Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 6/25/1981

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Die Sitzung ist eröffnet. Heute hat der Herr Vizepräsident Windelen seinen 60. Geburtstag. Ich darf ihm im Namen des Hauses die herzlichsten Glückwünsche entgegenbringen. ({0}) Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die heutige Tagesordnung ergänzt werden um die Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und FDP betreffend Wahlen zur Volkskammer der DDR, Drucksache 9/610. Der Antrag soll in Verbindung mit Punkt 11 beraten werden. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe keine gegenteilige Meinung. Es ist so beschlossen. Auf der Diplomatentribüne hat eine Delegation des japanischen Unterhauses Platz genommen. Ich begrüße sie im Namen des Deutschen Bundestages sehr herzlich und wünsche für ihren Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland, daß er angenehm und harmonisch verläuft. ({1}) Ich rufe Tagesordnungspunkt 9 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Köhler ({2}), Pieroth, Frau Fischer, Herkenrath, Höffkes, Dr. Hornhues, Dr. Hüsch, Dr. Kunz ({3}), Lamers, Dr. Pinger, Dr. Pohlmeier, Repnik, Schmöle, Schröder ({4}) und der Fraktion der CDU/ CSU Verstärkung der personellen Hilfe im Konzept der Entwicklungspolitik der Bundesrepublik Deutschland - Drucksache 9/423 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit ({5}) Innenausschuß Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Haushaltsausschuß Der Ältestenrat hat 60 Minuten Redezeit dafür vorgesehen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Dr. Köhler.

Dr. Volkmar Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001154, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion - und ich denke, alle Fraktionen dieses Hauses sind der gleichen Meinung - mißt der personellen Entwicklungshilfe hohe Bedeutung bei. Deshalb haben wir - ich denke, zum erstenmal seit vielen Jahren - eine spezielle Debatte in dieser Frage herbeigeführt. Unser Ziel ist dabei nicht die Kritik an der bestehenden personellen Hilfe, obwohl es dazu manches zu sagen gäbe. Wir erkennen die Leistungen unserer Entwicklungshelfer und Experten in ganz überwiegendem Umfange aufrichtig an. Ich möchte diese Gelegenheit zuerst benutzen, ihnen für ihren schweren Einsatz in vielen Ländern der Dritten Welt herzlich zu danken. ({0}) Aber wir haben seit Jahren die Bundesregierung mit Fragen und Anträgen gedrängt, mehr zu tun. Auch dieser Antrag könnte seit einem Jahr durch Taten erledigt sein. Ich hoffe, daß wir auch nicht wieder gesagt bekommen, das sei ein Antrag sozusagen aus der Vorratskiste. Das liegt dann daran, daß in diesem Jahr nichts geschehen ist, was wir als Erledigung betrachten können. ({1}) Wir sind nicht einverstanden, daß kaum 4000 deutsche Helfer und Experten in der Dritten Welt wirklich das letzte Wort sein sollten. Wir sind sehr besorgt darüber, daß es für das Engagement vieler junger Menschen keine Einsatzmöglichkeiten geben soll. ({2}) Dies sage ich gerade unter dem Eindruck des Hamburger Kirchentages. Wir kritisieren in unserem System der personellen Hilfe und der Ausbildungshilfe ernste strukturelle Mängel. Wir zweifeln vor allem aber an dem Konzept, durch das die personelle Hilfe dem engen Kreis weniger Spezialorganisationen zugewiesen wird. Denn wir wollen, daß das konkrete entwicklungspolitische Engagement in alle Gruppen unserer Gesellschaft hineingetragen und in die Tat umgesetzt wird. ({3}) Ich denke, wir haben lange genug über Begründungen diskutiert, weshalb es schwer sei, die perso2586 Dr. Köhler ({4}) nelle Hilfe zu steigern. Was wir jetzt für wichtig halten, ist, daß diese Situation geändert wird, nicht zuletzt auch deshalb, damit der eigene Lernprozeß in unserem Lande um unserer Gesellschaft willen gefördert wird, damit manche Immobilität in unserem Lande, die wir beklagen, überwunden wird, und damit die immer mehr wachsende Befangenheit in den eigenen Problemen überwunden wird; denn vor den Problemen der Dritten Welt können wir es einfach nicht verantworten, daß diese Geisteshaltung als Dauerzustand so bleibt. ({5}) Entwicklung, meine Damen und Herren, wird von Menschen gemacht, nicht von Umverteilungsbehörden, nicht von Regimen, nicht von Planungsorganisationen und nicht von Transferautomatiken und dergleichen schönen Dingen. Der Wille, die Entwicklungsmotivation und die konkreten Fähigkeiten, die sich in menschlicher Arbeit manifestieren, sind die Grundlagen aller Entwicklung. Wer dies vergißt, wer Entwicklung für technokratisch machbar hält, wer glaubt, daß Entwicklungspolitik vorwiegend auf der Basis der Allmacht staatlicher Organisationen gegründet werden kann, der irrt nicht nur. Ich meine, er dringt nicht zum Kern der Aufgabe vor, für diese eine gemeinsame Welt eine Zukunft des Friedens durch Brüderlichkeit zu schaffen. Persönliche Zusammenarbeit ist es, die zu menschlicher Begegnung, zum Verstehen, zur Annäherung der Standpunkte und schließlich zur Gemeinsamkeit führt. Es geht darum, am Beginn der dritten Entwicklungsdekade zu begreifen, daß der wirtschaftliche und soziale Wandel der Entwicklungsländer von der Partizipation möglichst vieler Menschen abhängig ist und die eigenständigen Traditionen und kulturellen Werte der Dritten Welt in die Entwicklung integriert werden müssen. Aus dieser Erkenntnis folgt: Bei der Weiterentwicklung der Instrumente der deutschen Entwicklungspolitik muß die personelle Dimension unserer Zusammenarbeit mit der Dritten Welt stärker zur Wirkung kommen. Die personelle Hilfe - etwa durch Fortbildung oder Erfahrungsaustausch - muß bei den Instrumenten und Programmen der Technischen Hilfe und Kapitalhilfe aus ihrer subsidiären Funktion zu einem selbstverständlichen und systematischen Teil der Projektplanung und -durchführung weiterentwickelt werden; denn das Vorhandensein von fachlich qualifizierten einheimischen Fach- und Führungskräften ist eine unerläßliche Voraussetzung für eine eigenständige wirtschaftliche und soziale Entwicklung. Der Bericht über „Das menschliche Dilemma - Zukunft und Lernen" des Club of Rome hat auf die wichtige Rolle von Bildung und Ausbildung bei der internationalen kulturellen Zusammenarbeit zur Sicherung des Friedens und Förderung der Entwicklung hingewiesen; Bildung und Ausbildung sollen den einzelnen und die Gesellschaften fähig machen, mit den Herausforderungen der Zukunft fertigzuwerden. So muß die Ausbildungshilfe der Bundesrepublik dazu beitragen, daß die Menschen in den Ländern der Dritten Welt eine eigenständige politische, kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung gestalten können. Im bisherigen Konzept und Instrumentarium der deutschen personellen Hilfe für Entwicklungsländer kommt der Aspekt des Lernens in den Ländern der Dritten Welt meines Erachtens zu kurz. Angesichts der verstärkten politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenarbeit der Bundesrepublik mit den Ländern der Dritten Welt bedarf es des Ausbaus und der Erschließung von Lernfeldern für Angehörige der jungen deutschen Generation in den Entwicklungsländern. Einer der wenigen Ansätze hierzu besteht im ASA-Programm der Kübel-Stiftung für Studenten. Es fehlen jedoch ausreichende Möglichkeiten der praktischen und beruflichen Erfahrungsaneignung für junge deutsche Berufstätige in Entwicklungsländern durch Praktikanten- oder Volontärprogramme. Hierüber sollte das Gespräch mit den interessierten gesellschaftlichen Gruppen in der Bundesrepublik Deutschland und - unter dem Aspekt der Gegenseitigkeit - in den Entwicklungsländern geführt werden. Wir denken auch an einen Ausbau der jugendpolitischen Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern. Wichtig ist für uns eine bessere Verzahnung von Personalentsendung und Fortbildung einheimischer Fachleute. Bei der deutschen Personalhilfe durch Entsendung von Fachkräften und Entwicklungshelfern muß künftig noch systematischer und stärker überprüft werden, ob und wann die entsandten deutschen Kräfte durch gleichwertige einheimische Fach- und Führungskräfte ersetzt oder abgelöst werden können. In der Phase des allmählichen wirtschaftlichen und technischen Wachstums der Entwicklungsländer treten immer häufiger kurzfristig Know-how-Lücken und -Engpässe auf. Durch die Entsendung von Beratern nach dem Beispiel des amerikanischen International Executive Service Corps - ISC - könnte die deutsche Personalhilfe kostengünstiger, flexibler und wahrscheinlich auch wirkungsvoller auf Know-how-Engpässe reagieren. Der Erfolg von Projekten der deutschen Kapitalhilfe und von Direktinvestitionen der deutschen Wirtschaft - z. B. mit Unterstützung der Deutschen Entwicklungsgesellschaft - könnte durch ein solches Beratungsinstrumentarium wirkungsvoll abgesichert werden. Frühere Erkundigungen im Auftrag der Carl-Duisberg-Gesellschaft und der Deutschen Entwicklungsgesellschaft ergaben, daß in der deutschen Wirtschaft Interesse und Bereitschaft bestehen, bei auftretendem Bedarf qualifizierte Berater zur Verfügung zu stellen. Hier stellt sich auch die Frage, ob das in der deutschen Wirtschaft vorhandene Potential an Fachleuten und die Bereitschaft zur Personalentsendung bereits hinlänglich motiviert und aktiviert worden sind. Ich möchte einmal auf die ständig wachsende Gruppe von Fachleuten aus der Wirtschaft aufmerksam machen, die dort mit 59 oder 60 Jahren in Pension gehen und für die es im Moment fast unmöglich ist, bei den bestehenden EntwicklungshilfeorganisaDr. Köhler ({6}) tionen noch einen von ihnen gewünschten sinnvollen Einsatz in der Dritten Welt unter Auswertung ihrer großen Erfahrungen zu finden. Verstärkte Bedeutung messen wir der Fortbildung von Fach- und Führungskräften aus den Entwicklungsländern bei. Die Stipendienprogramme zur Fortbildung von Fach- und Führungskräften aus den Entwicklungsländern müssen aus ihrer bisherigen subsidiären Funktion bei Projekten der Kapitalhilfe und der Technischen Hilfe zu einem eigenständigen Instrument der deutschen Entwicklungspolitik mit regionalen und fachlichen Schwerpunkten weiterentwickelt werden. Da bisher bei den Stipendienprogrammen des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit die Fortbildung der Counterparts zur Ablösung des deutschen Projektpersonals Priorität hat, ist der verbleibende Spielraum zur Aus- und Fortbildung der Fach- und Führungskräfte der Volkswirtschaften der Entwicklungsländer - und hierbei vor allem der bereits bestehenden Betriebe - viel zu gering. Daher ist eine beträchtliche Ausweitung und Auffächerung der Programme erforderlich. Auch ist eine stärkere Einbeziehung von Verbänden und sonstigen Selbstverwaltungseinrichtungen der einheimischen Volkswirtschaften empfehlenswert, weil im gesellschaftspolitischen Rahmen der deutschen Entwicklungspolitik die Zusammenarbeit zwischen der deutschen Wirtschaft und den Volkswirtschaften der Entwicklungsländer nach unserer Meinung bisher nur unzulänglich strukturiert ist. Eine stärkere Einbeziehung einheimischer Partnerinstitutionen in die Planung, Durchführung und Auswertung der Fortbildungsmaßnahmen für einheimische Fach- und Führungskräfte würde eine klarere und frühere Artikulation des Bedarfs und eine bessere Abstimmung der Ausbildungsmöglichkeiten im Heimatland mit den Ausbildungspotentialen in der Bundesrepublik Deutschland oder in Drittländern bewirken. Wir brauchen auch ein Konzept der „Transferdidaktik", um Probleme, die mit der Übertragung von industriewirtschaftlichem Know-how auf die gänzlich andersartigen Bedingungen und Verhältnisse anderer Kulturen zusammenhängen, zu klären und, zu lösen. Besonders wichtig ist dabei die Förderung der kulturellen Identifikation durch angepaßte Formen von Bildung und Ausbildung. ({7}) Der große Kreis der früheren Fortbildungsgäste in den Entwicklungsländern - derjenigen also, die einmal in Deutschland gewesen sind - ist eine wichtige Zielgruppe für Programme der deutschen Entwicklungspolitik und der auswärtigen Kulturpolitik. Es muß mehr geschehen, um diesem Kreis Fortbildungsmöglichkeiten und auch Chancen zur Auffrischung der deutschen Sprachkenntnisse zu erschließen. Die aus eigener Initiative dieser Rückkehrer entstandenen Rückkehrervereinigungen, die zum Teil bereits eigene Fortbildungs- und Informationsveranstaltungen in ihren Ländern durchführen, verdienen mehr Beachtung. Für den Fortbildungs- und Erfahrungsaustausch mit den Multiplikatoren der Entwicklungsländer werden Programme zur Wiedereinladung früherer Teilnehmer - Programme, die im Bereich des wissenschaftlichen Austauschs übrigens eine lange Tradition haben - immer wichtiger; denn der Bedarf an Auffrischung früherer Kenntnisse sowie an Aufnahme neuer Kontakte - insbesondere beim Besuch der deutschen Messeplätze - hat ständig wachsende Bedeutung. Die auslandsorientierte deutsche Wirtschaft steht bei Lieferungen und Dienstleistungen in der Dritten Welt, vor allem in den Schwellenländern, vor einem wachsenden Bedarf an Know-how-Transfer, etwa durch Lizenzverträge oder durch Bereitstellung von Management- und Ausbildungsleistungen. Wer sich das näher anschauen will, informiere sich einmal über die bestehenden Projekte der Industrieberatung auf den Philippinen. Diese Herausforderung zwingt zur Entwicklung neuer Kooperationsformen von Staat und Wirtschaft nach dem Beispiel anderer westlicher Industrieländer, weil der Ausbildungsbedarf nur in Zusammenarbeit der deutschen Ausbildungsanbieter mit den Instrumenten und Programmen der staatlichen Entwicklungspolitik und Außenwirtschaftspolitik befriedigt werden kann. Zur Lösung der Ausbildungsprobleme der Entwicklungsländer - und das ist nach Schätzungen der UNIDO eine Aufgabe von beträchtlichem und ständig wachsendem Volumen - bedarf es neuer, unkonventioneller und flexibler Kooperationsformen von Staat und Wirtschaft. Nach Auffassung von Vertretern der deutschen Wirtschaft hat sich diese Einsicht in anderen Industrieländern bereits stärker als in der Bundesrepublik durchgesetzt. Ich bitte gerade Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, doch auch einmal zur Kenntnis zu nehmen, daß die Ausbildungsleistung der deutschen Wirtschaft, z. B. der Bauwirtschaft, in den Ländern der Dritten Welt ein Vielfaches von dem darstellt, was deutsche staatliche Entwicklungshilfe jemals leisten kann. ({8}) Es ist deswegen Ihre und unsere Aufgabe, dieses Potential entwicklungspolitisch zu qualifizieren. Dazu muß man natürlich einmal auch die Berührungsängste gegenüber der Wirtschaft überwinden und muß auch einmal die abgeschmackte und von Vorurteilen strotzende Diskussion über die Multis an den richtigen Platz verweisen. ({9}) Es lohnt sich auch zu analysieren, weshalb der Bericht der Brandt-Kommission zu diesen Fragen kaum aussagefähig ist. ({10}) - Bitte, nicht so! Eine Verharmlosung ist deswegen noch lange nicht gegeben. Als Letztes - und ich komme damit, Herr Präsident, zum Schluß - noch folgendes. Ausbildungs- und Erfahrungsaustausch spielen sich nicht in einem wertfreien Raum ab. Wer nach scheinbar wert2588 Dr. Köhler ({11}) freien technokratischen Lösungen des Know-howTransfer-Problems der Entwicklungsländer strebt, kennt nicht den Bedarf und das Interesse einer großen Anzahl von Menschen der Dritten Welt am Gespräch über Fragen der Orientierung über Normen, Werte und „Ideologien". Bei unserer Fortbildung und Information von Fach- und Führungskräften der Entwicklungsländer fehlt weitgehend die Diskussion über die Normen unseres politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Handelns, darunter auch über die Brauchbarkeit des marktwirtschaftlichen Modells der Bundesrepublik Deutschland unter den andersartigen Bedingungen der Entwicklungsländer. ({12}) Wir brauchen aber diesen institutionalisierten Dialog über Grundsatzfragen der Zusammenarbeit zwischen Industrie- und Entwicklungsländern und über die soziokulturellen Dimensionen des Know-howTransfers. Unser Antrag enthält zahlreiche weitere Einzelheiten. Wir hoffen auf umfassende und konstruktive Beratung in den Ausschüssen. Es geht uns darum - ich sage es noch einmal -, mehr zu tun. Das Ziel muß sein, alle Kräfte unseres Landes zu aktivieren, die zur Entwicklungshilfe bereit sind. Wir wissen doch, meine Damen und Herren, daß die Problemfülle der Entwicklungsländer wahrhaft unbeschreiblich ist. Lassen Sie uns den Versuch machen, den Menschen dieser Länder ein neues Angebot zu machen. - Ich danke Ihnen. ({13})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Osswald.

Prof. Dr. Klaus Dieter Osswald (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001658, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der CDU/CSU zeichnet sich dadurch aus, daß er eine Vielzahl von Vorschlägen und Forderungen enthält, die von jedem, der in der Entwicklungspolitik tätig ist und ihr positiv gegenübersteht, jederzeit unterschrieben werden können. Man könnte fast meinen, daß bei der Formulierung dieses Antrags ein Werbeslogan „Es gibt viel zu tun, schreiben wir es auf" Richtschnur war. Die vielfältigen Forderungen und Empfehlungen suggerieren dem unbefangenen Beobachter, daß es hier ein weites Betätigungsfeld gibt, auf dem bisher nur wenig getan wurde und somit vieles im argen liegt. Dies ist aber sicher nicht richtig. Gerade der Problemkreis der personellen Hilfe ist doch ein Bereich, auf dem seit Anbeginn der deutschen Entwicklungspolitik gearbeitet wird, auf dem - auch aus Fehlern - viele Erfahrungen gesammelt wurden und der sich daher schon immer in einem laufenden Anpassungs- und Verbesserungsprozeß befand. Somit ist auch praktisch keine der Forderungen dieses Antrags neu. Im Gegenteil, viele sind bereits erfüllt, andere befinden sich in der Durchführung, und wiederum andere rennen offene Türen ein, indem sie längst formulierte Zielsetzungen unserer Entwicklungspolitik nachbeten. Nach dem öffentlichen Hearing zur Entwicklungspolitik schrieb der Kollege Hüsch im „DeutschlandUnion-Dienst" - Sie sehen, ich lese sehr vieles - vom 8. Mai 1981 folgende Sätze: Die öffentliche Anhörung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit hat in den grundsätzlichen Fragen kaum neue Impulse gebracht. Vieles spricht dafür, daß die Grundproblematik ausdiskutiert ist. Neue Ideen, die geeignet sind, den seit langem erhofften Forschritt doch noch eintreten zu lassen, scheint es zur Zeit nicht zu geben. Jedenfalls wurden sie nicht geäußert. Ende des Zitats, Kollege Hüsch. Was das Hearing anbetrifft, mag diese Beurteilung unterschiedlich aufgefaßt werden. Bezogen auf Ihren vorliegenden Antrag, ist diese Feststellung sicher richtig. ({0}) Ich möchte keinem einen Vorwurf machen, wenn er bestehende Forderungen bekräftigt und bleibende Erkenntnisse in die Erinnerung ruft; aber was mich bei diesem Antrag befremdet, ist die Tatsache, daß altbekannte und teilweise längst verwirklichte Maßnahmen in vielen Fällen mit der Forderung nach Ausweitung verknüpft werden, ohne daß der geringste Finanzierungsvorschlag gemacht wird; doch diese Art, Politik zu machen, kennen wir ja inzwischen. Besonders absurd werden die Forderungen aber dann, wenn in den Vorbemerkungen dieses Antrags schon fast scheinheilig festgestellt wird, dieses Konzept müsse im Rahmen der verfügbaren Mittel verwirklicht werden. Abgesehen von diesen eher finanzpolitischen Einwendungen möchte ich aber doch einige grundsätzliche Bemerkungen zu diesem Antrag machen. Ich habe Bedenken, die sich weniger gegen die Forderungen selbst als vielmehr gegen die Ideologie richten, die sich hinter vielen Teilen dieses Antrags verbirgt. Auch wenn manche Forderungen der Opposition durchaus den Zielvorstellungen der Regierungsparteien ähneln, scheint es mir deutliche Unterschiede zwischen den Beweggründen der Union und den Vorstellungen der sozialliberalen Entwicklungspolitik zu geben. Der erste Einwand richtet sich gegen die Forderung, die damit begründet wird - Herr Köhler hat sie praktisch wiederholt -, eine angemessene Antwort auf die massive Einflußnahme in Gestalt des Beratereinsatzes durch Staaten des Ostblocks zu finden. Sie haben es gesagt unter dem Aspekt: Information über unser politisches System zu geben. Wer so argumentiert, ist meines Erachtens auf dem besten Wege, die Problematik des Ost-West-Verhältnisses auf die Entwicklungsländer zu übertragen. Unsere Entwicklungspolitik - und schon gar nicht die personelle Hilfe - sollte nicht dazu dienen, den Konkurrenzkampf der beiden großen Gesellschaftssysteme auf dem Rücken anderer Länder auszutragen, selbst dann nicht, wenn dies einseitig von östlicher Seite versucht wird. ({1}) Wer weiß denn, ob eine angemessene Antwort nicht andererseits als massive Einflußnahme unsererseits gewertet werden könnte? In diesem Zusammenhang ist auch die Empfehlung zu prüfen, die für die personelle Hilfe „kurze Reaktionszeiten auf veränderte außenpolitische Konstellationen" fordert. ({2}) Dazu hätte ich gerne genauere Informationen. Unsere personelle Hilfe sollte nicht zu einem Werkzeug außenpolitischer Reaktionen verkommen, sie sollte weiterhin langfristig angelegt sein und sich in erster Linie an den objektiven Bedürfnissen des Gastlandes orientieren. ({3}) Auch hier geht der Antrag an den langjährigen Erfahrungen vorbei. So ist es doch mittlerweile längst kein Geheimnis mehr, daß die Bewertung unserer Hilfsmaßnahmen im Vergleich zu den östlichen Leistungen nicht daran gemessen wird, wie stark wir auf das Engagement der anderen Seite reagieren, sondern daß allein die Qualität unserer Hilfe sowie die partnerschaftliche Art der Zusammenarbeit zählt. Daß dies letztlich unseren Einfluß beträchtlich stärkt - oft auf Kosten der Ostblockländer -, können Ihnen auch die Kollegen mitteilen, die mit auf der Delegationsreise nach Westafrika waren, wo in einigen Ländern doch ganz klar feststellbar ist, daß der Einfluß kommunistischer Staaten von diesen Ländern selbst zurückgedrängt wird. Der zweite Bereich, zu dem ich meine Bedenken anmelde, ist die Forderung nach Steigerung der Zahl der Entwicklungshelfer. Auch hiergegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden, ist der Bedarf doch nicht zu übersehen. Ich sehe jedoch gewisse Gefahren bei den Zielgruppen, die im Antrag genannt werden, z. B. Studenten, Auszubildende, junge Berufstätige. Die Euphorie der ersten Jahre der Entwicklungspolitik ist schließlich längst einem nüchternen Pragmatismus gewichen. Es ist nun einmal für die überwiegende Zahl aller Projekte notwendig, daß Fachleute entsandt werden, die sowohl über eine gute Ausbildung als auch über ein gewisses Maß an Berufserfahrung verfügen, um diese dann auch an die Partner im Gastland weitergeben zu können. Der Ausbildungseffekt gerade der personellen Hilfe sollte zukünftig eher verstärkt als verringert werden. Diese Anforderungen können junge Leute, die sich selbst noch in der Ausbildung befinden oder gerade eben die Schule abgeschlossen haben, nicht erbringen, auch wenn eine wachsende Zahl von Lehrlingen, Abiturienten und Studenten sich in der Dritten Welt engagieren will. Vollkommen zu Recht hat der frühere Entwicklungsminister Erhard Eppler 1969 betont, daß die Entwicklungsländer nicht als eine neue Art von „Schule der Nation" mißbraucht werden dürften. ({4}) Im Bereich des GTZ, der KfW und der Consultings wuchs die Expertenzahl von 1980 auf 1981 immerhin um ca. 10 %. Eine stärkere Steigerung in diesem Bereich ist wohl nur über mehr Projekte möglich, was große finanzielle Auswirkungen hätte. Selbst wenn man hier mehr Arbeitsplätze anbieten könnte, ist nicht automatisch eine adäquate Zahl von geeigneten Experten zu erwarten. Schon jetzt gibt es Engpässe bei besonderen Berufszweigen, obwohl insgesamt die Zahl der Anfragen die Zahl der entsandten Experten weit übersteigt. Im letzten Jahr fehlten ca. 600 Experten, dieses Jahr - Stichtag: 1. Juni - sind es bereits 800 Stellen, für die momentan keine entsprechenden Spezialisten zur Verfügung stehen. Auch bei verstärkter Werbung wird es nicht leicht sein, zukünftig diejenigen Fachkräfte zu bekommen, die hohe Qualifikation, Berufserfahrung, Sprachkenntnisse, Mobilität und pädagogische Fähigkeiten in sich vereinen. Dennoch, meine ich, sollten die Anforderungen hier nicht heruntergeschraubt werden. Das würde der Qualität und der Effizienz vor allem der technischen Hilfe nur schaden. Vielmehr sollte hinzukommen - und hier stimme ich dem Antrag voll zu -, künftig noch mehr Wert auf die Ausbildung zu legen, die die Experten besser auf die soziokulturellen, politischen und ökonomischen Gegebenheiten der Gastländer vorbereiten. Viele Vorurteile und daraus oft resultierende Projektschwierigkeiten könnten dadurch langfristig abgebaut werden. Der dritte Bereich, den ich ganz kurz ansprechen will, ist dadurch gekennzeichnet, daß der Antrag teilweise offene Türen einrennt. Es ist der Fragenkomplex der Reintegration, wo zu vieles gefordert wird, was bereits seit langem praktiziert wird. Hierbei muß nur aufgepaßt werden, daß man nicht dem alten Vorurteil aufsitzt, daß bei uns ausgebildete Angehörige von Entwicklungsländern nicht mehr oder nur selten in ihre Heimatländer zurückkehren. Ein genauer Blick in die Statistik zeigt vielmehr, daß ca. 80% aller Absolventen innerhalb von fünf Jahren nach Ausbildungsabschluß wieder in ihre Heimat zurückkehren. Wir haben Vorbereitungsprogramme für diese Reintegration. Sie werden nicht nur wahrgenommen, um Leute, die hier bei uns bleiben wollen, wieder in die Heimat zu schicken und sie vorzubereiten, sondern es ist eine seriöse Vorbereitung auf die Situation im eigenen Land. Diese drei angesprochenen Bereiche sollten beispielhaft deutlich machen, wo wir eine gewisse Problematik im Antrag der CDU/CSU sehen. Dabei gibt es sicher noch viele andere Punkte, die nicht unsere ungeteilte Zustimmung finden. Grundsätzlich möchte ich aber wie zu Beginn noch einmal betonen, daß viele der in dem Antrag angeschnittenen Punkte mit unseren Vorstellungen vereinbar sind. Wir werden in den Ausschüssen sehr viel Spreu von relativ wenig Weizen trennen müssen. Wir werden aber gerne hier mit Ihnen zusammenarbeiten. ({5})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat Frau Abgeordnete Schuchardt.

Helga Schuchardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002090, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich insofern meinen Vorrednern anschließen, als die personelle Entwicklungszusammenarbeit in der Tat einen wesentlichen Teil der Entwicklungszusammenarbeit ausmachen sollte und die Qualität von wirtschaftlicher Zu2590 sammenarbeit dadurch überhaupt bestimmt wird. Nun kann man natürlich darüber streiten - und ich finde, das sollten wir auch tun -, ob relativ zu anderen Sektoren innerhalb der Entwicklungspolitik genug getan wird. Aber auf jeden Fall ist doch all das, worüber wir reden - da kann ich mich Herrn Professor Osswald anschließen -, eigentlich längst Teil der offiziellen Entwicklungspolitik. Insofern kann es auch gar nicht verwundern, daß man in diesem Antrag immer wieder hört: vermehrt unterstützen, systematischer fördern, Anstrengungen erhöhen. Wenn dies im Rahmen der verfügbaren Mittel geschehen soll, ist das schon einigermaßen ein Kunststück. Das heißt, wenn wir uns über diesen Antrag im Ausschuß unterhalten, werden wir wohl fragen müssen, ob wir die Prioritäten innerhalb des Gesamthaushalts zugunsten der personellen Entwicklung unterstützen wollen. Dann müssen wir aber gleichzeitig sagen, an welcher Stelle gestrichen werden soll. Dann wird es möglicherweise unpopulär. Diese Antwort ist hier natürlich nicht gegeben. Insofern ist hier kein neues Konzept vorgestellt worden. Was mich daran immer ein bißchen stört, ist die Erfahrung, die wir ja als Entwicklungspolitiker machen, daß man in der öffentlichen Diskussion mit Leuten redet, die so tun, als ob sie nun auf einen neuen Einfall gekommen seien und als ob die Entwicklungspolitik bisher diese guten Einfälle überhaupt nicht berücksichtigt habe. Es ist dann außerordentlich mühsam, ihnen klarzumachen, daß die offizielle Entwicklungspolitik sich längst früher - Gott sei Dank, weil sie eben auch ein besseres Wissen davon und ein besseres Frühwarnsystem hatte - auf bestimmte Entwicklungen hat einstellen können, daß dieses allerdings nicht von heute auf morgen ununterbrochen Prioritätenänderungen zur Folge haben kann. Insofern, Herr Köhler, darf ich sagen, daß Ihre Rede mehr Anregungen enthielt als der Antrag. ({0}) - Ja, Herr Köhler, ich habe den Antrag wirklich zweimal gelesen. Ich muß sagen, einiges von dem, was Sie hier erwähnt haben, ist darin praktisch gar nicht enthalten. Zur Frage der personellen Zusammenarbeit. Diese muß natürlich genauso im Rahmen der Prioritäten, auf die wir uns im Grunde genommen alle verständigt haben, angesiedelt sein. Das betrifft ländliche Entwicklung, Energiesicherung, Unabhängigmachung vom Öl - gerade auch im ländlichen Bereich -, und das bedeutet, Umweltprojekte zu fördern oder, besser gesagt, die Projekte überhaupt auf Umweltverträglichkeit anzulegen. Wenn wir immer wieder davon ausgehen, daß es sich um Hilfe zur Selbsthilfe handeln sollte, so hat das natürlich im wahrsten Sinne etwas mit personeller Hilfe zu tun. Lassen Sie mich wegen der Kürze der Zeit nur einige Probleme ansprechen, die in dem Antrag und darin, was bisher gesagt wurde, nach meiner Meinung zu kurz gekommen sind. Es geht darum, die Bereitschaft deutscher Experten, in die Dritte Welt zu gehen, zu steigern, und darum - das ist überhaupt noch nicht angesprochen worden -: Wie schaffe ich es, daß die Leute der Dritten Welt, wenn sie so ausgebildet sind, tatsächlich bereit sind, in den ländlichen Raum ihrer Länder hineinzugehen und dort bei der ländlichen Entwicklung mitzuhelfen? Wir stellen ja erschreckend fest, daß zum Teil deutsche Experten dort in den ländlichen Raum gehen müssen, weil sich die eigenen ausgebildeten Menschen der Länder lieber in der Hauptstadt tummeln. Das sind Probleme, die man angehen muß, wenn man eine Antwort finden will, die langfristig tragfähig ist. Sie haben gesagt, wir sollten in Deutschland die Werbetrommel rühren, um Menschen zu motivieren, als Experten in die Dritte Welt zu gehen. Und Sie haben gesagt, hier sollte die öffentliche Hand Leerstellen vorhalten, um denjenigen die Sorge zu nehmen, die möglicherweise deswegen darauf verzichten, in ein anderes Land zu gehen, weil sie befürchten, daß sie bei Rückkehr keinen Arbeitsplatz finden. Das ist sicherlich eine gute Anregung. Aber überlegen wir doch einmal, wen wir heute in der Dritten Welt brauchen! Es ist doch nicht mehr so wie vor 20 Jahren, wo wir uns vorgestellt haben, daß sich ein Studienabgänger mal eben für zwei oder drei Jahre in der Dritten Welt seine Sporen verdient und ein bißchen Erfahrungen sammelt. Es ist immer deutlicher geworden, daß wir in der Dritten Welt Leute mit Berufserfahrung brauchen. Da kommen die 25- bis 40jährigen in Frage, die gerade Kinder im schulfähigen Alter haben. ({1}) Außerdem: Wen brauchen wir denn im Augenblick in der Dritten Welt? Es sind eben Leute, die auch hier knapp sind, z. B. den gutausgebildeten Facharbeiter. Wir konkurrieren hier also mit mehreren Bedarfen im Ausland und im Inland. Genau dazu sind nicht die entsprechenden Anregungen gekommen. Ich glaube, wir müssen darüber weiter und tiefer diskutieren. Ich selber habe ein wirklich tolles Erlebnis zu der Frage gehabt, wie denn innerhalb der Wirtschaft der Bildungsbereich in den Prioritäten eingestuft ist. Ich war zum Teil anwesend auf der Tagung der bundeseigenen und derjenigen Unternehmen, an denen der Bund beteiligt ist. Dort gab es zwei Arbeitskreise. Der eine befaßte sich mit der Finanzierung des Engagements in der Dritten Welt, der andere mit der Ausbildung. Rein zahlenmäßig tummelten sich die Wirtschaftsvertreter natürlich vorwiegend dort, wo es um die Finanzen ging. Zugegebenermaßen verliefen sich einige auch in den Arbeitskreis für Bildung. Das war für mich ein erschreckendes Beispiel dafür, daß sich bei denjenigen, die in der Dritten Welt investieren, leider noch nicht genügend die Erkenntnis durchgesetzt hat, daß vieles zur Fehlinvestition werden kann, wenn es nicht von einem Ausbildungsprogramm begleitet wird, welches gewährleistet, daß das Engagement langfristig durchgehalten werden kann. ({2}) So können Investitionen zu grandiosen Fehlinvestitionen werden, schlicht und einfach wegen des nicht rechtzeitigen Vorhaltens der Fachleute - ich meine die im Inland vorhandenen Fachleute -, die später die Anlagen bedienen können. Insofern sollte man vielleicht gerade auch die Firmen, an denen der Bund beteiligt ist - für mich war es beeindruckend, in dem Auditorium zu sehen, wo sich der Bund überall engagiert hat -, stärker an ihr Portepee fassen, damit sie die Verantwortung in diesem Bereich besser erkennen, gerade wenn es darum geht, z. B. Arbeitsplätze für Rückkommer im Bereich des Handwerks und in ähnlichen Bereichen anzubieten, zumal im öffentlichen Dienst in dem Maße kein Angebot vorhanden ist. Bei den Prioritäten Energie und Umwelt scheint mir eines ganz wichtig zu sein - das ist wohl als Anregung in dem Antrag enthalten -: Man muß erkennen, daß die Dritte Welt durch Bildung der Fachleute und Führungskräfte endlich einmal in die Lage versetzt werden muß, ihre Bedarfe selber zu formulieren. Wir dürfen ihr nicht das als Bedarf aufoktroyieren, was wir für richtig halten. Wir dürfen nicht sagen: Was für uns gut ist, muß auch für euch gut sein. Das heißt also, es geht hier im wesentlichen darum, zu versuchen, Menschen der Dritten Welt in die Lage zu versetzen - das wird übrigens getan; es ist nicht so, daß das nicht getan würde, aber vielleicht kann man dies verstärkt tun -, ihre eigenen Bedarfe selbst zu artikulieren und uns damit zu konfrontieren. Gerade wenn es um die Energiepolitik geht, empfinde ich es immer wieder als bedrückend, daß wir versuchen, die Energieanlagen, die wir für uns für richtig hielten und die für unseren Markt konstruiert sind, in der Dritten Welt loszuwerden. Gerade wenn es um die Priorität des ländlichen Raums in der Dritten Welt geht, wäre ein dezentrales Energieanlagesystem natürlich viel sinnvoller. Ich wage die Behauptung, daß die Wirtschaft des Landes, das diese Priorität und den Bedarf in der Dritten Welt zuallererst erkennt, eine außerordentlich große Zukunftserwartung hat, was Marktanteile im Weltbereich betrifft. Insofern kann man unsere Energiewirtschaft hier nur auffordern, sich nun endlich einmal auch auf die tatsächlichen Bedarfe der Dritten Welt einzustellen und nicht nur das zu verkaufen, was sie im eigenen Lande möglicherweise nicht loswird. ({3}) Zur Frage der Berücksichtigung soziokultureller Unterschiede: Es ist natürlich müßig, von einer Bildungseinrichtung zu verlangen, daß sie den, der hier ausgebildet wird, bereits über die verschiedensten sozio-kulturellen Hintergründe in den einzelnen Ländern informiert. Das, was nur geleistet werden kann, ist doch, den einzelnen für bestimmte soziokulturelle Umfelder zu sensibilisieren, um ihn so in die Lage zu versetzen, sich vor Ort auf das einzustellen, was dort nötig ist. Eins ist aus dem Anhörverfahren, das wir hatten, deutlich geworden: daß man sehr wohl darüber nachdenken muß, ob nicht derjenige, der vor Ort arbeitet, sehr viel größere Verantwortung auch für das Projekt selbst, seine Ausführung und vor allem sein Konzept übernehmen sollte, damit man nicht immer dann, wenn die Philosophie eines Konzepts geändert werden muß, den mühsamen Weg von Regierungsverhandlungen gehen muß, um dann am grünen Tisch zu entscheiden, daß man nun damit einverstanden sei. Hier sollten wir also unsererseits versuchen, den einzelnen Experten tatsächlich so gut vorzubereiten, daß wir ihm auch zumuten können, die Verantwortung für ein bestimmtes Entwicklungsziel vor Ort zu übernehmen, weil es nämlich dort besser entschieden werden kann als hier im BMZ - bei aller Achtung vor den Fähigkeiten des BMZ, aber irgendwo haben sie da sicherlich Grenzen. Ich meine, daß dieser Antrag sicherlich ein guter Anlaß ist, sich über alle diese Punkte zu unterhalten. Insofern freue ich mich auf diese Arbeit im Ausschuß. ({4})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Repnik.

Hans Peter Repnik (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001825, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich zu Beginn dieser zweiten Runde auf eine Bemerkung des Kollegen Professor Osswald eingehe. Herr Kollege Osswald, Sie haben davon gesprochen, daß dieser Antrag im Grunde genommen nichts Neues enthalte, daß all das, was in diesem Antrag grundsätzlich stehe, von der Bundesregierung bereits verfolgt werde. ({0}) Gleichzeitig weisen Sie darauf hin, daß dieser Antrag auch die Finanzierung dieser Forderungen vermissen lasse. ({1}) Nun: Entweder wird das schon verfolgt, was wir hier fordern - dann gehe ich davon aus, daß die Bundesregierung die Finanzmittel auch zur Verfügung stellt -, oder es wird nicht gemacht. ({2}) Ich freue mich auch, daß sowohl die Frau Kollegin Schuchardt als auch Sie in Ihren Ausführungen darauf hingewiesen haben, daß Sie viele dieser Forderungen vom Grundsatz her teilen. Wir wissen - die Bundesregierung hat dies in der Antwort auf die Kleine Anfrage der CDU in der letzten Periode seinerzeit schon zum Ausdruck gebracht -, daß auch die Bundesregierung der personellen Zusammenarbeit große Bedeutung beimißt. Ich darf hier einmal zwei Sätze zitieren, die diese Antwort einleiten. Es steht hier: Die Bundesregierung mißt der personellen Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern hervorragende Bedeutung bei. Des weiteren heißt es: Sie ist sich bewußt, daß die menschliche Leistung der bestimmende Faktor für den wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungsprozeß ist. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Bundesregierung hat zwar die richtige Erkenntnis in dieser Frage, wie wir glauben, nur setzt sie diese - die personelle Zusammenarbeit ist leider, wie wir alle wissen, nicht das einzige Beispiel - nicht ausreichend um. Ich frage Sie: Prägt denn wirklich dieser auch von der Bundesregierung vertretene Grundsatz die Praxis unserer deutschen Entwicklungspolitik, und hat die deutsche Öffentlichkeit tatsächlich den Eindruck, daß der menschliche und nicht der materielle oder wirtschaftliche Faktor bei unserer entwicklungspolitischen Zusammenarbeit mit der Dritten Welt im Vordergrund steht? ({3}) Ich bezweifle das entschieden. ({4}) - Sehr wohl, Herr Kollege Köhler. Politisches Ziel einzelner unserer Vorschläge, die Herr Kollege Köhler vorhin erläutert hat, ist es, hier eine Veränderung zu bewirken. Die Verwirklichung dieser Vorschläge ist ein Element, um die Entwicklungspolitik bei uns glaubwürdiger zu machen. Wir nehmen es einfach nicht länger hin, daß das Bild der Entwicklungspolitik von den Millionen und den Millionenprojekten geprägt wird; dies wurde auch beklagt. Überprüfen Sie, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, daraufhin nur einmal die ständige Praxis der Verlautbarungen des BMZ über die Ergebnisse der Regierungsverhandlungen. Dieses Bild in der Öffentlichkeit muß - wie Elmar Pieroth es formulierte - vielmehr geprägt werden von Millionen von kleinen wirtschaftlichen Initiativen, d. h. von Millionen von menschlichen Leistungen, von menschlichen Leistungen von Millionen. Das gilt für die Praxis der Entwicklungspolitik und für die entwicklungspolitische Öffentlichkeitsarbeit. Vor diesem Hintergrund will ich wegen der Kürze der Zeit beispielhaft auf drei Schwachstellen in diesem Bereich hinweisen. Die erste Schwachstelle betrifft die Berücksichtigung der personellen Aspekte bei der Planung der einzelnen Projekte und vor allem bei der Festlegung der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit bei den Regierungsverhandlungen. Ich frage die Bundesregierung mit Nachdruck: Wird dabei das Prinzip des geringstmöglichen Eingriffes, welches wir voll bejahen und das Sie in Ihren Leitlinien festgehalten haben, nicht nur verbal für den hiesigen Gebrauch in der Bundesrepublik Deutschland, sondern tatsächlich zugrundegelegt? Werden Projekte und werden Programme bevorzugt, für die die Partnerländer einheimisches Personal bereitstellen und mit dem Aufbau der Projekte von Anfang an auch beauftragen? Werden den Regierungen der Entwicklungsländer diese Prioritäten bei den Regierungsverhandlungen nahegebracht und erläutert? Sind überhaupt die für die personellen Ressourcen in den Entwicklungsländern zuständigen Stellen an den Regierungsverhandlungen beteiligt? Werden die einzelnen Projekte so geplant, daß zunächst und zuallererst auf die Sicherstellung der Grundlagen der Maßnahmen durch einheimisches Personal geachtet wird? Ich frage also zusammenfassend: Ist die Weichenstellung am Anfang richtig? Ich bezweifle dies. Ich fordere die Bundesregierung auf, darzulegen, wie sie konkret den personellen Aspekten der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit bei den Regierungsverhandlungen und bei der Planung und Auswahl der Projekte Rechnung tragen will. Ich frage die Bundesregierung dies in Kenntnis der damit verbundenen Probleme wie Bereitschaft der Entwicklungsländer, Mittelabfluß usw. Derartige Hemmnisse reichen uns als Begründung für die derzeitige Praxis allerdings nicht aus, Herr Minister. ({5}) Die zweite Schwachstelle betrifft die Engpässe bei der Entsendung deutscher Experten. Kollege Osswald hat schon darauf hingewiesen. Wenn die Zahlen stimmen, wurden im Frühjahr 1981 von den personalentsendenden Organisationen ca. 800 offene Stellen registriert. Das ist ein Armutszeugnis, wenn man an den eingangs zitierten Grundsatz denkt, daß die menschliche Leistung der bestimmende Faktor der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit sein soll. Auch hier reichen die sicherlich vorhandenen Schwierigkeiten, die Engpässe zu überwinden, als Entschuldigung nicht aus. Die Bundesregierung tut hier einfach zu wenig. Sie muß in Zukunft mehr tun. Welche Initiativen, Herr Minister, haben Sie persönlich und Ihr Ministerium in den letzten Jahren gegenüber den Ländern, gegenüber den Kommunen, gegenüber den Universitäten und gegenüber der Wirtschaft konkret ergriffen, damit diese mehr Leerstellen bereitstellen und Beurlaubungen aussprechen? Ich meine dabei nachhaltige Initiativen, nicht nur einige Hinweise bei Reden und ähnlichen Anlässen. Die CDU/CSU wird sich hier auch selbst engagieren, und wir wirken schon heute, wie Sie wissen, mit allem Nachdruck auf die von CDU und CSU regierten Länder und Gemeinden ein. Gerade wir, Herr Kollege Osswald, aus Baden-Württemberg wissen, daß gerade dort Pionierdienste von einer CDU-geführten Regierung in dieser Frage geleistet werden. ({6}) Wir werden in Zukunft verstärkt mit den Universitäten und mit der Wirtschaft sprechen. Die CDU/CSU will und wird das Ihre tun, damit eine Auslandstätigkeit in der Dritten Welt mehr Prestige und mehr Anerkennung in unserer Öffentlichkeit und auch bei Personalentscheidungen erhält. Herr Minister, hier bietet die Union Ihnen die Zusammenarbeit an. Nehmen Sie dieses Angebot ernst! ({7}) Die dritte Schwachstelle ist der kulturelle Gesichtspunkt in der deutschen Entwicklungspolitik. Dieser kulturelle Aspekt ist mit der personellen Zusammenarbeit auf das engste verbunden. Er kommt im Konzept und in der Praxis der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit zu kurz. Das Instrumentarium, die technische Ausgestaltung der Instrumente stehen im Vordergrund. Im Konzept und in der entwicklungspolitischen Praxis fehlt die Einsicht, daß Vermittlung von technischen Fähigkeiten und Kenntnissen allein nicht ausreicht. Das Verständnis des kulturellen Hintergrundes muß hinzukommen. Hier handelt es sich nicht um eine Einbahnstraße, sondern um Austausch und um Partnerschaft. Es geht um einen wirklichen kulturellen Dialog mit den Ländern der Dritten Welt. Lassen Sie mich hier mit Nachdruck hinzufügen: Wir wollen niemandem unsere Wertvorstellungen aufdrängen. Ebenso lehnen wir es aber ab, einer kulturell wertneutralen Zusammenarbeit das Wort zu reden. Wir wissen, daß neben den westlichen und neben den kommunistischen gerade in der Dritten Welt andere Wertvorstellungen nach vorn drängen. Ich sehe darin die Herausforderung, daß auch wir unsere eigenen Wertvorstellungen auf ihre Glaubwürdigkeit hin überprüfen. In diesem Zusammenhang treten wir auch und gerade der Dritten Welt gegenüber für die soziale Marktwirtschaft ein, nicht um sie einem Land, das sie nicht haben will, aufzuzwingen, sondern um sie in offenem Dialog anzubieten. Daß dabei die Konsequenzen sozialer Marktwirtschaft etwa im Handel mit der Dritten Welt mit zur Diskussion kommen, nehme ich als Herausforderung an uns selbst an. - Vielen Dank. ({8})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Collet.

Hugo Collet (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000331, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns heute für 60 Minuten einen recht wichtigen Teil der Entwicklungshilfe vorgenommen, wenn diese Bedeutung auch nicht im Anteil an Milliarden am Gesamtetat zum Ausdruck kommt. Insofern möchte ich die Frau Kollegin Schuchardt unterstützen, wenn sie meint, daß wir miteinander streiten wollen, ob wir nicht den Anteil innerhalb des Etats zugunsten dieser Bedeutung der personellen Entwicklungshilfe vergrößern sollten. Vielleicht haben wir aber auch noch eine Chance, den Gesamtetat zu verbessern, worum wir uns auch alle immer wieder bemühen. Insofern möchte ich auch den Antrag der Opposition begrüßen, weil er Gelegenheit gibt, diese besondere Bedeutung der personellen Entwicklungshilfe zu unterstreichen. Vielleicht hat mancher von Ihnen wie auch ich heute morgen Gelegenheit gehabt, vom Aufstehen bis zum Verlassen der Wohnung dreimal Nachrichten zu hören. Ich habe nichts von dieser Debatte gehört. Ich habe alles gehört, was heute hier im Bundestag stattfindet, nur nicht das Thema Entwicklungshilfe. Ich muß dies bedauern, und es zeigt mir, daß wir da noch etwas versäumt haben, deutlich zu machen. Ich will aber daraus nicht ableiten, daß wir aus diesem Grunde - und nur wegen der Publizität - mehr Kontroversen unter uns haben müssen; dies würde der Entwicklungshilfe nicht dienen. Wir können es uns in unserem Land auch immer noch nicht leisten; denn es gibt noch zu viele, die nicht begriffen haben, daß Solidarität oder, wenn Sie so wollen, christliche Nächstenliebe und Friedenspolitik wichtige Gründe für mehr Entwicklungshilfe sind. Gestatten Sie mir, um nichts zu wiederholen, noch zwei Anmerkungen zum Nachdenken. Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Union, ich habe den Eindruck, daß Sie immer noch zu stark von der Überlegung angetrieben wird, eigene Erfahrungen und eigene Verhältnisse auf Entwicklungsländer zu übertragen. Ich will das nicht schlechthin kritisieren. Es ist ja im menschlichen Leben auch so: Es wird von den Eltern zu den Kindern hin und von den Bildungseinrichtungen eines Landes auf die Schüler projiziert, meistens aus der Gegenwart, ohne vorher die Zukunft genau zu analysieren, für die man sie eigentlich vorbereiten muß. Sie gehen noch zu sehr - ob im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Verhältnissen oder im Zusammenhang mit Ausbildung und Bildung - von den hiesigen Erfahrungen aus und wollen sie nach dort übertragen. Das kann so nicht gehen. Ich meine, wir müßten vielmehr die dortigen Verhältnisse studieren. Wenn Sie den Punkt, in dem Sie von Forschung reden, so verstehen, gehe ich mit Ihnen einig. Wichtig ist die Erforschung der dortigen Verhältnisse, um für die Ausbildung und Vorbereitung der Entwicklungshelfer Konsequenzen zu ziehen, die wir in diese Länder schicken wollen. Sie haben an anderer Stelle erwähnt, daß man gleich nach der Ausbildung junge Leute dorthin schicken soll. Dazu haben Ihnen schon andere geantwortet, z. B. mein Kollege Osswald und Frau Kollegin Schuchardt. Ich kann mir also hier eine Antwort ersparen. Dann sprechen Sie immer wieder von den zur Verfügung stehenden Mitteln. Sie wollen Steigerungen und Verbesserungen im Rahmen dieser Mittel haben. Nun wissen wir doch alle, daß die am wenigsten entwickelten Länder heute noch nicht einmal in der Lage sind, die Grundausstattung zur Verfügung zu stellen, die die von uns entsandten Entwicklungshelfer brauchen. Die Entwicklungshilfeorganisationen sind immer mehr gehalten, nicht nur die Personen zu schicken, sondern auch Werkzeuge, Fahrzeuge und Einrichtungen gleich mitzubringen. Gerade die Länder, auf die es uns ankommt, die am wenigsten entwickelt sind, können diese Dinge gar nicht mehr aufbringen, da sie alle Mittel für Energie, für Transport und dergleichen brauchen. Ich glaube nicht, daß Sie im Rahmen der verfügbaren Mittel dieses „Mehr", das Sie fordern, was ich unterstütze und was wir unterstützen, so schaffen können. Wir müssen darüber also sicher nachdenken, ob wir nicht mehr Mittel insgesamt investieren können. Das geht aber nicht so, wie vor 14 Tagen ein Kollege meinte, das lösen zu können, indem er in einem Etat 1 Milliarde DM streicht und damit auch alle Not in den Entwicklungsländern einschließlich der hungernden Kinder glaubt beseitigen zu können. So meine ich das nicht. Ich meine, daß wir dann alle miteinander Wege finden müssen, wie wir überall noch etwas einsparen können, um gerade bei der Entwicklungshilfe mehr investieren zu können. Gestatten Sie mir noch ein paar Bemerkungen zum DED und zu anderen Entwicklungshilfeorganisationen. Sie von der Union fordern mit Ihrem Antrag neue Konzepte. Der Deutsche Entwicklungsdienst hat im Oktober/November 1980 eine neue Konzeption erarbeitet und entwickelt, die noch mehr dazu beitragen soll, daß die Hilfe an der Basis zum Tragen kommt, die aber auch Möglichkeiten schaffen soll, um in der Planung für diese Basis auf längerfristigem Wege Vorarbeit zu leisten. Sie sprechen immer wieder davon, daß man auf Verhaltensweisen anderer Staaten mit anderen Gesellschaftsordnungen reagieren soll. Dazu haben Sie heute schon eine Antwort bekommen. Lassen Sie mich dazu folgendes sagen. Es ist sicherlich nicht der richtige Weg, dann, wenn die Regierungen an diesen Ländern - aus Ihrer und auch aus unserer Sicht - bedenklich handeln, mit Zurückhaltung zu reagieren oder gar keine Hilfe mehr zu geben oder unbedingt dasselbe zu tun wie die, die wir kritisieren. Wir müssen dann vielmehr unseren Weg der Hilfe gehen. Sie fordern auch mehr Entwicklungshelfer. Niemand wird dem widersprechen. Dies ist aber nicht nur eine Frage der Mittel für die Werbung junger Menschen, sondern dies ist auch eine Frage der Mittel, um sie in Entwicklungsländer einsetzen zu können. Ich habe vorhin von den Ländern gesprochen, die nicht einmal mehr in der Lage sind, an Ort und Stelle die Ausstattung zur Verfügung zu stellen. Trotzdem hat der DED nach einem Rückgang über einige Jahre in den letzten zwei Jahren seine Entwicklungshelferzahl wieder steigern können. Wir wollen ihn dabei gerne unterstützen. Im Zusammenhang mit den Berufsanfängern, die ich vorhin erwähnt habe, hat der DED ein Programm, Praktikanten auszusenden. Wir würden ihn gerne dabei unterstützen, soweit das nicht in den Entwicklungsländern die dortigen Planungen behindert oder ihnen womöglich noch Kosten verursacht. Völlig einig mit Ihnen sind wir, wenn Sie die Entwicklungshelfer möglichst bald durch einheimische Kräfte ablösen wollen. Dies ist aber, wie ich meine, eine gängige Politik, die man in dem Antrag nicht erst zu unterstreichen braucht. Es hat auch eine weitere Verbesserung gegeben, die wir fördern müssen, um zu erreichen, daß diejenigen aus den Entwicklungsländern, die hier ausgebildet wurden, weiterhin stärker bereit sind, wieder dorthin zurückzukehren. Die Quote derer, die hierbleiben wollen, ist in den letzten Jahren zurückgegangen. Wir müssen auch dazu einiges beitragen. Letzter Satz, Herr Präsident: Die Integration der Rückkehrer aus den Entwicklungsländern, der Entwicklungshelfer, ist, wie ich meine, nicht so schwierig. Sie finden nur häufig nicht die Plätze, wo sie ihre Erfahrungen die sie von draußen mitbringen, anwenden, der. übrigen Bevölkerung vermitteln können. Wenn wir dazu beitragen, leisten wir, glaube ich, eine wichtige Hilfe für ihre Entwicklung. Lassen Sie uns im Ausschuß darüber beraten. Ich glaube, dies bringt uns einen Schritt weiter. - Danke schön. ({0})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit.

Rainer Offergeld (Minister:in)

Politiker ID: 11001641

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Kennzeichnung des Antrags der CDU/ CSU hat der Herr Kollege Osswald einiges ausgeführt, was ich nur unterstreichen kann. Ich bedaure ganz besonders, Herr Köhler und Herr Repnik, daß auch in diesem Antrag wieder deutlich wird, daß sich die CDU nicht von ihrer Fixierung auf den Ost-WestKonflikt lösen kann, wenn es um Entwicklungspolitik geht. ({0}) Ich glaube, daß es darauf ankommt, unabhängig von diesem Ost-West-Konflikt eine langfristige, nicht auf jede außenpolitische Veränderung hektisch reagierende und damit beständige Entwicklungspolitik zu leisten. Wir sind uns darüber einig, daß für die Entwicklung der Dritten Welt die Förderung der menschlichen Kapazitäten das wichtigste Element ist, ein Element noch wichtiger als der Kapitaltransfer. Der Mensch kann das, was Maschinen nicht können: er kann erfinden, er kann Ideen entwickeln, er kann organisieren und entscheiden. Deswegen ist unstreitig personelle Zusammenarbeit ein ganz wichtiger Aspekt der Entwicklungspolitik. Da haben Sie sicherlich nichts Neues entdeckt. Wir haben in den vergangenen Jahren unsere Mittel für die Entwicklungspolitik erheblich gesteigert, dabei ganz besonders die Mittel für die technische Hilfe. ({1}) Das Verhältnis zwischen Kapitalhilfe und technischer Hilfe betrug 1979 1 :4,3. Dieses gleiche Verhältnis liegt heute bei 1 :2,9. Sie erkennen ganz deutlich die überproportionale Steigerung der technischen Hilfe. Sie wissen, daß ein großer Teil von Aus- und Fortbildung eben gerade im Rahmen der technischen Hilfe geleistet wird, durch Projekte, die etwa die Ausbildungskapazitäten der Entwicklungsländer verbessern und ausweiten, durch die Ausbildung, die innerhalb jedes Projekts stattfindet. Hier wird wieder deutlich, daß wir der personellen Hilfe ganz besonderes Gewicht beimessen. Ich füge hinzu, daß wir auch bei der finanziellen Zusammenarbeit, Beratung und Ausbildung stärker fördern und daß wir diesen Trend, auch in die Kapitalhilfe Beratungs- und Ausbildungskomponenten einzubauen, in der Zukunft ganz bewußt ausbauen werden. Trotz der Steigerung der Mittel für die personelle Hilfe bleiben angesichts des ungeheuren Bedarfs in den Entwicklungsländern natürlich Engpässe bestehen. Darum, meine ich, kommt es darauf an, vor allem Menschen auszubilden, die als Multiplikatoren wirken. Bilden wir hier einen Meister aus, dann kann dieser vielleicht zehn Lehrlinge heranbilden. Bilden wir aber hier Fachkräfte aus, die dann ihrerseits zur Meisterausbildung in der Dritten Welt verwendet werden können, ist der Multiplikatoreffekt wesentlich höher. Wir haben deshalb unser Ausbildungsangebot - ich denke, das weiß auch die Opposition - fachlich verbreitert und ständig auf stärker und höher qualifizierte Fachkräfte ausgerichtet. Gehobene Führungskräfte aus der Dritten Welt, die oft nicht länger abkömmlich sind, bilden wir in Kurzzeitprogrammen weiter, die auch in einer ihnen geläufigen Sprache abgewickelt werden können, ohne daß sie Deutsch lernen müssen. Neben der langfristigen Ausbildung und neben diesen Kurzzeitmaßnahmen fördern wir den Erfahrungsaustausch zwischen Führungskräften der Entwicklungsländer und der Industrieländer über wirtschaftliche und politische Fragen. Die Zahl aller Teilnehmer aus Entwicklungsländern an Land- und Kurzzeitausbildung und am Erfahrungsaustausch steigt ständig: von 7 000 im Jahre 1977 auf rund 10 000 im Jahre 1980, und wir schätzen, daß es im Jahre 1985 rund 15 000 Teilnehmer sein werden. Auch da wird ein deutlicher Schwerpunkt der Entwicklungspolitik sichtbar. Wir wissen, daß die personelle Hilfe natürlich nicht nur aus der Ausbildung von Teilnehmern aus den Entwicklungsländern besteht, sondern auch aus der Entsendung deutscher Fachkräfte. Zu allererst, Herr Dr. Köhler, halte ich für das Wichtigste die Entsendung integrierter Fachkräfte, weil diese sich am besten in die Bedingungen des Entwicklungslandes einpassen. Dieses Schwergewicht bei den integrierten Fachkräften wird auch durch eine entsprechende Steigerung des Titels im laufenden Haushaltsjahr deutlich. Es geht uns also - das will ich noch einmal betonen, weil dieser Akzent in dem Antrag der Opposition nicht so deutlich hervorkommt, wie es notwendig wäre - auch in der personellen Zusammenarbeit um das Prinzip „Unterstützung zur Selbsthilfe", d. h. die Ausbildung, die Fortbildung der Angehörigen der Entwicklungsländer haben Präferenz, haben Priorität. Wenn es um deutsche Fachkräfte geht, hat das Instrument des integrierten Experten Priorität. Dennoch - es ist nicht zu bestreiten - bleibt ein hoher Bedarf an deutschen Fachkräften, die für eine gewisse Zeit in ein Land der Dritten Welt entsandt werden können. Nur auch da muß ich der Opposition sagen: Sowenig man Vertrauen allein in die Allmacht staatlicher Organisationen in der Entwicklungspolitik haben kann, sowenig kann man allein auf die Aktivitäten ausländischer Experten setzen. Letzten Endes muß es Ziel der Entwicklungspolitik sein, die Angehörigen der Entwicklungsländer so weit zu bringen, daß sie selber diese Aufgaben übernehmen können. Die Ansprüche an unsere Experten, die wir in die Entwicklungsländer entsenden - Qualifikation, Berufserfahrung, Spezialisierung -, sind in den vergangenen Jahren stetig gewachsen. Ich warne vor der Vorstellung, Herr Dr. Köhler, die bei Ihnen anklang, daß wir mit der Entsendung von Experten in die Entwicklungsländer ein Ventil für unseren Arbeitsmarkt hätten. Dieses wäre eine wirklich törichte Vorstellung. ({2}) Es ist unbestreibar, daß wir - ich nehme auch das auf, was Herr Repnik gesagt hat - Schwierigkeiten bei der Vermittlung von Fachkräften haben. Da spiegeln sich ganz genau die strukturellen Probleme unseres Arbeitsmarktes hier wider. Es fehlen Ingenieure, es fehlen Mathematiklehrer. Das sind genau die Kräfte - ({3}) - Ja, warum? Die fehlen uns doch auch hier. ({4}) - Natürlich ist es ein Problem der Bildungspolitik, auch der Bereitschaft der jungen Menschen, sich bestimmten Berufen zuzuwenden. Wir können es ja niemandem verordnen. Aber wir haben doch auch in der Bundesrepublik die Diskussion über Mangel an qualifizierten Ingenieuren, über die Zurückhaltung der Abiturienten, wenn es darum geht, Ingenieurwissenschaften zu studieren. Exakt diese Probleme spiegeln sich wider auch in der Entwicklungspolitik bei der Suche nach Experten. Es wäre vermessen, zu glauben, daß diese Probleme in der Entwicklungspolitik isoliert gelöst werden können. Wir tun, was möglich ist. Wir bauen das Programm der Bundesregierung zur Nachwuchsförderung aus. Die GTZ richtet in ihrer Personalplanungspolitik die Ausbildung der Projektassistenten - die man am besten vielleicht mit „Volontär" umschreiben könnte - stärker auf den konkreten Bedarf aus. Im Schwerpunktbereich Landwirtschaft unterstützt die Bundesregierung unter anderem die Ausbildung von Nachwuchskräften an Universitäten. Ich muß aber auch sagen, daß die Bildungsinhalte an den Universitäten noch viel zu wenig am Bedarf der Entwicklungspolitik orientiert sind. Ich richte an die Bundesländer - ich habe es schon verschiedentlich getan - die dringende Bitte, mehr in dieser Richtung zu tun. Ich komme zum Ende. Die Konzeption unserer Entwicklungspolitik - auch im Bereich der personellen Zusammenarbeit - wird sich immer wieder an veränderte Herausforderungen anzupassen haben. Wir folgen dem Leitgedanken, vorrangig die eigenen Personalressourcen der Entwicklungsländer zu fördern. Nur in den Fällen, in denen es gewünscht wird und in denen es nach unserer Einschätzung auch angemessen ist, werden deutsche Fachkräfte entsandt. Aus- und Fortbildung sollen soweit wie möglich vor Ort stattfinden, d. h. vor allem im sozialen und kulturellen Umfeld des Entwicklungslandes. Auch beim Einsatz von Fachleuten aus Industrieländern muß Rücksicht auf soziale und kulturelle Gegebenheiten genommen werden. Dann trägt personelle Zusammenarbeit am besten dazu bei, Spannungen und Konfliktpotentiale abzubauen. Sie kann und muß einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklungspolitik leisten. ({5})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat schlägt vor, den Antrag des Abgeordneten Dr. Köhler ({0}) und weiteren Abgeordneten der CDU/CSU auf Drucksache 9/423 zur federführenden Beratung an den Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und zur Mitberatung an den Innenausschuß, an den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft und an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Ist das Haus mit diesem Vorschlag einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Riesenhuber, Dr. Dregger, Kiep, Dr. Dollinger, Dr. Waigel, Dr. Probst, Dr. Stavenhagen, Gerstein, Dr. Jahn ({1}), Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Kraus, Lenzer, Kolb, Dr. Bugl, Dr. Schneider, Spranger, Dr.-Ing. Kansy, Magin, Müller ({2}), Dr. Laufs, Prangenberg, Niegel, Dr. Schulte ({3}), Keller, Dr. Friedmann, Pfeifer, Dr. Kunz ({4}), Röhner, Dr. Jobst und der Fraktion der CDU/CSU Umstrukturierung des „Programms zur Förderung heizenergiesparender Maßnahmen" - Drucksache 9/319 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau ({5}) Ausschuß für Wirtschaft Finanzausschuß Ausschuß für Forschung und Technologie Dafür hat der Ältestenrat 90 Minuten Aussprache vorgesehen. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Riesenhuber.

Prof. Dr. Dr. Heinz Riesenhuber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001849, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vorrangiges Ziel der Energiepolitik ist die Zurückdrängung des Öls. Wir haben heute festzustellen, daß innerhalb der Ausbaumöglichkeiten aller Energien von der Seite des Bedarfs her keine Grenze für irgendeine Energie gesetzt wird. Alle anderen Energien außer dem Öl werden sich nicht gegenseitig Konkurrenz machen, sondern sie alle können bei einem vernünftigen Verbund dafür eingesetzt werden, Öl zurückzudrängen; alle anderen Energien, Kohle, Kernkraft, auch Gas, alle Energieeinsparmöglichkeiten. Wenn wir davon grundsätzlich ausgehen, bedeutet das nichts anderes, als daß jede Diskussion, die eine Energie gegen die andere aufrechnet, von Anfang an verfehlt ist. Fernwärme und die neuen Energietechniken haben in den letzten Jahren eine sehr viel größere Rolle in der Diskussion gespielt als in der tatsächlichen Durchsetzung dieser Energietechniken. Die Zuwachsraten in der Fernwärmeversorgung sind rückläufig. Der Ausbau der neuen nichtnuklearen, der regenerativen Energien ist nicht so schnell vorangegangen, wie man das erhofft hat. Wärmepumpen, Solarenergie, die Vielfalt dezentraler Anlagen, alles das hat bis jetzt nur einen sehr kleinen Marktanteil gewonnen. Die Union ist in der Vergangenheit immer für diese Energietechniken eingetreten, und wir treten auch heute dafür ein. Ein wesentlicher Punkt unserer Kritik an der Energiepolitik der Regierung war, daß diese Energietechniken nicht hinreichend und nicht hinreichend zügig durchgesetzt worden sind. Formal und in den Haushalten nehmen sich die Aufwendungen für nichtnukleare Energieforschung relativ groß aus. Bei der tatsächlichen Prüfung ergibt sich, daß die Bundesrepublik im internationalen Vergleich allenfalls im Mittelfeld liegt und der Einsatz dieser Mittel nicht immer optimal gewesen ist. Die eigentliche, aussichtsreiche Förderung dieser neuen Energietechniken wäre eine Verstärkung der Nachfrage im Markt. Diese Nachfrage im Markt hat im wesentlichen nicht stattgefunden. Wenn Herr Hauff noch vor einem guten Jahr das 4,35 Milliarden-DM-Programm in Anspruch genommen hat als ein Programm zur Förderung neuer Energietechniken, dann ist dies durch den Vollzug des Programms in keiner Weise gedeckt. Das Gesetz hat in keiner Hinsicht geleistet, was es eigentlich leisten sollte. ({0}) - Das ist damals diskutiert worden. Durch den dilettantischen Vorschlag von Herrn Ravens, nicht abgestimmt mit den Ländern, kamen wir in eine Diskussion, die wenig hilfreich gewesen ist und zu einem unvollkommenen Programm geführt hat. Das Programm war erheblich zu teuer. Mit 4 Milliarden DM öffentlicher Mittel wurden etwa 20 Milliarden DM private Investitionen angestoßen. Damit wurde etwa ein halbes Prozent unseres gesamten Energiebedarfs nach den eigenen Planungen der Bundesregierung eingespart. Dies ist eindeutig zu teuer erkauft; dies ist nicht wirtschaftlich; dies ist in einem energiepolitischen und volkswirtschaftlichen Gesamtkonzept nicht sinnvoll. ({1}) Es hat sich vor allem herausgestellt, daß dieses Programm in keiner Weise ein Programm zur Förderung neuer Energietechniken geworden ist. Diese neuen Energietechniken haben insgesamt 1 bis 2 % der Programmittel in Anspruch genommen; dies kann vernachlässigt werden. Es war im wesentlichen ein Programm zur Förderung von Wärmedämmaßnahmen, von Doppelfenstern. Es war im wesentlichen ein ungezieltes Programm. Die Mitnahmeeffekte sind erheblich gewesen. Wir beantragen heute - in einer Situation sehr knapper Haushaltsmittel -, die knappen Mittel auf den gezielten Einsatz für neue Energien, für neue dezentrale Energietechniken und für Fernwärme zu konzentrieren. Wir sind uns darüber klar, daß der finanzielle Rahmen erheblich knapper geworden ist. Wir halten uns mit dem Antrag im Rahmen des finanziell Möglichen und im Rahmen dessen, was im 4,35-Milliarden-Mark-Programm auch dadurch vorgegeben worden ist, daß die Bundesregierung seinerzeit die Erhöhung der Heizölsteuer damit begründet hat, daß die Einnahmen zur Förderung der neuen Energietechniken und zur Energieeinsparung eingesetzt werden sollten. Wir beantragen hierbei, dort anzusetzen, wo Marktschwellen für neue Techniken, für neue Energiestrukturen überwunden werden können, nicht aber dort, wo Marktkräfte durch Subventionen nur verzerrt werden. Das Problem der neuen Energietechniken liegt j a im wesentlichen nicht darin, daß sie nicht vorhanden wären. Im wesentlichen brauchen wir keine neue Forschungs- und Entwicklungsarbeit - mit einigen bemerkenswerten Ausnahmen. Hierzu gehört beispielsweise die Wirbelschichtfeuerung für Kohle, die eine vorzügliche Methode ist, dezentral, standortnah und umweltfreundlich, insbesondere in Kombination mit Fernwärme, Gebiete mit Wärme zu versorgen, die sonst durch große Einheiten nur schwer zu erschließen sind. Dies ist eine ausgezeichnete Technik. Hier müssen wir mit der Förderung, Entwicklung und Durchsetzung dieser Technik sehr viel schneller vorankommen, als sich dies bisher abgezeichnet hat. Was diese Techniken aber vor allem brauchen, ist die Erprobung im Markt. Es kommt darauf an, daß sich diese Techniken im Markt bewähren, daß Märkte überhaupt erst entstehen, daß Konkurrenz entsteht, daß Kostendegression mit wachsenden Serien entsteht, daß die Vertrautheit der Handwerker, der Architekten und Hauseigentümer vor Ort mit diesen neuen Techniken in einem solchen Maße entsteht, daß sie tatsächlich in jede vernünftige Energieplanung eines neuen Hauses voll einbezogen werden. Deshalb haben wir in unserem Antrag zweierlei getan: Wir heben einerseits die Obergrenze der Förderung an, und wir heben andererseits den Fördersatz an, und zwar sowohl für die steuerliche Unterstützung als auch für die Zuschüsse. ({2}) - Ich kann Ihnen nur sagen: Machen Sie eine sehr einfache Rechnung! Wir verwenden jetzt 1 bis 2% der Gesamtmittel für neue Energietechniken. Hierauf wollen wir uns konzentrieren. Wenn wir hier eine Verdoppelung oder sogar eine Vervierfachung der Mittel bekommen, wenn wir sogar eine Verdoppelung der Aufwendungen durch Kombination der erhöhten Obergrenze und der erhöhten Fördersätze bekommen, sind wir in diesem Bereich immer noch erst bei 20% der Gesamtkosten, die bis jetzt für die ungezielten Wärmedämmaßnahmen aufgewendet worden sind. Dies ist ein erheblicher Fortschritt und ein sehr vernünftiger Ansatz. ({3}) Meine Damen und Herren, schon in der vergangenen Periode, als die Mittel noch vorhanden waren und als dieses Ihr Argument überhaupt nicht zugetroffen hat, haben wir die entsprechenden Anträge eingebracht. Wir haben sie eingebracht über den Deutschen Bundestag; Sie haben sie abgelehnt. Das Land Schleswig-Holstein hat sie im Bundestag eingebracht; sie sind dort ebenfalls abgelehnt worden. Sie sind abgelehnt worden, ohne daß damals irgendwelche sachlich überzeugenden Begründungen vorgetragen worden sind. Wir sind bei diesem Programm und bei unserem Antrag durchaus bereit, über Einzelheiten in der Ausformung zu sprechen und hierüber kontrovers zu diskutieren. Aber wir möchten Sie dringend bitten, diesmal nicht wiederum einen Antrag, der in der Sache sinnvoll ist, nur deshalb abzulehnen, weil es ein Antrag der Union ist. Dies haben Sie in der Vergangenheit getan, und dies ist eine schlechte Art. ({4}) - Hören Sie: Sie haben hier gerade Wichtiges mit Ihrem Kollegen zu besprechen gehabt, als ich versucht habe darzulegen, daß wir konkrete Anträge auf der gleichen Linie über Bundestag und Bundesrat in der letzten Periode eingebracht haben und daß dies von Ihnen abgelehnt worden ist. Das war der letzte Punkt; ich wäre dankbar, wenn der Zusammenhang erkennbar bliebe. ({5})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Spöri?

Prof. Dr. Dr. Heinz Riesenhuber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001849, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte sehr.

Dr. Dieter Spöri (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002203, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Riesenhuber, Sie gehen hier von genauen Abschätzungsmöglichkeiten hinsichtlich der Ausfallwirkung der von Ihnen vorgeschlagenen steuerlichen Anreize aus. Ist Ihnen bekannt, daß die steuerlichen Ausfälle des bisherigen Programms überhaupt noch nicht quantifizierbar sind und daß das auch in Zukunft generell sehr schlecht möglich sein wird, vor allen Dingen vor dem Hintergrund Ihrer weitergehenden steuerlichen Vorschläge?

