Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, nach einer Vereinbarung im Ältestenrat soll die heutige Tagesordnung um die Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen: Bundeseigenes Grundstück in BerlinKladow, Neukladower Allee 12, Verkauf an die Arbeiterwohlfahrt der Stadt Berlin e. V., Drucksache 9/225, ergänzt werden. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Montan-Mitbestimmungsgesetzes und des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes
- Drucksache 9/235 Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung ({0}) Rechtsausschuß
Ausschuß für Wirtschaft
b) Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/ CSU
Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Montan-Mitbestimmungsgesetzes und des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes
- Drucksache 9/241 Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung ({1}) Rechtsausschuß
Ausschuß für Wirtschaft
Wünscht die Regierung zur Einbringung das Wort? - Das Wort hat der Herr Bundesminister Dr. Ehrenberg.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Ziel des Ihnen heute in erster Lesung vorliegenden Gesetzentwurfes ist es, den Bestand der Montan-Mitbestimmung, die in ihrer mehr als drei Jahrzehnte langen Entwicklung immer von Aushöhlung und Auszehrung bedroht war, durch Änderungen des Montan-Mitbestimmungsgesetzes und des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes zu sichern.
({0})
- Zu sichern! Lesen Sie genau nach; dann wissen Sie, daß er gesichert wird.
Sie sollten auch wissen - ich hoffe, wenigstens darüber sind wir uns einig -, daß es hier um einen Eckpfeiler unserer demokratischen Ordnung geht, um die Aufrechterhaltung der Mitbestimmung der Arbeitnehmer und ihrer Gewerkschaften, die ja wohl unbestreitbar in der Montanindustrie ihre erste und gewichtigste Ausprägung gefunden hat.
({1})
Es ist ja wohl auch kein Zufall, daß die Einführung der Mitbestimmung in der Montanindustrie mit der demokratischen Neuordnung unseres Gemeinwesens nach dem Krieg Hand in Hand ging. Die demokratische Verfassung unseres Staates mußte damals durch Demokratie in der Wirtschaft ergänzt und gefestigt werden.
({2})
Erst die Sicherung von Mitwirkungsrechten und die Einschränkung von demokratisch nicht legitimierbaren Verfügungsrechten über Menschen durch Mitbestimmung haben die politische Demokratie zu einer demokratischen Gesellschaftsordnung erweitert.
({3})
Das ist - neben vielen anderen - einer der Gründe, warum es eigentlich hier im Hause und anderswo in der Bundesrepublik Diskussionen über die Notwendigkeit von Mitbestimmung gar nicht geben dürfte, und dies nicht nur deswegen, weil die Arbeitnehmer in Großunternehmen in besonderem Maße der Gefahr unterliegen, zum Objekt von anonymen Entscheidungsprozessen zu werden, sondern auch deshalb, weil Großunternehmen so vielfältige Auswirkungen auf das soziale und gesellschaftliche Umfeld jedes einzelnen Bürgers haben, daß es sich verbietet, diese Unternehmen allein von ihrer ökonomischen Aufgabe her zu begreifen.
Mitbestimmung der Arbeitnehmer ist ein Gebot der Menschenwürde, deren Schutz das Grundgesetz
der staatlichen Gewalt als vornehmste Aufgabe gestellt hat.
({4})
Mitbestimmung ist deshalb auch sehr viel mehr als ein Organisationsgrundsatz für Betriebe und Unternehmen. Sie ist die Konsequenz der Mitverantwortung, die die deutschen Arbeitnehmer und ihre Gewerkschaften in Wirtschaft und Gesellschaft übernommen haben und die weit über den gesetzlichen Anwendungsbereich hinaus die gesamten Beziehungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern geprägt hat.
Meine Damen und Herren, als es nach 1945 darum ging, beim Neuaufbau unseres Staates und unserer Wirtschaft anzupacken und auch Verantwortung zu übernehmen, waren die deutschen Arbeitnehmer und ihre Gewerkschaften die ersten, die die Ärmel aufgerollt und diese Wirtschaft wieder aufgebaut haben, als andere von diesem Willen noch weit entfernt waren.
({5})
Betriebsräte und Gewerkschafter haben dort, wo es nötig war, auch selbständig, ohne den nicht vorhandenen Unternehmer, Betriebe wieder in Gang gesetzt. Sie haben für ihre Betriebe gekämpft, sich der Demontage entgegengestellt. Sie haben das auch dann getan, wenn sie sich dafür von der Besatzungsmacht einsperren lassen mußten.
