Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Ich habe zunächst eine erfreuliche Mitteilung zu machen: Der Herr Abgeordnete Mischnick ist in dieser Woche 60 Jahre alt geworden.
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Viele von uns haben Gelegenheit gehabt, ihm schon persönlich zu gratulieren und ihre guten Wünsche zu sagen. Wer Wolfgang Mischnick kennt, sein Wirken hier über Jahrzehnte beobachtet hat, weiß, daß er zu den wichtigen und festen Säulen dieses Parlaments gehört.
Herr Kollege Mischnick, namens aller Angehörigen des Hauses wünsche ich Ihnen noch lange gute Gesundheit und die Kraft, in unserer Mitte zu wirken.
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Der Abgeordnete Dr. Dübber, der vom Bundestag als Mitglied des Rundfunkrats des Deutschlandfunks gewählt wurde, ist aus dem Rundfunkrat ausgeschieden. Für den Rest seiner Amtszeit ist nach dem Gesetz über die Errichtung von Rundfunkanstalten des Bundesrechts ein Nachfolger zu wählen. Die SPD-Fraktion schlägt als Nachfolger den Abgeordneten Dr. Nöbel vor. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist entsprechend beschlossen. Damit ist der Abgeordnete Dr. Nöbel als Nachfolger des Abgeordneten Dr. Dübber als Mitglied des Rundfunkrates des Deutschlandfunks gewählt.
Meine Damen und Herren, auf der Diplomatentribüne hat eine Delegation der Nationalversammlung der Demokratischen Republik Madagaskar Platz genommen. Ich habe die Ehre, seine Exzellenz, den Präsidenten der Nationalversammlung der Demokratischen Republik Madagaskar, und die Mitglieder seiner Delegation herzlich zu begrüßen. Ich freue mich, daß Sie der Einladung zu einem Besuch in der Bundesrepublik gefolgt sind. Es erfüllt uns alle mit besonderer Freude und Genugtuung, daß Sie im Rahmen Ihres Besuchs einen Besuch in Berlin gemacht haben. Ich wünsche Ihnen, meine Damen und Herren, einen guten und erfolgreichen Aufenthalt in der Bundesrepublik.
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Begrüßen möchte ich auch die österreichischen Volksanwälte, die auf Einladung des Deutschen Bundestages die Bundesrepublik Deutschland besuchen und heute morgen ebenfalls an unserer Sitzung teilnehmen. Mit dem Petitionsausschuß und dem Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages sind Sie in einem regen Meinungsaustausch. Ich hoffe, daß auch Ihr Aufenthalt in Berlin, für den wir Ihnen besonders danken, und die Gespräche, die Sie noch in Mainz führen werden, für Ihre weitere Arbeit nützlich sein können.
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Meine Damen und Herren, ich rufe dann die Tagesordnungspunkte 3 bis 11 auf:
3. Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Jahn ({4}), Dr. Blüm, Kiep, Dr. Möller, Dr. Schneider, Dr. Jenninger, Müller ({5}), Hauser ({6}), Dr. Waffenschmidt, Dörflinger, Günther, Dr.-Ing. Kansy, Link, Magin, Niegel, Frau Pack, Frau Roitzsch, Ruf, Sauter ({7}), Zierer, Clemens, Erhard ({8}), Dr. Faltlhauser, Herkenrath, Kolb, Linsmeier, Dr. Pinger, Rühe, Sick, Repnik und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Belebung des sozialen Wohnungsbaus und zum Abbau nicht mehr gerechtfertigter Suventionen ({9})
- Drucksache 9/468 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau ({10})
Rechtsausschuß
Ausschuß für Wirtschaft
Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
4. Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Möller, Dr. Jahn ({11}), Erhard ({12}), Dr. Schneider, Clemens, Hauser ({13}), Müller ({14}), Dörflinger, Günther, Dr.-Ing. Kansy, Link, Magin, Niegel, Frau Pack, Frau Roitzsch, Ruf, Sauter ({15}), Zierer, Dr. Blüm, Dr. Faltlhauser, Her3100
Vizepräsident Dr. h. c. Leber
kenrath, Kiep, Kolb, Linsmeier, Dr. Pinger, Rühe, Sick, Dr. Waffenschmidt, Repnik und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen
- Drucksache 9/469 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Rechtsausschuß ({16})
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
5. Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Belebung des sozialen Wohnungsbaus und zum Abbau nicht mehr gerechtfertigter Suventionen ({17})
- Drucksache 9/743 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau ({18})
Ausschuß für Wirtschaft
Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
6. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen ({19})
- Drucksache 9/744 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau ({20})
Innenausschuß
Finanzausschuß
Ausschuß für Wirtschaft
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
7. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Erstellung von Übersichten über die üblichen Entgelte für nicht preisgebundenen Wohnraum ({21})
- Drucksache 9/745 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau ({22})
Ausschuß für Wirtschaft
Rechtsausschuß
8. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erleichterung der Bereitstellung von Bauland
- Drucksache 9/746 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau ({23})
Ausschuß für Wirtschaft
Rechtsausschuß
9. Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen
- Drucksache 9/790 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Rechtsausschuß ({24})
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Mietrechtsänderungsgesetzes 1981 ({25})
- Drucksache 9/791 Überweisungsvorschlag des Altestenrates:
Rechtsausschuß ({26})
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
11. Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über steuerliche Vergünstigungen zur Förderung des Wohnungsbaus
- Drucksache 9/839 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Finanzausschuß ({27})
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
Im Ältestenrat sind verbundene Debatte für die Tagesordnungspunkte 3 bis 11 und eine Redezeit von maximal sechs Stunden vereinbart worden. - Ich sehe, das Haus erhebt keinen Widerspruch und ist damit einverstanden.
Wird das Wort zur Einbringung oder zur Begründung einer der Vorlagen gewünscht? - Zur Einbringung? - Zur Einbringung Herr Bundesminister Haack, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind uns wohl alle darüber einig, daß in der Wohnungspolitik die lange Zeit der Analysen und Grundsatzdiskussionen zu Ende ist. Sie haben sich zu zwei unterschiedlichen Konzepten verdichtet, die uns heute hier zur Beratung vorliegen. In den vor uns liegenden Monaten der parlamentarischen Beratung wird es darauf ankommen, sachlich und undogmatisch zu den notwendigen Entscheidungen zu kommen. Dabei sollten auf allen Seiten Gesprächsbereitschaft herrschen und der Wille vorhanden sein, tragbare Kompromisse zu finden. Diese Kompromißfähigkeit endet für mich allerdings dort, wo sozial unausgewogene Lösungen angestrebt werden.
Leider wird die öffentliche Diskussion über die wohnungspolitische Situation in unserem Lande immer noch zu sehr von Schlagworten beherrscht - wenn sich auch mittlerweile die richtige Erkenntnis durchgesetzt hat, daß niemand ein Patentrezept zur Lösung anstehender Probleme hat und es ein solches Patentrezept auch nicht geben kann.
Die Wohnsituation in der Bundesrepublik Deutschland ist äußerst unterschiedlich. Die meisten unserer Bürger wohnen so gut wie nie zuvor. Die durchschnittliche Wohnfläche, die jeder Person zur Verfügung steht, ist zwischen 1972 und 1978 von 27 auf 32 m2 gestiegen. Über 60 % aller Wohnungen in unserem Land sind - auch durch die verstärkte Modernisierung der letzten Jahre - auf mittlerweile einem modernen Wohnungsstandard. Jeder Person eines Mieterhaushalts stehen im Durchschnitt 1,7 Räume zur Verfügung. Die Wohneigentumsquote steigt von Jahr zu Jahr. Bei großen Familien liegt sie über 60 %. Große Erfolge wurden in den
letzten Jahren auch bei der Stadtsanierung und der Stadterhaltung erzielt. Das Wohnen in der Innenstadt ist wieder begehrt geworden. Das sind die positiven Entwicklungen in den letzten Jahren, die einfach nicht hinwegdiskutiert werden dürfen.
Gleichzeitig - und das zeigt eben die differenzierte Situation auf dem Wohnungsmarkt in unserem Land - gibt es einen Mangel an preiswerten Wohnungen in Ballungsgebieten und Großstädten. Vor allem junge Menschen, auch ausländische Mitbürger, drängen zusätzlich auf den Wohnungsmarkt und konkurrieren dort mit kinderreichen Familien, Alten oder alleinerziehenden Elternteilen um preiswerten Wohnungsbestand.
Zur Überwindung der in einzelnen Regionen unseres Landes aufgetretenen Wohnungsmarktengpässe ist daher eine Stärkung des Wohnungsneubaues erforderlich. Gleichzeitig muß aber der preiswerte Wohnungsbestand wegen der teilweisen Wohnungsknappheit für einkommensschwächere Haushalte gesichtert werden. Das sind die zwei zentralen Aufgaben, vor denen wir in den nächsten Jahren stehen.
Die Bundesregierung hat mit den Beschlüssen vom Mai und September dieses Jahres ihren Weg einer ausgewogenen Wohnungspolitik klar umrissen und dem Bundestag die notwendigen Gesetzentwürfe zugeleitet. Es ist ein mittlerer Weg der Vernunft und des Ausgleichs unterschiedlicher Interessen, ein Weg des Ausgleichs zwischen den ökonomischen Notwendigkeiten auf der einen und der sozialen Absicherung der Bürger auf der anderen Seite, der dem besonderen Charakter des Gutes Wohnung gerecht wird.
Ich will versuchen, kurz nicht nur den Inhalt dieser Ihnen vorliegenden Gesetzentwürfe hier zu schildern, sondern gleichzeitig auf einige andere wichtige wohnungs- und baupolitische Notwendigkeiten der nächsten Jahre hinzuweisen.
Der soziale Wohnungsbau bleibt eine gesamtstaatliche Aufgabe. Er wird bei der Wohnraumversorgung einkommensschwächerer Haushalte auch weiterhin eine wichtige Rolle spielen müssen. Wir müssen allerdings wissen, daß es die Enge der öffentlichen Haushalte verbietet, die Versorgungsprobleme unserer Großstädte und Ballungsgebiete ausschließlich mit Hilfe des sozialen Wohnungsbaues lösen zu wollen, weil der Wohnungsbau, der Neubau derart kapitalintensiv geworden ist, daß es bereits einer großen finanziellen Kraftanstrengung der beteiligten Gebietskörperschaften bedarf, um in den nächsten Jahren das Fördervolumen zu halten.
Von 1978 bis 1981-- um das an einer Zahl deutlich zu machen, und diese Zahl belegt dann auch die Schwierigkeiten, vor denen wir heute stehen - ist die Zahl der geförderten Wohnungen im sogenannten ersten Förderungsweg um rund 5 % auf 51 000 Wohnungen zurückgegangen. Im gleichen Zeitraum sind aber die bereitgestellten Mittel von Bund und Ländern um fast 35 % erhöht worden. Bezieht man die Förderung auf eine einzelne Wohnung, ist der Mitteleinsatz um etwa 40 % gestiegen, weil wir bei einer öffentlich geförderten Mietwohnung bei einem Subventionsvolumen von fast 150 000 DM angelangt sind.
Der Bund beteiligt sich und wird es auch weiterhin tun in diesem Jahre 1981 für das Programmjahr 1982 mit rund anderthalb Milliarden DM am sozialen Wohnungsbau der Länder. In dieser Situation verdient die Anstrengung einzelner Bundesländer besondere Anerkennung, die ihren Mitteleinsatz für den sozialen Wohnungsbau auch in diesem Jahr 1981 kräftig gesteigert haben.
Ich sage dies auch an die Adresse des Landes Nordrhein-Westfalen, weil der zuständige Minister hier auf der Bundesratsbank sitzt.
Bei den Wohnungsversorgungsproblemen, insbesondere in den Großstädten, muß aber der Bestand an Sozialwohnungen nicht nur bewahrt, sondern noch besser als bisher eingesetzt werden. Das heißt - und ich sagte dies einleitend -, es kann nicht nur um Neubau gehen, wo wir aus finanziellen Gründen in großen Schwierigkeiten sind, sondern wir müssen den Bestand - jedenfalls in den Gebieten großer Wohnungsnachfrage - festhalten und für die Personengruppen mobilisieren, die auf diese Wohnungen besonders angewiesen sind.
Die Bundesregierung hat deshalb ihren Gesetzentwurf über den Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungsbau vorgelegt. Sie will damit die Subventionsvorteile auf Haushalte beschränken, die bestimmte Einkommensgrenzen nicht überschreiten, und damit gleichzeitig neue Mittel erschließen, um den sozialen Wohnungsbau zu stärken. Dieser Gesetzentwurf orientierte sich also an der vorhin von mir gekennzeichneten allgemeinen Linie der sozialen Ausgewogenheit.
Ich gehe davon aus, daß auf der Basis des Regierungsvorschlags Mehreinnahmen durch die Erhebung der Fehlsubventionierungsabgabe in Höhe von rund 600 Millionen DM jährlich erzielt werden, die zusätzlich für den Neubau im sozialen Wohnungsbau verwendet werden können. Zusätzlich erwarten wir aus einmaligen Darlehensrückzahlungen von geförderten Eigenheimen Mittel in Höhe von rund 2 Milliarden DM, die also bei einer Annahme dieses Gesetzentwurfes gerade in dem Zeitpunkt fließen würden, wo wir eine besondere Nachfrage haben und zusätzliche finanzielle Anstrengungen brauchen.
Der Gesetzentwurf des Bundesrates und der Opposition geht den Weg einer Zinsanhebung für den älteren Sozialwohnungsbestand. Er würde nach meiner Einschätzung dazu führen, daß bei vorzeitiger Rückzahlung der noch ausstehenden Darlehen mehr als 10 zahlenmäßig besonders starke Förderungsjahrgänge aus den Bindungen entlassen werden, während gleichzeitig in den Ballungsräumen der Bedarf an solchen Wohnungen steigt.
Ich frage mich - Herr Kollege Jahn, Sie werden nachher darauf eingehen und wahrscheinlich auch noch Herr Ministerpräsident Späth, der wie öfter
bei Veranstaltungen später kommt -, ich frage mich - ({0})
- Der Bundeskanzler redet ja auch nicht in dieser Debatte. Der Herr Späth wollte an und für sich auf meine Ausführungen antworten. Ich habe aber nichts dagegen, daß Sie es ihm sagen; ich spreche ihn dennoch an.
Ich frage mich also - Herr Kollege Jahn, vielleicht darf ich dann nur Sie ansprechen -, wie Sie diese Politik des völligen Herauslösens von ganzen Jahrgängen gerade preiswerten Wohnungsbestandes
({1})
vor Ort gegenüber den Zuständigen bei den Wohnungsämtern vertreten wollen, die Ihnen sagen, daß wir gerade hier einen großen Bedarf haben. Hier sehe ich also eine der unterschiedlichen Konzeptionen, über die weiter diskutiert werden muß.
Ich meine, daß das Problem der Fehlsubventionierung von so großer Bedeutung ist, daß alles darangesetzt werden muß, um zu einer Lösung zu kommen, die für Mieter und für Eigenheimer tragbar und für Bund, Länder und Gemeinden akzeptabel ist. Akzeptabel sind - so meine ich - Lösungsvorschläge, die zu keinem Verlust am sozialen Mietwohnungsbestand in den Brennpunkten der Nachfrage führen und die im übrigen unvertretbare Mietsteigerungen vermeiden.
Zu einer verantwortungsvollen Bestandspolitik gehört ohne Zweifel auch die Frage, wie der Wohnungsbestand gemeinnütziger Wohnungsbaugesellschaften noch besser als bisher eingesetzt werden kann. Die Bundesregierung wird zu entsprechenden Vorschlägen des Bundesrats, die uns hier vorliegen, während der parlamentarischen Beratungen ihr Konzept vorlegen. Wir wollen zur Zeit noch die Meinung der Betroffenen hören, die uns noch nicht vorliegt.
Zur Verstärkung des Wohnungsangebots hat die Bundesregierung Vorschläge unterbreitet, die zu einer Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen führen. Den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Investitionstätigkeit im Baubereich und zum Abbau ungleichmäßiger Besteuerung in der Wohnungswirtschaft haben wir in der letzten Woche in erster Lesung beraten. Die vorgesehene Anhebung der degressiven Abschreibung nach § 7 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes von 3,5 % auf 51)/0 in den ersten acht Jahren wird ohne Zweifel mit dazu beitragen, den Bau von Mietwohnungen und auch von zu vermietenden Eigentumswohnungen zu beleben, vor allem dann, wenn auch noch - was ich hoffe - in der nächsten Zeit die Zinsen sinken.
Als ebenso wichtig erachte ich die Verbesserungen im Rahmen der Eigentumsförderung. Das von der Bundesregierung neben der Erhöhung der Abschreibungshöchstsätze vorgeschlagene Bau-Kindergeld macht den Bauherrenparagraphen 7 b sozialer und familienfreundlich. Es ist daher nach meiner
Auffassung grotesk, wenn die Mehrheit des Bundesrats - hier wollte ich jetzt Herrn Ministerpräsidenten Späth besonders ansprechen; ich kann es aber vielleicht noch einmal wiederholen; Herr Kollege Jahn, vielleicht können Sie darauf eingehen -, in der Gegenäußerung zu unseren Vorschlägen zur Reform des §7b ausführt - jetzt zitiere ich wörtlich -:
Der vorgeschlagene Steuerabzugsbetrag für Kinder widerspricht dem Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.
({2})
Hier wird nach meiner Auffassung alles auf den Kopf gestellt. Gerade weil wir Familien mit Kindern und mit geringerem Einkommen, die bauen wollen, helfen wollen, haben wir hier ein neues System in die Eigentumsförderung des Staates eingebaut, die eben sozial gerecht ist. Und das wird dargestellt als ein Verstoß gegen das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit!
Ich trete in diesem Zusammenhang aber auch der Kritik an unseren Vorschlägen entgegen, die Eigentumsförderung sei eine Förderung für die Reichen. In den vergangenen Jahren ist es mit Hilfe der direkten und der indirekten Eigentumsförderung gelungen, gerade vielen Beziehern kleinerer und mittlerer Einkommen zu Wohneigentum zu verhelfen.
Auch die strukturpolitische und die raumordnerische Bedeutung des § 7 b muß hier deutlich unterstrichen werden - auch in einer wohnungspolitischen Debatte. Die guten Wohn- und Wohneigentumsverhältnisse in weiten Regionen unseres Landes haben wesentlich mit dazu beigetragen, daß nicht noch mehr Menschen in die Ballungsgebiete gezogen und dort auf den Arbeits- und Wohnungsmärkten als Nachfrager aufgetreten sind.
({3})
- Herr Kollege Möller, das ist überhaupt keine neue Erkenntnis, sondern ich halte das hier auch für die weitere Diskussion fest, die wir führen werden.
({4})
Durch die Verbesserung der Abschreibungsvergünstigungen ist mit einem Effekt beim Bauvolumen in einer Größenordnung von gut über 10 Milliarden DM und mit bis zu 50 000 zusätzlichen Wohnungen zu rechnen. Ich darf in dem Zusammenhang noch darauf hinweisen, daß unser Gesetzentwurf weiter geht als der des Bundesrats. Wir beziehen bei der degressiven Abschreibungsverbesserung nicht nur Wohnungen mit ein, sondern alle Bauten - also auch Wirtschaftsgebäude -, weil dieser Gesetzentwurf nicht nur zu einer wohnungspolitischen Verbesserung führen soll, sondern gleichzeitig aus baukonjunkturellen Gesichtspunkten den Sinn hat, zu zusätzlichen Investitionsanreizen zu führen.
Meine Damen und Herren, die Bausparförderung bleibt eine wichtige Säule der Wohneigentumsbildung. Im Haushaltsstrukturgesetz wird der Bausparförderung deshalb gegenüber der allgemeinen Sparförderung Vorrang eingeräumt. Gleichzeitig sollen Bausparmittel prämienunschädlich auch zur Modernisierung von Mietwohnungen eingesetzt werden können. Eine in Vorbereitung befindliche Mustervereinbarung wird diese Mietermodernisierungen auch rechtlich absichern. Von beiden Maßnahmen erhoffe ich mir eine Belebung des Bauspargeschäfts.
Die Bundesregierung sieht in ihrem Gesetzespaket ferner vor, daß im sozialen Mietrecht unangemessene Erschwernisse bei der Festlegung und Anpassung der Mieten ausgeräumt werden. Für den Wohnungsneubau soll die Vereinbarung von Staffelmieten zugelassen werden, auch unter dem Gesichtspunkt von Investitionsanreizen. Herr Kollege de With wird nachher hier noch im einzelnen dazu sprechen.
Beim Mieterhöhungsverfahren geht es einerseits um verfahrenstechnische Vereinfachungen und andererseits um die zeitnahe Aufstellung und Fortschreibung von Mietspiegeln. Das Instrument Mietspiegel, das sich in der Vergangenheit grundsätzlich bewährt hat, wird für Mieter und Vermieter eine Erleichterung bringen. Dabei soll nicht der einen oder anderen Seite ein Vorteil verschafft werden, sondern es geht darum, daß Mieter und Vermieter bei ihrer Interessenwahrung gleiche Chancen erhalten.
Der Bundesrat und die Opposition schlagen in diesem Zusammenhang vor, daß Mietspiegel nur noch mit Hilfe jener Mietverträge aufgestellt werden sollten, die in den letzten vier Jahren neu abgeschlossen bzw. verändert worden sind. Dies würde zu einer ganz erheblichen Steigerung des Vergleichsmietenniveaus führen und auch zu einer inhaltlichen Veränderung des Vergleichsmietensystems. Wer eine marktorientierte Mietanpassung ermöglichen will, kann die Mietenentwicklung nicht in der Weise beeinflussen wollen, daß Bestandsmieten nicht mehr zum Markt gezählt werden.
({5})
Im übrigen warne ich, meine Damen und Herren, auch vor der undifferenzierten Diskussion über die angeblich zu geringe Miethöhe in unserem Land. Es ist richtig, daß der durchschnittliche Satz der Mietbelastung relativ günstig und gering ist; er liegt etwa bei 15%. Aber Sie können heute nicht der jungen Familie, die nach einer Mietwohnung auf den Wohnungsmärkten der Ballungsgebiete sucht und 30 % dafür zahlen muß, sagen: Eigentlich wäre es sinnvoll, 25 % Miete zu zahlen und nicht nur 15 %. Das heißt: Auch das Problem der Miethöhe zeigt, daß wir es mit sehr differenzierten Problemen zu tun haben.
Im übrigen muß stärker noch in die Diskussion über die Mieten - vielleicht auch hier heute im Bundestag - eingeführt und berücksichtigt werden, daß wir bei der enorm hohen Heizkostenbelastung, die in der Zukunft auch noch steigen wird, nicht immer nur von der Kaltmiete sprechen können, sondern daß es um die Gesamtwohnkostenbelastung eines Mieters geht.
({6})
Herr de With wird nachher, wie ich schon gesagt habe, noch im einzelnen auf diese Gesetzentwürfe zu sprechen kommen. Ich muß nur hier als Wohnungsbauminister vor der undifferenzierten These, die es immer noch in unserer wohnungspolitischen Diskussion gibt, von der angeblichen „Investitionsbremse Mietrecht" warnen.
({7})
Wenn man die Dinge objektiv und nüchtern sieht, sind es in Wirklichkeit die hohen Baukosten, die hohen Bodenkosten, die hohen Finanzierungskosten, die Investoren im wesentlichen davon abhalten, im Mietwohnungsneubau zu investieren, und nicht das Mietrecht.
({8})
In vergleichbaren Ländern wie der Schweiz ist der Mietwohnungsneubau daher trotz liberalen Mietrechts gleichfalls rückläufig. Es geht also darum, meine Damen und Herren, daß wir wirklich bestehende Investitionshemmnisse abbauen.
Ein entscheidendes Investitionshemmnis ist zur Zeit die Zinshöhe. Wir hoffen, daß die Entwicklung der nächsten Zeit dahin geht, daß die Zinsen sinken. Ein zweites Investitionshemmnis waren vielleicht die nicht allzu günstigen Abschreibungsmöglichkeiten, die wir jetzt hier verbessert haben. Aber es geht um diese ökonomischen Rahmendaten, und es geht nicht um rechtliche Fragen, die hier überbewertet werden, wobei wir nicht abstreiten, daß diese Dinge auch eine gewisse Rolle spielen. Darum haben wir sie j a auch dort, wo es vertretbare Änderungen geben sollte, mit in unser Paket eingefügt.
Ich weise aber auch in diesem Zusammenhang darauf hin - das werden Sie auch immer wieder feststellen können, wenn Sie sich unsere Entwürfe ansehen -: Wir verfolgen nach wie vor die Linie eines Interessenausgleichs, und zwar eines sozial gerechten Interessenausgleichs zwischen den Interessen der Vermieter und der Mieter. Deshalb sehen wir in diesem Gesetzpaket auch Verbesserungen für die Mieter vor, etwa im Bereich der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen oder bei übertriebener Modernisierung, dort, wo die Entwicklung der letzten Zeit gezeigt hat, daß wir zusätzliche Schutzfunktionen einbauen müssen. Insofern ist auch unser Mietrecht nicht etwas Statisches, sondern es muß sich jeweils nach den Gegebenheiten fortentwickeln.
Ich komme zu einem nächsten Punkt, zu unserem vierten Gesetzentwurf, den wir als Bundesregierung vorgelegt haben, zur Änderung des Bundesbaugesetzes. Es ist unbestritten, daß die Bodenproblematik für die Wohnungspolitik von ganz erheblichem Gewicht ist und in den vergangenen Jahren noch deutlich zugenommen hat. Bodenknappheit und damit zusammenhängende Bodenpreissteigerungen belasten den Neubaumarkt. Die Preise für baureifes Land sind zwischen 1970 und 1980 allgemein um
zirka 170 % gestiegen. Damit erreicht mittlerweile der Anteil der Grundstückskosten an den Gesamtkosten eines Einfamilienhauses gerade in den städtischen Gebieten mindestens 30 %. Umfassende oder jedenfalls vernünftige bodenrechtliche Lösungsvorschläge haben wir im Bundestag schon in der vorletzten Wahlperiode entwickelt. Sie sind damals leider am Widerspruch des Bundesrates gescheitert.
Wir haben uns deshalb entschlossen, erneut einen Einstieg zu finden und eine schrittweise Verbesserung unseres bodenpolitischen Instrumentariums vorzuschlagen. Zur Erhöhung des Angebotes an verfügbarem und dann auch preiswertem Bauland sollen nach unseren Vorstellungen die Instrumente der Umlegung und Entwicklungsmaßnahme ins allgemeine Baurecht eingeführt werden. Dahinter steht der Gedanke, daß wir durch Änderung der entsprechenden Verfahren erreichen wollen, daß in einem neuen Baugebiet nach Neuordnung der Grundstücke Grundstücke entstehen, die auch zu vernünftigen, tragbaren Preisen weiter veräußert werden können und nicht zu übersetzten Spekulationspreisen.
Außerdem sehen wir in diesem Gesetzentwurf zur Änderung des Bundesbaugesetzes vor, daß auch der Bestand stärker mobilisiert wird, etwa dort, wo wir Baulücken haben - sie müssen bebaut werden -, dort, wo wir leerstehende Gebäude und leerstehende Wohnungen haben - sie müssen mobilisiert werden, sie müssen der Wohnnutzung zugeführt werden -.
Mit Erstaunen, aber nicht mit Überraschung, habe ich gestern gehört, daß sich die kommunalen Spitzenverbände kritisch diesem Gesetzentwurf gegenüber geäußert haben.
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- Meinetwegen auch ablehnend. Auch hier zeigt sich mittlerweile die politische Gewichtsverlagerung.
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- Ja, sicher. Hier zeigt sich die politische Gewichtsverlagerung in kommunalen Spitzengremien. Noch vor einigen Jahren wäre es nicht denkbar gewesen, daß die kommunalen Spitzenverbände, vor allem der Deutsche Städtetag, von vornherein einen solchen Gesetzentwurf abgelehnt hätten.
({11})
Ich bin allerdings der Meinung, daß unsere Kommunen mit dieser Ablehnung in sehr große Glaubwürdigkeitsprobleme kommen werden, wenn es vor Ort um die Lösung der Probleme geht.
({12})
Herr Kollege Schneider, mit großem Vergnügen aber lese ich in der heutigen Ausgabe des „Bayernkuriers", den man als bayerischer Staatsangehöriger immer lesen muß, um auf der Höhe des Zeitgeschehens zu sein, daß - ({13})
- Man sieht also, bei Ihnen kann man Beifall nur mit primitiven, nicht mit vernünftigen und sachlichen Äußerungen bekommen.
Ich las also, daß bei der letzten Fachtagung mittlerweile auch Landtagsabgeordnete der CSU erkannt haben, daß das Bodenproblem mit eines der drängendsten Probleme in der Wohnungspolitik ist.
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- Ja sicher, ich wollte einmal einen Beifall von Ihnen bekommen, den kann ich nur auf die Weise bekommen.
({15})
Ich darf aber noch eine Bemerkung zur Bodenproblematik machen, weil inzwischen auch Herr Ministerpräsident Späth eingetroffen ist. Es hat im Juni dieses Jahres im Bundesrat eine Debatte gegeben. Dort hat der Staatsminister Gaddum folgendes ausgeführt:
Es ist doch kein Geheimnis, daß es keine vom Staat stärker privilegierte Anlage gibt als unbebaute Grundstücke, die man halt liegenläßt. Sie werden im zur Zeit geltenden Einheitswertverfahren - und Sie wissen: dies ist Bundesrecht - deutlich günstiger bewertet; sie werden sehr viel günstiger bewertet als jedwede andere Vermögensform ... Wenn diese Grundstücke nach einigen Jahren verkauft werden, ist der entsprechende Gewinn nicht steuerpflichtig.
Diese seine Meinung hat Herr Gaddum in einem in der letzten Woche in der „Zeit" veröffentlichten Diskussionsforum wiederholt. Er hat dazu aufgerufen, eine Änderung der steuerlichen Vorschriften vorzulegen.
Ich sage das nur, weil ich das als eine Versachlichung der bodenpolitischen Debatte ansehe und dankbar wäre, wenn erkannt würde, daß wir nicht von Wohnungsproblemen in der Bundesrepublik Deutschland oder von der Notwendigkeit sprechen können, die Eigentumsförderung in unserem Staat zu verbessern, wenn wir gleichzeitig die Bodenproblematik völlig ausklammern. Das ist unmöglich, das ist unglaubwürdig, und es ist auch unsozial.
({16})
Ich komme zu einigen abschließenden Bemerkungen. Ich habe kurz zu diesen vier Gesetzentwürfen Stellung genommen, die wir von seiten der Bundesregierung vorgelegt haben. Wir behaupten nicht, daß wir die anstehenden Probleme ausschließlich durch Gesetzgebung oder die hier vorliegenden Gesetzentwürfe lösen können. Es gibt eine ganze Reihe von
notwendigen Aufgaben, denen wir uns in der Zukunft neben der Gesetzgebung stellen müssen. Ich nenne nur einige Stichworte: kosten- und flächensparendes Bauen, mehr Selbsthilfemöglichkeiten, um hiermit auch Einfluß auf die Preise ausüben zu können - es gibt durchaus eine Alternative zum traditionellen Geschoßwohnungsbau oder auch zum traditionellen Eigenheimbau in freistehender Bauweise -, geringere Standards, sparsamerer Flächenverbrauch, Ausschöpfung der Selbsthilfe, spätere Ausbaumöglichkeiten. Das sind die entsprechenden Stichworte, um die es hier geht. Ich bin sehr dankbar dafür, daß in den letzten Wochen der Bund Deutscher Architekten oder auch andere nicht unwichtige Gremien diese Anregungen aufgegriffen haben. Ich glaube, wir müssen hier nachdenken. Es darf nicht immer noch die Auffassung bestehen, nur durch Gesetze oder nur durch bisherige Maßnahmen könnten wir die anstehenden und auch die neuen Herausforderungen bewältigen, sondern wir müssen im Mitteleinsatz flexibler werden, wir müssen neue Anregungen von den Fachleuten bekommen. Architektenwettbewerbe, die wir in den letzten Monaten durchgeführt haben, machen deutlich, daß hier große Einsparpotentiale vorhanden sind. Wir wissen, daß viele junge Menschen etwa solche, die Eigentum erwerben wollen, bereit und auch in der Lage sind, selbst Hand anzulegen, beim Innenausbau mit tätig zu sein. Hier können wir zu Kostenreduzierungen im Eigenheimbau in der Größenordnung von bis zu 50 000 DM kommen. Das ist oft genau die Grenze, die für den geringer Verdienenden das unübersteigbare Hindernis ist. Ich rufe deshalb alle Beteiligten - und das sind wir Politiker nur am Rande - auf, sich weitere Gedanken zu machen.
({17})
- Auf den Zwischenruf, warum wir die Steuer für Architekten erhöhen, sage ich Ihnen folgendes. Die Architekten sind im Moment glücklicherweise dabei, hier Anregungen zu geben, die ich sehr begrüße.
({18})
- Da Sie von den Architektenhonoraren sprechen, sage ich Ihnen folgendes. Ich habe vor kurzem den Vorschlag gemacht, darüber nachzudenken, ob sich die Höhe der Architektenhonorare statt nach der Höhe der Baukosten nicht nach der Geringfügigkeit der Baukosten richten sollte, um Anregungen zum Nachdenken zu geben, zum flexiblen Einsatz vorhandener technischer Möglichkeiten, die wir heute haben. Ich begrüße es jedenfalls dankbar, daß wir uns hier in völliger Übereinstimmung mit den Spitzenverbänden unserer Architekten befinden.
Noch eine abschließende Bemerkung, meine Damen und Herren. Wir müssen, auch wenn es bei den vorgelegten Gesetzentwürfen nicht unmittelbar eine Rolle spielt, in unserem Lande für die nächsten Jahre wissen, daß, wenn wir von Wohnungsbau sprechen, die Energieeinsparung sowohl im Neubaubereich als auch im Altbaubereich einen ganz wichtigen Stellenwert bekommen wird. So ist es auch zu erklären, daß wir erst in der letzten Woche - ich sage das hier noch zur Information; Sie konnten es schon lesen - im Bundeskabinett eine Verordnung verabschiedet haben, die jetzt dem Bundesrat zugeleitet wird, nämlich die Wärmeschutzverordnung, mit der wir durch neue technische Standards erreichen wollen, daß wir zu einer Energieeinsparung in der Größenordnung von etwa 25% kommen. Gleichzeitig haben wir eine Novelle zur Heizungsanlagenverordnung vorgelegt, die den Energieverbrauch durch Verbesserung der Heizungsanlagen wesentlich reduzieren soll. Sie haben bereits gehört, daß wir im Rahmen unserer Haushaltsbeschlüsse festgelegt haben, das Heizenergiesparprogramm über das Jahr 1982 hinaus zu verlängern.
Ich komme auf meine Eingangsbemerkung zurück, daß es für die Lösung der anstehenden Probleme selbstverständlich keine Patentrezepte geben könne. Auch die Gesetzentwürfe der Bundesregierung sind kein Patentrezept,
({19})
mit dem wir unsere Wohnungs- und Städtebauprobleme von heute auf morgen lösen könnten. - Ihre Selbstgerechtigkeit kann ich immer nur bewundern. Aber das gehört offensichtlich zu Ihrem Selbstverständnis.
({20})
Es gehört wohl zu Ihrem Selbstverständnis, daß Sie sich hier hinsetzen und lachen, wenn Vorschläge entwickelt werden, so, als ob Sie alle Vorschläge in der Tasche hätten, als ob es dort, wo Sie in Ländern, in Kommunen regieren, überhaupt keine Probleme mehr gäbe.
({21})
Aber eigentlich brauchte man sich nicht mehr darüber zu wundern, wenn man zwölf Jahre diesem Hause angehört, in welcher Art und Weise Sie sich in einer solchen Debatte - ich meine nicht alle in Ihrem Kreis; Sie haben durchaus vernünftige Leute - benehmen.
({22})
Ich sage, daß es keine Patentrezepte geben kann. Aber das, was wir als Bundesregierung hier darlegen, ist ein in sich geschlossenes, auch realistisches
({23})
Konzept. Wenn die Vernunft bei den Beratungen auch im Bundesrat vorhanden ist und die entsprechende notwendige Fähigkeit, auf Grund unserer Verfassungslage zu Kompromissen zu kommen, dann, glaube ich, werden wir ein Stück vorankommen. Es kommt dann auch nicht darauf an, wer sich eine Feder an den Hut steckt, ob er oder ein anderer diesen Vorschlag zuerst gemacht hat,
({24})
sondern es kommt darauf an, ob wir gemeinsam zu Lösungen finden, die die Wohnungs- und Lebenssituation unserer Menschen vor allem in den Städten und in den Ballungsgebieten verbessern. - Vielen Dank.
({25})
Meine Damen und Herren, wird weiter das Wort zur Einbringung oder zur Begründung gewünscht? - Zur Einbringung oder Begründung? - Herr Dr. Jahn ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bauarbeiter wollen bauen. Die Wohnungssuchenden suchen Wohnungen. Die Vermieter wollen vermieten. Die Investoren wollen investieren. - Und trotzdem klappt es nicht. Ja, da muß doch, Herr Minister, an der Leitung, an den staatlichen Rahmenbedingungen etwas nicht in Ordnung sein.
({0})
Darüber wollen wir heute sprechen. Und wir fügen hinzu: leider erst heute. Wenn Sie, Herr Kollege Conradi, gestern in dem Pressedienst der Sozialdemokratischen Partei gesagt haben, daß über die Wohnungsbaupolitik überall gesprochen werde, nur nicht im Parlament, dann gebe ich Ihnen zunächst einmal Recht. Aber völlig unverständlich ist es uns, daß Sie, nachdem wir im Juni einen Geschäftsordnungsantrag eingebracht haben, daß hier diskutiert werden solle, mit Nein zu unserem Geschäftsordnungsantrag gestimmt haben.
({1})
Nach einer Umfrage glauben 58 % der Bundesbürger, es herrsche Wohnungsnot. Wie ist dies zu erklären? Wenn man die Sendezeiten, die Hausbesetzungen gewidmet werden, zum Maßstab nimmt, kann man in der Tat von Wohnungsnot sprechen. Aber, meine Damen und Herren, unsere Bürger müssen wissen: Hausbesetzungen haben mit Wohnungsnot so gut wie gar nichts zu tun.
({2})
Das Wort von der „neuen Wohnungsnot" geht um. Aber wenn eine alleinstehende Frau drei Zimmer einer Fünf-Zimmer-Wohnung abschließt, weil eine Zwei-Zimmer-Wohnung für sie teurer wäre, hat das mit Wohnungsnot nichts zu tun, sondern nur mit der Verteilung der Wohnungen in der Bundesrepublik Deutschland. Und Studenten, die in ihre Universitätsstädte kommen, stellen fest, daß die besten Zimmer weg sind - von Schülern gemietet, denen emanzipatorische Konflikttheoretiker in der Schule beigebracht haben, möglichst frühzeitig das Elternhaus zu verlassen.
({3}) Mit Wohnungsnot hat das nichts zu tun.
({4})
Wie ist die Situation? Wir haben, statistisch gesehen, einen Ausgleich, aber wir haben Wohnungsmangel in den Ballungsgebieten. Der Wohnungsmarkt ist regional nicht ausgeglichen. Bestimmte Bevölkerungskreise, insbesondere kinderreiche Familien finden am Markt keine Wohnungen, und geburtenstarke Jahrgänge drängen auf den Markt.
Aber es muß hinzugefügt werden: Es fehlt nicht so sehr an Wohnungen, es fehlt vielmehr an subventionierten Wohnungen. Nachfrage nach billigen Wohnungen wird es immer geben.
Die Situation auf der Angebotsseite: Die Kosten für Bauland, die Baukosten, die Zinsen sind hoch. Das wissen wir alle. Der freifinanzierte Mietwohnungsbau ist zum Erliegen gekommen. Der Sachzusammenhang zwischen der mangelnden Investitionsbereitschaft privater Bauherren und der Mietgesetzgebung wird von der Bundesregierung nach wie vor geleugnet. Hier hat die FDP im Kabinett eine andere Haltung als die SPD eingenommen.
Der soziale Wohnungsbau mit Kostenmieten von über 20 DM pro qm Wohnfläche und Monat ist an seine Grenzen gestoßen. Der Staat kann die Differenz zwischen der tatsächlich gezahlten Miete und der Kostenmiete nicht mehr aus Steuergeldern ausgleichen.
Ein weiteres Ärgernis ist: Gleiche Wohnungen auf derselben Straße mit gleichem Wohnwert haben unterschiedliche Mieten, nur weil das eine Haus vor zehn Jahren gebaut wurde und das andere jetzt gebaut wird.
Durch die ständige Erhöhung der Einkommensgrenzen für den sozialen Wohnungsbau haben nunmehr weit über 50 % aller Bürger einen Anspruch auf eine Sozialwohnung. Aber nur ein Drittel aller Bürger sind in solchen Sozialwohnungen. Die Ärmeren stehen draußen vor der Tür; die Ärmeren zahlen die höheren Mieten.
Statt diese Ungerechtigkeiten auszumisten, schafft die Bundesregierung ständig neue Wartelisten. Die regierungsamtliche Wohnungsbaupolitik, Herr Kollege Wehner: Mehr Berechtigungsscheine statt mehr Wohnungen. Damit läßt sich kein Staat machen.
({5})
Es gereicht dem Bundesfinanzminister zur Ehre, daß er in der Kabinettssitzung am 28. August auf diesen Mißstand hingewiesen und gesagt hat: Wir müssen endlich den Kreis der Anspruchsberechtigten im sozialen Wohnungsbau reduzieren. Er hat dies im Rahmen des Haushaltsstrukturgesetzes eingebracht. Aber der Wohnungsbauminister hat sein Veto eingelegt und sich durchgesetzt.
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Herr Minister Haack, solange Sie in der Bundesrepublik mit der Gießkanne durchs Land laufen, säen Sie Unkraut im Garten der Sozialpolitik.
({7})
Ein Drittel aller Sozialwohnungen sind fehlsubventioniert, d. h. fehlbelegt. Gefördert wird der Besitzstand. Die niedrigste Miete zahlt der, der am längsten wohnt - nach dem Motto: Einmal bedürftig sein, immer billig wohnen dürfen. Diese relativ
Dr. Jahn ({8})
willkürliche Begünstigung ist verteilungspolitisch nicht mehr zu rechtfertigen; j a, das Sozialstaatsprinzip wird ernstlich in Frage gestellt.
Wenn der Minister feststellt, es bedürfe keiner grundsätzlich neuen Handhaben, sondern die Gemeinden sollten endlich das tun, was ihre Pflicht ist, dann können wir nur sagen, Herr Minister: Unsere Gemeinden dürfen nicht als Prügelknaben einer verfehlten Wohnungsbaupolitik abgestempelt werden. Die Verantwortung liegt hier!
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Auch bei den Hauseigentümern darf sich der Minister kein Alibi suchen. Er und die Riege vor ihm tragen die Verantwortung für den Scherbenhaufen, der vor uns liegt. Systematisch hat die von SPD und FDP getragene Bundesregierung den privaten Investor aus dem Wohnungssektor vertrieben - in dem Irrglauben, der Staat könne alles besser machen.
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Wir waren die ersten, die im Mai dieses Jahres konkrete Vorschläge gemacht haben. Die Prognosen der Bundesregierung in der Wohnungsbaupolitik stimmten nicht. Der Bundeskanzler hat dies auf dem Deutschen Mietertag 1977 eingeräumt, als er dort wörtlich sagte:
Ich wundere mich manchmal darüber, daß es Menschen gibt, insbesondere jüngere Menschen, die meinen, man müsse die Prognosen nur in die Hand des Staates legen und dann würden sie zuverlässiger. Das ist nicht sicher.
Wie recht hat der Bundeskanzler! Regierungsamtliche Prognosen erweisen sich immer mehr und immer beständiger als Neurosen. Und wenn die Regierung nicht weiter weiß, dann heißt es seitens des Bauministers: Wir denken nach; wir erteilen einen Prüfungsauftrag - meist über Zusammenhänge, die uns seit Jahrzehnten bekannt sind. Aber, Herr Minister Haack, irgendwie hat der Bürger draußen im Land das Gefühl, daß auch mal entschieden werden muß.
Wir haben die Ziele klar formuliert und fünf Maßnahmen vorgeschlagen.
Erstens. Steuerliche Anreize für private Investitionen.
Zweitens. Abbau von gesetzlichen Hemmnissen für private Investitionen.
Drittens. Wenn die öffentlichen Kassen leer sind, Mobilisierung der ausgeliehenen 70 bis 75 Milliarden DM in der Wohnungsbaupolitik durch schrittweisen Abbau der Belegungsbindungen.
Viertens. Wenn die öffentlichen Kassen leer sind, Konzentration der wenigen öffentlichen Mittel auf die wirklich Bedürftigen.
Fünftens. Individuelle Absicherung der einkommensschwachen Bevölkerungskreise über das Wohngeld sowie über Belegungsbindungen der gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften.
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Dies ist das Konzept, in fünf Punkten zusammengefaßt, und all dies wird kritisiert. Wenn heute, wie wir hören, Graf Lambsdorff nicht ans Pult treten will, dann weiß er vielleicht auch warum: Weil er dies letztlich, auch wenn er heute anders spricht, mit zu verantworten hat; denn Minister Lambsdorff kann sich nicht verstecken, er saß in allen Kabinetten.
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Die Kabinettsentscheidungen vom 2. und 3. September zu den steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten beim Wohnungsbau schwenken auf unsere Konzeption ein, die wir im Mai im Deutschen Bundestag eingebracht haben. Wir verstehen unter Abschreiben, Herr Minister Haack, eben etwas anderes als die Bundesregierung. Sagen wir: „Abschreiben", meinen wir steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten, und sagt die Bundesregierung: „Abschreiben", meint sie in diesem Punkte das Abschreiben wie in der Schule; denn Sie haben im Grunde ganze Teile unseres Steuerpaketes übernommen.
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Und wir sagen noch einmal, daß für uns die steuerlichen Erleichterungen Priorität haben vor den Subventionen. Denn auf die steuerlichen Erleichterungen besteht ein Rechtsanspruch. Besteht darauf ein Rechtsanspruch, kann man sich langfristig darauf einrichten. Kann man sich langfristig hierauf einrichten, leistet man einen Beitrag zur dringend notwendigen Verstetigung der Baukonjunktur.
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Und was machen Sie? Wir haben das gestern im Ausschuß wieder erlebt. Herr Minister Haack konnte leider nicht im Ausschuß sein. Was hätte er hören müssen! Was Sie von der sozialdemokratischen Fraktion zu dem Kompromiß gesagt haben, der im Kabinett gefaßt worden ist, war alles andere als Mittragen, Mittragenmüssen allenfalls, aber innerlich haben Sie eine ganz andere Konzeption entwickelt.
Wir sagen nein zu Subventionen, weil auf Subventionen kein Rechtsanspruch besteht. Sie erwecken mit der Subvention Erwartungen, die Sie nicht erfüllen können. Verteilt wird die Subvention nach dem Motto: „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst", nach dem Windhundverfahren, und die großen Baugesellschaften kennen die Formulare, die bürokratisch auszufüllen sind, schon zu Zeiten, wo Sie in den Ministerien erdacht werden. Wenn dann der kleine Mann, der Bürger unseres Landes, der Freiberufler und Mittelständler, kommt und an diesem Topf partizipieren möchte, dann wird ihm gesagt: Der Topf ist leer, das Geld ist nicht mehr da - und Sie haben wiederum Erwartungen erweckt, die Sie nicht erfüllen können; das ist eine unsolide Politik.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, soweit zur steuerlichen Seite, wo Sie auf uns eingeschwenkt sind. Was wir bedauern, ist, daß Sie auf dem Gebiet des sozialen Wohnungsbaues nicht den Weg der Marktwirtschaft gehen. - Wenn Sie lachen, Herr Müntefering, dann möchte ich Ihnen aus der
Dr. Jahn ({16})
Regierungserklärung des Bundeskanzlers vom 24. November 1980 zitieren; das ist also die Regierungserklärung für diese Wahlperiode. Darin hat der Bundeskanzler für die Bundesregierung erklärt, daß er schrittweise mehr marktwirtschaftliche Elemente in den sozialen Wohnungsbau einführen wolle. Bei diesem Versprechen ist es geblieben. Wir haben ihm durch unsere Gesetzesinitiativen die von ihm versprochene Arbeit abgenommen.
({17})
Mit unserem Wohnungsbauänderungsgesetz wollen
wir erreichen, daß durch die Einführung marktwirtschaftlicher Elemente im sozialen Wohnungsbau ungerechtfertigte Subventionen und Mietverzerrungen abgebaut und dadurch erhebliche Mittel für den
Neubau von Sozialwohnungen mobilisiert werden.
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- Das will ich Ihnen gleich erklären, Herr Kollege Menzel. Wir gehen in unserem Modell prinzipiell davon aus, daß die Zweiteilung des Wohnungsmarktes
- hier Kostenmieten, hier Vergleichsmieten - schrittweise aufgegeben wird. Damit gehen wir einen Weg, den zunächst einmal auch der Bundeskanzler will, denn er hat gesagt: Wo steht denn geschrieben, daß die Zweiteilung des Wohnungsmarktes auf ewig so bleiben muß? Jetzt gehen wir diesen Weg der schrittweisen Heranführung der Kostenmieten an die Vergleichsmieten. Dabei behandeln wir alle gerecht, und wir haben keinen Fall der Fehlbelegung in unserer Konzeption. Wer insgesamt am bedürftigsten ist, bekommt bei uns zuerst die staatliche Hilfe. Sie helfen nur dem, der den Besitzstand hat,
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nämlich dem einen Drittel der Wohlhabenden; die zwei Drittel aber, die draußen vor der Tür stehen, lassen Sie weiterhin im Regen stehen.
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Wir sind uns dessen bewußt, daß wir für Ballungsgebiete wahrscheinlich Sonderregelungen anstreben müssen. Aber ich füge hinzu: Diese müssen systemkonform sein. Es geht nicht an, Herr Minister Haack, daß Sie sagen: Wir sind schnell zu einem Kompromiß bereit; wir nehmen das CDU/CSU-Modell für ländliche Räume, während das Regierungsmodell für Ballungsgebiete genommen werden soll.
- Nein, wir möchten eine systemkonforme Lösung anstreben, und im Planspiel muß auf jeden Fall untersucht werden, ob nicht die Zinslösung, die wir anbieten, in Ballungsgebieten - wenn auch langsamer
- verwirklicht werden kann.
Unser Zinsmodell ist gleichzeitig die Alternative zur Einführung einer Fehlbelegungsabgabe. Herr Minister, Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen: Die Fehlbelegungsabgabe löst nicht das Problem der Verzerrung der Mieten, löst nicht das Problem der Unterbelegung und beseitigt insbesondere nicht die schreiende Ungerechtigkeit, daß das eine Drittel trotz Fehlbelegungsabgabe weiterhin begünstigt wird, aber zwei Drittel der Anspruchsberechtigten - denen Sie einfach sagen: um euch kümmern wir uns nicht - draußen vor der Tür stehen. Dies hat mit sozialer Gerechtigkeit nichts zu tun!
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Welchen Wert die Bundesregierung der Fehlbelegungsabgabe zumißt, hat sie selbst ins Gesetz hineingeschrieben. Da heißt es: von 1983 bis 1985 führen wir sie ein, und am 31. Dezember 1994 schaffen wir sie wieder ab. Das klingt nach Koalitionsvereinbarung. Wenn sich der Familienstand ändert, wenn ein Kind auf die Welt kommt, wenn die Mutter zu arbeiten aufhört oder wenn der Vater arbeitslos wird, müssen die Einkommensverhältnisse von 4,5 Millionen Haushalten überprüft werden.
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Das wird ununterbrochen geschehen müssen, und damit ist die Fehlbelegungsabgabe Parkinson in Reinkultur. Mit der einen Hand - durch die Abgabe - schöpft der Staat beim Fehlbeleger ab, mit der anderen Hand gewährt er weiterhin Subventionen, um die Miete für diesen Fehlbeleger niedrig zu halten.
Daß die Fehlbelegungsabgabe ausläuft, kann doch nur heißen, daß Sie 1995 das tun wollen, was wir schon jetzt tun wollen; und nur deswegen, weil es eine Koalitionsvereinbarung gibt, wird jetzt dieser Trick angewandt. Hierzu können wir nur sagen: Dies hat mit sachlicher und sachgerechter Wohnungspolitik nichts mehr zu tun, Sie betreiben Politik nach dem Motto „keine sachliche Politik mehr, aber wir halten wenigstens die Koalitionsvereinbarung ein".
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Dies halten wir für mehr als problematisch.
Nun, Herr Minister, zur Frage, wo dann unsere sozialpolitische Verantwortung liegt. Wir haben gesagt, daß unsere marktwirtschaftlichen Lösungen mit der gleichzeitigen individuellen Absicherung der einkommensschwachen Bevölkerungskreise über das Wohngeld stehen und fallen. Dazu stehen wir! Wir haben auch das Geld für das Wohngeld, wenn wir die 70 bis 75 Milliarden öffentlicher Mittel vorzeitig mobilisieren und nicht mehr die 40 % Fehlbeleger, die heute der Hilfe des Staates nicht mehr bedürfen, subventionieren.
Damit habe ich noch kein Patentrezept für die Ballungsgebiete angeboten.
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Herr Minister, Sie fragten, wo denn die sozialpolitische Verantwortung für die Ballungsgebiete liegt. Sie wissen genau, daß wir mit unserer Konzeption die gemeinnützigen Wohungsbaugesellschaften in die Verantwortung nehmen wollen. Wenn diese Gesellschaften zur Unternehmensmiete übergehen dürfen, muß auch das Steuerprivileg gerechtfertigt werden. Wir sagen, daß 900 000 Wohnungen der gemeinnützigen Wohungsbaugesellschaften für die sozial Schwachen zur Verfügung gestellt werden sollen und daß es eine dauerhafte Bindung des Gemeinnützigkeitsrechts geben soll.
Dr. Jahn ({25})
Ich weiß, daß auch Sie sich mit diesem Gedanken tragen. Sie haben einen entsprechenden Entwurf vorgelegt; j a, Sie haben einen Entwurf vorgelegt, der weit darüber hinausgeht. Dieser Entwurf ist etwas, was mit privatwirtschaftlicher Denkweise wenig zu tun hat. Die gemeinnützige Wohnungswirtschaft würde durch den Entwurf in einem nie gekannten Ausmaß staatlicher Bevormundung unterworfen.
Weil Ihr Modell zum Gemeinnützigkeitsrecht auf Kritik gestoßen ist, haben Sie es auf dem Verbandstag in Grömitz am 7. September aus dem Verkehr gezogen. Die Begründung möchte ich dem Parlament nicht vorenthalten. Sie haben gesagt - ich zitiere wörtlich -:
Unser Entwurf, Referentenentwurf - das ist ja das Schöne, daß es immer Referentenentwürfe gibt, daß der Minister nicht unbedingt belastet werden kann. Er kann immer seine Beamten vorschicken, und wenn er dann sieht, es wird kritisch, kann er immer noch sagen: Ich stehe nicht dahinter.
({26})
Ich fahre mit dem Zitat fort:
Dann kann der Minister wieder einen guten Eindruck machen. Und daß ich natürlich einen guten Eindruck machen will, werden Sie verstehen.
Ende des Zitats.
({27})
Herr Minister, haben Sie mit diesen Sätzen wirklich eine gute Haltung abgegeben? Sie haben in Grömitz an der Ostsee gesprochen. Und auf See gilt der Kapitän etwas, der als letzter das sinkende Schiff verläßt, und nicht der, der sich hinter seinen Mannen versteckt.
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Sie lassen die weisungsgebundenen Beamten und Angestellten Ihres Hauses im Regen stehen. Ihre Argumentation läßt ohnehin ein ganz erhebliches Nord-Süd-Gefälle erkennen. Denn was Sie in Grömitz zu den Akten gelegt haben, haben Sie am vergangenen Wochenende auf dem Deutschen Mietertag in Freiburg wieder aus der Schublade geholt. Ich habe wirklich die Bitte, daß Sie heute noch einmal ans Pult treten und uns sagen, wie Sie über unseren Vorschlag denken, auch die gemeinnützigen Unternehmen in die Verantwortung zu nehmen. Wer das Steuerprivileg hat, hat auch ganz besondere Verantwortung in unserem Staat für die einkommensschwachen Bevölkerungskreise.
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Ich komme zum Mietrecht. Der Kollege Clemens wird ausführen, was wir hier vorgeschlagen haben. Aber wir stellen fest, daß sich die Bundesregierung - weder SPD-Fraktion noch FDP-Fraktion - bis heute nicht dazu durchgerungen hat, ein Ja zum Zeitmietvertrag zu sagen. Wenn Sie dazu ja sagen, leisten Sie einen dringend notwendigen Beitrag, Anreize zu schaffen, damit leerstehender Wohnraum auch vermietet wird.
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Sie betreiben eine falsche Politik, wenn Sie zu diesen Zeitmietverträgen weiterhin nein sagen.
Was die Staffelmiete angeht, haben wir unterschiedliche Auffassungen. Mich wundert nur, daß die SPD zur Staffelmiete wenigstens für Neubauten j a sagt, daß aber der Bundesvorstand der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen vor zwei Tagen öffentlich gegen die Staffelmiete zu Felde gezogen ist. Es wäre einmal wichtig, auch von den Juristen, die hier bei der Sozialdemokratie sitzen, zu hören, was sie denn wirklich wollen, ob sie zur Staffelmiete auch für Neubauten im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens nein sagen wollen.
Zum Bodenrecht: Meine sehr verehrten Damen und Herren, das, was hier unter „erweiterter Umlegung" und „gemeindlicher Entwicklungsmaßnahme" vorgelegt wird, ist in Wahrheit die Regelung von Enteignungstatbeständen, ohne daß die hierfür verfassungsmäßig vorgesehenen verfahrensmäßigen Garantien gewährleistet werden.
({31})
Inhaltlich wird aus dem bewährten Instrument des Umlegungsverfahrens als eines reinen Grundstückstauschverfahrens ein Grundstücksverteilungsverfahren, und zwar zu Lasten derjenigen, die ein Grundstück in das Umlegungsverfahren eingebracht haben.
Ich kann nur sagen: Wehret den Anfängen! Die Gemeinden haben bisher auf freiwilliger Basis auch Dritten Grund und Boden gegeben. Was hier vor uns liegt, ist ein Stück Dirigismus im Bodenrecht, obwohl sicherlich mehr Freiwilligkeit angebracht wäre.
({32})
Lassen Sie mich das Baugebot noch einmal als Beispiel nennen. Sie können doch demjenigen, Herr Minister Haack, der das Geld nicht hat, nicht mit einem Baugebot kommen und ihm dann, weil er das Geld nicht hat, den Grund und Boden im Wege der Enteignung wegnehmen. Das hieße, daß der, der das Baugebot wirtschaftlich erfüllen kann, es erfüllen darf und seinen Grund und Boden behält; wer aber wirtschaftlich dazu nicht in der Lage ist, dem wird gesagt, er müsse seinen Grund und Boden zwangsweise abtreten. Das hat mit Sozialpolitik nichts zu tun.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion sagt erstens ja zur verstärkten Fortführung der Eigentumsförderung und deshalb nein zum Vorrang der Förderung des Mietwohnungsbaus. Zweitens sagen wir j a zu marktwirtschaftlichen und deshalb nein zu dirigistischen Lösungen. Wir brauchen Marktwirtschaft unter sozialpolitischer Absicherung über das Wohngeld. Deshalb brauchen wir grundsätzlich Wohnungsversorgung durch den Markt. Wer die Miete
Dr. Jahn ({33})
nicht bezahlen kann, bekommt Wohngeld. Wir brauchen eine Konzentration der knappen öffentlichen Mittel im sozialen Wohnungsbau auch weiterhin für die Bevölkerungskreise, die am Markt keine Wohnung finden können.
Drittens. Wir sagen ja zur Wirtschaftlichkeit des Hausbesitzes und deshalb nein zur Verteufelung der Wirtschaftlichkeit. Allein die Wirtschaftlichkeit ist die Voraussetzung für Investitionen.
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Viertens. Wir sagen ja zum Kündigungsschutz, sind aber für Lockerungen bei familiärem Eigenbedarf.
Fünftens. Wir sagen ja zu mehr Vertragsfreiheit im Mietwohnungsbau und deshalb nein zu staatlichem Zwang. Das heißt, wir sagen j a zur Möglichkeit der Vereinbarung von Staffelmieten bei Neuabschlüssen von Mietverträgen und deshalb nein zur Beschränkung der Staffelmieten nur auf Neubauten.
Sechstens. Wir sagen ja zu Anreizen zur Vermietung von leerstehenden Wohnungen durch befristete Mietverträge, Zeitmietverträge, und deshalb nein zu staatlichen Geboten und Verboten.
Siebtens. Wir sagen ja zu steuerlichen Anreizen und deshalb nein zu Subventionen.
Achtens. Wir sagen ja zur Mietermodernisierung, aber - das füge ich hinzu - auf freiwilliger Basis. Es darf nicht zu einer Duldungspflicht des Vermieters kommen.
Neuntens. Wir sagen ja zur Gerechtigkeit, d. h. nein zur Förderung des Besitzstandes. Deshalb sagen wir ja zur Beseitigung des öffentlichen Ärgernisses Fehlbelegung durch schrittweise Heranführung der Sozialmieten an die Vergleichsmieten und nein zur bürokratischen Fehlbelegungsabgabe, die sich selbst auffrißt und die Probleme Mietenverzerrung und Unterbelegung nicht löst.
Zehntens und letztens: Wir brauchen auf dem Gebiete der Wohnungsbaupolitik nicht mehr Gesetze, sondern weniger, Deshalb sagen wir ein Ja zum Abbau von Gesetzen auch in der Wohnungsbaupolitik.
({35})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion begrüßt die Entscheidung der von der FDP mitgetragenen Regierung des Saarlandes, sich den von den unionsregierten Ländern im Bundesrat! eingebrachten Gesetzesinitiativen anzuschließen. Dieser Schritt macht deutlich, daß auch die FDP-Politiker der saarländischen Regierung die wohnungsbaupolitischen Vorschläge der Union als ordnungspolitisch richtig, vom liberalen Gedankengut getragen und als sozial ausgewogen anerkannt haben.
({36})
- Das tut Ihnen weh, Herr Wehner. - Dafür danken wir. Die FDP auf Bundesebene sollte sich diese
Haltung der saarländischen FDP für die weiteren
Beratungen hier im Parlament zum Vorbild nehmen.
({37})
Die Bundesregierung kann tun und lassen, was sie will,
({38})
sie hat auf dem Gebiet der Wohnungsbaupolitik Vertrauen verspielt. Mangelnde Investitionsbereitschaft auch auf dem Gebiet der Wohnungsbaupolitik ist nicht nur eine Folge mangelnder Wirtschaftlichkeit, sondern auch eine Folge mangelden Vertrauens in die Zukunft einer freien Gesellschaftsordnung.
({39})
Wenn der Staat die privaten Investoren locken will, muß er ihnen Freiräume gewähren, gesetzliche und ökonomische. Das Herumbasteln an neuen Mietstopps, behördlichen Eingriffen und neuen Verboten ist und bleibt ein Irrweg. Dieser Irrweg wird leider immer wieder beschritten. Das, was die Jungsozialisten, Herr Kollege Wehner,
({40})
jetzt in Lahnstein einstimmig beschlossen haben, möchte ich Ihnen doch einmal vorlesen,
({41})
damit Sie es auch hören, und Sie fragen, ob Sie dies akzeptieren. Es heißt dort:
Angesichts des Fehlens von einer Million Wohnungen auf der einen Seite und des spekulationsbedingten Leerstandes vieler Wohnungen auf der anderen unterstützen die Jusos Hausbesetzungen als legitimes Demonstrations- und Kampfmittel von Mietern und Wohnungssuchenden.
Weiter heißt es dann wörtlich:
Die Wohnraumversorgung muß langfristig aus dem privatwirtschaftlichen Bereich herausgenommen werden.
Das heißt, der Vermieter darf langfristig kein Privatmann mehr sein. - Dann geht es weiter:
Die Kommunalisierung des Mietwohnraums ist unumgänglich. Ohne Beseitigung der geltenden Bodenordnung lassen sich die Probleme der Wohnungs- und Städteentwicklung auch künftig nicht lösen.
Darauf antworten wir Ihnen, Herr Kollege Wehner.
({42})
- Nein.
({43})
Dr. Jahn ({44})
- Herr Kollege Wehner, zunächst: Ich mache keine Fälschungen. Im übrigen tragen Sie auch Verantwortung für diejenigen, die hier im Parlament sitzen und in Lahnstein dies mitbeschlossen haben. Ein Fraktionsvorsitzender hat eine Gesamtverantwortung.
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Um städtebauliche Planung realisieren zu können, müssen die Möglichkeiten des Bundesbaugesetzes genutzt werden, braucht aber nicht unsere Eigentumsordnung geändert zu werden.
({46})
Wenn wir Eigentum nicht breiter streuen, werden wir es auf Dauer nicht behalten. Denn wenn nach Systemveränderung gerufen wird, müssen die, die etwas zu verlieren haben, in der Mehrheit sein, damit die Systemveränderung nicht kommt. Wir in der CDU/CSU wollen eine Politik betreiben, die auch für diejenigen glaubwürdig bleibt, die sich krummlegen, um selber zu privatem Eigentum zu kommen. Die dürfen wir mit unserer Politik nicht im Regen stehenlassen.
({47})
Ich komme zum Schluß. Die Bundesregierung betont verbal die soziale Martkwirtschaft im Wohnungsbau. Tatsächlich kündigt sie jedoch mehr Dirigismus, mehr Verbote und mehr Gebote an. Die Bonner Koalition erwartet das Heil vom Staat, der am Ende seiner Finanzkraft ist. Notwendig ist vielmehr die Wiederherstellung sachgerechter marktwirtschaftlicher Rahmenbedingungen für die Wohnungsbaupolitik. Eine solche Politik ist sozialer und gerechter als die derzeitige. Wohnungsbau braucht Marktwirtschaft, Ökonomie statt Ideologie. Was private Initiative leisten kann, darf der Staat nicht an sich ziehen. Nicht mehr Staat, mehr Dirigismus, sondern mehr private Eigeninitiative sind der Schlüssel zum Erfolg, auch in der Wohnungsbaupolitik. Und wir stehen dafür: es muß nach wie vor zum Selbstverständnis eines freien Bürgers gehören dürfen, daß er seinen Lebensabend nicht auf Staatskosten, sondern von dem bestreiten darf, was er für sich und seine Familie im Leben geschaffen hat.
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Dafür treten wir ein. Damit dienen wir dem Bürger, seinen individuellen Wünschen, aber auch der Freiheit.
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Und das ist aller Anstrengungen wert.
({50})
Die Rede war zwar als Einbringungsrede angezeigt, aber ich hatte den Eindruck, dem Inhalt nach war es in einem gewissen Sinne doch schon eine Debattenrede. Aber das zu beurteilen ist nicht meine Sache. Ich frage trotzdem: wird das Wort zur Einbringung weiterhin gewünscht? - Ich sehe, das ist nicht der Fall.
Dann eröffne ich die allgemeine Aussprache.
Als erster Redner hat der Abgeordnete Müntefering das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wissen in unserem Land ziemlich genau über die Zahl der Pkws Bescheid, über die Zahl der Rindviecher, über Wählermeinungen und über Milchkonsum. Aber wir wissen weniger genau darüber Bescheid, wieviele Wohnungen es in unserem Land gibt, wo es sie gibt, wie sie ausgerüstet sind, wer in den Wohnungen wohnt und wie sich die Situation in den Städten und Gemeinden diesbezüglich entwickelt. Diese partielle Unwissenheit hat Vorteile: jeder kann immer seine Zahlen ins Spiel bringen, und keiner kann ihn widerlegen.
Aber im Ernst gesprochen: wer verantwortlich Wohnungs- und Städtebaupolitik machen will, der muß von Zeit zu Zeit exakte Zahlen haben. Er muß wissen, wie sich die Dinge im Land entwickeln. Wir wissen miteinander, daß in diesen Wochen und Monaten darüber entschieden wird, wann eine Volkszählung in unserem Lande erfolgt und ob dieser Volkszählung eine Erfassung der Wohnungen und Gebäude angegliedert wird. Wenn das stimmt, was man hört, sind wir wieder dabei, uns zwischen Bund und Land an der Frage festzubeißen, wer was bezahlt. Hier will ich den Appell loswerden - als Wohnungsbauer für die sozialdemokratische Fraktion -: wir möchten, daß bei dieser Volkszählung die Wohnungen und die Gebäude mit erfaßt werden.
({0})
Das sollte vom Parlament einmütig vertreten werden und vertreten werden können.
({1})
Denn es wäre schlimm, wenn wir auch auf die nächsten zehn Jahre noch nicht genau wüßten, wie viele Wohnungen uns eigentlich fehlen und an welcher Stelle und wo sie dringend gebaut werden müssen. Das ist mein Appell an alle, die mitwirken können - im Bund und in den Ländern -, diesen Aspekt nicht aus dem Auge zu lassen.
Herr Kollege Müntefering, erlauben Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Müntefering, ist Ihnen nicht bekannt, daß es bisher und auch künftig wahrscheinlich an dem Bundesfinanzminister scheitert, der nämlich von sich aus kein fachliches Interesse an der Wohnungszählung bekundet?
Herr Kollege Niegel, ich habe an alle appelliert, beim Bund und bei den Ländern. Es ist die Frage, in welcher Weise man sich einigen kann. Ich hoffe, daß von seiten der Länder kein Widerstand gegen diese zusätzliche Zählung der Gebäude und der Wohnungen besteht. Ich finde, wir sollten uns an diesem sachlichen Punkt nicht unnötig auseinanderreden. Wir haben sicher das gemeinsame Interesse, Herr Kollege, daß wir hier zu einem positiven Ergebnis kommen.
Ich komme zum eigentlichen Thema. Als ich hörte, Herr Kollege Dr. Jahn, daß Sie vor mir sprechen, habe ich mir schon gedacht, daß dabei sicher eine engagierte Rede herauskommt und auch ein Stück so verbiesteter Ortsvereinsrede, wie man sie drau3112
Ben im Land so hält, wo man das so mit Jusozitaten und mit diesen und jenen anderen Zitaten ein bißchen aufzumöbeln versucht,
({0})
allerdings ohne Neues hereinzubringen. Nun laßt uns darüber mal ehrlich sprechen.
({1})
Sie haben die Veröffentlichung der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen angeführt, die sich zur Staffelmiete kritisch geäußert haben.
({2})
Das ist bei uns so üblich; das kann man. Ich könnte Ihnen das dagegenhalten, was Christdemokraten und Christlich-Soziale in Bayern oder anderswo zu Fehlsubventionen noch vor wenigen Monaten gesagt haben
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und von dem Sie sich jetzt wieder distanzieren. Ich weiß nicht, was das soll, wenn wir uns gegenseitig vorhalten, was war und was man in der einen oder anderen Arbeitsgemeinschaft oder zu einem bestimmten Zeitpunkt zu bestimmten Dingen gemeint hat. Es geht darum, daß wir jetzt die Probleme, die auf der Tagesordnung sind, mit dem guten Willen diskutieren, sie vernünftig zu lösen.
Ich will nicht zu jedem Punkt Ihrer Ausführungen sprechen, weil ja die Kollegen im Laufe des Tages noch Gelegenheit haben, zu den einzelnen Fachbereichen zu sprechen. Ich will nur ein Motiv aufnehmen, das bei Ihnen immer wieder vorkommt, Herr Dr. Jahn, nämlich die Forderung, daß die Mittel, die zur Verfügung sind, auf die wirklich bedürftigen Gruppen konzentriert werden müssen. Nun haben Sie zu Beginn Ihrer Rede ja auch zugestanden, daß die Probleme des Wohnungsmangels, wenn, dann in den großen Städten da sind. Die Konsequenz, die sich daraus ergeben müßte, wäre doch, miteinander dafür zu kämpfen, daß in diesem Bereich zunächst einmal dieser Wohnungsmangel mit den zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft wird, auch dadurch, daß wir an unsere Länder appellieren - wir können das nicht als Bundespolitiker entscheiden -, das, was zur Verfügung steht, im Bereich des sozialen Wohnungsbaus in diesen Jahren, da einzusetzen, wo die größten Bedürfnisse sind. Machen Sie das mal konkret bei Ihren Freunden in den Ländern. Ich weiß, daß wir das bei unseren machen und daß das auch in einigen Ländern erfolgreich umgelenkt wird mit dem großen Bemühen, in den Städten die entscheidenden Probleme zu lösen.
Die wichtigste Frage, die man sich im Jahre 1981 zum Wohnungsbau stellen muß, ist doch wohl die: Wie ist es zu erklären, daß es in den Großstädten - zum Teil auch in kleineren Städten - diesen Wohnungsmangel gibt? Wie läßt sich dieser Mangel beheben? Welche Ansätze zur Behebung des Mangels gibt es in den vorliegenden Gesetzentwürfen, so wie sie da sind? Es gibt viele andere Probleme, aber dieses Problem ist im Zentrum der Diskussion.
Die SPD-Fraktion hatte das Ziel, in einer gemeinsamen Kraftanstrengung von Bund und Ländern in den nächsten zwei Jahren zusätzlich 60 000 Sozialmietwohnungen in solchen Bedarfsschwerpunkten zu erstellen. Wir bedauern, daß dieses Sonderprogramm nicht zustande kommt. Nicht, daß wir glauben, daß mit diesem Programm alle Probleme in den großen Städten gelöst seien. Aber wir sind sicher, daß es kein anderes Instrument gibt, das ähnlich schnell und ähnlich gezielt die richtigen Wohnungen an die Stelle bringen könnte, wo sie jetzt benötigt werden. Wir verlassen uns bei dem, was jetzt getan wird, auf das, was Sickereffekt genannt wird. Da ist ja auch was dran: das sickert, das sickert nur meistens nicht durch bis zu denen, die ganz unten sind.
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Deshalb steht im Zentrum unserer Überlegungen immer noch die Frage: Wie können wir dieses Problem in den großen Städten lösen? Ich komme darauf gleich noch einmal zurück. Ich will nur sagen: das muß die erste Frage sein. Die Antwort darauf scheint uns bisher nur halb gelungen.
Als wichtigstes Argument gegen ein Sonderprogramm sind uns die leeren Kassen genannt worden. Einige Länder haben eigene Programme gemacht. Das wurde schon lobend erwähnt. Ich will das auch noch einmal unterstreichen. Im übrigen aber sehen wir, daß dies mit den leeren Kassen j a wohl nur die halbe Wahrheit sein kann; denn gleichzeitig wird die Verbesserung der Abschreibungssätze angepeilt. Das kostet ja auch Geld; das kostet zusätzlich schätzungsweise 560 Millionen DM im Entstehungsjahr, und das kostet - kumuliert - nach acht Jahren 4 Milliarden DM zusätzlich, die wir da ausgeben, und wobei man ja wohl fragen darf, ob Sie nicht doch gezielter auf den Punkt gebracht werden könnten.
Es ist klar, diese Ausweitung der Abschreibungsmöglichkeit ist im wesentlichen konjunkturpolitisch motiviert. Das ist ein wichtiges Motiv. Ich will das nicht bestreiten. Das ist konjunkturpolitisch motiviert, nicht wohnungspolitisch. Deshalb ist ja auch der Regierungsentwurf überschrieben „Gesetz zur Stärkung der Investitionstätigkeit im Baubereich". Konsequenz muß sein, daß diese Verbesserung der Abschreibungsbedingungen auf Zeit gilt; sie muß rückholbar sein, ohne daß man heute sagen könnte oder sollte, wann dies sinnvoll wäre.
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Wir Sozialdemokraten haben eine große Sorge, und die will ich hier nicht verhehlen.
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- Ja, eine große Sorge. Hören Sie mit Gelassenheit zu. Wir haben die Sorge, daß die neuerliche Gewichtsverlagerung von der Objekt- zur Subjektförderung, die in diesen ganzen Gesetzentwürfen zum Durchbruch kommt, verbunden mit dem Kratzen am Mieterschutz und mit der übermäßigen Betonung des Marktes, den sozialen Wohnungsbau schwächt.
Sozialdemokraten halten den sozialen Wohnungsbau aber für unentbehrlich, als Neubau und im Bestand. Sozialer Wohnungsbau hat auch 1981 seine wichtige Funktion. Dabei will ich deutlich machen - weil uns da immer etwas Falsches unterstellt wird -: Der soziale Wohnungsbau ist für uns kein Vehikel, um ungerechtfertigte Erwartungen zu wekken. Das Gut Wohnen kostet gutes Geld, und die Baukosten sind der allgemeinen Einkommensentwicklung davongelaufen. Deshalb kann der Staat, die öffentliche Hand, nicht allein, nicht schnell und nicht zu Sozialtarifen alle die vielfältigen Wohnungsprobleme lösen. Dazu bekennen wir uns, und da soll sich auch keiner Illusionen machen.
Aber die Grundphilosophie des sozialen Wohnungsbaus bleibt richtig, nämlich erstens allen Bürgern unseres Landes eine menschenwürdige und bezahlbare Wohnung schaffen und erhalten zu helfen
({7})
und zweitens das besondere Gut Wohnung nicht bedingungslos den Gesetzen des Ellenbogens und des Bankkontos zu unterwerfen.
({8})
Die Politik - daran halten wir fest - ist verpflichtet, sich einzumischen, Wohnungspolitik zu betreiben. Das gilt übrigens für Bund, Länder und Gemeinden, für alle drei.
Ich sage das insbesondere für die, die sich besonders viel von der Beseitigung oder der Beschneidung der Mischfinanzierungstatbestände in diesem Bereich versprechen mögen, als ob die Mischfinanzierung der Grund wäre auch nur für eines der wohnungspolitischen Probleme, die auf der Tagesordnung sind. Tatsächlich wird die Diskussion um die Mischfinanzierung vor allem unter fiskalischen Gesichtspunkten geführt, weniger unter fachpolitischen. Dies vielleicht deshalb, weil beide, Bund und Länder, hoffen, daß sie ihrerseits bei Beschneidung oder Abschaffung der Mischfinanzierung finanzielle Vorteile haben. Aber dagegen spricht Adam Riese. Und letztlich - so muß man befürchten - würde das Verschwinden der Mischfinanzierung eine weitere Reduktion des Neubaus von Sozialwohnungen bedeuten.
Die Menschen, die auf den Zubau von Mietwohnungen in den großen Städten angewiesen sind, sind nicht daran interessiert, zu wissen, ob diese Wohnungen mischfinanziert sind oder ob Bund oder Land finanziert; sie fragen nicht, ob Bund, Länder und Gemeinden dies gemeinsam tragen. Sie brauchen diese Wohnungen. Deshalb ist wichtiger als alles Gezerre um Kompetenzen, das wir uns gemeinsam bemühen, mit knappen Mitteln bei steigenden Baupreisen höchstmögliche Effekte zu erzielen.
Dazu müssen bewährte Finanzierungsarten genutzt werden, dazu müssen auch neue Finanzierungsarten hinzu gefunden werden und dazu müssen - das noch einmal an Sie, Herr Dr. Jahn - die Mittel in hohem Maße in die Bedarfsschwerpunkte gelenkt werden.
Meine Damen und Herren, wir haben in der Bundesrepublik einen Wohnungsstandard, der gut ist. Die allermeisten Menschen wohnen besser als je zuvor, und in vielen unserer Städte und Gemeinden sind Sanierung und Modernisierung erfolgreich durchgeführt worden oder im Gange. Da haben SPD und FDP in der Koalition in den letzten zwölf Jahren gute Arbeit geleistet. Das lassen wir uns auch gar nicht kaputtreden. Ich will nur nicht zu viel Zeit darauf verwenden, das zu wiederholen, was Sie eigentlich wissen müßten, was Sie hier nur unehrlicher-weise nicht anführen.
Interessant ist aber vielleicht, einmal auf einen Gesetzentwurf zurückzukommen, den Sie zur steuerlichen Vergünstigung vorgelegt haben und in dem Sie in der Problemanalyse mit der Anmerkung beginnen:
Der Wohnungsmarkt ist in jüngster Zeit aus dem Gleichgewicht gekommen. Namentlich in den großen Städten zeigen sich deutliche Engpässe.
({9})
- Ja, vielleicht ist dieses „in jüngster Zeit" zeitsynchron mit dem, was sich auf dem Zinsmarkt tut. Das könnte ja sein. Wir sagen zumindest: Die Zinssätze haben größeren Einfluß als das, was Sie für den Bereich Mieterschutz unterstellen.
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Wir sagen, wir haben erfolgreiche Wohnungsbau-und Städtebaupolitik gemacht, aber es gibt keinen Grund, selbstzufrieden zu sein. Es gibt noch eine Menge Probleme, die vor uns liegen, die zu bearbeiten sind. Ich will einige dieser Probleme ansprechen.
Erstens. Die Explosion der Bau- und Wohnungskosten haben wir nicht verhindern können. Zu den hohen Zinssätzen und zu der Tatsache, daß in den letzten zwei Wochen leichte Aufweichungstendenzen vorhanden sind, hat Herr Minister Haack schon etwas gesagt. Wir hoffen alle miteinander, daß in der nächsten Zeit relevante Zinssenkungen möglich werden. Ich glaube, wir sind uns einig, daß dies der ganz entscheidende Impuls für den Wohnungsmarkt wäre. Das ist wichtiger als alles andere, was von Ihnen als Investitionshemmnis angesprochen wird.
