Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich Ihnen einige Mitteilungen zu machen.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll der Punkt 12 von der Tagesordnung abgesetzt werden.
Nach einer weiteren interfraktionellen Vereinbarung wird die Tagesordnung um die Zusatzpunkte ergänzt, die in der Ihnen vorliegenden Liste „Zusatzpunkte zur Tagesordnung" aufgeführt sind:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur ({0})
- Drucksache 9/842 Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Investitionstätigkeit im Baubereich und zum Abbau ungleichmäßiger Besteuerung in der Wohnungswirtschaft
- Drucksache 9/843 Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen ({1})
- Drucksache 9/844 Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung und Verbesserung der Wirksamkeit kostendämpfender Maßnahmen in der Krankenversicherung ({2})
- Drucksache 9/845 Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Konsolidierung der Arbeitsförderung ({3})
- Drucksache 9/846 Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung ({4})
- Drucksache 9/847 Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Elften Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes ({5})
- Drucksache 9/848 Ist das Haus mit der so geänderten Tagesordnung einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Das ist so beschlossen.
Der Bundesminister des Auswärtigen hat mit Schreiben vom 17. September 1981 mitgeteilt, daß die Bundesregierung erneut Herrn Abgeordneten Jahn ({6}) als Vertreter der Bundesrepublik
Deutschland in der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen benannt hat. Ich gebe Ihnen dies zur Kenntnis.
Wir treten in die Tagesordnung ein. Der einzige Punkt ist heute die Fragestunde
- Drucksache 9/841 Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen. Für die Bundesregierung ist Herr Staatssekretär Elias anwesend.
Ich rufe die Frage 1 des Abgeordneten Merker auf:
Sind der Bundesregierung die Absicht der französischen Fernmeldeverwaltung, die derzeitigen Telefonbücher durch ein „elektronisches Fernsprechbuch" zu ersetzen, und die Testergebnisse von St. Malo sowie die Erfahrungen im Departement Ille-et-Vilaine ({7}) bekannt, und wenn ja, sieht sich die Deutsche Bundespost dadurch veranlaßt, den bisher von ihr - im wesentlichen aus wirtschaftlichen Erwägungen - eingenommenen Standpunkt zu revidieren?
Herr Präsident, ich würde die Fragen 1 und 2 wegen des sachlogischen Zusammenhangs gern gemeinsam beantworten.
({0})
Ich rufe demgemäß auch die Frage 2 des Abgeordneten Merker auf:
Ist die Bundesregierung bereit, ein elektronisches Fernsprech-Auskunftssystem einzuführen, wenn dessen Wirtschaftlichkeit dadurch gesichert werden kann, daß den angeschlossenen Fernsprechteilnehmern der gleichzeitige Zugang zum Bildschirmtext eröffnet wird und gegebenenfalls weitere Benutzungsanreize geschaffen werden?
Der Bundesregierung ist die Absicht der französischen Fernmeldeverwaltung sehr wohl bekannt, die derzeitigen Telefonbücher durch ein „elektronisches Telefonbuch" zu ersetzen.
Die Bundespost verfolgt entsprechende Versuche mit Interesse. Erfahrungswerte aus dem bisherigen Testverlauf liegen ihr jedoch noch nicht vor. Sie sieht sich grundsätzlich nicht veranlaßt, ihren in dieser Frage bisher eingenommenen Standpunkt in absehbarer Zeit zu revidieren. Das heißt, der Öffent3078
lichkeit werden auch weiterhin amtliche Telefonbücher zur Verfügung stehen.
Die hohen Aufwendungen für den Fernsprechauskunftdienst zwingen jedoch die Deutsche Bundespost, alle technologischen Möglichkeiten zu seiner wirtschaftlicheren Gestaltung und zur Verbesserung der Dienstgüte zu nutzen.
Entsprechende Entwicklungen unter Einsatz der Datenverarbeitung sind in Arbeit. Eine spätere Nutzung des Bildschirmtextes wird überlegt, ist aber noch nicht hinreichend konkretisiert.
Eine Zusatzfrage. Herr Abgeordneter Merker, bitte.
Herr Staatssekretär, sind die Voraussetzungen in Frankreich mit den Voraussetzungen in der Bundesrepublik vergleichbar, oder gibt es hier Unterschiede?
Es gibt hier gewisse Unterschiede. Bei der Herstellung unserer Fernsprechbücher, die etwa 130 Millionen DM pro Jahr kostet, haben wir in erheblichem Umfang Werbeeinnahmen, so daß wir diese Bücher fast über diese Werbeeinnahmen finanzieren können. Daher ist gegenüber Frankreich, wo die Werbung sehr beschränkt ist, die wirtschaftliche Situation anders. Dazu kommt, daß in der Bundesrepublik Deutschland die Fernsprechbücher offensichtlich nicht nur als Fernsprechbücher, sondern auch als Nachschlagewerke in vielerlei anderer Hinsicht benutzt werden.
Die Funktion als Nachschlagewerk könnte selbstverständlich auch durch ein elektronisches Fernsprechbuch wahrgenommen werden. Darf ich den zweiten Teil Ihrer Antwort dahin verstehen, daß die Bundesregierung beabsichtigt, den Bildschirmtextteilnehmern die Unterlagen im elektronischen Telefonbuch zugänglich zu machen?
Die Antwort darauf ist: Ja. Wir werden nach der bundesweiten Einführung des Bildschirmtextes, die ja ab 1983 erfolgen soll, den Teilnehmern diese Unterlagen zugänglich machen. Davor wird jedoch ein Betriebsversuch in München stattfinden, wo wir die bisherige Auskunft umstellen und zwar zunächst in einer Viertelautomatik - wie wir das nennen - auf einen Abruf durch die Platzbeamtin nicht mehr über Mikrofilm, sondern über einen Terminal - die Daten sind dann elektronisch gespeichert -; dann im zweiten Schritt über eine Halbelektronik - das ist das gleiche Verfahren; aber dann gibt es eine automatische Sprachauskunft -; und im dritten Schritt eine Vollautomatik, wo der Teilnehmer direkt mit dem Computer verkehrt. Es sind also zwei parallel laufende Entwicklungen.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Merker.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie also richtig verstanden, daß nach Einführung des Bildschirmtextes allen Teilnehmern am Bildschirmtextverfahren der Zugriff zu den Unterlagen innerhalb eines bundesweiten elektronischen Telefonbuchs zur Verfügung steht?
So planen wir das.
Wir kommen jetzt zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Das Ressort ist durch den Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Sperling vertreten.
Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Hennig auf:
Wie stellt sich die Bundesregierung die weitere Entwicklung des Aussiedlerwohnungsbaus vor, und welche Priorität räumt sie ihm angesichts der gegenwärtigen Haushaltsschwierigkeiten ein?
Herr Kollege Hennig, die Bundesregierung gibt für den Wohnungsbau Finanzhilfen an die Länder. Unsere Verfassung geht also von der Verantwortung der Länder für den öffentlich geförderten Wohnungsbau aus. Die Bundesregierung vertraut darauf, daß die Bundesländer auch in Zukunft in besonderem Maße um die Unterbringung der Aussiedler und Zuwanderer im vorhandenen Wohnungsbestand bemüht sein werden und darüber hinaus dem Bau öffentlich geförderter Wohnungen für diesen Personenkreis auch Vorrang einräumen werden.
Diese Erwartung der Bundesregierung stützt sich darauf, daß die Länder dem Wohnungsbau für Aussiedler und Zuwanderer in ihren eigenen Wohnungsbauförderungsrichtlinien Vorrang gegeben haben. Einzelne Länder haben auch ihre Mittel für den öffentlich geförderten Wohnungsbau gegenüber dem Vorjahr erheblich aufgestockt.
Der Bund hat in den vergangenen Jahren mit besonderen Programmen den Aussiedlerwohnungsbau gefördert, und zwar in den Jahren 1976 bis 1980. Im Haushaltsjahr 1981 gibt es dieses Sonderprogramm nicht mehr. Dafür sind die Mittel im allgemeinen öffentlich geförderten Wohnungsbau von 510 Millionen DM auf 590 Millionen DM erhöht worden, allerdings auch in der Erwartung, daß diese Erhöhung für die Zielgruppe der Aussiedler und Zuwanderer zur Verfügung stehen wird.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, auch ein generelles Wort über ihre Prioritäteneinräumung zu sagen und nicht nur einen Verweis auf die Bundesländer in diesem Zusammenhang zu geben?
Herr Kollege Hennig, die Bundesregierung gibt Bundesfinanzhilfen an die Länder, damit die Länder ihre Aufgabe erfüllen. Wenn wir, was den Ländern durch die Jahre hindurch bekannt war, bis zum Jahre 1980 mit einem Sonderprogramm gefördert haben und deutlich war, daß dieses Sonderprogramm nicht verlängert wird, wir aber dennoch die Mittel von 510 Millionen DM auf 590 Millionen DM aufstocken, wenn das Sonderprogramm gestrichen wird, so wird darin deutlich,
daß wir die Priorität des Wohnungsbaus für Aussiedler und Zuwanderer durchaus sehen.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte schön, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, zu konzedieren, daß dieses Problem angesichts der Tatsache, daß insgesamt noch etwa 500 000 Aussiedler aus den verschiedenen osteuropäischen Ländern zu uns kommen wollen, auch für die kommenden Jahre noch eine erhebliche Bedeutung haben wird?
Herr Kollege Hennig, mit Sicherheit wird das Problem eine erhebliche Bedeutung haben; das hoffen wir sogar, weil wir Zuwanderer und Aussiedler in der Tat hier haben wollen, wenn es deren Wunsch ist, hierher zu kommen. Insofern wird dieses Problem weiterhin bestehen. Nur können wir nicht unsere verfassungsrechtliche Verantwortung hin- und herschieben. Ich will jetzt nicht darauf verweisen, wie die Diskussion um Mischfinanzierungstatbestände aussieht. Im übrigen ist der Haushalt jetzt in den Händen des Parlaments.
Wir gehen über zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Das Ressort ist durch den Parlamentarischen Staatssekretär Brück vertreten.
Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Dr. Rose auf:
Welche Haushaltsmittel sind 1981/82 vorgesehen, um Schwarze aus dem südlichen Afrika als Stipendiaten in der Bundesrepublik Deutschland ausbilden zu lassen?
Herr Kollege Rose, im Bundeshaushalt 1981 sind für das Ausbildungsprogramm für Nachwuchskräfte aus dem südlichen Afrika 17,4 Millionen DM vorgesehen. Für das Jahr 1982 sind im Haushaltsplan 18,1 Millionen DM veranschlagt, um die in früheren Jahren eingegangenen Verpflichtungen erfüllen zu können. Bisher wurde rund die Hälfte der im Rahmen dieses Programms geförderten Stipendiaten in der Bundesrepublik Deutschland ausgebildet, während die übrigen Flüchtlinge ihre Ausbildung in anderen afrikanischen Ländern erhielten.
Herr Abgeordneter Rose zu einer Zusatzfrage.
Ist es richtig, daß diese Flüchtlinge von der Otto-Benecke-Stiftung betreut werden?
Das ist so, Herr Kollege Rose.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Ist es weiterhin richtig, daß man Flüchtling sein muß, um von diesem Programm erfaßt zu werden, und es deshalb für diese Personen notwendig ist, in jenen Ländern den Status eines Flüchtlings zu erhalten?
Herr Kollege Rose, Sie haben eine weitere Frage gestellt. In der Antwort darauf werde ich darauf eingehen.
Dann rufe ich die Frage 5 des Herrn Abgeordneten Dr. Rose auf:
Stimmen Zeitungsmeldungen, daß die Stipendiumsanwärter in Namibia SWAPO-Mitglieder sein müssen und daß ihnen gesagt wird, sie sollten sich in Luanda oder in Botswana als Flüchtlinge registrieren lassen, um einen Ausbildungsplatz in Deutschland zu erhalten?