Die deutschen Gewerkschaften haben sich damals für Mitbestimmung und Mitverantwortung und gegen Klassenkampf entschieden. Diese Entscheidung hat den Grundkonsens für unsere gesellschaftliche Ordnung mitgeprägt und stabilisiert. Sie war die Voraussetzung dafür, daß die Arbeitnehmer die bestehende Wirtschaftsordnung in unserem Staat im Grundsatz bejahen können. Und sie bejahen sie, weil durch Mitbestimmung der Grundgedanke jeder funktionsfähigen Demokratie - Ausgleich und Zusammenarbeit - auch in der Wirtschaft verwirklicht wird, weil Mitbestimmung die gemeinsame Wahrnehmung identischer und den rationalen Ausgleich unterschiedlicher Interessen ermöglicht. Erst die Stabilität dieses Grundkonsenses, der auf der Fähigkeit und dem ständigen Willen zum Kompromiß aufgebaut ist, hat den schnellen Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft nach dem Kriege ermöglicht, und er hat die Voraussetzungen dafür geschaffen, später tiefgreifende wirtschaftliche Strukturkrisen zu meistern. Ohne Mitbestimmung beispielsweise wären der Strukturwandel im Bergbau in den 60er Jahren und in dessen Folge Betriebsstillegungen, Produktionsänderungen und Rationalisierungen nur mit weitaus härteren Folgen für die Arbeitnehmer erfolgt.
Für das, was den Arbeitnehmern und auch den Unternehmern widerfahren würde, wenn wir das alles ohne Mitbestimmung, sozusagen nach dem Herrim-Hause-Standpunkt durchführen müßten, gibt es leider in anderen Industriestaaten viele harte, schreckliche Beispiele.
({6})
Kein objektiver Beobachter zweifelt deshalb daran, daß die Bewältigung der zukünftigen wirtschaftlichen Aufgaben, vor allem in der krisengeschüttelten Stahlindustrie, die produktive Funktion der Mitbestimmung erneut beweisen wird; denn Mitbestimmung und Mitverantwortung helfen, Ängste vor der Zukunft abzubauen, und vergrößern die Chance, Strukturwandel auch als positive Gestaltungsaufgabe zu begreifen.
Natürlich macht Mitbestimmung nicht unmittelbar die Unternehmer klüger, die Ingenieure erfindungsreicher und die Erwerbstätigen produktiver. Aber die Mitbestimmung begünstigt Entscheidungsstrukturen und Verhaltensweisen, welche Klugheit, Fleiß und Erfindungsreichtum leichter als sonst zum wirtschaftlichen Erfolg kommen lassen. Mitbestimmung darf deshalb auch nicht zum Problemlöser in Krisenzeiten degradiert werden, sondern sie bewährt sich ständig im normalen Wirtschaftsalltag. Mitbestimmung ist der Weg, auf dem die Interessengegensätze zwischen Arbeit und Kapital, die naturgemäß in jedem Unternehmen bestehen, vernünftig und zum größtmöglichen Vorteil beider Seiten ausgeglichen werden können. Sie garantiert die angemessene Berücksichtigung der Arbeitnehmerinteressen und steigert über die Arbeitszufriedenheit und Leistungsbereitschaft der Arbeitnehmer auch Produktivität und Leistungskraft. Auch ökonomisch stellt die Mitbestimmung deshalb einen unverzichtbaren Bestandteil unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung dar. Kluge und langfristig denkende Unternehmer sollten deshalb für Mitbestimmung sein und sich nicht Mühe geben, sie auszuhöhlen.
({7})
Bei der Arbeit an diesem Gesetzentwurf hat für die Bundesregierung nicht nur die überragende gesellschaftspolitische und demokratische Bedeutung der Montan-Mitbestimmung, die ich gerade skizziert habe, eine Rolle gespielt. Wir standen bei dieser Arbeit leider auch unter dem Eindruck eines über die Jahrzehnte fortschreitenden Prozesses der Abschmelzung der Montan-Mitbestimmung. Immer wieder neu mußten sich die Arbeitnehmer ihr Recht auf Mitbestimmung erkämpfen.