Prof. Dr. Dr. Heinz Riesenhuber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001849, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Spöri, ich möchte erstens sagen, daß die Bundesregierung hier Zahlen durchaus vorgesetzt, allerdings dazu gesagt hat, daß es Schätzungen sind. Dies sind die besten Zahlen, die wir haben. Ich möchte zweitens sagen, daß dieses ganze Programm in Anlage und Vollzug darunter leidet, daß es nur außerordentlich ungenaue zahlenmäßige Angaben gegeben hat, und daß auch die zahlenmäßigen Angaben zu den 2 Millionen Tonnen Steinkohleeinheiten, die eingespart werden sollten, nie überprüft worden sind. Ich möchte drittens sagen, daß bei diesem Programm - und ich bitte, das wirklich noch einmal zu überschlagen - die Gesamtmittel bei der Inanspruchnahme in dem Rahmen, über den wir jetzt sprechen, gerade dadurch, daß die kostspieligen wärmedämmenden Maßnahmen, die nicht sehr viel bringen, wegfallen, geringer sein werden, gezielter eingesetzt werden können, Anstoßeffekte bringen, Schneeballeffekte auslösen und nicht hier wieder zu flächendeckenden Subventionen, die einem doch nie helfen können, verfremdet werden. ({0}) - Das ist aber der tatsächliche Effekt des Programms, das Sie bis jetzt durchgeführt haben, und dies ist ein offenkundig negativer Effekt. Es freut mich, daß wir das gleich beurteilen. Bei der Auswahl dieser Verfahren und Techniken soll die Entscheidung der Markt treffen und nicht die Bürokratie. Ob es sich um Wärmepumpen handelt, um Solarkollektoren oder um Energiezaun oder Energiedach handelt, ob um regenerative Energiequellen auf Basis von Biomasse, von Knüppelholz, von Stroh, von Dung, von landwirtschaftlichen Abfällen, von der fühlbaren Wärme der Milch, worum es sich auch immer handelt, dies soll vom Verbraucher und vom Markt entschieden werden, und es soll entschieden werden von der Findigkeit der Unternehmen. Hier gibt es ja zahlreiche außerordentlich interessante Ansätze, insbesondere im mittelständischen Bereich. Dies hilft mehr als jede Forschungssubvention, die in einer langwierigen Bürokratie übergeleitet wird. Wir haben auf der anderen Seite in dieser Vielfalt der Energietechniken auch die Möglichkeit, Fernwärme zu fördern. Fernwärme ist nicht nur das klassische Heizwerk. Fernwärme ist die Nutzung industrieller Abwärme, ist die Nutzung von Müllverbrennungsanlagen, Fernwärme ist die Chance von Wärmekraftkopplung bei gleichzeitiger Erzeugung von Strom und Wärme und damit erheblich erhöhtem Wirkungsgrad. Fernwärme ist die Chance, umweltfreundlich und standortnah zentral Wärme zu erzeugen, eine Vielzahl rauchgasbelasteter Einzelheizungen zu ersetzen durch wenige, gut kontrollierbare zentrale Heizungsanlagen. Die große Schwierigkeit bei der Fernwärme - und deshalb setzt sie sich nur so langsam durch - ist der enorme Kapitalbedarf. Wir kommen jetzt in eine Situation, wo Kapital ebenso knapp zu werden droht wie Energieträger. Der ganze Punkt ist, daß der Kapitalmarkt offenkundig durch die Anforderungen des Staates, durch die finanzielle Mißwirtschaft so überbeansprucht wird, daß für die produktiven Investitionen Kapital knapp und teuer wird. Es fragt sich nun: Wo setzen wir hier an? Die Unterstützung der Versorgungsunternehmen selbst ist eine Möglichkeit, aber nicht unser Punkt. Hier haben die Ministerpräsidenten vor kurzem eine Einigung mit der Bundesregierung erzielt. Unser Punkt ist heute, daß dann, wenn die Infrastrukturen gelegt worden sind, wenn die Netze da sind, wenn erst einmal die Werke gebaut worden sind, daß dann diese Infrastrukturen möglichst schnell auch voll ausgelastet und damit die hohen Anlaufsverluste vermieden werden. Das heißt, wir wollen darauf hinarbeiten, daß innerhalb kurzer Zeit eine hohe Anschlußdichte erreicht werden kann. Eine Möglichkeit, dies zu erreichen, ist ein Anschluß- und Benutzungszwang. Ein solcher Anschluß- und Benutzungszwang existiert in den meisten Gemeindeordnungen. Die Praxis hat erwiesen, daß dieser Zwang nur in den wenigsten Fällen angewandt worden ist. Ich glaube, es sind weniger als 5 % der Städte, in denen erfolgreich Fernwärmeversorgung ausgebaut worden ist. Dies geschieht aus wohlabgewogenen verfassungspolitischen und ordnungspolitischen Überlegungen, aber eben auch deshalb, weil man sagt: Wenn so etwas mit Zwang durchgesetzt wird, ist der Charme einer solchen Sache für den Bürger wesentlich geringer. Deswegen setzen wir so an: wir wollen den Anschluß dieser Energietechniken hier fördern, wollen sie möglichst schnell bei voller Kapazität ans Netz bringen. Deshalb unterstützen wir die kostspielige Umstellung der Einzelheizung, ihren Anschluß an die Fernwärme beim Verbraucher selbst. Wir arbeiten hier nachfrageorientiert; dies ist in der Regel die überlegene Strategie. Was wir erreichen können, meine Damen und Herren, ist nach den Aussagen des Bundesforschungsministeriums ein Anteil von 25% der Niedrigtemperaturwärme bei Haushalt und Kleinverbrauch. Dies ist ein ganz erheblicher Anteil. Das ist nahezu das Vierfache dessen, was wir heutzutage haben. Diese 25 % sind ein sehr großer Anteil. Die Zahl kann als abgesichert gelten, weil sich seit dem Zeitpunkt, zu dem diese Zahlen erstellt worden sind, der Heizölpreis verdoppelt hat. Damit ist die Wirtschaftlichkeit erheblich nähergekommen. Wir müssen aber bei allen diesen Diskussionen durchaus im Blick behalten, daß auch bei diesem vollen Ausbau nicht so diskutiert werden darf, als ob hier Fernwärme in Konkurrenz zu irgendeiner anderen Energie gefahren werden könnte. Die Debatte, als ob Fernwärmeausbau und Wärmekraftkoppelung eine Alternative zur Kernenergie wären, ist sehr vordergründig, allein schon von Kapazitäten und Lastbereichen her. Selbst ein voller Ausbau der Fernwärme auf 25 %, wie das Forschungsministerium es voraussieht, bedeutet im äußersten Fall nur 10 % unserer Stromerzeugung über wärmekraftgekoppelte Fernwärme, wobei noch nicht über die Problematik der Lastverteilung diskutiert worden ist. Ich bin allerdings der Ansicht, daß auch die Versorgungsunternehmen prüfen sollten, ob die Fernwärme im Zusammenhang mit dem von ihnen betriebenen Ausbau der Kernenergie nicht eine größere Rolle spielen soll. Die Versorgungsunternehmen argumentieren - mit Gründen, die man erwägen mag -, daß es bei ihnen nicht möglich sei, im Umkreis der Kernkraftwerke Strompreisminderungen für die Anlieger zu gewähren. Dies wird in Frankreich getan, und zwar erfolgreich. Aber es sollte sehr ernsthaft geprüft werden, ob es nicht sinnvoll und möglich ist, im Umkreis von Kernkraftwerken Fernwärme auszubauen; dies ist volkswirtschaftlich sinnvoll, dies ist energiepolitisch sinnvoll, und dies erleichtert vielleicht die Diskussion über die Akzeptanz von Kernkraftwerken vor Ort. Wir müssen allerdings bei dieser sehr komplexen Diskussion davon ausgehen, daß die wesentlichen Entscheidungen über die Zuordnung der EnergiesyDr. Riesenhuber sterne kommunalpolitische Entscheidungen sein werden. Es kann nicht Aufgabe des Bundes sein, hier von oben einzugreifen, es kann nicht Aufgabe des Bundes sein, weitere Entscheidungen der Kommunalpolitik hochzuziehen, sondern es kann nur Aufgabe des Bundes sein, Sachvoraussetzungen, Entscheidungsvoraussetzungen zu schaffen, wie dies beispielsweise jetzt mit den Parameterstudien, die jetzt angelaufen sind, und mit den Siedlungsstrukturstudien geschehen soll. Dies mag helfen. Es muß aber völlig klar sein, daß die Entscheidung in der Gemeinde bleibt, gemeinsam mit den Versorgungsunternehmen, mit den Stadtwerken, daß die Verantwortung bei den Bürgermeistern, den Stadträten und den Stadtverordneten liegt. Sie müssen das aufbauen. Meine Damen und Herren, es wird sich in den nächsten Jahren zeigen, wo die Zurückdrängung von Öl erfolgreich sein kann. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, daß die Rahmenbedingungen des Bundes nur sehr begrenzt ziehen. Es kann durchaus sein, daß der entscheidende Beitrag nicht durch die Rahmenbedingungen des Bundes, sondern vor Ort in den Gemeinden geschaffen wird. Das heißt: In dem Aufbau der integrierten kommunalen und regionalen Energieversorgungskonzepte liegt der eigentliche Schlüssel zur Lösung des Problems. Hier gibt es sehr einfache Modelle, die im Grundsatz auch nicht falsch sind. Das Dreikreis- Modell ist im Grundsatz nicht falsch: Im Kern der Ballungsgebiete die Fernwärme, darum herum das Gas, und weiter im flachen Land Strom in Kombination mit Wärmepumpen und in Kombination mit Speicherheizungen. Dies ist im Grundsatz richtig. Die Ölheizungen werden immer noch in erheblichem Umfang vorhanden sein. Aber der Kern der ganzen Geschichte ist, daß die Zuordnung sehr schwierig bleibt. Für diese Zuordnung müssen zwar allgemeine Leitlinien für die Entscheidung vor Ort aufgestellt werden können, aber es muß ein maßgeschneidertes Konzept geschaffen werden, daß vor Ort die Konkurrenz der einzelnen Träger einerseits preisdrückend wirkt, daß wir aber andererseits nicht doppelte Infrastrukturen unnötigerweise so ausbauen, daß die begrenzten volkswirtschaftlichen Kapitalien vergeudet werden. Hier muß auch berücksichtigt werden, was es bedeutet, wenn in wesentlichen Bereichen Gasnetze schon funktionsfähig ausliegen. Hier ist die Frage, wie der Beitrag aussehen muß. Aber es ist eindeutig, daß der Beitrag in Haushalt und Kleinverbrauch der entscheidende Beitrag zur Zurückdrängung des Öls sein wird. Wir haben im Bereich des Verkehrs einen sehr erheblichen Anteil, wenn auch kleiner als in Haushalt und Kleinverbrauch, aber die Flexibilität im Verkehrsbereich ist gering, und sie wird natürlich noch geringer, wenn die Bundesregierung falsche energiepolitische Signale setzt. Der Übergang vom Individualverkehr auf den Massenverkehr, auf die öffentlichen Verkehrsmittel wird nicht dadurch erleichtert, daß man die Gasölbeihilfe für die öffentlichen Verkehrsmittel streicht. Dies ist ein eindeutig falsches Signal gewesen. ({1}) Im Industriebereich haben wir eine durchaus erhebliche Zurückdrängungsmöglichkeit - dies geht auch voran -, aber die Industrie rechnet sowieso sehr spitz energetisch. Der Veredlungsfaktor in der Industrie ist höher als irgendwo anders. ({2}) - Herr Spöri, ich habe nur noch eine begrenzte Redezeit, ich habe gerade noch zwei Minuten zur Verfügung, und ich möchte diese Sache hier gern noch abrunden dürfen. Etwas früher hätte ich sehr gern eine Zwischenfrage zugelassen, denn dann wäre ich flexibler hinsichtlich dessen gewesen, was ich weglasse. Meine Damen und Herren, wenn wir dies alles zusammenfassen, Fernwärme und neue Energietechnologien, dann ist es durchaus so, daß wir hier ein interessantes, ein wesentliches Potential haben. Es soll niemand damit argumentieren, dieses Potential liege nur bei etwa 5 % im Jahre 2000. Diese 5 % wären immerhin 20 oder 25 Millionen Jahrestonnen Steinkohleeinheiten, und das ist enorm viel. Das erlaubt und rechtfertigt ganz erhebliche Anstrengungen. Es kann durchaus auch mehr sein, als das bis jetzt vorauszusehen ist, wenn der Ölpreis weiter steigt. Dann werden diese neuen Techniken schneller konkurrenzfähig. Wir brauchen in einem Gesamtkonzept einer vernünftigen Energiepolitik ein Zusammenbinden aller Energien, die uns zugänglich sind, die verantwortbar sind. Wir haben dabei die Rahmenbedingungen vernünftig und verpflichtend vorn Staat zu setzen. Innerhalb dessen, Herr Steger, arbeitet dann der Markt. Die Rahmenbedingungen hat der Staat zu setzen, zur Sicherheit, zum Umweltschutz, zur Entsorgung, auch gegebenenfalls - der Staat geht hinunter bis zu den Gemeinden - für den Aufbau sinnvoller Versorgungsstrukturen. Aber innerhalb dessen muß der Markt entscheiden, was sinnvoll ist. In diesem Bereich brauchen wir alle Energien und wir müssen alle Energien durchsetzbar halten. Es kann durchaus sein, daß wir einzelne Energien, daß wir die Großtechniken, die sogenannten harten Energietechniken, nur dann durchsetzen können, wenn wir jedem überzeugend klarmachen können, daß wir alle Möglichkeiten zur Ausschöpfung der anderen Energien umfassend genutzt haben. Denn es ist eine Alibidiskussion, zu sagen: Wenn wir die anderen ausgebaut hätten, dann hätten wir es machen können. Jedem Einsichtigen ist klar, daß alle diese Energien nur gemeinsam erreichen können, Öl zurückzudrängen, daß sie sich aber nicht gegenseitig konkurrieren oder im Raum stoßen werden. ({3}) - Meine Damen und Herren, die SPD-Beschlüsse sind leicht zu übertreffen, sie bleiben hinter der Sache weitgehend zurück. Wir hoffen, daß dieser Antrag, den wir heute eingebracht haben, in einer vernünftigen, sachlichen Diskussion zu einem wirklichen Weiterführen dieser neuen Energietechniken und der Fernwärme in unserem Lande wird, daß es nicht zu einer Alibidiskussion entartet, wie wir es bei anderen Dingen erlebt haben. ({4})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Abgeordnete Meininghaus.

Alfred Meininghaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001458, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der CDU/CSU- Fraktion kommt zu einem Zeitpunkt, in dem die Ergebnisse und Erfahrungen mit dem zur Zeit noch laufenden Energieeinsparungsgesetz in den Ausschüssen überhaupt noch nicht ausdiskutiert worden sind. Selbstverständlich kann man zu jeder Zeit Anträge stellen, selbstverständlich kann man sich zu jeder Zeit über das wichtige Problem und das wichtige Thema der Einsparung von Energie und von Heizkosten unterhalten. Wir stellen jedenfalls fest, daß die Ergebnisse einer Expertenbefragung, die durch den Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau vorgenommen worden ist, die Ergebnisse einer Untersuchung der Infratest-Wirtschaftsforschungs GmbH sowie die verschiedensten Vorschläge des Zwischenberichts der Enquete-Kommission Kernenergie überhaupt nicht in Ihre Vorschläge eingedrungen sind und eingearbeitet worden sind. Wie sollte es auch möglich sein! Denn diese Dinge sind ja erst viel später auf den Tisch gelegt worden, viel später, als Sie diesen Antrag zur Veränderung dieses Gesetzes vorgelegt haben, nämlich Anfang April dieses Jahres. Lassen Sie mich zunächst einmal feststellen, daß das Gesetz zur Förderung heizenergiesparender Investitionen - auch kurz 4,35-Milliarden-D-MarkProgramm genannt - grundsätzlich positiv zu bewerten ist. ({0}) Schließlich wurden in den ersten drei Programmjahren von 1978 bis 1980 in über 800 000 Wohnungen energiesparende Maßnahmen gefördert. Es kommt darum zweifelsfrei ein Großteil der in den letzten Jahren eingesparten Energie auf das Konto dieses Gesetzes. Diesen Tatsachen wird der CDU/CSU-Antrag in manchen Formulierungen nicht gerecht. Sicher, wir sind auch der Meinung, daß nach Auslaufen der einzelnen Programmbereiche auf Grund der gemachten Erfahrungen neue Akzente gesetzt werden sollten. Nach wie vor sehen wir aber im Wohnungsbestand bei rationellem Einsatz von Energie durch Wärmeschutzmaßnahmen ein erhebliches Einsparpotential. Darum wollen wir, daß dieses Programm in geeigneter Art und Weise fortentwickelt wird, wenn es am 31. Dezember 1982 in seinem Zuschußteil und am 30. Juni 1983 in seinem steuerrechtlichen Teil ausläuft. Die SPD-Fraktion begrüßt ausdrücklich, daß die Bundesregierung am 8. April 1981 einen Grundsatzbeschluß gefaßt hat, in dem die Minister für Wirtschaft, der Finanzen und für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau beauftragt werden, alsbald mit den Ländern über eine Anschlußregelung des 4,35- Milliarden-DM-Programms zu verhandeln. Diese soll sich unter Berücksichtigung der knappen Haushaltsmittel und der Energiepreisentwicklung auf die Förderung solcher Maßnahmen konzentrieren, die a) besonders energiesparend für den Investor, aber ohne Förderung nicht ausreichend wirtschaftlich sind, b) Mitnahmeeffekte vermeiden und c) insbesondere der Förderung neuer Energietechnologien dienen, z. B. Wärmepumpen, Solarzellen, Anschluß von Altbauten an Fernwärmenetze usw. ({1}) Das ist, meine Damen und Herren, eine zeitgerechte, vorausschauende, verantwortungsbewußte Planung zur Lösung der Probleme in diesem Bereich. Es ist nicht einzusehen, warum schon heute - Herr Kollege Kolb, damit antworte ich auf Ihre Zwischenbemerkung - durch den Antrag der CDU/ CSU bestimmte Kriterien im Detail für die Fortentwicklung des Programms verbindlich vorgeschrieben werden sollen. Wir sind nämlich nicht der Meinung, meine Damen und Herren von der Opposition, daß das Programm, wie von Ihnen in Ihrem Antrag in Aussicht genommen, in seiner jetzigen Form bereits am 31. Dezember 1981 auslaufen soll. Wieviel Bürger würden dann enttäuscht werden! Die Antragsteller, die wegen der Kontingentierung bisher nicht berücksichtigt werden konnten, sondern auf das kommende Jahr vertröstet werden mußten, würden das Vertrauen zum Gesetzgeber verlieren. ({2}) Das werden wir zu verhindern wissen. ({3}) Sagen Sie nicht, daß Ihre Vorschläge Verbesserungen darstellten! Sie können uns nämlich für die Mehrkosten, die Ihr Antrag nach sich ziehen würde, keine Deckungsvorschläge machen. Sie wissen ganz genau, daß Ihre Forderungen nicht die Knappheit der Haushaltsmittel berücksichtigen. Bei dieser Gelegenheit sollte auch erwähnt werden dürfen, daß bei allem Bemühen um Energieeinsparung und bei aller Liebe zur Wohnungsmodernisierung und zum Wohnungsbestand Geld für den Wohnungsneubau bereitgehalten bzw. beschafft werden muß. Der Etat ist nur einmal zu verteilen. Diejenigen, die uns vor ein paar Jahren als Schülerberg, später als Lehrstellensucher Probleme aufgaben, kommen schon jetzt und zukünftig verstärkt als Wohnungssucher auf uns zu. Wir werden Ihren Antrag zur Detailberatung an die Ausschüsse überweisen. Bei dieser ersten Lesung im Parlament sollen j a nur grundsätzlich Aspekte erörtert werden. Ich meine jedoch, daß es schon zwei grundsätzliche Fragen gibt, die die Kosten betreffen. Einmal geht es um die Frage, ob der steuerlichen Förderung der Vorrang vor der Zuschußförderung zu geben ist, wie es in Punkt 4.1 Ihres Antrags steht. Die Zuschüsse werden durch Höchstbeträge und Jahresquotierungen begrenzt. Zuschüsse werden auch nur von denen in Anspruch genommen, die das Geld sofort benötigen, um damit Finanzierungslücken zu schließen, weil sie sonst gar nichts in Auftrag geben können. Aber den Zuschuß wollen Sie offensichtlich zugunsten der Bezieher mittlerer und hoher Einkommen drücken; denn nur für diesen Personenkreis lohnt sich der steuerrechtliche Teil. ({4}) Und diesen steuerrechtlichen Bereich wollen Sie gegenüber der heutigen Regelung noch in einer unerhörten Weise günstiger ausgestalten. ({5}) Ohne Begrenzung, ohne Quotierung und damit ohne Kontrolle der haushaltspolitischen Auswirkungen fordern Sie, daß bereits im ersten Jahr 50 % der Investitionskosten von der Einkommensteuer abgesetzt werden können ({6}) und in den folgenden fünf Jahren Absetzmöglichkeiten von weiteren 10 % pro Jahr vorhanden sein sollen. Fürwahr: Wer reich ist, soll wohl noch reicher werden. ({7}) - Ich komme auf diesen Punkt zurück und werde Ihnen an Hand eines Beispiels klarmachen, daß es nicht so ist, wie Sie es darzustellen versuchen. Unabhängig davon aber, meine Damen und Herren, ist festzustellen, daß sowohl eine Untersuchung der Infratest-Wirtschaftsforschung GmbH als auch eine Expertenanhörung im Städtebauausschuß ergab, daß gerade im steuerrechtlichen Teil des Energieeinsparungsprogramms die größten Mitnehmereffekte zu verzeichnen sind. ({8}) Wenn es nach dem Willen der Koalitionsparteien gegangen wäre - das wissen Sie genau -, gäbe es in diesem Gesetz heute überhaupt keine steuerliche Förderung. Wenn es nach unserem Willen gehen kann, wird es sie in Zukunft nicht mehr geben, ({9}) weil sie eine Ungerechtigkeit gegenüber dem Durchschnittsbürger darstellt. Wir aber fühlen uns besonders für die kleinen Leute verantwortlich, Herr Kollege. ({10}) Ich will Ihnen das gern an Hand eines Beispiels verdeutlichen: Unterstellen wir einmal - Sie rechnen ja auch gern solche Beispiele vor -, daß wir eine heizkosten-, energiesparende Investition von 30 000 DM haben; das ist wohl absolut realistisch. Bei einer Zuschußförderung würden nach Ihrem Antrag 30 % auf höchstens 20 000 DM gezahlt werden, also 6 000 DM. Bei einer steuerlichen Förderung würde das bedeuten, daß Sie im ersten Jahr bereits 15 000 DM absetzen könnten. Das macht bereits im ersten Jahr einen Steuervorteil - je nach Progressionssatz - zwischen 3 300 DM und 8 400 DM aus - bereits im ersten Jahr, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({11}) Aber ich will nicht so schlitzohrig sein und hier nur den Höchststeuersatz nehmen. Ich will Ihnen auch sagen, wie das bei einem Durchschnittssteuersatz aussähe. Bei einem Durchschnittssteuersatz würde eine Steuervergünstigung von 4 425 DM im ersten Jahr und von je 885 DM in den nächsten fünf Jahren, also von weiteren 4 425 DM, zu verzeichnen sein. Insgesamt ergibt sich also bei einem Durchschnittssteuersatz eine Steuervergünstigung von 8 850 DM. ({12}) Meine Damen und Herren, es stehen hier also 8 850 DM gegen 6 000 DM aus der Zuschußförderung. Wenn Sie jemanden mit einem höheren Steuersatz nehmen, beispielsweise mit dem höchsten, dann kommen Sie letzten Endes auf 16 800 DM. Das heißt: Der Größtverdiener hat einen Steuervorteil von 16 800 DM, während der Zuschußempfänger lediglich 6 000 DM bekommt. Und nun frage ich Sie, für wen Sie hier Politik machen wollen. ({13}) Da kann man nur sagen: Wer soll das bezahlen? ({14}) Es sind, meine Damen und Herren, längst nicht alle Fakten in den zuständigen Ausschüssen beraten worden. Ich sagte bereits: Die Auswertung einer Expertenbefragung im Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, der Erfahrungsbericht aus diesem Ministerium sowie die Empfehlungen der Enquete-Kommission „Zukünftige Nutzung der Kernenergie" sollten wichtige Entscheidungshilfen sein, wenn wir darangehen, dieses Gesetz fortzuschreiben und neu zu konzipieren. Ich kann nur feststellen, daß die Überweisung an die zuständigen Ausschüsse erfolgen sollte. Gehen wir dann an die Arbeit! - Danke schön. ({15})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rösch.

Dr. Klaus Rösch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001873, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der CDU/CSU zeigt, daß alle Fraktionen dieses Hohen Hauses am Thema der Einsparung von Energie und der Fortentwicklung unserer Energiepolitik großes Interesse haben. Er zeigt aber auch, daß in der Frage der Wirksamkeit von Programmen immer ein Problem begründet liegt. Ich persönlich verschweige nicht, daß ich immer eine große Grundskepsis gegenüber der Wirksamkeit von Programmen habe. Zumindest ist davon auszugehen, daß der Wirkungsgrad - um in der Sprache dieses Antrags zu bleiben - von Programmen wesentlich geringer ist, als man möglicherweise beim Anschieben eines solchen Programmes glaubt. Die Liberalen sind von Anfang an - seit es die energiepolitische Diskussion in unserem Lande gibt - die Gruppierung gewesen, die klar und unmißverständlich zum Ausdruck gebracht hat, daß die größte und wirksamste Energiequelle in unserem Lande die rationelle Energieverwendung und die Einsparung von Energie ist. Lassen Sie mich auch dies einmal ganz klar sagen: In unserem Lande hört man derzeit über die Zukunft viel Resignierendes. Man glaubt, nun gingen alle Dinge zu Ende. Man müsse sie in der Zukunft anders verteilen - oder wir hätten keine Zukunft mehr. Ich bin der festen und unerschütterlichen Überzeugung, daß in dem Bereich der Nutzung von alternativen Energien, in dem Bereich des rationellen Einsatzes von Energien, von neuen Anwendungstechniken eine enorme Zukunftschance für unsere Jugend, für unsere Industrie, für unsere gewerbliche Wirtschaft begründet liegt. Ich meine, daß es in diesem Bereich überhaupt keinen Anlaß zum Pessimismus gibt. Im Gegenteil, in unserem Lande, dessen bester „Rohstoff" die Leistungsfähigkeit unserer Menschen ist, dessen größtes Potential die Umsetzung technischer Erkenntnisse in marktfähige Produkte in der Vergangenheit gewesen ist, ist eine gute und eine große Zukunft möglich, wenn wir uns in diesem Bereich stark und intensiv auf allen Ebenen betätigen. Dazu gehört aber, daß wir unsere Bemühungen nicht auf den Bereich der konventionellen Forschung, auf das, was im Bereich der Fachhochschulen und der Hochschulen entwikkelt wird, reduzieren lassen. Wir müssen vielmehr über diesen Bereich hinausgehen. Wir sollten und müßten die Weitsicht haben, Dinge zu akzeptieren, die unter den Voraussetzungen des orthodoxen Wissens möglicherweise nicht ganz praktikabel sind. Lassen Sie mich das an einem Beispiel verdeutlichen. Für die Entwicklung des Ottomotors wäre in Deutschland und insbesondere in Baden-Württemberg wahrscheinlich überhaupt kein Zuschuß gewährt worden, weil sich der Dozent an der Fachhochschule, der dieses Projekt zu beurteilen gehabt hätte, wahrscheinlich nicht in der Lage gesehen hätte, es so zu beurteilen, wie es nötig gewesen wäre. Möglicherweise hätte es Zuschüsse für die Entwicklung eines besseren Materials für die Räder von Pferdewagen gegeben. Die Entwicklung eines Antriebmotors hätte aber nicht im Bereich der konventionellen Möglichkeiten gelegen. ({0}) - Nein, das ist nicht eine begründete Kritik an der Bundesregierung. Herr Kollege Riesenhuber, meine Fraktion hat, weil sie dieses Problem erkannt hat, im Landtag von Baden-Württemberg den Gesetzentwurf über die Schaffung einer Stiftung, die sich mit alternativen Energien beschäftigen soll, eingebracht. An dieser Stiftung sollten sich Staat als auch Industrie beteiligen, um Ideen von außen aufzunehmen. Natürlich sollte auch der Handlungszwang ein anderer als bei einer rein staatlichen Stelle sein. Ziel ist es, in diesem Bereich wirklich alternative Möglichkeiten zum Tragen kommen zu lassen. ({1}) Deswegen bin ich der Auffassung, daß man im Blick auf diesen Bereich verstärkt nachdenken sollte. ({2}) Meine Damen und Herren, in Ihrem Antrag wird von den neuen Energietechniken, die zügig im Markt umgesetzt werden müssen, gesprochen. Diese Forderung ist berechtigt. Ich glaube aber, daß diese Umsetzung in der Vergangenheit u. a. deshalb erschwert war, weil von vielen und von interessierter Seite immer der Eindruck erweckt wurde, daß rationeller Energieeinsatz und Energieeinsparung dann nicht notwendig wären, wenn man sich eindeutig und rückhaltlos für die Kernenergie entschiede. Man würde damit also den Eindruck erwecken, das ganze Einspartheater sei unnötig, wenn wir das so wie die Franzosen im Bereich der Kernenergie machten. Bis zur Stunde steht das bei dem Ansehen der Möglichkeit der Energieeinsparung und der rationellen Nutzung bei vielen Menschen in unseren Lande im Hintergrund. Da haben wir die Aufgabe, das zu überwinden, ({3}) indem wir sagen: Unbeschadet der Entscheidung über Kernenergie ist eine Entscheidung im Bereich rationeller Energieverwendung. Selbstverständlich richtet sich das nicht oder nicht ausschließlich gegen die CDU, Herr Kollege Kolb. ({4}) Ich habe von interessierten Kreisen gesprochen, Herr Kollege Kolb, und wenn Sie sich im Bereich der Kernenergie dazu zählen, dann ist das nicht mein Problem. ({5}) Wenn wir über diesen Bereich diskutieren, ist diese Frage, wie gesagt, von großer Wichtigkeit. Nun sagen Sie in Ihrer Begründung zu dem Antrag, daß sich dieses Programm als ein Fehlschlag erwiesen habe. Dieser Meinung bin ich nicht. Man muß, wie ich vorher sagte, bei der Beurteilung von Programmen sehr vorsichtig sein. Aber es war kein Fehlschlag, den Sie dann vielleicht auch noch fortRösch setzen wollen. Ich weiß nicht, ob da vielleicht der Oppositionsgaul in der Formulierung durchgegangen ist, ob das nicht auch hätte moderater dargestellt werden können. Denn erstens sind Programme sehr problematisch, und zweitens gilt das natürlich insbesondere für Programme in einem derartig neuen Feld, denn diese sind außerordentlich schwierig. Folgendes kommt hinzu, und ich bitte, die Scheinwerfer einmal auf die Zeit zurückzublenden, als es um dieses Programm ging und als darüber diskutiert wurde. Wir müssen zugeben, daß die langwierigen Beratungen im Bundesrat, u. a. die Einsprüche des Ministerpräsidenten aus Baden-Württemberg, die Wirksamkeit dieses Programms beeinträchtigt haben, weil es so erst viel später greifen konnte, als es sonst im Rahmen der damaligen konjunkturellen Situation gegriffen hätte. ({6}) Sie kritisieren, daß es in diesem Programm Mitnehmereffekte gibt. Wir sollten uns darüber im klaren sein, daß kein Programm funktioniert, ohne daß es Mitnehmereffekte gibt. ({7}) Das ist ganz selbstverständlich. Hinzu kommt, daß dieser Mitnehmereffekt nicht so scharf war, wie Sie ihn beschreiben. ({8}) Ohne Zweifel hat es in den vergangenen fünf Jahren insbesondere beim Auslaufen der Bausparverträge viele Menschen gegeben, die sich vorgenommen hatten, in ihrem Hause Renovierungen vorzunehmen. Wenn sie dabei waren zu renovieren, beispielsweise größere Fenster einzubauen, dann haben sie durch dieses Programm ihre Renovierungsabsicht auf den Bereich von heizungssparenden, energiesparenden Investitionen ausgedehnt. Wenn eine derartige Renovierungsabsicht ausgedehnt wird, kann man nicht sagen, daß dies ein Mitnehmereffekt ist, sondern das ist eine ganz gewünschte Sache gewesen. Sie kritisieren, daß der Anreiz zu den neuen Technologien nur 1 % ausgemacht habe. Da müssen wir zwei Sachen sehen. Erstens. Man muß auch bei der Förderung dieser neuen Technologien direkt am Kunden sehr vorsichtig sein. Denn wenn wir im Bereich der Solartechnik zuviel und zu stark gefördert und sich darüber hinaus die Kapazitäten erweitert hätten, wäre etwas passiert, was z. B. beim Haus des früheren Landesvorsitzenden und Entwicklungsministers der SPD passiert ist, wo die Anlage nämlich nicht funktioniert hat. ({9}) Es ist das Schlimme beim Einsatz dieser neuen Anlagen, daß man, wenn man eine neue Technologie von vornherein zu breit fördert und zu sehr hoffähig macht, der Gefahr unterliegt, daß sich allzu viele mit entsprechenden technischen Produkten auf diesem Markt tummeln mit der Wirkung, daß diese Technologie möglicherweise zu einem Zeitpunkt in Mißkredit gerät, wo sie eigentlich noch nicht ausgereift ist. Das heißt: es ist auch in dem Bereich sehr notwendig, vorsichtig Gas zu geben. ({10}) Lassen Sie mich zum Schluß folgendes sagen. Wir Liberalen sind in diesem Zusammenhang der Auffassung, daß wir dieses Programm vor dem Hintergrund der eingeschränkten haushaltsmäßigen Möglichkeiten darauf konzentrieren sollten, die Investitionen zu fördern, die sich nicht irgendwann, sondern von vornherein innerhalb des Bereichs rentieren. ({11}) Zweitens. Wir sollten die Wirkungen des jetzt laufenden Programms im Ausschuß sehr gründlich und detailliert miteinander besprechen. Drittens. Wir sollten nicht der Gefahr unterliegen, die Entwicklungen durch technische Vorgaben in all diesen Bereichen einzuschränken. Ich glaube, daß Politiker und daß ein Parlament dazu da sind, den Rahmen zu setzen und die Türen in dem Bereich zu öffnen, aber daß sie nicht die Kompetenz haben, technische Vorentscheidungen zu treffen. Das kann nicht unsere Aufgabe sein. Darum muß das alles ein Stück breiter gefaßt sein. Lassen Sie mich sagen: dies ist ein Bereich, in dem wir vom Optimismus reden sollten, in dem wir uns nicht fortwährend gegenseitig Argumente um die Ohren hauen sollten. ({12})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kansy

Dr. - Ing. Dietmar Kansy (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001064, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Anfang ganz kurz auf Ihre Ausführungen zurückkommen, Herr Kollege Meininghaus. ({0}) Was die Mehrkosten unseres Programms betrifft, die Sie unterstellen, so hat Ihnen j a unser Kollege Dr. Riesenhuber schon klargelegt, daß bei einem Umfang von rund 4 Milliarden DM - wir wollen jetzt nur die Größenordnung ins Auge fassen -, bei Wegfall der bisherigen wesentlichen Förderungsquelle, zumindest bei deren erheblicher Einschränkung, nämlich der passiven Wärmedämmung, die 95 % des ganzen Programms ausmachte - das muß man doch einfach einmal sagen -, und bei stärkerer Konzentrierung auf die Heizungsverbesserung, die lediglich 10 % im Programm ausmachte, und auf die modernen Technologien, die 1 % im Programm ausmachten, wir für die Umstellung von Heizungsanlagen und moderne Technologien ein Mehrfaches ausgeben können, um dort Anreize zu schaffen, wenn wir beim ersten, nachdem es sich im Markt bereits als akzeptabel erwiesen hat, zurückstecken. Das ist doch die Idee. Wir gehen davon aus, daß die Gesamtkosten dieses Programms, über die wir in den Ausschüssen noch reden werden, niedriger sind als die Summe heute. ({1}) Ein zweiter Punkt. Herr Kollege Meininghaus, Sie haben in einem wesentlichen Punkt falsch zitiert. Sie haben gesagt, die Union habe beantragt, das Programm zum 1. Januar 1982 auslaufen zu lassen. Sie haben gefragt, wo da der Vertrauensschutz für die Bürger bleibe. Ich muß aus unserem Antrag zitieren. Dabei lasse ich die erste größere Einleitung fort. Danach wird die Bundesregierung gebeten, mit den Bundesländern zu prüfen „ob das derzeit laufende Programm schon zum 1. Januar 1982 gemäß diesem Antrag umstrukturiert werden kann". Das ist etwas völlig anderes, als wenn Sie behaupten, wir wollten das Programm zum 1. Januar 1982 auslaufen lassen. ({2}) - Herr Spöri, vielen Dank, daß Sie mir widerreden. Ich möchte trotzdem in meiner ersten Rede vor dem Parlament auch noch zu dem kommen, was ich eigentlich sagen wollte. ({3}) Auf die Frage des steuerlichen Mitnahmeeffekts komme ich im Laufe meiner Ausführungen noch zurück. Herr Kollege Meininghaus, ich möchte an Ihrem ersten Kritikpunkt ansetzen. Sie sagten, der vorliegende Antrag der Union komme viel zu früh, die Bundesregierung habe doch gerade erst einen Beschluß gefaßt. Im übrigen lägen Ergebnisse, die als Grundlage dieses Antrags von uns dienen könnten, noch nicht in ausreichendem Maße vor. ({4}) Ich muß Ihnen folgendes sagen: Erstens liegt die Untersuchung von Infratest lange vor ({5}) - seit 1980. ({6}) - Selbstverständlich haben wir es berücksichtigt. Zweitens liegen die Ergebnisse des Instituts für Bauforschung zwar nicht veröffentlicht, aber gesprächsweise länger vor. Drittens. Wesentliche Anstöße sind auch in dem ersten Teil des Berichts der Enquete-Kommission Kernenergie gegeben. Der liegt auch lange vor. Eine Zwischenbilanz des Finanzministeriums, Herr Kollege Meininghaus, liegt schon seit Jahr und Tag vor. Ich werde Ihnen sagen, was nicht ist: Wir haben es von der Bundesregierung im Ausschuß bisher nicht vorgelegt bekommen - und deswegen unser Vorstoß. Ich werde Ihnen auch sagen, warum wir so große Probleme mit der Zeit sehen. Wir behandeln diesen Antrag zweifelsohne in einer Zeit, in der andere Schlagzeilen in der Presse zu finden sind. Da wird von Ölschwemme auf den Spot-Märkten gesprochen. Da wird von der Roßkur beim Haushalt 1982 gesprochen, Herr Kollege Spöri. Da liest man aber auch, der Preis für das Nordseeöl sei um 4,25 Dollar gesenkt worden. Man könnte sich also tatsächlich die Frage stellen: Ist die Schlacht um die Substitution des Erdöls nicht vielleicht sogar schon erfolgreich geschlagen? Müssen wir überhaupt noch staatliche Initiativen vorsehen, vor allen Dingen vor dem Hintergrund, daß wir in einer äußerst kritischen Finanzsituation sind? ({7}) - Sehr richtig, aber es geht nicht nur um die Leistungsbilanz. Das ist der ökonomische Faktor. Gerade in diesen Tagen hat das Internationale Institut für angewandte Systemanalyse in Laxenburg bei Wien nach vieljähriger Arbeit den Bericht „Energie in einer begrenzten Welt" vorgelegt. Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieser Bericht ist deswegen so interessant, weil an den Untersuchungen neben Wissenschaftlern der Akademie der Wissenschaften der Sowjetunion und der Nationalen Akademie der Wissenschaften der USA Wissenschaftler aus vielen Ländern und ganz unterschiedlicher gesellschaftspolitischer Ausrichtung mitgearbeitet haben, u. a. auch von der Max-Planck-Gesellschaft in München. Die Antwort auf die Frage, ob 8 Milliarden Menschen Anfang des nächsten Jahrhunderts überhaupt noch ein menschengerechtes Leben erwarten können, brachten diese Wissenschaftler in der englischen Originalfassung auf die Kurzformel: „It could be done", es könnte gelingen. Dann wird dargelegt - ich möchte das jetzt hier straffen -, daß der ganz wesentliche Faktor in diesem Wettlauf die Zeit ist. Man muß das immer wieder wiederholen. ({8}) - Dann frage ich Sie, meine Damen und Herren: Was hat sich denn in den letzten Wochen und Monaten und Jahren bei uns getan? ({9}) Da kann man z. B. im „Kölner Stadt-Anzeiger" vom 12. Juni 1981 einen Bericht lesen, überschrieben mit: „Wärmepumpen sind ins Stottern geraten". Dort heißt es: Die mittlerweile rund 80 deutschen Hersteller von Elektrowärmepumpen stehen vor „einem Riesenproblem", erklärte Prof. Rudolf Scheid, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes der Elektrotechnischen Industrie ... In dem Wärmepumpen-Geschäft sei seit einigen Monaten „die Luft raus". Und er führt diese Situation - das ist das eigentlich Erstaunliche und Bedenkliche - darauf zurück, daß sich - zumal es bei Heizöl zu keinen Versorgungsproblemen gekommen sei - die Lage allgemein wieder beruhigt habe. Das ist nämlich die Situation, nachdem bereits drei Jahre ein mit 4,35 Milliarden DM ausgestattetes Programm zur Förderung heizenergiesparender Investitionen läuft. Deswegen müssen wir rechtzeitig, bevor wir uns über die Fortführung des Programms unterhalten, die Wirkung des ersten Programms unter die Lupe nehmen. ({10}) Und unter Einbeziehung der Ergebnisse - ich habe sie schon dargelegt und möchte sie nicht wiederholen - von Infratest, vom Institut für Bauforschung, der Anhörung der Sachverständigen im Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau ergibt sich, daß es nicht wesentlich ist, ob wir um jeden Pfennig hier oder dort ringen. ({11}) Vielmehr entnehme ich den Aussagen: Die zügige Einführung von modernen Technologien - Herr Riesenhuber hat das schon dargelegt -, ob das Wärmepumpen sind, ob das Solaranlagen, Absorber sind, ob es die stärkere Ausnutzung der Fernwärme oder anderes ist, ist in diesen letzten Jahren im wesentlichen auf der Strecke geblieben. Ich hatte bereits dargelegt, daß 95 % der Förderungsfälle nur in Richtung Wärmedämmung gehen, 10 % in Richtung Heizung. Man muß es immer wieder sagen, ob man es gern hört oder nicht: 1 %, nur ein einziges, ich würde sagen, beschämendes Prozent aus diesem Programm ist in die Förderung und zügige Marktdurchdringung neuer Energietechniken geflossen. Das ist das wesentliche Ergebnis des bisherigen Programms. Wenn wir uns fragen: wo liegen die Gründe dafür?, dann müssen wir zunächst, glaube ich, auch einmal Kritik an der Ausführung des bisherigen Programms anbringen. Denn in § 10 Abs. 1 des Gesetzes haben wir als Gesetzgeber ausdrücklich hineingeschrieben, daß die Verbesserung des Wärmeschutzes nur dann gefördert werden soll, wenn die Heizungsanlage dem verminderten Energiebedarf angepaßt ist oder im Zusammenhang mit der Verbesserung des Wärmeschutzes angepaßt wird. Auch das ist ein Schwachpunkt dieses Programms. Wir wissen nach Aussagen des Instituts für Bauforschung, daß die Energieeinsparung durch Umbau der Heizungsanlagen mit 20 bis 30 % in der gleichen Größenordnung wie die durch passive Wärmedämmung liegt. Warum denn da nur 10 % unserer Förderungsmittel und 95 % in der passiven Wärmedämmung? Ich meine, es muß doch einfach den ausführenden Stellen dieses Gesetzes auffallen, wenn 95 zu 10 letzten Endes dabei herauskommt. Wenn wir so weitermachen - deswegen ist eine schnelle Entscheidung notwendig -, müssen wir uns vorwerfen lassen, daß das, was mit diesem Programm gemacht wird, im Grunde teilweise eine staatlich geduldete Mitnehmerei von knappen öffentlichen Mitteln darstellt. Die Förderung zukunftsträchtiger Technologien - Herr Kollege Riesenhuber hat auch das schon angesprochen - scheitert tatsächlich ebenfalls an der etwas zu niedrig gesetzten Obergrenze von 12 000 DM. Wir wissen, daß die Investitionskosten erheblich über diesem Betrag liegen. Wir haben Vorschläge gemacht; ich möchte sie im Detail nicht vortragen. Ich möchte im Detail auch nicht vortragen, wie wir uns die Anhebung der steuerlichen Förderung und, Herr Kollege Meininghaus, die Anhebung der Zuschußförderung vorstellen. Das haben Sie bei Ihrer Kritik unterschlagen, die Sie eben gegenüber unserem Programm geübt haben. Sie sprechen so mit etwas feuchten Augen von dem armen Arbeitnehmer in diesem Lande, den die Union benachteiligen will, indem sie steuerliche Förderung betreibt. ({12}) Wo sind denn die wesentlichen Mittel des Zuschußprogramms geblieben? Ich will Ihnen sagen, wo sie geblieben sind. ({13}) Sie sind geblieben - Sie können das auch sehen - ({14}) - Ich muß zu Ende kommen. Ich bin auf viele Einwürfe eingegangen, Herr Kollege, und wenn Sie von Anfang an dagewesen wären, ({15}) dann wüßten Sie das auch. Der wesentliche Teil der Fördermittel ist im Bereich von juristischen Personen - ich umschreibe das mal etwas sehr vorsichtig -, sprich: großen Gesellschaften vergeben worden, die mit ihren großen Bürokratien im Grunde die Formulare aus dem Ministerium schon kennen, bevor sie überhaupt auf dem Markt sind. ({16}) Wenn dann der kleine Mann zu seiner Gemeindeverwaltung oder zu seiner Kreisverwaltung kommt, dann sind schon zwei Drittel der Mittel bei den großen gemeinnützigen Unternehmen usw. gelandet. Dann sprechen Sie von den, ach, so armen Bürgern dieses Landes, die durch unsere Initiative getroffen werden. Ich glaube, so können wir miteinander in dieser Angelegenheit nicht sprechen. ({17}) - Ich freue mich außerordentlich, in meiner ersten Rede so viel Widerspruch zu erfahren. Anscheinend habe ich ja etwas zu sagen, meine Damen und Herren Kollegen. ({18}) Wir sollten unseren Bürgern neben allem, was wir hier als technokratischen Einzelkram zu bewältigen haben, folgendes sagen. Energiesparen und sinnvoller Energieeinsatz ist nicht nur ein ideelles Ziel, sondern hat in zunehmendem Maße ganz handfeste Auswirkungen auch auf das Portemonnaie von uns allen. Wenn Sie die ersten Ergebnisse der Abrechnung nach Verbrauch, die wir von der Union letztes Jahr initiiert haben, sehen, da zeigen sich die Schwachstellen. Es wird nicht mehr lange dauern - ich wage das zu prophezeien -, dann wird man auch bei uns nicht mehr nur fragen: Was kostet das Haus?, sondern man wird, wie beispielsweise in Kanada dazu fragen: „Was verbraucht denn das Haus eigentlich?" Meine Kollegen von den Sozialdemokraten - Ihr Einwurf kommt planmäßig -, das gilt natürlich auch für Mietwohnungen; das ist selbstverständlich. Wir haben das ausdrücklich und sehr breit in unserem Antrag vorgetragen. Ich möchte an dieser Stelle einfügen, daß der Förderung energiesparender Maßnahmen bei Mietwohnungen auch deswegen besonderes Augenmerk zu schenken ist, weil man dabei auch die Einbeziehung der Mieter in die öffentliche Förderung erreichen kann. Daß das für uns nur im Einvernehmen mit dem Vermieter geht, ist selbstverständlich. Aber da ist durchaus noch ein Ansatzpunkt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, abschließend noch folgendes. Zu einer vernünftigen Gesamtschau gehören also, wie ich bereits darzulegen versucht habe, nicht nur große staatliche Programme, sondern gehört vor allem eine Bewußtseinsbildung, die zwar vorhanden, die aber noch nicht groß genug ist. Dazu gehört zum Beispiel auch die Bedienung unserer Heizungsanlagen in öffentlichen Gebäuden, in privaten Gebäuden, bis hinunter zum Haus oder zur Wohnung. Ich erinnere an die Ergebnisse des Hearings im Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, in dem bekannt wurde, daß z. B. die Stadt Duisburg 25 bis 30 % nur durch bessere Betriebsüberwachung, ohne wesentlichen Personaleinsatz, ihre Kosten gespart hat. Wir haben, meine Damen und Herren von der SPD und der FDP, die Hoffnung, daß wir in den Ausschußberatungen nicht nur zu guten, sondern vor allen Dingen zu möglichst schnellen Ergebnissen mit Ihnen kommen, um hier wenigstens keine Zeit in der Energiepolitik zu verlieren und auch um einen erneuten Investitionsstau zu vermeiden, der während der letzten zehn Monate der Beratung leider mit den preistreibenden Effekten zu verzeichnen war, die wir anschließend festgestellt haben. ({19}) In dem zwischenzeitlich erfolgten Beschluß der Bundesregierung zur Fortentwicklung des Programms sehen wir durchaus Ansatzpunkte für eine Einigung. Ziel muß sein, knappe öffentliche Mittel auf wirklich förderungswürdige Maßnahmen zu konzentrieren. ({20}) It could be done, sagen die Laxenburger in ihrem Energiegutachten; es könnte gelingen. Wir können es auch schaffen, wenn wir es schnell anfassen. ({21})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Lennartz.

Klaus Lennartz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001319, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion sind noch einige Bemerkungen aus finanzpolitischer Sicht zu machen. Ich will nicht in etwas anderer Diktion auf das eingehen, was mein Kollege Meininghaus bereits generell zu dem Thema gesagt hat, um die Redezeit nicht zu verlängern. Aber gestatten Sie mir, bevor ich zu den finanzpolitischen Dingen komme, einige Anmerkungen zu den Aussagen des Herrn Kollegen Dr. Riesenhuber über den Bereich der Wärmepumpe. In Ihrem Antrag kann ich unter 5.3.1.2. nachlesen, daß Sie unter anderem davon ausgehen, daß in diesem Bereich die Nachfrage deshalb nicht gesichert sei, weil der Förderungsbetrag nicht so hoch sei, Herr Kollege Riesenhuber, Sie unterliegen hier einem gravierenden Informationsirrtum. Sie unterliegen einfach aus dem folgenden Grunde einem Irrtum: Wenn Sie mit den Leuten, die die Wärmepumpen einbauen wollen, sprechen, dann wird als erstes die Frage gestellt, wie lang die Gewährleistungsfrist ist, und wenn die Betreffenden daraufhin durch den Unternehmer erfahren, daß die Garantie nur ein Jahr gilt, müßte ich Sie doch fragen: Wären Sie unter diesem Gesichtspunkt einer nur einjährigen Gewährleistungsfrist bereit, sich eine Wärmepumpe einbauen zu lassen, die 12 000 bis 18 000 Mark kostet? Täten Sie das in Anbetracht der Lebensdauer, die eine derartige Wärmepumpe haben soll? Das ist keine Frage des Zuschusses, sondern eine Frage, inwieweit die Unternehmer bereit sind, die Garantiezeit zu verlängern. Der nächste Punkt ist der Bereich der Fernwärme. In allen Punkten, mit denen Sie zitiert haben, wie sinnvoll und zweckmäßig die Fernwärme und ihr Ausbau sind, gebe ich Ihnen recht. Da stimmen wir überein. Nur müssen wir uns die Frage stellen: Woran scheitert es denn bisher, daß im Fernwärmebereich der Ausbau durchgeführt wird, den wir eigentlich wollen? Wer ist denn derjenige, der dieses Programm blockiert? Es ist doch der Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein! ({0}) Gehen Sie bitte ins Land Nordrhein-Westfalen; dort können Sie erkennen, wie man versucht, die Fernwärme durchzusetzen. ({1}) - Entschuldigen Sie bitte; lassen Sie mich beim nächsten Punkt ansetzen. Die Bundesregierung hat doch in der Fortschreibung ihres Energieberichts im Jahre 1977 die Städte und die Gemeinden aufgefordert, sie mögen Energiebilanzen und Energiekonzeptionen im Bereich der Fernwärme erstellen. Gehen Sie doch hin und schauen Sie sich an, wie die Ergebnisse aussehen! Wir wären doch heute bereit und in der Lage, die Kommunen insgesamt zu unterstützen, wenn in den Schubladen fertige Konzepte lägen. Dann könnten die Mittel abgerufen werden, die Sie bis jetzt durch das Land Schleswig-Holstein im Bundesrat blockieLennartz ren. Das sind Fakten, das sind Tatsachen; die muß man eben wiederholt ansprechen, ({2}) damit bei Ihnen in diesem Punkt das Bewußtsein etwas mehr geweckt wird. ({3}) Meine Damen und Herren, kommen wir nun zum finanzpolitischen Teil. Wie sehen denn dort Ihre wichtigsten Forderungen aus? Erstens: vorzeitiges Auslaufen des Programms zur Förderung heizenergiesparender Maßnahmen zum Ende des Jahres 1981. Zweitens: Umstrukturierung ab 1. Januar 1982. Mein Kollege Meininghaus hat bereits die Antworten darauf gegeben. Von mehreren Punkten will ich jetzt nur einen herausgreifen, damit deutlich wird, wie Ihre Zielrichtung aussieht. Sie schreiben u. a.: Verbesserung der steuerlichen Vorteile, 30 % im ersten Jahr und jeweils 10% in den sieben folgenden Jahren bei Beibehaltung des Zuschußsatzes von 25% im normalen Förderfall. Die Stoßrichtung der CDU/CSU hat zum Ziel, daß an die Stelle der bisherigen direkten Förderung die steuerliche Förderung treten soll. Das ist der Gesichtspunkt, von dem Sie ausgehen, ohne zu berücksichtigen, wie viele Milliarden an Steuerausfällen durch diese Ihre Politik zusammenkämen. ({4}) Diese Ausfälle hätten wir frühestens im Jahre 1984 in Mark und Pfennig auf dem Tisch des Hauses liegen, aber ohne zu wissen, in welcher Weise sie den Modernisierungsmaßnahmen zugute gekommen sind bzw. in welcher Höhe sie Energieeinsparungsmaßnahmen zugute gekommen sind. Darum aber geht es uns, um diesen letzten Punkt der Energieeinsparungsmaßnahmen; dafür die entsprechenden Mittel zur Verfügung zu stellen sind wir bereit. Meine Damen und Herren, wir verhehlen nicht, daß dieses Gesetz vielleicht den einen oder den anderen Punkt hat, den es zu verbessern gilt. Das verhehlen wir nicht! Wir sind auch gern bereit, die inhaltlich bekannten Punkte, an denen das Gesetz Schwachstellen hat, zu verändern. Nur muß ich noch, meine Damen und Herren, auf den von Ihnen apostrophierten Mitnehmereffekt zu sprechen kommen. Wenn Herr Matthöfer, der Finanzminister, die Ausführungen meines Vorredners gehört hätte, wäre ihm angesichts der Tatsache, wie Sie sich gegen die Mitnehmereffekte gesträubt haben, das Herz aufgegangen. Ich werde bemüht sein, im Finanzausschuß des Deutschen Bundestages all Ihre Vorbehalte gegen Mitnehmereffekte im Blick auf andere existierende Subventionen zu prüfen; ich glaube, dann werden wir den Haushalt 1982 sehr schnell korrigiert bekommen. ({5})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Kollege Lennartz, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß Ihre angemeldete Redezeit bereits überschritten ist.

Klaus Lennartz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001319, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Entschuldigen Sie, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren, wir werden versuchen, uns zu merken, wie Sie gegen diese Mitnehmereffekte - ich sage es einmal etwas überpointiert - polemisiert haben. Letzter Satz, Herr Präsident; entschuldigen Sie bitte, wenn ich meine Redezeit etwas überschritten habe. Wir sind bereit, mit Ihnen gemeinsam zu einer vernünftigen, soliden Weiterführung dieses Gesetzes zu kommen. Wir haben die Sommerpause, und Sie haben in dieser Sommerpause die Gelegenheit, Ihre mehr oder weniger falschen Argumente zu überprüfen. Wenn Sie dann auf den Grund des Sachverhalts zurückkommen, werden wir gemeinsam mit Ihnen weiterarbeiten. - Danke schön. ({0})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Beckmann.

Klaus Beckmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000133, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Den großen Herausforderungen der künftigen Energieversorgung werden wir nur dann wirksam begegnen können, wenn wir mit der uns zur Verfügung stehenden Energie noch sparsamer und noch rationeller umgehen. Für uns Freie Demokraten hat diese Aufgabe Priorität. Wir begrüßen es deshalb, daß die Bundesregierung dem schon in der Vergangenheit durch ein ganzes Bündel von Maßnahmen Rechnung getragen hat. Ein bedeutender Schritt auf dem richtigen Wege ist das „Programm zur Förderung heizenergiesparender Maßnahmen" vom Juni 1978, dessen Umfang mit 4,35 Milliarden DM die Ernsthaftigkeit der Förderung von Energieeinsparmaßnahmen durch die öffentliche Hand unterstreicht. Mit Genugtuung können wir feststellen, daß auch der Bürger die Zeichen der Zeit erkannt und das laufende Programm voll angenommen hat. Dies wird durch den starken Andrang zu den Fördermitteln dokumentiert. Nicht zu unterschätzen ist aber auch der psychologische Effekt dieses Programms, der die Notwendigkeit der Energieeinsparung verstärkt in das Bewußtsein unserer Bürger gerückt hat. Angesichts der Tatsache, daß wir heute 30 % der Primärenergie für unsere Raumheizung verbrauchen, ist es wirklich als ein Erfolg anzusehen, daß in den ersten drei Programmjahren, das heißt in den Jahren 1978 bis 1980, mit dem Programm bereits in über 800 000 Wohnungen energiesparende Maßnahmen gefördert werden konnten. Es besteht sicherlich kein Zweifel, daß dieser Ausweis einer erfolgreichen und zukunftsorientierten Energiepolitik Veranlassung gibt, über das Auslaufen dieses Programms am 31. Dezember 1982 für den Zuschußteil - bzw. Juni 1983 für den steuerlichen Teil - eine sinnvolle Anschlußregelung zu treffen. Hierüber besteht ja nach alledem, was ich heute morgen gehört habe, Übereinstimmung auf allen Seiten unseres Hauses. Die bei der Durchführung des Programms gewonnenen Erfahrungen haben aber auch gezeigt, daß zu2608 künftig einige Fördertatbestände herausgenommen werden sollten, da ein Teil der geförderten Maßnahmen inzwischen wirtschaftlich geworden ist und sich selbst trägt. Wie sollten nun in Zukunft die Förderschwerpunkte aussehen? Nach wie vor gilt es, neue Technologien im Wärmemarkt zu fördern. Dies gilt insbesondere für die Weiterentwicklung der Wärmepumpen und der Solaranlagen. In diesem Bereich - das wissen wir - wird es sicherlich noch einige Jahre dauern, bis wir zu wirtschaftlichen Großserien kommen, deren Wirkung sich nachhaltig im Energieverbrauch, insbesondere beim Öl, positiv niederschlagen wird. Wenn wir Heizenergie einsparen wollen, müssen wir auch weiterhin der Wärmedämmung im Haus unser besonderes Augenmerk schenken. Die Fördermaßnahmen sollten sich dabei aber auf eine Verbindung der Wärmedämmung mit der Optimierung der Heizungstechnik konzentrieren; denn nur dies verspricht den gewünschten und durchgreifenden Erfolg. ({0}) Man muß deshalb immer wieder darauf hinweisen, meine Damen und Herren, daß die Verbesserung der Heizungseinrichtung im Hause bis zu 30 % des Energieeinsatzes einsparen kann. Der Einsatz von kleineren Kesseln und modernen Steuerungs- und Regelungstechniken zur differenzierten Raumbeheizung darf deshalb im Förderungskatalog des Anschlußprogramms auf keinen Fall fehlen. Angesichts der Tatsache, daß die vorliegenden Zahlen des Programms eine Verbesserung der Wärmedämmung in 95 % der Förderungsfälle ausweisen, dagegen nur in 10 % der Fälle Verbesserungen von Heizungen vorgenommen worden sind, werden wir den sich aus diesem Mißverhältnis ergebenden Forderungen besonders Rechnung tragen müssen. Wir werden hierüber - da bin ich sicher - in den Ausschüssen noch diskutieren müssen, zumal der Antrag der CDU/CSU-Fraktion hier leider noch keine Lösungsmöglichkeiten erkennen läßt. Wenn wir die Politik des „Weg-vom-Öl" konsequent weiterverfolgen, dann muß eine Anschlußregelung an das laufende Programm auch die weitere Förderung der Fernwärmeversorgung umfassen. Dieser Förderung bedarf es deswegen, weil es sich bei der Fernwärme um ein leitungsgebundenes Versorgungssystem handelt, das wegen seiner besonderen technischen und physikalischen Anforderungen im Vergleich zu Transportsystemen anderer Energiearten einen besonders hohen Investitionsaufwand erfordert. Herr Kollege Riesenhuber hat vorhin mit Recht darauf hingewiesen. Andererseits steht dagegen der Vorteil, daß das Fernwärmeversorgungssystem energetisch minderwertige Abwärme, z. B. aus dem Müll, mit entsprechend niedrigen Kosten für Heizzwecke nutzbar machen kann. Sinnvoll erscheint es, die Fernwärmeversorgung für Gebiete mit hoher Wärmedichte, vorzugsweise also in Ballungsgebieten, weiter zu fördern. In diese Förderung muß natürlich auch der Verbraucher mit einbezogen werden, und zwar in der Form, daß auch der Fernwärmeanschluß im Haus von den Maßnahmen des Programms umfaßt wird. Im übrigen meine ich, daß wir auf allen Ebenen der Politik darauf hinwirken sollten, daß auch die Gebietskörperschaften, insbesondere die Kommunen, durch die Aufstellung kommunaler Energieversorgungskonzepte und durch eine sinnvolle Gestaltung der Bebauungspläne ihren Beitrag dazu leisten, daß wir so unseren Weg des „Weg-vom-Öl" konsequent weitergehen können. Noch ein Wort zu den verschiedenen Zuschußmöglichkeiten. Wir werden in den Ausschüssen mit aller Sorgfalt darüber sprechen müssen, in welcher Form wir weiter fördern wollen. Ich glaube, daß eine ausschließlich steuerliche Regelung dem Programmzweck nicht förderlich sein kann. Würden wir diese Regelung treffen - das ist hier ja auch schon angedeutet worden -, dann wären ja z. B. die gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften, aber auch diejenigen Hauseigentümer, die aus der Steuervergünstigung keinen Nutzen ziehen könnten, vom Programm ausgeschlossen. Das kann nicht der Sinn dieser Regelung sein. ({1}) Wenn wir jedoch die steuerliche Förderung mit einbeziehen, sollten wir im Rahmen der Ausschußarbeit auch überlegen, ob hier nicht eine degressive Abschreibung möglich wäre, die insbesondere in den ersten Jahren einen erhöhten Anreiz bieten könnte. Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Antrag der CDU/CSU-Fraktion kommt recht früh angesichts der Tatsache, daß das Programm in seiner Gänze erst Mitte 1983 ausläuft. ({2}) Ich vermute, er ist deswegen so rechtzeitig gestellt worden, damit insbesondere die CDU/CSU-geführten Länder ausreichend Zeit haben, zu überlegen, wie sie aus ihrer Verantwortung heraus einen entsprechenden Beitrag für die Weiterführung des Programms leisten können. Die Bundesregierung - meine Damen und Herren, davon sind wir überzeugt - wird ihrerseits in der dritten Fortschreibung des Energieprogramms die notwendige und konsequente Fortsetzung der begonnenen Maßnahmen aufzeigen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. ({3})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat schlägt vor, den Antrag der Abgeordneten Dr. Riesenhuber, Dr. Dregger, Kiep, Dr. Dollinger und weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU auf der Drucksache 9/319 an den Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zur federführenden Beratung und an den Ausschuß für Wirtschaft, den Finanzausschuß und den Ausschuß für Vizepräsident Leber Forschung und Technologie zur Mitberatung zu überweisen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Es ist entsprechend beschlossen. Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung und den Zusatzpunkt zur Tagesordnung auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Lorenz, Baron von Wrangel, Jäger ({0}), Böhm ({1}), Graf Huyn, Schulze ({2}), Lintner, Sauer ({3}), Straßmeir, Frau Roitzsch, Schmöle, Dr. Hennig, Gerster ({4}), Dr. Kunz ({5}), Amrehn, Kroll-Schlüter, Dr. Marx und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU Wahlen in der DDR - Drucksache 9/452 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen ({6}) Auswärtiger Ausschuß Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und FDP Wahlen zur Volkskammer der DDR - Drucksache 9/610 -Überweisungsvorschlag: Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen ({7}) Auswärtiger Ausschuß Im Ältestenrat und interfraktionell ist eine verbundene Aussprache über Punkt 11 der Tagesordnung sowie über den Zusatzpunkt zur Tagesordnung mit einem Beitrag bis zu 10 Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe, das ist der Fall. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Bitte sehr, Herr Abgeordneter Schulze.

Gerhard Schulze (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002109, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es mag vielleicht etwas ungewöhnlich erscheinen, wenn sich der Deutsche Bundestag mit Wahlen außerhalb seines Geltungsbereiches befaßt. Hier handelt es sich aber nicht um Wahlen in irgendeinem anderen Lande, sondern im anderen Teile Deutschlands, für dessen Menschen wir uns in besonderer Weise politisch verpflichtet fühlen. Die Wahlen zur Volkskammer und zu den Bezirkstagen in der DDR haben inzwischen am 14. Juni 1981, wie nicht anders zu erwarten, mit vorprogrammierten Ergebnissen stattgefunden. Sie stehen nach unserer Auffassung in einem klaren Widerspruch zu Art. 54 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik, wonach die 500 Abgeordneten auf die Dauer von fünf Jahren in allgemeiner, gleicher und geheimer Wahl gewählt werden sollen. Selbst wenn man unterstellt, daß die Regierung der DDR mit Unterstützung der Sowjetunion diesen Teil der Verfassung zugunsten des jetzigen Wahlverfahrens interpretiert, und wenn man heute eher geneigt zu sein scheint, selbst solche „Scheinwahlen" als eine innere Angelegenheit der DDR zu werten, bleibt dennoch festzustellen, daß bei diesem Wahlmodus keine freie Äußerung des Wählerwillens gewährleistet ist. Es gibt bei der nach einem festen Verteilungsschlüssel ausgearbeiteten Einheitsliste praktisch keine Auswahlmöglichkeit von Kandidaten, und von einer geheimen Wahl kann man nach der bisher geübten offenen Praxis wohl kaum sprechen. Das bisher geübte Wahlverfahren kommt daher nach unserer Auffassung eher einer „Volkszählung" gleich. Die Wahlen in der DDR, meine Damen und Herren, stehen aber auch in krassem Widerspruch zu internationalen Verträgen, denen die DDR völkerrechtlich beigetreten ist. Das gilt z. B. für den Art. 25 des internationalen Paktes der Vereinten Nationen über bürgerliche und politische Rechte. Die DDR verstößt aber mit diesen Wahlen zugleich gegen die Beschlüsse von Helsinki, wo sie sich verpflichtet hat, die Menschenrechte zu achten. Es war Herbert Wehner als Vorsitzender des Ausschusses für gesamtdeutsche Fragen, der in Zusammenhang mit den Wahlen in der DDR am 15. Oktober 1950 für alle Fraktionen mit Ausnahme der Kommunisten vor dem Deutschen Bundestag am 14. September 1950 in einer leidenschaftlich gehaltenen Rede die Vereinten Nationen bat, den Wahlrechtsbruch zu verurteilen und dadurch den Glauben des deutschen Volkes an Recht und Freiheit in der Welt zu stärken. Geändert hat sich an dieser Forderung, wie ich meinen möchte, bisher leider nichts. ({0}) In diesem Zusammenhang ist auch der Abschnitt 4 unseres Antrages mit in der Forderung nach einer Dokumentation über die Durchführung der DDR- Wahlen und einer Information darüber an die Vereinten Nationen zu sehen. Was uns als Berliner in ganz besonderer Weise im Zusammenhang mit diesen Wahlen berührt und zugleich beunruhigt, ist die Tatsache, daß erstmalig 40 Abgeordnete von Ost-Berlin nicht durch die Stadtverordnetenversammlung in die Volkskammer entsandt worden sind - etwa in vergleichbarer Weise wie die Berliner Bundestagsabgeordneten durch das Berliner Abgeordnetenhaus -, sondern direkt in die Volkskammer gewählt wurden. Grundlage ist eine von der Volkskammer am 28. Juni 1979 beschlossene Änderung des DDR-Wahlgesetzes. Die neuen Verfahren behandeln den Ostsektor so, als sei er Teil des Gebietes der DDR. Diese Direktwahlen der Berliner Volkskammerabgeordneten stehen nach unserer Auffassung in klarem Widerspruch zu den Vereinbarungen aus der Kriegs- und Nachkriegszeit, die den Status des besonderen Gebietes von Berlin definieren, und somit auch in Widerspruch zum Viermächteabkommen vom 3. September 1971, das für ganz Berlin Gültigkeit hat. ({1}) In der Londoner Erklärung vom 9. Mai 1977 über Berlin haben die für die Westsektoren Berlins verantwortlichen Westregierungen noch einmal die Feststellung getroffen, daß der Status von Berlin nicht einseitig verändert werden kann. Die Alliierten haben bei ihren neuerlichen Protesten gegen die Volkskammerwahlen noch einmal klar zum Ausdruck gebracht, daß sie allen Versuchungen entge2610 Schulze ({2}) gentreten werden, die Rechte und Verantwortlichkeiten aller Vier Mächte in bezug auf Deutschland als Ganzes und Berlin in Frage zu stellen. Die Bundesregierung und der Senat von Berlin haben in gleicher Weise deutlich gemacht, daß die strikte Einhaltung und die volle Anwendung des Viermächteabkommens die Voraussetzung für eine friedliche und ruhige Entwicklung Berlins darstellen, und sich gegen Versuche, den Status von Berlin einseitig zu verändern, gewandt. - Soweit stimmt die CDU/ CSU-Fraktion auch mit dem Inhalt des erst jetzt eingebrachten Antrags der beiden Koalitionsfraktionen überein. Ost-Berlin muß darüber hinaus der Vorwurf gemacht werden, sich im Gegensatz zum Westen nicht an die Rechtslage gehalten zu haben, um sich damit einseitig Vorteile zu verschaffen. ({3}) Wir haben es aber - das macht die Direktwahlen zu einem schwerwiegenden politischen Akt - hier wieder einmal mit einem Vorgang zu tun, bei dem es sich offenbar um eine zwischen Pankow und Moskau abgestimmte Taktik handelt. Es geht im Grunde genommen nämlich darum, die totale Integration des Ostsektors von Berlin in die DDR zu ermöglichen. Ebenso geht es darum, die Beschränkung des Viermächtestatus nur auf Berlin ({4}) zu erwirken und längerfristig die Trennung Berlins vom Bund durch Aushöhlung und Revision des Viermächteabkommens zu erreichen. ({5}) Insofern hat die am 14. Juni erfolgte einseitige Veränderung des Viermächtestatus von Berlin durch die DDR für uns im freien Teil der Stadt Berlin eine herausragende politische Bedeutung, eine besondere Qualität, die vom Deutschen Bundestag nicht stillschweigend hingenommen werden kann. ({6}) Meine Damen und Herren, ich kann mich hier jetzt auf den Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion auf Drucksache 8/3204 aus dem Jahr 1979 beziehen, worin der Deutsche Bundestag die Bundesregierung aufgefordert hat, bei den westlichen Schutzmächten für Berlin immer wieder erneut darauf hinzuwirken, daß diese alles in ihrer Macht Stehende unternehmen, um die Sowjetunion zur Wahrnehmung ihrer Verantwortung für die Einhaltung des Viermächteabkommens zu veranlassen. Das gilt heute gleichermaßen. Wir erwarten von der Bundesregierung, daß sie in den anstehenden Gesprächen mit den Vertretern der Regierung der DDR und insbesondere denen der Sowjetunion erneut deutlich macht, daß sich die Bundesregierung für das Schicksal der Menschen im anderen Teil Deutschlands und für die Anerkennung aller demokratischen Grundrechte in allen Teilen Deutschlands voll verantwortlich fühlt. ({7}) Wir müssen von der Bundesregierung ferner erwarten, daß sie weiterhin alle geeigneten Schritte unternimmt, um sicherzustellen, daß in unserer Stadt Berlin - und ich meine ganz Berlin, wie es mein Kollege Straßmeir hier schon einmal ausgedrückt hat - auch weiterhin die allgemeinen Menschenrechte und politischen Freiheitsrechte der Bürger verwirklicht werden können. Die Freiheit für die Menschen in beiden Teilen Deutschlands zu erwirken bzw. zu erhalten, bleibt unser höchstes politisches Ziel. Dazu gehört das Selbstbestimmungsrecht für alle Deutschen, und zu freien Menschen gehören freie demokratische Wahlen. Meine Damen und Herren, wir erwarten eine sachgerechte Beratung unseres Antrags vom 19. Mai 1981 in den zuständigen Ausschüssen, und wir hoffen anschließend auf eine breite Zustimmung dieses Hauses. - Ich danke Ihnen. ({8})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Kollege Schulze, ich hatte Sie gefragt, ob Sie zur Begründung sprechen wollten. Da haben Sie mit Ja geantwortet. Aus Ihren Ausführungen schließe ich, daß Sie auch zur Aussprache gesprochen haben. Verstehe ich das richtig? ({0}) - Sie haben beides miteinander verbunden. Ich möchte das nur der Ordnung halber festhalten. Als nächstem erteile ich Herrn Abgeordneten Büchler das Wort.

Hans Büchler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000294, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schulze hat den Antrag der Opposition hier in fairer Weise begründet. Ich möchte daher dazu nur eine Bemerkung machen, nämlich die, daß ich davon überzeugt bin, daß die Bundesregierung in der Vergangenheit alle geeigneten Schritte in dem Sinne, wie er es angesprochen hat, unternommen hat und das auch weiterhin tun wird. ({0}) Uns liegt mit der Drucksache 9/452 - Antrag der Opposition zu den Wahlen in der DDR - ein Antrag auf dem Tisch, der praktisch überholt ist. In der Öffentlichkeit kann durch diesen Antrag natürlich etwas Kopfschütteln entstehen; das müssen wir schon sehen. ({1}) - Weil er eben verspätet ist; ich komme darauf noch zu sprechen. - Der Deutsche Bundestag soll nach Ihrem Antrag „die für den 14. Juni dieses Jahres geplanten sogenannten Wahlen in der DDR" heute, am 25. Juni, verurteilen. ({2}) - Vielleicht an Ihren Geschäftsführern. - Vielleicht wäre es klüger gewesen, meine Damen und Herren von der Opposition - das will ich hier einmal anfügen -, einen Antrag zu den geplanten, bevorstehenden Wahlen zur Volkskammer 1985 oder Büchler ({3}) vielleicht auch 1989 usw. zu stellen. Das wäre zeitlich glücklicher gewesen. ({4}) - Ich habe nur noch zehn Minuten, Herr Jäger, die ich auch gerne einhalten möchte. ({5}) - Das ist deswegen auch nicht sinnvoller. Deswegen, Herr Jäger, habe ich vorhin die Geschäftsführer erwähnt. Man kann hier auch noch bösartiger antworten, aber das wollen wir hier nicht tun. ({6}) Wir können dem Antrag der CDU/CSU, wie er jetzt vorliegt, nicht zustimmen, obwohl eventuell Möglichkeiten bestehen, in den Beratungen im Ausschuß zu Übereinkünften zu kommen, ({7}) die dann vielleicht einen gemeinsamen Antrag zulassen. Der Antrag verquickt - das ist eben das, was uns daran stört - eine allgemeine Verurteilung der Wahlen, die kürzlich in der DDR abgehalten worden sind, mit einem an und für sich berechtigten Protest gegen die Direktwahl in Ost-Berlin; das sind zwei verschiedene Faktoren. ({8}) Wir meinen, daß die Verquickung ungut ist, weil die Schwerpunkte nicht richtig gesetzt sind. Diese Verquickung lenkt von dem Schwerpunkt Berlin, von der völkerrechtlichen Bedeutung dieses Schwerpunkts ab, den man doch immer wieder sehen muß und der natürlich in erster Linie - darüber gibt es keinen Zweifel - die Vier Mächte angeht. Das, was weiter in Ihrem Antrag steht, läßt mich fragen, welchen Sinn Ihr Antrag hat. Sie werden doch die Öffentlichkeit nicht aufklären wollen, daß die regelmäßig wiederkehrenden Wahlergebnisse in der DDR von 99,85 %, 99,63 % - wir haben es nachgesehen - oder 99,70 % mit unseren Wahlen vergleichbar sind. Das ist doch kein Standpunkt, den man hier niederschreiben muß. Der Bundestag, glaube ich, müßte das auch nicht feststellen. Ihr Antrag verurteilt mit großer Bestimmtheit das Wahlrecht und die demgemäß durchgeführten Wahlen in der DDR. Zum Maßstab dafür nimmt er den UN-Pakt über bürgerliche und politische Rechte sowie die KSZE-Schlußakte. Ich muß hier ganz klar sagen: Ich selber brauche keinen internationalen Pakt und keine Schlußakte, um zu wissen, was ich von diesen Wahlen da drüben zu halten habe, und so wird es der Bevölkerung auch gehen. Alles, was ich dazu brauche, sind meine eigene demokratische Überzeugung und die demokratische Praxis, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland geübt wird. Ich glaube - nein, ich bin ganz sicher -, das gilt für alle Kollegen aller Fraktionen in diesem Hause. ({9}) - Ich komme darauf gleich noch zu sprechen. - Leider haben Sie auch diesmal keine überragenden Überlegungen angestellt. Ich will das begründen. Zunächst verurteilen Sie das DDR-Wahlrecht, das nach Ihrer Ansicht klar gegen den Internationalen Pakt der Vereinten Nationen über bürgerliche und politische Rechte verstößt. Dann wollen Sie eine entsprechende Dokumentation den Vereinten Nationen und ihren Gremien vorlegen. Ich möchte die Opposition einmal auffordern, festzustellen, wie viele der 154 Mitglieder der Vereinten Nationen ein Wahlrecht und eine entsprechende Praxis haben, die unserem Verständnis von demokratischen Wahlen entsprechen. Das ist doch der Juckepunkt.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Kollege Büchler, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Mertes?

Hans Büchler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000294, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein, ich komme sonst nicht mit den 10 Minuten Redezeit aus - außer ich bekomme eine Verlängerung. Das ist höchstens ein Drittel aller Staaten. ({0}) - Das gilt für alle Staaten. - Zwei Drittel aller Staaten haben dagegen ein Wahlrecht à la DDR. Darüber müssen wir uns doch klar sein. ({1}) Versuchen Sie da einmal, eine Verurteilung der Wahlrechtspraxis in der DDR mit Hilfe der Vereinten Nationen zu erreichen! Man muß doch auch in der Politik realistisch bleiben. Außerdem stellt sich die Frage, was Sie überhaupt erreichen wollen oder können. Der Internationale Pakt der Vereinten Nationen über bürgerliche und politische Rechte enthält, wie Sie wissen, keine Sanktionsmechanismen. ({2}) - Das machen wir auch deutlich. Der Außenminister macht dies in seinen Reden auch immer wieder deutlich, die international auch beachtet werden. ({3}) Der Pakt eröffnet also keine Möglichkeit, bestehende Rechte einzuklagen oder Verletzungen zu ahnden. Das sollten wir doch sehen. Was mich an Ihrem Antrag natürlich noch stört, ist, daß Ihr Antrag keine Grenzen hat. Er bringt wie2612 Büchler ({4}) der einmal alles auf einmal, verknüpft verschiedene Sachen miteinander und wird dadurch stumpf und platt. Die Opposition sollte eben bedenken: Wer zuviel und über alles protestiert, verliert die Glaubwürdigkeit und die Durchsetzungsfähigkeit. ({5}) Eine Opposition, die keine Grenze hat, wird platt, meinte schon Goethe bei seinen Gesprächen mit Ekkermann. ({6}) Und überhaupt: Sie verwechseln wieder einmal - das zeigt Ihr Antrag -, wie so oft bei Deutschlandfragen, Juristerei mit Politik. Dies ist es, was man dazu sagen muß. ({7}) Vergleichen Sie doch einmal die beiden Anträge, Ihren Antrag und den unseren. ({8}) - Das tut weh, ich weiß es. Man merkt es. - Von Ihren fünf Punkten trifft nur ein einziger, nämlich der dritte, den wir gern akzeptieren, den Kern der Diskussion, wobei die anderen Punkte alles überdekken. Das, worauf es wirklich ankommt, wird durch die anderen Punkte verwässert. Worauf es ankommt, ist eben diese direkte Wahl in Ost-Berlin. ({9}) Sie steht im Widerspruch zu den Verträgen, die hier angezogen werden müssen. Wir unterstützen die eindeutigen Rechtsverwahrungen der drei westlichen Schutzmächte. Dies sollten wir, so meine ich, gemeinsam tun, auch hier im Deutschen Bundestag. ({10}) - Ich habe ihn genau gelesen. Ich habe mich gewundert; ich habe gedacht, der Herr Mertes habe damit überhaupt nichts zu tun. Ich habe gedacht, das habe der Herr Jäger gemacht; daß auch Sie diesen Antrag unterschrieben haben, könne nur auf einen Irrtum zurückzuführen sein, auf nichts anderes. ({11}) Der Vergleich beider Anträge zeigt noch etwas: Die konservative Opposition in der Bundesrepublik Deutschland der 80er Jahre hat entschieden zuwenig parlamentarisches Selbstbewußtsein und entschieden zuwenig Vertrauen in die Kraft der Demokratie, in die Kraft unseres eigenen demokratischen Systems und unseres Staates. Deswegen werden die Zeigefinger immer auf die anderen Staaten gerichtet. Wir werden mehr erreichen, wenn wir mehr Zutrauen zu uns selbst und zu unserer Position haben. Unsere freiheitlich-demokratische Verfassung, unsere Form der Demokratie ist es ja auch, die ungleich stärkere Kräfte beinhaltet. Sie ist das für die Menschen bessere System. ({12}) Auf Dauer werden wir daher, wenn wir vernünftig, d. h. mit Augenmaß, beharrlich und konsequent, unsere Entspannungspolitik betreiben, ({13}) für die Menschen im gesamten Deutschland die größeren Erfolge verbuchen können. ({14}) Das wollen wir. Deshalb stellen wir Anträge mit konkreten Aussagen. Darauf kommt es an. Es ist nicht das erste Mal, daß Sie uns so etwas vorlegen. Wir erinnern uns an die wiederholten Einlassungen unseres, so meine ich, allseits geschätzten Kollegen Kurt Mattick, der Vorsitzender des Innerdeutschen Ausschusses war. Er hat wiederholt davor gewarnt zu glauben, daß die politischen Verhältnisse in der DDR mit Resolutionen geändert werden könnten. ({15}) Im Gegenteil, die ständige Wiederholung trägt die Gefahr in sich, daß die Waffe stumpf wird. ({16})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Kollege Büchler, Sie haben zweimal erklärt, Sie wollten die Redezeit einhalten. Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß sie abgelaufen ist.

