht und unserer Vernunft.
Dies, meine Damen und Herren, gilt auch für die politischen Möglichkeiten, den Frieden zu bewahren und zu schaffen. Und wenn ich vom Frieden rede, meine ich den Frieden in Freiheit. Nur ein Friede in Freiheit ist wahrer Friede. Diejenigen, die heute nur noch vom Frieden reden, aber nicht von der Freiheit, sind auch zu fragen: Welchen Stellenwert nimmt bei euch die Freiheit ein? Die Bergpredigt, die jetzt soviel zitiert wird, verlangt mit ihrer Aufforderung zur Nächstenliebe von uns christlichen Realismus. Das Gebot der Nächstenliebe verpflichtet jeden Menschen, die Freiheit und Unversehrtheit seines Mitmenschen zu schützen und unrechte Gewalt von ihm abzuwehren. Aufgabe des demokratischen Staates, des demokratischen Staates Bundesrepublik
Deutschland ist es, einer Friedensordnung zu dienen, die nach draußen in die Welt und im Innern unseres Landes das friedliche Miteinander unserer Bürger gewährleistet. Diese Aufgabe verpflichtet den Staat zum Schutz der Bürger vor äußerer und vor innerer Gewalt. Und damit dient er dem Frieden.
Friede nach draußen und Friede im eigenen Land ist unser Ziel, und dem wollen wir dienen, die Deutschen, mehr als andere, auf Grund der Einsicht nach zwei schrecklichen Kriegen mit Blut und Tränen, Not und Elend. Am Ende des Zweiten Weltkrieges schrieb einer: „Die Deutschen haben in dem ersten Halbjahrhundert dieses Jahrhunderts vor allem Werke des Krieges getan." Er hat uns, die damalige Schüler- und Studentengeneration, aufgefordert, unsere Kraft einzusetzen, in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts Werke des Friedens zu tun. Wir sind dazu bereit, mit unserer eigenen Handschrift, mit unserem eigenen Tun und, wenn es sein muß, auch mit persönlichen Opfern unseren Beitrag zu den Werken des Friedens zu tun: den bescheidenden Beitrag der Deutschen angesichts der Dimension der Probleme in der Welt. Gerade nach dieser auch kontroversen Debatte will ich schließen mit dem Satz: Lassen Sie uns versuchen, bei all dem, was uns trennt, einen Weg zu finden, dies gemeinsam zu tun.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Brandt ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn die Ernsthaftigkeit und die Nachdenklichkeit, mit der der Bundeskanzler gesprochen hat, vom Herrn Dr. Kohl als Abschiedsstimmung interpretiert wird, dann erklärt das eigentlich hinlänglich, warum er über weite Strecken in seiner Rede diesen Eindruck vermieden hat und gar nicht erst hat aufkommen lassen.
Eines ist auch klar. Das, was Menschen - ich rede nicht nur über das, was hier drinnen geschieht, sondern auch über das, was draußen geschieht - auch aufregt - ich bekenne mich dazu, daß ich zu denen gehöre, die das aufregt -, ist jene kreuzverdammte Selbstgerechtigkeit, die hier oft vorgetragen wird und die doch mehr als alles andere Politik korrumpiert.
({0})
Es geht heute um die Demonstration am morgigen Tag. Ich möchte auf drei Punkte eingehen, die hier eine Rolle gespielt haben. Ich tue das auch als Innenpolitiker, und dies etwas abgezogen von Lyrik, mit der darüber manchmal gesprochen wird.
Erster Punkt. Es scheint ein Mißverständnis vorhanden zu sein. Es ist ein merkwürdiger Vorgang, der in Ihrem Antrag zum Ausdruck kommt und der zumindest, meine Damen und Herren von der Opposition, mißverständlich ist. Es geht nämlich bei dem, was sie formulieren, nicht darum, daß diese oder jene Meinung als falsch bezeichnet wird oder daß man sagt, man ist mit dieser oder jener Meinung
Brandt ({1})
nicht einverstanden, oder von mir auch aus sagt, diese Meinung sei mit der Meinung der Bundesregierung unvereinbar. Nein, bei Ihnen muß es heißen, die Demonstration sei unvereinbar. Das erklärt das Mißverständnis.
({2})
Sie sagen, es sei ein Mißverständnis. Das haben Sie aber selber durch eine schludrige Formulierung - ich nehme das zu Ihren Gunsten an - verursacht. Ich hoffe nicht, daß das, was da herausgelesen werden kann, gemeint ist. Wir sind aber nun einmal mißtrauisch, wenn man dann ausgerechnet Sie als Verteidiger der Bundesregierung agieren sieht.
({3})
Ich möchte zum Thema Demonstration festhalten: Es mag sein, daß bei Demonstrationen - das wird auch so sein - Meinungen geäußert und artikuliert werden, die uns mißfallen. Aber solange eine sozialdemokratische Partei Einfluß hat, wird sie das Recht derjenigen verteidigen - mit Ihnen gemeinsam, wie Sie sagen -, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln.
({4})
Wir Sozialdemokraten haben nicht über mehr als ein Jahrhundert für Versammlungsfreiheit gestritten und gelitten, um sie nun in welcher Form auch immer - und sei es nur über eine Formulierung - zur Disposition zu stellen oder auch nur daran kratzen zu lassen.