Wir sind zuversichtlich, daß dieser Impuls möglich wird. Eine Wohnungseinheit sind zwei Arbeitsplätze auf ein Jahr. Das Bauhandwerk kann nicht auf Lager arbeiten; es gibt da große Probleme. Wir werden jedenfalls das uns Mögliche dazu beitragen, daß der Wohnungsbau nicht weiter durchsinkt und daß über die Möglichkeiten, die gegeben sind, hier neue Impulse entstehen. Die Zinsen aber sind das Allerwichtigste. Wenn es zu relevanten Zinssenkungen kommt - da sind wir ganz zuversichtlich -, wird es neue Konjunktur am Wohnungsmarkt geben.
({11})
Zweitens. Unabhängig vom Problem Zinsen bleibt festzustellen, daß das Bauen in unserem Land teuer
ist, daß es zu teuer ist. Dabei spielen die Bodenpreise eine schlimme Rolle. Um so verwunderlicher ist, wenn die CDU/CSU den wahrlich nicht revolutionären Vorschlägen hierzu, die wir vorgelegt haben, nicht zustimmt oder sich sehr distanziert dazu verhält. Die Opposition hat sich ja interessanterweise mit ihren Vorschlägen zu vielen Problembereichen geäußert, nur nicht zum Problembereich Bodenrecht.
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Das ist vielleicht ein Zeichen dafür, daß Sie hier überhaupt keinen Ansatz sehen oder nicht sehen wollen. Der Kollege Reschke wird noch ausführlicher darauf zurückkommen.
Die Wahrheit ist doch, daß, wenn Bauen bezahlbar bleiben soll, wenn Bauen wieder besser bezahlbar werden soll, dann der Faktor Bodenpreis eine ganz entscheidende Rolle spielt.
Dritter Punkt: die Baukosten an sich. Unser unübertrefflicher Hang zum Perfektionismus verteuert unsere Häuser. Ob das nun 10 % oder 20 % sind, das will ich hier nicht untersuchen. Ich will nur auf ein interessantes Beispiel hinweisen, das man jüngst lesen konnte. Untersuchtes Objekt war ein Teil eines bescheidenen Doppelhauses in der Nähe von Aachen, gebaut 1956/57. Der damalige Preis ohne Grundstück betrug 60 000 DM; ich runde ab. Ein in allen Details vergleichbares Haus hätte 1981 rund 220 000 DM gekostet. Aber damit nicht genug: Weitere 33 000 DM hätten 1981 die einschlägigen Normen und Vorschriften gekostet, die seit 1956 hinzugekommen sind; hinzugekommen wären noch einmal rund 30 000 DM für veränderte Ansprüche an die Ausstattung des Hauses. Das sind 277 000 DM im Jahre 1981 gegenüber 60 000 DM im Jahre 1956/57. Unter diesem Gesichtspunkt, meine ich, kann man deutlich machen, wo auch ein Grund dafür liegt, daß Bauen nicht mehr im bisherigen Umfang funktioniert, daß auch im Eigenheimbau Rückschritte zu erkennen sind.
Das führt mich zu einem Punkt, der hier noch nicht oft angesprochen worden ist, den ich aber einmal aufgreifen will, nämlich zu der Neigung, immer schöner und immer größer und immer perfekter und immer teurer zu bauen. Ein bißchen erinnert diese Tendenz in unserem Land daran, wie wir uns in den vergangenen Jahren zu unseren Autos gestellt haben. Da war es auch einmal lange Zeit schick, sehr große Wagen zu fahren. Wir haben nicht darauf geachtet, ob da Kosten gespart werden können. So ist es zur Zeit an vielen Stellen leider auch noch im Wohnungsbau. Ich will hier nicht Bescheidenheit predigen, was mir nicht zusteht, aber es muß doch erlaubt sein zu sagen: Die schönste Wohnung muß nicht die kinderfreundlichste und die größte Wohnung nicht die hausfrauenfreundlichste und die perfekteste Wohnung nicht die gemütlichste und die teuerste Wohnung nicht die beste Wohnung sein.
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Zwischen Mini-Wohnung mit Einheitsanstrich und der als ideal offerierten Prospektwohnung des Jahres 1981 gibt es eine breite Palette. Vielleicht sollten wir als Eigenheimbauer oder als Erbauer von Mietwohnungen mehr Courage haben und uns überlegen, ob nicht manche Mietwohnung ohne eingebaute perfekte Küche und ohne Teppichboden eher zu vermieten wäre,
({14})
auf dem Hintergrund, daß derjenige, der hineinzieht, Gelegenheit hat, sich seine Wohnung selbst zu gestalten und sie so weiterzubauen und zu entwickeln, wie es sein Portemonnaie erlaubt.
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- Ja, ich weiß, was Sie dagegen sagen, nur müssen Sie sich - ({16})
- Es ist sehr schwierig, mit Ihnen über diesen Punkt zu sprechen - das ist mir ganz klar -, weil Sie sofort unterstellen, man wolle zurück zu irgendwelchen spartanischen Höhlen, in denen gehaust werden soll. Dies ist mit Sicherheit nicht der Fall. Und deshalb appellieren wir: Alle, die darauf Einfluß nehmen können - der Minister hat auch Bemühungen angesprochen, die seitens seines Hauses da im Gange sind -, müssen dafür sorgen, daß die Baukosten sinken und die Ansprüche auf einer realistischen Höhe organisiert werden. Sie müssen denen, die daran interessiert sind, so zu leben und zu bauen, Gelegenheit geben, dieses auch zu tun. Die Genossenschaftshilfe war etwas, was über Jahre große Bedeutung für den Wohnungsbau gehabt hat und heute leider viel zu kurz gekommen ist. Diesen Gedanken sollten wir aufnehmen.
Meine Damen und Herren, in der öffentlichen Diskussion zum Wohnungsbau folgt nach dem richtigen Hinweis auf hohe Bau- und Erhaltungskosten immer öfter die eingängige Formel, es sollten bitte 25 % des Einkommens sein, die man für das Wohnen ausgibt; bisher seien es nur 16 %. Und dann verweist man auf das Auto. Ich halte diese 25 % für eine unehrliche und unbrauchbare Formel. Abgeordnete, Ärzte und sonstige gut Verdienende zahlen keine 25 % und werden die auch in Zukunft nicht zahlen. Mancher Arbeiter, mancher kleine Angestellte und Beamte zahlt aber heute schon mehr als diese 25 %.
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Dabei ist immer noch nicht mitgerechnet, was sich in den letzten Jahren an Heizkosten und an Zweitmiete entwickelt hat. Durchschnittliche Heizkosten von 2 DM/m2 im Monat sind ja keine Seltenheit mehr. Deshalb lautet die Frage heute nicht: Wie können wir es erreichen, daß alle 25 % bezahlen oder die, die unten sind, noch mehr bezahlen? Die Frage muß lauten: Wie können wir es miteinander erreichen, daß die Wohnungen bezahlbar bleiben, und wie können wir die Mietverzerrungen und die Subventionen gut Verdienender abbauen?
Es ist doch leider so: Mancher im Land wohnt auf Kosten der Allgemeinheit billiger, als es seiner Einkommenslage entspricht;
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manch anderer muß teurer wohnen, als es seinem Einkommen entspricht, weil er keine Alternative hat. Zum Abbau der Fehlsubventionen haben wir deshalb einen Gesetzesvorschlag vorliegen, den Sie über Jahre gefordert haben, den das Land Bayern gefordert hat. Nachdem er auf dem Tisch liegt und man merkt, das wird j a nicht ganz populär sein, das werden die Leute j a bezahlen müssen, geht man wieder einen Schritt zurück und sagt: Also, da wollen wir uns doch ein bißchen bedeckt halten, das sollen die Sozialdemokraten und die Liberalen ausmachen; die sollen das im Lande vertreten. Wir wollen mit dem Fehlsubventionsabbaugesetz dafür sorgen, daß ein Stückchen mehr Gerechtigkeit an diesen Punkt kommt.
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- Ja, ein Stückchen. - Wir wissen, daß das Problem der Mietverzerrung bleibt und daß wir auch darauf noch einzugehen haben werden.
Es ist ein wichtiges Problem in den großen Städten, daß es dort nicht möglich gewesen ist - und dies ist im wesentlichen, glaube ich, durch die Baulandproblematik bedingt -, dem Eigenheimbau und der Eigentumswohnung zu mehr Rückenwind zu verhelfen. Wenn wir darüber sprechen, wie denn der Wohnungsbau in den nächsten Jahren verlaufen wird, müssen wir uns daran orientieren, was sich denn die Menschen - diejenigen, die wir als Eigenheimer oder als Mieter vor uns haben - vornehmen. Sehr viele unserer Bürger nehmen sich vor, irgendwann selbst ein Eigenheim oder eine Eigentumswohnung zu bauen. Ich halte dafür, daß neben dem sozialen Mietwohnungsbau in den großen Städten die Komponente des Baus von Eigenheimen und Eigentumswohnungen auch in den großen Städten von großer Bedeutung ist und daß wir den Städten helfen müssen, dieses zu realisieren.
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Bei den Bausparkassen liegen Verträge in der Größenordnung von über 800 Milliarden DM. Davon wird sicherlich ein Teil für andere Zwecke genutzt werden; das ist klar. Aber dies macht doch eine Tendenz deutlich: Es sind noch sehr viele Menschen in unserem Land da, die Eigentum und Eigenheim suchen, die auch bereit sind, sich in hohem Maße zu engagieren. Das sind auch die, die als Investoren die dankbarsten sind,
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langfristig die dankbarsten und für den Staat langfristig auch die billigsten. Es gehört also neben den Gedanken des sozialen Mietwohnungsbaus auch der Gedanke des Eigenheimbaus, auch in den großen Städten, natürlich auch weiter im Land und im Stadtumlandgebiet. Auf das Problem des Baulands werden wir im Verlauf des Tages an anderer Stelle zurückkommen.
Ich will noch eine kurze Anmerkung zu der Behauptung machen, die Eigentümer seien dankbare Investoren. Da liegt nämlich eine der gravierendsten Veränderungen auf dem Wohnungsmarkt überhaupt. Die Investoren sind teilweise andere geworden, als wir sie vor 20, 30 oder 50 Jahren gehabt haben. Der klassische Mietwohnungsbauer mit den vier oder sechs Wohnungen, der das auch als Sicherung für sein Alter und seine Familie verstanden hat, tut das heute nicht mehr in dem Ausmaß, wie es damals der Fall war. Das hat verschiedene Gründe. Nur können Sie die Gründe nicht den Sozialdemokraten anlasten. Das hängt zum Beispiel damit zusammen, daß wir eine Alterssicherung geschaffen haben, die es dem Handwerker nicht mehr nötig erscheinen läßt, sich auf diesem Wege abzusichern.
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Ich will das nur sagen, damit hier kein Mißverständnis entsteht, wenn ich noch zu einem konkreten Beispiel komme, bei dem wir meinen, daß Vermieter ihre Mieter ausnutzen und daß Profit eine größere Rolle spielt als der Wille, Menschen Wohnungen anzubieten. Ich will klipp und klar sagen: Wir haben großen Respekt vor jedem und alle Sympathie für jeden, der Wohnungen zur Miete anbietet und bemüht ist, mit seinen Mietern in Harmonie und Frieden zu leben. Gott sei Dank tun das ja auch die meisten unserer Mieter und Vermieter. Selbstverständlich muß dabei auch der Vermieter auf seine Kosten kommen.
Aber es gibt auch Fälle, in denen die Verantwortungslosigkeit nicht mehr zu überbieten ist. Ich will das an einem Beispiel deutlich machen. Es war vor wenigen Tagen in der „Süddeutschen Zeitung" zu lesen, daß 16 Mietparteien in München eine Mieterhöhung um 300 % angekündigt bekamen. Begründung: gestiegene Kapitalkosten. 100 Quadratmeter kosten zukünftig 2 200 DM statt bisher 700 DM monatlich. Wer das nicht zahlen will oder kann, kann ja ausziehen, denn die Wohnungen werden in Eigentumswohnungen umgewandelt. Das Ziel der Aktion ist klar. Schon im Verkaufsprospekt war zu lesen, daß diese Straße ein „echter Tip" ist, etwas für Ärzte, Adlige, Architekten, Rechtsanwälte, Werbeleute, Künstler, Top-Fotografen und solide Kaufleute. Das sagt alles nichts gegen diese ehrenwerten Berufe, aber es besagt doch, daß hier die Sozialpflichtigkeit des Eigentums mit Füßen getreten wird.
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Das gibt es auch. Weil es das gibt, müssen wir sagen: Der Mieterschutz muß bleiben, er darf um kein Stück geringer werden, damit die Mieter nicht unter die Macht derer geraten, die Wohnungen nicht vermieten, weil sie Menschen Wohnungen anbieten wollen und mit ihnen ehrliche Geschäfte machen wollen, sondern weil sie aus den Wohnungen, laß kommen was will und auf Deubel komm raus hohen Profit erzielen wollen. Dieses gibt es auch, und deshalb müssen wir miteinander dafür sorgen, daß der Mieterschutz gesichert bleibt.
Ich muß zum Schluß kommen. Die Kollegen werden auf die einzelnen Punkte der Gesetzesvorhaben zurückkommen. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
({24})
Das Wort hat der Abgeordnete Gattermann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Debatte zur ersten Lesung des Bundeshaushalts 1982 in der vorvergangenen Woche, aber auch in der öffentlichen Diskussion dieses Sommers zur „Operation '82"
({0})
hat das Wort „Wende" mit oder ohne schmückende Beiworte eine besondere Bedeutung erlangt.
({1})
Ich will diesen Begriff heute nicht weiter strapazieren, obwohl er gerade in der wohnungspolitischen Diskussion lange verwendet wurde, bevor er für die Wirtschafts-, Finanz-, Haushalts- und Gesellschaftspolitik allgemein entdeckt wurde. Natürlich ist der Streit darüber müßig, ob das, was Bundesregierung, Koalitionsfraktionen, Oppositionsfraktionen und Bundesrat an gesetzgeberischen Initiativen auf den Weg gebracht haben, nun eine wohnungspolitische Wende ist oder nur eine wohnungspolitische Kurskorrektur.
Entscheidend ist für uns die Frage, ob das Gesetzespaket, das heute hier in erster Lesung zur Beratung ansteht, geeignet ist, die Probleme des Wohnungsmarkts und der Wohnungsversorgung zu lösen oder nicht. Als besonders gravierende Problemfelder, an denen wir uns bei den Gesetzesberatungen orientieren werden, sehen wir an: erstens dramatisch rückläufige Produktionsziffern bei sozialen Mietwohnungen, fast völlig erlahmte Investitionstätigkeit im frei finanzierten Wohnungsbau und seit Beginn dieses Jahres besorgniserregende Einbrüche auch bei der Produktion der Selbstnutzung dienenden Wohnraums; zweitens deutliche Disparitäten zwischen der Zahl wohnberechtigter Bürger und dem Bestand an Sozialmietwohnungen, insbesondere bezogen auf die Verfügbarkeitsquote von Sozialmietwohnungen, deutliche Mietverzerrungen sowie Fehlsubventionierungen, drittens Leerstand von Wohnungen und Hausbesetzungen, viertens regionale und soziale Versorgungsengpässe und schließlich fünftens knappes und überteuertes Bauland, insbesondere in den Regionen, wo es ohnehin schon Versorgungsengpässe gibt.
Die verschiedenen Probleme unzureichender Investitionstätigkeit im sozialen Mietwohnungsbau, im frei finanzierten Wohnungsbau und im Baubereich für selbstgenutzten Wohnraum sind sehr unterschiedlich. Sie bedürfen unterschiedlicher politischer Antworten, und sie können mit dem vorliegenden Gesetzespaket nicht alle beantwortet werden. Ich füge hinzu, daß es auch nicht zwingend notwendig ist, daß sie alle in allen Bereichen befriedigend beantwortet werden. Hinter dieser Feststellung steht unsere Überzeugung, daß wir es uns wieder angewöhnen müssen, den Wohnungsmarkt und die Wohnungsversorgung als Ganzes zu betrachten. Um diese Erkenntnis allerdings zum politischen Allgemeingut zu machen, ist die getrennte Betrachtung der unterschiedlichen Probleme außerordentlich nützlich.
Wenn man über sozialen Wohnungsbau spricht, muß man, was die ökonomische Seite betrifft, wissen, daß sich die hier geltende Kostenmiete zum größten Teil aus staatlichen Subventionen und nur zum geringeren Teil aus der vom Mieter aufzubringenden Bewilligungsmiete zusammensetzt.
({2})
Der dramatische Rückgang der Produktionsziffern im sozialen Mietwohnungsbau beruht darauf, daß die tatsächlich erhobene Bewilligungsmiete nicht mehr ausreicht, um den bei der öffentlichen Mitfinanzierung geforderten Eigenkapitaleinsatz des Bauträgers zu den vorgeschriebenen, ohnehin niedrigen Sätzen zu verzinsen. Oder anders ausgedrückt: Der Subventionsbedarf pro Wohnung bewegt sich beschleunigt auf die Grenze einer hundertprozentigen Subvention zu.
({3})
Derzeit ist die Situation bereits so, daß eine Sozialmietwohnung durchschnittlicher Größe, durchschnittlichen Zuschnitts und durchschnittlicher Lage staatlicher Subventionen bedarf, die einer monatlichen steuerfreien Subventionsrente für den einzelnen Sozialmieter von deutlich über 1000 DM entspricht.
Daß dies angesichts der Haushaltssituation von Bund, Ländern und Gemeinden so nicht weiter finanziert werden kann, müßte eigentlich auf der Hand liegen. Deshalb halten wir auch nichts von sogenannten Sofortprogrammen für den Bau von Sozialwohnungen, für so wünschenswert wir es auch ansähen und einschätzten, an dem einen oder anderen Platz der Republik mehr Sozialmietwohnungen zu haben und gleichzeitig der Bauindustrie zusätzliche Aufträge zu verschaffen.
({4})
Meine Damen und Herren, diese für manchen vielleicht schmerzliche Feststellung wird an einer Zahl deutlich: Wenn wir die von interessierter Seite geforderten hunderttausend Sozialmietwohnungen im Jahr in den nächsten Jahren tatsächlich bauen wollten, dann müßten für diesen Zweck - Preisniveau von 1981- pro Jahr immerhin rund 15 Milliarden DM von der öffentlichen Hand aufgebracht werden.
({5})
Und dazu käme dann noch der nach wie vor zu fordernde Eigenfinanzierungsanteil der Bauträger von
5, 6, 7 Milliarden DM. Dieses Geld ist ganz einfach nicht da.
({6})
- Nein, lieber Kollege, es ist nicht verwirtschaftet,
({7})
sondern die augenblicklichen wirtschaftlichen und finanziellen Rahmendaten lassen dies nicht zu. Zu Geschenken dieser Größenordnung, Herr Kollege, hat noch kein Staat genügend Geld gehabt.
({8})
- Meine Damen und Herren von der Opposition, ich bemühe mich, ohne jede Polemik dieses für unsere Bevölkerung verdammt schwierige Thema sachlich abzuhandeln.
({9})
Ich würde es in der Tat begrüßen, wenn wir hier heute morgen, demnächst im Ausschuß und auch in allem, was sich daran anschließt, konstruktiv und ohne polemische wechselseitige Beschuldigungen miteinander darüber reden könnten. Ich kann nur appellieren, daß es so sein soll.
({10})
- Ich hoffe es, Herr Kollege Wehner; ich hoffe es.
({11})
Ich kann nur appellieren, daß es so sein soll.
({12})
Die Aufgabenstellung für die Investitionstätigkeit in diesem Bereich des sozialen Wohnungsbaus, der nach wie vor notwendig ist, kann also nur lauten, die vorhandenen Mittel aller öffentlichen Ebenen in Höhe von rund 5 Milliarden DM, die sich gegenüber dem Stand von heute wohl kaum ausweiten lassen werden, an den richtigen Plätzen dieser Republik und zielgenau einzusetzen.
Hierzu rufe ich das Wort des Bundeskanzlers aus der Regierungserklärung in die Erinnerung, daß der Bund anstrebt, die Finanzierungskompetenz für den objektgeförderten Wohnungsbau voll auf die Länder zu übertragen, die ihrerseits diese Aufgabe weitgehend auf die Gemeinden delegieren sollten.
Wenn mit den verbleibenden Möglichkeiten des sozialen Mietwohnungsbaus effektive Marktfeinsteuerung betrieben werden soll - was nötig ist -, Feinsteuerung, die bekanntlich nicht nur gemeindegrenzen-, sondern stadtteilgrenzenscharf gemacht werden muß, dann macht es einfach keinen Sinn, drei Bürokratien hintereinanderzuschalten, wobei auf Grund der geltenden Finanzverfassung doch nur eine mehr oder minder deutliche Gießkannenstreuung herauskäme.
Meine Fraktion appelliert jedenfalls an die Länder, diesen Teil der Regierungserklärung sehr ernst zu nehmen und in den notwendigen Verhandlungen mit dem Bund ihr Mißtrauen zu überwinden, der Bund wolle bei der Transaktion nur einen finanziellen Schnitt machen. In der Regierungserklärung hat Bundeskanzler Helmut Schmidt ganz nachdrücklich gesagt, daß sich der Bund durch eine solche Kompetenzverlagerung nicht bereichern will. Es besteht kein Zweifel daran, daß diese Erklärung so gilt und steht, wie sie ausgesprochen wurde.
Der frei finanzierte Wohnungsbau ist in der Tat nicht erst seit gestern das besondere Sorgenkind. Es ist unbestritten, daß nicht erst seit Einsetzen der Hochzinsphase die Schere zwischen Produktionskosten und Bewirtschaftungskosten auf der einen Seite und den Ertragsmöglichkeiten im Markt auf der anderen Seite so weit auseinanderklafft, daß Investitionsentscheidungen kaum noch verantwortet werden können.
Nun ist es beim langfristigen Investitionsgut, wie die vermietete Wohnung eines darstellt, nicht üblich und notwendig, daß der Ertrag von Anfang an kostendeckend oder gar gewinnbringend ist. Entscheidend ist, daß auf einer halbwegs gesicherten Prognosebasis für einen mittleren Bewirtschaftungszeitraum eine angemessene Kapitalverzinsung erwartet werden kann. Das aber ist, wie das Investitionsverhalten sinnfällig zeigt, offensichtlich nicht mehr der Fall.
Durch das vorliegende Gesetzespaket soll die mittelfristige Renditeerwartung auf zwei Wegen verbessert werden. Zum einen sollen die hohen Anfangsverluste durch die Verbesserung der degressiven Abschreibung für acht Jahre auf 5% statt bisher 3,5 %, durch Steuerentlastung also, etwas gesenkt werden. Zum andern versucht das Mietrechtänderungsgesetz 1981, die rechtlichen Bewirtschaftungsgrundlagen für die mittelfristige Renditeprognose zu verbessern. Hier ist besonders die Zulässigkeit der Staffelmiete auf die Dauer von zehn Jahren für nach dem 1. Januar 1981 bezugsfertig gewordenen Wohnraum zu nennen. Staffelmiete heißt, daß für die Laufzeit der genannten zehn Jahre genau fixierte Mieterhöhungen im voraus vertraglich vereinbart werden können.
Die korrespondierenden Entwürfe von Bundesrat und Opposition schlagen hier weitergehend die Zulassung von Staffelmietverträgen auch für Neuabschlüsse über Bestandswohnungen vor. Dieser Vorschlag ist nicht ohne Logik, weil er verhindern könnte, daß das Mietniveau für Wohnungen ab Bauj ahr-gang 1981 zu deutlich dem allgemeinen Vergleichsmietniveau im Bestand davonläuft.
Ich mache kein Hehl daraus, daß meine Fraktion eine solche oder eine ähnliche Regelung für den Wohnungsbestand ebenfalls für vertretbar gehalten hätte. Wir haben volles Verständnis aber auch für die Auffassung unseres Koalitionspartners, daß durch eine solche Regelung für den Bestand das Bestandsmietniveau möglicherweise zu hektisch in Be3118
wegung geraten könnte - mit allen sozialen Schwierigkeiten und Folgen, die dadurch ausgelöst würden. Das jedenfalls, was jetzt von der Bundesregierung zur Staffelmiete eingebracht worden ist, ist der Kompromiß, zu dem die FDP steht.
Wir zweifeln zur Zeit auch noch die Behauptung insbesondere der institutionellen Großanleger an, ohne Zulassung von Staffelmieten im Bestand käme man nicht über die Investitionsschwelle, weil solche und ähnliche Erklärungen im Laufe eines Gesetzgebungsverfahrens von interessierter Seite wohl ganz einfach so abgegeben werden müssen. Wir sollten aber beim Gesetzgebungsverfahren noch einmal darüber nachdenken, ob wir bei diesen institutionellen Großanlegern nicht Mietanhebungen im Bestand auf der Grundlage von Vergleichsobjekten aus dem eigenen Bestand möglich machen sollten.
({13})
Man wird abwarten müssen, ob nach Inkrafttreten der angestrebten Neuregelung tatsächlich die erwarteten Investitionen ausbleiben; dann wird man sich erneut darüber unterhalten müssen.
Meine Damen und Herren! Dem Ziel einer leichteren und kalkulierbareren Bewirtschaftung bei notwendigen Mietzinsanpassungen an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse dienen auch jene Regelungen im Mietrechtsänderungsgesetz, die wir unter dem Stichwort Entformalisierung zusammenfassen. Das ausgeklügelte Schutzsystem für Mieter bei Mieterhöhungen mit strengen Formvorschriften für Mieterhöhungsschreiben und hintereinandergeschalteten Fristen hat sich in der Tat als zu üppig bemessen und damit im psychologischen Bereich investitionshemmend erwiesen. Ein im Zuge des notwendigen Interessenausgleichs zwischen Vermietern und Mietern geschaffenes Schutzsystem, das von der einen Seite zunehmend als System von Fußangeln und Fallgruben empfunden wird, wirkt per Saldo auch für die Mieter negativ.
Es ist überhaupt mit allem Nachdruck darauf hinzuweisen, daß Mieterschutz und Mietenpolitik nicht nur und ausschließlich für Mieter gemacht werden dürfen, die glückliche Besitzer einer Wohnung sind, sondern auch und gerade für Mieter, die eine Mietwohnung suchen.
({14})
Man hat heute den Eindruck, daß der klassische Interessengegensatz zwischen Vermieter und Mieter überlagert wird durch den Interessengegensatz zwischen denen, die Mietwohnungen haben, und denen, die Mietwohnungen suchen. In der ihm eigenen griffigen Prägnanz nennt mein Parteifreund, der Saarbrücker Professor Stützel dies den Interessengegensatz zwischen Altsassen und Newcomern.
Wir hoffen schließlich auch darauf, meine Damen und Herren, daß die Durchführung von Mieterhöhungsverfahren dadurch praktikabler und zeitnäher wird, daß wir durch Realisierung des Entwurfes eines Mietspiegelgesetzes dasjenige Instrument, das sich noch am besten bewährt hat, obligatorisch machen und Kriterien für seine zeitnahe Erstellung und Fortschreibung aufstellen.
({15})
- Jedenfalls glauben wir, Herr Kollege Kolb, daß wir durch die aufgezeigten gesetzlichen Regelungen das Klima und die Voraussetzungen für den Wiederbeginn einer Investitionstätigkeit im freifinanzierten Wohnungsbau geschaffen haben.
Für diesen Bereich des freifinanzierten Geschoßwohnungsbaues muß noch das Problem der Bauherrenmodelle angesprochen werden. Auf diese Art und Weise - wie immer man dazu stehen mag - sind nämlich in den letzten Jahren beachtliche Stückzahlen von Wohnungen errichtet und dem Mietwohnungsmarkt zugeführt worden.
({16})
Diese Möglichkeit steuersparenden Bauens soll durch die Abschaffung der Mehrwertsteueroption zum 1. Januar 1984 stark eingeschränkt werden. Ich bin voller Skepsis, ob dies eine gute Entscheidung sein wird.
({17})
Ich habe tiefsitzende Zweifel, ob die geschilderten Verbesserungen der wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmendaten für den sonstigen freifinanzierten Wohnungsbau in dem Umfang wirken, daß ausfallende Produktionsziffern im Bauherrenmodell nicht nur voll ausgeglichen werden, sondern darüber hinaus der erwünschte zusätzliche Wohnraum geschaffen wird.
({18})
Wenn wir dennoch einer solchen Regelung zugestimmt haben, so deshalb, weil dieser Neubaumehrbedarf nur für dieses Jahrzehnt gilt und nicht darüber hinaus
({19})
und weil diese Neuregelung nicht sofort, sondern erst zum 1. 1.84 in Kraft treten soll, so daß Hoffnung besteht, in dieser besonderen konjunkturellen Lage durch die Auslaufregelung über einen Vorzieheffekt mehr Wohnungen gebaut zu bekommen, als dies bisher geplant war.
Allerdings kann diese Wirkung mit der jetzigen Formulierung des Gesetzentwurfes nicht erreicht werden, nach der entsprechende Wohnbauten bis zum 1. Januar 1984 fertiggestellt sein müssen. Bauprojekte dieser Art benötigen für Planung, Auflegung und Realisierung mindestens einen Zeitaufwand von zwei Jahren und mehr, so daß der angestrebte Vorzieheffekt kaum noch greifen kann.
({20})
Wir hoffen, daß sich im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens noch Klarstellungen dadurch erzielen lassen,
({21})
daß man auf den Zeitpunkt des Bauantrags, zumindest aber auf den Zeitpunkt des Antrags auf Rohbauabnahme abstellt.
({22})
Der Bereich des Baus selbstgenutzten Wohnraums war bis in das Jahr 1980 hinein die Stütze der Wohnungsbaukonjunktur und der Wohnungsversorgung. Er ist es auch im Jahre 1981, wenn auch leider etwas eingeschränkt. Alles, was ich zu den ungünstigen wirtschaftlichen Rahmendaten des Sozialmietwohnungsbaus und des freifinanzierten Mietwohnungsbaus gesagt habe, gilt selbstverständlich ebenso für diesen Bereich, jedoch treffen wir hier auf einen ungeheuren Leistungswillen unserer Wohnbevölkerung, den es zu nutzen und zu honorieren gilt.
Unter dem Joch exorbitant hoher Kapitalmarktzinsen ist aber auch hier die Leistungsgrenze selbst mittlerer Einkommensschichten erreicht und teilweise überschritten. Wir begrüßen es deshalb ganz außerordentlich, daß wir uns darauf verständigen konnten, die Höchstbeträge für die Sonderabschreibung nach § 7 b Einkommensteuergesetz um jeweils 50 000 DM anzuheben. Das bringt immerhin bei den laufenden Aufwendungen eine durchschnittliche monatliche Entlastung um gut 80 Mark für den einzelnen Bauwilligen.
({23})
Wir begrüßen es auch, daß diese Maßnahmen für Familien mit Kindern noch dadurch verstärkt werden,
({24})
daß ab dem zweiten Kind eine steuerliche Entlastung von jährlich 600 DM pro Kind hinzukommt. Wenn gleichzeitig im Zweifamilienhausbereich die Möglichkeit des unbegrenzten Schuldzinsenabzuges dann beseitigt wird, wenn es sich um ein unechtes, allein selbstgenutztes Zweifamilienhaus handelt, so halten wir das für vertretbar und im Sinne der Gleichbehandlung aller selbstnutzenden Wohnungseigentümer wohl auch für geboten.
Die mindestens in den nächsten zehn Jahren benötigten Neubauinvestitionen erwarten wir also überwiegend vom privaten Investor. Wir hoffen, daß die Voraussetzungen dafür geschaffen worden sind. Die vorhandenen staatlichen Mittel zur Objektfinanzierung müssen regionengenauer und zielgruppengenauer zum Einsatz kommen. Doch bedarf es dazu der Mithilfe der Länder.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, als zweites Problemfeld, dem wir uns mit unseren wohnungspolitischen Gesetzesinitiativen zuwenden wollen, habe ich eingangs die Disparitäten zwischen Wohnberechtigten und Sozialwohnungsbestand, mangelnde Verfügbarkeit von Sozialmietwohnungen, Mietverzerrungen und Fehlsubventionierungen genannt. Die hierzu bisher auf dem Tisch liegenden Gesetzentwürfe aller mit Initiativkompetenz ausgestatteten Verfassungsorgane scheinen mir - jeder
für sich allein betrachtet - nicht voll überzeugend zu sein. Der Meinungsbildungsprozeß scheint mir hier noch nicht abgeschlossen. Die allfällig geführten politischen Diskussionen haben wohl noch nicht zu einem tragfähigen Konsens geführt.
Wenn es eine deutliche Diskrepanz zwischen Wohnberechtigten und vorhandenen Sozialwohnungen gibt und überdies ein beachtlicher Teil der vorhandenen Sozialmietwohnungen von nicht wohnberechtigten Mietern genutzt wird, dann ist das auf die Dauer weder unter sozialpolitischen noch unter rechtsstaatlichen noch unter wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten vertretbar
({25})
- warum machen Sie bei der Fehlsubventionierungsabgabe denn nicht mit, Herr Kollege? -;
({26})
unter sozialpolitischen Gesichtspunkten deshalb nicht, weil nicht allen bedürftigen Bevölkerungsteilen subventionierter Wohnraum zur Verfügung gestellt werden kann, während trotz breit definierter Anspruchsberechtigung nichtberechtigte Bürger subventionierten Wohnraum nutzen; unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten deshalb nicht, weil vom Staat nicht Anspruchsberechtigte befriedigt, Anspruchsberechtigte aber nicht befriedigt werden; schließlich unter wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten deshalb nicht, weil eine Zweiteilung des Marktes an sich schon von Übel ist, besonders aber, weil durch Aufrechterhaltung einer breiten Anspruchsberechtigung und zunehmend geringerer Leistungkraft des Staates künstlich Nachfrage und damit künstliche Mangellagen produziert werden.
Wir befinden uns an dieser Stelle - lassen Sie mich das klar sagen - in einem Teufelskreis, bei dem wir im Rahmen des herkömmlichen Systems an Symptomen herumkurieren können, aus dem wir uns aber ohne grundlegendes Umdenken nicht lösen können. So wäre es eine Verpflichtung aus dem Sozialstaatsgebot, wenigstens so viele Wohnungen aus dem sozialen Wohnungsbestand freizumachen, zu entmieten, wie das scheußliche Wort in der wohnungswirtschaftlichen und wohnungspolitischen Sprache heißt, um tatsächlich alle sozial Schwachen zu versorgen. Das geht aber auf Grund des absoluten Besitzschutzes an der Wohnung für den Mieter im Rahmen unserer Mieterschutzgesetzgebung nicht.
So müßten wir, um das Problem von der anderen Seite her zu lösen, ständig so viele soziale Mietwohnungen neu bauen, daß alle Wohnberechtigten, die ihren Anspruch geltend machen, auch befriedigt werden können.
({27})
Und das ist nicht finanzierbar.
({28})
Daraus ergibt sich die mittelfristige Notwendigkeit, die Marktzweiteilung zu überwinden, die staatlichen Aufgaben der Wohnungspolitik neu zu definieren und das Netz subjektiver Hilfen für die, die nicht sozial schwach sind, aber dennoch überfordert, auszubauen.
({29})
- Lassen Sie mich weitersprechen, Herr Kollege Jahn, dann werden Sie merken, daß der Beginn bereits auf dem Tische liegt.
({30})
Mit dem vorliegenden Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes über den Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen und mit den Entwürfen der Opposition und des Bundesrates eines Gesetzes zur Belebung des sozialen Wohnungsbaus und zum Abbau nicht mehr gerechtfertigter Subventionen - übrigens auch schon mit dem Wohnungsbauänderungsgesetz 1980 des 8. Deutschen Bundestages -, auch mit Ihren Überlegungen zum Gemeinnützigkeitsrecht und den Vorüberlegungen, die in der Bundesregierung zu diesem Bereich angestellt werden, wird aus unterschiedlichen Ansätzen und mit unterschiedlicher Intensität versucht, sich behutsam an den geschilderten Problemberg heranzubegeben.
Ich will hier im Rahmen der ersten Lesung gar nicht das Für und Wider der unterschiedlichen Ansätze erörtern. Ich will auch die Frage offen lassen, welchen Umfang einzelne Schritte des einen oder anderen Lösungsweges haben dürfen, wenn soziale Friktionen verhindert werden sollen. Ich will nur meine Hoffnung äußern, daß im Laufe der Beratungen ein Kompromiß aus den unterschiedlichen Vorschlägen gefunden wird. Für die FDP-Fraktion jedenfalls gilt, daß der Prozeß ordnungspolitisch notwendiger Strukturbereinigungen einen längeren Zeitraum - wir schätzen zehn bis zwölf Jahre - in Anspruch nehmen muß, wenn soziale Friktionen vermieden werden sollen. Über einen so langen Zeitraum ist nach unserer Auffassung das Ärgernis der Fehlsubventionierung für die letzten Fehlbelegergruppen nicht tolerierbar.
Eine Synthese aus den Vorschlägen der Bundesregierung - wenn auch in vereinfachter und unter Umständen regionenspezifischer Form - und den Vorschlägen des Bundesrates bietet sich nach unserer Überzeugung förmlich an. Die FDP-Fraktion appelliert an alle Seiten dieses Hauses und an den Bundesrat, sich vorurteilsfrei, ideologiefern, das heißt also konstruktiv, der Kompromißsuche zu widmen.
Meine Damen und Herren, das dritte von mir genannte Problemfeld war mit den Worten „Leerstand von Wohnungen und Hausbesetzungen" umschrieben. Dieses zwiefache Ärgernis ist es wohl, das der Wohnungspolitik mit ihren Problemen in der öffentlichen Diskussion einen Stellenwert gegeben hat, der ihr eigentlich nicht zukommt. Denn trotz der Fülle der Probleme darf und muß - ich glaube, heute morgen zum dritten Mal - festgestellt werden, daß, über alles betrachtet, die Wohnungsversorgung unserer Bevölkerung in diesem Lande quantitativ und qualitativ nie so gut war.
Dennoch, wenn es in der Bundesrepublik Abertausende von leerstehenden Wohnungen gibt, wenn es Hausbesetzungen nicht nur in Großstädten, sondern hier und da auch in mittleren und Kleinstädten gibt, dann müssen wir uns mit diesem Problem auseinandersetzen, und wir müssen auch Problemlösungen anbieten.
Zunächst einmal, meine Damen und Herren, darf man die Hausbesetzerszene nicht über einen Kamm scheren, sondern man wird feststellen müssen, daß mindestens drei Gruppen auszumachen sind. Da sind zum einen solche, insbesondere junge Menschen, die tatsächlich nicht oder nicht ausreichend wohnungsversorgt sind und ganz einfach zugreifen, wenn sie leerstehenden Wohnraum sehen. Da ist der größere Teil, aus den unterschiedlichsten politischen Gruppen und Grüppchen, die diese Republik nicht wollen,
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die sie mehr oder weniger radikal verändern wollen und hier ein geeignetes, Solidarisierung versprechendes Betätigungsfeld gefunden zu haben glauben und wohl auch gefunden haben. Da ist schließlich eine dritte Gruppe von bloßen Krawallmachern, die ein bißchen aus Abenteuerlust und ein bißchen aus Aktionsdrang mitmischen. Ich will es einmal so sagen: Die Beschäftigung mit den beiden zuletzt genannten Gruppen ist sicher kein speziell wohnungspolitisches Problem, kein wohnungspolitisches Thema. Deshalb will ich hier auch die Fragen ununtersucht lassen, ob ein Dialog möglich ist, wie er zu führen ist, wie man den überwiegend jungen Menschen unsere Wertvorstellungen von Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat vermittelt, wie man ihnen Perspektiven und Betätigungsfelder anbietet und aufzeigt.
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Aber wie man dem Leerstand von Wohnungen zu Leibe rückt und wie man den wirklich Nicht- oder Unterversorgten ein Dach über den Kopf verschafft, sind eminent wohnungspolitische Fragen. Da stellt sich an allem Anfang geradezu zwangsläufig die Frage, warum Eigentümer - seien es private, seien es Gesellschaften, seien es gar gemeinnützige Gesellschaften, seien es gar Gebietskörperschaften höchstpersönlich - Wohnraum über längere Zeiträume leerstehen lassen, wenn doch Ertrag erwirtschaftet werden könnte und im Grunde doch jeder auf Ertrag aus ist. Meine Damen und Herren, die Antwort ist so einfach, daß man vor ihr erschrickt: Wir selbst haben durch viele gutgemeinte Gesetze,
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durch gutgemeinte Mieterschutzgesetzgebung z. B., die Dispositionsmöglichkeiten bezüglich des Wohnungseigentums für den Eigentümer so stark eingeschränkt, daß diesem überhaupt nichts anderes übrigbleibt, als frei gewordenen oder frei gemachten Wohnraum auch über längere Zeiträume leerstehen zu lassen, wenn über kurz oder lang Selbstbezug,
grundlegende Modernisierungs- oder Sanierungsmaßnahmen oder der Abriß geplant sind.
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- Warten Sie es ab, Sie kriegen die Antwort. - Wenn Zeitmietverträge faktisch unmöglich sind, wenn das gerichtliche Räumungs- und Vollstrekkungsverfahren über Jahre gestreckt werden kann, dann werden Eigentümer den Wohnraum zwangsläufig - unter erheblichem Einnahmeverzicht - leerstehen lassen.
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Wenn man weiter bedenkt, daß Planungsprozesse durch Bürgerbeteiligung und Bürgereinsprüche, durch veränderte Finanzierungsgrundlagen während der langen Planungsverfahren und ähnliches immer längere Zeiträume in Anspruch nehmen,
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dann ist es naheliegend, daß auch die Leerstandszeiten länger werden.
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Wie anders wäre es denn wohl zu erklären, daß z. B. in Berlin viele tausend Wohnungen schon seit bis zu zehn Jahren leerstehen?
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In der öffentlichen Diskussion aber wird zu diesem Thema in der Regel der böse Spekulant vorgeführt,
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der sein Haus vorsätzlich verrotten läßt, um eine Abrißgenehmigung zu erhalten und dann hernach eine dicke, bessere Bodenrendite zu erwirtschaften.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, das gibt es, und zwar in nicht allzu geringem Maße. Ich will dies hier um Himmels willen nicht verniedlichen, ganz im Gegenteil! Nur, es ist nicht der größere Teil der leerstehenden Räume, die aus diesem Grunde leerstehen. Deshalb handelt derjenige, der sich bei der Ursachenermittlung für den Leerstand von Wohnraum auf die Spekulanten beschränkt, nicht nur unlauter, sondern er wird auch keine Problemlösungen finden.
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- Ich sage gleich auch etwas zu meinen Berliner Parteifreunden; Sie können ganz beruhigt sein, Herr Kollege. Die Bundesregierung hat am 27. Mai den Auftrag erteilt, das Mietrechtsänderungsgesetz 1981 um Zeitmietvertragsregelungen zu ergänzen, dies in den betreffenden Häusern zu prüfen. Nach meinem
Kenntnisstand sind die Formulierungen dazu schon sehr weit fortgeschritten.
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Meine Damen und Herren, eine solche Regelung entspricht vergleichbaren Vorschlägen, die Sie gemacht haben; richtig.
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Deshalb kann ich erfreut davon ausgehen, daß wir am Ende dieser Gesetzesberatungen in den notwendigen Fallgestaltungen in begrenztem Umfang tatsächlich wieder Zeitmietverträge haben werden.
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Meine Fraktion jedenfalls ist davon überzeugt, daß dies ein ganz wichtiges Instrument ist, um dem Leerstand von Wohnungen zu begegnen. Bei den Gesetzesberatungen sollten wir darauf achten, daß dieses Instrument einerseits nicht wieder zu starr und unflexibel wird, andererseits damit aber auch unter gar keinen Umständen der Weg für eine Umgehung von Anderungskündigungen geebnet wird. Dies werden wir verhindern müssen.
Übrigens wird auch ein Teil der Spekulanten zwischenvermieten, weil diese ja bekanntlich auf Profit aus sind. Wenn man ohne allzu große Risiken zwischenvermieten kann, werden das auch Spekulanten tun. Wir begrüßen in diesem Zusammenhang auch die Initiative vieler Länder, das vorhandene Instrument der Zweckentfremdungsverordnung zu reaktivieren.
Das letzte, vielleicht das Ernsteste, was ich zu diesem Problemfeld sagen will, ist dies: Wie ärgerlich der Leerstand von Wohnraum auch immer sein mag, so viel menschliches Verständnis man für die empörten Gefühle Wohnungsuchender angesichts des Leerstandes von Wohnungen haben mag - eine Hausbesetzung gegen den Willen des Eigentümers ist und bleibt ein Akt illegaler Gewalt.
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Die Verwendung des Adjektives „friedlich" in Verbindung mit Hausbesetzungen deutet auf eine gefährliche Verschiebung von Werten unserer rechtsstaatlichen Ordnung hin.
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Es wirkt nachgerade peinlich - wenn man von der Gefährlichkeit einmal absieht -, wenn ausgemachte Professoren der Jurisprudenz eilfertig Rechtfertigungstheorien für solche illegalen Gewaltakte zimmern.
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Dieser Staat und seine Rechtsordnung nehmen Schaden, wenn man hier Zweifel aufkommen läßt.
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Damit ist überhaupt nichts gegen den Versuch gesagt, auf konfliktfreie Weise den Rechtsfrieden wiederherzustellen. Aber dieser Rechtsfriede muß wiederhergestellt werden, und das darf nicht zu lange dauern. Wenn Nutzungsverträge abgelehnt werden, wenn Ersatzwohnungen in den Wind geschlagen werden, wenn Strafanträge und rechtskräftige Räumungstitel vorliegen - Linie Berliner Vernunft -, dann geht es nicht mehr um Wohnungsversorgung; dann steht die staatliche Ordnung auf dem Prüfstand.
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Und dann muß gehandelt werden. Das ist keine Handlungsnotwendigkeit für einen abstrakten Begriff staatlicher Ordnung. Hier ist die sehr konkrete Ordnung als Lebensgrundlage für ein friedliches Miteinander unserer Bürger gemeint.
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Denn wenn Mißachtung der Rechtsordnung und Gewalt bei einer Minderheit geduldet werden, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich die Gegengewalt der vom Staat im Stich gelassenen gesetzestreuen Bürger formiert. Schon hat es Rollkommandos gegeben.
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Schon vermehrt sich der Ruf nach Selbsthilfe und Bürgerwehr. Der ideologische Überbau hüben wie drüben findet sich schnell, und auf der Strecke bleiben Freiheit und Demokratie.
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Man sage mir nicht, solches Mahnen sei überzeichnet, Ruhe und Besonnenheit, Vermeidung von Hysterie und Hektik, Dialog, Reintegration abdriftender Jugendlicher seien erforderlich, um den sozialen Frieden zu wahren; eine freiheitlich-demokratische Gesellschaft müsse lautstarke, auch gewaltgeneigte Randgruppen ertragen können, ohne gleich mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. Dies alles ist richtig. Ich unterstreiche es Wort für Wort - wenn eine klare Konzeption vorliegt, wenn glaubhaft politische geistige Führung für jedermann erkennbar sind!
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Wenn aber hier und da der Eindruck kopflosen Nichtstuns und kleinlichen parteipolitischen Gezänks vorherrscht, dann ist Gefahr im Verzuge.
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Bei allem Respekt vor dem von mir sehr hochgeschätzten ehemaligen Bundesjustizminister Hans-Jochen Vogel, bei allem Respekt vor meinen eigenen Parteifreunden - hier meine ich nicht die Mehrheit der FDP-Fraktion in Berlin - sage ich folgendes: in einer Situation wie in Berlin in der letzten Woche ein
Mißtrauensvotum gegen Bau- und Innensenator, die ihre Pflicht getan haben, zu fordern oder auch nur öffentlich zu erwägen, scheint mir trotz allen Situationsverständnisses, trotz aller Dialogbereitschaft sehr gefährlich zu sein. Das Gespenst von Weimar tauch dabei für mich auf.
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Ich hoffe, ich habe überzeichnet, meine Damen und Herren. Ich hoffe, ich habe überzeichnet.
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Aber lieber zu früh überzeichnen, Herr Kollege Conradi, als zu spät aufwachen.
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Meine Damen und Herren, entgegen meiner Absicht habe ich nun doch den unmittelbaren wohnungspolitischen Bezug der Debatte etwas verlassen.
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Ich will zurückkommen. Lassen Sie mich deshalb zum vierten Problemkreis einige Anmerkungen machen: regionale und soziale Versorgungsengpässe. Ich muß wiederholen, daß solche regionalen und sozialen Versorgungsengpässe bei global guter Versorgungslage nur durch Marktfeinsteuerung in den Griff zu bekommen sind. Ich muß wiederholen, daß solche Marktfeinsteuerung nicht mit drei hintereinandergeschalteten Bürokratien effektiv gemacht werden kann. Ich muß wiederholen, daß unsere gültige Finanzverfassung dem Bund die tatsächliche Möglichkeit für solche Feinsteuerungsmaßnahmen nicht einräumt.
In diesem Zusammenhang erwähne ich die richtigen Erkenntnisse und die in einer Rede vorgetragenen Überlegungen des geschätzten Präsidenten unseres Bundesverfassungsgerichts, der betont hat, daß es Verpflichtung des Sozialstaates mit Verfassungsrang sei, in Zeiten geringerer staatlicher Ressourcen diese sozial zielgenau einzusetzen. Das rundum absolut zielgenau wirkende Gesetz staatlicher Wohnungspolitik ist nach Einschätzung der Freien Demokraten das Wohngeldgesetz. Dieses Gesetz ist und bleibt nach unserer Auffassung das entscheidende bundeseinheitliche Gesetz für soziale staatliche Wohnungspolitik. Die in diesem Zusammenhang mit der Operation '82 vorgebrachte öffentliche Kritik an den Einsparungen, die auch die Mittelausstattung für dieses Gesetz erfahren hat, weise ich für meine Fraktion zurück.
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Der Kernbereich der sozialen Sicherung durch dieses Gesetz ist durch die Kürzungen in keiner Weise beeinträchtigt. Die staatliche direkte Objektförderung aber - und dies sage ich jetzt noch einmal mit allem Nachdruck - gehört in die Hände der GeGattermann
meinden. Dort gehört die Kompetenz und dort gehört das Geld hin.
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Auf der Grundlage der Regierungserklärung bleiben Bund, Länder und Gemeinden aufgefordert, die für diese Zuständigkeitsverlagerung notwendigen Voraussetzungen zu schaffen.
Als letzten Problembereich spreche ich das knappe und überteuerte Bauland, unsere Baulandnovelle an. Hier versucht die Bundesregierung mit dem Gesetzentwurf, das Planungsinstrumentarium für die Gemeinden zu verbessern, damit sie der Aufgabe der Bereitstellung preiswerten Baulandes besser gerecht werden können. Baugebot, Erhaltungssatzungen, erweiterte Umlegung und gemeindliche Entwicklungsmaßnahmen heißen die Stichworte.
Meine Damen und Herren, instrumentelle Lösungen für Probleme lösen bei Liberalen immer eine bestimmte Grundskepsis aus. Das gilt insbesondere dann, wenn vorhandene Instrumente nach relativ kurzer Geltungsdauer verbessert bzw. weiterentwikkelt werden, bevor noch die vorhandenen Instrumente in ihrer Wirksamkeit voll getestet, bevor noch eine breite Akzeptanz bei den Gemeinden festzustellen ist, sie überhaupt anzuwenden. Diese Grundskepsis ist auch bei diesem Gesetzentwurf vorhanden, weil wohnungspolitische und bodenpreisrechtliche Zielsetzungen in ein Gesetz hineingelangen, das konzeptionell anderen Zielen, nämlich geordnetem Baurecht und geordnetem Stadtentwicklungsrecht, dienen soll; Skepsis auch deshalb, weil es schwierig ist, Verwischungen zum Enteignungsrecht zu überschauen und zu vermeiden.
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Dennoch, meine Damen und Herren, geht die FDP-Fraktion sehr aufgeschlossen in die Gesetzesberatungen hinein, weil in der Tat Probleme des Milieuschutzes, weil in der Tat Probleme der Bodenpreis-pflege und der Bodenbereitstellung einer Lösung harren und andere Konzepte - auch bei Ihnen nicht, Herr Kollege Jahn - weit und breit nicht in Sicht sind. Wir reklamieren aber, daß die Beratungen dieses Gesetzes - vielleicht im Gegensatz zu den anderen Gesetzen aus diesem Paket - besonders sorgfältig und besonders intensiv und unter intensiver Beteiligung der Praxis und der Praktiker und ohne Zeitdruck erfolgen müssen, damit nicht Schaden gestiftet wird, wo Nutzen gewollt ist; denn es handelt sich hier um eine außerordentlich komplizierte, um eine außerordentlich komplexe, aber außerordentlich weitreichende Gesetzesmaterie.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in die Wohnungspolitik ist Bewegung geraten. Eine Vielzahl von Vorschlägen liegt auf dem Tisch. Allen Vorschlägen sind zwei Grunderkenntnisse gemeinsam: Der Staat kann nicht alles, der Staat darf nicht alles. Gefordert sind Bürger und Wirtschaft,
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und ein fairer Interessenausgleich zwischen den Marktbeteiligten, der ökonomische Grunderkenntnisse nicht negiert, ist vom Staat gefordert.
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Wir hoffen, daß die Gesetzesberatungen, die zwangsläufig über dieses Haus hinausgehend unter Einbeziehung der Ländervertreter erfolgen müssen, ein Ergebnis zeitigen werden, das diesen Grunderkenntnissen gerecht wird.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schneider.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir, daß ich meine Ausführungen mit einer ergänzenden Betrachtung zu dem einleite, was der Kollege Gattermann gesagt hat. Herr Kollege Gattermann, soweit Sie sich mit den Hausbesetzern und Hausbesetzungen befaßt haben, haben Sie den Beifall meiner Fraktion, der Fraktion der CDU/CSU, gefunden.
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Aber es war bezeichnend, wer Ihnen keinen Beifall beklatscht hat,
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und es ist bezeichnend, daß dieses Verhalten offenkundig macht, daß man offensichtlich in diesem Hause den Zusammenhang zwischen Rechtsstaat und Sozialstaat nicht sehen will.
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Der Sozialstaat setzt einen funktionierenden Rechtsstaat voraus,
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und wer den Rechtsstaat gefährdet, zerstört den Sozialstaat und auch die Fundamente für eine soziale Mieten- und Wohnungspolitik.
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Meine Damen und Herren, ich bin nicht hierhergetreten, um billige Polemik zu machen,
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obschon Polemik, gute Polemik, Würze und Pfeffer in jeder Politik ist. Aber das Thema ist heute zu ernst, und der Plenarsaal ist
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so besetzt, daß ich wohl annehmen kann, daß mir nur solche Damen und Herren zuhören, die ein wirkliches Interesse daran haben, und sie sollen von mir erfahren, was ich von den Vorschlägen der Bundesregierung halte.
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Meine Fragen lauten: Bringen die Gesetzesvorlagen der Bundesregierung eine Wende? Sind sie geeignet, die Wohnungsmisere zu beheben? Ist dies ein neuer Anfang, ist dies eine neue Politik?
Meine Damen und Herren, viele hören uns zu, und viele lesen das, was wir hier sagen. Dieser wohnungspolitischen Debatte kommt ein großes öffentliches Interesse und - glauben Sie mir das - ganz sicher auch ein großes Interesse bei vielen Familien zu, die Sorge haben, ob sie ihre Kapitaldienstleistungen künftig noch erbringen können, ob sie gar morgen vor der Notwendigkeit stehen werden, sich durch Zwangsverkauf von ihrem Liebsten zu trennen, nämlich von dem Einfamilienhaus, von der Eigentumswohnung, von den eigenen vier Wänden.
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Meine Damen und Herren, die Antwort auf die Frage, ob die Vorschläge der Bundesregierung geeignet sind, den freien Wohnungsbau wieder zu beleben und den sozialen Wohnungsbau auf seine ursprüngliche Bedeutung und Zweckbestimmung zurückzuführen, hängt auch wesentlich von der Beantwortung der Frage ab, welche Ursachen zur Angebotskrise und zum Rückzug privater Anleger vom Wohnungsmarkt geführt haben. Kein Sachkundiger wird behaupten, daß es dafür eine einzige und eine allein ausschlaggebende Ursache gibt. Gewiß aber gehen wir nicht fehl, wenn wir feststellen, daß die staatlichen Eingriffe, die neue Mietengesetzgebung, der Verlust der Vertragsfreiheit im Mietrecht und die Lage am Kapitalmarkt dazu beigetragen haben, die Wohnungsversorgung partiell, insbesondere aber in den Verdichtungsräumen, nachhaltig und sozial bedenklich zu gefährden.
Für unser Thema ist die Frage von entscheidender Bedeutung: Welchen Bedarf bzw. welche Nachfrage nach Wohnungen können wir feststellen? Die Bundesregierung kann diese für eine neue und bessere Wohnungspolitik elementar wichtige Frage nicht beantworten. Ich füge hinzu: Niemand in unserem Lande ist imstande, diese Frage zu beantworten. Warum? Einmal fehlen Erhebungen im Rahmen einer umfassenden Wohnungs- und Volkszählung, zum anderen wird die Nachfrage erheblich vom Preis, also von der Miethöhe bestimmt. Niemand aber kennt den Mietpreis, der sich aus Angebot und Nachfrage ergibt, Angebot und Nachfrage sind behördlich beeinflußt und gesteuert. Unser Mietpreis ist manipuliert.
Wir müssen allerdings zwischen Bedarf und marktwirksamer Nachfrage unterscheiden. Bedarf muß in Nachfrage umgesetzt werden, Nachfrage muß von der finanziellen Leistungskraft und dem wirtschaftlichen Leistungswillen gestützt werden. Konkret bedeutet das: Nachfrage hängt auch davon ab, wieviel die einzelnen Mieter für die Wohnung nach Größe und Qualität zu leisten bereit und imstande sind. Die Nachfrage konzentriert sich, wie wir alle wissen, auf - ({9})
- Verehrter Herr Kollege Conradi, ich werde gleich sehr konkret werden.
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Die Nachfrage konzentriert sich auf qualitative und
preisgünstige Wohnungen in den Großstädten und
regionalen Verdichtungsräumen. Dabei haben wir
festzustellen bzw. zu beklagen, daß die Bereitschaft, für das Wirtschaftsgut Wohnung einen angemessenen Preis zu bezahlen, infolge der hohen staatlichen Subventionen in der Vergangenheit allgemein und grundsätzlich nachgelassen hat. Fast zwei Drittel aller Mietverhältnisse in unserem Lande sind subventioniert. Der Steuerzahler zahlt bei der Miete mit bzw. der Vermieter ist vielfach daran gehindert, kostendeckende Mieten zu verlangen. Dies gilt keineswegs nur für den freifinanzierten Wohnungsbau, sondern auch für den gemeinnützigen Wohnungsbau, für die gemeinnützige Wohnungswirtschaft. Schon seit Jahren wird behauptet, daß die nicht kostendeckenden Sätze nach der Zweiten Berechnungsverordnung zu einem jährlichen Defizit von über 2 Milliarden DM führen.
Meine Damen und Herren, wir müssen, wenn wir seriös miteinander reden wollen, auch die Frage der Einkommen-Mieten-Relation aufwerfen. Hier hat der Herr Bundesbauminister erst am 21. September 1981, also erst vor wenigen Tagen, in einer Presseverlautbarung festgestellt, daß der Anteil der Bruttokaltmiete am Nettoeinkommen, bezogen auf das Nettoeinkommen aller Hauptmieterhaushalte, im Augenblick in ländlichen Regionen 13,8 %, in hoch verdichteten Regionen 15,5 % und im Bundesdurchschnitt 14,9 % ausmacht.
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Wer weiß, meine Damen und Herren, was wir für andere Haushaltsausgabeposten ausgeben, für Freizeit, Hobby usf. - hier liegen die Ausgaben wesentlich höher; für das Auto liegen sie wesentlich höher -, der muß seriöserweise auch eine Diskussion darüber führen, ob im Durchschnitt die Relation zwischen verfügbaren Einkommen und Mieten stimmt. Das sind Durchschnittszahlen. Ich weiß, daß junge Familien heute mehr als 35% und 40 % bezahlen müssen
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und daß andere bei 5% liegen. Aber unsere Sorge hat sich denjenigen zuzuwenden, die 35 und 40 % bezahlen müssen.
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Die Wohnungspolitik ist deswegen gescheitert, weil wir diesen Mißstand, dieses Mißverhältnis haben. Auf diese Frage habe ich auch heute keine Antwort erhalten.
Ich behaupte - dafür trete ich den Beweis an -: Kein Preis in unserem Lande ist wirtschaftlich so wenig schlüssig und sozial dermaßen ungerecht wie der Mietpreis. Einen Beweis dafür liefern die bereits genannten Stichworte: Fehlsubventionierung, Fehlbelegung, Unterbelegung, Mietpreisverzerrung. Meine Damen und Herren, die Hauptthese lautet: Die Miete ist der Preis für eine wirtschaftliche Leistung, die grundsätzlich der zu erbringen hat, der die Leistung in Anspruch nimmt. Alle Menschen brauchen eine Wohnung. Jeder Mensch hat einen Anspruch auf eine Wohnung. Das steht zwar nicht im Grundgesetz, aber ich bejahe das Grundrecht auf Wohnung. In einer Reihe von Ländern - im FreiDr. Schneider
staat Bayern beispielsweise - steht es sogar in der Verfassung.
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Das heißt also, die soziale Verantwortung des Staates, der Gemeinschaft, setzt dort ein, wo einer bei Anstrengung all seiner wirtschaftlichen und finanziellen Leistungskraft nicht in der Lage ist, für sich und seine Familie ausreichenden und angemessenen Wohnraum zu schaffen. Wenn wir nach dieser Maxime handeln, werden die noch verbliebenen knappen öffentlichen Mittel ausreichen, den wirklich Bedürftigen nachhaltig zu helfen.
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Ich möchte nicht mißverstanden werden. Mieterschutz ist Ausdruck unserer Sozialstaatlichkeit. Wir alle bekennen uns zum Sozialstaat. Deswegen bekennen wir uns auch zu einem Mieterschutz. Dabei gehen wir allerdings davon aus, daß sich soziale Wohnungsmarktwirtschaft und sozialer Mieterschutz nicht ausschließen. Der Verlust der Vertragsfreiheit im Mietrecht hat nicht zu mehr Mieterschutz geführt, keinesfalls mittelfristig und langfristig schon gar nicht. Er führt aber zur Verknappung des Wohnungsangebotes und richtet sich eben mittelfristig gegen den Mieter. Wer die Investitionsbereitschaft am Wohnungsmarkt schwächt und dadurch Wohnraum verknappt, handelt gegen die Interessen der Mieter. Solange wir diese sozialen und ökonomischen Zusammenhänge nicht sehen wollen, bleiben unsere wohnungspolitischen Entscheidungen, auch die heute diskutierten Gesetzentwürfe, Stückwerk und von sehr sehr eingeschränkter Wirksamkeit.
Zu den Hauptursachen für den Niedergang des Wohnungsbaus zählen neben den geschilderten staatlichen Eingriffen und dem Verlust der Marktfreiheit für Wohnungen auch die hohen Kapitalmarktzinsen. Diese sind jedoch keineswegs nur auf die internationalen Verflechtungen unserer Geld-und Finanzpolitik zurückzuführen. Am Kapitalmarkt trifft die Nachfrage nach langfristigem Kapital mit dem Angebot zusammen. Steigt die Nachfrage, so steigt auch der Zins. Wenn im Jahre 1981 vom Staat, also Bund, Ländern und Gemeinden, Bahn und Post etwa 100 Milliarden DM brutto nachgefragt werden, das Angebot langfristigen Kapitals aber nur wenig darüber hinausreicht, so bleibt für Unternehmen und Wohnungswirtschaft nur dieser Restbetrag übrig. Der Markt entscheidet, wer am zinsrobustesten ist. Der Wohnungsbau ist bekanntlich wegen seiner hohen Fremdfinanzierungsquote am zinsempfindlichsten. Diesen Zusammenhang kann niemand bestreiten.
Wer aber hat uns denn diese Hochzinsphase beschert? Wer verteuert auf diese Weise die Miete? Wer bringt unsere Häuslebauer in die Not des Zwangsverkaufes? Das sind diejenigen, die daran schuld sind, daß der Zins heute nicht gesenkt werden kann. Es ist keineswegs der amerikanische Präsident, sondern dies ist eine direkte Auswirkung der übertrieben hohen Staatsverschuldung.
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Die Wirtschafts-, Finanz- und Haushaltspolitik dieser Bundesregierung war mieterfeindlich, viel mieterfeindlicher, als es vielleicht andere Gesetze wären, von denen Sie behaupten, daß sie mieterfeindlich seien. Die hohe Staatsverschuldung wirkt unmittelbar auf den Mietpreis und auf die außerordentlich hohen Baukosten, die jetzt anstehen. Wer dies bestreiten möchte, der soll sich hier melden.
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- Verehrter Herr Wehner, ich darf Ihnen noch ein zweites Kapitel lesen. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Weniger bekannt ist, daß die übermäßige Kreditnachfrage des Staates zusammen mit anderen Faktoren wie Geldentwertung, Hochzinspolitik, Diskriminierung langfristiger Anlagen und dem Vertrauensverlust inländischer und ausländischer Anleger zu immer kürzeren Fristen geführt hat. In der ersten Hälfte dieses Jahres hatten 52 % der von Hypothekenbanken ausgegebenen Pfandbriefe eine Laufzeit unter vier Jahren. Im Jahre 1969, als die SPD ausgezogen ist, das moderne Deutschland zu bauen, wiesen dagegen 91 % der Schuldverschreibungen Laufzeiten von 15 und mehr Jahren aus.
Den Darlehensnehmern kann also heute keine langfristige Kalkulationsgrundlage mehr angeboten werden. Es hat mich daher nicht überrascht, daß Stimmen laut wurden, die für den Wohnungsbau eine Zinshilfe verlangt haben, so auch der hier anwesende nordrhein-westfälische Bauminister Zöpel.
Der Verband rheinischer Wohnungsunternehmen hat in einer repräsentativen Umfrage festgestellt, daß 1981/82 bei seinen Unternehmen ein Umschuldungsvolumen von 600 Millionen DM ansteht und daß sich daraus Mieterhöhungen zwischen 0,2 und 3,82 DM pro Quadratmeter bei einem angenommenen Zinssatz von 11% - der liegt aber noch höher -ergeben, so daß die Sozialmiete bis zu 9,66 DM pro Quadratmeter im Monat erreicht und die ortsübliche Vergleichsmiete bis zu 3,03 DM pro Quadratmeter überschreitet. 20 % der berichtenden Wohnungsunternehmen befürchten Schwierigkeiten, wenn die erhöhten Zinskosten zu Mieterhöhungen führen. Die Lage ist kritisch, ernst, für viele bedrohlich.
Wer soll die Finanzierungslast tragen helfen? Die Bundesbank sieht sich aus ihrer Verantwortung zur Hochzinspolitik verpflichtet. Der Staat ist überschuldet. Er kann keine Versprechungen den Mietern gegenüber mehr halten. Angesichts dieser Entwicklungen ist es für Fachleute der Wohnungs- und Kreditwirtschaft mehr als unverständlich, daß die Bundesregierung die ohne zusätzliche öffentliche Mittel lösbaren Probleme im Wohnungsbestand nicht anpackt.
An erster Stelle nenne ich die ungelösten Verteilungsprobleme und die wachsende Verteilungsungerechtigkeit im sozialen Wohnungsbestand. Es kann gar nicht verwundern, daß sich bei den unvermeidbar hohen Neubaumieten die Nachfrage auf modernisierte und preisgünstige Wohnungen im Altbaubestand richtet.
Meine Damen und Herren, zum Fall Berlin. Das Wohnungsproblem in Berlin ist das Problem im Wohnungsbestand und in der Hauptsache ein Verteilungsproblem. In Berlin haben wir seit Jahrzehnten Wohnungszwangswirtschaft, krasser als in irgendeinem anderen Teil. Diese Wohnungszwangswirtschaft, der man das Etikett „sozial" aufgeklebt hat, hat sich als höchst unsozial erwiesen.
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Welche Häuser in Berlin stehen leer? Die Häuser von einfachen Privateigentümern, von Hausbesitzern? - Nein. Es stehen die Häuser großer Baugesellschaften und Häuser leer, für die der Senat, die Berliner Regierung, verantwortlich ist.
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Ich meine nicht die Regierung Weizsäcker; denn die hat ein schauriges Erbe übernommen.
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Wenn man ein Paradebeispiel sucht, daß planwirtschaftlich gesteuerte, zwangswirtschaftlich gelenkte, bürokratisch überzogene, marktfeindliche Wohnungspolitik in das soziale Chaos führt, dann liefert der Fall Berlin ein drastisches, unwiderlegbares Beispiel.
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Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Waltemathe?
Bitte sehr.
Herr Dr. Schneider, trifft es zu, daß auch in der Vergangenheit, als der Senat in Berlin nicht von Herrn Weizsäcker geführt wurde, jedenfalls die Fraktionen des Abgeordnetenhauses und auch die Fraktionen dieses Bundestages jeweils einstimmig, also auch mit Ihrer Stimme, die mietrechtlichen Regelungen für Berlin beschlossen haben?
Ich gestehe zu, daß es in Berlin eine Allparteienkoalition gegeben hat, das Falsche zu tun.
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- Es kommt darauf an, wer in Berlin regiert hat und wer in Berlin Anträge gestellt hat, wer in Berlin diejenigen diffamiert hat, die gesagt haben: Das ist falsch und mieterfeindlich!
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- Ein reuiger Sünder findet Gefallen beim lieben Gott. Die Stunde der Reue ist heute gekommen. Aber die Stunde der Reue setzt die Stunde der Einsicht voraus. Ich bin eben dabei, Ihnen dabei noch etwas zu helfen.
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Meine Damen und Herren, wir begrüßen die vorgesehenen steuer- und prämienrechtlichen Erleichterungen für den Mieter, wenn dieser im freien und vertraglichen Einvernehmen mit dem Eigentümer eigenes Geld in Modernisierungsmaßnahmen steckt. Wir sehen darin eine Hilfe zur Selbsthilfe, die der Staat durchaus gewähren soll. Die soziale Treffsicherheit ist groß, die Mittel werden sparsam verwendet, alte Bausubstanz wird erhalten, was auch aus gemeindlicher und städtebaulicher Sicht zu begrüßen ist.
Meine Damen und Herren, wir haben zur Kenntnis genommen, daß sich die Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau, die Produktionskosten in den letzten zwei Jahren bedrohlich verschlechtert haben. Spätestens 1982/83 schlagen die Zinserhöhungen, die Bodenpreissteigerungen, die wesentlich inflationsbedingt sind, durch. Die letzten Statistiken beweisen, daß der Preisindex der Mieten nicht schneller als der Preisindex der allgemeinen Lebenshaltungskosten gestiegen ist, zum Teil sogar wesentlich geringer. Diese Entwicklung geht meines Ermessens zu Ende; denn die hohen Anfangsmieten im Neubau werden die Nachfrage im preisgünstigen Bestand - wie schon betont - verstärken.
Mietwohnungen - und das ist das eigentliche Problem unserer Debatte -, die heute zu bauen begonnen und in zwei Jahren bezugsfertig werden, erreichen dann eine Anfangsmiete von 20 bis 24 DM pro Quadratmeter im Monat. Dabei muß berücksichtigt werden: Eine so exorbitant hohe Anfangsmiete stellt keine Kalkulationsmiete dar. Sie ist um den Betrag der Steuerminderbelastungen reduziert, die durch Werbungskosten und die Steuerrückstellungen auf Grund der Mehrwertsteueroption entstehen. Am Markt sind solche Mieten selbstverständlich nicht erreichbar. Lange Anfangsverluste für die Bauherren sind unvermeidlich.
Die potentiellen Mietwohnungsinvestoren halten sich zudem noch wegen der zu erwartenden Bevölkerungsschrumpfung und des geltenden Mietrechts zurück. Sie tun dies insbesondere auch deswegen, weil sie als Anleger ani Kapitalmarkt Zinsen bis um 10 % mühelos einstreichen können. Als Anleger am Wohnungsmarkt laufen sie zudem noch Gefahr, ideologisch als Kapitalisten, Profitgeier und Ausbeuter diffamiert zu werden.
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Wohnungspolitik und Mietenpolitik haben eine sehr sensible, feinnervige psychologische Seite. Wir sollten das ja nicht verkennen.
Die hier ausgebreitete Analyse der anstehenden Mietpreisentwicklung beweist, daß die von uns begrüßten und zuerst beantragten höheren Abschreibungssätze im Einkommensteuerrecht - Herr Kollege Jahn hat das ausreichend und überzeugend begründet - einen fast hundertprozentigen Anstieg der Anfangsmieten im Vergleich der Jahre 1979 und 1982/83 nicht werden verhindern können. Wir haben die bittere Tatsache zur Kenntnis zu nehmen, daß ein länger anhaltendes hohes Zinsniveau zu überproportionalen Mietsteigerungen auch im Bestand führen muß.
Angesichts dieser Entwicklung am Kapitalmarkt und der dadurch hervorgerufenen Mieterhöhungen
sowie der zu erwartenden Rückgänge am Neubauwohnungsmarkt muß doch zuerst und am dringlichsten die Frage gestellt werden: Wie gewinnen wir billiges oder, besser gesagt, billigeres Baugeld? Und jetzt, meine Damen und Herren, darf ich fragen: Ist es angesichts dieser Lage vermessen, abwegig oder höchst verantwortungsvoll, die Frage nach dem Sozialpfandbrief, der Wiedereinführung steuerbegünstigter Baudarlehen oder Absetzungen von der Steuerschuld für Leistungen am Wohnungsmarkt aufzuwerfen. Vielleicht wird sich der Herr Bundesfinanzminister dazu äußern. Aber die Frage: „Wie erhalte ich billiges Baugeld", ist eine zentrale wohnungswirtschaftliche Frage. Wer diese Frage nicht zufriedenstellend beantwortet, der nimmt wissentlich in Kauf, daß wir keine Neubaumieten unter 20 DM pro Quadratmeter mehr erhalten werden. Das ist die Frage.
Dabei kommt es sehr darauf an, das Aufkommen aus der gewählten Vergünstigung auf die Baumaßnahmen zu konzentrieren, deren Durchführung einerseits aus wohnungsversorgungspolitischen Erwägungen besonders dringend ist, bei denen andererseits aber investitionspolitisch größtmögliche Effekte erzielt werden können.
Die andere Frage, inwieweit das Investitionsklima im Baubereich insgesamt verbessert und dabei vor allem auch verstärkt privates Kapital für den Wohnungsmarkt mobilisiert werden kann, ist Gegenstand der Steuervorlagen der CDU/CSU bzw. des Bundesrates und der Koalitionsfraktionen bzw. der Bundesregierung, die sich bereits in den Ausschußberatungen befinden.
Wer allerdings Anreize zur Belebung der Wohnungsbauinvestitionen schaffen will, muß zunächst Verschlechterungen der bestehenden Rahmenbedingungen vermeiden. Er darf nicht, wie es die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen tun, Hand an die Instrumente legen, die gegenwärtig überhaupt noch die Restgrößen im Wohnungsbau tragen. Was meine ich? Auf längere Sicht sind die sogenannten Bauherrenmodelle und deren wesentlicher Renditebestandteil, die Mehrwertsteueroption, unverzichtbar, weil die Größe der typischen Investitionsprojekte bei weitem die Finanzierungs- und Organisationskapazitäten sowie die Risikobereitschaft einzelner Bauherren - einschließlich übrigens der Versicherungswirtschaft - übersteigt.
80 % des frei finanzierten Mietwohnungsbaus entfallen gegenwärtig auf Bauherrenmodelle. Sie sind daher im Augenblick und sicher auch noch über das Jahr 1983 hinaus für den Mietwohnungsbau unentbehrlich. Die Verbesserung der degressiven Abschreibung ist kein Ersatz für den Vorsteuerabzug.
Zum anderen ist auch die von der Bundesregierung und den Koalitionsfraktionen vorgeschlagene Ausdehnung der Einfamilienhaus-Besteuerung auf alle vom Grundstückseigentümer voll selbstgenutzten Gebäude nicht sachgerecht. Dabei besteht die Gefahr, daß trotz der vorgesehenen Verbesserungen des § 7 b auch der Eigenheimbau einbricht. Gegenwärtig weist nur noch der Bau von Zweifamilienhäusern eine Zuwachsrate - von 9,5% - auf, während die Baugenehmigungen für Einfamilienhäuser mit
minus 24,8 % stark rückläufig sind. Im Zuge der jetzt anstehenden Änderungen der §§ 7 b und 21 a des Einkommensteuergesetzes sollte ernsthaft geprüft werden, ob den Eigentümern selbstgenutzten Eigenwohnraums anstelle der pauschalierten Nutzungswertbesteuerung nicht eine Option für die Normalbesteuerung mit der Möglichkeit des vollen Schuldzinsenabzugs eingeräumt werden sollte.
({4})
- Entsprechende Vorschläge - da wurde auch die Kostenfrage beantwortet, Herr Kollege Conradi - existieren seit der Steuerrechtsreformkommission Ende der 60er Jahre.
Eine wesentliche Möglichkeit, zusätzliche Impulse für Wohnungsbauinvestitionen zu geben, sehe ich in der Stärkung der genossenschaftlichen Idee. Die Baugenossenschaften sind demokratische und solidarische Selbstverwaltungs- und Selbsthilfeeinrichtungen, die gemeinschaftliches spekulationsfreies Wohneigentum bilden, das den Mitgliedern uneingeschränkt und dauerhaft zur Verfügung steht. Ich gebe daher die Anregung, zu überlegen, ob wir bei diesen Maßnahmen nicht auch den Genossenschaften steuer- und prämienunschädlich Bausparmittel zur erhöhten Kapitalbereitstellung zur Verfügung stellen, indem auch für diese Fälle § 7 b Anwendung findet und insbesondere die Steuervergünstigung nach § 82 a der Einkommensteuerdurchführungsverordnung gewährt wird.
Die Stagnation des sozialen Wohnungsbaus erscheint vor allem der SPD unerträglich. Die Jusos haben gefordert: 100 000 Wohnungen neu! Der Kollege Gattermann ist darauf eingegangen. 100 000 Wohnungen bedeuten bei der heutigen Preislage in Barwert gesprochen ein Mehr an Subventionsaufwand von 15 Milliarden DM. Wer diesen Vorschlag macht, muß gleichzeitig einen Finanzierungsvorschlag liefern.
({5})
Die Mieten im sozialen Wohnungsbau sind im Rahmen eines sozial abgesicherten Stufenplans so, wie wir es vorgeschlagen haben, in die Vergleichsmiete überzuführen. Langfristig kann nur dann etwas erreicht und auf Dauer gesichert werden, wenn wir wieder soziale Wohnungsmarktverhältnisse haben.
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- Der Markt hat sich bisher am sozialsten ausgewirkt. Ich bin der Meinung, Paul Lücke ist der größte Wohnungsbaupolitiker in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.
({7})
Paul Lücke konnte seine großen wohnungspolitischen Erfolge nur deshalb erzielen, weil es damals einen Ludwig Erhard als Wirtschaftsminister, einen Fritz Schäffer als Finanzminister und vor allen Dingen einen Konrad Adenauer als Bundeskanzler gegeben hat.
({8})
Ich fasse zusammen und beantworte nunmehr für mich die Frage, ob die Vorlagen der Bundesregierung eine Wende herbeiführen: Die Gesetzentwürfe der Bundesregierung sind ungeeignet, die sozialen und wirtschaftlichen Probleme am Wohnungsmarkt zu lösen. Selbst die verbesserten steuerlichen Anreize werden wegen der fortbestehenden übrigen Rahmenbedingungen ihren stimulierenden Effekt nur sehr abgeschwächt ausüben können. Die gesetzlich normierte Wirtschaftsordnung im Wohnungswesen führt zwangsläufig ins gesetzlich geregelte Defizit. Seit zehn Jahren führt die Wohnungspolitik ins soziale Abseits. Die Verteilungsprobleme blieben ungelöst und die sozialwidrigen Besitzstände verfestigten sich immer mehr.
Alle wohnungspolitischen Programme der Bundesregierung sind gescheitert; sie mußten scheitern, weil sie gegen elementare Gesetze der wohnungswirtschaftlichen Vernunft und die Erfahrungen verstoßen und damit keine sozialen Wirkungen auslösen können.
Der Bundesbauminister scheitert an der Untätigkeit und Interesselosigkeit des Bundeskanzlers, der von seiner Richtlinienbefugnis im Blick auf die Wohnungspolitik keinen Gebrauch macht.
({9})
Der Bundesbauminister scheitert am Justizminister, der gegen alle Erfahrungen und wirtschaftlichen Einsichten am derzeitigen Mietrecht zum Schaden der Mieter festhält. Er scheitert am Wirtschaftsminister Graf Lambsdorff, der zwar gern der Ludwig Erhard der 80er Jahre sein möchte, dem es aber an politischer Entschlußkraft und Durchsetzungsvermögen fehlt, nach seiner Überzeugung zu handeln.
({10})
Meine Damen und Herren, Sie werden nicht verwundert sein, wenn ich folgendes Resümee ziehe: Eine neue Wohnungspolitik setzt eine neue Bundesregierung voraus
({11})
und eine neue parlamentarische Mehrheit, die sich nicht gegenseitig blockiert, sondern wechselseitig unterstützt, die in den Zielen übereinstimmt und so die Kraft besitzt, sich auf ein gemeinsames Handeln zu einigen. Vielen Dank.
({12})
Meine Damen und Herren, das Wort hat Herr Ministerpräsident Späth.