Hans Büchler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000294, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich bin sehr oft unterbrochen worden; ich komme zum Schluß, Herr Präsident. Nicht müßig ist es aber, deutlich und glaubhaft dagegen zu protestieren, wenn der Status von Berlin einseitig verändert wird. Die auf der Grundlage des Wahlgesetzes der DDR vom 28. Juni 1979 vollzogene Direktwahl der Ost-Berliner Abgeordneten am 14. Juni 1981 ist ein solcher Anlaß zum Protest. Ich glaube, dies muß gegenüber der Öffentlichkeit und auch gegenüber anderen Staaten in sich allein deutlich werden. Deshalb bitte ich im Namen meiner Fraktion um Überweisung des Antrages auf Drucksache 9/610, unseres Antrages, an die beiden Ausschüsse, damit wir eine Beratungsgrundlage haben, die uns weiterhelfen kann. - Herzlichen Dank. ({0})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Als nächster Redner hat der Herr Abgeordnete Dr. Wendig das Wort.

Dr. Friedrich Wendig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002477, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Am Ende der heutigen Kurzdebatte zum Thema der Wahlen zur Volkskammer in der DDR wird die Überweisung beider Anträge an die zuständigen Ausschüsse stehen, was ich für meine Fraktion hiermit gleichzeitig beantragen möchte. Hierbei grenzt der Antrag der Fraktionen von FDP und SPD das Thema auf den konkreten Anlaß ein, der sich durch die direkte Wahl der OstBerliner Abgeordneten zur Volkskammer ergeben hat. Es ist - ich glaube, da sind wir alle einig - für den Deutschen Bundestag notwendig, aus diesem Anlaß auf den Widerspruch zu den geltenden Verträgen und Abkommen in aller Deutlichkeit hinzuweisen. ({0}) Dieser Anlaß, meine Damen und Herren und auch meine Kollegen von der Opposition, war natürlich ebenso wie die Proteste und Erklärungen der Bundesregierung und der drei Westmächte seit langem bekannt. Die Frage, die hier schon einmal gestellt war - ich will ihr nicht näher nachgehen -, ist gewiß nicht so ganz abwegig, warum bei einem solchen Sachverhalt der Antrag so spät eingebracht war, ({1}) daß eine rechtzeitige Behandlung im Deutschen Bundestag und in den Ausschüssen vor dem 14. Juni 1981, also vor dem Wahltag, wie wir gesehen haben, kaum möglich war. ({2}) - Warum wir ihn eingebracht haben, ergibt sich aus dem Sachzusammenhang. Die vorbehaltlose Anwendung des DDR-Wahlrechts auf die Einwohner von Ost-Berlin ist aber offensichtlich auch für Sie nur einer von mehreren Punkten. Es geht ihnen um mehr oder, wenn ich so formulieren darf, um Größeres. Die politischen Verhältnisse in der DDR, auch der Charakter der dortigen Wahlen, sind uns allen wohl bekannt. Niemand in diesem Hause billigt diese Verhältnisse. Auch die überwiegende Zahl der Bürger unseres Landes tut das nicht. Es steht auch für jeden in diesem Hause außer Zweifel, daß die Achtung der Menschenrechte für alle Deutschen eine Aufgabe von hohem Rang ist, ({3}) bei deren Verwirklichung uns allen in der Bundesrepublik Deutschland allerdings äußerst enge Grenzen gesetzt sind. Das muß man auch sehen; dies brauche ich sicherlich nicht näher zu beschreiben. Es ist eine ganz andere Frage, wie sich ein Deutscher Bundestag und wie sich eine deutsche Bundesregierung bei einer solchen Sachlage sachgerecht und vernünftig verhalten sollten. Da bringt es - da stimme ich Herrn Kollegen Büchler voll zu - nach unserer Überzeugung nichts, es schadet eher, wenn ich das Forum der Vereinten Nationen und ihrer Mitglieder dazu benutze, mit einer Dokumentation über den Charakter der Wahlen in der DDR aufzuklären. Ich habe mir einmal die Mühe gemacht, die Mitgliedstaaten der UNO danach zu beurteilen, ob und in welchem Maße dort Verhältnisse bestehen, die ebenfalls freie Wahlen nach unseren westlichen Maßstäben nicht kennen. Mindestens 96 von 154 Staaten wären es, bei denen eine Dokumentation im Sinne des Antrags der CDU/CSU sicherlich kein positives Echo erwarten ließe. ({4}) - Ich möchte meine zehn Minuten ausschöpfen, Herr Kollege Jäger. Zu diesen Staaten gehören zahlreiche Länder - ich nenne hier bewußt keine Namen -, zu denen wir gute oder wenigstens nachbarliche normale diplomatische, wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen haben. Was könnte also eine solche Demarche an Positivem bewirken? Umgekehrt gefragt: Richten wir nicht eher Schaden an zum Nachteil von Anliegen, die mit unseren Möglichkeiten durchsetzbar sind, wenn sich das Forum der Vereinten Nationen durch querelles allemandes eher auf die Dauer belästigt fühlt? ({5}) - Ich habe es so vorgetragen, Herr Kollege Mertes. Anders verhält es sich mit der Einbeziehung von Ost-Berlin in die Direktwahl zur Volkskammer der DDR. Dieser Gegenstand ist konkreter und eröffnet der Bundesrepublik Deutschland daher auch konkretere Möglichkeiten der Reaktion, wenngleich - auch das müssen wir sehen und wissen - der Protest für sich auch hier nur wenig zu bewegen vermag. Mit Sorge verfolgen auch wir schon seit längerer Zeit, daß die Regierung der DDR den besonderen Status von Ost-Berlin offenbar systematisch abbaut und diesen Teil der Stadt voll in ihren Staat zu integrieren sich bemüht. ({6}) - Herr Kollege Jäger, ich habe gesagt, ich möchte die zehn Minuten ausschöpfen. Ich will nicht auf diesem Wege in die Diskussion eintreten. Ich habe gesagt: Unser Antrag ergibt sich aus dem Sachzusammenhang, weil Ihr Antrag zu weit geht und ihm ein anderer entgegengesetzt werden mußte, der die Entschließung des Bundestags auf den notwendigen Punkt beschränkte. Deswegen haben wir das getan. ({7}) Ich sage noch einmal: Auch wir verfolgen seit langer Zeit mit Sorge die Integrationsbemühungen der Regierung der DDR! Ich will heute nicht darauf eingehen, wann und in welchen Schritten diese Entwicklung sich uns dargestellt hat; wir kennen diese Phasen j a alle. Auf diesen Sachverhalt - das halte ich für gut und notwendig - beschränkt sich der Antrag der Koalitionsfraktionen. Vom Londoner Protokoll vom 12. September 1944 über die Deklaration der Alliierten vom 5. Juni 1945 bis hin zum Viermächteabkommen von 1971 ist der Status von Berlin klar geregelt, mit der Konsequenz, daß er auch einseitig nicht verändert werden darf. Die Bundesregierung hat ebenso wie die drei Westmächte die beabsichtigte Veränderung des BerlinStatus durch die DDR durch unmittelbare Wahlen zur Volkskammer schon lange zum Gegenstand von Protesten und Erklärungen gemacht. Ich darf das hier ganz kurz chronologisch aufführen. Schon am 29. Juni 1979, also am Tag nach der Ankündigung des Beschlusses der Volkskammer: Erklärung der Außenminister der Westmächte und der Bundesrepublik in Tokio; zweitens am 9. Juli 1979: Protest der Drei Mächte bei der Regierung der Sowjetunion; drittens am 10. Juli 1979 und im Oktober 1979: Unterrichtung der NATO-Staaten über die Einschätzung der Lage; viertens am 8. Mai 1981 nach der Bekanntgebe der Regelungen für die Durchführung der Wahlen: Protest der Westmächte in Berlin; fünftens am 14. Juni 1981, also am Tag der Wahlen selber: Protest der drei Westmächte gegen die am selben Tag durchgeführten Volkskammerwahlen; sechstens erneute Unterrichtung der NATO-Staaten durch die Bundesregierung. Zu Recht hat im übrigen auch der Regierende Bürgermeister von Berlin, Herr 'von Weizsäcker, aus, wie ich meine, wohlerwogenen Gründen sich in seiner Kritik auf die Verletzung des Berlin-Status durch die Maßnahmen der DDR beschränkt. Ich danke namens der FDP-Fraktion der Bundesregierung für ihre eindeutige Haltung. Ich begrüße es in diesem Zusammenhang ganz besonders, daß sich die Bundesregierung mit ihren Schritten und Überlegungen in der nüchternen Beurteilung der Lage an die Partner wendet, mit denen wir im Bündnis stehen und die als Schutzmächte für Berlin die einzigen sind, die unmittelbar Einfluß nehmen können. Im übrigen kann die Entwicklung in Berlin und können die Schritte, die wir als gangbar erkennen, nur im Gesamtzusammenhang mit unserer Deutschlandpolitik und ihren Möglichkeiten im Spannungsverhältnis von West und Ost bewertet werden. Wenn wir in den zuständigen Ausschüssen nach der Sommerpause beide Anträge beraten, sollten wir daher vor allem auch die Zukunft zu Wort kommen lassen. Dazu gehört nach unserer Überzeugung in erster Linie die Überlegung, wie denkbaren anderen oder weiteren Gefährdungen des Viermächtestatus von Berlin rechtzeitig entgegengewirkt werden kann. Und auch dies - machen wir uns nichts vor - wird möglicherweise nicht einfach sein. Ich achte indessen, meine Damen und Herren, den hohen Rang der Menschenrechte nicht gering, wenn ich es mit Vorrang darauf ankommen lasse, welche Möglichkeiten der Verwirklichung ich habe, und wenn ich erkenne, daß viele kleine praktische Schritte im Ergebnis mehr bedeuten als große Mengen bedruckten Papiers. ({8})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Interfraktionell und gemäß einer Vereinbarung im Ältestenrat wird vorgeschlagen, die Anträge auf den Drucksachen 9/452 und 9/610 zur federführenden Beratung an den Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen und zur Mitberatung an den Auswärtigen Ausschuß zu überweisen. Ist das Haus mit der vorgeschlagenen Überweisung einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist entsprechend beschlossen. Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Maaß, Lenzer, Pfeifer, Dr. Probst, Gerstein, Dr. Bugl, Engelsberger, Eymer ({0}), Dr. Hubrig, Neuhaus, Prangenberg, Weirich, Dr. Riesenhuber, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Hellwig, Schröder ({1}), Frau Berger ({2}) und der Fraktion der CDU/CSU Förderung von Forschung und Entwicklung auf den Gebieten Datenverarbeitung, Informationstechniken - Drucksache 9/543 Im Ältestenrat ist für die Aussprache eine Debattenrunde vereinbart worden. - Ich sehe, das Haus ist damit einverstanden. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort zur Aussprache hat Herr Abgeordneter Maaß.

Erich Maaß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001402, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit ca. 15 Jahren fördert die Bundesregierung die deutsche Industrie der Datenverarbeitung. Dafür sind in drei Förderungsprogrammen insgesamt knapp 3 Milliarden DM ausgegeben worden. Mit dieser Förderung sollten folgende Ziele erreicht werden, die im Dritten Programm zur Förderung der Datenverarbeitung formuliert worden sind. Das erste Ziel: In allen Produktbereichen der Datenverarbeitung mit Ausnahme der Größtrechner soll ein ausreichender Wettbewerb sichergestellt werden. Das zweite Ziel: Zu Beginn der 80er Jahre - also heute - besteht eine aus eigener Kraft lebensfähige Datenverarbeitungsindustrie, die keiner staatlichen Subventionen bedarf. Das dritte Ziel: Die deutsche Datenverarbeitungsindustrie kommt als einflußreicher Partner für eine weltmarkterschließende internationale Zusammenarbeit in Frage. Das vierte Ziel: Die in der Wirtschaft und im öffentlichen Bereich benötigten Datenverarbeitungssysteme können entwickelt, produziert und angeboten werden. Meine Damen und Herren, um diese vier Ziele mit den drei genannten Förderungsprogrammen zu erreichen, wurden weitere Programme hinzugefügt. Hinzuzurechnen sind z. B. das Programm „Information und Dokumentation", bereitgestellte Beträge zum Aufbau regionaler Großrechenzentren, Beschaffungsregeln besonderer Art zur Unterstützung der DV-Industrie und schließlich das Programm „Elektronik, andere Schlüsseltechnologien und Innovation". Damit überspringt der Förderungsbetrag mit Sicherheit leicht die 3-Milliarden-DM-Grenze. Angesichts dieses erheblichen Förderungsbetrages ist die Frage notwendig: Sind die gesteckten Ziele erreicht worden? Ich meine, nein. Lassen Sie mich das wie folgt begründen. Erste Zielsetzung, ausreichender Wettbewerb in allen Produktbereichen: Hier hat die staatliche Förderung klar ihr Klassenziel verfehlt. Im Bereich der Kleinstrechner, die ich unter dem Begriff „personal computer" zusammenfassen möchte, gibt es auf dem deutschen Markt nur den starken Wettbewerb der amerikanischen Firmen untereinander, dem sich wohl bald potente japanische Hersteller anschließen werden. Von deutschen Wettbewerbern in diesem wachsenden Markt ist kaum zu sprechen. ({0}) - Ich komme noch weiter darauf. Nun einige kurze Bemerkungen - -({1}) - Ich komme gleich auf die Bürokratie. Herr Kollege, hören Sie erst einmal zu. Nun einige kurze Bemerkungen zum Bereich der mittleren Datenverarbeitungsanlagen, der bisher der absolute Kernpunkt der staatlichen Förderung war, bei denen man also annehmen sollte, der angestrebte ausreichende Wettbewerb sei durch die nicht unerheblichen Subventionen des Bundes sichergestellt worden. Das Gegenteil ist der Fall, auch wenn der Bundesminister für Forschung und Technologie mit unberechtigtem Stolz verkünden läßt, daß die in diesem Marktbereich der Datenverarbeitung tätige deutsche Firma einen Inlandsmarktanteil von 20 % erreicht habe. Das ist zutreffend und dennoch falsch. Denn dieser durchaus beachtliche Marktanteil ist nicht im freien Wettbewerb, sondern fast ausschließlich durch die staatliche Förderungsbürokratie des Bundes erzielt worden. Das möchte ich wie folgt begründen. Ich glaube, es genügt, wenn ich auf den Fall der Beschaffung einer Datenverarbeitungsanlage für das regionale Rechenzentrum Bremen hinweise, in dem unter anderem auch der völlig unzuständige Bundesminister der Finanzen schriftlich dafür eingetreten ist, nicht den von den Sachverständigen ausgewählten Rechner, sondern den vom Bund geförderten Rechner zu beschaffen. Das nenne ich nicht Wettbewerb, sondern staatlichen Dirigismus. Zweite Zielsetzung: eine aus eigener Kraft lebensfähige DV-Industrie. Eine eigenständige deutsche Datenverarbeitungsindustrie, die diesen Namen wirklich verdient, gibt es nicht. Fast alle deutschen Firmen dieser Industrie sind darauf angewiesen, ihre Produkte im Inland unterzubringen. Die Exporte haben keine Bedeutung. Dies ist kein Vorwurf an die geförderten Firmen. Dies ist ein klarer Vorwurf an die Bundesregierung, ({2}) insbesondere an den Bundesminister für Forschung und Technologie, der jahrelang gemeint hat, diese ehrgeizige Zielsetzung mit Hilfe einiger Milliarden D-Mark realisieren zu können, indem er die Firmenzielsetzungen zu seinen eigenen gemacht hat. Ich hoffe, daß wir bei Ihnen, Herr Minister von Bülow, eine pragmatische und keine ideologisierte Förderungspolitik erleben. ({3}) Es ist aber nicht zu bestreiten - um auch dieses zu erwähnen -, daß in Teilbereichen der Datenverarbeitungsindustrie durchaus Erfolge zu verzeichnen sind. Diese Erfolge aber kann der Bundesminister für Forschung und Technologie nicht für sich in Anspruch nehmen. Denn diese Bereiche hat das Bundesministerium erst sehr spät und dann auch nur widerwillig und mit relativ geringen, kaum nennenswerten Mitteln gefördert. Daß diese Zielsetzung nicht erreicht worden ist, räumt auch die betroffene Industrie ein. Sie hält weitere staatliche Förderung für notwendig, ({4}) nachzulesen im Protokoll des Sachverständigenhearings im Ausschuß für Forschung und Technologie im September 1979. ({5}) - Ja, meine Herren, ich komme noch darauf. Das können Sie sich in Ihr Buch schreiben. Dritte Zielsetzung: Die deutsche DV-Industrie als einflußreicher Partner für eine weltmarkterschließende internationale Zusammenarbeit. Auch diese Zielsetzung ist als verfehlt anzusehen. Denn meines Erachtens gibt es keine deutsche Firma der Datenverarbeitungsindustrie, die es mit Hilfe von Förderungsmitteln geschafft hat, ein einflußreicher Partner für eine weltmarkterschließende Zusammenarbeit zu werden. Ich wäre Ihnen, Herr Bundesminister, sehr dankbar, wenn Sie in dem beantragten Bericht gerade zu diesem Punkt ausführlich Stellung nehmen könnten. Vierte Zielsetzung: Entwicklung, Produktion und Angebot von Datenverarbeitungssystemen, die in der Wirtschaft und im öffentlichen Bereich benötigt werden. Auch dieses Ziel wird verfehlt. Wir haben zwar die Produktion und somit auch das Angebot über die ganze Palette der DV-Systeme - mit Ausnahme der Größtrechner -, die Entwicklung erfolgt allerdings zu einem großen Teil im Ausland. Hier zeigt sich der Pferdefuß. Wir sind eben nicht eigenständig geworden. Darüber hinaus herrscht eine erschreckende Labilität auf diesem Markt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich kann jetzt schon hier feststellen. Keines der Ziele ist erreicht worden. Das ist schlimm genug. Aber ich kann meine Kritik hier noch nicht abschließen. Denn mit den Förderungsmilliarden sind zusätzlich schwerwiegende Schäden verursacht worden. Der erste Schaden ist eine bei den Geförderten stark ausgeprägte Mitnehmermentalität, die bekanntermaßen Leistung nicht erhöht, sondern mindert. - Herr Kollege, Sie reagieren jetzt gar nicht darauf; das hätte mich gefreut. - Ich stimme hier voll mit der Auffassung des niedersächsischen Wirtschaftsministers, Frau Breuel, überein. Staatliche Leistungen und Subventionen bringen meist keine neuen Leistungen hervor, sie sind vielmehr leistungsmindernd, weil der Subventionsempfänger verführt wird, in den aus Subventionen gewebten Hängematten einzuschlafen. Der zweite Schaden: So viel Geld muß verwaltet und kontrolliert werden. Folgerichtig haben wir eine hochspezialisierte Subventionsbürokratie im Bundesministerium für Forschung und Technologie und der Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung aufgebaut, die sich sehen lassen kann, die aber auch entsprechend teuer ist. Was machen Sie eigentlich mit den Beamten im Ministerium und den Quasi-Beamten der GMD, wenn die Förderung, sehr verehrter Herr Minister, der Datenverarbeitung z. B. aus dem auch durch Subventionen verursachten Geldmangel des Bundes beendet werden muß? Der dritte Schaden: So viel Geld auszugeben, zwingt zum Erfolg. Die klaren Beschaffungsregeln der VOL wurden in vielen Fällen von der Subventionsbürokratie derart extensiv ausgelegt und verbogen, daß gegen die VOL eklatant verstoßen worden ist. Gestatten Sie, Herr Präsident, ein Zitat aus einem Brief des Bundesministers der Finanzen vom Oktober 1979 an den Bürgermeister der Stadt Bremen: ich zitiere: Wie Sie wissen, hat die Bundesregierung mit großem Aufwand dazu beigetragen, daß in Deutschland eine leistungsfähige Datenverarbeitungsindustrie entstehen konnte. - Das stimmt nicht! Wir haben erreicht, daß die deutschen Rechnerhersteller in der Lage sind, in weiten Bereichen Rechner anzubieten, die der Konkurrenz in jeder Hinsicht gewachsen sind. - Stimmt nicht! Es wäre sehr bedauerlich, wenn dieser Erfolg nun nicht auch durch die Beschaffungspolitik deutscher öffentlicher Stellen honoriert würde. Gegen den Rat aller Sachverständigen folgte die Stadt Bremen dem Wunsche des völlig unzuständigen Bundesministers der Finanzen, weil sie nicht auf erhebliche Bundeszuschüsse verzichten wollte. Diese Praktiken geraten schon gefährlich in die Nähe einer Investitionslenkung. Das Ergebnis sehen wir heute: Es liegt bereits eine Klage von über zehn Millionen gegen die Bundesrepublik Deutschland vor. Gerade in diesen letzten Punkten befinden wir uns in völliger Übereinstimmung mit der Fraktion der FDP. Ich bedaure, daß der Kollege Laermann nicht unter uns ist. ({6}) Wenn ich den Kollegen Laermann richtig verstanden habe, plädiert er in der „Welt" vom 10. November 1980 für einen Kurswechsel in der Forschungspolitik. Das trifft zu. Genau das sind die Vorstellungen der CDU/CSU-Fraktion. Deshalb heute auch dieser Antrag. ({7}) - Dann fallen sie um; das haben wir ja bei den Kollegen der FDP erlebt. Zum Abschluß sei mir noch eine kurze Bemerkung vergönnt. Ich darf wohl mit der noch vorhandenen Unbefangenheit eines Neulings in diesem Hohen Hause eines bemerken. Ich habe den Beschluß des Ältestenrates nicht ganz verstehen können, daß wir diesen Antrag erst einmal an die Ausschüsse überweisen. Bis auf stilistisches Schmuckwerk können an diesem Antrag, weil die Fakten dafür sprechen, kaum etwas verändern. Wir erreichen nur eines: eine erneute Zeitverzögerung von mindestens einem dreiviertel Jahr, und das auf einem Markt, wo Zeit Geld kostet. Das ist höchst bedauerlich. ({8})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Als nächstem Redner erteile ich dem Herrn Abgeordneten Börnsen das Wort.

Arne Börnsen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000226, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die modernen Informationstechniken werden ein wesentlicher Träger von Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft der 80er und wahrscheinlich auch der 90er Jahre sein. ({0}) Es dürfte wohl kaum eine Technik geben, die mit höherer Berechtigung den Begriff „Schlüsseltechnologie" für sich in Anspruch nehmen könnte. Die Bundesregierung hat diese Bedeutung sehr früh erkannt. Sie hat bereits in den 70er Jahren auf der Grundlage dreier Datenverarbeitungsprogramme, des Bauelementeprogramms und des Programms „Technische Kommunikation" erfolgreich zur Modernisierung der Volkswirtschaft beigetragen. Auf der Grundlage dieser weitsichtigen Programme sind zugleich wissenschaftliche und industrielle Forschungs- und Entwicklungskapazitäten geschaffen und ausgebaut worden, die helfen werden, die schwierigen 80er Jahre besser zu bestehen. ({1}) - Warten Sie ab! Ich werde auch noch zeigen, daß hier Kritisches gesagt wird, Kritisches allerdings auch zu Ihrem Antrag. Ich hätte eigentlich erwartet, daß bei der Begründung tatsächlich etwas zu dem Antrag gesagt wird. Darauf mußte ich lange warten. Der Antrag wurde inhaltlich nicht begründet. Das hätten Sie eigentlich leisten müssen. In dem Antrag der Opposition fordern Sie zum 1. September dieses Jahres einen Bericht der Bundesregierung über die weitere Förderung der Datenverarbeitung. Wie bereits kurz angedeutet, stimmen wir auf der Grundlage des Beschlusses des Aus schusses für Forschung und Technologie vom Januar 1980 darin überein, Schwerpunkte für eine weitere Förderung zu entwickeln. Ihrer Forderung allerdings, bereits heute über Ihren Antrag zu beschließen, können wir nicht zustimmen. Wir halten einen bereits heute zu fassenden Beschluß für nicht sachdienlich, da es unrealistisch ist, einen Bericht der Bundesregierung mit einem Konzept über die weitere Förderung im Bereich der Datenverarbeitung anzufordern, solange die Grundzüge des Haushalts 1982 noch nicht bekannt sind. ({2}) Ein zum 1. September dieses Jahres vorzulegender Bericht muß für uns unverbindlich bleiben, da wir selbst erst im Anschluß daran in die Beratung über den Einzeletat des Forschungshaushalts eintreten werden. Aber dies ist nicht der einzige Grund, warum wir einer Beschlußfassung zum heutigen Tage nicht zustimmen können. Meine Damen und Herren von der Opposition, wir halten eine ausführliche und inhaltliche Beratung Ihres Antrags für dringend erforderlich, ja, wir freuen uns sogar darauf, im Ausschuß mit Ihnen diesen Antrag zu diskutieren, weil er eine Vielzahl von Elementen enthält, die zumindest eine Umkehr von Ihren bisherigen politischen Forschungsleitlinien möglich erscheinen lassen und somit zweifellos eine lebhafte Auseinandersetzung im Forschungsausschuß verspricht. Diese Gelegenheit wollen wir selbstverständlich nicht vorübergehen lassen. Lassen Sie mich zuerst für meine Fraktion darlegen, warum wir die Förderung von Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der Informationstechnik für so wichtig erachten. Da ist zuerst der Bereich der Mikroelektronik zu nennen, wo zwei Entwicklungslinien besonders hervorzuheben sind. Einmal ist es die Möglichkeit, mikroelektronische Bauelemente immer kleiner zu machen oder, anders ausgedrückt, Transistoren immer dichter auf die Chips zu packen. Für diese Größtintegration müssen neue, voraussichtlich immer kapitalintensivere Wege beschritten werden, die ein beträchtliches Maß an Erfolgsrisiko in sich bergen. Von der Fähigkeit, diese Technik vom Entwurf und von der Produktion her zu beherrschen, hängen Stärke und Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft entscheidend ab. Denn zunehmend mehr Konsum- und Investitionsgüter werden mit Mikroelektronik ausgerüstet. Wenn wir Rang und Lebensstandard unseres Landes im internationalen Wettbewerb nicht gefährden wollen, brauchen Wissenschaft und Industrie kräftige Förderimpulse, aber auch hohes eigenes Engagement, um gegenüber den Ländern mitzuhalten, die auf diesem Gebiet teilweise bereits weiter fortgeschritten sind. Hier von Importen abhängig zu werden, hieße auch an der zweiten Entwicklungslinie möglicherweise schwerwiegende Nachteile in Kauf nehmen, nämlich bei der innovativen Anwendung dieser Chips in neuen Produkten sowie zur Steigerung der Produktqualität. Meine Damen und Herren, diese Tatsachen sind sicherlich nicht neu und werden von uns wahrscheinlich übereinstimmend so beurteilt. Was aber oft vergessen wird, ist die zentrale Bedeutung der Software-Problematik. Überall in der Welt hat sich hier ein Engpaß an Technologien und personellen Kapazitäten herausgestellt, der aufgebrochen werden muß, um den breiten Einsatz der neuen Informationstechniken voranzutreiben. Es ist ein unhaltbarer Zustand, daß 70 bis 80 % der im Bereich der Software, also zu gut deutsch, in der Anwendung der Computertechnologien eingesetzten Personalkapazitäten sich ausschließlich mit der Pflege und Wartung der Software beschäftigen, aber nicht mit deren Weiterentwicklung. Unsere Industrie ist jedoch auf den Aufbau eines breiten Dienstleistungsspektrums für die Nutzbarmachung dieser Technologien angewiesen, sowohl um den Anschluß an die Entwicklung in anderen Ländern zu halten, als auch um die Möglichkeiten der Datenverarbeitung für die kleineren und mittleren Unternehmen optimal zu erschließen. Ich möchte daher unterstreichen, daß wir zu jener Resolution des Ausschusses für Forschung und Technologie vom Januar 1980 uneingeschränkt stehen, die der Förderung der Softwaretechnologie einen besonderen Rang zuweist. Dieses Ziel zu erreichen ist aber nicht nur ein wirtschaftliches, sondern auch ein soziales Gebot. Ich denke dabei an die Gewährleistung von Datensicherheit und den Schutz personenbezogener Daten. Was nützen uns denn die besten Datenschutzgesetze, wenn niemand mehr kontrollieren kann, was innerhalb der hochkomplexen Softwaresysteme eigentlich passiert? Es ist also uneingeschränkt zu begrüßen, daß das Bundesministerium für Forschung und Technologie Softwaretechnologie, Datensicherheitstechniken und datenschutzorientierte Forschung schwerpunktmäßig fördert. Meine Damen und Herren, die angedeutete Konzentration der BMFT-Fördermittel auf Schwerpunktbereiche entspricht nicht nur den beschränkten Möglichkeiten des Bundeshaushaltes, sondern auch einer vernünftigen Lastenverteilung zwischen staatlicher Verantwortung auf der einen Seite und dem notwendigen Eigenengagement der Industrie und der Anwender im produktnahen Bereich auf der anderen Seite. Dabei ist es eine der vornehmsten Aufgaben des Staates, nicht nur die gewaltigen Chancen dieser Technik zu sehen und zu mobilisieren, sondern auch mögliche Gefahren und Probleme, die diese Technik und insbesondere ihre Anwendung mit sich bringt, zu untersuchen. Ich erwähnte bereits den Datenschutz. Wir brauchen aber auch Klarheit über die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt in quantitativer und in qualitativ-struktureller Hinsicht. ({3}) Wir begrüßen daher, daß die Bundesregierung die Analyse solcher Auswirkungen als integrativen Teil ihrer Forschungsproblematik begreift. Auch Haushaltsknappheit und wirtschaftlich schwierige Zeiten dürfen kein Grund sein, die Notwendigkeit sozialer Beherrschung technischer Entwicklungen aus dem Auge zu verlieren. ({4}) Wer quasi blind nur dem technisch Machbaren und wirtschaftlich Verwertbaren Raum geben wollte, wird in einer Zukunft aufwachen, die er so weder gewollt hat noch als Mensch und Gesellschaft wird beherrschen können. ({5}) Wenn jedoch davon gesprochen wird, daß trotz erheblicher Leistungen aus dem Bundeshaushalt - die haben Sie ja bestätigt - die Datenverarbeitungsindustrie die technologische Lücke nicht überwunden habe, und wenn davon gesprochen wird, daß im gesamten Bereich der Datenverarbeitungsindustrie Umsätze von 100 Milliarden DM und Exporterlöse von über 50 Milliarden DM allein im Maschinenbau gefährdet seien, und wenn immer wieder auf die unbestreitbaren Erfolge der Japaner hingewiesen wird, wenn klagend darauf verwiesen wird, daß die Bundesrepublik ihre ehemals führende Position bei der Entwicklung und Herstellung mechanischer Rechenmaschinen oder mechanischer Registrierkassen deshalb verloren habe, weil der Anschluß an die Entwicklung elektronischer Geräte verpaßt wurde, und wenn auf den Verlust einer großen Zahl von Arbeitsplätzen hingewiesen wird, dann, meine Damen und Herren, muß auch einmal kritisch gefragt werden, woran das denn wohl liegen könnte. ({6}) Ist es eigentlich allein Aufgabe des Staates, rechtzeitig die Weichen für eine solche Entwicklung zu stellen? Ist es allein Aufgabe des Bundeshaushaltes, mit erheblichem finanziellem Engagement die Risikoschwelle für die Industrie zu verringern? Wenn Forschungsdefizite und Anwendungsdefizite so eindeutig beschrieben werden können, wenn eine technologische Lücke gegenüber den Vereinigten Staaten und gegenüber Japan von niemandem bezweifelt wird, dann muß doch auch einmal gefragt werden, ob denn die Industrie ihrer Verantwortung gerecht geworden ist. ({7}) Sicherlich wird niemand der Industrie vorwerfen wollen, die Entwicklung verschlafen zu haben. Eine so allgemeine Aussage wäre ungerechtfertigt. Aber auf Grund der feststellbaren Entwicklung muß bezweifelt werden, daß seitens der Industrie die vielgerühmten unternehmerischen Entscheidungen immer rechtzeitig getroffen worden sind und die vielgerühmte Risikofreudigkeit der Industrie immer rechtzeitig zum Tragen gekommen ist. Der Bundestag ist offensichtlich bereit, auch für die Zukunft erhebliche finanzielle Mittel zur weiteren Förderung der Forschung auf dem Gebiete der Datenverarbeitung zur Verfügung zu stellen. Aber die Industrie - sowohl die Großindustrie als auch die kleinen und mittleren Unternehmen - muß sich darüber im klaren sein, daß die Bereitschaft zum eigenen Engagement, zur eigenen Verantwortung in der Zukunft stärker unter Beweis gestellt werden muß, als es in vielen Bereichen bisher der Fall war. ({8}) Dies, meine Damen und Herren von der Opposition, müßte doch gerade von Ihnen gefordert und unterstützt werden, denn sonst hieße es, die Gesetze der Marktwirtschaft als gescheitert anzusehen. In diesem Zusammenhang muß ich gestehen, daß mich ein Punkt aus der schriftlichen Begründung des Oppositionsantrages schon sehr erstaunt hat. Ich meine jene Passage, in der die CDU/CSU mit dem Hinweis auf Japan und die USA übergeordnete staatliche Zielsetzungen in der Bundesrepublik vermißt und für die Zukunft fordert. ({9}) - Nun ja, das ist ja wohl in gewisser Weise als ähnlich anzusehen. ({10}) Ich habe mich beim Lesen gefragt, was hiermit wohl gemeint sei. - Herr Kollege Dr. Probst, ich habe u. a. dabei auch einmal gelesen, was denn in der Vergangenheit von Ihnen gesagt wurde und wo die Kontinuität der Forschungspolitik hier eigentlich zu finden ist. Ich habe mir ein Zitat aus einer Presseerklärung Ihres Kollegen Lenzer vom 13. Januar 1981 herausgesucht. Da sei - ich zitiere mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten eine Reihe von Förderungsprogrammen, insbesondere mit überwiegendem Subventionscharakter, nach Auffassung der CDU/CSU stark zu reduzieren oder möglicherweise völlig zu streichen. ({11}) Hierzu zählen beispielsweise Stahlproduktion, hardware, Entwicklung von Datenverarbeitungssystemen, Informationstechnik und technische Kommunikation. ({12}) Wie soll ich das nun eigentlich mit dem vorliegenden Antrag von Ihnen in Übereinstimmung bringen? ({13}) Sie werden zugeben, meine Damen und Herren, daß dies wirklich eine Beratung im entsprechenden Fachausschuß unabdingbar macht. Ich habe mich also beim Lesen gefragt, was Sie mit Ihrem Antrag nun tatsächlich eigentlich gemeint haben. Gelten eigentlich für Sie die Gesetze der Marktwirtschaft, die vielgerühmten Selbstheilungskräfte der Wirtschaft nur dann, wenn sich die Wirtschaft in einer Schönwetterperiode befindet? Soll die Bundesregierung etwa die sicherlich wichtige Förderung der Raumfahrt - ein Beispiel, das im Oppositionspapier genannt wird - aufblähen, um Seiteneffekte für die Informationstechnik zu erzielen, die auf der anderen Seite als streichwürdig hingestellt wird? Ich kann Sie vor den Kosten einer solchen Strategie nur warnen. Oder soll die Bundesregierung es dem amerikanischen Verteidigungsministerium gleichtun und die erhofften Impulse für die Informationstechnik durch wesentlich verstärkte Rüstungsentwicklung erzeugen? Dadurch würden Sie, fürchte ich, kaum mehr Anhänger für Ihre Rüstungspolitik gewinnen. ({14}) - Weil Ihre sich von unserer erheblich unterscheidet. ({15}) Oder hält die Opposition das japanische Modell - wohl nicht ganz unberechtigterweise als „Nippon Incorporated" bezeichnet - für vorbildlich und nachahmenswert? Wir würden das ganz gerne einmal wissen. Deswegen freuen wir uns, wie gesagt, darauf, mit Ihnen darüber zu diskutieren. Hier scheinen sich völlig neue Weichenstellungen zu ergeben. ({16}) - Von welchem Flügel Ihrer Partei? Ja, das weiß ich auf Grund des Papiers, das hier vorliegt, auch nicht. - Welche ordnungspolitischen Vorstellungen haben denn eigentlich Pate gestanden, als diese Forderungen Eingang in Ihren Antrag gefunden haben? Hat die Opposition eventuell ein neues industriepolitisches Konzept? ({17}) Wir würden es gerne mit Ihnen diskutieren, und wir wollen es auch gründlich mit Ihnen diskutieren. Schon deswegen halten wir die Überweisung Ihres Antrags an die Fachausschüsse für dringend erforderlich. ({18}) Ich sage Ihnen zu, daß wir die gemeinsam interessierenden Probleme und auch die notwendigen Fragen an die Bundesregierung in dem zuständigen Ausschuß für Forschung und Technologie ausführlich mit Ihnen diskutieren wollen, denn in der grundsätzlichen Stoßrichtung Ihres Antrags sind wir ja durchaus einig. ({19}) - Ja, in der grundsätzlichen Stoßrichtung, aber es gibt ja wohl offensichtlich verschiedene Wege dahin. Wir warten darauf, daß Sie Ihren Weg deutlich machen. Wir warten darauf, daß er deutlich wird. ({20}) Aber in der grundsätzlichen Stoßrichtung, nämlich den Dialog zwischen Regierung und Bundestag über diesen wichtigen Technologiebereich intensiv fortzusetzen, sind wir zumindest einig. Ich bitte daher im Namen der SPD-Fraktion das Hohe Haus, den Antrag an den Ausschuß für Forschung und Technologie zur weiteren Beratung zu überweisen, und bedanke mich herzlich für die Aufmerksamkeit. ({21})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Timm.

Jürgen Timm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002329, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist gut, zu wissen, daß Einigkeit darüber besteht, zu diesem wichtigen Thema die Ausschüsse zu berufen, um darüber zu beraten. Ich will an vier Punkten darstellen, warum ich dieses nachdrücklich unterstreiche. Mit einem Schreiben vom 27. April 1979 hat der damalige Minister für Forschung und Technologie dem Ausschuß ein Konzeptpapier vorgelegt, in dem er für ein neues integriertes Programm für die Informationstechnik in der ersten Hälfte der 80er Jahre wirbt. ({0}) - Ich habe es deswegen wieder herausgegriffen. Der Ausschuß hat dann in einem umfangreichen Verfahren der Anhörung vor dem Hintergrund dieses Konzeptpapiers und vor dem Hintergrund des Zwischenberichts zum Dritten Datenverarbeitungsförderungsprogramm Sachverständige zu Wort kommen lassen. Das Ergebnis liegt uns unter anderem in dem Beschluß des Ausschusses für Forschung und Technologie vom 23. Januar 1980 vor. Der Ausschuß hat damals zu einigen Schwerpunkten Stellung genommen, die ein neues Programm haben sollten. In der Zwischenzeit ist die Entwicklung auf dem Sektor des technischen Fortschritts der Produktgenerationen, der Mikrotechnik und was sonst dazu gehört, so stürmisch weitergegangen, wie es bereits die Sachverständigen in der damaligen Anhörung deutlich ausgesagt haben. Damit war das Ziel des Dritten DV-Programms, nämlich zu einer leistungsfähigen und von staatlichen Zuwendungen unabhängigen Datenverarbeitungsindustrie zu kommen, nur bedingt erreicht. Ich meine, es ist auch keinesfalls für die Zukunft gesichert. Die Fortsetzung der staatlichen Förderung in bestimmten Bereichen wurde von allen Seiten für richtig gehalten. Nun kann man wohl nicht darüber streiten, der Bund habe sich bei der bisherigen Förderung auf dem Datenverarbeitungssektor mit seinen Mitteln etwa zurückgehalten. Immerhin sind, wenn man das fachlich in etwa einzugrenzen versucht, im Laufe der Jahre deutlich mehr als 2 Milliarden DM an Förderungsmitteln eingesetzt worden. Die Projektförderungen laufen ja teilweise auch noch aus. Im Jahre 1982 werden es noch rund 10 Millionen DM sein. Darüber hinaus laufen im Rahmen des zur Verfügung gestellten Haushaltes Förderungen für die Grundlagentechnik und den Software-Bereich, der ja allgemein als sehr wichtig angesehen wird. Ich meine, es ist natürlich, daß sich eine Förderungsprogrammplanung nur in einem zum Staatshaushalt passenden Rahmen bewegen kann. Es wird uns deshalb wenig nützen, wenn wir uns, wie in dem vorliegenden Antrag der CDU/CSU-Fraktion angefragt, „weitergehende staatliche Zielsetzungen" geben wollen, die der Datenverarbeitungsindustrie Markterfolge im Wettbewerb mit den Amerikanern und Japanern eröffnen sollen. Es ist ja bereits heute nachweisbar und auch bei der Anhörung deutlich geworden, daß der deutsche Binnenmarkt für die Industrie eigentlich zu klein ist. Eine solche Zielsetzung könnte uns unter Umständen in die Nähe eines Konjunkturprogramms bringen, was unserer Datenverarbeitungsindustrie sicherlich nicht helfen würde. Uns kann nach meiner Auffassung hier nur helfen, die vorhandenen Mittel sinnvoll in die Basistechnologieförderung zu stecken, in die Grundlagenforschung, insbesondere in den Bereich der Software, aber auch in den Bereich der peripheren Geräte. Ich bin sicher, daß es in der Bundesrepublik nicht möglich sein wird, durch staatliche Zielvorgaben auch nur annähernd die sehr differenziert zu betrachtenden Verhältnisse der Vereinigten Staaten oder Japans für die Datenverarbeitungsindustrie nachzuvollziehen oder zu kopieren. Das hat, meine ich, auch der bisherige Einsatz enormer Mittel im Ergebnis deutlich gemacht. Wir müssen davon ausgehen, daß die Amerikaner eben eine andere politische Zielsetzung beispielsweise in der Raumfahrt oder die Japaner eine andere Zielsetzung in der Nationalökonomie haben. Gleichwohl gibt es aber auch in unserem Land Ansatzpunkte, die hier im Hause schon aus anderen Gründen angesprochen worden sind. Ich meine die zum Teil heute und zukünftig möglichen Systeme einer neuen Informations- und Kommunikationstechnik. Welchen Weg wir hierbei auch immer beschreiten, wir können uns meines Erachtens in diesem Zusammenhang nicht um Entscheidungen herummogeln, die das Monopol der Post im Bereich der Gerätetechnik betreffen. Die sich bereits jetzt abzeichnenden Ergebnisse des zweiten Datenverarbeitungsförderungsprogramms, das noch bis 1982 läuft, lassen im Bereich der Kommunikation technische Erwartungen zu, die der Datenverarbeitungsindustrie Impulse geben können und sollen; eine faire Marktchance im eigenen Land dabei vorausgesetzt. Allein die Frage des Monopols rechtfertigt die intensiven Beratungen des anstehenden Themas in den betreffenden Ausschüssen. Ich möchte einen weiteren Punkt hinzufügen, der es in meiner Sicht erforderlich macht, in den Ausschüssen zusätzliche Denkarbeit zu leisten, um mögliche Forderungen an die Bundesregierung besser ausdrücken zu können. Es handelt sich um die gesellschaftspolitischen oder sozialen Auswirkungen, die mit einer extensiven Nutzung neuer Informations- und Datenverarbeitungstechniken einhergehen können. Dieses Thema hat der Bundesminister für Forschung und Technologie in seinem Konzeptpapier bereite im April 1979 dargestellt, in dem er auf die möglichen Veränderungen der Lebensgewonnheiten durch Benutzung technischer Mittel hingewiesen hat. Diese können soziale und gesellschaftliche Kontakte zwischen Menschen sowohl fördern als auch zur Verarmung bringen. Ich messe diesem Gesichtspunkt der Betrachtung neuer Techniken in der Informatik und Kommunikation eine sehr große, eine besondere Bedeutung zu. Ich will Ihnen an Hand der vier Punkte, die ich aufgeführt habe, noch einmal deutlich machen, warum ich es für dringend erforderlich halte und es sehr unterstütze, daß sich die zuständigen Ausschüsse - ich will es gar nicht auf einen Ausschuß beschränken - damit befassen. Es geht um folgende Bereiche: 1. Schaffung eines neuen Programms zur Informationstechnik. Es ist zu fragen, ob und wie wir dieses wollen und ob es zur Zeit sinnvoll gestaltet werden kann; 2. die in dem vorliegenen Antrag angesprochene staatliche Zielsetzung. Das ist die Frage der Mittel und der Wege; 3. die Berücksichtigung der Monopolfrage, z. B. auch die Frage der Digitalisierung schon vorhandener Systeme, die Endgeräteentwicklung und in dem Zusammenhang die Schnittstellenfrage; 4. die gesellschafts- und sozialpolitischen Fragen. Diese Bereiche verlangen es, daß der Forderungen nach Behandlung in den Ausschüssen Nachdruck verliehen wird. Ich meine, im Augenblick ist weniger die Regierung gefordert, sondern wir als Parlamentarier sind gefordert. Insofern hilft uns ein neuer Bericht zur Lage im Augenblick gar nichts, insbesondere auch nicht - das wurde hier bereits erwähnt - unter dem Gesichtspunkt, daß der Haushaltsplan 1982 eigentlich erst Konturen annehmen müßte, damit man sicher ist, daß man das Richtige trifft. Ich bitte für die FDP-Fraktion um Überweisung des Antrags an die Ausschüsse. - Ich danke Ihnen. ({1})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat schlägt vor, den Antrag der Abgeordneten Maaß, Lenzer, Pfeifer und weiterer Abgeordneter der Fraktion der CDU/CSU Drucksache 9/543 an den Ausschuß für Forschung und Technologie - federführend - sowie an die Ausschüsse für Bildung und Wissenschaft, für Wirtschaft und für Arbeit und Sozialordnung zur Mitberatung zu überweisen. Ist das Haus mit der vorgeschlagenen Überweisung einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist entsprechend beschlossen. Meine Damen und Herren, es ist interfraktionell vereinbart worden, daß eine Mittagspause eingelegt wird. Wir unterbrechen die Sitzung. Der Deutsche Bundestag tritt um 14 Uhr wieder zusammen. ({0})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Die unterbrochene Beratung wird wieder aufgenommen. Vizepräsident Windelen Wir treten in die Fragestunde - Drucksache 9/589 ein. Wir beginnen mit dem Bereich des Bundesministers der Verteidigung. Hinsichtlich der Fragen 42 und 43 des Abgeordneten Sauter ({0}) wird schriftliche Beantwortung beantragt. Es wird so verfahren. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Das gleiche gilt für die Fragen 44 und 45 des Abgeordneten Biehle. Damit wäre der Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung abgeschlossen. Es folgt der Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Staatsminister Huonker zur Verfügung. Ich rufe die Frage 10 des Abgeordneten Graf Stauffenberg auf: Trifft es zu, daß Bundeskanzler Schmidt in Washington erklärt hat, er habe das Wort „Entspannung" „nie benutzt", und diesbezüglich habe er seine „Terminologie" nicht geändert?

Not found (Gast)

Herr Kollege, Sie beziehen sich mit Ihrer Frage offenbar auf Pressemeldungen über eine Pressekonferenz, die der Bundeskanzler in Washington gegeben hat, und zwar am 22. Mai 1981. In dieser Pressekonferenz wird der Bundeskanzler auf deutsch gefragt, ob es reiner Zufall gewesen sei, daß er das Wort „Détente" in seinen öffentlichen Reden nicht mehr benutzt habe oder ob er es nicht mehr benutze. Der Bundeskanzler antwortete auf diese Frage u. a., er habe das Wort „Détente" nie benutzt. Er fügte, damit keine Zweifel und keine Spekulationen entstehen konnten, ob es etwa eine Änderung der Politik gebe, hinzu, er habe seine Terminologie nicht geändert. Lassen Sie mich hinzufügen: Der Bundeskanzler benutzt in seinen öffentlichen Äußerungen den Begriff, den deutschen Begriff „Entspannung" und den Begriff „Politik des Gleichgewichts und der Zusammenarbeit" nebeneinander. Ich verrate kein Geheimnis, daß der Bundeskanzler den Begriff „Politik des Gleichgewichts und der Zusammenarbeit" häufig benutzt, weil dies eine inhaltliche Beschreibung des Entspannungsbegriffs ist. Er benützt diesen Begriff deswegen häufig, weil er ein Freund inhaltlich präziser Formulierungen ist.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Bitte schön, Herr Kollege Graf Stauffenberg.

Franz Ludwig Schenk Stauffenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002222, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister vor dem Hintergrund dieser Antwort: Könnten Sie uns sagen, warum der Begriff „Détente" oder „Entspannung" während des Besuchs des Bundeskanzlers in Washington in den gemeinsamen Kommuniqués, Reden usw. nun tatsächlich nicht vorgekommen ist?

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Herr Kollege, ich habe Ihnen gesagt, daß der Bundeskanzler es schätzt, inhaltlich präzise Formulierungen zu benutzen. Das heißt, er sprach und spricht von „Gleichgewicht" und „Zusammenarbeit"; dies kann die Verständigung erleichtern. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, daß ein Begriff wie „Détente", der leicht mißverständlich sein könnte, weniger präzise ist als die inhaltliche Formulierung „Politik des Gleichgewichts und der Zusammenarbeit", von der ich hier mit Bezug auf den Bundeskanzler gesprochen habe.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Graf Stauffenberg.

Franz Ludwig Schenk Stauffenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002222, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, bedeutet der Umstand, daß der Bundeskanzler nun um der Präzision willen dem Begriff „Entspannung" und „Détente" den Begriff „Gleichgewicht und Zusammenarbeit" vorzieht, daß die eindeutig gebrauchte Formulierung „Entspannung" und „Entspannungspolitik", beispielsweise noch im Interview mit Herrn Lueg am 2. Juni 1981, in der deutsch-französischen Konsultation am 4. und 5. Februar 1980 in Paris, bei der Ansprache des Bundeskanzlers auf dem Kongreß der Deutschen Postgewerkschaft, ganz zu schweigen von dem Beschluß des SPD-Parteitages vom Dezember 1979 und von der Regierungserklärung des Bundeskanzlers im Januar 1980, aus der heutigen Sicht des Bundeskanzlers nicht hinreichend präzise und deswegen zu Irrtümern Anlaß gebend gewesen ist?

Not found (Gast)

Dies kann ich Ihnen, wie eigentlich schon aus meinen vorherigen Antworten klar wird, natürlich nicht bestätigen. Der Bundeskanzler benutzt beide Begriffe nebeneinander, und ich darf Sie auf eine seiner jüngsten Äußerungen hinweisen. In der „Süddeutschen Zeitung" vom 20. Juni 1981 schreibt der Bundeskanzler in einem Namensartikel zum 40. Jahrestag des Überfalls des Naziregimes auf die Sowjetunion wörtlich: „Entspannung war und ist und bleibt ein fester Orientierungspunkt unserer Friedenspolitik."

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Herr Abgeordneter Mertes, eine Zusatzfrage.

Dr. Alois Mertes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001482, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, indem ich Ihnen zustimme, daß der Begriff der Entspannung immer einer genauen Inhaltsbestimmung bedarf, möchte ich Sie fragen, ob Sie und der Bundeskanzler die Auffassung des NATO-Generalsekretärs Luns teilen, es sei notwendig geworden, im NATO-Kommuniqué vom Mai 1981, erstmals von echter Entspannung zu sprechen, weil die Erfahrung gezeigt habe, daß es auch eine unechte Entspannung und falsche Vorstellungen von Entspannung gibt.

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich möchte mich an semantischen Interpretationen von Äußerungen des Generalsekretärs Luns nicht beteiligen, ({0}) - Herr Kollege, dieses sind in der Tat semantische Fragen: Was ist Entspannung, unechte Entspannung, echte Entspannung? Dies sind alles begriffliche Unschärfen. Ich denke, man sollte sich darüber einigen, Herr Kollege, was inhaltlich Entspannung und was das Gegenteil von Entspannung ist. Dies führt sehr viel weiter als wenn man sich über die Begriffe „echt" oder „unecht" streitet. Es ist häufig sehr schwer zu definieren, was echt und was nicht echt ist.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Herr Abgeordneter Voigt, eine Zusatzfrage.

Karsten D. Voigt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002388, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, um Ihnen die Möglichkeit zu einer klaren Ja-Antwort zu geben, möchte ich Sie fragen, ob es in den letzten zehn Jahren eine echt erfolgreiche Entspannungspolitik der Bundesregierung gegeben hat.

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Herr Kollege, dem ist natürlich nicht zu widersprechen. Deswegen muß ich die Frage mit Ja beantworten.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Herr Abgeordneter Jäger ({0}), eine Zusatzfrage.

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, würden Sie mir auch zustimmen, daß in den Äußerungen der Bundesregierung das Wort und der Inhalt echter Entspannungspolitik so selten sind wie echter Kaviar?

Not found (Gast)

Herr Kollege Jäger, ich habe vorhin auf die Frage des Kollegen Dr. Mertes meine Auffassung darüber geäußert, was ich in der Politik von „echt" und „unecht" halte. Ich denke, man muß eine Politik mit klaren Inhalten machen. ({0}) Dann stellt sich die Frage nach echt und unecht überhaupt nicht.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt. Für die Fragen 11 und 12 des Abgeordneten Weisskirchen ({0}) ist um schriftliche Beantwortung gebeten worden. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt. Wir können damit den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes verlassen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr auf. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Mahne zur Verfügung. Die Frage 46 des Herrn Abgeordneten Dr. Steger wird auf seine Bitte schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ich rufe die Frage 47 des Herrn Abgeordneten Fischer ({1}) auf. Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Wir verfahren entsprechend unserer Geschäftsordnung. Zu den Fragen 48 und 49 des Herrn Abgeordneten Müller ({2}) ist schriftliche Beantwortung beantragt worden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe die Frage 50 des Herrn Abgeordneten Müller ({3}) auf: Hat die Bundesregierung alle Anstrengungen unternommen, damit entsprechend der Verpflichtungsermächtigung im Haushaltsplan 1981 im Rahmen des Ausbaus der Saar zur Großschiffahrtsstraße die Vergabe der Staustufe Serrig und des Oberwassers Serrig ({4}) noch in diesem Jahr sichergestellt ist, um damit zu gewährleisten, daß die Fertigstellung des Saarausbaues zumindest bis Dillingen im Jahr 1985 gewährleistet ist?

Erhard Mahne (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001409

Herr Kollege Müller, die Tiefbauarbeiten für die Staustufe Serrig wurden bereits 1980 ausgeschrieben. Eine Auftragsvergabe wäre im Herbst 1981 nur möglich, wenn entsprechend den im Bundeshaushalt 1981 vorgesehenen Verpflichtungsermächtigungen zusätzliche Haushaltsmittel für 1982 und die folgenden Jahre bereitgestellt werden könnten und auch das Streckenlos Serrig-Landesgrenze Rheinland-Pfalz/Saarland in absehbarer Zeit danach vergeben werden könnte. Das Streckenlos Serrig-Landesgrenze wurde bisher in Anbetracht des Standes der Vorbereitung für den Bundeshaushalt 1982 noch nicht ausgeschrieben. Da diese Maßnahme zwischen Ausschreibung und Auftragserteilung etwa sieben Monate erfordert, ist ihre Vergabe in diesem Jahr nicht mehr möglich. Für die Bereitstellung der Haushaltsmittel gelten dieselben Voraussetzungen wie für die Staustufe Serrig. Bei dieser Sachlage ist die voraussichtliche Fertigstellung des Saarausbaus bis Dillingen nur bei günstigsten Bedingungen 1986 möglich.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller ({0}).

Hans Werner Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001550, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist Ihre Antwort so zu verstehen, daß die Bundesregierung gegenüber der Wasser- und Schiffahrtsdirektion in Mainz, die die Ausbauunternehmerin ist, Einwände dahin gehend geltend gemacht hat, die Vergaben bzw. die Ausschreibungen, von denen wir hier sprechen, nicht zu tätigen?

Erhard Mahne (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001409

Weil die haushaltsmäßigen Voraussetzungen dafür noch nicht gegeben sind.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller ({0}).

Hans Werner Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001550, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, sind der Bundesregierung Äußerungen von maßgebenden Vertretern der saarländischen Stahlindustrie, insbesondere auch von der Arbeitnehmerseite, bekannt, die den zügigen Ausbau der Saar zur Großschiffahrtsstraße als Geschäftsgrundlage für die Restrukturierung der saarländischen Stahlindustrie bezeichnen?

Erhard Mahne (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001409

Diese Äußerungen sind bekannt, und sie sind entsprechend gewürdigt worden. Im Rahmen einer Fragestunde bin ich darauf im einzelnen schon einmal eingegangen.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt. Ich rufe die Frage 51 der Abgeordneten Frau Dr. Hartenstein auf: Besteht die Möglichkeit, für die noch zu bauende Teilstrecke des Rhein-Main-Donau-Kanals zwischen Nürnberg und Kelheim sowie für die Donaukanalisation zwischen Regensburg und Passau eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, und wenn j a, beabsichtigt die Bundesregierung auf Grund der Tatsache, daß der Bund 2/3 der Investitionsmittel bereitstellt, eine Umweltverträglichkeitsprüfung zu veranlassen?

Erhard Mahne (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001409

Frau Kollegin Dr. Hartenstein, für die noch zu bauenden Teilstrekken des Main- Donau - Kanals zwischen Nürnberg und Kelheim und der Stauregelung der Donau zwischen Regensburg und Vilshofen wird bereits die Umweltverträglichkeit unter Berücksichtigung der 1975 vom Bundesminister für Verkehr eingeführten Grundsätze für die Prüfung der Umweltverträglichkeit öffentlicher Maßnahmen des Bundes geprüft. Dies ist auch durch § 8 Abs. 4 des Bundesnaturschutzgesetzes gewährleistet, wonach Eingriffe in Natur und Landschaft durch Auflagen und begleitende Maßnahmen auszugleichen sind.

Dr. Liesel Hartenstein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000815, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, hält die Bundesregierung die bisher und offenbar auch künftig geltenden Regelungen für die Umweltverträglichkeitsprüfung für ausreichend, wenn man bedenkt, daß sich bei den schon fertiggestellten Kanalteilen herausgestellt hat, daß z. B. die Artenviel-fait bei den Tieren auf ein Zehntel des früher vorhandenen Bestandes zurückgegangen ist, daß die Laichplätze für Fische zu 80 % zerstört worden, verlorengegangen sind und daß teilweise sogar Grundwasserabsenkungen bis zu 20 m erfolgt sind?

Erhard Mahne (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001409

Frau Kollegin, die Planungsverfahren werden in Zusammenarbeit mit allen beteiligten Behörden durchgeführt, und hier werden die Umweltauswirkungen umfassend geprüft und bewertet. Ich gebe zu, daß es in der Vergangenheit sicherlich so war, daß gerade die ökologischen Folgen und die Folgen für die Landschaft nicht in entsprechender Weise gewertet wurden. Aber hier ist eine erhebliche Sensibilisierung bei uns allen eingetreten, so daß ich glaube, daß die Verfahren, wie wir sie heute haben, voll ausreichen, um diese Bewertungen vornehmen zu können und Schäden, wie sie von Ihnen geschildert wurden, zumindest auf das unbedingt Notwendige zu minimieren.

Dr. Liesel Hartenstein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000815, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung die Möglichkeit, darauf einzuwirken, daß - auf Grund der stärkeren Sensibilisierung - die feststellbaren oder vermuteten Schäden auch tatsächlich in die Abwägung vor der Entscheidung eingeführt werden und daß die Ergebnisse dieser Abwägung auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden?

Erhard Mahne (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001409

Im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens geschieht das, Frau Kollegin.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Fellner.

Hermann Fellner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000534, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist die Bundesregierung nicht auch der Meinung, daß gerade im vorliegenden Fall, in dem es um den Bau eines Kanals, einer Wasserschiffahrtsstraße, also eines der kostengünstigsten, umweltschonendsten und vor allem energiesparendsten Transportmittel geht, die angedeuteten möglichen Nachteile doch wirklich in Kauf genommen werden sollten?

Erhard Mahne (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001409

Herr Kollege, das gilt für alle Verkehrswege. Wir werden den Zielkonflikt jeweils durchzustehen haben, und wir werden auch eine Antwort darauf zu geben haben, inwieweit sich negative Folgen für Ökologie und Landschaft soweit wie möglich vermindern lassen. Ich habe die Frage der Frau Kollegin Dr. Hartenstein dahin gehend verstanden.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Ich rufe die Frage 52 der Frau Abgeordneten Dr. Hartenstein auf: Wann ist die letzte Kosten-Nutzen-Analyse für den Rhein-Main-Donau-Kanal erstellt worden, und welches sind die Ergebnisse?

Erhard Mahne (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001409

Frau Kollegin Hartenstein, die letzte Nutzen-Kosten-Analyse für die Main-Donau-Wasserstraße wurde 1976 erstellt. Sie bezieht sich auf die Kanalstrecke Nürnberg-Regensburg und weist ein Nutzen-Kosten-Verhältnis von etwa 0,5 aus.

Dr. Liesel Hartenstein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000815, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen, ob es angesichts gerade dieses doch offensichtlich schlechten Kosten-Nutzen-Verhältnisses und übrigens auch angesichts der Haushaltslage sowohl beim Bund wie auch bei den Ländern nach Auffassung der Bundesregierung gerade unter ökonomischen Gesichtspunkten überhaupt verantwortbar ist, ein solches Projekt weiterzuführen, von dem jetzt schon abzusehen ist, daß es auf Dauer ein enormes Defizit produzieren wird?

Erhard Mahne (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001409

Frau Kollegin, durch meine Beantwortung der Frage nach dem KostenNutzen-Verhältnis ist deutlich geworden, daß wir es hier nicht mit einem volkswirtschaftlich kostengünstigen Verkehrsweg zu tun haben, sondern daß wir hier mehr investieren, als wir volkswirtschaftlichen Nutzen davon erwarten können. Ich muß darauf hinweisen, daß der Bund für den Ausbau des Kanals in einem Vertragsverhältnis mit dem Land Bayern steht. Der Bund steht zu diesem Vertrag; er muß zu diesem Vertrag stehen. Im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel werden die Bauarbeiten fortgeführt. Hier wird es eine erhebliche zeitliche Streckung geben.

Dr. Liesel Hartenstein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000815, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, können Sie meine Auffassung teilen, daß angesichts der heute eingetretenen Situation, angesichts der heutigen Erkenntnisse, angesichts der eingetretenen Entwicklung ein Anlaß gegeben wäre, daß so2624 wohl der Bund als der Freistaat Bayern als der andere Vertragspartner im Hinblick auf eine eventuelle Überprüfung der bestehenden Verträge Konsequenzen ziehen müßte?

Erhard Mahne (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001409

Ich kann Ihre Auffassung durchaus teilen.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Zu einer weiteren Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Fellner.

Hermann Fellner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000534, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, sind denn in diese Kosten-Nutzen-Analyse alle Nebeneffekte einbezogen, die dieser Kanal bringen soll, z. B. die Wasserüberleitung in das mittelfränkische Gebiet, und sind Sie nicht auch der Auffassung, daß es angesichts eines solchen Projekts, das ja in erster Linie eine Erschließungsfunktion hat, vielleicht nicht gerade zweckmäßig ist, die Kosten-NutzenAnalyse als das große Leitbild herauszustellen?

Erhard Mahne (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001409

Herr Kollege, in die Kosten-Nutzen-Analyse sind die verkehrsbezogenen wie die nichtverkehrsbezogenen Nutzen eingeflossen, z. B. für die Wasserwirtschaft, aber auch für den Bereich der Arbeitsplätze. Es ist trotzdem zu einer so niedrigen Bewertung gekommen.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Zu einer weiteren Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Merker.

Rolf Merker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001479, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, darf ich Ihre Antwort auf die Zusatzfrage der Kollegin Frau Dr. Hartenstein nach der Überprüfung der geschlossenen Verträge so verstehen, daß die Bundesregierung ihrerseits jetzt in eine Überprüfung der Verträge eintreten wird, die zu einem Herauslösen dieser Verträge führen kann?

Erhard Mahne (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001409

Die Bundesregierung ist dazu bereit, mit dem Land Bayern solche Gespräche zu führen. Aber wenn der Vertragspartner auf der Einhaltung der Verträge besteht, wird die Bundesregierung sich natürlich vertragstreu verhalten.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Die Frage 53 des Herrn Abgeordneten Dr. Friedmann wird auf dessen Bitte schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ich rufe die Frage 54 des Abgeordneten Böhm ({0}) auf: Beabsichtigt die Deutsche Bundesbahn nach wie vor, ein auf das ganze Bundesgebiet bezogenes und in das europäische Verkehrsnetz integriertes Schnellbahnsystem zu verwirklichen, von dem die Neubautrasse Hannover-Würzburg ein Teilstück ist, und welche Neubautrassen sind außer der genannten geplant?

Erhard Mahne (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001409

Herr Kollege Böhm, langfristig sind nach Maßgabe der Bewertungsverfahren im Rahmen der Bundesverkehrswegeplanung zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit und der Streckenqualität bauliche Maßnahmen auf etwa 2 000 km Ausbaustrecken und die Realisierung der Neubaustrecken Mannheim-Stuttgart und Hannover-Würzburg vorgesehen. Außerdem sind für die geplante Neubaustrecke Karlsruhe-Rastatt-Basel die Vorplanungen aufgenommen worden. Ziel dieser Maßnahmen ist es, auf dem ausgebauten Streckennetz zunächst Geschwindigkeiten bis zu 200 km/h zu erreichen. Für die Neubaustrecken wird eine Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h zugrunde gelegt.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Böhm ({0}).

Wilfried Böhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000218, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist die Finanzierung des eben von Ihnen beschriebenen gesamten Programms gesichert, und in welchem Zeitraum ist diese Finanzierung gesichert?

Erhard Mahne (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001409

Im Rahmen des Bundesverkehrswegeplanes ist der Bedarf festgestellt und sind die Prioritäten für den Ausbau dargestellt worden. Im Rahmen der jeweiligen Haushaltsplanberatungen ist dann zu entscheiden, welche Mittel in welcher Höhe bereitgestellt werden können. Das wird natürlich auch die zeitliche Realisierung beeinflussen.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Zu einer weiteren Zusatzfrage, bitte.

Wilfried Böhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000218, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, mit welchem Wagenpark wird die Neubaustrecke zwischen Hannover und Würzburg zu befahren sein? Trifft es zu, daß für die eben von Ihnen angegebene Höchstgeschwindigkeit von 250 km in der Stunde der jetzt vorhandene Wagenpark der Deutschen Bundesbahn nicht benutzt werden kann?

Erhard Mahne (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001409

Herr Kollege, ich bitte um Verständnis: ich bin überfragt. Mit dieser Frage werde ich das erstemal konfrontiert. Ich werde die Bundesbahn um eine Stellungnahme bitten und Ihnen dann die Antwort der Bundesbahn übermitteln. ({0})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Ich rufe Frage 55 des Abgeordneten Böhm ({0}) auf: Wie weit ist die Ausführung des Autobahnstücks Herleshausen-Eisenach auf DDR-Gebiet vorangeschritten, das entsprechend der Abmachungen mit der DDR von der Bundesrepublik Deutschland finanziert wird?

Erhard Mahne (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001409

Herr Kollege Böhm, mit den Vorbereitungsmaßnahmen wurde am 15. September 1980 und mit den Bauarbeiten am 15. Januar 1981 termingemäß entsprechend den Vereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR begonnen.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Böhm.

Wilfried Böhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000218, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, sind dem Bundesverkehrsminister für den Bau dieser in der DDR gelegenen Strecken zusätzliche finanzielle Mittel zugewiesen worden, oder aber müssen diese Mittel aus denen aufgebracht werden, die unter anderem für den Ausbau der Bundesautobahnen im Bundesgebiet hätten verwendet werden können?

Erhard Mahne (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001409

Die Finanzierung dieser Maßnahme erfolgt im Rahmen des Einzelplanes 12. Die Mittel, die zur Verfügung stehen, machen es möglich, daß innerhalb der Vorbereitungs- und Bauzeit von vier Jahren und drei Monaten dieses Objekt realisiert wird.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Zu einer zweiten Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Böhm.

Wilfried Böhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000218, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, sind für das gesamte Gebiet von der Zonengrenze bis hin zur Autobahnauffahrt Eisenach westdeutsche Firmen mit der Bauausführung beauftragt worden, oder nur für die dort notwendig werdende Brücke, die ohnehin von Firmen der DDR - auf Grund der dort gegebenen technischen Kapazitäten - nicht hätte ausgeführt werden können?

Erhard Mahne (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001409

Es sind darüber hinaus auch weitere Aufträge an westdeutsche Firmen vergeben worden.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Ich rufe die Frage 56 des Abgeordneten Jäger ({0}) auf: Wann ist mit der Vorlage des Entwurfs der Bundesregierung für ein neues Lärmschutzgesetz zu rechnen, und gibt es bereits eine grundsätzliche Übereinstimmung innerhalb der Bundesregierung über die zugrundezulegenden Lärmbelastungsobergrenzen?

Erhard Mahne (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001409

Herr Kollege Jäger, die Bundesregierung beabsichtigt, den Entwurf eines neuen Verkehrslärmschutzgesetzes rechtzeitig zu den Beratungen des Haushalts 1982 vorzulegen. Die Ressortgespräche über den Gesetzentwurf sind noch nicht abgeschlossen.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Jäger ({0}).

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wie erklären Sie es, daß angesichts der hohen Dringlichkeit, die auch die Sprecher der Bundesregierung diesem Gesetz vor etwa einem Jahr bei den Beratungen im Bundestag zugeschrieben haben, die Bundesregierung sich immer noch nicht in der Lage gesehen hat, ein Jahr später diesen Entwurf erneut im Deutschen Bundestag vorzulegen?

Erhard Mahne (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001409

Herr Kollege Jäger, wir konnten zwar auf das Ergebnis der Beratungen in der vergangenen Legislaturperiode aufbauen. Aber wir mußten einen völlig neuen Gesetzentwurf einbringen, und das Verfahren, das diesem Gesetzentwurf vorauszugehen hat, mußte natürlich durchgeführt werden. So war es notwendig, daß alle Beteiligten, die Ressorts, die obersten Straßenbaubehörden der Länder und die kommunalen Spitzenverbände nochmals zu hören waren. Das erfordert natürlich seine Zeit. Aber jetzt ist der Entwurf mit den Beteiligten im technischen Bereich voll abgestimmt. Jetzt haben wir uns mit der Frage der Emissionsgrenzwerte zu befassen; hier gibt es noch divergierende Auffassungen.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Jäger ({0}).

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, gibt es bereits eine erkennbare Willensentschließung innerhalb der Bundesregierung darüber, ob es in dem Gesetzentwurf für die Frage bereits bestehender und künftig zu errichtender Straßen einheitliche Obergrenzen geben soll oder ob - wie das das Ergebnis des dann abgelehnten Vermittlungsausschusses war - zwischen den bestehenden und neu zu bauenden Straßen ein erheblicher Unterschied in diesen Obergrenzen gemacht wird?

Erhard Mahne (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001409

Ich habe darauf schon in der Beantwortung Ihrer vorigen Frage darauf hingewiesen, Herr Kollege Jäger, daß es in der Frage der Emissionsgrenzwerte noch keine endgültige abschließende Abstimmung gibt; hier gibt es unterschiedliche Auffassungen.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Merker.

Rolf Merker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001479, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, können Sie meine Auffassung bestätigen, daß wir heute bereits ein funktionierendes Lärmschutzgesetz hätten, wenn nicht die CDU/CSU-regierten Länder über ihren Einspruch ein Gesetz zu Fall gebracht hätten, das zuvor einmütig vom Deutschen Bundestag verabschiedet worden ist?

Erhard Mahne (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001409

Dies entspricht den Tatsachen.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Eine weitere Zusatzfrage vom Herrn Abgeordneten Schulte ({0}).

Dr. Dieter Schulte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002100, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, stimmen Sie meiner Auffassung zu, daß es die FDP war, die in der entscheidenden letzten Abstimmung in diesem Hause nicht bereit war, den gefundenen Kompromiß mitzutragen, und daß sich die CDU/CSU dann ebenfalls geweigert hat, nachdem die FDP nach der Devise verfahren ist: „Wir können ja ablehnen, wenn Annahme gesichert"?

Erhard Mahne (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001409

Ich kann Ihnen nur bestätigen, Herr Kollege Schulte, daß der gefundene Kompromiß ausschließlich von der SPD-Bundestagsfraktion in diesem Hause getragen worden ist.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Ich rufe die Frage 57 des Abgeordneten Schröder ({0}) auf: Wie erklärt die Bundesregierung den Widerspruch, der sich aus der Tatsache ergibt, daß sie in ihrer Regierungserklärung der Kohle den Vorrang für die Energieerzeugung einräumt, der Bundesverkehrsminister den Einsatz von Importkohle praktisch jedoch unmöglich macht, weil er für den Transport der Importkohle von Emden zum Ruhrgebiet Kanalabgaben erhebt, die etwa das 2 1/2fache dessen betragen, was für heimische Kohle auf dem Weg vom Ruhrgebiet nach Emden gezahlt werden muß?

Erhard Mahne (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001409

Herr Kollege Schröder, die Bundesregierung sieht keinen Widerspruch zwischen der Schiffahrtsabgabenpolitik für Importkohle ab Emden und der Absicht, bei der Energieerzeugung vorrangig auf Kohle zurückzugreifen. Die besagten Schiffahrtsabgaben sind einvernehmlich mit den Ländern und den Zahlungspflichtigen festgesetzt worden. Dabei wurde besonderer Wert darauf gelegt, die Wettbewerbsfähigkeit Emdens gegen2626 über den Rheinmündungshäfen zu erhalten. Der kürzliche Abschluß über Binnenschiffsbeförderungen von rund 200 000 t Importkohle ab Emden nach zwei westfälischen Kraftwerken zeigt, daß diesem Erfordernis hinreichend Rechnung getragen wurde.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Schröder.

Diedrich Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002076, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, sind Sie nicht bereit, sich die Auffassung der betroffenen Emder Wirtschaft zu eigen zu machen, daß die Senkung der Frachten allein nicht ausreicht, um gegen die freigebildeten Frachten im grenzüberschreitenden Verkehr bestehen zu können?

Erhard Mahne (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001409

Herr Kollege, das kann ich nicht bestätigen, denn der Frachtenausschuß Dortmund hat mit den Stimmen der Binnenschiffahrt und der Verlader unter Berücksichtigung der derzeitigen Höhe der Schiffahrtsabgaben die Importkohlefracht Emden-Dortmund neu festgesetzt, und hier ist eine Senkung der Frachten um rund 28 % erfolgt. Daraus kann man folgern, daß die Binnenschiffahrt und die Verlader gleichermaßen der Auffassung sind, daß sich die Importkohleverkehre auch bei der derzeitigen Abgabenregelung entwikkeln werden. ({0})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Dann rufe ich Frage 58 des Herrn Abgeordneten Schröder ({0}) auf: Ist die Bundesregierung bereit, unter Berücksichtigung der starken niederländischen Konkurrenz, der katastrophalen Beschäftigungslage im Emder Hafen und der von ihr selbst verkündeten energiepolitischen Ziele, die öffentlich-rechtlichen Schiffahrtsabgaben der veränderten Situation anzupassen?

Erhard Mahne (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001409

Herr Kollege Schröder, die Bundesregierung sieht keine Notwendigkeit, ihre Schiffahrtsabgabenpolitik hinsichtlich des Hafens Emden zu ändern. Die Wettbewerbslage der deutschen Seehäfen, insbesondere von Emden zu den Rheinmündungshäfen, wird, wie bereits aus meiner Antwort auf Ihre vorherige Frage hervorgeht, gebührend berücksichtigt. Im übrigen ist die unbefriedigende Beschäftigungslage Emdens vordergründig nicht auf die in ihrem Verhältnis zum Gesamtpreis weit überschätzten Schiffahrtsabgaben zurückzuführen, sondern auf einen Strukturwandel der Seeschiffahrt mit deutlichem Trend zu größeren Schiffsgefäßen, dem der Hafen Emden auf Grund seiner natürlichen Gegebenheiten nur eingeschränkt Rechnung tragen kann.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schröder.

Diedrich Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002076, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen eine Meldung des Kollegen Ewen in der „Ostfriesen-Zeitung" vom 24. Juni bekannt, wonach über die zusätzlich erforderliche Senkung der Kanalabgaben seitens der Bundesregierung zur Zeit mit den Ländern verhandelt wird? Ist das demnach eine falsche Aussage?