Da im Vorfeld dieses Gesetzentwurfs so vieles - und wenig Richtiges - über die Entstehungsgeschichte der Mitbestimmung geschrieben und geredet worden ist, lohnt sich, meine Damen und Herren, ein Blick auf die historischen Fakten. Viele haben heute schon vergessen, daß auch das MontanMitbestimmungsgesetz von 1951 ganz wesentlich ein Mitbestimmungssicherungsgesetz war. Denn mit diesem Gesetz wurde, wie heute so oft behauptet wird, die Mitbestimmung ja keineswegs begründet. Es gab sie in der Eisen- und Stahlindustrie der Britischen Besatzungszone schon seit 1947. Unternehmer und Gewerkschaften hatten sich - unter Zustimmung der Besatzungsmacht - auf die Einführung der paritätischen Mitbestimmung in diesem WirtBundesminister Dr. Ehrenberg
schaftszweig geeinigt. Zu dieser Mitbestimmung haben führende Unternehmer damals sehr Bemerkenswertes gesagt, was heute als Pflichtlektüre für Management-Seminare und auch für politische Neulinge empfohlen werden sollte. Ich darf einiges davon mit Erlaubnis der Frau Präsidentin hier zitieren. Es sagte damals der Mehrheitsaktionär der Klöckner-Werke AG, Herr Dr. Henle:
Wir sind überzeugt, daß neue Wege gegangen werden müssen und daß zur Schaffung einer gesunden sozialen Struktur im deutschen Wirtschaftsleben die Arbeitnehmer gleichwertig mit den Unternehmern an der Leitung der Unternehmen beteiligt werden müssen. Wir hoffen, daß jetzt in dem neuen Unternehmen die Möglichkeit gegeben wird, Erfahrungen zu sammeln, unter Wahrung der Parität den Weg zu einer wirklichen Wirtschaftsdemokratie noch zu finden.
({8})
So 1947 Dr. Henle, Mehrheitsaktionär der KlöcknerWerke.
Daß er ohne Zweifel recht hatte, ist heute unter Einsichtigen unbestritten. Aber schon damals war das neue Montan-Mitbestimmungsgesetz in seinem Bestand bedroht. Denn als die noch aus der Kontrollrats-Gesetzgebung stammende Mitbestimmung in die deutsche Rechtsordnung übernommen werden sollte, gab es dort kein Vorbild für die MontanMitbestimmung. Wenn es 1950 nach dem Willen der CDU/CSU gegangen wäre - es lohnt sich vielleicht für den Fraktionsvorsitzenden der CDU, dies anzuhören; nur dies, ich bitte darum -,
({9})
dann hätte es die Montan-Mitbestimmung nie gegeben.
({10})
Wenn heute Herr Biedenkopf, Herr Blüm und viele andere das Gegenteil behaupten, dann darf ich Sie bitten, einmal die Protokolle des Parlaments zu studieren; lesen Sie sie nach. 1950 hat die CDU/CSU-Fraktion einen Gesetzentwurf zur Mitbestimmung, zur Ablösung der Kontrollrats-Gesetzgebung eingebracht,
({11})
in dem die Arbeitnehmer ein Drittel der Aufsichtsratsmandate und nicht mehr zugestanden bekamen.
({12})
Nicht nur die CDU/CSU-Fraktion, sondern auch die unionsgeführte Bundesregierung hat 1950 einen gleichen Gesetzentwurf vorgelegt. Erst der entschiedene Widerstand der Gewerkschaften und der Sozialdemokraten hat dann zu der 51er Mitbestimmungsgesetzgebung geführt.
({13})
Dieses Stückchen Nachhilfeunterricht über die historische Entwicklung, meine Damen und Herren von der Opposition, muß Ihnen hier erteilt werden, da Sie - entgegen den historischen Fakten - Wochen- und monatelang etwas anderes verbreiten.
({14})
Wer hier von Mehrheit spricht, dem empfehle ich - vor allem den jüngeren Abgeordneten - sehr, die Protokolle des Jahres 1951 nachzulesen, auch das, was dort über die Wiederholung der Abstimmung zu lesen ist. Ich empfehle Ihnen diese Lektüre.
({15})
- Schauen Sie erst in die Protokolle hinein, und dann melden Sie sich wieder mit Zwischenrufen.
({16})
- Ich habe nur ein Weilchen aufgehört, zu reden, damit Sie alle verstehen können, was Sie untereinander sagen. Vielleicht darf ich jetzt weiterreden.
({17})
Die Mitbestimmung war ständig durch organisatorische Veränderungen von Auszehrung bedroht. Von den ursprünglich hundert montanmitbestimmten Unternehmen gibt es heute noch 34. Das meiste an dieser Entwicklung ist durch Konzernzusammenschlüsse und organisatorische Veränderungen hervorgerufen. Es gab schon 1956 das Mitbestimmungsergänzungsgesetz mit einer paritätischen, aber schon etwas abgeschwächten Mitbestimmungsregelung. Es gab 1967 die sogenannte Lex Rheinstahl und 1971 das Mitbestimmungsfortgeltungsgesetz, das bis 1975 befristet war. Außer diesen Mitbestimmungssicherungsgesetzen, meine Kollegen und Kolleginnen von der CDU/CSU, hat es von 1949 bis 1969, also zwanzig Jahre lang, ausschließlich Stillstand in der Mitbestimmung gegeben, solange Sie regiert haben, und sonst nichts.