({5})
Zweitens. Die erdrückende Mehrheit derer, die morgen hier in Bonn demonstrieren werden, ist sich der schlichten Erkenntnis sehr wohl bewußt, daß man für den Frieden nur mit friedlichen Mitteln demonstrieren kann, weil man sonst selber unglaubwürdig wird. Der Friedenswille im ganzen muß sich auch in der einzelnen Persönlichkeit widerspiegeln, und zwar in ihrem Denken und auch in ihrem Handeln. Die Veranstalter haben - soweit ich das erkennen kann - alles in ihrer Macht Stehende getan, um den friedlichen Verlauf dieser Demonstration zu gewährleisten.
Dennoch kann niemand völlig ausschließen, Herr Erhard, daß am Rande einer solchen Demonstration Gewalttätigkeiten geschehen. Das können wir nicht ausschließen, auch die Veranstalter nicht. Nur, man kann doch nicht deshalb, weil man unter Umständen mit einigen Krawallmachern zu rechnen hat, daraus die Schlußfolgerung ziehen, man müsse die ganze Demonstration unterlassen, weil sie eben einen anderen Zweck verfolge. Das kann doch nicht die Schlußfolgerung sein.
({6})
Das geht sicherlich nicht. Man wird diese Befürchtung ernst zu nehmen haben.
Ich muß darauf verweisen, daß wir eine Erklärung unterschrieben haben, die hier schon eine Rolle gespielt hat. Herr Zimmermann hat sie zitiert, wobei er von den 60 sprach, die unterschrieben hätten; tatsächlich sind es 58. Da heißt es:
Wir stehen an der Seite aller, die die Anwendung militärischer Gewalt zur Lösung von politischen und wirtschaftlichen Problemen ablehnen. Das heißt aber auch: nur der gewaltlose Protest ist ein glaubwürdiger Protest gegen den Krieg. Laßt uns gemeinsam dafür sorgen, daß unser Friedenswille nicht durch gewalttätige Minderheiten in Zweifel gebracht wird.
Ich glaube, das ist eine Aussage, die die gesamte sozialdemokratische Fraktion und die gesamte Sozialdemokratische Partei auszeichnet.
({7})
- Bitte, wenn Sie sich anschließen wollen, Herr Mertes. Dann frage ich mich nur, warum Sie auf dieser Erklärung so herumhacken.
({8}) Darin steht nämlich auch
({9})
- Sie sagen, wir hätten das begrüßt; tatsächlich haben wir aber gesagt -, daß wir die Demonstration als Ausdruck des Friedenswillens begrüßen. Wir haben den Schwerpunkt auf das gelegt, was wir in dieser Demonstration sehen.
({10})
Wir haben nicht gesagt, wir begrüßen irgendeine Demonstration. Man muß diesen Text eben vollständig lesen.
({11})
Schließlich noch ein dritter Punkt zur Frage der Demonstration. Natürlich fehlt auch der Vorwurf nicht - Herr Dr. Kohl hat ihn mehrfach wiederholt -: Weil an dieser Demonstration auch einige Kommunisten bzw. kommunistische Gruppen teilnehmen, handele es sich offenkundig um eine Volksfront. Da ist sie wieder, die Volksfront; übrigens in einem ganz anderen Zusammenhang geboren wie nebenbei bemerkt auch die Dolchstoßlegende.
({12})
Mit anderen Worten: Wenn sich irgendwo Kommunisten anschließen, sei schon eine Volksfront entstanden. Dieser Vorwurf hat soviel Methode und ist schon so oft wiederholt worden, daß ich versucht bin zu glauben, Sie glauben selber an diese Absurdität.
({13})
Nein, die Demonstration wird von zwei Veranstaltern verantwortet, der „Aktion Sühnezeichen", entstanden aus der Tradition der bekennenden Kirche, und der Aktionsgemeinschaft „Dienst für den Frieden", und von mehr als 200 000 Menschen aus der ganzen Bundesrepublik besucht. Darunter sind auch Kommunisten.
Als einer, der die morgige Kundgebung - ich habe das eben schon gesagt - mit diesen Vorzeichen auch begrüßt und gesagt hat, was er davon er3340
Brandt ({14})
wartet - und das als Appell verstanden wissen wollte, und das auch nicht verschweigt -, frage ich Sie, frage ich uns: Sollen sich denn die Demokraten unterschiedlicher Herkunft innerhalb oder außerhalb dieses Parlaments zurückziehen, wenn irgendwo ein paar Kommunisten auftauchen? Sollen sie denn die vielen tausend Menschen dort draußen in ihrer Angst, in ihrer Friedenssehnsucht, schwebend zwischen Furcht und Hoffnung deshalb allein lassen, weil auch ein paar Kommunisten daran teilnehmen?
({15})
Deren politische Bedeutungslosigkeit wird ihnen von unseren Wahlbürgern von Jahr zu Jahr attestiert. Darauf braucht man nur zu verweisen.
Sie haben in diesem Zusammenhang auch den „PPP", den „Politisch Parlamentarischen Pressedienst", herangezogen, d. h. die Teilveröffentlichung dieses Flugblatts mit dem nachfolgenden Kommentar. Das einzige, was ich dem PPP hier möglicherweise zum Vorwurf machen kann, ist die Tatsache, daß er die Klugheit seiner Leser überschätzt hat.
({16})
Denn zu glauben, dies sei die Weitergabe einer Aufforderung, dies sei, wie Sie sagen, ein klassischer Fall für den Unvereinbarkeitsbeschluß, ist abwegig. Das ist sehr weit davon entfernt; das sollten wir hier überhaupt nicht diskutieren.