Herr Kollege, solche Zeitungsmeldungen treffen nach Kenntnis der Bundesregierung nicht zu.
Im Rahmen dieses Programms werden entsprechend seiner Zielsetzung nur Flüchtlinge gefördert. Es steht grundsätzlich allen Flüchtlingen aus dem südlichen Afrika offen und ist nicht Angehörigen bestimmter politischer Gruppierungen vorbehalten.
Seit dem Jahre 1978 wurden im Rahmen dieses Programms mehr als 200 Namibia-Flüchtlinge gefördert, von denen keiner der SWAPO angehörte. In Kürze werden 30 weitere namibische Flüchtlinge, die ebenfalls nicht zur SWAPO gehören, in das Programm aufgenommen. Ende des Jahres 1981 werden 95 Namibia-Flüchtlinge, die von der SWAPO vorgeschlagen wurden, im Rahmen dieses Programms ein Stipendium erhalten. 65 davon werden in Sierra Leone, 30 in der Bundesrepublik Deutschland ausgebildet.
Eine Zusatzfrage, bitte, Herr Dr. Rose.
Ist der Bundesregierung auch bekannt, wo diese Namibia-Flüchtlinge ,,aufgelesen" - um es so zu sagen - wurden oder wo sie sich an die entsprechende Organisation gewandt haben?
Natürlich, Herr Kollege Rose. Da die Otto-Benecke-Stiftung diese Flüchtlinge ausgewählt hat, mußte sie j a auch mit ihnen sprechen. Daher weiß sie, woher sie kommen. Sie kommen aus Angola, aus Sambia, aus Botswana, um Beispiele zu nennen.
Eine Zusatzfrage, Abgeordneter Spranger.
Herr Staatssekretär, wer stellt eigentlich auf welche Weise fest, daß es sich bei diesen Flüchtlingen nicht um SWAPO-Angehörige handelt?
Wenn sie von der SWAPO vorgeschlagen werden, können wir davon ausgehen, daß es sich um SWAPO-Angehörige handelt. Bei all den anderen ist die Auswahl in Zusammenarbeit mit dem Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen und mit christlichen Organisationen getroffen worden.
Natürlich führen wir keine Überprüfung durch, welcher Organisation sie nun angehören. Aber uns ist gesagt worden, daß es sich in diesem Falle nicht um SWAPO-Angehörige handelt.
Es folgt jetzt der Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, vertreten durch den Parlamentarischen Staatssekretär Buschfort.
Ich rufe die Frage 6 des Abgeordneten Dr. Diederich ({0}) auf:
Wie stellt sich die Bundesregierung zur Forderung aus Kreisen der Tankstellenpächter, die Verkaufszeiten der Tankstellen an Wochenenden und Feiertagen durch Änderung des § 6 des Ladenschlußgesetzes einzuschränken?
Herr Kollege, die Bundesregierung hat wiederholt darauf hingewiesen, daß das Ladenschlußgesetz in seiner Gesamtheit, also auch die Ausnahmevorschrift des § 6 für das Tankstellengewerbe, ein Kompromiß zwischen den unterschiedlichen Interessen sowohl der Verbraucher als auch des Einzelhandels und der dort beschäftigten Arbeitnehmer ist und daß eine bessere Lösung, die alle Seiten zufriedenstellen würde, bislang nicht in Sicht ist. Die Bundesregierung beabsichtigt daher nicht, eine Änderung des Ladenschlußgesetzes vorzuschlagen, zumal es im Rahmen des Ladenschlußgesetzes jedem Einzelhändler überlassen ist, die Öffnungszeiten seiner Verkaufsstelle nach den örtlich unterschiedlichen Bedürfnissen selbst zu bestimmen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter, bitte schön.
Herr Staatssekretär, wie erklärt die Bundesregierung angesichts der immer wiederkehrenden Forderung nach einer Ausweitung der allgemeinen Ladenschlußzeiten - darüber haben wir hier j a oft genug diskutiert - diese Bestrebungen eines speziellen Wirtschaftszweiges, die eigenen Handlungsmöglichkeiten eher einzuschränken, und steht das nicht im eklatanten Widerspruch zu den einige Zeit zurückliegenden Bemühungen des Tankstellengewerbes, auch Einzelhandelswaren, die nicht zu den typischen Leistungen der Tankstellen gehören, anzubieten, und zwar auch über die geltenden allgemeinen Ladenöffnungszeiten hinaus?
Herr Kollege, ich kann die Diskussion durchaus verstehen. Ich weiß auch, daß insbesondere Wettbewerbsgründe derzeit zu Verzerrungen führen. Aber bevor man eine gesetzliche Änderung ins Auge faßt, wäre es ja naheliegend, daß sich der zuständige Verband einmal darauf verständigt, wie beispielsweise an den Wochenenden ein Verkaufsdienst eingerichtet werden könnte. Andere Branchen haben uns ja vorexerziert, daß so etwas möglich ist.
Sie sind also der Auffassung, daß dieser Bereich durchaus der Gestaltungsfreiheit des betroffenen Gewerbes unterliegen sollte und es im Moment keiner gesetzlichen Regelung bedarf?
Ja, ich sehe das so, zumal wir für diesen Bereich eine besondere Ausnahmebestimmung im Gesetz vorgesehen haben. Andererseits will ich hinzufügen: Wenn wir die Diskussion über eine neue gesetzliche Regelung für einen Bereich jetzt eröffnen, werden wir uns auch wieder mit allen anderen Bereichen auseinanderzusetzen haben. Da, wie ich sagte, keine bessere Lösung in Aussicht steht, ist es, glaube ich, nicht gut, das Ladenschlußgesetz hier im Parlament erneut aufzunehmen.
({0})
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Feldmann.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß die Bundesregierung im Augenblick nicht erwägt, einer Änderung des Ladenschlußgesetzes näherzutreten, und kann sich die Bundesregierung, wenn Sie diese Frage bejahen können, vorstellen, wie wir sonst zu einer verbraucherfreundlichen Regelung der Öffnungszeiten kommen können?
Herr Kollege Feldmann, es ist völlig richtig: Wir brauchen eine verbraucherfreundliche Regelung. Aber wir brauchen auch eine freundliche Regelung für die Beschäftigten. Sie wissen ganz genau, daß bei einer neuen Regelung nur die großen Unternehmen organisationstechnisch die Möglichkeit haben, andere Zeiten als bisher zu besetzen. Der kleine Unternehmer kann dies nicht, es sei denn, er würde zusätzliches Personal einstellen; das aber würde dann die Konkurrenzfähigkeit des kleinen Unternehmers weiter beeinträchtigen.
Da es also derzeit keine Regelung gibt, die sowohl den Verbraucher als auch den Beschäftigten zufriedenstellt, kann und sollte man, glaube ich, davon ausgehen, daß die derzeitige Regelung angemessen ist.
Ich rufe die Frage 7 des Abgeordneten Dr. Jobst auf:
Was gedenkt die Bundesregierung dagegen zu tun, daß durch den vorgesehenen Abbau von 150 Arbeitskräften im Zweigwerk Schwandorf der Firma Triumph-Adler AG die Beschäftigungslage in dieser ohnehin von hoher Arbeitslosigkeit betroffenen Region der mittleren Oberpfalz, in der durch die Umstrukturierung in der oberpfälzer Stahlindustrie und durch die Schließung des Betriebs der bayerischen Braunkohleindustrie ein einschneidender Verlust von Arbeitsplätzen bevorsteht, sich weiterhin drastisch verschlechtert?
Herr Kollege Jobst, die Bundesregierung beobachtet die überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit im Arbeitsamtsbezirk Schwandorf mit großer Aufmerksamkeit. Die seit Mitte 1980 allgemein stark rückläufige Beschäftigungsentwicklung hat auch in Schwandorf zu einer weiteren Verschlechterung der Arbeitsmarktlage und zu einem Anstieg der Arbeitslosenquote auf 8,4 % im August 1981 geführt. Damit liegt die Arbeitslosenquote in Schwandorf jetzt um 2,9 Prozentpunkte über dem Bundesdurchschnitt von 5,5 %. Im Jahresdurchschnitt 1980 hat der Abstand bei einer Arbeitslosenquote in Schwandorf von 7,4 % und im
Pari. Staatssekretär Buschfort
Bundesdurchschnitt von 3,8 % 3,6 Prozentpunkte betragen.
Welche Fortschritte damit bei dem Bemühen gemacht worden sind, die Arbeitsmarktlage im Bezirk Schwandorf näher an die Entwicklung im übrigen Bundesgebiet heranzuführen, zeigt ein Vergleich mit 1967: Damals lag die Arbeitslosenquote in Schwandorf mit 8,5 % im Jahresdurchschnitt mit 6,4 Prozentpunkten wesentlich höher über dem Bundesdurchschnitt von 2,1 %.
Die Annäherung der Entwicklung in Schwandorf an den Bundesdurchschnitt ist sicher mit auf den gezielten Einsatz der Instrumente der Wirtschaftsförderung und Arbeitsmarktpolitik durch die Bundesregierung zurückzuführen. So konnte z. B. im Jahre 1980 die Zahl der vom Arbeitsamt Schwandorf geförderten Teilnehmer an beruflichen Bildungsmaßnahmen auf fast 2 700 gesteigert werden. Mit Mitteln des Arbeitsmarktpolitischen Programms der Bundesregierung für Regionen mit besonderen Beschäftigungsproblemen vom 16. Mai 1979 sind im Arbeitsamtsbezirk Schwandorf mehr als 1 400 Arbeitnehmer zusätzlich gefördert worden. Ohne die Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarkpolitik hätte die Arbeitslosenquote im Jahresdurchschnitt 1980 um knapp 2 % höher gelegen.
Die arbeitsmarktpolitischen Anstrengungen allein reichen jedoch nicht aus, das bestehende Arbeitsplatzdefizit zu beseitigen. Durch Neuansiedlung und Erweiterung von Betrieben, wie dies in der Vergangenheit bereits geschehen ist, müssen auch .weiterhin zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden. Der Arbeitsamtsbezirk Schwandorf gehört zu den Gebieten der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur". Damit stehen Investitionsanreize für gewerbliche Investitionen zur Schaffung neuer und Sicherung gefährdeter Arbeitsplätze zur Verfügung.
Die Bundesregierung wird auch versuchen, ihre arbeitsmarktpolitischen Hilfen noch stärker auf die Regionen mit besonderen Beschäftigungsproblemen auszurichten. Sie erwartet aber auch, daß die jeweils betroffenen Bundesländer die ihnen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" zur Verfügung stehenden Mittel verstärkt und primär in Regionen mit besonderen Strukturproblemen einsetzen.
Zu einer Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Jobst.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihnen sagen, daß ich, was die zu ergreifenden globalen Maßnahmen anbelangt, die Sie angesprochen haben, mit Ihnen übereinstimme, und darf ich Sie konkret zu dem anstehenden Problem fragen: Ist der Bundesregierung bekannt, daß das Triumph-Werk Schwandorf nach den Vorstellungen und Erklärungen des Vorstandes dieses Unternehmens als ein Werk angesehen werden muß, das betriebswirtschaftlich gut arbeitet, daß deshalb nach den Absichten des Vorstandes und des Aufsichtsrates nicht vorgesehen war, dort Einsparungsmaßnahmen im Rahmen der jetzt notwendigen Rationalisierungsvorhaben bei Triumph-Adler AG vorzunehmen, daß dieses Zweigwerk aber - offenbar auf politische Einflußnahme hin - jetzt mit einbezogen wird, was, wie Sie ja selbst angedeutet haben, zu einer Verschärfung der Arbeitsplatzsorgen in diesem Raume führt, und was gedenkt die Bundesregierung hier zu unternehmen, damit keine Reduzierung von Arbeitsplätzen erfolgt?