Ministerpräsident Späth ({0}): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es gibt wahrscheinlich keinen Fachbereich, der Bundeszuständigkeiten, Länderzuständigkeiten und kommunale Institutionen so miteinander verflochten zeigt, wie der Städte- und Wohnungsbau. Ich möchte deshalb einige Überlegungen vortragen, die die Mehrheit des Bundesrates mit ihren Initiativen hier eingebracht hat, und möchte die beiden Konzepte - das der Bundesregierung und das der Mehrheit des Bundesrates und jetzt des Bundesrates und der Unionsfraktionen - einfach einmal von der Frage her vergleichen, wie lösen wir die Probleme wenigstens in Ansätzen?
Ich meine, die Bürger der Bundesrepublik erwarten - vor allem, wenn sie Wohnungsuchende sind - von uns weniger, daß sich immer wieder eine Gruppe zur Verteidigung der Position einer am Wohnungsmarkt suchenden oder versorgten Gruppe aufschwingt, sondern die Bürger erwarten, daß wir im Rahmen unserer Möglichkeiten bei der Wohnungsversorgung Gerechtigkeitsprinzipien durchsetzen.
({1})
Und da ist manches, was nach außen zunächst sehr gerecht erscheint, ungerecht und manches, was auf den ersten Blick ungerecht erscheint, langfristig ein Moment wichtiger Gerechtigkeitsverwirklichung.
Ich meine, man sollte das Thema einfach einmal von der Frage her angehen: Was ist der Zustand und was läßt sich für die Zukunft daraus entwickeln? Dabei möchte ich alle diejenigen warnen, die immer eine neue Statistik haben wollen. Die Probleme sind, glaube ich, auf dem Tisch. Natürlich können wir das alles noch untersuchungsmäßig verfeinern.
Es gibt eine Menge, die Wohnungen bezahlen können und in guten Wohnungen wohnen, es gibt eine große Menge, die in den falschen Wohnungen wohnen und weit mehr Miete bezahlen könnten oder ausziehen müßten, und es gibt eine große Menge, die zwar ununterbrochen neue Berechtigungsscheine bekommen, aber überhaupt keine Chance haben, zu vernünftigen Bedingungen eine Wohnung zu bekommen.
({2})
Dann müssen wir noch berücksichtigen, daß der Wohnungsbedarf dort am dringlichsten ist, wo sich die Arbeitsplätze befinden und wo zum Teil ein großer Widerspruch besteht zwischen dem, was wir Landesplanung nennen, und dem, was wir Baulandbedarf nennen. Wir dürfen auch eines nicht übersehen: Die Ausgangskosten bei der Stadtsanierung sind auch im Bodenbereich und im Wohnuinfeldbereich so hoch, daß dort das Bauen zu vernünftigen Bedingungen kaum mehr möglich ist.
Aus dem ländlichen Raum drücken außerdem viele junge Familien in die Stadtumlandbereiche, und wenn wir dort alles zur Bebauung freigeben, dann werden wir eines Tages enorme Fehlentwicklungen im Landschaftsschutz, in der Bodenordnung und in all diesen Bereichen bekommen. Ich warne also davor, montags vom Umweltschutz und von der Landschaft, dienstags von der Notwendigkeit, dort das subventionierte Bauland für alle bereitzustellen, mittwochs von den Neuordnungen der Ballungsstrukturen zu reden und freitags das festzustellen, was zur Zeit wir alle feststellen, daß nämlich für alle Alternativen kein Geld da ist.
({3})
Herr Ministerpräsident, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Müntefering?
Ministerpräsident Späth ({0}): Bitte.
Ich bitte um Nachsicht, wenn ich noch einmal auf die Statistik zurückkomme. Können wir das denn auf den Punkt bringen, indem Sie mir eine Antwort auf die Frage geben, ob sich Ihr Land in den Gesprächen zwischen Bund und Ländern dafür einsetzt, daß im Zusammenhang mit der Volkszählung die Gebäude- und Wohnungszählung durchgeführt wird?
Ministerpräsident Späth ({0}): Das ist eine Frage, die wir im Blick auf die Kostenseite klären müssen. Da können wir uns einig werden, allerdings nicht nach dem Prinzip, daß der eine die Statistik will und daß der andere sie bezahlen soll.
({1})
Da wir alle gleich wenig Geld haben, möchte ich das bißchen Geld, das ich in Baden-Württemberg noch habe, vor allem für den Wohnungsbau und nicht für eine neue Statistik nutzen.
({2})
- Herr Conradi, ich weiß, daß Sie gerne statistisch nachweisen würden, daß das Problem noch sehr viel größer ist, während ich der Meinung bin: Laßt uns einmal an die Problemlösung gehen; dann ist es anschließend wahrscheinlich überflüssig, statistisch nachzuweisen, daß sich die Situation verbessert hat.
({3})
Bevor wir nun neue Statistiken machen, möchte ich Ihnen einfach einmal ein paar abgesicherte Zahlen vortragen.
({4})
- Entschuldigung, das ist gar keine Statistik, sondern die Darstellung dessen, was geschehen ist, dessen, was früher geschehen ist, was dann immer schlechter geschehen ist und was Sie inzwischen noch schlechter gemacht haben. Dazu brauche ich, wenn Sie erlauben, aber keinen Statistiker,
({5})
sondern ich nehme die Zahlen, die Sie schon zehnmal aufgeschrieben und veröffentlicht haben.
({6})
- Wie die zustande kommen, will ich Ihnen gleich sagen: dadurch, daß nach dem jetzigen System der Statistik schon viel zuviel aufgeschrieben wird. Ich glaube, daß unsere Gesellschaft weniger an einem statistischen als an einem Wohnungsdefizit leidet. Da das gesicherte Erkenntnis ist, brauchen wir jetzt doch nicht über Statistiken zu diskutieren; vielmehr sollten wir darüber diskutieren, was im sozialen Wohnungsbau bisher geschehen ist.
Der soziale Mietwohnungsbau als Element der Wohnungsversorgung war in seinem Ansatz in der
Nachkriegszeit unbestritten richtig. Nur hat sich hier ein System unter veränderten Bedingungen entwickelt, und das will ich mit wenigen Vergleichszahlen einmal aufzeigen, weil dann sehr schnell klar wird, daß dieses System nicht mehr brauchbar ist.
1950 haben wir Fördermittel von 4 000 bis 6 000 DM pro Mietwohnung gebraucht, um eine Miete, die tragbar gewesen ist, zu erreichen. 20 % der Kosten waren öffentliches Baudarlehen. 1960 waren es 27 %. 1970 waren es 36 % gleich 18 000 DM, 1980 sind es 86 % gleich 100 000 DM gewesen, und das reicht jetzt nicht mehr.
({7})
Mit diesem Beispiel möchte ich zeigen, daß Sie relativ einfach - ohne neue Statistik - alles haben können, was Sie an Angaben zu diesem Thema brauchen: Dann, wenn 86 % der Kosten einer Wohnung von der öffentlichen Hand getragen werden müssen und wenn zwei Drittel aller Bürger das Recht auf eine Sozialwohnung haben, ist Wohnungsbau eine Lotterieveranstaltung, aber nicht mehr sozial gerechte Versorgung mit Wohnungen.
({8})
- Nein, wenn Sie sie da nicht und dort nicht bauen können, weil Sie es nicht bezahlen können, halte ich es für unehrlich, den einen immer noch etwas zu versprechen, was sie doch nicht bekommen, und den anderen zu sagen: ihr bekommt sowieso nichts. Und das ist doch geschehen! Sie haben doch immer verkündet, daß Sie 30 000 oder 50 000 oder 100 000 Wohnungen bauen wollen. Die Zahlen waren verschieden, aber unfinanzierbar waren alle Forderungen!
({9})
Ich finde es einfach unehrlich, wenn man ein paar hunderttausend junge Familien hat, die eine Wohnung suchen, denen in der Zeitung immer wieder zu sagen: wir wollen euch eine Wohnung geben. Das ist so ähnlich, wie wenn Sie immer mehr Leute in eine Kantine einladen, bei der in der Küche das Material zum Kochen fehlt.
({10})
Das ist die Ausgangslage im sozialen Mietwohnungsbau.
Sie haben das Geld nicht mehr; weder hat es der Bund, noch haben es die Länder, noch haben es die Gemeinden. Dann, wenn alle drei nichts haben, ist es weder sinnvoll, den Leuten auf einem Gebiet, auf dem Sie es nicht leisten können, noch etwas zu versprechen, noch ist es sinnvoll, einen neuen Koch einzustellen und ihn für zuständig zu erklären, wenn er vor den leeren Töpfen steht. Darauf läuft die Versprechung, dauernd neue soziale Mietwohnungen zu bauen, hinaus.
Sie können es nicht finanzieren. Von Ihnen hat auch noch niemand einen Vorschlag gemacht, wie er in der Lage wäre, praktisch mit 100 000 bis 150 000 DM Steuergeldern in großem Umfang neue Sozialmietwohnungen zu fördern. Sie können das notfalls noch für einen ganz beschränkten Perso3130
Ministerpräsident Späth ({11})
nenkreis tun, dem Sie anders überhaupt nicht helfen können. Aber das kann niemals das Zuständigkeitsniveau sein. Sonst geschieht genau das, was in den letzten Jahren der Inhalt der Wohnungsbaupolitik war.
Früher haben wir wenig über Berechtigungen geredet und viele Wohnungen gebaut. Jetzt erhalten immer mehr Leute eine Berechtigung zum Bezug einer Wohnung, die es nicht mehr gibt. Das ist im Grunde keine soziale Politik, sondern das ist die Verführung zu Ansprüchen und zu Erwartungshorizonten, die nachher nicht befriedigt werden können.
({12})
Es ist überhaupt das Problem Ihrer ganzen Politik, daß Sie ständig Erwartungen wecken, die Sie anschließend bei den Bürgern nicht realisieren können.
({13})
Herr Ministerpräsident, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Ewen?
Ministerpräsident Späth ({0}): Unbeschränkt, wenn sie nicht auf meine Redezeit angerechnet wird.
Sie haben leider eine unbeschränkte Redezeit, Herr Ministerpräsident.
Herr Ministerpräsident, Sie haben soeben davon gesprochen, daß wir das Geld nicht hätten. Würden Sie zugeben, daß es bei Gesamtausgaben von plus/minus 25 Milliarden DM unter Umständen darauf ankommt, dieses Geld in die richtigen Kanäle zu leiten, um dann auch das Geld für den sozialen Wohnungsbau freizuschaufeln?
({0})
Ministerpräsident Späth ({1}): Dazu kann ich Ihnen sagen: Wir machen in Baden-Württemberg einiges. Was im Bund geschieht, macht die Bundesregierung. Nur sind im Bundeshaushalt die Mittel für die nächsten Jahre nominal festgeschrieben, und zwar bei Baukostensteigerungen, die Sie selbst mit 4 % angeben. Außerdem haben Sie die Mittel für den Wohnungs- und Städtebau auch noch gekürzt. Aber dafür haben ja Sie die Verantwortung; denn wir regieren ja nicht in Bonn - noch nicht!
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage, Herr Ministerpräsident?
Ich habe also offenbar Ihre Zustimmung, wenn wir im Bundesrat entsprechende Gesetzentwürfe einbringen. Würden Sie das unterstützen? Das wäre ganz hilfreich.
Ministerpräsident Späth ({0}): Wenn Sie entsprechend klare Deckungsvorschläge haben, können wir darüber reden.
({1})
- Ich bringe gleich noch einige ein. Ich eröffne Ihnen noch eine Möglichkeit, bei der Sie große Schwierigkeiten haben werden, sie mit Ihrer Philosophie in Einklang zu bringen. Vielleicht können wir uns aber auf praktischem Wege einigen.
({2})
Wir müssen uns ja ohnehin einigen, denn in diesem Bereich müssen wir im Vermittlungsausschuß Kompromisse schließen. In vielen Punkten können wir uns bei den von Herrn Gattermann angedeuteten Kompromissen finden. Das Problem ist nicht, zwischen der von Herrn Gattermann hier vorgetragenen Philosophie und der Konzeption der Union einen Weg zu finden. Ich glaube, daß Sie vielmehr die Schwierigkeiten in den eigenen Reihen haben werden. Aber dies ist nicht primär unser Problem.
Ich möchte einen zweiten Zahlenaspekt aufzeigen, der belegt, wie sehr unsere Bürger zurechtgekommen sind, wenn sie die Dinge selbst in die Hand genommen haben. Ich nenne Ihnen die Zahlen des Baus von sozialen Mietwohnungen insgesamt und davon den Anteil der Ein- und Zweifamilienhäuser, also den Bau mit großen Privatanstrengungen, und ich stelle dem den sozialen Mietwohnungsbau in Mehrfamilienhäusern entgegen. 1950 haben wir 250 000 Sozialwohnungen gebaut, davon 60 000 in Ein- und Zweifamilienhäusern und 190 000 Sozialwohnungen in Mehrfamilienhäusern. 1960 bauten wir 260 000 Sozialwohnungen, davon aber schon 90 000 in Ein- und Zweifamilienhäusern und nur 170 000 in Mehrfamilienhäusern. Jetzt sollte man darauf achten, wie sich die folgenden Zahlen verändern. 1970 waren es insgesamt statt 260 000 nur noch 140 000 Sozialwohnungen. Wir hatten davon 50 000 in Ein- und Zweifamilienhäusern, also beinahe eine Halbierung. Die anderen Mietwohnungen beliefen sich auf 90 000, das war also auch eine Halbierung. Und von 1970 bis 1980 wurde von 140 000 auf 95 000 Sozialwohnungen abgewirtschaftet. Die Zahl der Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern hat sich auf 52 000 erhöht, und noch ganze 43 000 Sozialmietwohnungen in Mehrfamilienhäusern sind gebaut worden. Die Entwicklung ging also von 190 000 im Jahr 1950 über 170 000 im Jahr 1960, 90 000 im Jahr 1970 auf 43 000 im Jahr 1980. Sie müssen sich deshalb schon sagen lassen, daß Sie während Ihrer Regierungszeit die Zahlen jeweils halbiert haben. Dies stimmt natürlich nicht mit dem überein, was Sie konzeptionell zur sozialen Gerechtigkeit versprochen hatten.
Herr Ministerpräsident, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Conradi?
Ministerpräsident Späth ({0}): Gerne.
Könnte das etwas damit zu tun haben, daß der soziale Mietwohnungsbau auch in Ihrem Land im wesentlichen an den Städten vorbeigeht? In Baden-Württemberg gehen ja 80 % der Mittel auf das Land. Das heißt: Belegt die soeben vorgetragene Statistik nicht, daß in den Städten, wo der Wohnungsbedarf tatsächlich vorhanden ist, auch in
Ihrem Land sozialer Mietwohnungsbau nicht mehr stattfindet?
Ministerpräsident Späth ({0}): Das hängt mit verschiedenen Komponenten zusammen. Eine ist die der Städte. Baden-Württemberg ist der Meinung gewesen, daß wir z. B. mit einer starken Steigerung der Förderung der Eigentumsmaßnahmen eine ganze Menge an Nachfrage nach sozialem Mietwohnungsbau wegbringen können. Da werden wir uns auch nie einigen. Während Sie ständig diejenigen zählen, die auf Mietwohnungen warten, sind wir dabei, diejenigen, die auf die Mietwohnung warten, möglichst mit Eigentum zu versorgen, damit die Schlange kleiner wird.
({1})
Aber das ist eine Grundsatzfrage, über die wir zwei uns wahrscheinlich nicht einig werden können.
Herr Conradi, vielleicht ist dies die einfachste Antwort auf Ihre Frage: Ich habe mir einmal als Beispiel eine Finanzierung des Jahres 1981 aus meiner Heimatstadt, einer Industriestadt am Rande von Stuttgart, 25 Kilometer von Stuttgart entfernt, 40 000 Einwohner, geben lassen. Dort werden im Rahmen der Stadtsanierung ohne Anrechnung des marktüblichen Baulandpreises - der Baulandpreis wird mit 200 DM angenommen, mitten in der Stadt, so daß die Diskussion hinfällig ist, das sei nur der Baulandpreis - 17 soziale Mietwohnungen gebaut. Kosten: 4 Millionen DM; Eigenkapital - ohne Zins - der gemeinnützigen städtischen Gesellschaft: 600 000 DM; Restfinanzierung: 3,4 Millionen DM für 17 Wohnungen. Das ergibt nach heutigen Bedingungen einen ganz vernünftigen Preis, nämlich etwa 2 500 DM pro Quadratmeter Wohnfläche.
Jetzt brauchen Sie nur weiterzurechnen: Wenn Sie bei 2 500 DM 500 DM zinslos einsetzen - ob das ein Privatmann ist oder wer immer; nehmen wir einmal an, es gibt tatsächlich jemanden, der das noch kann - und die 2 000 DM zu Kapitalmarktzinsen bedienen müssen - egal, wer sie subventioniert -, dann haben Sie schlicht eine Quadratmetermiete - ohne Abschreibung, ohne Unterhaltung, rein vom Zins her - von 20 DM. Wenn der Mieter davon am Schluß 5 oder 6 DM, die öffentliche Hand aber 14 DM trägt, dann heißt dies, daß von den mehreren hundert Wohnungsuchenden - das kann die Stadt Bietigheim nur einmal machen, weil sie nicht jedes Jahr so viel Geld in den Wohnungsbau stecken kann - 17 eine dieser Wohnungen bekommen. Wer dort hineinkommt, bekommt einen Mietzuschuß von - im Ergebnis - 1 200 DM steuerfrei. Das ist mehr als die Rente, von der viele Bürger in unserem Lande leben müssen. Das kann doch nicht mehr gerecht sein!
({2})
Mit anderen Worten: Wenn zwei Drittel der Bevölkerung zwei Drittel der Miete theoretisch vom Staat bezahlt bekommen sollen, dann können Sie darauf kein neues Konzept aufbauen. Sie können es nicht, wenn Sie Geld haben; Sie können es schon gar nicht, wenn Sie keins haben.
Damit stellt sich die Frage: Wer baut denn bisher Wohnungen, und warum bauen die nicht mehr? Bei der Überlegung, wie wir zu neuen Wohnungen kommen, müssen wir, wie gesagt, zunächst einmal fragen: Wer baut denn? Wer hat bisher gebaut? Warum baut der nicht mehr? Nehmen wir die Statistik der Baufertigstellung. Da gibt es einen interessanten Ansatz: Der Anteil der Eigenheime ist von 1960 bis 1980 annähernd konstant geblieben. 1960 haben wir 235 000 Eigenheime, Ein- und Zweifamilienhäuser, gebaut, 1980 249 000. Das heißt: Der ganze Rückgang der Wohnungsbauzahlen geht ausschließlich in die Mehrfamilienhäuser. Zur Erklärung dafür gibt es eine Reihe von interessanten Ansätzen. Einen ganz interessanten Ansatz hat . Herr Gattermann genannt, nämlich den, daß die Leute, die sich früher für das Alter mit Wohnungen versorgt haben, als Interessenten ausfallen. - Nein, Entschuldigung, ein Kollege der SPD-Fraktion hat das gesagt, und das halte ich für besonders interessant. Das zeigt nämlich, daß wir vielleicht noch einmal ein bißchen grundsätzlich darüber nachdenken müssen, ob es gut ist, wenn wir alle Gruppen, die bisher ein großes Stück Selbstversorgung betrieben haben, als Beitragszahler in die kollektiven Versicherungen hineinnehmen, wobei wir noch nicht ganz sicher sind, ob Sie, wenn sie Rentner werden, das alles noch bezahlen können, die Selbstversorgungsquote der Bevölkerung aber 80 stehenlassen, wie sie jetzt ist.
({3})
- Herr Kollege Conradi, das, was uns von Ihnen gelegentlich unterscheidet, ist, daß wir sogar darüber nachdenken, ob wir eigene Entscheidungen noch einmal überdenken müssen. Die Tatsache, daß Sie es im Wohnungsbau nicht tun, hat genau zu dem Zustand geführt, den wir heute haben.
({4})
- Entschuldigung, ich antworte nur in dem Stil, in dem Sie fragen. Sie sind doch sonst nicht so empfindlich.
Mit der Frage des Eigenheimbaus will ich zunächst eines ansprechen: Wenn es trotz all der Schwierigkeiten gelungen ist, daß Eigenheiminteressenten weiterhin bauen, dann ist die erste Verpflichtung der öffentlichen Hand, denen, die sich mit einem kleinen Betrag selber versorgen, zu helfen. Und zwar ist folgendes interessant. 80 % all dieser Eigenheimbauer haben nur mittlere Einkommen und sind Arbeitnehmer. Wenn wir bereit sind, denen den § 7 b anzupassen, wenn wir denen Darlehen von 30 000 bis 40 000 DM über zehn Jahre hinweg ein bißchen subventionieren - mit einem Gesamtaufwand, der noch nicht einmal ein Viertel des Aufwands für eine Mietwohnung ausmacht -, wenn wir auf diese Weise die Leute einfach mit der Hilfe zur Selbsthilfe versorgen, werden sie entweder eine Mietwohnung freimachen oder keinen Anspruch als Mietwohnungsberechtigte mehr haben. Das sind nämlich die Leute, die zur Gemeinschaftslast mehr beitragen als diejenigen, die nur warten, bis der Staat sie versorgt.
({5})
Ministerpräsident Späth ({6})
Damit sind wir bei dem Thema § 7 b. Sie nehmen uns - ({7})
- Ja, das hat er. Sonst hätte er nicht gebaut. Denn diese 250 000 Menschen haben im Gegensatz zu vielen Politikern keine Luftschlösser, sondern Einfamilienhäuser gebaut. Und das hat dem Wohnungsmarkt sehr geholfen.
({8})
Und das hat der Bauwirtschaft geholfen, und es hat den Bauarbeitern geholfen. Vor allem haben die eines gemacht: die haben sich krummgelegt und sind bereit, 40 % oder 45 % des gesamten Familieneinkommens und zusätzlich Überstunden einzusetzen. Diese Leute sollten endlich einmal öffentlich gelobt werden als Bürger, die einen großen eigenen Beitrag leisten. Sie sollten nicht immer verdammt werden.
({9})
Da möchte ich einer Sache deutlich widersprechen.
({10})
- Ja, das hat damit nichts zu tun. Denn auch bei den gemeinnützigen Wohnungsunternehmen herrscht in vielen Bereichen eine rechnerische Vernunft, was nicht unbedingt ein Fehler sein muß.
Aber lassen Sie mich die Frage beantworten, warum ich sehr der Meinung bin, daß der § 7b hier keine konjunkturpolitische Komponente sein soll. Wir wollen nicht bestreiten, daß wir uns eigentlich darüber freuen. In der ersten Runde vor zwei Jahren, als wir den § 7 b anpassen wollten, haben Sie es hier abgelehnt; das sei überhaupt nicht denkbar. Im Frühjahr bei der Wohnungsbaudiskussion haben Sie unsere Vorschläge abgeschmettert; das sei überhaupt nicht denkbar. Im Haushaltsstrukturgesetz entdecken wir plötzlich unsere Vorschläge wieder. Mit andern Worten: wer in der Konzeption des Wohnungsbaus nicht zur Vernunft kommt, dem müssen es eben die Finanzen beibringen. Das ist immerhin eine Erkenntnis, die wir sehr hoch einschätzen. Wir sind dankbar, daß Sie das akzeptiert haben.
Nur: daß Sie beispielsweise jetzt sagen, es müsse wieder weg, ist doch im Grunde nicht eine Konjunkturfrage, sondern eine Gerechtigkeitsfrage. Mit welcher Berechtigung wollen Sie denn dem Arbeiter klarmachen, daß er die Lohnsteuer aus seinem Bruttoeinkommen 1981 zahlt, daß er die Baukosten des Jahres 1981 bezahlt und daß er nach den Baukosten des Jahres 1965 abschreiben darf? Das hat doch mit Gerechtigkeit gar nichts zu tun. Das ist keine Frage der Konjunkturpolitik, sondern der ehrlichen Partnerschaft zwischen dem, der die Steuer kassiert, nämlich dem Staat, und dem, der die Steuern zahlen muß. Nichts anderes.
({11})
Wir hätten gern noch gehabt - darüber werden wir im Vermittlungsausschuß reden -, daß Sie unseren Vorschlag akzeptieren, daß Eltern mit Kindern die Dinge zu einem Einfamilienhaus zusammenfügen können. Denn Sie müssen doch einmal überlegen, wie vernünftig die Entscheidung ist, daß der § 7 b von einem Ehepaar zweimal in Anspruch genommen werden kann: für zwei Wohnungen. Das heißt, wenn bei einem Ehepaar mit zwei Kindern der Vater mit dem einen Kind in eine Wohnung zieht und die Mutter mit dem anderen Kind in die andere, dann kann man nach Ihrer Vorstellung zweimal den § 7 b beanspruchen. Nur wenn die beiden mit ihren Kindern gemeinsam in ein Einfamilienhaus ziehen, dann kann man ihn nicht in Anspruch nehmen. Was daran familiengerecht ist, das soll mir mal jemand erklären.
({12})
Herr Ministerpräsident, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schlatter?
Herr Ministerpräsident, da Sie von § 7 b reden und vorhin zitiert haben, daß 80 % der Anträge von Personen der unteren und mittleren Einkommensschichten gestellt werden, sind Sie bereit, mir zuzugestehen, daß ungefähr die Hälfte aller Vergünstigungen nach § 7 b in das obere Drittel der Einkommensskala geflossen ist und der übrige Teil nur 20 % erreicht hat?
({0})
Ministerpräsident Späth ({1}): Das hängt vor allem damit zusammen, daß bei den Beziehern mittlerer Einkommen folgender Umstand eintritt. Es gibt da natürlich ein paar, die ungerechtfertigt Vorteile haben; das will ich Ihnen gleich zugestehen. Nur, wer dauernd auf die eine Gruppe starrt, wird mit dem Problem nicht fertig. Die große Zahl der Bezieher mittlerer Einkommen kommt - mindestens in meinem Land - in die Gruppe höherer Einkommen deshalb, weil sie jede Menge Überstunden machen, um jetzt die hohen Zinsen bei den Banken zahlen zu können. Die sind gottfroh, wenn sie die Überstunden machen können. Dabei wachsen sie in die Gruppe der Bezieher hoher Einkommen. Das sind für Sie Bezieher hoher Einkommen, für mich sind es arme Hunde, die gebaut haben und jetzt den Banken hohe Zinsen abliefern müssen, so daß sie mit ihren Familien damit kaum fertigwerden.
({2})
Aber ich weiß, daß ich Ihnen Ihren unerschütterlichen Glauben an die Spekulation nicht nehmen kann. Ich kann nur hoffen, daß Sie ihn mal auf die Gruppen konzentrieren, die wirklich spekulieren, und daraus nicht Ihre Gedanken für die Bereiche schöpfen, denen Sie auf diese Weise wirklich helfen können. Denn Tatsache ist, daß der 7 b ein enormes Stimulans auf dem Wohnungsmarkt geworden ist.
({3})
- Herr Conradi, ich gebe ja zu, daß es in Kemnat ein bißchen schwierig ist; aber das ist ja auch nicht der Nabel der Welt.
({4})
Ministerpräsident Späth ({5})
- Er hat rechtzeitig gebaut, er kann jetzt die soziale Lage aus Distanz beobachten.
({6})
- Ich auch, ich auch. ({7})
Aber darauf können wir die Debatte doch nicht aufbauen.
Ich will von der zweiten Gruppe reden, nämlich denen, die bisher Wohnungen für andere gebaut haben. Da haben wir auch eine Schwierigkeit.
({8})
- Wer nicht reizt, kriegt nichts ab. ({9})
Ich will auf die zweite Gruppe zu sprechen kommen und da eine Gruppe nehmen, die wir gemeinhin nicht als Spekulanten ansehen - damit kein Verdacht aufkommt -, nämlich die Lebensversicherungsunternehmen. Die Lebensversicherungsunternehmen haben im Jahr 1971 10 Milliarden DM in den Wohnungsbau gesteckt, im Jahre 1980 nur noch 3 Milliarden DM. In Prozentzahlen ihres Anlagevermögens ausgedrückt heißt das: die Versicherer haben bisher etwa zwischen 7 und 8 % ihres eingesammelten Bestandes in den Wohnungsbau gesteckt, jetzt nur noch 1,6 %. Sie können also bei der heutigen Situation die normalen Anleger nicht mehr zum Wohnungsbau bringen. Wir haben sie durch die Bedingungen verjagt. Wenn wir jetzt überlegen, wie wir erreichen können, daß sie wiederkommen, dann ergibt sich: wir müssen Bedingungen für einen Mindestanreiz schaffen, dort wieder hineinzuinvestieren.
({10})
Die Schwelle ist sehr, sehr niedrig, und zwar deshalb - ({11})
- Entschuldigung, die Frage ist nicht: mehr Staat oder weniger Markt? Sie müssen endlich einmal erkennen, daß Sie mit diesen plakativen Äußerungen gar nichts erreichen. Das Wohnungsbauproblem ist weder mit Marktwirtschaft allein zu lösen - weil sonst die soziale Komponente vernachlässigt wird - noch mit staatlichem Dirigismus, der nicht finanzierbar ist, sondern Sie müssen Wege dazwischen suchen. Wenn wir das endlich tun, statt uns gegenseitig Schlagworte um die Ohren zu hauen, dann helfen wir vielleicht den Leuten, die darauf warten.
({12})
Mit diesen allgemeinen Schlagworten können Sie mich nicht beeindrucken.
Ich will zu der Frage der Schwelle zurückkehren. Es gibt Versicherungsunternehmen, die uns sagen: Wir würden in den Wohnungsbau im Zuge der Risikostreuung investieren, weil wir diese sichere Anlage auch zu schlechterer Rendite haben wollen, wenn Sie uns zeigen können, daß wir in fünf bis zehn Jahren in eine gewisse Rendite von 3 oder 4 oder 5% hineinwachsen würden. Was für ein Rezept gibt es da? Im Grunde nur eines, nämlich diese Schwelle entsprechend anzusetzen durch etwas erhöhte Abschreibungsmöglichkeiten plus einer gewissen Zwischensubvention der Erstmieten, damit diese tragfähig werden, mit anschließendem Abbau. Dazu brauchen Sie eine Staffelmiete, damit die Mieter wenigstens bei steigendem Einkommen eine in etwa angemessene Miete bezahlen. Dazu brauchen Sie die Staffelmiete. Wenn Sie diese jetzt auch noch für die Altsubstanz bei Neuvermietung einführen, dann schaffen Sie bei diesen Unternehmen die Voraussetzungen einer Mischkalkulation. Dann sind die nämlich bereit, die alten, niedrigen Mieten ein bißchen über die Staffelmiete anzuheben, und dann können sie die Neubaumieten etwas mehr subventionieren, ohne daß sie den Staat brauchen. Das ist vernünftig.
Ich gebe zu, daß man natürlich sagen kann: Da gibt es einen Einzelhausbesitzer, der steckt das mehr verdiente Geld aus der Staffelmiete nicht in den Wohnungsbau. Das ist das Gegenargument. Aber ich kann nicht wegen dieser Gruppe die große Gruppe der freien Wohnungsbauinvestoren und Vermieter aus der Möglichkeit herausnehmen, langfristig eine Gesamtkonzeption der Mischfinanzierung zu ermitteln. Wenn wir das täten, dann hätten wir auf dem Wohnungsmarkt eine Bewegung in Richtung Neubau und eine Bewegung in Richtung Bereitstellung neuer Wohnungen. Darauf warten doch die Leute, doch nicht auf unsere ideologischen Auseinandersetzungen.
({13})
Das sind die zwei Wege auf denen wir die Leute wieder zum Wohnungsbau bringen können.
Drittens erhebt sich die Frage, wo denn unsere Reserven sind. Im Grunde genommen haben wir zwei große Reserven. Die eine Reserve ist der Altwohnungsbestand, die andere ist die Summe der ausgeliehenen öffentlichen Darlehen. Beim Bestand haben wir das große Problem der Fehlbelegungen. Da gibt es nun zwei Vorschläge. Ihr Vorschlag geht dahin, eine Fehlbelegungsabgabe einzuführen. Über den Grundgedanken, daß der, der zu billig wohnt, weil er früher eingezogen ist, ein großes Ärgernis ist, brauchen wir überhaupt nicht zu streiten. Die große Frage ist nur: Wie bewegen wir denn das? Da scheint mir eben das Konzept, 4,5 Millionen Haushalte zu erfassen und für sie eine Fehlbelegungsabgabe festzulegen, einen Aufwand zu erfordern, der zum Ertrag in keinem Verhältnis steht, und zwar vor allem deshalb nicht, weil Sie dann die familiäre Situation beurteilen müssen. Jetzt erlegen Sie der Familie eine Fehlbelegungsabgabe auf, weil beide arbeiten, und morgen wird die Frau oder der Mann arbeitslos. Da kommt ein Kind auf die Welt, da zieht die Oma zu und wieder weg. Wenn Sie für 4,5 Millionen Haushalte - das ist nahezu ein Fünftel der Bevölkerung - mit der Administration gewissermaßen die Lebensverhältnisse wegen der Fehlbelegungsabgabe dauernd überwachen wollen, dann brauchen Sie vier Jahre, bis Sie es aufgebaut haben, vier Jahre, bis es funktioniert, und dann müssen Sie die Abgabe wieder abschaffen, weil Ihnen die FDP „höchstens zwölf
Ministerpräsident Späth ({14})
Jahre" in das Gesetz hineingeschrieben hat. Da frage ich mich, was das für ein Zirkus sein soll.
({15})
Das ist wirklich der Koalitionskompromiß bezüglich zwei Dingen, die unvereinbar sind.
({16})
- Das habe ich nicht dort gelernt. Ich habe inzwischen auch noch etwas dazugelernt, Herr Gallus. Aber ich habe dort viel gelernt, und das wende ich jetzt an. Das ärgert viele Leute, weil ich der Meinung bin, daß es gerade im Wohnungsbau besonders gut ist, daß man von der Sache viel weiß. Es gibt j a in der Politik viele Leute, die meinen, wenn man die Kompetenz nicht hätte, könnte man unbefangener diskutieren. Das stimmt zwar, aber das hilft in der Sache nicht weiter.
({17})
Zurück zur Fehlbelegungsabgabe! Wir sagen, dieses Modell einer individuellen Fehlbelegungsabgabe führt zu keiner Lösung. Wir können aber etwas anderes machen; das ist unser Gegenvorschlag. Da bitte ich vor allem die Anhänger eines Beschäftigungsprogramms, einen Gedanken vielleicht einfach einmal mitzuverfolgen: Wenn Sie die Wohnungsbaudarlehen im öffentlichen Bereich bis 1960 - das sind alles Darlehen unter 20 000 DM - gegen Kapitalmarktdarlehen austauschen, d. h. per Gesetz die Zinsen für sie auf 8 % bis 10 % anheben, dann haben Sie 9,5 Milliarden DM an Leute ausgeliehenes Geld, die 1960 und davor gebaut haben. Ich gönn's denen. Die wohnen ausgesprochen preiswert. Es ist doch eine Gerechtigkeitsfrage, daß die jetzt wenigstens den Kapitalmarktzins für ihre Kleindarlehen zahlen müssen, damit wir denen, die den Kapitalmarktzins für die großen Darlehen zahlen müssen, ein bißchen helfen können. Das ist doch im Grunde genommen eine sehr soziale Überlegung. Wenn wir das täten und dann die Zinsen für die nach 1960 aufgenommenen öffentlichen Wohnungsdarlehen ebenfalls in Stufen anheben würden, dann führten wir ein System ein, bei dem immer der, der in früherer Zeit billiger gebaut hat, später, wenn es ihm leichter wird, weil er ein Stück abgezahlt hat, ein bißchen dazu beiträgt, daß der, der draußen steht, auch eine Lösung findet.
Darauf kann man eine ganze Menge Überlegungen aufbauen:
Erstens. Wir hätten einen Rückfluß allein an Zinsen von etwa 250 bis 300 Millionen DM pro Jahr, die wir sofort wieder für den Wohnungsbau einsetzen könnten. Dabei würde eine soziale Ungerechtigkeit entstehen, weil nach unseren Berechnungen eine Reihe von Mietern wohngeldabhängig würden. Wir müßten also von den 250 Millionen DM vielleicht 100 Millionen DM wieder als Wohngeld bereitstellen. Da wachsen die Betreffenden aber irgendwann wieder heraus. Das wäre die absolute Logik des ganzen Wohnungsbaukonzepts; daß diejenigen, die mehr zahlen können, mehr zahlen, und diejenigen, die es nicht können, über das Wohngeld den staatlichen Schutz haben.
Die Sache hätte aber noch eine ganz interessante Nebenwirkung. Ich bin überzeugt, daß alle diejenigen, die kleine Darlehen haben, sie zurückzahlen würden; denn in dem Augenblick, in dem sie nicht mehr 0,5 % kosten und man das besser der Bundesregierung in 10%igen Pfandbriefen zur Finanzierung des Bundeshaushalts leiht, würden die sagen: Das Geschäft mit den 9,5 % ist weg; also zahle ich das Darlehen zurück. - Ergebnis: Nach unseren Berechnungen würden wir in den nächsten drei Jahren etwa 3 bis 3,5 Milliarden DM in die öffentlichen Kassen zurückbekommen. Was läge denn näher, als jetzt zu sagen: Wenn wir schon mehr Beschäftigung im Wohnungsbau brauchen, wenn die Baubranche Arbeitskräfte anstellen und nicht freisetzen sollte, wenn wir die Binnenmarktsituation über den Wohnungsbau ankurbeln wollen, was hindert uns denn, mit der Konzeption relativ rasch die 3 Milliarden DM zurückzuholen und dann gezielt im Wohnungs- und Städtebau einzusetzen? Dann haben Sie mehr, als Ihre ganzen Beschäftigungsprogramme, die Sie diskutieren, überhaupt bringen können.
({18})
Außerdem haben Sie es noch finanziert, was ja heute schon etwas fast Ungewöhnliches ist,
({19})
und zwar aus Mitteln, die schon da sind. Das ist gerecht, konjunkturpolitisch richtig, arbeitskräftemäßig richtig und dient der Wohnversorgung. Wecken von Reserven ist also unsere Empfehlung.
Da wir Ihnen die Chance geben wollen, das möglichst rasch mit uns zu machen, haben wir den Antrag gleich in das Strukturprogramm hineingeschrieben. Das heißt: Ihr Haushaltsstrukturgesetz wird den Bundesrat nicht passieren, ohne daß Sie zu der Frage Stellung genommen haben, weil das nämlich nicht mehr eine Sache der Langfristigkeit ist, sondern eine Zielsetzung, die wir uns jetzt auch aus konjunkturpolitischen Gründen im Sinne der Beschäftigung unserer Menschen gleich vornehmen sollten.
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Ich wollte hier noch ein Wort zur Privatisierung von Mietwohnungen sagen. Wir haben beim Land Baden-Württemberg angefangen und setzen es bei den landeseigenen Wohnungsunternehmungen fort: Wir verkaufen den Mietern ihre Wohnungen. Das ist etwas Unglaubliches in der Meinung einiger Leute. Aber, Herr Conradi, bevor Sie dazu eine Zwischenfrage stellen, möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, daß nachher der Herr Zöpel spricht, der zu meiner großen Überraschung im Bundesrat gesagt hat, daß das Land Nordrhein-Westfalen das gleiche macht. Das hat mich ideologisch ungeheuer beruhigt.
({21})
Die Motive mögen verschieden sein, aber ich möchte hier noch einmal sagen: Bei der Privatisierung von Mietwohnungen sollte man zwei Dinge unterscheiden, nämlich das, was die Spekulanten machen, um Geld zu verdienen, und das, was wir aus sozialen Gründen machen könnten. Das ist deshalb soMinisterpräsident Späth ({22})
zial, weil ja die öffentliche Hand in der Nachkriegszeit Wohnungen mit dem Ziel der Wohnungsversorgung gebaut hat, aber nicht mit dem Ziel, öffentliches Vermögen anzureichern. Nun sitzen in diesen Wohnungen viele Familien, die nicht das Geld haben, um neue Wohnungen zu bauen; aber sie haben gerade das Geld, um ihre Wohnung, in der sie schon lange wohnen, zu erwerben. Was machen die? Sobald sie die Wohnung erworben haben, sagt Muttern: Der Urlaub wird im Lande zugebracht, der Sonnenbrand wird weniger weit südlich geholt, dafür gibt es eine Einbauküche, dafür gibt es einen Teppichboden, und dann wird eine Wärmeisolierung eingebaut, weil die Heizung so teuer ist. - Die Leute machen alles richtig. Die werten unsere Städte auf, weil sie nicht umziehen, sondern in der Stadt bleiben; die schonen die Landschaft, weil sie nicht neu bauen, sondern alte Wohnungen renovieren - damit sind sie auch noch große Umweltschützer -; die sparen Energie, weil sie die Wohnungen reparieren: die machen alles richtig, nur gibt es ein paar Leute, denen das nicht in ihr politisches Konzept paßt. Das ist der einzige Hinderungsgrund.
({23})
Wir sind also nicht hilflos, wir können noch Reserven wecken.
({24})
- Das ist richtig, es ist bei uns immer so, daß einer das auch einmal anders sehen kann, aber jeder argumentiert für die Position, die er in der Frage für richtig hält.
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Der Herr Rommel hält es nicht aus den Gründen für falsch, aus denen z. B. Sie es, wie Sie öffentlich erklären, für falsch halten; ich bin sogar der Meinung, Herr Conradi - deshalb wird es passieren -, aus einem ganz anderen Motiv. Die gemeinnützige Wohnungswirtschaft hat noch nicht ausgerechnet, wie hoch die Kostenmieten sein würden, wenn sie alle ihre Wohnungen renovieren ließen, wie wir das wollen. Das Grundproblem ist eben, daß der Mieter, der die Wohnung selber instand setzt, weil er Eigentümer werden kann, ganz anders rechnet, nämlich nicht kaufmännisch: der vergißt das Geld, das er reininvestiert hat, er kann damit seine Zukunft sichern, er kann seine Ersparnisse vernünftig einsetzen. Was wollen wir denn? Wenn wir eine freie Gesellschaft haben wollen, dann müssen wir auch eine Gesellschaft von möglichst vielen Eigentümern haben wollen.
({26})
Und damit sind wir vielleicht überhaupt bei dem Thema „Mieter und Vermieter". Ich will das mit wenigen Anmerkungen abtun. Ich bin der Meinung, wir müssen wieder ein neues Selbstverständnis zwischen Vermieter und Mieter beginnen. Das geht nicht, wenn wir alle denkbaren Konflikte eines fürchterlichen Vermieters mit einem fürchterlichen Mieter als Grundlage unserer Überlegungen nehmen. Dann erreichen wir nämlich, daß die im Grunde ununterbrochen vor den Gerichten ihre Anwälte beschäftigen, und wir erreichen nicht das normale Mietverhältnis, bei dem die miteinander ganz vernünftig reden.
Wir sollten alles unterstützen, was dieser Vernunft dient, z. B. richtige Vorschläge machen, daß etwa der Mieter bei der Renovierung mitwirken kann, daß er das steuerlich nutzen kann und solche Dinge mehr. Wir müssen zu der Normalisierung des Verhältnisses kommen; wir müssen den Mieterschutz einhalten, weil das Gut Wohnung einfach ein Gut ist, das nicht zur Disposition gestellt werden kann. Wir müssen aber auch die Bedingungen schaffen, daß der Vermieter noch Vermieter sein will.
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Wenn er das nicht mehr sein will, werden Sie keine Vermieter mehr finden; und wenn Sie keine Vermieter mehr finden, dann müssen Sie den Staat zum Generelvermieter machen; und wenn der Staat kein Geld hat, fällt er auch aus; und wenn Sie gar keine Vermieter mehr haben, dann haben Sie entweder Eigentümer oder keine Wohnungen. Und das gibt kein Konzept.
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Wir müssen deshalb diese Partnerschaft verstärken, und darauf sollten unsere mietpolitischen Überlegungen gerichtet sein.
Was nun die Kostenseite angeht, haben Sie eine Menge Vorschläge zur Baulandseite gemacht. Ich warne davor, das Thema Bauland zum Generalschuldigen zu machen.
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Die Baulandkosten sind da. Ich will Ihnen aber einmal ein Beispiel sagen. Eine Zeitlang sind wir immer auf die Bauern losgegangen. Wir haben den § 6 b für den Wohnungsbau bei den Bauern beseitigt. Ich kann Ihnen sagen: Das hat dem Wohnungsbau gar nicht gut getan. Früher haben die Bauern die Probleme gelöst, indem sie gesagt haben: Der eine kriegt den Hof, und die Tochter kriegt vom Baulandverkauf sechs Wohnungen. Jetzt sagen sie: Um die sechs Wohnungen wieder zu erreichen, brauchen wir jetzt das Bauland plus die Steuer, die wir an den Staat abführen müssen. Oder er baut gar nicht mehr. Was diente es den Wohnungsuchenden, wenn Sie das Problem scheinbar gelöst haben, der Bauer aber nicht mehr baut? Das haben wir inzwischen erreicht.
({30})
Ich will damit nur sagen, daß die praktische Vernunft in vielen Bereichen weiter führt als die perfekte, in sich schlüssige Konzeption.
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Ob Sie beim Bauland etwa die Erschließungsmaßnahmen verbessern wollen, ob Sie z. B. die Abzugsflächen vergrößern wollen, über all diese Dinge können wir reden. Aber machen Sie jetzt nicht noch ein Baulandrecht, bei dem jeder mit Zähnen und Klauen auch den letzten Quadratmeter verteidigt. Dann könnte es nämlich sein, daß Sie die alle - ähnlich wie die Vermieter - so perfekt an die Kandare neh3136
Ministerpräsident Späth ({32})
men, daß Sie Ihnen weglaufen und nicht mehr mitmachen wollen.
Wir brauchen die Bereitschaft zu vernünftigen, konsensfähigen Lösungen. Sehen Sie sich einmal das heutige Enteignungsrecht an! Das reicht aus. Ich kenne keinen Gemeinderat, der pausenlos enteignet. Vielmehr betreiben viele Gemeinderäte eine bessere Bodenvorratspolitik. Das Problem ist, daß wir das Element der Bodenvorratspolitik in den Mittelpunkt rücken müssen.
Ein Letztes: Vergessen Sie das Baugebot! Sie können das Baugebot mit Ihren berühmten Spekulanten durchziehen. So einer wird aber schon bauen oder das Grundstück wieder verkaufen; denn er will Cash machen. Das müssen Sie bekämpfen.
Wenn Sie aber erst einmal das generelle Baugebot haben, was wollen Sie dann mit der Oma machen, die sagt: Das kriegt mein Enkel? Entweder brauchen Sie dann einen Befreiungstatbestand - dann geht es wie bei der Baulandsteuer C, da haben Sie mehr Verwaltungsaufwand als Steuererträge -, oder aber Sie können das Baugebot gar nicht durchsetzen. Wo ist es denn bisher schon einmal durchgesetzt worden? Gehen Sie doch einmal zum Besitzer einer Baulücke und erzählen Sie dem dauernd, er müsse bauen oder werde enteignet. Der normale Privateigentümer kann doch mit dieser Drohung nichts anfangen.
({33})
Der hat entweder Geld - dann baut er -, oder er hat kein Geld - dann baut er nicht.
({34})
- Ja, eben! Und die kommunale Praxis wird es genauso machen wie mit dem jetzigen Instrumentarium: sie wird das Vernünftige handhaben und das Unvernünftige weglassen. Und deshalb sollten Sie nicht noch mehr Unvernünftiges produzieren.
({35})
Das, was wir erreichen müssen, kann man im Grunde in drei Punkten zusammenfassen. Erstens. Wir müssen denen, die sich jetzt schon selbst helfen, durch die Art, wie wir Baupolitik betreiben und rechtlich regeln, den Mut machen, weiter für sich selbst zu sorgen, soweit sie es können.
Zweitens. Wir müssen denen, die mit einer kleinen öffentlichen Hilfe und unter großen eigenen Opfern bereit sind, sich selbst zu versorgen, dies an erster Stelle ermöglichen.
Drittens.. Wir müssen das bißchen Geld, das wir noch haben, einschließlich der geringen Reserven, die wir noch wecken können, auf die kleine Gruppe der Menschen konzentrieren, die sich wirklich nicht selber helfen können.
Dann wird alles ein bißchen gerechter, zwar nicht perfekt - aber dies ist ein Weg, der am Schluß zu mehr Wohnungen führt und nicht nur zu neuen Gesetzen.
({36})
Das Wort hat der Minister des Landes Nordrhein-Westfalen, Dr. Zöpel.
Minister Dr. Zöpel ({0}): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine komplizierte Wirklichkeit und auch eine aktuell wieder unübersichtliche Gesetzgebungslage bei den vielen Entwürfen führen natürlich ganz schnell zu der Versuchung, sich ideologische Schlagworte um die Ohren zu hauen. Ich teile hier völlig das, was auch Herr Ministerpräsident Späth soeben kurz in seiner Rede gesagt hat, nämlich daß wir das sein lassen sollten.
Nur: In dieser Debatte ist das eben nicht sein gelassen worden. Es würde mich freuen, wenn mir alle hier anwesenden Mitglieder der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zustimmten, wenn ich jetzt sage: Wir sollten auch nicht ewig das Thema des freien, ungehemmten Markts diskutieren. Es gibt im Wohnungsbereich keinen freien, ungehemmten Markt, und es kann ihn nicht geben. Ich füge hinzu: Es darf ihn auch nicht geben.
({1})
- Ich habe gesagt: Wenn Sie mir darin zustimmten. Herr Kollege, ich würde mich nur freuen, wenn Sie mir darin zustimmten, so wie ich, indem ich dieses Zitat wiederholt habe. Herrn Ministerpräsident Späth darin zustimme.
Soweit scheint mir zumindest auf der Ebene der Länder der Streit zu beenden zu sein. Sie beenden ihn noch nicht in der Auseinandersetzung über die Frage „Eigentum oder Miete?". Sie haben heute wieder kräftige Beiträge zur Stärkung des Gerüchts geliefert, Sozialdemokraten hätten etwas gegen Eigenheime. Ich will hier ganz deutlich sagen, was für meine Politik in Nordrhein-Westfalen gilt. Wir wären doch bekloppt, wenn wir die Wähler, auf die wir besonders abzielen, daran hinderten, ihre vermehrte Chance zu nutzen, ein Haus zu bauen oder zu kaufen, wenn sie eine Familie haben.
Was uns bei der Eigentumsförderung bewegt, ist doch etwas ganz anderes: daß von Ihnen weiterhin ausschließlich Vorschläge kommen, die die Subvention für höher Verdienende höher sein lassen als für niedrig Verdienende. Das ist das Problem.
({2})
Sie wollen weiterhin nicht dieselben Chancen für die unterschiedlichen sozialen Gruppen, tatsächlich zu Eigentum zu kommen. Ich würde sagen: Sie sind eigentumsfeindlich gegenüber dem sozial Schwächeren. Das ist das eigentliche Problem.
({3})
Meine Damen und Herren, ich bitte doch, den Herrn Minister hier seine Ausführungen machen zu lassen. Wir haben eben
Vizepräsident Frau Renger
eine längere Rede gehört, und alle haben gut zugehört.
({0})
- Ich bitte recht herzlich darum, meine Damen und Herren, damit wir rechtzeitig in die Mittagspause eintreten können. Es ist bald 13 Uhr.
Fahren Sie bitte fort, Herr Minister.
({1})
Minister Dr. Zöpel ({2}): Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. Aber wenn jemand von der Wahrheit getroffen wird, regt er sich auf.
({3})
Die Wirklichkeit, auf die sich die Wohnungspolitik einstellen muß, ist sehr differenziert. Sie ist örtlich und regional unterschiedlich - hier liegt ein ganz großes Problem -, und sie hat auch auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der verschiedenen Bevölkerungsgruppen Rücksicht zu nehmen. Ich habe ein klares Wort zu meiner Vorstellung über Eigentumspolitik im Bereich der Wohnungspolitik gesagt. Nur: Das hängt doch davon ab, wer welche Wohnung braucht. So sehr bei der derzeitigen und auf absehbare Zeit nicht veränderten Siedlungs- und Städtebaustruktur bei uns für die Familien mit Kindern das Einfamilienhaus die geeignete Wohnform ist, die gefördert werden muß, so wenig muß sie dies für alte Menschen sein, die wohl sinnvollerweise in Mietwohnungen mit entsprechender Möglichkeit der sozialen Betreuung leben, wie für mobile junge Menschen. Wir brauchen also einen ausreichenden Bestand von Mietwohnungen in Städten schon aus Gründen der Mobilität in diesem Staat. Da werden Sie mir sicherlich zustimmen. Also stellen Sie das doch nicht so gegenüber.
Zur Frage - da haben Sie mich zitiert - der Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen: Wir in Nordrhein-Westfalen werden es unterstützen, Bergarbeitersiedlungen, die in der Form freistehender Ein- oder Zweifamilienhäuser gebaut sind, zu privatisieren. Wir halten es aber nicht für sinnvoll, in dicht bebauten Innenstadtbereichen in mehrgeschossigem Bestand Mietwohnungen zu privatisieren, weil dies den notwendigen Bestand von Mietwohnungen vermindern und geradezu ein Mobilitätshemmnis und damit ein Hemmnis für unsere wirtschaftliche Entwicklung würde. Hier sind die Fronten.
({4})
Die Fronten zeichnen sich ab angesichts der Frage: Wo brauchen wir Mietwohnungen, und wo brauchen wir Eigentumswohnungen. Das ist die konkrete Frage und nicht eine Frage abstrakter Ideologie.
Wir diskutieren heute über Wohnungspolitik und gehen davon aus, daß eine wichtige konzeptionelle Entscheidung gefallen ist - durch die Bundesregierung, durch die Bundestagsfraktionen -, die an dem Bemühen ansetzt, durch global wirkende Maßnahmen vor allem die Baukonjunktur zu stärken, aber sicher und hoffentlich auch den Bestand an Wohnungen in der Bundesrepublik zu vermehren. Dies sind: die Erhöhung der degressiven Abschreibung, die Verbesserung des § 7 b. Bei der Verbesserung des § 7 b ist für mich besonders wichtig, daß hier der Einstieg in eine Familienkomponente, die zu mehr Gerechtigkeit bei der Eigentumsförderung führen kann, enthalten ist.
({5})
Diese Dinge - das ist die Hoffnung - sollen die Bautätigkeit beleben. Ich hoffe, daß diese Hoffnung nicht trügt.
Ich bin aber sicher: Sie wird nicht den unterschiedlichen regionalen Verhältnissen, vor allem zwischen Städten und ländlichen Gebieten gerecht werden. Ich glaube, man kann dies an Hand der Wohnungsbautätigkeit der letzten Jahre hervorragend belegen. Ich möchte als Indikator dafür bekannte Zahlen, keine neuen Statistiken, nehmen, den Bruttozugang zum Bestand oder das Verhältnis von neugebauten Wohnungen und Bestand der Wohnungen. Dies war in der Bundesrepublik insgesamt in den Jahren 1978 und 1979 1,51 % bzw. 1,44 %, in Hamburg aber nur 0,69 % und 0,52 %, in Bremen 0,87 % und 0,78 %
({6})
und in Berlin 0,7% und 0,54% - also fast 1 Prozentpunkt schlechter. - Die Frage, wer dort regiere, habe ich erwartet. Deshalb habe ich mir auch die Zahlen für die Länder Schleswig-Holstein und Bayern - frühere Ambitionen, zukünftige Ambitionen - angeguckt. In der Tat kann ich sagen: In Schleswig-Holstein waren die Werte 1,53 % und 1,63%, in Bayern 1,77 % in beiden Jahren. Nur sagt dies nicht viel über die eigentlichen Probleme; denn in der Landeshauptstadt von Schleswig-Holstein lagen die Werte bei 0,69 % - in beiden Jahren -, und in der Landeshauptstadt von Bayern lagen die Werte bei 0,76 % und 0,71 %, also schlechter als in Bremen. Ich glaube, dies belegt, daß wir, völlig unabhängig davon, wer regiert, den eigentlichen Wohnungsmangel, der neu entstanden ist, in Städten haben, wo die Bestandsverbesserung gegenüber dem ländlichen Gebiet signifikant zurückgeblieben ist. Das ist das eigentliche Problem, vor dem wir stehen.
({7})
Ich glaube, daß ein Zuwachs von 1,5 % pro Jahr zum Bestand - Korrekturen um die Bevölkerungsentwicklung, da kann man eine Relation bilden, führen nur zu marginalen Veränderungen - eine Zielgröße ist, die man anstreben kann - aber eben überall im Land. Auch in den Städten muß man diese anstreben.
({8})
- Herzlichen Dank! Eine wichtige Feststellung ist
natürlich - ich nehme Ihren Zwischenruf auf; nun
Minister Dr. Zöpel ({9})
sagen Sie's -, daß Sie keine weitere Neubautätigkeit in den Städten wollen. Dann sagen Sie es, damit es jeder weiß, vor allem in den Städten: Sie wollen keine Neubautätigkeit in den Städten.
({10})
- Das stimmt alles. Nur, Sie glauben es nicht.
({11})
- Habe ich den Zwischenruf der Frau Kollegin richtig verstanden? „Wozu denn in den Städten?", haben Sie gefragt.
({12})
- Frau Kollegin, Sie haben gefragt: „Wozu denn in den Städten?" Ich habe das richtig verstanden. Wenn Sie das nicht möchten, dann sagen Sie: Sie wollen in den Städten nicht bauen. Wenn ich Sie mißverstanden habe, bitte ich um Entschuldigung.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Dr. Hellwig?
Minister Dr. Zöpel ({0}): Ja; selbstverständlich.
Herr Minister, können Sie mir darin zustimmen, daß unter den Problemen der Ballungsgebiete sehr oft ein sehr viel größeres Problem das der mangelnden richtigen Nutzung des Bestands ist, angesichts - ich nehme jetzt mal bloß Berlin - der großen Masse leerstehender Wohnungen, angesichts - ich nehme München - des großen Altbaubestands, der unterbelegt ist, und daß wir uns diesem Problem vorrangig widmen sollten, statt uns dort, wo die Baupreise besonders hoch sind, auf den Neubau zu konzentrieren?
({0})
Minister Dr. Zöpel ({1}): Frau Kollegin, ich stimme Ihnen zu. Ich werde das noch näher begründen.
({2})
- Herr Kollege, was Sie nach den Debattenbeiträgen von Herrn Schneider und Herrn Jahn unter Polemik verstehen, begreife ich nicht mehr ganz. Ich halte es für keine Polemik, wenn ich weiterhin meine: Wir brauchen auch in Großstädten Wohnungszubau. Daran möchte ich nun mal festhalten.
({3})
Und um diesen zu erreichen - damit komme ich zu dem nächsten Punkt -, wird weiterhin eine Ergänzung der hoffentlich global wirkenden Maßnahmen auf Grund von degressiver Abschreibungsverbesserung und der Verbesserung des § 7 b notwendig sein. Für die großen Städte gibt es nur ein einziges bisher bekanntes und bewährtes Instrument der Ergänzung: Das ist die Erhaltung, Frau Kollegin, richtige Nutzung und behutsame Ergänzung des Bestands an öffentlich geförderten Wohnungen. Das ist das notwendige und einzige wirksame Instrument zu diesen globalen Maßnahmen, das zusätzlich eingesetzt werden muß.
Beim Einsatz dieses Instruments sind die Länder von der Finanzierung her weitgehend auf sich selbst angewiesen. Dies kann und muß ich sagen. Von den im ersten Förderweg in Nordrhein-Westfalen in diesem Jahr gebauten Wohnungen wird die entsprechende Finanzierung zu 95 % vom Land Nordrhein-Westfalen und zu 5 % vom Bund aufgebracht. Im zweiten Förderweg ist das Verhältnis etwa 50 zu 50. Das füge ich hinzu.
Unsinnig - entschuldigen Sie, Herr Gattermann - ist, zumindest auf Ihr Heimatland bezogen, der Hinweis, es gehe in Nordrhein-Westfalen rapide zurück. Mein Vorgänger, Herr Kollege Hirsch, hat die Zahl der öffentlich geförderten Wohnungen dankenswerterweise konstant gehalten. Ich habe sie jetzt für 1981 erhöht. Also von einem rapiden Rückgang in Ländern, die das anders wollen, kann keine Rede sein.
({4})
Wir müssen also diese Ergänzung anbringen. Natürlich ist es nach der Rede von Herrn Ministerpräsident Späth notwendig, einige Bemerkungen über den Sinn und die Finanzierbarkeit und die Gerechtigkeit des Systems öffentlich geförderter Wohnungen zu sagen. Dazu haben Sie herausgefordert.
Lassen Sie mich eines sagen. Der Sinn und die Gerechtigkeit lassen sich nur ermessen, wenn man Bestand und Neubau zusammennimmt. Es ist abwegig, allein den Subventionswert für die Bestandsveränderungen zur Betrachtung heranzuziehen und nicht zu schauen: Wie insgesamt wirkt ein funktionsfähiger Bestand öffentlich geförderter Wohnungen auf den Frieden in den Städten?
Und hier muß man die Fakten kennen. In allen nordrhein-westfälischen Großstädten liegt der Bestand an öffentlich geförderten Wohnungen bei über 30 % vom Gesamtbestand, in allen Städten des Ruhrgebiets bei über 40 %, und er erreicht in Bottrop 50%. Damit ist in diesen Städten die Diskrepanz zwischen den Wohnberechtigten und dem Bestand außerordentlich gering.
Bei einer behutsamen Pflege - deshalb sind wir gegen frühzeitige Lösung der Bindungen öffentlich geförderter Wohnungen in Nordrhein-Westfalen - und bei einer behutsamen Erneuerung ist dies der Garant dafür, daß man in den einzelnen Städten bei der Wohnungsversorgung Frieden behält.
Das, wonach Sie gefragt haben und wobei ich Ihnen zugestimmt habe, Frau Kollegin, nämlich leerstehende Wohnungen, gibt es in anderen Ländern. In ganz Nordrhein-Westfalen - 17 Millionen Einwohner, 396 Gemeinden, davon 23 Großstädte - gibt es nach unseren Ermittlungen insgesamt nur rund 2 000 leerstehende Häuser. Dieses Problem ist in dem Ballungsland Nordrhein-Westfalen nicht vorhanden. Das hat etwas damit zu tun, daß die Städte mit dem großen Bestand an öffentlich geförderten
Minister Dr. Zöpel ({5})
Wohnungen gemeinnützig und sozial verantwortlich umgehen, daß für die Ballungsgebiete seit Karl Arnold über Willy Weyer bis hin zu der jetzigen Regierung Rau eine richtige Wohnungspolitik gemacht wurde. Wir haben also diese Probleme nicht - das kann man zu der Situation Nordrhein-Westfalens sagen -, und die sozialdemokratischen Oberbürgermeister im Revier haben das Notwendige dazu beigetragen. Mir geht es darum, diesen Bestand von 40 % öffentlich geförderten Wohnungen in den großen Städten zu erhalten und systematisch zu ergänzen.
Jetzt komme ich zu der Debatte über Fehlbelegungsabgabe, Zinserhöhungen und Darlehensrückzahlungen. Ich will an den Bund und auch noch einmal an die CDU-regierten Länder appellieren, doch hier einen vernünftigen Weg zu gehen. Wenn die Länder schon weitgehend den öffentlich geförderten Wohnungsbau allein bezahlen müssen - ich will darüber jetzt nicht klagen, vielleicht ist das eine notwendige Aufgabenverteilung -, dann sollte auch das jeweilige Land die ausreichenden Rechtsinstrumente haben, um zu regeln, wie dieser Bestand sinnvoll bewirtschaftet wird.
({6})
- Das ist ein Thema, das ich immer sehr gern mit den CDU-regierten Ländern diskutiere. Deshalb sage ich,
({7})
mit Herrn Kollegen Haack
({8})
gibt es in dieser Frage gar keine prinzipielle Diskrepanz. Ich bin dem Herrn Kollegen Haack dankbar, daß er einen Gesetzentwurf ausgearbeitet hat, in dem die Fehlbelegungsabgabe enthalten ist, weil es der einzige Gesetzentwurf ist als Gegenantwort zu Überlegungen, die auch in Gesetzesform gefaßt sind und in denen die unreflektierte Ansetzung allein von Zinserhöhungen vorgesehen ist. Das ist doch die Entscheidungslage. Wenn der Kollege Haack nicht einen Gesetzentwurf vorgelegt hätte, der auch die Fehlbelegungsabgabe enthält, dann hätten wir nur das andere Instrument.
Meine Position ist die: Gebt doch jeder Landesregierung die Chance, verantwortlich und gemessen an der Größe ihres Bestandes - damit hat das sehr, sehr viel zu tun - mit den Instrumenten vorzeitige Darlehensrückzahlung, Zinserhöhung bei den alten, ganz billigen Wohnungen - es ist j a unstreitig, daß das so ist, gemessen an den neuen Wohnungen - und Fehlbelegungsabgabe eigenverantwortlich zu hantieren; dann ist jeder dafür verantwortlich. Wer das nicht will, braucht das nicht. Ich möchte Baden-Württemberg nicht zwingen, eine Bürokratie aufzubauen, von der man meint, das die käme. Die kommt aber nach unseren Ermittlungen gar nicht, sondern sie ist in Verbindung mit der Wohngeldauszahlung vermeidbar. Wir haben uns nun alles überlegt. Wir sind ja in Nordrhein-Westfalen auch nicht für Bürokratie, sondern für flexible Politik, Herr Kollege Späth.
Geben Sie uns doch die Chance, das zu beweisen. Hier sollten wir keine ideologischen Konflikte austragen, sondern jedem Land die Chance geben, das so zu regeln, wie es dies für richtig hält. Ich möchte Baden-Württemberg nicht bevormunden, Baden-Württemberg sollte mich nicht bevormunden. Ich möchte sagen, der Bund, wenn er für den ersten Förderweg nur so wenig Mittel aufbringen kann, sollte uns die Regulierung der von uns bezahlten Verhältnisse auch überlassen. Sie haben das j a auch in anderen Bereichen der Politik getan. Die Zweckentfremdungsverordnung liegt in den Händen der Länder, ich wende sie an; die Möglichkeit, Gebiete mit erhöhtem Wohnbedarf zu bestimmen, haben Sie weitgehend in die Kompetenz der Länder gelegt.
({9})
Ich wende sie so an und ich bin stolz darauf und sichere damit den sozialen Frieden in den Städten.
({10})
- Herr Kollege Jahn, bei Ihnen im Münsterland tue ich das ja auch gar nicht, weil es da nicht nötig ist, also beschweren Sie sich doch nicht! - Dieses scheint mir hier also der geeignete Weg zu sein.
Wenn ich so insgesamt hinweise auf Wohnungspolitik und ihren Zusammenhang mit der Verhinderung sozialer Konflikte in den Städten, so möchte ich zu dem eigentlichen Hauptproblem der Wohnungspolitik kommen, das mir Sorge macht und offensichtlich auch Herrn Kollegen Späth. Ich war ganz angetan, als er darauf hinwies, daß es Menschen gebe, die montags über Wohnungsprobleme und dienstags völlig isoliert davon zum Beispiel über Umweltprobleme in Städten diskutierten und am dritten Tag dann über den Zusammenhang von Bodennutzung und Umweltgefährdung. Das ist völlig richtig, nur ist es mein Eindruck, daß bei den Gesetzentwürfen der B-Länder und bei den Gesetzentwürfen der CDU/CSU angesichts der Tatsache, daß man zur Zeit unverbunden an unterschiedlichen Wochentagen darüber redet, nun gar nicht mehr an einem Tage über die Zusammenhänge geredet werden soll. Deshalb sage ich Ihnen, was ich für den engsten Zusammenhang halte, der unbedingt wieder hergestellt werden muß und bei dem für mich der Hauptmangel der Diskussion liegt: Wir müssen Wohnungspolitik und Städtebaupolitik wieder enger zusammenführen. In der Tat ist in den Städten Bestandspolitik fast wichtiger als Neubaupolitik. Ich habe darauf hingewiesen: Wir müssen verhindern, daß Wohnungen zweckentfremdet oder auch unzweckmäßig in Eigentumswohnungen umgewandelt werden können. Dies ist mir wichtig.
Von daher ist, glaube ich, der Beitrag der Bundesregierung, mit dem Gesetzentwurf zur Änderung des Bundesbaugesetzes und des Städtebauförderungsgesetzes Möglichkeiten zu einem besseren Einsetzen bodenpolitischer Instrumente anzubieten, not3140
Minister Dr. Zöpel ({11})
wendig. In großen Städten kann man städtebaulich ernste Probleme nur dann lösen, wenn die öffentliche Hand ausreichenden Zugriff auf den Boden hat. Dies ist anders nicht möglich.
({12})
Dies ist anders nicht möglich, und aus diesem Grunde halte ich sowohl die Verbesserung der Bestimmungen des § 39 h als auch die kommunale Entwicklungsmaßnahme für richtig.
Die Alternative, die als einzige wirken würde, um schwierige städtebauliche Probleme zu verhindern, ist, daß sich die öffentlichen Hände durch Kauf in den Besitz entsprechenden Bodens bringen. Wenn Sie nach Holland gehen, in ein Land, daß ja vieles an Städtebauproblemen bereits vor uns erlebt hat, und wenn Sie einmal Amsterdam mit Rotterdam vergleichen, werden Sie erkennen: Rotterdam hat die schweren Probleme, die Amsterdam hat, nicht bekommen, weil die Problemgebiete der Stadt, Boden plus Häuser, pauschal von der Stadt Rotterdam gekauft worden sind, um so sinnvoll und in Übereinstimmung mit den Bürgern beplant und saniert zu werden.
Im Ruhrgebiet mache ich Ansätze dazu, indem ich mich zur Verhinderung des Entstehens von Industriebrache und neuen Umweltgefährdungen in den Besitz freigezogener Industrieflächen bringe, um sie in den Städten sinnvoll beplanen zu können.
Es gibt nur zwei Alternativen: entweder - in Zeiten knapper Kassen - das Rechtsinstrumentarium, mit dem sich die Kommunen die planerische Verfügung über Grund und Boden sichern, oder das Aufkaufen. Das sind die beiden Möglichkeiten. Wo das eine nicht geht, kommt es zu neuen Belastungen der öffentlichen Kassen oder zu städtebaulichen Mißständen, die wir alle j a nicht wollen.
Das, worum es mir an dieser Stelle geht, ist folgendes. Wir - vor allem die Kommunen und die Länder, die ihnen helfen - brauchen die Chance, vor allem in den großen Städten zusätzlich etwas zur Lösung der besonderen Wohnungsprobleme zu tun.
({13})
Das gilt etwa auf Grund der Tatsache, daß dort wegen der städtebaulichen Verhältnisse Eigenheime nicht so schnell gebaut werden können. Wir sollten durchaus zu Bauformen kommen, die vielleicht den Wechsel von der Miet- zur Eigentumswohnung ermöglichen.
({14})
In meine Förderbestimmungen in Nordrhein-Westfalen werde ich im nächsten Jahr so etwas aufnehmen. Wir werden die öffentlichen Mittel auf die großen Städte konzentrieren. Allerdings habe ich Angst vor dem Geschrei aus dem ländlichen Raum, das dann, wenn man das tatsächlich macht, entstehen wird. Aber wir werden das tun!
({15})
Wir müssen aufpassen, daß der Bestand erhalten bleibt und daß sorgsam mit ihm umgegangen wird, daß nicht Schindluder mit der Nutzung des wichtigsten Eigentums getrieben wird, das es - da bin ich mit dem Kollegen Schneider einig - gibt, nämlich mit dem Wohnungseigentum. Das ist der wichtigste Eigentumsbereich, deshalb aber auch derjenige, der der stärksten Sozialverpflichtung unterliegt. Wenn es uns in den Städten nicht gelingt, Wohnungen zuzubauen und den Bestand zu pflegen, ist der Friede in den Städten gefährdet. Mein Leitziel in der Wohnungspolitik ist die Erhaltung des Friedens in unseren Städten.
({16})
Meine Damen und Herren, wir wollten um 13 Uhr in die Mittagspause eintreten. Herr Staatssekretär, Sie beginnen doch erst nach der Mittagspause? - Schönen Dank.
Wir treten in die Mittagspause ein und setzen die Beratungen um 14 Uhr fort.
({0})
Die unterbrochene Beratung wird wieder aufgenommen.
Wir treten in die Fragestunde - Drucksache 9/841 ein.
Wir beginnen mit der Fortsetzung des Geschäftsbereichs des Bundesministers für Verkehr. Das Ressort wird durch Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Mahne vertreten.
Ich rufe die Frage 33 des Abgeordneten Dr. Feldmann auf:
Wie bewertet die Bundesregierung unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten den gemeinsamen Versuch der staatlichen Monopolunternehmen Deutsche Bundesbahn ({0}) und Deutsche Bundespost, den sogenannten Bahn-Post-Feldversuch, Bahnfahrkarten und eventuell später auch DB-Touristikprogramme an Postschaltern bundesweit zu verkaufen?
Herr Kollege Dr. Feldmann, die Einbeziehung von Poststellen in den Fahrkartenverkauf zielt darauf ab, das Leistungsangebot der Bahn in der Fläche zu verbessern. Da diese Verkaufsmöglichkeit im Test von der Bevölkerung grundsätzlich angenommen worden ist - in einem Jahr wurden rund 30 000 Fahrausweise mit einer Gesamteinnahme von 1,1 Millionen DM abgesetzt -, wird der Feldversuch im Bereich der Oberpostdirektion Bremen fortgesetzt. Dabei ist allerdings nur an ein eingeschränktes DB-Tarifangebot wie Zeitkarten und fest aufliegende Fahrausweise für einfache Fahrt und Rückfahrt gedacht. Das Touristikprogramm der Deutschen Bundesbahn wird auch künftig an Postschaltern nicht angeboten.
Ab Herbst 1982 soll der Versuch dann auf die Bezirke der Oberpostdirektionen Hamburg und Hannover ausgedehnt werden, soweit dafür ein Marktbedürfnis besteht und die Wirtschaftlichkeit des Verfahrens für beide Verwaltungen sichergestellt ist.
Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär Mahne, vielen Dank. Wie lange soll aber insgesamt noch dieser Bahn-Post-Feldversuch andauern, und von welchen Ergebnissen wird das weitere Verfahren abhängig gemacht werden?
Herr Kollege, zu den Ergebnissen muß man erst einmal feststellen, inwieweit der Verkauf von DB-Fahrausweisen an Postschaltern betrieblich und organisatorisch möglich ist. Das bisherige Versuchsergebnis im Bereich Bremen hat gezeigt, daß der Versuch grundsätzlich von der Bevölkerung angenommen wird - ich habe auf die Zahl der verkauften Fahrausweise hingewiesen - und daß insbesondere in Orten mit einem unbesetzten Haltepunkt und auch ohne ein DER-Reisebüro oder in Fremdenverkehrsorten ohne eine Fahrkartenverkaufsstelle dieses Angebot sehr angenommen wird. Diese Einrichtung ist über die Sicherung des vorhandenen Verkehrsbesitzes hinaus auch dazu geeignet, ein neues zusätzliches Marktpotential - das ist für die Deutsche Bundesbahn sehr wichtig - in der Fläche zu erschließen.
Ich vermag heute noch nicht zu sagen, Herr Kollege Feldmann, wann dieser Versuch abgeschlossen sein wird. Das hängt von den Ergebnissen ab, die jetzt nach der Ausweitung des Versuchs überprüft werden. Diese Ergebnisse - so könnte ich mir vorstellen - werden etwa im Zeitraum eines Jahres vorliegen und entsprechend ausgewertet werden können.
Das Wort zu einer Zusatzfrage hat Herr Abgeordneter Merker.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß es sich hierbei um ein zusätzliches Angebot der beiden Bundesunternehmen Bahn und Post handelt und daß nicht daran gedacht ist, hier in einen Leistungsbereich einzudringen, der derzeit von den Reisebüros wahrgenommen wird?
Herr Kollege Merker, in meiner ersten Antwort auf die Frage habe ich bereits darauf hingewiesen, und ich will dies ausdrücklich auf Ihre Frage hin noch einmal unterstreichen. Außerdem wäre die Post auch gar nicht in der Lage dazu, weil es ihr dazu an entsprechend ausgebildetem, fachlich qualifiziertem Personal fehlt.
Frau Abgeordnete Dr. Engel, Sie haben das Wort zu einer Zwischenfrage.
Wie beurteilt die Bundesregierung Zusicherungen der DB-Hauptverwaltung, aus Gründen des Schutzes privater Reisebüros Fahrkarten nur dort am Postschalter zu verkaufen, wo es weder Reisebüros noch Bundesbahnverkaufsstellen gibt, obwohl sich gerade in ländlichen Regionen die Kundschaft privater Reisebüros vornehmlich aus dem näheren sowie weiteren Umland rekrutiert?
Frau Kollegin, ich habe soeben auf die Zusatzfrage des Kollegen Merker ausdrücklich noch einmal darauf hingewiesen, daß hier lediglich eine Erweiterung des Angebotes der Deutschen Bundesbahn für den Fahrkartenverkauf vorgenommen wird. Ich glaube, das liegt im Interesse der Verkehrsnutzer der Deutschen Bundesbahn vor allen Dingen in den ländlichen Regionen, die keinen eigenen Haltepunkt und keinen eigenen Fahrkartenverkauf haben. Ich habe darauf hingewiesen, daß es hier keine Reisebürotätigkeit hinsichtlich der Vermittlung von entsprechenden Angeboten für den Ferien- und Urlaubsverkehr geben wird.
Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, hält die Bundesregierung es für möglich, daß Bundesbahn und Bundespost mit Fortführung dieses Feldversuchs beschäftigungspolitische Ziele erreichen wollen?
Nein, das ist nicht so, sondern es geht ausschließlich darum, die Marktposition der Deutschen Bundesbahn zu verbessern. Ich glaube, das ist ein Interesse, das dieses Haus ungeteilt hat. Es soll also, wie gesagt, die Marktposition auf diesem Weg verbessert werden.
Herr Abgeordneter Feldmann, Sie haben noch eine Zusatzfrage zu stellen. Ich gebe Ihnen das Wort.
Hält, Herr Staatssekretär, die Bundesregierung diesen Feldversuch für subventionsbedürftig, und wie würde dies mit dem Subventionsabbau und den Sparplänen der Bundesregierung in Einklang zu bringen sein?
Die Beantwortung Ihrer Frage ist mir erst nach Abschluß des Versuchs möglich. Ich kann darüber heute noch keine Aussage machen.
Ich rufe die Frage 34 des Abgeordneten Repnik auf:
Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung in ihren Bereichen, z. B. den Strecken der Deutschen Bundesbahn, zu ergreifen, um zu verhindern, daß Herbizide, die bei Unkrautvertilgungsaktionen an den Gleisanlagen der Deutschen Bundesbahn auch in unmittelbarer Nähe von Wasserschutzgebieten verwendet werden, in das Grundwasser oder in Quellwasser eindringen, da noch nicht hinreichend geklärt ist, welche Gesundheitsgefahren von 2, 4, 5 T-Herbiziden auch bei sachgemäßer Anwendung ausgehen?
Herr Kollege Repnik, der Bundesminister für Verkehr hat bereits Ende Juli dieses Jahres entschieden, daß ab 1. Januar 1982 in seinem Zuständigkeitsbereich auf die Anwendung von Herbiziden mit dem Wirkstoff 2, 4, 5-T verzichtet werden soll. Korrespondierend hierzu hat die Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn den Einsatz dieser Mittel für ihren nachgeordneten Bereich sofort untersagt.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Repnik.
Herr Staatssekretär, sind der Bundesregierung ganz konkrete Schadensfälle be3142
kannt, die sich dadurch ergeben haben, daß die Bundesbahn solche Spritzmittel ausgebracht hat, und gedenkt die Bundesregierung bzw. die Verwaltung der Deutschen Bundesbahn, in solchen Fällen möglicherweise auch Schadensersatz zu leisten?
Es gibt einen solchen konkreten Schadensfall, der der Bundesregierung bekannt ist, in Radolfzell. Aber hier ist die Schadensursache noch nicht abgeklärt. Dieser Schadensfall befindet sich zur Zeit in einem Rechtsstreit. Ich sehe mich außerstande, heute hier eine Bewertung vorzunehmen. Dies würde ein Eingriff in ein schwebendes Verfahren bedeuten.
Eine weitere Zusatzfrage Herr Abgeordneter Repnik.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung jedoch bereit, gerade in diesem ganz konkreten Schadensfall alles in ihren Kräften Stehende zu tun, um diesen Fall aufzuklären und insbesondere darauf hinzuwirken, daß der konkrete Schädiger tatsächlich festgestellt wird? Die bisher vorhandenen Erkenntnisse weisen darauf hin, daß die Schädigungen allein durch das Ausbringen von Spritzmitteln der Deutschen Bundesbahn erfolgt sein müssen.
Herr Kollege, ich kann mich der letzten Wertung von Ihnen nicht anschließen. Aber grundsätzlich ist die Bundesregierung sehr daran interessiert, daß Schadensfälle, wenn sie auftreten und wo immer sie auftreten, schnellstens geklärt werden, damit entsprechende Maßnahmen getroffen werden, um Mißstände abzustellen.
Herr Abgeordneter Duve, Sie haben das Wort zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß das rasche oder vielleicht auch verspätete Handeln der Bundesregierung nicht zuletzt auf eine Initiative der SPD/FDP-Fraktion zurückzuführen ist und daß die Frage insofern etwas verspätet gekommen ist?
Herr Kollege, ich will diese Initiative gerne bestätigen. Ich muß aber der Sache halber hinzufügen: Es hat darüber hinaus auch weitere Initiativen gegeben.
Ich rufe die Frage 35 des Abgeordneten Repnik auf:
Hat die Bundesregierung Erkenntnis darüber, welche Schäden durch die Anwendung von Herbiziden bei der Unkrautvernichtung an Gleisanlagen der Deutschen Bundesbahn durch Verunreinigung von Quell- oder Grundwasser entstanden sind?