({17})
Meine Damen und Herren, wir haben hier so viel von Dialog geredet. Wollen Sie den vielbeschworenen Dialog mit der Jugend - und da draußen werden morgen auch viele junge Menschen sein - als Fernduell bestreiten? Kann man denn hier das Parlament dafür in Anspruch nehmen, daß es auch noch das zensieren soll, was die vielen da draußen aussagen? Kann das denn wahr sein? Wer, meine Damen und Herren, nennt denn zwei Monologe schon einen Dialog? So kommt keiner zustande.
({18})
- Erkennen Sie denn nicht auch die Widersprüchlichkeit - und es gibt viele dieser Widersprüche in der Welt - zwischen einer Billionen verschlingenden Hochrüstungsindustrie und der Tatsache, daß täglich Tausende und Abertausende - alleingelassen und schon zu apathisch, um noch verzweifeln zu können - verhungern, daß das Menschen aufregt, uns aufregt, den Bundeskanzler wie jeden Sozialdemokraten, Sie, uns alle, und daß sie dies anders umsetzen als wir? Das kann man ihnen doch nicht zum Vorwurf machen.
Wenn wir das sagen, meine Damen und Herren, dann wird uns von Ihnen auch noch sehr oft politische, moralische Schizophrenie vorgeworfen. Da ist von Verrat der politischen Prinzipien, sozialdemokratischer Prinzipien und von anderen Diffamierungen die Rede. Ich glaube nicht, meine Damen und Herren, daß das der Stil der Auseinandersetzung ist, den wir hier zu wählen haben. Wir können uns hier, was den Stil angeht, zwar hart auseinandersetzen, aber, meine Damen und Herren, sich gegenseitig moralische Schizophrenie vorzuwerfen, führt zu keinem Ergebnis.
Herr Abgeordneter Brandt, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Mertes?
Ja, bitte.
Herr Kollege Brandt, Sie haben eingangs Ihrer Rede von der gottverdammten Selbstgerechtigkeit gesprochen, die Sie kritisieren. Teilen Sie meine Auffassung, daß es eine solche Selbstgerechtigkeit ist, irgend jemandem in diesem Hause zu unterstellen, daß er unter dem Problem des Hungers in der Welt und der Rüstungsausgaben nicht leidet wie auch andere?
({0})
Herr Dr. Mertes, Sie scheinen mich mißverstanden zu haben. Ich habe Sie nicht nur durch meine Bewegung, sondern auch durch das, was ich gesagt habe, hier ausdrücklich einbezogen.
({0})
Ich habe aber weiter gesagt, daß wir dann auch anerkennen müssen, daß andere, die unter demselben Druck leiden, dem auf ihre Weise Ausdruck verleihen wollen.
({1}) Dies wollte ich damit sagen und nichts sonst.
Gestatten Sie noch eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Mertes?
Bitte sehr.
Teilen Sie meine Meinung, daß schon in dem Anspruch, die Friedensbewegung zu sein, eine ungeheure Selbstgerechtigkeit steckt?
({0})
Ja, ich teile diese Meinung. Aber ich muß dazu sagen, daß ich zumindest bislang bei diesen Veranstaltern noch nirgendwo gelesen habe - ich habe vielmehr in sehr vielen Fällen das Gegenteil gelesen -, daß sie für sich in Anspruch nehmen, die Friedensbewegung zu sein. Das Gegenteil ist, wie gesagt, der Fall. Sie haben sehr stark differenziert. Ich glaube, darin sollte man sie auch bestärken.
({0})
Nun, meine Damen und Herren, ich glaube, daß wir, was den Frieden betrifft, untereinander keinen Zielkonflikt, daß wir aber sehr wohl einen Wege-und Methodenkonflikt haben, und daß andere - auch unter uns, in der Sozialdemokratischen Partei - unterschiedliche Wege oder auch Nuancierungen in den Wegen sehen. Wir müssen die Schwierigkeit auf uns nehmen, uns immer wieder zusammenzuBrandt ({1})
raufen, miteinander zu diskutieren, um dann auch einen gemeinsamen, gangbaren Weg zu finden. Das Ringen um den richtigen Weg ist nie zu Ende.
({2})
Und noch ein Wort, diesmal nur noch nach draußen. Ich möchte sagen: Hütet euch vor dem menschenverachtenden Fanatismus, der nicht nur die Meinung des Andersdenkenden zerstören will, sondern den anderen Menschen gleich mit vernichten will!
Wir haben in diesen Tagen zum wiederholten Mal in der Geschichte ein erschütterndes Beispiel erleben müssen: die Ermordung des ägyptischen Präsidenten Sadat, der die lange Liste der großen Gestalten in der Geschichte verlängert, die den Tod fanden, weil sie den Frieden suchten.
Das Gebot der Stunde und all der Zeit ist das der Mäßigung überall - der Bundeskanzler hat davon gesprochen, und Sie, Herr Dr. Kohl, haben auch davon gesprochen -, denn nur mit Mäßigung sind Frieden und Freiheit zu erhalten. Es geht nicht nur um das eine oder das andere; es geht um beides.