Herr Kollege Jobst, zu dieser Frage kann ich Ihnen nichts sagen, weil aus der vorausgehenden Frage nicht zu erkennen war, daß Ihr Fragenkomplex sich auf Maßnahmen bei den Triumph-Werken selbst beziehen sollte. Ich wußte bis vor einigen Tagen nicht einmal, daß dieses Unternehmen im Bereich Schwandorf tätig ist. Die Frage wäre in dieser Fassung sicherlich auch besser an den Wirtschaftsminister zu stellen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jobst.
Herr Präsident, ich darf darauf hinweisen, daß dies alles in meiner Frage enthalten ist. Mir wäre es an sich lieber gewesen, wenn das Wirtschaftsministerium die Frage beantwortet hätte. Ich hätte es aber auch begrüßt, wenn sich das Arbeitsministerium intensiver mit meiner Frage befaßt hätte.
Meine zweite Zusatzfrage: Wird sich die Bundesregierung jetzt tatkräftiger dafür einsetzen, daß die Arbeitsplätze in der Oberpfalz gesichert werden, und verhindern, daß dieses Triumph-Zweigwerk, das jetzt von Entlassungen bedroht ist, eines Tages möglicherweise ganz stillgelegt wird, nachdem der Bundeskanzler in der vorigen Woche in der Oberpfalz war und erklärt hat, er selber werde sich jetzt dieser Probleme annehmen?
Ich bin sicher, daß der Bundeskanzler, wenn er das gesagt hat, es auch tun wird. Darüber hinaus wissen Sie ja auch, daß wir bemüht sind, unsere arbeitsmarktpolitischen Instrumente stärker als bisher in solche Regionen hineinzulenken, die eine überdurchschnittlich hohe Arbeitslosenquote zu verzeichnen haben. Das damit natürlich andere Fragen auftauchen, versteht sich, weil eben Regionen mit einer unterdurchschnittlichen Zahl von Arbeitslosen dann natürlich von der Vergabe dieser Mittel ausgeschlossen bleiben.
Zu einer Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Spranger.
Herr Staatssekretär, können Sie sagen, zu welchem Zeitpunkt konkrete Ergebnisse des angekündigten Bemühens des Herrn Bundeskanzlers zu erwarten sind?
Ich habe mit dem Herrn Bundeskanzler darüber nicht gesprochen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Zeitler.
Herr Staatssekretär, ist es nicht eigentlich so, daß zunächst das Land Bayern, die
bayerische Staatsregierung, gefragt ist und vorzuschlagen hat, was man richtigerweise tut?
Ja, ich habe vorhin in meiner Hauptantwort bereits zum Ausdruck gebracht, daß die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur eine Sache des jeweiligen Landes ist. Ich gehe natürlich davon aus, daß das Land Bayern in diesem Fall auch die notwendigen Maßnahmen einleitet.
Ich rufe Frage 8 des Abgeordneten Kirschner auf:
In welchem Umfang hat die Bundesanstalt für Arbeit in den letzten fünf Jahren Leistungen an Personengruppen gewährt, z. B. ehemalige Selbständige, Beamte auf Widerruf, Soldaten ({0}), die zuvor keine Beiträge an die Bundesanstalt für Arbeit entrichtet haben? Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kirschner, die von Ihnen angesprochenen Personengruppen werden in der Statistik der Bundesanstalt für Arbeit bis auf wenige Ausnahmen nicht gesondert erfaßt. Es ist daher nicht möglich, Ihnen den auf diese Personen entfallenden Anteil an den Aufwendungen der Bundesanstalt zu nennen.
Selbständige, die in eine abhängige Beschäftigung wechseln, nehmen hauptsächlich die Beratungs-
und Vermittlungsdienste der Arbeitsämter in Anspruch und in nicht unerheblichem Umfange auch die finanziellen Förderungsmittel. So haben z. B. 1980 rund 1 600 ehemals Selbständige Leistungen zur Förderung der beruflichen Bildung und rund 3 500 Arbeitslosenhilfe benötigt. Nach den durchschnittlichen Leistungssätzen können die Aufwendungen auf 45 Millionen DM an Förderungsmitteln für berufliche Bildung und auf 60 Millionen DM für Arbeitslosenhilfe geschätzt werden.
Für die Gruppe der ehemaligen Beamten und Soldaten ist eine Schätzung nicht möglich, da hierfür keine Angaben vorliegen. Die finanziellen Aufwendungen dürften sich jedoch in etwa in der gleichen Größenordnung bewegen wie bei den ehemals Selbständigen.
In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, daß der von der Bundesregierung und gleichzeitig von den Koalitionsfraktionen vorgelegte Entwurf eines Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes im Interesse der Solidargemeinschaft vorsieht, Nichtbeitragszahler von der finanziellen Förderung durch die Arbeitsverwaltung weitgehend auszuschließen. Künftig sollen nach dem angesprochenen Gesetzentwurf Nichtbeitragszahler kein Unterhaltsgeld bei beruflichen Bildungsmaßnahmen, kein Übergangsgeld bei beruflicher Rehabilitation und keine Arbeitslosenhilfe erhalten.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kirschner.
Herr Staatssekretär, kann ich nach Ihren Ausführungen dann davon ausgehen, daß auch nach den vorliegenden Gesetzentwürfen zum AFG auch Sachleistungen für solche Personen- und Beschäftigtengruppen gewährt werden, die keine Beitragsleistungen zur Bundesanstalt für Arbeit erbringen müssen, um einen gesetzlichen Anspruch für die Leistungen zu erwirken?
Herr Kollege, ich weiß nicht, ob ich Ihre Frage akustisch richtig verstanden habe. Es wird zukünftig so sein, daß die Leistungen der Bundesanstalt weitgehend auf die Beitragszahler begrenzt werden. Nichtbeitragszahler werden Leistungen nicht mehr oder nur noch in ganz begrenztem Umfange in Anspruch nehmen können. Dabei ist das Instrument der Berufsberatung und der Vermittlung sicherlich nicht ganz auszuschließen. Aber Sie wissen, daß wir auf diesem Feld Kompromißlösungen gesucht haben. Der Grundsatz, der sich jetzt durchsetzen muß, lautet: ohne Beitragsleistung auch keine Leistung der Bundesanstalt für Arbeit.
Zu einer weiteren Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kirschner.
Herr Staatssekretär, kann ich Ihrer Antwort in jedem Fall entnehmen, daß auch in Zukunft Sachleistungen nach dem AFG - in der Vergangenheit waren es teilweise auch finanzielle Leistungen, wie z. B. Arbeitslosenhilfe - Beschäftigtengruppen gewährt werden, die keinen Beitrag zur Bundesanstalt für Arbeit geleistet haben?
Herr Kollege, davon können Sie in dieser Form nicht mehr ausgehen, es sei denn, das Parlament würde den Regierungsentwurf noch verändern. Ich darf noch einmal wiederholen, daß es beim Übergangsgeld und beispielsweise der Arbeitslosenhilfe zukünftig keine Leistungen der Bundesanstalt für ehemals Selbständige mehr geben wird.
Ich rufe die Frage 9 des Abgeordneten Kirschner auf:
Wieviel Überstunden wurden nach Erkenntnissen der Bundesregierung in den letzten Jahren von den Arbeitnehmern in der Bundesrepublik Deutschland geleistet oder sind Schätzungen bekannt, und wie viele Arbeitnehmer könnten theoretisch zusätzlich beschäftigt werden, wenn die gültige Arbeitszeitordnung von einer regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Stunden ausginge?
Herr Kollege, das Statistische Bundesamt ermittelt nur die Zahlen der von Arbeitern in der Industrie geleisteten Mehrarbeitsstunden. Diese betrugen im Durchschnitt seit 1975 nahezu unverändert je Arbeiter 1,9 bis 2,1 Stunden in der Woche. Aus Untersuchungen, die das Emnid-Institut 1980 im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung durchgeführt hat, ist allerdings bekannt, daß die Häufigkeit der Überstunden unter den Arbeitnehmern sehr unterschiedlich ist. Auch 1980 haben nach dieser Untersuchung immerhin noch 41 von 100 der befragten Beschäftigten Überstunden geleistet. Von denjenigen, die Überstunden leisteten, erbrachte ein Drittel mehr als 20 Überstunden im Monat.
Untersuchungen verschiedener Forschungsinstitute haben wiederholt gezeigt, daß eine Arbeitszeitverkürzung positive beschäftigungspolitische Auswirkungen haben kann. Die nach Berufsgruppen und Wirtschaftszweigen sehr unterschiedliche Verteilung der Überstunden erschwert allerdings die
Beurteilung der beschäftigungspolitischen Auswirkungen. Gleichwohl ist davon auszugehen, daß eine schrittweise weitere Reduzierung der insgesamt geleisteten Überstunden dazu beitragen kann, Entlassungen zu verhindern und Neueinstellungen zu fördern.
So haben im Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg durchgeführte Untersuchungen ergeben, daß durch die Reduzierung der Überstunden in den Jahren 1973 bis 1979 rund 260 000 Beschäftigte nicht entlassen oder zusätzlich eingestellt wurden. Wegen der Vielzahl der einzel-
und gesamtwirtschaftlichen Faktoren, die bei den Auswirkungen jeder Form von Arbeitszeitverkürzung zu berücksichtigen sind, können globale quantitative Berechnungen der Beschäftigungseffekte sicherlich nur grobe Anhaltspunkte sein.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Kirschner.
Herr Staatssekretär, gibt es nach den Erkenntnissen der Bundesregierung einen Kausalzusammenhang zwischen beruflich bedingter Erkrankung bzw. Berufsunfähigkeit einerseits und Überstunden andererseits?
Herr Kollege, ich weiß nicht, ob Untersuchungen vorliegen; aber ich gehe davon aus, daß eine körperliche Mehrbelastung auch zu häufiger Erkrankung führt. Ich füge hinzu: dies ist meine subjektive Auffassung zu diesem Problem.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kirschner.
Herr Staatssekretär, hielte die Bundesregierung die Novellierung der Arbeitszeitordnung, die schon über 40 Jahre alt ist und aus dem Jahre 1938 stammt, nicht für ein geeignetes Instrument, um die regelmäßig zu leistende Wochenarbeitszeit von 40 Stunden - sie gilt für über 90 % der Arbeitnehmer und ist durch Tarifverträge festgelegt - gesetzlich zu fixieren und so einen aktiven Beitrag zur Sicherung von Arbeitsplätzen zu leisten?
Herr Kollege, die Bundesregierung ist bestrebt, die Arbeitszeitordnung abzulösen; dies ist überfällig. Wir befinden uns derzeit im Stadium der Beratung mit den einzelnen zuständigen mitberatenden Ministerien. Ich gehe davon aus, daß diese Beratungen in nächster Zeit abgeschlossen werden können und daß es dann dem Bundesarbeitsministerium möglich sein wird, die Gespräche weiterzuführen, um in absehbarer Zeit zu einem Referentenentwurf zu gelangen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Leuschner.
Herr Staatssekretär, worin sind denn die größten Widerstände begründet, die eine Reform der Arbeitszeitordnung nun schon, man kann sagen, seit Jahrzehnten verhindert haben? Könnten Sie das einmal kurz erläutern?
Herr Kollege, das kann man sicherlich kurz erläutern. Es gibt mehrere Schwierigkeiten. Erstens muß Übereinstimmung darüber gefunden werden, was und wie hoch die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit sein soll. Zweitens müssen wir uns über den Rahmen und die Möglichkeiten der zulässigen Mehrarbeit verständigen. Drittens müssen wir die Fragen des Frauenarbeitsschutzes gründlich überprüfen. Viertens müssen wir mit den zuständigen Organisationen besprechen, in welchen Bereichen künftig noch dieser Frauenarbeitsschutz notwendig sein wird. Fünftens geht es im wesentlichen um die Frage, wie künftig möglicherweise eine Vergütung oder eine Beeinflussung der Nachtarbeit erfolgen soll.