({18})
Erst die sozialliberale Koalition hatte den Willen und die Kraft,
({19})
1972 das Betriebsverfassungsgesetz hier zu verabschieden. Ich empfehle Ihnen, Herr Abgeordneter Kohl, nachzulesen,
({20})
wie wenige von Ihrer Partei den Mut hatten, diesem Gesetz hier 1972 zuzustimmen.
({21})
Eine sehr interessante Lektüre ist das Protokoll der namentlichen Abstimmung, das dieses kleine verlorene Häuflein der Sozialausschüsse 1972 in aller Deutlichkeit zeigt.
Und auch das muß in dieser Stunde hier gesagt werden: Nachdem Sie 1976 dem Mitbestimmungsgesetz mehrheitlich zugestimmt hatten, hat 1978 Ihre Fraktion in diesem Haus nein gesagt, als es darum ging, das Mitbestimmungsgesetz von 1976 vor dem Bundesverfassungsgericht zu verteidigen.
({22})
All das gehört in das Umfeld der heutigen Diskussion. Wenn Sie über Mitbestimmung reden, dürfen Sie diese Fakten nicht verschweigen. Da Sie es tun, muß ein anderer es Ihnen sagen.
({23})
Was die Opposition Verteidigung der Mitbestimmung nennt, ist nicht mehr als ein Hin und Her in der eigenen Partei. Für die Bundesregierung geht es darum, in einer allgemeinen, für alle Montanunternehmen geltenden Regelung das Mitbestimmungsgesetz zu sichern. Für dieses Ziel hat die sozialliberale Koalition von, wie jeder weiß, unterschiedlichen Ausgangspositionen her - natürlich nicht sehr einfach, sondern mit einer Reihe von langwierigen Gesprächen verbunden - einen tragfähigen Kompromiß in diesem Regierungsentwurf gefunden, so wie wir beim Betriebsverfassungsgesetz 1972 und beim Mitbestimmungsgesetz 1976 einen tragfähigen Kompromiß als Ausdruck des Gestaltungswillens dieser Koalition gefunden haben.
({24})
- Verehrter Herr Abgeordneter Kohl,
({25})
Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU - ({26})
- Ich darf ja wohl noch auf einen Zwischenruf des Vorsitzenden der Oppositionsfraktion antworten.
({27})
Ich muß annehmen, verehrter Herr Abgeordneter Kohl, daß Sie bei dem, was Sie mir eben zu diesem Thema zugerufen haben, an das Interview des Abgeordneten Bismarck und an die Forderungen der Sozialausschüsse zugleich gedacht haben. Dort gibt es diese Uneinigkeit, anderswo nicht.
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Auch dies empfiehlt sich nachzulesen, bevor man Zwischenrufe, bezogen auf die Koalition, macht.
Ich möchte den Anwesenden nun die wichtigsten Punkte des Regierungsentwurfs nennen. Vielleicht erkennen Sie dann den umfassenden Sicherungsgedanken.
Erstens. Auch nach dem Wegfall der gesetzlichen Anwendungsvoraussetzungen beispielsweise nach Einstellung oder Reduzierung der Montanproduktion oder Absinken der Beschäftigtenzahl, wird die Montan-Mitbestimmung auf das betreffende Unternehmen noch für volle sechs weitere Geschäftsjahre anzuwenden sein.
({29})
Zweitens. Die im bisher montanmitbestimmten Bereich immer wieder geäußerten Zeifel daran, daß die Herstellung von Röhren und ähnlichen Produkten der Warmverarbeitung als Produktion der Eisen- und Stahlindustrie anzusehen ist, werden durch eine ausdrückliche präzise Legaldefinition beseitigt. Diese Definition gilt ohne zeitliche Begrenzung für alle Montanunternehmen, die heute von der Mitbestimmung erfaßt sind.
Drittens. Künftig werden die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer wie die belegschaftsangehörigen Aufsichtsratsmitglieder durch die Betriebsräte bzw. durch die Wahlmänner gewählt, wie es das Mitbestimmungsergänzungsgesetz vorsieht. Das Vorschlagsrecht der Gewerkschaften für die externen Aufsichtsratsmitglieder, das sich nach der Stärke der Gewerkschaft im Unternehmen richtet, bleibt unverändert so bestehen, wie es seit 1951 gegeben ist.
Viertens. In denjenigen Montankonzernen, in denen ein Konzernbetriebsrat besteht, tritt dieser als Wahlkörper an die Stelle der Betriebsräte oder Wahlmänner. Die Regelung des Betriebsverfassungsgesetzes, daß ein Konzernbetriebsrat eingerichtet werden kann, aber nicht muß, bleibt unverändert bestehen. Das bleibt so. Wenn er aber eingerichtet wird, übernimmt er zusätzlich auch die Funktion des Wahlkörpers.