({3})
Wir glauben nicht daran, wie manche uns weismachen wollen, daß dies nicht zu erreichen sei. Wir wollen beides miteinander erreichen, und wir halten dies auch für möglich. Sonst machten wir diese Politik nicht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die sozialliberale Koalition hat von ihrem Anfang an zäh und beharrlich versucht, durch ihre sehr oft bekämpfte Entspannungspolitik, Verständigungspolitik und Vertragspolitik mit den Nachbarn im Osten die Grundlage dafür zu schaffen, daß das gegenseitige Mißtrauen abgebaut wird, daß die Angst aus der Welt herausgeschafft werden kann, Stück für Stück, weil dies die Grundlage der Hochrüstung ist: Mißtrauen und Angst voreinander. Deshalb muß diese Politik auch weiter geführt werden.
({4})
Ich habe mich dafür zu bedanken, wir haben uns dafür zu bedanken, daß in der Zeit, seit wir als Regierungsfraktionen politische Verantwortung tragen, in der Zeit, in der die Sozialdemokratie zwei Bundeskanzler gestellt hat, diese beiden Bundeskanzler für den Frieden mehr getan haben, als andere darüber auch nur geredet haben.
({5})
- Mehr, als andere geredet haben.
({6})
- Ich muß mich mit Ihnen über diese Frage noch auseinandersetzen, Herr Mertes, weil Sie dazwischenrufen. Ich habe die Verträge genannt. Sie wissen, daß ich dazu stehe, daß ich sie gewollt habe, daß
ich sie vertreten habe, daß wir sie gewollt und vertreten haben und nach wie vor nach draußen vertreten.
({7})
Von Ihnen höre ich dann die Formel „Pacta sunt servanda", Verträge müssen eingehalten werden.
({8})
Aber das ist nur die eine Seite der Sache. Es kommt nicht nur darauf an, den Buchstaben der Verträge zu sehen, sondern auch darauf, mit welchem Geist sie erfüllt werden. Das ist der entscheidende Punkt, auf den es ankommt.
({9})
Da muß ich sagen: „Letztlich ist jede Form gerichtet, die nicht bis zum Rande mit Inhalt gefüllt ist." - Das ist nicht von mir, sondern von Reinhold Schneider. Aber ich nehme an, daß dieses Zitat auch von Ihnen akzeptiert wird.
({10})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben mit Befriedigung und Hoffnung zur Kenntnis genommen, daß die beiden Großmächte demnächst Verhandlungen über das Mittelstreckenpotential aufnehmen werden. Wir danken dem Bundeskanzler und dem Bundesaußenminister für ihren jeweils gewichtigen Anteil am Zustandekommen dieses Ergebnisses.
({11})
Wir bitten die Großmächte, sich ihrer Verantwortung bewußt und ihr auch im Ergebnis gerecht zu werden.
({12}) Darüber hat der Bundeskanzler gesprochen.
Es mag sein, meine Damen und Herren, daß wir Sozialdemokraten über Sachen, die uns bewegen, manchmal ein bißchen zuviel streiten. Es mag auch sein, daß wir nicht immer sehr friedlich und pfleglich miteinander umgehen. Aber es ist ein untauglicher Versuch, durch Zitaterei hinüber und herüber einen Keil zwischen Kanzler und Fraktion und zwischen Kanzler und Parteivorsitzenden und Kanzler und Partei treiben zu wollen.
({13})
Wer, wie es Herr Zimmermann kürzlich gemacht hat, bezweifelt, daß der Bundeskanzler noch das Vertrauen dieses Parlaments habe, ist aufgefordert, die Probe aufs Exempel zu machen. Dann wird er es wissen.
({14}) Wir können dem mit Ruhe entgegensehen.
Brandt ({15})
Die Sozialdemokraten stützen den Kanzler auch deshalb, weil sie wissen, daß er wie sein Vorgänger für diese Friedenspolitik und für die Erhaltung des Friedens steht und in seiner Verantwortung ihr gerecht zu werden versucht. Das ist für uns alle wichtig. Das sollten sich auch alle vor Augen führen. Deshalb sagen wir auch nach draußen: Wir, die Sozialdemokraten und die Regierung unter Helmut Schmidt, wollen den Frieden genauso wie ihr. Hört nicht auf die, die euch einreden wollen, ihr allein draußen bei dieser Demonstration wolltet den Frieden! Über die richtigen Wege zur Sicherung des Friedens können wir ernsthaft miteinander reden, wenn wir uns nicht gegenseitig den Friedenswillen absprechen.
({16})
Laßt euch nicht durch eine noch so große Zahl von Demonstranten irreführen. Keine Friedensbewegung wird in Deutschland Erfolg haben ohne die Sozialdemokraten und ohne die Gewerkschaften und erst recht nicht gegen sie.
({17})
Meine Damen und Herren, im Ältestenrat waren über den Ablauf der Debatte Vereinbarungen getroffen worden. Es hat sich unabhängig von den Vereinbarungen im Ältestenrat der Herr Abgeordnete Wörner zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte sehr um Vergebung, wenn ich von meinem Rederecht Gebrauch mache, das mir jenseits der Vereinbarung zusteht. Ich tue es einfach deswegen, weil ich nicht daran denke, das stehenzulassen, was eben gesagt wurde.
({0})
Herr Kollege Brandt - ich meine Hugo Brandt, der eben gesprochen hat -, Sie haben vor der Gefahr der Selbstgerechtigkeit gewarnt. Ich fand, Ihre Rede war der höchste Ausdruck der Selbstgerechtigkeit, den ich mir überhaupt vorstellen kann.