Es gibt also noch eine Menge regelungsbedürftiger Fragen. Wir sind, wie ich sagte, jetzt dabei, die Einzelheiten mit den einzelnen Ministerien zu besprechen.
Die Frage 10 des Herrn Abgeordneten Seiters wird auf Antrag des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 11 des Herrn Abgeordneten Horstmeier auf:
Welche Angaben kann die Bundesregierung darüber machen, inwieweit sich die sogenannte Alte Last im Rahmen der Altershilfe für Landwirte in einer Weise geändert hat, die eine Änderung der Finanzierungsgrundlage rechtfertigt?
Herr Kollege Horstmeier, die Bundesregierung hat die Reduzierung des nach wie vor hohen Bundeszuschusses zur Altershilfe für Landwirte nicht wegen einer Veränderung der Alten Last in diesem Bereich vorgesehen, vielmehr betreffen die Beschlüsse vom 2. und 3. September 1981 alle Bevölkerungsgruppen und damit auch die Landwirtschaft.
Die Finanzierung der Altershilfe für Landwirte wird nur insofern geändert, als der Bundeszuschuß von 87,6 % aller Rentenaufwendungen auf 79,5 v. H. zurückgeführt werden soll, was eine Einsparung an Bundesmitteln von 210 Millionen DM im Jahre 1982 bedeutet.
Die daraus folgende Mehrbelastung der landwirtschaftlichen Unternehmer muß sozial tragbar gestaltet werden. Der Gesetzentwurf sieht deshalb einen Zuschuß zur Beitragszahlung für kleine und mittlere Unternehmen vor, der nach der Ertragskraft des Unternehmens und dem außerbetrieblichen Einkommen gestaffelt ist. Insofern werden die Bundesmittel sozial gerechter verteilt und damit ein Schritt zu mehr Beitragsgerechtigkeit getan.
Im übrigen hat sich die Alte Last, wie sie üblicherweise verstanden wird, in der Altershilfe für Landwirte seit 1970 wesentlich vermindert. Wurden 1970 noch 94 % aller Altersgelder nach den Bestimmungen des Übergangsrechts gezahlt, sind dies 1980 nur noch 63 %.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Horstmeier.
Herr Staatssekretär, wird sich nach Ihrer Meinung das, wenn man so will,
Strukturdefizit, also das immer enger werdende Verhältnis zwischen Leistungsberechtigten und Beitragspflichtigen, in Zukunft verbessern oder verschlechtern?
Herr Kollege Horstmeier, ich kann nicht beurteilen, wie die strukturellen Veränderungen in der Landwirtschaft weitergehen werden. Ich glaube, daß wir in letzter Zeit eine gewisse Stabilisierung feststellen konnten. Das ändert allerdings nichts daran, daß die Altlast möglicherweise im Verhältnis steigt, weil die Zahl nachwachsender junger Menschen geringer wird. Dies ist aber kein Problem allein der Landwirtschaft, sondern ein großes Anliegen in allen Sozialversicherungsbereichen; es gilt genauso für die Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten und für die Knappschaft. Von daher müssen wir dafür Sorge tragen, daß, wie gesagt, das Gesamtsystem leistungsfähig, aber auch für die beschäftigte Bevölkerung bezahlbar bleibt.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Horstmeier.
Herr Staatssekretär, Sie haben auf den Regierungsentwurf abgehoben. Sehen Sie nicht auch die Gefahr, daß von der Befreiungsmöglichkeit, die im Regierungsentwurf gerade den Nebenerwerbslandwirten erneut eingeräumt worden ist, sehr viel Gebrauch gemacht wird und sich dann der Kreis der Solidargemeinschaft eben noch weiter einengt, so daß wir eines guten Tages vielleicht unter 400 000 kommen?
Herr Kollege Horstmeier, es gibt solche und solche. Ich würde zunächst einmal sagen: Wenn ich aus einer Einrichtung, die künftig mit 79 % Bundeszuschuß gefördert wird, austrete, so ist das eine unüberlegte Handlung. Denn ich muß wissen, daß es in dem anderen Rentenversicherungsbereich nur einen Bundeszuschuß von ca. 15 % gibt. Ich gehe also davon aus, daß die landwirtschaftliche Altershilfe trotz der jetzigen geringfügigen Veränderung immer noch ein besonders gutes Verhältnis zwischen Beitragszahlung und Leistung aufweist.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Kirschner.
Herr Staatssekretär, Sie haben in etwa die Vergleichszahlen des Bundeszuschusses zur Altershilfe für Landwirte und zur gesetzlichen Rentenversicherung genannt. Könnten Sie auch einmal mitteilen, welche Rente ein verheirateter landwirtschaftlicher Unternehmer nach dem Gesetzentwurf in der Altershilfe für Landwirte ab 1983 erhalten wird, nach den von 1958 bis einschließlich 1981 erfolgten Beitragsleistungen, und könnten Sie zum Vergleich noch angeben, welche Rente sich in der gesetzlichen Rentenversicherung bei vergleichbaren Beiträgen ergeben würde?
Herr Kollege Kirschner, ich will das gern machen. Sie sind sicher damit einverstanden, daß ich Ihnen - und Herrn Kollegen Horstmeier, weil das ja eine Sie beide interessierende Frage war - das einmal schriftlich ausgearbeitet zustelle.
Ich rufe die Frage 12 des Abgeordneten Dr. Feldmann auf:
Kann die Bundesregierung Berechnungen des Wirtschaftsmagazins „Impulse" bestätigen, wonach etwa 20 Prozent der Lohnfortzahlungskosten durch mißbräuchliches Krankfeiern entstehen, und sich diese Kosten pro Jahr auf 20 Milliarden DM addieren sollen'?
Herr Kollege Dr. Feldmann, die Bundesregierung kann die von Ihnen gemachten Angaben nicht bestätigen. Die in jüngster Zeit vermehrt genannten Zahlen über mißbräuchliche Inanspruchnahme der Lohnfortzahlung und deren finanzielle Wirkungen können an Hand der vorliegenden statistischen Daten weder ermittelt noch nachvollzogen werden. Nach Meinung der Bundesregierung sind derartige an die Offentlichkeit gebrachte Zahlenangaben in hohem Maße von der Interessenlage der jeweiligen Autoren beeinflußt.
Eine Zusatzfrage? - Herr Abgeordneter Feldmann, bitte schön.
Herr Staatssekretär Buschfort, liegen der Bundesregierung denn eigene oder fremde Untersuchungen vor oder sind ihr solche zugänglich über die Gründe für den Mißbrauch der Lohnfortzahlung durch Krankfeiern, oder hat die Bundesregierung eine eigene Erklärung für diesen zunehmenden Mißbrauch?
Herr Kollege Feldmann, ich bestreite zunächst einmal global diesen Mißbrauch. Ich weiß, daß es Einzelfälle gibt. Die gibt es im übrigen in allen Bevölkerungsgruppen; das ist nicht ein besonderes Problem bei Arbeitern und Angestellten.
Sie fragen, wie es denn kommt, daß dieser Mißbrauch zunimmt. Mir liegt eine Erhebung vor, wonach wir im Jahre 1970 einen Krankenstand von 5,6 % und im Jahre 1980 einen Krankenstand von 5,7 % hatten. In den Jahren dazwischen hat er zwischen 5,3 und 5,7 % geschwankt. Das heißt: wenn es richtig ist, daß in einem erheblichen Umfange Mißbrauch getrieben wird - was Anlaß zu Ihrer Frage war -, müßten wir auch höhere Arbeitsunfähigkeitsquoten haben; da sich die Arbeitsunfähigkeitsquote aber seit 1970 so gut wie nicht verändert hat, kann es dies nicht sein.
Es gibt noch ein zweites Argument, das man entgegensetzen muß. Ich sagte bereits: ich will nicht ausschließen, daß auf raffinierte Weise Arbeitsunfähigkeit zu erreichen ist. Aber dazu ist immer noch ein Arzt notwendig. Und hier muß man dann die Frage stellen: Was ist nun das größere Übel - das Versagen des Arztes, jemanden arbeitsunfähig zu schreiben, der es gar nicht ist, oder aber der Vorwand eines Patienten, der versucht, dieses Ziel zu erreichen? Ich glaube, diese Frage ist derzeitig so aufgeheizt, daß man darüber objektiv kaum noch sprechen kann, und das bedaure ich außerordentlich. Aber die von mir genannten Zahlen, meine ich, sind doch von Bedeutung, nämlich, daß es von 1970 bis
1980 prozentual so gut wie keine Veränderung der Krankenstandsquote gegeben hat.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Feldmann.
Herr Staatssekretär, darf ich unterstellen, daß Sie mir abnehmen, daß ich nicht aus einer aufgeheizten Atmosphäre heraus diese Frage stelle, sondern aus sachlichem Interesse? Darf ich, da Sie verneinen, daß ein Mißbrauch vermehrt stattfindet, Sie fragen, ob die Bundesregierung die vom Bundesverband Junger Unternehmer vorgelegte Untersuchung „130 Milliarden - na und?" kennt oder, wenn nein, ob sich die Bundesregierung mit dieser Studie zu befassen gedenkt?
Herr Kollege Dr. Feldmann, ich bin ganz sicher, daß sich die Fachleute im Arbeitsministerium solches Material sofort besorgen werden oder schon besorgt haben, wenn es so etwas gibt. Es gibt auch andere Zahlenangaben, die ich kürzlich einmal gelesen habe; da war sogar von über 20 Milliarden DM die Rede. Ich will das gern einmal überprüfen lassen und teile Ihnen dann dazu aus unserer Sicht eine Stellungnahme mit, damit man, wie gesagt, einmal vergleichen kann: Was ist dort festgestellt worden und wie beurteilt das Bundesarbeitsministerium die vom Verband der jungen Unternehmer gemachte Untersuchung?
Zu einer Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hansen.
Wenn es, wie Sie u. a. ausgeführt haben, keinerlei verläßliche Kriterien gibt, um einen Mißbrauch festzustellen, ist dann der Schluß nicht zwingend, daß solche Zahlen, wie sie in der Frage genannt werden, und solche Untersuchungen, wie sie vom Fragesteller nachgeschoben worden sind, die mißbräuchliche Benutzung von Einzelfällen zu eindeutig politischen Zwecken sind?
Herr Kollege, ich habe ja gesagt, daß diese Meldungen meistens aus der jeweiligen Interessenlage heraus entstehen, und habe sie deshalb auch zurückgewiesen. Ich bestreite gar nicht, daß es im Einzelfall Mißbrauch geben kann. Aber dies ist - ich darf das wiederholen - nicht eine Frage der Arbeiter und Angestellten. Es gibt in anderen Bereichen andere Formen des Mißbrauchs, die auch materiell ein größeres Gewicht haben. Ich habe das Gefühl, daß hier die Maßstäbe in letzter Zeit mehr und mehr verschoben werden. Wir wollen uns seitens der Bundesregierung bemühen, Mißbrauch durch Aufklärung und durch Verbreitung des Solidaritätsgedankens zu verhindern. Allerdings wollen wir auch nicht zulassen, daß so getan wird, als würde die halbe bundesdeutsche Bevölkerung nur noch Sozialleistungen in Anspruch nehmen, die ihr eigentlich gar nicht zustünden.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dreßler.
Herr Staatssekretär, da der Fragesteller ausschließlich nach den Lohnfortzahlungskosten gefragt hat, ist zu unterstellen, daß hier die Bestimmungen des Lohnfortzahlungsgesetzes impliziert scheinen und insoweit eine Gehaltsfortzahlung nicht in dieser Frage enthalten ist. Ich frage Sie in Ergänzung dessen, was Sie zur Interessenlage gesagt haben: Können Sie mir zustimmen, daß Publikationen zum Inhalt der Frage 12 des Kollegen ({0}), die sich mit einem angeblichen Mißbrauch des Lohnfortzahlungsgesetzes beschäftigen, ausschließlich durch Verbände erfolgen, die - etwas global skizziert - nicht die Interessen von Arbeitnehmern vertreten?