Herr Kollege, nach Mitteilung der Deutschen Bundesbahn sind aus der bisherigen Anwendung von Herbiziden im Bereich ihrer Anlagen - abgesehen von dem soeben von mir erwähnten strittigen Fall - keine nachgewiesenen Schäden durch Verunreinigung von Quell- oder Grundwasser bekannt.
Ich rufe die Frage 36 des Abgeordneten Duve auf:
Kann die Bundesregierung angeben, ob und in welchem Umfang der Transport von Fahrrädern bei der Deutschen Bundesbahn in der Reisesaison 1981 zugenommen hat?
Herr Präsident, wenn der Kollege Duve es gestattet, würde ich gern die Frage 36 und 37 zusammen beantworten.
Sind Sie damit einverstanden, daß wir so verfahren, Herr Abgeordneter Duve? - Dann rufe ich auch die Frage 37 auf:
Sind hierbei Engpässe bei der Beförderung in den Zügen und bei der Lagerungskapazität auf den Bahnhöfen aufgetreten?
Herr Kollege Duve, die Deutsche Bundesbahn beförderte von Januar bis Juni 1981 310 000 Fahrräder. Das bedeutet eine Zunahme von 28,7 % gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres. Die gestiegene Nachfrage brachte für die Deutsche Bundesbahn zwar nicht auf den Bahnhöfen, aber bei der Beförderung selbst Probleme, da das Fahrrad auf Grund seiner Sperrigkeit mehr Platz im Packwagen einnimmt als das übrige Reisegepäck - und somit bei gleicher Transportkapazität auch weniger befördert werden können -, zusätzliche Gepäckwagen aber nicht sofort zur Verfügung gestellt werden konnten.
Die Bundesbahn hat sich daher mit der Beistellung von geschlossenen Güterwagen als Packwagenersatz beholfen, soweit dies auf Grund der Auslastung der Züge möglich war.
Bitte schön, Herr Abgeordneter Duve, Sie haben das Wort zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, ob die Bundesbahn für Probleme, die beim Transport, aber möglicherweise auch beim Umschlag auf den Bahnhöfen auftreten, weitere Investitionen plant?
Herr Kollege, die Bundesbahn hat erst einmal im organisatorischen Bereich alles versucht, um die vorhandenen Kapazitäten besser auszulasten. Leere Gepäckwagen, die in der Vergangenheit aus betrieblichen Gründen mitfuhren, sind hier einbezogen worden. Obwohl sie an sich kein Gepäck befördern, nimmt das Zugpersonal seit Ende vorigen Jahres in diesen leer mitgeführten Gepäckwagen Fahrräder .und Fahrradbeiwerk auf. Diese Fahrräder müssen durch die Reisenden selber verladen werden.
Gleichzeitig werden ganz allgemein Züge, welche die Möglichkeit der Fahrradbeförderung bieten, auch in den Kursbüchern gesondert gekennzeichnet, damit es eine größere Transparenz auch für den Kunden gibt.
Weiterhin wurde jetzt ein neues Vormeldeverfahren für Reisegruppen mit mehr als zehn Fahrrädern eingeführt. Auch das ist eine sehr wichtige organisatorische Maßnahme zur Verbesserung der Bedienungsqualität der Deutschen Bundesbahn auf diesem Sektor.
Zu dem ersten Teil Ihrer Frage, inwieweit Investitionen der Bundesbahn beabsichtigt sind, sage ich folgendes. Sie wissen, daß zur Zeit auch die Deutsche Bundesbahn im Rahmen der ihr zur Verfügung stehenden Mittel große Schwierigkeiten hat, ihr Investitionsprogramm voll durchzuführen. Die Bundesbahn sieht zur Zeit keine Möglichkeiten, dafür zusätzliche Aufwendungen zu tätigen.
Eine weitere Zusatzfrage? - Bitte, Herr Abgeordneter Duve.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mit mir darin überein, daß dieser gewaltige Anstieg von, wie Sie sagen, 28 % doch zeigt, inwieweit der Verkehrsteilnehmer, der das Fahrrad benutzt, sein Verhalten geändert hat? Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um diese erkennbare Veränderung im Verkehrsverhalten sozusagen positiv zu beantworten, damit sie nicht möglicherweise im nächsten Jahr noch einmal von einem solchen gewaltigen Zuwachs in der Beförderung von Fahrrädern überrascht wird?
Ich darf auf das Bundesbahngesetz verweisen. In erster Linie fallen diese unternehmerischen Entscheidungen natürlich in die Zuständigkeit des Vorstands der Deutschen Bundesbahn. Ich darf Ihnen versichern, daß wir auch Ihre heutige Frage, Herr Duve, aufnehmen werden, um mit dem Vorstand der Deutschen Bundesbahn Gespräche dahin gehend zu führen, alles zu tun, was im organisatorischen Bereich möglich ist, um die vorhandenen Kapazitäten zu vergrößern und eine bessere Bedienungsqualität für die Benutzer von Fahrrädern sicherzustellen.
Herr Abgeordneter Duve, Sie haben das Wort zu einer weiteren Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie - unabhängig von der Bundesbahn - mit mir darin überein, daß die Bundesregierung an sich Rückschlüsse für ihre allgemeine Verkehrspolitik aus diesem erheblichen Anstieg um fast ein Drittel ziehen sollte und könnte?
Herr Kollege, sie hat es getan. Es gibt das Bundesradwegeprogramm. Wir sind an der Umsetzung dieses Programms sehr interessiert. Ich darf darauf verweisen, daß 22 % der Bundesstraßen mit Radwegen ausgestattet sind und die Bundesregierung daran interessiert ist, daß vor allen Dingen bei Neu- und größeren Um- und Ausbaumaßen auch dem Bau von Radwegen eine größere Bedeutung zugemessen wird, als das in der Vergangenheit der Fall war.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Zeitler.
Herr Staatssekretär, ich habe erlebt, daß ein Intercity-Zug auf einem Bahnhof 15 Minuten über die fahrplanmäßige Abfahrtszeit hinaus festgehalten wurde, bis es dem Zugpersonal und der Bahnpolizei gelungen war, Fahrradbenutzer, die ihr Rad mit hineingenommen hatten, wieder zu entfernen. Meine Frage: Ist es völlig undenkbar, daß Ihr schnellstes Fernreisemittel, der Intercity-Zug, der nun auch Wagen 2. Klasse hat, einen Wagen hinzubekommt, der Fahrradbenutzern erlaubt, auf weite Strecken ihr Fahrrad mitzunehmen?
Ich würde dies für völlig undenkbar halten, Herr Kollege; denn die Qualität des Intercity-Verkehrs liegt gerade in der schnellen Beförderung. Wir würden damit die notwendigen Aufenthalte in den Bahnhöfen erheblich verlängern müssen. Ich glaube, hierunter würde die Qualität dieses Fernreiseverkehrs wesentlich leiden.
Herr Abgeordneter Klejdzinski, Sie haben das Wort zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihre letzte Antwort so verstehen, daß vom Grundsatz her bei jeder Bundesstraße, die beispielsweise Ortsteile miteinander verbindet, durchaus ein Radweg gefordert werden kann, und wenn ja, nach welchen Kriterien werden Radwege genehmigt oder abgelehnt?
Herr Abgeordneter, ich bin im Zweifel, ob diese Zusatzfrage noch in einem Zusammenhang mit der ursprünglichen Frage steht; aber ich stelle es dem Herrn Staatssekretär anheim, darauf zu antworten.
Ich bin gern bereit, Herr Kollege, Ihnen darüber genaue, detaillierte Unterlagen zu schicken, aber ich will eine Vorbemerkung machen. Natürlich wird die Anlage von neuen Radwegen auch nur im Rahmen der vorhandenen Investitionsmittel möglich sein. Von daher wird natürlich das Verkehrsaufkommen auf einer Straße entscheidend sein. Ich glaube, die am stärksten belasteten Straßen werden in erster Linie mit neuen Radwegen zur Sicherheit der Fahrradbenutzer zu versehen sein.
Ich rufe die Frage 38 des Herrn Abgeordneten Stutzer auf:
Hat die Bundesregierung Erkenntnisse, wie sich der Sauerstoff-, Nährstoff-, Plankton- und Schwermetallgehalt in der Ostsee entwickelt, und welche Einflüsse diese Entwicklung auf Mensch, Tier- und Pflanzenwelt hat?
Herr Kollege Stutzer, der Bundesregierung ist bekannt, daß der Sauerstoffgehalt des Bodenwassers in der zentralen Ostsee im Verlauf dieses Jahrhunderts stark abgesunken ist. Bei den Nährstoffen fällt die Zunahme von Phosphat im Bodenwasser des zentralen Beckens der Ostsee seit etwa 1950 auf. Der Planktongehalt dagegen hat sich in der Ostsee mit Ausnahme einiger Küstengebiete seit zwei Jahrzehnten nicht wesentlich erhöht. Die verfügbaren Daten lassen keine Aussagen über die Zunahme von Schwermetallbelastungen zu. Es fällt allerdings auf, daß die Konzentration in den Sedimenten über der im geochemischen Untergrund liegt.
Die Abnahme des Sauerstoffgehalts im Bodenwasser führt zu lebensfeindlichen Bedingungen in den betroffenen Gebieten. Im übrigen können zur
Zeit noch keine Aussagen über die Einflüsse der Veränderungen auf die Umwelt getroffen werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stutzer.
Herr Staatssekretär, ich bin überrascht, daß hier offensichtlich eine Änderung in der Zuständigkeit der Ressorts erfolgt ist; denn ähnliche Fragen sind bisher immer vom Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten oder, da es sich um Umweltschutz handelt, vom Bundesminister des Innern beantwortet worden. Daher meine Frage: Inwieweit ist jetzt für die Reinhaltung der Ostsee, für die Wasserqualität, der Bundesminister für Verkehr zuständig?
Für die Hochseegebiete ist immer der Bundesminister für Verkehr zuständig gewesen. Ihre Fragen, die sonst von anderen Ressorts beantwortet wurden, konnten sich nur auf andere Tatbestände bezogen haben.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stutzer.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung der Ansicht, daß die bisherigen Investitionen zur Wiederreinmachung der Ostsee ausreichen? Wenn nein, was gedenkt sie, über diese Investitionen hinaus zum Schutze der Ostsee zu tun?
Herr Kollege, ich habe in meiner Antwort darauf hingewiesen, daß die Verunreinigung sicherlich lebensfeindliche Ausmaße angenommen hat. Nur, die Bundesregierung kann von sich aus die Ostsee nicht allein frei- und reinhalten, sondern dies ist natürlich eine Frage, die alle Ostsee-Anliegerstaaten betrifft. Insofern kann man hier nur etwas in internationalen Verhandlungen erreichen, und die Bundesregierung ist hier sehr bemüht, alles daranzusetzen, die Qualität des Wassers in der Ostsee zu verbessern.
Ich rufe die Frage 39 des Abgeordneten Stutzer auf:
Wird die Bundesregierung sich dafür einsetzen, daß die auf dem siebenten Symposium der „Baltischen Meeresbiologen" erarbeiteten Forschungsresultate mit dem Ergebnis, ein Netz von Stationen einzurichten, um die Qualität des Ostseewassers systematisch zu überwachen, in die Praxis umgesetzt werden, oder hat sie hier andere Vorstellungen, die dem Schutz der Ostsee dienen?
Herr Kollege, die Bundesregierung hält ein Meßnetz zur systematischen Überwachung der Qualität des Ostseewassers für erforderlich. Die Ostsee-Anliegerstaaten haben im Rahmen des Internationalen Übereinkommens vom 22. März 1974 über den Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebietes - das sogenannte HelsinkiÜbereinkommen - ein derartiges Netz gemeinsam eingerichtet. Daneben unterhält die Bundesrepublik im westlichen Teil der Ostsee ein dichteres nationales Stationsnetz.
Zu einer Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stutzer.
Herr Staatssekretär, wo sollen nach den Vorstellungen der Wissenschaftler, die in diesem Monat unterbreitet wurden, die neuen Überwachungsstellen eingerichtet werden, und welche Kosten, gegebenenfalls auch Folgekosten, kommen voraussichtlich auf die Bundesrepublik hierdurch zu? Wenn Sie den zweiten Teil der Frage nicht beantworten können, wofür ich Verständnis habe, wäre ich für eine schriftliche Antwort dankbar.
Herr Kollege, ich muß mich entschuldigen, ich kann auch den ersten Teil Ihrer Frage nicht beantworten, und ich wäre dankbar, wenn ich beide Teile Ihrer Frage schriftlich beantworten könnte.
({0})
Ihre zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stutzer.
Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung die gemeinsame Forschung deutscher und dänischer Meeresforscher südlich von Langeland, und welche Schlüsse hat sie aus den bisherigen Forschungsergebnissen gezogen?
Die Ergebnisse der bisherigen Forschungen können durchaus positiv beurteilt werden. Aber es ist zu früh, daraus bereits Schlüsse für konkretes Handeln zu ziehen.
Die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Ministers für Verkehr sind damit behandelt. Wir gehen über zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft. Das Ressort wird durch Herrn Staatssekretär Dr. Granzow vertreten.
Ich rufe die Frage 40 des Abgeordneten Müller ({0}) auf:
Mit welchem Ergebnis wurde der 1974 erteilte Auftrag zur Erstellung eines Vorschlags für eine bundeseinheitliche Regelung des Bildungsurlaubs von der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung bearbeitet?
Herr Abgeordneter, die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung hat auf Grund des ihr 1974 erteilten Auftrages zur Erarbeitung eines Vorschlags für eine bundeseinheitliche Regelung des Bildungsurlaubs eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Im allseitigen Einvernehmen wurden die Arbeiten jedoch zurückgestellt. Bund und Länder haben in dem von ihnen gemeinsam in den letzten Jahren erarbeiteten Entwurf der Fortschreibung des Bildungsgesamtplans zum Ausdruck gebracht, daß angesichts der bereits bestehenden, insbesondere aus der Beschäftigung resultierenden Belastungen der Wirtschaft ein Anspruch auf Freistellung von der Arbeit zu Bildungszwecken nur schrittweise, gegebenenfalls zielgruppenorientiert, ausgeweitet werden kann.
Zu einer Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller.
Herr Staatssekretär, können Sie die Kosten einer bundeseinheitlichen Regelung abschätzen, und wie hoch sind zum
Müller ({0})
Vergleich die Kosten, die bisher durch entsprechende Gesetze und Tarifverträge entstehen?
Herr Abgeordneter, die Kosten einer bundeseinheitlichen Regelung kann man naturgemäß nur abschätzen, wenn man sich über ihre Konzeption verständigt hat. Ich kann Ihnen im Augenblick nur eines sagen: daß die Kosten einer zielgruppenorientierten und stufenweisen Einführung längst nicht so hoch wären, wie dies mitunter gehandelt worden ist. Sie würden sich aber gleichwohl in Milliardenhöhe bewegen. Bei dieser Sachlage sieht die Bundesregierung und sehen auch die Landesregierungen insgesamt im Augenblick keine Möglichkeit, größere gesetzgeberische Maßnahmen einzuleiten.
Was die bereits bestehenden Regelungen - sowohl die fünf landesgesetzlichen Regelungen als auch die über 200 tarifvertragsrechtlichen Regelungen - angeht, so sind ihre Kosten nicht erhoben worden. Sie dürften sich aber in Grenzen halten, weil z. B. bei den landesrechtlichen Regelungen nur etwa 1 % bis 5 % aller Anspruchsberechtigten von den Möglichkeiten, Bildungsurlaub zu nehmen, Gebrauch machen. Es ist uns bisher auch nicht bekanntgeworden, daß die Wirtschaft hier Klage über eine zu große Belastung geführt hätte.
Ihre zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller.
Herr Staatssekretär, Herr Minister Engholm hat hier im Parlament am 10. Dezember des vergangenen Jahres auf eine entsprechende Frage des Kollegen Stutzer angekündigt, weitere Erörterungen zu diesem Thema vorzunehmen. Haben diese Erörterungen inzwischen zu einem Ergebnis geführt?
Herr Abgeordneter, diese Frage berührt bereits Ihre nächste Frage. Ich darf im Vorgriff darauf berichten, daß die gemeinsamen Beratungen zwischen Bund und Ländern zu der von mir wiedergegebenen Entscheidung geführt haben, im Augenblick keine Maßnahmen vorzusehen und für den Fall, daß die Maßnahmen trotz der Belastung der Wirtschaft als realisierbar betrachtet werden, schrittweise und gegebenenfalls zielgruppenorientiert vorzugehen. Das heißt: Eine umfassende Gesamtregelung, von der früher einmal die Rede war, ist von keinem der hier beteiligten Partner mehr in Aussicht genommen.
Herr Staatssekretär, ist damit die Frage 41 von Ihnen schon beanwortet?
Wenn der Herr Abgeordnete es wünscht, bin ich gern bereit, noch etwas detaillierter Stellung zu nehmen.
Dann rufe ich Frage 41 des Abgeordneten Müller ({0}) auf:
Ist die Bundesregierung grundsätzlich bereit, sich für ein bundeseinheitliches Bildungsurlaubsgesetz einzusetzen, und wenn ja, wann wird sie hierzu geeignete Schritte einleiten?
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung ist nach wie vor der Auffassung, daß eine einheitliche Regelung des Bildungsurlaubs in der Bundesrepublik Deutschland wünschenswert wäre. Sie hat sich in den vergangenen Jahren für eine Reihe von bundeseinheitlichen Bildungsurlaubsbestimmungen eingesetzt. Ich verweise auf § 37 Abs. 7 Betriebsverfassungsgesetz, § 46 Abs. 7 Personalvertretungsgesetz, § 3 Abs. 2 des Gesetzes über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit, § 23 Abs. 4 Schwerbehindertengesetz. Sie sehen daraus schon, daß das alles Zielgruppen sind, für die ganz besondere Bestimmungen für erforderlich erachtet worden sind.
Darüber hinaus hat die Bundesregierung zur Klärung der Gesamtproblematik ein umfangreiches Bildungsurlaubsversuchs- und -entwicklungsprogramm durchführen lassen. Sie sieht jedoch gegenwärtig - insofern muß ich mich wiederholen - keine Möglichkeit, über den erreichten Stand der Bundesgesetzgebung hinauszugehen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Müller.
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die in den Bundesländern unterschiedlichen Regelungen des Bildungsurlaubs dem verfassungsgemäß garantierten Grundsatz der Gleichberechtigung widersprechen?
Nein, Herr Abgeordneter, diese Auffassung teilt die Bundesregierung nicht. Solange der Bund aus Gründen, die hier auf der Hand liegen, keinen Gebrauch von seiner Gesetzgebungskompetenz macht, sind die Länder frei, in ihrem Bereich tätig zu werden. Ich würde sogar im Gegenteil sagen, daß die unterschiedlichen inhaltlichen Ansätze der Länder ein wertvolles Feld von Erfahrungen für eine eventuelle spätere umfassende Regelung sind. Sie werden von uns nicht als ein Hindernis betrachtet, sondern als ein Experimentierfeld, auf das man später zurückgreifen könnte.
Die Fragen 42 und 43 der Frau Abgeordneten Hürland sollen auf Wunsch der Fragestellerin schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir können damit den Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft verlassen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes auf. Herr Staatsminister Huonker steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Die Fragen 44 und 45 des Herrn Abgeordneten Dr. Voss sollen auf Antrag des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 46 des Abgeordneten Dr. Jentsch ({0}) auf:
Ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Mahnung des Bundeskanzlers im Bundestag am 18. September an „die Politiker", welche bei der Demonstration am 10. Oktober reden wollen, allenfalls bei entsprechender organisatorischer Vorsorge gegen den Mißbrauch ihrer Demon3146
Vizepräsident Windelen
stration könnten sie verantworten, „was insgesamt aus der Sache wird", inzwischen so Rechnung getragen, daß sich die Sorgen des Bundeskanzlers erledigt haben?
Herr Kollege Dr. Jentsch, ich gehe davon aus, daß sich Ihre Frage auf die Äußerung des Bundeskanzlers am 18. September vor dem Plenum des Deutschen Bundestages bezieht. In jener Sitzung hat der Bundeskanzler - ich zitiere wörtlich das Protokoll - folgendes ausgeführt:
Den Politikern, die auf solchen Kundgebungen reden und damit ein Grundrecht aus Art. 5 unserer Verfassung in Anspruch nehmen, möchte ich sagen, daß sie immer auch die unerwünschten Folgen mit bedenken müssen, daß sie ausreichende organisatorische Vorsorge gegen den Mißbrauch ihrer Demonstration treffen müssen, um verantworten zu können, was insgesamt aus der Sache wird.
Im Protokoll steht dann:
({0})
Darauf der Bundeskanzler:
Ich stimme Ihnen zu, Herr Kollege Wehner.
Herr Kollege Dr. Jentsch, diese Mahnung war politisch gemeint und kann auch nur so aufgefaßt werden.
({1})
Herr Abgeordneter Jentsch, Sie wollen eine Zusatzfrage stellen. Ich erteile Ihnen das Wort.
Herr Staatsminister, welches sind denn nun die Sorgen, die den Bundeskanzler dazu veranlaßt haben - Sie haben gesagt: Sorgen, politischer Art -? Sind es Sorgen, daß diese Veranstaltung vielleicht mit Gewalttätigkeiten verbunden ist, ist es die Sorge, daß hier erneut ein Zusammenwirken von Sozialdemokraten und Kommunisten stattfindet, oder ist es die Sorge, daß hier eine Kampfansage gegen die Regierungspolitik des Bundeskanzlers zum Ausdruck kommt?
Der Bundeskanzler hat gesagt - ich möchte das wiederholen -, daß diejenigen, die an solchen Demonstrationen teilnehmen, auch immer die unerwünschten Folgen mitbedenken müssen. Wer sich daran erinnert, daß die eine oder andere Demonstration in den letzten Wochen von sehr unerwünschten Ereignissen begleitet war, auch von Gewalttätigkeiten, der kann sich vorstellen, was der Bundeskanzler damit gemeint hat.
Sie wollten eine weitere Zusatzfrage stellen? - Bitte schön, Sie haben das Wort.
Herr Staatsminister, ist der Herr Bundeskanzler bereit, sich hinter die Meinung des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages zu stellen, der als Untersuchungsausschuß in der letzten Wahlperiode bei der Untersuchung der Bremer Krawalle einmütig folgendes festgestellt hat - Herr Präsident, es ist nur ein Satz, den ich zitieren darf -:
Andererseits gehört hierzu die notwendige Abgrenzung gegen Kräfte mit undemokratischen Intentionen, um der Gefahr, mißverständlichen Aktionseinheiten mit derartigen Gruppierungen begegnen zu können; dies gilt auch für die Durchführung von Demonstrationen.
Herr Kollege, die Initiatoren der Demonstration am 10. Oktober, die beiden den Kirchen nahestehenden Organisationen, sind sicherlich, was ihre demokratische Grundhaltung angeht, über jeden Zweifel erhaben.
({0})
Das Wort zu einer weiteren Zusatzfrage hat der Abgeordnete Spranger.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie bei dieser Frage von einer politischen Bewertung durch den Herrn Bundeskanzler ausgegangen sind, darf ich Sie fragen, ob die Bundesregierung die Auffassung teilt, daß die Demonstranten des 10. Oktobers der Politik des Bundeskanzlers in den Rücken fallen und sowjetischen Machtinteressen dienen, wie die sehr verehrte Frau Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages heute in einem Interview dargelegt hat, und gilt diese Bewertung nach Auffassung der Bundesregierung auch für die Unterstützung und teilweise Teilnahme durch 48 Abgeordnete der SPD?
({0})
Was den letzten Teil Ihrer Frage angeht, Herr Kollege, möchte ich darauf hinweisen - ich nehme an, Sie würden dieses Recht als Mitglied dieses Hauses genauso in Anspruch nehmen -, daß es nicht Aufgabe der Bundesregierung sein kann, das Verhalten einzelner Abgeordneter zu bewerten oder zu qualifizieren.
Was den ersten Teil Ihrer Frage angeht, möchte ich darauf hinweisen - dies ist etwas verkürzt in der Öffentlichkeit angekommen -, daß der Bundeskanzler in diesen Tagen gesagt hat, daß die Beteiligung an dieser Kundgebung als Kampf gegen die Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesregierung aufgefaßt werden wird. Von daher ist es kein Geheimnis, daß der Bundeskanzler, was die Teilnahme an dieser Demonstration angeht, sehr skeptisch ist.
Das Wort zu einer weiteren Zusatzfrage hat der Abgeordnete Graf Stauffenberg.
Herr Staatsminister, ist die Bundesregierung bereit, dem Hohen Hause und der Öffentlichkeit mitzuteilen, was der Herr Bundeskanzler objektiv tatsächlich gemeint hat, und es nicht lediglich der Vorstellungskraft der
Zuhörer oder Leser zu überlassen, zu deuten, was der Herr Bundeskanzler gemeint haben könnte?
Ich würde Sie gerne fragen, was Sie glauben, was der Bundeskanzler gemeint hat, dann könnte ich diese Frage mit der notwendigen Präzision beantworten, Herr Kollege.
Darf ich die Frage ergänzen, Herr Präsident?
Sie waren ausdrücklich darum gebeten worden, Herr Kollege.
Herr Staatsminister, ich habe nichts anderes getan als Bezug zu nehmen auf Ihre Antwort, die Sie dem Kollegen Jentsch vorher gegeben haben. Dort haben Sie gesagt: „Man kann sich vorstellen, was der Bundeskanzler gemeint hat." Daraufhin meine Frage, ob es nicht möglich ist, daß die Bundesregierung sagt, was der Bundeskanzler gemeint hat, anstatt es der Öffentlichkeit zu überlassen, sich vorzustellen, was der Bundeskanzler gemeint haben könnte.
Herr Kollege, ich habe auf Demonstrationen der vergangenen Wochen hingewiesen. Es ist jedermann bekannt - sicherlich auch Ihnen -, daß es am Rande oder nach solchen Demonstrationen zu gewalttätigen Ausschreitungen kam. Sie können davon ausgehen, daß dieses mit im Bewußtsein des Bundeskanzlers vorhanden war, als er diese Bemerkung vor dem Deutschen Bundestag machte.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Broll. - Sie haben das Wort.
Herr Staatsminister, gilt Ihre Aussage, die Sie eben über die beiden den Kirchen nahestehenden Organisationen gemacht haben, auch für die übrigen etwa 80 beteiligten Organisationen, nämlich daß sie demokratisch über jeden Zweifel erhaben seien?
Dies wird man nicht für alle Organisationen oder Gruppierungen sagen können - es sind ja weit über 600 -, die sich - eingeladen oder nicht; das vermag ich nicht zu beurteilen - aufgemacht haben, an der Demonstration teilzunehmen oder dafür zu werben.
Das Wort zu einer Zusatzfrage hat die Abgeordnete Däubler-Gmelin.
Herr Staatsminister, eingedenk der Tatsache, daß ja die von Ihnen genannten Veranstaltungsorganisatoren sich ihrer Verantwortung zur Sicherstellung eines friedlichen Ablaufs der Demonstration wohl bewußt sind: Teilen Sie meine Auffassung, daß die Sorge von über hunderttausend Leuten um Frieden und Abrüstung nicht ganz so zynisch und verächtlich behandelt werden sollte, wie es im Augenblick durch die Kollegen der CDU geschieht?
({0})
Sehr geehrte Frau Kollegin, wie immer man die politische Wirkung dieser Demonstration beurteilen mag: ich persönlich bin sicher, daß die weit überwiegende Mehrzahl all derer, die an dieser Demonstration teilnehmen werden, getragen ist vom Willen zum Frieden und diesen Willen nach außen deutlich machen will.
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Das Wort zu einer Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Conradi.
Herr Staatsminister, teilt die Bundesregierung die Einschätzung, daß - bei allen Meinungsverschiedenheiten über die richtigen Wege der Friedenspolitik - die Tatsache, daß sich so viele Menschen in diesem Lande engagiert für die Erhaltung des Friedens aussprechen, positiv zu bewerten ist?
Daß die Bürger deutlich machen, daß für sie der Friede mit das höchste Gut ist, ist natürlich zu begrüßen. Allerdings wird es, was einzelne Demonstrationen anlangt, darauf ankommen, daß hier nicht einäugig argumentiert wird, sondern daß man, wenn man zum Frieden aufruft und dieses mit einer Diskussion um Rüstungskontrolle und Abrüstung verbindet, nicht auf einem der beiden Augen blind ist, Herr Kollege.
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Ehe ich das Wort weitergebe - ich habe jetzt Wortmeldungen zu Zusatzfragen von den Kollegen Hölscher, Schwarz, Catenhusen und einem weiteren Kollegen -, möchte ich folgendes sagen. Da die beiden folgenden Fragen mittelbar denselben Gegenstand betreffen, würde ich dann gern zu den weiteren Fragen übergehen und anheimstellen, Zusatzfragen bei den beiden nächsten Fragen zu stellen.
Das Wort zu einer Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hölscher.
Herr Staatsminister, darf ich dennoch fragen: Teilt denn die Bundesregierung wirklich nicht die Sorge dieser Tausenden von Menschen um die Erhaltung des Friedens, und versteht sie nicht doch, daß eben diese Menschen auf ihre Weise, nämlich durch einen Appell an beide Führungsmächte dieser Welt, einen Weg suchen, ihrer Angst vor einem Krieg Ausdruck zu verleihen?
Herr Kollege, ich ging davon aus, in meinen Antworten deutlich gemacht zu haben, daß die Bundesregierung sehr wohl die Sorge aller Menschen, die sich Sorge um den Frieden machen, versteht. Die Frage ist, welchen Beitrag man im konkreten praktischen Handeln dazu leistet, daß der Frieden in der Realität gesichert wird bzw. gesichert bleibt.
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Herr Abgeordneter Schwarz, Sie haben das Wort zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, können Sie trotz der Bemerkung der Frau Kollegin Däubler-Gmelin, daß diese Union zynisch mit den Demonstranten umginge - auch der Bundeskanzler geht ja kritisch mit den Demonstranten um -, die Meinung weiter vertreten, daß der Bundeskanzler diese Kundgebung in dieser Form nicht für glücklich hält?
Ich habe in meinen Ausführungen deutlich gemacht, daß der Bundeskanzler die Sorge hat, daß bei dieser Demonstration, deren Legitimität von niemandem angezweifelt wird - es handelt sich um die Ausübung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung und des Demonstrationsrechts -, der Gesichtspunkt, daß militärisches Gleichgewicht eine Grundsäule von Friedens- und Sicherheitspolitik ist, möglicherweise nicht hinreichend deutlich wird oder ganz zu kurz kommt.
Das Wort zu einer Zusatzfrage hat Herr Abgeordneter Catenhusen.
Begrüßt die Bundesregierung den Appell der „Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden" und der „Aktion Sühnezeichen" an die Teilnehmer dieser Demonstration zu Gewaltfreiheit, wie er in einem Rundschreiben beider Organisationen vom 17.9. dieses Jahres zum Ausdruck kommt, in dem es heißt:
Die Demonstration soll aber auch deutlich machen, daß wir unsere Sache gewaltfrei vertreten. Deshalb bitten wir Euch, bei der Vorbereitung zu Hause zu besprechen und festzulegen, wie etwaige Störer, Provokateure usw. durch unsere eigenen Leute gehindert werden können, den Erfolg unserer Demonstration zu hintertreiben. Wir wollen eine friedliche Demonstration, die unsere Phantasie, unsere Überzeugungskraft, unseren Mut und langen Atem zeigt?
Herr Kollege, es ist eine Selbstverständlichkeit, daß die Bundesregierung jeden Versuch dahin gehend, daß eine Demonstration gewaltfrei geführt wird, begrüßt.
Die letzte Zusatzfrage zu dieser Frage, Herr Abgeordneter Zierer.
Herr Staatsminister, nachdem, wie wir immer hören, in den letzten zwölf Jahren Friedenspolitik gemacht worden ist: Halten Sie diese Demonstration überhaupt für notwendig?
({0})
Herr Kollege, es ist richtig, daß die Bundesregierung seit 1969 eine außerordentlich erfolgreiche Friedens- und Entspannungspolitik gemacht hat.
({0})
Herr Kollege, es wurde vor allen Dingen in dem Gespräch zwischen den Außenministern Haig und Gromyko, in dem vereinbart worden ist, daß die Rüstungskontrollverhandlungen am 30. November aufgenommen werden, deutlich, daß die Politik dieser Bundesregierung, insbesondere auch was die Frage
von Rüstungskontrolle angeht, außerordentlich erfolgreich ist.
({1})
- Ich gehe davon aus, Herr Kollege - wenn ich Ihren Zwischenruf mit Genehmigung des Präsidenten auch in der Fragestunde beantworten darf -, daß jeder, der an Rüstungskontrolle interessiert ist und einen unkontrollierten Rüstungswettlauf verhindern will, das Ergebnis des Gesprächs zwischen den Außenministern Haig und Gromyko begrüßt.
({2})
Ich will hinzufügen, daß Kundgebungen, die deutlich machen, daß sich insbesondere auch junge Leute für den Frieden einsetzen, besser als manches sind, was wir in der deutschen Geschichte erlebt haben, Herr Kollege.
({3})
Ich rufe die Frage 47 des Herrn Abgeordneten Schwarz auf:
Treffen Pressemeldungen zu, daß nach der vom Bundeskanzler geäußerten Auffassung SPD-Politiker wie die Herren Eppler und Lafontaine durch ihre Zusammenarbeit mit den Organisatoren der für den 10. Oktober in Bonn vorgesehenen „Friedensdemonstration" zwar nicht subjektiv, wohl aber objektiv das Spiel der Sowjetunion spielen?
Herr Kollege Schwarz, derartige Pressemeldungen treffen nicht zu. Jedoch hat der Bundeskanzler in bezug auf die für den 10. Oktober vorgesehene Demonstration generell gesagt, daß die Gefahr bestehe, daß die Demonstranten die westliche Position schwächen und damit indirekt die östliche stärken könnten.
Zu einer Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schwarz.
Treffen Pressemeldungen zu, daß der Bundeskanzler diese Demonstration als gegen die Politik der Bundesregierung angelegt ansehe?
Herr Kollege, der Bundeskanzler hat gesagt, er befürchte, daß diese Demonstration aufgefaßt werden wird als gegen die Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesregierung gerichtet.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Spranger.
Herr Staatsminister, treffen Pressemeldungen zu, wonach der Bundeskanzler diese Demonstration als Kampfansage gegen seine Politik und die Politik der Bundesregierung bewertet hat?
Ich bin gern bereit, meine soeben gegebene Antwort, Herr Kollege, zu wiederholen. Der Bundeskanzler hat wörtlich gesagt, daß er befürchtet - und jetzt kommt es -, daß dieses aufgefaßt werden wird als ein Kampf gegen die Politik der Bundesregierung, als eine Kampfansage gegen ihre Außen- und Sicherheitspolitik. Aufgefaßt wird! Ich bitte hier auf die grammatikalischen Unterschiede zu achten.
Zu einer Zusatzfrage hat das Wort der Abgeordnete Dr. Hupka.
({0})
Herr Staatsminister, Sie haben vorhin gesagt: Die Sorge um den Frieden bewegt die Demonstranten. Können Sie mir darin zustimmen, daß diese Sorge insofern berechtigt ist, als wir durch die Überrüstung der Sowjetunion bedroht sind?
Herr Kollege, es besteht überhaupt kein Zweifel daran, daß insbesondere auf dem Gebiet der eurostrategischen Waffen - das ist ja wohl das Thema, das im Mittelpunkt der Demonstration stehen wird - eine Vorrüstung der Sowjetunion stattgefunden hat und daß der NATO-Doppelbeschluß, und zwar mit seinen beiden Teilen, das Ziel hat, hier wieder ein annäherndes Gleichgewicht der Kräfte zu erreichen, und zwar - dies möchte ich ausdrücklich betonen -auch auf dem Weg über Rüstungskontrollverhandlungen - auf einem möglichst niedrigen Niveau. Ich möchte hinzufügen, daß es ohne Zweifel eine gute Sache ist, daß die sogenannte „Nulloption" Bestandteil des Verhandlungskonzepts der Vereinigten Staaten sein wird.
Abgeordneter Conradi hat das Wort zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, können Sie angesichts der doch reichlich nervösen öffentlichen Reaktion auf diese geplante Kundgebung bestätigen, daß die Bundesregierung dieser Kundgebung mit der gleichen demokratischen Gelassenheit entgegensieht, die der Außenminister Haig angesichts der Demonstration in Berlin und Präsident Reagan angesichts der Demonstration von 250 000 Leuten in Washington gezeigt haben?
Herr Kollege, wenn Sie damit fragen wollen, ob die Bundesregierung stets die notwendige Gelassenheit und die Abwesenheit von Nervosität zeigt, will ich dies voll bejahen.
({0})
Ich will hinzufügen, daß der Bundeskanzler auf die Frage, ob man SPD-Mitgliedern die Teilnahme an dieser Demonstration verbieten sollte, in einem Interview gesagt hat,
({1})
dies empöre ihn zutiefst; es sei eine absurde kommunistische oder faschistische Vorstellung, jungen Leuten die freie Meinungsäußerung verbieten zu wollen.
({2})
Frau Abgeordnete Geiger, Sie haben das Wort zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß sich unser ganzes Volk, d. h. jeder einzelne Mann und besonders jede einzelne Frau, Sorgen um unseren Frieden macht und bereit ist, Vorsorge für den Frieden zu treffen, und daß man dieses Sich-Einsetzen für den Frieden nicht unbedingt und zwingend durch eine Demonstration in Bonn zeigen muß?
({0})
Frau Kollegin, ich stimme Ihnen hier zu. Aber das schließt natürlich nicht aus, daß andere der Meinung sind, so etwas durch eine Demonstration machen zu sollen. Es versteht sich von selbst, daß die Bundesregierung der Meinung ist, auf dem eingeschlagenen Weg ihrer Sicherheits- und Friedenspolitik fortfahren zu sollen in der Überzeugung, daß dies der sicherste Weg ist, den Frieden zu bewahren und zu stärken.
({0})
Abgeordneter Leuschner, Sie haben das Wort zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie der Auffassung - auf jede Demonstration bezogen -, daß Demonstrationen hunderttausender friedlich Gesinnter allein auf Grund der Tatsache unterbleiben sollten, daß sich, wie es meist passiert, unter eine solche Demonstration einige Kommunisten oder, noch schlimmer, Gewalttäter mischen könnten?
Herr Kollege, ich möchte schlicht und einfach auf das verweisen, was ich in meiner Antwort auf die Frage des Kollegen Dr. Jentsch gesagt habe.
Das Wort zu einer Zusatzfrage hat der Abgeordnete Dr. Hennig.
Herr Staatsminister, hat die Bundesregierung wirklich überhaupt keine aktuellen Hinweise, die sie im Hinblick auf einen friedlichen Verlauf dieser Demonstration sorgenvoll stimmen könnten?
Herr Kollege, Sorgen der Bundesregierung, soweit sie vorhanden sind, werden sich dann als gegenstandslos erweisen können, wenn die Demonstration gewaltfrei verlaufen sein wird.
Herr Abgeordneter Jentsch zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, Sie haben dargelegt, daß der Bundeskanzler die Sorge habe, diese Veranstaltung könne verstanden werden als eine Kampfansage gegen seine Politik. Könnten Sie jetzt bitte einmal sagen, ob der Herr Bundeskanzler nun diese Veranstaltung selbst als eine Kampfansage gegen seine Politik wertet oder nicht, insbesondere die Teilnahme einer großen Anzahl seiner eigenen Parteifreunde aus diesem Hause hier?
Ich möchte nicht erneut wiederholen, was ich als die Äußerung des Bundeskanzlers hier zitiert habe. Ich will hinzufügen, daß,
soweit Sozialdemokraten aus diesem Hause an dieser Demonstration teilnehmen, diese die Sicherheits- und Friedenspolitik der sozialdemokratisch geführten Bundesregierung mittragen.
({0})
Frau Abgeordnete Däubler-Gmelin zu einer Zwischenfrage.
Herr Staatsminister, würden Sie zur Kenntnis nehmen, daß ich als einer der Unterzeichner dieser Erklärung, von der der Kollege Jentsch heute schon zum zweiten Male spricht, auch für die anderen sagen kann, daß wir selbstverständlich das Ziel der Bundesregierung, durch Verhandlungen zu Frieden und Entspannung beizutragen, voll unterstützen?
Frau Kollegin, ich möchte darauf hinweisen, daß die Abstimmungen in diesem Hause in den letzten Monaten auch zum Thema Sicherheits- und Friedenspolitik eindeutig klargemacht haben, daß die Koalitionsfraktionen hinter der Friedens- und Sicherheitspolitik stehen.
({0})
Herr Abgeordneter Schwarz zu einer Zusatzfrage. - Ich wollte darauf aufmerksam machen, daß ich dann zur nächsten Frage übergehen werde. Auch die nächste Frage bietet Gelegenheit, Zusatzfragen zu stellen.
Herr Staatsminister, wenn ich Ihre Antworten richtig verstanden habe, ist es für den Bundeskanzler egal, ob einer teilnimmt an der Demonstration, obwohl er der Meinung ist, das könnte als Gegensatz ausgelegt werden. Er ist dann gut, und wer nicht teilnimmt, wie es der Bundeskanzler wünscht, der ist auch gut. Sind Sie mit mir der Meinung, daß dies ein klares Sowohl-als-Auch des Bundeskanzlers ist?
Herr Kollege, ich bin entschieden gegenteiliger Meinung. Ich habe deutlich gemacht, daß der Bundeskanzler die Sorge hat, daß diese Demonstration aufgefaßt werden wird als gegen die Politik der Bundesregierung gerichtet, und ich habe ferner im Verlaufe dieser Fragestunde gesagt, daß die Sorge besteht, es könnte der Eindruck entstehen, oder es könnte auch tatsächlich so kommen, daß durch solche Demonstrationen die Position des Westens geschwächt und damit indirekt die Position des Ostens gestärkt würde. Wenn ich diese Antwort in Ihre Erinnerung zurückrufen darf, dann werden Sie mir zugestehen, Herr Kollege, daß von einer Sowohl-als-auch-Position des Bundeskanzlers in dieser Frage überhaupt keine Rede sein kann.
Ich rufe auf die Frage 48 des Abgeordneten Broll:
Sind Berichte zutreffend, daß der Bundeskanzler, als er von Herrn Epplers geplantem Auftritt bei der Demonstration am 10. Oktober erfuhr, diesen als „Spinner" bezeichnet habe?
Sehr geehrter Herr Kollege, meine Antwort lautet nein.
({0})
Herr Abgeordneter Broll, Sie haben das Wort zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, ist es möglich, daß der Herr Bundeskanzler, der j a der Kunst des treffenden Wortes mächtig ist, dieses vom „Spiegel" zitierte Wort nur deswegen nicht gebraucht hat, weil es ihm zu schwach erschien für den Tatbestand, den er bezeichnen wollte?
({0})
Herr Kollege, ich möchte mich im Namen des Bundeskanzlers für das Kompliment, das Sie ihm wegen der Treffsicherheit seiner Formulierungen gemacht haben, sehr herzlich bedanken. Im übrigen möchte ich auf derart hypothetische Fragen nicht eingehen; ich bin sicher, Sie werden dies verstehen.
Herr Abgeordneter Broll, Sie haben das Wort zu einer weiteren Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, wie beurteilt nun die Bundesregierung die Seriosität des „Spiegel" in bezug auf diesen Artikel?
Sehr geehrter Herr Kollege, Sie werden verstehen, daß die Bundesregierung sich nicht zur Seriosität von Zeitungen oder Wochenmagazinen äußert. Ich möchte mit Erlaubnis des Präsidenten eine persönliche Bemerkung machen: Durch die Tatsache, daß im Deutschen Bundestag häufiger Fragen auf Grund von „Spiegel"-Stories gestellt werden, entsteht der Eindruck - jedenfalls was Sie angeht -, daß jedes Wort, das im „Spiegel" steht, geglaubt wird.
Das Wort zur einer Zusatzfrage hat Herr Abgeordneter Lammert.
Herr Staatsminister, könnte es sein - analog zu Ihrer Formulierung, die Sie vorhin im Zusammenhang mit der Wirkung dieser Demonstration und der Politik der Bundesregierung gefunden haben -, daß der Bundeskanzler die in der Frage angesprochene Formulierung zwar so nicht verwendet hat, wohl aber gut so hätte verwenden können?
Herr Kollege, auf spekulative, hypothetische und theoretische Fragen - ich bitte Sie um Verständnis - gibt die Bundesregierung keine Antworten.
({0})
Das Wort zu einer Zusatzfrage hat der Abgeordnete Spranger.
Herr Staatsminister, wie bewertet denn die Bundesregierung die beabsichtigte Teilnahme des ehemaligen Bundesministers und Präsidiumsmitglieds der SPD insbesondere unter
dem Aspekt der möglichen oder tatsächlichen Kampfansage gegenüber dem Bundeskanzler?
Die Bundesregierung hat die Teilnahme einzelner an der Demonstration nicht zu bewerten. Wir leben in einem Lande, in dem das Recht auf Demonstrations- und Meinungsfreiheit besteht. Ich möchte darauf hinweisen, daß die Sozialdemokratische Partei Deutschlands öffentlich deutlich gemacht hat, daß ein Sozialdemokrat, der auf dieser Demonstration spricht, das in eigener Verantwortung, d. h. ad personam tut und nicht für die Sozialdemokratische Partei Deutschlands.
Zu einer Zusatzfrage hat das Wort der Herr Abgeordnete Schäfer.
Herr Staatsminister, teilen Sie meine Auffassung, daß die Fragen von seiten der CDU/CSU-Fraktion den Eindruck erwecken können, daß es den Fragestellern weniger um die Fortführung der Friedenspolitik als möglicherweise um eine Einschränkung des Grundrechts auf Demonstrationsfreiheit geht und daß das eine bedenkliche Entwicklung ist?
({0})
Sie werden verstehen, Herr Kollege, daß die Bundesregierung nicht in der Lage ist, Motive und Hintergedanken von Mitgliedern dieses Hauses zu eruieren, geschweige denn darüber öffentlich Auskunft zu geben.
({0})
Abgeordneter Graf Stauffenberg, Sie haben das Wort zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatsminister bedeutet Ihre Antwort an den Kollegen Broll, daß das in der Frage zitierte Wort eine freie Erfindung der Berichterstatter ist, oder bedeutet es, daß eine sinnähnliche Bezeichnung hier falsch wiedergegeben worden ist?
Herr Kollege, ich habe die Frage des Kollegen Broll mit Nein beantwortet. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.
Abgeordneter Weirich, Sie haben das Wort.
Herr Staatsminister, erklärt sich die angebliche grundsätzliche Gelassenheit der Bundesregierung gegenüber der Demonstration am 10. Oktober vielleicht aus dem Zitat des früheren Bundesministers Eppler, der gestern gesagt hat, er werde auf keinen Fall so viel Unqualifiziertes über die Bundesregierung sagen wie manche Mitglieder der Bundesregierung über ihn.
Herr Kollege, ich habe nicht gesagt, daß die Bundesregierung, was die Demonstration angeht, gelassen ist. Ich habe gesagt, daß die Bundesregierung ihre Politik im Interesse der Qualität derselben grundsätzlich mit Gelassenheit und Energie und ohne Nervosität führt. Das darf ich Ihnen noch einmal in Erinnerung rufen. Im übrigen werden Sie verstehen, daß ich auf Ihre Frage keine Antwort gebe, weil ich sonst Äußerungen, die ich nicht nachprüfen kann, bewerten müßte. Sie verstehen, daß ich das nicht tun kann und auch nicht tun will.
Mir liegen jetzt noch zwei Wortmeldungen vor. Danach möchte ich zu den weiteren Fragen übergehen.
Herr Abgeordneter Schröder, Sie haben das Wort.
Herr Staatsminister, teilt die Bundesregierung meine Auffassung, daß es ein geradezu erschreckendes Verfassungsverständnis offenbart, wenn die Bundesregierung durch Fragen von Mitgliedern der CDU/CSU-Fraktion dazu gezwungen werden soll, sich kritisch oder nicht kritisch zu der Wahrnehmung eines Grundrechtes, nämlich des Grundrechtes auf Demonstrationsfreiheit, durch 100 000 oder mehr Leute zu äußern?
({0})
Herr Kollege, der Respekt der Bundesregierung vor diesem Hohen Hause gebietet es, daß sie zu jeder parlamentarischen Frage, die vom Präsidium zugelassen wird, in ordnungsgemäßer Weise vor diesem Hause Rede und Antwort steht.
({0})
Herr Abgeordneter Jansen zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatsminister Huonker, können Sie meine Überlegungen bestätigen oder mit ihnen übereinstimmen, daß die Politik der Bundesregierung, die auf Frieden ausgerichtet ist, und die große Demonstration vieler Hunderttausender von Menschen, die ebenfalls auf Frieden ausgerichtet ist, ein gemeinsames Ziel verfolgen und daß es besser wäre, dies auch so zu sehen, als es gegeneinander hochzuspielen?
Herr Kollege, ich bitte um Verständnis, daß ich die Demonstration nicht weiter werten möchte, als ich dies getan habe. Ich möchte aber - wiederholend, was ich schon gesagt habe - hinzufügen, daß kein Zweifel daran bestehen kann, daß die große Mehrzahl derer, die voraussichtlich an dieser Demonstration teilnehmen werden, bei ihrer Teilnahme natürlich vom Willen zum Frieden getragen sind. Worüber es zu streiten gilt, sind die Wege, wie man den Frieden erhalten bzw. sicherer machen kann. Das ist der Kern der Auseinandersetzung, und über diesen muß gestritten werden.
({0})
Herr Abgeordneter Krey, ich hatte darauf hingewiesen, daß ich nach Beantwortung dieser Zusatzfrage zu der nächsten Frage übergehen werde. Zu diesem Komplex sind über
Vizepräsident Windelen
30 Zusatzfragen gestellt worden. Ich stelle nachträglich fest, daß sie teilweise nur in einem sehr losen Zusammenhang zu den Ausgangsfragen standen.
({0})
Der Abgeordnete Milz hat darum gebeten, daß seine Frage 49 schriftlich beantworet wird. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe nun die Frage 50 des Abgeordneten Dr. Soell auf:
Welche Gründe haben die Bundesregierung bewogen, den Antrag der Filmregisseurin Helga Reidemeister abzulehnen, ihr Projekt eines Dokumentarfilms über Karola Bloch finanziell zu unterstützen?
Herr Präsident, ich bitte um Ihre Zustimmung, daß ich die Fragen 50 und 51 wegen eines inneren Zusammenhangs zusammenfassen darf.
Der Abgeordnete Soell ist damit einverstanden. Ich rufe also auch die Frage 51 auf:
Bedeutet der im Ablehnungsbescheid des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung enthaltene Satz „die entscheidenden Lebensjahre von Frau Bloch haben sich ,par la force des choses' außerhalb der Bundesrepublik Deutschland abgespielt" ({0}), daß die Bundesregierung ihre jahrzehntelangen Bemühungen um materielle und moralische Wiedergutmachung seit neuestem von der Dauer des Aufenthalts ehemaliger Emigranten in der Bundesrepublik Deutschland abhängig macht?
Herr Abgeordneter, das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung kann sich nach seinem Auftrag und der Zweckbestimmung seiner Haushaltsmittel nur an solchen Filmprojekten finanziell beteiligen, die die beiden folgenden Kriterien erfüllen: Sie müssen erstens die Politik der Bundesregierung, ihre Vorhaben und Ziele erläutern und zweitens das Ausland über die politische und gesellschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland unterrichten.
Diesen Voraussetzungen entsprach der geplante Film über die Lebensgeschichte von Frau Karola Bloch offenkundig nicht, da die Schwerpunkte des Filmprojektes nach den Vorstellungen der Regisseurin erstens die Lebensgeschichte als Zeitgeschichte und zweitens die Emanzipationsgeschichte von Frau Karola Bloch sein sollen. Also nicht Aufenthaltsort oder -dauer von Frau Bloch in der Bundesrepublik Deutschland, sondern allein der Inhalt des geplanten Films war für die Ablehnung ausschlaggebend.
Die Bemühungen der Bundesregierung um die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts bleiben davon unberührt. Sie werden unverändert fortgesetzt.
Herr Abgeordneter Dr. Soell, Sie haben das Wort zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, kann ich Ihre Antwort so verstehen, daß die Antwort, die der zuständige Referent Frau Reidemeister gegeben hat, daß „par la force des choses" Frau Bloch in den letzten Jahrzehnten ihren Aufenthalt überwiegend eben nicht in der Bundesrepublik Deutschland gehabt habe, dadurch gegenstandslos geworden ist.
Das ist der Grund.
Ich rufe die Frage 52 des Herrn Abgeordneten Jansen auf:
Teilt die Bundesregierung die Meinung des Regierungssprechers Becker über die Hörer des NDR und WDR, wenn er am 18. September 1981 im Morgenmagazin des WDR II in einem Interview über eine Sendung auf NDR/WDR I zum Thema „Rüstung/Abrüstung/NATO-Doppelbeschluß" wie folgt formuliert: „Es handelt sich um eine Sendung, der - glaube ich - nur ein sehr kleiner Teil Ihrer Hörerschaft zu folgen vermag."?
Herr Abgeordneter, meine von Ihnen zitierte Äußerung bezog sich auf eine Sendung des Norddeutschen und Westdeutschen Rundfunks, die nach meiner Überzeugung nur einen kleinen Hörerkreis im norddeutschen und westdeutschen Gebiet anspricht. Diese Sendung unter dem Titel „Streitkräfte und Strategie" ist am 14. September um 22.10 Uhr ausgestrahlt worden.
Mit meiner Feststellung habe ich kein Urteil über die Hörer des NDR oder des WDR abgegeben, sondern die Sendung charakterisiert, die ich seit 13 Jahren regelmäßig verfolge. Ich weiß, daß sich diese Sendung darum bemüht, den Stand der Kenntnisse über die Militärstrategie durch fachliche, qualifizierte Diskussionsbeiträge auf einem sehr hohen Niveau zu vertiefen.
Herr Abgeordneter, Sie wollten eine Zusatzfrage stellen? - Bitte schön, Sie haben das Wort.
Darf ich, Herr Staatssekretär, auf Ihre Antwort hin dahin gehend nachfragen, daß Sie damit klarstellen, daß in Ihrer Aussage im NDR/ WDR nicht enthalten war, daß die Hörer des NDR und des WDR, wenn es um abrüstungspolitische Fragen geht, wenn es um Militärfragen geht, nicht in der Lage sind, dies politisch zu beurteilen und zu bewerten, Sie also nicht meinen, daß nur Regierende in der Lage sind,
({0})
solche Zusammenhänge zu erkennen und zu bewerten?
Nein, Herr Abgeordneter, ich wollte deutlich machen, daß es im Rundfunk eine Sendereihe gibt, die sich zum Ziel gesetzt hat, ungeachtet der Popularität dieser Sendung dem Thema auf sehr fachliche Weise gerecht zu werden. Ich kenne den Schöpfer dieser Sendung sehr gut und habe mich rückversichert, daß genau dies sein Vorhaben gewesen ist. Er hat im Laufe der Jahre immer wieder in Kauf nehmen müssen, daß Kommissionen der Rundfunkanstalten entschlossen waren, diese Sendung völlig abzusetzen.
Damit ist der Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes abgeschlossen.
Ich komme nun zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Staatsminister Dr. Corterier zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 53 des Abgeordneten Graf Stauffenberg auf:
Welche Bedeutung mißt die Bundesregierung dem völkerrechtswidrigen und vertragsverletzenden sowjetischen Einsatz von Giften und anderen verbotenen Kampfstoffen in Südostasien für die Entwicklung der
Vizepräsident Windelen
Ost-West-Beziehungen, insbesondere für die bevorstehenden Gespräche über Abrüstungsvereinbarungen und das Gesprächsprogramm zum bevorstehenden Besuch von Generalsekretär Breschnew bei?
Das von den USA kürzlich der Öffentlichkeit vorgestellte Material legt die Vermutung nahe, daß zumindest in Kampuchea mehrere dort nicht vorkommende hochgiftige Toxine organischen Ursprungs, also B-Waffen, militärisch eingesetzt worden sind. Das würde eine Verletzung des Genfer Protokolls von 1925 über das Verbot des Einsatzes von B- und C-Waffen und auch des B-Waffen-Verbotsabkommens von 1972 bedeuten. Da das Genfer Protokoll keine Verifikation vorsieht, hatte die letzte Generalversammlung der Vereinten Nationen beschlossen, eine Untersuchungskommission einzusetzen, die den in den Vorjahren berichteten Verletzungen des Genfer Protokolls nachgehen sollte. Die Bundesregierung wird sich dafür einsetzen, daß die VN-Kommission auch die neuerlich bekanntgewordenen Vorkommnisse untersucht.
Die Bundesregierung sieht sich in ihrer Auffassung bestärkt, daß Verträge auf dem Gebiet der Abrüstung und Rüstungskontrolle zuverlässige Bestimmungen der Vertragspflichtigen enthalten müssen, die die Einhaltung durch internationale Kontrollen sichern. Sonst entsteht ein Klima des Zweifels und der Verdächtigungen, das das Vertrauen in die Einhaltung des jeweiligen Vertrages untergräbt und der Glaubwürdigkeit der internationalen Bemühungen um Abrüstung und Rüstungskontrolle allgemein schadet. Diese Problematik hat weltweiten Charakter und ist in den dafür zuständigen Gremien zu behandeln.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Graf Stauffenberg.
Herr Staatsminister, bedeutet Ihre Antwort, daß die Verifizierung von Abmachungen im Rahmen von Rüstungskontroll-, Rüstungsbegrenzungs- und Abrüstungsvereinbarungen nach Ansicht der Bundesregierung ein entscheidender und unverzichtbarer Teil ist?
Ja, dem kann ich gerne zustimmen.
Sie wollten noch eine Zusatzfrage stellen? - Bitte schön.
Herr Staatsminister, angesichts des bevorstehenden Besuchs des Generalsekretärs der KPdSU und sowjetischen Staatsoberhaupts Breschnew: Plant die Bundesregierung, diesen Themenbereich zum Gegenstand der Gespräche und Verhandlungen mit Leonid Breschnew zu machen?
Herr Abgeordneter, dazu kann ich Ihnen im Moment noch keine Auskunft geben. Ich möchte Sie nur darauf hinweisen, daß die amerikanische Regierung der Bundesregierung zugesagt hat, ihr weitere Informationen zugänglich zu machen. Wir werden abzuwarten haben, welcher Art diese Informationen sein werden, und dann unser weiteres Verhalten davon abhängig machen.
Herr Abgeordneter Hirsch, Sie haben das Wort zu einer weiteren Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, ist der Bundesregierung bekannt, daß man nach amerikanischen Zeitungsveröffentlichungen die genannten Toxine in den Vereinigten Staaten im freien Handel, auch im Postversand, beziehen kann?
Das ist mir nicht bekannt. Ich werde diesem Hinweis aber gerne nachgehen.
Herr Abgeordneter Spranger, Sie haben das Wort zu einer weiteren Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, seit wann hat die Bundesregierung die Informationen über den Einsatz solcher chemischen Waffen?
Das ergibt sich nicht aus meinen Unterlagen. Aber ich gehe davon aus, daß wir in etwa auf demselben Erkenntnisstand sind, der bei der Öffentlichkeit gegeben ist, und daß die amerikanische Regierung offenbar die Notwendigkeit sieht, uns weiter und mehr im Detail zu informieren. Sie schickt zu diesem Zweck eine Delegation in die Bundesrepublik.
Ich rufe die Frage 54 des Abgeordneten Krey auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß für Polen bestimmte, mit öffentlichen Mitteln oder privaten Spenden geförderte Fleischlieferungen aus EG-Staaten ohne Zustimmung der Lieferanten bzw. Spender nicht in dem Bestimmungsland Polen ankommen, sondern in die Sowjetunion umgeleitet werden, und was gedenkt die Bundesregierung gegen diese Zweckentfremdung von Nahrungsmittellieferungen zum Nachteil der polnischen Bevölkerung zu unternehmen?
Der Bundesregierung liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die im Rahmen der EG-Aktion gelieferten Waren in andere Staaten, etwa in die Sowjetunion, umgeleitet worden sind. Auch der EG-Kommission ist hierüber nichts bekannt.
Die vorliegenden Informationen bestätigen vielmehr, daß die Waren der EG-Aktion unmittelbar an das polnische Verteilungssystem geleitet werden. Hinweise dafür, daß private Spenden nicht dem ursprünglichen Zweck entsprechend verwandt worden sind, sind ebenfalls nicht eingegangen.
Sie wollten eine Zusatzfrage stellen, Herr Abgeordneter Krey? - Bitte schön.
Herr Staatsminister, wenn sich Nachrichten über diesen Umstand doch erhärten, sieht die Bundesregierung dann eine Möglichkeit, zu intervenieren oder auf Maßnahmen hinzuwirken, die darauf abzielen, daß die Waren das Bestimmungsland Polen doch erreichen?
Herr Abgeordneter, da uns bisher keinerlei Informationen in dem von Ihnen angedeuteten Sinne vorliegen, möchte ich davon Abstand nehmen, jetzt über dann eventuell notwendig werdende Schritte zu spekulieren.
Herr Abgeordneter Graf Stauffenberg, Sie wollten eine Zusatzfrage stellen? - Bitte schön.
Herr Staatsminister, sieht die Bundesregierung nicht vielleicht doch in der sicherlich aus gutem Anlaß gestellten Frage des Kollegen Krey nunmehr einen Anlaß, solchen Nachrichten oder solchen Informationen nachzugehen?
Das haben wir selbstverständlich bereits auf Grund der Frage des Herrn Abgeordenten getan. Wir haben von unserer Botschaft in Warschau, aber auch von der EG-Kommission in Brüssel die Auskunft erhalten, daß ihnen derartige Informationen nicht vorliegen.
Ich rufe die Frage 55 des Abgeordneten Dr. Klejdzinski auf:
Welchem Recht unterliegt das von einer zukünftigen Seerechtskonvention vorgesehene Unternehmen der Meeresbodenbehörde und das von diesem Unternehmen zu betreibende Förderschiff, insbesondere hinsichtlich der Vorschriften des Arbeitsrechts und der Arbeitssicherheit?
Herr Abgeordneter, dies ist eine offene Frage. Sie ist in dem der Konferenz vorliegenden Verhandlungstext nicht geregelt. Es wird in erster Linie darauf ankommen, wo das Unternehmen seinen Sitz hat bzw. wo es im Einzelfall tätig wird. Dann liegt es nahe, daß das Recht des betreffenden Staates Anwendung findet. Förderschiffe, die im Eigentum des Unternehmens stehen oder in dessen Auftrag fahren, unterliegen dem Recht ihres Flaggenstaates.
Wollten Sie eine Zusatzfrage stellen, Herr Abgeordneter? - Bitte schön.
Herr Staatsminister, wie schätzt die Bundesregierung die Möglichkeit ein, gemeinsam mit den Ländern der Dritten Welt, die in der „Gruppe der 77" zusammengeschlossen sind und die dort für eine neue Weltwirtschaftsordnung eintreten, auch für eine internationale Ordnung des Arbeitsrechtes einzutreten, die die Möglichkeit des Ausflaggens zur Umgehung der von den Gewerkschaften erkämpften Arbeitnehmerrechte verhindert?
Ich werde auf diese Frage im Detail noch mehr bei der Antwort auf Ihre nächste Frage eingehen. Ich würde es vorziehen, das dann zu tun.
Sind Sie einverstanden? - Dann rufe ich gleichzeitig die Frage 56 des Abgeordneten Dr. Klejdzinski auf:
Ist nach Auffassung der Bundesregierung in dem Entwurf der Seerechtskonvention ein Mindeststandard an arbeitsrechtlichen und arbeitssicherheitsrechtlichen Vorschriften gewährt, und wenn nicht, sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, die Vorschläge der Internationalen Arbeitsorganisation über die Schaffung von Mindeststandards noch in die Verhandlungen auf der nächsten Session der 3. VN-Seerechtskonferenz einzubringen?
Herr Kollege, der gegenwärtige Verhandlungstext enthält eine Bestimmung, wonach bei den Tätigkeiten im Schürfungsgebiet von der Meeresbodenbehörde die zum wirksamen Schutz des menschlichen Lebens notwendigen Maßnahmen zu treffen sind. Die Meeresbodenbehörde ist verpflichtet, diese Bestimmung durch Regeln, Vorschriften und Verfahren zur Ergänzung des bestehenden Völkerrechts, wie es sich aus bestimmten anwendbaren Verträgen ergibt, zu konkretisieren. Dies wird auch Aufgabe der Vorbereitungskommission sein.
Darüber hinaus mißt die Bundesregierung den Vorstellungen der Internationalen Arbeitsorganisation ({0}) über die Schaffung von arbeitsrechtlichen und arbeitssicherheitsrechtlichen Mindeststandards große Bedeutung bei. Die Bundesregierung wird ihre Bemühungen fortsetzen, diesen Vorstellungen zum Durchbruch zu verhelfen. Allerdings ist nicht zu verkennen, daß es bisher an der notwendigen breiten Unterstützung auf der Konferenz gemangelt hat. Es ist ja nicht zu übersehen, daß es Länder gibt, die ein ganz anderes Verhältnis zu Gewerkschaften haben, als dies beispielsweise bei uns der Fall ist, Länder, die völlig unterschiedliche Verfassungsordnungen haben, und daß von daher die Schwierigkeiten, zu einer internationalen Konvention zu kommen, nicht unterschätzt werden dürfen.
Sie wollten eine Zusatzfrage stellen, Herr Abgeordneter? - Bitte schön.
Herr Staatsminister, kann ich, da die Bundesrepublik Mitglied der sogenannten Vorbereitungskommission ist, davon ausgehen, daß die Bundesregierung in dieser Vorbereitungskommission im Sinne der von Ihnen zuletzt genannten Vertretung von Arbeitnehmerrechten aktiv tätig werden will und gleichzeitig versucht, in der Vorbereitungskommission oder in der Konferenz eine Mehrheit für die Durchsetzung dieser Forderung zu finden?
Herr Kollege, die Internationale Arbeitsorganisation hat ja bereits einen Vorstoß in dieser Richtung unternommen. Wir meinen, daß es nun darauf ankommt, für diesen Vorstoß, für die Vorschläge, die die Internationale Arbeitsorganisation gemacht hat, auf der Konferenz möglichst breite Unterstützung zu finden. Wir werden uns nachdrücklich für diesen Vorschlag einsetzen.
Keine weiteren Zusatzfragen, Herr Abgeordneter? Dann rufe ich die Frage 57 des Abgeordneten Dr. Kunz ({0}) auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung das an den deutschen Schulen im Ausland verwendete und von ihr finanzierte Lehrbuch „Vorwärts international" im Hinblick auf seine Aufgabe, die deutsche Sprache als Kultursprache darzustellen, und welche Konsequenzen gedenkt die Bundesregierung aus dieser Erkenntnis zu ziehen?
Die deutschen Schulen im Ausland werden im Rahmen der Förderung
aus dem Schulfonds des Auswärtigen Amts auch mit Lehrmitteln versorgt. Das privat verlegte und vertriebene Lehrbuch für den Deutschunterricht als Fremdsprache „Vorwärts international" wird den Auslandsschulen als ein geeignetes Unterrichtswerk neben vielen anderen ebenso geeigneten zur Auswahl angeboten, wobei den Schulen die Entscheidung, welches Lehrbuch verwendet werden soll, überlassen bleibt. Die Bundesregierung ist jedoch bestrebt, den Schulen ein möglichst breites Angebot zu machen.
Das Lehrbuch „Vorwärts international" dient dem ersten Einstieg in die Fremdsprache Deutsch. Daher nehmen Alltagssituationen und Umgangssprache einen breiten Raum ein. Der Sprachschüler begegnet geschriebener Sprache als Anfänger nach anerkanntem didaktischen Ansatz zunächst hauptsächlich in Gestalt von Briefen, Zeitungstexten und Sachtexten über Deutschland, dagegen kaum in Gestalt von literarischen Texten, die überwiegend Lehrbüchern für Fortgeschrittene vorbehalten bleiben.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgordneter Dr. Kunz, bitte.
Herr Staatsminister, gibt es Beschwerden über und Bedenken gegen die Verwendung dieses Lehrbuches?
Soweit mir bekannt ist, Herr Abgeordneter, hat es in Bogotá einige Eltern gegeben, die die Frage aufgeworfen haben, ob es nicht besser wäre, auch schon für die Altersklasse, bei der dieses Lehrbuch verwendet wird, Lehrbücher mit literarischen Texten zu verwenden. Es steht aber, wie gesagt, im Ermessen der Schule, nun unter den angebotenen Lehrbüchern auszuwählen, was ihr pädagogisch am geeignetsten erscheint.
Herr Staatsminister, haben Sie persönlich dieses Lehrbuch in Augenschein genommen und sind Sie bereit, auch mir gegebenenfalls ein Exemplar wenigsten leihweise zu überlassen?
Ich muß ehrlich gestehen, daß ich dazu keine Gelegenheit hatte. Ich hatte mir lediglich einen Vermerk über den Inhalt dieses Buches geben lassen; aber es sollte nicht allzu schwer sein, dieses Buch zu besorgen, denn es wird, wenn ich es richtig sehe, von einer Bonner Buchhandlung - jawohl, der Gilde-Buchhandlung - vertrieben.
Ich rufe die Frage 58 des Herrn Abgeordneten Dr. Hennig auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß Aussiedler aus der Sowjetunion dort umgerechnet 170 DM an Konsulatsgebühren entrichten müssen, um ihre sowjetische Staatsangehörigkeit loszuwerden, und ist die Bundesregierung bereit, mit der sowjetischen Regierung in Gespräche darüber einzutreten, ob diese Summe nicht als überhöht und daher mit der KSZE-Schlußakte unvereinbar angesehen und deshalb wesentlich herabgesetzt werden muß'?
Die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit dürfte in den meisten Staaten gebührenpflichtig sein. In der Bundesrepublik Deutschland beträgt die entsprechende Gebühr im
Regelfall 100 DM. Unter Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögenslage der Antragsteller hier und in der UdSSR erscheint die sowjetische Gebühr von 170 DM hoch; sie entspricht - in Familienzusammenführungsangelegenheiten - auch nicht der KSZE-Schlußakte, nach der die Gebühren verringert werden sollen, „um" - ich zitiere - „sicherzustellen, daß sie gemäßigt sind". Die Bundesregierung wird sich wie bisher für entsprechende Gebührenregelungen einsetzen.
({0})
Herr Abgeordneter Hennig, Sie haben das Wort zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, darf ich Sie fragen, ob Ihnen bekannt ist, daß die bundeseinheitliche Regelung in der Bundesrepublik ausgelaufen ist und daß jetzt auf Länderebene unterschiedliche Regelungen angewandt werden, so daß der gleiche Sachverhalt beispielsweise in Niedersachsen anders als in Hessen behandelt wird? Halten Sie dies für tragbar?
Das war mir bisher nicht bekannt, Herr Abgeordneter. Ich will das gern aufnehmen. Ich werde der Sache nachgehen.
Das Wort zu einer weiteren Zusatzfrage hat der Abgeordnete Herberholz. - Oh, entschuldigen Sie, die Zusatzfragen des Fragestellers gehen vor, Herr Kollege. - Bitte schön, Herr Dr. Hennig.
Darf ich Sie weiter fragen, Herr Staatsminister, wann die entsprechenden Ressortgespräche mit dem Bundesminister der Finanzen, ob nicht doch eine Übernahme durch den Bund möglich ist - es handelt sich ja nicht um sehr bedeutende Beträge -, abgeschlossen sein werden?
Ich werde mich dafür einsetzen, daß sie möglichst bald stattfinden.
Herr Abgeordneter Herberholz, Sie haben jetzt das Wort.
Herr Staatsminister, wie beurteilen Sie die Tatsache, daß die Entlassung aus der sowjetischen Staatsbürgerschaft mit 170 DM abgegolten werden kann, daß aber die anschließende Einbürgerung in der Bundesrepublik im Lande Rheinland-Pfalz im Durchschnitt länger als drei Jahre dauert?
Das ist sicherlich eine Handhabung, die nicht im Sinne der KSZE-Schlußakte ist.
Das Wort zu einer weiteren Zusatzfrage hat der Herr Abgeordnete Dr. Soell.
Herr Staatsminister, sind Sie bereit, Herrn Kollegen Hennig, aber auch anderen Abgeordneten - etwa im Auswärtigen Ausschuß -,
die häufig mit Konsularangelegenheiten zu tun haben, eine Liste der Länder - auch der westlichen Länder - vorzulegen, aus der hervorgeht, daß die Gebühren dort bei der Entlassung aus der Staatsbürgerschaft teilweise ähnlich hoch sind wie in der Sowjetunion?
({0})
Ich will gern versuchen, eine solche Liste zu erstellen. Ich habe hier nur Zahlen über einige wenige Länder vorliegen, aus denen sich aber bereits ergibt, daß es hier sehr große Unterschiede gibt. Um nur einmal das Beispiel der Niederlande zu nennen: da kostet es 30 Gulden. In Belgien machen die Kosten zwischen 200 und 300 belgische Franc aus; das sind etwa 15 DM. Das zeigt schon, daß hier sehr große Unterschiede gegeben sind.
Herr Staatsminister, aber Sie wären bereit, eine solche Aufstellung zugänglich zu machen?
Ich bin bereit, eine solche Aufstellung zu liefern.
Dann verlassen wir jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen und gehen über zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär von Schoeler zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 59 des Abgeordneten Graf Stauffenberg auf:
Verfügt die Bundesregierung über Erkenntnisse oder Anhaltspunkte, daß die sogenannte Wehrsportgruppe Hoffmann bzw. ihre Mitglieder organisierte, technische, logistische oder ausbildungsmäßige Hilfe aus dem Ausland erhalten haben, und wenn ja, kann sie mitteilen, wer diese Unterstützung geleistet und finanziert hat?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Graf Stauffenberg, für die Zeit vor dem Verbot der „Wehrsportgruppe Hoffmann" am 30. Januar 1980 liegen den Sicherheitsbehörden derartige Erkenntnisse nicht vor. Nach dem Verbot hielten sich insgesamt etwa 20 Aktivisten der ehemaligen „Wehrsportgruppe Hoffmann" im Libanon auf. Aus den Aussagen zurückgekehrter Aktivisten ergibt sich folgendes: Sie wurden in Lagern der Al Fatah paramilitärisch ausgerüstet und im Umgang mit Waffen und Sprengstoff ausgebildet. Auch die Verpflegung und Unterbringung in den Lagern wurden von der Al Fatah finanziert. Den Sicherheitsbehörden liegen keine Erkenntnisse vor, die zu Zweifeln an der Richtigkeit dieser Angaben Anlaß geben. Dieser Sachverhalt ist auch Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens des Generalbundesanwalts.
Herr Abgeordneter Graf Stauffenberg, eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, bedeutet diese Mitteilung, daß davon auszugehen ist, daß die Angehörigen dieser Gruppe in den gleichen Lagern, möglicherweise auch von den gleichen Ausbildern trainiert oder geschult worden sind wie die Angehörigen anderer terroristischer Gruppen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Graf Stauffenberg, mir sind diese Einzelheiten nicht bekannt. Ich habe auf Grund der mir vorliegenden Informationen im Augenblick eher den Eindruck, daß das nicht der Fall war, sondern daß diese Gruppe dort eher eine gewisse Eigenständigkeit gehabt hat.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte schön, Herr Abgeordneter Graf Stauffenberg.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung Informationen oder gar Erkenntnisse, von welcher Seite diese Ausbildungsmaßnahmen oder diese Schulungen finanziert worden sind?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Graf Stauffenberg, ich habe bereits darauf hingewiesen, daß hier finanzielle Hilfe der Al Fatah im Spiel war. Woher diese Mittel im einzelnen kommen, ist etwas, was sich der Kenntnis der Bundesregierung entzieht.
Herr Abgeordneter Graf Huyn, Sie haben das Wort zu einer weiteren Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß das schweizerische Ost-Institut am 17. Juni dieses Jahres publiziert hat, daß der Leiter der „Wehrsportgruppe Hoffmann" Ende 1980 Gespräche mit der PLO über Stagenausbildung seiner Mitglieder in palästinensischen Terroristenlagern geführt hat, die j a auch enge Verbindung zum KGB haben, und daß auch die israelische Botschaft in der soeben erschienenen Dokumentation „Zur Sache" hier erklärt - ich zitiere wörtlich -:
Der westdeutsche Student Gundolf Köhler, Mitglied der neonazistischen Wehrsportgruppe Hoffmann, der im September 1980 bei der Explosion eines Sprengsatzes auf dem Oktoberfest in München getötet wurde, hatte in einem PLO-Lager im Südlibanon eine militärische Ausbildung erhalten?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Die Antwort lautet: ja.
Ich rufe die Frage 60 des Abgeordneten Zierer auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß in Ost-Berlin eingetroffene Flüchtlinge aus Pakistan - möglichst unbemerkt in der Nacht - nach West-Berlin weitergeschoben werden, wie ich persönlich in der Nacht vom 13. auf den 14. September 1981 feststellen konnte, und welche Kontrollmöglichkeiten sieht die Bundesregierung, derartige illegale Einwanderungen in Zukunft zu verhindern?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Probleme der illegalen Einreise von Ausländern über Berlin ({0}) nach Berlin ({1}) hängen, wie Sie wissen, mit dem besonderen Status der Stadt zusammen, der sich der Einflußnahme durch die Bundesregierung entzieht. Zur Frage der tatsächlich und rechtlich bestehenden Kontrollmöglichkeiten hat der Berliner Senator für Inneres den Innenausschuß
Parl. Staatssekretär von Schoeler
des Deutschen Bundestages am 1. Oktober 1973 und 25. Mai 1975 ausführlich informiert. Er ist dabei zu dem Schluß gekommen, daß Kontrollen an den Straßenübergängen nach Ost-Berlin der Auffassung des Senats und der alliierten Kommandantur von der Freizügigkeit in ganz Berlin widersprechen würden.
Ich bin gerne bereit, Ihnen im Anschluß an die Fragestunde die Protokolle dieser Ausschußsitzungen zu übermitteln.
Sie haben eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter, bitte schön.
Meine Zusatzfrage: Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung Kenntnis über Vorgänge, wie diese Asylbewerber in die DDR bzw. nach Ost-Berlin gelangen, und hat man in etwa Vorstellungen über die Zahl dieser Asylbewerber, die von Ost- nach West-Berlin gelangen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, da Angehörige von Drittstaaten, die von Ost-Berlin nach West-Berlin gelangen, zunächst einmal jeweils nach Ost-Berlin gelangen müssen, ergibt sich die von Ihnen gewünschte Zahl aus den amtlichen Statistiken der in West-Berlin aufgenommenen Asylbewerber.
Zu einer weiteren Zusatzfrage hat der Abgeordnete Hirsch das Wort.
Herr Staatssekretär, schließt denn die Bundesregierung - wie offenbar die Fragesteller - aus der Art der Einwanderung darauf, ob es sich um eine illegale Einwanderung handelt oder ob sich unter den Einwanderern nicht auch ein politischer Flüchtling befinden könnte?
({0})
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung zieht diesen Schluß keinesfalls, Herr Kollege. Im übrigen ist ein Sektorenübertritt von Berlin-Ost nach Berlin-West ein legaler Übertritt und kein illegaler.
Ich rufe die Frage 61 des Abgeordneten Hölscher auf:
Worauf stützt die Bundesregierung konkret ihre Behauptung, die Versagung der Arbeitserlaubnis sei die entscheidende Ursache für den Rückgang der Zahl der Asylbewerber?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Ich wäre dankbar, Herr Kollege, wenn ich die Fragen 61 und 62 wegen des Sachzusammenhangs zusammenfassend beantworten könnte.
Herr Abgeordneter, sind Sie damit einverstanden?
({0})
Dann rufe ich auch die Frage 62 des Abgeordneten Hölscher auf:
Welche Auswirkung hat die Einführung des Visumzwangs auf die Zahl der Asylbewerber, und welche Erfahrungen liegen seitens der deutschen Vertretungen im Ausland vor?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Die als Teil des Sofortprogramms der Bundesregierung vom 11. Juni 1980 beschlossene Einführung des Visumzwangs gegenüber den Ländern Türkei, Indien und Bangladesch sowie das Verbot der Arbeitserlaubnis während des ersten Jahres des Asylverfahrens hat zu einem Rückgang der Zahl der Asylbewerber geführt. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf Asylbewerber aus der Türkei, wie die nachfolgenden Zahlen zeigen.
Das Verbot der Arbeitserlaubnis ist am 19. Juni 1980 in Kraft getreten. Während im Monat Juni 1980 die Zahl der Asylanträge aus der Türkei noch 5 715 betragen hat, ging diese Zahl im August auf 2 821, im September auf 2 537 und im Oktober auf 2 079 zurück. Die Sichtvermerkspflicht im Reiseverkehr aus der Türkei ist am 1. Oktober 1980 in Kraft getreten. Die Zahl der Anträge türkischer Asylbewerber ging im November 1980 auf 1 517, im Dezember 1980 auf 1 259 zurück. Sie liegt seit Januar 1981 weit unter 1 000 Anträgen pro Monat. Zuletzt, im August 1981, betrug sie 484. Im ganzen Jahr 1981 sind bisher weniger Asylanträge von türkischen Staatsangehörigen gestellt worden als im Jahre 1980 allein in dem einen Monat Juni.
Nach Mitteilung des Auswärtigen Amtes hat - um auf den letzten Teil der zweiten Frage einzugehen - die Einführung der allgemeinen Sichtvermerkspflicht zwar zu einer Mehrbelastung der Auslandsvertretungen, nicht jedoch zu einer Beeinträchtigung des Reiseverkehrs geführt. Das Verfahren zur Beantragung und Erteilung der Sichtvermerke ist nach Angaben der Auslandsvertretungen inzwischen so organisiert, daß es für die Antragsteller zumutbar ist.