Meine Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf hat selbstverständlich - wie konnte es anders sein? - Kritik gefunden. Die Bundesregierung ist gewiß bereit, Kritik an ihren Gesetzentwürfen - auch an diesem - entgegenzunehmen und aus der Kritik zu lernen, wenn sie etwas Konstruktives enthält. Leider kann ich das von den Vorwürfen der Opposition nicht sagen. Hier muß ich allerdings auch um Erlaubnis bitten, etwas weiter auszuholen,
({30})
um deutlich zu machen, was sich eigentlich bei der Union in Sachen Mitbestimmung tut. Im Wahlkampf hat der Kanzlerkandidat der Unionsparteien, der bayerische Ministerpräsident - vom Bundesvorstand der CDU damals sehr halbherzig unterstützt -, einen Vorschlag gemacht
({31})
- sehr halbherzig unterstützt, später einstimmig; es
gab viele andere Äußerungen, Herr Kollege Kiep; ich
kann sie Ihnen zuschicken, falls Sie sie nicht mehr haben; Sie kennen sie doch ganz genau -, den Montananteil am Umsatz von 50 auf 30 % zu senken.
Der jetzt vorgelegte Entschließungsantrag der CDU/CSU ist kein Gesetzentwurf. Wie werden Sie sich auch in Sachen Mitbestimmung zu einem Gesetzentwurf bequemen? Sie legen daher nur einen Entschließungsantrag vor. Ich muß Sie leider noch einmal nicht nur über die historische Entwicklung, sondern auch über die Substanz der Mitbestimmung ein wenig belehren.
({32})
Sie können die Substanz der Montan-Mitbestimmung nicht kennen, sonst hätten Sie einen anderen Antrag, einen anderen Resolutionsentwurf einbringen müssen.
Meine Damen und Herren von der Opposition, was für eine Sicherung erwarten Sie denn von der 30-%-Klausel? Entgegen dem, was Sie behaupten und was leider auch ein Teil der Medien aufgegriffen hat, gibt es in der geltenden Montan-Mitbestimmungsgesetzgebung und im Regierungsentwurf keine 50-%-Klausel - mit Ausnahme des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes, und das trifft ausschließlich für den Salzgitter-Konzern zu. Was wollen Sie also eigentlich mit Ihrer 30-%-Klausel sichern?
Ich muß Sie und die Öffentlichkeit darauf aufmerksam machen: Für den Bergbau verlangt das Montan-Mitbestimmungsgesetz, daß die Montanproduktion überwiegender Betriebszweck ist. Aber „überwiegender Betriebszweck" bemißt sich eben keineswegs an einem Umsatzanteil von 50 % oder irgendeiner anderen Prozentzahl.
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- Herr Abgeordneter Vogel, falls Sie das nicht glauben sollten, ein ganz konkretes Beispiel: Es gibt ein Braunkohleunternehmen, das 2 000 Arbeitnehmer in der Braunkohleproduktion beschäftigt und nicht eine einzige Mark Braunkohleumsatz macht, weil es diese Braunkohle ausschließlich in sein Energieversorgungswerk liefert. Dort werden 1 000 Menschen beschäftigt. Niemand zweifelt im geringsten daran, daß dieses Unternehmen der Montan-Mitbestimmung unterliegt. Nach Ihrem Gesetzentwurf wäre es morgen draußen, weil es einen Montanumsatz überhaupt nicht hat.
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So ist das mit Ihrem - einen Gesetzentwurf haben Sie ja nicht - Entschließungsantrag, falls der jemals Gesetzentwurf werden sollte.
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- Entschuldigung, wie konnte ich Ihnen etwas zumuten, was Sie noch gar nicht getan haben. Ich bitte herzlich um Verzeihung.
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Auch für die Eisen- und Stahlindustrie gibt es im 51er Gesetz keine 50-%-Klausel, sondern ein Eisen- und Stahlunternehmen unterliegt dann der MontanMitbestimmung, wenn es zu der Unternehmensmasse gehört, die 1951 von der damaligen Liste der Montanunternehmen erfaßt war. Das heißt, wenn aus Ihrem Entschließungsantrag etwas Konkretes werden sollte, dann würde man in allen Montanunternehmen anfangen, zu rechnen, wie man die Produktion so verändern könnte, daß man endlich unter die 30-%-Grenze rutschte.
({37})
Das würde erreicht, wenn wir Ihren Entschließungsantrag aufnähmen.
({38})
Heute gibt es bei den 33 Montanunternehmen, die vom 51er Gesetz erfaßt werden, weder eine 50-%Grenze noch eine 30-%-Grenze, es gibt überhaupt keine Umsatzgrenze, die Kriterium für die Anwendung des Gesetzes wäre.