Herr Kollege, ich kann das nur bestätigen und will noch etwas hinzufügen: Ich stelle in letzter Zeit überhaupt fest, daß über Einrichtungen der Arbeitnehmer mehr und mehr von Personen gesprochen wird, die diesen Einrichtungen nie angehört haben.
Es liegt aber auch eine besondere Problematik darin, daß dies alles außerhalb der eigentlichen Zuständigkeit geschieht. Hinzuzufügen ist, daß wir immer von dem Lohnfortzahlungsgesetz sprechen und dabei völlig vergessen, daß zwischenzeitlich über 17 Millionen Beschäftigte durch Tarifvertrag ihre Abdeckung in diesen Fragen erhalten, es also nicht nur um das Gesetz, sondern darüber hinaus auch um die auf freiwilliger Basis geschlossenen Tarifverträge zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern -geht. Wenn der Bundestag - ich sage das einmal so - eine Korrektur des Gesetzes vornehmen wollte, würde er das, was er damit möglicherweise treffen wollte, gar nicht erreichen, weil das durch Tarifvertrag geregelt ist. Ich will hinzufügen: Ich finde es gut, daß es so ist.
({0})
Herr Abgeordneter Jung, Sie hatten sich vorhin zu einer Zusatzfrage gemeldet. Bitte schön.
Herr Staatssekretär, sind Ihnen statistische Zahlen bekannt, wonach seit der schrittweisen Beseitigung der Karenztage in der Lohnfortzahlung zugleich auch die Krankmeldungen zugenommen haben? Es gibt statistische Zahlen, die mit dem Jahre 1960 beginnen. Sie müßten Ihnen eigentlich bekannt sein.
Herr Kollege, ich habe diese Frage zumindest teilweise vorhin beantwortet. Ich habe eine Erhebung ab 1970 vor mir liegen. Wir hatten im Jahre 1970 einen Krankenstand von 5,6 %. Im Jahre 1980 betrug er 5,7 %. 1978 waren es 5,5%, 1977 5,4%, 1976 und 1975 je 5,3%. Es hat also in den letzten zehn Jahren keine Veränderung gegeben.
Die Zeit, die vor Inkrafttreten des Lohnfortzahlungsgesetzes liegt, ist nicht vergleichbar, weil es damals zwischen Arbeitern und Angestellten die unterschiedlichsten Regelungen gegeben hat und weil diese Zeit - auch seit dem Metallarbeiterstreik - in erheblichem Umfang durch tarifvertragliche Regelungen beeinflußt war. Es ist also meines Erach3086
tens überhaupt nicht möglich, bis zurück auf 1960 statistisch saubere Vergleiche zu ziehen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Zeitler.
Herr Staatssekretär, man muß den Eindruck haben, daß die in dieser Frage geführte öffentliche Kampagne eine Bevölkerungsgruppe allein, nämlich die Arbeiter, diskriminieren soll. Auch auf dem Hintergrund, daß Sie vorhin ausgeführt haben, zwischen Arbeiten und „Krankfeiern" stehe das ärztliche Attest, und auf dem Hintergrund, daß unsere Ärzteschaft immer eine sehr hohe Auffassung von ihrem Berufsstand vertritt, frage ich Sie: Gibt es eigentlich eine Chance, die Ärzte auf die Verantwortung, die sie dabei tragen, hinzuweisen, so daß man davon ausgehen kann, daß ein Attest auch ein echtes Attest ist?
Herr Kollege, sicherlich gibt es eine solche Möglichkeit durch die Selbstverwaltung. Bevor ich so weit gehe, würde ich aber sagen, man möge doch bitte zunächst einmal die gesetzlichen Bestimmungen ausschöpfen; die besagen beispielsweise, daß ein Arbeitgeber, der nicht glaubt, daß ein Arbeitnehmer ernsthaft erkrankt ist, eine Überprüfung beantragen kann. Er kann die Krankenkasse darum bitten, dies zu überprüfen. Bisher habe ich nichts davon erfahren, daß so etwas nicht gemacht wird oder nicht geht.
Natürlich kann es Verdachtsmomente geben, und natürlich sind wir alle miteinander daran interessiert, sicherzustellen, daß Mißbrauch nicht stattfindet; denn es geht j a um unser Beitragsgeld. Aber wenn die Selbstverwaltung, wenn die Krankenkasse, wenn der Arbeitgeber, wenn überhaupt alle Beteiligten Einfluß nehmen wollen, so können sie das schon nach heutigem Recht. Im Interesse der Solidargemeinschaft bedaure ich es sehr, wenn das nicht gemacht wird.
Mir liegen jetzt noch Wortmeldungen für Zusatzfragen der Abgeordneten Berger ({0}) und Louven vor; danach werde ich zur nächsten Frage übergehen.
Bitte, Herr Abgeordneter Berger ({1}).
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, wenn ich sage, daß die Einschränkung von Mißbräuchen bei der Lohnfortzahlung - von Mißbräuchen z. B. durch „Krankfeiern" - nicht nur im Interesse der Wirtschaft und von Verbänden liegt, sondern auch im originären Interesse der in den Solidargemeinschaften organisierten Arbeitnehmer?
Aber sicher bin ich davon überzeugt, daß es im Gesamtinteresse liegt, Mißbrauch in der Krankenversicherung. Mißbrauch beim Kurzarbeitergeld oder Mißbrauch bei der Steuerhinterziehung zu verhindern. Das habe ich auch nicht bestritten; ich habe geradezu unterstrichen, daß wir dafür eintreten müssen, daß Mißbrauch nicht stattfindet.
Aber ich muß hinzufügen: Man darf den Mißbrauch nicht immer nur einseitig so darstellen, als wäre das ein Vorgang bei Arbeitnehmern, bei Arbeitern und Angestellten; vielmehr geschieht dies in allen gesellschaftlichen Gruppierungen. Wenn wir uns darauf verständigen, finden wir, so meine ich, das richtige Maß im Interesse der gesamten Bevölkerung.
Eine letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Louven.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß die Bundesregierung eine Kornmission eingesetzt hat, die sich mit dem Mißbrauch nach dem Lohnfortzahlungsgesetz beschäftigt, und, wenn j a, wie würden Sie bei Würdigung Ihrer bisherigen Äußerungen die Arbeit dieser Kommission sehen und bewerten?
Herr Kollege, meines Wissens ist eine Kommission eingesetzt worden, die für alle Bereiche Untersuchungen anstellen soll. Ich kann Ihnen jetzt nicht sagen, ob sie schon zu einem Abschluß gekommen ist. Ich werde Ihnen das gern noch mitteilen.
Ich rufe Frage 13 des Abgeordneten Wiefel auf:
Hat die Bundesregierung Anhaltspunkte für die in verschiedenen Veröffentlichungen vertretene Ansicht, daß nach den jüngsten Erkennt nissen das systematische Krebsvorsorgeprogramm in der vorliegenden Form aufwendig und teuer, aber wertlos sei?
Herr Kollege Wiefel, das seit 1. Juli 1971 für Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung eingeführte Krebsfrüherkennungsprogramm ist kein Vorsorgeprogramm, da trotz intensiver internationaler Forschung die Krebsentstehung noch immer ungeklärt ist. Es ist aber unumstritten, daß erkannte Frühstadien von Krebserkrankungen ungleich höhere Heilungschancen besitzen als Spätstadien.
Für die im Programm erfaßten wichtigen Krebsarten - Gebärmutterhals-, Brustdrüsen-, Mastdarm- und Prostatakrebs - zeigen internationale Untersuchungen eine deutliche Abnahme der Sterblichkeit bei erkannten und behandelten Frühstadien. In diesen Fällen konnte den Betroffenen ein deutlicher Zugewinn an Lebensjahren und Lebensqualität gegeben werden.
Zwar besitzen nicht alle angebotenen Untersuchungen die Treffsicherheit beim Gebärmutterhalskrebs - dort sind es 95% - und die damit verbundene Heilungsquote von ca. 90 % bei den erkannten Frühstadien. Doch zeigen neuere Veröffentlichungen, daß das Krebsfrüherkennungsprogramm einen wichtigen Beitrag für die Volksgesundheit darstellt.
Im Rahmen der Krebsfrüherkennungsuntersuchungen werden jährlich etwa 11 000 Krebsfälle klinisch bestätigt. Weitere 63 000 Fälle bedürfen einer weiteren klinischen Beobachtung. Etwa 800 000 wichtige Nebenbefunde werden erhoben.
Im Hinblick auf dieses Ergebnis ist die Bundesregierung der Auffassung, daß das Krebsfrüherkennungsprogramm - trotz der anfallenden Kosten
Deutscher Bundestag - 9. Wahlperiode - 54. Sitzung. Bonn, Mittwoch. den 30. September 1981 3087
von 333 Millionen DM ({0}) - sinnvoll und nützlich ist. Die Bundesregierung unternimmt alle Anstrengungen, durch gezielte Forschungsförderung im Rahmen des Programms Forschung und Entwicklung im Dienste der Gesundheit sowohl die medizinischen als auch die strukturellen Voraussetzungen für die Früherkennung aller wichtigen Krebserkrankungen zu verbessern. Im Rahmen dieser Untersuchungen sollen auch die Risikogruppen definiert werden, auf die man später gegebenenfalls die Früherkennungsuntersuchungen beschränken könnte. Solange hierfür keine schlüssigen Daten vorliegen, kann von dem derzeitigen systematischen Ansatz nicht abgegangen werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wiefel.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung nicht, nachdem sie die Bevölkerung mit einem erheblichen Kostenaufwand - Sie haben eben die Zahl genannt - informiert und aufgeklärt hat, am systematischen Krebsvorsorgeprogramm teilzunehmen, der Meinung, daß solchen Veröffentlichungen in einem stärkeren Maße entgegengetreten werden sollte, zumal diese hier und da von sogenannten Experten gemacht werden? Immerhin war das eine publikumswirksame und in der Presse durchschlagende Angelegenheit. Ich bin der Meinung, Herr Staatssekretär, tut man dies nicht, verunsichert man die Bevölkerung, so daß der bisher einwandfrei erkennbare Erfolg rückläufig wird.
Herr Kollege, ich bin schon der Auffassung, daß wir alle Veranlassung haben, die fachbezogenen Veröffentlichungen sehr ernsthaft zu prüfen. Andererseits bitte ich zu bedenken, daß wir derzeit bei den anspruchsberechtigten Frauen nur eine Inanspruchnahme von 37 % und bei den anspruchsberechtigten Männern von nur 17 zu verzeichnen haben. Wenn wir dennoch feststellen durften, daß 11 000 Krebsfälle und 63 000 - ich nenne sie mal so - Verdachtsfälle registriert wurden, muß es zunächst einmal unser Ziel sein, dafür Sorge zu tragen, daß sich mehr anspruchsberechtigte Bürger dieser Vorsorgeuntersuchung unterziehen.
Allerdings stimme ich auch dem zu, daß wir Veranlassung haben zu prüfen, ob wir die Krebsfrüherkennung zu einem späteren Zeitpunkt nicht auf besondere Risikogruppen einengen können. Das wäre sicherlich ein guter Schritt, wenn nicht alles global geschähe, sondern auf besonders gefährdete Personengruppen begrenzt werden könnte.
Die Fragen 14 und 15 des Abgeordneten Dr. Friedmann sowie die Fragen 112 und 113 der Abgeordneten Frau Dr. Adam-Schwaetzer werde auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich gehe über zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Er wird vertreten durch den Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Penner.