({1})
Herr Bundeskanzler, Sie haben vorhin eine Rede gehalten, die in vielen Passagen unseren Beifall gefunden hat und die mich persönlich - ich will das ganz freimütig gestehen - in manchen Punkten beeindruckt hat. Als einer, der schon oft mit Ihnen die Klinge gekreuzt hat, möchte ich Ihnen sagen, daß ich mir gewünscht hätte, Herr Bundeskanzler, Sie hätten diese Rede mit der gleichen Entschiedenheit häufiger und früher nach außen und nach innen, in Ihre eigene Partei hinein, gehalten. Unserem Volk, uns allen wäre viel von dem erspart geblieben, was sich im Moment ereignet, und Sie hätten mit Sicherheit weniger Probleme in Ihrer eigenen Partei.
({2})
Ich möchte noch einmal - ich wiederhole: in aller Kürze - einige Positionen klarstellen. Meine verehrten Damen und Herren, wir von der CDU/CSU werfen niemandem vor, daß er für den Frieden demonstriert. Nur sage ich mit der gleichen Deutlichkeit, daß wir kein moralisches Monopol der Demonstranten auf den Frieden akzeptieren. Wir alle sind Mitglieder der Friedensbewegung in diesem Volk.
({3})
Das nehme ich für mich genauso in Anspruch, wie ich es jedem anderen zubillige. Und deutsche Politik, Herr Brandt - deswegen bin ich hier heraufgegangen -, war seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland Friedenspolitik. Sie könnten nicht über den Frieden und die Freiheit reden, wenn nicht Konrad Adenauer den Boden für diese Freiheit und den Frieden gezimmert hätte.
({4})
Angesichts dessen, was der Vorsitzende der SPD hier mit großem Pathos gesagt hat - und ich nehme Ihnen das, was Sie hier gesagt haben, ab, Herr Brandt -, sage ich auch für meine Person und für meine Freunde hier: Wir werfen niemandem vor, daß er sich um den Frieden in unserer Zeit Sorgen macht. Auch wir machen uns Sorgen. Auch ich mache mir Sorgen. Ich habe den Krieg erlebt - bis zur Verschüttung im Keller. Und ich habe Leichen auf der Straße liegen sehen. Ich möchte das unserem Volk ersparen, wie wir alle.
Auch wir von der CDU/CSU sind der Meinung, es wäre tausendmal besser, die Rüstungsmilliarden gegen den Hunger in der Welt einzusetzen. Und wir wären doch bereit.
({5})
- Ich muß Ihnen sagen: Ich freue mich über diesen Beifall. Ich habe es satt, als einer hingestellt zu werden, der Spaß an Panzern, Flugzeugen, Raketen und ähnlichem hat. Ich habe es satt, daß die CDU/CSU im Wahlkampf, vor dem Wahlkampf und jetzt untergründig auch wieder als eine Partei bezeichnet wird, die Spaß an Panzern, Flugzeugen, Raketen und ähnlichem hat.
({6})
Ich kann nur sagen: Wir sind morgen bereit, die Panzer zu verschrotten, die Flugzeuge stillzulegen, wenn der Warschauer Pakt das gleiche tut.
({7})
Ich frage: An wem scheitert die Abrüstung? Wer bedroht denn? Bedrohen wir von der Bundesrepublik Deutschland irgend jemanden? Die Bundeswehr bedroht niemanden. Wir bedrohen niemanden. Das weiß auch die Sowjetunion. In dem Augenblick, in dem die Sowjetunion ihre Drohung von uns nimmt, ist Friede und ist Abrüstung auf der Welt. Das muß doch gesagt werden.
({8})
Nur - auch das einmal als Aufschrei aus einem jetzt wirklich gequälten Herzen -:
({9})
wir wehren uns gegen diese Welle der Angst, weil Angst allein kein Rezept ist.
({10})
Wir haben eine Politik getrieben in der Bundesrepublik Deutschland, die uns weder rot noch tot gemacht hat. Und wir sind in der Lage, die nächsten 30 Jahre den Frieden und die Freiheit zu bewahren, wenn wir diese vernünftige Politik einerseits der Verteidigung, andererseits der Zusammenarbeit und der Entspannung fortführen. Dazu sind wir bereit. Deswegen stehen wir zum Doppelbeschluß. Und wir lassen uns das von Herrn Brandt nicht wegreden, meine Damen und Herren.
({11})
Noch eine Bemerkung: Wir bestreiten doch niemandem in unserem Volk das Recht zur Kritik, auch und gerade nicht das Recht zur Kritik an uns, der CDU/CSU, selbst oder an der Regierung. Nur, meine Damen und Herren, wer seine Augen vor der Machtpolitik und der Aufrüstung der Sowjetunion verschließt, der leugnet die eigentliche Quelle der Gefahr für den Frieden. Wer so einseitig ist, der wird unglaubwürdig - um das deutlich zu sagen.
({12})
Eine vorletzte Bemerkung. Auch wir werfen die Demonstranten nicht in einen Topf. Allerdings: genausowenig wie wir bereit sind, die sehr unterschiedlichen Motive der Demonstranten pauschal zu verdammen, genausowenig sind wir bereit, diese ihre Motive pauschal zu sanktionieren und zu respektieren.
({13})
Da gibt es viele, denen es bitter ernst ist um den Frieden - wie uns auch. Aber da gibt es andere in dieser Demonstration, denen es nicht um den Frieden, sondern um Gewalt, um Umsturz, um kommunistische Revolution geht.