Erhard Mahne (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001409

Mir ist diese Aussage des Kollegen Ewen nicht bekannt. ({0})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr behandelt. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen auf. Zur Beantwortung steht Herr Bundesminister Gscheidle zur Verfügung. Ich rufe Frage 60 des Abgeordneten Pfeffermann auf: Warum hat der Bundespostminister den Abgeordneten des Deutschen Bundestages in der Sitzung des Ausschusses für das Post- und Fernmeldewesen am 16. Juni 1981 nicht die gleichen schriftlichen Unterlagen über „Wirtschaftliche Gründe für geplante Gebührenmaßnahmen 1982" zur Verfügung gestellt, wie er dies zuvor am gleichen Tag anonym gegenüber der Presse tat?

Kurt Gscheidle (Minister:in)

Politiker ID: 11000745

Herr Abgeordneter Pfeffermann, der Bundespostminister hat in der Sitzung des Ausschusses für das Post- und Fernmeldewesen am 16. Juni 1981 den Abgeordneten die derzeitigen Pläne zur Anhebung der Postgebühren ausführlich erläutert und begründet. Er hat den Mitgliedern des Ausschusses zugesagt, ihnen die vorhandenen finanzwirtschaftlichen Daten zur Verfügung zu stellen. Das ist inzwischen geschehen. Im übrigen gibt es - wie in der Sitzung dargestellt - bei den Gebührenmaßnahmen einen zwingenden zeitlichen Ablauf. So ist das Einvernehmen bzw. die Abstimmung mit dem Bundesminister für Wirtschaft und dem Bundesminister der Finanzen noch nicht hergestellt, so daß eine erschöpfende Information im parlamentarischen Raum zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erfolgen kann. Es sind keine schriftlichen Pressemitteilungen zu den Gebührenplänen herausgegeben worden. Bei dem in der Frage genannten Papier handelte es sich um eine Gesprächsunterlage, die zur Beantwortung von Anfragen der Presse verwendet wurde. Sie enthält keine Angaben, die über die dem Ausschuß am 16. Juni 1981 gegebenen Informationen hinausgehen.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Zu einer Zusatzfrage der Herr Abgeordnete Pfeffermann.

Gerhard O. Pfeffermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001702, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, halten Sie es nicht für außerordentlich erstaunlich, wenn Sie die Unterlagen, die Sie jetzt „Gesprächsunterlage" nennen, der Presse schriftlich zur Verfügung stellen, dem Ausschuß aber eine sachliche Behandlung des Vorgangs dadurch erschweren, daß Sie nur mündlich vortragen, obwohl die Unterlagen Ihres Vortrags offensichtlich schriftlich vorbereitet waren?

Kurt Gscheidle (Minister:in)

Politiker ID: 11000745

Aber Herr Abgeordneter, da Sie selbst bei dieser Ausschußberatung zugegen waren, wissen Sie, daß ich nach einer diesbezüglichen Frage sofort erklärt habe, daß die von mir benutzten Unterlagen selbstverständlich dem Ausschuß sofort zur Verfügung gestellt werden.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Pfeffermann.

Gerhard O. Pfeffermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001702, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, aber es ist doch wohl richtig, daß Sie die Unterlagen erst Tage danach versandt haben, obwohl sie zum Zeitpunkt der Verhandlungen im Ausschuß der Presse bereits zugestellt waren?

Kurt Gscheidle (Minister:in)

Politiker ID: 11000745

Nein. Am gleichen Tage bekamen wir auf Grund von Informationen, die in der Presse erschienen waren - nicht auf Grund von Informationen aus meinem Hause -, derart viele Anrufe, daß am gleichen Tage - das Papier ist vom Tage meiner Berichterstattung - auch diese Auskünfte an die Presse gegeben wurden. Sie umfassen nur die notwendigen Daten, die dazu führen, Finanzüberlegungen anzustellen, um mittelfristig eine gewisse Lücke zu schließen. Im übrigen darf ich darauf hinweisen, Herr Abgeordneter, daß auf den Tag der Ausschußsitzung Feiertage folgten. Auch ich bedaure - und einige, die an dem Vorgang beteiligt sind, lassen sich durch mich entschuldigen -, daß man die Unterlagen nicht trotz der Feiertage zugeleitet hat; aber Sie hätten das dann auch nicht früher in Ihrem Fach gefunden.

Gerhard O. Pfeffermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001702, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

In meiner Eigenschaft als Postverwaltungsratsmitglied habe ich die Unterlagen erst heute gekriegt. Da sind schon einige Werktage dazwischen.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Die Frage 61 des Herrn Abgeordneten Pfeffermann ist aufgerufen: Mit welchen Gebührenerhöhungen im einzelnen beabsichtigt der Bundespostminister, das gesetzte Ziel von jährlich 2,3 Milliarden DM Mehreinnahmen im Postwesen zu realisieren, und warum wurden diese Gebührenpläne, obwohl sie in der Presse überall nachzulesen sind, den Abgeordneten des Deutschen Bundestages vorenthalten?

Kurt Gscheidle (Minister:in)

Politiker ID: 11000745

Da die Abstimmungsprozesse gerade erst eingeleitet sind, liegen Einzelheiten zur Zeit noch nicht fest. Richtig ist allerdings, daß beabsichtigt ist, die Gebühr für den Standardbrief von 60 Pf auf 80 Pf zu erhöhen. Die Gebühren für Sendungen, die an diese Eckgebühr angepaßt sein müssen, sollen entsprechend angehoben werden. Es trifft ferner zu, daß auch die Gebühren im Päckchen-, Paket- und Postscheckdienst sowie in den Gelddiensten in die Überlegungen zur Gebührenanpassung einbezogen werden.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Zu einer Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Pfeffermann.

Gerhard O. Pfeffermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001702, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, entnehme ich also zu Recht Ihren Einlassungen, daß Sie auch heute nicht im einzelnen über die öffentlich genannten Erhöhungen beim Briefporto hinaus dem Hause Ihre Absichten bekanntgeben wollen?

Kurt Gscheidle (Minister:in)

Politiker ID: 11000745

Nein; aber ich denke, für einen Politiker ist dies doch überzeugend. Wir arbeiten nach einem Gesetz, das Ihre Fraktion eingebracht hat, von ihr getragen worden ist; dieses sieht für eine Gebührenvorlage für den Verwaltungsrat, der darüber zu beschließen hat, vor, daß ich zunächst meine Finanzdaten mit dem Finanzminister abstimmen muß, daß ich dann die organisierte Wirtschaft anhören muß, um deren Sacheinwendungen hinsichtlich des Zeitablaufs, hinsichtlich der Preiselastizität, hinsichtlich der Einarbeitung beispielsweise im Versandhandel von der zeitlichen Abfolge her zu berücksichtigen, dann in Kontaktaufnahme mit dem Wirtschaftministerium das Einvernehmen herbeiführe, dann eine Vorlage erstellen kann, die dem Postverwaltungsrat zugeleitet wird. Hinsichtlich der Bearbeitung im Postverwaltungsrat ist vorgesehen, zunächst den Arbeitsausschuß einzusetzen. Der Arbeitsausschuß berichtet wiederum dem Verwaltungsrat. Der Verwaltungsrat hat dann zu beschließen. Das heißt, die politische Beteiligung beginnt in dem Augenblick, wo es sich um eine Vorlage qua Bundesregierung handelt. Davon kann man zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht sprechen.

Gerhard O. Pfeffermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001702, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, wenn Sie ständig von Ihrer Pflicht sprechen, zunächst den Postverwaltungsrat zu unterrichten, wäre es dann eigentlich nicht auch Ihre Pflicht gewesen - und sei es im Rahmen einer Sondersitzung, nachdem Ihre Absichten in solchem Maße öffentlich bekanntgeworden sind, wie das der Fall ist -, den Postverwaltungsrat in der Zwischenzeit hinreichend zu informieren und dies nicht erst heute durch Zusendung eines Briefes zu tun, den z. B. ich als Mitglied des Postverwaltungsrates erst heute bekommen habe?

Kurt Gscheidle (Minister:in)

Politiker ID: 11000745

Ich kann nicht in Abrede stellen, daß das bedauerlich ist, Herr Abgeordneter. Aber, wissen Sie, für einen Minister oder irgend jemanden ist es außerordentlich schwer vorauszusehen, wann sich die Presse eines Themas bemächtigt. Auf jeden Fall ist die Information durch das Postministerium zu dem Zeitpunkt vorgesehen gewesen, zu dem es sich um eine Vorlage zur Gebührenerhöhung handelt.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Börnsen, bitte.

Arne Börnsen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000226, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, es sind in der Presse und auch aus Ihrem Hause Zahlen mit dem Ziel genannt worden, Gebührenerhöhungen für 2,3 Milliarden DM Mehreinnahmen pro Jahr durchzuführen. Sicherlich sind auch Alternativen zu einer solchen Gebührenerhöhung geprüft worden. Können Sie uns etwas über das Ergebnis der Prüfung solcher möglicher Alternativen sagen, insbesondere bezüglich der Möglichkeit einer weiteren Rationalisierung im Bereich der Post mit den daraus folgenden Konsequenzen für das Dienstleistungsangebot der Post, in bezug auf eine mögliche Einschränkung des Investitionsvolumens der Post, die bei einer geringeren Gebührenerhöhung sicherlich auch als Alternative mit herangezogen werden könnte, und auch in bezug auf die Alternative einer erhöhten Kreditaufnahme und die daraus entstehenden Konsequenzen?

Kurt Gscheidle (Minister:in)

Politiker ID: 11000745

Herr Abgeordneter, das sind eigentlich eine Menge Fragen, aber vielleicht darf ich einmal grundsätzlich sagen: Ein öffentliches Unternehmen kann natürlich die Lösung eines Konflikts nur dann in einer Gebührenanhebung sehen, wenn sie vorher geprüft hat, ob ihr Dienstleistungsangebot in Ordnung ist, ob ihre Organisation in Ordnung ist, ob ausreichend rationalisiert ist, ob es nicht andere Möglichkeiten gibt, die erkennbaren Schwierigkeiten finanzwirtschaftlicher oder wirtschaftlicher Art zu beseitigen. Es ist leicht ablesbar, welche Erfolge die Bundespost bei ihren Rationalisierungsmaßnahmen in den letzten Jahren erreicht hat, wenn man die Kostenentwicklung und die Einnahmeentwicklung einander gegenüberstellt und - ausweislich des sich verändernden Personalkostenanteils an den Kosten - abliest: Waren die Rationalisierungsmaßnahmen erfolgreich, dann muß der Personalkostenanteil sinken, waren sie nicht erfolgreich, bleibt er gleich oder steigt sogar an. Finanzwirtschaftlich ist natürlich die Möglichkeit einer Fremdfinanzierung für die Bundespost auch daran zu messen, wie der Kapitalmarkt mittelfristig insgesamt einzuschätzen ist. Sie wissen als Abgeordneter um die Diskussionen, die hier bezüglich der Bedienung der öffentlichen Hand über den Kapitalmarkt geführt werden, wo die Grenzen sind. Bei der Bundespost handelt es sich um ein Unternehmen, das in diesem Jahr immerhin in der Größenordnung von 12 Milliarden DM - aus heutiger Sicht pro Jahr immerhin in der Größenordnung von etwa 0,5 Milliarden DM steigend - investiert. Wenn Sie die Schuldentilgung dazunehmen, handelt es sich um einen jährlichen Betrag von über 16 Milliarden DM; wenn man die Begehung des Kapitalmarkts durch die öffentliche Hand und durch die Wirtschaft einbezieht, dann ist der Spielraum, der der Bundespost zur Verfügung steht, begrenzt. Das heißt: Sie muß durch eigene Anstrengungen, durch ihre eigene Unternehmensführung sicherstellen, daß sie nicht störend auf dem Kapitalmarkt auftritt.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Zu einer weiteren Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Linsmeier.

Josef Linsmeier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001350, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, auf dem Hintergrund Ihrer Darstellung könnte der Eindruck entstehen, daß die Anrufe am vergangenen Dienstag im Ministerium von der Presse von sich aus gekommen sind. ({0}) Können Sie dem Hause bestätigen, daß die Vertreterin Ihres Hauses bei der Bundespressekonferenz in der vorausgehenden Woche die Daten genannt hat und daß die Anrufe auf diesem Hintergrund der Information Ihres Hauses am Dienstag bei Ihnen angekommen sind?

Kurt Gscheidle (Minister:in)

Politiker ID: 11000745

Die Pressereferentin meines Hauses hat bei der Bundespressekonferenz auf Fragen der Journalisten geantwortet. ({0})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Ich rufe Frage 62 des Abgeordneten Bühler ({0}) auf: Kann der Bundespostminister einen Wirtschaftsbereich nennen, in dem - außer dem Energiebereich - die Preise in den letzten 10 Jahren ({1}) annähernd so drastisch erhöht wurden bzw. werden wie im Bereich der Deutschen Bundespost ({2})?

Kurt Gscheidle (Minister:in)

Politiker ID: 11000745

Herr Abgeordneter, nach Unterlagen des Statistischen Bundesamtes - Stand Mai 1981 - sind im Bereich der Preisindexentwicklung für die Lebenshaltung außer dem Energiebereich u. a. die Gruppen ärztliche Dienstleistungen, Kfz-Reparatur, Handwerkerleistungen, Friseur, die ähnliche Steigerungsraten aufweisen wie der Index der Postgebührenentwicklung, zu nennen. Ich nenne jetzt die Zahlen: 1981 Postgebühren: 219,7; ärztliche Dienstleistungen: 227,8; Kfz-Reparaturen: 242,7; Handwerkerleistungen: 228,1; Friseur: 223,6. An sich wollte ich meine eigenen Erfahrungen mit dem Friseur dieses Hauses sagen, aber das habe ich dann lieber gelassen. - Der Preisindex der Fernsprechgebühren liegt bei 131,2 und damit deutlich im unteren Bereich der Preisentwicklung für Dienstleistungen.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Zu einer Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Bühler.

Klaus Bühler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000297, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, müssen sich die Bürger unseres Landes nach den Erfahrungen, die sie bisher gemacht haben, was die Gebührenerhöhungen anging, in Zukunft auf eine Dynamisierung der Gebührenerhöhung - etwa in zweijährigem Abstand - einstellen?

Kurt Gscheidle (Minister:in)

Politiker ID: 11000745

Dazu besteht weder rückschauend noch vorausschauend Anlaß. Die letzte Gebührenerhöhung war am 1. Januar 1979; die beabsichtigte ist auf den 1. März 1982 terminiert. Das ist ein Zeitraum von über drei Jahren. Die Gebührenerhöhung, die in der genannten Größenordnung vorgesehen ist, reicht nach jetzigem Erkenntnisstand bis zum Jahre 1984 aus.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Paterna.

Peter Paterna (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001679, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, wären Sie angesichts der Tatsache, daß im Zusammenhang mit der geplanten Erhöhung der Postgebühren in der Regel von Prozentsätzen die Rede ist, in der Lage, uns zu sagen, in welchem Umfang sich etwa für einen durchschnittlichen Arbeitnehmerhaushalt, für die gewerbliche Wirtschaft, für bestimmte Branchen des Dienstleistungsbereichs oder speziell für den Versandhandel solche Gebührenerhöhungen tatsächlich auswirken werden?

Kurt Gscheidle (Minister:in)

Politiker ID: 11000745

Zunächst ist natürlich die jetzt diskutierte Größe eine Errechnung, die sich ergibt, wenn man beim Standardbrief von 60 auf 80 Pf geht. Das sind die 331/3 %. Aber man kann natürlich, ausgehend von der finanzpolitischen Überlegung, welche Lücke zu schließen ist, nämlich die 2,3 Milliarden DM, gegenüberstellen, was die EinBundesminister Gscheidle nahmen im Postdienst sind, der hier genannte Eckwert der Postgebühr, und was das ausmacht. Dann kommt man zu dem Ergebnis: die Postgebühren werden um 20 % angehoben. Zu Ihren speziellen Fragen. Die Mehraufwendungen betragen bei der genannten Größenordnung, die ja in die Diskussion kommt, im privaten Bereich für den Vierpersonenhaushalt 1,37 DM monatlich. Der Lebenshaltungskostenindex steigt um 0,09 v. H. Der Anteil der Postgebühren am Umsatz des Versandhandels, der den größten Anteil der Postgebühren überhaupt hat, steigt von 2,5 auf 3,1 v. H. Das ist errechnet nach der Rechenmethode des Statistischen Bundesamtes.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Ich rufe auf die Frage 63 des Abgeordneten Bühler. Was bezweckt der Bundespostminister mit der Veröffentlichung von Hochrechnungen über Gebührenermäßigungen im Fernmeldewesen vergangener Jahre auf das Jahr 1981 bezogen ({0}), und könnte der Bundespostminister einmal angeben, wie stark die Gebührenerhöhungen dieser Jahre ({1}) oder der Fortfall des Mondscheintarifs oder die enormen Gebührenerhöhungen der Jahre 1971 bis 1974 ({2}) 1981 beim Postkunden zu Buch schlagen?

Kurt Gscheidle (Minister:in)

Politiker ID: 11000745

Herr Abgeordneter, im Bereich des Fernmeldewesens gibt es schwergewichtig, beginnend ab 1978, eine Vielzahl massiver Gebührenvergünstigungen. Sie führen im Jahre 1982, wenn sie, insbesondere nach bundesweiter Einführung des Nandienstes, voll zum Tragen kommen, zu Gebührenvorteilen zugunsten der Teilnehmer in Höhe von mindestens 5,8 Milliarden DM. Im Jahre 1981 werden es rund 5,6 Milliarden DM sein. Die Veröffentlichung dieser Zahlen soll einerseits über die Größenordnung informieren, andererseits aber auch verdeutlichen, daß weitere Wünsche im Fernsprechwesen, die auf eine Gebührenvergünstigung oder ein sonstiges Entgegenkommen der Deutschen Bundespost abzielen zur Zeit nicht realisierbar sind. Seit 1978 sind auf dem allgemeinen Fernsprechsektor keine Gebührenerhöhungen erfolgt. Im übrigen enthält Ihre Frage noch drei weitere Einzelfragen, die aus der Statistik nicht ohne erheblichen Sonderaufwand entnommen werden können. Dies würde den Rahmen der Fragestunde sprengen. Aber ich gebe Ihnen gern ein Papier, woraus ersichtlich ist, welche statistischen Schwierigkeiten Ihre Frage ergibt. Generell muß unterschieden werden zwischen Gebührenmaßnahmen im Postwesen und denen im Fernmeldewesen. Gebührenmaßnahmen im Postwesen können nicht gegen die des Fernmeldewesens aufgerechnet werden. Auf der einen Seite dienten im Postwesen die Gebührenerhöhungen der Vergangenheit dazu, eine weitere Verschlechterung der bereits bestehenden erheblichen Kostenunterdekkung zu verhindern. Auf der anderen Seite reduzierten die gebührensenkenden Maßnahmen im Fernmeldewesen die dortige Überdeckung auf das erforderliche Maß. Es war und ist dabei unser Ziel, den Bedarf an Kostendeckungsbeiträgen für das Postwesen aus dem Fernmeldewesen zu bremsen. Denn solche Ungleichgewichte, bei denen Dienstleistungen des Postwesens subventioniert werden, verschieben künstlich die Nachfrageimpulse zugunsten der besonders lohnintensiven Postdienste, was yolks- wie auch betriebswirtschaftlich ungünstige Entwicklungen fördert.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.

Klaus Bühler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000297, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, ich glaube, daß die jetzige Zusatzfrage den Rahmen der Fragestunde nicht sprengt: Beabsichtigen Sie, die Gebühren im Fernmeldewesen quasi als flankierende Maßnahmen zu den Erhöhungen im Postwesen zu senken, beispielsweise mehr freie Gebühreneinheiten, beispielsweise Ausdehnung der Nahbereiche?

Kurt Gscheidle (Minister:in)

Politiker ID: 11000745

Nein, das ist nicht unsere Absicht. Schon deshalb nicht, weil die bisherigen Maßnahmen dazu geführt haben, daß die Kostenüberdeckung des Fernmeldewesens von einst 135% inzwischen auf unter 120 % gesunken ist und sich 110% nähert. Wenn Sie diese Überdeckung noch weiter reduzieren, sind Sie nicht mehr in der Lage, das Postwesen zu subventionieren, das eine Kostendeckung von nur rund 80 % hat. Diese Kosten würden dann zu einer unmittelbaren Gefahr für den Bundeshaushalt.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Paterna.

Peter Paterna (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001679, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, Sie erwähnten soeben schon die Globalzahlen 113 bis 110 % im Fernmeldewesen, 80 % im Postwesen. Könnten Sie die Information noch dahin gehend ergänzen, daß Sie uns einmal die Kostendeckungsgrade der einzelnen Dienstzweige des Postbereichs nennen und uns sagen, wie sich in den letzten Jahren die Schere, die Sie ebenfalls erwähnt haben, zwischen der Kostenüberdeckung im Fernmeldewesen und der Kostenunterdeckung im Postwesen - einfach die prozentualen Abstände zwischen diesen Bereichen - entwickelt hat?

Kurt Gscheidle (Minister:in)

Politiker ID: 11000745

Herr Abgeordneter, das wird ein großer Zahlenfriedhof. Ich versuche, das einmal in größeren Sprüngen zu machen. Im Postdienst 1976 eine Kostendeckung von 78 %, 1980 von 82,1 %. Innerhalb dieses Postdienstes, der ja ein Oberbegriff ist, jetzt der Briefdienst: im gleichen Zeitraum von 91,3 % auf 93,4 %. Päckchendienst: 71,8 % auf 68,5%. Paketdienst: 63,7 % auf 64,9 %. Postzeitungsdienst: 33,7 % auf 47,5 %. Wenn ich jetzt einmal versuche, größere Zeitabstände zugrunde zu legen - die Problematik wird dann an und für sich deutlicher -, darf ich um Ihr Verständnis bitten, daß ich nur noch die Zahlen für das Post- und Fernmeldewesen insgesamt nenne; sonst werden die Zahlen verwirrend. Um die Problematik der Finanzwirtschaft und der Gebührenpolitik zu erkennen, muß man bis 1960 zurückgehen. 1960 hatten wir im Postdienst einen Kostendekkungsgrad von 84 %, im Fernmeldewesen von 114 %. Die Deutsche Bundespost hatte insgesamt einen Kostendeckungsgrad von 97 %. Wenn wir jetzt das Jahr 1970 betrachten, dann hatten wir folgende Situation. Im Postwesen sank der Kostendeckungsgrad auf 74 %, im Fernmeldewesen auf 109 %, bei der Bundespost insgesamt auf 92 %. Damals war auf Grund mittelfristiger Finanzplanungen erkennbar, daß die Entwicklung rapide in diese Richtung weitergehen würde. Die Gegensteuerung durch Gebührenmaßnahmen setzte 1972 in ungenügendem Umfang ein - ich wiederhole: 74 % Kostendeckungsgrad - und brachte zu Beginn der 80er Jahre die Kostendeckung in die genannte Höhe; wir hatten da also eine bessere Situation als in den 60er Jahren. Aus den gesamten Zahlenreihen läßt sich absehen - aber das gehört eigentlich nicht in eine Fragestunde -, wie die Wirkung einer zu spät vorgenommenen Gebührenerhöhung aussieht. Das schlägt unmittelbar in die Verzehrung des Eigenkapitals durch, führt zu einer größeren Inanspruchnahme des Kapitalmarktes und zu einer Überschuldung, d. h. die Schuldzinsen steigen in einem enormen Umfang.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Pfeffermann.

Gerhard O. Pfeffermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001702, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, nachdem Sie jetzt zum zweiten Mal die Formulierung gebraucht haben, daß Ihre Zahlenreihen nicht in eine Fragestunde gehören: Darf ich annehmen, daß bei Ihnen ein bißchen doch das Gespür dafür aufgekommen ist, daß es vielleicht doch richtig gewesen wäre, den zuständigen Ausschuß auf der Basis schriftlicher Zahlen, d. h. durch eine vernünftige Unterlage zu unterrichten, so wie das durch den Brief der CDU/ CSU-Fraktion zum Ausdruck gebracht worden war. ({0})

Kurt Gscheidle (Minister:in)

Politiker ID: 11000745

Also, Herr Abgeordneter Pfeffermann, ich habe natürlich Verständnis dafür, daß wir den gleichen Tatbestand nicht immer gleich beurteilen. Aber aus meiner Erinnerung an den Ablauf einer über dreistündigen Sitzung des Postausschusses hatte ich nicht das Gefühl, daß irgendeine Frage nicht beantwortet wäre. ({0}) - Richtig. Nur, die Frage war im Postausschuß nicht gestellt worden. ({1})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Ich rufe die Frage 64 des Abgeordneten Maaß auf. Ist der Bundesregierung bekannt, wie sich die Postgebühren der Deutschen Bundespost zur Zeit und nach der geplanten Gebührenerhöhung im internationalen Vergleich stellen?

Kurt Gscheidle (Minister:in)

Politiker ID: 11000745

Herr Abgeordneter Maaß, nach einem im September 1980 aufgestellten internationalen Postgebührenvergleich nach Verbrauchergeld-Paritäten, bezogen auf den Standardbrief 20 Gramm, rangiert die Deutsche Bundespost an 6. Position. Die Bundesregierung hat gegenwärtig keine umfassende Kenntnis über Gebührenmaßnahmen ausländischer Postverwaltungen in diesem Jahr oder im nächsten Jahr. Bisher haben allerdings über Zeitungsmeldungen sowohl Italien als auch die schwedische Postverwaltung Postgebührenerhöhungen für 1981 angekündigt. Deshalb läßt sich, wie Sie verstehen, für 1982 kein zuverlässiger internationaler Vergleich anstellen. Soweit das unter diesen Vorbedingungen möglich ist, haben wir einen solchen Vergleich angestellt.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Wünschen Sie das Wort zu einer Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? - Nicht. Ich rufe die Frage 65 des Abgeordneten Maaß auf: Um wieviel werden sich die Ablieferungsbeträge der Deutschen Bundespost an den Bundeshaushalt durch die geplante Gebührenerhöhung in den Jahren 1982 bis 1985 erhöhen?

Kurt Gscheidle (Minister:in)

Politiker ID: 11000745

Es wird damit gerechnet, daß sich die Ablieferungsbeträge bei einer Gebührenmaßnahme in der Größenordnung von 2,3 Milliarden DM für ein Jahr 1982 um 185 Millionen DM - 4,7 % -, 1983 um 215 Millionen DM -5,3 % - und 1984 um 230 Millionen DM - 5,5 % - erhöhen werden. Die derzeitige mittelfristige Finanzplanung der Deutschen Bundespost geht lediglich bis 1984, so daß uns die Grunddaten fehlen, um die Rechnung für 1985 zu machen.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen behandelt. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie auf. Die Fragen 66 und 67 des Abgeordneten Cronenberg sind vom Fragesteller zurückgezogen. Die Fragen 68 und 69 des Abgeordneten Hauck, 70 und 71 des Abgeordneten Stockleben und 72 des Abgeordneten Stutzer werden auf Antrag der Fragesteller schriftlich beantwortet. Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie abgeschlossen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen auf. Bei den Fragen 73 und 74 des Abgeordneten Linsmeier und der Frage 75 des Abgeordneten Weinhofer bitten die Fragesteller um schriftliche Beantwortung. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Damit sind auch die Fragen aus diesem Geschäftsbereich behandelt. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär von Schoeler zur Verfügung. Ich rufe die Frage 76 des Abgeordneten Pensky auf. Ist er im Saal? - Nicht. Es wird entsprechend der Geschäftsordnung verfahren. Das gleiche gilt für die Frage 77 des Abgeordneten Pensky. Ich rufe die Frage 78 des Abgeordneten Conradi auf: Vizepräsident Windelen Hält die Bundesregierung angesichts der erschreckenden Ergebnisse der von ihr in Auftrag gegebenen Untersuchung über den Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland die Feststellung im Verfassungsschutzbericht 1979 aufrecht „Der Rechtsextremismus stellt weiterhin keine Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung dar"? von Schoeler, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege, die vom Verfassungsschutzbericht erfaßten rechtsextremistischen Bestrebungen sind nicht mit dem in der Sinus-Studie beschriebenen rechtsextremistischen Einstellungspotential identisch. Die von Ihnen zitierte Feststellung des Verfassungsschutzberichts 1979 bezieht sich entsprechend dem gesetzlichen Auftrag des Verfassungsschutzes auf rechtsextremistische Bestrebungen. Damit ist äußerlich wahrnehmbares Verhalten von Personen und Organisationen gemeint, das sich in Worten und Handlungen, in Erklärungen, Aktionen oder Mitgliedschaften ausprägt und objektiv erkannt werden kann. Demgegenüber befaßt sich die Sinus-Studie mit dem sogenannten rechtsextremistischen Einstellungspotential, d. h. mit Einstellungen, Meinungen und Werthaltungen. Das Sinus-Institut weist selber darauf hin, daß die Studie keine Aussagen über das Verhalten der Befragten machen kann. Daher sind die Aussagen der Verfassungsschutzberichte und der Sinus-Studie nicht direkt miteinander zu vergleichen. Wohl aber besteht ein innerer Zusammenhang insofern, als die Ergebnisse der Sinus-Studie die Bundesregierung in ihrer Auffassung bestätigen, daß es notwendig ist, den Gefahren des Rechtsextremismus schon im Vorfeld durch eine Vertiefung der geistig-politischen Auseinandersetzung mit rechtsextremistischem Gedankengut zu begegnen, bevor sich rechtsextremistische Einstellungen in Verhaltensweisen niederschlagen, die von den Verfassungsschutzbehörden erfaßt werden könnten.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Conradi.

Peter Conradi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000335, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wie erklärt sich die Bundesregierung - auch im Lichte der Erkenntnisse der vergangenen Wochen - die doch insgesamt eher verharmlosenden Formulierungen des Verfassungsschutzes zu den Aktivitäten rechtsextremer Gruppen? von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, der Verfassungsschutzbericht 1979 ist, wenn ich die allgemeine politische Diskussion des letzten Jahres in Erinnerung rufen darf, mehr mit dem Vorwurf konfrontiert worden, er überzeichne die Gefahren des Rechtsextremismus und verharmlose die des Linksextremismus. Ich meine, weder beim Rechts- noch beim Linksextremismus kann im Verfassungsschutzbericht von einer Verharmlosung gesprochen werden. In beiden Bereichen sind Sorgenpunkte analysiert worden. Für beide Bereiche gilt insgesamt allerdings die Bewertung, daß wohl eine Gefahr für die innere Sicherheit, aber keine für den Bestand der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in der Bundesrepublik Deutschland gegeben ist. Selbstverständlich bin ich, wenn Sie spezielle Wertungen des Verfassungsschutzberichtes interessieren, gern bereit, dazu Auskunft zu geben.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Ihre zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Conradi.

Peter Conradi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000335, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Könnte es sein, Herr Staatssekretär, daß Mitarbeiter des Verfassungsschutzes bei der Beobachtung und Beurteilung der Aktivitäten rechtsextremer Gruppen unter gelegentlichen Sehstörungen leiden? von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Conradi, ich habe dafür keinerlei Anhaltspunkte. Ich wäre im Interesse der Beamten, die dort tätig sind, auch dankbar, wenn Verdächtigungen hinsichtlich der Qualität der Arbeit nicht in allgemeiner Form ausgesprochen würden, sondern konkret gefragt würde, in welchen Bereichen die Beobachtungstätigkeit gegebenenfalls zu gering erscheint. Das würde mich in die Lage versetzen, hier zu konkreten Vorwürfen gegebenenfalls Stellung zu nehmen.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Ich rufe die Frage 79 des Abgeordneten Conradi auf: Wie vertragen sich die Ergebnisse der kürzlich vorgenommenen Durchsuchungen bei des Rechtsextremismus Verdächtigten mit der Behauptung im Verfassungsschutzbericht 1979, die Aktivitäten neonazistischer Gruppen hätten deutlich nachgelassen, und diese Tendenz habe sich 1980 fortgesetzt? von Schoeler, Parl. Staatssekretär: In der Folge exekutiver Maßnahmen in der zweiten Hälfte des Jahres 1979 waren die Aktivitäten einiger neonazistischer Gruppen nach der Einschätzung der Sicherheitsbehörden deutlich zurückgegangen. Diese Tendenz hatte zunächst auch Anfang letzten Jahres angehalten, hat sich aber im weiteren Verlauf des Jahres 1980 nicht fortgesetzt. Im Gegenteil, die Zahl der Ausschreitungen hat weiter zugenommen. Aus heutiger Sicht stellt sich die Situation in diesem Bereich wie folgt dar: Insbesondere neonazistische Bestrebungen treffen in der Bevölkerung zwar insgesamt nach wie vor auf scharfe Ablehnung, die Aussichtslosigkeit, auf politischem Wege Publizität und Einfluß zu erlangen, veranlaßte aber auch im letzten Jahr insbesondere Neonazis zu gewalttätigem Aktionismus. Kennzeichen dafür sind die Bombenexplosionen auf dem Münchener Oktoberfest, die Mordtaten des NS-Aktivisten Schubert an der deutsch-schweizerischen Grenze und die Anschläge der sogenannten Deutschen Aktionsgruppen. Insgesamt ist die Zahl der Gewalttaten im letzten Jahr weiter angestiegen. 1980 wurden 113 Gewaltakte erfaßt, 1979 waren es noch 97. In der Zahl für 1980 sind sechs Sprengstoffanschläge, zwei Tötungsdelikte, 15 Brandanschläge, zwei Raubüberfälle und 27 Körperverletzungen enthalten. Die Tendenz des Jahres 1980 wird auch im Verfassungsschutzbericht 1980 noch im einzelnen dargestellt werden, weitergehend als ich das hier jetzt gemacht habe.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Zu einer Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Conradi.

Peter Conradi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000335, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, darf ich Sie - in Anknüpfung an meine letzte Zusatzfrage - fragen, ob die Bundesregierung erwogen hat, den Fra2632 genkatalog der Sinus-Studie auch einmal auf Angehörige des Verfassungsschutzes anzuwenden, um die Ergebnisse dann mit denen der „allgemeinen" Bevölkerung zu vergleichen? von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Conradi, ich muß Sie wirklich bitten, hier allgemeine Vermutungen, die die Qualität der Mitarbeiter des Verfassungsschutzes in Zweifel ziehen können, zu unterlassen. Jedenfalls kann ich Ihnen keinerlei Bestätigung dafür liefern, im Gegenteil, ich muß sie zurückweisen. ({0})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Ihre zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Conradi.

Peter Conradi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000335, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Da wir uns offenbar mißverstanden haben - ich wollte gerade darauf hinweisen, daß eine solche Ausdehnung der Untersuchung Zweifel beheben könnte -, möchte ich zum Schluß fragen: Herr Staatsminister, darf ich Ihre Antworten dahin verstehen, daß Sie die Bekämpfung rechtsextremer Bestrebungen nicht allein dem Verfassungsschutz überlassen wollen, sondern daß die Bundesregierung auch nach anderen Möglichkeiten und Wegen sucht, dies zu tun? von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe bereits bei der ersten Frage darauf hingewiesen - das scheint mir sehr wichtig zu sein -, daß überhaupt die wichtigste Aufgabe bei der Bekämpfung jedweden Extremismus, auch des Rechtsextremismus, darin liegt, daß die politischen Parteien und sonstige Organisationen im Wege der Aufklärung und Vorbeugung tätig werden, um rechtsextremistischen Einstellungen zu begegnen. Erst dahinter rangiert die Aufgabe des Verfassungsschutzes, die als Beobachtungstätigkeit zur Information der Politiker dann greift, wenn es nicht gelungen ist, rechtsextremistische Einstellungsbildung in bestimmten Bevölkerungsteilen zu verhindern, sondern es sogar zu rechtsextremistischen Verhaltensweisen gekommen ist. Insofern kann ich Ihre Frage bejahen. Wichtig ist sicherlich die Aufklärung und Vorbeugung im Vorfeld der Tätigkeit rechtsextremistischer Organisationen zur Bekämpfung der Einstellung der Bevölkerung.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Graf von Waldburg-Zeil.

Alois Waldburg-Zeil (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002413, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, halten Sie die Fragen, die in der Sinus-Studie gestellt wurden, überhaupt für seriös, etwa daß die Frage, ob man Geborgenheit in der Familie suche, als Ansatz für rechtsextremistische Grundeinstellung gesehen wird? von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es war eine positive Wirkung der öffentlichen Diskussion über die Sinus-Studie, daß sie bisher nicht in eine parteipolitische Auseinandersetzung hineingezogen worden ist. Ich glaube, wir sollten das insgesamt auch so beibehalten. ({0}) Ich bin nicht Wissenschaftler und kann einzelne wissenschaftliche Methoden nicht im einzelnen beurteilen. Insgesamt gilt nach Meinung der Bundesregierung, daß die Sinus-Studie wertvolle Anregungen gibt. Diese werden sicherlich vertieft werden, wenn die Diskussion nach der Veröffentlichung der SinusStudie in Buchform noch breiter wird, als das bisher der Fall war.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Herr Abgeordneter Gansel, eine Zusatzfrage.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, da Sie im Zusammenhang mit der Frage des Kollegen Conradi das Münchener Sprengstoffattentat angesprochen haben, möchte ich Sie fragen, ob Sie an dieser Stelle etwas über den konkreten Stand der Ermittlungen sagen können; denn es ist ja erstaunlich, daß man bei einem so schrecklichen Verbrechen ein Jahr danach so wenig über die Ermittlungen und deren Erfolge erfährt. von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich bin gern bereit, Ihnen im Anschluß an die Fragestunde den konkreten Stand der Ermittlungen mitzuteilen. Ich kann das im Augenblick nicht tun, weil ich die entsprechenden Unterlagen hier nicht vorliegen habe.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger ({0}).

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung eigentlich einmal darüber nachgedacht, ob nicht auch die zunehmende Großzügigkeit und Milde der Bundesregierung, z. B. bei der Einstellung rechts- oder linksextremer Bewerber für den öffentlichen Dienst, dazu beigetragen hat, gerade bei Rechtsextremisten den möglicherweise falschen Eindruck zu erwecken, sie hätten nicht mehr mit einem entschlossenen Widerstand gegen ihr verfassungsfeindliches Treiben seitens der Bundesregierung zu rechnen? von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, ich bewundere Ihre Fähigkeit, auch anläßlich der Ausgangsfrage auf diese Fragestellung zu kommen. Ich muß Ihnen aber antworten, daß für Ihre Vermutung nach Auffassung der Bundesregierung keine Anhaltspunkte gegeben sind. ({0})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, um Ihre Antwort aufzugreifen, möchte ich Sie fragen, worin Sie die wertvollen Anregungen sehen, die die Bundesregierung aus der Subjektivität der Sinus-Studie beziehen konnte. von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Hupka, in der Sinus-Studie wird auf Einstellungspotentiale hingewiesen. Es ergibt interessante Hinweise für die Einschätzung, in welchem Umfang gewisse Einstellungen innerhalb der Bevölkerung vorhanden sind. Es ist in jedem Fall eine Aufforderung Parl. Staatssekretär von Schoeler dazu, wie bisher wachsam gegenüber rechtsextremistischen Einstellungen zu sein und alles hinsichtlich der Aufklärung über bestimmte Werteinstellungen zu tun, insbesondere solchen, die die Forderungen nach einem Führer, die Überhöhung von Werten der Volksgemeinschaft und ähnliches betreffen. Ich glaube, man kann bei objektiver Betrachtung dieser Studie in gar keiner Weise bestreiten, daß sie einen wichtigen Beitrag für die öffentliche Diskussion darstellt.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Frau Abgeordnete Dr. Wilms, eine Zusatzfrage.

Dr. Dorothee Wilms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002518, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, stellt die Bundesregierung bei Forschungsarbeiten nie auch methodenkritische Überlegungen an? von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, selbstverständlich wird man solche Überlegungen anstellen, aber ich habe es nicht als meine Aufgabe betrachtet, hier im einzelnen auf solche methodenkritische Überlegungen einzugehen.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Ich rufe Frage 80 des Abgeordneten Duve auf. Ist der Abgeordnete Duve im Saal? - Das ist nicht der Fall. Wir verfahren entsprechend der Geschäftsordnung. Ich rufe Frage 81 des Herrn Abgeordneten Duve auf. Herr Abgeordneter Duve hat um schriftliche Beantwortung ersucht. Es wird so verfahren. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Das gleiche gilt für die Frage 82 des Herrn Abgeordneten Gilges und Frage 83 der Frau Abgeordneten Dr. Lepsius. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe Frage 84 des Herrn Abgeordneten Dr. Laufs auf: Beabsichtigt die Bundesregierung, die Frage der Informationsfreiheit im öffentlichen Bereich, insbesondere das im westlichen Ausland vielfach verwirklichte und vom Europaparlament sowie dem Europarat geforderte Prinzip der Aktenöffentlichkeit in dieser Wahlperiode aufzugreifen und einer parlamentarischen Beratung zuzuführen? von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Wie ich am 6. März 1980 vor diesem Hause gelegentlich der ersten Lesung der Initiativentwürfe zur Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes ausgeführt habe, Herr Kollege, war im Bundesministerium des Innern damals gerade eine Projektgruppe aus Mitgliedern des Hauses zur Prüfung der Fragen des Informationszugangsrechts eingesetzt worden. Dies diente hauptsächlich dazu, ob, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Weise das in einigen ausländischen Staaten bereits verwirklichte Prinzip eines allgemeinen und freien Zugangs des Bürgers zu den Informationsbeständen der öffentlichen Verwaltung auch in der Bundesrepublik Deutschland realisiert werden kann. Dabei wird insbesondere auch einschlägiges Recht westlicher Staaten einer vergleichenden Analyse unterzogen. Nach Abschluß dieser Prüfarbeiten wird die Bundesregierung entscheiden, welches die erforderliche und angemessene Form der weiteren Behandlung dieses Themas ist.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Laufs.

Prof. Dr. Paul Laufs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, in welchem Zeitraum kann mit einer Konkretisierung der Überlegungen der Bundesregierung zu diesen Fragen gerechnet werden? von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Laufs, das läßt sich bei einer so umfangreichen Materie, bei der auch ausländische Erfahrungen in hohem Maße berücksichtigt werden, z. B. auch die Diskussion, die zu diesem Thema im Europarat stattfindet, schwer sagen. Ich meine aber, doch sagen zu können, daß man gegen Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres in der Lage ist, in einem ersten Zwischenbericht den Stand der Überlegungen darzustellen.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Laufs.

Prof. Dr. Paul Laufs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, könnten Sie mir, da die Bemühungen um Verbesserungen des Bundesdatenschutzgesetzes nun in eine eher konkrete Phase eintreten, darin zustimmen, daß der Schutz personenbezogener Daten vor dem Zugriff Dritter im Rahmen eines allgemeinen Persönlichkeitsschutzes zusammen mit dem Recht des Betroffenen auf Auskunft über seine Daten und auf Einsicht in Informationsvorgänge, die ihn angehen, gesehen werden muß und daß von daher die Bemühungen um die Verbesserung des Datenschutzrechts nicht einseitig angelegt werden sollten? von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Wenn ich Ihre Frage, Herr Kollege Laufs, richtig verstanden habe, dann stimme ich durchaus zu. Ich bitte nur, aus der zweifellos vorhandenen Beziehung zwischen den Datenschutzgesichtspunkten und der Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes auf der einen Seite und den Überlegungen über eine Verstärkung des Informationszugangs des Bürgers auf der anderen Seite nicht einen Zusammenhang der Art herzustellen, daß beide Projekte nur zeitgleich verfolgt werden könnten. Wir können unabhängig von den Überlegungen zur Verbesserung des Informationszugangs, bei denen selbstverständlich der Datenschutz immer berücksichtigt sein muß, die Überlegungen zur Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes, die von allen Fraktionen dieses Hauses ebenso wie von der Bundesregierung angestellt werden, vorantreiben.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Die Frage 85 des Herrn Abgeordneten Dr. Kübler ist aufgerufen: Sieht die Bundesregierung die Möglichkeit, ein wirksames Programm zur Vermeidung und Verringerung von Abfällen und Wegwerfprodukten zu erstellen, um das Ziel zu erreichen, die nur begrenzt vorhandenen Rohstoffe auf der Erde in höchstmöglichem Maße sparsam zu bewirtschaften? von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesregierung hat bereits 1975 mit ihrem Abfallwirtschaftsprogramm ein umfassendes Programm zur Verringerung und Verwertung von Abfällen vorgelegt. Dieses Programm hat eine grundsätzliche Neuorientierung der Abfallwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland eingeleitet. Intensive Anstrengungen von Bund, Ländern, Gemeinden und der Wirtschaft haben in der Zwischenzeit zu deutlichen Fortschritten auf dem Abfallgebiet, ins2634 Parl. Staatssekretär von Schoeler besondere auch bei der Kreislaufführung von Rohstoffen, geführt. Als Beispiele hierfür möchte ich nur die fast vollständige Verwertung von Autowracks und die deutliche Zunahme der Altreifen- und Altglasverwertung nennen. Das Abfallwirtschaftsprogramm ist nach wie vor gültiger Leitfaden für die Entwicklung der Abfallwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland. Die Bundesregierung ist bemüht, Maßnahmen und Teilziele dieses Programms in ständigem Dialog mit allen Beteiligten neuen Erfordernissen und Entwicklungen anzupassen. Dem Gesichtspunkt der Rohstoffeinsparung wird dabei - etwa im Bereich von Forschung und Entwicklung oder auf dem Gebiet der Verbraucheraufklärung - besonders Rechnung getragen.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Eine Zusatzfrage, bitte schön.

Dr. Klaus Kübler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001238, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß es sich hierbei um eine von Industrie, Handel und Verbrauchern gemeinsam zu verantwortende Aufgabe handelt? von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesregierung teilt diese Auffassung und appelliert deswegen bei jedweder Gelegenheit an die Industrie, diese Bemühungen zu unterstützen. In einigen Bereichen ist das bereits mit Erfolg geschehen.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Kübler.

Dr. Klaus Kübler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001238, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Hat die Bundesregierung deshalb die Hoffnung und die Absicht, mit dem Hauptverband der papier-, pappe- und kunststoffverarbeitenden Industrie Gespräche mit dem Ziel zu führen, zu Kompromissen zu kommen, um gesetzliche Maßnahmen zu vermeiden? von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wir gehen davon aus, daß die Novelle zum Abfallbeseitigungsgesetz, die Sie jetzt ansprechen, die in der letzten Legislaturperiode nicht mehr verabschiedet worden ist, im Laufe dieser Legislaturperiode neu in die parlamentarische Beratung eingebracht wird. Wenn es in Vorbereitung solcher gesetzgeberischen Maßnahmen gelingt, mit den beteiligten Industrieunternehmen eine Einigung zu erzielen, wird das sicherlich die Gesetzgebungsarbeiten fördern und beschleunigen.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Ich rufe die Frage 86 des Abgeordneten Dr. Kübler auf: Welche praktischen Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die Bürger unserer Republik konsequent und umfassend über die Notwendigkeit zur Einsparung von Rohstoffen zu informieren und dadurch auch zu einem aktiven eigenen Beitrag zum Umweltschutz zu motivieren, zum Zwecke der Einsparung von Rohstoffen solche Verbrauchsgüter bevorzugt zu kaufen, die Mehrwegverpackungen verwenden? von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Im Rahmen ihrer Zuständigkeit und der finanziellen Möglichkeit verteilt die Bundesregierung Informationsmaterial über abfallwirtschaftliche Probleme und Maßnahmen an die Öffentlichkeit. Sie unterstützt in diesem Zusammenhang auch Maßnahmen und Aufklärungsaktionen, wie sie von privaten Vereinigungen, z. B. der Aktion Saubere Landschaft e. V., und der Wirtschaft mit gleicher Zielsetzung durchgeführt werden. Darüber hinaus macht die Bundesregierung mit einer Reihe von konkreten Aktionen auf Notwendigkeit und praktische Möglichkeiten zur Rohstoffeinsparung aufmerksam. Hierzu gehören beispielsweise die Durchführung eines Bundeswettbewerbs zur umwelt- und rohstoffbewußten Produktgestaltung im Jahre 1980, die Verleihung des offiziellen Umweltzeichens für rohstoffsparende Mehrwegverpackungen, die Förderung eines großangelegten Marktversuchs mit neuen Milchmehrwegflaschen, die Durchführung von Demonstrationsvorhaben zur getrennten Sammlung von Abfallstoffen zum Zweck der Verwertung. Auch das diesjährige Motto des Tages der Umwelt am 5. Juni „Ende der Wegwerfgesellschaft" hatte zum Ziel, den Bürger auf die Notwendigkeit rohstoffsparenden Verhaltens hinzuweisen. Die Frage nach der Verwendung von Mehrwegverpackungen stellt sich für den Verbraucher in erster Linie bei Getränkeverpackungen. Die Bundesregierung sieht in diesem Bereich den Hauptansatzpunkt, um im Rahmen der öffentlichen Diskussion in Verhandlungen mit der Wirtschaft und den Verbraucherverbänden auf die Förderung des Mehrweggedankens hinzuwirken. In diesem Zusammenhang strebt die Bundesregierung eine weitgehende Kennzeichnung von Einweg- und Mehrwegverpakkungen an mit dem Ziel, den Verbraucher auf Mehrwegverpackungen hinzuweisen und den Leergutrücklauf zu vereinfachen. Die deutsche Getränkeindustrie hat zu einem großen Teil bereits zu erkennen gegeben, daß sie diese Überlegungen der Bundesregierung unterstützt und zu entsprechenden Maßnahmen bereit ist. Darüber hinaus ist die Bundesregierung der Auffassung, daß vor allem die Wirtschaft selbst die Verwendung von Mehrwegverpackungen im Rahmen von Werbung und Verbraucheraufklärung fördern sollte. Bisherige Anstrengungen in dieser Beziehung erscheinen noch nicht ausreichend und sollten verstärkt werden. ({0})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Ich rufe die Frage 87 des Abgeordneten Dr. Friedmann auf. Der Fragesteller hat um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ich rufe die Frage 88 des Abgeordneten Schreiner auf: Ist der Bundesregierung das Schreiben von Herrn Christian de Torquat, Leiter des „Service Central de Sûreté des Installations Nucléares" ({0}) vom 5. Februar 1978 bekannt, wo Herr Torquat nachdrücklich u. a. aus dem Gesichtspunkt der Bevölkerungsverteilung davor warnt, an Cattenom als Standort für vier Kernkraftwerke festzuhalten, und ist die Bundesregierung bereit, beim bevorstehenden Besuch des französischen Präsidenten in Bonn darauf hinzuwirken, daß die französische Regierung Cattenom als Standort für vier Kernkraftwerke aufgibt? von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Schreiner, der Bundesregierung ist das von Ihnen zitierte Schreiben nicht bekannt. Auch liegen der Bundesregierung keine derartigen offiziellen Aussagen Parl. Staatssekretär von Schoeler der französischen Regierung im Hinblick auf den Standort Cattenom vor. Die Bundesregierung hat jedoch die Deutsche Botschaft in Paris beauftragt, über diesen Sachverhalt nähere Auskünfte vom französischen Industrieministerium einzuholen. Über das Ergebnis werde ich Sie selbstverständlich gerne unterrichten. In Beantwortung einer schriftlichen Anfrage des Herrn Kollegen Hans-Werner Müller vom 19. Juni 1981 ist bereits darauf hingewiesen worden, daß die Bundesregierung bereits früher der französischen Regierung die deutsche Interessenlage und insbesondere den zu gewährleistenden Schutz der im Grenzgebiet lebenden deutschen Bevölkerung verdeutlicht hat und daß sie auch weiterhin ihre Möglichkeiten nutzen wird, um jede Gefährdung der im grenznahen Raum lebenden deutschen Bevölkerung auszuschließen. Ob das Thema des weiteren Ausbaus von Cattenom auch Gegenstand der Gespräche beim Besuch des französischen Staatspräsidenten in Bonn sein wird, steht derzeit noch nicht fest. In jedem Fall wird dieses Thema in den deutsch-französischen Gremien intensiv weiter behandelt.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Schreiner.

Ottmar Schreiner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002073, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, könnte die Bundesregierung bei ihren Bemühungen, ihren Informationsstand über die Deutsche Botschaft in Paris zu verbessern, die Klärung der Frage einbeziehen, ob die von mir eben genannte Genehmigungsabteilung für kerntechnische Einrichtungen im französischen Industrieministerium überhaupt eine Genehmigung in Sachen Cattenom ausgesprochen hat? Ich habe nämlich begründete Zweifel, ob eine Genehmigung seitens dieser Abteilung im Industrieministerium bisher überhaupt vorliegt. von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich werde gerne veranlassen, daß die Klärung dieser Frage einbezogen wird.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Zu einer zweiten Zusatzfrage, bitte schön, Herr Abgeordneter Schreiner.

Ottmar Schreiner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002073, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Könnte sich die Bundesregierung auch darum bemühen, zu klären, ob die Informationen des Magazins „stern" richtig sind, wonach der Leiter der eben genannten Abteilung bereits im Jahre 1977 den damaligen französischen Staatspräsidenten um ein Moratorium in Sachen Cattenom gebeten hatte und dieses Moratorium von dem damaligen Präsidenten abgelehnt worden ist? von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, soweit es möglich ist, werde ich mich gern auch um die Klärung dieser Frage bemühen, - wenngleich ich nicht weiß, ob es mir bzw. dem Auswärtigen Amt in diesem Fall gelingen wird. Aber ich werde das gern mit aufnehmen.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Zu einer weiteren Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller ({0}).

Hans Werner Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001550, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung schon Überlegungen darüber angestellt, wie angesichts der Distanz von nur zirka 10 km Luftlinie des Kernkraftwerkes Cattenom von der deutschen Grenze - und in welcher Form und unter welchen Umständen - vom deutschen Boden aus Messungen oder Feststellungen der eventuell eintretenden Umweltschäden getätigt werden könnten? von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, dafür ist die Zuständigkeit der jeweiligen Landesregierung gegeben. Ich bin aber selbstverständlich bereit, Sie über die Maßnahmen, die die zuständige Landesregierung dazu für erforderlich hält, zu informieren.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern sind damit behandelt. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf. Ich rufe die Frage 89 des Abgeordneten Gansel auf: Ist es zutreffend, daß zur Baubetreuung der vom chilenischen Militärregime bei der HDW in Kiel in Auftrag gegebenen U-Boote sich inzwischen vier chilenische Militärpersonen in der Bundesrepublik aufhalten, und wieweit haben Stellen der Bundesregierung bei der Legalisierung der Tätigkeit chilenischer Militärs im Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland mitgewirkt?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Bei Howaldtswerke Deutsche Werft in Kiel hält sich im Zusammenhang mit dem Bau von zwei U-Booten für die chilenische Marine eine Delegation des chilenischen Auftraggebers auf. Nach Auskunft der Werft besteht sie aus dem Delegationsleiter, vier Fachinspektoren, einem Sekretär und einem Dolmetscher. Ein Visumzwang für Besucher aus Chile besteht nicht. Die Mitglieder der chilenischen Delegation sind mit einem für ein halbes Jahr gültigen Sichtvermerk der deutschen Botschaft in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Dieses Tätigwerden der Botschaft entspricht der üblichen Handhabung bei Geschäftsreisenden, die beabsichtigen, sich länger als drei Monate in der Bundesrepublik Deutschland aufzuhalten.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gansel.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich glaube, es ist sinnvoll, Herr Präsident, wenn der Herr Staatssekretär die beiden Fragen zusammen beantwortet.

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Ja, ich danke Ihnen sehr für den Hinweis.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Dann rufe ich auch Frage 90 des Herrn Abgeordneten Gansel auf: Wie verträgt sich diese Entwicklung mit den Erklärungen von Mitgliedern der Bundesregierung, die Genehmigung für die Produktion der U- Boote für das chilenische Militärregime zu überprüfen?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

HDW besitzt eine gültige Genehmigung nach dem Kriegswaffenkontroll2636 Besetz zur Herstellung von zwei U-Booten für die chilenische Marine. Solange diese U-Boote gebaut werden, kann der chilenische Auftraggeber auch die Baubetreuung durchführen. Die Baubetreuung durch den Auftraggeber entspricht der im Schiffbau üblichen Praxis. Wie Sie aus meiner Antwort zu Ihrer ersten Frage entnehmen können, bedarf es keiner, wie Sie es nennen, Legalisierung der Tätigkeit der Chilenen durch Mitwirkung von Stellen der Bundesregierung. Die Überprüfung der erteilten Herstellungsgenehmigung ist unabhängig von diesem Vorgang zu sehen. Das eine präjudiziert nicht das andere und umgekehrt.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Wollen Sie eine Zusatzfrage stellen, Herr Abgeordneter? - Bitte schön.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, können Sie vielleicht Ihre hoffnungsvolle Auskunft, daß darin keine Präjudizierung liege, etwas konkretisieren?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Ich möchte damit sagen, daß die der sozialdemokratischen Fraktion zugesagte Überprüfung der Entscheidung des Bundessicherheitsrats damit nicht präjudiziert wird und daß damit auch die Entscheidung der Bundesregierung zum Zeitpunkt der Lieferung dieser U-Boote nicht präjudiziert wird, die ja erneut einer Befassung der Bundesregierung bedarf.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Gansel.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sehen Sie, da j a auch die Zeit und der Baufortschritt dabei ein Faktor sind und da die Gefahr besteht, daß sich auf chilenischer Seite der Eindruck verstärken könnte, weiterhin „gutgläubig" im Hinblick auf die Genehmigung einer Lieferung sein zu können, nicht doch die Gefahr, daß es für die Bundesregierung zunehmend schwieriger sein wird, unvoreingenommen den Sachverhalt zu überprüfen, und wo sehen Sie die zeitlichen Grenzen für die Überprüfung?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Herr Kollege, die Bundesregierung hat den Sachverhalt unvoreingenommen überprüft und ist zu einer Entscheidung gekommen. Diese Entscheidung ist aus bekannten politischen Gründen einer nochmaligen Prüfung zu unterziehen, - auf Grund der Zusage, die der Herr Bundeskanzler ja gemacht hat. Sicher ist richtig, daß diese Überprüfung rasch erfolgen soll. Aber ich möchte deutlich machen, daß der Zeitfaktor für diese Entscheidung keine entscheidende Rolle spielt, was Sie allein schon daraus entnehmen können, daß etwa die Ausfuhrgenehmigung unabhängig von der Herstellungsgenehmigung zu erteilen ist. Der Hinweis auf das Risiko, je weiter der Baufortschritt gediehen ist, desto größer die möglichen Schäden, die auf die Bundesregierung oder auf die Firma zukommen können, ist sicher richtig. Deshalb ist zutreffend, daß die Überprüfung schnellstmöglich abgeschlossen sein muß.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, darf ich Sie auf den Versprecher aufmerksam machen, der Ihnen unterlaufen ist, daß die Liefergenehmigung -

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Herr Abgeordneter Gansel, Sie können Fragen stellen, aber Sie können die Regierung nicht auf etwas aufmerksam machen, jedenfalls nicht auf diesem Wege.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Deshalb frage ich sie ja auch, ob ich sie aufmerksam machen darf, Herr Präsident - - daß nach dem Gesetz die Liefergenehmigung nicht zu erteilen ist, sondern daß bei der Genehmigung der Lieferung noch einmal zu überprüfen ist, ob diese in Übereinstimmung mit dem Kriegswaffenkontrollgesetz und den politischen Grundsätzen der Bundesregierung gesetzlich und politisch zulässig ist?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Ja, zu den dann bei der Erteilung der Ausfuhrgenehmigung gegebenen Umständen, die sich von den Umständen unterscheiden können, die bei der Herstellungsgenehmigung zugrunde gelegt worden sind.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, teilen Sie mit mir die Befürchtung, daß mit dem Andauern des Entscheidungsprozesses der Bundesregierung über den Zeitpunkt der Überprüfung der Lieferung oder der Produktion vor der Fertigstellung dieser U-Boote die Gefahr eines Glaubwürdigkeitsverlustes der Bundesregierung verbunden ist?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Ich teile diese Meinung nicht, aber ich teile Ihre Meinung, daß die zugesagte Überprüfung so rasch wie irgend möglich abgeschlossen werden muß.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, kann die Bundesregierung darüber Auskunft geben und hat sie Unterlagen, was es den Steuerzahler kosten würde, falls die beiden U-Boote nicht geliefert würden?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Nein, Herr Kollege. Darüber kann ich keine Auskunft geben, da es im Augenblick eine hypothetische Frage ist und deshalb eine Berechnung auch nicht angestellt werden kann.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Eine weitere Zusatzfrage Herr Abgeordneter Leuschner.

Kurt Leuschner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001335, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sind Sie angesichts der Tatsache, daß die Zusage des Bundeskanzlers an die Fraktion der SPD nun bereits mehrere Monate zurückliegt, wirklich außerstande, uns zu sagen, wann die zugesagte Überprüfung abgeschlossen ist?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Dazu bin ich leider im Augenblick nicht in der Lage, weil diese Überprüfung u. a. auch recht umfangreiche Ermittlungen über mögliche Schadensersatzansprüche voraussetzt, die nicht einfach durchzuführen sind. Im übrigen ist Ihnen wohl bekannt, daß die Bundesregierung gleichzeitig eine Vereinbarung getroffen hat, ihre Rüstungsexportpolitik zu überprüfen, und es liegt außerordentlich nahe, die Entscheidungen, die hier zu treffen sind, in diesem Gesamtzusammenhang zu stellen, der ja mit den Fraktionen des Deutschen Bundestages besprochen werden muß.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Ich rufe die Frage 91 des Abgeordneten Dr. Jens auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die Feststellung im Sondergutachten „Energie und Umwelt" vom März 1981, daß durch einen forcierten Zubau großer Kohle- und Kernkraftwerke die Chance der Kraft-WärmeKoppelung gefährdet wird, und hält sie ggf. eine Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes für erforderlich, damit zwingend der Einbau von Kraft-Wärme-Koppelung vorgeschrieben werden kann?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Die Bundesregierung geht mit dem Sachverständigenrat für Umweltfragen darin einig, daß für den beschleunigten Ausbau der Fernwärme der Zubau neuer Heizkraftwerke auf Kohlebasis erforderlich ist. Nach Auffassung der Bundesregierung besteht zwischen dem bedarfsgerechten Zubau großer Kraftwerkseinheiten auf der Basis von Steinkohle und Kernenergie für die Stromversorgung und der Errichtung neuer Heizkraftwerke allerdings kein Gegensatz; beide sind notwendig und ergänzen sich gegenseitig. Dank zunehmender wirtschaftlicher Attraktivität der Fernwärme und umfangreicher staatlicher Förderung ist auch eine ganze Reihe neuer Heizkraftwerksprojekte in Angriff genommen worden. Hierzu wird insbesondere das geplante Bund-Länder-Programm zum Bau von Kohleheizkraftwerken und zum Ausbau der Fernwärme weiter beitragen. Daneben müssen für die Stromversorgung zusätzlich in erheblichem Maße vor allem kostengünstig produzierende Grundlastkraftwerke gebaut werden. Wie auch der Rat anerkennt, kommen dafür nur große Kraftwerkseinheiten in Frage. Das sind in erster Linie Kernkraftwerke. Ebenso wie der Sachverständigenrat für Umweltfragen hält die Bundesregierung eine Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes derzeit nicht für erforderlich. Die hier geschilderte Entwicklung zeigt, daß die Versorgungsunternehmen den Bau von Heizkraftwerken mit Kraft-Wärme-Kopplung anstreben, wenn die technisch-wirtschaftlichen Voraussetzungen vorliegen. Zusätzliche Impulse für den Bau von Heizkraftwerken erwartet die Bundesregierung neben dem genannten Bund-Länder-Programm von einer verbesserten Standortvorsorge durch die Länder und mittelfristig auch von der Wirbelschichttechnologie.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Jens.

Prof. Dr. Uwe Jens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001026, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, denken Sie daran, unter Umständen eine Abwärmeabgabe zu erheben, um das volkswirtschaftlich Sinnvolle in Zukunft besser mit den betriebswirtschaftlichen Berechnungen in Einklang zu bringen?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Nein, daran ist nicht gedacht, Herr Kollege.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Keine weitere Zusatzfrage. Damit schließe ich die Fragestunde ab. Die weiteren Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Es ist das Wort zur Geschäftsordnung erbeten worden. Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Wilms.

Dr. Dorothee Wilms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002518, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion beantrage ich eine Aktuelle Stunde zum Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen. Die Antworten des Herrn Bundesministers jetzt in der Fragestunde haben gezeigt, daß sowohl der Postausschuß wie das Plenum dieses Hohen Hauses bislang nicht genügend über die Pläne zu einer Gebührenerhöhung unterrichtet worden sind. ({0}) Von daher sehen wir die Notwendigkeit, die anstehende Problematik der Gebührenerhöhung sowie ihrer Konsequenzen in einer Aktuellen Stunde vertiefend zu behandeln. ({1})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Es ist die Abhaltung einer Aktuellen Stunde beantragt worden, und zwar im Namen einer Fraktion. Damit sind die Voraussetzungen der Geschäftsordnung gegeben. Sie kennen die Modalitäten der Aktuellen Stunde. Sie dauert bis zu einer Stunde. Die Einzelbeiträge der Abgeordneten dieses Hauses dürfen fünf Minuten nicht überschreiten. Wir treten in die Aktuelle Stunde ein. Ich erteile Herrn Abgeordneten Pfeffermann das Wort.

Gerhard O. Pfeffermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001702, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit gut einem halben Jahr redet Minister Gscheidle von Postgebührenerhöhungen. Am 5. Dezember vorigen Jahres wurden sie mittelfristig, d. h. innerhalb der nächsten vier Jahre, angekündigt. Nur sechs Tage später verlautbarte aus dem Ministerium, man sei jetzt bei der Prüfung, in welchem Maße Erhöhungen notwendig seien. Zur gleichen Zeit war zu lesen, daß eine Erhöhung von durchschnittlich 30 % zu erwarten sei, so z. B. beim Standardbrief von 60 Pfennig auf 80 Pfennig. Einen Monat später versicherte der Minister vor dem Postausschuß, daß für 1981 keine Gebührenerhöhungen vorgesehen seien. ({0}) Dabei unterschlug er die zweimalige Erhöhung der Postreisegebühren für dieses Jahr und verweigerte auch jede Auskunft zu den Überlegungen in seinem Hause für das kommende Jahr. In der Zwischenzeit werden Erhöhungen von bis zu 60 %, wie z. B. bei der Standardmassendrucksache, öffentlich genannt. Der Minister aber ist nicht bereit, dem Deutschen Bundestag Auskunft über die beabsichtigten Erhöhungen im einzelnen zu geben. 1964 trat der Deutsche Bundestag wegen einer Gebührenerhöhung von 2 Pfennig in der Sommerpause zusammen. Hätte man es nicht als selbstverständlich annehmen dürfen, daß der Postminister bei den geplanten Erhöhungen in der genannten Größenordnung von sich aus zumindest den zuständigen Postausschuß über seine Gebührenabsichten hinreichend unterrichtet? Erst auf Anfrage begründete er im Ausschuß die Erhöhungen mit dem Gesamtfinanzbedarf, verweigerte aber auch dort die Auskunft über die Postgebühren im einzelnen. Entsprechende Fragen beantwortete er mit der Gegenfrage, ob man Verhandlungsvollmacht z. B. für den Versandhandel habe. Das ist eine geradezu groteske Situation für einen Minister gegenüber den Mitgliedern des Bundestages. ({1}) Selbst die Erläuterungen zur wirtschaftlichen Entwicklung und die daraus abgeleitete globale Begründung für die Notwendigkeit der Erhöhung wurden im Ausschuß nur mündlich vorgetragen. Das im Zusammenhang damit erstellte Zahlenwerk ließ der Minister zwar am gleichen Tag bei der Presse verteilen, den Mitgliedern des Ausschusses aber wurde es erst für die nächsten Tage in Aussicht gestellt. Deutlicher kann die Mißachtung des Parlaments durch den Minister nicht zum Ausdruck gebracht werden. ({2}) Hier wurde der Versuch unternommen, eine Sachdebatte abzuwürgen, um die Gebührenerhöhung möglichst heimlich während der Sommerpause über die Bühne zu bringen. So kann man nicht mit der Volksvertretung umspringen. Das ist ein miserabler Stil. ({3}) Wir verlangen heute eine klare Aussage des Postministers darüber, welche Gebühren er im einzelnen um wie viel zu erhöhen beabsichtigt. Die weitere Frage aber ist: Warum hat der Minister nicht mit seiner Ausarbeitung, die uns zugegangen ist - die wirtschaftlichen Gründe für geplante Gebührenmaßnahmen 1982 - auf Bundesregierung und Koalitionsfraktionen eingewirkt, als diese die Abgabe der Deutschen Bundespost an den Bund von 6 2/3 auf 10 % erhöhten? Rund 60 % der geplanten Mehreinnahmen von 2,1 Milliarden DM, nämlich 1,3 Milliarden DM, werden vom Bund als neue Poststeuer vorab vereinnahmt. Damals verteidigte der Postminister diesen Aderlaß der Post mit dem Hinweis auf die Freistellung der Post von der Umsatzsteuer. Heute rechnet er den Bürgern vor, daß die Erhöhung des Briefportos die Lebenshaltungskosten einer vierköpfigen Familie nur um 0,09 % erhöhe. In der FAZ vom 19. Juni heißt es dazu: Eine so treuherzige, um nicht zu sagen einfältige Rechnung übersieht völlig die schlimme Signalwirkung, die in aller Regel von administrativen Preissprüngen ausgeht. Andere öffentliche Verwaltungen werden sich eingeladen fühlen, dem schlechten Beispiel zu folgen. Das Ganze gibt den Blick darauf frei, wie sich die Regierung die Etatsanierung für das kommende Jahr vorstellt: Sie vergrößert trickreich die Einnahmeseite, statt die Ausgaben zu kürzen. ({4}) Die mittelstandsfeindliche Tendenz der Gebührenerhöhung gerade bei den Massendrucksachen wird mit dem Hinweis auf die Steigerung von 0,6 der Kosten am Umsatz des Versandhandels insgesamt abgetan. In der Praxis aber ist der Staat mit Preissteigerungen von 60 % für das kleine mittelständische Unternehmen nicht mehr kalkulierbar. Die Kritik am Monopolisten Post wird zunehmen, und die Suche nach anderen Märkten und Möglichkeiten wird der Post Kundschaft vertreiben, statt die Einnahmeseite auf Dauer zu verbessern. Herr Minister, Sie sind weder Sachwalter der Deutschen Bundespost noch Sachwalter der Bürgerschaft. Indem Sie sich als Handlanger einer miserablen Finanzpolitik mißbrauchen lassen, plündern Sie als Kabinettsmitglied die Kassen der Deutschen Bundespost, als Postminister die Taschen der Bürger. ({5}) Wir erwarten und hoffen, daß auch der Postverwaltungsrat diesen Weg so nicht mitgeht. ({6})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wuttke.

Günther Wuttke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002578, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich von hier in den Plenarsaal sehe und außerdem die Ausführungen vom Kollegen Pfeffermann nachwirken lasse, wird mir bewußt, wie aktuell die große Stunde der Union hier ist. ({0}) Die Unionspolitiker behaupten, sie seien schlecht informiert, der Bundespostminister halte hinter dem Berg, schlechthin: die Opposition weiß über Gebührenerhöhung bei der Post nichts oder zuwenig. Nun, wenn Sie nichts oder zuwenig wissen, dann wundert es mich, wie und was Sie hier und draußen reden, was Sie auf den Tisch legen, wie Sie so zu sagen pflegen. ({1}) Ich meine, wer sich beklagt, daß er schlecht informiert ist, daß er nichts weiß, und trotzdem so redet und schreibt, der tut das wider besseres Wissen; denn er redet über Dinge, die ihm nicht bekannt sind. ({2}) - Nein, das ist ja nichts Neues, denn das tun Sie ja oft. Ich bin sicher, daß die vom Minister im Ausschuß gegebenen Informationen über die beabsichtigte Gebührenerhöhung dem diskussionsfähigen Stand der Vorarbeiten entsprechen. Die Vorahnungen der OpWuttke position können meines Erachtens nicht Grundlage für eine Gebührendiskussion sein. Aber ich habe auch Verständnis für die Unionsvertreter, wenn sie bemüht sind, ein Feuerchen, das sie nun einmal angezündet haben, ständig zu schüren, damit es auch über die Sommerpause brennt. ({3}) Ich meine aber, das ist unredlich. Der Minister hat im Ausschuß genau erläutert, wie der Lauf der Dinge sein wird: daß er uns, also dem Postausschuß und dem Verwaltungsrat zugleich die gesamte umfassende und konkrete Vorlage über die beabsichtigte Gebührenerhöhung rechtzeitig zuleiten wird, ({4}) und zwar, nachdem er mit der Wirtschaft, den Verbraucherverbänden usw. gesprochen hat. Nach diesen Gesprächen ist ja auch erst die Erarbeitung einer endgültigen Gebührenvorlage möglich. Ich finde, man kann dieses Verfahren nur begrüßen. Meine Damen und Herren, ich habe vor zwei Jahren im Zusammenhang mit einem Antrag der CDU/ CSU zu Gebühren bei der Deutschen Bundespost gesagt, daß Postgebühren ein seriöses Thema seien und von der Opposition leider nicht seriös behandelt würden. Wer über Postgebühren redet, muß von der wirtschaftlichen Situation der Post ausgehen, und die wirtschaftliche Situation der Post ist nur über einen längeren Zeitraum gültig zu beschreiben. Aber eine seriöse Beschreibung muß nicht nur von der aktuellen wirtschaftlichen Situation ausgehen, sie muß auch vorhersehbare Trends und Risiken enthalten. Ich sprach auch davon, daß heutige Gewinne in langfristiger Perspektive deutlich absinken werden, daß auch der Kostendeckungsgrad im Fernmeldewesen rückläufig sein wird und daß die Risiken im intensiven Postbereich, wo die Post in großem Umfang gemeinwirtschaftliche Dienstleistungen erbringt, trotz nachweisbarer Rationalisierungsanstrengungen nicht geringer werden. Das alles hat auch heute Geltung. Man wird die Probleme nicht in einer Aktuellen Stunde lösen können. Dann bleibt für die Union eben nur, so meine ich, die Lust am Spaß. - Schönen Dank. ({5})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Das Wort hat der Abgeordnete Merker.

Rolf Merker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001479, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! An die Opposition: So ganz habe ich nicht verstanden, weshalb Sie hier heute nachmittag mit einer Aktuellen Stunde gekommen sind. Alle Fragen, die Sie gestellt haben, sind soeben in der Fragestunde beantwortet worden. Wenn Ihnen dies nicht genügt hat, dann hätten Sie eben bessere Fragen stellen müssen. Sie hätten dann auch bessere und intensivere Antworten auf das bekommen, was Sie eigentlich wissen wollen. Statt die Chancen einer Aktuellen Stunde zu nutzen, nämlich hier wirklich einmal etwas Aktuelles auf den Tisch zu legen, wirklich einmal aus dem Stegreif ein aktuelles Thema zu behandeln, lesen Sie hier Reden vor, die Sie schon längst vor der Fragestunde geschrieben haben, ({0}) und beklagen sich hier, daß in der Fragestunde nicht genügend Antworten gegeben worden seien, Herr Pfeffermann. Wir haben doch alle gewußt, daß das Thema - ({1}) - Herr Kollege Jäger, ich halte keine vorbereitete Rede. Ich bin soeben erst darüber informiert worden, daß Sie heute vorhaben, hier eine solche aktuelle Schau abzuziehen. ({2}) Wir wissen doch seit langem, daß das Thema einer Erhöhung der Postgebühren irgendwann auf uns zukommt. Es ist doch blauäugig, so zu tun, als gehe es hier um einen Bereich, in dem wir über Jahre hindurch ohne jede Gebührenerhöhung leben könnten. Ich gebe j a zu, daß auch wir davon ausgegangen sind, daß die erforderliche Erhöhung etwa in den Jahren 1982/83 erfolgen wird. Inzwischen haben wir von der Bundesregierung - da verstehe ich die Haltung der Opposition überhaupt nicht - ein umfangreiches Zahlenwerk in der letzten Sitzung des Postausschusses auf den Tisch gelegt bekommen. ({3}) - Aber sicherlich; Sie haben es doch inzwischen in den Händen. In der Fragestunde haben Sie doch soeben gesagt, daß Sie es inzwischen in Händen haben. ({4}) - Dann prüfen Sie doch einmal die Unterlagen, die Sie inzwischen in Händen haben, und dann lassen Sie uns in aller Ruhe darüber reden, welche Schlußfolgerungen aus Ihrer Prüfung zu ziehen sind. So werden wir es jedenfalls machen. Wir werden das uns vorgelegte Zahlenmaterial daraufhin prüfen, ob sich die Notwendigkeit ergibt, wenn ja: zu welchem Zeitpunkt, und in welcher Höhe die Postgebühren dann erhöht werden müssen. ({5}) - Nein, aber die Voraussetzungen für eine solche Entscheidung sind Ihnen in diesem Zahlenwerk geliefert worden. Lassen Sie uns doch einmal diese Zahlen ohne jede Aufregung, ohne jede Hektik prüfen! Lassen Sie uns dann darüber reden, in welcher Höhe die erforderliche Erhöhung vorgenommen werden muß. Das kann heute im Rahmen einer Aktuellen Stunde nicht übers Knie gebrochen werden. Dieses Problem kann auch in einer Aktuellen Stunde nicht gelöst werden. Ich glaube auch gar nicht, daß wir im Augenblick überhaupt am Zuge sind. Bei allem Respekt vor dem Wert eines Bundestages, aber in dieser Frage sind jetzt erst einmal die dafür zuständigen Gremien am Zuge. Es müssen also jetzt erst einmal in den anderen Gremien, im Postverwaltungsrat, entsprechende Entscheidungen gefällt werden. Meine Damen und Herren, gerade in den letzten Tagen hat die Opposition sehr laut über die derzeitige Situation der Bundesbahn lamentiert. Der Kollege Dr. Schulte hat von einem verhängnisvollen magischen Viereck gesprochen, das er bei der Bahn sieht. Ich widerspreche dem auch gar nicht, Herr Kollege Dr. Schulte, ich sehe die Schwierigkeiten der Bundesbahn natürlich auch. Sie haben sie mit diesem magischen Viereck beschrieben, das sich durch Schulden, steigende Verluste, sinkende Investitionskraft und das Ende der Rationalisierungsreserven darstellt. Ich widerspreche dem nicht. Um dieses aber zu vermeiden, um die Deutsche Bundespost nicht in die gleiche Situation zu bringen, in der die Deutsche Bundesbahn ist, müssen wir in aller Nüchternheit darüber reden, wann und in welchem Umfang eine Postgebührenerhöhung notwendig ist. Lassen Sie uns das doch gemeinsam machen! Eine Konfrontation in dieser Sache, noch dazu kurz vor der Sommerpause, lohnt sich doch in dieser Frage nicht. ({6})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schulte ({0}).