Für die Fragen 16 und 17 der Abgeordneten Frau Dr. Skarpelis-Sperk sowie die Frage 18 des Abgeordneten Sielaff haben die Fragesteller schriftliche Beantwortung beantragt. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 19 des Abgeordneten Berger ({0}) auf:
Ist die Bundesregierung bereit im Interesse eines besseren Zusammenhalts der Truppe, im Interesse der Kameradschaft und zur Erhöhung der Weiterverpflichtungsbereitschaft darauf hinzuwirken, daß in Zukunft wieder, wo immer dies möglich ist, die Einheiten der Bundeswehr so aufgefüllt werden, daß die Soldaten für die gesamte Dauer der Grundwehrdienstzeit von der Grundausbildung an beieinander bleiben können, und stimmt die Bundesregierung meiner Auffassung zu, daß dies für die Motivation der Soldaten und damit für das innere Gefüge der Bundeswehr von größter Bedeutung ist?
Herr Kollege Berger, die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Integration des wehrpflichtigen Soldaten in seine Einheit positive Auswirkungen auf das innere Gefüge der Bundeswehr hat. Darum wird angestrebt, den Soldaten grundsätzlich während des gesamten Grundwehrdienstes in seiner Einheit zu lassen. Bereits seit 1978 werden nach der Grundausbildung Wehrpflichtige in den Kampftruppen bis zum Ende der Wehrdienstzeit in einem Zug zusammengefaßt. Darüber hinaus sollen im Laufe des Jahres 1982 die Verbände der Kampf- und Kampfunterstützungstruppen kompanieweise mit Wehrpflichtigen, die die Grundausbildung absolviert haben, aufgefüllt werden.
Herr Kollege Berger ({0}), eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, wird dies in allen Großverbänden der Bundeswehr gleichartig durchgeführt werden, oder besteht die Absicht, dies dort unterschiedlich zu handhaben?
Wir streben an, um dem Ziel der Integration gerecht zu werden, dies wo immer möglich zu tun.
({0})
Die Frage 20 des Abgeordneten Broll wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 21 des Herrn Abgeordneten Hansen auf:
Welche erkennbaren Erfolge hat die dem chilenischen Oberstleutnant Helmut Kraushaar an der Führungsakademie der Bundeswehr 1975/76 gewährte Ausbildungshilfe, deren erklärtes ziel laut Auskunft der Bundesregierung war, „Eindrücke über demokratische Verhaltensweisen und demokratische Entscheidungsfindung in unserem Lande zu vermitteln, ihm so ein praktisches Bild vom Funktionieren eines demokratischen Rechtsstaats aufzuzeigen und so sein Verständnis für die Demokratie zu fördern" ({0}), seit der Rückkehr dieses so gebildeten Offiziers in die Militärdiktatur Chile gehabt?
Weder dem Auswärtigen Amt noch dem Bundesministerium der Verteidigung, Herr Kollege Hansen, liegen konkrete Erkenntnisse über eine persönliche Entwicklung des chilenischen Oberstleutnants Kraushaar vor.
Herr Abgeordneter Hansen zu einer Zusatzfrage.
Ja, Herr Staatssekretär, bis wann rechnet die Bundesregierung denn mit ähnlich spektakulären Erfolgen der Infektion mit Demokratie durch die Gewährung von Ausbildungshilfe z. B. an sieben Angehörige der südkoreanischen Streitkräfte, die ja laut Auskunft der Bundesregierung „dazu beiträgt, unser Verständnis von Recht, Freiheit und demokratischer Staats- und Lebensform denjenigen nahezubringen, die nach ihrer Ausbildung in Deutschland in verantwortliche Positionen in ihrem Heimatland aufrücken und dort als Multiplikatoren zu wirken vermögen"?
Herr Kollege Hansen, Sie wissen genauso wie ich, daß Vorgänge, die zwischenstaatlicher Natur sind und sich auf dieser Ebene bewegen, kaum nachprüfbar sind, auch von der Bundesregierung.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hansen, bitte schön.
Herr Staatssekretär, halten Sie es dann nicht für angebracht, endlich damit aufzuhören, Beamte in Ihrem Hause Jahr für Jahr diese blödsinnigen Begründungen aufschreiben zu lassen für eine so ernste Sache wie die Zusammenarbeit zwischen militärischen Folterregimen und der Bundeswehr der Bundesrepublik Deutschland, statt sich wenigstens eine annehmbare Begründung dafür zu überlegen, wenn Sie dies schon für notwendig halten?
Herr Kollege Hansen, ich kann die Wertung „blödsinnig", die Ihrer Frage zugrunde lag, nicht teilen.
({0})
Die Bundesregierung wird sich auch weiterhin im Kontakt zu ausländischen Staaten von den Interessen der Bundesrepublik Deutschland leiten lassen,
({1})
und diese Interessen müssen auch die Interessen der Staaten berücksichtigen, mit denen wir in auswärtigen Beziehungen stehen.
({2})
Danke. - Herr Abgeordneter Hansen, wir haben es uns in diesem Haus zur Gewohnheit gemacht, daß weder die Fragen noch die Antworten persönliche Wertungen enthalten sollten.
Ich rufe die Frage 22 des Abgeordneten Graf von Waldburg-Zeil auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Prüfungsausschüsse für Kriegsdienstverweigerer so schlecht besetzt sind, daß Wehrpflichtige, die im Frühjahr dieses Jahres Anträge auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen nach Artikel 4 Abs. 3 des Grundgesetzes gestellt haben, auf Prüfungstermine frühestens im April 1982, möglicherweise aber auch im Herbst oder noch später vertröstet werden, und was gedenkt die Bundesregierung zu veranlassen, um eine zügigere Abwicklung der Verfahren zu erreichen?
Herr Kollege, die Bundesregierung ist bemüht, die Besetzung der Prüfungsausschüsse und Prüfungskammern für Kriegsdienstverweigerer der wachsenden Zahl von
Anträgen anzupassen. Es ist jedoch schwierig, geeignete Bewerber für das Amt eines Ausschuß- oder Kammervorsitzenden zu gewinnen. Das vorgeschriebene Mindestalter von 32 Lebensjahren, in dem der qualifizierte Jurist im allgemeinen schon voll im Beruf steht, erscheint als ein wesentliches Hindernis. Die Bundesregierung wird daher in Kürze dem Deutschen Bundestag einen Gesetzentwurf vorlegen, der die Herabsetzung des Mindestalters der Vorsitzenden auf 28 Jahre vorsieht.
Für die Bearbeitung der Anerkennungsanträge ist im übrigen eine Reihenfolge angeordnet, die sich nicht am Zeitpunkt der Antragstellung, sondern an der Dringlichkeit der Erledigung orientiert. Soldaten und einberufene Wehrpflichtige werden vorrangig beschieden. Anträge Wehrpflichtiger, die zeitweise für den Wehrdienst nicht verfügbar sind, werden dagegen nicht mit der gleichen Dringlichkeit behandelt, und zwar auf Grund der geschilderten personellen Engpässe.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Graf von Waldburg-Zeil, bitte schön.
Herr Staatssekretär, halten Sie Bearbeitungszeiträume von bis zu über einem Jahr für zumutbar für junge Menschen?
Herr Kollege, daß es personelle Engpässe auf diesem Gebiet gibt, habe ich geschildert. Daß sie zu längeren Bearbeitungszeiten führen, habe ich ebenfalls angesprochen. Wir sind bemüht, gerade im Hinblick auf die langen Bearbeitungszeiten alles zu tun, damit dies geändert wird. Aber Sie wissen selbst, daß wir im Hinblick auf die noch offene Gesetzessituation im Bereich der Kriegsdienstverweigerung etwas in der Luft hängen.
Ihre zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Graf von Waldburg-Zeil.
Herr Staatssekretär, wenn eine hohe Zunahme der Zahl von Wehrpflichtigen, die den Kriegsdienst mit der Waffe ablehnen, mit schuld ist an der Überlastung der Prüfungsausschüsse: Was gedenkt die Regierung zu tun, um dieser Tendenz abzuhelfen?
Wir sind natürlich bemüht, den hohen Zahlen auch bei der personellen Ausstattung der Ausschüsse und Kammern Rechnung zu tragen. Aber ich habe vorhin zu erklären versucht, daß diesem Bemühen Grenzen gesetzt sind.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Berger ({0}).
Herr Staatssekretär, sind der Bundesregierung Erkenntnisse aus Verfahren der Ausschüsse und der Kammern bekannt, daß es offensichtlich eine wachsende Anzahl von Wehrdienstverweigerern gibt, die sich bewußt so verhalten, daß sie überhaupt nicht anerkannt werden, die es vielmehr darauf anlegen, möglichst
Berger ({0})
lange, und zwar über ihren 28. Geburtstag hinweg, im Verfahren zu bleiben, und deswegen immer wieder neue Verfahren anwachsen?
Herr Kollege Berger, der Bundesregierung ist bekannt, daß die Anzahl derer, die den Kriegsdienst verweigern, im Steigen begriffen ist. Die Mutmaßungen. die Sie an die steigende Anzahl der Kriegsdienstverweigerer knüpfen, kann ich so nicht bestätigen.
Ich möchte auch hinzufügen, obwohl ich hier für ein bestimmtes Ressort Verantwortung trage. daß diese Insinuationen nicht geeignet sind, das schwierige Feld der Kriegsdienstverweigerung einigermaßen angemessen zu bewerten.
Eine weitere Zusatzfrage, Abgeordneter Herberholz.
Herr Staatssekretär, wenn Sie vorhaben, das Alter der Vorsitzenden der Prüfungsausschüsse auf 28 Jahre abzusenken, böte sich denn dann nicht analog den Ärzten die Möglichkeit, daß Sie auch Juristen zur Ableistung des Wehrdienstes nach dem Studium als Vorsitzende dieser Prüfungsausschüsse einsetzen?
Herr Kollege, ich versichere, daß die Bundesregierung das schwierige Feld der Besetzung der Vorsitzendenposten in Kammern und Ausschüssen im Auge behalten wird. Dabei wird sicherlich jeder gangbare Weg geprüft werden.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit. Das Ressort wird durch den Parlamentarischen Staatssekretär Zander vertreten.
Ich rufe die Frage 23 des Abgeordneten Milz auf:
Ist die von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung herausgegebene Broschüre „Muß-Ehen muß es nicht geben" für jedermann frei verfügbar, und hält die Bundesregierung diese Art von Aufklärung für angemessen?
Herr Abgeordneter Milz, Informationsmaterialien der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sind grundsätzlich für jedermann frei verfügbar. „Für jedermann frei verfügbar" heißt aber nicht, daß die Broschüren unaufgefordert zugesandt oder etwa verteilt werden. Die Tatsache, daß jemand z. B. die Broschüre „Muß-Ehen muß es nicht geben" besitzt, ist in jedem Fall auf eine Bestellung zurückzuführen. Erfahrungsgemäß werden die Materialien überwiegend von den Zielgruppen verlangt, für die sie entwickelt wurden.
Für die Broschüre „Muß-Ehen muß es nicht geben" zeigt sich, daß der Bezug vorrangig durch Gesundheitsämter, Jugendämter, Jugendorganisationen, Wohlfahrtsverbände, Lehrer, kirchliche Institutionen und Verbände sowie Ärzte, Gewerkschaften oder Krankenkassen erfolgt, die die Broschüre ihrer Arbeit mit Jugendlichen zugrunde legen.
Der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit hält eine sachliche Sexualaufklärung für notwendig. Die Broschüre „Muß-Ehen muß es nicht geben" erfüllt bei dem Mangel an Aufklärung, den die Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen wie auch jüngste Ergebnisse einer Repräsentativerhebung feststellen, eine wichtige Aufgabe. Auch die hohe Zahl der Schwangerschaftsabbrüche bei Minderjährigen belegt dies. Allein 1979 sind 2 372 Schwangerschaftsabbrüche bei Mädchen, die 16 Jahre und jünger waren, durchgeführt worden. 1980 belief sich die Zahl auf 2 350.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Milz.