Aber wir brauchen nicht zu befürchten, daß diese Gefahr für die Montanunternehmen eintritt; denn daß Sie selber Ihren Entschließungsantrag nicht ernst nehmen, das beweist doch die Tatsache, daß Sie nur einen Entschließungsantrag und keinen Gesetzesentwurf eingebracht haben.
({39})
Wenn Sie es mit der Sicherung der Montan-Mitbestimmung ernst meinten, dann müßte heute und hier ein Gesetzentwurf auf den Tisch, denn nur ein Gesetzentwurf, der heute und hier in erster Lesung beraten wird, kann die Mitbestimmung sichern.
({40})
Sie wissen genauso gut wie wir, daß, wenn die Sicherung der Mitbestimmung in der Montanindustrie nicht am 30. Juni dieses Jahres im Bundesgesetzblatt steht, ein großes Unternehmen aus der Mitbestimmung der Montanindustrie herauskommt, ein Unternehmen, das heute schon einschließlich Warmverarbeitung gerade an oder sogar etwas unter der 30-%-Grenze liegt.
({41})
Von den Fakten wie vom Zeitverlauf her ist der Entschließungsantrag der Union also nicht ernst zu nehmen. Es bleibt dabei, wie es seit drei Jahrzehnten war: Die Mitbestimmung wird in diesem Hause von den Sozialdemokraten vorangebracht.
({42})
In dem letzten Jahrzehnt haben wir in jeweils tragfähigen Kompromissen mit den Freien Demokraten,
({43})
hat die sozialliberale Koalition das getan, was zur Sicherung der Montan-Mitbestimmung notwendig ist. So wird es bleiben.
Ich bitte das Parlament um eine zügige Beratung dieses Gesetzes - gründlich und zügig schließen sich hier nicht aus -, damit die Arbeitnehmer in der Stahlindustrie wissen, daß ihre Mitbestimmung weiter besteht. - Herzlichen Dank.
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Ich darf fragen, Herr Blüm: Wollen Sie Ihren Entschließungsantrag jetzt begründen, oder können wir mit der Debatte gleich beginnen? - Dann eröffne ich die Debatte. Das Wort hat der Abgeordnete Blüm.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Vielleicht tut es uns allen gut, wenn wir uns vor dem Streit über die Sache gemeinsam besinnen, welche Grundsätze der Mitbestimmung zugrunde liegen.
Für uns ist Mitbestimmung Ausdruck der Partnerschaft. Mitbestimmung und Klassenkampf schließen sich aus.
({0})
Partnerschaft setzt auf Miteinander, Klassenkampf auf den unversöhnlichen Gegensatz. Klassenkampf zielt auf Alleinbestimmung, Partnerschaft auf Mitbestimmung.
({1})
Häufig wird der Vorwurf erhoben, Partnerschaft sei die Flucht in die Idylle, während der Klassenkampf der einzige Ausdruck einer realistischen Darstellung sei. Ich finde, es ist eher umgekehrt: Der Klassenkampf bedeutet die Flucht in die Idylle einer zukünftigen spannungsfreien, klassenlosen Gesellschaft.
Die Partnerschaft funktioniert nur mit der permanenten Anstrengung des sozialen Ausgleichs. Insofern liegt der Partnerschaft ein realistisches Ordnungsbild zugrunde.
({2})
Mitbestimmung kann nur in der Marktwirtschaft funktionieren. In Planwirtschaften degenerieren Arbeitnehmervertretungen zu Erfüllungsgehilfen der Obrigkeit.
({3})
Es ist geradezu eine mathematische Regel: Je mehr Investitionslenkung von oben, von außerhalb des Betriebes, um so weniger Mitbestimmung im Betrieb.
({4})
Ich wollte diese grundsätzlichen Bemerkungen voranschicken, damit wir wissen, von was wir reden, wenn wir über Mitbestimmung streiten. Für uns ist sie nicht Etappe auf dem Weg in die Rätedemokratie, für uns ist sie Teil einer Ordnungsvorstellung, die die Freiheitssicherung der Machtbalance überträgt.
({5})
Alle einspurigen Herrschaftssysteme, Machtmonopole haben die Freiheit in Bedrängnis gebracht. Häufig konnten sie sich in das Vertrauen der Menschen nur einschleichen, indem sie sich als gute Menschen tarnten. Aber die Herrschaft der guten Menschen ist meistens die Herrschaft der eigenen Verwandtschaft, und sei es auch nur der parteipolitischen.
({6})
Wir bleiben gegenüber allen Mächtigen skeptisch. Jede Macht braucht ihre Gegenmacht, weil wir etwas gegen die Arroganz der Mächtigen haben,
({7})
die vor niemandem mehr Rücksicht nehmen müssen. Deshalb gehören für uns zur Partnerschaft Marktwirtschaft, Tarifautonomie und Mitbestimmung.