Dr. Dieter Schulte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002100, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Kollege Merker hat gerade gesagt, wir sollten über den Zeitpunkt und die Höhe der Gebühren bei der Bundespost miteinander reden. Fragen Sie den Bundespostminister - der Zeitpunkt steht fest, und die Höhe steht fest. Daß der Koalition eine Aktuelle Stunde zur Erhöhung der Postgebühren nicht gefallen würde, war klar. Aber sie muß sich eine parlamentarische Diskussion über dieses Thema gefallen lassen. Denn uns gefällt staatliche Preistreiberei nicht. ({0}) Was jetzt bei der Post vorgesehen ist, paßt in die Kontinuität der Finanzpolitik der Bundesregierung und ihrer Folgen. Vor kurzem hat sie das Benzin um 8 Pf verteuert, die Bahn erhöht ihre Tarife in kurzer Folge zweimal, und es ist staatliche Preistreiberei, wenn jetzt die Gebühren für Pakete und Briefe um 33 %, für Postkarten und Päckchen um 40 % und für die Massendrucksachen gar um 60 % erhöht werden sollen. ({1}) Ich möchte einmal die SPD hören, wenn sie solche Maßnahmen nicht alle selber zu verantworten hätte! ({2}) Es wurde vorhin von Herrn Wuttke wie auch von Herrn Merker beklagt, daß wir heute eine Aktuelle Stunde beantragt haben. Meine Damen und Herren, im Jahre 1964 hat die SPD eine Sondersitzung des Deutschen Bundestages wegen der Telefongebühren beantragt. Dies war in der Sommerpause. Damals ging es - man muß das einmal nachlesen - um einen Antrag der Abgeordneten Gscheidle und Genossen zur Gebührenpolitik der Bundespost. ({3}) Während die Mehrbelastung damals 300 Millionen DM betragen sollte, sind es heute mindestens 2 300 Millionen DM, die den Postkunden abverlangt werden sollen. ({4}) Daran wird sogar der Bundesfinanzminister mit 230 Millionen DM partizipieren. Noch vor drei Wochen hat die SPD anläßlich der Haushaltsberatung erklärt, die erhöhte Ablieferung der Bundespost an den Haushalt verteuere einen Brief um 2 Pf. Das war der Kollege Paterna. Heute reden wir nicht über 2 Pf, sondern über 20 Pf, und der Postminister macht im Südwestfunk die Ablieferung der Post an den Hauhalt dafür verantwortlich. Die Bundesregierung darf nicht so tun, als hätten wir bei den Postgebühren unbegrenzt Luft. In den 70er Jahren hat sie die Telefonkunden so nachhaltig zur Kasse gebeten, daß man einen Teil davon nachher wieder zurückgeben mußte. Jetzt ist der gelbe Bereich dran. Wir haben aber im internationalen Vergleich z. B. beim Standardbrief heute schon Spitzengebühren, und nach der geplanten Gebührenerhöhung werden wir ganz einsame Spitze sein. Daran werden auch die verschiedenen Berechnungs- oder, besser gesagt, Kaschierungsmethoden des Bundespostministers nichts ändern. In der Schweiz kostet halt der Brief umgerechnet 44 Pf, während er bei uns demnächst 80 Pf kosten soll. Aber all das wundert einen nicht; denn der Postminister erklärt im „Südwestfunk" ja selber, er sei von der Gebührenentwicklung nicht betroffen, weil er seine Briefe nicht frankieren brauche. ({5}) Aber die Botschaften, die wir aus dem Bundespostministerium gehört haben, sind noch nicht alle. Gestern erfuhren wir, daß die geplanten Gebührenerhöhungen um durchschnittlich 30 % nur einen Teil der Überlegungen darstellten. Die Erhöhung der Postgebühren soll künftig dynamisiert werden. Alle zwei Jahre sollen sie erhöht werden. Das gibt dann, ein bequemes Sofa. An die Möglichkeit, einzusparen oder zu rationalisieren, scheint man nicht mehr zu glauben. Wir fordern die Bundesregierung auf, endlich auch an den Postkunden zu denken. ({6})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Das Wort hat der Abgeordnete Paterna.

Peter Paterna (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001679, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Aktuelle Stunde ist offenbar nur ein Geschäftsordnungsbegriff; denn was an der Debatte, so wie sie bisher gelaufen ist, aktuell sein soll, ist mir unerfindlich geblieben. ({0}) Wir haben eine Fragestunde erlebt, in der außer den drei Fragestellern kein einziges Mitglied der CDU/CSU-Fraktion das Bedürfnis gehabt hat, den anwesenden Bundespostminister etwas zu fragen. Da kann Ihr Informationsdefizit so furchtbar groß eigentlich nicht sein. Der Sinn einer Aktuellen Stunde, so wie ich sie verstehe, kann doch nur darin bestehen, das aktuell aufzubereiten, was in der Fragestunde selbst an Antworten gegeben worden ist. Der Sinn kann doch nicht darin bestehen, eine bis zum letzten Punkt und Komma vorformulierte Protesterklärung zu verlesen, die natürlich getippt worden ist, bevor die Antworten des Ministers überhaupt gegeben worden sind. ({1}) Das Ganze ist also ein Schaugeschäft, um eine Presseerklärung loszuwerden, und nichts anderes. ({2}) Wenn Sie den Minister kritisieren, er mißachte das Parlament, kann ich nur feststellen: Der Minister hat im Ausschuß und hier heute Nachmittag alle Antworten gegeben, die er namens der Bundesregierung geben konnte ({3}) und die Sie von Ihm erfragt haben. ({4}) Was Sie mit dieser Aktuellen Stunde machen, ist allerdings eine Mißachtung des Parlaments; denn was Sie hier machen, verdient diesen Namen nicht. ({5}) Wenn Sie sagen, die Postgebühren hätten eine Signalwirkung, dann ist an diesem Argument schon etwas dran. Nur sage ich Ihnen: Ich wünsche mir bei allen Unternehmungen in diesem unseren Lande, daß Gebührenerhöhungen und Preise in ihrer Begründung so exakt offengelegt werden, wie das im Postbereich immer der Fall gewesen ist. ({6}) - Wenn Sie lachen, Herr Kollege Pfeffermann, ({7}) dann gucken Sie sich einmal den hinter mir sitzenden Präsidenten an, den Sie in den Postverwaltungsrat geschickt haben und von dem Sie sicherlich nicht behaupten wollen, ({8}) daß er es als langgedienter Vorsitzender des Haushaltsausschusses bei den entsprechenden Prüfungen etwa an der notwendigen Sorgfalt hat fehlen lassen. Der Verwaltungsrat ist im Auftrage des Parlaments tätig. Reden Sie doch nicht darum herum! ({9}) Ich will Ihnen sagen, was diese ganze Geschichte eigentlich soll. Sie wollen nämlich nur suggerieren, daß Sie keine Gelegenheit gehabt hätten, uns Ihre Meinung vorzutragen. Vor der Sommerpause sagen Sie: da kannten wir die Zahlen noch nicht!, und nach der Sommerpause werden Sie sagen: nun ist es leider zu spät! ({10}) Ich will Ihnen einmal sagen, was Sie alles könnten, wenn Sie wollten. Sie könnten sagen: überhaupt keine Gebührenerhöhungen, und könnten das begründen. Aber dann sagen Sie das gefälligst einmal, und rechnen Sie uns die Auswirkungen vor! ({11}) Sie könnten sagen: Gebührenerhöhungen ja, aber bitte nicht so hoch. Dann sagen Sie uns einmal, in welcher Höhe Sie Gebührenerhöhungen für gerechtfertigt halten! Sie könnten sagen: Gebührenerhöhungen nicht alle drei bis vier Jahre, sondern jährlich, so wie das die kommunalen Versorgungsunternehmen - auch da, wo Sie regieren - machen. Das wäre eine Anregung, über die man diskutieren könnte. Aber dann sagen Sie das doch einmal, damit man darüber reden kann! Sie könnten sagen: Der Postbetrieb ist unwirtschaftlich. Und Sie könnten mal versuchen, das zu begründen. Aber interessant ist ja, daß Sie dies nicht behaupten, weil Sie nämlich viel zu gut wissen, daß ein solcher Vorwurf nicht stimmen würde. Sie könnten sagen: Die Post muß mehr rationalisieren. Dann könnten Sie mal Vorschläge machen. Sie würden feststellen, daß dieser Betrieb, was seine Personalbemessung und seine Modernisierungsfähigkeit anlangt, ({12}) beispielhaft ist. Auch da fällt Ihnen nichts ein. Sie könnten sagen: Abstriche an der Qualität. Auch das sagen Sie nicht. Sie könnten sagen: Kostendeckende Preise im Postwesen. Da müßten Sie mindestens doppelt so viel erhöhen. Sie könnten beispielsweise sagen: Weniger Investitionen. Statt dessen sagen Sie: Mehr Investitionen; Kabelverteilnetz für 30 bis 50 Milliarden; es kommt überhaupt nicht darauf an. Und Sie könnnten natürlich letztlich sagen: Verzehr des Eigenkapitals; die Post hat's ja, nicht wahr. Und dann stellen Sie sich hinterher an die Klagemauer und weinen, wie Sie das immer über die Deutsche Bundesbahn tun. Wir werden alles tun, um zu verhindern, daß die Post in eine ähnliche Lage kommt wie die Bundes2642 bahn, und werden jedem Versuch, so durch die kalte Küche dies hier durch ein Einfrieren der Gebühren einzuleiten, widerstehen. - Vielen Dank. ({13})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Das Wort hat der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen. ({0})

Kurt Gscheidle (Minister:in)

Politiker ID: 11000745

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Warum Sie auf die Idee kommen, durch einen Zwischenruf festzustellen, dies sei ein schwerer Gang, verstehe ich nicht. Denn Sie werden doch selbst empfinden, daß die Fragen, die Sie stellen, schon deshalb niemandem Schwierigkeiten machen, weil sie ständig am Thema vorbeizielen. Ein offenkundiges Ärgernis für Sie ist es - das nehme ich ab, daß Sie das ärgert -, daß Sie als Parlamentarier in einem Zeitpunkt, wo es eine öffentliche Diskussion über eine den Bürger bewegende Gebührenerhöhung gibt, ({0}) nicht Ihrem Verständnis entsprechend in der Information und in der Beteiligung sind. ({1}) Nun war es aber die CDU/CSU, die das Postverwaltungsgesetz eingebracht und die grundsätzliche Entscheidung getroffen hat, daß nicht der Deutsche Bundestag über Gebühren entscheidet, sondern der Postverwaltungsrat. ({2}) Und es ist auch vorgeschrieben, wie dies in diesem Postverwaltungsrat stattfindet. Und jetzt will ich nochmals einen Versuch machen. Es sind ja vielleicht einige von Ihnen in der Absicht hierher gekommen, wenigstens zuzuhören. Das muß doch vom Ablauf her verständlich sein. Das erste, was ich machen kann, ist, festzustellen, ob wir auf Grund einer Entwicklung eine Gebührenerhöhung brauchen oder nicht. Da gibt es gar keinen Zweifel: Wenn die Post dabei bleiben will, die Investitionen zu tätigen, die Sie nach Ihren Fragen in diesem Haus und durch Ihre Anträge im Sinn der Innovation, Telekommunikation, Individualkommunikation etc. für notwendig halten, dann muß die Post gesund sein. Und es läßt sich über vier Jahre auch vorrechnen, was sie dazu benötigt. Wenn man dies rechnet, erkennt man: Die Post kommt in außerordentliche Schwierigkeiten hinsichtlich des Nettokreditbedarfs bei der Situation, wie der Kapitalmarkt sich für die nächsten Jahre darstellt. Darüber gab es eine öffentliche Diskussion. Herr Pfeffermann, wenn Sie sagen, der Postminister rede seit einem halben Jahr über Postgebühren, dann stimmt das nur insofern, als der Postminister Anlaß hat, seit einem halben Jahr öffentlich darauf hinzuweisen, welche finanzwirtschaftlichen Probleme sich stellen und welche Lösungsmöglichkeiten es dazu gibt. Eine davon - neben vielen anderen - ist natürlich die Gebührenerhöhung. Ihr Zitat aus Berlin, das Sie im Ausschuß gebracht haben, konnte ich inzwischen nachlesen. Dort haben Sie vorgelesen, der Postminister habe gesagt, er müsse die Postgebühren erhöhen. Gesagt habe ich dort, Herr Pfeffermann, daß bei diesen Maßnahmen, die vor uns stehen, ganz deutlich gemacht werden muß, daß der Postminister sich bei seinen eventuellen Gebührenmaßnahmen stärker an der tatsächlichen Kostenlage orientieren muß. Mehr habe ich dort nicht gesagt. ({3}) - Nun hören Sie bitte einen Augenblick mal einem Wort über den Ablauf zu. Am 16. Juni habe ich das Kabinett informiert und den Ausschuß informiert, und zwar auf Grund der gleichen Vorlage. Am 22. Juni war eine Sitzung des Arbeitsausschusses. Dadurch ergab sich eine Möglichkeit - weil der Vorsitzende darum gebeten hat -, daß der Staatssekretär mit der gleichen Unterlage eine Vorabinformation gab. Überall wurde die Frage gestellt: Wo können wir denn konkret Drucksachen sehen? Da mußte doch darauf hingewiesen werden, daß es eine gute Übung im Verfahren und ein Versprechen gibt, die organisierte Wirtschaft zu beteiligen. Es war ausgemacht, am 30. Juni 1981 Wirtschaftsvertretern im kleinen Kreis eine erste Information zu geben, am 6. Juli im Postausschuß des DIHT und am 13. Juli 1981 im Postverwaltungsrat zu diskutieren. Das heißt, dort wird versucht, durch Diskussion z. B. etwas über Preiselastizität zu erfahren. Die Vorbereitungszeiten, die die Wirtschaft benötigt, sind beim Paketdienst anders als bei Massendrucksachen. Da sind für uns Probleme hinsichtlich des Druckens von Gebühren zu beachten. Da brauchen wir neue Marken, die Automaten müssen umgestellt werden etc. ({4}) Das heißt, daß man von dem ausgehen muß, was man erreichen möchte. Man muß also z. B. den Beamten, die so etwas erarbeiten, als Grundziel vorgeben: Schließt die und die Lücke über vier Jahre. Wenn wir die Lücke nicht schließen würden ({5}) - vielleicht verstehen Sie, was Sie sagen wollten, aber sonst wohl niemand -, wenn bei der Finanzierung nichts passiert, dann würde sich der Nettokreditbedarf von 5 Milliarden DM im Jahre 1981 über 6,5 Milliarden DM in 1982 und 7,5 Milliarden DM im Jahre 1983 auf 9 Milliarden DM im Jahre 1984 erhöhen. Sie wissen - da brauchen Sie nur mit Ihrer Großbank zu reden oder die Zeitung zu lesen -, daß dies nicht darstellbar ist. ({6}) Sie müssen etwas unternehmen, um die Staatsfinanzen in Ordnung zu bringen. Ein Unternehmen mit eiBundesminister Gscheidle nem Umsatz von 40 Milliarden DM bei einer Gesamtbilanz von 80 Milliarden DM - ({7}) - Lieber Herr Pfeffermann, Ihre Kenntnisse als Abgeordneter gehen doch so weit, daß Sie wissen, daß hinsichtlich des Haushalts der Gesetzgeber zu entscheiden hat, ob er etwas macht, was die Regierung vorhat. Handlungsfähig wurde ich doch erst in dem Augenblick, als klar war, daß dieser Bundestag dies beschließt. In diesem Zeitpunkt wurde damit begonnen, die entsprechenden Vorlagen zu erarbeiten. ({8}) Das Hauptziel dabei ist, diese Lücke so zu schließen, daß keine Kapitalmarktstörungen eintreten. Und jetzt beginnen die Erörterungen: Als Eckpunkt - das hat man immer so gemacht - nimmt man den Standardbrief, weil man an ihm auf Grund der ganzen Konstruktion der Gebühren bestimmen kann, wie groß die Erhöhung sein muß; das sind diese 20 Pfennig. Nun haben Sie die 33'13 %, die in der Tat erschreckend sind, angeführt und damit eine öffentliche Diskussion, die j a andere auch führen, entfacht. Dazu muß ich Ihnen einmal sagen: Es wäre ein leichtes gewesen, sich bei den früheren Postministern - einen sehe ich hier bei Ihnen - zu erkundigen, welche Sprünge das denn früher waren. 1966 haben Sie diese Eckgebühr beim Standardbrief um 50 % erhöht; gleichfalls um 50 % haben Sie 1963 die Postkartengebühr erhöht. ({9}) 1971 wurden die Drucksachengebühren um 100 % erhöht. Das heißt, Sie können doch nicht davon ausgehen, daß hier etwas passiert, was es noch nicht gegeben hat. Sie sagen - ein Sprecher von Ihnen -: und jetzt hört man aus dem Postministerium, daß sie auch noch alle zwei Jahre die Gebühren erhöhen wollen. Nun, da war eine Tagung in Berlin, und ein Referent meines Hauses, der dort referiert hat, hat unter Postkollegen die alte Idee - die haben alle Postminister schon einmal gehabt - vorgetragen: Wenn wir nicht so große Sprünge machen wollen, dann müssen wir die Gebühren in kürzeren Zeitabständen anheben. Die letzte Erhöhung war zum 1. Januar 1979. Wenn Sie sich einmal die Mühe machen würden, sich hinsichtlich der Kostensteigerungen sachkundig zu machen - Sie könnten über Ihre Kollegen im Verwaltungsrat die posttypischen erfahren -, dann würden Sie sehen, wie sich die Kosten, bezogen auf 1979, entwickelt haben. Da wegen ihres hohen Anteils immer nur von den Personalkosten geredet wird, darf ich Ihnen einmal folgendes sagen. In diesem Zeitraum sind die Personalkosten auf Grund von Beschlüssen, die für den öffentlichen Dienst allgemein gefaßt werden, um 29,5 % gestiegen. Die Sachkosten, die wir zu verkraften haben - die allgemeine Entwicklung nachvollziehend -, machen 47,6 % aus. Dies sind alles Informationen, die Sie von Ihren eigenen Kollegen bekommen können. Ich glaube nicht, daß Sie den ernsthaften Versuch unternehmen wollten, durch die Aktuelle Stunde weiterzukommen. Wenigstens ergibt sich das nicht aus der Anlage Ihrer bisherigen Diskussionsbeiträge. Wenn Sie den Wunsch hätten, zur richtigen Zeit in die Diskussion hineinzukommen, dann müßten Sie sich an der SPD-Fraktion oder der FDP-Fraktion ein Beispiel nehmen. Die haben gesagt: In dem Augenblick, wo die Vorlage fertig ist, möchten wir gern zu dem Zeitpunkt, wo auch der Verwaltungsrat diese Vorlage bekommt, die Möglichkeit erhalten, in eine Meinungsbildung einzutreten, um mit unseren Kollegen im Verwaltungsrat zu diskutieren. Das machen die. Warum Sie das nicht machen, sondern hier eine Schau abziehen, das verstehe ich nun wirklich nicht. ({10})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen, es wird hier keine Schau abgezogen. ({0}) So geht es nicht. Es ist hier von der in der Geschäftsordnung vorgesehenen Aktuellen Stunde Gebrauch gemacht worden, und dies steht jeder Fraktion zu. - Damit haben wir das wieder bereinigt. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Linsmeier.

Josef Linsmeier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001350, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich eingangs auf einige Bemerkungen eingehen, die vorher hier gefallen sind. Ich denke hier zuerst an den Katalog der Fragen, die der Herr Kollege Paterna so liebenswürdig an uns gerichtet hat. ({0}) - Herr Kollege Paterna, es ist ein grundsätzliches Mißverständnis zu meinen, daß wir diese Fragen beantworten müssen. Die Fragen, die Sie gestellt haben, muß der Minister beantworten. ({1}) Der Minister ist beweispflichtig; er will die Gebühren erhöhen. Ich habe den Eindruck, er ist nicht nur beweispflichtig, er ist auch in Beweisnot. ({2}) Es hat mich verwundert, daß die SPD-Fraktion, die sich ihrer parlamentarischen Tradition zu Recht rühmt, in dem Augenblick, wo eine andere Fraktion das Recht der Geschäftsordnung zu einer Aktuellen Stunde für sich in Anspruch nimmt, dies mit nahezu unglaublichen Worten herabwürdigt. Das sollten Sie sich auch selbst nicht antun, meine Damen und Herren von der SPD! ({3}) - Sehen Sie, das ist genau Ihr Punkt. Was Sie wollen, wollen Sie nur zu Ihren Gunsten auslegen; aber damit gehen Sie in diesem Fall am grundsätzlichen Verständnis der parlamentarischen Demokratie vorbei. ({4}) Herr Minister, die Fraktion der CDU/CSU wollte Ihnen hier heute die Chance geben, das, was Ihre Pressesprecherin an materiellem nicht gesagt hat, hier endlich dem Parlament zu sagen. Das war die Chance, von der Sie leider keinen Gebrauch gemacht haben. Statt dessen haben Sie versucht, uns hier mit Formalien abzuspeisen. ({5}) Die Entwicklung im Postwesen macht uns allen Sorge. Die Verkehrsentwicklung stagniert. Der Minister sagt: Die Tendenz ist weiter rückläufig. ({6}) Das Postwesen ist seit Jahren defizitär, die Kostendeckung liegt bei 80 bis 87 %. Angesichts dieser Situation erhöht sich die Kostenunterdeckung bei stagnierendem Verkehrsaufkommen derzeit pro Jahr um zirka 1 Milliarde DM. Dabei erhöhte sich der Beschäftigtenstand in den letzten drei Jahren um zirka 7 000 Personen. Herr Minister, bevor wir hier weiter über Gebührenerhöhungen sprechen, müssen wir auch über Rationalisierungen sprechen. ({7}) Wir müssen feststellen, daß die Bundespost im Postwesen in den letzten Jahren durch Rationalisierungsmaßnahmen nicht einmal das verdient hat, was sie an sozialen Maßnahmen an ihre Mitarbeiter weitergegeben hat. Wenn das in der Privatwirtschaft so wäre, würde das zum Ruin führen. Die Post hat natürlich - um auf einen Zwischenruf einzugehen - mit ihren Slogans großes Pech. Als damals der Slogan hieß: „Ruf mal wieder an!", gab es anschließend eine Gebührenerhöhung. Nachdem jetzt der Slogan gekommen ist: Schreib mal wieder!, gibt es auch eine Gebührenerhöhung, Herr Minister, nach dem Motto: Schreib' mal wieder, bald wird es teurer! ({8}) Ich meine, der Bürger hat diesen inneren Zusammenhang von Gebührenerhöhung und Werbung nicht verdient. Herr Minister, Sie werden uns in diesem Zusammenhang sicher noch Vorlagen geben, und darum möchte ich Sie bitten; denn das, was wir bisher bekommen haben, reicht bei weitem nicht aus. Es deckt z. B. nicht ab, welche aktive Marktpolitik die Bundespost im Postwesen betreiben kann. Da denke ich nicht nur an den Versand von Hotelzimmerschlüsseln, der gerade erprobt wird. Damit will ich nicht andeuten, daß ich etwas gegen neue Ideen hätte. Aber bei diesen neuen Ideen muß doch auch festgestellt werden, ob sie im Konkreten etwas bringen, ob sie schwarze Zahlen oder ob sie nur mehr Stundenleistung bringen. Herr Minister, nachdem wir Ihnen die Zahlen, die sie uns bisher gegeben haben, immer mühsam rausziehen mußten, ({9}) möchte ich Sie bitten, uns für die nächste Sitzung des Ausschusses für das Post- und Fernmeldewesen des Deutschen Bundestages einmal alle Zahlen für das Postwesen von vornherein vorzulegen. Diese Bitte richte ich an Sie, damit die Arbeit im Postausschuß fruchtbar vorwärtsgehen kann. - Danke schön. ({10})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bernrath.

Hans Gottfried Bernrath (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000161, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst, Herr Linsmeier, möchte ich Ihnen in Erinnerung rufen, daß der Minister sowohl im Ausschuß als auch im Plenum bisher jede von der Opposition gestellte Frage beantwortet hat. Die Tatsache, daß Sie keine Nachfragen gestellt haben, beweist, daß Sie mit den Antworten etwas anfangen und sich daraus Ihr Urteil bilden konnten. ({0}) Ich will Ihnen darum das Wesentliche der Antworten und Argumente, die wir bisher kennengelernt haben, stichwortartig noch einmal in Erinnerung rufen. Es ergibt sich nämlich folgendes Bild: Die Gebühren werden in einem Unternehmen erhöht, das zugegebenermaßen gesund ist, das aber in einem Teilbereich, den wir die „gelbe Post" nennen - Briefe, Pakete, Postscheck- und Postbankdienste -, die bekannte Unterdeckung hat, die besorgt macht, und die wir auch über die Gebührenentwicklung in Grenzen halten müssen. Diese Unterdeckung im Bereich des Postwesens ergibt sich im wesentlichen aus drei Bedingungen: einmal aus der Personalintensität in diesem Bereich; 70 % der Ausgaben sind Personalkosten. Damit unterliegt dieser Unternehmensbereich einer gegenüber der üblichen Entwicklung im gesamten Dienstleistungsbereich überproportionalen Kostensteigerung. Ich brauche nicht zu wiederholen, was der Minister eben in der Fragestunde etwa zum Vergleich zu anderen Dienstleistungsbereichen gesagt hat. Das zweite ist, daß die Post - gerade auch im internationalen Vergleich - mit Qualitätsstandards arbeitet, die eine dieser Ursachen für die Personalintensität sind, die aber auch ein wichtiger Beitrag für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes insgesamt sind. Zum dritten arbeitet sie gerade im BeBernrath reich der „gelben Post" auch unter Konkurrenzbedingungen - beispielsweise im Paketdienst besitzt sie nur 25 % des Marktanteils -, die für sie außerordentlich belastend sind, nämlich zu privatrechtlich organisierten Unternehmen, die, wie wir gemeinhin sagen, Rosinenpickerei betreiben, während die Post den gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unterliegt. Daraus ergeben sich eben die Kostendekkungsgrade, von denen wir heute mehrmals gehört haben, die zwischen 50 % und 93 % liegen, davon ausgenommen der Postschecküberweisungsdienst, der mit 102 % knapp eine Kostendeckung hat. Der innere Ausgleich im finanzwirtschaftlichen Bereich der Post ist also auch eine Aufgabe der Gebührenpolitik. Diese Gebührenpolitik und diese jetzt vorgesehene Anpassung steht nicht im Widerspruch etwa zur Erhöhung der Ablieferung an den Bund; denn die Gebühren selbst müssen zur Kostendekkung führen und müssen es auch möglich machen, einen Beitrag zur Selbstfinanzierung zu erwirtschaften. Hier möchte ich, obwohl man natürlich über die Höhe der Ablieferungen streiten kann, auch darüber, wie lange das anhalten soll, nur daran erinnern, daß der Bund in den zurückliegenden Jahren gerade zur Verbesserung der Investitionsleistungen der Post auf Ablieferungen in einem Betrag von über 10 Milliarden DM verzichtet hat. Ein letzter Hinweis zur staatlichen Preistreiberei oder zu Ihrer Forderung nach Rationalisierungsmaßnahmen: Ich darf Ihnen nur zwei Zahlen, die Ihnen sicherlich bekannt sind, in Erinnerung rufen. Zum einen sind die Verkehrsleistungen der Post von 1970 bis 1980 von 100 % auf 105 % gestiegen. Im gleichen Zeitraum ist zum anderen der Personalbestand nur auf 102,5 % gestiegen. Die Zahl der Beschäftigtenstunden - das ist also die Leistung des Personals abzüglich Urlaub und der Dinge, die nicht dem Einfluß des Arbeitgebers unterliegen - ist im gleichen Zeitraum von 100 % auf 93,3 % gesunken. Das ist ein Gradmesser für die Rationalisierungsanstrengungen der Post. Hier muß ich gerade Sie, Herr Pfeffermann, der Sie sich j a auch immer wieder deutlich dazu äußern, fragen, wie Sie dann die Forderung nach mehr Rationalisierung mit Ihrem ständigen Monieren vereinbaren, etwa des Verhaltens des Postministers bei der Abgeltung von Überstunden, beim Entgelt der Schichtdienste, bei den Bildschirmarbeitsplätzen, bei der Personalbemessung, in der OPD-Organisation, im Landpostdienst, wo Sie alle Rationalisierungsmaßnahmen verworfen haben, wo Sie die Öffentlichkeit kritisch und dabei auch verzerrend darauf hingewiesen haben, daß hier etwas Unverantwortliches geschehe. Das waren aber die Grundlagen für die Erfolge, die die Post hat. Ich sage noch einmal: Die Personalintensität zwingt jedes Unternehmen, die Gebühren anzupassen. Von daher glaube ich, daß die Argumente hier ausreichend dargelegt worden sind. Ich danke Ihnen. ({1})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Riemer.

Dr. Horst Ludwig Riemer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001848, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage „Gebührenerhöhung ja oder nein?" läßt sich ganz sicher nicht in fünf Minuten sachgerecht entscheiden. Dazu ist mehr Entscheidungsarbeit erforderlich. Darüber sind wir uns alle im klaren. Die Aktuelle Stunde ist ein sehr ungeeignetes Instrument dafür. Einig sind wir uns aber darüber, daß die Kosten überall in der Wirtschaft steigen, auch bei der Post insbesondere in den personalintensiven Bereichen. Deshalb werden Gebührenerhöhungen auch nicht vermeidbar sein. Die entscheidende Frage, mit der wir uns beschäftigen müssen, ist aber die: wann und wie hoch? Darum geht es. Natürlich haben die „gelben Dienste" bereits ein Defizit; dem steht aber ein Überschuß im Fernmeldebereich gegenüber. Sicher sind wir auch alle der Ansicht - das habe ich jedenfalls aus den Diskussionsbeiträgen entnommen -, daß nur da, wo die Defizite entstehen, Gebühren erhöht werden können. Wir können nicht etwa die Gebühren im Fernmeldebereich noch weiter erhöhen, um damit eben die Defizite im Bereich der „gelben Dienste" abzudecken. Das ist klar. Da wir aber zur Zeit Oberschüsse im Fernmeldebereich haben und wenn diese Überschüsse nicht schon jetzt und voll, sondern vielleicht erst viel später zur Abdeckung von Kosten für notwendige Investitionen gebraucht werden, ist es durchaus möglich, daß wir eben die Gebührenerhöhung nicht schon jetzt und nicht in dieser Höhe brauchen. Diese Frage muß geklärt werden. Es muß also festgestellt werden - damit eben nicht auch die Post ein chronisch defizitäres Unternehmen wird -, wieviel von den Überschüssen tatsächlich in absehbarer Zeit in Anspruch genommen wird. Diese Frage beschäftigt uns in der FDP-Fraktion seit einigen Wochen. Wir werden an Hand der Unterlagen, die wir zum Teil schon haben, aber die wir auch noch angefordert haben und die ganz sicher auch noch dem Postausschuß vorgelegt werden, prüfen, wann der Zeitpunkt gekommen ist und in welcher Höhe dann Gebühren erhöht werden müssen. Im Augenblick läßt sich das jedenfalls nicht feststellen. Sie haben, wie ich glaube, mit dieser Aktuellen Stunde das Problem nicht einen Schritt einer Lösung näher gebracht. Ich glaube, es ging Ihnen - was wir am Anfang nur vermutet haben, hat sich bestätigt - im wesentlichen darum, das Thema anzuheizen. Aber gerade dieses Thema kann das nicht vertragen. ({0}) Denn wer diese Frage richtig beantworten will, muß kühlen und klaren Kopf behalten. ({1})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter Neuhaus.

Alfred Hubertus Neuhaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001590, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen, die ersten öffentlichen Erklärungen kamen aus Ihrem Hause, und zwar von Ih2646 rem Parlamentarischen Staatssekretär, und zwar bevor die Erhöhung der Postablieferung beschlossen wurde, gegen die Sie j a persönlich in Wirklichkeit waren. Sie glaubten vielleicht, mit dem Anheizen dieser Diskussion die Erhöhung der Postablieferung im eigenen Bundeskabinett doch noch verhindern zu können. ({0}) Das ist der eigentliche Grund. Damit sind Sie nicht durchgekommen. Jetzt machen Sie es vor der Sommerpause in der Hoffnung, daß die Bürger es bis zur Beratung des Haushalts 1982 wieder vergessen haben. Sie konnten sich im Kabinett, Sie konnten sich in Ihrer ehemaligen Fraktion nicht durchsetzen, und die Zeche zahlt jetzt der Bürger. Hier liegt doch der eigentliche Grund für diese Situation, vor der wir heute stehen. ({1})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Keine weiteren Wortmeldungen mehr. Das ist die erste Aktuelle Stunde, die keine Stunde gedauert hat. ({0}) Wir fahren in der Tagesordnung fort. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebenten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes - Drucksache 9/410 - a) Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 9/604 - Berichterstatter: Abgeordnete Dr. Stavenhagen Westphal b) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft ({2}) - Drucksache 9/603 - Berichterstatter: Abgeordnete Frau Schmidt ({3}) Frau von Braun-Stützer ({4}) Wird das Wort von einem der Berichterstatter gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Interfraktionell ist für die Aussprache eine Redezeit von 90 Minuten vorgesehen. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Geiger.

Michaela Geiger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000649, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das vorliegende Siebente Änderungsgesetz zum Bundesausbildungsförderungsgesetz - kurz BAföG genannt - bringt einige dringend erforderliche Verbesserungen für die Auszubildenden und ihre Familien. Wir akzeptieren den von der Bundesregierung gesetzten Finanzrahmen von 2,4 Milliarden DM Bundesanteil für die Jahre bis 1984. Denn angesichts der desolaten Haushaltslage dürfen gerade im Hinblick auf die heranwachsende Generation keine neuen Schulden mehr aufgehäuft werden. ({0}) Wir werden dieses Siebente Änderungsgesetz aber dennoch ablehnen, erstens, weil die Finanzierungsgrundlage dieses Gesetzes ungenügend ist, und zweitens, weil es längst an der Zeit ist, eine tiefgreifende Neugestaltung des BAföG einzuleiten. ({1}) Dieses Siebente Änderungsgesetz wäre eine gute Gelegenheit dazu gewesen. Die Bundesregierung und die SPD/FDP-Koalition waren aber dazu nicht bereit. Sie waren nicht einmal dazu zu bewegen, unsere Änderungsanträge anzunehmen. Das wäre ein gemeinsamer Schritt in die richtige Richtung gewesen. ({2}) Über all den lauten Studentenprotesten der letzten Wochen vergißt man nämlich ganz, daß es in unserer Bevölkerung - um jetzt einmal ein Modewort der Bildungspolitik in umgekehrter Richtung zu nennen - bereits eine Akzeptanzkrise in Sachen BAföG gibt. In meinem Wahlkreis brauche ich nicht mehr zu erzählen, daß ich mich mit BAföG befasse; dann hagelt es nämlich ständig wütende Proteste; wohlgemerkt nicht von Schülern und Studenten, sondern von den aufgebrachten Steuerzahlern. Unsere Vorschläge hätten dazu beigetragen, das BAföG in den Augen unserer Bürger etwas sinnvoller und gerechtfertigter erscheinen zu lassen. ({3}) Aber zunächst zu den mangelnden Finanzierungsgrundlagen dieses siebenten Änderungsgesetzes. Wir haben uns in unserem Ausschuß für Bildung und Wissenschaft bemüht, nähere Auskünfte über die sehr allgemeinen Angaben der Bundesregierung zu bekommen; allerdings völlig vergeblich. Über die tatsächlichen finanziellen Auswirkungen konnte selbst das Bundesfinanzministerium keine befriedigende Antwort geben, und hier will ich Ihnen nur zwei der Antworten des Vertreters des Finanzministeriums an uns zur Probe vortragen. Auf die Frage, wie er auf diese bestimmte Einsparungssumme komme, hat er wortwörtlich gesagt: „Die Zahl haben wir gegriffen." ({4}) Auf die Frage, welche Einsparung er sich von einem anderen Posten verspricht, hat er erwidert: „Diese Maßnahme erspart mit Sicherheit mehr als 0 und weniger als 100 Millionen DM". Ein weiteres Beispiel für die unsichere Finanzierungsgrundlage ist die geplante volle Anrechnung des Kindergeldes bei elternunabhängiger Förderung. In der Presseerklärung des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft wird die Einsparung für 1982 mit zehn bis zwanzig Millionen DM angegeben. Im Ausschuß rangierte diese Maßnahme mit fünf weiteren unter der Rubrik: „Unbedeutende Maßnahmen, deren Kosten nicht zu schätzen sind" und die alle sechs zusammen Einsparung von nur 6 Millionen DM bringen sollen. Andere Sparansätze, wie z. B. die 50 Millionen DM für den Wegfall der Rückwirkung der Antragsstellung, sind unrealistisch, ja, sie sind sogar grotesk, weil man hier mit der Schlafmützigkeit der Schüler und Studenten quasi noch ein Geschäft machen will. Man wird sich allerdings verrechnen, weil die Vollzugsbehörden im Rahmen ihrer Sorgfaltspflicht hier massive Aufklärungsarbeit leisten müssen und weil die Eltern-, Schüler- und Studentenverbände ein übriges tun werden. Die von der Bundesregierung erwarteten Einsparungen auf Grund des siebenten Änderungsgesetzes sind derart großzügig kalkuliert, daß wir die Kalkulation beim besten Willen nicht nachvollziehen können. Es ist gespenstisch, wie hier die Millionenbeträge hin und her geschoben und zu Milliardenbeträgen addiert werden. Einer solchen abenteuerlichen Grundlage für ein 2,4-Milliarden-Gesetz kann sich die Union nicht anschließen. ({5}) Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einige Bemerkungen zu den Punkten machen, die mir besonders am Herzen liegen. So ist z. B. die im siebenten Änderungsgesetz vorgesehene Einkommensregelung für uns nicht tragbar, weil sie weder logisch noch konsequent ist. In Zukunft sollen zwar Abschreibungs- und Absetzungsmöglichkeiten vermieden werden; innerhalb ein und derselben Einkunftsart sind sie aber wiederum nicht ausgeschlossen. Da läßt sich der zu versteuernde Gewinn immer noch auf Null herunterschrauben. Laufende Gewinne werden erfaßt, aber periodisch auftretende Ausgaben wie z. B. Reparaturen und Renovierungen, die durchaus zu erheblichen Verlusten führen können, bleiben unberücksichtigt. Die Abschreibung nach § 7 b ist nur beim selbstgenutzten Einfamilienhaus, nicht aber beim selbstgenutzten Zweifamilienhaus möglich. Nach unserer Auffassung baut sich aber gerade der finanziell schwächer gestellte Bürger ein Zweifamilienhaus, um die Folgekosten des Hausbaus erträglich zu halten. ({6}) Auch wohnungsbaupolitisch erscheint uns diese Regelung vollkommen unsinnig. Am abenteuerlichsten ist aber die vorgesehene Erfassung der Einkommen von nicht buchführungspflichtigen Landwirten auf Grund einer Rechtsverordnung. Staatssekretär Gallus vom Landwirtschaftsministerium hat im Ausschuß ausdrücklich betont, mit dem Kommen der Verordnung sei schon deshalb nicht zu rechnen, weil die Ertragslage der deutschen Landwirtschaft ständig schlechter werde. Auch hier trifft es wieder einmal die Falschen. Nicht der Großbauer, der Buch führt und abschreiben kann, ist betroffen; betroffen sind nur die Klein- und Nebenerwerbslandwirte. ({7}) Übrig bleiben also nur 160 000 bis 180 000 Klein- und Kleinstbetriebe, deren Jahreseinkommen pro Arbeitskraft 7 500 bis 20 000 DM beträgt, wovon auch noch die Investitionen getätigt werden müssen. ({8}) Das sind also Einkommen, die bei jeder neuen Erfassung auch nur für die Vollförderung in Betracht kommen. ({9}) Die Bundesregierung verspricht sich von dieser Maßnahme eine Ersparnis von 20 Millionen Mark. Dabei ignoriert sie, daß zum Vollzug dieser Vorschrift bei den Ämtern für Ausbildungsförderung oftmals eine oder sogar mehrere neue Planstellen geschaffen werden müssen, so daß ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand von 20 Millionen DM - viele rechnen sogar mit erheblich mehr ({10}) entstehen wird. Da fragen wir uns natürlich: Wo bleibt also die Ersparnis? Das ist, wie üblich, Trick 17 mit Anschleichen. Diese Millionen für den Verwaltungsmehraufwand müssen die Länder berappen. ({11}) Diese unsinnige Regelung trifft also voll die sozial schwächere ländliche Bevölkerung, die sowieso vom Bildungsangebot her benachteiligt ist, und das auch noch auf Kosten der Länder. Das machen wir nicht mit! ({12}) Die bisher angesprochenen Einsparungsmöglichkeiten der Bundesregierung lehnen wir also als unzweckmäßig und ungerechtfertigt ab. Aber wir bringen Einsparungsalternativen. ({13}) Das BAföG-Grunddarlehen ist bekanntlich seit 1977 unverändert geblieben. Hier setzen wir uns schon deshalb für eine Erhöhung ein, weil der reale Wert der zurückfließenden Darlehensbeträge durch die steigenden Verwaltungskosten immer mehr absinkt. Es ist ein Irrtum, zu glauben, die Erhöhung des Grunddarlehens treffe die sozial Schwachen; denn zurück zahlt nicht das arme Arbeiterkind oder seine Familie, sondern der fertig ausgebildete Arzt oder Ingenieur. Der BAföG-Bezieher zahlt also erst dann zurück, wenn seine Einkommensverhältnisse ihm dies ermöglichen. Vom Steuerzahler - in der Regel dem Arbeitnehmer - kann man nicht verlangen, daß er das Studium von Leuten finanziert, die später als Ärzte oder als Anwälte ein hohes Einkommen beziehen. ({14}) Damit in engem Zusammenhang steht auch die Forderung nach der Erhöhung der Darlehensrückzahlungsquote über den im 7. Änderungsgesetz vorgesehenen Betrag hinaus. Nach Angaben des Bundesrechnungshofes würde die Erhöhung der Rückzahlungsbeträge um 50 % eine Verkürzung der Tilgungszeit um ein Drittel und entsprechende Verwaltungseinsparungen bringen. Aber auch für den Studenten selbst würde es rentabler, weil er ja einen Nachlaß auf die Raten bekommt. Je höher die Rückzahlungsrate ist, desto rentabler ist die Regelung also bezüglich der Verwaltungskosten und auch für den Studenten. Bei der angespannten Haushaltslage sollte man die Gelegenheit zu Einsparungen gerade auf dem Verwaltungssektor nicht ungenutzt verstreichen lassen. ({15}) Der SPD darf ich dabei in Erinnerung rufen, daß der Kollege Kühbacher am 22. Januar dieses Jahres hier im Plenum - Sie erinnern sich sicher gut - die Rückzahlung des Darlehens in einem Block gefordert hat. ({16}) Die FDP darf ich daran erinnern, daß die Jungen Liberalen am 2. Juni die völlige Umstellung der Ausbildungsförderung auf Darlehen gefordert haben. ({17}) - Gerade wollte ich sagen: Aber dem steht, Frau von Braun-Stützer, sicher wieder eine Erklärung der Judos gegenüber, und das nennt man dann liberale Ausgewogenheit. Ich hoffe nur, Sie verlieren dabei nicht die Linie! ({18}) Ein weiterer Punkt, über den nachzudenken sich lohnt, ist die Situation derjenigen jungen Leute, die zwar während ihres Schulbesuchs oder Studiums bei ihren Eltern wohnen könnten, aber lieber ausziehen und sich eine eigene Wohnung suchen. Der Wunsch nach eigener Lebensgestaltung ist verständlich. Es ist nichts Neues, daß junge Menschen eines Tages von zu Hause weg wollen. Neu ist nur, daß die Gesellschaft, daß der einzelne Steuerzahler diese neue Selbständigkeit bezahlen soll. ({19}) Denn der Wegzug vom Elternhaus oder von der elterlichen Wohnung wird nach dem Willen der Bundesregierung durch ein höheres BAföG belohnt. Man sollte die angespannte Lage auf den Wohnungsmärkten der Städte auch ruhig einmal unter diesem Gesichtspunkt betrachten. Dringend notwendig wäre ein stärker leistungsbezogenes BAföG. Auch der Bundeselternrat, dem man also wirklich keine schlechten Sachen in dieser Beziehung nachsagen kann, verlangt eine solche Maßnahme. Die Bereitschaft der Steuerzahler, auch künftig Milliardenbeträge in die Ausbildungsförderung zu investieren, würde durch ein mehr leistungsbetontes BAföG sicher größer. Wir verlangen keine weiteren Prüfungen - ich möchte das noch einmal ausdrücklich betonen -, aber der Nachweis eines ordnungsgemäßen Studiums muß erbracht werden, um die sogenannten Scheinstudenten auszuschließen. Das ist kein Mißtrauen gegen die große Masse der zügig studierenden BAföG-Bezieher, sondern hier soll nur die Spreu vom Weizen getrennt werden. ({20}) Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß meiner Ausführungen noch einige Worte an die vom Ausbildungsförderungsgesetz betroffenen jungen Menschen richten. Mit den jetzigen Beträgen der Ausbildungsförderung können sicher manche Bedürfnisse der Betroffenen nicht hinreichend befriedigt werden. Sicher haben die Jungen auch nicht ganz unrecht, wenn sie beklagen, daß bei ihnen der Rotstift zuerst angesetzt wird, denken wir an die Kürzungen beim Studentenwohnheimbau, beim Hochschulbau und jetzt beim BAföG; aber die Einsparungen beim BAföG sind nicht, wie der VDS meint, der Beitrag der Studenten zu Pershing II, und sie sind auch nicht, wie die Studentenschaft der Katholischen Fachschule für Sozialarbeit in Mainz schreibt, eine Verschlechterung des sozialen Bereichs zugunsten der Rüstung. Die drastischen Kürzungen im Bildungswesen zeigen das Versagen der von der SPD/FDP großspurig eingeleiteten Bildungsreform an und sind zugleich eine Folge der verfehlten Wirtschafts- und Finanzpolitik dieser Regierung. ({21}) Allein in diesem Jahr müssen weit über 50 Milliarden DM für den Schuldendienst, für Zins und Tilgung des von dieser Regierung aufgetürmten Schuldenberges aufgebracht werden. Wie viele notwendige und wichtige Maßnahmen könnte man von diesem Geld durchführen! ({22}) Aber auch über die geförderten Jugendlichen selbst sollte man nachdenken. Derzeit wächst eine Generation heran, deren Bildung staatlich gefördert wurde wie nie zuvor. Trotzdem ist ein Teil dieser jungen Menschen so unzufrieden, so verunsichert und so ohne Vertrauen wie nie zuvor. Auch wenn hierin gewiß nicht die einzige Ursache für so viel Verdrossenheit liegt, zeigt sich doch ganz deutlich: wir helfen den jungen Menschen nicht, wenn wir ihnen die materiellen Sorgen ohne jede Gegenleistung allein nach dem Motto abnehmen: Unsere Kinder sollen es einmal besser haben! ({23}) Wir helfen ihnen nicht, wenn wir ihnen Geld geben statt Liebe und Zuwendung und Eingehen auf ihre geistigen und seelischen Bedürfnisse. ({24}) Sicher sind davon in erster Linie Eltern und Erzieher betroffen; aber auch der Staat sollte seine finanziellen Segnungen nicht mit der Gießkanne unter die jungen Leute bringen. Gerade der Staat muß klare Richtlinien schaffen, muß das Verantwortungsgefühl und das Leistungsbewußtsein wecken und darf vor allem gegenüber der jungen Generation auf eine geistige Führung nie verzichten. ({25}) Die CDU/CSU-Fraktion lehnt dieses Gesetz ab. ({26})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat Frau Abgeordnete Schmidt ({0}).

Renate Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002016, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen! Für keinen Sozialdemokraten ist es besonders angenehm, in einem uns so wichtigen Bereich wie der Bildungspolitik heute hier Einsparungen vertreten zu müssen. Wir haben aber angekündigt, daß wir sparen werden, und nun tun wir das auch. ({0}) - Herr Daweke, da mögen Sie lachen, aber wir tun es wirklich, und wir nehmen es ernst. ({1}) Bei der Einbringung des Regierungsentwurfs wollten übrigens alle sparen, auch die Unionsparteien, ({2}) und zwar mit uns gemeinsam, auch beim Bundesausbildungsförderungsgesetz. ({3}) Nur: Wie es halt so geht, wenn es ernst wird, dann ist es nicht so schön, die Verantwortung für Sparmaßnahmen mittragen zu müssen. Und weil man es so deutlich nicht sagen will, muß man andere Begründungen finden, und dann heißt es eben: So nicht, und hier nicht, und dort bitte schön auch nicht. Es ist bedauerlich, daß CDU und CSU angekündigt haben, erstmals gegen eine BAföG-Novelle stimmen zu wollen. Das ist bedauerlich, weil wir in den Ausschußberatungen von der Union Anregungen erhalten haben, uns in vielem einig waren und trotz der sehr kurzen Zeit gemeinsam versucht haben, etwas Vernünftiges auf die Beine zu stellen. Bedenken hat die Union gegen das Bundesausbildungsförderungsgesetz immer gehabt und bei allen Novellen trotzdem zugestimmt, nur gab es bis zur Sechsten Novelle zusätzliches Geld zu verteilen, und jetzt gibt es keines mehr. Ich stelle also fest: Bereits beim Umverteilen kneift die CDU/CSU. ({4}) Nun zu den Fragen, die gestellt, und zu den Vorwürfen, die erhoben werden. Erstens: Warum eine Siebente Novelle? Das ist hinreichend bekannt. Wir haben beschlossen, daß der Gesamtbetrag für BAföG 2,4 Milliarden DM nicht mehr übersteigen soll: bei steigenden Studentenzahlen ist das nur durch Einsparungen möglich. Nun gibt es zwei Wege, um solche Einsparungen vorzunehmen. Man kann das Gesetz unverändert erhalten und dann über den gesamten Bereich prozentual kürzen, oder man macht sich ein bißchen mehr Mühe. Wir begrüßen ausdrücklich, daß sich der Regierungsentwurf diese größere Mühe gemacht hat. ({5}) Der Regierungsentwurf hat einmal versucht, erkannte Mängel des Gesetzes zu beseitigen, die dazu führten, daß wir Auszubildende gefördert haben, die wir an und für sich zu fördern nicht beabsichtigt hatten. Zum zweiten hat der Regierungsentwurf BAföG auf den, wie es ausgedrückt worden ist, sozialen Kern zurückgeführt. Das war notwendig, weil nämlich die Beseitigung der vorhin genannten Mängel nicht die Einsparsummen brachten, die notwendig waren. Dazu vielleicht einmal eine ganz kleine Anmerkung. Offensichtlich erreichen die vielzitierten Mißbrauchsmöglichkeiten und Mitnehmereffekte in unserer Sozialgesetzgebung doch nicht das dauernd von der Union beschworene Ausmaß. Wir scheinen doch ganz gute Gesetze gemacht zu haben. ({6}) und das deutsche Volk scheint - egal welchen Alters - doch nicht aus lauter Mißbrauchern und Mitnehmern zu bestehen. ({7}) Welches waren nun die Mängel, die beseitigt wurden? Ich nenne dafür zwei Beispiele. ({8}) Wir haben bei der Festlegung des Einkommensbegriffs Abschreibungsmöglichkeiten reduziert. Das ist uns zugegebenermaßen - da gebe ich Frau Geiger recht - nur unvollkommen gelungen, ({9}) weil davon nur Einkommen aus mehreren Einkunftsarten betroffen sind. Das BAföG ist durch diese Veränderungen nicht lesbarer und leider auch nicht verständlicher geworden, auch wenn diese Regelungen - das muß deutlich betont werden - zu mehr Gerechtigkeit führen werden und sparen helfen. Wir hätten auch gern Sonderabschreibungsmöglichkeiten aus nur einer Einkunftsart beschränkt, nur geben uns die Steuerbescheide keine Möglichkeiten dazu. Wir müssen uns außerdem in meinen Augen davor hüten, Probleme der Steuergesetzgebung über dieses Gesetz lösen zu wollen. ({10}) Fazit: Noch keine vollkommene, aber ein Stückchen mehr Gerechtigkeit ist erreicht worden. Zweites Beispiel. Nach Inkrafttreten der Siebenten Novelle wird es nicht mehr möglich sein, daß ein Abiturient eine Berufsausbildung mit teilweise nicht schlechten Ausbildungsvergütungen abschließt und danach ein Hochschulstudium beginnt und mit den vollen Sätzen ohne Heranziehung des Frau Schmidt ({11}) Einkommens der Eltern gefördert wird. Zunehmend wurde das von Auszubildenden aus gutsituierten Familien genutzt. Solche Ausbildungswege können natürlich sinnvoll sein. Ein Abiturient, der Medizin studiert und vorher eine Ausbildung als Krankenpfleger macht, eine Abiturientin, die vor der Ausbildung zur Diplomkauffrau erst einmal Einzelhandelskauffrau wird, handelt sicherlich richtig. Wir haben deshalb solche Wege nicht zugemacht, sondern die Wahlmöglichkeit der Förderung über Darlehen oder unter Heranziehen des elterlichen Einkommens gelassen. Von der Union wurde zu diesem Punkt beantragt, diese Wahlmöglichkeit nicht vorzusehen, weil eine Förderung ohne Darlehen dann faktisch nur für die unteren Einkommensbereiche möglich ist. Für uns Sozialdemokraten geht es genau in die richtige Richtung: mehr Förderung für die unteren Einkommensgruppen und weniger für die oberen. ({12}) Nun zu dem, was als Zurückführung auf den sozialen Kern bezeichnet wurde. Im übrigen, ein ganz bißchen Fruchtfleisch um diesen sozialen Kern gibt es schon noch. Sozial- und bildungspolitisches Ziel des BAföG ist es, für jeden, der es wünscht und der geeignet ist, eine Ausbildung mit der höchstmöglichen Qualifikation zu fördern unter der Voraussetzung, daß die Eltern dies finanziell nicht leisten können. Dieses Ziel wird auch nach Inkrafttreten der Siebenten Novelle garantiert sein. Dann gibt es vieles, was über BAföG bisher zusätzlich gefördert wurde, und vieles - das bestreitet auch niemand - war sicherlich sinnvoll. Es wird trotzdem nach der Siebenten Novelle nicht mehr möglich sein, ein vollständiges zweites Studium zu fördern. Es wird nicht mehr möglich sein, eine Vielzahl von Zusatzausbildungen zu fördern. Es kann also z. B. derjenige, der seinen Abschluß als Braumeister gemacht hat und vier Jahre über BAföG gefördert wurde, nicht noch einmal zwei Jahre gefördert als Getränketechniker studieren. Sicher würde das seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen. Aber wenn aus neun geförderten Zusatzausbildungen in der Zwischenzeit 65 geworden sind, kann das der Steuerzahler schlicht und einfach nicht mehr leisten. Da muß vielleicht auch die Industrie, wenn sie Getränketechniker braucht, über ihre Mittel diese noch einmal zusätzlich ausbilden, wie sie das in der Vergangenheit ja auch getan hat. ({13}) Oder wenn es stimmt, daß die „Frankfurter Allgemeine" schreibt, daß nennenswerte Zahlen von Studenten, die ihre erste Ausbildung erfolgreich abgeschlossen haben, aus Berührungsangst vor dem zukünftigen Beruf ein gefördertes Zweitstudium beginnen, können wir vom Steuerzahler nicht verlangen, daß er nach dem abgeschlossenen Wirtschaftsstudium auch noch ein Jurastudium finanziert, auch wenn das die Chancen dieser jungen Leute ebenfalls erhöhen würde. Wir können über BAföG nicht Berührungsängste verhindern. Wir werden aber prüfen müssen, ob diese Ängste existieren und wie wir ihnen begegnen können, vielleicht z. B. dadurch - dazu sind die Bundesländer aufgefordert -, daß wir den Schülern in allen Bundesländern, in allen Schularten, in allen Jahrgangsstufen Gelegenheit geben, die Arbeitswelt einmal praktisch kennenzulernen und begreifen zu lernen, sie praktisch erfahren zu lassen, daß berufliche Leistungen auch glücklich machen können. ({14}) Wir sehen also in der Reduzierung der geförderten Zusatz- und Zweitstudien eine Notwendigkeit, um das Ziel - eine Ausbildung für jeden - nicht zu gefährden. Nachdem aber auch uns die Reduzierung der Zusatzstudien zu weit ging, haben wir eine Änderung des Regierungsentwurfs vorgenommen. Überall dort, wo Zusatzausbildungen für den angestrebten Beruf rechtlich erforderlich sind, werden wir sie weiterhin fördern. Wir wollen nämlich nach wie vor als Berufsschullehrer Praktiker haben, wir möchten genügend Sonderschullehrer haben und wir wollen, daß niemand davon abgehalten wird, z. B. Sicherheitsingenieur zu werden, weil wir der Auffassung sind, daß hier ein großer Bedarf besteht und das gerade Arbeitnehmern zugute kommt. Die zweite große Veränderung bedeutet die Begrenzung der relativen Kinderfreibeträge. Bisher konnten Großverdiener mit mehreren Kindern in erheblichem Umfang in den Genuß von BAföG-Leistungen kommen. Ich habe auf Grund eines Beschwerdebriefes gestern ein Beispiel durchgerechnet, wonach ein Großverdiener, oder sagen wir lieber, da es unsere Einkommensklasse ist, ein gut Verdienender mit fünf Kindern und einem Bruttoeinkommen von 7 600 DM bisher rund 1 650 DM BAföG- Leistungen für seine vier studierenden Kinder bekommen hat. Durch die Beschränkung des relativen Kinderfreibetrags würden das ab Herbst immerhin auch noch 650 DM sein. Ich halte diese Einschränkung für richtig und für notwendig, ({15}) solange sie nur Bezieher von derartigen Einkommen trifft. ({16}) - Niemand kann daran gehindert werden, gescheiter zu werden, Herr Kollege. - Ab April wird der gerade genannte Betrag von 650 DM mit den Erhöhungen übrigens auch wieder auf 1 000 DM steigen. Wir haben die von der Bundesregierung vorgesehenen relativen Kinderfreibeträge nochmals erhöht, um ganz sicherzugehen, daß bei niedrigem Einkommen keine Reduzierung der BAföG-Sätze für Mehrkinderfamilien zwischen Herbst 1981 und April 1982 erfolgt. Noch etwas gehört zur Sicherung des sozialen Kerns. Wir müssen die Freibeträge und die Fördersätze anpassen, einmal um zu vermeiden, daß immer mehr der bisher Geförderten aus der Förderung herausfallen, zum zweiten, damit die Förderbeträge nicht durch den Kaufkraftverlust ausgezehrt werden. Daß das zum Herbst nicht möglich sein wird, bedauert jeder. In diesem Zusammenhang aber gleich von gravierenden Einschnitten zu sprechen ist in meinen Augen auch verfehlt. Frau Schmidt ({17}) Auch dazu ein Beispiel. In einer vierköpfigen Familie - Nettoeinkommen der Eltern 2 500 DM, also nicht mehr unbedingt die durchschnittliche Arbeitnehmerfamilie - erhält der geförderte Student jetzt 208 DM. Im Herbst sinkt dieser Betrag auf 182 DM, um dann durch die Anpassung, die wir im April vornehmen werden, auf 324 DM zu steigen. Der Daweksche Steckrübenwinter muß also überwunden werden - 20 DM weniger werden wohl nicht zu so arg vielen Steckrüben führen -, um zu einem Engholmschen Schlemmersommer zu kommen. ({18}) Fazit: Der soziale Kern bleibt erhalten. Die richtigen werden noch stärker als bisher gefördert, und bei den Großkopfeten werden Einsparungen vorgenommen. Wir glauben, daß wir mit der siebten Novelle Erhebliches zur Akzeptanz des Bundesausbildungsförderungsgesetzes beigetragen haben. Es ist schon verwunderlich, wie sich plötzlich jeder um die Akzeptanz der Sozialgesetze sorgt, am meisten um die, deren Leistungen er nicht erhält oder unter die er in absehbarer Zeit auch nicht zu fallen glaubt. Nicht nur bei BAföG bedeutet Akzeptanz, daß erstens diejenigen das Gesetz akzeptieren müssen, für die es gemacht ist, und zweitens diejenigen das Gesetz akzeptieren müssen, die die Mittel dafür aufbringen müssen. ({19}) Die Union hat uns nun vorgeworfen - Frau Geiger hat das hier noch einmal getan -, daß wir vor allen Dingen bezüglich des zweiten Punktes keinen genügenden Beitrag geleistet hätten. Sie hat das begründet mit unserer Ablehnung eines von ihr vorgeschlagenen zusätzlichen Leistungsnachweises nach dem 6. Semester ({20}) und mit unserer Ablehnung, den erhöhten Bedarfssatz für diejenigen Studenten zu streichen, die am Wohnort ihrer Eltern studieren. Zum Leistungsnachweis: Wir wehren uns nicht grundsätzlich dagegen und schon gar nicht aus den uns unterstellten ideologischen Gründen. Wir wehren uns nur dagegen, daß unzutreffende Behauptungen von Springer-Blättern als Argumentationen in Bundestagsausschüssen verwendet werden. Wir lassen nicht zu, daß unsere Studenten, und zwar nur die geförderten, insgesamt als Faulenzer dargestellt werden, ({21}) sitzend zu den Füßen der Gurus, und diskriminiert werden. Außerdem stellen wir an einen solchen zusätzlichen Leistungsnachweis einige Anforderungen: eine verwaltungsmäßig einfache Handhabung, den verbindlichen Ausschluß von zusätzlichen Prüfungen à la Honnef, einen solchen Nachweis nicht nur für die geförderten Studenten, sondern für alle, und wenn Sanktionen, dann auch für alle. Der nicht geförderte Student kostet den Steuerzahler nämlich auch einiges: die Kosten seines Studienplatzes und die Steuervergünstigungen für seine Eltern. ({22}) Der Vorschlag der CDU/CSU hat diesen Anforderungen nicht genügt. Außerdem bezweifeln wir auch die Effektivität eines solchen Leistungsnachweises mit Blick auf unser Ziel, zu sparen. Es steht fest, daß BAföG-Studenten kürzer studieren, weniger häufig ihr Studium abbrechen, also zielstrebiger sind als die nicht geförderten. Auch im Zusammenhang mit der Frage des erhöhten Bedarfssatzes für am Wohnort der Eltern studierende Kinder wird unredlich argumentiert. Meines Erachtens wird ein Zerrbild der Familie gezeichnet, als ob Studenten nur zum Zweck der Selbstverwirklichung auszögen, und das dauernd und immer gegen den Willen der Eltern. Das hat doch ganz andere Gründe. Die Wohnung der Familie ist zu klein, Geschwister brauchen mehr Wohnraum, keiner kann mehr ordentlich lernen. Oder Verkehrsverbindungen sind ungünstig, und nach abendlichen Seminaren fehlt manchmal überhaupt die Möglichkeit, nach Hause zu kommen. ({23}) Der Verwaltungsaufwand, der erforderlich wäre, um zulässige und unzulässige Ausnahmen zu kontrollieren, wäre wahrscheinlich höher - wir sind doch alle dabei, ihn klein zu halten - als das, was wir einsparen würden. Ganz davon abgesehen muß man es doch wohl als ungut empfinden, volljährigen Menschen in ihre private Lebensführung hineinregieren zu wollen. Wir wurden ironisch gefragt, ob die 7. BAföG-Novelle unser Beitrag zum Dialog mit der Jugend sei. Das ist er nicht. Aber sicher wird unser Dialog mit den Studenten nicht erleichtert, weil sie sich mehr erhofft haben. Er wird nach unserer Auffassung aber auch nicht erschwert, weil es bei diesem Dialog nicht um zusätzliche Milliarden geht und auch, weil der andere Teil der Jugend in der beruflichen Ausbildung mit Ausbildungsvergütungen, die weit unterhalb der BAföG-Höchstsätze liegen, und mit Arbeitseinkommen, die in den ersten Berufsjahren netto kaum höher sind, begrüßen wird, was wir tun. Nein, bei diesem Dialog geht es nicht um Geld. Die Jugendlichen sind auch nicht gegen das Sparen. Es geht darum, daß die Jugend verunsichert ist, wenn plötzlich der Bildungshaushalt der einzige ist, der 1981 gegenüber 1980 Abstriche hinnehmen müßte, und wenn gleichzeitig immer wieder betont wird, daß die gute Ausbildung unserer Bürger in unserem rohstoffarmen Land unser einziges Kapital ist. ({24}) Damit hat diese Jugend recht. Der Bildungshaushalt hat Vorleistungen für den Sparhaushalt 1982 gebracht. Weitere Kürzungen sollten wir nicht hinnehmen. ({25}) Frau Schmidt ({26}) Diese Jugend kann auch nicht verstehen, daß BAföG gekürzt und der Verteidigungshaushalt erhöht wird. Und wenn sie hier immer einen Zusammenhang konstruiert, befindet sich diese Jugend in guter Gesellschaft. Luther hat in seiner Ansprache an die Ratsherren der deutschen Lande gesagt: Für jeden Gulden, den ihr für die Türkenkriege zurücklegt, leget gleichzeitig 100 Gulden für die Schüler zurück. So weit sind wir leider noch nicht. Aber die sozialliberale Koalition bewegt sich in die richtige Richtung. 1965 waren die Gesamtaufwendungen für Bildung von Bund, Ländern und Gemeinden niedriger als der Verteidigungshaushalt. 1969 lagen sie bereits leicht darüber. Und 1980 waren die Aufwendungen für die Bildung doppelt so hoch wie die für die Verteidigung. ({27}) Meine Herren und Damen, wir sind auf dem richtigen, dem Lutherischen Weg, wenn wir Kürzungen im Bildungshaushalt zu vermeiden suchen und unserer Jugend im Interesse der Zukunftssicherung unseres Landes nach wie vor bestmögliche Ausbildungschancen geben. ({28}) Ganz zum Schluß lassen Sie mich noch allen Kollegen des Ausschusses, ausdrücklich auch an denen der Union, den Beamten des BMBW und last not least dem Ausschußsekretariat mit allen seinen Mitarbeitern Dank sagen. Alle haben dazu beigetragen, die heutige zweite und dritte Lesung der siebenten Novelle des BAföG zu ermöglichen, und damit für viele Schüler und Studenten ab April mehr Geld gesichert. - Danke schön. ({29})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat Frau Abgeordnete von Braun-Stützer.

Carola Braun-Stützer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000253, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Geiger - wo ist sie? -, gleich als Erwiderung: Machen Sie sich mal keine Sorge um die Linie der FDP. Ich behaupte: Die Gemeinsamkeiten unterschiedlicher Positionen innerhalb der FDP sind immer noch weit größer als die offensichtlich völlig unüberbrückbare Kluft zwischen dem Wirtschaftsrat und den Sozialausschüssen Ihrer Partei. ({0}) Über die grundsätzliche Einstellung der FDP- Fraktion zu der siebenten BAföG-Novelle haben wir uns - wie die Kollegen der anderen Fraktionen - schon bei der ersten Lesung geäußert. Wer heute das Protokoll nachliest, muß im nachhinein bestätigen, daß alle Redner - und ich bestätige das gern auch den Kollegen der Opposition - in ihren Beiträgen eines signalisiert haben, nämlich ihre Erkenntnis eines Umbruchs, eines beginnenden Veränderungsprozesses in unserer Gesellschaft mit weitreichenden Folgen. Die Beiträge zeigten und zeigen auch heute die Erkenntnis der grundsätzlichen Bedeutung dieses Änderungsgesetzes für viele Bereiche, beispielsweise für die ab September anstehenden Haushaltsberatungen und die Strukturierung der Haushalte späterer Jahre, etwa für die Vergleichbarkeit und die Wechselwirkung mit anderen Politikbereichen und auch anderen Ressorts und in diese hinein, denen derartige schmerzhafte Entscheidungen noch bevorstehen. Schon deshalb lohnt es sich, hierzu noch einmal ausführlicher und etwas grundsätzlicher Stellung zu nehmen, ohne dabei noch einmal detailliert die bekannten Zahlen und Fakten zu wiederholen. Mit dem Siebenten Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes beschließen wir immerhin eine massive Strukturveränderung bei einem Leistungsgesetz. Insofern ist der Verlauf der Diskussion über die relativ gerechteste Gestaltung eines solchen Prozesses, der naturgemäß immer irgendwie unbefriedigend bleiben muß, eine Art Stapellauf für nachfolgende Beratungen bei der Umstrukturierung anderer Leistungsgesetze oder Subventionsgesetze. Vergleichbar und auf andere Politikbereiche verallgemeinerbar ist beispielsweise die Diskussion über die nachlassende Akzeptanz von Leistungsgesetzen, die wir im Ausschuß geführt haben. Nun kann man diese in der Öffentlichkeit nachlassende Akzeptanz als einen günstigen Rückwind ansehen, der bei so einschneidenden notwendigen Maßnahmen möglicherweise hilft. Ich persönlich empfinde allerdings diese zunehmende öffentliche Kritik an Leistungsgesetzen als immer gefährlicher, zumal sie immer emotionaler geübt wird, selbst von Verbänden. ({1}) Der Bund Freiheit der Wissenschaft hat vor einigen Tagen ein wirklich trauriges Musterbeispiel hierfür gegeben. Es ist unbestritten, daß Mißbrauchsmöglichkeiten und Mitnehmereffekte zu dieser Kritik beigetragen haben und daß sie abgebaut werden müssen; ich selbst habe dies vor einigen Monaten hier gefordert. Das, was sich aber inzwischen unter dem Deckmantel dieser berechtigten Kritik alles wieder eingeschlichen hat, ist in höchstem Maße bedenklich und sollte von allen Abgeordneten, allen Fraktionen dieses Hauses bekämpft werden. Ausgerechnet in Zeiten knapper öffentlicher Mittel und bei steigenden Arbeitslosenzahlen wuchern längst überwunden geglaubte Vorurteile in den Stammtischdiskussionen wieder auf: Vorurteile gegen Arbeitslose, Vorurteile gegen Studenten, gegen Ausländer, gegen berufstätige Ehefrauen, die Familienvätern angeblich den Arbeitsplatz wegnehmen, usw. usw.; die Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen. ({2}) - Ich habe gesagt, es ist eine Akzeptanzkrise, die diesbezügliche Argumente sind berechtigt. Aber unter dem Deckmantel dieser Akzeptanzkrise haben sich die Vorurteile gegen bestimmte BevölkerungsFrau von Braun-Stützer gruppen wieder verstärkt. Dagegen sollten wir uns ganz heftig zur Wehr setzen. ({3}) Genau die gleichen Bürger, die ihre Vorurteile gegenüber solchen Mitmenschen immer wieder - seit neuestem wieder stark - auszutoben wagen, fordern immer vehementer die vollständige Abschaffung von Leistungsgesetzen. Ich halte dies für eine gesellschaftlich verheerende Entwicklung, der unter allen Umständen begegnet werden muß. Wir müssen diese um sich greifenden Vorurteile und Stammtischdiskussionen mit dem Hinweis darauf bekämpfen, wie eigentlich unsere Gesellschaft aussähe, wenn es keine Arbeitslosenversicherung, keine Krankenversicherung, keine Rentenversicherung und auch keine Ausbildungsförderung gäbe, ({4}) wieviel Streiktage, gewalttätige Demonstrationen, Elend und Obdachlosigkeit dies bedeuten würde. Wir müssen fragen, wieviel der soziale Friede dem einzelnen und der Gesellschaft wert sein muß, finanziell und inhaltlich. ({5}) Dabei verstehe ich sozialen Frieden nicht nur als gesellschaftliche Beruhigungspille, sondern als Prinzip der gesellschaftlichen Durchlässigkeit, der Fähigkeit zur Weiterentwicklung einer Gesellschaft. Auch die Diskussion über den Abbau von Mißbräuchen und Mitnehmereffekten bei diesem Änderungsgesetz ist verallgemeinerbar. Sie bewies, daß der Abbau von Mißbrauchsmöglichkeiten gleichzeitig immer auch einen massiven strukturellen Eingriff bedeutet. Es ist gut - das wird in der Öffentlichkeit auch positiv gewürdigt -, daß es künftig nicht mehr möglich sein wird, über Verlustabschreibungen in den Genuß von Leistungsgesetzen zu kommen. Insofern hat dieses Gesetz eine gewisse Pionierarbeit geleistet. Es hat sich bei der Ausschußberatung aber auch gezeigt, daß die Umstrukturierung eines Leistungsgesetzes eines nicht leisten kann, nämlich die dringend notwendige Neudefinition von Einkommen im Steuerrecht, mindestens dort, wo Leistungsgesetze in Anspruch genommen werden. Plastisch gesagt: Die „dicken Fische" bekommen wir auch mit den veränderten Berechtigungsbestimmungen nicht, weil Investitionen für den eigenen Betrieb, den eigenen Hof abgesetzt werden können, während der Angestellte und Beamte der mittleren und unteren Einkommenskategorien gar nichts investieren und absetzen kann, weil er das Geld dafür nicht hat. Zum Dank dafür fliegt er dann aus der BAföG-Berechtigung heraus. Das ausgeprägte Unbehagen über diesen Sachverhalt hat die Koalitionsfraktionen im Ausschuß dazu veranlaßt, dieses Problem wenigstens an einer Stelle anzupacken, etwas zu mildern, indem wir den Kinderfreibetrag ab dem zweiten Kind gegenüber dem Regierungsentwurf angehoben haben. Meine Damen und Herren, die Beratung im Ausschuß hat eines bewiesen: daß man sich bei der Umstrukturierung von Leistungsgesetzen gelegentlich ganz konsequent daran erinnern muß, was die präzisen Ziele und Aufgaben des jeweiligen Leistungsgesetzes sind. Das Bundesausbildungsförderungsgesetz beispielsweise - während der Beratungen war es leider notwendig, die Opposition gelegentlich daran zu erinnern - ist ein bildungspolitisches und sozialpolitisches Instrument. Es ist seiner ganzen Aufgabe nach kein Instrument zu Hochbegabtenförderung, bei der andere Kriterien und Anforderungen, etwa Leistungsnachweise, zugrunde gelegt bzw. erhoben werden können. Jede dieser zusätzlichen Forderungen widerspricht sogar den sozialen und bildungspolitischen Zielen des BAföG, das ja Defizite und Hindernisse abbauen soll, und sind deshalb abzulehnen. Von allen Änderungen und Änderungsvorschlägen möchte ich im wesentlichen nur noch auf ein Thema eingehen, nämlich die Ausbildungsförderung in Darlehensform, und zwar der grundsätzlichen Bedeutung wegen. Man kann lange und ernsthaft darüber diskutieren, ob Leistungen der Gesellschaft, der Gesamtheit der Steuerzahler für die qualifizierte Ausbildung und damit auch den besser abgesicherten und höheren Verdienst einzelner nicht als Vorleistungen zu betrachten sind, die der Gesellschaft zurückzuerstatten sind. Im Lichte drastischer Mittelkürzungen späterer Haushaltsjahre ist man möglicherweise auch gezwungen, in diese Richtung zu denken. Worüber man aber überhaupt nicht diskutieren kann, weil das einfach nicht zu bestreiten ist, das ist die abschreckende Wirkung von Darlehen. Herr Rühe hat in den Ausschußberatungen wiederholt vorgetragen, daß man dem gut verdienenden Zahnarzt durchaus zumuten könne, einen Teil seiner Ausbildungskosten zurückzuerstatten und daß er einen bildungspolitischen Abschreckungseffekt hier nicht sehen könne. Nun genügt als Gegenargument vielleicht schon der bescheidene Hinweis, daß der Prozentsatz an zukünftigen Zahnärzten unter den BAföG-Berechtigten glücklicherweise erfreulich gering ist. ({6}) - Nein, aber dann hätte das Gesetz in der Tat seinen Sinn verfehlt, wenn wir nur Zahnärzte damit fördern würden. ({7}) Ich möchte allerdings ein bißchen grundsätzlicher auf dieses Argument eingehen, gerade weil es, wie ich meine, unter bewußter Verwendung des populären Buhmann-Etiketts der gut verdienenden Zahnärzte eine große Anzahl von solchen BAföG-Beziehern trifft, die mit Sicherheit später nicht in der gleichen Einkommensstufe wie die Zahnärzte anzutreffen sind. Noch schlimmer erscheint mir aber das schlichte Abstreiten eines solchen bildungspolitischen Abschreckungseffektes, was beweist, daß sich die Opposition offenbar noch nie die Mühe gemacht hat, sich nur annähernd in die Situation von Familien hineinzudenken, die zum erstenmal und vielleicht in erster Generation eine qualifizierte Ausbildung für ihre Kinder überlegen. Die Vorentscheidung dar2654 über wird sehr früh gelenkt und gefällt, nämlich spätestens nach der Orientierungsstufe, und nicht von dem Kind, das das später zurückzahlen muß, sondern von seinen Eltern. Spätestens dann, also nach der Orientierungsstufe, fragen sich nämlich diese Eltern, die immer nur von akademischer Arbeitslosigkeit lesen, die in Wirklichkeit halb so hoch wie in anderen Ausbildungsbereichen ist: Was, das Kind soll eine so lange Ausbildung mit so unsicheren Berufsaussichten durchlaufen und dann noch mit einem Haufen Schulden ins Erwerbsleben treten? Herr Rühe, ich frage, wie oft diese Entscheidung in manchen Familien gegen eine qualifizierte Ausbildung zu einem Zeitpunkt ausfällt, wo das Kind selbst noch gar keinen eigenen Überblick hat. Das ist der bildungspolitische Abschreckungseffekt, den wir meinen, und nicht der Zahnarzt, den die Opposition immer so gern zitiert. Selbst wenn wir eines Tages aus Haushaltsgründen gezwungen sein sollten, den Darlehensanteil zu verändern, werden diese bildungspolitischen Bedenken trotzdem weiter gelten. Bei aller populären Kritik sollten wir aber nicht vergessen, daß das Bundesausbildungsförderungsgesetz auch in der umstrukturierten Fassung im gesamten internationalen Vergleich als Leistung und Investition einer Gesellschaft in die Ausbildung von Jugendlichen aus finanziell schlechter gestellten Familien an einsamer Spitze steht. Wir können uns mit diesem Gesetz, mit diesen sozial- und bildungspolitischen Leistungen, weiß der Himmel, immer noch sehen lassen, und wir sind stolz darauf und sollten weiterhin dafür kämpfen. ({8}) Immerhin haben wir trotz der Haushaltslage erreicht, daß einige Verbesserungen für Studenten und Eltern durchgesetzt werden konnten. Auch dies sollte von den protestierenden Verbänden, so verständlich deren Kritik uns ist, anerkannt werden. Eines erscheint mir heute im Hinblick auf nachfolgende Beratungen notwendig zu betonen. Sowohl das Bundesausbildungsförderungsgesetz als auch der Bildungsetat insgesamt haben ihren Tribut zur Sparsolidarität erfüllt, ({9}) meiner persönlichen Einschätzung nach übererfüllt. An dieser Stelle muß jetzt mit Sparen Schluß sein. ({10}) Um es im Klartext zu sagen: Solange nicht andere gesellschaftliche Gruppen und andere Ressorts im gleichen Umfang zur Sparsolidarität herangezogen worden sind, solange halten die Bildungspolitiker der FDP-Fraktion weitere Sparleistungen in diesem Bereich für nicht akzeptabel. ({11})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rühe.