Herr Staatssekretär, würden Sie angesichts Ihrer sehr klaren Aussage das Bundespresse- und -informationsamt darum bitten, zukünftig dafür zu sorgen, daß bei Ausstellungen z. B. Kindern, die nicht älter als sieben Jahre sind, an Ausstellungstheken des Bundespresse- und -informationsamts nicht solche Stöße dieser Broschüre zugänglich gemacht zu werden, ohne daß nach Alter oder sonstiger Verfügungsnotwendigkeit gefragt wird?
Herr Abgeordneter, soviel ich weiß, ist in dieser Sache ein Rechtsstreit gegen die Bundesregierung anhängig. Ich kann nur sagen, daß diese Broschüre entwickelt worden ist, um bestimmten Zielgruppen auf Anforderung ein bei diesen Gruppen dringend benötigtes Informationsmaterial an die Hand zu geben, nicht zum Zwecke einer ungezielten Verteilung etwa an Jugendliche in jenen Altersgruppen, die Sie genannt haben.
Ob das bei dem Vorgang, den Sie ansprechen, der Fall war, kann ich allerdings nicht beurteilen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Milz.
Herr Staatssekretär, ich muß Sie dennoch noch einmal fragen: Gesetzt den Fall, in einer Ausstellung, an der sich auch das Bundespresse- und -informationsamt beteiligt, werden Informationsmaterialien der Bundesregierung feilgeboten, und gesetzt den Fall, auf der Theke, auf der diese Informationsmaterialien liegen, liegt auch die von Ihnen eben zitierte Broschüre - sie ist damit jedermann zugänglich -, würde Sie das veranlassen, das Bundespresse- und -informationsamt anzuhalten, zukünftig so zu verfahren, wie Sie das soeben in Ihrer Antwort auf meine Frage richtigerweise dargestellt haben?
Herr Abgeordneter, Einfluß hat das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit auf die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die diese Broschüre herausgibt. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung achtet streng darauf, daß der Weg eingehalten wird, den ich genannt habe.
Auf hypothetische Fragen kann ich jetzt keine Bewertung abgeben. Wir achten jedenfalls darauf,
daß so verfahren wird, wie ich das geschildert habe. Es ist selbstverständlich, daß das der korrekte Weg ist, der angestrebt werden sollte.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schlatter.
Herr Staatssekretär, läßt die Bundesregierung die vom Abgeordneten Milz laut Presseberichten öffentlich erhobene Behauptung gelten, die Bundesregierung ermögliche es durch die in Frage stehende Broschüre insbesondere Kindern, in den Besitz von Pornographie zu gelangen?
Herr Abgeordneter, an der Erstellung dieser Broschüre wirken verantwortliche Wissenschaftler, Ärztinnen, Frauenärzte mit langjähriger Erfahrung in der Jugendberatung mit. Ich kann mir nicht vorstellen, daß diese Fachleute an der Herstellung von Pornographie mitwirken wollen. Einen solchen Vergleich halte ich für abwegig.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Weyel.
Herr Staatssekretär, halten Sie es angesichts der obwaltenden Umstände für angemessen, wenn eine weitere Auflage der Broschüre für die Länder Bayern und Rheinland-Pfalz herausgebracht wird, in der Aufklärung in etwas traditionellerer Weise durchgeführt wird, damit die Gewissenskonflikte für Bewohner dieser Länder in Zukunft entfallen?
Frau Abgeordnete, eine länderspezifische Aufklärung halte ich nicht für erforderlich. Für erforderlich halte ich allerdings eine weitere Verstärkung der Aufklärungsarbeit. Ich habe in meiner Antwort an den Herrn Kollegen Milz gerade darauf hingewiesen, daß wir vor kurzer Zeit eine Repräsentativerhebung abgeschlossen haben. Ein Ergebnis dieser Erhebung ist, daß 35 % der Jungen und 21 % der Mädchen in der erwähnten Altersgruppe angeben, niemanden zu haben, mit dem sie über sexuelle Fragen sprechen könnten. Das zeigt die Bedeutung der Aufklärung in diesem Bereich.
Eine Zusatzfrage, Abgeordneter Broll.
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß die Probleme, die mit dem Schlagwort „Muß-Ehen muß es nicht geben" gemeint sind, weniger die mangelnde Aufklärung über technische Vorgänge als vielmehr eine mangelnde sittliche Haltung zum Inhalt haben, und glauben Sie nicht, daß die Schrift, die die Regierung herausgebracht hat, zwar in dem ersten Bereich einiges bietet, den sittlichen Bereich dagegen überhaupt nicht anspricht?
Das ist nicht zutreffend. In der Broschüre, speziell in einer Neuauflage, ist gerade auf die Bedeutung von stabilen Partnerschaftsbeziehungen hingewiesen worden, die über den anderen Bereich hinausgehen. Ich kann daher Ihre Beurteilung nicht teilen.
Wir achten sehr darauf, daß dieser Bereich nicht zu kurz kommt. Aber wir werden von den Institutionen, die bei uns das Material anfordern, immer wieder mit dem Problem konfrontiert, daß es eine Reihe von Jugendlichen gibt, die nicht aufgeklärt sind. Ich will die Schuld jetzt weder bei der Schule noch beim Elternhaus suchen, sondern diese Frage einmal außen vor lassen. Aber dadurch kommt es zu einer sehr hohen Zahl unerwünschter Schwangerschaften bei jungen Mädchen unter 16 Jahren. Wir halten uns für verpflichtet, dem durch sachgerechte und seriöse Aufklärung entgegenzuwirken.
Eine Zusatzfrage, Abgeordneter Herberholz.
Herr Staatssekretär, ausgehend von der gewünschten und sicherlich auch vorhandenen sittlichen Grundordnung und im Hinblick auf die Frage des Kollegen Milz, ob die Bundesregierung diese Art von Aufklärung für angemessen halte, bitte ich einmal um Aufklärung, welche andere Art von Aufklärung Sie sich denn denken können.
Herr Abgeordneter, ich glaube, es ist wichtig, zunächst einmal festzustellen, welche Gruppen von Jugendlichen etwa in welchen sozialen Brennpunkten - ich denke z. B. auch an ausländische Jugendliche - ein großes Defizit an Sexualaufklärung haben. Die Aufgabe, die Bedürfnisse dieser Gruppe festzustellen, haben die Institutionen - ich habe sie aufgezählt -, die mit den Problemen ständig konfrontiert sind: die Gesundheitsämter, die Jugendämter, die Jugendverbände, kirchliche Institutionen, die Beratungsstellen zum § 218 und die Familienberatungsstellen. Alle diese Institutionen haben uns darin bestätigt, daß diese Broschüre dem speziellen, spezifischen Aufklärungsbedarf gerecht wird.
Im übrigen wird eine solche Broschüre auch mit allen Ländern vorher abgestimmt. Ich glaube, dies ist eine angemessene Form. Wenn man darüber hinaus noch andere angemessene Formen für eine Verbesserung finden kann, stehe ich dem aufgeschlossen gegenüber. Aber hier haben wir, wie uns immer wieder bestätigt wird, ein gutes Instrument.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Breuer.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir in der Meinung zustimmen, daß eine sachgerechte Sexualaufklärung altersspezifisch, d. h. den psychologischen Voraussetzungen der jeweiligen Altersgruppe gemäß, vorgenommen werden muß und daß insofern auch die Verteilung der hier angesprochenen Broschüre altersspezifisch erfolgen müßte?
Herr Abgeordneter, ich stimme Ihnen - ich habe dies in meiner ersten Antwort auf die Frage des Kollegen Milz j a auch unterstrichen - völlig zu. Es ist nicht daran gedacht, hier eine Verteilungsbroschüre zu haben, sondern eine Broschüre, die auf Anforderung für genau bestimmte Altersgruppen, Zielgruppen bereitgestellt wird; ich stimme Ihnen völlig zu.
Herr Abgeordneter Graf von Waldburg-Zeil zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, hielten Sie es in Anbetracht des Art. 6 Abs. 2 des Grundgesetzes, wonach die Eltern die für die Erziehung zuvörderst Zuständigen sind, für sinnvoll, bei der Abfassung solcher Broschüren möglicherweise Elternvertreter zu beteiligen, um einen nachträglichen Streit zu vermeiden?
Herr Abgeordneter, ich würde es sehr begrüßen, wenn Eltern da sachkundig mitwirken würden. Ich möchte aber, ohne daß ich das jetzt belegen kann, zunächst einmal vermuten, daß die Broschüre speziell für Jugendliche aus Elternhäusern gedacht ist, in denen diese Aufklärung nicht sachgerecht erfolgt ist.
({0})
Daß solche Eltern nun kompetent sind, an einer solchen Broschüre mitzuwirken, wage ich sehr zu bezweifeln.
Ich rufe die Frage 24 der Frau Abgeordneten Dr. Martiny-Glotz auf:
Wann ist damit zu rechnen, daß das Bundesgesundheitsamt seine Entscheidung über mögliche Einschränkungen im Gebrauch von metamizolhaltigen Arzneimitteln bekanntgibt, und ist davon auszugehen, daß diese Arzneimittel verboten werden, wie dies in Schweden der Fall ist?
Frau Abgeordnete, das Bundesgesundheitsamt bereitet zur Zeit seine Entscheidung über Maßnahmen zum Schutze des Verbrauchers bezüglich Pyrazolon enthaltender Arzneimittel, zu denen auch das Metamizol gehört, vor. Die interne Meinungsbildung soll unter Einbeziehung der Prüfung aller in der öffentlichen Anhörung vom 11. Juni 1981 vorgetragenen Stellungnahmen Ende Oktober dieses Jahres abgeschlossen sein.
Da die Breite der beanspruchten Anwendungsgebiete von banalen Schmerzen bis zu schweren Schmerzzuständen reicht und die unterschiedlichen Anwendungsformen unterschiedliche Risiken beinhalten, muß die Nutzen-Risiko-Abschätzung differenziert durchgeführt werden. Deshalb ist zu erwarten, daß die Entscheidung auch differenziert ausfallen wird. Sie wird in jedem Fall eine Risikominderung für den Patienten zum Ziel haben.
Zu einer Zusatzfrage Frau Dr. Martiny-Glotz.
Herr Staatssekretär, hält die Bundesregierung eine Beteiligung der Medien bei der Erarbeitung einer solchen differenzierten Stellungnahme für nützlich oder für eher hinderlich?
Für eher hinderlich, würde ich sagen. Aber es kommt sehr darauf an. Es kann z. B. durchaus sein, daß ein Fachmedium eine spezifische Information beisteuern kann. Aber im allgemeinen eignet sich das für eine Behandlung in den Medien sicher nicht.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Kollegin, bitte.
Hält die Bundesregierung das massive Vorgehen der Firma Hoechst, die ein Präparat dieser Gruppe herstellt, gegen eine Medienberichterstattung über diese Sachfrage, die während der Ferienmonate stattgefunden hat, für eher nützlich oder für eher hinderlich?
Ich halte es für zweckmäßig, daß beim Bundesgesundheitsamt - unter Heranziehung aller Informationen, die es über die Wirkungen dieses Medikaments, dieses Stoffes gibt - sachgerecht entschieden wird. Das kann, glaube ich, nicht durch öffentliche Begleitmusik unterstützt und gefördert werden, wenngleich es auf der anderen Seite auch wichtig ist, Entscheidungen, wenn sie gefällt sind, einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, damit über die Risiken, die mit Arzneimitteln verbunden sind, auch informiert wird. Aber ich glaube, in der Phase der Abwägung von Risiko und Nutzen sollte man die Fachleute ihre Arbeit leisten lassen; das geschieht ja auch zur Zeit.
Ich rufe die Frage 25 des Abgeordneten Vogelsang auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß Kinder und Jugendliche vor dem suggestiven Einfluß geschützt werden müssen, der von den Telespielautomaten ausgehen kann, die Kriegsschauplätze abbilden und zu aggressivem Handeln auffordern, und was gedenkt die Bundesregierung gegebenenfalls zu tun, um der zunehmenden öffentlichen Verbreitung dieser Telespielautomaten entgegenzuwirken?