({8})
- Stört es Sie sehr? Was haben Sie eigentlich gegen einen Blumenstrauß? Ich bin auch nicht gegen Blumenkohl. Ich weiß gar nicht, was diese etwas einfältigen Einwürfe sollen.
Strauß und Blüm haben schon Streit gehabt. Das ist vollendete Vergangenheit.
({9})
Aber Wehner und Brandt haben Streit; damit wir das gleich ausräumen.
({10})
Dies ist nicht Vergangenheit, sondern Präsens und Zukunft.
({11})
Es geht jetzt um die Sicherung der Montan-Mitbestimmung. Die Montan-Mitbestimmung gehört zur Grundausstattung unserer Republik. Sie entstammt einem zeitlichen Niemandsland zwischen Zusammenbruch und Gründung unserer Republik. Sie ist einmalig. Es gab sie weder vor 1945, noch gibt es sie in der DDR. Ihre Bedeutung geht weit über den Bereich hinaus, den sie gesetzlich regelt. Sie ist Symbol des großen partnerschaftlichen Kompromisses, der den Aufstieg aus den Trümmern und den Aufbau unseres Staates getragen hat.
Sie verdankt ihre Entstehung nicht ideologischer Spekulation, nicht den Systemkonstrukteuren, sondern der pragmatischen Einsicht, daß zum Überleben Arbeitnehmer und Arbeitgeber zusammenhalten müssen. Diese pragmatische Einsicht in die Notwendigkeit des Zusammenhaltens und der Partnerschaft hat unseren Aufstieg ermöglicht und hat uns manche Kämpfe erspart, die in anderen Ländern die
Gesellschaft an den Rand des Ruins gebracht haben.
Ich will auch nicht zurückstehen, an dieser Stelle den Gewerkschaften meinen Respekt dafür zu sagen, daß sie dieser Grundeinsicht nie ihre Zustimmung verweigert haben.
Die Mitbestimmung ist mit den Namen so großer Staatsmänner wie Konrad Adenauer und Hans Böckler verbunden.
Die Union will diese Montan-Mitbestimmung im Rahmen des gesetzlich Möglichen sichern. Der Montananteil, der als Voraussetzung für die Anwendung der Montan-Mitbestimmung gelten soll, soll von 50 % auf 30 % gesenkt werden. Dies, meine Damen und Herren, ist die Einladung zu einer breiten Übereinstimmung, zu dem Versuch, eine solche Frage in einem breiten Konsens zu lösen. Es muß doch Dinge geben, die den Kampfabstimmungen entzogen sind. Es muß doch noch möglich sein, daß wir über die Grundbedingungen der sozialen Verhältnisse in einer breiten Übereinstimmung diskutieren.
({12})
Sehr verehrter Herr Bundesarbeitsminister, ich betrachte es schon als einen Verfall der politischen Kultur, wenn einem solchen Versuch zur breiten Übereinstimmung sofort parteitaktische Überlegungen unterstellt werden.
({13})
Die Schatten der parteipolitischen Befangenheit, der gruppenegoistischen Befangenheit werden in Ihren Reihen offenbar immer größer. Sie können schon nicht mehr über diese Schatten springen.
({14})
Was soll denn der Vorwurf der Verzögerungstaktik? Meine Damen und Herren, wenn Sie unserer Vorlage zustimmen wollen, dann ist dies relativ einfach: Sie müssen nur die Zahl 50 durch die Zahl 30 ersetzen, dann können wir in der Tagesordnung fortfahren.
({15})
Ihre Einwände von den Terminschwierigkeiten riechen zehn Meter gegen den Wind nach Ausrede und schlechtem Gewissen. Wenn Sie wollen, können wir das morgen gemeinsam beschließen!
({16})
Auch im Gesetz von 1956 gibt es eine Übergangsfrist. Sie können die Fristfrage vernachlässigen.
Ich versichere Ihnen: Sie können die ganzen Nebelwerferkompanien der Sozialdemokraten durch das Ruhrgebiet schicken - die Kumpels werden den Unterschied zwischen 50 % und 30 % begreifen. Darauf können Sie sich verlassen!
({17})
Wie kann denn ein Gesetz sozialen Frieden stiften' wollen, wenn seine Initiatoren über dieses Gesetz höchst unterschiedliche Meinungen haben? Die FDP sagt, es sei ein Auslaufgesetz, wenn ich sie richtig verstanden habe; die SPD sagt, es sei ein Anlaufgesetz, wenn ich sie richtig verstanden habe.
({18})
Ich kann nur sagen: Verwirrung zeugt Verwirrung.