Herr Abgeordneter Hölscher, Sie haben das Wort zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist es dennoch denkbar, daß nicht die Versagung der Arbeitserlaubnis von der Einreise abschreckt - denn die Schlepperkolonnen versprechen j a nicht ein Papier, sondern Arbeit, und die gibt es in einigen Regionen und Branchen -, sondern die Abschreckung vielmehr eben auf den Visumszwang zurückgeht? In dem Zusammenhang würde mich interessieren: Wie kann ein echter politischer Flüchtling eigentlich sein Heimatland verlassen, wenn er vorher die deutsche Botschaft aufsuchen muß, die möglicherweise noch überwacht wird?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Hölscher, zum ersten Teil der Frage: Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß beide Maßnahmen - sowohl die Einführung des Visumszwangs als auch die Versagung der Arbeitserlaubnis während des Beginns des Asylverfahrens - zu dem zitierten Rückgang der Asylbewerberzahlen beigetragen haben. In welchem Umfang zu diesem Rückgang die eine und in welchem Umfang zu diesem Rückgang die andere Maßnahme beigetragen hat, wird man - das liegt in der Natur der Sache - nicht genau ermitteln können. Beides zusammen hat jedenfalls den Rückgang bewirkt.
Parl. Staatssekretär von Schoeler
Zum zweiten Teil der Frage: Die Bundesregierung hat bei Einführung des Visumszwangs großen Wert darauf gelegt, daß die Auslandsvertretungen der Bundesrepublik Deutschland angewiesen worden sind, in Fällen humanitärer Notlagen aus humanitären Gründen Aufnahmezusagen zu geben. Ich verkenne nicht, daß dabei durchaus die Schwierigkeit, die Sie in Ihrer Frage angesprochen haben, auftreten kann. Aber ich muß darauf hinweisen, daß diese natürlich bei jeder anderen Form der Ausreise ebenfalls auftreten kann, weil theoretisch natürlich auch Flughäfen sperrbar sind, nicht nur der Zugang zur Auslandsvertretung.
Im übrigen zeigt die Praxis, daß von der Möglichkeit, Visumsanträge aus humanitären Gründen zu beantragen, durchaus Gebrauch gemacht wird, und daß es auch eine Reihe von Fällen gibt, in denen die Auslandsvertretungen dann Sichtvermerke erteilen.
Herr Abgeordneter Hölscher, Sie haben das Wort zu einer weiteren Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie dann in diesem Zusammenhang auch unter humanitären Aspekten die abschreckende Wirkung bei der Einrichtung von Asylantenlagern in Baden-Württemberg, in denen offenbar auf Weisung der dortigen Landesregierung auf kaum eine denkbare Schikane verzichtet wird, indem man z. B. die Kinder vom Schulunterricht fernhält, indem Familien nicht zusammen leben dürfen, obwohl der früher eingereiste Ehemann bereits eine Arbeitserlaubnis und auch eine Wohnung hat, und indem man z. B. Essen zu den unmöglichsten Zeiten ausgibt? Ist es eigentlich mit unseren humanitären Gesichtspunkten vereinbar, wenn man fast den Eindruck haben muß, daß dort zur Abschreckung offenbar fast Straflager eingerichtet werden?
Herr Abgeordneter, auch diese Zusatzfrage steht kaum in unmittelbarem Zusammenhang zu Ihrer Ausgangsfrage. Wenn der Herr Staatssekretär Sie dennoch beantworten will, stelle ich ihm das anheim.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, zwei kurze Bemerkungen dazu: Es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, Maßnahmen der Landesregierung im Rahmen der Durchführung ihr obliegender Aufgaben zu beurteilen. Allerdings möchte ich nicht verhehlen, daß mir persönlich auch Fälle bekannt sind, in denen Asylbewerber vor Ort bei der Unterbringung in einer Art und Weise behandelt werden, wie es vom Buchstaben und Geist des Gesetzes nicht immer unbedingt erforderlich ist.
Wir sind damit am Ende der heutigen Fragestunde. Die nicht mündlich beantworteten Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Fragen 104 und 105 des Abgeordneten Holsteg sind zurückgezogen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({0}) zu dem Neunzehnten Strafrechtsänderungsgesetz ({1})
- Drucksache 9/825 Berichterstatter: Abgeordneter Gnädinger
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? - Abgeordneter Gnädinger, Sie haben das Wort als Berichterstatter, bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bundesrat hat in seiner 502. Sitzung am 10. Juli 1981 beschlossen, zu dem vom Deutschen Bundestag am 25. Juni 1981 verabschiedeten Neunzehnten Strafrechtsänderungsgesetz aus mehreren Gründen in acht Punkten den Vermittlungsausschuß anzurufen. Im Vermittlungsausschuß sind in seiner Sitzung am 17. September 1981 die einzelnen Punkte zum Teil nicht aufgenommen worden, zum Teil ist das Vermittlungsbegehren mit Mehrheit zurückgewiesen worden.
In zwei Punkten ist der Vermittlungsausschuß dem Anrufungsbegehren des Bundesrats gefolgt, dies jedoch nicht vollinhaltlich.
In § 57 a StGB wird eine Mindestverbüßdauer der lebenslangen Freiheitsstrafe festgelegt, nach deren Ablauf eine bedingte Strafaussetzung möglich wird. Das Anrufungsbegehren des Bundesrats, diese Mindestverbüßdauer auf 20 Jahre festzusetzen anstelle von 15 Jahren, wie dies vom Deutschen Bundestag verabschiedet worden war, fand im Vermittlungsausschuß keine Mehrheit und wurde demzufolge zurückgewiesen.
Ein weiterer Antrag, die Mindestverbüßdauer auf 18 Jahre festzulegen, wurde mit Mehrheit angenommen.
Bei § 454 Abs. 1 Strafprozeßordnung handelt es sich um eine Folgeänderung.
Dem Hause liegt eine dementsprechende Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 9/825 vor, über die heute abzustimmen ist. Soweit meine Berichterstattung aus dem Vermittlungsausschuß.
Herr Präsident, ich würde gern für die sozialdemokratische Fraktion eine Erklärung dazu abgeben.
Bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zur Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses darf ich namens der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion folgende Erklärung abgeben.
Das Neunzehnte Strafrechtsänderungsgesetz ist als ein rechtspolitischer Fortschritt zu bewerten. Mit der Verabschiedung dieses Gesetzes wird darüber hinaus einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1977 Rechnung getragen. Auch Strafgefangene, die zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt sind, müssen die Hoffnung
haben dürfen, eines Tages wieder auf Bewährung freigelassen zu werden.
({0})
Die Hoffnung auf Begnadigung genügt insoweit nicht.
Voraussetzung für eine solche Strafaussetzung ist eine Mindestverbüßdauer. Wir haben uns für eine Zeit von 15 Jahren entschieden, weil dies angemessen ist und im Hinblick auf die unterschiedlichen Vorstellungen über die Mindestverbüßdauer Kompromißcharakter trägt. Ausgangspunkt war dabei die Forderung der Ministerkonferenz des Europarats, eine Dauer von nur 14 Jahren vorzusehen. Weitere Kompromißmöglichkeiten sehen wir nicht. Für die Frist von 15 Jahren spricht auch, daß damit einerseits noch eine überschaubare Zeit zur Resozialisierung bleibt und andererseits ein deutlicher Abstand zur sogenannten Durchschnittsverbüßdauer bei der höchsten zeitigen Freiheitsstrafe besteht.
Es ist auch nicht richtig, anzunehmen, daß die Entscheidung des Deutschen Bundestages auf eine Aufhebung der lebenslangen Freiheitsstrafe hinausläuft, weil eine Entlassungsautomatik eintreten würde. Es wird auch in Zukunft viele Einzelfälle geben - etwa bei nationalsozialistischen Gewaltverbrechern oder bei Mordtaten aus dem Bereich des Terrorismus -, wo die Schwere der Schuld eine weit über 15 Jahre hinausgehende Strafvollstreckung erfordert. Der im Gesetz vorgesehene früheste Überprüfungstermin ist auch nicht zeitgleich mit der tatsächlichen Entlassung.
Aus diesen Gründen sind wir der Überzeugung, daß die Durchschnittsverbüßzeit nach Inkrafttreten des Neunzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes etwa der heutigen Gnadenpraxis entsprechen wird.
Gegen eine Mindestverbüßzeit von 18 Jahren, wie sie vom Vermittlungsausschuß vorgeschlagen wird, spricht vor allem, daß sie die sich nach der heutigen Gnadenpraxis ergebende Verbüßdauer verlängern würde. Eine solche Folge befindet sich im eklatanten Widerspruch zu den kriminalpolitischen Tendenzen in Westeuropa.
Deshalb wird die sozialdemokratische Bundestagsfraktion der Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses nicht zustimmen. - Danke schön.
({1})
Das Wort zu einer Erklärung hat der Abgeordnete Erhard.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Vermittlungsvorschlag verdient diesen Namen nicht. Nicht ein einziges Anliegen des Bundesrates und der CDU/CSU hier im Bundestag wurde aufgenommen und unverändert vorgeschlagen. Wir lehnen diesen Vorschlag und das dahinterstehende Gesetz ab.
({0})
Wir stellen fest:
Erstens. Zu lebenslanger Freiheitsstrafe werden nahezu ausschließlich Mörder verurteilt. Mörder ist derjenige Täter, der einen anderen Menschen aus Mordlust, aus Habgier oder aus sonst niedrigen Beweggründen tötet und außerdem die Tötung heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln begangen hat.
Zweitens. Zu Recht steht bei der Ahndung solcher Taten nicht die Resozialisierung im Vordergrund, sondern die Ahndung schwerster Schuld. Dies haben die Vertreter der Regierung und der Koalition in der Diskussion über die Aufhebung der Verjährung von Mord wiederholt betont.
({1})
Drittens. Mörder bedeuten für den Rechtsfrieden die schwerste Belastung. Die Menschen in unserer Gesellschaft müssen, soweit es möglich ist, vor solchen Schwerstverbrechern geschützt werden. Das ist in einer Zeit, in der die Achtung vor dem Leben des anderen deutlich geringer wird, eine unverzichtbare Forderung.
Weder der Gerechtigkeitserwartung der Bürger noch dem Erfordernis der Sicherheit werden der Vermittlungsvorschlag und das dahinterstehende Gesetz gerecht.
Der Vermittlungsausschuß hat nunmehr eine Mindestverbüßungsdauer von 18 Jahren vorgeschlagen. Dieser Vorschlag mag auf den ersten Blick als ein noch tragfähiger Kompromiß erscheinen. Er ist es aber insgesamt nicht; denn nach wie vor soll nach der Mindesthaftzeit bereits dann eine Entlassung möglich sein, wenn verantwortet werden kann, zu erproben, „ob der Verurteilte außerhalb des Strafvollzuges keine Straftaten mehr begehen wird". Der Vermittlungsausschuß hat diese sogenannte Erprobungsklausel unverändert gelassen.
Wir halten diese Klausel, die im geltenden Recht für zeitige Freiheitsstrafen vorgesehen ist, im Hinblick auf Täter, die des Mordes schuldig sind, für zu weitgehend und unverantwortlich. Eine positive Prognose verlangt diese Klausel nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reicht aus, daß der Erfolg der Aussetzung nicht eben unwahrscheinlich zu sein braucht.
Bei zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten darf ein Versuch, der erst erweisen soll, ob der Verurteilte für eine straffreie Lebensführung hinreichend gefestigt ist, im Interesse des Schutzes der Allgemeinheit nicht gewagt werden. Nur wenn in Würdigung aller Umstände eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür spricht, daß sich der Verurteilte in der Freiheit straffrei führen wird, läßt sich die Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe auch unter Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit vertreten.
Die Koalition ist sich dieser Problematik auch durchaus bewußt. Sie setzt sich darüber aber mit dem Hinweis hinweg, in der Begründung des Gesetzestextes sei ausgeführt, daß man die Auffassung des Bundesgerichtshofs für die Fälle, in denen es um lebenslange Freiheitsstrafe gehe, nicht teile und er3160
Erhard ({2})
warte, daß die Rechtsprechung der Begründung zum Gesetz und nicht dem Gesetzestext folge.
Der Gesetzgeber soll jedoch seine Auffassung durch den Gesetzestext klar und deutlich zum Ausdruck bringen. Tut er dies vorsätzlich nicht, versäumt er nach unserer Auffassung seine Pflicht und schiebt wieder einmal die eigentliche Verantwortung dafür nicht zuständigen Organen der Rechtsprechung zu. Nicht zuletzt aus diesem Grunde wird die vorliegende Klausel j a auch vom Deutschen Richterbund abgelehnt.
Im Interesse der Sicherheit unserer Bürger, im Interesse des Schutzes der Gemeinschaft vor Schwerststraftätern kann die CDU/CSU die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses und das Neunzehnte Strafrechtsänderungsgesetz insgesamt nicht billigen.
({3})
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat der Abgeordnete Engelhard.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Ergebnis sind sich, wenn auch aus höchst unterschiedlichen Gründen, alle drei Fraktionen einig.
Die Fraktion der Freien Demokraten wird der Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses nicht zustimmen. Ich begründe dies kurz wie folgt.
Wir halten eine Mindestverbüßungsdauer von 15 Jahren für richtig. Diese 15 Jahre waren für uns aber nie eine magische Zahl. Wir waren innerhalb bestimmter Grenzen auch hier durchaus kompromißfähig. Allerdings sind nach unserem Verständnis bei der Bemessung der Mindestverbüßungsdauer Grenzen gesetzt: nach unten durch die Dauer des Höchstmaßes der zeitlichen Freiheitsstrafe von 15 Jahren und nach oben durch die Zeit, nach der heute regelmäßig eine Begnadigung im Schnitt erfolgt.
Vor zwei Jahren ist bei den Justizministern und den Justizsenatoren der Länder eine Umfrage gemacht worden, die ergeben hat, daß in der Bundesrepublik ein zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilter im Schnitt nach 17,8 Jahren begnadigt wird. Indem der Vermittlungsausschuß jetzt 18 Jahre vorschlägt, verläßt er die aus unserer Sicht dringend gebotene und vorgegebene Systematik.
Selbstverständlich, in ganz besonders gelagerten Einzelfällen wird es der Gnadeninstanz immer unbenommen sein, einer gerichtlichen Entscheidung zuvorzukommen und Gnade vor Recht ergehen zu lassen. Aber kann es richtig sein, daß die Begnadigung im Schnitt bereits erfolgt ist, wenn die Gerichte sich gerade erst anschicken, zu ihrer Entscheidung zu kommen?
Wir halten dies für falsch. Wir sehen darüber hinaus die Gefahr, daß die Gnadeninstanzen dies ebenso sehen wir wir und den Gerichten den Vortritt lassen und ihre Praxis ändern, eine in den einzelnen Bundesländern nach der Dauer vielleicht unterschiedliche, aber in allen Bundesländern sehr sorgfältige, sehr gewissenhafte Begnadigungspraxis.
Und dies kann ganz sicher nicht das sein, was wir mit diesem Gesetz bezwecken wollten.
Deswegen werden wir die Beschlußempfehlung ablehnen.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Vermittlungsausschuß hat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen, daß über die vorliegenden Änderungen gemeinsam abzustimmen ist.
Wer dem Antrag des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 9/825 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Der Antrag des Vermittlungsausschusses ist einstimmig abgelehnt.
Der Abgeordnete Dr. Mertes ({0}) hat um die Abgabe einer Erklärung nach § 32 gebeten. Er hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn heute darüber beraten wird, ob künftig ein Mörder nach 15 oder nach 18 oder erst nach 20 Jahren Haft in die Freiheit entlassen werden kann, so fühle ich mich nicht nur aus Gründen der Menschlichkeit, sondern auch um der moralischen Glaubwürdigkeit dieser gesetzgebenden Körperschaft und unseres Rechtsstaates willen nach bestem Wissen und Gewissen zu folgendem Appell verpflichtet:
Kernpunkt der uns zur Beratung vorliegenden Beschlußempfehlung und des Neunzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes ist die gesetzliche Normierung der Voraussetzungen für die Aussetzung einer lebenslangen Freiheitsstrafe, die im geltenden deutschen Strafrecht im wesentlichen für Mord und Völkermord verhängt wird. Diese Bestrebungen resultieren aus der gemeinsamen Überzeugung aller Mitglieder dieses Hauses, daß nicht Sühne und Vergeltung, sondern Schutz der Gemeinschaft und Wiedereingliederung des Straftäters in die Gesellschaft die maßgeblichen Strafzwecke sein müssen. Die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Fraktionen beziehen sich nicht auf dieses Ziel an sich, sondern auf seine rechtliche Gestaltung, insbesondere auf die Mindesthaftzeit.
Auf diese gemeinsame Grundlage vertrauend, möchte ich im Zusammenhang mit der Beratung dieser Beschlußvorlage das Schicksal der letzten fünf deutschen Kriegsverurteilten ansprechen. Gegenüber ihnen und ihren leidgeprüften Familien haben wir als deutsche Abgeordnete eine Sorgepflicht. In ausländischer Haft befinden sich noch:
Franz Fischer, 80 Jahre alt, und Ferdinand aus der Fünten, 70 Jahre alt; beide sind seit 36 Jahren in den Niederlanden in Haft.
Rudolf Hess, 87 Jahre alt, ist seit über 40 Jahren in Haft. Rudolf Hess war vier Jahre, von 1941 bis 1945 in Großbritannien, 1945 bis 1946 in Nürnberg in Haft. Seit 1946 ist er Insasse des alliierten Gefängnisses Berlin-Spandau, seit 1966 in Isolierungshaft. Der InDr. Mertes ({0})
ternationale Militärgerichtshof der vier Siegermächte hat ihn von der Anklage, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen begangen zu haben, ausdrücklich freigesprochen. Das über ihn verhängte Urteil ist international umstritten.
Walter Reeder, 65 Jahre alt, im Zweiten Weltkrieg deutscher Offizier und als solcher verurteilt, jetzt österreichischer Staatsangehöriger, ist seit 33 Jahren in Italien in Haft. Das über ihn verhängte Urteil ist umstritten.
Erich Koch, 84 Jahre alt, ist seit 31 Jahren in Polen in Haft.
Alle Bundespräsidenten und Bundesregierungen der letzten 20 Jahre, Bundestagsabgeordnete aller Fraktionen und die christlichen Kirchen, auch jüdische Publizisten, haben sich für die Freilassung von Rudolf Hess, aber auch für die Freilassung der anderen dieser letzten Kriegsverurteilten aus jahrelanger Haft eingesetzt.
Ohne selbst über die gefällten Urteile richten zu wollen, aber auch ohne die Verbrechen des nationalsozialistischen Systems und die unterschiedliche persönliche Schuld oder Verantwortung dieser Männer auch nur um einen Deut verkleinern zu wollen, vielmehr im vollen Bewußtsein des Leides, das sie über unschuldige Menschen gebracht haben, halte ich die weitere Inhaftierung dieser Personen für sinnlos und unvereinbar mit der jedem einzelnen Menschen eigenen Würde. Die andauernde Haft dieser alten und kranken Männer, die nur noch den Wunsch haben, ihre letzten Lebenstage im Kreise ihrer Familien zu verbringen, hat heute jeden rechtsstaatlichen und moralischen Sinn verloren. Kein Mensch auf dieser Welt muß oder kann sie noch fürchten.
Diese Einzelpersonen zu politischen Symbolfiguren einer schrecklichen Epoche und eines verbrecherischen Systems zu erniedrigen, in ihnen lebende Denkmäler der Rache und des Hasses zu sehen, widerspricht allen Grundsätzen des Rechtes, der Vernunft und der Menschlichkeit. Es steht auch im klaren Gegensatz zu der von allen Fraktionen hier vertretenen Vorstellung von Sinn und Zweck einer Strafe. Gerade auf dem Hintergrund der heutigen Beratung sollten wir - wenn auch dieser oder jener uns mißverstehen will, auch wenn außenpolitische Opportunitätsüberlegungen den einen oder anderen von uns zögern lassen - nicht doppeltes Maß anlegen.
Selektive und doppelte Moral kann nichts Gutes bewirken, sie ist selbst eine Form der Unmoral. Sie untergräbt die Glaubwürdigkeit des Rechtsstaates in der Bevölkerung, auch in der heranwachsenden Generation, die in den kommenden Jahren auch in Fragen dieser Art uns einmal kritisch befragen wird.
Deshalb appelliere ich an jeden einzelnen von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, und an alle drei Fraktionen dieses Hauses, nicht tatenlos zuzusehen, wenn vergangenes Unrecht neues Unrecht erzeugt. Wir alle sollten besonnen, aber beharrlich alle Möglichkeiten nutzen, um die Freilassung dieser fünf
Menschen aus humanitären Gründen zu bewirken, auch deshalb, weil wir es nicht zulassen dürfen, daß die Verteidigung humanitärer und ethischer Normen in die Hände von Gegnern unserer demokratischen Ordnung fällt. Die Bemühungen um die Freilassung dürfen nicht zu einem öffentlichkeitswirksamen Instrument rechtsextremistischer Kräfte bei der Verfolgung ihrer politischen Ziele werden.
Die Würde des Menschen - Fundament der europäischen Rechtskultur - ist unteilbar.. Wir haben die Aufgabe, ihre Wahrung für alle Menschen, besonders natürlich für alle deutschen Staatsangehörigen, einzufordern.
Ich rege hiermit eine gemeinsame Entschließung aller Fraktionen des Deutschen Bundestages an, in der wir die Bundesregierung auffordern, die heute zur Debatte stehende Neuregelung zum Anlaß zu nehmen, bei den verantwortlichen Gewahrsamsmächten erneut für die schnellstmögliche Freilassung der vier genannten deutschen Staatsbürger und des früheren deutschen Offiziers Walter Reeder mit größtem Nachdruck zu intervenieren. Ich danke Ihnen.
({1})
Wir fahren nun in der Aussprache über die Tagesordnungspunkte 3 bis 11 fort. Das Wort hat Herr Staatssekretär Dr. de With.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich einige Anmerkungen zur Mietrechtspolitik im besonderen und zu den Vorlagen aus dem Bundesrat und den Reihen der Opposition machen.
Herr Kollege Schneider hat am Schluß seiner Ausführungen in einer, wie ich es empfunden habe, überdramatisierten Apotheose gemeint, er müsse den damaligen CDU-Bundesminister Paul Lücke und - ich denke, ich habe es noch recht in Erinnerung - auch dessen Lücke-Plan in höchsten Tönen als CDU-Politik loben. Es sei gar nicht verschwiegen, daß Paul Lücke einige positive Ansätze brachte. Nur auf eines darf ich mit großem Nachdruck hinweisen. Die Aufhebung der Mieterschutzgesetzgebung geschah fast ausschließlich auf dem Buckel der kleinen Leute.
({0})
Der Lücke-Plan hatte deswegen - so würde es Ministerpräsident Späth wohl sagen - ein Gschmäckle, denn das Ellenbogenprinzip feierte damals auf dem Buckel derer, die Mühe hatten, ihre Miete zu bezahlen, fröhliche Urständ.
({1})
Die Sozialklausel, von der man meinte, daß sie Abhilfe schaffen würde, mußte dreimal repariert werden. Dennoch gab es immer wieder grobe und sogar gröbste Mißstände.
Es war damals nach dem Lücke-Plan eben möglich, daß man die Kündigung androhen konnte und mit dem Hinweis: sonst fliegst du raus, eine exorbitant hohe Miete zu erzwingen imstande war. Das konnte erst durch das Erste Wohnraumkündigungsschutzgesetz im Jahre 1971 repariert werden, das Sie damals noch befehdet haben.
({2})
- Sie verwechseln das mit dem Zweiten Wohnraumkündigungsschutzgesetz. Darauf komme ich noch zu sprechen. Beim zweiten hatten Sie gelernt, weil auch Sie, Herr Jahn, eingesehen hatten, daß es so nicht weiterging.
Erst seit dem Ersten Wohnraumkündigungsschutzgesetz hat der kleine Mieter Ruhe, weil es seither unmöglich ist, mit dem Hinweis zu kündigen: wenn du die Miete nicht zahlst, dann fliegst du raus! Erst seitdem gibt es eine vernünftige Regelung der Mieterhöhung, nämlich die nunmehr allbekannte Vergleichsmiete. Das Verfassungsgericht hat das alles in seiner Entscheidung im Jahre 1974 ausdrücklich bestätigt: Es ist eben so, daß eine Mietwohnung keine Ware ist. Deswegen muß sich der Vermieter aus sozialen Gründen Einschränkungen seiner Dispositionsfreiheit gefallen lassen. Deswegen gibt es auch gewisse Einschränkungen bei der Miethöhe. Deswegen ist auch die Vergleichsmiete als vernünftig und richtig bezeichnet worden.
Herr Staatssekretär, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Erhard zu?
Bitte schön.
Bitte schön, Herr Abgeordneter Erhard.
Könnten Sie mir bestätigen, daß in dem Augenblick, in dem Sie heftig wurden und dreimal mit dem Finger auf uns gezeigt haben, zwar ein Finger auf uns, aber vier Finger auf Sie gerichtet gewesen waren?
Ich freue mich, daß Sie ein Zitat des früheren Bundesministers der Justiz und späteren Bundespräsidenten Heinemann benutzt haben. Im übrigen fühlen Sie sich getroffen, wenn Sie darauf hinweisen.
Das Zweite Wohnraumkündigungsschutzgesetz hat 1974 die entsprechenden Schutzvorschriften, die damals außerhalb des Bürgerlichen Gesetzbuches festgeschrieben waren, in das Bürgerliche Gesetzbuch hineingebracht. Damals, Herr Kollege Jahn, haben Sie Gott sei Dank eingesehen, daß das noch 1971 befehdete Gesetz richtig war. Wenn ich es recht in Erinnerung habe, hat nur ein einziges Ihrer Mitglieder dagegen gestimmt. Damit ist bewiesen, daß Sie lernfähig sind. Es ist immerhin eine vernünftige Sache.
Der Mietbericht der Bundesregierung aus dem Jahre 1979 hat klargemacht, daß die erhofften Wirkungen eingetreten sind. Durch das Erste und Zweite Wohnraumkündigungsschutzgesetz gab es Rechtsfrieden zwischen Mieter und Vermieter. Die unerquicklichen Mieterhöhungen sind verschwunden, und die Befürchtungen und Ängste der Mieter gibt es nicht mehr.
Natürlich wissen wir, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß seitdem einiges Wasser den Rhein heruntergeflossen ist. Wir haben unsere Mietergesetzgebung anzupassen. Alle Vorschläge berufen sich - so wie ich das sehe - inzwischen auf das Zweite Wohnraumkündigungsschutzgesetz. Es gibt in den Vorlagen auch - das sei überhaupt nicht verschwiegen - eine ganze Menge übereinstimmender Regelungen. Nur - das muß betont werden - bei den von Ihnen, Herr Kollege Schneider, vorgeschlagenen Änderungen wird ganz deutlich, daß diese Vorschläge mehr zugunsten der Vermieter als der Mieter gehen. Es besteht Gefahr, daß eine Schieflage entsteht. Wir sind dagegen, das Gleichgewicht zwischen Mietern und Vermietern, das wir jetzt erreicht haben, zu verschieben.
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Lassen Sie mich das, was ich gesagt habe, an einigen Beispielen - Sie können j a mit mir darüber diskutieren - verifizieren. Der Regierungsentwurf läßt die sogenannte Staffelmiete zu. Das bedeutet nach unseren Vorstellungen, daß bei Neubauten ab 1. Januar 1981 für zehn Jahre - mit bestimmten Erhöhungen und in bestimmten Abständen von vornherein vereinbart - die Miete festgelegt werden kann, damit derjenige, der investiert, eine Kalkulationsgrundlage hat, was heute bei der Vergleichsmiete nur schwerlich der Fall ist.
Wir haben selbstverständlich auch zugunsten des Mieters einiges eingebaut, einmal dadurch, daß hier bei den Mieterhöhungen bestimmte Abstände vorgesehen sind, und zum zweiten dadurch, daß der Mieter, der in schlechte finanzielle Verhältnisse gerät, nach vier Jahren wieder aussteigen kann.
Was ist nun bei dieser Staffelmiete der Unterschied zwischen Ihnen und uns? Auf der einen Seite schlagen Sie, meine Herren von der Opposition,
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vor, daß ein solcher Vertrag nicht nur einmal geschlossen werden kann, sondern daß es Folgeverträge geben darf. Dies bedeutet einen klaren Stoß gegen das Vergleichsmietensystem.
Aber es kommt noch viel schlimmer; das ist schon erwähnt worden. Sie wollen diese Staffelmiete auch auf den Altbaubestand erstrecken.
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Ich kann nicht sehen, wieso die Erstreckung der Staffelmiete auf den Altbaubestand Leute zu Investitionen reizen kann. Das kann nur den einzigen Zweck haben, das Mietgefüge zum Nachteil des MieParl. Staatssekretär Dr. de With
ters und zum Vorteil des Vermieters zu verschieben. Sonst nichts.
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Deswegen lehnen wir dies ab.
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Wir kommen zu einem weiteren Punkt, zur Frage der Mietspiegel. Hier setzen wir fest, daß Gemeinden bis zu einer bestimmten Größe verpflichtet werden sollen, Mietspiegel zu erstellen. Bei Ihnen finde ich nur eine Soll-Vorschrift.
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Ich meine, insonderheit für die Verhandlungen vor dem Prozeß ist es gut, wenn sich Mieter und Vermieter billig oder ohne Kosten leicht darüber Klarheit darüber verschaffen können, wie die Mietsituation aussieht. Das erreichen Sie am besten, wenn die Gemeinden verpflichtet werden, Mietspiegel zu erstellen, die dann für beide verbindlich sind.
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Man spart sich Gutachterkosten.
Besonders nachteilig ist dabei ein weiterer Vorschlag von Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition. Sie schlagen vor, daß in die Mietspiegel nur die Mietzinsvereinbarungen der letzten vier Jahre aufgenommen werden sollen. Auch das ist wiederum ein klarer Stoß gegen die Vergleichsmiete und begünstigt einseitig die Vermieter und benachteiligt die Mieter.
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Was die Neuregelung der Duldungspflicht des Mieters bei Modernisierungsmaßnahmen anlangt, stimmen wir alle überein, daß es nicht angängig ist, mit diesen Instrumenten Mieter hinauszumodernisieren. Hier soll es eine Vereinheitlichung und eine Anpassung geben. Ich gehe davon aus, daß wir uns noch einigen werden. Ich darf aber auch hier darauf verweisen, daß die Bundesregierung etwas vorschlägt, was ich bei Ihnen nicht finde und was wiederum dem Mieter zugute kommt. Ich meine den Umstand, daß wir Eigenleistungen des Mieters berücksichtigen wollen. Es ist nicht selten der Fall, daß der Mieter in der Hoffnung, lange in der Wohnung bleiben zu können, auf seine Kosten die Wohnung erheblich verbessert und damit auch dem Vermieter einen Gefallen tut, ohne daß das bisher genügend Berücksichtigung findet.
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Was die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen anlangt, so wissen wir alle, daß es hier unerquickliche Vorgänge gegeben hat. Wir schlagen vor, daß die Sperrfrist von bisher drei Jahren auf fünf Jahre ausgedehnt wird. Das ist zwar noch nicht ganz so viel wie im sozialen Wohnungsbau, immerhin glaube ich, daß es hilft, große Ungerechtigkeiten zu vermeiden, und entscheidend den Druck auf Mieter, die in Bedrängnis geraten können - jedenfalls nach geltendem Recht - mindert. Darüber hinaus schlagen wir vor, daß der Mieter obligatorisch ein Vorkaufsrecht bekommt. Entsprechende Vorschläge suche ich in den Vorlagen der Union vergeblich, seien es die vom Bundesrat, seien es die aus Ihren eigenen Reihen.
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Damit wird wieder einmal deutlich, daß hier für den Mieter - in diesem Fall jedenfalls - nichts getan wurde.
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Der Regierungsentwurf bringt schließlich deutliche Regelungen für die Mietkaution, die wir im Bürgerlichen Gesetzbuch festschreiben wollen. Wir möchten, daß die Verzinsungspflicht unabdingbar wird. Wir schlagen vor, daß nur das Dreifache einer Monatsmiete verlangt werden darf. Wir legen fest, daß der Vermieter die Kautionssumme auf einem treuhänderischen Konto anzulegen hat - zum Wohle beider. Auch Bestimmungen hierzu finde ich, meine Damen und Herren von der Opposition, nicht in Ihren Vorschlägen, nicht in Ihrer Vorlage. Wo bleibt die Bestimmung zum Schutz des Mieters?
In einem einzigen Punkt, meine Damen und Herren, ist es der Opposition und auch dem Bundesrat
- das sei eingeräumt; wir haben nichts zu verbergen und sind auch gelassen genug, dies darzustellen - gelungen
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- wenn Sie nichts Besseres einzuwerfen haben, Herr Jahn, dann sollten Sie, meine ich, mit Verlaub lieber schweigen -, vor uns zu Potte zu kommen, und zwar in der Behandlung der Zeitmietverträge. Herr Kollege Jahn, im übrigen sollten Sie auch - gestatten Sie mir, dies noch anzumerken - nicht ganz so vorlaut sein. Sie haben vorhin behauptet, die Bundesregierung habe sich dazu noch nicht geäußert
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und habe keine Meinung. Wenn Sie das Protokoll der 502. Sitzung des Bundesrates nachgelesen hätten, dann hätten Sie dort gefunden, daß ich die Vorlage einer Regelung der Zeitmietverträge ausdrücklich bejaht, daß ich dort erklärt habe, wir befänden uns noch in der Abstimmung, daß ich aber auch erwähnt habe, daß ich die Vorlage des Bundesrates noch nicht für ausgereift genug hielte,
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weil nämlich dort eine Bestimmung fehlt, die den Mieter in bestimmten Härtefällen schützt.
Wir sind in unseren Überlegungen ziemlich weit gediehen. Es wird möglicherweise zwei Vorlagen auf zwei verschiedenen Ebenen geben, die demnächst vorgelegt werden. Was der Abschluß von Zeitmiet3164
verträgen bedeutet, ist uns allen klar. Wir können damit eine griffige Regelung für viele leerstehende Wohnungen schaffen
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und vielleicht auch ein klein wenig den Problemen steuern, die daraus erwachsen.
Gestatten Sie mir bitte, in diesem Zusammenhang auf einen anderen Punkt zu kommen, der hier angesprochen werden muß: Zwei Kollegen dieses Hauses haben die Handlungsweise des früheren Regierenden Bürgermeisters von Berlin und jetzigen Oppositionsführers Hans-Jochen Vogel auf-, um nicht zu sagen: angegriffen.
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Kaum einer in unserem Land, der in der Politik eine Rolle spielt, meine Damen und Herren, hat wohl mehr Erfahrung im Regieren einer Millionenstadt als Hans-Jochen Vogel.
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Er war wohl auch der erste, der mit großen gewalttätigen Demonstrationen konfrontiert war. Sie wissen genau, wie lange er in München regiert hat.
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Bei den Schwabinger Krawallen war es Hans-Jochen Vogel gelungen, zu deeskalieren. Die Welle damals schwappte nicht durch die Bundesrepublik Deutschland. Ich glaube, meine sehr verehrten Damen und Herren - das sollten auch Sie einräumen -, niemand kann Hans-Jochen Vogel unterstellen, daß er ein Mann wäre, der seinen Emotionen nachhinge, daß er ein Mann wäre, der jemals das rechtsstaatliche Ziel außer Betracht ließe, oder daß er ein Mann wäre, der aus Gefallssüchtigkeit allzu kurzsichtig und kurzatmig irgendwelchen Gruppen nachliefe.
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Wenn dann Hans-Jochen Vogel - ich habe mehr als sieben Jahre mit ihm zusammengearbeitet - seine Sorge äußert, weil er spürt, daß die Lunte schon brennt,
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dann sollte man auf ihn hören. Ich frage nur: Wäre ohne Hans-Jochen Vogels Intervention in Berlin der Dialog zurückgewonnen worden?
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Wer die Politik von Hans-Jochen Vogel kritisiert, kritisiert gleichzeitig auch die Politik des derzeitigen amtierenden Regierenden Bürgermeisters von Berlin, der jetzt wieder Vogels Linie fortführt.
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- Das gefällt Ihnen nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition; aber es gibt keinen Streit darüber. Es ist so.
Doch zurück zu den Mietrechtsvorlagen. Es wird darauf verwiesen, daß man sich auch einmal die Frage der Rotation bei den Studenten- und Jugendwohnheimen anschauen möge. Sie alle wissen, daß wir dies 1974 bereits beraten und eine Änderung einmütig abgelehnt haben. Denn wir gingen davon aus, daß hier Probleme nicht vorkämen, so daß ein Eingriff nicht vonnöten sei. Wir sind zu dieser Frage offen. Es ist für uns kein Problem, mit entsprechenden Vorschriften nachzuhelfen, wenn es Schwierigkeiten gibt.
Eine weitere Frage bedarf noch der Klärung, die bisher, soweit ich sehe, von keinem angesprochen wurde. Wir wissen seit ungefähr einer Woche, daß ganz offensichtlich in München Zinserhöhungen so umgelegt wurden, daß Mietpreissteigerungen um das Zwei- oder Dreifache die Folge gewesen wären.
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Noch sind die Probleme, die sich hier auftun, nicht ganz aufgeklärt.
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Zwei Dinge jedenfalls sind sicher. Wir von der Bundesregierung werden keineswegs hinnehmen, daß jede Zinserhöhung einseitig auf die Mieter abgewälzt werden kann. Zweitens machen wir deutlich, daß - falls es nach geltendem Recht möglich wäre ({24})
dies ein unerträglicher Zustand ist, der niemals den Intentionen der Urheber dieses Gesetzes entsprochen hat. Hier sind wir alle aufgerufen, rasch für Abhilfe Sorge zu tragen.
Lassen Sie mich zum Schluß noch einmal die Bedeutung der Kontinuität im Mietrecht unterstreichen. Diese Kontinuität ist gerade dann wichtig, wenn es darum geht, klare Grundlagen für Investitionen im Mietwohnungsbau zu bieten. Es kann in niemandes Interesse liegen, daß die, wie ich meine, sehr sensible Materie des Wohn- und Mietraumrechts im Wechsel einmal verschärft und einmal abgemildert wird. Änderungen des Mietrechts können kein geeignetes Mittel sein, die Konjunktur im Mietwohnungsbau zu steuern. Das sollten wir endlich lernen.
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Wir sollten vielmehr gemeinsam an den Grundsätzen festhalten, und das sollten keine Lippenbekenntnisse sein, die wir gemeinsam im Zweiten Wohnraumkündigungsschutzgesetz niedergelegt
haben und zu denen offenbar - das entnehme ich aus den Zurufen - auch Herr Jahn noch steht. Der Mieter muß Sicherheit vor willkürlichen Kündigungen und unangemessenen Mieterhöhungen genießen. Dem Vermieter muß die wirtschaftliche Nutzung seines Eigentums möglich sein. Dabei müssen und sollen die Rechte beider Seiten so ausgestaltet sein, daß sie in der Praxis auch durchsetzbar sind. Die Entwicklungen der letzten Jahre, das habe ich eingeräumt, nötigen zur Überprüfung der Einzelheiten. Sie geben aber keinen Anlaß, die Grundsätze des Zweiten Wohnraumkündigungsschutzgesetzes in irgendeiner Weise in Frage zu stellen oder das austarierte Gefüge zwischen Mietern auf der einen Seite und Vermietern auf der anderen Seite anders zu gewichten, als wir es bisher getan haben. Vielen herzlichen Dank.
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Das Wort hat der Abgeordnete Clemens.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr de With, Sie werden sicherlich nicht erwarten, daß ich zu Ihrer Pflichtübung, hier Herrn Vogel zu verteidigen, längere Ausführungen mache. Ich muß allerdings eines sagen. Für mich persönlich ist es außerordentlich enttäuschend, wenn der gleiche Herr Vogel, der einmal hier, wie ich nachlesen konnte, im Jahre 1974 gerade zum Mietrecht sehr vernünftige Vorstellungen hatte, heute in Berlin z. B. den Mißtrauensantrag, den er gegen Herrn Lummer stellen wollte, nur deshalb zurücknehmen mußte, weil die eigene Basis nicht mitspielte.
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Ich möchte meinen Sachbeitrag zum Mietrecht im Rahmen der heutigen Diskussion damit beginnen, daß ich die elementare Bedeutung des Mietrechts kurz darstelle. Mietrecht ist nämlich nichts Theoretisches, nichts Abstraktes, Mietrecht regelt den Interessenausgleich in einem sehr wichtigen, zentralen Lebensbereich. Ich greife ein Wort auf, das gerade von den Damen und Herren der SPD immer wieder gebracht wird: Die Wohnung ist keine Ware, sondern Mittelpunkt für das Leben des einzelnen und der Familie. Um so enttäuschter muß man darüber sein, daß es der Bundesregierung - und nun spreche ich insbesondere Sie an, Herr de With; Sie sind ja schon länger im Justizministerium ({1})
seit sieben Jahren nicht gelungen ist, das in unzählige Vorschriften zersplitterte Mietrecht zu vereinheitlichen, zu bereinigen und damit zu vereinfachen.
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Im Jahre 1974 - das war genau vor sieben Jahren - hat der Bundestag auf Antrag der CDU/CSU einstimmig beschlossen, daß Sie einen solchen Gesetzentwurf vorlegen sollen. Gerade der Herr Minister Schmude schmückt sich ja immer so mit den Reformvorhaben aus seinem Ministerium. Ich meine, hier könnte wirklich mal ein Reformwerk vorgelegt werden, das entscheidende Bedeutung hat. Ich sage Ihnen auch, warum.
Das Mietrecht ist heute nicht mehr überschaubar, und zwar für alle Beteiligten. Es ist nicht mehr überschaubar für die Vermieter und für die Mieter, ja, nicht einmal für Rechtskundige; auch die finden durch diesen Bereich nicht mehr hindurch. Wenn insbesondere Mieter mangels Überschaubarkeit des Mietrechts ihre Rechte und Pflichten in einem so zentralen Bereich nicht kennen, bedeutet das doch Rechtsunklarheit und Rechtsunsicherheit in diesem wichtigen Bereich. Hier muß man eingreifen, hier muß man einiges abstellen.
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Ich komme daher nicht umhin, Ihnen von der Opposition diese erhebliche Minusleistung vorzuhalten.
Sie haben soeben dazwischengerufen, Herr de With: „Das kommt noch." Ja, wie lange, muß ich fragen, sollen wir noch warten? In sieben Jahren haben Sie es nicht geschafft. Ich war früher zwölf Jahre im Rathaus in Braunschweig - die haben bombig gewählt, das darf ich hier einstreuen ({4})
Fraktionsvorsitzender. Ich muß Ihnen ganz ehrlich sagen, bei uns hätte es die Verwaltung nicht gewagt, die Verwirklichung eines einstimmigen Ratsbeschlusses so lange hinauszuzögern. Deswegen muß ich diese harte Kritik an der Bundesregierung und speziell an Ihrem Ministerium anbringen.
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Die CDU/CSU tritt für ein soziales Mietrecht ein, d. h. dafür, daß die schutzwürdigen Interessen von Mietern und Vermietern in einen gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden. Wir betonen in diesem Zusammenhang mit dem Mietrecht die Sozialpflichtigkeit des Eigentums. Wir betonen sie ausdrücklich, betonen aber auf der anderen Seite auch, daß diese Sozialpflichtigkeit nicht so weit gehen kann, daß die Eigentumsgarantie nach Art. 14 des Grundgesetzes nicht mehr gewährleistet ist.
Herr de With, wer Ihnen soeben aufmerksam zugehört hat, wie ich es getan habe, der hat das Gefühl, daß Sie auf dem einen Auge doch recht blind erscheinen. Sie schielen nur in eine bestimmte Richtung, nur in Richtung der Mieter. Es sind Verzerrungen eingetreten, die letzten Endes nicht gut sind.
Ich muß hier die Frage aufwerfen, was eigentlich sozial ist.
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Ist es sozial, wenn wegen ständiger Weiterentwicklung des Mietrechts mit der Folge mietrechtlicher Hemmnisse und deswegen fehlender Investitionsneigung der Vermieter, der Hauseigentümer, keine Wohnungen gebaut werden, also viele Wohnungsuchende, insbesondere junge Familien, keine Wohnung finden? Ist es nicht sozialer, wenn man durch finanzielle Anreize, durch Abbau mietrechtlicher Hemmnisse die private Investitionsneigung im
Wohnungsbau erhöht und damit die Nachfrage vieler Wohnungsuchender befriedigt?
Ich muß mit Graf Lambsdorff und - ich nehme das damit doch an - auch mit der FDP Sie, Herr Bundeswohnungsbauminister - Sie lachen gerade, Herr Haack -, als Zeugen aufrufen, daß nämlich zwischen den Miethemmnissen und der fehlenden Investitionsneigung ein kausaler Zusammenhang besteht. Herr de With hat ihn eben bestritten; ich nehme ihn nicht so ernst.
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Aber ich zitiere Sie, Herr Haack. In der „Welt" vom 25. Mai 1981 - das ist noch nicht so lange her - haben Sie erwähnt:
Man muß aber sehen, daß ein in Einzelpunkten überzogener Mieterschutz die Investitionsbereitschaft im freifinanzierten Mietwohnungsbau kaum anregt, sondern eher lähmt.
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Herr Haack, Sie haben das heute bestritten. Ich muß ganz offen sagen, das wundert mich sehr. Sie haben schon einmal anders getönt in dieser Richtung.
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Wir müssen daher fordern, daß die Gesetzgebung die wirtschaftlichen Aspekte nicht aus den Augen verliert - auch bei der Wohnungswirtschaft. Immerhin stellt der Mietwohnungsbestand der Bundesrepublik einen Wert von Hunderten von Milliarden DM und damit einen erheblichen Teil des Volksvermögens dar. Diese Werte bedürfen, und zwar gerade auch im Interesse der Mieter, der Erhaltung, der Pflege und der Erneuerung in dem Sinne, daß neue Wohnungen auch in Zukunft auf Grund privater Initiative nach Maßgabe des Bedarfs geschaffen werden. - Ich höre nicht einmal Widerspruch bei der SPD; ich hatte darauf gehofft.
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- Ja, das ist nun ganz konkret. Ich habe hier etwas geistigen Diebstahl begangen: Das war der gleiche Jochen Vogel, den man heute wahrscheinlich nicht mehr zitieren kann, 1974 - um das deutlich zu sagen.
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Die CDU/CSU-Fraktion hat einen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Wir haben zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen zwei Vorschläge gemacht und damit - Herr Wehner, darf ich das so sagen? - unsere konstruktive Rolle als Opposition betont.
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Wir sprechen von den Zeitmietverträgen mit dem Ziel, für maximal fünf Jahre leerstehende Mietwohnungen dem Wohnungsmarkt zuzuführen. Es gibt unzählige Beispiele dafür, daß Hauseigentümer leerstehende Wohnungen nicht vermieten - sei es, weil sie sie in absehbarer Zeit selber nutzen oder für ihre Angehörigen haben wollen, oder sei es, daß sie
sie umbauen, ausbauen oder auch vielleicht in dem einen oder anderen Fall zum Zweck des Neubaus abbrechen wollen. Aus diesem Grunde meinen wir, daß wir mit den Zeitmietverträgen etwas vorgelegt haben, was helfen kann - sicherlich nur als Lösung auf Zeit -, etwas Positives auf dem Wohnungsmarkt zu bewirken.
Wir sind recht glücklich, daß der Bundesjustizminister diesen unseren Vorschlag im Bundesrat für Bedenkens- und beachtenswert gehalten hat. Wir stellen allerdings heute fest, Herr de With, daß die damalige Ankündigung Ihres Chefs - wenn ich das so sagen darf -, nämlich Vorschläge zum Zeitmietvertrag machen zu wollen, heute auch nichts anderes als eine Sprechblase bedeutet. Bis jetzt liegt uns nichts vor.
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Wir gehen davon aus, daß hier irgendwann - und hoffentlich nicht erst wieder in sieben Jahren - etwas von Ihnen vorgelegt wird.
Ich komme zur Staffelmiete. Diese Regelung ist zwar auch in Ihrem Regierungsentwurf enthalten, nur mit einem entscheidenden Unterschied. Ich frage Sie, Herr de With: Finden Sie es eigentlich nicht willkürlich und ungerecht, wenn Sie von einem bestimmten Stichtag an, nämlich dem 1. Januar 1981, einigen Vermietern, nämlich denen, die von da ab bezugsfertige Wohnungen erstellt haben, Staffelmietvereinbarungen zugestehen, während Sie dies allen anderen Vermietern und Hauseigentümern - das sind nicht alles nur Kapitalisten; das möchte ich einmal deutlich sagen ({14})
verweigern und ihnen zumuten, weiter nur mit dem Vergleichsmietensystem zu leben?
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Nach einer bestimmten Zeit - ich werde gern darauf zurückkommen! -, in vier oder fünf Jahren, werden wir zweierlei Recht haben. Dann wissen wir nicht mehr, warum der eine Staffelmieten erheben kann - durch freie Vereinbarung mit dem Mieter - und der andere Vergleichsmieten, also auf das Vergleichsmietensystem angewiesen ist. Das ist ein entscheidender Punkt, und das müssen wir hier aufgreifen. Aus diesem Grunde haben wir den älteren Wohnungsbestand mit in unser Angebot aufgenommen. Wir erhoffen uns dadurch mehr Gerechtigkeit, mehr Vertragsfreiheit - ein entscheidender Grundsatz im deutschen Recht -,
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auf der anderen Seite aber auch die Möglichkeit, dieses Kapital dem Wohnungsbau zusätzlich zuzuführen und dadurch mehr Wohnungen zu bauen.
Der Herr Bundesjustizminister hat uns vor dem Bundesrat deswegen kritisiert. Er meinte, wir würden dadurch das Vergleichsmietensystem aushöhlen. Ich muß dazu sagen: Er übersieht dabei, daß eine Staffelmiete nur kraft Vereinbarung zwischen Vermieter und den Mietern - ich meine, Mieter sind
sehr mündige Bürger - im Wege der Vertragsfreiheit gestaltet werden kann. Ich bin noch nicht einmal sicher, ob dieses Institut wirklich greift. Darüber können wir im Ausschuß noch reden.
Er vergißt dabei auch, daran zu denken, daß für den Mieter die Möglichkeit besteht, wenn er eine solche Staffelmiete vereinbart hat, nach vier oder fünf Jahren die Wohnung und dieses Mietverhältnis aufzukündigen.
Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, zum Ende zu kommen.
Ich könnte noch einige Punkte nennen; es ist nicht möglich, wir werden das im Ausschuß machen müssen. Wir werden im Rechtsausschuß intensiv über Mietrecht sprechen.
Lassen Sie mich damit schließen: Von der SPD können wir in diesen Punkten sicherlich wenig erwarten, von der FDP hoffe ich, daß sie sich nicht länger selbst verleugnet, sondern daß sie sich dazu bekennt, was sie heute durch Herrn Gattermann hat vortragen lassen und was wir von Herrn Lambsdorff oft gehört haben. Wir von der Opposition, konstruktiv wie wir sind, bieten Ihnen jedenfalls unsere Mithilfe bei der Gestaltung eines vernünftigen und ausgewogenen Mietrechts an. Ich möchte mit einem Zitat des Bundeswohnungsbauministers Haack aus der „Quick" vom 19. März schließen, als er auf die Frage: „Sie ziehen also mit der Opposition an einem Strang?" antwortete: „Ohne Allparteienkoalition geht da nichts mehr." - Herr Haack, die Erkenntnis kommt sehr spät und zeigt einmal mehr, wie tief die SPD/FDP-Koalition in der Tinte sitzt. - Ich bedanke mich.
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Das Wort hat der Abgeordnete Gnädinger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Clemens hat Mietrecht und seine kausalen Wirkungen auf die Investitionen so behandelt, als ob die heutige Vormittagsdebatte nicht stattgefunden hätte, in der wir über die Zinsen, über das Bodenrecht, über die Baupreise gesprochen und dabei gesehen haben, daß es diese Faktoren sind, die die Investitionen am Bau behindern. Herr Clemens hat auch so getan, als ob die Frage der Vereinheitlichung des Mietrechts eine Angelegenheit der CDU/CSU wäre - weit gefehlt! Auch wir sind der Auffassung, daß hier eine Vereinheitlichung stattfinden muß. Wenn der Herr Clemens die Gesetzentwürfe genau gelesen hätte,
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dann hätte er festgestellt, daß in dem, was heute zur Beratung vorliegt, eine Reihe solcher Vereinheitlichungen vorgesehen sind.
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Eine letzte Bemerkung. Mir wird ein bißchen komisch, Herr Clemens, wenn ich Sie über die Staffelmiete als eine Wohltat für irgendwelche Hausbesitzer reden höre. Sie gehen hier mit einer falschen Optik an die Sache heran.
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Heute vormittag ist auch über Mietrecht gesprochen worden. Herr Späth, Herr Schneider und Herr Jahn haben dies getan, wie ich meine, recht einseitig. Deshalb kommt es mir jetzt darauf an, ein paar grundsätzliche und ganz allgemeine Bemerkungen zum Mietrecht zu machen.
Mit der Ausgestaltung des sozialen Mietrechts als Dauerrecht sind im Jahre 1974 auch die Grundentscheidungen darüber gefallen, wie das Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter geregelt sein soll. An diesen Grundentscheidungen hält die sozialdemokratische Bundestagsfraktion fest.
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Sie sind zugleich der Maßstab für die Beurteilung des heute eingebrachten Gesetzentwurfs.
Die Markierungspunkte des Mietrechts lassen sich in vier Grundsätzen zusammenfassen:
Erstens. Es darf nicht sein, daß ein Mieter auf Grund einer willkürlichen Entscheidung des Vermieters seine Wohnung verlassen muß.
Zweitens. Eine Wohnung zu haben ist unabdingbar für ein menschenwürdiges Dasein. Diese Notwendigkeit darf den Mieter bei der Vereinbarung des Mietpreises nicht in eine ausweglose Situation bringen. Daher ist es erforderlich, Regelungen zu haben, die es dem Mieter erlauben, ungerechtfertigte Mieterhöhungsverlangen abzuwehren.
Drittens. Unter Berücksichtigung dieser beiden Grundsätze ist es gleichfalls notwendig, daß die mietrechtlichen Regelungen zugleich den Interessen des Vermieters und jenen des Mieters dienen. In diesem Interessenausgleich erweist sich die frieden-stiftende Funktion des Rechtes.
Viertens. Je klarer und übersichtlicher die gesetzlichen Bestimmungen sind, Herr Clemens, desto eher kann das Mietrecht seine friedenstiftende Funktion erfüllen.
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- Das ist eine Forderung, ein Eckpfeiler. - Darüber hinaus erleichtert die Übersichtlichkeit die Schutzfunktion des Rechts für den jeweils Schwächeren, der zwar regelmäßig, jedoch nicht in jedem Einzelfall der Mieter sein wird.
Diese Grundsätze sind heute im Prinzip allgemein anerkannt. Ich betone jedoch, daß dies nicht immer so gewesen ist. Das Mietrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches erlaubte dem wirtschaftlich stärkeren Partner, die ihm genehmen Vertragsbedingungen durchzusetzen. Es ist daher wichtig, noch einmal auf den zwingenden Charakter der heutigen mietrechtlichen Bestimmungen hinzuweisen.
Der Mieterschutz galt in den vergangenen Jahrzehnten als ein Notrecht, das für vorübergehende
Zeiten des Wohnungsmangels Schutzfunktionen ausüben sollte. Diesen Vorstellungen folgten bisher alle Mieterschutzgesetze von der Weimarer Zeit bis zum Ersten Wohnraumkündigungsschutzgesetz des Jahres 1971. Es ist daher eine qualitative Veränderung, daß heutzutage mietrechtliche Vorschriften sich nur als zwingendes Recht vorstellen lassen und das Mietrecht nicht als ein Notrecht aufgefaßt wird. Dies ist ein Erfolg jahrzehntelanger sozialdemokratischer Bemühungen. Heute ist dies nicht nur Gedankengut einer Partei, sondern allgemeine Überzeugung und geltendes Recht.
Die gedankliche Grundlage für eine solche Regelung ist die Überlegung, daß es nicht nur darauf ankommt, ein Dach über dem Kopf zu haben, sondern daß der Mieter im Sozialstaat auch in seiner jeweiligen Wohnung geschützt sein muß. Dies ist deshalb notwendig, weil sich um seine aktuelle Wohnung herum soziale Bezüge entwickelt haben - Einkaufsgelegenheit, Schulweg der Kinder, Bekanntschaften -, die wir so hoch bewerten, daß die aus dem Eigentum fließenden Rechte demgegenüber teilweise zurücktreten müssen.
Die Auswirkungen einer solchen Gesamtregelung auf die Investitionsbereitschaft, d. h. auf die Bereitschaft, neue Wohnungen zu bauen, haben in den vergangenen Jahren und Monaten im Mittelpunkt der Auseinandersetzung um das Mietrecht gestanden. Dies geschieht - wie ich meine - sehr zu Unrecht.
In diesem Zusammenhang darf ich zunächst auf den Bericht der Bundesregierung über die Auswirkungen des Zweiten Wohnraumkündigungsschutzgesetzes hinweisen.
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Dieser Bericht ergibt eindeutig - und zwar auf der Grundlage praktischer Erfahrungen und Untersuchungen -, daß das Mietrecht keinen nennenswerten Einfluß auf die Investitionsbereitschaft gehabt hat.
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Herr Jahn, diese Feststellung ist auch einleuchtend, weil es eine Reihe plausibler Umstände gibt, die in der Lage sind, den Rückgang des Mietwohnungsbaus in der Bundesrepublik zu erklären.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jahn.
Bitte sehr.
Herr Kollege Gnädinger, sind Sie bereit, zuzugestehen, daß im Kabinett höchst unterschiedliche Auffassungen über einen Kausalzusammenhang zwischen der mangelnden Investitionsbereitschaft einerseits und der Mietgesetzgebung andererseits bestanden haben und daß Graf Lambsdorff immer darauf aufmerksam gemacht hat, daß hier ein Kausalzusammenhang besteht?
Es ist richtig, daß Graf Lambsdorff darauf hingewiesen hat, daß ein solcher Kausalzusammenhang besteht. Es ist auch richtig, daß ich gesagt habe: Im Zentrum steht nicht dieser Kausalzusammenhang, sondern im Zentrum stehen andere Faktoren wie Bodenpreise und Zinsen. Daß gewisse Zusammenhänge bestehen, kann nicht bestritten werden. Es ist nur die Frage, Herr Jahn, in welchem Ausmaß solche Zusammenhänge bestehen und wie schwer man dies im Einzelfall bewerten will.
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Ich habe versucht, zu erklären, Herr Jahn, daß es eine Reihe von plausiblen Erläuterungen dafür gibt, warum der Mietwohnungsbau in der Bundesrepublik zurückgegangen ist. Dabei will ich nicht nur auf die allgemeine konjunkturelle Entwicklung abheben, sondern auch betonen, daß durch die Öffnung der Rentenversicherung für Selbständige die Notwendigkeit des Mietwohnungsbaus zur Alterssicherung verringert wurde. Es kommt hinzu, daß es in unserer Gesellschaft einen verstärkten Hang zum Eigenheim gibt und daß auf Grund der zu erwartenden Bevölkerungsentwicklung die Vermietbarkeit von Wohnungen in den kommenden Jahrzehnten nur sehr schwer beurteilt werden kann.
Diese Erkenntnisse werden durch die Tatsache bestätigt, daß wir in vergleichbaren Ländern einen ähnlichen Rückgang des frei finanzierten Wohnungsbaus feststellen können, ohne daß die mietrechtlichen Bestimmungen jener Länder mit unseren übereinstimmten. Was ich zeigen will, ist, daß pauschale Behauptungen über Investitionsbereitschaft und Mietrecht untauglich sind, und daß es notwendig ist, die Einzelheiten des Mietrechts auf diesen Punkt hin zu durchforsten.
Betrachtet man jedoch den Wohnungsmarkt unvoreingenommen, so fällt zunächst auf, daß es nach wie vor einige Unzuträglichkeiten zu Lasten des Mieters gibt. So nehmen z. B. sogenannte Luxusmodernisierungen überhand. Im Ergebnis führt dies zu unerschwinglichen Mieten. Die Folge ist ein Vertreibungseffekt. Zunehmend werden Miet- in Eigentumswohnungen umgewandelt, was häufig dazu führt, daß der neue Eigentümer den Auszug des Mieters aus seiner bisherigen Wohnung verlangen kann. Das Instrument der Mietkaution wird mißbräuchlich eingesetzt.
In diesen drei Fällen sieht der Entwurf der Bundesregierung, den Herr Staatssekretär de With eben vorgestellt hat, eindeutige Verbesserungen der Situation des Mieters vor. Namens der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion darf ich diese vorgesehenen Einzelregelungen ausdrücklich begrüßen.
Andererseits, meine Damen und Herren, hat die Durchforstung der mietrechtlichen Einzelbestimmungen auch zu der Erkenntnis geführt, daß wir bei dem Erhöhungsverlangen des Vermieters im Rahmen des Vergleichsmietverfahrens durchaus schwer überschaubare Regelungen haben. Es muß auch anerkannt werden, daß ein berechtigtes Interesse der Investoren in den Wohnungsbau an einer besseren
Überschaubarkeit und Berechenbarkeit der zu erwartenden Mieteinnahmen in den ersten Jahren nach der Erstellung des Gebäudes durchaus vorhanden ist. Deshalb soll nach dem Entwurf der Bundesregierung die sogenannte Staffelmiete für neu errichtete Wohnungen zugelassen werden.
Schon in den Koalitionsverhandlungen haben sich beide Partner auf die Straffung und Vereinfachung des Mieterhöhungsverfahrens sowie auf die Zulassung von Staffelmieten verständigt. Sie erhoffen sich eine Verbesserung des Investitionsklimas und damit Anreize zur Schaffung von neuem Wohnraum. Die SPD-Bundestagsfraktion ist bereit, an der Verwirklichung dieser Vorhaben mitzuarbeiten. Dabei wird nicht zu übersehen sein, daß es Zweifel hinsichtlich der Tauglichkeit dieser beiden geplanten Gesetzesänderungen gibt. Das Vergleichsmietverfahren hat sich in den vergangenen Jahren bewährt. Wir hoffen, daß es im Kern durch diese beiden neuen Bestimmungen nicht berührt wird.
Würden wir allerdings den Vorschlägen des Bundesrates und der CDU/CSU folgen, so könnte eine Störung des sozialen Friedens nicht ganz ausgeschlossen werden.
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Dies ergibt sich einerseits aus Ihrem Vorschlag, bei den Mietspiegeln nur jene Mieten berücksichtigen zu wollen, die in den letzten vier Jahren angehoben worden sind. Beträchtliche Mietpreiserhöhungen wären die Folge. Wenn dem nun noch die Einführung der Staffelmiete für den Bestand hinzugefügt würde, kämen wir, Herr Jahn, zu explosionsartigen Mietentwicklungen, ohne daß von diesen Mietentwicklungen investitionsfördernde Anreize ausgehen würden.
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- Ich kann wegen der fortgeschrittenen Zeit keine Zwischenfrage mehr zulassen.
Die einzige Folge wäre eine gewaltige Ausweitung der staatlichen Wohngeldzahlungen. Dies steht einer Partei, die vorgibt, so sparen zu wollen, schlecht an.
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Ich appelliere deshalb an die Fraktion der CDU/ CSU in diesem Hause, von solchen Vorschlägen abzusehen. Sie zerstören nämlich den sozialen Charakter des von uns im Jahre 1974 gemeinsam beschlossenen Mietrechts. Einer Abschaffung des sozialen Mietrechts kann die sozialdemokratische Bundestagsfraktion in keinem Falle zustimmen. ({4})
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Engelhard.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie sich alle drei Fraktionen dieses Hauses im Jahre 1974 schließlich zusammengefunden haben, um das Zweite Wohnraumkündigungsschutzgesetz zu verabschieden, so sollte es jetzt, im Jahre 1981, möglich sein, Einigung darüber zu erzielen, daß Änderungen auch in unserem Mietrecht notwendig sind.
Es geht vorrangig darum, die Rahmenbedingungen für den freifinanzierten Wohnungsbau zu verbessern. Ganz sicher ist der Wohnungsmarkt ein besonderer Markt. Aber es bedarf auch auf diesem Markt stärkerer marktwirtschaftlicher Elemente. Ich weiß, daß es Leute gibt, die diesem Gedankengang nicht folgen können. Sie müssen dann die Konsequenzen bedenken; denn eines ist ganz klar: Das, was sich heute in vielen Bereichen als Wohnungsmangel darstellt, könnte, wenn die Entwicklung so weiterginge, zur Wohnungsnot werden. In letzter Konsequenz müßte dann die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum als öffentliche Aufgabe - als öffentliche Aufgabe allein - angesehen werden.
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- Und hier würde sich - Herr Dr. Schneider, sehr richtig - der Kreis zu einem Teufelskreis schließen; denn dann wäre aus dem Mangel wirklich die Not geworden, und es wäre die Unterversorgung der Bevölkerung mit Wohnraum vorprogrammiert.
Nun ist das Mietrecht für die Gesetzgebung natürlich ein hochsensibler Bereich. Da liegt zuhauf hochexplosiver Sprengstoff. Und deshalb geht es in besonderer Weise darum, gerade im Mietrecht einen gerechten Ausgleich zwischen den schutzwürdigen Interessen von Mietern und Vermietern zu finden.
Im Vorfeld unserer heutigen Beratungen ist schon vielfach in Posaunenstärke der Kampf- und Schlachtruf ertönt: Hände weg vom Mieterschutz! Nachdem ich mir die vorliegenden Entwürfe durchgesehen habe, kann ich mit Befriedigung feststellen: Keiner geht daran, auch nur den Versuch zu unternehmen, dem Mieter in dem schutzwürdigen Bereich an den Kragen zu gehen.
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Angesichts von „Hände weg vom Mieterschutz" scheint es mir schon einmal geboten, etwas zur Begriffsbestimmung beizutragen, wenigstens den Versuch zu unternehmen. Da haben wir den Mieterschutz im engeren Sinn, den Kündigungsschutz. Das bedeutet, daß dem vertragstreuen Mieter eine Position eingeräumt wird, die dem Dauerwohnrecht angenähert ist. Meine politischen Freunde und ich halten dies für richtig. Daran will auch keiner rühren. „Dem vertragstreuen Mieter", sage ich.
Daneben gibt es eine ganze Fülle von anderen Bestimmungen, die nicht immer zu Recht unter den Begriff Mieterschutz eingeordnet werden. Das sind Bestimmungen, wie das Mieterhöhungsverfahren abzuwickeln ist oder wie sich die Höhe der Miete bil3170
det. All diese Bestimmungen, häufig unter Mieterschutz subsumiert, sind etwas anderes. Natürlich gilt es, auch in diesem Bereich den Mieter zu schützen. Gerade hier muß aber der gerechte Ausgleich auch mit den Interessen des Vermieters gefunden werden. Hier - so ist unsere Meinung - bedarf es in einigen Bereichen der Korrektur.
Deswegen begrüßen wir es, daß das Mieterhöhungsverfahren gestrafft und vereinfacht wird. Aber das ist nicht nur ein Stück Vereinfachung eines Gesetzes. Ist man sich eigentlich bewußt, daß das eine ganz zentrale gesellschaftspolitische Frage ist? Es geht nicht immer nur um das Problem, ob die Rendite eines Hauses zureichend oder unzureichend ist. Wir verfolgen mit Erschrecken gerade in Ballungsgebieten eine Entwicklung, die dadurch gekennzeichnet ist, daß der breit gestreute mittelständische Hausbesitz im Mietbereich im Abnehmen begriffen ist. Und warum? Altere Leute, die das Haus bereits von den Eltern ererbt oder aus eigener Kraft im Lauf eines arbeitsreichen Lebens sich geschaffen haben, verstehen die Gesetze häufig nicht mehr. Die unterhalten keine eigene Rechtsabteilung. Schließlich verstehen sie die Welt nicht mehr
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und trennen sich von ihrem Haus zu einem sicher guten Preis. Käufer sind jene Gesellschaften,
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die, geleitet von jenen dynamischen Managern, dann das tun, was uns heute wieder zwingt, in anderen Bereichen auf Abhilfe zu sinnen. Ich meine jene überzogenen Aktionen, bei denen Mietwohnhäuser in Eigentumswohnungen umgewandelt worden sind. Es ist ja nicht der private, der mittelständische Hausbesitzer,
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der an der Spitze solcher Aktionen steht, sondern im Regelfall sind es genau jene Gesellschaften, die aus diesem Bereich abgestoßene Häuser aufkaufen, um daraus das Bestmögliche für ihre Zwecke zu machen.
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Man sollte, weil in manchen Bereichen Einwände gegen den Mietspiegel erhoben werden, daran denken, daß auch das ein gutes Stück Vereinfachung ist. Denn wer will einen teuren Sachverständigen zunächst bezahlen? Wer will sich um Vergleichsobjekte bemühen? Da ist es beim Mieterhöhungsverfahren schon leichter, auf den Mietspiegel Bezug zu nehmen.
Herr de With hat kurz erwähnt, daß wir 1974 in § 5 des Gesetzes zur Regelung der Miethöhe - mit vollem Recht, wie ich meine - vorgesehen haben, daß der Vermieter die Kapitalkostenerhöhung auf seine Mieter umlegen kann. Er soll nicht allein das Risiko tragen. Aber an was haben wir damals gedacht? An den Neubau, an den Umbau eines Gebäudes. Jetzt gibt es in meiner Heimatstadt München eine ganze Anzahl von Fällen, wo jemand ein völlig intaktes, bereits seit 50 Jahren stehendes Haus gekauft hat und mit der Kaufpreissumme, zum erheblichen Teil fremdfinanziert, nun in die Hochzinsphase gerät und die Kapitalkostenerhöhung auf seine Mieter abzuwälzen versucht. Ich kann an der Stelle nicht untersuchen, ob das durch das geltende Recht abgedeckt ist. Rechtsprechung liegt erst in geringfügigem Umfang vor. Ich sage es nur als Vormerkung. Damit müssen wir uns beschäftigen; schutzwürdige Belange des Vermieters bedürfen unserer Beachtung. Umgekehrt darf es aber nicht so sein, daß bei einem Haus, an dem sich nichts geändert hat, die Mieten nur deshalb sprunghaft steigen, weil es den Eigentümer gewechselt hat. Das ist meines Erachtens der Risikobereich desjenigen, der ein Haus erwirbt. Damit muß er fertig werden. Über diese Frage müssen wir uns in den Ausschüssen unterhalten.
Wir werden mit der Einführung der Staffelmiete weitere gute Anstöße geben. Wir werden uns in den Ausschüssen dann darüber unterhalten, wie dieses System im einzelnen zugeschnitten werden soll. Nur warne ich vor Überschätzung. Die Versicherungswirtschaft, die j a zu den Branchen gehört, die nicht ständig Klage führen - auf sie trifft Shakespeares Wort nicht zu, daß Klage die Sprache der Kaufleute sei, wenn auch die Versicherungswirtschaft hier und da ihre Probleme hat -, hat kürzlich bei einem parlamentarischen Abend gesagt, übertriebene Erwartungen sollten wir im gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht hegen. Ich glaube, man muß das ernst nehmen; aber wir haben zumindest die ruhige Gewißheit, daß die Einführung der Staffelmiete ein Schritt auf dem richtigen Weg ist.
Eine weitere zentrale Frage ist natürlich die, daß zeitlich befristete Mietverhältnisse unter bestimmten Bedingungen wieder zugelassen werden sollen.
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„Eine Sprechblase", sagte der Herr Kollege Clemens zur Bundesregierung gewandt. Ich glaube, wenn wir uns in der Sache einig sind, Herr Kollege, wird sich die Formulierung ohne weiteres einfinden. Sie ist ja bereits im Bundesratsentwurf enthalten.
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Die Bundesregierung wird uns weiteres in Kürze herreichen. Wenn wir in der Sache einig sind, dann ist die Formulierung sicherlich nicht das Problem. Ich meine in der Tat, es ist ein großes Versäumnis, daß für einen nur auf Zeit interessierten Kreis von Mietern eben nicht auch auf Zeit Mietwohungen zur Verfügung stehen, sondern daß, wie es der Kollege Gattermann heute sehr eingehend und sehr treffend dargelegt hat, aus begreiflichen Gründen derjenige, der mit seiner Wohnung etwas vorhat - sei es Eigenbedarf, sei es ein größerer Umbau - dafür sorgen muß, daß er eine, wie es schon im Volksmund heißt, „saubere" Wohnung hat. Damit ist ja nicht etwa eine gereinigte Wohnung gemeint. Damit ist auch nicht gemeint, daß er nicht irgendeinen schlechten Mieter in der Wohnung sitzen hätte, Leute, die die Mietsache schlecht behandeln und den Mietzins nicht bezahlen. Nein, auch wenn dort ein anständiger Mieter seine Bleibe hatte, gibt es unter
unserem gegenwärtigen Mietrecht bereits verständlicherweise fast Anlaß genug, zu sagen: Die Wohnung ist leer, ich habe sie sauberbekommen. Das ist ein ernstes Problem, und gerade in Ballungsgebieten würde beträchtlicher Druck von uns genommen, wenn nur auf Zeit interessierte Mieter durch Mietverträge auf Zeit eine anständige Unterkunft finden könnten.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Roitzsch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den Ungerechtigkeiten auf dem Wohnungsmarkt durch das Mietrecht, das soeben angesprochen worden ist, kommt auch das Ärgernis, daß viele Sozialwohnungen heute fehlbelegt sind. Jetzt versucht die Regierung mit ihrem Gesetzentwurf zum Abbau der Fehlsubventionierung, mit bürokratischen Hilfskrücken Ungerechtigkeiten zu vernebeln und den Verwaltungsapparat weiter aufzublähen. Diese Fehlbelegungsabgabe ist wiederum nur eine Interimslösung auf maximal zehn Jahre und benötigt eine Anlaufzeit von mindestens drei bis vier Jahren. Das, meine Damen und Herren, machen wir von der Union nicht mit.
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Heute gibt es in der Bundesrepublik Deutschland rund 4,5 Millionen Sozialwohnungen. 70 % aller Haushalte sind sozialwohnungsberechtigt, doch nur ein Drittel davon lebt überhaupt in einer Sozialwohnung. Das heißt, daß zwei Drittel der Anspruchsberechtigten in dem ach so berühmten „sozialen Netz" überhaupt nicht aufgefangen werden.
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Das, meine Damen und Herren, bezeichne ich als unsozial.
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Unter diesem einen Drittel Sozialwohnungsmietern sind etwa 32 % Fehlbeieger, d. h. Menschen, die mit ihrem hohen Einkommen heute einfach nicht mehr in eine Sozialwohnung gehören. Die Kosten zur Ermittlung der Fehlbelegungsabgabe werden nach vorsichtigen Schätzungen auf insgesamt 60 bis 65 Millionen DM pro Jahr veranschlagt. Die erste Gesamterhebung wird frühestens 1985 beendet sein. Bis dahin sind für insgesamt rund 560 Sachbearbeiter zunächst einmal Kosten in Höhe von 200 Millionen DM entstanden,
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ohne daß auch nur ein Pfennig in die Staatskassen geflossen ist. Ab 1985 schließlich rechnet die Regierung mit Einnahmen aus der Fehlbelegungsabgabe von 500 Millionen DM jährlich.
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Dem müssen aber weiterhin mindestens 60 Millionen DM Unkosten durch Sach- und Personalleistungen entgegengesetzt werden, und die Anzahl der
Fehlbeleger muß alle drei Jahre aktualisiert werden.
Fazit: Die Fehlbelegungsabgabe ist eine „Bürokratieverdichtungsabgabe"
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und frißt sich somit praktisch selber auf. Erstaunlich ist, daß gerade der Bundesbauminister diese Fehlbelegungsabgabe früher als zu bürokratisch abgelehnt hat und uns heute diesen Gesetzentwurf als das Mittel zur Belebung des sozialen Wohnungsbaus „unterjubeln" will.
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Wer hat Sie, Herr Minister, denn so verbogen?
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Sehr viel früher schon als die Bundesregierung hat die CDU/CSU-Fraktion - im übrigen in Obereinstimmung mit den unionsregierten Ländern - ein Wohnungsbauänderungsgesetz eingebracht, das die starren gesetzlichen Bindungen allmählich abbauen und durch marktwirtschaftliche Elemente ersetzen will. Wir befinden uns dabei in allerbester Gesellschaft mit dem Bundeskanzler, der in seiner Regierungserklärung 1980 für den sozialen Wohnungsbau ausdrücklich versprochen hat, schrittweise mehr marktwirtschaftliche Elemente einzuführen.
Unser Gesetzentwurf beinhaltet drei Kernpunkte. Erstens: Bis einschließlich 1959 geförderte Sozialwohnungen sollen aus den gesetzlichen Bindungen befreit werden, wenn die öffentlichen Darlehen zurückgezahlt oder künftig mit 8 % verzinst werden. Hier haben also die Wohnungsbauträger die Möglichkeit, von der Kosten- auf die ortsübliche Vergleichsmiete umzusteigen. In den ländlichen Gebieten liegen die Sozialmieten ohnehin nur ganz geringfügig unter den entsprechenden Vergleichsmieten. Lediglich in großstädtischen Ballungsräumen kann es zu Erhöhungen von mehr als 1 DM pro qm kommen. Mit der Fehlbelegungsabgabe aber geht die Bundesregierung sogar von einer Mieterhöhung bis zu 2 DM aus. Die vorgeschlagene Neuregelung mit dem Angebot der sofortigen Bindungsfreigabe wird einen wesentlichen Teil der bis 1959 bewilligten und noch nicht getilgten öffentlichen Mittel - das sind rund 9,5 Milliarden DM - mobilisieren und so zusätzlich Investitionen im Neubau von Sozialwohnungen ermöglichen.
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Der zweite Punkt unseres Gesetzentwurfs sieht einen schrittweisen Abbau der Zinsverbilligung vor. Das heißt im Klartext: Für Förderungsjahrgänge bis 1959 sollen die Zinsen auf 8 % steigen und für die Jahrgänge 1960 bis 1962 die Darlehen zu 6 % verzinst werden. Für die Mieter ergeben sich dadurch Mietsprünge von maximal 50 Pfennig pro Quadratmeter.
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- Herr Kollege Conradi, entschuldigen Sie! Ich habe sehr wenig Zeit. Vielleicht ergibt sich die Beantwortung Ihrer Frage aus meinen Ausführungen.
Frau Abgeordnete, ich habe Sie zunächst zu fragen, ob Sie eine Frage zulassen.
Ich habe so wenig Zeit.
Sie lassen also keine Frage zu.
Der von uns beabsichtigte schrittweise Abbau der Zinsverbilligung stellt sicher, daß dies auf keinen Fall zu überhöhten Mieten führen wird. Eher werden die zum Teil bestehenden erheblichen Mietverzerrungen innerhalb des sozialen Wohnungsbaus ausgeglichen. Aus diesen Zinsanhebungen fließen jährlich rund 250 Millionen DM. Demgegenüber ist mit einer Erhöhung des Wohngeldes um maximal nur 150 Millionen DM zu rechnen.
Unsere vorgeschlagenen Maßnahmen bewirken endlich einmal eine wirkliche Gerechtigkeit für alle Sozialwohnungsberechtigten.
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Wir wollen diese Sozialwohnungen freigeben und durch die Zahlung von Wohngeld jeden Berechtigten gleichmäßig behandeln, zu deutsch: Wohngerechtigkeit für alle statt Fehlbelegung!
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Dritter Punkt unseres Unionsentwurfs ist, die gemeinnützigkeitsrechtliche Mietpreisbindung aufzuheben und den gesamten gemeinnützigen Wohnungsbestand der Versorgung der sozial berechtigten Haushalte vorzubehalten, denn bisher durften gemeinnützige Wohnungsunternehmen lediglich die Kostenmiete erheben. Das hat zu einer unverantwortlichen Mietverzerrung geführt. Allerdings soll als Ausgleich für die Aufhebung der Preisbindung der gemeinnützige Wohnungsbestand - wir gehen dabei von rund 900 000 Wohnungen aus - insbesondere kinderreichen Familien, behinderten und älteren Menschen vorbehalten bleiben. Eine Sonderregelung sehen wir allerdings vor für Genossenschafts- und Werkswohnungen.
Wenn man diese beiden Gesetzentwürfe von Regierung und Opposition einander ganz klar gegenüberstellt, so ergibt sich folgende Rechnung. Durch die Erhebung einer Fehlbelegungsabgabe ist noch immer keine Wohngerechtigkeit geschaffen,
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denn weiterhin würde nur ein Drittel aller Sozialwohnungsberechtigten überhaupt in den Genuß einer Sozialwohnung kommen,
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und die Einnahmen aus dieser Fehlbelegungsabgabe
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würden zum Teil von den Verwaltungskosten, Herr Kollege Waltemathe, aufgezehrt. Zur Belebung des sozialen Wohnungsbaus ist dadurch überhaupt kein Schritt getan! Durch den Unionsentwurf dagegen wird tatsächlich
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der soziale Wohnungsbau, lieber Herr Schröder, belebt und der Abbau nicht mehr gerechtfertigter Subventionen erreicht. Der Zunahme der Wohngeldempfänger um 7 % mit einem Mehraufwand von 150 Millionen DM stehen dann jährlich Zinseinnahmen von rund 250 Millionen DM sowie einmalige Einnahmen von bis zu 9,5 Milliarden DM gegenüber, wenn sich die Träger des sozialen Wohnungsbaus zur frühzeitigen Ablösung ihrer zinsgünstigen Darlehen entschließen. Hier werden also Milliardenbeträge frei, mit denen man neue Wohnungen für sozial schwächer gestellte Bürger bauen kann.