({14})
Eines steht fest - jedenfalls für mich -: Wer sich in Volksfront mit den Kommunisten übt, der verliert den Anspruch auf Respekt. Man kann die Freiheit nicht mit den Feinden der Freiheit verteidigen. Und man kann den Frieden nicht sichern mit denen, die ihn täglich mit Füßen trampeln.
({15})
Das sind die drei Antworten. Wer den Frieden will, der muß das Gleichgewicht wollen. Wehrlosigkeit - und die Afghanen haben es ja in diesen Tagen, Wochen und Monaten erleben müssen - ist der sicherste Weg in den Krieg, den es überhaupt gibt. Einseitige Schwäche führt Diktaturen in Versuchung. Das haben wir doch in unserer eigenen Geschichte erlebt, bitter erleben müssen. Wollen wir noch einmal, daß sowjetische Politiker die Entschlossenheit des Westens unterschätzen und zu militärischen Machtmitteln greifen? Ich möchte das verhindern und möchte eines Tages nicht schuldig werden, wenn dann ein dritter Weltkrieg ausbricht. Deswegen stehe ich zur Verteidigung und stehe zum Doppelbeschluß der NATO.
({16})
Herr Abgeordneter Wörner, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Duve?
Nein.
Wer Frieden will, meine Damen und Herren und liebe Kollegen, der muß Menschenwürde, der muß Menschenrecht und der muß Freiheit wollen. Es gibt keinen Frieden auf Dauer ohne die Freiheit. Vielleicht - Herr Bundeskanzler, nicht um Sie zu kritisieren, sondern um eine Mahnung an uns alle zu richten - müssen wir die Friedensdiskussion heute bestreiten, weil wir die Freiheitsdiskussion nicht entschieden genug gerade in der jungen Generation geführt haben.
({0})
Wir wären dem Frieden in der Welt doch tausendmal näher, wenn es jungen Russen, wenn es jungen Menschen in Mittel- und Ostdeutschland möglich wäre, genauso für den Frieden und gegen deren Regierungspolitik zu diskutieren, wie das morgen bei uns welche können. Deswegen kann ich nur sagen: Vergessen wir nicht, daß zum Frieden das Menschenrecht gehört! Unser Einsatz für das Menschenrecht ist unser entscheidender und wichtigster Beitrag zum Frieden.
({1})
Das Wort hat Herr Bundesaußenminister Genscher.
({0})
- Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um Ruhe für Herrn Bundesaußenminister Genscher.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte nach der Rede des Bundeskanzlers nicht die Absicht, hier noch einmal das Wort zu ergreifen. Ich sehe mich jetzt dazu veranlaßt.
Ich möchte Ihnen, Herr Bundeskanzler, als Ihr Stellvertreter und als Vorsitzender der Freien Demokratischen Partei sagen: Sie haben hier vor dem Deutschen Bundestag eine große Rede gehalten. Meine Partei steht voll hinter dieser Rede.
({0})
Meine verehrten Kollegen von der CDU/CSU, ich habe aufmerksam beobachtet, wie Sie auf die Rede des Bundeskanzlers reagiert haben. Ich habe festgestellt, Sie haben ihm oft Beifall gespendet. Ich hätte mir gewünscht, daß diese Unterstützung der Erklärung des Regierungschefs der frei gewählten deutschen Regierung deutlicher und ohne Polemik zum Ausdruck gekommen wäre.
({1})
Meine Kollegen, man muß auch den Zeitpunkt erkennen können, an dem man bei aller politischen
Gegnerschaft die Stunde zu nutzen weiß, um die Ein3344
heit unseres Parlaments zu demonstrieren. Wir können alle dabei lernen.
({2})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. Demonstration am 10. Oktober in Bonn, Drucksache 9/871.
Wer dem Entschließungsantrag der CDU/CSU-Fraktion zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte Sie, sich auf Ihre Plätze zu setzen, sonst kann die Abstimmung nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden. - Ich wiederhole die Aufforderung: wer dem Entschließungsantrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Das zweite war die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und der FDP, Drucksache 9/874. Dafür ist namentliche Abstimmung seitens der SPD-Fraktion verlangt worden. Der Antrag ist ausreichend unterstützt.
Ich eröffne die namentliche Abstimmung. Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? Besteht das Bedürfnis, die Abstimmungszeit zu verlängern? Ich gehe davon aus, daß alle Mitglieder des Hauses ihre Stimmkarten abgegeben haben. Ich schließe die Abstimmung.
Ich unterbreche die Sitzung für die Dauer der Auszählung, mache aber darauf aufmerksam, daß wir anschließend noch einige Tagesordnungspunkte zu behandeln haben.
({0})
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, Platz zu nehmen. Wir nehmen die unterbrochene Beratung wieder auf.
Ich gebe das vorläufige Ergebnis der Abstimmung bekannt. Es sind 491 Stimmen abgegeben worden; davon gültig: 491. Mit Ja haben gestimmt 271, mit Nein haben gestimmt 218. 2 Stimmenthaltungen sind abgegeben worden.
Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen 489;
davon
ja: 270
nein: 217
enthalten: 2
Nein
CDU/CSU
Dr. Abelein
Dr. Althammer Bahner
Bayha
Frau Benedix-Engler Berger ({0}) Biehle
Böhm ({1}) Dr. Bötsch
Bohl
Borchert
Braun
Breuer
Broll
Brunner Dr. Bugl Buschbom
Carstens ({2}) Clemens
Conrad ({3})
Dr. Czaja Dallmeyer
Daweke Deres
Dörflinger Dolata
Dr. Dollinger
Doss
Echternach
Engelsberger
Erhard ({4}) Dr. Faltlhauser Feinendegen
Fellner
Frau Fischer
Fischer ({5}) Francke ({6})
Franke
Dr. Friedmann
Ganz ({7})
Frau Geier
Frau Geiger
Dr. Geißler
Dr. von Geldern
Dr. George
Gerlach ({8}) Gerstein
Gerster ({9})
Dr. Götz Günther Haase ({10})
Dr. Hackel
Handlos
Hanz ({11})
Hartmann Hauser ({12})
Frau Dr. Hellwig
Helmrich Dr. Hennig
Herkenrath
von der Heydt
Freiherr von Massenbach Hinsken
Höffkes Höpfinger
Frau Hoffmann ({13}) Dr. Hornhues
Horstmeier
Frau Hürland
Dr. Hüsch Dr. Hupka
Graf Huyn
Jäger ({14})
Jagoda
Dr. Jahn ({15})
Dr. Jenninger
Dr. Jentsch ({16}) Dr. Jobst
Jung ({17})
Kalisch Dr. Kansy
Frau Karwatzki
Keller
Kiechle Kiep
Kittelmann
Dr. Klein ({18})
Klein ({19})
Dr. Köhler ({20})
Dr. Köhler ({21})
Köster
Dr. Kohl Kraus
Dr. Kreile Krey
Kroll-Schlüter
Lamers
Dr. Lammert Lampersbach
Landré
Dr. Langner Dr. Laufs Lemmrich
Dr. Lenz ({22}) Lenzer
Link
Linsmeier Lintner
Löher
Lorenz
Louven
Lowack
Maaß
Magin
Dr. Marx
Dr. Mertes ({23}) Metz
Dr. Meyer zu Bentrup Michels
Dr. Mikat Dr. Miltner Milz
Dr. Möller Dr. Müller
Müller ({24}) Müller ({25})
Müller ({26})
Nelle
Neuhaus
Frau Dr. Neumeister Niegel
Dr.-Ing. Oldenstädt
Dr. Olderog Frau Pack Petersen Pfeffermann Pfeifer
Pohlmann
Dr. Pohlmeier Prangenberg
Dr. Probst Rainer
Rawe
Reddemann Regenspurger
Repnik
Dr. Riedl ({27})
Dr. Riesenhuber
Röhner
Frau Roitzsch
Dr. Rose
Rossmanith Rühe
Ruf
Sauer ({28})
Sauer ({29})
Sauter ({30})
Sauter ({31})
Dr. Schäuble Schartz ({32})
Schmitz ({33}) Schmöle
Dr. Schneider
Freiherr von Schorlemer Dr. Schroeder ({34}) Schröder ({35}) Schröder ({36}) Dr. Schulte ({37}) Schulze ({38})
Schwarz
Dr. Schwarz-Schilling
Vizepräsident Windelen
Seehofer Seiters
Sick
Dr. Freiherr Spies von Büllesheim
Spilker
Dr. Sprung
Dr. Stark ({39}) Graf Stauffenberg
Dr. Stavenhagen
Dr. Stercken
Straßmeir Stücklen Stutzer
Tillmann
Dr. Todenhöfer
Dr. Unland
Frau Verhülsdonk Vogel ({40})
Vogt ({41})
Volmer
Dr. Voss
Dr. Waffenschmidt
Dr. Waigel
Graf von Waldburg-Zeil Dr. von Wartenberg Weirich
Weiskirch ({42})
Weiß
Werner
Frau Dr. Wex
Frau Will-Feld
Frau Dr. Wilms Wimmer ({43}) Windelen
Frau Dr. Wisniewski Wissmann
Dr. Wittmann
Dr. Wörner Würzbach Dr. Wulff Zierer
Zink
Ja
SPD
Dr. Ahrens Antretter Dr. Apel Auch
Baack
Bahr
Bamberg
Dr. Bardens
Bernrath Berschkeit Biermann Bindig
Frau Blunck
Dr. Böhme ({44}) Börnsen
Brandt ({45}) Brück
Büchler ({46})
Büchner ({47}) Bühling
Dr. von Bülow Buschfort Catenhusen
Collet
Conradi
Dr. Corterier
Curdt
Frau Dr. Däubler-Gmelin Daubertshäuser
Dr. Diederich
Dreßler
Dr. Dübber Duve
Egert
Dr. Ehmke Dr. Ehrenberg Eickmeyer
Dr. Emmerlich
Dr. Enders Engholm
Esters
Ewen
Fiebig
Fischer ({48}) Fischer ({49}) Franke ({50})
Frau Fuchs Gansel
Gerstl ({51})
Dr. Geßner Gilges
Ginnuttis Glombig
Gnädinger Gobrecht Grobecker Grunenberg Dr. Haack Haar
Haase ({52})
Haehser
Frau Dr. Hartenstein Dr. Hauff
Heistermann
Herberholz Herterich Heyenn
Hoffmann ({53}) Hofmann ({54})
Dr. Holtz Horn
Frau Huber Huonker
Ibrügger
Immer ({55}) Jahn ({56})
Jaunich
Junghans Jungmann Kiehm
Kirschner
Klein ({57})
Kolbow
Kretkowski
Dr. Kreutzmann
Dr. Kübler Kühbacher Kuhlwein Lambinus Leber
Lennartz Leonhart
Frau Dr. Lepsius Liedtke
Dr. Linde Löffler
Lutz
Frau Luuk Männing Mahne
Marschall
Frau Dr. Martiny-Glotz Matthöfer
Meinike ({58}) Meininghaus
Dr. Mertens ({59}) Dr. Mitzscherling Möhring
Müller ({60})
Müller ({61})
Dr. Müller-Emmert Müntefering
Nagel
Nehm
Neumann ({62}) Neumann ({63})
Dr. Nöbel Offergeld Oostergetelo
Dr. Osswald
Paterna Pauli
Dr. Penner
Pensky
Peter ({64})
Polkehn Poß
Purps
Rapp ({65})
Rappe ({66}) Rayer
Frau Renger
Reschke Reuschenbach
Rohde
Rosenthal Sander
Dr. Schachtschabel Schäfer ({67}) Schätz
Dr. Scheer
Schirmer Schlaga Schlatter Schluckebier
Frau Schmedt ({68}) Dr. Schmidt ({69}) Schmidt ({70}) Schmidt ({71})