Herr Abgeordneter Vogelsang, die Bundesregierung ist der Auffassung, daß es nicht ohne Einfluß auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen bleiben kann, wenn ihnen Gewalttätigkeiten, Grausamkeiten und kriegerische Handlungen beständig als etwas Normales und als im Grunde legitime Instrumente für Konfliktlösungen dargestellt werden. Frau Bundesminister Huber hat sich bereits in diesem Sinne kritisch zu den von Ihnen angesprochenen Kriegsspielautomaten geäußert.
Das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit prüft zur Zeit mit den beteiligten Bundesressorts, in welcher Form ein Verbot derartiger Geräte im Zuge der beabsichtigten Novellierung des Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Offentlichkeit vorgeschlagen werden kann.
Herr Abgeordneter Vogelsang, eine Zusatzfrage, bitte.
Ich darf Ihrer Antwort entnehmen, Herr Staatssekretär, daß die Bundesregierung die Grenzen der freien Marktwirtschaft nicht überschritten sieht, wenn man hier zu einem Verbot greifen würde.
Ich kann der Prüfung, die zur Zeit stattfindet, nicht vorgreifen. Selbstverständlich ist dies eine wichtige Frage, die in diesem Zusammenhang geprüft werden muß. Ich muß abwarten, was die anderen Bundesressorts hier einbringen. Soweit ich unterrichtet bin, sind in diesem Monat noch Gespräche auch mit den zuständi3092
gen Ministerien der Länder über dieses Thema im Gange. Ich kann, wie gesagt, da nicht vorgreifen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Vogelsang.
Hält es die Bundesregierung trotz dieser Prüfungen nicht für angebracht, mit den Jugendverbänden und anderen Verbänden und Organisationen doch darüber zu reden, daß sie ihren Einfluß geltend machen, daß diese Apparate von den Jugendlichen weniger in Anspruch genommen werden?
Das ist selbstverständlich notwendig; das geschieht auch, Herr Abgeordneter. Darüber hinaus versucht die Bundesregierung, auch die Hersteller und die Aufsteller solcher Automaten in diesem Sinne zu beeinflussen, um möglichst die schlimmsten Auswüchse auf diesem Gebiet von den Jugendlichen fernzuhalten.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wolfram.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die Stadt Wien oder das Land Wien derartige Einrichtungen im Prater verboten hat? Haben Sie einmal Kontakt mit den Wiener Behörden aufgenommen? Sind Sie gegebenenfalls bereit, das zu tun, und wären Sie bereit, gegebenenfalls ähnliche Schritte einzuleiten, wie es meines Wissens erfolgreich in Wien geschehen ist?
Herr Abgeordneter, mir war das neu. Ich danke Ihnen für diesen Hinweis. Wir werden selbstverständlich versuchen, an diese Erfahrungen und die Überlegungen in Osterreich heranzukommen und sie mit in unsere Überlegungen einzubeziehen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Breuer.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung dazu bereit, nicht nur die Frage der Telespielautomaten als Kriegsspielzeug, sondern der Spielautomaten generell in die Überlegungen zur Novellierung des Jugendschutzgesetzes einzubeziehen?
Herr Abgeordneter, über diesen jetzt angesprochenen Kreis von Spielzeugen, bei denen Brutalität, Gewaltanwendung als ganz normaler Vorgang im Spiel erprobt wird, hinaus haben wir noch keine Überlegungen angestellt. Wir sind aber gerne bereit, irgendwelche Anregungen aufzugreifen, wenn Sie ähnliche Wirkungen auf Jugendliche von anderen Spielen befürchten.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Broll.
Herr Staatssekretär, denkt die Regierung etwa daran, auch Schießbudenfiguren auf Kramermärkten und ähnlichen Einrichtungen zu verbieten, weil dort der Gebrauch von Waffen mit
Schießen auf Tiere und Gegenstände vielleicht auch aggressive Lüste wecken könnte?
Herr Abgeordneter, da ich annehme, daß bei dem Umgang mit Schießbuden der erheiternde Effekt den Gewaltanwendungseffekt überwiegt, ist das bisher nicht vorgesehen.
Die Fragen 26 und 27 des Abgeordneten Kiechle und die Fragen 28 und 29 des Abgeordneten Kroll-Schlüter sollen auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Damit ist der Bereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit abgeschlossen.
Wir gehen über zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Er wird vertreten durch den Parlamentarischen Staatssekretär Mahne.
Ich rufe die Frage 30 des Abgeordneten Dörflinger auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die im Hochrheingebiet, insbesondere in den Gemeinden Hohentengen, Küsserberg, Klettgau und Albbruck, ermittelten und durch den Betrieb des Flughafens Zürich-Kloten verursachten Lärmmeßwerte?
Mahne, Pari. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Präsident, wegen des Sachzusammenhangs möchte ich die Fragen 30 und 31 gemeinsam beantworten, wenn der Herr Kollege Dörflinger einverstanden ist.
Sind Sie damit einverstanden? - Dann rufe ich auch die Frage 31 des Herrn Abgeordneten Dörflinger auf:
Welche Gründe waren ausschlaggebend für die Aussetzung der deutsch-schweizerischen Verhandlungen mit dem Ziel einer Begrenzung der Lärmbelästigung deutscher Bürger im Hochrheingebiet durch den Betrieb des Flughafens Zürich-Kloten, und ist die Bundesregierung bereit, diese Gespräche wieder aufzunehmen und als Ergebnis eine staatsvertragliche Regelung anzustreben, die eine spürbare Entlastung der deutschen Bürger in oben genannter Hinsicht mit sich bringt?
Herr Kollege Dörflinger, die Lärmmeßwerte in der Gemeinde Hohentengen, welche auf Grund ihrer Lage zum Flughafen Zürich von den genannten Gemeinden am stärksten betroffen ist, liegen unter den Werten vergleichbarer Ortschaften im An- und Abflugbereich deutscher Flughäfen, wie z. B. Frankfurt oder Düsseldorf. Ein nach dem deutschen Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm für den Flughafen Zürich berechneter Lärmschutzbereich würde Hohentengen nicht einschließen. Dennoch wurden seit 1974 Verhandlungen mit dem Schweizer Bundesamt für Zivilluftfahrt mit dem Ziel geführt, die Anzahl der Anflüge über dem betroffenen Gebiet zu reduzieren. Diese Verhandlungen wurden 1979 auf Wunsch der Schutzgemeinschaft gegen Fluglärm und Umweltschädigung im Kreis Waldshut e. V. mit Zustimmung aller Beteiligten unterbrochen, um den Ausgang eines beim Amtsgericht Landshut anhängigen Musterprozesses abzuwarten. in dem zwei Bürger des Landkreises Landshut gegen den Kanton Zürich wegen Lärmbelästigung durch den Flughafen klagen. Der Prozeß ist noch nicht abgeschlossen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dörflinger.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung das Gutachten von Professor Dötsch bekannt, nach dem ohne Einschränkung der Kapazität des Flughafens und ohne zusätzliche Investitionen eine wesentliche und wirksame Verminderung der Lärmbelästigung für die Bevölkerung des deutschen Hochrheingebietes angestrebt werden muß und auch erreicht werden könnte?
Mir ist diese Untersuchung nicht bekannt.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dörflinger.
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung den von der Schweizer Seite in die Verhandlungen eingeführten Rechtsgrundsatz, nach dem nicht die nationalen Grenzen, sondern die Bevölkerungsdichte für die Verteilung des Fluglärms ausschlaggebend sei?
Den teilen wir durchaus. Nur habe ich darauf hingewiesen, daß nach deutschem Recht kein Anspruch bestehen würde.
Bei den Verhandlungen mit der Schweiz muß man berücksichtigen, daß die Schweiz auf Grund der Topographie bei der Festlegung der An- und Abflugstrecken eingeschränkt ist, das Schweizer Gebiet wesentlich dichter als das deutsche Grenzgebiet besiedelt ist und daß Beschränkungen für Überflüge über das deutsche Hoheitsgebiet die Kapazität des Flughafens Zürich einschränken können und zu längeren Flugwegen mit entsprechend höherem Energieverbrauch führen würden. Auch das gute nachbarliche deutsch-schweizerische Verhältnis - ich muß auch das sagen - sollte natürlich nicht zu stark belastet werden. Die Möglichkeiten der Lärmminderung - das muß ich ausdrücklich betonen - für das deutsche Grenzgebiet sind begrenzt.
Eine weitere Zusatzfrage, Abgeordneter Dörflinger.
Herr Staatssekretär, wir sind uns in der positiven Bewertung des deutschschweizerischen Verhältnisses und auch darin sicher einig, daß der Flughafen Zürich-Kloten auch für Süddeutschland eine große wirtschaftliche Bedeutung hat. Ich muß Sie trotzdem fragen, ob die Bundesregierung beispielsweise bereit ist, sich dafür einzusetzen, daß die vom Land Baden-Württemberg zur Verfügung gestellten und vom Landesamt für Umweltschutz gewarteten festen Meßstationen nicht wieder abgebaut werden, sondern bis auf weiteres verbleiben, damit eine präzise Gesamtbeurteilung der Lärmsituation möglich wird, weil die Schutzgemeinschaft gegen Fluglärm an den bisherigen Messungen den unzureichenden Zeitraum kritisiert?
Herr Kollege, der Umfang der Lärmbelästigungen ist ja schön in der
Vergangenheit sehr umfangreich überprüft worden. Eine automatische Meßstation in Hohentengen erfaßt alle am Meßort herrschenden Geräusche. Hierbei hat sich ergeben, daß vielfach andere Umweltgeräusche stärker sind als der durch den Flugbetrieb produzierte Lärm.
Im September 1977 verbrachte eine Expertengruppe unangemeldet anderthalb Tage in Hohentengen, um sich ein Bild von der Lärmbelästigung zu machen. Diese Expertengruppe ist zu dem subjektiven Eindruck gelangt, daß der Lärm als nicht sehr störend empfunden wurde. Ich kann Ihnen versichern, daß die Meßstation vorerst weiterhin aufrechterhalten wird, um damit den Lärmpegel auch ständig zu erfassen.
. Ihre letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dörflinger.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, mir die Quellen, aus denen Sie eben Informationen geliefert und Fakten dargelegt haben, zugänglich zu machen?
Ich bin gerne dazu bereit. Sie werden verstehen, daß ich dazu hier nicht in der Lage bin. Ich werde sie Ihnen schicken.
Ich rufe die Frage 32 des Herrn Abgeordneten Amling auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherheit das bei jüngeren Verkehrsteilnehmern zunehmend verbreitete Tragen von Kopfhörern, die in Verbindung mit Recordern Tonbandmusik ausstrahlen und damit vor allem bei Rad-, Mofa- und Kraftradfahrern sowie Fußgängern die Wahrnehmung akkustischer Signale im Straßenverkehr verhindern, und sieht die Bundesregierung eine Notwendigkeit und gegebenenfalls Möglichkeiten, dies zu unterbinden?
Herr Kollege Amling, da der Fahrzeugführer seit dem 1. August 1980 durch Ergänzung des § 23 Abs. 1 Satz 1 der Straßenverkehrs-Ordnung auch dafür verantwortlich ist, daß das Gehör nicht beeinträchtigt wird, sind nach der Straßenverkehrs-Ordnung die Voraussetzungen vorhanden, um die in der Frage aufgeworfenen möglichen Mißbräuche zu unterbinden. Eine besondere Regelung für Fußgänger in der Straßenverkehrs-Ordnung ist nach Auffassung der Bundesregierung nicht notwendig.
Keine Zusatzfrage? - Danke schön. Damit sind wir am Ende der Fragestunde.
Ich berufe die nächste Plenarsitzung auf morgen, Donnerstag, den 1. Oktober, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.