Wenn Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, es wirklich ernst meinen mit der sozialen Gerechtigkeit für alle Bürger in unserem Staat, bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als Ihren Gesetzentwurf zur Fehlbelegungsabgabe in den Papierkorb zu werfen.
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Wer heute wirklich noch glaubt, mit der Fehlbelegungsabgabe soziale Gerechtigkeit zu schaffen, der geht auch mit einer Fliegenklatsche auf Großwildjagd. Ich danke Ihnen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer wie die CDU/CSU jahrelang durch die Lande zieht und die Fehlsubventionierung im sozialen Wohnungsbau als das große soziale Ärgernis beklagt und anklagt, sollte es sich nicht so leicht machen, wie Frau Roitzsch dies hier gegenüber dem Gesetzentwurf der Bundesregierung getan hat, sondern sollte sich mit den Alternativen, die sich hier stellen, durchaus ernsthaft auseinandersetzen. Sonst muß sich die CDU/CSU den Vorwurf gefallen lassen, daß es ihr mit ihren Anklagen gar nicht ernst war und daß sie lediglich ein Thema im sozialen Wohnungsbau immer wieder zur Diskussion gestellt hat, ohne zu selbständigen Lösungen, zu einem Beitrag zu Lösungen hier bereit zu sein. Das muß noch einmal festgestellt werden.
Dieser Gesetzentwurf kommt nicht in den Papierkorb, sondern wir werden uns eingehend mit ihm auseinanderzusetzen haben und dann auch Ihre Alternativen sehr kritisch prüfen; dazu werde ich noch einiges sagen. Denn, meine Damen und Herren, in einer Zeit, in der soziale Leistungen reduziert werden müssen, in einer Zeit, in der öffentliche Mittel nicht ausreichen, zusätzliche Sozialwohnungen für einkommenschwache Mieter zu bauen, in einer Zeit,
Schmitt ({0})
in der jeder zehnte Haushalt seine Miete nur mit Hilfe des staatlichen Wohngeldes aufbringen kann, ist es nun einmal höchste Zeit, dem allgemein beklagten sozialen Ärgernis der Fehlsubventionierung ein Ende zu bereiten.
Schuldzuweisungen sind hier fehl am Platze. Denn man kann von den betroffenen Mietern oder Eigentümern nicht erwarten, daß sie dann, wenn sie die Einkommensgrenzen des sozialen Wohnungsbaus überschreiten, von sich aus eine höhere Miete zahlen oder von sich aus in eine teurere Wohnung umziehen. Die gutverdienenden Mieter oder Eigentümer im sozialen Wohnungsbau sind für die ihnen zugute kommenden Leistungen aus öffentlichen Mitteln nicht verantwortlich. Die Ursachen dafür liegen allein in der sogenannten Objektförderung, bei der das Einkommen bei Bezug der Wohnung die Voraussetzung für die Wohngenehmigung im sozialen Wohnungsbau ist.
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- Ich komme gleich darauf. - Wenn nach den Feststellungen des Bundesbauministers 32 % der Mieter- und 44 % der Eigentümerhaushalte - von denen haben Sie, Frau Roitzsch, überhaupt nicht gesprochen ({2})
die Einkommensgrenze vom 1. März 1980 überschreiten, so muß der Gesetzgeber handeln. Gerade angesichts der knapper werdenden öffentlichen Mittel ist es dringend erforderlich, daß in erster Linie diejenigen die finanzielle Hilfe des Staates bekommen, die sie brauchen, und daß die, die ihre Miete aus eigener Kraft zahlen können, nicht noch subventioniert werden; das ist Fehlsubventionierung.
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Der sogenannte Mietvorteil, d. h. der Unterschied zwischen Kostenmiete und Sozialmiete, stellt sich am Beispiel von Sozialwohnungen in vier Jahrgängen - ich habe es einmal zusammenstellen lassen - wie folgt dar: 1950 waren das bei einer Sozialwohnung von 50 Quadratmeter in der Stadt Wiesbaden etwa 600 DM, 1960 waren es schon 1 200 DM, 1970 bereits 3 000 DM, und 1980 sind es schon 6 000 DM, die hier aufgebracht werden müssen - aus Steuermitteln. Deshalb ist es notwendig, daß der Lösungsansatz, den die Bundesregierung hier vorgetragen hat, auch zur Grundlage unserer Beratungen gemacht wird. Denn für uns, die SPD-Bundestagsfraktion, ist dieser Gesetzentwurf eine gute Grundlage.
Einmal: Es werden durch die Fehlbelegungsabgabe diejenigen angemessen belastet, die auf Grund ihres Einkommens mehr Geld für ihre Wohnung zahlen können. Mieter, Eigentümer und auch diejenigen - den Punkt habe ich in Ihrem Beitrag vermißt, Frau Roitzsch -, die die öffentliche Wohnungsfürsorge für sich in Anspruch nehmen, werden gleichermaßen einbezogen. Die im Gesetzentwurf vorgesehene Freigrenze von 20 % über den schon sehr hohen Einkommensgrenzen und die Staffelung 50 Pfennig, 1 DM und 2 DM pro Quadratmeter machen die Ausgleichsabgabe zugleich sozial vertretbar und zumutbar.
Und - das ist ein wesentliches Moment -: Das Aufkommen aus dieser Fehlbelegungsabgabe - es wird ja von etwa 500 Millionen DM jährlich ab 1985 gesprochen -,kommt gezielt den kinderreichen Familien, jungen Ehepaaren, älteren Menschen, Schwerbehinderten, Alleinstehenden mit Kindern im sozialen Wohnungsbau in Gemeinden mit erhöhtem Wohnungsbedarf zugute. Das heißt, was der einzelne gut verdienende Mieter aufbringt, wird dort verwandt, wo die eigentliche Wohnungsnot besteht. Man muß sich einmal überlegen, daß man mit 500 Millionen DM Einnahmen jährlich immerhin rund 4 000 Sozialwohnungen zusätzlich fördern kann. Das ist ein Ergebnis, das einen Verwaltungsaufwand - darauf komme ich noch - durchaus rechtfertigt.
Wir nehmen die Einwände des Bundesrates zum Verwaltungsaufwand durchaus ernst. Wir werden zu prüfen haben, wieweit über die jetzt vorgeschlagenen Maßnahmen hinaus noch weitere Vereinfachungen im Verwaltungsgang möglich sind. Denn jede Million, die wir bei der Verwaltung sparen, kommt j a direkt dem sozialen Wohnungsbau zugute.
Dabei gilt für uns Sozialdemokraten, daß der Markt die Wohnungsbauprobleme nicht allein löst, sondern im Gegensatz Probleme schafft. Probleme schaffen Sie auch mit Ihren Vorschlägen, die Sie in Ihrer Vorlage hier vorgetragen haben. Denn das von der CDU/CSU gepriesene Allheilmittel „Markt mit globaler Zinserhöhung für alle" und die Herausnahme von älteren Sozialwohnungen aus dem Bestand führen j a zu zusätzlichen Belastungen gerade der Mieter, die wegen ihres Einkommens in den Sozialwohnungen wohnen sollten. Es führt aber darüber hinaus zu einer neuen Antragsflut bei den kommunalen Stellen, nämlich zu Anträgen derer, die auf Grund einer allgemeinen Zinserhöhung ihre Miete nicht mehr aus ihren Einkommen bezahlen können, sondern Wohngeld beantragen müssen.
Sie haben hier kein Wort davon gesprochen, daß Ihre Vorschläge auch dazu führen, daß hier - Sie haben es ja selber geschätzt - Mehrausgaben für das Wohngeld von 150 Millionen DM zu erwarten sind, Mehrausgaben, zu denen niemand von Ihnen hier darstellt, wie sie finanziert werden sollen, in einem Zeitpunkt, in dem wir bekanntlich leider auch Wohngeldleistungen kürzen müssen.
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Wir meinen, daß die Regierungsvorlage auf Drucksache 9/744 zwar nicht die Lösung der Wohnungsprobleme für uns bringt, aber doch ein wichtiger Teil des Gesamtkonzeptes ist, das einen sozial gezielten Einsatz öffentlicher Mittel im sozialen Wohnungsbau herbeiführt und das vor allem soziale Ausgewogenheit schafft.
Schmitt ({5})
Die Unzufriedenheit, das Protestpotential in unserer Gesellschaft findet ja seinen Grund nicht in der Unzufriedenheit des einzelnen über seine Lage. Vielmehr
ist - das erfahren wir ja immer wieder in den Gesprächen mit unseren Bürgern - für das, was man Staats- und Parteiverdrossenheit nennt, das Gefühl vieler Menschen bestimmend, daß die politisch Verantwortlichen zwar Probleme erkennen, darüber reden und auch parteipolitische Auseinandersetzungen führen, daß aber damit die Probleme nicht gelöst sind. Dies gilt in einem besonderen Maße für das, man muß schon sagen, Phänomen der Fehlsubventionierung im sozialen Wohnungsbau, über das seit Jahren in der Öffentlichkeit und in den Parteien diskutiert wurde. Es wurde gestritten, aber geschehen ist noch nichts.
Wir als SPD-Bundestagsfraktion meinen, daß der von der Bundesregierung vorgeschlagene Gesetzentwurf für uns eine Chance ist, ein Stück Vertrauen in den Sozialstaat zurückzugewinnen. Die Regelung soll dazu führen, daß diejenigen, die der staatlichen Hilfe bedürfen, sie auch bekommen, und daß diejenigen, die keine staatliche Hilfe benötigen, sie auch in Zukunft nicht mehr zu erhalten brauchen. Insofern ist für uns dieser Gesetzentwurf nicht etwa eine Aufforderung, Bürokratie einzuführen, sondern ein Bemühen, mehr Gerechtigkeit auch im sozialen Wohnungsbau durchzusetzen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Menzel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will mich hier mit den Vorschlägen der CDU/CSU zur Änderung des Gemeinnützigkeitsgesetzes auseinandersetzen.
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- Mit dem Referentenentwurf. Es ist schön, daß Sie sich von Ihrem Entwurf bzw. von dem Vorschlag des Bundesrates schon distanzieren. Wir nehmen das zur Kenntnis. Vielleicht haben Sie schon im Laufe der Debatte eingesehen, daß darin eine Masse steht, was so nicht zu vertreten ist. Wir nehmen das gern zur Kenntnis, Herr Möller.
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Lassen Sie mich als erstes Gelegenheit nehmen, die Leistungen der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft herauszustellen. Die gemeinnützige Wohnungswirtschaft hat zur Bewältigung der Wohnungsprobleme in unserem Lande Hervorragendes geleistet. Das beweisen nicht nur die 2,4 Millionen Wohnungen, die von der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft nach dem Kriege errichtet wurden, sondern das' beweist auch der mäßigende Einfluß der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft auf die Mietenentwicklung in diesem Lande.
Das jetzt bestehende Gemeinnützigkeitsrecht ist in seinen wesentlichen Grundzügen ca. 50 Jahre alt. Naturgemäß haben sich in diesen und in den angrenzenden Bereichen in diesen 50 Jahren Veränderungen ergeben. Es ist deshalb durchaus die Frage berechtigt, ob denn dieses Gesetz nicht überarbeitet werden muß. Auch wir Sozialdemokraten halten dies für notwendig. Was wir allerdings ablehnen müssen, ist Flickschusterei, wie Sie sie, meine Damen und Herren von der Opposition, in dem Gesetzentwurf, den Sie vorgelegt haben, betreiben.
Natürlich war die erste Frage die, was wohl als Konzept hinter Ihrem Entwurf steht. Diese Frage ist auf den ersten Blick gar nicht so klar zu beantworten. Befaßt man sich näher damit, erkennt man folgendes. Sie streben Mieterhöhung an, und weil Ihnen bei diesem Streben nach Mieterhöhung die gemeinnützigen Wohnungsgesellschaften mit ihrer Mietenpolitik, zu der sie auf Grund des gemeinnützigkeitsrechtlichen Kostenmietenprinzips verpflichtet sind, die Suppe versalzen würden, möchten Sie gern auch die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen per Gesetz zu einer anderen Mietenpolitik, d. h. zu Mieterhöhungen, zwingen.
Schon an dieser Stelle möchte ich Sie auf einen Widerspruch in Ihrem Entwurf hinweisen. Die gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften sind auf Grund des Gemeinnützigkeitsgesetzes zum Wohnungsbau für einkommensschwache Schichten verpflichtet. Das soll auch so bleiben. Sie streben an, in diesem Bereich drastische Mieterhöhungen durchzuführen. Diese Mieterhöhungen würden genau diese einkommensschwachen Schichten treffen, für die die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen auf Grund der Gesetzeslage Wohnungen gebaut haben und weiterhin Wohnungen bauen sollen.
Geradezu Hohn für diesen Personenkreis ist es, wenn Sie in Ihrer Begründung schreiben, daß es nur in den Ballungsräumen zu spürbaren Mieterhöhungen von mehr als einer Mark käme. Ich frage mich, meine Damen und Herren von der Opposition: Wo leben Sie denn bloß? Halten Sie denn Mieterhöhungen von weniger als einer Mark für Einkommensschwache, die sich j a in diesen Wohnungen konzentrieren, für nicht spürbar? Wissen Sie denn nicht, wie sich eine Mieterhöhung von 70 oder 80 Mark für eine Familie auswirkt?
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Da kann auch Ihr Hinweis auf die Wohngeldgesetzgebung nur ein schwacher Trost sein. Meine Damen und Herren von der Opposition, die Art, wie Sie heute die Schwerpunkte der Debatte gesetzt haben, zeigt, daß Sie aus der Sozialgeschichte in diesem Lande nichts gelernt haben.
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- Diesen Vergleich nehmen Sie auf? Nachdem ich Ihren Diskussionsbeitrag gehört habe und Ihre Stellungnahme zur Gesellschaftspolitik kenne, Herr Jahn, lesen sich Rerum Novarum, Quadragesimo Anno und erst recht Mater et Magistra geradezu wie
ein Aufruf zur Revolution. Daran mögen Sie erkennen, wie weit Sie zurück sind.
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Sie wollen Mieterhöhungen zugunsten der Vermieter auf Kosten des Staates; denn der zahlt ja das Wohngeld. Sie machen zwar einen Finanzierungsvorschlag; aber der beruht auf einer Spekulation, nämlich auf der Spekulation, daß ein Großteil der früheren Darlehensnehmer ihre Darlehen zurückzahlen. Wenn sie das nicht tun, haben Sie ein Loch, das wiederum der Staat stopfen muß. Und dann beklagen Sie, daß der Staat zu viele Schulden macht. Das ist Ihre Politik.
Das Politikum, meine Damen und Herren von der Opposition, in Ihrem Vorschlag liegt nach meinem Dafürhalten aber darin, daß Sie sich vom Prinzip der Kostendeckung für die Wirtschaftseinheit auch im gemeinnützigen Wohnungswesen abkehren. Ich will gar nicht bestreiten, daß auch wir bereit sind zu überlegen, ob wir im Bereich der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft zu einer Entzerrung der Mieten kommen können. Dann müssen wir uns aber auch darüber unterhalten, wie sichergestellt werden kann, daß die eventuell erzielten Mehreinnahmen sinnvoll eingesetzt werden. Das heißt, wir müssen uns dann auch über das Prüfungssystem bei den gemeinnützigen Wohnungsgesellschaften unterhalten.
Damit Ihr Vorhaben bei der Bevölkerung nicht so ganz klar wird - oh, ich sehe, die Lampe leuchtet schon auf; ich will mich deswegen kurz fassen -, wollen Sie alle Wohnungen der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft Einkommensschichten vorbehalten, die innerhalb der Einkommensgrenze nach § 25 liegen. Ausnehmen wollen Sie die werksgebundenen Wohnungen, allerdings nur jene werksgebundenen Wohnungen, bei denen eine Bindung auf Grund finanzieller Beteiligung erfolgt. Ja, meine Damen und Herren, wissen Sie denn nicht, daß bei einem Großteil der werksgebundenen Wohnungen eine Bindung nicht durch finanzielle Beteiligung am Objekt erfolgt, sondern auf Grund von anderen Rechtsgrundlagen? Alle die Wohnungen wären bei Ihnen herausgenommen. - Meine Damen und Herren der Opposition, das können wir so nicht mitmachen.
Herr Jahn, jetzt noch ein Hinweis: Es ist richtig, daß auch in dem Referentenentwurf des Ministeriums eine solche Bindung vorgesehen war.
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Nur, was den Minister in dieser Frage auszeichnet, ist, daß er das erkannt hat und deswegen den Referentenentwurf zurückgèzogen hat.
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Sie haben es nicht erkannt. Sie möchten diesem Unsinn also noch Gesetzesform geben.
Meine Damen und Herren von der Opposition, ich will zum Schluß kommen. Schon die kurzen Bemerkungen mögen zeigen, daß Ihr Gesetzentwurf nicht ausgewogen ist. Deswegen fordern wir Sie auf, Ihre Vorschläge zurückzustellen und mit uns über eine grundsätzliche Reform des Gemeinnützigkeitsrechts nachzudenken. Das darf auch nach unseren Vorstellungen nicht auf die lange Bank geschoben werden, steht aber auch nicht im Vordergrund der jetzt anstehenden Beratungen. Recht schönen Dank.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dörflinger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß man dem Kollegen aus der SPD-Fraktion, der eben gesprochen hat, für seinen Diskussionsbeitrag dankbar sein muß, weil er nämlich für den Teil der SPD-Fraktion gesprochen hat, der bisher sitzengeblieben ist, und weil er sehr deutlich auf die Rollenverteilung hingedeutet hat, in der man sich in den nächsten Wochen und Monaten in der öffentlichen Diskussion bewegen will. Die Regierungsbank vertritt die gemeinsame Linie der Regierungskoalition, und ein Teil der SPD-Fraktion macht das Spiel weiter, das wir nun auf allen politischen Gebieten seit Wochen und Monaten erleben.
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Meine Damen und Herren, das Pulver in den Geschützen, die die SPD geladen hat und mit denen die CDU/CSU als mieterfeindliche Partei „abgeschossen" werden soll, soll nicht naß werden. Es ist aber von den Argumenten her, die Sie hier darlegen, und auch von der Art her, wie hier diskutiert wird, bereits naß geworden, weil die Bürger draußen nämlich inzwischen zu erkennen vermögen, was tatsächlich zu Bewegungen und positiven Ergebnissen auf dem Wohnungsmarkt führt und was aus Vorurteilen besteht. Das reicht von dem, was Herr Staatssekretär de With vorher über die Rolle des Lücke-Plans in der Geschichte der Sozialen Marktwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland gesagt hat, bis zu dieser Debatte, die wir heute im Deutschen Bundestag führen.
Meine Damen und Herren, das ist das Stück, das sich wiederholt. Aber bei diesen Wiederholungen ist es so wie auch beim Fernsehen: Der Zuschauer schaltet ab, und er wundert sich über die Phantasielosigkeit der Programmgestalter.
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Dieses Doppelspiel wird nicht mehr abgenommen. - Der Bundeskanzler hat die Qualität des Fernsehens kritisiert.
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Herr Wehner, der baden-württembergische Ministerpräsident hat heute morgen gesagt, daß weder der Staat allein noch der Markt allein die Probleme lösen können. Dieser Grundsatz ist zu unterstreichen. Die Bürger draußen fragen uns nicht nach De3176
klamationen, guten Absichten, sondern die Bürger fragen nach realistischen Konzepten, wie wir die Fehlentwicklungen der letzten Jahre überwinden und wie wir den Wohnungsmarkt besser versorgen.
Meine Damen und Herren, sozial handelt nicht, wer nur den Mangel verwaltet, resignierend oder hilflos den Rückgang der Zahl fertiggestellter Wohnungen in Mehrfamilienhäusern von 411 200 im Jahre 1973 auf 114 000 im Jahre 1980 hingenommen hat, für hohe Zinsen mitverantwortlich ist, Kapitalinvestitionen für den Wohnungsbau uninteressant macht, den Stillstand beklagt und dann - wie es insbesondere die SPD getan hat - nach nicht finanzierbaren staatlichen Programmen ruft. Sozial handelt auch der nicht, der in durchaus ehrenwerter Absicht - und das erkennen wir an - die Rechte der Mieter schützen will und durch die Unausgewogenheit im bestehenden Mietrecht dem Wohnungsangebot einen nicht unbeachtlichen Teil an Wohnungen entzieht.
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Meine Damen und Herren, sozial verantwortlich, volkswirtschaftlich sinnvoll und angesichts der gegenwärtigen Lage in der Bauwirtschaft richtig, ist es, erstens für mehr Wohnungen, für mehr Markt und für mehr Preisgerechtigkeit zu sorgen, und zwar unter allen, und zweitens die unbestreitbaren Risiken des Marktes für bestimmte Bevölkerungsgruppen zu beseitigen, zumindest aber auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Dabei sollte der Grundsatz gelten - wir bekennen uns dazu; wir haben dies auch in unseren Gesetzentwürfen zum Ausdruck gebracht -, daß die Wohnung ein Wirtschaftsgut von besonderer sozialer Bedeutung ist. Dabei bleibt es.
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Deswegen bekennen wir uns auch dazu - ich sage es, weil es hier bestritten wird -, daß wir gerade im Zusammenhang mit der Wohnung die Sozialbindung des Eigentums betonen, daß wir am Kündigungsschutz festhalten, daß wir nein sagen zur Kündigung wegen Mieterhöhung. Das sind doch die substantiellen Bestandteile des geltenden Mietrechts.
Die Wohnung ist aber kein Gut, meine Damen und Herren, das der Staat und womöglich zum Nulltarif zur Verfügung stellen muß. Es ist ehrlicher und entspricht auch mehr der realistischen Erwartung der Bürger, wenn wir sagen, daß in Zukunft vielleicht ein etwas höherer Anteil des Einkommens für die Wohnung zur Verfügung gestellt werden muß, wenn man dafür eine bessere Versorgung und eine größere Gerechtigkeit bei der Mietpreisgestaltung erzielt.
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Es ist auf jeden Fall besser als das, was die SPD tut, nämlich einen Erwartungshorizont aufzuziehen, dem die öffentliche Hand - ich betone das folgende - in keiner denkbaren Haushaltssituation je entsprechen kann,
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weder jetzt noch in der Zukunft, wenn es uns vielleicht etwas besser ginge.
Der Staat muß auch nicht zur Alimentierung jeden gesellschaftlichen Wandels bereitstehen. Er muß z. B. nicht unbedingt über das Bundesausbildungsförderungsgesetz den frühzeitigen Auszug junger Menschen aus der elterlichen Wohnung begünstigen. Er muß auch für diese Teile nicht unbedingt eine Wohnung bereitstellen.
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Der Staat muß Rahmenbedingungen für Initiative schaffen und dort Hilfe als Hilfe zur Selbsthilfe geben, wo Personengruppen Gefahr laufen, an die Ränder des Marktes gedrängt zu werden, ohne daß wir sagen, der Staat gefalle sich in der Rolle des Zuschauers.
Wir sind uns über Risiken unserer Vorschläge im klaren. Das ist gesagt worden. Wir sagen, wir gleichen diese Risiken durch Wohngeld aus, und wir haben nachgewiesen, daß dieses Mehr an Wohngeld, das wir aufzubringen haben, auch zu finanzieren ist. Das hat der Herr Kollege Dr. Jahn heute morgen erklärt. Ich wundere mich, wie man sich hier hinstellen und sagen kann, wir seien nicht in der Lage, dieses Mehr an Wohngeld zu finanzieren.
({8})
Wir sind der Meinung, daß grundsätzlich die Subjektförderung der Objektförderung vorzuziehen sei. Das Phänomen der Fehlbelegungsabgabe ist ein Beispiel dafür, daß Objektförderung in die Irre führen kann. Wir sind auch der Meinung, daß unsere Perspektiven mehr liefern als etwa die Fehlbelegungsabgabe, wie sie von der Sozialdemokratischen Partei propagiert wird, weil sie auch zu mehr Gerechtigkeit bei der Mietpreisgestaltung führt. Diese Fehlbelegungsabgabe bringt eher mehr Betrieb in die Verwaltungen. Aber bei allem Respekt vor Betrieb in den Verwaltungen, meine Damen und Herren: Das ist wenig konstruktiv und hilfreich.
Ich fand es ausgesprochen deplaciert, daß der Herr Minister heute morgen die kommunalen Spitzenverbände ans Schienbein getreten hat. Meine Damen und Herren, die kommunalen Spitzenverbände sind es leid, Gesetze ausführen, mehr Personal einstellen, mehr Geld ausgeben zu müssen für mehr Bürokratie, um dann von den Bürgern für mehr und größere Verwaltungsapparate kritisiert zu werden.
({9})
Wir haben Wohngeld als substantiellen Bestandteil unseres Konzepts genannt.
({10})
Wir haben deshalb auch mit einiger Skepsis den Bestrebungen der Regierung entgegengesehen, den Ansatz im Jahre 1982 um 7,5 % zu kürzen. Ich darf hier schon ankündigen, daß wir allen weiteren derartigen Bestrebungen ein entschiedenes Nein entgegenrufen müssen, und zwar auch deswegen, weil wir gestern ja auch im Ausschuß erfahren haben, wen eigentlich diese Kürzung des Wohngeldes trifft. Das
sind ja genau diejenigen, für die Sie hier auf die Barrikaden gehen und hier ans Rednerpult treten.
({11})
Meine Damen und Herren, es ist bereits gesagt worden: trotz Subjektförderung weiterhin Objektförderung, Konzentration der knappen Mittel auf benachteiligte Gruppen - sie sind bereits genannt worden. Wir sind der Meinung, daß es auch zu unserem Konzept gehören müßte - und damit darf ich schließen -, was Wohnungen angeht, ein familienfreundliches Umfeld zu schaffen. Mich ärgern Inserate in Zeitungen, wo Vier- bis Fünfzimmerwohnungen zur Vermietung an kinderlose Ehepaare angeboten werden. Das sollte für uns alle ein Ärgernis sein. Es ist unsere Aufgabe, hier auch Bewußtsein zu verändern. Ich vermag nicht einzusehen, warum ausgerechnet die angeblich den Familien verpflichtete Sozialdemokratische Partei, etwa durch ihren Landesverband in Baden-Württemberg, vor wenigen Tagen beantragt hat, Familiengeld und Familiendarlehen zu streichen und in den Wohnungsbau umzulenken mit der Begründung, das sei eine gezielte Förderung. Ich vermag das nicht zu erkennen.
Ich vermag in den Vorschlägen der Union eher zu erkennen, daß wir auf dem richtigen Weg sind. Ich bin der Meinung, wir sollten die vor uns liegende Zeit in den Ausschüssen nutzen, bei allen gegensätzlichen Positionen zu einem Weg zu kommen, der schnell zum Ziel führt, der unseren Bürgern hilft und der nicht zum Inhalt hat, daß wir uns ideologische Konzepte um die Ohren hauen. - Vielen Dank.
({12})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schlatter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Sprecher der Unionsparteien haben, insbesondere heute vormittag, die Vorschläge der Koalition für ein Maßnahmenbündel zur Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen angesprochen. Ich habe aus dem, was gesagt wurde, den Eindruck, daß vieles von dem, was wir mit diesem Maßnahmenbündel ansprechen, mißverstanden worden ist. Deshalb lassen Sie mich noch einmal zusammenfassen, was wir hier anstreben.
Wir streben eine Stärkung der Investitionstätigkeit im Wohnungsbau an, hier vor allem im Mietwohnungsbau. Wir streben die Verbesserung der Wohneigentumsförderung an, u. a. auch mit einer Kinderkomponente. Wir wollen den Abbau von Mitnehmereffekten, und wir wollen mehr Bestandserhaltung im Wohnungswesen durch Mietermodernisierung über Bausparmittel.
Lassen Sie mich in dem Zusammenhang und an dieser Stelle auf den Debattenbeitrag des CDU-Kollegen Jahn von heute morgen zurückkommen. Herr Kollege Jahn, mit dem Griff in die Mottenkiste der von der CDU/CSU gepflegten Vorurteile und mit Zitaten aus Juso-Broschüren haben Sie einmal mehr versucht - wie manch andere Kollegen - uns Sozialdemokraten unterzuschieben, wir wären bei Wohneigentum eigentumsfeindlich.
({0})
- Wissen Sie, da könnte ich ganz andere Quellen zitieren. Lesen Sie einmal nach bei Ihrem Professor Biedenkopf! Dann werden Sie erkennen, wer eigentlich den Ausstieg aus der Eigentumsförderung beim Wohnungswesen propagiert.
Richtig ist vielmehr, auch wenn Ihnen das nicht paßt, daß noch nie zuvor die Fördermittel für die Eigentumsbildung im Wohnungsbau höher waren als heute und daß noch nie zuvor im sozialen Wohnungsbau der Eigentumsbereich einen vergleichbar hohen Anteil hatte. Dies bitte ich Sie, zur Kenntnis zu nehmen. Vor diesem Hintergrund ist die Kritik - zumindest für mich - verständlich, daß 75 % der staatlichen Förderung in die Eigentumsbildung fließen und der soziale Mietwohnungsbau oft das Nachsehen hat. Diese Kritik ist in diesem Zusammenhang sicherlich verständlich.
Was die Wirkung der steuerlichen Förderung betrifft, da sollte man sich vor Illusionen hüten. Faktisch ist es doch heute so, daß wegen des fehlenden Eigenkapitals und wegen der hohen Kosten für die Fremdmittel die unteren und mittleren Einkommensschichten auch über den Weg des § 7 b nicht zum Eigentumsmarkt finden. Wer breiten Schichten - ich unterstreiche „breiten Schichten" - der Bevölkerung zum Wohnungseigentum verhelfen will, schafft das mit der heutigen steuerlichen Förderung nicht. Eine Analyse der Subventionswirkung nach Einkommensschichten, z. B. beim § 7 b, zeigt, daß die Hälfte aller Vergünstigungen beim oberen Drittel der Einkommensschichten landen, während die Haushalte im unteren Drittel von diesen Mitteln nur zu 20 % profitieren. Das führt zu der Überlegung, ob nicht das gesamte System der Förderung von Wohneigentum verteilungspolitisch und vermögenspolitisch angepackt werden und ob es nicht mittelfristig zu einer Abkehr von dem Prinzip kommen muß, wonach die staatliche Förderung des Erwerbs von Wohneigentum um so größer ist, je weniger der Bürger auf staatliche Hilfe angewiesen ist. Jedenfalls sind Aufstocken bei § 7 b und Erhöhung der degressiven Abschreibung und ansonsten Weitermachen wie bisher verteilungs-, familien- und regionalpolitisch sicherlich nicht ausreichende Beiträge, um die Probleme langfristig zu lösen.
Deshalb suchen wir Sozialdemokraten nach Lösungen, die tatsächlich dazu führen, daß Familien mit Kindern, die ohne staatliche Hilfe nur schwer zu Wohneigentum kommen, unterstützt werden, daß wir ein System entwickeln, das verteilungspolitisch gerechter ist, und daß wir ein Fördersystem bekommen, das eine höhere regionalpolitische Effizienz hat.
Lassen Sie mich hinzufügen: Wer wie die Opposition nur eine schlichte Verdoppelung der bisherigen Höchstbeträge beim § 7 b für eine besonders familienfreundliche und den kleinen und mittleren Ein3178
kommensstufen besonders zugute kommende Maßnahme ausgibt - ({1})
- Sie haben das damit begründet, daß die Verdoppelung des Höchstbetrags familienfreundlich sei.
Wenn das so ist, und wenn Sie das als einziges Konzept hier anbieten, sage ich Ihnen dagegen, daß diese reine Verdoppelung tatsächlich nur eine sehr einseitige Begünstigung der Spitzenverdiener sein wird. Was daran kinder- und familienfreundlich sein soll, bleibt mir schleierhaft.
({2})
- Herr Kollege, da meine Redezeit begrenzt ist, möchte ich zum steuerlichen Komplex, den Sie j a nicht mit einem eigenen Debattenbeitrag angesprochen haben, noch ein paar Anmerkungen machen und keine Fragen beantworten.
Wer den doppelten Abschreibungsbetrag steuerlich tatsächlich geltend machen will, muß doch erst in der Lage sein, sich finanziell in dem Maße, das gefordert wird, zu engagieren. Das kann er nur bei entsprechend hohem Familieneinkommen.
Ich sage Ihnen weiter: Wenn Sie wie in diesem Zusammehang - Verdoppelung der Höchstbeträge - darauf verzichten, Deckungsvorschläge zu machen oder uns in Ihren Vorschlägen nur mit Keynes kommen, kann .ich mich darüber nur wundern; denn die Opposition liest uns sonst eigentlich nur aus dem Brevier der Angebotsökonomie vor und hat mit Keynes wenig im Sinn. Deshalb sage ich: Ihre Finanzierungsvorschläge sind unseriös.
({3})
Das gilt um so mehr, weil die Ablehnung unserer Vorschläge zum Bauherrenmodell und zum Zweifamilienhausmodell eine Lücke von fast 800 Millionen DM entstehen lassen würde. Ich kann nur sagen: Die Logik, einerseits vorzuschlagen, künftig bei den Subventionen 5 % zu sparen und andererseits die 7-b-Subventionen aufzustocken, können Sie weder uns noch Ihren Wählern klar machen.
({4})
- Das, was ich jetzt zu diesen steuerlichen Plänen, die Sie auf den Tisch gelegt haben, ausführe, hat etwas mit den Deckungsvorschlägen zu tun, die Sie nicht beigegeben haben.
({5})
- Nein, wir haben Deckungsvorschläge gemacht.
({6})
Wir haben z. B. vorgeschlagen, an die Regelung für unechte Zweifamilienhäuser heranzugehen. Das Nein der Unionsparteien zu unseren Vorschlägen ist eigentlich ein Beweis dafür, daß sie die Mißstände ignorieren wollen. Eine wachsende Zahl potenter Bauherren eigengenutzter Häuser weicht doch immer mehr der Regelung der pauschalen Nutzungswertbesteuerung aus, obwohl sie eine Zweitwohnung dem Wohnungsmarkt nicht zur Verfügung stellen. Wir sagen: Das sind unerwünschte Mitnehmereffekte.
({7})
Wir wollen diese Mitnehmereffekte abbauen.
Wer sich also künftig für den Bau eines mindestens teilweise vermieteten Hauses entscheidet, hat gegenüber den eigengenutzten Einfamilienhäusern mit steuerlichen Verbesserungen zu rechnen. Aber ich verhehle nicht, daß natürlich die Gefahr besteht, daß nach Ablauf und nach Ausschöpfung der steuerlichen Vergünstigungen eine Entmietung stattfinden könnte und das Umsteigen auf die Einfamilienhauslösung. Damit würden die Objekte wieder aus dem Wohnungsmarkt herausgeführt. Dies ist eine Gefahr, auf die wir rechtzeitig eingehen müssen.
Lassen Sie mich noch eine Anmerkung zu der Kinderkomponente machen, die ja bei Ihnen viel Kritik gefunden hat. Von der Opposition und von den CDU/CSU-geführten Landesregierungen hören wir das Argument, daß der von der Bundesregierung vorgeschlagene Steuerabzugsbetrag für Kinder in Verbindung mit der 7-b-Regelung dem Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit widerspreche. Ich sage Ihnen: Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Immer wenn es bei den Unionsparteien um höhere Einkommen geht, ist es leistungsfeindlich, Steuervorteile zu kappen oder zu begrenzen.
({8})
Wer so argumentiert, nimmt unsoziale Verteilungswirkungen nicht nur in Kauf, sondern macht sie, wie ich die Sorge habe, zum Ziel seiner Politik.
({9})
Die von der Koalition und der Bundesregierung vorgeschlagene Kinderkomponente als Ergänzung zum § 7 b des Einkommensteuergesetzes ist sozial gerecht und hilft einkommenschwachen Familien mit Kindern, zu Wohneigentum zu kommen. Wir Sozialdemokraten wollen in dem Punkt eine prinzipiell bessere Lösung als die Opposition.
Lassen Sie mich anmerken: Es ist amüsant, daß die Aufstockung der Prämiensätze beim Bausparen von der Opposition mit als eine Alternative zur Kinderkomponente, die wir vorschlagen, verstanden wird.
({10})
Eine solche Aufstockung würde im Ergebnis weniger als 20 DM jährlich bedeuten. Dies ist so lächerlich wenig, daß ich Ihnen nur empfehlen kann, sich
von diesem politischen Scherzartikel ganz schnell wieder zu verabschieden.
({11})
Lassen Sie mich abschließend noch eine Berner-kung zum Bauherrenmodell machen. Unsere Vorschläge finden auch hier nicht Ihre Zustimmung.
({12})
- Ich habe sehr wohl die Skepsis des Kollegen Gattermann heute vormittag herausgehört.
({13})
Sie verlangen, daß der Vorsteuerabzug beim Bauherrenmodell erhalten bleiben soll. Ich sage Ihnen: Das, was Sie für eine Stütze für den Mietwohnungsbau ausgeben, ist eine teure Stütze, eine Stütze, die uns über eine halbe Milliarde DM jährlich kostet.
Ich habe Verständnis für Skepsis beim Bauherrenmodell - nur aus einer ganz anderen Richtung, Kollege Gattermann. Der Hauptgrund für meine kritische Einstellung zum Bauherrenmodell ist, daß in diesem Modell ein Treibsatz für hohe Baupreise und steigende Mieten eingebaut ist,
({14})
daß die zur Zeit am Markt gängigen Bauherrenmodelle nur zum Zweck des Weiterverkaufs an andere Eigentümerhaushalte konstruiert sind und auf höchst zweifelhafte Weise Vermögensbildung für Bezieher hoher Einkommen bewirken. Wir wollen vor allen Dingen Wohneigentum fördern, nicht Vermögensbildung in den Händen weniger.
({15})
Ich komme zum Schluß: Die Beseitigung der umsatzsteuerlichen Option im Bauherrenmodell und der ergänzende Erlaß des Bundesfinanzministers zum Bauherrenmodell kappen in vernünftiger Form die Auswüchse. Die von mir nur ganz kurz dargestellten Vorschläge der Regierungskoalition und die weitergehende Debatte in der SPD-Fraktion sind - gebe ich zu - nur ein Schritt zur Lösung der Probleme. Es bleibt politischer Handlungsbedarf, und den sollten wir als Gesetzgeber nicht beiseite schieben. - Ich bedanke mich.
({16})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Funke.
Herr Präsient! Meine Damen und Herren! Wenn heute hier über die Wohnungsbaupolitik debattiert wird, kann nicht nur die Verteilung des Wohnraums behandelt werden, sondern muß wohl auch auf die Situation der Bauwirtschaft eingegangen werden.
Die Bedeutung der Bauwirtschaft für die Gesamtwirtschaft läßt sich daran ablesen, daß sie im Jahre 1980 einen Beitrag von ca. 17% zum Bruttosozialprodukt geleistet hat. Unterstrichen wird die Bedeutung der Bauwirtschaft auch durch die Tatsache, daß fast jeder achte Arbeitnehmer im Baugewerbe tätig ist und daß der Anteil der Bauinvestitionen an den gesamten Anlageinvestitionen im Jahre 1980 ca. 62 % betrug.
Im Gegensatz zu den vielzitierten Anforderungen der Zukunft ist die Entwicklung der Bautätigkeit schon seit längerem mit einem negativen Vorzeichen versehen. Der seit dem Frühjahr 1980 zu beobachtende Abwärtstrend in der Baukonjunktur ist auch im ersten Halbjahr 1981 nicht zum Stillstand gekommen, und eine Tendenzwende ist bisher leider nicht erkennbar. Als Folge der weiter gesunkenen Auftragsvergabe waren die realen Auftragseingänge im ersten Halbjahr um 18 % geringer als in der entsprechenden Zeit des Vorjahres. Nachdem noch im Jahresergebnis 1980 die Bauinvestitionen einen realen Zuwachs von 4,4 % aufgewiesen hatten, wird für das laufende Jahr mit einer Abnahme um 6 % gerechnet. Dabei steht die Nachfrage unter dem Druck des weit über die durchschnittliche Inflationsrate hinausgehenden Anstiegs der Boden-, Bau- und Geldkosten. So haben sich allein die Bodenpreise für baureifes Land 1980 im Schnitt um 25 % erhöht, wobei es natürlich regional und sektoral Unterschiede gegeben hat. Die Baupreise wiesen 1980 eine Steigerung um 10 % auf. Aber 1981 ist eine Abschwächung der Preissteigerung feststellbar.
Schließlich - das muß man mit besonderem Nachdruck sagen - stiegen die Finanzierungskosten derart, daß der Bauherr eines Eigenheims in der gegenwärtigen Hochzinsphase eine monatliche Belastung zu tragen hat, die je nach Art der Finanzierung ungefähr doppelt so hoch ist wie 1980 und weit höher als 1977.
Unter diesen Vorzeichen ist es nicht weiter verwunderlich, daß die Baugenehmigungen im Eigenheimbau drastisch, nämlich um 20 % innerhalb Jahresfrist, gesunken sind, und dies, obwohl gerade der Eigenheimbau in den letzten Jahren das Rückgrat für die Bautätigkeit mit einem stabilisierenden Einfluß auf die Beschäftigungslage in der Bauwirtschaft gewesen ist.
Wenngleich sich die aktuellen Versorgungsprobleme beim Mietwohnungsbau in den Ballungsgebieten konzentrieren, bringt jedes fertiggestellte neue Eigenheim eine Entlastung für den Mietwohnungsmarkt insgesamt in der Bundesrepublik.
Die ungünstige konjunkturelle Entwicklung spiegelt sich auch in einer Zunahme der Arbeitslosen in der Bauwirtschaft bei gleichzeitigem Sinken der offenen Stellen wider. Im Mai 1981 gab es im Bauhauptgewerbe rund 30 000 Beschäftigte weniger als im Vergleichsmonat des Vorjahrs; das entspricht einem Rückgang um etwa 2,5%. Von ausscheidenden Facharbeitern wissen wir alle, wie sich das auch in der Vergangenheit gezeigt hat: Wer einmal aus dem Baubereich verschwunden ist, weil er entlassen werden mußte, der kommt nicht so schnell in den Bausektor zurück.
Erschreckend ist in dieser Situation die Zunahme von Insolvenzen in der mittelständischen Bauwirtschaft. Während Großunternehmen auf Grund reger Auslandsnachfrage zum Teil noch recht ordentliche
Geschäfte machen können - ich erinnere nur an die großen Baukonzerne -, werden kleinere Unternehmen durch den Rückgang der Bautätigkeit ganz besonders hart getroffen. Wir beobachten bei dieser Marktsituation natürlich auch, daß die Großkonzerne durch ihre recht guten Gewinne am Baumarkt im Ausland in der Lage sind, im inländischen Bereich die Baupreise sozusagen zu subventionieren und damit die mittelständische Wirtschaft ganz besonders zu treffen.
({0})
Angesichts dieser Situation hat die Bundesregierung ein Paket von Maßnahmen vorgelegt, das die Investitionstätigkeit im Baubereich stärken soll und damit auch konjunkturell stützend wirkt. Darüber hinaus wird aus wohnungspolitischer Sicht zusätzlicher Wohnraum geschaffen, und zwar durch erweiterte Förderung im Eigentumsbereich wie auch durch Steuererleichterungen im Mietwohnungsbereich.
Von der Anhebung der Abschreibungsbeträge des § 7 b Einkommensteuergesetz um 50 000 DM erwarten wir eine Stärkung der Bautätigkeit bei selbstgenutzten Einfamilienhäusern und bei Eigentumswohnungen. Dieser Bereich bedarf, das habe ich bereits eingangs erwähnt, unserer besonderen Beachtung; denn der grundsätzliche Wunsch zur Schaffung von Haus- und Wohnungseigentum nimmt zu und ist auch bei jungen Menschen bereits sehr stark ausgeprägt. Sättigungsgrenzen, wie wir sie vielleicht in einigen anderen Bereichen feststellen können, können wir hier, nämlich im Bereich des Haus- und Eigentumswohnungsbaues, nicht feststellen.
Die Anhebung der Abschreibungsbeträge in Addition mit der Ausweitung der Kinderkomponente um je 600 DM ab zweitem Kind verringert die Belastung der Bauwilligen deutlich und erleichtert die Entscheidung für einen Baubeginn. Die Ausweitung der Kinderkomponente stellt somit eine sinnvolle und wirksame ergänzende Maßnahme dar.
An dieser Stelle, meine Damen und Herren, möchte ich auf ein besonderes Problem hinweisen. Im Gegensatz zum Mietwohnungsneubau ist die Anlagebereitschaft im vorhandenen Mietwohnungsbestand bekanntlich seit Jahren sehr hoch. Dazu haben in erster Linie die Ausweitung des § 7 b des Einkommensteuergesetzes auf den Erwerb von Altbauten und die Möglichkeit zur steuerlichen Geltendmachung fast aller Modernisierungsmaßnahmen als Erhaltungsaufwand beigetragen. Der Kauf und die Modernisierung von Altbauten sind durch diese steuerliche Regelung wesentlich attraktiver geworden als ein Neubau. Daher werden wir mit vorschlagen zu überlegen, ob die beabsichtigte Anhebung des Höchstbetrages in § 7 b des Einkommensteuergesetzes um 50 000 DM nur auf den Neubaubereich zu beschränken ist.
({1})
Aus den eingesparten Mitteln könnte man dann z. B. familienbedingte Erweiterungen des Wohnraums finanzieren.
({2})
Auch im Ausbaugewerbe zeigen sich nach jahrelanger Hochkonjunktur erste Ermüdungserscheinungen. Die Wichtigkeit dieses Sektors wird durch die Tatsache unterstrichen, daß diese Maßnahmen bereits ein Drittel des gesamten Wohnungsbauvolumens erreicht haben. Die FDP begrüßt es in diesem Zusammenhang sehr, daß im Rahmen des Haushalts des Bundesbauministers in den nächsten Jahren erhebliche Mittel sowohl für energiesparende Investitionen beim Gebäudebestand des Bundes als auch für die Fortentwicklung des Heizenergiesparprogramms bereitgestellt werden.
Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, noch eine kritische Bemerkung machen. Wir haben im Mietwohnungsbau in den letzten Jahren festgestellt, daß, wenn überhaupt noch etwas lief, dies das Bauherrenmodell war. Ich weiß, daß dieses Bauherrenmodell nicht überall ein geliebtes Kind ist.
({3})
- Genau, dies haben wir eben von Herrn Schlatter gehört. - Mit der Aufhebung der Mehrwertsteueroption beim Bauherrenmodell zum 1. Januar 1984 soll ja dieses Bauherrenmodell getroffen werden, es sollen aber auch - dies ist wohl die Absicht der Bundesregierung - gewisse Vorzieheffekte in den kritischen Jahren 1982 und 1983 erzielt werden. Wenn wir dies erreichen wollen, dann müssen wir uns aber überlegen, ob der Stichtag 1. Januar 1984 insoweit richtig gewählt ist, als in der Vorlage der Bundesregierung auf die Fertigstellung des Objektes abgestellt wird. Gerade weil bei diesen Objekten eine gewisse Vorlaufzeit notwendig ist, sollten wir überlegen, ob auf das Datum des Antrages auf Baugenehmigung abgestellt werden sollte.
({4})
Denn für die Planung und Fertigstellung braucht man gerade bei den großen Bauträgergesellschaften sehr häufig eine Vorlaufzeit von zwei Jahren, und dann ist das, was wir hier von der Bundesregierung erwarten, im Grunde genommen verpufft.
Die steuerlichen Anreize zur Belebung der Investitionstätigkeit im Baubereich sind allerdings in ihrer Wirkung nicht nur isoliert zu betrachten, sondern vielmehr im Zusammenhang mit den anderen Gesetzesinitiativen zur Verbesserung der wirtschaftlichen und auch rechtlichen Rahmenbedingungen im Wohnungsbau zu sehen. Hinzu kommen die richtigen Weichenstellungen in der Haushalts- und Wirtschaftspolitik, die gerade wir mit eingeleitet haben. Insbesondere diese Entscheidungen schaffen nämlich - und darauf kommt es wohl vor allem an - das notwendige Vertrauen mit der realen Chance auf eine behutsame Zinssenkung. Ich bin ganz optimistisch, daß es in diesem Jahr noch zu einer behutsamen Zinssenkung und damit auch zu positiven Effekten in der Bauwirtschaft kommen wird.
Neben den geplanten wirtschaftlichen Anreizen für die Stärkung und Belebung der Bautätigkeit ist es aber auch unbedingt erforderlich, daß hierfür ausreichend Bauland, und zwar zu erschwinglichen Preisen, bereitgestellt wird. Infolge steigender Nachfrage nach Bauland hat sich in den letzten Jahren das Preisniveau vor allem in den Ballungsgebieten überproportional gesteigert. Dies kann ich besonders als Hamburger Abgeordneter bestätigen. Daß auf der anderen Seite in den Verdichtungsräumen noch genügend Bauland vorhanden ist, haben jüngste Umfragen bei den Bauämtern ergeben. Diese Untersuchungen zeigen, daß immerhin 10 % der in Frage kommenden Wohnsiedlungsflächen Baulükken sind. Um dieses Potential zu mobilisieren, soll das Instrumentarium des Bundesbaugesetzes erweitert werden.
In die Novelle des Bundesbaugesetzes von 1976 sind erstmals Baugebote nach den §§ 39 b ff. aufgenommen worden. Aus der nunmehr fast fünfjährigen Praxis sind aber bisher nur wenige Anwendungsfälle bekanntgeworden. Das zeigt meines Erachtens einmal mehr, daß die Zurückhaltung auf die außerordentlich komplizierte Ausgestaltung dieser gesetzlichen Vorschriften zurückzuführen ist.
Wenn wir jetzt - wie vorgesehen - darangehen, das Instrumentarium weiter auszubauen, so müssen wir uns, glaube ich, vor Augen halten, daß mit dem Bundesbaugesetz die Rahmenbedingungen für die Funktionsfähigkeit des Baubodenmarktes und eine geordnete städtebauliche Entwicklung sichergestellt werden sollen. Die Verwirklichung anderer Zielsetzungen, insbesondere ideologischer Art, so meinen wir, hat in dieser Novelle keinen Platz.
Angesichts der komplizierten Materie wird die Baulandnovelle eine ausführliche Beratung in den Ausschüssen erfordern. Dabei ist auch zu prüfen, ob die bisherigen Verfahren der Baulandbereitstellung nicht bereits ausreichend sind. Die 1976 eingeführte stärkere, frühzeitige Beteiligung der Bürger am Planungsgeschehen darf dabei nicht konterkariert werden, vor allem nicht durch irgendwelche dirigistischen Instrumente.
Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang die Anmerkung, daß auch die Städte und Gemeinden bereit sein müssen, Engpässe bei der Baulandbeschaffung aus gemeindeeigenem Grundvermögen zu beseitigen. Der Bürger wird kaum einsehen - genau wie bei den leerstehenden Häusern, die sich im Besitz der öffentlichen Hand befinden -, daß er sich nach dem Bundesbaugesetz Bau- und Nutzungsgeboten sowie Umlegungen unterwerfen, der Staat aber keinen Beitrag zur Lösung der Probleme beisteuern soll.
({5})
- Nein.
({6})
- Doch, ich bin schon informiert; so ist es nicht. Ich sagte ja gerade, daß wir insbesondere diese Bestimmung des Bundesbaugesetzes in den Ausschüssen sehr intensiv miteinander beraten müssen. Auch ich bin nicht sicher, ob die von der Bundesregierung jetzt gefundenen Regelungen sozusagen das „Gelbe vom Ei" sind.
Damit lassen Sie mich schließen, indem ich hoffe, daß die Beratungen in den Ausschüssen insoweit erfolgreich sein werden.
({7})
Das Wort hat der Abgeordnete Niegel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind jetzt fast am Ende der Debatte. Eigentlich ist es verwunderlich, daß die vereinigte Linke von der SPD-Fraktion im Wohnungsbauausschuß heute nicht zu Wort gekommen ist; nur einige Zwischenfragen, sonst haben sie sich sehr bedeckt gehalten. Die Frage ist berechtigt: Wieso? Sie können vielleicht noch eine Antwort darauf geben.
({0})
Meine Aufgabe ist es, zu dem Entwurf der Bundesregierung zum „Gesetz zur Erleichterung der Bereitstellung von Bauland" in Kürze Stellung zu nehmen. Ich bedaure es, daß im Rahmen der wohnungspolitischen Debatte die Frage des Bodenrechts heute mit angeschnitten wird. Ich glaube, das Thema als solches wäre es wert, in einer eigenen Debatte behandelt zu werden
({1})
und nicht in der Wohnungsbaudebatte unterzugehen.
({2})
Die Bodenrechtsdiskussion wird mit der Vorlage des Regierungsentwurfs über ein „Gesetz zur Erleichterung der Bereitstellung von Bauland" - man muß das auf der Zunge zergehen lassen! - wieder einmal entfacht. Seit 1969, seit Beginn der SPD/FDP-Koalition, wird nämlich ständig versucht, über das Bodenrecht systemverändernde Tatsachen zu schaffen, und das auch - das muß ich leider sagen, obwohl mir heute morgen die Rede von Herrn Gattermann sehr gefallen hat - mit Hilfe des Herrn Grafen Lambsdorff und des Herrn Gattermann. Schon die Bezeichnung „Gesetz zur Erleichterung der Bereitstellung von Bauland" deckt nicht die damit verfolgte Zielsetzung. In Wirklichkeit geht es vielmehr darum, durch eine falsche Bezeichnung des Gesetzentwurfs die wirkliche Absicht der Bundesregierung zu verdecken und im trüben zu fischen.
({3})
Das Gesetzesvorhaben enthält nämlich unter dem Vorwand der Baulandbeschaffung weitreichende Eingriffe in die gegenwärtige Eigentums- und Bodenordnung. Mit dem Gesetzesvorhaben werden in ausgeprägtem Maße vor allem aber auch wohnungspolitische Zielsetzungen verfolgt.
({4})
Der Bundesrat hat schon ausgesprochen, daß ein Schutz der Mieter mit den angebotenen städtebaulichen Mitteln nicht erreicht werden kann. Die Probleme seien, so sagt er, nur im Bereich des Miet- und Steuerrechts lösbar. Aber auch der Deutsche Städtetag hat am 25. Mai 1981 und gestern die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände haben davor gewarnt, Mieterschutz mit dem Instrumentarium des Städtebaus, insbesondere der städtebaulichen Erhaltungssatzung, betreiben zu wollen. Es sei weder vertretbar, ganze Stadtquartiere mit einer Entwicklungssperre zu belegen, noch könnten die Städte die sich daraus ergebenden Entschädigungsleistungen aufbringen.
({5}) Auch das sollte man zur Kenntnis nehmen.
Im Ergebnis liegt dies auf der Linie der Regierung, quasi ein Wohnungsaufsichtsrecht zu schaffen, das bis hin zur Wohnungszwangswirtschaft geht.
({6})
Das wäre Ihnen meines Erachtens am liebsten. Aber auch der Städtetag und die übrigen kommunalen Spitzenverbände haben auch zu anderen Vorschriften erhebliche Bedenken.
Noch ein interessantes Regierungskuriosum, meine Damen und Herren! Die Bundesregierung zieht nämlich mit dem gestern von uns im Ausschuß beratenen Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur das Baulandverbilligungsgesetz zurück. Auf der einen Seite soll dem privaten Eigentümer mit diesem Gesetz hier über die Hintertür einer erweiterten Umlegung Grund und Boden billig abgenommen werden, auf der anderen Seite stiehlt sich der Bund aber aus der gesetzlichen Verpflichtung zur verbilligten Veräußerung von bundeseigenen Grundstücken davon.
({7})
Wenn man es ideologisch betrachtet, kann man nur sagen, daß nach sozialistischem Drehbuch - siehe Beschluß der Jungsozialisten von Lahnstein für die Kommunalisierung von Grund und Boden oder auch des SPD-Parteitags von Hannover zur Aufteilung von Grund und Boden in ein Nutzungs- und ein Verfügungseigentum - soviel wie möglich Grundeigentum einfach in der öffentlichen Hand verbleiben soll. Wenn Sie schon, Herr Bundesminister Haack, das Verbilligungsgesetz des Bundes aufheben, dann müssen Sie auch diesen umstrittenen Gesetzentwurf zur erleichterten Bereitstellung von Bauland, der jetzt beraten wird, zurückziehen. Das wäre dann konsequent. Alles andere ist nicht nur unlogisch, sondern schizophren.
({8}) Jedenfalls hat das eine negative Signalwirkung.
Meine Damen und Herren, mit dem vorliegenden Regierungsgesetzentwurf soll eine erweiterte Baulandumlegung ermöglicht, ein neues Modell einer kommunalen Entwicklungsmaßnahme eingeführt, die Durchführungsgebote, besonders das Baugebot, verschärft, Maßnahmen zur Erhaltung baulicher
Anlagen fortentwickelt und die Vorschriften über die Bodenordnung auch bei städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen nach dem Städtebauförderungsgesetz zur Anwendung kommen.
Kernstück des Entwurfs ist die sogenannte erweiterte Baulandumlegung. Die erweiterte Umlegung stellt sich als eine neue Form der Enteignung dar. Im Gegensatz zu der bisher üblichen Umlegung, die sich in der Praxis bewährt hat, die ein förmliches Grundstückstauschverfahren ähnlich der landwirtschaftlichen Flurbereinigung unter ausschließlicher Berücksichtigung der Grundeigentümer darstellt, welche Grundstücke eingeworfen haben, soll künftig im Rahmen der erweiterten Umlegung die Zuteilung an die bisherigen Eigentümer nicht nach ihrem Anteil an der Gesamtfläche, sondern nur noch nach den Einwurfswerten ihrer ehemaligen Grundstücke erfolgen können.
An einem extremen Beispiel dargestellt, heißt das, daß bei einer Einwurfsfläche von rund 500 Quadratmetern mit einem Wert von 10 DM je Quadratmeter, der sich dann auf 100 DM je Quadratmeter steigert, der Eigentümer nur noch 50 Quadratmeter bekommt. Das reicht nicht für ein Häuschen, sondern nur für eine Fahnenstange, an der ein Plakat angebracht werden kann: „Ich war einmal Eigentümer!" So ist der Gesetzentwurf auszulegen.
({9})
Damit wird beabsichtigt, daß in Gebieten, in denen eine solche erweiterte Umlegung stattfinden soll, anstelle der ausschließlichen Zuteilung an die bisherigen Eigentümer auch die Zuteilung an andere Bauwillige, die keine Grundstücke in das Umlegungsgebiet eingebracht haben, möglich sein soll.
Im Ergebnis ist die erweiterte Umlegung also eine erleichterte Enteignung, die verfassungsrechtlich nicht vertretbar ist, da die Voraussetzungen für die Enteignung umgangen werden. Während nämlich die Enteignung im konkreten Fall nur zulässig ist, wenn das Wohl der Allgemeinheit dies erfordert, soll es für die Zulässigkeit der erweiterten Umlegung genügen, wenn das öffentliche Interesse die Deckung eines dringenden Baulandbedarfs gebietet. Hier ist also die Schranke weit niedriger als bei der Einleitung eines Enteignungsverfahrens.
Die weiter im Entwurf vorgesehene Einführung von städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen durch Satzung der Gemeinden ist eine gesetzgeberische Bankrotterklärung der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen nach dem Städtebauförderungsgesetz. Offenbar sind die Erwartungen der Verfechter des Städtebauförderungsgesetzes, das als große Reformmaßnahme seinerzeit von Herrn Dr. Vogel gefordert worden ist, nicht erfüllt worden. Auch hier sind die gleichen Bedenken vorzubringen.
Ferner sollen die städtebaulichen Durchführungsgebote, wie das Baugebot, verschärft werden. Selbst nach Auskunft des Bundesbauministers sind die Baugebote von den Gemeinden bisher in der Praxis kaum angewandt worden. Meines Erachtens ist es völlig verfehlt, bei einer nicht erprobten Regelung
jetzt erneut eine Änderung vorzunehmen. Die Vermehrung von Bauland ist nicht eine Frage eines Gebotsinstrumentariums, sondern die einer vermehrten Ausweisung von Bauland. Hierzu reichen jedoch die vorhandenen bau- und bodenrechtlichen Vorschriften aus.
Mit dem vorliegenden Entwurf soll das Bau- und Bodenrecht innerhalb von zehn Jahren bereits das vierte Mal geändert werden. Da die Planungs- und Investitionsentscheidungen der am Bau- und Wohnungsgeschehen Beteiligten sowie der Kommunal- und Verwaltungsbehörden langfristige Konzeptionen erfordern, ist eine Änderung der entscheidenden Rechtsgrundlagen innerhalb so kurzer Zeit nicht vertretbar.
Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf bringt alte Hüte in neuer. Verpackung und ist so überflüssig wie ein Kropf. Die Kurzatmigkeit der Städtebau- und Wohnungsbaugesetzgebung wird nur noch durch ihre bürokratische Kompliziertheit übertroffen.
Die Bundesregierung hat es jedenfalls unterlassen, durch eine Verbesserung der marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu einer stärkeren Mobilisierung des Baulandmarktes beizutragen. Grund und Boden ist zwar nicht vermehrbar, aber Bauland ist vermehrbar.
Hat sich die Bundesregierung eigentlich überlegt, ob es nicht auch inflationsbedingte und vor allem steuerliche Gründe sind, warum mancher Landwirt kein Bauland verkauft? Wer rund 60 % Steuern zahlen muß und den Rest nicht inflationssicher anlegen kann, in einer Zeit, in der ein Quadratmeter Teppichboden oft mehr kostet, als ein nicht mehr produzier-barer Quadratmeter Grund und Boden an Erlös bringt, der veräußert nicht gerne.
({10})
Anstatt die Veräußerungsbereitschaft der land-und forstwirtschaftlichen Grundeigentümer durch die erweiterte Umlegung einzuschränken, müßte ihnen die Möglichkeit eingeräumt werden, steuerfreie Reinvestitionen in Wohnungs- und gewerblichen Bereichen vorzunehmen.
({11})
Das wäre eine echte Erleichterung der Bereitstellung von Bauland. Hand in Hand damit muß die Attraktivität der strukturschwachen Gebiete erhöht werden, um dort die Bau- und Siedlungstätigkeit zugunsten der Schaffung und des Erwerbs von Wohnungseigentum zu fördern, damit nicht alles in die Ballungszentren strömt.
Wir werden den Gesetzentwurf auf jeden Fall sehr kritisch begleiten und ihn vor allem hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit, aber auch hinsichtlich der eigentumspolitischen Grundsätze überprüfen. - Herzlichen Dank.
({12})
Das Wort hat der Abgeordnete Reschke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Gegensatz zum Kollegen Niegel begrüßen wir den vorliegenden Gesetzentwurf, ist er doch - ({0})
- Nicht „müssen wir", Herr Kollege Niegel. Auch Sie haben am 21. Mai 1979 mitgestimmt und der Regierung den Auftrag erteilt, das Städtebauförderungsgesetz fortzuführen.
({1})
- Aber sicher so. Wir sehen darin nur eine konsequente Fortsetzung eines Auftrages aus dieser Entschließung vom 21. Mai.
({2})
- Ich komme gleich auch noch dazu.
In der Bundesrepublik und ganz besonders in den Ballungsgebieten - da kommen Sie leider sehr wenig her - ist der Ruf nach ergänzenden bodenpolitischen Maßnahmen gar nicht verstummt und auch deutlich zu hören, wenn Sie genau hinhören. Ich will auch später den Städtetag zitieren, damit Sie dessen Meinung einmal kennenlernen.
Wir meinen, angesichts der Marktentwicklung im Bodenbereich ist dieser Ruf nach neuen städtebaulichen Maßnahmen verständlich. Er ist angesichts der sozialen Bodenversorgung nicht nur verständlich, sondern dringend notwendig.
({3})
Der Wunsch der Bürger nach einem Eigenheim und nach einem Wohnungseigentum hält unvermindert an. Das sagen Sie doch auch, das stellen auch Sie fest, Herr Schneider. Ich komme gleich noch zu Ihnen, keine Sorge. Wir sagen: Alle Schichten haben ein Anrecht darauf, sich diesen Wunsch zu erfüllen
- verständlicherweise -, den Wunsch nach Wohnungsgröße und nach Wohnungsqualität zu erfüllen.
Schätzungen gehen davon aus - hier muß ich sagen „Schätzungen"; das sind Hochrechnungen einzelner Städte, weil die genauen Zahlen leider nicht vorliegen, die wir dringend nötig haben -, daß wir heute rund 29 qm Wohnfläche je Einwohner haben. Wir bedürfen aber nach den Auslegungen der Flächennutzungspläne der Gemeinden, die zur Zeit aufgestellt werden, einer Flächenausweisung für einen Wohnflächenbedarf von rund 36 qm je Einwohner im Jahr 1990. Ich frage mich, wie wir diesen Flächenbedarf befriedigen wollen.
Ich erinnere an den Ministerpräsidenten, der eben für Sie gesprochen hat. Ich kann aus meiner kommunalen Kenntnis nur sagen, daß sowieso schon ein großer Teil unserer Städte mit Flächen versiegelt ist, die bebaut sind, mit Flächen, die bepflastert sind. Ich kann nur Zahlen aus den Ballungsgebieten nennen: zwischen 50 % und 70 % beträgt die Flächenversiegelung. Wem ist es da zu verdenken, daß Kommunalpolitiker fordern, daß wir darüber nachdenken, inwieweit wir mit dem vorhandenen Baurecht - einmal der Gebäudesubstanz, zum anderen bei vorhandenem, verwertbarem Boden, der unter Baurecht steht - versuchen, diese Eigentumswünsche und diese Wohnungswünsche zu
befriedigen? Zwischen dem Wunsch der Bürger nach einem Eigenheim, einer Eigentumswohnung und einer familiengerechten Wohnung, und dem sparsamen Umgang mit Natur, Landschaft und Grünflächen in Großstädten darf nach meiner Auffassung kein Platz sein für eine falsche Eigentumsideologie, zumindest eine Eigentumsideologie, Herr Schneider, wie Sie sie heute morgen vorgetragen haben, die falsche Werte in vielen anderen Bereichen schützt.
Herr Schneider, Sie haben heute morgen darzulegen versucht, daß wir aufräumen müssen mit Bereichen, die - Sie benutzen das Wort „ausnützen" - Ungerechtigkeiten in der Verteilung beinhalten.
({4})
- Entschuldigung, der Kollege Jahn sprach davon.
- Sie sprachen davon, wir müßten ausmisten bei Ungerechtigkeiten, wir müßten ausmisten bei Wartelisten im Wohnbereich. Ich kann Ihnen nur sagen: auf der einen Seite wollen Sie das tun, wenn es um marktwirtschaftliche Elemente geht, marktwirtschaftliche Elemente, die zur Folge haben, daß die Miete erhöht wird. Auf der anderen Seite, wenn es um bodenpolitische Elemente geht, setzen Sie den Schutz des Eigentums höher als die tatsächliche Versorgung der Bürger mit Grund und Boden.
({5})
- Das müssen Gegensätze sein.
({6})
Das will ich Ihnen auch kurz nachweisen. Dies, was Sie vertreten, lieber Kollege, ist kein sozial orientierter Bodenmarkt, sondern ein kapitalorientierter Bodenmarkt. Insofern sind das für mich klare politische Gegensätze.
({7})
Kommen wir zu den Bodenpreisen - wir brauchen gar nicht zu hetzen -, kommen wir zu den Bodenpreisen. Ich gebe Ihnen gern hier einige Zahlen, wie es in den Großstädten aussieht. Die Baulandpreissteigerungen lagen in den 70er Jahren bei rund 10 bis 15% jährlich. Dies ist Bundesdurchschnitt. In den Ballungsgebieten lagen die Preissteigerungsraten allerdings deutlich über dem Bundesdurchschnitt.
Gestatten Sie mir einige Zahlen, auch wenn Zahlen im allgemeinen langweilen. Aber hinter diesen Zahlen stecken doch schließlich traurige Realitäten in unseren Großstadtgebieten. Der Index im Bundesgebiet für Bauland - nehmen wir 1970 gleich 100
- stieg für Mietwohngrundstücke, also für geschlossene Bauweise, bis 1980 auf 209 an. Für die offene Bauweise, also da, wo Ein- und Zweifamilienhäuser gebaut werden, stieg er auf 220 an. Das ist eine Barwertsteigerung von 50 auf rund 90 DM im Jahre 1981.
({8})
Um zu beurteilen, wie stark die Baulandpreise Eigentums- und Wohnungsbaumaßnahmen behindern und das spekulative Zurückhalten von Bauland attraktiv machen, muß man allerdings einmal in die Ballungszone schauen und sehen, was dort los ist. Hier ist ja auch der erhöhte Wohnflächen- und auch der Nachholbedarf an Eigentumsmaßnahmen zu verzeichnen. Ich nehme das Land Nordrhein-Westfalen heraus, das mit seinen Ballungsgebieten typisch für viele Großstädte von München bis Hamburg ist. Setzt man auch hier den Baulandpreisindex 1970 gleich 100, so war der Preisindex von Bauland für geschlossene Bauweise, also für Mietwohnungen, 1980 gleich 158. Der Index der Preise von Bauland für Ein- und Zweifamilienhausbau - offene Bauweise im Fachjargon genannt - ging auf 290. Das heißt, um 300% sind Grundstückspreise gestiegen. Für meine Heimatstadt Essen ({9})
ich nenne sie Ihnen gern, damit Sie mal dahinterkommen, was - ({10})
- In unserer Regierungszeit, sehr richtig. Wir tun sehr spät etwas in diesem Bereich der Spekulation. Ich kann Ihnen auch gleich aufzählen, wenn Sie wollen, was der Bundesrat mit Ihrer Hilfe 1976 am Bundesbaugesetz verhindert hat, hier Spekulationen abzuschöpfen; kaschieren Sie doch diese Bereiche nicht!
({11})
Ich will Ihnen nur mal die Preise für meine Heimatstadt Essen für 1970 und 1980 sagen.
({12})
Gehen Sie dann mal in Ihre Heimatstädte hinein. Wir waren 1970 bei 55 DM und sind 1980 bei 260 DM in Außengebieten für Einfamilienhausbau.
({13})
Diese Steigerung ist ohne eine Leistung erfolgt, meine Damen und Herren. Wir können zumindest für eine soziale Versorgung diese Steigerung nicht hinnehmen. Außerdem steht diese Steigerung ja im krassen Gegensatz zu den im Vergleich dazu fast harmlos wirkenden Preissteigerungen bei unseren Lebenshaltungskosten um rund 55 Punkte im gleichen Zeitraum.
({14})
- Ich gebe Ihnen gern den Katalog. Den können Sie nachlesen und sich schlau machen.
Wir haben also zu verzeichnen, daß sich die Bodenpreise in den Großstädten verdrei- und vervierfacht haben, daß sich der Preisindex für die Lebenshaltungskosten nur um die Hälfte erhöht hat und daß sich die Baupreise nur - ich sage es mal mit einem freundlichen „nur" verdoppelt haben.
Ich meine, man müßte einmal darüber nachdenken. Dieser Preisindex spiegelt, wenn man da einmal Bilanz zieht, eigentlich deutlich wider, daß die Nachfrage nach Grund und Boden insbesondere in den Ballungsgebieten im Grunde genommen nicht
nur von Bauinteressen bestimmt wird, sondern häufig nur von reinen Anlageinteressen bestimmt wird. Insofern sollte man da einen Riegel vorschieben.
({15})
- Ja, sicher es ist alles teuflisch, wenn einige Leute keine Gewinne mehr haben.
Meine Aufgabe hier und heute ist es nicht, zu untersuchen, inwieweit auch das Auseinanderklaffen von Marktwert und steuerlicher Bewertung Spekulationsansätze bietet.
({16})
An das Haus und an den Finanzminister sei die Frage gestattet, ob nicht auch eine höhere Besteuerung unbebauter Grundstücke, die Baurecht haben, längst überfällig ist, um ebenfalls Angebots- und Verwertungsdruck zu erreichen. Ich will gar nicht so weit gehen wie Ihr Kollege, der Minister Gaddum, der die Gewinne, die bei Veräußerungen entstehen, abschöpfen will. Ich will erst einmal diesen Schritt gehen und diesen Punkt erreichen, um auch hier mehrheitsfähig zu sein.
Die CDU sollte sich nach Auffassung der Sozialdemokraten ebenfalls zu dem Koalitionsentwurf bekennen, offen und ehrlich beraten und mit uns versuchen, die besten Lösungen zu bekommen. Dieser Gesetzentwurf entspricht j a den Forderungen der Städte, deren Verbänden
({17})
- ja entschuldigen Sie mal -, deren Verbänden, den Forderungen der Gewerkschaften sowie der Mietervereinigungen.
({18})
Diese Vereinigungen wollen Sie doch nicht etwa verdächtigen, daß sie eine eigentumsfeindliche Politik in der Bundesrepublik betreiben!
({19})
Ich weise in dem Zusammenhang, weil die Zeit knapp ist, und auch zur Richtigstellung der Ausführungen des Kollegen Niegel nur darauf hin, daß der einmal die Entschließung des Hauptausschusses des Deutschen Städtetages vom 25. Mai 1981 in diesem Punkt genau nachlesen sollte.
({20})
- Ich spreche vom Hauptausschuß und nicht von den Aussagen einiger Funktionäre,
({21})
die durch den Hauptausschußbeschluß nicht abgedeckt werden.
Ich meine - Herr Kollege Jahn, damit komme ich zu ihnen -, wenn hier im Hause - was ein ganz natürlicher Vorgang ist - ein Gesetzentwurf vorgelegt wird, der Ihnen Bauchschmerzen bereitet, dann können Sie doch nicht die Argumentation heranziehen, die Sie herangezogen haben, die der Herr Kollege Niegel herangezogen hat: Dieses Gesetz ist verfassungswidrig.
({22})
Das hat ja noch nicht einmal der Bundesrat getan. Sie müssen dann die Verfassungswidrigkeit nachweisen.
Ich meine, Sie sind nicht in der Lage dazu, und Sie wollen kaschieren, daß Sie im Grunde genommen das gar nicht nachweisen können. Sie sollten zumindest einmal darlegen, wo Ihre Bauchschmerzen liegen. Ich kann mir Ihre Bauchschmerzen erklären.
({23})
Wenn die Eigentumsfrage ansteht, wenn die sozial wirksame Verteilung von Grund und Boden ansteht, meinen Sie nämlich immer, Bauland habe mit Bauen nichts zu tun, sondern Bauland kommt von Liegenschaft und Liegenschaft von Liegenlassen und gewinnbringender Anlage.
({24})
Dies geht doch wohl nicht. Genauso, wie Wasser naß ist, genauso ist Bauland Bauland und muß der Bebauung zugeführt werden.
({25})
Dessen Ausweisung, meine sehr verehrten Damen und Herren, und die Baurechtsvoraussetzungen, die eine Gemeinde erbringt, sind eine Leistung an die Bürger und nicht an einzelne Bürger. Hier bin ich mit dem Kollegen Riedl von der CDU/CSU erstaunlicherweise einmal einer Meinung, der gemeint hat: Wir müssen einmal versuchen, die Mitnehmermentalität in diesen Bereichen abzuschöpfen. Zumindest ich bin bereit, dies zu tun und dies zu machen.
({26})
Herr Präsident, ich komme zum Schluß. Für uns Sozialdemokraten werden mit dieser Gesetzesvorlage konkrete Forderungen und Ziele verbunden: Erstens. Das spekulative Zurückhalten von Bauland soll verhindert werden. Die Baulücken, die bebaubar sind, müssen endlich geschlossen werden.
({27})
Zweitens. Verwertungs- und Angebotsdruck müssen Bewegung auf dem Bodenmarkt bringen, so daß die Preise stehenbleiben. Wir erhoffen uns gar nicht, daß sie nach unten gehen, aber die Preise sollen zumindest stehenbleiben und nicht mehr der Spekulation unterliegen.
({28})
Dritter Punkt: Durch Umlegungs- und Entwicklungsmaßnahmen in den Städten muß flächensparendes Bauen möglich werden, um neue Wohn- und Bauformen einführen zu können. Vierter Punkt: Sozialverdrängungen und Nachteile beim Mieter durch Modernisierung und Sanierung sollen verhindert werden. Und nicht zuletzt: Wir wollen mehr
Bauwillige, wir wollen den Bauwilligen sozial gerecht und wirksam mehr Bauland zuteilen, damit wir zumindest in diesen Bereichen weiterkommen. Bauland der Bebauung zuführen ist das Ziel dieser Vorlage. Sie sollten diese Vorlage mit uns gemeinsam unterstützen. Schönen Dank.
({29})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen nun zur Abstimmung. Der Ältestenrat schlägt die Überweisung der Gesetzentwürfe zu den Tagesordnungspunkten 3 bis 11 an die Ausschüsse vor. Die Überweisungsvorschläge des Ältestenrats ersehen Sie aus der Tagesordnung. - Ich sehe, das Haus ist mit diesen Überweisungsvorschlägen einverstanden. Es ergibt sich kein Widerspruch. Es ist entsprechend beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Berufsbildung durch Planung und Forschung ({0})
- Drucksache 9/279 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 9/857
Berichterstatter:
Abgeordnete Dr. Rose Westphal
b) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft ({2})
Drucksachen 9/827, 9/850 Berichterstatter:
Abgeordnete Rossmanith Schätz
({3})
Ich frage, ob zur Berichterstattung das Wort gewünscht wird. - Ich sehe, das ist nicht der Fall.
Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist für die Aussprache eine Redezeit von 90 Minuten vereinbart worden. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann werden wir entsprechend verfahren.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Als erster Redner hat Frau Kollegin Wilms das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Schluß der Debatte um das Berufsbildungsförderungsgesetz noch einmal für meine Fraktion einige Grundpositionen der Berufsbildungspolitik verdeutlichen, die auch von dem heute hier debattierten Gesetzentwurf berührt werden. Ich glaube, es gebührt uns, hier in diesem Hohen Hause zu sagen, meine Damen und Herren, daß das duale System der beruflichen Bildung die Bewährungsprobe der Ausbildung der geburtenstarken Jahrgänge hervorragend bestanden hat.
({0})
Es besteht schon heute ein leichter Überhang an Ausbildungsplätzen, und ich meine, für diese Leistung gebührt der Wirtschaft unser besonderer Dank. Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Unternehmensleitungen ebenso wie Betriebs- und Personalräte haben hier in den letzten Jahren Außerordentliches geleistet. Die Unternehmen sind ohne staatliche Eingriffe in die Ausbildungsfinanzierung ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht geworden. Dies hat u. a. dazu geführt, daß die Bundesrepublik Deutschland im internationalen Vergleich, wie die jüngsten OECD-Untersuchungen ausweisen, in der Quote der ausgebildeten Jugendlichen den Spitzenrang einnimmt. Hier liegt sicherlich auch eine der Ursachen dafür, daß wir bei der insgesamt sehr bedauerlichen und leider negativen Entwicklung der Jugendarbeitslosigkeit international nicht Schlußlicht sind.
Meine Damen und Herren, mit dieser Leistung, die durch Fakten belegt ist, wird eine bildungspolitische Ideologie von gestern und von heute widerlegt, die behauptet, man könne nur mit staatlicher Planung und zahlreichen dirigistischen Eingriffen die Ausbildungsprobleme der Jugend lösen.
({1})
Ich möchte daher noch einmal vor jeder Art staatlichen Dirigismus in das duale System hinein warnen.
({2})
Damit wird die Versorgung der Jugend mit Ausbildungen, die auch eine Beschäftigung ermöglichen, ebenso gefährdet wie die Versorgung der Wirtschaft mit den von ihr benötigten Fachkräften.
Aber die zahlreichen Diskussionen in SPD und auch in Teilen der FDP anläßlich der Beratungen dieses Gesetzentwurfs haben uns deutlich gemacht, daß diese Lehren aus der jüngsten bildungspolitischen Vergangenheit vielfach dort nicht gezogen wurden; denn die Gefahr von dirigistischen Eingriffen ist mit dem vorliegenden Gesetzentwurf, so scheint mir, wieder größer geworden. Leider sind die meisten Änderungsanträge meiner Fraktion zum Gesetzentwurf, die diese Gefahr mindern oder beseitigen sollten, im Ausschuß abgelehnt worden. Wir stellen deshalb einige dieser Änderungsanträge heute wieder zur Abstimmung, und wenn diese wiederum abgelehnt werden, werden wir das Gesetz in Gänze ablehnen müssen. Denn wir haben die große Befürchtung, daß das Gesetz in der jetzt vorliegenden Fassung zusammen mit der Beschlußempfehlung dazu dienen soll und auch dienen kann, die
Möglichkeiten staatlichen Eingreifens in die betriebliche Ausbildung zu erweitern.
Lassen Sie mich unsere Sorge an drei Beispielen belegen.
Erstens. In der Beschlußempfehlung des Ausschusses wird die Bundesregierung u. a. beauftragt, bis zum Sommer 1982 einen Bericht über Maßnahmen zur Bereitstellung konjunkturell unabhängiger, hochwertiger Ausbildungsplätze vorzulegen, die gleichzeitig geeignet sind, sektorale und regionale Ungleichgewichte auszugleichen. Die Zukunftsaussichten der Berufe sollten dabei stärkere Beachtung finden.
({3})
Meine Damen und Herren, wir fragen uns, ob und woher eigentlich die Bundesregierung die prognostische Weisheit hat, um den sich tagtäglich vollziehenden sektoralen und regionalen Strukturwandel einer dynamischen Wirtschaft zu antizipieren und daraus Vorschläge für adäquate Maßnahmen abzuleiten. Ich kann vor diesem Weg nur warnen, weil er in die Selbststeuerung des dualen Systems eingreift, zu zentralistischer Planung verführt und unter Umständen sogar auch einen notwendigen Strukturwandel verhindert.