Frau Schmidt ({72}) Schmidt ({73}) Schmidt ({74}) Schmitt ({75})
Dr. Schmude
Dr. Schöfberger
Schreiber ({76}) Schreiner
Schröder ({77}) Schröer ({78}) Schulte ({79})
Dr. Schwenk ({80}) Sielaff
Sieler
Frau Simonis
Frau Dr. Skarpelis-Sperk Dr. Soell
Dr. Sperling
Stahl ({81})
Dr. Steger
Steiner
Frau Steinhauer
Stiegler Stockleben
Stöckl
Dr. Struck
Frau Terborg
Thüsing Tietjen Frau Dr. Timm
Topmann Frau Traupe
Dr. Ueberschär
Urbaniak Vogelsang
Voigt ({82})
Vosen
Wallow Waltemathe
Walther
Wartenberg ({83})
Wehner
Weinhofer
Weisskirchen ({84})
Dr. Wernitz Westphal
Frau Weyel Dr. Wieczorek
Wieczorek ({85})
Wiefel
von der Wiesche
Wimmer ({86}) Wimmer ({87}) Wischnewski
Witek
Dr. de With
Wolfram {Recklinghausen) Wrede
Würtz
Wuttke
Zander
Frau Zutt
FDP
Frau Dr. Adam-Schwaetzer Baum
Beckmann Bergerowski
Frau von Braun-Stützer Bredehorn
Cronenberg Eimer ({88}) Frau Dr. Engel
Dr. Feldmann Frau Fromm Funke
Gärtner
Gattermann Genscher
Frau Dr. Hamm-Brücher
Dr. Haussmann
Dr. Hirsch Hölscher
Holsteg
Hoppe
Jung ({89})
Kleinert
Dr.-Ing. Laermann
Dr. Graf Lambsdorff
Frau Matthäus-Maier Merker
Mischnick Möllemann Neuhausen Frau Noth Paintner
Popp
Rentrop
Dr. Riemer Rösch
Ronneburger Dr. Rumpf Schäfer ({90})
Schmidt ({91})
von Schoeler Frau Schuchardt
Timm
Dr. Vohrer Dr. Wendig
Wolfgramm ({92}) Wurbs
Dr. Zumpfort Zywietz
Enthalten
SPD
Coppik Hansen
Vizepräsident Windelen
Damit ist der Antrag der Fraktionen der SPD und der FDP angenommen worden.
Wir fahren in der Tagesordnung fort. Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Zerlegungsgesetzes ({93})
- Drucksache 9/572 Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({94})
- Drucksache 9/856 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Struck
({95})
Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Das Wort wird auch anderweitig nicht gewünscht.
Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung in zweiter Lesung. Ich rufe die Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Die aufgerufenen Vorschriften sind angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 18. November 1980 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Osterreich über den Verzicht auf die Beglaubigung und über den Austausch von Personenstandsurkunden sowie über die Beschaffung von Ehefähigkeitszeugnissen
- Drucksache 9/634 Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({96})
- Drucksache 9/864 Berichterstatter:
Abgeordnete Dr. Jentsch ({97}) Schäfer ({98})
({99})
Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Das Wort wird auch anderweitig nicht gewünscht. Wir kommen zur Einzelberatung und Schlußabstimmung.
Ich rufe die Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift auf. Die Abstimmung hierüber wird mit der Schlußabstimmung verbunden.
Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Auch dieses Gesetz ist damit einstimmig angenommen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen
- Drucksache 9/836 -
Das Wort wird nicht gewünscht. Der Ältestenrat schlägt Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vor. Ist das Haus mit der vorgeschlagenen Überweisung einverstanden? - Es erhebt sich kein Widerspruch; dann ist es so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 7 auf:
a) Beratung der Sammelübersicht 18 des Petitionsausschusses ({100}) über Anträge zu Petitionen
- Drucksache 9/816 -
b) Beratung der Sammelübersicht 19 des Petitionsausschusses ({101}) über Anträge zu Petitionen
- Drucksache 9/851 -
c) Beratung der Sammelübersicht 20 des Petitionsausschusses ({102}) über Anträge zu Petitionen
- Drucksache 9/855 Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer den Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses auf den Drucksachen 9/816, 9/851 und 9/855, die in den Sammelübersichten 18, 19 und 20 enthaltenen Anträge anzunehmen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Die Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses sind damit angenommen.
Meine Damen und Herren, wir sind am Schluß unserer Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Bundestages auf Mittwoch, den 21. Oktober 1981, 13 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.