Volker Rühe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001897, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Schmidt, Sie haben am Schluß Ihrer Rede die Verbindung vom Bildungshaushalt zum Verteidigungshaushalt gezogen. Andere Kollegen vor Ihnen haben in einer anderen Debatte die Verbindung vom Verteidigungshaushalt zum Entwicklungshilfehaushalt gezogen. Ich möchte zunächst einmal sagen, durch die Mittel, die wir im Verteidigungshaushalt gemeinsam bereitstellen, sorgen wir dafür, daß sich das Bildungswesen in diesem Lande inhaltlich frei und ungestört entfalten kann. Insofern ist es töricht, das gegeneinander aufzurechnen. ({0}) Im übrigen wären Sie und teilweise auch die Kollegen, die dort gesprochen haben, natürlich sehr viel glaubwürdiger, wenn Sie das auch bei den Abstimmungen durch entsprechende Anträge deutlich gemacht hätten. Sie haben sowohl dem Bildungshaushalt als auch dem Verteidigungshaushalt zugestimmt. Deswegen sollten Sie nicht den Versuch machen, so hintenherum noch eine gewisse Klientel durch Ihre abschließenden Bemerkungen zu befriedigen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Gärtner?

Volker Rühe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001897, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, gern.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Bitte, Herr Gärtner.

Klaus Gärtner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000627, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege, habe ich richtig verstanden, daß Sie gesagt haben, Sie hätten dem Verteidigungshaushalt zugestimmt? Sie haben nämlich in Ihrem begeisterten Hinweis eben gesagt, Sie hätten die Mittel für die Verteidigung bereitgestellt, damit die Bildung in diesem Lande stattfinden könnte. ({0})

Volker Rühe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001897, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe die Kollegen angesprochen, die beiden Haushalten zugestimmt haben. Auch wenn wir dem Haushalt technisch nicht zugestimmt haben, ({0}) weil wir mit der politischen Führung des Hauses nicht einverstanden sind, werden Sie doch wohl überhaupt keinen Zweifel daran haben, daß wir bereit sind, das Notwendige für die Verteidigung zu tun. Wir hören doch eigentlich immer entgegengesetzte Vorwürfe von Ihrer Seite dahingehend, daß wir da übertreiben würden. Ich kann mich noch daran erinnern, daß der Bundeskanzler selbst dem Kollegen Wörner entgegengehalten hat, daß er, was die Ansprüche im Bereich der Verteidigungspolitik angehe, übertreiben würde. ({1}) - Warten Sie mal ab. Nun zu der Kollegin von der FDP, die darauf hingewiesen hat, daß der soziale Friede und die Sozialgesetze auf jeden Fall erhalten bleiben müßten. Das ist richtig. Die Frage ist nur, wie man das macht. Da unterscheiden wir uns eben. Wir glauben, daß man, wenn man nicht energisch dafür sorgt, daß Mißbräuche beseitigt werden, Sozialgesetze in Frage stellt und letztlich dazu beiträgt, daß sie immer mehr zerbröckeln. Ich glaube, daß gerade manche Bildungspolitiker, die sich weigern, diese Dinge zu sehen, die subjektiv überzeugt mit heißem Herzen für eine bestimmte Position kämpfen, in Wirklichkeit diejenigen sind, die die Axt an die Wurzel eines solchen Gesetzes legen. Es gibt im Zusammenhang mit diesem Gesetz eine Zustimmungskrise, draußen in der Öffentlichkeit, aber auch, wenn Sie ehrlich sind, in allen Fraktionen hier. Wenn Sie auf diese Dinge nicht eingehen, dann sind es letztlich Sie, die dafür sorgen, daß ein Klima entsteht, in dem solche Sozialgesetze, die im Kern wichtig sind, immer mehr zerbröseln. ({2}) Da liegt unser Motiv für die entscheidenden Anträge, die wir gestellt haben, und die Kritik an Ihrem Verhalten. Es bedarf einer offensiven Strategie zu einer langfristigen Sicherung des Kerns dieses Gesetzes, durch die auch dafür gesorgt wird, daß diese Zustimmungskrise überwunden wird; denn es gibt doch kaum ein Gesetz, das so umstritten ist wie das BAföG. Es ist umstritten bei denen, die die 3,6 Milliarden DM bekommen, weil sie weiterhin sehr unzufrieden sind, es ist aber noch umstrittener bei denen, die die Mittel dafür aufbringen müssen, der Gesamtheit der Steuerzahler. ({3}) Ich glaube, ein entscheidender Fehler Ihrer Politik ist, daß Sie sich an einer Teilöffentlichkeit, an den Schulen und Hochschulen, orientieren und nicht konfliktbereit genug sind, statt sich an der Gesamtöffentlichkeit, an den Steuerzahlern, zu orientieren, wenn es darum geht, dieses Gesetz auch über die schwierigen Runden im Herbst und im nächsten Jahr zu bringen. ({4}) - Sie schaffen das? Nun, wir werden das einmal abwarten, auch angesichts der Beschwörungen hier, jetzt dürfe nicht weitergespart werden, die doch wohl weniger in unsere Richtung als in Richtung auf den Finanzminister der Koalition gesprochen waren. Wir werden dann sehen, wieweit Sie diese Position durchhalten können. Wir haben Maßnahmen vorgeschlagen, zu denen Sie vordergründig sagen werden, es handle sich um einen Abbau von Rechten. Wir aber sind der Meinung, daß nur durch diese Maßnahmen eine wirklich langfristige Sicherung des Gesetzes geschafft werden kann. Wir schlagen als Maßnahmen vor: erstens die Erhöhung des Darlehensanteils an der Förderung, zweitens die stärkere Anhebung der Rückzahlungsrate. Ich muß sagen, daß ich das, was die Vorredner hier ausgeführt haben und was wir im Ausschuß gehört haben, nämlich daß eine schichtenspezifische Abschreckungswirkung zu Lasten von Auszubildenden aus einkommensschwachen Familien eintrete - die Bundesregierung hat von einem „sozialen Numerus clausus" gesprochen -, wirklich nicht nachvollziehen kann. Ich möchte mich an die Sozialdemokraten wenden, die Arbeitnehmer sind, und die, die noch Kontakt zur Arbeitnehmerschaft haben, ({5}) und sie fragen, ob sie ihren Bildungspolitikern in dieser Situation wirklich folgen können. Es geht doch darum, daß diese Darlehen nicht von dem Arbeitersohn oder der Arbeitertochter zurückgezahlt werden, sondern von dem Arzt, von dem Rechtsanwalt, von dem Oberregierungsrat, für die das kein Problem darstellt. Und es geht auch darum, daß die Rückzahlung für die erleichtert wird, die nichts verdienen, die eine Teilzeitbeschäftigung haben, völlig unabhängig davon, ob sie aus einer Arbeiterfamilie oder aus einem Akademikerhaushalt kommen. Und genauso ist das auch richtig. Ich kann wirklich nicht begreifen, warum Sie in einer Situation knapper Mittel zulassen - Herr Kühbacher hat das das letzte Mal auch zu Recht gebrandmarkt -, daß jemand, der im Jahr vielleicht 150 000 DM verdient, in Monatsraten von 80 DM Darlehen eben so langsam zurückzahlt, daß wir nicht die notwendigen Mittel haben, damit auch in der Zukunft Kindern aus einkommensschwachen Familien so geholfen werden kann wie in der Vergangenheit. ({6}) Sie können eben jede Mark nur einmal ausgeben. Die Alternative zwischen der Koalition und uns lautet eben so, daß SPD und FDP die geringe Darlehensverpflichtung auch des Gutverdienenden in Kauf nehmen mit dem Ergebnis, daß wir keine ausreichenden Mittel für die Berücksichtigung von Freibeträgen, für die Bedarfssätze für bedürftige und leistungsbereite Studierende aus einkommensschwachen Familien haben, während die Union eine höhere Darlehensverpflichtung für die fordert, die das leisten können, mit der Folge, daß wir auch höhere Mittel für sozial Bedürftige und Leistungsbereite in der Zukunft zur Verfügung stellen können, ({7}) damit hier die notwendige Finanzierung der Förderungshöchstbeträge erreicht werden kann. Das ist eine ganz klare Alternative. Wir haben uns entschieden, Sie haben sich entschieden, und ich finde, daß jeder sich hier eine Meinung bilden kann, wer wirklich etwas für die Einkommensschwachen tut.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Weisskirchen?

Gert Weisskirchen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002465, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Herr Rühe, daß Sie die Zwischenfrage gestatten. - Würden Sie dem Hohen Haus und auch denjenigen, die das draußen interessiert, klar machen, daß die Differenz darin besteht, daß wir 120 DM und Sie 140 DM Rückzahlung beschlossen haben. Wo liegt dann die erhebliche ideologische Differenz, das, was Sie hier als einen Riesenluftballon aufziehen?

Volker Rühe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001897, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Aber entschuldigen Sie! Wir haben doch versucht, den Vorschlag von Herrn Kühbacher aufzugreifen und offensiv nach vorn zu bringen. Aber da sind Sie uns leider in den Bereich nicht gefolgt. Ich könnte wörtlich aus den Ausschußprotokollen zitieren, wo Sie darauf hingewiesen haben, es sei eine unsoziale Politik, eine Politik des sozialen Numerus clausus, die wir hier betreiben würden. ({0}) - Natürlich ist die Frage beantwortet worden. Sie sind nicht bereit gewesen, uns bei den notwendigen Schritten weiter zu folgen. Ich komme jetzt zu dem zweiten Punkt, der wichtig ist, damit das Gesetz auch in Zukunft Bestand haben kann. Wir fordern hier Leistungsnachweise. Ich kann mich noch gut erinnern, wie die Kollegen von SPD und FDP vor zwei Jahren im Ausschuß gesagt haben, es sei eine Zumutung für die Studenten, daß wir erwarten würden, daß sie auch in der zweiten Hälfte ihres Studiums solche Leistungsnachweise gäben. Ich kann nur sagen: Was sind das für Einlassungen angesichts der Finanzprobleme, vor denen wir stehen! Aber ich möchte Ihnen gern einmal im Wortlaut sagen, was wir in Wirklichkeit fordern. Wir fordern nämlich gar keine Leistungsnachweise, sondern wir fordern den Nachweis eines ordnungsgemäßen Studiums. ({1}) Ist das eigentlich gegenüber dem Steuerzahler zuviel verlangt? Wenn jemand Wohngeld bekommt, dann wird von ihm auch gefordert, daß er nachweist, daß er auch tatsächlich in der Wohnung lebt. Ist es zuviel verlangt, daß, wenn ein Student BAföG bekommt, er nachweist, daß er ordnungsgemäß studiert und nichts anderes tut? Ich kann hier nur sagen: Sozialdemokraten, die nicht bereit sind, uns in einer so schwierigen finanziellen Situation zu folgen, haben den Kontakt gerade auch zur Arbeitnehmerschaft, wie ich meine, weitgehend verloren. Zu den hier vorgebrachten Argumenten, das sei nicht praktikabel, die Hochschullehrer würden Gefälligkeitsbescheinigungen ausstellen, kann ich nur sagen: Sie haben ja eine merkwürdige Auffassung von Hochschullehrern! Glauben Sie, daß die sich alle als Rechtsbrecher betätigen würden und Leuten, die überhaupt nicht studieren, eine Gefälligkeitsbescheinigung ausstellen, daß sie ordnungsgemäß studieren? Aber der Bundesminister Engholm hat hier in der Debatte zur ersten Lesung im Mai folgendes gesagt: Den BAföG-Studenten noch eine zusätzliche Belastung aufzudrücken, während jene aus reichen Haushalten bis in die Puppen studieren und Studienplätze belegen können, hielte ich nicht für eine adäquate Antwort. Da muß ich zunächst einmal sagen: Es ist sehr interessant, daß der Bundesminister der Meinung ist, daß viele bis in die Puppen studieren. Ich vermisse bis zum heutigen Tage Vorschläge von Ihnen, wie wir denn zu kürzeren Studienzeiten in der Bundesrepublik Deutschland kommen, ({2}) Herr Bundesminister für Bildung und Wissenschaft. Aber BAföG-Studierende werden zweifach gefördert, einmal wie alle anderen durch die Steuermittel für die Studienplätze und dann zusätzlich durch die BAföG-Mittel. Es spricht überhaupt gar nichts dagegen, daß man hier bei den BAföG-Mitteln anfängt. Aber wenn Sie bereit sind, für alle Studierenden entsprechende Nachweise zu fordern, dann müssen Sie auch solche Vorschläge machen. Ich weiß nicht, ob Sie z. B. den Vorschlag machen wollen - wir können gerne darüber diskutieren -, wieder Studiengebühren zu erheben, wie das der Präsident der Hochschule in Kiel gefordert hat. Nur sich hinter diesen Nichtregelungen für die Allgemeinheit zu verstekken und dann zu sagen: Wir können deswegen auch für die BAföG-Studenten nicht fordern, daß sie nachweisen, daß sie ordnungsgemäß studieren - dies ist sicherlich eine Haltung, die wir nicht nachvollziehen können. Auch hier gibt es eine klare Alternative. Denn jede Mark kann nur einmal ausgegeben werden. Sie scheuen die Probleme und die Kontrollen an den Hochschulen und an den Schulen, um sicherzustellen, daß nur diejenigen Mittel bekommen, die auch tatsächlich studieren. Wir sind bereit, diese Probleme anzupacken, auch die Schwierigkeiten auf uns zu nehmen, den Konflikt durchzustehen mit dem Ergebnis, daß wir dann mehr Mittel zur Verfügung haben, die wir für diejenigen einsetzen können, die sowohl bedürftig als auch leistungsbereit sind. Frau von Braun-Stützer, Sie haben in der letzten Debatte gesagt, aus sozialen und bildungspolitischen Gründen erscheine es Ihnen sinnvoller, mehr Berechtigte mit einer geringeren Summe fördern zu können als weniger Berechtigte mit einer höheren Summe. Das ist genau der Punkt. Sie fördern mehr Berechtigte, nämlich auch die, die nicht leistungsbereit sind. Da die Geldsumme gleich ist, erhalten deswegen diejenigen, die bedürftig und leistungsbereit sind, weniger. Ich bekenne mich dazu, daß wir weniger Leute fördern wollen, nämlich diejenigen, die zwei Kriterien erfüllen: daß sie für eine öffentliche Förderung aus Steuermitteln bedürftig sind und daß sie auch leistungsbereit sind. ({3}) Für dieses Weniger an Studenten und Schülern können wir dann auch das notwendige Geld einsetzen, damit sie wirklich sinnvoll und zielstrebig und erfolgreich studieren können und ihre Schullaufbahn absolvieren können. Auch hier eine ganz klare Alternative. Unsere Position macht klar, daß Sie nur so das Gesetz langfristig werden absichern können. Wie sehr Sie taktieren und wie wenig Sie eine zukunftorientierte Strategie gefunden haben, wird geradezu symbolisch auch in einem Punkt deutlich, der schon von Frau Kollegin Geiger angesprochen worden ist. Sie schaffen Rechtsgrundlagen für Studenten und hoffen gleichzeitig, daß diese davon keinen Gebrauch machen, indem Sie davon ausgehen, daß diejenigen, die frisch zur Universität kommen, erst eine gewisse Zeit brauchen, bevor sie BAföG beantragen können. Ich glaube, so etwas hat es kaum jemals gegeben. Entweder betrügen Sie Ihren Finanzminister, indem Sie ihm verschweigen, daß Sie selber oder das Studentenwerk so viel Aufklärung betreiben, daß die Studenten von Anfang an BAföG- Mittel beantragen. Oder Sie betrügen die jungen Leute, indem Sie ihnen einen Rechtsanspruch schaffen, aber gleichzeitig in Ihre finanziellen Überlegungen zum Ausgleich der Kosten dieses Gesetzes als Tatsache mit aufnehmen, daß sie davon keinen Gebrauch machen werden. Wenn das keine Perversion des Denkens ist, dann weiß ich nicht, was man so bezeichnen kann. Demnächst werden Sie noch Sozialgesetze mit dem Geheimstempel versehen in der Hoffnung, daß möglichst wenige davon Gebrauch machen, Sie Ihr soziales Gewissen wahren können, aber so wenige davon Gebrauch machen, daß auch der Finanzminister damit einverstanden ist. ({4}) So werden Sie mit Sicherheit nicht über die Runden kommen, auch nicht über die Runden des Herbstes. Nehmen Sie das, was wir hier sagen, als einen Appell auf. Wir werden j a die Anträge hier noch einmal einbringen, damit nicht nur Ihre Bildungspolitiker im Ausschuß darüber abstimmen können, sondern Sie als Vertreter der Gesamtfraktion. Nehmen Sie das als einen Appell und eine Chance, dieses Gesetz, zu dessen Kern wir stehen, so zu verbessern, so abzusichern gegenüber der Kritik aus den eigenen Reihen, gegenüber der Kritik aus der Öffentlichkeit, daß wir auch noch in Zukunft in der Lage sind, diejenigen Schüler und Studenten in unserem Lande, die von Hause aus schlecht gestellt, die aber leistungsbereit sind und deren Begabungsreserven wir ausschöpfen wollen, die wir alle miteinander für unsere Zukunftssicherung brauchen, durch ein gutes, abgesichertes Bundesausbildungsförderungsgesetz vernünftig zu fördern. - Schönen Dank. ({5})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Purps.

Rudolf Purps (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001760, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich zu meinen Ausführungen komme, Frau Geiger, möchte ich eine Bemerkung von Ihnen aufgreifen. Sie sagten, diese SPD habe eine großspurige Bildungsreform betrieben. Ich kann Ihnen nur sagen, Frau Geiger, wir mußten relativ große Spuren in die Bildung hineinbringen, um die Schmalspurigkeit, die wir vorgefunden haben, endlich auswetzen zu können. ({0}) An dieser Stelle ist von bedeutenden Leuten viel über weltwirtschaftliche Rahmenbedingungen gesagt worden. Das brauche ich nicht zu wiederholen; da gibt es Kompetentere. Allerdings kann man daraus zwei Schlüsse ziehen. Auch wir sind betroffen, und zum anderen: die 80er Jahre stehen unter einem ganz anderen wirtschaftspolitischen und fiskalischen Zwang als die 70er Jahre. Daß daher Einsparungen notwendig sind, nicht nur, aber auch im Bereich staatlicher Transferleistungen, auch im Bildungsbereich, ist eigentlich zwischen den Fraktionen nicht umstritten, eben so wenig wie die Plafondierung, für die sich die Fraktionen wie auch der Bundesrat ausgesprochen haben. Die Problematik liegt eben darin: Wie schichtet man um? Wie schafft man gewisse unberechtigte Mitnahmeeffekte aus der Welt? Denn nur so konnte eine Anpassung der Fördersätze und Elternfreibeträge möglich werden. Obwohl ich kein besonderer Freund von Zahlenwerken bin, möchte ich trotzdem einige Zahlen nennen, um verschiedene Dinge, die in der Welt kursieren, ein klein wenig zurechtzurücken. So beträgt zum Beispiel der Regelsatz Sozialhilfe 328 DM, die Höhe der durchschnittlichen Witwenrente - Zeitpunkt Januar 1981 - 494,50 DM; das heißt, es liegt ein Großteil von Witwenrenten auch noch darunter. Es ist also sicherlich nicht richtig, wenn einige Leute von einem bildungspolitischen Sonderopfer sprechen; denn es darf nicht vergessen werden, daß gerade in den letzten Jahren BAföG sehr stark zugenommen hat, insbesondere in der IstAbrechnung 1980 gegenüber dem Haushaltsplan 1980. Zur Einordnung der bildungspolitischen Aktivitäten von Bund, Ländern und Gemeinden sei darauf verwiesen, daß von 1970 bis 1980 das Bildungsbudget immerhin um 179 % gestiegen ist. Dazu Vergleichszahlen aus dem Bundeshaushalt: Der Verteidigungsbereich stieg von 1970 bis 1980 um 106 %, die soziale Sicherung einschließlich Gesundheit und Sport um 187 %, Bildung und Forschung zusammen um 246 %. Ich lasse diese Zahlen unbewertet so stehen; sie sprechen für sich. ({1}) Zu den Anträgen der CDU/CSU möchte ich aus haushälterischer Sicht folgendes sagen. Sie überschreiten in ihrer Gesamtheit weit den vorgegebenen Einsparungsrahmen. Sie wollten also doch noch viel mehr finanzieren. ({2}) - Herr Daweke, rechnen Sie das mal durch oder lesen Sie im Ausschußbericht; da steht das wörtlich drin. Deswegen ist es für mich um so unverständlicher, wieso Sie von der CDU uns vorwerfen, daß wir unsolide finanzierten, wenn Sie eigentlich noch viel mehr fordern und dann Deckungsvorschläge bringen, die das nicht erbringen konnten und ein wenig gegriffen sind. Ich zitiere aus dem Ausschußbericht: Sie stimmen dem Gesetzentwurf nicht zu, da Sie das Gesamtkonzept zu unausgewogen, die Finanzierung der Novelle für nicht gesichert halten. Das reimt sich nicht damit zusammen, daß man selbst mehr fordert, als man an Deckung bringen kann. ({3}) Zu den Änderungsanträgen der CDU/CSU - Frau Schmidt ist weitgehend auf alles eingegangen - will ich nicht mehr Stellung nehmen. Ich nehme nur einen Punkt, der gerade von Ihnen, Herr Rühe, besonders erwähnt wurde, nämlich die Forderung auf eine Erhöhung der Grunddarlehen und auf eine weitergehende Erhöhung des Rückzahlungsbetrages. Einsparung für 1982 - das liegt auf der Hand - bringt das nicht, frühestens am Ende unseres Jahrzehnts. Das sei zugestanden. Sozialpolitisch möchte ich folgendes anmerken. Bei einem normalen Studium von zehn Semestern laufen nach heutiger Regelung bei auswärtiger Unterbringung durch die Förderung runde 9 000 DM an Darlehen auf. Das ist unbestritten. Eine weitere Erhöhung würde meines Erachtens zu weiteren Abschreckungseffekten - insbesondere bei den sozial Schwächeren - führen. 9 000 DM sind ein ganz schöner Pappenstiel, den man da vor sich herschiebt. Dann wollen wir doch einmal folgendes sehen: Da wird also ein Arbeiterkind - die Darstellung ist vielleicht etwas schablonenhaft, aber das geht nicht anders - mit BAföG gefördert und hat am Ende seines Studiums - seine Existenz muß es sich noch aufbauen - 9 000 DM Schulden vor der Brust. Da hat jemand eine großzügige PaFöG, also eine Papa-Förderung, hat keine Schulden, hat aber auch Kosten verursacht; wenn er Medizin studiert, 31 000 DM pro Jahr, eine Menge mehr als das volle BAföG, ungefähr das Vierfache. Ich glaube, daß man auch diese Relationen einmal sehen muß, um zu verstehen, daß die Darlehensförderung irgendwo an Grenzen stößt, deren Überschreitung man nicht mehr vertreten kann. Übrigens würden bei stärkerer Erhöhung mit Sicherheit höhere Verwaltungskosten auflaufen, denn es müßte eine soziale Komponente eingebaut werden. Es ist j a wohl nicht möglich, daß man bei einem Zwei-Drittel-Lehrer, dessen Gehalt möglicherweise unter dem eines Facharbeiters liegt - das wissen Sie -, diese Rückzahlung so gestaltet. Wir haben j a auch Vorschläge gemacht, wie diejenigen, die etwas mehr verdienen, sofort ablösen können. Da kommen wir in diesen Effekt hinein und haben ihnen sogar noch zusätzlich ein kleines Butterbrot hingelegt, damit sie es tun, Herr Daweke. Ich möchte trotzdem noch einmal ausdrücklich auf die gemeinsame Entschließung aller Fraktionen hinweisen, die die Bundesregierung auffordert, bis zum 30. November öffentlich diskutierte und, wie ich hinzufüge, auch durchaus wichtige Fragen des Darlehens - die Darlehensverwaltung und die Rückzahlungspraxis betreffend - zu beantworten. Nun noch ein Wort zur Akzeptanz; das ist ein schreckliches Wort, das ich gern einmal ins Deutsche übersetzt hätte, aber mir fällt im Moment auch nicht das Günstigste ein. ({4}) - Jawohl, danke schön: Zustimmung. Die Zustimmung nicht nur der Betroffenen, sondern auch - das ist vollkommen klar - derjenigen, die für ein Gesetz geben, wird von Ihnen immer wieder in Richtung der Aussage „Die Studenten leisten j a nichts" geschoben. Ich würde davor warnen. Gehen Sie doch wirklich einmal an die Hochschulen und schauen Sie, wie heute auch Studenten arbeiten müssen, um ihr Examen schnell zu bekommen! Sie haben j a auch die HIS-Studie gelesen; dann wissen Sie, daß darin steht, daß die BAföG-Studenten im allgemeinen schneller und auch mit einem guten Examen abschneiden. ({5}) Man kann doch nicht alle in einen Pott schmeißen; das können wir doch nicht tun! Sie werden in Zukunft vielleicht an den Universitäten vor den Studenten das vertreten müssen, was Sie hier über die Leistung von Studenten gesagt haben. ({6}) Ich will Ihnen aber wirklich einmal sagen, wo die Akzeptanz in der Öffentlichkeit gefährdet ist: nämlich da, wo man in der Nachbarschaft, in der Bekanntschaft, im Dorf oder sonstwo sieht, daß jemand, der nach seinen offensichtlichen Lebensumständen nicht schlecht dasteht, volles BAföG bekommt. Das gefährdet die Akzeptanz, Herr Rühe; das war in der Öffentlichkeit der springende Punkt! ({7}) Herr von Waldburg-Zeil, dann ist es für mich vollkommen unverständlich, wie Sie in Ihren Anträgen versuchen, an diesem entscheidenden Punkt nun wieder etwas aufzuweichen. ({8}) Ich verweise nur ganz kurz auf das selbstgenutzte Zweifamilienhaus. Das soll wieder drinbleiben. Ich verweise auch auf die Ablehnung der besseren Einkommenserfassung bei den Landwirten. Sie wollten genau da wieder aufweichen, wo die Akzeptanz eigentlich nicht liegt. Das ist der springende Punkt. ({9}) - Herr Daweke, bitte schön; zwar geht das von meiner ganz knappen Redezeit ab, aber ich werde mich bemühen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Bitte schön, Herr Abgeordneter Daweke, eine Zwischenfrage.

Klaus Daweke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000361, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Purps, würden Sie mir zugestehen, daß die Neuregelung des § 21 gerade diesen von Ihnen beklagten Zustand, daß jemand voll gefördert wird, obwohl er offensichtlich in guten Umständen lebt, überhaupt nicht beseitigen wird?

Rudolf Purps (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001760, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Daweke, das werde ich Ihnen nicht zugestehen. Ich gestehe Ihnen höchstens zu, daß Sie es nicht vollkommen schaffen, die auf Grund des Einkommensteuerrechts bestehenden Schwierigkeiten auszuräumen. Das hat meine Kollegin auch bereits gesagt. Aber Sie können gerne einen Antrag einbringen, das Einkommensteuerrecht zu ändern; da bekommen Sie meine Stimme! ({0}) Unter den obwaltenden finanziellen Gegebenheiten der 7. Novelle ist das, was hier heute auf dem Tisch liegt, das Maximum des Erreichbaren. Die SPD-Fraktion und - das möchte ich ausdrücklich betonen - die FDP-Fraktion haben die ihnen durch Koalitionsbeschluß auferlegten Schularbeiten gemacht und haben den Sparbeitrag erbracht. Ich möchte deutlich darauf hinweisen, daß die Festschreibung des BAföG bis 1984 nun beinhalten muß, daß das BAföG im Sparkonzept nicht mehr zur Disposition steht. ({1}) Wenn Sie von der CDU diesmal die Novelle ablehnen - was eigentlich schade ist, denn es gab auch Gemeinsamkeiten -, wollen Sie aber in Zukunft in der Öffentlichkeit bitte nicht den Eindruck erwekken, diese Ablehnung sei der Ausdruck Ihres Willens, für Schüler und Studenten mehr zu tun! Das ist - auch nach Ihren heutigen Äußerungen - sicherlich nicht zu machen. Schlußbemerkung, meine Damen und Herren: Ich darf wiederholen, was ich in meiner Einbringungsrede zum BAföG gesagt habe. Es gibt viele Dinge, die wünschenswert sind, darunter sicherlich auch mehr Mittel für den Bildungsbereich. Aber es ist sicherlich genauso zu verstehen, daß sich das Wünschenswerte an dem orientieren muß, was finanziell machbar ist. Das ist eine harte Tatsache, das gebe ich zu; sie wird aber jeder, der die BAföG-Novelle nicht mit Scheuklappen, sondern unter Einbeziehung sämtlicher Aspekte - weltweit und in unserem Lande - beurteilt, akzeptieren. - Ich danke Ihnen. ({2})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Neuhausen.

Friedrich Neuhausen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001591, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute noch einmal zum Thema BAföG zu sprechen, birgt zwei Versuchungen in sich: entweder einfach das zu wiederholen, was schon bei der ersten Beratung gesagt wurde, oder auf alle Einzelheiten, die hier kritisch angemerkt wurden, einzugehen. Das erlaubt die Zeit leider nicht. Auf der einen Seite hat sich die finanzpolitische Grundsituation nicht verändert. Der Haushaltsansatz ist so geblieben, wie er war. Die Frage, ob es gelungen sei, im Rahmen dieses Ausgabenansatzes zwischen den notwendigen Anpassungen auf der einen Seite und den notwendigen Einsparungen auf der anderen Seite ein ausgewogenes Verhältnis zu schaffen, wird, wie wir hören, unterschiedlich beurteilt. Das war auch schon bei der ersten Lesung so. Das kann auch nicht anders sein, meine Damen und Herren, weil, wie schon bei der ersten Beratung der Kollege Graf von Waldburg-Zeil gesagt hat, im Grunde unter dem Druck der berechtigten Forderungen jeder Vorschlag unbefriedigend ist. Sowenig ich den Wertungen der Opposition zustimmen kann, sowenig würde ich die von uns vertretene Lösung absolut als den Stein der Weisen bezeichnen; aber - das nehmen wir für uns in Anspruch - wir haben uns in allem Ernst und vor dem Hintergrund einer Vielzahl von Anregungen und auch kritischen Anmerkungen und Einwendungen der Betroffenen um eine Lösung bemüht, die wir glauben verantworten zu können. Ich halte auch den heute wieder geäußerten Vorwurf für völlig verfehlt, daß bestimmte Erwartenshaltungen, die zu Schwierigkeiten führen, durch eine bestimmte realitätsferne und euphorische bildungspolitische Linie geweckt und genährt worden seien. Vor jetzt zehn Jahren - damals trat ja das BAföG in Kraft - hat der damalige Bundesvorsitzende meiner Partei, Walter Scheel, gesagt, daß diese Partei aus dem Ansporn ihrer Tradition heraus nichts unversucht lassen werde, die Sicherung gleicher geistiger Entwicklungschancen unserer Bürger durchzusetzen. Aber er betonte im nächsten Satz, daß sich die Durchsetzung dieser Vorhaben notwendigerweise an unserer wirtschaftlichen und haushaltspolitischen Stabilität orientieren müsse. Das war und ist nicht nur das genaue Gegenteil von realitätsferner Euphorie, sondern kennzeichnet einen Zusammenhang, der durch die Verbindung von Zielsetzung und Orientierung an der Realität fast als ein bildungspolitischer Doppelbeschluß zu bezeichnen wäre. ({0}) Meine Damen und Herren, eine so beschriebene realistische Haltung erlaubt weder den Vorwurf, überhöhte Erwartungen geweckt zu haben, noch die Schlußfolgerung auf eine bildungspolitische Kurskorrektur. Sie macht gleichzeitig deutlich, daß nur durch die Konsolidierung der Haushalte, zu der der finanzielle Rahmen dieses Gesetzes beiträgt, langfristig die Ziele der Bildungspolitik gesichert werden können. So gesehen, darf - das will ich nicht wiederholen - nicht vergessen werden, daß dieses Gesetz durch die Anpassung der Fördersätze und Elternfreibeträge und durch die vorgesehene Zwischenanpassung vor allem Verbesserungen erreicht. Ebensowenig darf vergessen werden, daß manches, was als Einsparung beklagt wird, zu mehr sozialer Gerechtigkeit führt, weil es dazu beiträgt, dem eigentlichen Förderungszweck Mittel zuzuführen, die bisher durch Gesetzeslücken dahin geflossen sind, wohin sie nach der Intention des Gesetzes nicht fließen sollten. Ich spreche nicht von Mitnehmern und nicht von Mißbrauch. Ich verkenne nicht, daß andere Maßnahmen dieses Gesetzes zu Einschränkungen führen, die bildungspolitisch berechtigtes Unbehagen verursachen. Aber z. B. die Priorität, jedem eine Erstausbildung ohne Einschränkungen zu ermöglichen, mußte zu Beschneidungen hinsichtlich der Zweitausbildungen führen, die wiederum unterschiedlich beurteilt werden müssen. Es muß aber auch berücksich2660 tigt werden, daß die im Ausschuß beschlossenen Korrekturen Erleichterungen erreicht haben. Ich möchte mich hier ganz bewußt nicht mit den schon vielfach dargestellten Einzelheiten und ihrer verschiedenen Bewertung beschäftigen. Es wäre auch ermüdend, wenn ich zum Thema Darlehensanteil detailliert feststellen würde, daß ich mich mit meiner Meinung durchaus auf dem programmatischen Boden meiner Partei befinde. Julis und Judos spielen da keine so ({1}) große Rolle. - Sie glauben es uns nicht, meine Damen und Herren, wir wissen es. Das genügt fürs erste und für die kurze Zeit. Wir glauben aber, daß die Frage der Darlehen auch angesichts der an der Realität orientierten Entscheidungen nicht einfach von der Tagesordnung verschwunden ist. Die damit verbundenen - auch psychologischen - Auswirkungen müssen weiterhin sehr ernst genommen werden. Ich spreche von Fragen und Gedanken; sie sind nicht durch den Hinweis auf extreme spätere Verdienstmöglichkeiten einzelner Berufe allein auszuräumen. ({2}) Meine Damen und Herren, wir haben uns auch sehr ernsthaft mit der von der Opposition erhobenen Forderung nach einem zusätzlichen Nachweis über die geordnete Durchführung des Studiums beschäftigt. Niemand wird bestreiten wollen, daß eines der Ziele dieser Forderung, die Verhinderung von Mißbrauchsmöglichkeiten durch nur formal eingeschriebene Studenten, zu unterstützen ist. Aber neben die im Ausschußbericht dargelegten Bedenken müssen für eine gründliche Überlegung auch weitere Gesichtspunkte und Fragen nach den Auswirkungen einer solchen Maßnahme, die auf die Verhinderung von Mißbrauch durch einzelne zielt, treten. Ich denke in diesem Zusammenhang ganz ernsthaft und nicht als Replik z. B. an die Empfehlung des Wissenschaftsrats zur Förderung besonders Befähigter vom 15. Mai 1981. In ihr wird die Möglichkeit eines stärker individuell gestalteten Studiums als eine für die Entwicklung der Studenten wichtige Herausforderung bezeichnet. Es heißt dort, wenn das, was der einzelne in seinem Studium tut und erarbeitet, stärker auf eigenen Entscheidungen beruhen könne, dann könne das Studium auch besser als Chance und Verpflichtung zur Leistung erfahren werden. Meine Damen und Herren, wir müssen Obacht geben - ich komme zum Schluß -, daß wir nicht infolge der Tendenz einen Mißbrauch durch einzelne zu verhindern, Wege in bestimmte Richtungen einschlagen, die wir alle nicht wollen können. Meine Damen und Herren, ich habe bei der ersten Lesung gesagt: An die Beratungen zu diesem Gesetz kann niemand mit reiner Freude und Befriedigung herangehen. Reine Freude ist keine politische Kategorie, Befriedigung wahrscheinlich eine schlechte. Ich meine, wir müssen unsere Entscheidungen mit nüchterner Realität fassen. Deshalb stimmen wir diesem Gesetz zu. - Vielen Dank. ({3})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Minister für Bildung und Wissenschaft, Engholm.

Björn Engholm (Minister:in)

Politiker ID: 11000476

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die wesentlichen Argumente - das schließt auch die weniger wesentlichen mit ein - sind ausgetauscht. Ich will mich auf einige kurze abschließende Bemerkungen beschränken. Ich darf zunächst dem Ausschuß für Bildung und Wissenschaft sehr herzlich dafür danken, daß er in der zweifellos kurzen Zeit mit einem erheblichen Druck so hervorragende Arbeit geleistet hat. Ich danke auch dem Vorsitzenden, der dies nicht in zu deutlicher Form gegenüber der Ministerialbürokratie gerügt hat. Ich danke den Berichterstattern, und ich danke auch den Mitarbeitern in meinem Ministerium, die zeitweilig wirklich bis in die Nacht versucht haben, Ihnen die richtigen Zahlen zu liefern. Ich bedaure, daß sich die Opposition nicht in der Lage sieht, diesem Gesetz zuzustimmen. Ich weiß nicht, was Sie vorhin mit „technischen Gründen" beim Verteidigungshaushalt gemeint haben, Herr Rühe; vielleicht sind es hier auch „technische Gründe", die Sie hindern, nicht zuzustimmen. Es würde nicht für Ihren politischen Sachverstand sprechen. ({0}) Ich meine, daß wir uns einmal überlegen sollten, wie überzeugend die Gründe der Unionsparteien sind, dieses Gesetz nicht anzunehmen. Sie möchten z. B. weiterhin alle Ergänzungs-, alle Zusatz- und alle Aufbaustudien finanzieren. Ich will über die Berechtigung der Forderung, das ganze Bündel von mittlerweile fast 70 zusätzlichen Studienangeboten zu finanzieren, nicht rechten, aber ich frage: Wo ist in Ihrer Vorlage, wo war in einem Ihrer Beiträge ein vernünftiger Deckungsvorschlag für dieses ausgabenwirksame Element? ({1}) Sie wollen zum zweiten das Darlehen erhöhen und die Rückzahlungsbeträge für die Ausstudierten ebenfalls. Ich bin der Meinung, man kann über solche Anträge in bestimmten Zeiten miteinander reden, aber in einer Periode, in der wir Studierenden und Schülern zumuten, mit einer sehr geringen Erhöhung der Fördersätze auszukommen - und dies auch noch mit einer halbjährlichen Verschiebung -, ihnen noch weitere Belastungspakete nicht nur anzukündigen, sondern obendraufzupacken, dies ist wirklich eine Frage, zu der Sie sich vor der Abstimmung hier noch einmal überlegen sollten, ob Sie dies gegenüber der jungen Generation wirklich tragen wollen. Sie wollen einen zweiten Leistungsnachweis einführen. Ich bin mit Ihnen einer Meinung, Mißbräuchlichkeiten in Hochschulen und Schulen sind schlecht. Nur muß ich sagen, ich bin entsetzt, wie hier mit Leichtfertigkeit gerade derjenige Teil der jungen Generation, der öffentliche Mittel in Anspruch nimmt, herabgewürdigt wird, ({2}) wie hier so getan wird, als sei das die große Zahl der Faulenzer. Dabei weiß jeder, daß Studenten, die BABundesminister Engholm föG beziehen, schneller und zügiger studieren und eher fertig werden. Jeder versucht, in der vorgegebenen Zeit der Förderungsdauer zu Ende zu kommen. Ich bin der Meinung, Mißstände mag es nicht nur geben, man kann Mißstände auch mit leichtfertigen Worten herbeireden. ({3}) Was Sie hier versucht haben - das will ich deutlich sagen -, bedeutet, sozusagen zwei wesentliche Gruppen der Gesellschaft gegeneinander auszuspielen: die Arbeitnehmer, die das finanzieren müssen, und die Studenten, die das Geld nun mal brauchen. Beide sind für die Zukunft dieser Gesellschaft unabdingbar notwendig. ({4}) Beide gegeneinander ausspielen, ist falsch. Ich bin auch nicht ganz sicher, Herr Rühe, was das für eine Philosophie ist, die dahintersteht, wenn Sie sagen: Wir wollen lieber für weniger Förderung, aber dafür mit mehr Geld. Was ist das für eine Lebensphilosophie, bei der Kinder im Lebensalter von 10 Jahren sich das erste Mal bei der Frage bewähren müssen, ob Hauptschule, Realschule oder Gymnasium; bei der sie sich anschließend bewähren müssen bei der Frage, ob sie die schulformabhängige Orientierungsstufe bestehen oder nicht; bei der sie sich bei Einstellungsprüfungen in großen Unternehmen bewähren müssen, ob sie Lehrling werden können oder nicht; bei der sie nicht nur eine Prüfung während des Studiums machen müssen, sondern zwei und drei und immer wieder abgeklopft werden. Was ist das für eine Lebensphilosophie, die junge Menschen vom 10. bis zum 25. Lebensjahr permanent Ausleseverfahren unterwirft! Glauben Sie, daß dieses bei Kindern und Jugendlichen das Zutrauen in die Gesellschaft erhöhen wird?

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Rühe?

Björn Engholm (Minister:in)

Politiker ID: 11000476

Ja.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Bitte, Herr Rühe.

Volker Rühe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001897, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, halten Sie es für eine Zumutung, wenn Studenten, die Mitte 20 sind, der Nachweis eines ordnungsgemäßen Studiums abverlangt wird, wie wir das vorgeschlagen haben?

Björn Engholm (Minister:in)

Politiker ID: 11000476

Ich halte es für eine Zumutung, Herr Rühe, daß Sie einen Antrag stellen, von dem Sie selbst wissen und im Ausschuß haben erfahren können, daß jeder derartige nur formale Prüfungsvorgang Kosten von mindestens 70 DM verursacht, daß er mit Bürokratie in einem Unmaße verbunden ist, die Sie in jeder anderen Rede hier im Parlament bekämpfen, ({0}) und daß Sie gleichzeitig der großen Zahl der Nichtgeförderten - das sind 65 % - an unseren Hochschulen weiterhin die Möglichkeit eröffnen, bequem und so lange zu studieren, wie sie es wollen. Lassen Sie uns darüber reden, wie wir 100 % der Studenten, ohne sie zu kujonieren, vernünftig zum Studieren bringen! Dann bin ich bereit mitzumachen. Aber die finanziell Schwächsten zusätzlich zu belasten, halte ich nicht für adäquat. ({1})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage, Herr Minister?

Björn Engholm (Minister:in)

Politiker ID: 11000476

Ja.

Volker Rühe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001897, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, darf ich Sie fragen, welche Vorschläge Sie als der zuständige Ressortminister für Bildung und Wissenschaft gemacht haben, um sicherzustellen, daß alle Studierenden ordnungsgemäß die Hochschulen be suchen.

Björn Engholm (Minister:in)

Politiker ID: 11000476

Herr Kollege, es liegt mir fern, Ihnen Unterricht in Kompetenzverteilung zu geben. Aber Sie wissen, daß Studienordnungen und Prüfungsordnungen allein von Wissenschafts- und Kultusministern gemacht werden. Wir werden künftig, wenn Sie Interesse haben, in unserem Ausschuß mit Ihnen darüber beraten. Sie als langjähriges Mitglied dieses Ausschusses müßten das eigentlich wissen. ({0}) Daß Sie im Ausschuß von der Opposition her weitere ausgabenwirksame Wünsche geäußert haben, irritiert mich sehr. Sie haben z. B. Wünsche geäußert beim Waisenfreibetrag, beim relativen Kinderfreibetrag, während gleichzeitig die Union im Parlament, während die Union in der Länderkammer und während Ihre Kollegen im Haushaltsausschuß eindeutig und ohne Wenn und Aber auf permanentes Sparen drücken. Es irritiert mich, daß hier eine Kluft ist zwischen dem, was Sie beantragen, und dem, was Ihre Gesamtfraktion politisch offensichtlich will. Ich meine - es ist bereits gesagt worden -, Sie möchten zwar gerne, daß insgesamt gespart wird, aber Sie wollen die Mitverantwortung an diesen unangenehmen Sparakten nicht übernehmen. Ich sage Ihnen: Es ist ein denkbar unpolitischer Akt, so zu handeln. ({1})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Björn Engholm (Minister:in)

Politiker ID: 11000476

Bitte schön.

Alois Waldburg-Zeil (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002413, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, darf ich Sie fragen, warum denn auf die Besteuerung der Landwirte mit kleinen Höfen nicht verzichtet worden ist, obwohl diese Besteuerung nachweislich keine Einsparung bringt - das haben die Beratungen im Ausschuß gezeigt -, sondern mehr kostet, als an Steuermitteln hereinkommt?

Björn Engholm (Minister:in)

Politiker ID: 11000476

Wissen Sie, es gibt auch die Frage der sozialen Verträglichkeit, der sozialen Adäquanz von Gesetzen. Ich bin der Meinung, kein Landwirt soll schlechter behandelt werden als ein normal verdienender Arbeiter und Angestellter. Genau das haben wir erreicht. ({0}) Umgekehrt muß ich sagen: Ich kann es angesichts der schlechten finanziellen Situation nicht vertreten, Landwirte zu privilegieren, so sehr ich sie ansonsten schätze. ({1}) - Ich kenne Ihre persönliche Auffassung von der Förderung der deutschen Landwirtschaft nicht. Ich kann nur sagen: Ich werde sie, soweit ich es verhindern kann, durch das BAföG nicht unterstützen. Ich habe dieses Gesetz vor wenigen Monaten unter großem Spar- und Zeitdruck vorlegen müssen. Ich will wiederholen: Ich habe dieses Gesetz nicht zu meinem Vergnügen vorgelegt, nicht, um Studenten repressiv zu behandeln, wie das kürzlich auf einer Kundgebung gesagt worden ist. Ich habe es auch nicht mit großer Leidenschaft und großem Engagement vorgelegt. Ich glaube dennoch, daß dieses Gesetz - auch wenn Sie ihm nicht zustimmen werden - ein Musterbeispiel dafür ist, wie man angesichts der Notwendigkeit, zu sparen, Änderungen vornehmen kann, die sozial gestaffelt ausgerichtet sind. Wir haben nicht alle über einen Kamm geschoren. Wir haben versucht, diejenigen, die es wirklich nötig haben, von Belastungen freizustellen und diejenigen, die etwas draufzahlen können, mehr zur Kasse zu bitten. Das ist ein gutes Beispiel für eine soziale Struktur von Spargesetzen. Schüler, Studenten und Eltern werden mit diesem Gesetz einen beträchtlichen Sparbeitrag zur Konsolidierung der öffentlichen Finanzen leisten müssen. Wer glaubt - es gibt solche Stimmen -, man könnte beim BAföG noch wesentlich mehr herausholen - und das in Beträgen von Millionenhöhe -, ist, glaube ich, auf dem Holzweg. Wer das versuchen sollte - ich muß das deutlich und mit aller Nüchternheit sagen -, wird feststellen, daß geregelter Unmut von Schülern und Studenten zu blanker Abneigung wird, daß friedlicher Protest in harte Aktion umschlagen wird, und der wird feststellen, daß der Bruch zwischen der jungen Generation und der Politik noch größer werden wird. Ich meine deshalb, daß sich Bundestag und auch Bundesrat im Zusammenhang mit dem Haushalt 1982 daran erinnern müssen, daß es in unserem Lande Gruppen gibt, denen Sparbeiträge, auch höherer Art, leichter fallen als Schülern und Studenten. Ich bitte Sie um Zustimmung zu diesem Gesetz. ({2})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Abgeordnete Daweke.

Klaus Daweke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000361, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte gerne noch auf den Minister antworten, weil ich meine, daß er mit einer großen Zahl von Unterstellungen gearbeitet hat, die wir nicht so im Raum stehenlassen können. ({0}) Sie entwickeln sich in der letzten Zeit auf diesem Gebiet immer mehr zu einem Fachmann. Es nützt aber nichts, Herr Minister, wenn Sie sich hier hinstellen und von Mißbrauch reden. Sie erklären das zu einer Zeit, in der Ihnen das Geld ausgeht. Als wir vor Jahren auf diese Mißbräuche hingewiesen haben, haben Sie stets behauptet, daß unsere Vorschläge nicht durchführbar seien oder daß es keinen Mißbrauch gebe oder daß es zu teuer werden würde, wenn man den Mißbrauch beseitigen wollte. Sie können sich jetzt unter dem Diktat des Finanzministers nicht der Vorstellungen rühmen, von denen Sie vorher gesagt haben, daß es nicht möglich wäre, sie zu verwirklichen. Die ganze Diskussion hier und im Ausschuß geht doch im Grunde genommen um die Frage, ob es nicht sinnvoll wäre, in diesem Moment noch weitere Mißbräuche bzw. andere Punkte aufzugreifen, die wir aufgezeigt haben, und nicht abzuwarten, bis Sie in einer weiteren Runde vom Finanzminister mitgeteilt bekommen, daß Sie an anderer Stelle noch einmal Einsparungen vornehmen müßten. Das ist doch die Situation, in der wir uns befinden. ({1}) Sie sagen, es gehe um die Akzeptanz bei den Empfängern dieser Leistungen - sie ist nicht gesichert; Sie haben ja auf dem Marktplatz dieser Stadt dazu ein Erlebnis gehabt - und bei den Aufbringern, bei den Steuerzahlern. Da möchte ich Sie doch einmal fragen, ob Sie sicher sind, daß die Akzeptanz der Haushaltsgruppe Ihrer eigenen Partei gewährleistet ist, ob sie Ihnen im weiteren Verlauf der Diskussion nicht auch sagen wird: Du mußt Teile der Vorschläge der Union oder die gesamten Vorschläge aufnehmen, um schließlich auch in den 80er Jahren das BAföG sicherzustellen. Sie sagen: Wir diffamieren die Studenten, wenn wir ihnen zumuten, einen Nachweis zu führen, daß sie studieren - im zweiten Teil des Studiums -. Wo da eine Diffamierung vorliegen soll, weiß ich nicht. Im übrigen haben ja die Kollegen der SPD und der FDP im Ausschuß gesagt, sie hätten gegen eine solche Regelung nichts, wenn sie nicht in eine neue Prüfungslawine ausartet. Genau das wollen aber auch wir nicht. Wir schlagen vor, daß man beispielsweise mit der Meldung zum Examen diesen Nachweis schon erbracht hat. Wer diffamiert denn hier, und wer macht denn ein ordnungsgemäßes Studium unmöglich? Sie machen doch ein ordnungsgemäßes Studium unmöglich, wenn Sie statt der 25 % Überlastquote durch Streichung der Ausbaumittel im Hochschulbau demnächst 40 % Überlastquote haben werden. ({2}) Sie machen doch ein ordnungsgemäßes Studium unmöglich, wenn Sie den Studentenwohnraumbau völlig streichen und damit die Leute zwingen, monatelang auf Budensuche zu gehen und kilometerweit entfernt von der Uni zu wohnen. Sie machen doch ein ordnungsgemäßes Studium unmöglich. Stellen Sie sich doch nicht hier hin mit der Behauptung: Wir von der Union diffamieren Studenten. ({3}) Die letzte Bemerkung. Frau von Braun-Stützer hat vorhin gesagt, dies sei ein Einstieg in den Umbruch; es sei ein Stapellauf für den Herbst. Ja wie hört sich denn das alles an, was Sie hier sagen? Sie bestätigen doch damit die These, die wir im Wahlkampf 1980 der Bevölkerung klarzumachen versucht haben: daß wir uns in einem Umbruch befinden und daß wir einen neuen Beginn brauchen. Nirgendwo sonst wird es so deutlich wie hier, daß die jungen Leute im Grunde genommen jetzt dafür bezahlen müssen, daß Sie eine falsche Finanz- und Wirtschaftspolitik betrieben haben. Wir haben immer gesagt: Die junge Generation wird die Folgen dieser Politik zu tragen haben. Mit dem Gesetz, das Sie heute machen, unausgewogen, wie es ist, stellen Sie dies endgültig unter Beweis. ({4})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat Herr Minister Engholm.

Björn Engholm (Minister:in)

Politiker ID: 11000476

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bitte um Nachsicht. Ich werde es sehr kurz machen. Nur: Weil die Opposition das Stichwort Hochschulbau erwähnt hat, ist das für mich eine gute Gelegenheit, darauf hinzuweisen, daß ich vorgestern abend und heute per Telex zunächst an Herrn Stoltenberg und dann an alle Ministerpräsidenten ein weiteres Angebot gemacht habe, das bedeutet, daß die Vorzahlungsnotwendigkeit der Länder sich wesentlich verringert. Der Finanzminister hat einer vorzeitigen Rückzahlung der Beträge ab 1982 zugestimmt. Niemand kann jetzt hier oder morgen früh im Bundesrat behaupten, es gebe aus finanziellen Gründen noch die Notwendigkeit, den Vermittlungsausschuß anzurufen. ({0}) Sie brauchen das Parlament im Sommer nicht zusammenzuholen, wenn Sie nicht wollen. ({1}) Die zweite kurze Bemerkung. Ich will deutlich sagen: Der Bildungsminister ist wie jeder Bildungspolitiker - ob er da, da oder da sitzt - immer zu einem Gutteil Anwalt der Jugend. Mir wird das zur Zeit aus finanziellen Gründen sehr schwergemacht. Ich mache auch kein Hehl daraus, daß ich darunter leide. Nur: Drei Reden, die ich heute von Ihnen gehört habe, auch eine von Ihnen, Frau Kollegin Geiger - Charme hin, Charme her -, waren alles andere als ein Votum für Verständnis für unsere Jugend. ({2}) Ich meine, wir sollten lernen, da wieder mehr zusammenzustehen. ({3})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung. Ich rufe Art. 1 Nr. 1 bis 10 in der Ausschußfassung auf. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Art. 1 Nr. 1 bis 10 sind in der Ausschußfassung angenommen. Ich rufe Art. 1 Nr. 11 auf. Hierzu liegt auf der Drucksache 9/617 unter Ziffer 1 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. Wer dem Art. 1 Nr. 11 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - In der Ausschußfassung angenommen. Ich rufe Art. 1 Nr. 12 bis 14 in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Art. 1 Nr. 12 bis 14 sind in der Ausschußfassung angenommen. Ich rufe Art. 1 Nr. 15 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 9/617 unter Ziffer 2 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. Wer Art. 1 Nr. 15 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ist angenommen. Ich rufe Art. 1 Nr. 16 bis 24 in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Art. 1 Nr. 16 bis 24 in der Ausschußfassung ist angenommen. Ich rufe Art. 1 Nr. 25 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 9/617 unter Ziffer 3 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dieser Antrag ist abgelehnt. Wer Art. 1 Nr. 25 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ist in der Ausschußfassung angenommen. Ich rufe Art. 1 Nr. 26 bis 28 sowie die Art. 2 bis 7, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung angenommen. Vizepräsident Frau Renger Wir treten in die dritte Beratung ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in dritter Beratung angenommen. Meine Damen und Herren, es ist noch über drei Beschlußempfehlungen des Ausschusses abzustimmen. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 9/603 unter Nr. 2, die Berichte der Bundesregierung auf Drucksache 9/206 und Drucksache 8/4187 zur Kenntnis zu nehmen. - Ich sehe keinen Widerspruch. Das Haus ist damit einverstanden. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 9/603 unter Nr. 3 und 4 die Annahme von zwei Entschließungen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Entschließungen sind angenommen. Meine Damen und Herren, nach einer Vereinbarung im Ältestenrat soll die heutige Tagesordnung weiter um die Beratungspunkte ergänzt werden, die in der vorliegenden Liste „Zusatzpunkte zur Tagesordnung" aufgeführt sind: Beratung des Antrags der Abgeordneten Kittelmann, Dr. Abelein, Dr. Waigel, Dr. Wörner, Dr. Hüsch, Dr. von Geldern, Echternach, Amrehn, Höffkes und der Fraktion der CDU/CSU 3. Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen - Drucksache 9/581 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({0}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ursprungskennzeichnung bei bestimmten Textil- und Bekleidungswaren - Drucksachen 9/276,9/599 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({1}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Verordnung ({2}) des Rates zur Einrichtung eines wirtschaftlichen passiven Veredelungsverkehrs für bestimmte Bekleidungs- und Spinnstoffwaren, die nach Be- oder Verarbeitung in Drittländern wiedereingeführt werden - Drucksachen 9/392, 9/600 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({3}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Verordnung ({4}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({5}) Nr. 2967/76 zur Festlegung gemeinsamer Normen für den Wassergehalt von gefrorenen und tiefgefrorenen Hähnen, Hühnern und Hähnchen - Drucksachen 9/323 Nr. 8, 9/591 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses ({6}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Richtlinie des Rates über Einzelheiten der Überwachung und der Kontrolle der durch die Ableitungen aus der Titandioxid-Produktion betroffenen Umweltmedien - Drucksachen 9/331, 9/595 - Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr ({7}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat über die Eisenbahnpolitik der Gemeinschaft: Rückblick und Ausblick auf die 80er Jahre - Drucksachen 9/127 Nr. 20, 9/605 Beratung der Übersicht 4 des Rechtsausschusses ({8}) über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht - Drucksache 9/583 Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses ({9}) zum Antrag des Bundesministers der Finanzen Bundeseigene Höfe in Breddewarden bei Wilhelmshaven; Veräußerung an die Stadt Wilhelmshaven - Drucksachen 9/386,9/590 Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses ({10}) zum Antrag des Bundesministers der Finanzen Bundeseigene Grundstücke in Pullach Nrn. 446/5 und 140/5 der Gemarkung Pullach; Veräußerung an die Gemeinde Pullach - Drucksachen 9/357,9/592 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({11}) zu der Aufhebbaren Achtundsiebzigsten Verordnung der Bundesregierung zur Änderung der Einfuhrliste - Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz -- Drucksachen 9/303,9/586 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({12}) zu der zustimmungsbedürftigen Verordnung der Bundesregierung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs ({13}) - Drucksachen 9/574,9/611 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr ({14}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Europäische Flugsicherung - Drucksachen 9/40, 9/606 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr ({15}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über die Förderung des Einsatzes von Elektrofahrzeugen - Drucksachen 9/165, 9/616 Beratung der Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses ({16}) zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament Entschließung zur Verfolgung der Angehörigen der Baha'i-Religionsgemeinschaft in Iran - Drucksachen 8/4504,9/614 Beratung der Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses ({17}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Dritter Bericht des Auswärtigen Amtes über den Stand der Reform des Auswärtigen Dienstes - Drucksachen 8/4513,9/615 Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf: Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und FDP auf Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates gegen das Zwanzigste Strafrechtsänderungsgesetz ({18}) - Drucksachen 9/559, 9/576 Vizepräsident Frau Renger Meine Damen und Herren, der Ältestenrat hat vereinbart und schlägt Ihnen vor, daß je ein Sprecher der Fraktionen eine Erklärung mit einer Dauer von bis zu fünf Minuten abgibt. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Das Wort zu einer Erklärung hat der Abgeordnete Gnädinger.

Fritz Joachim Gnädinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000694, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Einspruch des Bundesrats gegen das 20. Strafrechtsänderungsgesetz muß aus einer Reihe von Gründen zurückgewiesen werden. ({0}) Die SPD-Bundestagsfraktion wird deshalb heute dem zur Abstimmung stehenden Antrag, der diese Zurückweisung vorsieht, ihre Zustimmung geben. ({1})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, gestatten Sie, daß ich Sie kurz unterbreche. - Ich möchte herzlich darum bitten, meine Damen und Herren, daß Sie sich auf Ihre Plätze begeben. Der Redner wird so lange warten, bis das geschehen ist. -({0}) Ich bitte, Platz zu nehmen, meine Damen und Herren. Wir haben festgestellt, daß es unzumutbar ist, zu reden, wenn ein solcher Lärm im Hause ist. - Versuchen Sie es, Herr Abgeordneter.

Fritz Joachim Gnädinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000694, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Seit der Beschlußfassung des Bundestages im Februar sind keine neuen Gesichtspunkte aufgetreten. Auch die sich anschließende Debatte des Bundesrats ergab keine neuen Argumente. In aller Kürze sei deshalb an folgendes erinnert. Der Wunsch, die Bestimmungen der §§ 88a - Befürwortung von Gewalt - und 130 a - Anleitung zur Gewalt - zu streichen, ist weder das Ergebnis theoretischer Überlegungen, schon gar nicht das Ergebnis von Gefälligkeit, sondern ergibt sich aus den praktischen Erfahrungen, die wir während einer fünfjährigen Gültigkeit dieser Vorschriften sammeln konnten. Ausgangspunkt unserer Überlegungen ist dabei nicht die Tatsache, daß z. B. im Falle des § 88 a StGB in diesen fünf Jahren nur eine Verurteilung erfolgt ist, wichtig ist vielmehr, daß 111 Ermittlungsverfahren angezettelt worden sind und diese 111 Ermittlungsverfahren nur zu dieser einen Verurteilung geführt haben. Wir meinen, daß sich daraus zwei Erkenntnisse ableiten lassen: Erstens. Vorschriften, bei denen die Strafverfolgungsbehörden regelmäßig in Beweisnot geraten, laufen leer. Sie können auch keine vorbeugende Wirkung entfalten. Zweitens tragen solche Vorschriften zu einer Verunsicherung der Bürger bei. Sie haben damit negative Folgen für das geistige Klima in unserem Lande und sind, da es sich um sogenannte Veröffentlichungsdelikte handelt, zu einem Negativsymbol für die Meinungsfreiheit in diesem Lande geworden. Auch nach Aufhebung dieser beiden Vorschriften bleibt die Propaganda für Gewalt strafbar. Dafür stehen eine Vielzahl von Vorschriften zur Verfügung. Der Zeitrahmen dieser Erklärung erlaubt es aber nicht, diese Vorschiften im einzelnen aufzuzählen. Es ist deshalb falsch und irreführend, wenn von der Opposition in diesem Hause der Eindruck erweckt wird, als ob künftig Gewalt im Vorfeld nicht mehr strafrechtlich bekämpft werden könne oder gar solle. Die Streichung der Paragraphen zeigt vielmehr, daß der Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland in der Lage ist, negative Erfahrungen positiv aufzuarbeiten und Fragwürdiges zu korrigieren. Zu einer solchen Anstrengung ist die CDU/CSU offensichtlich nicht in der Lage. ({0}) Wir jedenfalls werden dem vorliegenden Antrag zustimmen und damit den Widerspruch des Bundesrates gegen ein vom Deutschen Bundestag bereits beschlossenes Gesetz zurückweisen. - Ich bedanke mich. ({1})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Meine Damen und Herren, ich bitte, Platz zu nehmen. Der Herr Abgeordnete Jahn stellte gerade fest, daß in der Drucksache 9/576, die Ihnen vorliegt, ein Fehler enthalten ist. Dort steht: „Der Einspruch des Bundestages ... wird zurückgewiesen". Es muß natürlich heißen: „Der Einspruch des Bundesrates ... wird zurückgewiesen". Das Wort zu einer Erklärung hat der Herr Abgeordnete Bergerowski.

Wolfram Bergerowski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000153, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf für die FDP-Fraktion erklären, daß wir ebenfalls den Einspruch des Bundesrates zurückweisen werden. Es hat hier keinen Sinn, in eine Debatte einzutreten und noch einmal alles abzuwägen, was im Zuge der Beratung dieses Gesetzes alles dargestellt werden mußte. Die Erwägungen sind im Grunde dieselben, die Herr Kollege Gnädinger gerade vorgebracht hat. Ich will es kurz zusammengefaßt darstellen. Wir meinen, daß die Erwartungen, die wir alle in dieses Gesetz, in die beiden Vorschriften, §§ 88 a und 130 a StGB, gesetzt haben, nicht in Erfüllung gegangen sind. Sie haben bei der Bekämpfung von Terrorismus keine nennenswerte Rolle spielen können. Sie haben sich in der Praxis als unnötig und wirkungslos erwiesen. Sie haben in der Praxis aber auch eine ganze Reihe von Folgewirkungen hervorgerufen. Es wurden eine Vielzahl von Ermittlungsverfahren ange2666 fangen, und nur ganz wenige dieser Verfahren konnten ein Stück weit vorangebracht werden. Es waren Mängel in der Beweiswürdigung, es waren aber auch Auswirkungen in der Verunsicherung von Teilen der Bevölkerungsgruppen zu spüren, die von Durchsuchungen auf Grund der Vorschriften betroffen waren. Uns hat besonders beängstigt, daß Teile unserer Jugend durch diese Diskussion über diese Vorschriften und deren Auswirkungen in den Ermittlungsverfahren irritiert und in einem gewissen Sinne auch gegen den Staat solidarisiert worden sind. Wir meinen, daß wir, wenn der Eindruck entstehen kann, daß die freie Meinungsäußerung in diesem Staat tangiert sein könnte, ernsthaft prüfen sollten, ob wir nicht Konsequenzen ziehen müssen. Das haben wir nun getan. Wir wollen, daß diese beiden Vorschriften nicht mehr im Strafgesetzbuch verankert sind. Ich möchte noch einem Eindruck entgegentreten - das hat Herr Gnädinger eben genauso getan -, dem, daß sich durch die Streichung der beiden Strafvorschriften eine Lücke auftun würde, die die Bekämpfung von politisch motivierten Gewalttätern in diesem Staate unmöglich machte. Ich meine, man muß vor einer solchen Betrachtung warnen. Es geht hier um einen ganz kleinen Ausschnitt im Strafrecht. Wir haben eine Menge von strafrechtlichen und im Nebenstrafrecht verankerten Vorschriften, die ausreichen, den Terrorismus in diesem Lande wirkungsvoll zu bekämpfen. Deshalb werden wir den Einspruch des Bundesrats zurückweisen. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort zu einer Erklärung hat der Herr Abgeordnete Erhard.

Benno Erhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000485, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem der Fehler im Antrag korrigiert ist, darf ich die Erklärung der CDU/CSU-Fraktion wie folgt abgeben. Wir sehen ebenso wie der Bundesrat keinen Grund, die Vorschriften im Strafgesetzbuch zu streichen. Beide Vorschriften, die über verfassungsfeindliche Befürwortung schwerer Gewaltkriminalität und die über die Anleitung zu solchen Straftaten, sind erst 1976 in das Strafgesetzbuch aufgenommen worden, um eine von der Bundesregierung und allen Fraktionen festgestellte Strafrechtslücke zu schließen. Dazu hat der frühere Bundesminister der Jusitz, Dr. Vogel, ausgeführt - ich zitiere wörtlich -: Der Sinn des Gesetzes ist, die Vergiftung der Atmosphäre, die auch in unserem Land durch die Befürwortung von schweren Gewalttaten eingetreten ist, einzudämmen und ihr einen Riegel vorzuschieben. Jetzt soll dieser Riegel auf Betreiben der FDP wieder zurückgeschoben werden. Jetzt soll nicht mehr gelten, was der rechtspolitische Sprecher der SPD- Fraktion, der hier anwesende Kollege Dr. Emmerlich, noch Ende März 1980 wie folgt formulierte: Für eine Streichung des § 130 a besteht keine Veranlassung. Es ist und bleibt unerträglich, daß jemand in Schrift, Bild und Ton anderen straflos Anleitung zur Begehung schwerster Straftaten geben darf. ({0}) Heute sind diese markigen Töne Schall und Rauch. Jetzt soll die Vergiftung der Atmosphäre, von der Exminister Vogel gesprochen hatte, wieder ungestraft und risikolos betrieben werden dürfen. In der heutigen Situation paßt eine solche Streichung wie die vielbeschworene Faust aufs Auge. Meine Damen und Herren, die Sachargumente für eine Beibehaltung dieser Paragraphen sind hier im einzelnen schon wiederholt vorgetragen worden. Ich möchte sie nicht noch einmal in aller Ausführlichkeit erläutern. Aber es muß doch nachdenklich stimmen, daß die sozialdemokratische Fraktion einerseits beabsichtigt, die Verbreitung neonazistischer Schriften stärker als bisher unter Strafe zu stellen, während sie andererseits das Strafrecht als untaugliches Mittel zur Bekämpfung verfassungsfeindlicher Gewaltpropagierung der politischen Linken ansieht. Mit Logik ist dieses Verhalten jedenfalls nicht zu erklären. ({1}) Schließlich hatte die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf zur Änderung des Betäubungsmittelrechts ursprünglich auch vorgesehen, die öffentliche Verherrlichung des Mißbrauchs von Drogen mit Strafe zu bedrohen, - ein Zeichen dafür, daß die Regierung auch hier von der präventiven, von der Abschreckungswirkung einer im Grunde gleichgerichteten Strafnorm überzeugt war. Nur bei der Verherrlichung verfassungsfeindlicher Gewalt aus der linksextremistischen Ecke sollen anscheinend andere Maßstäbe gelten. Eine Anbiederung an linksextremistische gewalttätige Kräfte kann für den freiheitlichen Rechtsstaat tödlich werden. Meine Damen und Herren von der Koalition, wenn schon unsere Argumente, die Erkenntnisse der eigenen Regierung, Sie nicht überzeugen können und auch der Bundesrat Sie nicht überzeugt, dann hilft Ihnen vielleicht ein Blick über die Grenzen im Süden unseres Landes. Im Ausland, nämlich in der Schweiz, wird derzeit eine Vorschrift, wie wir sie in § 130 a haben, beraten und soll verabschiedet werden. Die zuständigen Kommissionen dort im Nationalrat und im Ständerat haben sie bereits beschlossen. Auch das bitte ich Sie bei der nun zu treffenden Entscheidung mit zu berücksichtigen. Man kann die Vergiftung der öffentlichen Atmosphäre und das immer stärkere Zunehmen der Gewalttaten aus sogenannten politischen Motiven nicht dadurch bekämpfen, daß man sie nicht mehr bekämpft. ({2})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Meine Damen und Herren, Sie haben die Erklärungen gehört. Um den Einspruch des Bundesrats, den dieser mit der Mehrheit der Stimmen beschlossen hat, zurückzuweisen, bedarf es nach Art. 77 Abs. 4 des Grundgesetzes der Vizepräsident Frau Renger Mehrheit der Mitglieder des Hauses; das sind 249 Stimmen. Wer den Einspruch des Bundesrats zurückweisen will, muß mit ja stimmen. Meine Damen und Herren, es ist namentliche Abstimmung verlangt. Ich eröffne die Abstimmung. Meine Damen und Herren, haben alle Anwesenden ihre Stimmkarten abgegeben? - Ich schließe die Abstimmung und bitte um Auszählung. Wenn Sie, meine Damen und Herren, Platz nähmen, könnten wir während der Auszählung in den Beratungen fortfahren. Das gilt auch für die SPD-Fraktion. Ich rufe Punkt 15 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Neunzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes ({0}) - Drucksache 9/22 Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({1}) - Drucksache 9/450 Berichterstatter: Abgeordnete Lambinus Dr. Götz ({2}) Vom Ältestenrat ist eine Debattenrunde von je 15 Minuten vorgeschlagen worden. Erhebt sich dagegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Die Berichterstatter wünschen nicht das Wort. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Lambinus.

Uwe Lambinus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001271, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gnade vor Recht ergehen zu lassen, ist eine zwar schöne, aber oft sehr irrationale Sache. Recht statt Gnade zu gewähren, ist daher die Zielsetzung des Neunzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes. Das ist eine Tradition sozialliberaler Rechtspolitik in diesem Land, die fortgesetzt wird. Strafe ist eine rationale Reaktion auf begangenes Unrecht. Freiheitsstrafe ist kein Selbstzweck. Freiheitsstrafe soll neben dem Schutz der Allgemeinheit in erster Linie bezwecken, daß der Verurteilte dazu gebracht wird, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Das vorliegende Gesetz hält daran fest, daß schwerste Straftaten auch weiterhin mit lebenslanger Freiheitsstrafe geahndet werden. Es gehört aber zu einem menschenwürdigen Strafvollzug, daß der Strafgefangene eine Hoffnung haben darf, eines Tages wieder auf Bewährung freigelassen zu werden. Wer diese Hoffnung nicht haben darf, geht nicht nur persönlich zugrunde, er wird auch zu einer Belastung und Gefahr für seine Mitgefangenen. Er hat doch nichts mehr zu verlieren. Diese Hoffnung hat er nicht, wenn er - wie bisher - allein auf die Gnadenfreudigkeit des jeweils zuständigen Souveräns oder der Gnadenbehörde angewiesen ist. Gerade gestern ist mir eine eindrucksvolle Petition von 85 zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten zugegangen, die zur Zeit ihre Strafe in Nordrhein-Westfalen verbüßen. Dort wird nicht die eigene Schuld bestritten. Dort wird nicht um Mitleid gebeten. Dort wird nur um eine Chance gebeten. Es mußte also ein Weg gefunden werden, der an Hand nachvollziehbarer Kriterien - also durch Gesetz - das Aussetzen auch der lebenslangen Freiheitsstrafe durch ein Gericht zuläßt. Die CDU/CSU konnte sich prinzipiell einer Mitwirkung nicht entziehen, hatte doch gerade das Bundesverfassungsgericht diesen Auftrag an den Gesetzgeber gerichtet. Streitig war und ist jedoch der Weg. Dies zeigt auch der Änderungsantrag, der uns vorliegt. Es geht darum: Welches soll die Mindestverbüßungsdauer sein, und welche Sozialprognose ist erforderlich? Sozialdemokraten und Liberale geben dem Täter frühestens nach 15 Jahren eine Chance, aber nur, wenn nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet - so etwa regelmäßig bei nationalsozialistischen Gewalttaten oder bei Morddelikten aus dem Terrorismusbereich - und - das ist der zweite Punkt - wenn ein Sachverständigengutachten ergeben hat, daß keine Gefahr mehr besteht, daß die durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit fortbesteht. Keinesfalls also soll eine Automatik, wie es oft bewußt falsch dargestellt wird, sondern eine Einzelfallprüfung eingeführt werden. Wer hier ehrlich ist, der weiß, daß gerade bei Tötungsdelikten zwischen den Tätern Welten liegen. Es ist ein Unterschied zwischen einer einmaligen Affekthandlung aus einer aufgestauten Problemsituation heraus und dem lebensverachtenden Werk eines aus Geldgier handelnden Täters. Beide Fälle werden auch künftig mit lebenslanger Strafe bedroht sein, nur wird gerade hier die Einzelfallprüfung nach 15 Jahren zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen können. Das öffentliche Sicherheitsinteresse ist damit voll gewahrt. Nur wenn eine fundierte richterliche Prognose erwarten läßt, daß vom Täter keine Gefahr mehr ausgeht, hat der Täter frühestens nach 15 Jahren eine Chance, auf Bewährung wieder freizukommen. Die Fünfzehnjahresfrist war erforderlich, um den Abstand zu den zu zeitigen Freiheitsstrafen Verurteilten zu wahren. Die CDU/CSU meint, die Frist sei zu kurz und die Prognoseklausel sei trotz der hohen Hürde zu weit gefaßt. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, als wolle die Opposition die vom Bundesverfassungsgericht gebotene Regelung überhaupt nicht. Hindernisse können auch so hoch aufgetürmt werden, daß sie praktisch von keinem überwunden werden können. Kann denn ein Strafgefangener noch den erforderlichen Lebensmut aufbringen, wenn er trotz Umkehr, trotz bester Führung erst in 20 Jahren Hoffnung haben darf? Ich bitte jeden ganz persönlich, sich einmal vorzustellen, was es bedeutet, 20 Jahre - z. B. von jetzt bis zum Jahre 2001- auf eine erste Prüfung zu warten. Fünf Jahre machen da schon einen erheblichen Unterschied.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter Lambinus, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Erhard?

Uwe Lambinus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001271, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja.

Benno Erhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000485, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Lambinus, können Sie sich vorstellen, was derjenige denkt, der heute umgebracht wird, und was seine Angehörigen in 20 Jahren denken, wenn sie dem Täter begegnen? ({0})

Uwe Lambinus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001271, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Erhard, wir haben uns über diese Frage schon einmal unterhalten. Ich möchte Ihnen auf diese Frage, da Sie Mitglied der Christlich Demokratischen Union sind, mit einem Bibelzitat antworten: „Erlasset einander die Schuld, dann wird auch euch die Schuld erlassen werden." Dies ist die Bergpredigt. ({0}) Fünf Jahre machen da schon einen erheblichen Unterschied, wie mir gerade die schon erwähnte Eingabe der 85 Lebenslänglichen gezeigt hat. Sicher etwas pathetisch schreiben sie: Nach 20 Jahren sind wir tot. Was die Sozialprognoseklausel betrifft, so bin ich sicher, sie ist bei unseren Richtern, die den Einzelfall zu prüfen haben, in besten Händen. Es ist eine bitterernste Sache, nach einer so langen Haftzeit eine Prognose stellen zu müssen. Dem Richter muß ein Beurteilungsspielraum bleiben, in dem er seine Entscheidung vor dem Täter und der Gesellschaft verantworten kann. Meine Damen und Herren, zu dem vorliegenden Gesetzentwurf gibt es nach dem Menschenbild unseres Grundgesetzes keine Alternative. Die CDU/ CSU wäre gut beraten, hier nicht Formelreiterei zu betreiben und um Jahre zu feilschen. Gerade einer sich „christlich" nennenden Partei stünde es gut an, auch dem in schwerste Schuld Verstrickten j eden-falls eine realistische Hoffnung zu lassen. Ich darf Sie deshalb bitten, den Änderungsantrag der Union abzulehnen und das Neunzehnte Strafrechtsänderungsgesetz in der Ihnen vorliegenden Ausschußfassung anzunehmen. Ich bitte gerade jeden einzelnen Abgeordneten - auch der CDU/ CSU! -, dieses Problem noch einmal ernsthaft zu prüfen und dann zu entscheiden. - Recht herzlichen Dank. ({1})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Götz.