Zweitens. Dirigistische Versuchungen der Koalition gibt es offensichtlich auch bei dem Auftrag, die Bundesregierung solle bis zum Sommer 1982 darlegen, wie die bekannten Problemgruppen bei den Jugendlichen gleiche Ausbildungschancen erhalten können. In der Tat - wir wissen es alle - haben wir bei den Mädchen, bei Ausländerkindern und bei Behinderten noch erhebliche Probleme. Nur, diese Probleme sind j a nicht durch das duale System verursacht worden, sondern sie liegen in allgemeinen gesellschafts- und bildungspolitischen Entwicklungen.
Wir wissen, daß die Ausbildung von Ausländerkindern allzuoft an mangelnder schulischer Vorbereitung und an fehlender Bildungs- und Berufsberatung scheitert. Wir wissen, daß für die Ausbildung von Lernbehinderten und Lernschwachen besondere berufsvorbereitende Maßnahmen ebenso notwendig sind wie die geeignete Ausformung beruflicher Ordnungsmittel. Daneben - das sage ich mit allem Ernst, allem Nachdruck und großer Sorge - stellt sich aber gerade für die Gruppe der Lernbehinderten und Lernschwachen zunehmend die Frage, wie und wo sie in einer immer komplizierter werdenden Arbeitswelt Verwendung finden können. Hier sind gesellschaftliche Umdenkungsprozesse erforderlich, die durch staatlichen Dirigismus nicht verordnet werden können. Selbstverständlich möchte ich von dieser Stelle aus auch die Wirtschaft aufrufen, gerade hinsichtlich dieser Gruppe von Jugendlichen in ihren Ausbildungsbemühungen nicht nachzulassen.
Als dritten Beleg für eine neue Interventionslust vieler Koalitionspolitiker möchte ich die neu aufkommende Diskussion über die Qualität in der Berufsbildung nennen. Wenn bei den Diskussionen über den vorliegenden Gesetzentwurf immer wieder die Vermutung artikuliert wurde, in den letzten Jahren sei teilweise in schlechter Qualität ausgebildet worden, so sollte man sich doch wohl immer wieder in Erinnerung rufen, welche Devise von uns allen über Jahre für Schule, Hochschule und Betrieb ausgegeben wurde und zum Teil noch wird, nämlich: Jede Ausbildung ist besser als keine.
Aber jetzt beginnt sich die Ausgangslage zu ändern. Angesichts des zu erwartenden Angebotsüberhangs auf dem Ausbildungsmarkt werden die Jugendlichen selbst dafür sorgen, daß nur noch qualitativ hochstehende Ausbildungsplätze besetzt werden. Und den Betrieben wird daran gelegen sein, durch hohe Qualität ihre Konkurrenzfähigkeit auf dem Ausbildungsmarkt zu erhalten.
Hier stellt sich allerdings die grundsätzliche Frage, was unter Verbesserung der Qualität beruflicher Bildung überhaupt verstanden wird. Hierüber sollten wir fachlich und nicht ideologisch diskutieren.
({4})
Ich denke, es wird doch wohl niemand etwa der Auffassung sein, daß eine schulische Ausbildung grundsätzlich besser als eine betriebliche sei, auch wenn vielleicht mancher Bildungspolitiker - unter Umständen auch in der Kultusbürokratie - angesichts wachsender Konkurrenz zwischen Schule und betrieblicher Ausbildung und angesichts schrumpfender Schülerzahlen in Versuchung kommen könnte, so zu denken.
({5})
Auch ein immer stärker werdender Anteil überbetrieblicher Unterweisung bringt alleine noch keine Garantie für höhere Qualität. Vielmehr - das zeigen jüngste wissenschaftliche Untersuchungen - ist eine qualitativ hochstehende Ausbildung unter anderem abhängig von je nach Ausbildungsgängen unterschiedlichen Lernortkombinationen. Auf die anderen pädagogisch-fachlichen Qualifikationsfaktoren kann ich verständlicherweise aus Zeitgründen nicht eingehen.
Der vorliegende Gesetzentwurf, verbunden mit der Beschlußempfehlung, der wir im Ausschuß nicht zugestimmt haben, verdeutlicht aber nicht nur die Felder staatlicher Eingriffsmöglichkeiten, sondern er läßt auch die dafür gedachten Instrumente erkennen. Ich möchte nur die Finanzierungsfrage und das Bundesinstitut für berufliche Bildung mit einer gegenüber dem ursprünglichen Gesetzentwurf erweiterten Aufgabenstellung nennen.
Politisch ist es nicht entscheidend - das möchte ich sehr unterstreichen -, daß im vorliegenden Gesetzentwurf keine überbetriebliche Finanzierungsregelung enthalten ist. Politisch entscheidend ist vielmehr die Tatsache, daß das Finanzierungsthema auf Druck der Koalition in der Beschlußempfehlung wieder auftaucht und die Regierung dadurch zum Handeln gezwungen wird.
Ich möchte an dieser Stelle für meine Fraktion noch einmal deutlich machen, daß wir aus grundsätzlichen ordnungspolitischen Erwägungen jede gesetzliche überbetriebliche Finanzierungsregelung
im Sinne einer Umlage und eines Fonds ablehnen. Wir nehmen in diesem Zusammenhang zur Kenntnis, daß auch die Wirtschaft solche Finanzierungsregelungen nicht für notwendig erachtet und offensichtlich auch nicht zu ihrem Glück gezwungen werden will.
({6})
Überbetriebliche Finanzierungsregelungen führen zu enormem bürokratischem Aufwand, ohne die qualitative Effizienz der Ausbildung zu verbessern.
({7})
Auch ist nicht abzusehen, welche Rückwirkungen sie auf die Ausbildungsmotivation der Betriebe hätten, weil sie j a auch die Eigenverantwortung der Wirtschaft für die Ausbildung zerstören. Offensichtlich - diesen Eindruck, meine Damen und Herren von der Koalition, kann ich nicht los werden - soll nach Ihrem Wunsch die Abschaffung des marktwirtschaftlichen, einzelbetrieblichen Finanzierungssystems dazu dienen, über staatliche Steuerung letztlich den Betrieben die Verantwortung für die Ausbildung zu entziehen, um Ausbildung ebenso wie Fortbildung in staatlicher Hand zu monopolisieren.
({8})
Meine Damen und Herren, was mich immer noch verwundert, ist, daß die Befürworter neuer Finanzierungsregelungen offensichtlich auch rationalen Argumenten nicht zugänglich sind, sonst hätten sie wenigstens das Urteil des Bundesverfassungsgerichts über das Ausbildungsplatzförderungsgesetz richtig gelesen; denn das Bundesverfassungsgericht ging bei seiner Aussage zur Rechtmäßigkeit einer Lehrlingsabgabe von einer zeitlich befristeten Ausnahmesituation aus, um drohenden quantitativen Engpässen zu begegnen. Beides ist für die Zukunft nicht zu erkennen und nicht zu erwarten.
({9})
Lassen Sie mich noch etwas zum Bundesinstitut für Berufsbildung sagen. Meine Fraktion sieht in dem detaillierten und weitgefaßten Aufgabenkatalog für das BIBB einen gefährlichen Weg zu mehr Bürokratisierung und Reglementierung in der Berufsbildung. Wir haben deshalb einen Änderungsantrag zu § 6 Abs. 2 des Gesetzentwurfes, die Aufgaben des BIBB betreffend, wieder hier eingebracht. Wir sind der Auffassung, daß sich das Bundesinstitut schwerpunktmäßig mit Forschungsvorhaben beschäftigen soll,
({10})
wobei allerdings bei diesen Forschungsaufgaben kritischer und selektiver vorgegangen werden sollte als in der Vergangenheit. Gleichzeitig ist nach unserer Auffassung zu verhindern, daß routinemäßige Verwaltungsaufgaben, die eigentlich von den Ministerien erfüllt werden sollten, in das Bundesinstitut delegiert werden, z. B. bei der Finanzierung überbetrieblicher Einrichtungen. Wir berufen uns hier mit einer gewissen Genugtuung - wie Sie verstehen
können - auf den sehr kritischen Bericht des Bundesrechnungshofes.
({11})
Meine Damen und Herren, wir dürfen hier im Deutschen Bundestag nicht nur über Bürokratisierung reden und sie bedauern, sondern wir müssen auch konkret etwas dagegen unternehmen.
({12})
Ich denke, wir haben als Gesetzgeber die Pflicht, durch entsprechende Gesetzesformulierungen Bürokratisierung erst gar nicht aufkommen zu lassen.
Meine Damen und Herren, überhaupt nicht einverstanden sind wir mit dem Beschluß von SPD und FDP im Ausschuß, dem Bundesinstitut als neue Aufgabe, die Entwicklung von Prüfungsaufgaben zuzuweisen, die bisher eine alleinige Aufgabe der Selbstverwaltung der Wirtschaft war und hoffentlich auch noch ist.
Auch die jetzt sehr extensiv zu betreibende Entwicklung und Herstellung von Medien für die Ausbildung halten wir für gefährlich und nicht richtig.
All dies und noch manches andere, was ich wegen der Kürze der Zeit hier nicht sagen kann, zeigt einmal mehr, wie sehr das Bundesinstitut in seiner vorgesehenen Konstruktion geeignet und - lassen Sie mich das sagen - vielleicht auch dazu bestimmt ist, die Autonomie und Selbstverwaltung der Wirtschaft in der Berufsbildung Stück für Stück auszuhöhlen.
({13})
Lassen Sie mich an dieser Stelle auch anmerken, daß es schon ein bißchen verwundert, wenn einerseits die Aufgaben des Bundesinstituts im Gesetzentwurf ausführlich geregelt werden, andererseits aber z. B. die Auskunftspflicht in § 4 und der dazu gehörende Personenkreis nicht so ausführlich geregelt sind, wie es das Bundesstatistikgesetz verlangt und wie es auch der Innenausschuß gefordert hat.
({14})
Wir legen deshalb auch hier einen entsprechenden Änderungsantrag vor, um mehr Rechtssicherheit zu schaffen.
Als Ziel des Berufsbildungsförderungsgesetzes wird in § 2 generell die Berufsbildungsplanung formuliert. Im alten Ausbildungsplatzförderungsgesetz war die Planungsfrage sehr viel zurückgesetzter, an späterer Stelle des Gesetzestextes, behandelt. Nun wissen wir, daß diese räumliche Verschiebung des Artikels durch die Streichung einiger anderer Paragraphen des alten Ausbildungsplatzförderungsgesetzes zustande gekommen ist. Vor der Verabschiedung des vorliegenden Gesetzentwurfs möchte ich aber aus unserer Sicht noch einmal sehr betonen, daß hoffentlich mit dieser formalen, gesetzestechnischen Aufwertung der Berufsbildungsplanung nicht eine inhaltliche im Sinne einer Systemveränderung verbunden sein wird.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf den Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen im Ausschuß hinweisen, in § 2 des ursprünglichen EntFrau Dr. Wilms
wurfs der Bundesregierung das Wort „Ausbildungsplätze" durch „Bildungsplätze" zu ersetzen. Damit soll offensichtlich bezweckt werden, die Berufsbildungsplanung auch auf den Bereich der beruflichen Weiterbildung auszudehnen, und zwar über die Ziele des Berufsbildungsgesetzes von 1976 hinaus.
Wir möchten dies wieder ändern; denn wir sind der Überzeugung, daß die persönlichen und die betrieblichen beruflichen Weiterbildungsnotwendigkeiten nur in einem offenen und flexiblen System der Maßnahmen der Kammern, der Verbände, der Gewerkschaften und der Betriebe bedarfsgerecht und realitätsnah erfüllt werden können. Ein starres, verrechtlichtes System der beruflichen Weiterbildung steht diesem Ziel entgegen. Wir haben, wie Sie wissen, zu dieser Thematik in der 8. Legislaturperiode einen eigenen Antrag eingebracht und deutlich darauf hingewiesen.
Meine Damen und Herren, das duale System hat in der Vergangenheit - im internationalen Vergleich - Bestes geleistet. Die Bundesrepublik wird um das duale System in vielen Ländern beneidet. Wir bezweifeln heute in hohem Maße
({15})
- dann werden Sie ja gleich mit uns stimmen können -,
({16}) ob die Instrumente - ({17})
- Das werden Sie jetzt gleich hören; Sie werden gleich hören, wie ich das meine.
({18})
- Ja, den „Pappkameraden" haben Sie uns in den Ausschußberatungen doch geliefert. Das ist ein sehr handfester Kamerad; ich glaube nicht, daß das ein Pappkamerad ist. - Wir bezweifeln nämlich in hohem Maße, ob die Instrumente des Berufsbildungsförderungsgesetzes wirklich zum Schutz und zur Weiterentwicklung dualer Ausbildungsformen geeignet sind und später dafür auch tatsächlich eingesetzt werden oder ob man nicht vielleicht doch anderes im Sinne hat.
Wenn die Sicherung des dualen Systems hier in diesem Hause, Herr Kollege, allgemein gültige Zielvorstellung ist, dann können Sie von den Koalitionsfraktionen doch leicht unseren Änderungsanträgen zustimmen.
({19})
Dies gilt auch für unseren Antrag, das Wort „Auszubildende" im Gesetzentwurf wieder durch den Begriff des „Lehrlings" zu ersetzen und damit
({20})
- ich würde an Ihrer Stelle nicht so laut lachen - einem Wunsch des Herrn Bundeskanzlers zu folgen, den er mehrfach in der Öffentlichkeit laut artikuliert hat. Das Wortungeheuer „Auszubildende" hat sich, wie wir alle wissen, im Sprachgebrauch nicht eingebürgert. Wir stimmen in dieser Frage, ausnahmsweise, dem Herrn Bundeskanzler einmal zu. Wollen Sie denn etwa Ihrem Herrn Bundeskanzler die Gefolgschaft verweigern? Diese Frage ist doch wohl erlaubt.
({21}) - Das denke ich mir doch.
Deshalb sind wir froher Hoffnung, daß wir gleich Ihre Zustimmung zu dem Antrag bekommen.
({22})
Frau Kollegin Wilms, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ich komme jetzt zum Schluß, Frau Kollegin.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß betonen: Jedes punktuelle Intervenieren des Staates greift in ein sich selbst steuerndes System der beruflichen Bildung ein, das sich an den wirtschaftlichen Gegebenheiten orientiert. Deshalb halten wir den von der Koalition jetzt beschrittenen Weg dieses Gesetzes für äußerst gefährlich. Es wäre ein bildungs- und gesellschaftspolitisch nicht wiedergutzumachender Schaden, das duale System zu unterhöhlen und damit letztendlich zu zerstören. Diesen Weg werden wir nicht mitgehen. - Vielen Dank.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schätz.
Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Auf Grund eines schon länger konzipierten politischen Stils im Freistaat Bayern, der jetzt zunehmend politische Praxis wird,
({0})
ist es so, daß politische Willensbildung, die normalerweise im Parlament geschieht, über das Bundesverfassungsgericht ersetzt wird. Diese Praxis hat auch in diesem Fall gegriffen.
({1})
Der Freistaat Bayern hat also die Feststellung beantragt, die Berufsbildungsabgabe sei verfassungswidrig,
({2})
und ein Normenkontrollverfahren verlangt. Sensationell ist immerhin, daß in diesem Fall - das ist vielleicht der typisch bayerische Fall - der Schuß nach hinten losging und trotzdem das Ziel getroffen wurde. Das ist eigentlich schon außergewöhnlich,
({3})
und zwar insofern, als die Sonderabgabe inzwischen
vom Bundesverfassungsgericht als zulässig anerkannt ist - was natürlich äußerst schmerzhaft für
den Freistaat Bayern ist; für mich nicht, obwohl auch ich ein Angehöriger des Freistaats Bayern bin; das können Sie sich denken.
Auf der anderen Seite ist es leider so, daß das Ausbildungsplatzförderungsgesetz nichtig ist, weil es zustimmungspflichtige Vorschriften über das Verwaltungsverfahren enthielt.
Nun wird es wohl in der Zukunft so sein, daß frei nach Herrn Höcherl jeder Bundesminister pausenlos Tag und Nacht das Grundgesetz unterm Arm wird tragen müssen, damit er sicherstellen kann, daß nicht in irgendeinem kleinen Nebensatz noch ein kleiner Haken ist, an dem man wieder über das Bundesverfassungsgericht Politik machen kann.
({4})
- Da würde auch im Zusammenhang mit der Statistik etwas zu sagen sein. Auch da wollen Sie wieder eine Öse anbringen, eine ganz gewaltige, nehme ich an. Aber wir werden Ihnen, weil es Lösungen gibt, die praktikabel und zulässig sind, diese Öse wahrscheinlich nicht bauen, damit Sie nicht schon wieder den nächsten bayerischen Haken daran ansetzen können.
({5})
Immerhin ist es eine Konsequenz aus diesem Verfahren, daß wir heute einen neuen Gesetzentwurf beraten.
({6})
- Nun, der hat pflichtgemäß gehandelt. Das will ich ihm ja nicht bestreiten.
({7})
Aber auf das Ergebnis kommt es sehr an.
({8})
Aber kehren wir zurück. Ich habe bloß noch zwölf statt vorher 15 Minuten. Auch darauf muß ich schauen.
Für uns ist in der Vorlage jedenfalls wichtig, daß der Berufsbildungsbericht wieder, und zwar jährlich, sicher ist. Darauf kommt es uns im Gegensatz zu Ihnen natürlich an.
({9})
Wichtig ist ferner, daß die Berufsbildungsstatistik gesichert ist, auch ohne den Haken, den Sie anbringen wollten.
Der dritte wichtige Punkt ist, daß die Rechtsgrundlagen für das Bundesinstitut für Berufsbildung wiederhergestellt werden. Das ist deshalb für uns eine wichtige Einrichtung, weil über den Hauptausschuß die Zusammenarbeit der an der beruflichen Bildung Beteiligten sichergestellt werden kann. Schon das ist für uns ein wichtiger Tatbestand, um dessen willen wir Wert darauf legen, so schnell wie möglich wieder zu diesem Gesetz zu kommen.
({10})
Ich räume ein, daß in diesem Gesetzentwurf zur Zeit keine Finanzierung zu finden ist. Das ist nicht nur für manche, sondern sogar für sehr viele sehr schmerzvoll. Aber es gibt dann immerhin die Chance, vor allem wenn die Bundesregierung den ihr noch zu erteilenden Auftrag erfüllt, Zug um Zug darüber nachzudenken, welche Möglichkeiten bestehen und welche Voraussetzungen geschaffen sein müssen, damit man so etwas überhaupt vernünftig machen kann. Der Kollege Weisskirchen wird dazu noch Stellung nehmen.
Der Berufsbildungsbericht wurde angesprochen. Ich möchte Ihnen nur sagen, daß er für uns eine wesentliche Säule in der beruflichen Bildung ist. Wir legen Wert darauf zu sagen, daß der Berufsbildungsbericht für uns das Hauptbuch der beruflichen Bildung ist. Er kann also nicht nach Belieben erscheinen oder nicht erscheinen; das wollen wir hier schon einmal deutlich feststellen. Für uns soll der Berufsbildungsbericht ein umfassender Bericht sein und laufend über den Stand der Entwicklung in der beruflichen Bildung berichten, und zwar unter Berücksichtigung regionaler und sektoraler Gesichtspunkte. Ich komme z. B. aus einem Flächenwahlkreis und will schon wissen, was in strukturschwachen Räumen gemacht werden muß. Für uns soll das sein ein Bericht über die voraussichtliche Weiterentwicklung der Ausbildungsplätze, und zwar hinsichtlich Angebot und Nachfrage; denn sonst kann man mit der Stange im Nebel herumrühren, wenn man berufliche Bildung vernünftig planen will, und wir wollen immer noch planen.
In diesem Zusammenhang ist eines zu sagen. Im Freistaat Bayern hat man vor 10 oder 15 Jahren der SPD immer vorgeworfen, daß sie total auf Planung fixiert sei. Wenn man aber heute schaut, was von der Staatsregierung im Freistaat Bayern alles geplant ist, dann ist das, was die SPD damals für Vorstellungen gehabt hat, im Vergleich dazu direkt ein kleines Pflänzchen. Sie kommen nur immer wesentlich später und tun dann so, als ob Sie es selber erfunden hätten.
({11})
Um nun zum Berufsbildungsbericht zu kommen: Für uns ist auch wichtig, daß die Bundesregierung ihre Berufsbildungspolitik darstellen kann. Wir wollen ja auch wissen, was die Regierung für Vorstellungen hat, das ist klar.
({12})
- Warum denn nicht? ({13})
Außerdem soll der Berufsbildungsbericht dazu dienen, das Berufsbildungssystem durchschaubarer zu machen, vor allen Dingen für Jugendliche, denn die treffen wichtige Entscheidungen für sich selber, für die Eltern, die es mindestens genauso betrifft, und drittens selbstverständlich auch für die AusbilSchätz
dungsbetriebe. Allerdings räume ich ein, daß da, was den Bericht anbelangt, auch noch viel zu tun ist.
Der Auftrag an das Berufsbildungsinstitut ist bereits angesprochen worden. Ich will mich nur auf einige wenige Punkte konzentrieren; es ist ja eine ganze Latte, die man da als wichtige Aufgaben darstellen müßte. Ich beschränke mich wegen der Zeit auf einige wenige. Klar ist natürlich die Mitwirkung am Berufsbildungsbericht, aber auch Fortbildungsordnungen sollen bereitgestellt werden, weil nach dem Berufsbildungsgesetz Ausbildung, Fortbildung und Umschulung selbstverständlich zusammengehören, das ist doch nicht zu bestreiten. Es steht ja so im Gesetz.
Was die Medien und die Prüfungsaufgaben anbelangt, so hat Frau Wilms sich sehr kritisch geäußert. Ich denke, daß die Gefahr nicht so groß ist wie befürchtet. Wir sagen, daß die Entwicklung von Medien gefördert werden soll. Hierzu liegen selbst Aussagen von den Unternehmern vor, daß sie das positiv beurteilen, soweit nicht ein gewaltiger Druck ausgeübt und alles zentralisiert wird. Aber das wollen auch wir nicht. Das Wort „fördern" drückt ausdrücklich aus, daß es sich um ein Angebot handelt und daß das nicht zentralistisch gesteuert werden soll.
({14})
Das wollen wir doch als Sozialdemokraten auch hier deutlich feststellen.
Dasselbe gilt für Prüfungsaufgaben. Wir fassen das als ein Angebot auf, das dort genützt werden soll, wo andere Möglichkeiten nicht bestehen. Wir gehen auch davon aus, daß selbstverständlich gute Angebote gemacht werden und daß auf diesem Gebiet Konkurrenz entsteht. Zu diesem Angebot wollen wir durch dieses Gesetz beitragen.
Das Institut soll zur Entwicklung von Prüfungsaufgaben beitragen, es soll die wesentlichen Forschungsergebnisse veröffentlichen, an der Berufsbildungsstatistik mitwirken nach einem vernünftigen System. Hier haben wir einen Dissens, das ist keine Frage. Trotzdem wird es in der Sache funktionieren. Außerdem soll es berufsbildende Fernlehrgänge überprüfen und anerkennen; das ist für uns eine wichtige Angelegenheit.
Auf den Hauptausschuß einzugehen, reicht leider die Zeit nicht aus. Ich betone nur noch, daß das eine wichtige gemeinsame Adresse für alle an der Berufsbildung Beteiligte ist.
Nun noch zu dem Auftrag an die Bundesregierung. Dieser Auftrag ist nicht weniger wichtig als der Gesetzentwurf selbst. Die Bundesregierung soll, Sie haben es gesagt, bis zum Sommer 1982 darlegen, wie künftig in ausreichender Zahl hochwertige Ausbildungsplätze, und zwar konjunkturunabhängige Ausbildungsplätze, bereitgestellt werden können und daß dabei gleichzeitig sektorale und regionale Ungleichgewichte auszugleichen sind. Das ist wichtig, und der Zusammenhang zwischen „ausreichend" und „hochwertig" ist ebenfalls sehr wichtig.
Außerdem soll festgestellt werden, wie bei der Ausbildung die Zukunftsaussichten der Berufe stärker beachtet werden können, wie Mädchen, Ausländer, Sonderschüler und Behinderte gleiche Chancen bei der Ausbildung erhalten können und wie die Finanzierung der erforderlichen Maßnahmen gesichert werden kann. Es ist nicht zu verstehen, daß Sie dem nicht zustimmen konnten.
Lassen Sie mich noch etwas zum Problem der ausreichenden Zahl von Ausbildungsplätzen sagen. Die OECD-Untersuchung über „Jugendbeschäftigungspolitik in der BRD" hat eindeutig festgestellt - ({15}) - OECD!
({16})
- Ich habe sie dabei; ich zeige Ihnen nachher sogar die schön angestrichenen Stellen. Das ist für mich kein Problem.
Die OECD hat, wie gesagt, Untersuchungen über „Jugendbeschäftigungspolitik in der BRD" angestellt.
({17})
Darin wird festgestellt, daß die Jugendarbeitslosenquote bei uns unterschätzt wird.
({18})
Wenn Sie die Dokumentation des Bundeswirtschaftsministers vom August lesen, stellen Sie einen massiven Rückgang beim Zuwachs an Ausbildungsplätzen fest. Beim Handwerk betrug der Zuwachs 1979 noch 9,8 %, 1980 nur noch 3,8 %. Ähnlich ist es im kaufmännischen Bereich; dort sank der Zuwachs von 13,4 % auf 4,5 %. Ich habe hier den Verdacht, daß der Rückgang bei den Angeboten an Ausbildungsplätzen begonnen hat, nachdem der „Knüppel" Finanzierung verschwunden ist.
Zur Qualität will ich nur folgendes sagen. Auch wir Sozialdemokraten sind Anhänger des dualen Systems. Ich kann mich hier wiederum auf die OECD stützen, die sagt: „Nur die Unternehmen können sicherstellen, daß die Ausbildung mit den Innovationen auf dem Markt, bei der Technologie und der Produktion Schritt hält." Das gilt leider bei weitem nicht für alle; das muß ich allerdings hinzufügen.
Darüber hinaus stellt die OECD zur Qualität fest: „Die Überwachung der Ausbildungsqualität im Verlauf der Ausbildung scheint zu schwach zu sein." Ich meine, sie „scheint" nicht nur schwach zu sein, sondern sie ist wirklich schwach. Hier läge eine Aufgabe für die Kammern, für eine Verbesserung zu sorgen; denn ihr eigenes Ansehen und das Ansehen der Betriebe sind betroffen, wenn es darunter schwarze Schafe gibt.
({19})
- Dafür habe ich Beispiele.
Die Zukunftsaussichten sind eine weitere wichtige Frage. Die OECD sagt: „Ein Teil der speziellen Ausbildung wird vergeudet, wenn der Auszubildende später in seinem Beruf nicht unterkommt." 3192
Schauen Sie sich einmal den Berufsbildungsbericht 1981 an. Nach der Facharbeiterausbildung gehen 11 % als Hilfsarbeiter oder angelernte Arbeiter weg. Von diesen sagen 59 %, daß sie von ihrer Ausbildung nur wenig oder nichts für verwertbar halten.
Aber es kommt noch schlimmer. Das Problem ist, daß aus der Gruppe mit ausschließlicher Facharbeiterausbildung in die Gruppe der Hilfs- und angelernten Arbeiter 10 % Männer aber 20 % Frauen abwandern. Hier sehen Sie schon wieder die Benachteiligung der Frauen. Markant ist auch, daß 12 % Hauptschüler sind und 2% die mittlere Reife haben. Daran sieht man auch, daß der Bildungsstand Einfluß darauf hat, ob einer später, nach der Facharbeiterausbildung, in den Hilfsarbeiterstand eintritt oder nicht.
({20})
- Darüber können wir uns nachher noch unterhalten. - 32 % der Bekleidungsfertiger werden schließlich Hilfsarbeiter, und das geht über den Bergmann, den Schuhmacher, den Bäcker, den Schneider bis zum Fleischer mit 16 %. Ich habe leider keine Zeit mehr, um das hier noch weiter auszuführen.
({21})
Ich sehe, daß ich nur noch eine Minute Zeit habe. Ich möchte noch kurz auf Ihren Antrag auf Drucksache 9/854, den Sie uns vorgelegt haben, eingehen. Das, was Sie darin vorbringen, ist inhaltlich gleichlautend mit dem, was im Ausschuß beantragt worden ist. Das ist im Ausschuß alles diskutiert und abgestimmt worden. Es ist nicht notwendig, darauf heute noch einmal einzugehen. Der Text der Vorlage ist in zwei Stellen fehlerhaft; ich bin gern bereit, Ihnen zu sagen, wo. Wenn ich sehe, wie ungenau Sie das „zusammengenagelt" haben, wie man bei uns in Bayern sagt, habe ich fast den Verdacht, daß das eher ein Manöver als ein ernstgemeinter Antrag ist.
Für die SPD kann ich erklären, daß diese den Antrag, den Sie hier vorgelegt haben, ablehnen wird.
({22})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Neuhausen.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Kollege Schätz hat den ersten Teil eines Rätsels soeben aufgegeben. Er hat auf zwei Fehler in Ihrer Vorlage hingewiesen.
({0})
Ich will das ergänzen für die Kollegen, die es noch nicht wissen. Es handelt sich darum, daß zunächst einmal der Begriff „Lehrling" wieder eingeführt werden soll, aber in der Änderung zu § 5 a „Auszubildender" steht.
({1})
Erlauben Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege?
Ja, bitte!
Bitte sehr, Frau Kollegin Wilms.
Herr Kollege, sind Sie bereit, mir zuzugeben, daß dieser Fehler bereits korrigiert worden ist?
Nachdem Sie es mir gesagt haben, bin ich bereit, das zuzugeben.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir debattieren heute über ein Gesetz, das in seinen wesentlichen Teilen die Bestimmungen eines früheren Gesetzes wieder aufnimmt. Unter anderem enthält es gesetzestechnisch notwendige redaktionelle Änderungen und Klarstellungen, und schließlich werden einige Aufgaben und Aufgabenbereiche des Bundesinstituts für Berufsbildung präzisiert, die von diesem auch schon bisher wahrgenommen wurden.
Jedermann weiß, daß durch dieses Gesetz nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Ausbildungsförderungsgesetz von 1976 die Rechtsgrundlagen für die Arbeit des Instituts einschließlich der Zusammenarbeit von Beauftragten der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer von Bund und Ländern, für den jährlichen Berufsbildungsbericht und für die Berufsbildungsstatistik wiederhergestellt werden sollen. Schließlich weiß jedermann auch, daß das Urteil des Bundesverfassungsgerichts die politische Substanz des Ausbildungsplatzförderungsgesetzes nicht in Frage gestellt hat. Jeder weiß endlich, daß der Finanzierungsteil, um den es in diesem Urteil ging, aus Gründen, über die genügend diskutiert wurde, im vorliegenden Entwurf nicht mehr enthalten ist.
In dem im Berufsbildungsbericht 1981 abgedruckten Ergebnis der Beratung der Bundesregierung in der 16. Kabinettssitzung am 4. März dieses Jahres heißt es zum Entwurf des Berufsbildungsförderungsgesetzes unter anderem:
Mit dem Gesetz soll die Mitwirkung der in der beruflichen Bildung Verantwortlichen und Beteiligten bei der Beurteilung der Lage, der Entwicklung und der erforderlichen Maßnahmen gesichert werden.
Meine Damen und Herren, daß eine solche Zusammenarbeit und Mitwirkung aller an der beruflichen Bildung Beteiligten und für sie Verantwortlichen notwendig war und ist, daß sie für die Lösung der quantitativen und qualitativen Probleme der beruflichen Bildung benötigt wird und sich bewährt hat, kann von niemandem bestritten werden, der es mit der von allen politischen Gruppen und von den Verbänden geforderten, ihrer Bedeutung entsprechenden Gewichtung der beruflichen Bildung wirklich ernst meint. Es war und ist also geboten, ein diesen Zwecken dienendes Forum und InstrumentaNeuhausen
rium, wie es das Institut bietet, wieder auf gesetzliche Grundlagen zu stellen.
Um so erstaunlicher erscheint mir die Kritik, die auch heute wieder von seiten der Opposition an dieser Vorlage insgesamt und an Einzelheiten geübt wird. Wie kann man zum Beispiel die in § 6 Abs. 2 enthaltene Bestimmung, daß das Bundesinstitut für Berufsbildung seine Aufgaben, die dann aufgeführt werden, im Rahmen der Bildungspolitik der Bundesregierung durchzuführen habe, mit dem Argument kritisieren, das Institut solle objektiv definierte, nicht in Beziehung zur Politik der jeweiligen Bundesregierung stehende Aufgaben erfüllen, wenn die Bundesregierung die Grundlagen ihrer Berufsbildungspolitik in dem bereits zitierten Ergebnis ihrer Beratungen zum Berufsbildungsbericht 1981 wie folgt beschreibt:
Die Berufsbildungspolitik der Bundesregierung zielt darauf, die Berufs- und Lebenschancen des einzelnen durch fundierte Ausbildung zu fördern, den wirtschaftlichen, technischen und gesellschaftlichen Wandel zu meistern und damit gleichzeitig die Stabilität und Leistungsfähigkeit unseres Gemeinwesens zu stärken.
({1})
Meine Damen und Herren, damit werden Ziele beschrieben,
({2})
die in ihren Formulierungen nicht die Bildungspolitik einer jeweiligen Bundesregierung zum Ausdruck bringen, sondern die von allen, die sich für die berufliche Bildung verantwortlich fühlen, getragen werden müssen.
Um so erfreulicher ist die eigentlich selbstverständliche Übereinstimmung der von Ihnen so genannten „Allgemeinplätze" dieser Ziele mit den Grundaussagen des Kuratoriums der deutschen Wirtschaft zur Berufsbildung, zur „Zukunft der beruflichen Bildung" - ebenfalls vom März dieses Jahres -, in denen es unter anderem auch heißt - auch wahrscheinlich „Allgemeinplätze" -:
Für den einzelnen hat Bildung die Aufgabe, ihn zur Bewältigung gegenwärtiger und künftiger Lebensaufgaben zu befähigen. Das bedeutet, daß sich Bildung auch an den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen orientieren und Qualifikationen für die Berufs- und Arbeitswelt vermitteln muß. In diesem Sinne ist Bildung Zukunftsinvestition.
({3}) Dem kann man doch nur zustimmen.
({4})
Dabei muß Bildung nicht nur für den einzelnen, sondern für die Gesellschaft und Wirtschaft insgesamt als Zukunftsinvestition verstanden werden.
Deswegen ist es nur konsequent, wenn in dem ebenfalls kritisierten § 2 Abs. 1 festgestellt wird, daß „durch die Berufsbildungsplanung ... Grundlagen für eine abgestimmte und den technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Anforderungen entsprechende Entwicklung der beruflichen Bildung zu schaffen" sind.
Ich warne ausdrücklich davor, solche Grundaussagen für Gemeinplätze zu halten. Sie bieten die Kriterien zur Beurteilung der Einzelheiten des Gesetzes ebenso wie für die Beurteilung der Ausführung der gesetzlichen Bestimmungen. Sie sichern auch die parlamentarische Verantwortung der Bundesregierung für die Arbeit des Instituts. Es wäre widersprüchlich, einerseits die Befürchtung zu äußern, das Institut könne sich insbesondere auch durch die Verbindung von Verwaltungs- und Forschungsaufgaben zu einem zentralen Exekutivorgan entwikkeln, und andererseits die Mittel der parlamentarischen Kontrolle aus der Hand zu geben.
Grundlage für die positive Stellungnahme der FDP zu diesem Gesetzentwurf und seinem Instrumentarium ist die selbstverständliche Voraussetzung des dualen Systems der beruflichen Bildung mit der Aufgabenteilung der Lernorte Betrieb und Schule. Grundlage für unsere Zustimmung ist die volle Würdigung dessen, was die Selbstverwaltungsorgane der Wirtschaft und die Betriebe qualitativ und quantitativ geleistet haben und leisten und was Arbeitgeber und Gewerkschaften in die Fortentwicklung der beruflichen Bildung eingebracht haben und einbringen. Hier soll das Bundesinstitut für Berufsbildung wie bisher als eine Serviceeinrichtung subsidiäre Hilfen leisten.
Grundlage ist die staatliche Verantwortung dafür, so wie in der Vergangenheit und auch heute vor allem zur Lösung quantitativer Probleme beizutragen, in Zukunft unter sich verändernden Bedingungen die Attraktivität der beruflichen Bildung zu sichern. Das Kuratorium der deutschen Wirtschaft für Berufsbildung fordert in seinen schon zitierten Grundaussagen ausdrücklich, daß die staatliche Bildungspolitik dafür die Rahmenbedingungen gewährleisten müsse. Diese Rahmenbedingungen können aber nur dann gewährleistet werden, wenn dazu die Daten zur Verfügung stehen, deren Erhebung und Interpretation durch Berufsbildungsstatistik und Berufsbildungsbericht gesichert werden soll.
Im Zusammenhang mit dieser Aufgabe staatlicher Bildungspolitik ist auch die Weisungsbefugnis der zuständigen Bundesminister zu sehen, die in § 6 Abs. 2 des Berufsbildungsförderungsgesetzes für die Vorbereitung von Ausbildungsordnungen, für die Mitwirkung an der Vorbereitung des Berufsbildungsberichtes und an der Durchführung der Berufsbildungsstatistiken geregelt wird. Diese Weisungsbefugnis hat schon in der ersten Lesung eine Rolle gespielt. Die Opposition hat ja einen Antrag vorgelegt, sie zwar für den Bereich der Vorbereitung der Ausbildungsordnungen, nicht aber für die Mitwirkung an Berufsbildungsbericht und Berufsbildungsstatistik beizubehalten.
Der Herr Kollege Rossmanith hat in der ersten Lesung den Herrn Bundeswirtschaftsminister aufgefordert, zu einem Gralshüter des dualen Systems der beruflichen Bildung zu werden. Das ist angesichts der bereits betonten - zumal für einen Libe3194
ralen selbstverständlichen - Haltung zu diesem dualen System zwar eine überflüssige Aufforderung. Wenn sie aber schon erhoben wird, dann sollte sie an die gesamte Regierung gerichtet sein. Ich hielte es in diesem Sinne für sehr bedenklich, durch unterschiedliche Weisungsbefugnisse künstliche Trennungslinien der Verantwortung zu ziehen; ganz abgesehen davon, daß durch die Weisungsbefugnisse die parlamentarische Verantwortlichkeit der Bundesregierung für die Berufsbildungspolitik und auch ihre parlamentarische Kontrolle gesichert wird.
Es ist mir wegen der Kürze der Zeit nicht möglich, auf alle Einzelheiten des Gesetzentwurfes und der Kritik einzugehen, die sich im übrigen auch gegen eine Reihe von ausführungstechnischen Schwierigkeiten richtet, mit der gesetzlichen Grundlage und mit dem durch sie gesetzen Rahmen also kaum etwas zu tun hat. Vieles, was dazu eingewendet und gesagt wird, erhält - das haben wir heute wieder gehört - nur dann einen Sinn, wenn es als Ausdruck eines grundsätzlichen Mißtrauens gegen die Berufsbildungspolitik der Bundesregierung und der sie tragenden Parteien gewertet wird. Wenn man allen staatlichen Einrichtungen - und nicht nur ihnen - deshalb die gesetzliche Grundlage entziehen wollte, weil es bei der Durchführung ihrer Aufgaben Pannen und unterschiedliche Auffassungen über Zweckmäßigkeit und Effizienz gegeben hat und immer wieder geben wird, so bliebe von diesen Einrichtungen nicht viel übrig.
Aber das grundsätzliche Mißtrauen sieht selbst in solchen Einzelheiten Symptome für viel schlimmere Hintergründe. Es wittert verborgene „eigentliche Motive und Ziele". Man spricht von Hebeln, mit denen schreckliche Eingriffe geplant seien. Beliebt ist das Bild des Unterhöhlens. Einmal wird eine ordnungspolitische Systemveränderung zur Unterhöhlung des dualen Systems unterstellt. Dann sollen angeblich Autonomie und Selbstverantwortung der Wirtschaft in der Berufsbildung Stück für Stück ausgehöhlt werden.
({5})
Es wird vermutet, das Institut solle die Funktion einer Bundesanstalt erhalten. Das ist ein offenbar besonders schlimmer Gedanke - wenn mir auch der Begriff einer Bundesanstalt im Zusammenhang mit der beruflichen Bildung aus dem Berliner Programm der CDU von 1971 bekannt ist.
({6})
Übrigens: 1976 sprach die Union von einer Zentralstelle für berufliche Bildung. Es ist entsetzlich, daran zu denken, ein solches Wort könnte heute in die Diskussion eingebracht werden. Haben Sie - das ist meine dringende Gegenfrage - die eigenen Höhlensysteme schon erfolgreich durchforstet, erkannt und zugeschüttet?
({7})
Liberale Maulwürfe gibt es in solchen Höhlensystemen jedenfalls nicht.
Auf wie wackeligen Füßen Prognosen stehen, die auf der Grundlage solcher Überlegungen angestellt werden, zeigen ja auch die Befürchtungen, die der verehrte Herr Kollege Rossmanith hier anläßlich der ersten Lesung im Hinblick auf die, wie er sich ausdrückte, bildungspolitische Standfestigkeit des FDP-Vorsitzenden geäußert hat. Ich nehme an, Sie haben Ihre Zweifel inzwischen korrigieren können. Denn Ihre Sorge - meine war es nicht -, es könne wegen mangelnder Standfestigkeit meines Parteivorsitzenden doch noch eine Finanzierungsregelung in die heutige Vorlage Einlaß finden, hat sich ja nicht bewahrheitet.
({8})
Es wäre wirklich sinnvoll, wenn Sie diese Erfahrung auch einmal zur kritischen Überprüfung Ihrer eigenen sonstigen Auslassungen benutzen würden. Ob es sich um die Entwicklung von Unterrichtsmedien oder um Beiträge zur Entwicklung von Prüfungsaufgaben handelt, der subsidiäre Charakter solcher, auch bisher schon durchgeführter Maßnahmen ist unbestritten. Das sei hier noch einmal ausdrücklich und ganz bewußt vor dem Hintergrund meiner bisherigen Ausführungen vermerkt.
Zu Diskussionen ähnlicher Art führt auch die Forschung auf dem Gebiet der Berufsbildungskosten. Ich vermeide hier den Begriff der Finanzierung, weil er wieder bei Ihnen erschreckende Assoziationen erwecken würde, obwohl es angesichts vor allem der zu erwartenden künftigen Entwicklungen selbstverständlich sein sollte, die im Vergleich zum Schul- und Hochschulbereich wenig transparente Kostensituation bei den mehr als 450 anerkannten Ausbildungsberufen als Hilfe für die Entscheidungen im Rahmen der Zusammenarbeit aller Beteiligten und Verantwortlichen durchsichtiger zu machen.
Am Rande sei vermerkt: die Abneigung gegen den Begriff der Finanzierung hat wohl sogar die saarländische Landesregierung bewogen, ihre Richtlinien für die Bewilligung von Prämien zur Förderung des Angebots an Ausbildungsplätzen vom 16. Juni 1981 als „Ausbildungsplatz-Prämienprogramm 1981" und nicht schlicht als „Finanzierungshilfe" zu bezeichnen. Sie wäre wahrscheinlich ebenfalls dann der Unterhöhlung der Wirtschaft und der Aushöhlung des dualen Systems bezichtigt worden, womit ihr, wie wir alle wissen, Unrecht getan würde.
({9})
- Und wer ist Ministerpräsident?
Das Gesetz, so wie es vorliegt, sieht eine Finanzierungsregelung entsprechend dem Ausbildungsplatzförderungsgesetz nicht vor. Es sollte auch nicht der Eindruck erweckt werden, als seien doch irgendwo zwischen den Zeilen Ansätze verborgen. Jede Finanzierungsregelung würde eine Gesetzesänderung erforderlich machen. Aber es darf nicht nur, sondern es muß - wie im vorliegenden Entschließungsantrag vorgesehen - die Frage gestellt werden dürfen, welche Probleme für die Finanzierung der für die Weiterentwicklung der beruflichen Bildung erforNeuhausen
derlichen Maßnahmen eintreten können oder nicht können. Hieraus Schlußfolgerungen auf Fonds oder ähnliches zu ziehen, gehört in das von mir bereits behandelte Höhlenkapitel.
Berufsbildungspolitik ist eine Gemeinschaftsaufgabe im echtesten Sinne dieses Wortes. Ich benutze diese Gelegenheit - trotz aller Kontroversen, die, wie ich finde, zum größten Teil künstlich sind - zu einem Appell an alle Verantwortlichen und Beteiligten, das vorliegende Instrumentarium und das bestehende Forum gemeinsam zu nutzen und da, wo es zu verbessern ist, gemeinsam zu verbessern und auszubauen, gemeinsam auch die Probleme in Angriff zu nehmen, die durch sektorale und regionale Ungleichgewichte entstehen. Auch sollte man gemeinsam dafür sorgen, daß Mädchen, Ausländer, Sonderschüler und Behinderte in die Sicherung gleicher Chancen und der ihren Möglichkeiten entsprechenden Qualifikationen bei der Ausbildung einbezogen werden.
Meine Damen und Herren, wir sind der Überzeugung, daß sich wie in der Vergangenheit auch in Zukunft die Fruchtbarkeit des dualen Systems der beruflichen Bildung, der Selbstverantwortung und Selbstverwaltung der beteiligten Gruppen bewähren wird, wenn alle Möglichkeiten der Zusammenarbeit genutzt werden. Dazu sollte das vorliegende Gesetz dienen. - Vielen Dank.
({10})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rossmanith.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Neuhausen, ich darf Ihren vorletzten Satz aufgreifen, in dem Sie gesagt haben, daß Sie an einer Verbesserung dieser Gesetzesvorlage mitarbeiten wollen. Ich danke Ihnen sehr herzlich dafür, daß Sie damit signalisiert haben, daß Sie unsere Änderungsvorschläge, die eine deutliche Verbesserung darstellen, mit unterstützen werden.
({0})
Ich darf vielleicht auf einen Aspekt eingehen; auf die anderen komme ich noch im Laufe meiner Ausführungen, Herr Neuhausen. Sie haben kritisiert, daß wir in einem unserer Änderungsvorschläge eine objektive Forschung seitens des Bundesinstituts für Berufsbildung wünschen, keine regierungsabhängige. Ich weiß nicht, was Sie gegen objektive Forschung haben. Dazu sollte doch, wenn überhaupt, dieses Institut in der Lage sein.
Ich darf noch kurz auf einen weiteren Aspekt eingehen. Ich sehe zumindest in einem Punkt einen Unterschied in den Ausführungen der Herren Kollegen Schätz und Neuhausen in der Betrachtungsweise des Urteils des Bundesverfassungsgerichts. Während Herr Schätz meint, daraus lesen zu können, daß das Bundesverfassungsgericht zur Finanzierungsregelung nichts gesagt habe oder sie nicht kritisiere, ist Herr Neuhausen der Meinung, daß dies sehr wohl mit ein Angriffspunkt für das Bundesverfassungsgericht war. Nur, Herr Kollege Schätz, Sie sind in einer sehr netten Art und Weise etwas darüber hinweggegangen, daß sich die Parlamentarier auch nach dem Grundgesetz richten müssen. Ich will das also ausdrücklich betonen. Auch die Parlamentarier haben auf der Grundlage des Grundgesetzes zu stehen, und es ist doch absolut opportun,
({1})
daß dann, wenn das nicht der Fall ist, jemand, und sei es die bayerische Staatsregierung, die ja einmal bekanntlich gesagt hat, notfalls, wenn es erforderlich ist, sind wir die letzten Preußen, nachfragt und eben sagt: Wir müssen auf diesen Punkt zurückkommen und müssen auch hier das Parlament wieder auf die Gesetzmäßigkeit zurückführen.
({2})
Nur, in der Politik, Herr Kollege, kommt es natürlich weniger darauf an, ob man mit seinen Argumenten in der Sache recht kriegt, sondern in der Regel mehr darauf, ob diese Argumente in der Öffentlichkeit auch geglaubt werden. Sicherlich ist es in der weiteren Behandlung des vorliegenden Gesetzentwurfs von ausschlaggebender Bedeutung, daß gerade diese Sachverhalte den Betroffenen auch klarwerden. Aus der Sicht der CDU/CSU, muß ich deshalb sagen, können wir an sich nur sehr dankbar für das sein, was in den vergangenen Tagen und Wochen der Herr Bundesminister für Bildung und Wissenschaft sowie der Herr Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildungsforschung erklärt bzw. in Schriftsätzen von sich gegeben haben; denn dadurch wurde das Problembewußtsein der Wirtschaft deutlich geweckt und diesem Gesetz die entsprechende Gewichtigkeit beigemessen. Gerade die jetzt von der SPD und auch mit von der FDP eingebrachten Änderungsanträge, die ja noch über den Regierungsentwurf hinausgehen
({3})
- ja, die trauen sich schon einiges; das hat man ja in den letzten Wochen gesehen -, verhärten die Meinung, daß sich dieses Bundesinstitut für Berufsbildung tatsächlich - Herr Neuhausen, Sie meinen ja, das nicht befürchten zu müssen - zu einer Bundesanstalt für Berufsbildung ausweiten könnte; um nicht zu sagen, es ist dazu ausersehen, einfach die Autonomie und die Selbstverantwortung der Wirtschaft in der Berufsbildung Stück für Stück auszuhöhlen. In der Tat ist das so.
Ich darf Ihnen hier nur, Herr Neuhausen, einige Begriffe „zurückführen", weil Sie sagen, liberale Maulwürfe werde es hier nicht geben. Ich bin Ihnen für diese Aussage sehr dankbar. Und ich muß sagen: ein Mann ein Wort. Ich sage Ihnen deshalb noch einmal ganz kurz einige Punkte, und ich bin ganz sicher der Meinung, daß hier die Kollegen von der FDP auch mit uns einig gehen. Z. B. Bildungsplatz an Stelle des Ausbildungsplatzes. Hier die Vorstellung, daß das Bundesinstitut zur Entwicklung von Prüfungsaufgaben mit beizutragen habe.
Oder ein weiterer Punkt, der meines Erachtens besonders aufschlußreich zu sein scheint: Der Ausbau überbetrieblicher Ausbildungsstätten soll trotz drastisch sinkender Schulentlassungsjahrgänge fortgeführt werden. Hier hat doch Präsident Schmidt noch gefordert, über die 1982 erreichten 77 000 überbetrieblichen Ausbildungsplätze hinaus noch weitere zu schaffen, bis auf 100 000 Ausbildungsplätze hinaufzugehen. Hier lassen wir uns nicht ständig unterstellen, auch nicht dem Handwerk unterstellen, daß das Handwerk oder Präsident Schnitker mit dieser Aussage einverstanden wären. Das stimmt einfach nicht.
({4})
Wir wissen, und wir sind uns auch darüber im klaren, welchen Wert die überbetrieblichen Ausbildungsstellen und Ausbildungsplätze im Handwerk und in der Industrie darstellen. Wir wissen aber auch ganz genau, daß hier übereinstimmend die Meinung herrscht, daß 77 000 Ausbildungsplätze mehr als genug sind.
({5})
Man könnte hier auch noch einiges über den Bonner Dienstsitz sagen. Ich will mir das ersparen. Nur erstaunt es mich natürlich schon,
({6})
daß hier die Kollegen der SPD und der FDP vom Haushaltsausschuß unterschreiben können, daß der Gesetzentwurf mit der Haushaltslage des Bundes für vereinbar erklärt werden kann. Es ist mir in einer Zeit, in der wir ständig damit befaßt sind, hier Mittel zu kürzen, hier dem Bürger, dem kleinen Mann auf der Straße, das eine oder das andere Opfer abzuverlangen, völlig unverständlich, daß in diesem Bereich nach wie vor, obwohl der Bundesrechnungshof klar aufgezeigt hat, welche Aufgaben nicht mehr durch das BIBB wahrgenommen werden sollten, die 30-Millionen-Grenze im Haushalt beibehalten wird.
({7})
Ich muß dein Herrn Bundesminister natürlich schon ein Kompliment machen, und zwar deshalb, weil er es durchaus verstanden hat, in seiner Argumentation immer von Konsensfähigkeit und ähnlichem zu reden. Er hat hier in einer - so möchte ich fast sagen - poetischen Art und Weise darauf hingewiesen, daß die Konsensfähigkeit in den viertelparitätisch verflochtenen Gremien des Bundesinstituts bewußt geschaffen werden soll. Er hat es bis vor kurzem verstanden, die Beteiligten etwas zu beruhigen oder Ihnen - wie gesagt, in seiner eigenen Art - seine Argumentation darzulegen. In der Zwischenzeit ist da erfreulicherweise doch eine Änderung eingetreten.
Ich muß in diesem Zusammenhang doch noch einmal auf den Präsidenten des Bundesinstituts zurückkommen, der Ihnen j a, Herr Bundesminister, am 31. Juli 1981 geschrieben hat, „sofort nach der Konstituierung des neuen Hauptausschusses den Dialog mit dem Hauptausschuß des Bundesinstituts über Fragen der Qualitätsverbesserung und der finanziellen Förderung der beruflichen Bildung in den 80er Jahren fortzusetzen".
({8})
Ich meine, es wäre ein verhängnisvoller Fehler, wenn man Ihnen hier nachgeben und so den Eindruck erwecken würde: Ja, hier ist so ein kleines Gesetzchen, das erforderlich ist, weil das Bundesverfassungsgericht da in einer unerhörten Art und Weise irgend etwas gemacht hat, was es gar nicht hätte machen dürfen. - Woran natürlich wieder die bösen Bayern schuld sind.
Weil wir gerade bei Bayern sind, Herr Neuhausen, fällt mir noch einmal ein, was Sie mit dem Unterhöhlen oder Aushöhlen gesagt haben, das duale Ausbildungssystem würde in der Tat durch diese Gesetzesvorlage ausgehöhlt. Das ist nur nach außen einfach nicht erkennbar. Das muß ich noch einmal mit aller Deutlichkeit sagen. Es genügt hier in diesem Hause nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren, das Bekenntnis zum dualen System ständig über die Lippen zu bringen, indem man es wie eine Fahne, nur mit ständig wechselnden Farben, vor sich herträgt.
Ich möchte hier Bezug nehmen auf eine Aussage unseres bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, die er in diesem Haus vor zwei Jahren getätigt hat. Er hat in bezug auf die Marktwirtschaft gesagt - ich wiederhole dies sehr gern -, denn es bezieht sich - ({9})
- Hören Sie doch zu, dann hören Sie, was er gesagt hat. Es ist immer wieder gut, das zu hören, was der bayerische Ministerpräsident sagt. Besonders Sie sollten hier aufpassen, denn hier können Sie immer viel dazulernen.
({10})
- Ja, es freut mich, daß Sie aufpassen, und ich sage es Ihnen ja jetzt in aller Deutlichkeit.
Er hat also gesagt - ich beziehe das hier genauso auf das duale System -:
Das Wort duales Ausbildungssystem ist eine Art Wieselwort geworden. Der Begriff Wieselwort läßt sich wie folgt erläutern: Die Wiesel sind Tiere, die Eier austrinken können, ohne die Schale zu zerbrechen. Das heißt: Es bleiben leere Schalen übrig, die man dann mit beliebigen Begriffen füllen kann. So wird der Begriff duales System heute von manchen auch verwendet. Die Worthülse bleibt übrig. Aber darunter wird etwas ganz anderes verstanden und ein ganz anderer Inhalt eingefüllt.
Das ist das, was Sie auch mit diesem Gesetz bezwekken.
({11})
Sie sagten, ich hätte in meiner ersten Rede den Wirtschaftsminister ins Wort genommen. Ich darf
Ihnen versichern, meine sehr verehrten Damen und Herren - vor allem Ihnen in der FDP -: Überlegen Sie sich noch einmal gründlich, ob sie diesen Weg mitgehen wollen. Ich sage mit aller Deutlichkeit - ich bedaure, daß der Bundeswirtschaftsminister heute nicht hier ist -: Ich nehme den Bundeswirtschaftsminister noch einmal in die Pflicht.
({12})
Leider, muß ich sagen, kann ich nicht die gesamte Regierung in die Pflicht nehmen - Herr Neuhausen, das wissen Sie doch besser als wir von der Opposition -, weil man natürlich heute die Regierung als Ganzes nicht mehr sehen kann.
Das ist doch der Grund, weshalb man auf den einzelnen Minister zugehen muß.
({13})
Und er ist nun einmal zuständig für den Bereich der Wirtschaft, er ist mit dafür zuständig. Ich muß sagen: Es ist für mich an sich ein Skandal, daß der Bereich der Berufsbildung im Wirtschaftsministerium in der gleichen Größenordnung abgehandelt wird wie etwa das Referat Verbraucherschutz oder Tourismusfragen.
({14})
- Verehrter Herr Kollege, wenn wir von Wirtschaft sprechen, dann meinen wir sowohl die Arbeitgeber als auch die Arbeitnehmer. Wir lassen uns auch hier nicht auf irgendeine klassenkämpferische Parole von Ihnen ein, sondern wir wissen, was dahintersteckt: Das ist die Definition.
({15})
Ich will deshalb nochmals die FDP auffordern, auf die Verbesserungen, die Sie eingebracht oder heute zumindest angesprochen haben, Herr Kollege Neuhausen, einzugehen. Lesen Sie noch einmal den Bericht des Bundesrechnungshofes; auch Sie, Frau Schmidt sollten das tun.
Herr Kollege Rossmanith, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Westphal?
Herr Westphal, ich habe noch eine Minute. Ich komme zum Ende.
({0})
- Ja, aber ich nehme an, Herr Wehner, daß mir der Präsident den Schlußsatz noch genehmigt.
({1})
- Recht herzlichen Dank im voraus. Ich kann wegen der Kürze der Zeit nicht mehr auf den Bundesrechnungshof eingehen. Ich kann hier nur jedem empfehlen, diesen Bericht noch einmal nachzulesen, der - vielleicht wollten Sie das sagen,
Herr Kollege Westphal - hier in keinster Weise von irgendeiner Seite, schon gar nicht vom Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft, widerlegt worden ist. Die Vorwürfe des Bundesrechnungshofes sind nach wie vor vorhanden; sie sind auch berechtigt.
Ich will zum Schluß nochmals sagen: Wir sind Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr, sehr weit entgegengekommen. Wir haben Änderungsvorschläge mitgetragen, haben sie eingebracht und haben schweren Herzens - das möchte ich betonen - den Rest dieses Gesetzes unangetastet gelassen, einfach um damit auszudrücken und auch zu dokumentieren, daß uns die berufliche Ausbildung ein großes Anliegen ist, daß wir darin die Wirtschaft und die Ausbildungsbetriebe, die qualitativ sehr gut ausbilden - Handwerk, Industrie und sonstige Ausbildungsbetriebe - einschließen. Schwarze Schafe gibt es überall. Wir haben hier nicht Gesetze für ein oder zwei schwarze Schafe zu machen, sondern für die 99,99 %, die eine qualitativ hochwertige Ausbildung bieten. Ich sage: schweren Herzens sind wir Ihnen hier sehr weit entgegengekommen. Wenn Sie bei diesen Änderungsvorschlägen nicht mit uns gehen können, dann bleibt uns nichts anderes übrig, als hier mit Nein für den gesamten Komplex dieses Gesetzes zu stimmen.
({2})
Das Wort hat der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte eigentlich zu Beginn feststellen, daß es eine erfreuliche Tendenz ist, daß in den letzten Jahren die Gegensätzlichkeiten in der berufsbildungspolitischen Diskussion abgebaut worden sind. Die Wortbeiträge aber, die Sie bisher geliefert haben, lassen mir da ein bißchen den Atem stocken.
Dennoch: Es gibt heute mehr Konsens als Dissens. Das zeigt sich in der Diskussion zwischen den Tarifparteien. Es gibt keine tiefgreifenden und bösen Konflikte zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern. Dort wird handfest an Ausbildungsordnungen oder an Fragen der Grundbildung gearbeitet. Das zeigt sich auch in der Arbeit des Bundesinstituts, im Hauptausschuß etwa, den wir jetzt wiederherstellen wollen, in der Zusammenarbeit von Arbeitgebern, Bund, Ländern und Gewerkschaften. Dieses große Stück an mehr Gemeinsamkeit tut dem Ausbildungssystem gut. Es tut den Auszubildenden gut, es tut der Wirtschaft und den Ausbildern gut. Ich glaube, daß taktische Positionen, wie Sie sie heute hier vertreten haben, oder diese ideologischen Verkrustungen, wie sie bei Ihnen immer wieder hochkommen, keinem in diesem System wirklich helfen.
({0})
Ich will es, damit es auch der Kollege Probst begreift,
wiederholen. Insgesamt ist das jetzt sicher zum 146.
Mal: Ich schätze das duale System. Die Bundesregierung will das duale System nicht abschaffen. Das duale System ist gut. Wenn Sie es zum 147. Mal hören wollen, wiederhole ich es zum Schluß meiner Rede gerne noch einmal: vielleicht geht es dann auch in einen bayerischen Schädel hinein.
({1})
Das duale System hat sich bewährt. Es hat sich in der Frage der Zurverfügungstellung von Ausbildungsplätzen bewährt, also bei quantitativen Fragen, und es hat sich bei der Verbesserung der Qualität trotz des großen Quantitätsdruckes der letzten Jahre bewährt. Niemand wird bestreiten können, daß das duale System, auch wenn es den einen oder anderen Punkt noch zu verbessern gilt, international ein hohes Ansehen hat. Dahinter steckt das Engagement von zahllosen Betrieben und Ausbildern, von Kammern, von Betriebsräten, von Gewerkschaften, aber auch von Schulen. Es sollte deutliche Anerkennung erfahren, daß hier alle in den letzten Jahren mit zum Teil unmenschlichen Anstrengungen etwas geleistet haben, was den Beifall dieses Parlaments verdient hat.
({2})
Gleichzeitig glaube ich aber, daß auch die Instrumente des Ausbildungsplatzförderungsgesetzes, das wir heute durch das Berufsbildungsförderungsgesetz erneuern wollen, wesentlich dazu beigetragen haben, die großen Probleme der letzten fünf Jahre mit bewältigen zu helfen.
Ich will diese Instrumente, die wir im neuen Gesetz wiederherstellen wollen, nur noch einmal ganz kurz erwähnen. Mein Vorredner, der Kollege Schätz, hat bereits darauf hingewiesen.
Wir brauchen in dieser großen und praktisch unübersehbaren Ausbildungslandschaft ein Instrumentarium der Statistik, damit wir, wenn es um Aussagen geht, nicht mit der Stange im Nebel herumstochern müssen.
({3})
Ich denke, daß das statistische Instrumentarium, was wir vorgelegt haben, wirklich eher unaufwendig denn überaufwendig ist. Es ist flexibel und überfordert keinen. Weniger zu machen wäre den Jugendlichen und ihrer Zukunft gegenüber sträflich.
Der Berufsbildungsbericht, über den hier bereits mehrfach geredet worden ist, ist ein Instrument, ein Vorwarnsystem, ein Hauptbuch der beruflichen Bildung, um das uns manche ausländischen Berufsbildungsfachleute beneiden. Wir haben mit vielen gesprochen, aus Italien - der Ausschuß war da -, aus Ungarn, aus Österreich, aus England. Sie haben gesagt, einen solchen Überblick, ein solch transparentes System, einmal im Jahr zusammengefaßt, brauchten sie eigentlich auch, etwa zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Dieser Bericht, würde ich sagen, ist ein großer Fortschritt und sollte nicht in Frage gestellt werden.
Was das Bundesinstitut für berufliche Bildung angeht, ohne das man diesen Bericht und die Statistik nun einmal nicht erstellen kann, so bin ich ein bißchen irritiert, wenn ich mir die Kritik der CDU/CSU angucke. Zunächst einmal geht die Kritik an dem Institut, insbesondere an den vier Gruppen, die im Institut sitzen - Gewerkschaften, Wirtschaft, Bund und Länder - völlig vorbei. Sie arbeiten in einem solchen Maße zusammen, wie es Ihre Redner bisher offensichtlich noch nicht zur Kenntnis genommen haben. Ich muß auch sagen, daß die permanente Kritik, dieses Rumbohren an den Grundfesten des Instituts in Berlin und in Bonn die Motivation der mehr als 350 Mitarbeiter langsam aber sicher unterhöhlt. Ich kann nur sagen: Lassen Sie davon endlich einmal die Finger.
({4})
Ich kann es auch nicht nachvollziehen, wenn die Unionsparteien heute sagen, wir sollten die Entwicklung des Instituts wieder zurückdrehen, damit es hauptsächlich Forschungsaufgaben wahrnimmt, obwohl sie vor zwei oder drei Jahren die Bundesregierung und die Koalitionsparteien geprügelt und gesagt haben: endlich einmal weg von dieser Forschung, hin zu praxisorientierter Hilfestellung durch das Institut.
({5})
Wir haben das gemacht, so daß praxisorientiert in dem Institut für die Betriebe, für die Wirtschaft gearbeitet wird. Nun kommt genau umgekehrt der Antrag, das Ganze wieder zurückzudrehen. Ich würde sagen, Sie sollten sich endlich einmal intern darüber klar werden, was Sie eigentlich wollen.
({6})
Was ich überhaupt nicht verstehen kann, Herr Kollege Rossmanith, ist die Kritik an den Kosten für das Institut. Das Institut kostet im laufenden Jahr etwa 29 Millionen DM.
({7})
- Dahinter steckt, das muß ich sagen, daß das Institut den Differenzbetrag durch eigene Einnahmen deckt. Das ist auch der Wunsch des Haushaltsausschusses.
Diese 29 Millionen DM Nettokosten decken ab die Leistung und die Hilfe für 1,7 Millionen Auszubildende; sie decken ab die Hilfestellung für die Reform von 450 anerkannten Ausbildungsberufen; sie decken mit ab die Wünsche und die Zukunft von 500 000 Ausbildern. Sie decken ab die Interessen von mehreren hunderttausend Ausbildungsbetrieben. Dies ist das einzige Institut, das der beruflichen Bildung in dieser Form zur Verfügung steht, und die berufliche Bildung ist der größte Bildungszweig für die größte Zahl der Jugendlichen. Wer da sagt, 27 Millionen seien zuviel, hat nicht begriffen, worum es hier geht.
({8})
Erlauben Sie eine Zwischenfrage?
Gerne, Herr Präsident.
Herr Bundesminister, sind Sie nicht bereit, die Aussagen des Bundesrechnungshofes zu diesem Thema wenigstens zur Kenntnis zu nehmen, wo in ganz massiver Form - in dieser Härte selten vorgetragen - die Verschwendung und die unwirtschaftliche Verwendung der Gelder vernichtend kritisiert werden?
Sie wissen, daß ich trotz mancher heftiger Worte immer Wert auf Authentizität des Zitierens von Aussagen gelegt habe. Ich weise hier mit allem Nachdruck den Ausdruck „Verschwendung" zurück, der in diesem Bericht nie aufgetaucht ist.
({0})
Sie können es nicht wissen, weil Sie nicht mehr permanent im Bildungsausschuß sind: Eine ganze Reihe von Kritikpunkten, die die manchmal umständliche Arbeit des Instituts betrafen, sind inzwischen ausgeräumt, was der Rechnungshof selbst auch eingeräumt hat.
Zu manchem, was Sie sagen, Herr Kollege Probst, muß ich antworten - wenn ich nicht wüßte, daß Sie Milchwissenschaftler sind -: Da lachen die Hühner! Aber um im Bild zu bleiben: Manches von dem, was Sie dem Institut vorwerfen, ist Käse.
({1})
Angesichts der Leichtfertigkeit, mit der Sie hier Vorwürfe gegen mehr als 350 Mitarbeiter erheben, empfehle ich Ihnen ganz ernsthaft, bei nächster Gelegenheit doch einmal mit mir nach Berlin in das Institut zu gehen und die gleichen Vorwürfe dort in einer Vollversammlung, vor angesehenen, guten und ernsthaft arbeitenden Leuten zu wiederholen. Danach reden wir dann weiter.
({2})
Meine Damen und Herren, ich will nicht dazu beitragen, daß wir uns in der Frage der beruflichen Bildung zu sehr auseinanderleben. Ich denke, wir sollten uns darauf besinnen, daß auch in der Zukunft eine Fülle von schwer zu lösenden Aufgaben auf uns wartet. „Auf uns", damit meine ich die Wirtschaft, damit meine ich die Gewerkschaften und Schulen, damit meine ich auch die Politiker in Bund und Ländern.
Allerdings gehört es nicht zu den großen Aufgaben der Zukunft, die Frage, ob wir den Begriff „Auszubildender" wieder in den Begriff „Lehrling" ummodeln, intellektuell, ideologisch oder wie auch immer zu diskutieren. Dies, glaube ich, ist allenfalls eine Frage von tertiärem oder noch fernerem Rang.
({3})
Es gibt andere Aufgaben, die wir primär zu behandeln haben.
({4})
Zur Aufklärung der jüngeren Kollegen der Union - die sitzen noch nicht alle so lange hier wie ich - möchte ich auch sagen: Es hat im Jahre 1966 einen Gesetzentwurf der Unionsparteien gegeben, in dem zum erstenmal gefordert worden ist, den Begriff „Lehrling" durch den Begriff „Auszubildender" zu ersetzen. Ich glaube, es war dem löblichen Einfluß von Herrn Katzer zuzuschreiben, daß wir diesen „großen" Schritt auch getan haben.
({5})
Ich will verdeutlichen: Vor uns steht das Problem, bis etwa 1985/86 jedes Jahr mehr als 600 000 Jugendliche in Ausbildung zu bringen.
({6})
- Ich komme gleich darauf zurück.
Vor uns steht die Frage: Wie können wir die jährlich 100 000 bis 110 000 Jugendlichen, die keine Ausbildungschance bekommen, die Benachteiligten, in das duale System integrieren? Vor uns steht die Frage: Wie können wir die Probleme der Gleichwertigkeit wirklich regeln - nicht mehr nur darüber reden -, wie also können wir es schaffen, daß jemand mit einer hochqualifizierten Ausbildung und beruflicher Praxis nicht immer noch auf Umwegen über die Abendrealschule seinen Aufstieg finden muß, wie können wir verhindern, daß künftig einer, der Meister ist, wenn er Fachlehrer für Berufspraxis an einer deutschen Schule werden will, erst einmal wieder auf die Abendrealschule muß? Ich denke, das sind praktische Aufgaben, die wir regeln können. Sie sind wichtiger als die Frage „Azubi" oder „Lehrling".
({7})
Herr Bundesminister, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Daweke?
Ja.
Bitte sehr.
Herr Bundesminister, stimmt es denn, daß Sie den Begriff „Auszubildender" auch deshalb verteidigen, weil er das letzte Stück Reformpolitik in der Bildungspolitik der Sozialdemokraten ist und es das zu verteidigen gilt?
({0})
Nein, Herr Kollege Daweke. Ich nehme hier eigentlich eine karitative Aufgabe wahr: Das ist eines der wenigen Stücke von Reform, das die Union selbst einmal zustande gebracht hat. Das möchte ich für Sie bewahren, damit Sie daran erinnert werden: Es geht auch anders.
({0})
Meine Damen und Herren, ich will den Katalog der vor uns liegenden Aufgaben nicht verlängern.
Wir sind uns, wenn es darum geht, diese Aufgaben zu beschreiben, weitgehend einig.
Erlauben Sie noch eine Zwischenfrage, Herr Bundesminister?
Bitte schön.
Herr Minister, die Frage ist einfach und kurz. Ich möchte Sie bitten, zu sagen, wie Sie die Kritik Ihres Regierungschefs an diesem Begriff „Auszubildender" beurteilen.
Herr Kollege, ich bin Ihnen dankbar, daß Sie eine einfache Frage stellen. Bildungsminister sind einfache Menschen. Daß Sie das noch einmal bestätigt haben, ehrt mich.
Darf ich, wenn Sie die Position meines Bundeskanzlers, den ich sehr schätze, in dieser Frage ernst nehmen, davon ausgehen, daß Sie auch wesentliche andere Fragen der Regierungspolitik des Herrn Bundeskanzlers genauso ernst nehmen?
({0})
Wenn dies der Fall wäre, Herr Kollege, wäre ich gern bereit, mit Ihnen über die Frage zu reden, ob wir künftig wieder von „Lehrlingen" sprechen wollen. Aber Sie müssen mir zunächst einmal für die CDU/ CSU-Fraktion eidesstattlich die Versicherug abgehen, daß Sie auch in allen anderen Fragen mit uns d'accord sind.
({1})
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
Ja.
Herr Minister, Sie haben zwar viele Worte gemacht, was zeigt, wie notwendig die Frage war, aber ich darf trotzdem noch einmal fragen - wir debattieren ja jetzt hier über dieses Thema -, wie Sie die Kritik des Regierungschefs an dem Begriff „Auszubildender" beurteilen.
Ich muß sagen, die Kritik des Regierungschefs habe ich aus nächster Nähe miterlebt. Es handelte sich um einen Handwerksabend mit dem Präsidenten des Deutschen Handwerks - beim ZDH. Der Bundeskanzler hat gesagt, in seiner Zeit damals habe es „Lehrling" geheißen und er hätte nichts dagegen, wenn es heute wieder „Lehrling" hieße. Diese Auffassung vertrete auch ich.
({0})
Nur muß ich sagen, wenn da eine ganze Union mit einem Riesenstab an wissenschaftlichen Mitarbeitern sitzt und uns für ein Mini-Gesetz vorschlägt, den Begriff zu ändern, und völlig vergißt, daß er originär im großen Berufsbildungsgesetz geregelt wird, kann
ich nur empfehlen: Lernen Sie noch mal die Technik, und dann reden wir beim nächstenmal erneut darüber.
({1})
Wir sind uns über die vor uns liegenden Aufgaben inhaltlich weithin einig, etwa was die Frage der Integration der Benachteiligten und die Frage neuer Bildungschancen für Mädchen angeht. Wir brauchen dazu alle Anstrengungen bei Arbeitgebern, bei Gewerkschaften, bei Schulen und Ländern, bei Bund und Wissenschaften. Wir sind bereit, das Unsere dazu zu tun.
Wenn Sie diesem Gesetz die Zustimmung geben und auf Ihren Antrag verzichten könnten, würden auch Sie einen Beitrag dazu leisten.
({2})
Als nächster Redner hat das Wort der Herr Abgeordnete Weisskirchen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Dr. Wilms! Sie haben hier einige Punkte angeschnitten, die positiv begonnen haben. Gern unterstreiche ich, was Sie gesagt haben. Es war eine gute Leistung, daß in den letzten Jahren eine große Anstrengung gemacht worden ist. Wir haben heute sehr viel mehr Ausbildungsplätze als z. B. 1975 und in den Jahren davor zur Verfügung. Ich erkenne sehr gern an, daß Sie das positiv gewürdigt haben. Nur müssen Sie hinzufügen: Dazu hat auch die Leistung der sozialliberalen Koalition beigetragen, die in der Reform der beruflichen Bildung ein ganz entscheidendes Stück vorangekommen ist. Das haben Sie nicht hinzugefügt. Sie haben, Frau Dr. Wilms - und ich weiß ja, daß Sie das, was Sie in jedem Punkt gesagt haben, vermutlich gar nicht so ganz ernst genommen haben -, wieder ein Riesenschlachtengemälde vorgeführt: da habe der Staat dirigistische Maßnahmen vor, da gebe es den großen bösen Zentralismus, und das duale System sei, wie Herr Rossmanith hinzugefügt hat, heute nur noch eine Eierschale.
Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Union. Wir wissen doch alle ganz genau, daß wir alle brauchen, die an der beruflichen Bildung beteiligt sind, um zusammenzuarbeiten, damit die großen Aufgaben, die noch zu bewältigen sind - der Minister hat soeben davon gesprochen -, wenn es geht, gemeinsam geschafft werden können. In der Frage der Quantität sind wir ja in vielen Punkten ein ganz großes Stück vorangekommen - nicht in allen; wir haben davon eben schon gehört. In der Frage der Qualität, einer der großen Zukunftsaufgaben, werden wir noch größere Anstrengungen als bisher machen müssen; sie selber haben das ja angesprochen.
Nur eines von dem, was Sie gesagt haben, hat mich ein bißchen befremdet; Herr Rossmanith hat es an anderer Stelle aufgegriffen. Ich hielte es für einen Rückfall in Ihre eigene bildungspolitische Anfangssituation Ende der 60er Jahre, wo Sie ebenfalls einen neuen Anfang versucht haben, und in der Mitte der 70er Jahre, wenn Sie hinter das Berufsbildungsgesetz zurückfielen. Wenn Sie etwa formulieWeisskirchen ({0})
ren, hier wolle der Staat eingreifen und die Kräfte der Wirtschaft erlahmen lassen oder gar zerstören - so hat sich das angehört -, und wenn das tatsächlich ernst gemeint ist, dann müßten Sie letztendlich doch auch sagen: Von dem, was im Berufsbildungsgesetz richtiger Ansatz war, nämlich daß auch die berufliche Bildung eine öffentliche Aufgabe ist, sollte das wesentliche Stück zurückgenommen werden, das dazu geführt hat, daß in vielen Punkten - Herr Probst, Sie kennen die Diskussion doch ganz genau - kontrovers diskutiert wurde.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Selbstverständlich. Bitte schön, Frau Dr. Wilms.
Herr Kollege Weisskirchen, sind Sie bereit, zuzugeben, daß man sehr wohl unterscheiden muß, ob man vielleicht ein gewisses Grundprinzip, gewisse politische Grundkonzeptionen durchaus bejahen kann, aber dann sehr mißtrauisch oder sehr vorsichtig wird, wenn solche Konzeptionen weiterentwickelt werden, vielleicht auch in Richtungen, die man für wirklich gefährlich hält?
Ich verstehe, daß Sie demgegenüber Bedenken haben, und ich sage Ihnen auch: In manchen Punkten haben ja auch wir gegen die Weiterentwicklung der beruflichen Bildung, wenn man diesen Gesetzentwurf zugrunde legt, einige Bedenken. Ich nenne das Stichwort Finanzierungsregelung, auf das Sie jetzt sicher anspielen wollen. Wir hätten sie gerne gehabt,
({0})
wenn es gelungen wäre, in diesem Punkt einen Schritt voranzukommen. Frau Dr. Wilms, gehen Sie doch bitte einmal nach Konstanz, reden Sie dort mit den Handwerkern und fragen Sie einmal, wieso sie dazu gekommen sind, im November letzten Jahres einen Beschluß zu fassen, wonach eine eigene regionale Umlagenfinanzierung hergestellt wird. Da gibt es in der Praxis vor Ort, in der Wirtschaft, in der gesellschaftlichen Basis, wenn Sie so wollen, eine Reihe von nach vorn weisenden Vorschlägen und Entwicklungen. Warum sollten wir das abschneiden? Ich meine, wir sollten die Frage der Finanzierung wiederaufgreifen, deshalb haben wir einen gemeinsamen Entschließungsantrag vorgelegt; wir sollten darüber reden, wie realitätsnah ein solches Modell ist oder wie solche Überlegungen verwirklicht werden können.
Herr Kollege, erlauben Sie noch eine Zwischenfrage von Frau Dr. Wilms?
Ja.
Herr Kollege Weisskirchen, sind Sie bereit zuzugestehen, daß es sehr wohl ein Unterschied ist, ob man eine gesetzliche zentralistische Finanzierungsumlage plant oder sich überlegt, ob auf regionaler Ebene für eine Branche auf höchst freiwillige Weise zwischen den Tarifpartnern eine Regelung gefunden werden kann.
Selbstverständlich kann es verschiedene Formen von Finanzierungsregelungen geben, völlig klar. Ich widerspreche Ihnen auch nicht darin, daß man sich überlegen muß, ob man das nicht so dezentral wie irgend möglich machen kann. Aber in Ihrer Frage steckt doch auch schon das Eingeständnis - das sollten wir, glaube ich, alle gemeinsam tragen -, daß die Finanzierung der beruflichen Bildung genauso notwendig ist wie die Frage nach den Inhalten der beruflichen Bildung. Das gehört zusammen, und man kann es voneinander nicht trennen.
Im übrigen: Wenn jemand - Herr Rossmanith war es - vorhin darauf hingewiesen hat, daß das Bundesverfassungsgericht oder das Grundgesetz da etwas anderes vorschrieben, dann muß ich das einfach einmal zitieren. Herr Kollege Rossmanith, ich lese das einmal vor, auf den Seiten 50 und 51 können Sie es bei dem Urteil nachlesen:
Es kann zur Zeit noch nicht davon ausgegangen werden,
- so heißt es dort daß die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der möglichen Erhebung der Sonderabgabe „Berufsbildungsabgabe" inzwischen wieder entfallen sind; denn es ist noch nicht abzusehen, ob die Anstrengungen der Wirtschaft, eine hinreichende Zahl von Ausbildungsplätzen zu schaffen, andauernden Erfolg haben werden. Eine Pflicht des Gesetzgebers, im Wege des Nachfassens die Abgabenregelung nach dem Ausbildungsplatzförderungsgesetz zu modifizieren oder aufzuheben, ist damit gegenwärtig noch nicht festzustellen.
Das ist das wesentliche Zitat. Das heißt doch, daß das Bundesverfassungsgericht - Sie können das auch an anderen Punkten noch entnehmen - dies nicht aus der Welt schlägt, sondern diesen Gedanken aufgreift und uns, dem Gesetzgeber, wieder zuspielt,
({0})
damit wir brauchbare Lösungen schaffen, solange eben die Fragen der Quantität und der Qualität noch nicht alleine gelöst sind, daß also der Gesetzgeber, daß der Staat die Pflicht hat, diese Frage aufzugreifen und zu diskutieren und mit den beteiligten Gruppen realistische Modelle anzubieten.