Dr. Eicke Götz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000703, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Lambinus, ich darf Ihnen versichern, daß es nicht nur deshalb ein Anliegen unserer Partei ist, dieses Thema sachlich und vernünftig zu erörtern und auch zu einem vernünftigen Abschluß zu bringen, weil sie christlich ist, sondern weil jeder von uns auch als Staatsbürger gefordert ist. Ich nehme an - ich werde deswegen auch auf Ihre Partei keine derartigen Angriffe starten -, daß das auch bei Ihnen der Fall ist. Wir haben uns in einer sachlichen, fairen Weise in den Ausschüssen über dieses Thema unterhalten, und ich glaube, wir können auch in diesem Plenarsaal genauso unpolemisch über diese Frage sprechen, denn das dient unserer gesamten Bevölkerung, der wir alle verantwortlich sind. ({0}) Sie haben zu Recht ausgeführt, Herr Lambinus, daß der Anstoß zu dieser Gesetzesänderung vom Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1977 ausgegangen ist. Allerdings möchte ich feststellen, daß die inhaltlichen Fragen, die das Bundesverfassungsgericht präzisiert hat, ja bereits auch in der Diskussion der Parteien waren und insofern wohl der Vorwurf, wir hätten erst begonnen, darüber nachzudenken, als das Bundesverfassungsgericht entschieden hatte, nicht berechtigt ist. Meine Damen und Herren, Ihnen liegt ein Gesetzentwurf von SPD und FDP vor, der erneut eingebracht wurde, nachdem wir bereits in der letzten Wahlperiode über einen zunächst gleichlautenden Gesetzesantrag diskutiert hatten. Sie haben im Laufe der Beratungen feststellen müssen, daß dieser Gesetzesantrag von SPD und FDP einer ganz erheblichen Formulierungsänderung unterworfen war, was mich vermuten läßt, daß es bei Ihnen erhebliche Schwierigkeiten innerhalb der Koalition gegeben hat, zu einer einheitlichen Auffassung zu diesem Thema zu kommen. ({1}) - Für Einsichten bin ich immer dankbar, Herr Lambinus, aber ich darf daran erinnern, daß Sie noch vor kurzem selbst die Meinung vertreten haben, daß Formulierungen, die noch aus dem letzten Entwurf stammten, nicht nur nicht richtig, sondern sogar makaberen Charakters seien. Ich bedaure natürlich, daß bei Ihnen Leute im Ausschuß tätig sind, die an makaberen Formulierungen mitwirken. Das ist eigentlich im Grunde genommen nicht verständlich. Aber wie dem auch sei, Ihnen ist die Einsicht gekommen. Das freut mich. Ich bedaure allerdings, daß die Einsicht nicht so weit gereicht hat, um nun einen Gesetzentwurf vorzulegen, dem wir allesamt zustimmen können. Ich erkenne an, daß Sie ohne Zweifel den Versuch gemacht haben, diesen Gesetzentwurf zur Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe mit einigen Verbesserungen zu versehen. Ich nehme auch an, daß diese Verbesserungsbemühungen darauf zurückzuführen sind, daß wir in den Ausschußberatungen wie auch in der ersten Lesung zu diesem Gesetz seitens unserer Fraktion hierzu Vorschläge gemacht haben, die bei Ihnen auf fruchtbaren Boden gefallen sind. Nur muß ich bedauerlicherweise feststellen, daß die Bemühungen, die Sie unternommen haben, keinen ausreichenden Erfolg gehabt haben. Sie haben nämlich leider wieder einen Entwurf vorgelegt, der im wesentlichen am Kern der Probleme vorbeigeht. Sie haben insbesondere in der Frage der Prognoseklausel einen Weg eingeschlagen, der uns aus rechtssystematischen und rechtspolitischen GrünDr. Götz den nicht akzeptabel erscheint. Sie haben insbesondere zur Frage der Mindestverbüßungsdauer nicht von Ihrer grundsätzlichen Position Abstand genommen und sind nicht unserem Vorschlag gefolgt, diese von 15 Jahren auf 20 Jahre zu verlängern. Ich darf deshalb unseren Änderungsantrag, den wir eingebracht haben, begründen, und zwar in den beiden genannten Positionen Mindestverbüßungsdauer und Prognoseklausel. Die CDU/CSU-Fraktion beantragt mit ihrem heutigen Änderungsantrag, die Mindestverbüßungsdauer auf 20 Jahre festzusetzen, und zwar aus folgenden Gründen: Erstens ist die gesetzliche Aussetzungsregelung dazu geeignet, daß die meisten Verurteilten nach aller Voraussicht nach Ablauf der Mindestverbüßungsdauer entlassen werden. Die Zahl der Fälle, in denen Verurteilte länger als die Mindestverbüßungsdauer in Haft bleiben, und die Fälle, in denen Verurteilte im Gnadenweg, der ja neben der gesetzlichen Regelung erhalten bleibt, vor Ablauf der Mindestverbüßungsdauer wieder in Freiheit gelangen, dürfte sich nach meiner Schätzung und der meiner Kollegen in der CDU/CSU-Fraktion in etwa die Waage halten. Es muß daher in der Konsequenz damit gerechnet werden, daß die gesetzliche Mindestverbüßungsdauer zur durchschnittlichen Haftzeit der zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten wird. Das heißt, mit nüchternen Worten ausgedrückt, lebenslange Freiheitsstrafe ist keine lebenslange Freiheitsstrafe mehr, sondern sie bedeutet in der Praxis eine 15jährige Freiheitsstrafe. Das ist in der Praxis mit Sicherheit der Fall. Wie Sie das in der Theorie betrachten, ist Ihre Angelegenheit. ({2}) - Ich unterstelle das den Richtern nicht. Ich bitte Sie, mir zuzuhören. Ich habe Ihnen gesagt, warum das wahrscheinlich in der Praxis der Fall sein wird. Ich habe das zu der Gnadenpraxis in bezug gesetzt und komme damit zu einem Mittelwert, der in der Praxis 15 Jahre betragen wird. Ich bitte Sie also zuzuhören, Herr Lambinus. Dann brauchen Sie keine Zwischenbemerkungen zu machen, die nicht richtig sind. Nach der derzeitigen Gnadenpraxis beträgt die übliche Entlassungszeit im Gnadenweg 17,8 Jahre. Wenn wir im Regelfall 15 Jahre Zeit bei der sogenannten lebenslangen Freiheitsstrafe haben, dann bedeutet das eine deutliche Senkung der lebenslangen Freiheitsstrafe um etwa 2,8 Jahre. Ich erlaube mir, die Befürchtung zu hegen, daß bei einer so deutlichen Senkung der lebenslangen Freiheitsstrafe in der Praxis die generalpräventive Wirkung der lebenslangen Freiheitsstrafe zumindest abgeschwächt wird, wenn nicht vielleicht sogar ganz verlorengeht. Ich bin der Meinung, daß auch im Begriff der lebenslangen Freiheitsstrafe ein wesentlicher Faktor der Abschreckung liegt. Wenn Sie in Schulen über die Frage der Freiheitsstrafen insgesamt diskutieren, werden Sie immer wieder gefragt, wielange denn bei uns in Deutschland eigentlich die lebenslange Freiheitsstrafe dauert, weil man verschiedentlich aus dem Ausland weiß, daß dort nach einer gewissen Zeit, nach 15 Jahren - Schweiz, Österreich -, in anderen Ländern nach längerer Zeit, eine fast regelmäßig eintretende Entlassungsautomatik wirksam wird. Wenn Sie sagen, lebenslang bedeutet bei uns in Deutschland lebenslang, dann wird das von den jungen Leuten in unserem Land verstanden. Ich kann mich nicht dazu bereit finden, zu sagen, lebenslang bedeutet bei uns 15 Jahre. Darin liegt keine Systematik, dafür gibt es keine Notwendigkeit, darin liegt keine Logik. Deswegen bin ich der Meinung, daß bei uns eine lebenslange Freiheitsstrafe in der Regel - mit den Ausnahmen, die das Gesetz vorsehen wird - eben auch lebenslang bedeuten sollte. Außerdem, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ist zu befürchten, daß durch eine Mindestverbüßungsdauer von nur 15 Jahren der Unterschied zwischen der lebenslangen Freiheitsstrafe und der zeitigen Freiheitsstrafe, deren Höchstmaß ja bei Nichtaussetzung ebenfalls 15 Jahre beträgt, zu sehr eingeebnet würde. Bisher war die lebenslange Freiheitsstrafe, die insbesondere zum Schutz des menschlichen Lebens in der Bundesrepublik Deutschland angedroht wird, von der zeitigen Freiheitsstrafe klar abgegrenzt, mit guten Grund. ({3}) Durch den deutlichen Sprung von der zeitigen zur lebenslangen Freiheitsstrafe war eine unter dem Gesichtspunkt der Abschreckung bedeutsame Schwelle eingefügt worden, die gerade den Überlegungstäter gelegentlich - das ist statistisch nachweisbar - daran gehindert hat, eine mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedrohte Tat tatsächlich zu begehen. Ich bin der Meinung, daß diese Schwelle zum Schutze des Lebens unserer Bundesbürger weiterhin erhalten bleiben sollte und daß wir sie nicht ohne Not und ohne Begründung aufgeben sollten. ({4}) Auch weiterhin steht das menschliche Leben und dessen Schutz bei uns in der Bundesrepublik Deutschland im Vordergrund. Das sollte in den Strafgesetzen zum Ausdruck kommen, auch in dem Gesetz, das Sie heute vorgelegt haben. Wir haben deswegen die sen Änderungsantrag vorgelegt.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Eicke Götz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000703, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte, gern.

Uwe Lambinus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001271, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, gestehen Sie mir zu, daß dieser Abstand nach wie vor erhalten bleibt? Denn die höchste Zeitstrafe, die wir kennen, beträgt 15 Jahre, und in aller Regel wird nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe entlassen, so daß wir in der Praxis von 10 Jahren ausgehen müssen.

Dr. Eicke Götz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000703, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die zeitige Freiheitsstrafe beträgt im Höchstfall 15 Jahre, Herr Lambinus. Wenn Sie bei der lebenslangen Freiheitsstrafe als Regelfall die Verbüßung von ebenfalls 15 Jahren vorsehen, dann bedeutet das, daß der Unterschied jedenfalls in der Praxis verwischt ist. Ich meine, daß die Praxis, das, was die Bevölkerung draußen erlebt, was der potentielle Täter als mögliche Strafe sieht, doch das Entscheidende ist und nicht das, was wir uns als Rechtstheoretiker in unserem Kämmerlein denken. Die Abschreckungswirkung auf die potentiellen Täter ist das Entscheidende. Schließlich dürfte eine Mindestverbüßungsdauer von 15 Jahren nach unserer Auffassung auch eine sehr negative Auswirkung auf das gesamte Strafgefüge in unserem Staat haben. Müßte der Mörder künftig faktisch nur noch mit einer Haftzeit von 15 Jahren rechnen, ist zu erwarten, daß sich die Gerichte daran bei der Strafbemessung für andere schwere, aber mit zeitiger Freiheitsstrafe bedrohte Handlungen letztlich orientieren. Es ist davon auszugehen, daß in der Folge die Strafen für schwere Kriminalität insgesamt niedriger angesetzt werden. Das aber wäre ein Ergebnis, das wir uns zum gegenwärtigen Zeitpunkt in unserem Land überhaupt nicht leisten können. Bei der zunehmenden Kriminalität ist meines Erachtens eine Liberalisierung unserer Strafbestimmungen in diesem Punkt nicht angebracht. Ich bin der Meinung, daß der Kampf gegen die Zunahme der Gewaltkriminalität in unserem Land auch mit den Mitteln des Strafrechts - nicht nur, aber auch - eine der wichtigsten politischen Aufgaben ist. Gegen die von uns vorgeschlagene zwanzigjährige Mindestverbüßungsdauer sprechen weder Gesichtspunkte der Resozialisierung noch etwa der Hinweis auf ausländische Gesetze - ich habe das vorhin schon gesagt -, insbesondere nicht der Hinweis auf die Gesetze in der Schweiz und in Österreich, weil dort im Zusammenhang mit den Tötungsdelikten ganz andere Tatbestände als bei uns erfüllt sein müssen. Bei uns geht es im wesentlichen um Mörder und Totschläger, in der Schweiz und in Österreich ist das anders, so daß die Erfahrungswerte aus diesen Ländern meines Erachtens nicht in unser Recht übernommen werden können. Das zweite wesentliche Ziel unseres Änderungsantrags ist eine geänderte und auch neu eingeordnete Prognoseklausel. In diesem Punkt haben Sie sich, meine Damen und Herren von SPD und FDP, offensichtlich nicht einigen können oder aber, wenn doch, zumindest mit sehr unzulänglichem Ergebnis. Durch die ausdrückliche Übernahme des für die Aussetzung der zeitigen Freiheitsstrafe geltenden § 57 beharren Sie in der Koalition im Prinzip auf der Verantwortensklausel. Gegen diese Klausel sind im Zusammenhang mit der lebenslangen Freiheitsstrafe erhebliche Bedenken anzumelden. Diese Klausel geht von einer Erprobung aus, d. h. von der Inkaufnahme eines zusätzlichen Sicherheitsrisikos für die Bevölkerung. Sie, meine Damen und Herren von SPD und FDP, legen die Prognoseklausel zwar in Ihrem Sinne so aus, daß sie keine Aussetzung erlaubt, wenn auch nur entfernt damit gerechnet werden kann, daß der Verurteilte unter bestimmten Voraussetzungen neue Verbrechen begehen wird. Die Interpretation der Verantwortensklausel in der Praxis wie auch im Schrifttum stellt diese Auslegung allerdings keineswegs sicher. Soweit die Verantwortensklausel im Rahmen der Aussetzungsregelung für zeitige Freiheitsstrafe verwendet wird, wird sie nach der geltenden Praxis so ausgelegt, daß eine positive Prognose nicht verlangt wird. Vielmehr wird es für ausreichend angesehen, daß nach der Überzeugung des Gerichts eine reelle Chance gegeben ist, daß der Verurteilte die kritische Probe in Freiheit bestehen wird, wobei nach der - allerdings bestrittenen, das gebe ich zu - Rechtsprechung des BGH sogar der Erfolg der Aussetzung nicht einmal wahrscheinlich zu sein braucht. Einer derartigen Regelung, die für Mörder und Totschläger gewissermaßen eine Entlassung auf Probe vorsieht, kann die Union nicht zustimmen. ({0}) Leider hat es immer wieder Fälle gegeben - ich habe das in der ersten Lesung an Hand eines Zeitungsartikels demonstrieren können -, in denen Mörder oder Totschläger nach ihrer Entlassung - bisher noch im Gnadenweg - in Freiheit wieder einen Mord oder Totschlag begangen haben. ({1}) - Hamburg, ein neues Beispiel. - Wir sollten deshalb die mit einer Entlassung verbundenen Risiken nicht noch durch eine falsche gesetzgeberische Maßnahme fördern. Ich glaube nicht, daß unsere Bevölkerung Verständnis dafür hätte, durch eine Gesetzgebung dieser Art zum potentiellen Opfer richterlicher Erprobungen gemacht zu werden. Gerade weil wir die Aussetzungsregelung des § 57 a ausschließlich für Mörder und Totschläger anwenden wollen, sollte im Gesetz zum Ausdruck gebracht werden, daß an die Prognose strengere Voraussetzungen zu knüpfen sind als an die Prognose im Rahmen der Aussetzung zeitiger Freiheitsstrafen. So sieht folgerichtig beispielsweise auch das österreichische Strafgesetzbuch für zeitige Freiheitsstrafen eine andere und leichtere Prognoseklausel als bei lebenslangen Freiheitsstrafen vor. Ich erinnere daran, daß auch der Deutsche Richterbund aus denselben Gründen davor gewarnt hat, die lebenslange Freiheitsstrafe ohne ausreichende Prognose nach 15 Jahren aussetzbar zu machen. ({2}) - Sie können darüber denken, was Sie wollen, Herr Lambinus. Ich halte den Richterbund für kompetent, zu dieser Frage Stellung zu nehmen. ({3}) - Das will ich Ihnen ja zugestehen. Nun haben Sie - offensichtlich unter dem Eindruck der von uns geltend gemachten Bedenken - versucht, die Verantwortensklausel, die Sie ja drin haben, zu verschärfen. Ich danke in diesem Zusammenhang Herrn Engelhard sehr herzlich für die Bemühungen, die er sich mit der von ihm eingebrachten Formulierung gemacht hat. Sie haben sie zu übernehmen versucht, aber leider nicht mit ausreichendem Erfolg; Ihre Bemühungen sind auf halber Strecke zum Erliegen gekommen. Sie haben die gute, kompromißfähige Formulierung von Hern Engelhard leider durch Ausweichen auf die Strafprozeßordnung zu einer nicht mehr tragfähigen und nicht mehr wirksamen Formulierung gemacht. Nach meiner Meinung reicht es nicht aus, in der Strafprozeßordnung zu formulieren, daß das Gericht ein Gutachten über die durch die Tat angezeigte Gefährlichkeit des Täters und deren Fortbestehen einholen muß. Denn in Wirklichkeit kann die Frage doch nicht sein, ob das Gericht ein Gutachten einholt; sondern entscheidend ist, daß das Gericht die entsprechende Erkenntnis über die Gefährlichkeit des Täters erlangt, und zwar gleichgültig, auf welche Art. Ob das Gericht ein Gutachten einholt oder ob es durch Zeugenaussagen oder durch andere Recherchen das Material für die Entscheidung bekommt, ist nicht erheblich. Entscheidend ist für uns, das Gericht daran zu binden, auf Grund entsprechender ausreichender Erkenntnis den Täter nur dann zu entlassen, wenn seine Gefährlichkeit für die Öffentlichkeit nicht mehr vorhanden ist. Wir schlagen deshalb vor, die Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen dann zu ermöglichen, wenn bei sorgfältiger Würdigung der Persönlichkeit des Verurteilten, seines Vorlebens, der Umstände seiner Tat, seines Verhaltens im Vollzug und seiner Lebensverhältnisse mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, daß er in Zukunft ein gesetzmäßiges und geordnetes Leben führen wird. Diese Formulierung bindet die Entscheidung des Gerichts an das Vorliegen bestimmter Beurteilungskriterien und mindert damit das Rückfallrisiko entlassener Gewaltverbrecher auf ein noch vertretbares Maß. Abschließend stelle ich fest, daß wir mit unserer Gesetzesänderung die Grundgedanken unseres Strafrechts aufrechterhalten sollten, nämlich die Abschreckungswirkung, die Sühne und die Resozialisierung, und zwar in angemessenem Verhältnis. ({4}) Unser Änderungsantrag beinhaltet dieses angemessene Verhältnis während das bei Ihrem Antrag nicht der Fall ist. Sie machen einen großen Fehler, wenn Sie nur an die Täter denken. ({5}) Sie sollten auch an die Opfer denken, die, nachdem der Verurteilte tätig geworden ist, bereits Opfer sind, und Sie sollten auch an die potentiellen Opfer denken.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Kommen Sie zum Ende, Herr Kollege!

Dr. Eicke Götz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000703, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sollten Sie eines Tages verantworten müssen, daß ein nach Ihren Vorschriften entlassener, nicht ausreichend prognostizierter Täter aufs neue einen Mord begeht, dann tun Sie mir leid, wenn Sie das draußen vertreten wollen. ({0}) Ich und die Union wollen das nicht. Deswegen bitten wir Sie, unserem Änderungsantrag zuzustimmen. - Ich bedanke mich. ({1})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich komme für einen Moment auf den Punkt 14 der Tagesordnung zurück und gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Einspruch des Bundesrates gegen das Zwanzigste Strafrechtsänderungsgesetz bekannt. Von den voll stimmberechtigten Mitgliedern des Hauses haben 466 ihre Stimme abgegeben. Mit Ja haben 259, mit Nein 207 gestimmt. Der Einspruch des Bundesrats ist zurückgewiesen. 17 Berliner Abgeordnete haben ihre Stimme abgegeben; davon haben 9 mit Ja und 8 mit Nein gestimmt. Ergebnis Abgegebene Stimmen 466 und 17 Berliner Abgeordnete; davon ja: 259 und 9 Berliner Abgeordnete nein: 207 und 8 Berliner Abgeordnete Ja SPD Amling Antretter Dr. Apel Auch Baack Bahr Bamberg Dr. Bardens Becker ({0}) Bernrath Berschkeit Biermann Bindig Frau Blunck Dr. Böhme ({1}) Börnsen Brandt ({2}) Brück Büchler ({3}) Büchner ({4}) Dr. von Bülow Buschfort Catenhusen Collet Conradi Coppik Dr. Corterier Curdt Frau Dr. DäublerGmelin Daubertshäuser Dreßler Duve Dr. Ehmke Dr. Ehrenberg Eickmeyer Dr. Enders Esters Ewen Feile Fiebig Fischer ({5}) Fischer ({6}) Franke ({7}) Frau Fuchs Gerstl ({8}) Dr. Geßner Gilges Ginnuttis Glombig Gnädinger Gobrecht Grobecker Grunenberg Dr. Haack Haar Haase ({9}) Haehser Hansen Hauck Dr. Hauff Heistermann Herberholz Herterich Heyenn Hoffmann ({10}) Hofmann ({11}) Dr. Holtz Horn Frau Huber Huonker Ibrügger Immer ({12}) Jahn ({13}) Jansen Jaunich Junghans Jungmann Kiehm Kirschner Klein ({14}) Dr. Klejdzinski Kolbow Kretkowski Dr. Kreutzmann Dr. Kübler Kühbacher Kuhlwein Lambinus Leber Lennartz Leonhart Leuschner Liedtke Dr. Linde Lutz Marschall Frau Dr. Martiny-Glotz Meinike ({15}) Meininghaus Menzel Dr. Mertens ({16}) Vizepräsident Frau Renger Möhring Müller ({17}) Müller ({18}) Dr. Müller-Emmert Müntefering Nagel Nehm Neumann ({19}) Neumann ({20}) Dr. Nöbel Oostergetelo Dr. Osswald Paterna Pauli Dr. Penner Pensky Peter ({21}) Polkehn Poß Rapp ({22}) Rappe ({23}) Rayer Frau Renger Reschke Reuschenbach Reuter Rohde Rosenthal Roth Sander Dr. Schachtschabel Schäfer ({24}) Schätz Dr. Scheer Schirmer Schlaga Schlatter Schluckebier Frau Schmedt ({25}) Dr. Schmidt ({26}) Schmidt ({27}) Schmidt ({28}) Frau Schmidt ({29}) Schmidt ({30}) Schmidt ({31}) Schmitt ({32}) Dr. Schmude Schreiber ({33}) Schreiner Schröder ({34}) Schröer ({35}) Schulte ({36}) Dr. Schwenk ({37}) Sielaff Sieler Frau Simonis Frau Dr. Skarpelis-Sperk Dr. Soell Dr. Sperling Dr. Spöri Stahl ({38}) Dr. Steger Steiner Frau Steinhauer Stöckl Dr. Struck Frau Terborg Thüsing Tietjen Frau Dr. Timm Topmann Frau Traupe Dr. Ueberschär Urbaniak Vogelsang Voigt ({39}) Vosen Waltemathe Walther Weinhofer Weisskirchen ({40}) Dr. Wernitz Westphal Frau Weyel Dr. Wieczorek Wieczorek ({41}) Wiefel von der Wiesche Wimmer ({42}) Wimmer ({43}) Wischnewski Witek Dr. de With Wolfram ({44}) Wrede Würtz Zander Zeitler Frau Zutt Berliner Abgeordnete Dr. Diederich ({45}) Dr. Dübber Egert Löffler Frau Luuk Männing Dr. Mitzscherling Wartenberg ({46}) FDP Frau Dr. Adam-Schwaetzer Baum Beckmann Bergerowski Frau von Braun-Stützer Bredehorn Cronenberg Eimer ({47}) Engelhard Ertl Dr. Feldmann Frau Fromm Funke Gallus Genscher Grüner Frau Dr. Hamm-Brücher Dr. Haussmann Dr. Hirsch Hölscher Hoffie Holsteg Jung ({48}) Kleinert Dr.-Ing. Laermann Dr. Graf Lambsdorff Frau Matthäus-Maier Merker Mischnick Möllemann Neuhausen Paintner Popp Rentrop Dr. Riemer Rösch Ronneburger Dr. Rumpf Schäfer ({49}) Schmidt ({50}) von Schoeler Frau Schuchardt Dr. Solms Timm Wolfgramm ({51}) Dr. Zumpfort Zywietz Berliner Abgeordneter Hoppe Nein CDU/CSU Dr. Abelein Dr. van Aerssen Dr. Althammer Dr. Barzel Bayha Frau Benedix-Engler Berger ({52}) Biehle Böhm ({53}) Dr. Bötsch Bohl Borchert Braun Breuer Broll Brunner Bühler ({54}) Dr. Bugl Carstens ({55}) Clemens Conrad ({56}) Dr. Czaja Dallmeyer Daweke Deres Dörflinger Dr. Dollinger Dr. Dregger Echternach Eigen Engelsberger Erhard ({57}) Eymer ({58}) Dr. Faltlhauser Feinendegen Frau Fischer Fischer ({59}) Franke Dr. Friedmann Ganz ({60}) Frau Geier Dr. Geißler Dr. von Geldern Dr. George Gerlach ({61}) Gerstein Gerster ({62}) Glos Dr. Götz Günther Haase ({63}) Dr. Häfele Handlos Hanz ({64}) Hartmann Hauser ({65}) Frau Dr. Hellwig Dr. Hennig Herkenrath von der Heydt Freiherr von Massenbach Hinsken Höffkes Höpfinger Frau Hoffmann ({66}) Dr. Hornhues Horstmeier Dr. Hubrig Frau Hürland Dr. Hupka Graf Huyn Jäger ({67}) Jagoda Dr. Jahn ({68}) Dr. Jenninger Dr. Jentsch ({69}) Dr. Jobst Jung ({70}) Dr. Kansy Frau Karwatzki Keller Kiechle Kiep Dr. Klein ({71}) Klein ({72}) Dr. Köhler ({73}) Köster Kolb Kraus Krey Kroll-Schlüter Frau Krone-Appuhn Dr. Kunz ({74}) Lamers Dr. Lammert Landré Dr. Langner Dr. Laufs Lemmrich Lenzer Link Linsmeier Lintner Löher Louven Lowack Magin Dr. Marx Dr. Mertes ({75}) Metz Dr. Meyer zu Bentrup Michels Dr. Mikat Dr. Miltner Dr. Möller Müller ({76}) Müller ({77}) Müller ({78}) Nelle Frau Dr. Neumeister Niegel Dr.-Ing. Oldenstädt Dr. Olderog Pfeffermann Pfeifer Dr. Pinger Pohlmann Dr. Pohlmeier Prangenberg Dr. Probst Rainer Rawe Reddemann Regenspurger Dr. Riedl ({79}) Dr. Riesenhuber Röhner Frau Roitzsch Dr. Rose Rossmanith Rühe Ruf Sauer ({80}) Sauer ({81}) Sauter ({82}) Vizepräsident Frau Renger Sauter ({83}) Dr. Schäuble Schartz ({84}) Schmitz ({85}) Schmöle Dr. Schneider Freiherr von Schorlemer Dr. Schroeder ({86}) Schröder ({87}) Schröder ({88}) Dr. Schulte ({89}) Schwarz Dr. Schwarz-Schilling Dr. Schwörer Seehofer Seiters Sick Dr. Freiherr Spies von Büllesheim Spilker Spranger Dr. Sprung Dr. Stark ({90}) Dr. Stavenhagen Dr. Stercken Stücklen Stutzer Susset Tillmann Dr. Todenhöfer Frau Verhülsdonk Vogel ({91}) Vogt ({92}) Volmer Dr. Voss Dr. Waffenschmidt Dr. Waigel Graf von Waldburg-Zeil Dr. Warnke Dr. von Wartenberg Weirich Weiskirch ({93}) Weiß Werner Frau Dr. Wex Frau Will-Feld Frau Dr. Wilms Wimmer ({94}) Windelen Frau Dr. Wisniewski Wissmann Dr. Wittmann Dr. Wörner Würzbach Dr. Wulff Zierer Dr. Zimmermann Zink Berliner Abgeordnete Frau Berger ({95}) Buschbom Dr. Hackel Kalisch Kittelmann Lorenz Schulze ({96}) Straßmeir Wir kommen zu Punkt 15 der Tagesordnung zurück. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Engelhard.

Hans A. Engelhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000472, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch mit dem vorliegenden Gesetzentwurf beschäftigen wir uns jetzt binnen nur 20 Monaten zum vierten Mal hier im Plenum. Das Neunzehnte Strafrechtsänderungsgesetz gehört zu den Entwürfen, die die Hürde des Bundesrates infolge Ablaufs der Legislaturperiode nicht mehr überwinden konnten. Vielleicht ist angesichts des langen Zeitablaufs und bei dem Gezerre um einzelne Formulierungen gerade auch in der Öffentlichkeit untergegangen, was eigentlich der Ansatz unserer Bemühungen um dieses Gesetz war. ({0}) Ausgangspunkt ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juni 1977, in der einerseits die lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes als mit unserer Verfassung in Einklang stehend erklärt wurde, andererseits aber das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber aufgegeben hat, es nicht - wie bisher - allein der Gnadeninstanz zu überlassen, in dem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten eine Hoffnung bestehen zu lassen, daß auch er, wenn er die Voraussetzungen erfüllt, eines Tages wieder in Freiheit kommen kann. ({1}) Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Leitsatz gesagt: Das Rechtsstaatsprinzip gebietet es, daß der Gesetzgeber hier über die Voraussetzungen bedingter Entlassung und das Verfahren eine Regelung trifft. Das war unser Thema, das war unser Bemühen: dem Spruch des Bundesverfassungsgerichts nachzukommem. Bemüht haben wir uns gemeinsam, einig geworden in den zentralen Fragen sind wir leider nicht. Da ist zunächst einmal das Thema der Mindestverbüßungsdauer: 15 Jahre im Regierungsentwurf, die Opposition fordert, wie wir heute wieder gehört haben, 20 Jahre. Nun kann man sich ja durchaus darüber streiten, was jetzt die optimale Zahl ist. Nur, durch Daten in unserem Strafgesetzbuch und durch die bisherige Begnadigungspraxis ist ein gewisser Zeitraum vorgegeben. Mir stellt sich dies wie folgt dar: Es kann j a wohl das Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe - im geltenden Recht 15 Jahre - nicht unterschritten werden; und es kann ja wohl nicht jene Jahreszahl überschritten werden, nach der nach heutiger Praxis die Begnadigung zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilter durchschnittlich erfolgt. Ich glaube, das gibt zumindest einen Rahmen, und dann, Herr Kollege Dr. Götz, sind 20 Jahre natürlich völlig übersetzt. Darüber kann man also wirklich nur sehr schwer diskutieren; diese Zahl erscheint mir beinahe absurd. Ich möchte sogar so weit gehen, zu sagen: Das ist ja fast der Versuch, das Begehren des Bundesverfassungsgerichts - möglicherweise sogar legal - zu unterlaufen. Denn wie sieht es draußen aus? Wir wissen - das ist nicht die neueste Zahl; das liegt jetzt zwei Jahre zurück -: Nach durchschnittlich 17,8 Jahren - in vielen Fällen also offensichtlich schon früher -, so haben die Länderjustizminister mitgeteilt, erfolgt bei zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten die Begnadigung. Da frage ich Sie jetzt, meine Damen und Herren: Was ist eigentlich von einem Vorschlag zu halten, der das Verhältnis von Recht und Gnade zeitlich so total auf den Kopf stellt? ({2}) Denn es ist doch ein ganz merkwürdiges Verfahren, wenn die Gerichte, die wir jetzt in den Stand setzen, in die Prüfung einzutreten, an die Dinge herangehen und immer zu spät kommen, weil j a die Gnadeninstanz längst gehandelt hat, wenn die Gerichte - nach Ihren Vorstellungen - erst beginnen könnten, in die Prüfung einzutreten. Das kann nicht richtig sein. Wir alle kennen das Wort, Gnade vor Recht ergehen zu lassen. Nur glaube ich, nach dem deutschen Sprachgebrauch haben Sie dies gründlich mißverstanden, wenn Sie dem allein eine so zeitliche Deutung geben. Ich weiß, daß man sich deswegen bis in Ihre Reihen hinein in dieser Sache gar nicht einig ist und kein gutes Gefühl hat, jetzt so mit Verve für diese 20 Jahre eintreten zu müssen, ({3}) weil man dieses so hohe Roß einmal bestiegen hat und nicht mehr glaubt, mit Anstand, Herr Kollege Erhard, davon herunterzukommen. ({4}) Ich kann auf andere Fragen im Zusammenhang hier nur ganz kurz zu sprechen kommen. Herr Kollege Dr. Götz, natürlich müssen wir den Vorwurf wohlbegründet zurückweisen, als würde hier quasi die lebenslange Freiheitsstrafe bei einer Mindestverbüßungsdauer von 15 Jahren beseitigt, weil sie zeitlich auf das Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe abgestuft wird. Dazu ist in der Zwischenfrage von Herrn Kollegen Lambinus bereits deutlich darauf hingewiesen worden, daß es, so habe ich hier einmal gesagt, schon fast an einen Taschenspielertrick grenzt, 15 Jahre hier bei der lebenslangen Freiheitsstrafe als Mindestverbüßungsdauer und 15 Jahre dort als das Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe in einen unzulässig konstruierten Zusammenhang zu bringen. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß der zu 15 Jahren Freiheitsstrafe Verurteilte entlassen werden muß, auch wenn man im Strafvollzug, vom Gericht und von jedem, der ihn kennt, Brief und Siegel gibt: Der Mann ist, wenn er gefaßt wird, bald wieder da; ihm kann nur die schlechteste Sozialprognose, die überhaupt denkbar ist, gegeben werden. Dagegen eröffnet sich dem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten nach 15 Jahren nur bei guter Sozialprognose erstmals die Chance, daß er die Freiheit wiedersieht. Ich meine auch nicht, daß wir hier etwas ins Gesetz geschrieben haben, das eine Entlassungsautomatik nach sich zieht. Wir werden die Praxis der Gerichte sehen, und hier wird ein sehr strenger Maßstab anzulegen sein. Nun habe ich immer - da waren wir vielleicht durchaus einig; wären wir es nur in mehr Punkten gewesen! - gesagt: Mir kommt es viel entscheidender auf die Sozialprognoseklausel und ihre Formulierung an. Im Gesetzentwurf der Bundesregierung ist die allgemeine Prognoseklausel für die zeitige Freiheitsstrafe übernommen. Daran haben sich jetzt eine ganze Reihe von Gegenvorschlägen angeschlossen. Die Opposition und der Bundesrat wollten die Entlassungsschwelle etwas erhöhen. Der Bundesrat hat ursprünglich die Gewährleistung straffreier Lebensführung verlangt. Ich muß mich hier kurz fassen; aber ich habe seinerzeit darauf hingewiesen, daß das eine Unmöglichkeit ist. Zivilrechtlich bedeutet es, daß der Richter, der Sachverständige in die Stellung eines Bürgen einrückt. Er muß schon bereit sein, unter demselben Dach bei unversperrtem Zimmer mit einem solchen Entlassenen zu nächtigen; denn Gewährleistung ist das mit absoluter Sicherheit nach aller menschlichen Erkenntnis gegebene Versprechen an die Allgemeinheit: Von diesem Mann wird Unrechtes nicht mehr ausgehen. ({5}) - Sie haben sich hier gewendet und gedreht. Ich komme gleich noch auf den Änderungsantrag zu sprechen, den Sie hier gestellt haben. „Gewährleistung" war Ihre ursprüngliche Fassung, und jetzt schlagen Sie vor: „mit hoher Wahrscheinlichkeit". Das kommt mir merkwürdig vor. Was ist das eigentlich, und wo liegt da für die Allgemeinheit eine größere Sicherung als bei der Formulierung „verantwortet werden kann"? Ich will es kurz machen. Sie haben bereits von jenem Vorschlag gesprochen, den ich in die Debatte eingebracht habe. Mir scheint es der Fehler all dieser Klauseln zu sein, daß man mit einem Raster über alle denkbaren Straftaten geht und sie in der Prognose gleichbehandelt. Das ist der Fehler. Wer kann denn die Hand dafür ins Feuer legen, wer kann gewährleisten, mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen oder überhaupt verantworten zu sagen, daß der Strafentlassene nicht alsbald, vielleicht aus Geldmangel, als Schwarzfahrer in öffentlichen Verkehrsmitteln auftritt, einen kleinen Ladendiebstahl begeht? Das ist wichtig, weil es strafbar ist, aber es ist nicht das Problem. Was die Allgemeinheit interessiert, ist, ob ein entlassener Mörder auch nur denkbar erneut einen Menschen zu Tode bringen könnte. Das ist das Thema. ({6}) Darum habe ich mich bei meiner Formulierung - daß nicht befürchtet werden muß, daß die durch die Tat angezeigte Gefährlichkeit fortbesteht, und daß auch sonst verantwortet werden kann usw. - bemüht. Jetzt haben wir meine Formulierung nicht in der Prognoseklausel. Warum? Sie kennen den Gang der Dinge. Ich sage Ihnen ganz offen, daß ich an einem Punkte nicht vorbeigehen konnte. Das ist die ungeheure Schwierigkeit, daß wir auch heute Mörder haben, die wegen verminderter Zurechnungsfähigkeit nur mit zeitiger Freiheitsstrafe belegt werden. Nach ihrer Persönlichkeitsstruktur sind das häufig die gefährlicheren. Aber für sie würde die allgemeine Prognoseklausel gelten und nur für die mit lebenslanger Freiheitsstrafe jene Klausel - hätte ich es durchgesetzt -, die ich vorgeschlagen habe. Dann bestünde die Gefahr, daß die Rechtsprechung auseinanderläuft. Ich glaube, das können wir, wenn wir verantwortungsbewußt sind, nicht wollen. Ich melde aber bereits heute an - die Bundesregierung plant bei dem Recht der Strafaussetzung zur Bewährung für 1982 eine Novellierung -, daß anläßlich dieser Vorlage intensiv darüber nachgedacht wird, ob man nicht lebenslange Freiheitsstrafe und zeitige Freiheitsstrafe in einer neuen Prognoseklausel, die für Tötungsdelikte und andere Schwerdelikte der Gewaltkriminalität eine besondere Prognose vom Gericht verlangt, zusammenführen kann. Ich habe mich darüber gewundert, Herr Dr. Götz, daß Sie und Ihre Fraktion in Ihrem Änderungsantrag, den ich die Kolleginnen und Kollegen abzulehnen bitte, auch beantragt haben, die von mir vorgeschlagene Formulierung, die als ein Sonderauftrag an den Sachverständigen und sein Gutachten künftig im Gesetz stehen soll, zu streichen. Ich sehe hier einen wesentlichen Vorteil. Wenn sich der Sachverständige gesondert über die fortbestehende Gefährlichkeit des Täters äußern muß, so ist das ein deutlicher Hinweis an Gericht wie Sachverständigen darauf, was eigentlich das Thema ist. Gericht und Gutachter kennen ihren Auftrag, aber sie sollen es ausdrücklich auch im Gesetz noch einmal nachlesen und im Gutachterauftrag nochmals zur Kenntnis nehmen können. Wollen Sie das eigentlich mit Ihrer „hohen Wahrscheinlichkeit" auffangen? Das ist ein Versprechen, bei dem die Öffentlichkeit zumindest auch etwas die Gänsehaut bekommen müßte, wenn sie sich überlegt, was in dieser Formulierung steckt. ({7}) Ich melde bereits heute für eine Prognoseklausel, die die Dinge in dem von mir geschilderten Sinne harmonisiert, für 1982 den dringenden Wunsch an, über diese Frage intensiv nachzudenken, und ich sage dies hier, damit es im Deutschen Bundestag bereits zu Protokoll gegeben ist. ({8})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.

Dr. Jürgen Schmude (Minister:in)

Politiker ID: 11002038

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Entwurf des Neunzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes, den wir heute hier abschließend beraten, ist bis in diese Beratung hinein umstritten geblieben. Dieses Ergebnis der bisherigen Bemühungen ist in mehrfacher Hinsicht enttäuschend. Die Bundesregierung hatte sich gerade auch bei der Frage der Mindestverbüßungszeit um eine breite Übereinstimmung bemüht und deshalb von vornherein eine maßvolle Lösung angestrebt. Innerhalb der zur Diskussion stehenden Verbüßungszeiten von 10 bis 12 Jahren einerseits oder 18 bis 20 Jahren andererseits hatte sie den Mittelweg von 15 Jahren gewählt. Die Bundesregierung nahm dabei in Kauf, daß sie schon mit dieser Regelung hinter der Forderung des Ministerkomitees des Europarats, Prüfung einer Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe in jedem einzelnen Fall nach einer Haftzeit von 14 Jahren, zurückblieb. Angesichts dieser Sachlage zeigt das Beharren der Opposition auf einem sehr restriktiven Standpunkt einen bedauerlichen Mangel an Augenmaß. Und wenn schon nicht eigene Einsicht, so hätte doch mindestens der Blick auf die kriminalpolitischen Tendenzen in Westeuropa Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, zum Einlenken bewegen müssen. Soll denn wirklich der deutsche Bürger einer schärferen Abschrecknung bedürfen als sein westeuropäischer Nachbar? Ich erinnere insoweit nur an die Aussetzungsregelungen in Osterreich und in der Schweiz, die Sie j a auch genannt haben und die durchaus vergleichbar sind. Die Regelungen in beiden Staaten sehen ebenso wie der vorliegende Entwurf die Möglichkeit einer Aussetzung des Restes der lebenslangen Freiheitsstrafe nach einer Mindestverbüßungszeit von 15 Jahren vor. Den einzigen greifbaren Unterschied zu den Rechtsordnungen dieser beiden Staaten sehe ich allenfalls darin, daß dort das Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe 20 Jahre beträgt mit der Folge, daß die Spanne zwischen der Mindestverbüßungszeit bei der ausgesetzten lebenslangen und der ebenfalls ausgesetzten höchsten zeitigen Freiheitsstrafe in diesen beiden Ländern also sogar noch geringer ist als bei der in unserem heutigen Entwurf vorgeschlagenen Lösung. Die Bedenken der Opposition, der Abstand zwischen lebenslanger und zeitiger Freiheitsstrafe werde nicht genügend sichtbar, teilen diese beiden Länder also ganz und gar nicht. Der Hinweis auf eine angebliche Unvergleichbarkeit der Rechtssysteme der übrigen westeuropäischen Staaten mit dem unsrigen geht fehl. Mindestens in diesem einen Punkt sind die Rechtssysteme ganz einfach zu überschauen. Dementsprechend hat das Ministerkomitee des Europarats unter Beteiligung von Ministern aus den Lagern aller demokratischer Parteien keine so überaus feingesponnenen Unterschiede zwischen den westeuropäischen Rechtssystemen finden können, wie Sie sie nunmehr hier - aus welcher Perspektive auch immer - entdecken zu müssen glauben. Bleibt als letztes Argument der Hinweis darauf, die Mindestverbüßungszeit von 15 Jahren liege um mehr als zwei Jahre unter der derzeitigen Durchschnittsverbüßungszeit. Dem wäre zunächst entgegenzuhalten, daß eine Mindestverbüßungszeit von 20 Jahren, wie Sie sie fordern, erheblich darüber liegen würde. Bei der jetzigen Durchschnittsverbüßungszeit geht es j a um das Ergebnis der derzeitigen Gnadenpraxis. Das Argument wäre im übrigen nur dann stichhaltig, wenn der gesetzlich vorgesehene früheste Überprüfungstermin identisch wäre mit dem Zeitpunkt der tatsächlichen Entlassung aller lebenslänglich Verurteilten. Da, Herr Kollege Götz, gehen Sie einfach von einer völlig falschen und mir auch gar nicht verständlichen Annahme aus, daß es nämlich in Zukunft praktisch zu einer Automatik der Entlassung nach 15 Jahren kommen werde. ({0}) Denn seit wann ist die Prüfung einer bedingten Entlassung identisch mit der Entlassung? Jeder weiß, daß in einer nicht geringen Zahl von Fällen infolge schlechter Sozialprognose eine bedingte Entlassung nach der Mindesthaftzeit noch nicht verantwortet werden kann. Nach dem vorliegenden Entwurf muß die lebenslange Freiheitsstrafe über die Mindestverbüßungszeit hinaus immer dann vollstreckt werden, wenn die besondere Schuldschwere es gebietet; Herr Kollege Lambinus hat darauf schon nachdrücklich hingewiesen. Auch künftig wird deshalb der Zeitpunkt der Überprüfung in einer ganzen Reihe von Fällen nicht mit dem Zeitpunkt der Entlassung zusammenfallen mit der Folge, daß der sich daraus ergebende Durchschnittswert keineswegs erheblich von dem nach der heutigen Gnadenpraxis üblichen abweichen dürfte. ({1}) - Sie kennen ja den Auftrag des Bundesverfassungsgerichts. Deshalb überrascht mich die Frage. Wir sind uns einig darin, daß es darauf ankommt, keinen zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten zu entlassen, bei dem auch nur entfernt mit der Möglichkeit eines neuen schweren Verbrechens gerechnet werden muß. Vor allem kann, wie die Begründung des Entwurfs mit Recht hervorhebt, schlechterdings niemals verantwortet werden, zu erproben, ob der Verurteilte erneut ein Tötungsdelikt begehen wird. Hier muß und wird schon der geringste Zweifel zu Lasten des Verurteilten gehen. Ich meine, diese Vorbehalte, diese Einschränkungen werden von Ihnen völlig unzureichend oder überhaupt nicht gewürdigt. Im übrigen wird so auch die schon bestehende Regelung bei der Aussetzung zeitiger Freiheitsstrafen, an die sich der Entwurf anlehnt, von Rechtsprechung und Literatur verstanden. Die Rechtsprechung geht doch nicht schematisch vor. Sie unterscheidet nach der Schwere des Delikts schon heute. Sie stuft ab. Da ist es völlig ungerechtfertigt, Herr Kollege Götz, wenn Sie sich heute hier hinstellen und den Bürgern unseres Landes Angst machen, sie würden zu Opfern von Erprobungsversuchen durch diesen Entwurf. Dann müssen Sie diesen Vorwurf auch gegen die Rechtsprechung erheben, die ihn nicht verdient. ({2}) - Das ist heute mal wieder bewiesen worden. Die Einführung einer neuen Prognoseklausel, wie Sie sie jetzt vorschreiben, beschränkt auf diesen Fall, könnte bedenkliche Auslegungsprobleme schaffen. Die dann für die lebenslange Freiheitsstrafe zu beachtende schärfere Prognoseklausel könnte zu dem Fehlschluß verleiten, in den Fällen einer zeitigen Freiheitsstrafe - etwa wegen Totschlags - seien geringere Anforderungen an eine gute Sozialprognose des Verurteilten zu stellen als bei der lebenslangen Freiheitsstrafe. Das können wir doch, wenn wir die Fälle in ihrer praktischen Gestaltung bedenken, alle nicht wollen. In den Beratungen des Rechtsausschusses ist die Absicht des Gesetzgebers im Entwurf ganz deutlich klargestellt worden in der Vorschrift, die vor einer Aussetzung einer lebenslangen Freiheitsstrafe die Einholung eines Sachverständigengutachtens über den Entwurf hinaus zwingend vorsieht. Das sollte nun auch für kritische Betrachter akzeptabel sein. Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf wird mehr Menschenwürde in den Strafvollzug bringen, wie es das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich gefordert hat. Ich bitte Sie, diese Chance zur Fortentwicklung unserer Rechtsordnung durch Ihre Zustimmung zu nutzen. ({3})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen jetzt zur Einzelberatung und zur Abstimmung. Ich rufe zunächst Art. 1 Nr. 1 und 2 in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Bestimmungen sind angenommen. Ich rufe Art. 1 Nr. 3 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 9/608 unter Ziffer 1 a ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Gleichzeitig wird unter Ziffer 1 b dieses Änderungsantrages eine Folgeänderung des Art. 6 beantragt. Ich lasse zuerst darüber abstimmen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? Enthaltungen? - Der Änderungsantrag der CDU/ CSU-Fraktion ist abgelehnt. Wer dem Art. 1 Nr. 3 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Art. 1 Nr. 3 ist angenommen. Ich rufe Art. 2 Nr. 1 a und 1 b in der Ausschußfassung auf. Wer ihnen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist entsprechend beschlossen. Ich rufe Art. 2 Nr. 1 c auf. Hierzu liegt auf Drucksache 9/608 unter Ziffer 2 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Wer dem Änderungsantrag der CDU/CSU zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt. Wer Art. 2 Nr. 1 c in der Ausschußfassung anzunehmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Es ist entsprechend beschlossen. Ich rufe Art. 2 Nr. 2, Art. 3, Art. 3 a und die Art. 4 bis 8 in der Ausschußfassung, Einleitung und Überschrift auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Bestimmungen sind angenommen. Das Gesetz ist in zweiter Beratung angenommen. Wir treten in die dritte Beratung ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Das Gesetz ist in dritter Beratung angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Fortentwicklung des Strafvollzugs - Erstes Strafvollzugs- Fortentwicklungsgesetz ({0}) -- Drucksache 9/566 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß ({1}) Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO Im Ältestenrat ist für die Aussprache eine Debattenrunde vereinbart worden. - Es erhebt sich kein Widerspruch; das Haus ist damit einverstanden. Das Wort zur Einbringung wünscht der Herr Bundesminister der Justiz. Er hat das Wort.

Dr. Jürgen Schmude (Minister:in)

Politiker ID: 11002038

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Vor fünf Jahren hat der Deutsche Bundestag einstimmig das Strafvollzugsgesetz verabschiedet. Nach dem Grundgedanken dieses Gesetzes soll der Gefangene durch die Freiheitsstrafe darauf vorbereitet werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Von Anfang an war klar, daß alle Bemühungen um dieses Ziel Stückwerk bleiben müssen, solange die Gefangenen nicht auch an unserem System der sozialen Sicherheit teilhaben. Damals konnte ein erster Schritt getan werden, indem die Gefangenen in die Arbeitslosenversicherung einbezogen wurden. Außerdem wurde die bisher übliche Arbeitsbelohnung durch ein Arbeitsentgelt ersetzt. Ein weiterer Schritt, nämlich die Einbeziehung der Gefangenen in die Kranken- und die Rentenversicherung, wurde zwar noch nicht verwirklicht, aber für die Zukunft im Strafvollzugsgesetz eindeutig festgeschrieben. Der vorliegende Entwurf sieht eine maßvolle Anhebung des Arbeitsentgeltes, die Einbeziehung der arbeitenden Gefangenen in die Krankenversicherung und - zu einem späteren Zeitpunkt - die Einbeziehung in die Rentenversicherung vor. Ein entsprechendes Gesetzesvorhaben konnte in der letzten Wahlperiode nicht mehr abgeschlossen werden. Die Bundesregierung hat deshalb den Gesetzentwurf zu Beginn der 9. Legislaturperiode erneut eingebracht. Nach § 200 Abs. 2 des Strafvollzugsgesetzes hätte über die Erhöhung des Arbeitsentgelts bereits bis zum 31. Dezember 1980 befunden werden müssen. Es geht hier um ein Stück gesetzgeberischer Glaubwürdigkeit, die seinerzeit beschlossenen Regelungen nun endlich in die Tat umzusetzen. ({0}) Daß arbeitende Bürger nur deshalb nicht sozialversichert sind, weil sie hinter Gittern arbeiten, ist ein unwürdiger Zustand, der beendet werden sollte. ({1}) Direkt oder indirekt ist dadurch nicht allein der Gefangene, sondern vor allem seine Familie betroffen; dies erscheint untragbar. Durch die gewiß maßvolle Erhöhung des Arbeitsentgeltes soll ermöglicht werden, daß die Gefangenen mehr Sinn in ihrer Arbeit sehen und daß sie für die Überbrückung der ersten Zeit nach der Entlassung höhere Ersparnisse bilden können. Der Entwurf kostet Geld; das ist gar keine Frage. Die Kosten sind bezogen auf das Jahr 1981 mit etwa 109 Millionen DM insgesamt und bezogen auf das Jahr 1986 mit weiteren etwa 236 Millionen DM zu veranschlagen. Dem stehen aber ab 1981 bei den Sozialhilfeaufwendungen Entlastungen gegenüber, die gegenwärtig auf etwa 10 Millionen DM im Jahr geschätzt werden. Angesichts der derzeitigen finanzpolitischen Restriktionen ist diesem Entwurf bereits hart widersprochen worden. Ich habe dafür durchaus Verständnis; denn die Bundesregierung hat immer wieder betont, daß sie sich der finanziellen Folgen dieser Regelung für die Länder bewußt ist und daß sie dazu bereit ist, gemeinsam nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Aber man darf auch nicht den Blick für die Dimensionen verlieren. Der Entwurf zielt auf die Verwirklichung des Sozialstaatsgebots in einem wichtigen Bereich. Er verwirklicht ein rechtspolitisches Anliegen von hohem Rang. Eines muß man sich klarmachen: Die Kosten dieses Entwurfs nehmen sich bescheiden gegenüber den Kosten aus, die eine gescheiterte soziale Integration straffällig Gewordener verursachen kann. Resozialisierung ist eines der wirksamsten Mittel präventiver Verbrechensbekämpfung, und Rückfallkriminalität kommt die Gesellschaft teuer zu stehen - von den Kosten für polizeiliche Maßnahmen bis hin zu den Haftkosten. Wer heute am Strafvollzug spart, spart also auf Kosten der Steuerzahler von morgen. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, das bei der weiteren Beratung dieses Entwurfs zu bedenken. ({2})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf ist eingebracht. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Als erster Redner hat der Herr Abgeordnete Dr. Olderog das Wort.

Dr. Rolf Olderog (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001645, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn die Bundesregierung in der gegenwärtigen Situation einen kostenträchtigen Gesetzentwurf einbringt, mutet das schon erstaunlich an. Die öffentliche Diskussion in unserem Lande ist voll von dramatischen Ankündigungen drastischer Sparmaßnahmen. Ich zitiere den Bundeskanzler: Jede Gruppe der Gesellschaft muß betroffen werden. Ich zitiere den Vizekanzler und FDP-Vorsitzenden: Heilige Kühe müssen reihum geschlachtet werden. Ausgerechnet in dieser Situation präsentiert die Bundesregierung ein Gesetz, das die sozialen Leistungen für Strafgefangene zunächst um jährlich 109 Millionen und ab 1986 um rund 335 Millionen DM erhöhen soll. Herr Minister, Sie haben davon gesprochen, es gehe um die gesetzgeberische Glaubwürdigkeit, und haben auf § 200 Abs. 2 des Strafvollzugsgesetzes verwiesen. Dort steht in der Tat, daß vorgesehen ist, darüber zu befinden, ob zum 1. Januar dieses Jahres eine Erhöhung des Arbeitsentgelts stattfinden soll. „Befinden" soll das Parlament darüber! Es stimmt, daß damals der Bundestag und der Bundesrat in der Tat daran gedacht haben. Aber sie haben das doch in der Annahme getan, daß die finanzielle Situation der Länder, die die Kosten zu tragen haben, zu diesem Zeitpunkt anders - nämlich besser - sein würde. Das war doch, wenn ich es richtig verstehe, die Geschäftsgrundlage, auf der diese Formulierung damals akzeptiert worden ist. Tatsächlich aber - wir alle wissen das ja; darüber wird viel geredet - hat sich die Finanzlage teilweise dramatisch verschlechtert. Ich denke, der Gesetzgeber kann das sehr wohl zum Anlaß nehmen, zu sagen: Heute geht das nicht. Aber es geht ja nicht nur um die Erhöhung des Arbeitsentgelts. Es geht auch um einige weitere Punkte: Ausfallentschädigung, Einbeziehung in die gesetzliche Kranken- und Rentenversicherung. Dazu gibt es überhaupt keine zeitlichen Vorgaben des Gesetzes. Ein Zwang, diesen Gesetzentwurf zu diesem Zeitpunkt einzubringen, ist also für die Bundesregierung nicht gegeben, und ich meine auch, daß man nicht davon sprechen kann, daß das eine Frage der Glaubwürdigkeit des Gesetzgebers ist. Darauf hinzuweisen bedeutet nun nicht, daß wir als Unionsfraktion den sachlichen Zielen des Strafvollzugsgesetzes und den Zielen Ihres jetzigen Gesetzentwurfes nicht mehr zustimmten. Für die Union möchte ich gern folgendes feststellen. Erstens. Das Strafvollzugsgesetz ist - Sie haben darauf hingewiesen - damals unter Einschaltung des Vermittlungsausschusses beraten und danach von allen Fraktionen gemeinsam gebilligt worden. Zweitens. Die Union bekennt sich nach wie vor zu dieser Konzeption des Gesetzes, auch zum Gedanken der Resozialisierung. Drittens. Auch die Ziele des vorliegenden Gesetzentwurfes halten wir für sinnvoll und erstrebenswert. Daß die Zahlung eines erhöhten Arbeitsentgelts dazu beitragen kann, die Wiedereingliederung zu erleichtern, weil der Gefangene die Früchte seiner Arbeit sieht, weil er dadurch zum Unterhalt seiner Familie beitragen kann, weil er sich durch Ersparnisse den Übergang in das normale Leben erleichtern kann, weil er vor allem auch dazu beitragen kann, den Schaden, den er mit seiner Tat angerichtet hat, wiedergutzumachen, daß das alles sinnvoll und nützlich ist, bestätige ich. Ähnliches gilt auch für die Aufnahme in die Renten- und Krankenversicherung, nicht nur für die oft arg in Mitleidenschaft gezogenen Angehörigen, es gilt natürlich auch als eine Erleichterung für den Strafgefangenen selbst, sich wieder in das normale Leben einzugliedern. Ich denke aber, es darf auch nicht der Eindruck vermittelt werden, als ob das nun eine Forderung ist, ohne die es im Strafvollzug gar nicht mehr vernünftig weitergeht. Nicht bei Ihren Äußerungen, Herr Minister, aber wenn man so liest, was einige Kollegen der SPD-Fraktion in der Vergangenheit dazu gesagt haben, hat man manchmal den Eindruck, wir hätten in der Bundesrepublik einen geradezu mittelalterlichen und atavistischen Strafvollzug. Davon kann nun wahrlich nicht die Rede sein. 300 000 DM geben wir in der Bundesrepublik im Schnitt etwa - ich will gar nicht von den einsitzenden Terroristen sprechen - im Jahr für die Unterbringung eines Strafgefangenen aus. Sie müssen mal mit den Leuten sprechen, die Verantwortung im Strafvollzug tragen, welch ein Maß an Energie an personellem, an materiellem Einsatz es erfordert, nur das zu verwirklichen, was bereits heute geltende Norm im Strafvollzugsgesetz ist. Die Folgen der Stärkung der Rechtsposition des Gefangenen - mehr Freigang, Ausführung, Urlaub, vor allem die therapeutischen Einrichtungen und Maßnahmen -, das alles sind, wie ich meine, eindrucksvolle Verbesserungen und zusätzliche Leistungen für die Gefangenen in den letzten Jahren. Ich denke manchmal - vielleicht darf man es hier auch sagen -, daß es schon besser wäre, wenn manche nicht nur die zweifellos heute noch vorhandenen Schwächen des Strafvollzugs draußen lautstark ins öffentliche Bewußtsein höben, sondern auch etwas zur besseren Orientierung der Strafgefangenen beitrügen, wenn auch einmal deutlich gemacht würde, mit welchen großen Anstrengungen sich diese parlamentarische Demokratie bemüht, durch einen humanitären Strafvollzug gestrauchelten Menschen zu helfen. Ich möchte in diesem Zusammenhang im Namen meiner Fraktion gerne den 17 000 im Strafvollzug beschäftigten Bediensteten sehr herzlich für ihre Arbeit danken, die diese schwierige Aufgabe meist in einer beispielhaften Form erfüllt haben. ({0}) - Ich freue mich - es ist eigentlich selbstverständlich -, daß Herr Gnädinger sagt, ich dürfe das hier im Namen aller Fraktionen sagen. ({1}) Herr Minister, Sie haben die Bedeutung der Resozialisierung noch einmal nachdrücklich unterstrichen. Man kann sie unterstreichen, sollte sich aber auch davor hüten, sie in allzu überschwenglicher Weise und allzu isoliert als das Allheilmittel zu betrachten. Wir sollten vor Illusionen warnen. Trotz aller in den letzten Jahren zweifellos vorgenommenen Verbesserungen hat sich die Zahl der Straftaten der Rückfalltäter ja nicht verringert, sondern hat weiter zugenommen. ({2}) Ich verweise auf die Erfahrungen, die in anderen Ländern - etwa Dänemark, Schweden - gemacht worden sind. Schweden, das gelobte Land des Strafvollzugs, hat bittere Enttäuschungen hinnehmen müssen. Ich bitte Sie, einmal den Artikel in der FAZ vom 19. Januar 1980 von Rudolf Gerhardt unter dem Titel „Gefängnisse sind ein schlechtes Geschäft" nachzulesen, worin über die schwedische Situation berichtet wird. Der schwedische Optimismus von einst ist gebrochen, und Zeichen der Resignation werden sichtbar. Ich zweifle, Herr Minister, daß man im Sinne einer wirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Analyse behaupten kann, daß sich Investitionen im Strafvollzug, wenn sie in besonders intensiver Form vorgenommen worden sind, an anderer Stelle durch eine Minderung der sozialen Kosten auszahlen. Ich denke, dafür gibt es bisher keinen Beweis. Im Gegenteil, manches spricht dagegen. Dennoch bekenne ich für meine Fraktion: aus humanitären Gründen wollen wir um des Schicksals eines jeden einzelnen Gefangenen willen alles tun, um ihm zu helfen, also nicht so sehr um des wirtschaftlichen Nutzeffekts willen, sondern weil wir diese humanitäre Verpflichtung alle miteinander spüren. Ich warne aber davor, alles Heil von der Kriminalitätsbekämpfung durch Resozialisierung zu erwarten. Da gibt es manches, was vielleicht, wenn man an die finanziellen Investitionen denkt, noch mehr bringen würde. Wann endlich, frage ich, werden wir alle miteinander begreifen, daß z. B. die InDr. Olderog vestitionen für die Familie, für die Stärkung der Erziehungskraft der Familie den besten vorbeugenden Schutz auch gegen Kriminalität und deren Kosten bedeuten? Ein anderer Punkt, der mir Sorgen macht, ist die Leichtfertigkeit, mit der in unserem Staate Rechtsverletzungen leider immer wieder hingenommen werden. ({3}) - Ich rede von überall. Ich habe gar nicht an Ihre Adresse gesprochen. Es gibt Fehler auf allen Seiten. Sie können selbst einmal überlegen, wo vielleicht die größten Fehler gemacht worden sind. Meine Damen und Herren, was nützen alle tatkräftigen Bemühungen um Resozialisierung, wenn staatliche Stellen zulassen, daß außerhalb der Gefängnisse die Autorität des Rechts zerbröselt, die Verbindlichkeit von Gesetzen und sittlichen Normen immer mehr dahinschwindet? Nach meiner Überzeugung liegt hier die tiefste oder jedenfalls eine der tiefsten Ursachen für die ständig steigende Kriminalität. Da braucht man gar nicht auf die Hausbesetzungen oder auf die gewalttätigen Demonstrationen zu verweisen. Ich sehe nur, mit welchem Gleichmut, mit welchem Desinteresse in unserer Gesellschaft manchmal die Flut von Eigentumsdelikten und die Leichtfertigkeit, mit der man Konflikte gewaltsam austrägt, hingenommen werden. Ich wiederhole also, meine Damen und Herren: Wir als CDU/CSU-Fraktion bekennen uns zu den sachlichen Zielen dieses Gesetzentwurfs. Ich habe aber erhebliche Zweifel, ob die Länder, die die Kosten zu tragen haben, das auch bezahlen können. Das ist der entscheidende Punkt. Auch an den Ländern ist die, wie ich glaube, verfehlte Finanz- und Wirtschaftspolitik des Bundes nicht spurlos vorbeigegangen. Ich bin lange in der Landespolitik in Schleswig-Holstein gewesen, und ich weiß, daß wir in der Landespolitik genauso wie auf der Ebene des Bundes nicht darum herumkommen, in einschneidender Weise soziale Positionen der Bürger anzutasten. Meine Damen und Herren, wenn wir das vor dem deutschen Volk entscheiden, müssen wir uns natürlich auch fragen: Können wir es unseren rechtstreuen Bürgern begreiflich machen, daß sie in vielen Bereichen schmerzhafte Eingriffe in ihre gesetzlich verbrieften Leistungsansprüche hinnehmen müssen, während den Strafgefangenen weitere Leistungsansprüche zugebilligt werden sollen? Können wir dann, wenn, wie der Bundeskanzler sagt, alle Gruppen der Bevölkerung Opfer bringen müssen, wenn selbst Kindergeld, Arbeitslosenunterstützung, Ausbildungsförderung nicht mehr tabu sein sollen, nicht auch den Strafgefangenen zumuten, nicht Opfer hinzunehmen - nein, darum geht es nicht -, sondern noch ein bißchen zu warten, bis ihnen die im Gesetz in Aussicht genommenen Verbesserungen gewährt werden? Meine Damen und Herren, im Bundesrat haben die unionsregierten Länder gegen den Gesetzentwurf gestimmt, aber die SPD-regierten Länder - ich denke, es waren Hamburg, Bremen, Hessen und Nordrhein-Westfalen - haben einen Antrag eingebracht, in dem sie die Bundesregierung kritisiert haben. Sie haben bedauert, daß man diesen Gesetzentwurf ohne Rücksicht auf die Kostentragungslast der Länder eingebracht hat. Die Bundesregierung hat in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates gesagt, sie hoffe, daß man in Verhandlungen eine Lösung finden werde. Herr Minister, daß die Bundesländer dagegen sind, daß der Bundesrat dagegen ist, wissen Sie seit der vorigen Legislaturperiode. Ich habe mit Spannung darauf gewartet, ob Sie heute etwas Neues präsentieren können. Sie haben das leider nicht getan. Ich denke, man sollte hier noch einmal feststellen: Wenn die Bundesregierung in der gegenwärtigen finanzpolitischen Situation einen solchen Gesetzentwurf gegen das Nein der Länder präsentiert und einbringt, dann ist es zunächst einmal die Frage, ob es sehr fair ist, daß man sich selbst auf Kosten anderer in die Position des Reformers versetzt und die anderen in die Ecke der Reformverweigerer stellt. Ich bin zumindest der Meinung, daß die Regierung verpflichtet sein sollte, in den Verhandlungen dafür zu sorgen, daß Möglichkeiten zur Finanzierung dieses Gesetzes durch Einsparungen an anderer Stelle geschaffen werden.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Abgeordneter Olderog, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schmude?

Dr. Rolf Olderog (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001645, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, gern.

Dr. Jürgen Schmude (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002038, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nachdem Sie, Herr Kollege, die Fairneß der Bundesregierung bezweifeln, frage ich Sie, ob Sie nicht mit mir der Meinung sind, daß die Regierung durch § 200 Abs. 2 des Strafvollzugsgesetzes verpflichtet ist, jedenfalls zur Erhöhung des Arbeitsentgelts Ihnen hier einen Gesetzentwurf vorzulegen.

Dr. Rolf Olderog (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001645, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe gerade vorhin gesagt, Herr Minister, daß man sehr in Zweifel ziehen muß, ob überhaupt eine Verpflichtung besteht, ein solches Gesetz vorzulegen. Aber wenn Sie der Meinung sind, daß Sie dazu verpflichtet sind, dann sind Sie in jedem Fall nicht verpflichtet, eine solche Erhöhung, wie Sie sie vorgenommen haben, zu präsentieren. Das gilt für das Arbeitsentgelt. Für die anderen Punkte, die ja die kostspieligeren sind, gibt es überhaupt keine Verpflichtung. ({0}) Lassen Sie mich zum Schluß kommen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Die Union hat in den Ländern, wo sie Verantwortung trägt, bewiesen, daß sie auch in finanziell schwieriger Lage den Strafgefangenen notwendige Hilfe gewährt, und zwar aus unserem Verständnis von humanitären Pflichten. Aber lassen Sie mich bitte am Schluß auch folgendes sagen. Wenn von Verbrechen die Rede ist, darf nicht nur von den sozialen und menschlichen Nöten der Strafgefangenen gesprochen werden. Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung nach der Wahl auch für die Verbrechensopfer Hilfe in Aussicht gestellt. Dazu ist bisher leider nichts geschehen. Zumindest in gleicher Weise, wenn nicht in noch höherem Maße schulden wir alle, meine Damen und Herren, menschliche Hilfe und Solidarität gerade auch diesen Opfern. ({1})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schwenk.

Dr. Wolfgang Schwenk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002133, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich halte es für gut und richtig, daß die Bundesregierung das Erste Gesetz zur Fortentwicklung des Strafvollzugs in unveränderter Form neu einbringt - im Rechtsauschuß hatte es ja nur geringfügige Änderungen gegeben -, damit die Fortentwicklung des Strafvollzugs in Angriff genommen wird. Ich möchte dem Dank, den Herr Kollege Olderog an die im Strafvollzug Tätigen gerichtet und ausgesprochen hat, hinzufügen, daß der beste Dank an sie ist, wenn wir an der Fortentwicklung des Strafvollzugs weiterarbeiten und nicht auf der Stelle treten. ({0}) Wir haben einige Stellungnahmen von Verbänden, auch von der Evangelischen Kirche bekommen, die die Besorgnis ausgedrückt haben, daß die positive Einstellung zur Fortentwicklung des Strafvollzugs, zur Resozialisierung der Gefangenen und der Entlassenen nicht mehr recht vorwärtskommt. Einiges von dem, was ich soeben hören mußte, geht genau in die Richtung, daß der Strafgefangene nicht mehr sehr beliebt ist. Beliebt braucht er nicht zu sein. Aber wir wollen ihn nicht wieder in die Ecke zurückstellen, in der er mal gestanden hat. Wir haben mit gutem Grund in der vorvorigen Legislaturperiode ein Strafvollzugsgesetz zum Abschluß gebracht, übrigens in Übereinstimmung von Bundestag und Bundesrat, und mit der Verpflichtung, es fortzuentwickeln. Ich sehe keinen Anlaß, jetzt davon Abschied zu nehmen. Alle die, die das damals beschlossen haben, mußten auch Weitsicht beweisen. Jetzt zu sagen: Das haben wir alles nicht so sehen können und jetzt ist das nichts mehr, ist nicht ausreichend, um zu sagen, in diesem Bereich soll jetzt nichts mehr laufen. Das gilt dann nicht nur für den Bund, sondern auch für die Länder. Die Arbeit muß weitergehen. Wenn in diesem Gesetz drei Punkte erneut aufgegriffen werden, nämlich die Verbesserung des Arbeitsentgelts sowie die Einbeziehung der Strafgefangenen und ihrer Angehörigen in die gesetzliche Krankenversicherung und in die Sozialversicherung, soweit sie infolge der Strafhaft dort herausgefallen sind, dann ist das nicht nur eine Wohltat, sondern ist das eine Verpflichtung des Sozialstaates, etwas zu tun. Dabei können wir uns erneut auf das Bundesverfassungsgericht berufen, das zum Ausdruck gebracht hat, daß das eine sozialstaatliche Verpflichtung sei. Im übrigen darf ich daran erinnern - ich glaube, Sie haben insofern eben an der falschen Stelle geklatscht -, daß die Übernahme der Kosten der Krankenversicherung und damit die Eingliederung bzw. Fortführung des Krankenversicherungsschutzes der Gefangenen im Bundesrat nicht strittig war: es ging vielmehr um die Kosten der Sozialversicherung. Das war einer der strittigen Punkte. Der andere strittige Punkt betraf die Erhöhung des Arbeitsentgelts. Der Bund wollte auf 10 % der Bemessungsgrundlage und der Bundesrat auf 7 % erhöhen. ({1}) - Das hat doch nichts mit der Wahl zu tun, Herr Olderog. Und um Glauben ging es nicht, hier ging es um Wissen. Dann hätten sich die Länder eben geirrt. Sie hätten vorher genauer nachforschen können. Die Zahlen lauten folgendermaßen. 53 Millionen DM wären wegen der Erhöhung von 5 auf 10 % zusätzlich angefallen, 56 Millionen DM wegen der Krankenversicherung ab 1. Januar 1985 - dazu waren die Länder im Grundsatz bereit - und noch einmal 223 Millionen DM für die Sozialversicherung, auch ab 1. Januar 1985. Das war dann j a wohl der Punkt. Aber da haben Sie eben an der falschen Stelle geklatscht. ({2}) - Die Zahlen haben sich ja nicht verändert. ({3}) Es geht nicht um die Zahlen, Herr Olderog, es geht um die Leistungsfähigkeit. ({4}) Ich halte es im Ansatz für völlig richtig, dieses Gesetz mit dem Wunsch neu einzubringen, durch erneute Verhandlungen weiterzukommen, nicht auf der Stelle zu treten und damit dem Justizminister die Möglichkeit zu eröffnen, einen neuen sozialpolitischen Markstein im Interesse der Gefangenen und ihrer Familien einzuschlagen. Das kann man nicht damit abtun, daß man sagt, hier sei die Glaubwürdigkeit des Gesetzgebers in Frage gestellt, weil es um zusätzliche Leistungen gehe. Vielmehr handelt es sich darum, eine Gruppe, die bislang außen vorsteht, einzubeziehen und nicht außen vorstehen zu lassen. Es geht nicht darum, daß es jetzt nichts Neues geben dürfe, sondern es geht darum, daß Politik fortgesetzt wird. Wenn wir von vornherein sagten, das tun wir nicht, würden wir uns aus der Politik abmelden - Sie auch -, und das wollen wir ja wohl nicht. Was nach den Beratungen und den notwendigen Verhandlungen aus dem gesamten Vorhaben schließlich herauskommt, werden wir sehen. Wir wollen den Weg eröffnen. Dr. Schwenk ({5}) Ich kann mich nicht mit dem Verfahren einverstanden erklären, das der Bundesrat vor einem Jahr praktiziert hat. Er hat sich zu dem Gesetz nicht mehr geäußert. Dann kam die Sommerpause, und dann ist es dahingesiecht und gestorben. Jetzt nehmen wir das wieder auf. Ich möchte noch einmal daran erinnern, daß alle, die sich mit dem Strafvollzugsgesetz vom 16. März 1976 befaßt und es mit großer Mehrheit verabschiedet haben, sich einem auf gesetzlicher Grundlage stehenden Strafvollzug und seiner Fortentwicklung verschrieben haben. Die Beteiligten haben damals in verschiedenen Paragraphen die Verpflichtung niedergelegt - der Justizminister hat darauf mit seiner Zwischenfrage eben noch einmal hingewiesen -, das Gesetz fortzuentwickeln. Das sollten Sie auch tun. Sie sollten sich nicht abmelden. Wenn für das erhöhte Arbeitsentgelt bereits ein Zeitpunkt genannt worden ist - bis zum 31. Dezember 1980 sollte darüber befunden werden -, dann war es wohl nicht die Absicht, alles beim alten zu belassen, sondern das sollte weiterentwickelt werden. Alle, die das Strafvollzugsgesetz vor fünf Jahren beschlossen haben, haben das auch so gewollt. Wir wollen die, die das beschlossen haben, auch nicht im Regen stehen lassen. Ich erläutere noch einmal kurz: 5 % Eckvergütung, berechnet vom Durchschnitt des Einkommens der versicherten Arbeiter und Angestellten, bedeutete 1976 im Monat 75 DM. Das ist wirklich nicht eben viel. Wenn wir das auf heutige Zahlen umrechnen, dann sind es 115 DM. Wären seinerzeit, wie es der Bundesrat wollte, 7 % beschlossen worden, dann wären das heute 161 DM. Bei 10 % wären wir 1981 bei 230 DM pro Arbeitsmonat eines normal arbeitenden Strafgefangenen. Auch das sind wirklich keine großen Zahlen. Dieses Geld soll ja auch nicht zum Verwenden hinter den Anstaltsmauern gegeben werden. Nur die Hälfte soll der Gefangene nach unseren Vorstellungen für seinen persönlichen Bedarf ausgeben. Das wären 115 DM im Monat. Man kann sich vorstellen, was dabei für den einzelnen herauskommt. Das andere soll er entweder für die Zeit nach seiner Entlassung ansparen, oder er soll damit einen Beitrag für die Unterstützung seiner Familie oder für die Wiedergutmachung für die Opfer leisten können. Hierzu erinnere ich Sie, Herr Olderog, daran: Der Bundestag hat in der vorigen Wahlperiode auch ein Gesetz über Opferentschädigung beschlossen. Wir haben etwas getan. Was der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung gesagt hat, soll eine Fortführung sein. Man kann uns aber nicht entgegenhalten, wir dächten nicht an die Opfer der Straftaten. Dies haben wir getan. Das war unser Ausdruck. Wir brauchen uns das von Ihnen nicht sagen zu lassen. Die schwierige Haushaltslage allein darf uns also in unserem sozialpolitischen Anliegen nicht zum Stillstand bringen, sondern muß uns dazu führen, nach Maßgabe der Möglichkeiten zu suchen und weiterzugehen. Ich zitiere den § 2 des Strafvollzugsgesetzes, der deutlich sagt: Im Vollzug der Freiheitsstrafe soll der Gefangene fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Da müssen wir ihm im Gegenzug deutlich machen, daß er vom Netz der sozialen Sicherung nicht einfach ausgeschlossen bleibt. Sonst müßten wir uns entgegenhalten lassen, daß wir nicht folgerichtig arbeiten. In irgendeinem Zeitpunkt seines Lebens wird fast jeder Gefangene in die Freiheit entlassen. Damit er nach der Entlassung in das allgemeine soziale Leben wieder eingegliedert werden kann, soll sein Leben im Vollzug den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit als möglich angeglichen werden. Schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges ist entgegenzuwirken. Zu den schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges gehört aber auch, wenn die Angehörigen draußen nicht entsprechend sozial abgesichert bleiben. Und es ist ein qualitativer Unterschied, ob die Angehörigen im Krankheitsfall zur Sozialhilfe gehen müssen oder ob sie Krankenkassenpatienten bleiben können. Auch dies müssen wir im Auge behalten. Wir wollen gerade die Angehörigen des Strafgefangenen, die in den meisten Fällen mit seinem Vergehen nichts zu tun haben, nicht vergessen. Mein Kollege Hugo Brandt hat in seiner Rede vom 6. November 1975 ganz klar gesagt - auch daran erinnere ich noch einmal -: Das Urteil auf Freiheitsentzug bedeutet, daß ein Leben ohne Freiheit zu führen ist, nicht aber ohne Teilhabe an den sozialen Sicherheiten in unserem Staate. Wenn man das wolle, dann müsse man das eigentlich in das Urteil hineinschreiben. Da das auch nach Erlaß des Strafvollzugsgesetzes nicht anders geworden ist, halte ich an diesem Satz fest: Entzug der Freiheit, aber keine zusätzliche Herabstufung. Der Entzug der Freiheit in einer Gesellschaft, die so viel Wert auf freie Entfaltung der Persönlichkeit legt, ist von den Strafgefangenen schwer zu ertragen. ({6}) - Das Moment der Schuld spielt eine Rolle bei der Findung der Strafe und bei der Verurteilung. Der Strafvollzug soll auch dazu dienen, daß sich der Gefangene mit seiner Tat ins reine bringt. Dazu hat er sich im Strafvollzug auch Erziehungsmaßnahmen zu stellen. Aber das, was Sie soeben gefragt haben, betrifft keine Einzelfrage des Vollzugs. Ich habe als Praktikant mehrere Wochen in einem Gefängnis zugebracht. Ich weiß, was der Entzug der Freiheit bedeutet. Im Vollzug kann sich jeder mit seiner eigenen persönlichen Schuld auseinandersetzen. Die Erhöhung des Arbeitsentgelts soll der Stärkung der Selbstverantwortlichkeit dienen. Einer, der arbeiten muß und nur ein ganz geringes Entgelt dafür bekommt, kann an den Wert der Arbeit nur noch schwerlich glauben. Wir wollen mit dieser Vorlage - ich sagte es schon - den Weg für einen besseren Strafvollzug Dr. Schwenk ({7}) ebnen. Wir wollen nicht, wie mein Kollege Heyenn es in einer Rede vor einem Jahr einmal ausgedrückt hat, den Sozialstaat vor den Gefängnistoren halt machen lassen. Gehen Sie mit uns in den Beratungen im Ausschuß, an den das Gesetz überwiesen wird, diesen Weg, damit wir es zu einem Ende führen können, mit dem wir bestehen können. Herr Olderog, für einige Punkte Ihrer Rede gilt: Sie haben von manch anderem als von diesem Gesetz gesprochen. Ich habe in den Gefängnissen manche junge Leute getroffen - Sie haben von der Stärkung der Erziehungskraft der Familie gesprochen -, die nicht das Glück hatten, in einer Familie groß zu werden. ({8}) - Leider. - Auch an sie möchte ich erinnern. Denen ist noch manches im Strafvollzug zu bieten. Auch an diese Menschen denke ich in diesem Moment. - Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({9})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bergerowski.