({1})
Trotz aller Auseinandersetzungen, Frau Dr. Wilms und meine sehr verehrten Damen und Herren - - Herr Dr. Probst?
Wollen Sie noch eine Zwischenfrage zulassen? - Bitte.
Die Zwischenfrage ist kurz. Ich wollte Sie nur fragen, warum Sie kein Finanzierungsmodell eingebaut haben, wenn Sie meinen, daß es rechtlich möglich ist.
Das ist eine sehr berechtigte Frage.
Einen Augenblick bitte, Herr Kollege Weisskirchen. Es ist nicht unüblich, daß man, wenn man eine Frage stellt, bei der Erteilung der Antwort stehenbleibt. Herr Kollege Dr. Probst, Sie sind bisher immer sitzengeblieben.
Herr Dr. Probst, die Frage ist berechtigt. Aber ich sage Ihnen, daß es ein leichtes wäre, jetzt irgendeine Finanzierungslösung vorzutragen; es wäre jedoch schwer, dazu die Zustimmung der notwendig beteiligten Gruppen zu finden.
({0})
Das läßt sich nicht ohne weiteres erreichen. Deswegen sagen wir in einem gemeinsamen Entschließungsantrag ausdrücklich: Regierung, gib uns ein paar Vorschläge. Wir werden das dann auch mit Ihnen im Ausschuß mit den Beteiligten, mit den Gewerkschaften, mit den Arbeitgebern, mit den Handwerkern, mit ihnen allen gemeinsam diskutieren. Ich glaube, wir können dann eine brauchbare Lösung finden.
({1})
Zum Schluß will ich noch sagen, daß trotz dieser notwendigen und richtigen Auseinandersetzung, die wir gemeinsam ausgetragen haben - sonst kämen wir hier ja nicht einen Schritt weiter -, niemand ernsthaft darin einen Zweifel setzen kann - Frau Dr. Wilms, Sie haben das ja auch nicht getan, sondern es noch unterstrichen -: Die sozialliberale Koalition hat die Reform der beruflichen Bildung vorangebracht. Heute lernen und arbeiten 90 % der Schulabgänger in einer Einrichtung der weiterführenden beruflichen Bildung, 64 % im dualen System von Betrieb und Berufsschule. In den 50er Jahren - bitte, erinnern Sie sich doch noch einmal daran - waren es mehr als ein Viertel der jungen Menschen, die keine Ausbildung bekommen haben. Heute schaffen 54 % unserer Jugend eines Jahrgangs - die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat das soeben erst erklärt - einen mittleren Abschluß. Das sind immerhin dreimal soviel wie vor 30 Jahren. Noch nie - das ist für uns natürlich sehr wichtig - war der Anteil von Arbeiterkindern daran so hoch wie heute. Vorhin sprach jemand von der Arbeitern. Es war schon sehr eigentümlich, Herr Rossmanith, daß Ihnen bei dem Stichwort „Arbeiter" oder „Arbeitnehmer" nur „Klassenkampf" einfiel. Da spricht nicht für Sie.
({2})
Dies war eine gewaltige Leistung, die die Gesellschaft, und zwar alle Gruppen gemeinsam, vorangebracht hat. Unsere Gesellschaft hat das erkannt. Herr Kollege Neuhausen hat vorhin schon darauf hingewiesen, daß Bildung eine Investition in die Zukunft und für uns alle unverzichtbar ist. Wenigstens das sollte ein Konsens auch in diesem Hause sein und bleiben.
In den Zahlen über Jugendarbeitslosigkeit und noch „Unversorgte", die wir überall lesen können - der Herr Minister hat soeben darauf aufmerksam gemacht -, spiegelt sich wider, daß es immer noch eine Reihe von Problemen gibt, die wir zu lösen haben. Alle Leistungsbilanzen können nicht zudecken - der Berufsbildungsbericht 1980 hat es noch einmal deutlich gesagt -, daß 115 000 Jugendliche - das sind 11 % eines Jahrgangs - ohne Ausbildung geblieben sind. Auch das, so scheint mir, führt dazu, daß der Arbeitslosenanteil der sogenannten Ungelernten bei den Jugendlichen unter 20 Jahren nicht weniger als 74 % beträgt. Es ist schon richtig, daß Sie in einer Kleinen Anfrage nach aktuellen Problemen der von der Bundesregierung geplanten Bildungsreform fragen. Das unterstreicht ja, daß die Bildungsreform notwendig ist und gerade auch in der beruflichen Bildung weitergeführt werden muß. Wenn man sich die Zahlen anschaut, wird einem das auch klar. Lassen Sie mich am Schluß noch kurz einige Probleme anschneiden.
Was nützt es, einem jungen Mann oder einem jungen Mädchen, die in ihrer Heimatgemeinde keinen Ausbildungsplatz finden, wenn es in der Stadt, 60 km entfernt, genügend Ausbildungsplätze gibt? Oder was nützt es dem ausländischen Jugendlichen, was nützt es dem behinderten Jugendlichen, was nützt es dem ehemaligen Sonderschüler, wenn gerade er keine wirkliche Aussicht auf einen Ausbildungsplatz hat? Hat er denn eigentlich keinen Anspruch auf das Grundrecht auf Bildung?
({3})
Wächst nicht in den letzten Jahren bei Zehntausenden junger Menschen jeden Jahrgangs, deren Hoffnungen enttäuscht werden und deren Mut sinkt, weil sie keine Ausbildungschancen haben,
({4})
der Zweifel an unserer Solidarität, die wir auch ihnen gegenüber aufzubringen hätten?
({5})
Deshalb müssen Sie sich wirklich fragen lassen, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition: Wie wollen Sie eigentlich auf die Jugend zugehen und ihr erklären, daß Sie sich um ihre Zukunftschancen kümmern, wenn Sie noch nicht einmal diesem Gesetz zustimmen wollen? Das verstehe ich einfach nicht.
({6})
Wenn wir nämlich alle nicht wollen - und das können wir nicht wollen -, daß die Ereignisse in Toxteth und Liverpool, also Maggie Thatchers England, auch auf unsere Großstädte übergreifen - denken Sie einmal daran, wenn Sie mit offenen Augen durch unsere Großstädte gehen; solche Situationen können auch bei uns entstehen -,
({7})
Weisskirchen ({8})
dann müssen wir überzeugende Antworten auf die Fragen nach der Quantität und der Qualität finden, die noch offen sind.
({9})
- Vielleicht - ich habe die große Hoffnung, Herr Rossmanith - gelingt es uns dann eben doch, in der Diskussion, die wir heute schon durch unseren Antrag beleben, deutlich zu machen, daß wir die Sache in den Vordergrund stellen. Dazu gehört eben auch - ich habe eben schon darauf hingewiesen, Frau Dr. Wilms -, daß Sie die Wirklichkeit akzeptieren lernen müssen. Die Wirklichkeit sagt: Finanzierungsregelungen sind alltägliche Praxis. Wir sind nicht diejenigen, die Ideologien nachlaufen,
({10}) sondern wir sagen:
({11})
Finanzierung ist notwendig, Herr Rossmanith! Wenn es dann gelingen könnte, aus den Grabenkriegen, den Schützengräben der Ideologie herauszukommen, dann sollten wir an diesem Punkt eine Gemeinsamkeit haben.
({12})
Die Zehntausende von Jugendlichen, die einen Ausbildungsplatz brauchen, damit sie eine Chance in der Gesellschaft haben, warten darauf, daß wir ihnen richtige und gute Lösungen anbieten. Wir sind dazu bereit. Dazu gehört auch dieses Berufsbildungsförderungsgesetz.
({13})
Das Wort hat die Frau Abgeordnete von Braun-Stützer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, daß es wegen der Kürze der Zeit besser wäre, wenn ich mich auf einen, wie mir scheint, sehr wesentlichen Punkt beschränke.
Ich möchte einen Punkt aufgreifen. Die Geschichte der Berufsbildung in der Republik wimmelt in den letzten zehn Jahren nur so von Beispielen dafür, daß die CDU/CSU in der beruflichen Bildung ursprünglich Dinge forderte - von den Reformzielen über die überbetrieblichen Ausbildungsstätten bis hin sogar zur Finanzierungsfrage -, die sie im Moment öffentlich heftig angriff, als auch die Koalitionsparteien dies forderten. Das hat sie über zehn Jahre lang konsequent getan. Meiner persönlichen Einschätzung nach beweist dies - dies ist belegbar -, daß es der Opposition in all diesen Fragen, wenn es letzendlich nicht mehr um die Sache, sondern um die Entscheidungsphase ging, um die reine Wahlkampfstrategie und um das reine Wählerkalkül und nicht um die Sache ging.
({0})
Angesichts der Probleme, die wir in den nächsten
zehn Jahren vom Arbeitsmarkt her und damit für
das Bildungssystem zu bewältigen haben werden, halte ich diese Art von taktischem Vorgehen in lebenswichtigen Fragen der Nation für unerträglich und unverantwortlich.
({1})
Die gewaltigen strukturellen Veränderungen in den 80er Jahren, die wir zum großen Teil über das Bildungssystem bewältigen müssen, rechtfertigen diese Aussage. Wir alle wissen, daß ganze Regionen mit überdurchschnittlich hohem Ausbildungsstellenmangel zu kämpfen haben, daß ganze Regionen damit eine hoffnungslose Situation für Jugendliche anzubieten haben.
({2})
- Ich wußte schon, daß das kommt. - Kein verantwortlicher Politiker, ganz gleich, wie diese Bundesländer regiert werden, wird dort seriös Hoffnung auf Besserungen in den nächsten Jahren verkünden können. Ich halte das für einen wesentlichen Punkt.
({3})
- Wenn ich richtig informiert bin, stellen Sie in manchen Bundesländern gelegentlich die Mehrheit, und da soll es auch Landeswirtschaftsminister geben!
({4})
- Das kann man sehr unterschiedlich sehen, insbesondere im Hinblick auf das Angebot an Ausbildungsstellen, ich sage beispielsweise jetzt einmal: in Friesland; das ist, glaube ich, das richtige Wort.
({5})
Wir haben zweitens auf dem Arbeitsmarkt in den nächsten Jahren mit einem zusätzlichen strukturellen Problem zu kämpfen. Das werden die neuen Technologien sein, die große Veränderungen in den Büroberufen und in den Dienstleistungsberufen hervorrufen werden. Wir werden auf dem Arbeitsmarkt mit einer zunehmenden Zahl von Alleinstehenden mit Kindern zu kämpfen haben. All dies sind zusätzliche Anforderungen an den Arbeitsmarkt und damit Anforderungen an das Bildungssystem. Wir werden auf dem Arbeitsmarkt eine zunehmende Anzahl von qualifiziert ausgebildeten Frauen unterzubringen haben, die die gleichen Rechte und den gleichen Anspruch auf dem Arbeitsmarkt haben. Dies sind alles Probleme, die zusätzlich zusammen mit den Problemgruppen, von denen wir vorhin gesprochen haben, in den nächsten Jahren auf dem Arbeitsmarkt einen ungeheuren Kampf verursachen werden; ich spreche von den Behinderten und den Ausländerkindern.
All dies beweist und zeigt - die jetzigen Arbeitsmarktzahlen beweisen dies bereits -, daß höhere Qualifikation nach wie vor besser gegen Arbeitslosigkeit schützt. Das heißt: Je breiter und vielseitiger eine Ausbildung angelegt ist, um so größer ist die Vermittelbarkeit und Umschulbarkeit des Arbeitnehmers bei Strukturveränderungen.
({6})
Das sollte eigentlich eine platte Wahrheit sein. Ich habe aber den Eindruck, daß insbesondere eine Fraktion in diesem Hause dies immer noch nicht begriffen hat.
Diese Art von Einstellung setzt nämlich langfristiges Denken und langfristiges Handeln vorraus.
({7})
- Herr Probst, Sie spreche ich gleich ganz besonders an; ich werde einen Punkt aus Ihrer Anfrage herausgreifen. - Dies setzt in der Bildungspolitik für die nächsten zehn Jahre politische Prioritäten voraus. Man sollte sich dabei die Mühe machen, nicht nur den eigenen kleinen Fachbereich anzugukken, sondern auch in die Sektoren anderer Politikbereiche hineinzugucken, insbesondere in den Arbeitsmarkt.
({8})
Es geht um politische Prioritäten auch in der Bildungspolitik, die nicht nur kurzfristige Verwertbarkeit auf dem Arbeitsmarkt zum Ziel haben - damit kommen wir in den nächsten zehn Jahren nicht weiter -,
({9})
sondern dem zukünftigen Arbeitnehmer eine langfristig und breit angelegte Grundausstattung an Bildung mitgeben als, wenn man so will, Schwimmweste für stürmische Zeiten, die wir - ich habe gerade versucht, das aufzuzeigen - in den nächsten zehn Jahren zu bewältigen haben werden.
({10})
- Herr Probst, diese Art von Priorität scheint Ihnen völlig fremd zu sein.
({11})
Sie kritisieren es sogar noch. Ich darf Ihnen einmal zitieren, was Sie für eine Anfrage stellen. Sie be-weißt, daß Ihnen dieser Gedankengang völlig fremd ist.
Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Rossmanith?
Nein, jetzt nicht.
Ich zitiere nun aus der Frage 2 c. Sie fragen die Bundesregierung - ich erinnere jetzt an die Arbeitsmarktprobleme, die in den nächsten zehn Jahren auf uns zukommen werden -, ob es überhaupt zu verantworten ist,
eine aufwendige Forschung permanent zu betreiben, wenn keine Aussicht und keine Veranlassung besteht, von ihren eventuell anwendbaren Erkenntnissen in absehbarer Zeit irgendwelchen Gebrauch zu machen.
Ich finde diese Anfrage angesichts der Problematik, die in den nächsten Jahren auf uns zukommen wird, empörend.
({0})
Was, Herr Probst, ist für Sie aufwendige Forschung, gemessen an den Problemen, die wir in den nächsten zehn Jahren haben? Was heißt für Sie: keine Aussicht und keine Veranlassung, eventuell die Erkenntnisse anzuwenden? Ich habe überhaupt kein Verständnis für diese Art, zu denken.
({1})
- Ich habe leider nur sehr wenig Zeit. Hier vorne leuchtet schon das rote Licht auf. Wie Sie wissen, sind die zweiten Redner immer die Ausputzer. Deshalb möchte ich diesen Gedankengang noch zu Ende führen.
({2})
- Ich glaube nicht, daß die Kollegen mir nachweisen können, daß ich kneife.
({3})
- Ich glaube nicht, daß man mir normalerweise nachsagen kann, daß ich kneife, Nur, in diesem Fall bitte ich um Verständnis dafür, daß ich eine Frage nicht zulasse.
({4})
- Nein, ich finde, man sollte mir, da ich ohnehin so wenig Zeit habe, wenigstens die Möglichkeit geben, einen Gedankengang zu Ende zu führen. Jetzt wende ich mich wieder an Herrn Probst.
({5})
Ich glaube, daß diese Art von Einstellung, wie Sie sie in dieser Anfrage vorgelegt haben, von keinem seriösen Bildungspolitiker in der gesamten Republik geteilt wird, von keinem aus der CDU, weder von Frau Laurien noch von Herrn Remmers.
({6})
Sie stehen mit dieser Einstellung mit der CSU mutterseelenallein. Dahinter steht der große Schlagschatten des immer kleiner werdenden Bruders aus dem Süden.
({7})
Ich behaupte: Wenn die CDU/CSU - das ist auch eine Anmerkung, die ich an Herrn Pfeifer richten möchte - langfristig ein seriöses bildungspolitisches Gesamtbild in der gesamten Republik abgeben will,
({8})
dann sollte sie sich überlegen, ob sie es sich noch
lange erlauben kann, daß das langsamste Schiff im
Geleitzug nicht nur die Geschwindigkeit bestimmt,
sondern auch noch in eine völlig andere Richtung zieht.
({9})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen jetzt zur Einzelberatung und Abstimmung. Ich rufe § 1 in der Ausschußfassung auf. Wer der aufgerufenen Vorschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? ({0})
- Meine Damen und Herren, die Opposition hat die Abstimmung akustisch nicht verstanden; ich wiederhole sie.
({1})
Ich rufe § 1 in der Ausschußfassung auf. Wer der aufgerufenen Vorschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die aufgerufene Vorschrift ist angenommen.
Ich rufe § 2 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 9/854 unter Ziffer 1 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wer § 2 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die aufgerufene Vorschrift ist in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe die §§ 3 und 4 in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Die aufgerufenen Vorschriften sind angenommen.
Ich rufe § 5 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 9/854 unter Ziffer 2 ein Änderungsantrag der CDU/CSU vor. Es wird eine Bleichlautende Änderung in § 11 beantragt. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
({2})
- Ich bitte um Ruhe. Sonst heißt es nachher, man habe es akustisch nicht verstanden.
({3})
Wer § 5 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die aufgerufene Vorschrift ist in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe den Änderungsantrag der CDU/CSU unter Ziffer 3 der Drucksache 9/854 auf. Es wird beantragt, nach § 5 einen neuen § 5 a einzufügen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Ich rufe § 6 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 9/854 unter Ziffer 4 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthält sich jemand der Stimme? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wer § 6 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die aufgerufene Vorschrift ist in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe die §§ 7 bis 22, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die aufgerufenen Vorschriften sowie die Einleitung und die Überschrift sind angenommen.
Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen. Wir treten in die
dritte Beratung
ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Das Gesetz ist angenommen.
Es ist noch über eine Beschlußempfehlung des Ausschusses abzustimmen. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 9/827 unter Nr. 2 die Annahme einer Entschließung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Internationalen Übereinkommen von 1973 zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe und zu dem Protokoll von 1978 zu diesem Übereinkommen
- Drucksache 9/805 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Verkehr ({4}) Innenausschuß
Das Wort wird nicht gewünscht.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf zur federführenden Beratung an den Ausschuß für Verkehr und zur Mitberatung an den Innenausschuß zu überweisen. Ist das Haus mit den vorgeschlagenen Überweisungen einverstanden? - Es erhebt sich kein Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 20 bis 22 auf:
20. Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({5})
Vizepräsident Wurbs
Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Deutschen Bundestages
- Drucksache 9/818 - Berichterstatter: Abgeordneter Broll
21. Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({6})
Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Deutschen Bundestages
- Drucksache 9/819 - Berichterstatter: Abgeordneter Collet
22. Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({7})
Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Deutschen Bundestages
- Drucksache 9/820 Berichterstatter:
Abgeordneter Wolfgramm ({8})
Das Wort wird offensichtlich nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer den Beschlußempfehlungen des Ausschusses auf den Drucksachen 9/818, 9/819 und 9/820 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlungen des Ausschusses sind damit angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 5. Juli 1979 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Finnland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie einiger anderer Steuern
- Drucksache 9/573 Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({9})
- Drucksache 9/834 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Kreile ({10})
Wird das Wort von dem Berichterstatter gewünscht? - Das ist nicht der Fall. - Das Wort wird offensichtlich auch anderweitig nicht begehrt.
Wir kommen zur Einzelberatung und Schlußabstimmung. Ich rufe die Art. 1 bis 4, Einleitung und Überschrift auf. Die Abstimmung hierüber wird mit der Schlußabstimmung verbunden. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Das Gesetz ist angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 24. Oktober 1979 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik über die Ergänzung des Europäischen
Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 und die Erleichterung seiner Anwendung
- Drucksachen 9/732, 9/776 Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({11})
- Drucksache 9/835 Berichterstatter:
Abgeordnete Dr. Klejdzinski Dr. Wittmann
({12})
Wird von den Berichterstattern das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. - Wird das Wort anderweitig begehrt? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Einzelberatung und Schlußabstimmung. Ich rufe die Art. 1 bis 5, Einleitung und Überschrift auf. Die Abstimmung hierüber wird mit der Schlußabstimmung verbunden. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Das Gesetz ist angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 24. Oktober 1979 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen und die Erleichterung seiner Anwendung
- Drucksachen 9/733, 9/776 Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({13})
- Drucksache 9/837 Berichterstatter:
Abgeordnete Dr. Klejdzinski Dr. Wittmann
({14})
Wird das Wort von den Berichterstattern gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wird das Wort anderweitig begehrt? - Das ist auch nicht der Fall.
Wir kommen zur Einzelberatung und Schlußabstimmung. Ich rufe die Art. 1 bis 6, Einleitung und Überschrift mit der vom Ausschuß empfohlenen Änderung auf. Die Abstimmung hierüber wird mit der Schlußabstimmung verbunden. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Das Gesetz ist angenommen.
Ich rufe Punkt 17 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes
- Drucksache 9/829 Überweisungsvorschlag des Altenstenrates:
Finanzausschuß ({15})
Ausschuß für Wirtschaft
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
Vizepräsident Wurbs
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 9/829 zu überweisen zur federführenden Beratung an den Finanzausschuß, zur Mitberatung an den Ausschuß für Wirtschaft sowie zur Mitberatung und zur Beratung gemäß § 96 unserer Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß. Ist das Haus mit den vorgeschlagenen Überweisungen einverstanden? - Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesbahngesetzes ({16})
- Drucksache 9/830 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Verkehr ({17})
Innenausschuß
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Hauhaltsausschuß gemäß § 96 GO
Wird das Wort zur Einbringung gewünscht? - Das Wort hat der Bundesminister für Verkehr, Herr Dr. Hauff.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind uns wahrscheinlich alle einig, daß die Deutsche Bundesbahn für uns und unsere Volkswirtschaft ein unverzichtbarer Verkehrsträger ist und ihre verkehrspolitische Rolle in der Zukunft immer wichtiger wird.
Aber sicherlich wird mir auch niemand darin widersprechen, daß die Deutsche Bundesbahn trotz aller anerkennenswerten Leistungen - insbesondere der Eisenbahner - und trotz massiver Unterstützung seitens des Bundes zu einem ernsten Problem der Bundesfinanzen geworden ist. Wenn keine neuen Maßnahmen ergriffen werden, so ist zu erwarten - ich trete dafür ein, dieses schonungslos zu sagen -, daß die Gesamtverschuldung der Bahn von etwa 32 Milliarden DM im Jahre 1980 auf rund 53 Milliarden DM im Jahre 1985 ansteigt.
Es hat in den zurückliegenden Jahren und Jahrzehnten eine Vielzahl von Konzepten, von Untersuchungen und von Gutachten zur Verbesserung der Wirtschaftslage der Bahn gegeben. Es hat sich aber gezeigt - ich finde, das sollten wir sehen -, daß es kein Patentrezept für die strukturell gewachsenen Probleme bei der Deutschen Bundesbahn gibt. Jedes umfassende Konzept zur Verbesserung der Wirtschaftslage bewirkte vielmehr massive Widerstände aller Interessengruppen und brachte im ganzen gesehen recht wenig. Wir müssen deswegen im Rahmen der verfügbaren Finanzmittel nach Wegen suchen, wie wir konsequent Schritt für Schritt die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben bei der Bahn schließen oder, wo dies nicht möglich ist, diese Lücken jedenfalls verkleinern.
Erforderlich ist dazu einmal eine Steigerung der Einnahmen der Deutschen Bundesbahn und eine Verringerung ihrer Aufwendungen. Im letzten Punkt war die Deutsche Bundesbahn in den vergangenen Jahren zweifellos erfolgreich. Ich erwähne hier nur die Reduzierung der Zahl der Mitarbeiter in den Jahren 1974 bis heute, aber auch die ganz erhebliche Steigerung der Arbeitsproduktivität bei der Bahn.
Zur Verbesserung des Wirtschaftsergebnisses der Deutschen Bundesbahn ist neben wirtschaftlich sinnvollen Investitionen aber auch die Gewährung von ordnungspolitischem Flankenschutz - so wie in der Vergangenheit - notwendig. Auf allen diesen Gebieten, meine Damen und Herren - Einnahmen, Ausgaben, Erhöhung der Produktivität und ordnungspolitischer Rahmen -, muß weitergearbeitet werden.
Erforderlich ist aber auch eine Verbesserung der inneren Organisation der Deutschen Bundesbahn und ihrer Entscheidungswege. Die Bundesregierung hat mit der Einbringung des Gesetzentwurfs zur Änderung des Bundesbahngesetzes einen ersten wichtigen Schritt in diese Richtung getan. Die Bundesregierung verspricht sich von der Verwirklichung des vorliegenden Gesetzentwurfs einen wesentlichen Fortschritt in dem Bemühen, die innere Organisation der Deutschen Bundesbahn zu verbessern und damit das Unternehmen insgesamt effizienter zu gestalten und seine Stellung auf den Verkehrsmärkten damit zu stärken. Auch ich sehe - wie mancher, der sich an der öffentlichen Debatte beteiligt hat - in diesem Gesetzentwurf keine Wunderwaffe, aber - ich sage es noch einmal - einen ersten wichtigen Schritt zur Lösung der Strukturprobleme bei der Deutschen Bundesbahn.
Da im Mai 1982 die Amtszeit des bisherigen Bundesbahn-Vorstandes abläuft und eine Neubestellung ansteht, wurde der Gesetzentwurf von anderen Zielsetzungen und Überlegungen weitgehend freigehalten, um so eine zügige parlamentarische Beratung und eine auf diesen Zeitpunkt bezogene rasche Umsetzung zu ermöglichen. Die gleiche Chance zur Verbesserung der Organisation und der Führungsstruktur der Deutschen Bundesbahn würde sich erst im Mai 1987 wieder bieten. Diese Zeit dürfen und wollen wir im Interesse der Deutschen Bundesbahn nicht ungenutzt verstreichen lassen.
Meine Damen und Herren, die Novelle zur Änderung des Bundesbahngesetzes behandelt im wesentlichen drei Punkte:
Erstens: Das Planungsrecht für die Deutsche Bundesbahn soll verbessert und vereinfacht werden.
Zweitens: Es soll den Bundesländern ermöglicht werden, den Betrieb auf einer Strecke, die stillgelegt werden soll, auf eigene Rechnung weiterführen zu lassen.
Drittens: Die Führungsstruktur der Deutschen Bundesbahn soll verbessert werden, und zwar durch eine flexiblere Festlegung von Zahl und Amtsdauer der Vorstandsmitglieder, durch die Schaffung von Ressortverantwortlichkeiten im Rahmen der Gesamtverantwortung des Vorstandes, durch die Möglichkeit der Ergänzung durch stellvertretende Vorstandsmitglieder und durch die Bestellung von Führungskräften auf Zeit unterhalb der Vorstandsebene.
Gestatten Sie mir, meine Damen und Herren, zu diesen einzelnen Punkten noch einige Ausführungen zu machen. Ich beginne mit dem zuletzt genannten Punkt:
Nach der derzeitigen Rechtslage besteht der Vorstand der Deutschen Bundesbahn aus vier Mitgliedern, die als Zeitbeamte für die Dauer von fünf Jahren ernannt werden. Sie bilden ein gesamtverantwortliches Kollegium; eine Einzelverantwortlichkeit ist nicht vorgesehen. Dieser Zustand ist unbefriedigend, denn letztlich resultiert daraus die Unmöglichkeit, im Verhältnis zwischen Hauptverwaltung, zentralen Stellen und Bundesbahndirektionen organisatorisch klare Weisungsstränge und klare Verantwortlichkeiten zu schaffen.
Dies soll durch den vorliegenden Gesetzentwurf geändert werden. Mit der vorgesehenen Umgestaltung der Führungsstruktur werden Einzelverantwortungen klargestellt und aufgabenbezogene Verantwortungsbereiche geschaffen, ohne die ein Dienstleistungsunternehmen von der Bedeutung der Deutschen Bundesbahn nicht auskommen kann. Im einzelnen ist vorgesehen, künftig einen Vorstand zu bilden, der neben dem Vorsitzer aus einer veränderbaren Zahl von weiteren Mitgliedern bestehen kann. Die personellen Aufgaben werden dabei wie bisher durch ein Vorstandsmitglied wahrgenommen. Dadurch wird auch ermöglicht, einzelne Vorstandsmitglieder für die Wahrnehmung bestimmter Aufgabenschwerpunkte zu bestellen. Da diese Aufgaben zeitlich begrenzten Charakter haben können, erlaubt § 8, sowohl die Zahl der Vorstandsmitglieder nach dem jeweiligen Bedarf festzulegen als auch im Einzelfall die Amtsdauer von fünf Jahren zu verkürzen, jedoch nicht unter zwei Jahre. Davon kann auch bei vorzeitigem Ausscheiden von Vorstandsmitgliedern Gebrauch gemacht werden. Im Hinblick auf eine größere Flexibilität wird ferner von der Festlegung einer Altersgrenze abgesehen.
Ein modernes Dienstleistungsunternehmen wie die Deutsche Bundesbahn würde in der Wirtschaft sicherlich von mehr als vier ressortverantwortlichen Vorstandsmitgliedern geleitet werden. Ich könnte mir daher durchaus vorstellen, daß neben einem koordinierenden und kontrollierenden Vorstandsvorsitzer etwa noch Vorstandsmitglieder für die Ressorts „Personal und Organisation", für „Absatz und Tochterunternehmen", für „Produktion", für „Vorhaltung der technischen Infrastruktur" sowie zwei kaufmännische Ressorts, und zwar eines für „Finanzen und Beteiligungen" und ein anderes für „Rechnungswesen und Wirtschaftsplanung", vorhanden sein sollten. Diese denkbare Struktur sollte jedoch nicht im Gesetz festgeschrieben werden. Unter solchen eigenverantwortlichen Ressorts als Führungsebene sind dann die bisherigen Abteilungsleiter in der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn nicht mehr erforderlich; d. h. eine Führungsebene entfällt.
Die Angehörigen der obersten Führungsspitze des Unternehmens sollen künftig auf der Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnisses tätig werden. Der Gesetzentwurf geht davon aus, daß das öffentlich-rechtliche Amtsverhältnis eine flexiblere, den Aufgaben der Deutschen Bundesbahn als Wirtschaftsunternehmen besser angepaßte Ausgestaltung und Entwicklung der Rechtsverhältnisse der Vorstandsmitglieder bei der Deutschen Bundesbahn zuläßt. Dadurch sollen auch bessere Voraussetzungen geschaffen werden, um in begrenztem Umfang Persönlichkeiten für die Unternehmensführung der Deutschen Bundesbahn zu gewinnen, die über Erfahrungen in Führungsaufgaben der Wirtschaft verfügen. Im Interesse einer möglichst hohen Leistungsfähigkeit werde ich dafür eintreten, daß ihre Zahl in einem vernünftigen Verhältnis zu den Persönlichkeiten steht, die sich aus dem Bereich des Verkehrswesens, insbesondere des Eisenbahnwesens, für die Führungsspitze der Deutschen Bundesbahn qualifiziert haben. Der Handlungsspielraum des neuen Vorstandes wird schließlich auch dadurch erweitert, daß die neben dem Vorstand wichtigsten Führungspositionen des Unternehmens künftig ebenfalls mit Personen besetzt werden, die in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis stehen. Dies ermöglicht einmal eine Begrenzung der Amtsdauer. Es ermöglicht die Sicherstellung der Übereinstimmung mit den Zielen der Unternehmensführung und, da diese Amtsinhaber wie bisher aus dem Kreis der mit einem hervorragenden eisenbahnspezifischen Fachwissen ausgestatteten Beamten kommen werden, ihre Wiedereingliederung in die frühere Rechtsstellung nach Ablauf oder Beendigung einer Verwendung in dieser Führungsposition. Dies alles, meine Damen und Herren, ist bei dem bestehenden Recht nicht denkbar.
Neben der Verbesserung der Führungsstruktur soll mit dem Gesetzentwurf auch eine Verbesserung des Planungsrechtes erreicht werden. Es ist in der Tat so, daß die Deutsche Bundesbahn gegenüber dem Straßenbau nach heutigem Recht in ihrer Streckenplanung benachteiligt ist. Ich halte es für zutreffend, beim bestehenden Recht von einer planungsrechtlichen Diskriminierung der Deutschen Bundesbahn zu sprechen. Dies muß geändert werden, und das wird insbesondere dem Aus- und Neubau von Bundesbahnstrecken zugute kommen, die zur Stärkung der Ertragskraft der Deutschen Bundesbahn dringend notwendig sind.
Im übrigen stellt diese Novellierung auch klar, daß die Bundesländer die Möglichkeit haben, zur Stillegung vorgesehene Bundesbahnstrecken auf eigene Rechnung weiterführen zu lassen. Hier geht es nicht um die Einführung einer Gemeinschaftsaufgabe besonderer Art, auch nicht um die Einteilung in rentable, von der Deutschen Bundesbahn zu betreibende Strecken und unrentable, die den Ländern überlassen werden sollen. Worum es geht, meine Damen und Herren, ist ein vernünftiger Ausgleich zwischen den oft unterschiedlichen gesamtwirtschaftlichen Verkehrsinteressen, zwischen den unterschiedlichen regionalen und lokalen Verkehrsinteressen.
Unsere Erfahrungen mit Streckenstillegungen legen eine solche Regelung dringend nahe. Auch die Anwendung des St.-Florians-Prinzips mit umgekehrtem Vorzeichen führt nicht automatisch zu Lösungen, die dem Gemeinwohl wirklich entsprechen.
Darüber hinaus halten wir es für erforderlich, daß sich die Zusammenarbeit zwischen der Deutschen Bundesbahn und den Bundesländern bei der Neustrukturierung der Verkehrsbedienung,
({0})
insbesondere in ländlichen Räumen, durch eigene Beiträge der beteiligten Gebietskörperschaften verbessert. Es ist nicht zu bestreiten, verehrter Herr Kollege: Der öffentliche Personennahverkehr ist in erster Linie Sache der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Änderung des Bundesbahngesetzes ist dringlich. Sie kann nur ein erster Schritt sein. Wer dieses Gesetz ablehnt, mag bitte bessere Vorschläge auf den Tisch legen. Die Opposition hat bisher - in der öffentlichen Debatte jedenfalls - außer Kritik am gegenwärtigen Zustand der Deutschen Bundesbahn, den sie im übrigen in der Vergangenheit und auch heute noch durch permanente Forderungen nach zusätzlichen Leistungen mit zu vertreten hat, keine Vorschläge zu bieten, die auch nur im Ansatz geeignet wären, die Verbesserung der Wirtschaftslage der Deutschen Bundesbahn einzuleiten.
Ich mache mir keine Illusionen. Schnelle Erfolge wird es bei der Verbesserung der Wirtschaftslage der Deutschen Bundesbahn nicht geben. Wir müssen durch ein Tal unpopulärer Entscheidungen, um der Bahn zu einer guten Zukunft zu verhelfen. Ich meine, es lohnt sich, diesen Weg zu gehen.
Wie ich bereits eingangs erwähnte, ist nach geltendem Recht am 12. Mai 1982 ein neuer Vorstand der Deutschen Bundesbahn für weitere fünf Jahre zu berufen. Die Bundesregierung hat daher den vorliegenden Gesetzentwurf als eilbedürftig im Sinne von Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes bezeichnet. Wenn die zur Zeit noch vorhandene Führungsstruktur bei der Deutschen Bundesbahn geändert werden soll, muß jetzt schnell gehandelt werden. Die Bundesregierung sieht in der Änderung der Führungsstruktur der Deutschen Bundesbahn einen wichtigen Teilschritt auf dem Weg zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und zur Verbesserung der Effizienz der Deutschen Bundesbahn, dem weitere Schritte folgen müssen.
Ich würde es begrüßen, wenn der Gesetzentwurf an dieser wichtigen, aber auch begrenzten Zielsetzung gemessen würde. Die Bahn hat eine große Chance, aber nur, wenn wir sie tatsächlich verändern. Wer die Bahn so verteidigt, wie sie ist, der gefährdet ihre Existenz; und das wäre falsch, denn die Deutsche Bundesbahn ist ein unverzichtbarer Teil unseres Verkehrswesens.
({1})
Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist für die Aussprache eine Redezeit von 50 Minuten vereinbart worden. Ist das Haus damit einverstanden? - Das ist der Fall.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jobst.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bundesverkehrsminister, ich finde es äußerst merkwürdig, daß Sie bei der Einbringung eines Gesetzentwurfs die Opposition beschimpfen. Ich muß Sie schon fragen, da Sie uns vorwerfen wollen, daß wir zu diesem Gesetz und zu Ihrer Verkehrspolitik keinen Ausweg aufgezeigt haben: Wer trägt denn jetzt schon zehn Jahre die Verantwortung für die Verkehrspolitik?
({0})
- Ja, über zehn Jahre, seit 1966 tragen doch SPD-Verkehrsminister die Verantwortung für die Verkehrspolitik.
Herr Bundesverkehrsminister, wir hören seit Ihrem Amtsantritt von Ihnen laufend von Initiativen in der Verkehrspolitik. Sie haben diese Ankündigungen auf dem Pressemarkt ganz gut verkauft. Die erste Initiative ist erst jetzt, nach einem Jahr, überhaupt beim Parlament angelangt. Wir wissen alle - darauf haben wir schon sehr oft hingewiesen -, daß die Bundesbahn dringend eine politische Weichenstellung braucht, damit sie aus der schwierigen Finanzsituation und vor allem aus der beängstigenden Entwicklung, die ihr droht, herauskommt.
({1})
Sie haben die Novelle heute als einen wichtigen Schritt bezeichnet, damit sich die Bundesbahn zu einem modernen Dienstleistungsunternehmen entwickeln kann. Sie haben das in früheren Presseerklärungen als eine Art verkehrspolitische Tat herausgestellt. An den Maßstäben der verkehrspolitischen Erfordernisse gemessen, ist dieser Gesetzentwurf ein Tropfen auf dem heißen Stein. Dieses Gesetz hilft nicht weiter. Es hat mehr kosmetische Bedeutung.
({2})
Diese Bezeichnung, „kosmetische Bedeutung", habe ich übernommen. Sie stammt von Holger Börner, Ministerpräsident des Landes Hessen,
({3})
dem langjährigen Vorsitzenden des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestags und langjährigen Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, einem anerkannten Fachmann auf dem Gebiete der Verkehrspolitik, einem Mann, dem sicherlich auch die Probleme der Bundesbahn bestens vertraut sind.
In der Presse wird diese Novelle ähnlich bewertet. Zum Beispiel wird diese Novelle auch unter dem Namen „Minimallösung" gehandelt, so „Die Welt" vom 9. Juli 1981. „Hauff lenkt von den Hauptproblemen ab", „Süddeutsche Zeitung" am 5. Juni 1981.
Es kommt nicht von ungefähr, daß der Parlamentarische Staatssekretär Mahne dem Ersten Präsidenten der Deutschen Bundesbahn in der gestrigen Sitzung des Verkehrsausschusses untersagt hat, auf meine Fragen zu diesem Gesetzentwurf Stellung zu nehmen. Dem Herrn Vaerst wurde ein Maulkorb umgehängt. Offenbar hat die Bundesregierung befürchtet, daß Herr Vaerst diese Initiative ähnlich bewertet wie Herr Börner aus Hessen. Ich will auf die
Presseerklärung der SPD dazu von heute nicht eingehen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Merker?
Sofort. - Das, was Sie heute herausgegeben haben, Herr Kollege Daubertshäuser, ist unter Niveau.
({0})
Herr Kollege Dr. Jobst, wären Sie so freundlich und würden dem staunenden Publikum einmal erzählen, mit welcher Begründung der Staatssekretär darum gebeten hat, 'daß die Novelle gestern im Ausschuß nicht behandelt worden ist?
Das ist eine hanebüchene Begründung, eine vorgeschobene Schutzbehauptung, auf die sich Herr Mahne bezog. Er hat behauptet, aus dem Verfassungsverständnis und dem Selbstverständnis des Parlaments würde es nicht zulässig sein, daß der Erste Präsident der Deutschen Bundesbahn bei einer Aussprache über Probleme der Bundesbahn und über die Situation der Bundesbahn zu dieser Frage Stellung nimmt, weil sie heute im Parlament in der ersten Runde behandelt wird.
({0})
Wir hätten doch die Argumente, die wir sicherlich gehört hätten, mit verwerten können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Bundesverkehrsminister möchte für die Führung der Deutschen Bundesbahn Manager gewinnen. Er will mehr Flexibilität. Die Leute sollen jederzeit ausgewechselt werden können. Wir haben gegen eine bessere Bezahlung dieser Leute, gegen eine neue Rechtsstellung dieser Personen im Grunde nichts einzuwenden. Auch das Bemühen, Manager aus der Wirtschaft zu gewinnen, ist löblich. Es stellt sich aber die Frage, Herr Hauff: Wird der Bundesverkehrsminister solche Leute finden? Können diese Leute bei der Bundesbahn überhaupt etwas bewegen?
({1})
Der Handlungsspielraum des Bundesbahnvorstandes ist auf Grund der derzeitigen gesetzlichen Bestimmungen und der politischen Einwirkungen der Bundesregierung doch sehr eng. Heute ist doch der Vorstand der Bundesbahn mehr ein Vollzugsorgan des Bundesverkehrsministers. Solange die rechtlichen, die politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen nicht geändert werden, kann sich auch durch einen anderen Vorstand kaum etwas ändern.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man die finanzwirtschaftliche Entwicklung der Bahn in den Jahren zwischen 1970 und 1980 betrachtet, dann wird noch folgendes mit aller Deutlichkeit sichtbar: Der jährliche Zuschußbedarf der Deutschen Bundesbahn auf Grund der sogenannten gemeinwirtschaftlichen Leistungen dieses Unternehmens ist von rund 2,5 Milliarden DM auf 8,8 Milliarden DM angewachsen.
({2})
Das jährliche unternehmerische Defizit der Bahn ist von 1,3 Milliarden DM im Jahre 1970 auf 3,8 Milliarden DM im Jahre 1980 angewachsen.
({3})
Mit anderten Worten: Der aus gemeinwirtschaftlichen Leistungen resultierende Zuschußbedarf hat in den vergangenen Jahren eine gewaltige Dynamik erkennen lassen. Die Ausgleichsleistungen des Bundes an die Bahn auf Grund gemeinwirtschaftlicher Auflagen machten 1970 rund 19,5 % der Gesamterträge des Unternehmens aus. 1981 sind es 34,5 % der Gesamterträge. Dies bedeutet doch nichts anderes als eine Verstärkung der Abhängigkeit der Ertragslage der Bahn von der Haushaltslage des Bundes
({4})
und damit wachsende Einflußmöglichkeiten des Bundes auf die unternehmenspolitischen Leistungen der Bahn. Diese Problematik nimmt die vorliegende Bundesbahngesetznovelle überhaupt nicht zur Kenntnis. Eine Erweiterung des Vorstandes und doppelte Vorstandsgehälter schaffen sie nicht aus der Welt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die neuen Vorstandsmitglieder werden deshalb in erster Linie auch nichts anderes zu zun haben, als Verluste zu verwalten.
Gegen mehr Flexibilität beim Bundesbahnvorstand ist nichts einzuwenden. War aber der bisherige Bundesbahnvorstand nicht sehr flexibel gegenüber dem Bundesverkehrsminister? Hat er nicht alle Pläne des Bundesverkehrsministers in den vergangenen Jahren jeweils mitgetragen und sofort auch mit dem Bundesverkehrsminister in den Papierkorb geworfen, wenn sie überholt waren?
({5})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Gefahr, daß durch die neue Rechtsstellung die politische Abhängigkeit des Vorstandes vom Bundesverkehrsminister verstärkt wird, ist nicht von der Hand zu weisen. Darauf hat auch der Bundesrechnungshof, der vom früheren Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Herrn Wittrock, geleitet wird, sehr nachdrücklich hingewiesen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Erste Präsident der Deutschen Bundesbahn hat gestern im Verkehrsausschuß erklärt, es bestehe kein Defizit an Konzeptionen bei der Bahn, es bestehe ein Defizit an politischen Entscheidungen. Dem schließe ich mich an.
In dem Gesetzentwurf, den Sie uns vorgelegt haben, schreiben Sie, Herr Minister Hauff, daß jährlich bis zu 1,6 Millionen DM Mehrkosten durch die höhere Besoldung der neuen Vorstandsmitglieder entstehen werden. Ja glauben Sie denn selber nicht an den Erfolg mit den neuen Topmanagern? Sie müßten doch eigentlich davon ausgehen, daß diese Leute die Erträge der Bahn verbessern, die Kosten senken und Einsparungen von mindestens einigen hundert
Millionen DM, wenn nicht gar von einer Milliarde DM, aber doch keine Mehrkosten bringen, Herr Bundesverkehrsminister.
({6})
Die zweite Zielsetzung der Novelle: Das Planfeststellungsverfahren bei Maßnahmen der Bundesbahn soll geändert werden. Es soll künftig so sein, daß in allen Fällen der Planfeststellungsbeschluß von der Bundesbahn erlassen wird. Dies ist sicher zweckmäßig. Aber steckt hier nicht auch eine gewisse politische Absicht dahinter? Wir haben doch erlebt, daß der Bundesverkehrsminister bei wichtigen Baumaßnahmen der Deutschen Bundesbahn nicht entscheidungsfähig und nicht entscheidungswillig war. Ich erinnere nur an das Projekt Rangierbahnhof München, das seit Jahren zwischen Bundesbahn und Bundesverkehrsminister hin- und hergeschoben wird und auf der Strecke geblieben ist.
({7})
Die dritte Zielsetzung: Den Ländern wird großzügig gestattet, Strecken, die der Bundesverkehrsminister stillegen will, auf eigene Rechnung durch die Bundesbahn weiter betreiben zu lassen. Dies ist alles andere als originell. Die Möglichkeit hat es bisher schon gegeben, und sie wird auch bisher schon praktiziert. Liegt nicht auch hier die politische Absicht dahinter, den Schwarzen Peter künftig bei Streckenstillegungen den Ländern zuzuschieben? Müssen wir mit einer Neuauflage des Streckenstillegungsplans rechnen, mit dem damals Herr Gscheidle auf die Nase gefallen ist? Sollen nicht den Ländern die Verantwortung und die Last bei Strekkenstillegungen zugeschoben werden? Ich glaube, so einfach geht es nicht.
({8})
Wenn damit ein Rückzug auf den Provinzialismus neuer Landeseisenbahnen erfolgen soll, so hat dies mit zukunftsträchtiger Verkehrspolitik wenig zu tun.
Bei der Deutschen Bundesbahn stehen andere Probleme ins Haus, die auf eine Entscheidung warten. Hier ist der publizitätsfreundliche Bundesverkehrsminister immer noch auf Tauchstation. Die Situation der Deutschen Bundesbahn ist mehr als besorgniserregend. 1981: 17,1 Milliarden DM Einnahmen und 31 Milliarden DM Ausgaben, davon 21 Milliarden DM Personalaufwendungen. Bis 1985 wird sich die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben beträchtlich erweitern. Die Einnahmen werden auf 21,4 Milliarden DM geschätzt, die Ausgaben auf rund 38 Milliarden DM.
({9})
Die Bundeszuweisungen an die DB sollen auf den Stand von 1981 eingefroren werden. Was bedeutet dies denn? Die Verschuldung bei der Bahn wird sich dramatisch zuspitzen. Man rechnet mit einer Verschuldung von 53,6 Milliarden DM im Jahr 1985. „Die Deutsche Bundesbahn ist das Haushaltsrisiko Nummer eins". So Bundesminister Hauff in der „Wirtschaftswoche" vom 31. Juli 1981. „Wenn nichts bei der Bahn passiert, dann kann es zu einer unerwünschten Kahlschlagsanierung führen." So Hauff am 24. Mai 1981. An dieser Meßlatte, Herr Bundesverkehrsminister, muß Ihre Initiative mit der Novelle für die Bundesbahn gemessen werden.
({10})
Die Deutsche Bundesbahn - das wurde uns bei der Aussprache gestern im Verkehrsausschuß mit dem Ersten Präsidenten der Deutschen Bundesbahn erneut deutlich vor Augen geführt - kann sich aus dieser bedrohlichen Lage nicht aus eigener Kraft befreien. Sie braucht die politischen Entscheidungen. Die Deutsche Bundesbahn ist durch die Versäumnisse und durch den verkehrspolitischen ZickZack-Kurs der Bundesregierung der letzten zehn Jahre in den Teufelskreis eines magischen Vierecks gefahren. Dieses magische Viereck ist gekennzeichnet erstens durch steigende Verluste, zweitens durch höhere Verschuldung, drittens durch das Ende der Rationalisierungsreserven ohne Investitionen und viertens durch den Rückgang der Investitionsmöglichkeiten.
({11})
Ich könnte noch eine Reihe von Punkten anführen. Ich wollte mich auf das Wesentliche beschränken.
Die Deutsche Bundesbahn muß in die Lage versetzt werden, in erster Linie zu investieren. Sie muß Zukunftsinvestitionen durchführen können. Dies hat auch der Ministerpräsident Börner bei der Bewertung dieser Novelle zum Ausdruck gebracht. Hier, bei den Investitionen, liegt der große Nachholbedarf. Deshalb ist die Bundesbahn heute in vielen Bereichen gegenüber ihren Konkurrenten nicht wettbewerbsfähig.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Bundesbahn muß in die Lage versetzt werden, im Güterverkehr etwas Ähnliches auf die Beine zu stellen wie das, was sie mit Erfolg im Personenverkehr erbracht hat, nämlich den Intercity-Verkehr. Aber was tut die Bundesregierung für die Bundesbahn? Sie kürzt die Mittel, wie sie es allgemein macht; obwohl davon geredet wird, daß Investitionen notwendig seien, werden die Verkehrsinvestitionen erheblich gekürzt. Mit Mittelkürzungen können Sie, Herr Bundesverkehrsminister, die Probleme der Deutschen Bundesbahn nicht lösen. Nicht über Dirigismus, nur über Investitionen kann die Bundesbahn neue Märkte, neue Marktchancen erringen und kann in die Lage versetzt werden, mehr Massentransporte, mehr Ladungen über längere Entfernungen, mehr Transporte im grenzüberschreitenden Verkehr auf die Schiene zu bringen.
Herr Bundesminister, Sie agieren mit Ihrer Novelle auf einem Nebengleis. Ihre Novelle ist kein Ersatz für verkehrspolitische Entscheidungen.
({12})
Die CDU/CSU-Fraktion hat deshalb eine Große Anfrage zur Lage der Deutschen Bundesbahn und zur Bundesbahnpolitik eingebracht. Wir wollen damit erreichen, daß die Probleme endlich deutlicher auf3212
gezeigt und auch angepackt werden, weil Sie das bisher nicht getan haben.
Herr Bundesverkehrsminister, Sie haben nicht einmal ein Reförmchen vorgelegt. Das, was Sie jetzt eingebracht haben, ist ein Winzling. Von den entscheidenden Problemen haben Sie damit eigentlich nur abgelenkt. Das Problem der Bundesbahn ist weniger ein Vorstandsproblem. Was fehlt, sind die verkehrspolitischen Entscheidungen. Hier ist eiliges Handeln geboten. Die Novelle ist sicherlich nicht so eilbedürftig. Ich weiß, daß Sie zum 1. Mai 1982 einen neuen, einen anderen Vorstand haben wollen und deshalb so drängen.
Wir, Herr Bundesverkehrsminister, wollen nicht, daß es zu einer Kahlschlagsanierung, wie Sie sie angekündigt haben, bei der Deutschen Bundesbahn kommt; diese muß verhindert werden, und hier stehen Sie, Herr Hauff, in der Verantwortung.
Wir werden in den Ausschußberatungen auf die Novelle noch detaillierter eingehen. Dabei werden wir aber die entscheidenden Probleme der Deutschen Bundesbahn nicht aus dem Auge lassen.
({13})
Das Wort hat der Abgeordnete Daubertshäuser.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Jobst, ich bedanke mich bei Ihnen, daß Sie meinen hessischen Ministerpräsidenten heute abend so lobend erwähnt haben. Ich werde von Ihrem Lob im nächsten Jahr ausführlich Gebrauch machen. Ansonsten habe ich allerdings heute abend bei Ihnen konstruktive Äußerungen darüber vermißt, wie Sie uns bei der Beratung dieses Novellierungsgesetzes begleiten werden.
Sie haben sicher recht, wenn Sie sagen, es sind politische Entscheidungen gefordert und Konzeptionen angesprochen. Aber ohne Zweifel ist das, was hier vor uns steht, eine politische Entscheidung. Und wissen Sie, mit den Konzeptionen ist das so eine Glückssache. Konzeptionell denken - da würde ich Ihnen empfehlen, auch einmal nachzudenken über Äußerungen z. B. von Ihnen und von Ihren Freunden über den Rhein-Main-Donau-Kanal und dessen Einordnung in eine bahnpolitische Konzeption.
({0})
- Ja, nun gut, ich sagte doch: nachdenken und konzeptionell denken. Warum werden Sie denn so aufgeregt, wenn man nur einmal diesen Hinweis gibt!
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Jobst?
Ja, bitte sehr.
Herr Daubertshäuser, weil Sie den Rhein-Main-Donau-Kanal ansprechen: Ist Ihnen bekannt, daß der Herr Bundeskanzler bei seinem jüngsten Besuch in Österreich dem dortigen Bundeskanzler zugesichert hat, sich nachdrücklich dafür einzusetzen, daß der Rhein-Main-Donau-Kanal bald zu Ende gebaut wird?
Sicher ist mir das bekannt, Herr Kollege Jobst. Ich habe Sie nur gefragt, ob Sie bei Ihrem konzeptionellen Denken auch an diesen Punkt gedacht haben. Es war keine Wertung von mir, lediglich ein Aufruf zum Nachdenken.
({0})
- Ich bitte um Nachsicht, Herr Kollege Schulte und Herr Kollege Jobst. Ich will hier wenigstens von meiner Seite aus etwas zu der Novellierung sagen, wenn Sie schon so wenig dazu ausgeführt haben.
Ich glaube, es gab nie Streit darüber, daß die hier zur Beratung anstehende Novelle sicherlich nur eine „kleine" Bundesbahn-Gesetzesnovelle ist. Die Gründe, die zu dieser Lösung geführt haben, hat der Bundesverkehrsminister soeben ja wohl sehr ausführlich dargelegt. Darüber hinaus ist allen Sachkundigen auch klar, und zwar seit langem, daß der große Wurf oder gar das Wunder bringende Patentrezept eine Utopie ist, der man auch nicht nachjagen sollte, weil das von dem heute Machbaren ablenken würde. Wenn ich auch die vorliegende Novelle als eine „kleine" bezeichnen möchte, so ist sie doch von einer ganz erheblichen strategischen Bedeutung bei unseren, wie ich meine, gemeinsamen Bemühungen um die Gesundung des Unternehmens Deutsche Bundesbahn. Hier teilen wir voll und ganz die Auffassung des Bundesverkehrsministers, und wir werden ihn bei seinem Vorhaben auch mit aller Tatkraft unterstützen.
Aber, Herr Minister, wir erwarten von Ihnen, daß Sie ähnlich zielbewußt wie mit dieser Novelle auch die nächsten Stationen auf dem Wege zu einem modernen Dienstleistungsunternehmen beschleunigen. Wir denken dabei an marktorientierte Umstellungen im Dienstleistungsangebot, aber auch an die zeitgerechte Anpassung eines ordnungspolitischen Flankenschutzes, an eine effizientere Betriebsorganisation, an ein funktionierendes Kosten- und Rechnungswesen und eine schlagkräftige Marketing-und Absatzorganisation. Aber auch in den von außen auf das Unternehmen einwirkenden Rahmenbedingungen sehen wir weiteren politischen Handlungsbedarf, beginnend bei der internationalen Eisenbahnpolitik bis hin zu einer ausgewogeneren Zusammensetzung des Verwaltungsrates nach den uns allen bekannten gewerkschaftlichen Zielvorstellungen.
Das alles ist nur ein Teil aus einer langen Strecke von vielen kleinen Schritten, die noch auf uns alle warten. Dabei sollten wir uns vor Augen halten, Herr Kollege Jobst, daß die Bahn ein untaugliches Objekt zum Austoben von irgendwelchen Partei- oder auch Gruppeninteressen ist, daß dies alles auch keine bloße verkehrspolitische Veranstaltung ist, sondern daß dieses Formen der Deutschen Bundesbahn zu einem modernen Dienstleistungsunternehmen in der Tat eine politische Gestaltungsaufgabe ersten Ranges ist, die weit über den verkehrspolitischen Bereich hinausgeht. Hier, Herr Minister, erwarten
wir auch in Zukunft von Ihnen eine vorwärtsdrängende Dynamik.
Herr Kollege Jobst, Sie haben hier aus einigen Zeitungsartikeln zitiert. Aber in der veröffentlichten Meinung hat es auch schon eine Vielzahl kritischer Stimmen gegeben, die - ähnlich wie Ihre Kritik soeben - an der eigentlichen Problematik und dem eigentlichen Ziel vorbeigegangen sind.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Röhner?
Es tut mir leid. Ich habe jetzt nur noch 14 Minuten, und ich weiß nicht, ob ich damit zu Rande komme.
Das liegt in Ihrem Ermessen. Gut!
Ich bitte um Nachsicht.
Herr Kollege Jobst, diese Novelle kann und soll kein Sanierungskonzept zur Konsolidierung der Lage der Deutschen Bundesbahn sein. Auch dies ist vom Minister vorhin dargelegt worden. Es ist ein erster, aber wichtiger Schritt. Weitere Maßnahmen müssen folgen. Ich glaube, darin sind wir uns alle einig. Herr Bundesverkehrsminister Hauff, aber auch sein Vorgänger haben immer wieder deutlich gemacht, daß nur ein Maßnahmebündel aus vielen kleinen Schritten die Bahn aus der jetzigen, sicher besorgniserregenden Situation herausführen kann. Erneuerung und Konzentration, das sind die Stichworte einer Politik, die eingeleitet ist und in die diese Novellierung als ein ganz wichtiger Mosaikstein hineingehört.
Die Opposition wäre gut beraten, ihre Kritik auch an den eigenen Forderungen zu messen. Herr Kollege Dr. Schulte, Sie haben vor einiger Zeit formuliert: „Die Alternative der Union ist nicht die Axt, sondern der Bleistift." - Okay, einverstanden! Aber dann bringen Sie doch bitte mit uns gemeinsam das zu Papier, also auf den Weg, was heute notwendig und was heute machbar ist. Man sollte die Bahn auch nicht immer nur zur Eigenprofilierung benutzen und dann, wenn es hier zum Schwur kommt, kneifen wollen.
Meine Kollegen von der Opposition, haben Sie denn das Hearing vom Sommer 1978 schon völlig vergessen? Ich will ja nicht annehmen, daß dies alles nur Theaterdonner gewesen ist. Wollen wir nicht gemeinsam die Ergebnisse dieses Anhörungsverfahrens umzusetzen versuchen? Bei diesem Hearing damals wie auch anderswo hat doch gerade die Unternehmensstruktur der Deutschen Bundesbahn eine ganz bedeutende Rolle gespielt. Das war gerade auf die Unternehmensführung hin bezogen, ebenso natürlich die Fragen des Planungsrechts wie auch die Fragen der Betriebsführung. Ich meine mich erinnern zu können, daß gerade von Ihnen, von der Opposition, doch in diesem Anhörungsverfahren ganz besonders der Leistungsgedanke für das Unternehmen Deutsche Bundesbahn in den Vordergrund gestellt und natürlich auch eine Verbindung zum öffentlichen Dienstrecht hergestellt worden ist. Wenn dieser Leistungsgedanke motivierend sein soll, dann darf er aber doch nicht teilbar sein. Dann muß er ebenso für den kleinen Eisenbahner wie auch für das Vorstandsmitglied gelten. Es ist wohl auch unumstritten, daß dort, wo ein Unternehmen geführt und nicht nur verwaltet werden soll, solche Momente eine ganz entscheidende Rolle spielen.
Herr Kollege Jobst, es soll nicht nur das Interesse von Managern der freien Wirtschaft durch die Änderung der Führungsstruktur geweckt werden. Das Ziel ist doch, daß die Führung selbst gestärkt werden soll. Hierzu ist der mit der Novelle eingeschlagene und vorgeschlagene Weg die geeignete Lösung. Diese zahlenmäßige Ausweitung des Vorstands ermöglicht es erst richtig, den einzelnen Vorstandsmitgliedern Ressortverantwortung zu geben. Wir wissen doch, daß dies heute nur unvollkommen der Fall ist.
Wenn wir dies so regeln, wenn dann eine vernünftige Aufgabenverteilung vorgenommen ist, sind wir schon einen wichtigen Schritt weiter. Es ist doch aberwitzig, daß das zweitgrößte Unternehmen der Bundesrepublik heute durch Gesetz gehindert wird, einen Vorstand für Marketing und Absatz zu bestellen. Wer will es denn leugnen, daß der Vorstand heute mit seiner Gesamtverantwortung, die ja nur bedingt durch eine Geschäftsordnung aufgehoben werden kann, gegenüber anderen Unternehmensvorständen einfach schwerfälliger arbeiten muß? Das hat zunächst einmal gar nichts, Herr Kollege Jobst, wie Sie vorhin meinten, mit den politischen Vorgaben und der politischen Einflußnahme zu tun, wobei wir ja wissen, daß die weniger von der Bundesregierung, sondern stärker von uns Abgeordneten,
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aber auch von den Landesregierungen ausgeübt wird.
Ich habe hier schon einmal im Frühjahr dieses Jahres darauf verwiesen, daß hier nicht immer mit dem Finger auf die Bundesregierung und auf den Bundesverkehrsminister gewiesen werden sollte. Es gibt andere, die wir alle kennen, die häufig bis ins kleinste Detail versuchen mitzureden.
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- Wenn Sie Mitglied des Verkehrsausschusses wären, wüßten Sie das sehr genau!
Ich glaube, es wäre auch ein Stück gewonnen, wenn ein in seiner Führungsstruktur gestärkter Vorstand eher in der Lage wäre, auch auf diese Dinge zu reagieren.
In der veröffentlichten Berichterstattung über diese Novellierung übersieht man häufig, daß mit der Neufassung der Führungsstruktur des Unternehmens Deutsche Bundesbahn auch mit dem Anachronismus aufgeräumt wird, daß sich hier in der vertikalen Organisationsstruktur zwei Führungsebenen im Verhältnis 1 : 1 gegenüberstehen. Weil diese Abteilungsleiterebene verschwindet, stimmt auch der globale Vorwurf nicht, Herr Jobst, hier werde lediglich die oberste Führungsmannschaft zahlenmäßig ausgeweitet. Was für den Vorstand gilt,
muß konsequent auch für die übrigen herausgehobenen Führungspositionen unterhalb der Vorstandsebene gelten. Das heißt, auch die Präsidenten der Bundesbahndirektionen, der zentralen Transportleitung, der zentralen Verkaufsleitung usw. müssen künftig in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis tätig werden. Ich glaube manchmal, daß dieser zweite Bereich, wie ich ihn einmal bezeichnen möchte, noch wichtiger ist als der erste Bereich, den ich vorhin erläutert habe.
Bei dem Anhörungsverfahren, das ich vorhin angesprochen habe, sind sehr deutliche Worte zu diesem Sachverhalt gefallen. Herr Kollege Jobst, Sie haben den Präsidenten des Bundesrechnungshofes, Herrn Wittrock, zitiert. Auch ich will ihn zitieren. Er hat in diesem Anhörungsverfahren in dieser Richtung eindeutig Position bezogen. Er hat für die Bundesbahndirektionspräsidenten - die in der Aussprache übrigens als „Fürsten" tituliert wurden - u. a. folgendes festgehalten:
Ich will Ihnen nur einmal ganz kurz die Erkenntnis vermitteln, daß ein solcher neugebakkener Direktionspräsident im Grunde genommen einen Leistungsabfall vornehmen könnte oder irgendwann nicht mehr mit den Unternehmensrichtlinien und den unternehmenspolitischen Leitlinien, wie sie von der Unternehmensleitung formuliert wurden, übereinstimmen.
Die Notwendigkeit und die sich daraus ergebende Konsequenz, einen solchen Mann von dieser Position herunterzuholen, sind nicht zu vollziehen. Sie sind selbst dann nicht zu vollziehen, wenn wir wissen, daß ein Direktionspräsident in seinem Bezirk erkennbar und nachhaltig gegen Unternehmensleitlinien polemisiert und gegen Intentionen der Bundesbahnspitze versucht, dieses oder jenes geltend zu machen, weil wir lediglich die Möglichkeit der disziplinarrechtlichen Eingriffnahme haben.
So weit Karl Wittrock. Er hat damals noch betont, daß solche Entwicklungen nicht nur denkbar, sondern praktisch schon an der Tagesordnung sind, und daß dies sicherlich nicht mit dem Anspruch in Einklang gebracht werden könne, ein Wirtschaftsunternehmen zu sein.
Hier will ich dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes keinesfalls widersprechen, an anderer Stelle allerdings schon, nämlich dort, wo der Bundesrechnungshof Kritik an der Gesetzesänderung insgesamt angemeldet hat. Die Änderung der Führungsstruktur der Bahn kann nicht als Versuch einer umfassenden Neuregelung der Unternehmensverfassung der Deutschen Bundesbahn gesehen werden. An solchen Zielvorstellungen, so wie Sie es auch getan haben, Herr Kollege Jobst, die jetzige Novellierung zu messen, das geht doch wirklich an der Sache vorbei. Es geht hier um die Führung eines Sondervermögens des Bundes, das die Deutsche Bundesbahn ja ist und auch bleibt. Hierzu ist der vom Bundesverkehrsminister vorgeschlagene Weg nach unserer Auffassung besser geeignet als der über die Führung durch Beamte auf Zeit.
Es wäre zu einfach, wollte man all diese schwierigen Fragen auf die einfache Formel verkürzen: mehr Geld für mehr Vorstandsmitglieder. Damit würden sicher nur irgendwelche Neidgefühle geweckt werden, die völlig unangebracht wären. Wenn die neue Führungsstruktur beispielsweise in nur einem Planungsfall bewirkt, daß sich zwischen dem Planungszeitraum und der Realisierung die ursprünglich veranschlagten Kosten nicht vervielfachen, wie das in der Vergangenheit leider oft genug der Fall war, dann hat sich, glaube ich, jede Mark, die man in diesen Vorstand mehr investiert, mehr als nur einmal rentiert. Wenn die neue Führungsstruktur, die immer im Zusammenhang mit der unternehmensinternen Änderung der Organisationsstruktur zu sehen ist, dazu führt, daß nicht immer alle Projekte zu „Weihnachtsbäumen" werden, dann haben wir, glaube ich, auch schon einiges erreicht.
Über die Diskussion dieses einen, unzweifelhaft wichtigen Punktes der Novelle dürfen aber die beiden anderen Zielsetzungen nicht verlorengehen. Das Planungsrecht der Deutschen Bundesbahn bedarf dringend einer Anpassung mit dem Ziel, daß hier mehr Rechtssicherheit besteht. Ich glaube, es ist schon eine beachtliche Verfahrensstraffung, wenn die Deutsche Bundesbahn ihre sachliche Zuständigkeit nicht einfach dann verliert, wenn Meinungsverschiedenheiten zwischen der Bahn und anderen Behörden bestehen. Betont werden sollte, daß die Rechte der Bürger durch diese Regelung weiter unberührt bleiben.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß noch einige Bemerkungen zur Organleihe machen. Daß die Länder, Herr Kollege Jobst, hiergegen Widerspruch einlegen, war doch zu erwarten. Nur sollte man hier - an die Adresse der Länder gerichtet - auch einmal deutlich sagen: Wer Mitwirkung beansprucht, sollte es sich auch gefallen lassen, mit in die Verantwortung genommen zu werden. Es war ja bei Streckenstillegungsverfahren für die Länder bisher immer sehr einfach, solchen Vorhaben zu widersprechen und den Bürgern gegenüber den Eindruck zu erwecken, als würden sie alles für den Streckenerhalt tun. Nur, wenn der Bundesminister dennoch zugestimmt hatte, war von solchen Ankündigungen häufig nichts mehr zu hören.
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- Nein, ich will hier doch gar nicht wegwischen, Herr Kollege Jobst, daß es unterschiedliche Bundes- und Landesinteressen an der Beibehaltung einer Bundesbahnstrecke gibt; das wissen wir doch alle. Nur, wenn die Ländervoten bei Stillegungsverfahren wirklich von Gewicht sein sollen, dann muß doch auch die Möglichkeit gegeben sein, daß die Länder einen Auftrag zur Weiterführung von Strecken geben können.
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Aber, Herr Kollege Jobst, die Befürchtung, die Sie vorhin geäußert haben, daß dieses Verfahren dazu führen könnte, daß auch solche Strecken stillgelegt werden, für die auch künftig ein Verkehrsbedürfnis besteht, kann ich beim besten Willen nicht teilen,
wenn dieser Sachverhalt so ist. Im übrigen, so meine ich, geht dies auch an der Sache vorbei. Solche Argumentation kann nur dazu führen, daß in unserem Lande wieder eine Stillegungspsychose erzeugt wird.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zusammenfassen. Die Änderung der Führungsstruktur will keine Änderung der Unternehmensverfassung sein. Sie ist aber nötig, um das Unternehmen Deutsche Bundesbahn besser zu führen. Sie nützt damit der Eisenbahn und sie nützt auch den Eisenbahnern. Die Anpassung im Planungsrecht bringt Verfahrensvereinfachungen und Angleichungen, die überfällig waren. Die stärkere Einbindung der Länder in die Mitverantwortung bringt mehr Klarheit und mehr Wahrhaftigkeit.
Alle drei Punkte sind notwendig, dringend erforderlich. Wir sind daher bereit, diese Novelle in der gesetzten Zeit zügig zu beraten. - Vielen Dank.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Riemer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal meiner großen Freude darüber Ausdruck geben, daß ich heute abend hier als Vertreter der stärksten Fraktion zu Ihnen spreche,
({0}) wenn ich die Besetzung um diese Zeit sehe.
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- Sie stellen das auch fest, nicht?!
Die Deutsche Bundesbahn ist ein Prüfstein für die Problemlösungskompetenz und für die Problemlösungsfähigkeit der Politik und, wie ich meine, auch dafür, daß nach viel Diskussion und vielen Erklärungen doch noch mit politischem Handeln am Ende gerechnet werden kann. Viele Vorschläge sind gemacht worden, von Patentrezepten bis zu Maßnahmebündeln. Hin und wieder gab es einen Silberstreifen am Horizont. Jetzt gibt es eher dunkle Wolken, und dies zu einer Zeit, wo der Verkehrsträger Schiene nach Ölpreiserhöhungen und zurückgehendem Straßenbau angeblich im Aufwind stehen soll.
Allerdings gilt dieser Aufwind leider nur für die Psychologie des Eisenbahn-Images und noch nicht für die wirtschaftliche Situation des Unternehmens.
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Gemessen an den Dimensionen des Problems und der sich daraus ergebenden Aufgabe scheint daher die vorgeschlagene Gesetzesnovelle zunächst und auf den ersten Blick unterhalb des Minimums zu liegen, wenn man sie nur für sich und als etwas Abgeschlossenes betrachtet. Als Anfang eines Handlungskonzepts gedeutet, gewinnt sie jedoch schon an Gewicht. Wenn wir sie später einmal als Mosaikstein in ein Gesamtbild einordnen können, ist die
Novelle politisch nicht nur vertretbar, sondern notwendig.
Ich habe Sympathien für die Abneigung des Bundesverkehrsministers gegen aus dem Hut gezogene Blitzlösungen. Ich verstehe seine Strategie, entsprechend den verschiedenen Ansatzpunkten schrittweise vorzugehen. Wir müssen uns aber darüber im klaren sein: wenn wir diesen Schritt jetzt tun, müssen weitere folgen.
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Vielleicht liegt gerade darin auch die Bedeutung der Novelle, daß sie den Bundesverkehrsminister und uns in Zugzwang setzt.
Die Rahmenbedingungen für den Verkehrsträger Schiene sind im Verhältnis zu früheren Zeiten noch nicht einmal schlecht. Aber wenn die betriebswirtschaftliche Entwicklung so weitergeht - ablesbar an den Zahlen der Verschuldung oder der Hochrechnung des Defizits -, gibt es spätestens 1985 die Kahlschlagsanierung oder die Sanierungssuperspritze aus Steuermitteln. Das eine wie das andere wird teuer, ja zu teuer, sei es für den Steuerzahler, sei es für die deutsche Volkswirtschaft.
Wo sind die Ansatzpunkte für positive Änderungen? Die Deutsche Bundesbahn hat in den letzten Jahren selber einiges geleistet, was ganz sicher unsere Anerkennung verdient, z. B. die Rationalisierung mit gewaltigen Personaleinsparungen. Darauf könnte manches private Unternehmen stolz sein. Sie hat das Angebot der Dienste und Leistungen marktgerechter gemacht. Aber das reicht alles noch nicht aus, das wissen wir. Es muß weiter betriebs-und volkswirtschaftlich optimiert werden.
Sicher stecken in der Bundesbahn noch Einsparungsreserven. Auch z. B. bei den Personaleinsparungen gibt es noch Möglichkeiten. Der mittelfristige Plan, etwa in den nächsten Jahren jährlich 3 000 Arbeitskräfte einzusparen, ist ein solches mutiges Programm. Es gibt die Möglichkeit der Verlagerung von Aufgaben auf die private Wirtschaft. Auch das muß verstärkt werden. Es gibt sicher auch noch die Möglichkeit, neue Märkte zu erschließen. Neue Vertriebswege sind notwendig. Der einzige Vertriebsweg über den Fahrkartenschalter reicht jedenfalls heute und auch für die Zukunft nicht aus. Notwendig sind effektivere Managementmethoden. Ganz sicher ist es notwendig, eine dynamische Unternehmensstruktur zu schaffen.
Der wichtigste und dringende Schritt, meine Damen und Herren, ist im Augenblick neben dem, was wir heute hier beraten, neben der Reform der Unternehmensstruktur, die Reform des gesamten Rechnungswesens. Das Instrument des Rechnungswesens ist im allgemeinen und bei der Deutschen Bundesbahn im besonderen unterschätzt worden.
Was wir brauchen, ist Transparenz. Was wir brauchen, ist Licht bis in den letzten Winkel dieses Riesenunternehmens, damit wir sehen, wer und was sich darin alles versteckt. Heraus aus der Anonymität, meine Damen und Herren, aus der Anonymität der Undurchschaubarkeit, in der hier und da Defizite wuchern und verrechnet werden! Durchsichtig3216
keit bringt Resultatsverantwortung und damit auch Motivation. Transparenz bringt die Möglichkeit der klaren Abrechnung für Kosten der politischen Lasten. Alles in allem: Gestaltungsmöglichkeiten und die Voraussetzung für schnelles Reagieren auf Fehlentwicklung. Durchschaubarkeit ist neben dem Wettbewerb ein Motor, der dann vieles von selbst in Gang bringt, was sonst unbeweglich stehen bleibt.
Ich bin deswegen etwas enttäuscht von der Erklärung des Präsidenten der Deutschen Bundesbahn, die er gestern im Verkehrsausschuß abgegeben hat, daß man das Rechnungswesen bis 1985 umgestellt haben wird. Das dauert zu lange, viel zu lange. In einem Bruchteil dieser Zeit muß das geschehen. „Bis 1985", das ist gemächliches Beamtendenken oder Kapitulation vor solchem Denken im Apparat.
In vielen Fragen ist es aber nicht so sehr ein Problem des jetzigen Vorstandes der Deutschen Bundesbahn, sondern es geht um die Grenzen und um die Beschränkung des unternehmerischen Handelns. Es gibt Fesseln, Gesetze, Haushaltsregelungen, öffentliche und politische Widerstände auf allen Ebenen. Hier besteht die Gefahr, daß auch die besten Manager scheitern; denn es geht nicht nur um die Managerqualifikation - die möchte ich dem Vorstand übrigens nicht absprechen -, sondern viel mehr noch um den Handlungspielraum, den man ihnen geben muß, damit sie wirtschaftlich arbeiten können.
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Nur wenn dies geschieht, ist die vorgeschlagene Gesetzesänderung sinnvoll.
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Das fängt damit an, daß Lasten auf Grund politischer Aufträge klar ausgerechnet und vom Staat voll bezahlt werden müssen. Für so verursachte Defizite darf man die Deutsche Bundesbahn nicht auf Darlehen auf dem Kapitalmarkt verweisen. Es muß auch die Frage gestellt werden: Wie steht es mit der Freiheit der Preispolitik für das Management? Was kann an defizitären Betriebseinheiten stillgelegt und der privaten Wirtschaft übertragen werden? Auch da muß es eben einen größeren Spielraum geben.
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- Nehmen wir das konkrete Beispiel: Der öffentliche Nahverkehr kann in der Fläche in Zukunft nicht auf der Schiene abgewickelt werden; denn jeder Beförderungsfall kostet den Bundeshaushalt 9,60 DM, und es wird teurer, zu teuer. Und konkret: Die Bundesbahn muß über kurz oder lang aus Kostengründen den Stückgutverkehr aufgeben.
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Ich sage das, weil Sie nach konkreten Vorschlägen gefragt haben.
Diese und andere Probleme werden Manager nur lösen können, meine Damen und Herren, wenn man dem Unternehmen Deutsche Bundesbahn die entsprechende Autonomie gibt, oder - das wäre der andere Weg - wenn die Politik - dazu gehören auch wir hier im Parlament - die Entscheidung trifft.
Das heißt, wir haben dann unsere Managementaufgaben hier zu erfüllen.
Meine Damen und Herren, wir betrachten die Novelle als ein Teilstück einer Gesamtkonzeption, und der Bundesverkehrsminister soll Handlungsfreiheit zur Lösung der Probleme haben. Wir gehen davon aus, daß das, was noch zusätzlich zu dieser Novelle und danach kommt, zeigen wird, wie wichtig diese Gesetzesänderung, die im Augenblick als kleine Lösung erscheint, sein wird.
({8})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 9/830 zur federführenden Beratung an den Ausschuß für Verkehr und zur Mitberatung an den Innenausschuß, den Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau sowie zur Beratung gemäß § 96 unserer Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Ist das Haus mit den vorgeschlagenen Überweisungen einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 23 der Tagesordnung auf:
Beratung der Sammelübersicht 17 des Petitionsausschusses ({0}) über Anträge zu Petitionen
- Drucksache 9/806 Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses in der Drucksache 9/806, die in der Sammelübersicht 17 enthaltenen Anträge anzunehmen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses ist angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 24 auf:
Beratung der Übersicht 5 des Rechtsausschusses ({1}) über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht
- Drucksache 9/814 Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Rechtsausschuß empfiehlt auf Drucksache 9/814, von einer Außerung oder von einem Verfahrensbeitritt zu den in der vorgenannten Drucksache aufgeführten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht abzusehen. Ist das Haus hiermit einverstanden? - Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 25 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags des Bundesministers
der Finanzen Überplanmäßige Ausgabe bei
Vizepräsident Wurbs
Kap. 14 02 Tit. 525 11 - Aus- und Fortbildung - Drucksache 9/810 Überweisung des Ältestenrates: Haushaltsausschuß
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Der Ältestenrat schlägt Überweisung der Vorlage an den Haushaltsausschuß vor. Ist das Haus mit der vorgeschlagenen Überweisung einverstanden? - Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 26 und 27 auf:
26. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({2}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 78/170/EWG betreffend die Leistung von Wärmeerzeugern zur Raumheizung und Warmwasserbereitung in neuen oder bestehenden nichtindustriellen Gebäuden sowie die Isolierung des Verteilungsnetzes für Wärme und Warmwasser in nichtindustriellen Neubauten
- Drucksachen 9/346, 9/793 Berichterstatter: Abgeordneter Leuschner
27. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr ({3}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag einer Richtlinie des Rates über die Gewichte und bestimmte andere Merkmale ({4}) von Straßenfahrzeugen für den Güterverkehr
- Drucksachen 8/2514, 9/184 Nr. 28, 9/817 Berichterstatter: Abgeordneter Antretter
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Ich lasse über die Vorlagen gemeinsam abstimmen. Wer den Beschlußempfehlungen der Ausschüsse auf den Drucksachen 9/793 und 9/817 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlungen sind bei einer Gegenstimme angenommen.
Ich rufe die Zusatzpunkte 1 bis 7 der Tagesordnung auf:
1. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur ({5})
- Drucksache 9/842 - Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Haushaltsausschuß ({6})
Innenausschuß
Finanzausschuß
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Verteidigungsausschuß
Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Ausschuß für Verkehr
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen
Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit
2. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Investitionstätigkeit im Baubereich und zum Abbau ungleichmäßiger Besteuerung in der Wohnungswirtschaft
- Drucksache 9/843 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Finanzausschuß ({7})
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
3. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen ({8})
- Drucksache 9/844 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Finanzausschuß ({9})
Ausschuß für Wirtschaft
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
4. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung und Verbesserung der Wirksamkeit kostendämpfender Maßnahmen in der Krankenversicherung ({10})
- Drucksache 9/845 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung ({11}) Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Verteidigungsausschuß
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
5. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Konsolidierung der Arbeitsförderung ({12})
- Drucksache 9/846 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung ({13}) Rechtsausschuß
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Ausschuß für Bildung und Wissenschaft
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
6. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung ({14})
- Drucksache 9/847 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung ({15}) Rechtsausschuß
Finanzausschuß
Vizepräsident Wurbs
Ausschuß für Wirtschaft
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
7. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Elften Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes ({16})
- Drucksache 9/848 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung ({17}) Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Der Ältestenrat schlägt Überweisung der Gesetzentwürfe in den Zusatztagesordnungspunkten 1 bis 7 an die Ausschüsse vor. Die Überweisungsvorschläge des Ältestenrats ersehen Sie aus der Tagesordnung.
Interfraktionell ist außerdem vereinbart worden, den Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung auf der Drucksache 9/847 zusätzlich an den Innenausschuß zu überweisen. Dies gilt auch für den entsprechenden Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und FDP auf der Drucksache 9/800, der in der 53. Sitzung des Deutschen Bundestages am 18. September 1981 an die Ausschüsse überwiesen worden ist.
Ist das Haus mit diesen Überweisungsvorschlägen einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Schluß unserer Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 7. Oktober 1981, 13 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.