Wolfram Bergerowski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000153, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will nur noch wenige Anmerkungen machen. ({0}) - Ich tue das wirklich auch mit Rücksicht auf Sie, Herr Erhard. Sie wollen j a am Ende auch noch nach Hause kommen. Vieles von dem, was von mir ebenfalls darzustellen wäre, ist hier bereits dargestellt worden. Insofern wäre das also nur eine Wiederholung. Es gab einmal eine Phase der Diskussion hier im Parlament, in der man sich voll einig war; das war vor einem Jahr. Doch die Möglichkeit, das Gesetzgebungsverfahren zu Ende zu bringen, scheiterte schließlich daran, daß der Bundesrat nicht mitmachte; das Gesetz kam nicht zustande. Nun droht uns ja wohl auch, daß wir hier im Bundestag schon nicht mehr einig sind. Einig sind wir uns allerdings - Gott sei Dank - noch über die Ziele, die wir in Verfolg des Strafvollzugsgesetzes von 1976 noch erreichen müssen. Denn mit dem Gesetz von 1976 haben wir Forderungen aufgestellt, zu einem Strafvollzug zu kommen, in dem die Wiedereingliederung in die Gesellschaft durch den Strafvollzug und während des Strafvollzugs gefördert wird und in dem Voraussetzungen geschaffen werden, ein straffreies Leben zu führen. In diesem Strafvollzugsgesetz haben wir auch festgeschrieben, daß wir einen Beitrag dazu leisten wollen, die Diskriminierung sowohl des Gefangenen im Vollzug als auch der Familie, die draußen lebt, abzubauen. Das Strafvollzugsgesetz von 1976 war natürlich von Anfang an Stückwerk, wenn man es unter dem Aspekt sieht, daß damals nicht alles geregelt werden konnte. Zwar wurde vieles in der Tendenz festgeschrieben, aber die Inkraftsetzung einzelner Paragraphen wurde j a aufgeschoben. Wenn man das, was 1976 im Strafvollzugsgesetz gewollt war, ernst nimmt, kommt, meine ich, eben einfach auch der Zeitpunkt, in dem man es auch umsetzen muß. Ich glaube, daß die Bundesregierung mit diesem Gesetzentwurf, der jetzt wieder eingebracht wurde, genau diesen Anstoß gibt, nämlich dieses Gesetz fortzuentwickeln. Ich meine, es duldet keinen Aufschub, auf diesem Weg ein Stück weiter voranzugehen. Die Kollegen haben hier schon dargestellt, was die Fragen dieses Entwurfs eines Strafvollzugs-Fortentwicklungsgesetzes sind. Es geht hier u. a. um die Regelung des Arbeitsentgelts; ich brauche es im Detail nicht mehr darzustellen. Was kann denn diese Erhöhung des Arbeitsentgelts bewirken? Ich meine, wir sollten daran denken, daß eine bessere Motivation für Arbeit überhaupt durch eine leistungsgerechtere Entlohnung im Vollzug möglich ist. Ich meine auch, daß durch einen leistungsgerechten oder in dem Fall leistungsgerechteren Lohn in der Vollzugsanstalt die Verhältnisse in der Anstalt selbst eher an die Lebensbedingungen draußen angepaßt werden. Das war auch ein Stück dessen, was vorhin als die Frage der Würde dieses betroffenen Menschen und seiner Arbeit angesprochen wurde. Es führt aber auch dazu, daß Rücklagen, Überbrückungsgelder da sind, die die Möglichkeit geben, mit Hilfe eigener Mittel nach der Haftentlassung zu Rande zu kommen, beim Start, beim Anmieten einer Wohnung, beim Bestreiten des Lebensunterhalts bis zur Arbeitsplatzsuche. Ich meine, längerfristig wird auch durch dieses schrittweise Anheben des Entgelts ein Beitrag zur Verwirklichung geleistet, daß durch Arbeit im Strafvollzug Schulden getilgt werden können, Schadensersatzleistungen erbracht werden können, auch Leistungen an die Opfer, Unterhalt der Familie gegenüber erbracht wird, vielleicht sogar Gerichtskosten getilgt werden. Das sind Zielsetzungen, und ich meine, man muß einfach irgendwann einmal dieses Stück vorangehen, um überhaupt einmal das Gesetz an der Stelle mit Leben zu erfüllen. Ich brauche wenig zum Sinn der Krankenversicherung zu sagen. Daß die Angehörigen den Vorteil aus der Neuregelung haben würden, ist dargestellt worden, und es ist ebenfalls dargestellt worden, daß sie damit nicht mehr weiterhin Kostgänger der Sozialhilfe sind. Das ist ein Beitrag, um die Diskriminierung abzubauen, die draußen von den Angehörigen noch zu erleiden ist. Bei der Rentenversicherung führt das zu eigenen Rentenanwartschaften. Nun übersehen wir in der FDP-Fraktion natürlich nicht, daß das finanzielle Lasten hat, und wir wissen, daß sie bei den Ländern entstehen. Aber man muß auch einmal deutlich sagen, daß die Länder wußten, was auf sie zukommen würde. Sie haben 1976 zu dem Gesetz ja gesagt, und sie haben auch zu diesen Belastungen ja gesagt, die dieses Gesetz irgendwann einmal bringt. Man hat damals vom Stufenplan geredet; man hat gewußt: man muß dies stufenweise umsetzen. Man kann jetzt nicht einfach sagen: Wir lassen das bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag hängen. Ich meine, das kann nicht der Sinn des damaligen Gesetzgebungsvorgangs gewesen sein, daß er auf so lange Zeit ohne Ausfüllung bleibt. Wir haben heute Regelungen dabei, die erst 1986 in Kraft treten sollen. Kommt dieses Gesetz nicht, werden wir mit der Fortentwicklung in das Jahr 1990 oder in das Jahr 2000 kommen. Ich finde, das kann nicht der Sinn gewesen sein, als man damals den Einstieg in einen Strafvollzug dieser Art machen wollte. ({1}) Nun wissen Sie ganz genau, daß wir eine ganze Menge von Leistungen dieses Staates auch weiterhin erbringen werden, gleichgültig, welche Lösungen zu welchem Zeitpunkt noch in diesem Jahr vielleicht im Einzelfall getroffen werden müssen. Ich finde, man muß hier einfach diese Gesamtaufgabe 'sehen und fragen, ob es nicht an der Zeit ist, trotz solcher Sparelemente und Sparaufgaben, die wir zu lösen haben, hier endlich weiterzukommen. Es war heute gar keine Rede davon, daß natürlich auch ein Teil der Kosten, die hier aufzubringen sind - es wurde von Saldierung gesprochen -, von anderer Seite erbracht werden und insoweit nicht in dem Maße in Erscheinung treten. Das ist in der Begründung des Gesetzentwurfs dargestellt und ich will das hier nicht mehr weiter ausführen. Ich glaube, daß ein Gesichtspunkt wirklich Beachtung finden muß. Wenn wir mit dem Einstieg in das Strafvollzugsgesetz richtig liegen, daß es eine Chance bietet, Rückfallquoten zu vermindern, dann ist jeder Beitrag, der dies fördert - und ich glaube, daß das Gesetz wirklich Chancen für eine Beeinflussung der Rückfallquoten eröffnet -, längerfristig dazu geeignet, Kosten zu sparen. Ich will das nicht dramatisieren. Wenn wir schon gemeint haben, dies sei der richtige Weg, dann müssen wir ihn auch gehen. Dann werden wir auch wissen, ob er wirklich richtig war. Ich bin davon überzeugt, daß wir auf diese Art und Weise die Resozialisierung begünstigen können. Ich weiß genau, daß die jetzt vorgeschlagenenMaßnahmen für sich allein betrachtet Resozialisierung natürlich nicht ausmachen. Aber sie sind ein Schritt in diese Richtung. Ich glaube, daß dies Beiträge dafür sein könnten, die Verhältnisse im Strafvollzug ein Stück näher an das, was sonst im Leben draußen ist, heranzubringen und damit für Strafgefangene die Rückkehr in die Gesellschaft zu erleichtern. Jedes Prozent Senkung der Rückfallquote würde dem Staat helfen, Kosten zu sparen. ({2})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Meine Damen und Herren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 9/566 zu überweisen zur federführenden Beratung an den Rechtsausschuß, zur Mitberatung an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung sowie zur Beratung gemäß § 96 der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß. Ist das Haus mit der vorgeschlagenen Überweisung einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist entsprechend beschlossen. Ich rufe Punkt 17 der Tagesordnung auf: Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Vereinfachung und Verbesserung des Versorgungsausgleichs - Drucksache 9/562 Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist für die Aussprache ein Beitrag von bis zu zehn Minuten Dauer für jede Fraktion vereinbart worden. Als erstem Redner erteile ich dem Herrn Abgeordneten Erhard ({0}) das Wort.

Benno Erhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000485, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Begründung des Gesetzentwurfs: Erstens. Die Sache, die hier angesprochen ist, ist eilig. Sie ist deshalb eilig, weil verfassungswidrige Verkürzungen von Renten und Pensionen bei alten Menschen beseitigt werden müssen - rückwirkend - und keine solchen für die Zukunft entstehen sollen. Zweitens. Im Rechtsausschuß liegt ein Gesetzentwurf der Bundesregierung, der die gleichen Fragen in ähnlicher Weise oder auch in anderer Weise regeln oder auch zum Teil nicht regeln soll. Es gibt kein Fortkommen, weil der Entwurf der Bundesregierung bei beiden Koalitionsfraktionen in erkennbarer Weise nicht auf Gegenliebe stößt. Und deswegen hängt eben alles fest. ({0}) Drittens. Der Gesetzentwurf enthält eine vorläufige Regelung und nicht die Anmaßung einer endgültigen wie der Regierungsentwurf. Er will deshalb neben dem BGB eine vorläufige Regelung finden, ({1}) mit folgenden Einzelfragen: a) In den vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fällen soll der verfassungswidrige Zustand auch wirklich beseitigt werden. Es soll nicht - zum Teil zugunsten der öffentlichen Hände - eine Kürzung von Renten und Pensionen erfolgen. b) Die Verfahrenszuständigkeit bleibt beim Familiengericht. ({2}) Erhard ({3}) - Von wegen. c) Es gibt keine komplizierten Rechenexempel zugunsten der öffentlichen Hände ({4}) und zu Lasten der Alten, Pensionäre, Rentner und Witwen. d) Es gibt kein Erbrecht für durch Tod abgeschlossene Rentenfälle. Diese Möglichkeit macht den Gesetzentwurf der Bundesregierung a) teuer und b) sehr kompliziert, und damit werden die Dinge auf Jahre in unübersichtlicher Weise offengehalten. ({5}) e) Es gibt kein Antragsverfahren der alten Leute, sondern die öffentliche Hand muß selber aufpassen. f) Es soll möglich werden, den bargeldlosen Versorgungsausgleich auch in den Fällen durchzuführen, in denen Anwartschaften, die außerhalb der Rentenversicherung entstanden sind, dort ausgeglichen werden können. ({6}) - Ach, Herr Emmerlich, gucken Sie erst einmal in die Praxis, ehe Sie hier tönen. Ein Versorgungswerk der Zahnärzte z. B., das einen Ausgleich bei Scheidung vorsieht, kann von der Aufsichtsbehörde nicht genehmigt werden, weil das BGB eine Regelung nur für die Rentenversicherung vorsieht.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Abgeordneter Erhard, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Emmerlich?

Benno Erhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000485, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Bitte sehr.

Dr. Alfred Emmerlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000468, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Erhard, können Sie uns erläutern, was bei Verwirklichung Ihres Vorschlags passiert, wenn der Versicherungsfall der Frau vor dem des Mannes eintritt, und was sich an rentenwirksamer Versorgungsleistung für die Frau ergibt, wenn der Mann gestorben ist?

Benno Erhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000485, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Es tritt genau das ein, was heute geltendes Recht ist. Grundsätzlich bekommt derjenige, der einen Rentenanspruch hat, seine Rente. Nach unserer Regelung bekommt die geschiedene Frau, die eine Rentenanwartschaft erwirbt, im Falle des Eintritts der Rente diesen Anspruch mit der Zusatzrente, die sie von ihrem Mann abgesplittet bekommen hat. Da ändert sich überhaupt nichts. Es geht j a darum, daß bis jetzt der Mann und die Frau etwas nicht bekommen und beide die Geprellten sind. Das ist der verfassungswidrige Zustand. Das wissen Sie genau. ({0}) - Das ist nicht falsch. Genau dasselbe, was ich eben von den Versorgungsanwartschaften bei Versorgungswerken außerhalb des öffentlichen Versorgungssystems dargestellt habe, gilt auch für die Betriebsrenten und die Zusatzversorgungen im öffentlichen Dienst, die zur Zeit die großen Sorgen machen. Hier soll eine vorsichtige Öffnung erfolgen. Wenn zwischen den beiden zur Scheidung anstehenden Ehegatten und dem Dritten, dem Versorgungswerk, eine Übereinstimmung vorhanden ist, soll dieser Übereinstimmung Rechnung getragen werden dürfen. ({1}) - Wenn es nur so wäre! Die Möglichkeiten für die Zukunft sehen wir mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht abschließend geregelt. Wir müssen sie aber regeln. Eine ganze Reihe weiterer Fälle steht an. Wir meinen, unser Gesetzentwurf gibt Zeit für die Beratung der anderen Fragen. Für das, was für die Zukunft außerdem noch offen ist, sollte eine Regelung gefunden werden, die vorsieht, den Versorgungsausgleich auf dem Papier durchzuführen; er sollte aber erst im Versorgungsfall des Berechtigten wirksam werden. Da muß der Schwerpunkt liegen. Dann erübrigen sich fast alle Übergangsregelungen von alleine. Ich hoffe, wir kommen bald zu Stuhle. ({2})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Als nächster Redner hat das Wort der Herr Abgeordnete Stiegler.

Ludwig Stiegler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002248, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Versorgungsausgleich ist als Kernstück der Eherechtsreform unumstritten. Er ist als solcher auch vom Bundesverfassungsgericht bestätigt worden. Wir sind derzeit nur daran, einige wenige Korrekturen für die Fälle anzubringen, in denen nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nach Durchführung des Versorgungsausgleichs verfassungswidrige Härten entstehen können. Es kann überhaupt keine Rede davon sein, Herr Kollege Erhard, daß hier im Lande auf breiter Front verfassungswidrige Eingriffe in vorhandene Besitzstände vorgekommen seien. Es kann nur die Möglichkeit geben, daß nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts solche Probleme in einzelnen schicksalhaften Verwicklungen auftauchen. ({0}) Sie sollten hier nicht so tun, als ob die ganze Regelung voller Tücken und voller Gefahren wäre. Die Bundesregierung ,hat unmittelbar nach dem Urteil ihren Gesetzentwurf erarbeitet und ihn unStiegler mittelbar nach der Neuwahl des Bundestags in diesem Parlament eingebracht. Wir beraten seit vielen Monaten darüber. Nun kommen Sie jetzt daher und tarocken hier nach, um es einmal auf gut bayerisch zu sagen. Sie kommen mit einem Entwurf daher, der uns in der Sache um keinen Millimeter weiterbringt. Im Gegenteil: Wenn wir heute abend die Zeit genutzt hätten, um uns im Ausschuß mit den Details zu befassen, hätten wir denen, die hier betroffen sind, einen größeren Gefallen getan als mit diesem Schauantrag. ({1}) Ich sehe darin eine reine Profilierungsübung. Sie haben das, was Sie heute erzählt haben, mehrfach im Rechtsausschuß vorgetragen. Sie haben gesagt, Sie hätten einen Entwurf. Sie haben den behütet wie ein Brutei, und dann ist er monatelang bei Ihren Sozialpolitikern hängengeblieben, weil auch die gemerkt haben, daß damit die Beratungen nicht weiterkämen. Sie halten uns mit diesem Entwurf nur auf. Wenn es Ihnen wirklich eilig wäre, dann hätten Sie im Ausschuß eifrig mitgearbeitet und nicht eilends versucht, sich in der Presse als die Gralshüter dieses Urteils anzudienen. Wenn ich hier in einer dpa-Meldung lesen muß, daß die Bundesregierung einen Gesetzentwurf angekündigt, ihn aber noch nicht vorgelegt habe, dann muß ich mich wirklich an den Kopf fassen. Solche Eindrücke versuchen Sie draußen zu erwecken, während hier am 18. Dezember bereits die erste Lesung war und der Rechtsausschuß sich eingehend damit befaßt hat. Zur Sache selber! Es geht darum, dem Urteil gerecht zu werden und nicht über das Urteil hinauszugehen. Sie wollen mit Ihrem Entwurf mehrere Dinge durcheinanderbringen, wie mir scheint. Da ist erstens Ihre Sondergesetztümelei. Wir alle haben uns bemüht, das Ehe- und Familienrecht wieder überschaubar zusammenzubringen. Sie treiben die Herde wieder auseinander. Das kann niemandem nützen. Das kann am allerwenigsten den Betroffenen helfen, deren Beratung und deren Rechtsdurchsetzung eine überschaubare Lösung notwendig machen. ({2}) Deren Rechte sollen durch eine Rechtsvereinheitlichung gewahrt, sie dürfen nicht durch eine Rechtszersplitterung gefährdet werden. Herr Kollege Erhard, im Mietrecht, im Familienrecht, überall wollen wir integrieren. Sie wollen hier wieder einen Fummel anhängen. Das bringt uns nicht weiter. ({3}) - Wir sind hier nicht in einem Seminar, bitte schön, sondern in einer öffentlichen Erörterung. Da geht es um Verständlichkeit. ({4}) Ich wollte, der Gesetzentwurf wäre so verständlich geschrieben und nicht so juristisch verklemmt, wie Sie sich auszudrücken belieben. ({5}) Sie wollen mit Ihrem Gesetzentwurf weit über das hinausgehen, was durch das Urteil geboten ist. Wir müssen in den Fällen korrigieren, in denen einer spürbaren Kürzung der Rentenansprüche keine entsprechende Gegenleistung gegenübersteht. Die Formel, die das Gericht gefunden hat, verlangt keineswegs, daß in all den Fällen, die Sie angesprochen haben, eine totale Rückgängigmachung erforderlich ist, daß insbesondere in den Vorversterbensfällen der ganze Versorgungsausgleich rückgängig zu machen ist und daß im Grunde die Öffentlichkeit, der Steuerzahler und der Beitragszahler, dafür aufkommen muß, daß hier aus einem Versorgungsanspruch zwei Versorgungsansprüche gemacht worden sind. Ich wehre mich nachdrücklich dagegen, daß Sie sowohl den Versorgungsträgern als auch den Sozialversicherungsträgern immer wieder unterstellen, daß sie hier einen Reibach machen. Das ist einfach nicht wahr! Das ist Ihnen x-mal vorgerechnet worden. Sie bringen diese Institutionen ohne Not in den Mißkredit und tragen damit auch ohne Not zur weiteren Staatsverdrossenheit bei. Damit müssen Sie endlich einmal aufhören. ({6}) Das gleiche gilt für die Unterhaltsfälle. Sie gehen zu Lasten der Steuerzahler und der Rentenversicherungsträger dazu über, auch demjenigen den ganzen Versorgungsausgleich zu ersparen, der vielleicht nur 5 oder 50 Mark Unterhalt beisteuern muß. Mit welcher Begründung eigentlich? Das alles zu Lasten der Steuerzahler und das alles zu Lasten der Beitragszahler! ({7}) Wir wollen dem einzelnen helfen, der in eine Härtelage gekommen ist. Wir wollen diese Härtelage möglichst überschaubar machen und mit möglichst einfachen Verwaltungsregelungen bewältigen, aber nicht zu Lasten der Allgemeinheit, man hätte beinahe gesagt, Scheidungssubventionen aussprechen. ({8}) Sie könnten ja auf die Idee kommen, zu sagen, derjenige, der sich scheiden lasse und plötzlich die doppelte Haushaltsführung zu bezahlen habe, müsse ein höheres Wohngeld bekommen, weil man nun zwei Haushalte zu unterhalten hat. Auch das geht nicht, denn es ginge zu Lasten der Allgemeinheit, ({9}) sondern diese Schicksale müssen eben auch so getragen werden, wie sie nun einmal in dieser Rechtsordnung zu tragen sind. Wir können nicht alles abmildern und alles zu Lasten der Allgemeinheit auffangen. Meine Damen und Herren, der Einstieg in die Betriebsrentenfälle ist sehr dünn geraten. Das allermeiste von dem, was Sie vorschlagen, kann jeder, der guten Willens ist, heute schon für sich verabreden. Da braucht man diesen Entwurf am allerwenigsten. Dort, wo die Probleme sitzen, da schweigen Sie sich aus. Damit können wir nichts anfangen. Unsere Fraktion ist mit dem Justizministerium und mit den Fachleuten dabei, eine vernünftige Lösung über die Sommerpause bis in den Herbst zu schaffen. Daran arbeiten wir, ({10}) daran hätten Sie mitarbeiten sollen, statt hier solche Schauanträge zu machen. Dieses Verfahren ist nicht einfach. Das sind ganz komplizierte Regelungen. Wir haben deshalb den Sozialversicherungsträgern zu danken, daß sie uns durch Vorablösungen einen Teil der Härten schon abgenommen haben. Dafür gebührt denen Respekt. Wir haben den Beamten im Justizministerium, im Innenministerium und im Arbeitsministerium zu danken, daß sie sehr geduldig mit uns an den Detaillösungen arbeiten, die uns weiterbringen. ({11}) - Auch mit Ihnen, wenn Sie sie ernsthaft zu Rate ziehen wollen; aber nicht mit solchen Schauanträgen, die auch in ihrer juristischen Formulierung, Herr Kollege Erhard, Ihrer durchaus nicht zu unterschätzenden juristischen Qualifikation nicht entsprechen. Mit diesem Entwurf sind wir nicht weitergekommen. Wir werden unseren Entwurf im Ausschuß weiter verfolgen und daran - hoffentlich auch mit Ihrer Kooperationsbereitschaft - so arbeiten, daß dieser Härteausgleich dem Urteil entspricht, damit die Betroffenen damit etwas anfangen können. ({12})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Engelhard.

Hans A. Engelhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000472, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der ersten Lesung eines Gesetzentwurfes kann man sich eine überschlägige Wertung und auch Gefühle leisten. Deswegen will ich es so ausdrücken, daß der Gesetzentwurf der Union bei uns mit stellenweisem Wohlwollen, aber auch mit einem gewissen Mißtrauen aufgenommen wurde. Ich will Ihnen diese Gemengelage der Gefühle kurz erläutern. Es sind vier Punkte, die von vornherein eine freundliche Haltung verdienen. Das ist einmal: Wenn - wie es in Art. 76 Abs. 1 unserer Verfassung heißt - aus der Mitte des Bundestages ein Gesetzentwurf vorgelegt wird, bedarf das schon der lobenden Erwähnung, weil es eine Rarität geworden ist. Manche gibt es, die sagen, da ist die helfende Hand des Bundesrates bei der Opposition nicht weit. Das kann man vermuten. Hier würde ich fast das Gegenteil annehmen, ({0}) weil der Bundesrat bei seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf viel sparsamer ist, und viel mehr auf das Zusammenhalten der finanziellen Mittel bedacht ist, als Sie es in Ihrem Gesetzentwurf waren. Zum zweiten. Es ist unser Auftrag, der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nachzukommen. Wir sind tatsächlich mit der Beratung des Regierungsentwurfs - das müssen wir ehrlich sagen - nicht recht weit gekommen. Deswegen kann es nicht schaden, wenn ein zusätzlicher Anstoß erfolgt. Völlig unabhängig vom Inhalt: ein Anstoß ist es in jedem Fall. Ich würde immer den Grundsatz gelten lassen, daß auch in der Gesetzgebung die Konkurrenz das Geschäft belebt. Drittens. Ein formaler Gesichtspunkt, aber für mich nicht unwichtig. Ich habe damals in der ersten Lesung für die Fraktion ausgeführt: O bliebe es uns doch erspart, daß der Moloch der Sozialpolitik nun im Begriffe ist, gleich das ganze deutsche Alphabet mit seinem riesen Maul zu schnappen und zu fressen. Wenn wir die Regelung woanders anbringen können und nicht im Bürgerlichen Gesetzbuch, so hat dies seine Vorteile; darüber müssen wir sprechen. Wir finden es recht sympathisch. Prinzipiell, Herr Kollege Erhard, ist ja auch der Versuch höchst lobenswert, gelegentlich so eines Unternehmens auch jener Fälle sich anzunehmen, bei denen Anwartschaften durch Beitragseinzahlung in die gesetzliche Rentenversicherung begründet werden müssen. „Prinzipiell lobenswert" habe ich gesagt, und wer es tatsächlich schaffen würde, zur Realteilung zu kommen, der hätte ja das ungeteilte Lob eines großen Personenkreises für sich, nämlich aller ({1}) Inhaber von Betriebsrenten, von Zusatzrenten, von sonstigen privatrechtlichen Versicherungen, betroffene Mitglieder dieses Hauses eingeschlossen. Das ist ein ungeheuer großer Personenkreis, der hierfür dankbar wäre. Nur, Herr Kollege Erhard, jetzt kommen wir zum zweiten Teil, nämlich zu unserem Mißtrauen. Sie kommen j a, um bei der Operation zur Realteilung zu kommen, gar nicht umhin, das im Wege der Parteivereinbarung zu machen. Jetzt wollen wir nicht darüber streiten, ob § 1587 o des geltenden Rechts das bereits ermöglicht. Das ist ja gar nicht der entscheidende Streit. Sie brauchen auch die Parteidisposition, die Vereinbarung zwischen den beiden Kontrahenten aus der geschiedenen Ehe und dem Träger der Versicherung. ({2}) Wo liegt eigentlich das Problem? Das Problem liegt darin, daß sich bisher fast überall die Versicherungsträger dagegen gewehrt haben, ({3}) einer solchen Vereinbarung zuzustimmen. Das hat mir fast den Gedanken kommen lassen, daß Sie da die Quadratur des Zirkels versuchen. Für mich stellt sich die Frage, ob die Quadratur des Zirkels dadurch bewirkt werden kann, daß man dem Kreis erlaubt, sich zu einem Quadrat zu formen, wenn der Kreis dies partout nicht will. ({4}) Da ist nichts geholfen. Da werden Steine statt Brot gegeben. Dies bewirkt nichts. Jetzt ganz überschlägig in der Wertung: Vollends wird natürlich das Mißtrauen auf den Plan gerufen, wenn man einmal in der kurzen Begründung nachliest, wie Sie das, was das Bundesverfassungsgericht uns aufgegeben hat, so locker auslegen und wie Sie dann mit den daraus wahrscheinlich folgenden Kosten umgehen. Das hört sich dann so an: Es wird nicht verkannt, daß das etwas kosten kann, aber wenn es etwas kostet, ist das verfassungsrechtlich geboten, und im übrigen darf man nicht vergessen, daß es sehr wenig kostet, und was es überhaupt kostet, weiß man nicht, weil das auch die Bundesregierung noch nicht berechnet hat; mit anderen Worten - ohne daß das ausgesprochen wird -: Wie sollen wir das überhaupt berechnen können, wenn die es nicht kann? Da muß man mißtrauisch werden, Das darf man, Herr Kollege Erhard, und das Mißtrauen ist sogar geboten. Dann versammeln wir uns, weil Sie die Konkurrenz belebt haben, halt wieder nach der Sommerpause, und ich bin der Meinung, daß die Denkpause bis dahin für die Ministerien eine Pause zum Arbeiten ist, um alles zusammenzutragen und saubere Zahlen auf den Tisch zu legen.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Kollege Engelhard, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Erhard?

Hans A. Engelhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000472, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte sehr, Herr Präsident.

Benno Erhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000485, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Engelhard, würden Sie so freundlich sein, nicht zu verschweigen, sondern zur Kenntnis zu geben, daß in der Begründung steht, daß die Rentenversicherungsträger den wesentlichen Teil der Kosten verursachenden Veränderungen seit Dezember 1980 bereits durch Vereinbarungen - neben dem oder gegen das geltende Gesetz - geregelt haben? ({0})

Hans A. Engelhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000472, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Darüber, Herr Kollege, möchte ich gern erst einmal informiert werden, und zwar im Detail. So jedenfalls, wie Sie dies in den Griff zu bekommen versucht haben, weckt es das Mißtrauen, was ich zu verstehen bitte. Denn ich will mit folgendem Hinweis schließen. Eines wissen wir ganz genau, und Sie wissen es dank eigener Fehltritte in der Vergangenheit doch auch: daß die Irrwege im Rentenrecht nicht nur verschlungen sind, sondern auch ungemein kostspielig und von großer Langzeitwirkung. Wo man dabei danebentappt, wird es teuer. Deswegen müssen wir hier wirklich sauber kalkulieren; hier müssen die Zahlen auf den Tisch. Damit werden wir uns dann nach der Sommerpause im September - allerdings hoffentlich mit besseren Entscheidungsgrundlagen insgesamt - zu beschäftigen haben. ({0})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Zu einer Schlußbemerkung der Herr Bundesminister der Justiz.

Dr. Jürgen Schmude (Minister:in)

Politiker ID: 11002038

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Entwurf, den wir heute hier verhandeln, verdient auch aus meiner Sicht Zustimmung und Kritik gleichermaßen - ich schließe damit an die Bemerkung von Herrn Engelhard zur Gemengelage der Gefühle an -, Zustimmung vor allem darin, daß er im wesentlichen die Sachverhalte aufgreift, die auch wir für regelungsbedürftig halten, Kritik darin, daß die Opposition offenbar bereit ist, mehr Geld auszugeben, als nötig wäre. Ich sage das auch in Erinnerung an die teilweise temperamentvollen Beiträge von Sprechern der CDU/CSU während der Debatte über den Bundeshaushalt 1981. Der Regierungsentwurf, der dem Rechtsausschuß zur Beratung vorliegt, sieht eine Korrekturgrenze und einen Mindesteinbehalt vor. Nicht bei jedem noch so geringfügigen Versorgungsausgleich muß eine Härteregelung greifen, und auch dann, wenn eine Härte vorliegt, muß der Versorgungsausgleich nicht völlig, sondern nur soweit rückgängig gemacht werden, wie es zur Vermeidung eben dieser Härte notwendig ist. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom Februar 1980 lediglich die Korrektur spürbarer Härten gefordert. Wir wollen, daß das Gesetz keine höheren Kosten verursacht, als es verfassungsrechtlich geboten ist. Erfreulicherweise haben wir darin die Zustimmung des Bundesrates bekommen. Ihr Entwurf, meine Herren, führt demgegenüber zu Mehrkosten, die sich im langjährigen Durchschnitt ohne weiteres auf Hunderte von Millionen DM belaufen dürften. Herr Kollege Erhard, ich finde es bezeichnend, daß Sie zu den Kosten hier - oder sollte ich es überhört haben? - kein Wort gesagt haben, und dies gerade, nachdem Sie sich, Herr Olderog, vorhin hier sehr ausführlich zu den Kosten - auch im langjährigen Durchschnitt - der Strafvollzugsneuregelung geäußert haben. Sie haben diese Kosten - lassen Sie mich noch dieses sagen, bevor Sie zu Ihrer Zwischenfrage kommen - im Vorblatt dieses Entwurfs verniedlicht, indem Sie von einer kaum meßbaren Kostenbelastung in den nächsten Jahren gesprochen haben. Man darf aber nicht nur die Kosten der nächsten Jahre berücksichtigen. Sicherlich wachsen die Mehrkosten in der Übergangszeit langsam an. Ihre volle Höhe erreichen sie erst nach Jahrzehnten; denn eine Vielzahl Geschiedener ist im Zeitpukt der Scheidung zwischen 30 und 40 Jahre alt, wird also das Rentenalter erst nach mehr als drei Jahrzehnten erreichen.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Bundesminister, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Erhard? - Bitte sehr.

Benno Erhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000485, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, könnten Sie erstens einräumen, daß das ein Gesetzentwurf nur für eine kurze Zeit, bis zu einer endgültigen gesetzlichen Regelung ist? Das steht ausdrücklich drin. Könnten Sie zweitens bestätigen, daß die gravierenden Fälle der sogenannten Kosten auf Grund der Vereinbarung zwischen den Rentenversicherungsträgern und den Pensionskassen in den nächsten Jahren nicht mehr relevant werden können? Und drittens -

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Sie machen aus einer Frage drei Fragen.

Benno Erhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000485, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das ist ein System. - Könnten Sie bestätigen, daß das, was Kosten verursacht, in Wirklichkeit nur abgenommene Rentenanwartschaften sind, die zu keiner Rente führen? Nur dies ist der verfassungswidrige Zustand.

Dr. Jürgen Schmude (Minister:in)

Politiker ID: 11002038

Herr Kollege Erhard, ich kann Ihnen nicht bestätigen, daß die Träger der Rentenversicherung in ihrer Vorgriffslösung so weit gehen wie Sie; sie würden damit Rentenrisiken außer acht lassen und sich Mehrkosten aufbürden, die sie gar nicht zu tragen brauchen. Das zweite ist, Sie gehen weiter als wir im Regierungsentwurf. Schon der Regierungsentwurf verursacht erhebliche Mehrkosten. Wenn Sie jetzt sagen: das weiß ich, dann wird daran deutlich, daß Sie mit Ihrem Entwurf zusätzliche Mehrkosten verursachen. Ich frage: Wie paßt das in die heute so oft beschworene Landschaft? Wie ist es zu vertreten, daß man der Solidargemeinschaft der Beitragszahler das auferlegt? Ich weiß nicht, Herr Präsident, ob Herr Kollege Erhard, ohne daß ich dazu animieren will, vielleicht noch etwas fragen will. ({0}) - Schönen Dank.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Aus Respekt vor Ihrer Antwort muß er stehenbleiben.

Dr. Jürgen Schmude (Minister:in)

Politiker ID: 11002038

Schönen Dank. - Der Gesetzgeber tut gut daran, auch solche Mehrkosten bereits heute sorgfältig abzuwägen, die erst nach einer längeren Spanne entstehen. Der Härteausgleich, den die Bundesregierung anstrebt, soll auf Dauer finanzierbar sein. Ich begrüße es, daß § 4 des Entwurfs eine Regelung auch für solche Fälle vorschlägt, in denen gegenwärtig der Versorgungsausgleich im Wege der einmaligen Beitragszahlung durchzuführen ist. Es geht hier vor allem um Betriebsrenten, Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes und berufsständische Versorgung. Die Bundesregierung begrüßt die Zielsetzung dieses Teils des Entwurfs uneingeschränkt. Auch sie arbeitet mit Nachdruck an einer Lösung der beim Sofortausgleich auftretenden Probleme. Die heute von Ihnen angebotene Regelung kommt schneller, greift aber zu kurz. Sie wollen die Realteilung zulassen, wenn Versorgungsträger und Ausgleichsverpflichtete freiwillig dazu bereit sind. Daß die Träger es nicht sind, wie hier die Kollegen aus dem Parlament bereits vorgetragen haben, kann ich aus eigener Erfahrung und Rundfragen nur voll bestätigen. Die mögliche Lösung der Probleme des Sofortausgleichs wird schwieriger sein. Sie sollte möglichst den Verpflichteten nicht übermäßig belasten, dem Berechtigten eine angemessene Sicherung verschaffen, die Interessen des Trägers der Versorgungslast gebührend berücksichtigen und nicht zu Lasten der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung gehen, auf die man ja gerne manches abschiebt. Das zu erarbeiten, fällt nicht leicht und kostet Zeit. Die Bundesregierung ist dazu mit ihren Vorbereitungen inzwischen ein gutes Stück vorangekommen und wird ihre Lösungsvorschläge voraussichtlich noch in diesem Sommer vorlegen können. In dem Ziel, Härten im Zusammenhang mit dem Versorgungsausgleich zu beseitigen, sind wir uns alle einig. Die langfristigen Kostenfolgen dürfen wir dabei aber nicht außer acht lassen. Unsere Lösungen müssen auf Dauer Bestand haben. Die Bereitschaft, rasch voranzukommen, ist offensichtlich in allen Fraktionen dieses Hauses vorhanden. Lassen Sie uns diese Voraussetzung für zügige Beratungen und gute Ergebnisse nutzen! ({0})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Meine Damen und Herren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 9/562 zur federführenden Beratung an den Rechtsausschuß, zur Mitberatung an den Innenausschuß, den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung und den Verteidigungsausschuß sowie zur Mitberatung und zur Beratung gemäß § 96 der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch; es ist entsprechend beschlossen. Ich rufe Punkt 18 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes/EWG - Drucksache 9/428 Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({0}) - Drucksache 9/588 Berichterstatter: Abgeordnete Fellner Schäfer ({1}) ({2}) Vizepräsident Leber Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Ich sehe, das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Einzelberatung und zur Abstimmung. Ich rufe Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Die Vorschriften sind angenommen. Das Gesetz ist damit in zweiter Beratung angenommen. Wir treten ein in die dritte Beratung. Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Das Gesetz ist in dritter Beratung beschlossen. Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 13. September 1979 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Demokratischen Sozialistischen Republik Sri Lanka zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen - Drucksache 9/133 Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({3}) - Drucksache 9/593 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Kreile ({4}) Das Wort zur Berichterstattung wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Einzelberatung und Schlußabstimmung. Ich rufe Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift auf. Die Abstimmung hierüber wird mit der Schlußabstimmung verbunden. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Das Gesetz ist beschlossen. Ich rufe Punkt 20 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Beitreibungsgesetzes-EG - Drucksache 9/204 Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({5}) - Drucksache 9/594 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Mertens ({6}) ({7}) Das Wort zur Berichterstattung wird nicht gewünscht. Das Wort wird auch anderweitig nicht gewünscht. Wir kommen zur Einzelberatung und zur Abstimmung. Ich rufe Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Das Gesetz ist in zweiter Beratung angenommen. Wir treten in die dritte Beratung ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Danke schön. Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Das Gesetz ist angenommen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 21 auf: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Verträgen vom 26. Oktober 1979 des Weltpostvereins - Drucksache 9/313 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für das Post- und Fernmeldewesen ({8}) - Drucksache 9/585 Berichterstatter: Abgeordneter Kretkowski ({9}) Das Wort zur Berichterstattung wird nicht gewünscht. Das Wort wird auch anderweitig nicht gewünscht. Wir kommen zur Einzelberatung. Ich rufe die Art. 1 bis 4, Einleitung und Überschrift auf. Die Abstimmung hierüber wird mit der Schlußabstimmung verbunden. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich danke sehr. Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Das Gesetz ist angenommen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 22 bis 25 auf: 22. Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Zerlegungsgesetzes ({10}) - Drucksache 9/572 -Überweisungsvorschlag des Älestenrates: Finanzausschuß 23. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 5. Juli 1979 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Finnland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie einiger anderer Steuern - Drucksache 9/573 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Finanzausschuß 24. Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhe2690 Vizepräsident Leber bung des Gesetzes über die Pockenschutzimpfung - Drucksache 9/524 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit ({11}) Verteidigungsausschuß 25. Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Bundes-Apothekerordnung - Drucksache 9/564 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Es handelt sich um die erste Beratung der von der Bundesregierung und vom Bundesrat vorgelegten Gesetzentwürfe. Das Wort dazu wird nicht gewünscht. Der Ältestenrat schlägt die Überweisung der Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 9/566, 9/573, 9/524 und 9/564 an die Ausschüsse vor. Die Überweisungsvorschläge des Ältestenrats ersehen Sie aus der Tagesordnung. Ist das Haus mit den Überweisungsvorschlägen einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch; dann ist entsprechend beschlossen. Ich rufe von den Zusatztagesordnungspunkten zuerst den Zusatzpunkt 1 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Kittelmann, Dr. Abelein, Dr. Waigel, Dr. Wörner, Dr. Hüsch, Dr. von Geldern, Echternach, Amrehn, Höffkes und der Fraktion der CDU/ CSU 3. Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen - Drucksache 9/581 Im Ältestenrat ist ein Beitrag von bis zu zehn Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. - Ich sehe keinen Widerspruch; das Haus ist also damit einverstanden. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Kittelmann.

Peter Kittelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001106, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Herren! Ich darf zu dem vorliegenden Antrag folgende kurze Anmerkung machen. Die Seerechtskonferenz geht schon über viele, viele Jahre. Sie ist die bedeutendste und gleichzeitig größte Konferenz im Nord-Süd-Dialog. Von ihr gehen wahrscheinlich auch die größten Folgen aus, die bisher von einer internationalen Konferenz ausgehen konnten. In umgekehrtem Verhältnis dazu steht das öffentliche Interesse für diese Konferenz, weil sie sehr lange dauert und weil sie sich nur tröpfchenweise verändert. Im wesentlichen sind alle Veränderungen der letzten Zeit nicht zu unserem Vorteil gewesen. Für den vorliegenden Antrag, bezüglich dessen die CDU/CSU davon ausgeht, daß er auch die Zustimmung der beiden anderen Fraktionen finden kann, ist vom Ältestenrat vorgesehen, daß er in die Ausschüsse überwiesen werden soll. Das hat den Nachteil, daß man ihn, wenn man zustimmen wollte, heute nicht verabschieden kann. Es hat den Vorteil, daß man die Ergebnisse der Konferenz, die im August in Genf fortgesetzt wird, in die Beratungen des Ausschusses mit einfließen lassen könnte und dadurch unter Umständen zu einer gemeinsamen Formulierung des Antrages kommen könnte. Ich darf an folgendes erinnern. Der Deutsche Bundestag hat am 22. Juni 1977 in der Drucksache 8/661 folgende Kriterien festgestellt, die erfüllt werden müssen, ehe man einem Ergebnis der Konferenz zustimmen will. Erstens. Die Sicherung eines dauerhaften Zugangs ohne Diskriminierung zu den Meeresbodenschätzen ist allen interessierten Nationen zu gewährleisten. Zweitens. Eine institutionelle Kontrolle des Meeresbodenbergbaus darf nicht zur dirigistischen, bürokratischen oder im Ergebnis monopolistischen Ausrichtung des Meeresbodenregimes führen. Sie darf sich weder zu Lasten der Verbraucherstaaten auswirken noch den Zufluß moderner Technologien in Erzeugerstaaten behindern. Drittens. Insbesondere dürfen Maßnahmen einer Meeresbodenbaubehörde oder anderer Kontrollinstanzen zur Gestaltung von Fördermengen und Preisen nicht zu unzumutbaren Nachteilen für die Verbraucherländer, seien es Entwicklungsländer, seien es Industrieländer, führen. Viertens. Angesichts der langen Vorlaufzeiten für Investitionen in den Meeresbodenbergbau besteht ein allgemeines Interesse an definitiven Entscheidungen, damit eine schnelle Erschließung der maritimen Rohstofflagerstätten möglich wird. Fünftens. Weder der Bundesrepublik Deutschland noch den anderen Teilnehmerstaaten sind Lösungen zuzumuten, bei denen die finanziellen Lasten nicht in einem angemessenen Verhältnis zum volkswirtschaftlichen Nutzen stehen. Diese Prinzipien bestehen unseres Erachtens heute in vollem Umfange fort. Nur ist die Erreichung dieser Ziele nicht näher gekommen, sondern entfernter als 1977. Der Deutsche Bundestag hat auf Initiative der CDU/CSU und auch der SPD und FDP mehrfach das Thema der Seerechtskonferenz diskutiert. Wir haben in den hinter uns liegenden Jahren die Bundesregierung immer wieder aufgefordert, sich die Hinnahme der bisherigen Ergebnisse der Seerechtskonferenz, eine Quasi-Vergewaltigung durch die Konferenzmehrheit nicht bieten zu lassen und diesen Standpunkt bei allen sich bietenden Gelegenheiten, in bilateralen und multilateralen Gesprächen und auf Konferenzen zu vertreten. Uns wurde immer wieder entgegengehalten, daß wir nur ein kleines Teilchen einer großen Konferenz seien, das als geographisch benachteiligtes Land ohne Rückendekkung und Unterstützung vor allen Dingen der USA nichts erreichen könne und daß die Interessen der USA ganz anders gelagert seien als unsere. Auf Grund der Überprüfung des gesamten Konferenzergebnisses durch die Vereinigten Staaten sind wir jetzt in der Lage, gemeinsam mit den USA zu erKittelmann reichen, daß die bisher für uns unannehmbaren negativen Folgen - vor allen Dingen auf dem Gebiet des Tiefseebergbaus und Meeresforschung - positiv verändert werden können. Es ist jetzt möglich, der bisher von der Bundesregierung in den Diskussionen vertretenen pessimistischen Grundeinstellung entgegenzuwirken. Die Bundesregierung muß die Chance nutzen, dies bei neuen Verhandlungsrunden der Seerechtskonferenz voll zu unterstützen. Wir haben in der Vergangenheit immer wieder gefordert, mit geeigneten diplomatischen Mitteln und der notwendigen Zielstrebigkeit dafür einzutreten, daß die Seerechtskonferenz Thema aller Gipfelkonferenzen wird. Wir haben im Juli wieder eine große Gipfelkonferenz. Ich hoffe, daß es möglich ist, auf dieser Konferenz die Nord-Süd-Problematik auch am Beispiel der Seerechtskonferenz zu diskutieren. Im übrigen begrüßen wir es, daß die Seerechtskonferenz im Kommuniqué über die Unterredungen zwischen dem Bundeskanzler und Präsident Reagan ausdrücklich erwähnt ist - ein positives Novum, wenn auch reichlich spät. Die CDU/CSU hat immer wieder davor gewarnt, diese Konferenz in ihren sehr großen Auswirkungen, in ihren Präzedenzwirkungen vor allen Dingen im Hinblick auf die Forderung der Entwicklungsländer nach einer Änderung der Weltwirtschaftsordnung nicht zu unterschätzen. Die Amerikaner haben angekündigt, daß sie auf der Konferenz in Genf nicht in der Lage sein würden, ihre Überprüfung der bisherigen Ergebnisse zu beenden. Sie seien grundsätzlich nicht bereit, in Genf substantiell zu verhandeln. Das wird in Genf dazu führen, daß vor allen Dingen die Entwicklungsländer und die Ostblockstaaten versuchen werden, die amerikanische Haltung hart zu kritisieren. Wir fordern die Bundesregierung ausdrücklich auf, sich auf dieser Konferenz unter keinerlei Zeitdruck setzen zu lassen. Wir sind der Meinung, es kann den Interessen der Bundesrepublik Deutschland nur nutzen, wenn diese Konferenz immer wieder dazu benutzt wird, die bisherigen Ergebnisse zu verbessern. Wir können nichts verlieren, sondern wir können nur gewinnen. Wir können aber nur etwas gewinnen, wenn wir erkennen, daß es jetzt notwendig ist, gemeinsam, in Solidarität mit der amerikanischen Regierung auf der Konferenz aufzutreten. Wir dürfen uns nicht hinter dem Rücken des großen Bruders verstecken und warten, wie es ausgeht, sondern erforderlich ist die sichtbare aktive Unterstützung der amerikanischen Haltung hinsichtlich der Überprüfung auf dieser Konferenz. Es ginge in dieser Kurzdebatte zu weit, wenn ich auf Details einginge. Unser Antrag ist auch bewußt so gefaßt worden, daß auf die Grundsätze des Deutschen Bundestages Bezug genommen wird, die er in der Vergangenheit gefaßt hat. Aber es ist doch deutlich aufzuzeigen, daß die Überprüfung des Konferenzergebnisses auch im wohlverstandenen Interesse der Länder der Dritten Welt sein wird. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben immer mehr bewiesen, daß es nur noch schwer zu verantworten ist, teure Superkonferenzen mit hohem finanziellen Aufwand durchzuführen, die von den Hardlinern der Gruppe 77 der Entwicklungsländer immer häufiger als ideologische Spielwiese benutzt werden, ohne daß dieses Verfahren vor allen Dingen für die ärmsten der armen Länder einen praktischen Nutzen bringt. Die Seerechtskonferenz ist dafür nur eines der warnenden Beispiele. Die Haltung der amerikanischen Regierung beweist, daß es nicht unser gegebenes Schicksal ist, die Durchsetzung unserer Interessen für undurchführbar zu halten. Wir wissen noch nicht, zu welchem Ergebnis die amerikanische Überprüfung führen wird. Wir hoffen aber - und vieles spricht dafür -, daß die Amerikaner vor allem aus ordnungspolitischen Bedenken die Ergebnisse des Teils Tiefseebergbau in wesentlichen Teilen nicht mehr billigen werden. Wir, der Deutsche Bundestag, wollen, daß die deutsche Volkswirtschaft Anteil an den Rohstoffen des Meeres hat. Alle bisherigen Erklärungen der deutschen Wirtschaft und dazu die Erklärung des Deutschen Bundestages zeigen, daß wir uns augenblicklich nicht am Tiefseebergbau beteiligen können. Wir erwarten daher, daß die deutsche Delegation der amerikanischen Delegation bei den kommenden Beratungen behilflich ist, der Mehrheit der Konferenz klarzumachen, wie notwendig und nützlich eine amerikanische Überprüfung für einen positiven Gesamtabschluß der Seerechtskonferenz sein wird. Die CDU/CSU erwartet weiterhin von der Bundesregierung, daß sie ihre Bemühungen verstärkt, ein einheitliches Verhandlungskonzept der Industrieländer für den Fortgang der Konferenz zu erreichen. Das Auftreten einiger EG-Länder mit unterschiedlichsten Schwerpunkten ist zum Teil ein Trauerspiel und kein ermutigendes Beispiel auf dem Weg zu einem vereinigten Europa. Wir erinnern daran, daß der Deutsche Bundestag mehrmals die Forderung aufgestellt hat, auch in dieser Frage die Seerechtskonferenz immer wieder in die EG-Gremien einzubringen, um eine einheitliche Haltung zu erreichen. Die CDU/CSU hat bei der Abfassung des Antrags bewußt auf die gemeinsame außenwirtschaftliche Haltung aller drei Fraktionen Bezug genommen. Deswegen sehen wir im Grundsatz auch kein Problem für eine einmütige Verabschiedung des Antrags. Wir hoffen, daß es in der im August fortgesetzt werdenden Konferenz möglich sein wird, daß die vom Deutschen Bundestag festgesetzten Prinzipien immer wieder in die Verhandlungen eingebracht werden und jede Festschreibung eines negativen Verhandlungsergebnisses mit allen möglichen Mitteln verhindert wird. Die CDU/CSU begrüßt es und fordert ausdrücklich, daß sich die Bundesregierung bemüht, die Hansestadt Hamburg zum Sitz des Seegerichtshofs zu machen. Aber um Mißdeutungen keinen Raum zu geben, stellen wir ausdrücklich fest, daß die etwaige Wahl Hamburgs keine Kompensierung für nicht vertretbare Konferenzergebnisse wäre. ({0})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Das Wort hat der Herr Abgeordneter Grunenberg.

Horst Grunenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000743, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit 1974 hat sich der Deutsche Bundestag viele Male mit dem Thema Seerecht beschäftigt. Von diesem Podium her haben alle Fraktionen - in der Regel weitgehend übereinstimmend - auf die Bedeutung dieser Konferenz für die Fischerei-, Schiffahrts-, Technologie-, Forschungs- und Rohstoffinteressen der Bundesrepublik Deutschland und die Gefahren und Nachteile, die sich für uns aus einer Neukodifizierung des Seevölkerrechts - es handelt sich j a im eigentlichen Sinne um eine Rechtsschöpfungskonferenz - ergeben, hingewiesen. Dies ist mehrfach geschehen, und ich möchte es mir ersparen, auf all das noch einmal hinzuweisen. Wenn alles so gelungen wäre, wie es geplant war, dann hätte hier heute eine andere Rede gehalten werden müssen. Eigentlich hätte hier gesagt werden sollen, daß die Seerechtskonferenz nach neunjähriger Tätigkeit vor der Unterzeichnung der Konvention steht. Die inzwischen allseits bekannte Haltung der Vereinigten Staaten stellt uns vor eine teilweise neue Situation ({0}) - eine teilweise neue Situation, Herr Kollege! -. Für alle überraschend - auch für unsere Delegation - kam am Beginn der New Yorker Session im März 1981 die Ankündigung der USA, sie werde den informellen Konventionstext einer generellen Überprüfung unterziehen. Für mich ist dies nur dadurch erklärbar, daß auch die USA zu der Erkenntnis gekommen sind, daß eine Reihe von Regelungen, insbesondere zum internationalen Meeresbodenregime, nicht in jedem Fall mit den nationalen Interessen der USA übereinstimmen. Lassen Sie mich eines sehr deutlich hervorheben - denn es hat ja gerade im Zusammenhang mit dieser US-Überprüfungsabsicht Kommentare gegeben, als sei in der Konferenz auch ein genereller Kurswechsel vollzogen worden -: Wir kennen das Ergebnis der amerikanischen Überprüfung noch nicht. Wir werden es auch vermutlich erst im Herbst richtig abschätzen können. Nun, was kann daraus für uns gefolgert werden? Wir haben etwas Zeit gewonnen, den Text unsererseits zu überprüfen, unsere Interessen abzuwägen und in engem Kontakt mit den USA und unseren EG-Verbündeten die Möglichkeiten zu erkunden, um zu Textverbesserungen zu kommen. Eines aber sollten wir auf keinen Fall tun, nämlich das Verhalten der USA dahin gehend auszulegen, als sei dies die Gelegenheit, den Konventionstext vollständig umzukrempeln. Ein großer Teil der Regelungen wird bestimmt auch zukünftig nicht in unserem Sinne veränderbar sein, Herr Kollege Kittelmann; ich jedenfalls glaube das nicht. Ich denke dabei zum Beispiel an die Ausdehnung der Territorialgrenzen der Küstenstaaten auf 12 nautische Meilen seewärts - nautische Meilen sind gleich Seemeilen -, die weiteren 188 Seemeilen anschließender Aquatorien unter nationaler Jurisdiktion der Küstenstaaten und - von dieser Linie ausgehend - weitere 150 Seemeilen des Meeresbodens unter ausschließlichem Nutzungsrecht der Küstenstaaten. Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang, Herr Kollege, den Hinweis auf Art. 76 Abs. 6 des bisherigen informellen Verhandlungstextes. Betrachten Sie bitte die Topographie des Meeresbodens zwischen der US-Westküste, den Kurilen und der Hawaii-Inselgruppe und diskutieren Sie einmal geologische und juristische Konstruktionen! Diskutieren Sie einmal! Der vorliegende Antrag der CDU/CSU entspricht im wesentlichen den Forderungen, die vom Deutschen Bundestag immer wieder erhoben worden sind. Im Interesse der Erhaltung einer weitgehenden Gemeinsamkeit halte ich es im Namen der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion für erforderlich, ihn im Auswärtigen Ausschuß, im Wirtschaftsausschuß, im Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und natürlich auch im Haushaltsausschuß sowie, wenn es irgend möglich ist, mitberatend auch im Ausschuß für Forschung und Technologie gründlich zu beraten und die Ergebnisse der Genfer Session im August sowie die Erkenntnisse über die amerikanische Haltung in diese Beratungen einzubeziehen. Der Deutsche Bundestag wird dann Gelegenheit haben, noch einmal klar und umfassend zu einer Seerechtskonvention Stellung zu nehmen. Daß die Bundesregierung mit der neuen US-Regierung enge Kontakte in Sachen 3. UN-Seerechtskonferenz aufgenommen hat, beweist die gemeinsame Erklärung - Sie haben schon darauf hingewiesen - von Bundeskanzler Helmut Schmidt und Präsident Reagan vom 22. Mai 1981 anläßlich des offiziellen Besuchs des Kanzlers in den USA. Der gegenwärtige Stand der 3. UN-Seerechtskonferenz und die weitere Verhandlungslinie werden sicherlich auch ein Thema der anstehenden Ottawa-Konferenz im Juli sein. Wenn ich hinsichtlich der zweiten Halbzeit der zehnten Verhandlungsrunde ab 3. August dieses Jahres in Genf eine Prognose abgeben müßte, so würde ich auf eine sehr politische Auseinandersetzung unter den 4 500 Delegierten tippen. - Ich bedanke mich fürs Zuhören. ({1})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Funke.

Rainer Funke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000624, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir hätten es sehr begrüßt, wenn diese Fragen der internationalen Seerechtskonferenz hier vor einem besser besetzten Plenum intensiv verhandelt worden wären. ({0}) Denn, meine Damen und Herren, das ist eine ganz, ganz wichtige Frage auch für die Bundesrepublik Deutschland. Ich glaube, daß die Art, wie die CDU/ CSU-Fraktion diesen Antrag behandelt hat, der SaFunke che nicht gerecht wird. Wir werden mit Schnellschüssen, wie Sie es hier getan haben ({1}) - wir haben nichts verhindert -, Herr Kittelmann, werden wir hier nicht weiterkommen. Wir werden diesen Antrag, den Sie vorgelegt haben, der in den Ausschußberatungen sicherlich noch angereichert werden muß - darüber sind Sie sich sicher auch selbst im klaren -, im Ausschuß intensiv beraten. Ich glaube auch, daß wir im Ausschuß genauso zu einem entsprechenden Konsens kommen, wie wir die Beratungen in den ganzen Jahren vorher gemeinsam abgeschlossen haben. Für die Bundesrepublik Deutschland werden die internationalen Seerechtsfragen zunehmende Bedeutung erlangen. Dies liegt nicht nur an unserer geographischen Lage mit einer kleinen Küste, sondern auch daran, daß wir als einer der wichtigsten Weltexporteure an einem freizügigen Weltverkehrssystem interessiert sein müssen, daß unsere Wirtschaft und unser Wohlstand vom ungestörten Zufluß von Energie und anderen Rohstoffen aus dem Ausland abhängig sind. Die Bundesrepublik Deutschland ist mit ihrem führenden Know-how auf dem Gebiet der Meerestechnik daran interessiert, dieses Know-how auch in Zukunft nutzen zu können, und dies scheint mir bei den bisherigen Verhandlungsergebnissen noch nicht hinreichend berücksichtigt zu sein. ({2}) Die Seerechtskonferenz ist inzwischen weit über das hinausgewachsen, was man gemeinhin unter Seerecht zu verstehen hat, Seerecht, wie wir es einmal im fünften Buch des HGB gelernt haben. Insbesondere von den Entwicklungsländern wird angestrebt, die zukünftige Konvention zu einer Weltwirtschaftskonferenz umzufunktionieren und damit die ersten Schritte zu einer Weltwirtschaftsordnung zu tun. Diese neue Weltwirtschaftsordnung sollte sinnvollerweise dazu beitragen, daß die Entwicklungsländer stärker als bisher vom Weltwirtschaftsverkehr profitieren. Diese an sich sinnvolle Beteiligung der Entwicklungsländer an der Weltwirtschaftsordnung ist jedoch auf Grund der bisherigen Ergebnisse der Seerechtskonferenz geradezu ins Gegenteil verkehrt worden. Nunmehr versuchen nämlich gerade die Länder, die über Rohstoffe verfügen - dies sind zum großen Teil wiederum Entwicklungsländer -, diese mit einem hohen Schutzwall des Protektionismus zu umgeben, indem der Tiefseebergbau zum Schutz der Festlandsproduzenten beschränkt werden soll. Die zunehmende Tendenz, daß diejenigen Länder, die bereits über Festlandsockel verfügen, zusätzliche Wirtschaftszonen und damit zusätzliche Reichtümer erhalten und diejenigen, die bereits Rohstoffe haben, geschützt werden, macht wieder einmal deutlich, daß die gute Idee der Erhaltung des gemeinsamen Erbes der Menschheit ins Gegenteil verkehrt wird. Man kann fast sagen: Wenn dies hier so durchgeführt wird, werden in Zukunft die Reichen reicher und die Armen ärmer. Wir verstehen die Forderung der Entwicklungsländer nach mehr als formaler Chancengleichheit. Wir glauben auch, daß die Entwicklungsländer im Tiefseebergbau mitwirken und finanziell begünstigt werden sollen. Wir glauben aber nicht, daß wir in diesem Zusammenhang auf Markt, Wettbewerb und wirtschaftliche Effizienz verzichten sollten. Wir befürchten, daß die Bürokratie der Meeresbodenbehörde und die neuen Formen des Protektionismus und des Dirigismus den Tiefseebergbau nicht ermutigen, sondern lähmen und insbesondere das internationale Meeresbodenunternehmen Enterprise unserem Haushalt erhebliche Bürden auferlegen wird. Die letzte Sitzungsperiode der Internationalen Seerechtskonferenz in New York hat, wie dies die Kollegen Kittelmann und Grunenberg schon ausgeführt haben, zu einem gewissen Stillstand der Verhandlungen geführt. Die Bundesregierung und, wie ich meine, auch der Bundestag, sollten diese Phase des Nachdenkens gemeinsam mit unseren amerikanischen Verbündeten dazu nutzen, die bislang noch nicht befriedigend geklärten Fragen des Tiefseebergbaus zu einem akzeptablen Ergebnis zu führen. Dabei ist von unserer Seite darauf zu achten, daß der Protektionismus nicht noch durch einen Superbürokratismus ergänzt wird. Wir sollten, wenn wir hier Kritik üben, auf der anderen Seite auch sagen, daß bislang eine Reihe von zufriedenstellenden Ergebnissen erzielt worden sind, beispielsweise auf dem Gebiet des Umweltschutzes. Das universale Streitschlichtungssystem ist akzeptabel, auch das Recht der Durchfahrten durch Meerengen. Meine Damen und Herren, in der nächsten Runde in Genf wird auch darüber gesprochen werden müssen, wo der Sitz der Meeresbodenbehörde und der Sitz des Internationalen Seegerichtshofs sein werden. Bekanntlich hat sich Hamburg um den Sitz des Seegerichtshofs beworben. Wie kaum eine andere Stadt in der ganzen Welt ist Hamburg wegen seiner traditionellen internationalen Verbindungen als Sitz für diesen Internationalen Seegerichtshof geeignet. Man könnte fast sagen: Hamburg ist dafür prädestiniert. Hamburg bietet - und dies auch wie kaum eine andere Stadt - eine hervorragende Infrastruktur, die nun einmal für den Sitz einer solchen internationalen Behörde notwendig ist. Wir bitten die Bundesregierung und auch den Bundestag, sich intensiv dafür einzusetzen, daß Hamburg Sitz des Internationalen Seegerichtshofs wird. Ich meine, daß die Bundesregierung auf jeden Fall noch mehr als bisher tun muß, daß sie noch mehr mit den Entwicklungsländern, die die entscheidenden Stimmen geben können, sprechen, verhandeln muß, damit Hamburg Sitz des Seegerichtshofs wird. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. ({3})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Abgeordneten Vizepräsident Leber Kittelmann, Dr. Abelein, Dr. Waigel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 9/581 zu überweisen zur federführenden Beratung an den Auswärtigen Ausschuß, zur Mitberatung an den Ausschuß für Wirtschaft, den Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit, den Haushaltsausschuß. Ist das Haus mit den vorgeschlagenen Überweisungen einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen. Ich rufe nun den Zusatzpunkt 2 zur Tagesordnung auf: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({0}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ursprungskennzeichnung bei bestimmten Textil- und Bekleidungswaren - Drucksachen 9/276, 9/599 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Schwörer Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? ({1}) - Ich erteile es ihm.

Dr. Hermann Schwörer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002136, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Wirtschaftsausschuß hat die vorliegende europäische Richtlinie am 16. Juni beraten und einstimmig eine Beschlußempfehlung gegeben. Ich fühle mich zu einer Ergänzung des Berichts verpflichtet, weil mein Schriftlicher Bericht das grundsätzliche Thema der Handelshemmnisse innerhalb der EG nicht mit der nötigen Deutlichkeit behandelt, so, wie es im Ausschuß geschehen ist. ({0}) Die Richtlinie ist sehr bedeutungsvoll für die Textil- und Bekleidungsindustrie der Bundesrepublik Deutschland. Sie hat aber auch grundsätzliche Bedeutung für andere Bereiche, eigentlich für die ganze künftige europäische Entwicklung. Der Vorgang: Zum Schutz der eigenen Textilindustrie hat Frankreich am 1. Oktober 1980 eine Ursprungskennzeichnungspflicht für alle textilen Fertigwaren eingeführt. Das Ziel ist: Der Verbraucher soll dazu gebracht werden, nur in Frankreich hergestellte Waren zu kaufen. Eine solche Aktion bleibt nicht ohne Folgen, auch wenn sie nur teilweise angewandt wird. Sie hängt seit diesem Datum als Damoklesschwert über jeder Einfuhr. Und, meine Damen und Herren, was besonders schlimm ist: andere zogen nach, und niemand weiß, wo eine solche Bewegung endet. Großbritannien hat eine Ursprungskennzeichnung für den 1. Januar 1982 nicht nur für Textilien, sondern auch für Schuhe, elektrische Haushaltsgeräte und Schneidwaren vorgeschrieben. ({1}) Italien und Dänemark haben ähnliche Regelungen angekündigt. Die Kommission hatte zunächst gegen Frankreich ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, weil sie die Ursprungskennzeichnungspflicht als eine nach Art. 30 EG-Vertrag verbotene Maßnahme ansah. Später hat die Kommission offensichtlich den Mut verloren und keine Klage gegen Frankreich vor dem Europäischen Gerichtshof erhoben. Sie hat im Gegenteil eine Richtlinie ausgearbeitet, um, wennschon Ursprungskennzeichnung, wenigstens eine einheitliche Kennzeichnung zu haben. Danach soll jetzt jedem Mitgliedstaat die Einführung der Kennzeichnungspflicht gestattet werden. also eine Kehrtwendung der Kommission. Als Argument wird nun plötzlich der Verbraucherschutz ins Feld geführt. Der Wirtschaftsausschuß lehnt einstimmig die Einführung dieser Kennzeichnungspflicht sowohl für in der EG als auch außerhalb der EG hergestellte Waren ab. Er betrachtet das Verbraucherschutzargument als nicht stichhaltig. Bei den heutigen Produktionsmethoden sind Qualitäten nicht mehr von Ländern abhängig. Es werden durch Kennzeichnung nur Emotionen geweckt, die sich auf internationale Beziehung verheerend auswirken können. ({2}) Die weiteren Gründe für die Ablehnung der Kennzeichnungspflicht, die im Wirtschaftsausschuß erörtert wurden, waren: 1. Die Textilfirmen dürfen nicht daran gehindert werden, je nach Kosten- und Auslastungssituation im Inland oder im Ausland zu produzieren. Darin liegt auch ein Element der Entwicklungshilfe, die langfristig dazu führen soll, die Entwicklungsländer auf eigene Beine zu stellen. 2. Die Kennzeichnungspflicht in den einzelnen Ländern ergibt eine große organisatorische Schwierigkeit, vor allem bei den mittelständischen Betrieben. Wie will ein Betrieb ständig wechseln, je nach Land, mit oder ohne Kennzeichnungspflicht? Wie können schnelle Aufträge ausgeführt werden, wenn noch schnell vorher Lagerbestände gekennzeichnet werden müssen? 3. Die Kosten werden unnötigerweise erhöht. 4. Der Ursprungsnachweis führt zu großen Verzögerungsmöglichkeiten an den Grenzen - von kleinen Schikanen bis zu längeren Wartezeiten -, zu Vertragsstrafen oder Verlusten von Kunden. 5. Besonders gefährlich sind die Gegenmaßnahmen. Wie wollen wir Handelserschwernisse von Staats außerhalb der EG beseitigen, wenn sie auf Grund dieser unnötigen Kennzeichnungspflicht erlassen werden! Bei diesen Außer-EG-Staaten haben wir keine Möglichkeit, vor den Europäischen Gerichtshof zu gehen. Wir sollten deshalb alles tun, um den Eindruck zu verwischen, der in den letzten Tagen in vielen PresDr. Schwörer seartikeln angeklungen ist, daß der Protektionismus in Europa im Vormarsch sei. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten muß sich die Gemeinschaft bewähren. Es dürfen keinesfalls an die Stelle der abgeschafften Zollgrenzen die Handelshemmnisse treten. Denn sie widersprechen dem Geist und dem Wortlaut der europäischen Verträge ebenso wie dem Willen des größten Teils der europäischen Bevölkerung. Wir sind unseren Kollegen im Europäischen Parlament dankbar, daß sie den Vorschlag der Kommission ebenso wie wir abgelehnt haben, und zwar mit den gleichen Argumenten wie wir. Deshalb darf ich zum Schluß nochmals die Forderungen wiederholen, die der Wirtschaftsausschuß einstimmig gefaßt hat: 1. Die Bundesregierung soll alles tun, um den Kommissionsvorschlag nicht zur Richtlinie werden zu lassen. 2. Sie soll dafür sorgen, daß eine Klage der Kommission wegen Verletzung des Art. 30 des EG-Vertrages erhoben wird, wenn Ursprungskennzeichnungen verlangt werden. 3. Sie soll auch selbst in bilateralen Verhandlungen dafür eintreten, daß Partnerstaaten von der Ursprungskennzeichnungspflicht Abstand nehmen. Ich bitte Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Beschlußempfehlung des Wirtschaftsausschusses zuzustimmen. - Danke schön. ({3})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. - Das Wort wird anderweitig nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. - Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft auf der Drucksache 9/599, Nr. 1 bis 3, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Es ist entsprechend beschlossen. Ich rufe Zusatzpunkt 3 zur Tagesordnung auf: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({0}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Verordnung ({1}) des Rates zur Einrichtung eines wirtschaftlichen passiven Veredelungsverkehrs für bestimmte Bekleidungs- und Spinnstoffwaren, die nach Be- oder Verarbeitung in Drittländern wiedereingeführt werden - Drucksachen 9/392, 9/600 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Schwörer Herr Berichterstatter, wünschen Sie das Wort? - Sie wünschen nicht das Wort. Das Wort wird auch anderweitig nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft auf Drucksache 9/600 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Es ist entsprechend beschlossen. Ich rufe die Zusatzpunkte 4 bis 6 zur Tagesordnung auf: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({2}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Verordnung ({3}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({4}) Nr. 2967/76 zur Festlegung gemeinsamer Normen für den Wassergehalt von gefrorenen und tiefgefrorenen Hähnen, Hühnern und Hähnchen - Drucksachen 9/323 Nr. 8, 9/591 - Berichterstatter: Abgeordneter Sander Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses ({5}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Richtlinie des Rates über Einzelheiten der Überwachung und der Kontrolle der durch die Ableitungen aus der Titandioxid-Produktion betroffenen Umweltmedien - Drucksachen 9/331, 9/595 Berichterstatter: Abgeordneter Volmer Jansen Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr ({6}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat über die Eisenbahnpolitik der Gemeinschaft: Rückblick und Ausblick auf die 80er Jahre - Drucksachen 9/127 Nr. 20, 9/605 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Jobst Das Wort dazu wird nicht gewünscht. Ich lasse über die Vorlagen gemeinsam abstimmen. Wer den Beschlußempfehlungen der Ausschüsse auf den Drucksachen 9/591, 9/595 und 9/605 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthält sich jemand der Stimme? - Das ist nicht der Fall. Die Beschlußempfehlungen sind angenommen. Ich rufe Zusatzpunkt 7 der Tagesordnung auf: Beratung der Übersicht 4 des Rechtsausschusses ({7}) über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht - Drucksache 9/583 Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Der Rechtsausschuß empfiehlt auf Drucksache 9/583, von einer ÄuBerung oder einem Verfahrensbeitritt zu den in der vorgenannten Drucksache aufgeführten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht abzusehen. Ist das Haus mit diesem Voragehen einverstanden? Vizepräsident Leber - Ich sehe, es erfolgt kein Widerspruch. Dann ist entsprechend beschlossen. Ich rufe den Zusatzpunkt 8 der Tagesordnung auf: Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses ({8}) zum Antrag des Bundesministers der Finanzen Bundeseigene Höfe in Breddewarden bei Wilhelmshaven; Veräußerung an die Stadt Wilhelmshaven - Drucksachen 9/386, 9/590 Berichterstatter: Abgeordnete Löffler Carstens ({9}) Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses auf Drucksache 9/590 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Stimmt jemand dagegen? - Enthält sich jemand der Stimme? - Das ist nicht der Fall. Die Empfehlung des Ausschusses ist angenommen. Ich rufe Zusatzpunkt 9 der Tagesordnung auf: Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses ({10}) zum Antrag des Bundesministers der Finanzen Bundeseigene Grundstücke in Pullach Nrn. 446/5 und 140/5 der Gemarkung Pullach; Veräußerung an die Gemeinde Pullach - Drucksachen 9/357, 9/592 Berichterstatter: Abgeordnete Löffler Carstens ({11}) Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses auf Drucksache 9/592 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Es ist entsprechend der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses beschlossen. Ich rufe den Zusatzpunkt 10 der Tagesordnung auf: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({12}) zu der Aufhebbaren Achtundsiebzigsten Verordnung der Bundesregierung zur Änderung der Einfuhrliste - Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz -- Drucksachen 9/303, 9/586 Berichterstatter: Abgeordneter Reuschenbach Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft auf Drucksache 9/586 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Stimmt jemand dagegen? - Enthält sich jemand der Stimme? - Niemand. Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist angenommen. Ich rufe Zusatzfrage 11 der Tagesordnung auf: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({13}) zu der zustimmungsbedürftigen Verordnung der Bundesregierung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs ({14}) - Drucksachen 9/574, 9/611 - Berichterstatter: Abgeordneter Echternach Der Abgeordnete wünscht nicht das Wort zur Berichterstattung. Das Wort wird auch anderweitig nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 9/611, der Verordnung auf Drucksache 9/574 zuzustimmen. Ist das Haus damit einverstanden? - Es erhebt sich kein Widerspruch. Es ist entsprechend beschlossen. Ich rufe Zusatzpunkt 12 der Tagesordnung auf: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr ({15}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Europäische Flugsicherung - Drucksachen 9/40, 9/606 Berichterstatter: Abgeordneter Ibrügger Das Wort zur Berichterstattung wird nicht gewünscht. Das Wort wird auch anderweitig nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuß für Verkehr empfiehlt auf Drucksache 9/606, den Bericht auf Drucksache 9/40 zur Kenntnis zu nehmen. Ich stelle fest: Es erhebt sich kein Widerspruch. Damit hat das Haus den Bericht zur Kenntnis genommen. Ich rufe den Zusatzpunkt 13 auf: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr ({16}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über die Förderung des Einsatzes von Elektrofahrzeugen - Drucksachen 9/165, 9/616 - Berichterstatter: Abgeordneter Pfeffermann Der Berichterstatter wünscht nicht das Wort. Es wird auch anderweitig nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Verkehr in Drucksache 9/616 unter den Nummer 1 und 2 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthält sich jemand der Stimme? - Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist angenommen. Vizepräsident Leber Ich rufe den Zusatzpunkt 14 auf: Beratung der Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses ({17}) zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament Entschließung zur Verfolgung der Angehörigen der Baha'i-Religionsgemeinschaft in Iran - Drucksachen 8/4504, 9/614 Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Schuchardt Das Wort zur Berichterstattung wird nicht gewünscht, auch anderweitig nicht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Ausschußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Drucksache 9/614 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Beschlußempfehlung des Ausschusses ist zugestimmt worden. Ich rufe den Zusatzpunkt 15 auf: Beratung der Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses ({18}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Dritter Bericht des Auswärtigen Amtes über den Stand der Reform des Auswärtigen Dienstes - Drucksachen 8/4513, 9/615 Berichterstatter: Abgeordneter Picard Der Herr Berichterstatter wünscht nicht das Wort. Es wird auch anderweitig nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Drucksache 9/615 unter den Nummer 1 und 2 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Es ist entsprechend der Empfehlung des Ausschusses so beschlossen. Meine Damen und Herren, damit sind wir am Schluß der heutigen Tagesordnung angelangt. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, den 26. Juni 1981, 9 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.