({19})
Wie weit die Konfusion schon gediehen ist, sehen Sie auch an der Stellungnahme zu unserem eigenen Entschließungsentwurf. Aus der SPD höre ich - wenn Sie gestatten, Herr Wehner, zitiere ich Ihre Presseerklärung -: mit unserem Vorschlag „würden letztlich die Interessen der Kapitaleignerseite von Mannesmann zum Tragen gebracht". Ich kann Ihnen versichern: die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände sieht das ganz anders,
({20})
der CDU-Wirtschaftsrat sieht es auch anders. Für die SPD ist unser Entwurf die Zerstörung der Montan-Mitbestimmung. Für die FDP ist er, wie Herr Cronenberg gesagt hat, die Zementierung der Montan-Mitbestimmung. Können Sie sich vielleicht mal einigen, was denn nun wirklich ist? Man muß sich durch den ganzen Wust von Koalitionseinwürfen erst einmal durchkämpfen, um überhaupt zu wissen, was Sie wollen.
({21})
Offensichtlich weiß im Hause Schmidt die linke Hand nicht mehr, was die rechte Hand tut. Wer selber die Übersicht verloren hat, meine Damen und Herren, wer selber augenscheinlich die Übersicht verloren hat, der ist schlecht geeignet, Streit in die Ordnung - - Ordnung in den Streit der Sozialpartner zu bringen; Sie merken, es wirkt ansteckend, wenn man über Sie redet.
({22})
Ihr Vorschlag - um ihn auf eine kurze Formel zu bringen -, Ihr Gesetzentwurf ist doch nichts anderes als eine Vertagung, als eine Verschiebung des Problems um sechs Jahre, sonst gar nichts.
({23})
- Herr Wehner, auf Ihren Gruppenantrag komme ich bei späterer Gelegenheit noch einmal zurück. Dann wollen wir den Unterschied zwischen Ihrem Gruppenantrag und diesem auch noch einmal deutlich machen. - Sie haben die Entscheidungsfrage ausgeklammert, weil Sie die einzige Kraft, die Sie noch haben, brauchen, um sich an die Macht zu klammern. Ihnen fehlt die Kraft zur politischen Entscheidung. Sie brauchen den Rest von Kraft, um sich an der Macht zu halten.
({24})
Wenn dieser Gesetzentwurf Wirklichkeit werden sollte,
({25})
dann ist die Mitbestimmungsdiskussion auf einen Dauerbrenner gesetzt. Dann ist abzusehen, wann die nächste große Mitbestimmungskampagne wieder laufen muß.
Meine Damen und Herren, damit es keinen Zweifel gibt: ich bin nach wie vor ein überzeugter Anhänger der Mitbestimmung, ein überzeugter Anhänger auch der paritätischen Mitbestimmung. Nur, in den nächsten Jahren werden die deutschen Arbeitnehmer größere Probleme zu lösen haben und die Gewerkschaften wichtigeres zu tun haben, als Mitbestimmungsdiskussion zu führen.
({26})
Ich glaube das ganz sicherlich. Die Gewerkschaften brauchen eine Mitbestimmungsverschnaufpause, damit sie sich den Fragen der Arbeitslosen, der Rentenversicherung zuwenden können. Die Arbeitslosen muß das doch wie eine Gespensterschlacht anmuten, wenn wir Mitbestimmungsdiskussionen führen. Wer arbeitslos ist, der hat nichts von Mitbestimmung,
({27})
und die bruttolohnbezogene Rente wird auch nicht durch die Parität gerettet.
({28})
Ich glaube, daß wir Ruhe an der Mitbestimmungsfront brauchen.
({29})
- Mein Gott, sind Sie denn so nervös, wenn ich Ihnen einmal die Wahrheit sage?
({30})
Ihr Gesetzentwurf bringt nichts anderes als einen Dauerstreit in die Mitbestimmung.
Lassen Sie mich noch kurz auf die Stellungnahmen der Sozialpartner eingehen.
({31})
Meine Damen und Herren, ich bitte doch, dem Redner die Möglichkeit zum Reden zu geben.
({0}) Ich verstehe j a die Erregung.
Unser Vorschlag ist von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände abgelehnt worden. Ich muß gestehen: das überrascht mich nicht. Obwohl ich jene Stimmen aus dem Arbeitgeberlager vermisse, die auf dem Höhepunkt des Streites um Mannesmann genau diesen 30 %-Vorschlag gemacht haben und die in der Öffentlichkeit bekundet haben, daß genau dies ein Weg zur Lösung des Problems wäre.
In der Stellungnahme des DGB sehe ich den skeptischen Versuch - ich gebe zu: den skeptischen Versuch -, das Problem mit der CDU zu lösen. Ich bedanke mich für die Stellungnahme der ÖTV, die durch ihren stellvertretenden Vorsitzenden Herrn Karl Heinz Hofmann, positiv geantwortet hat. Für meine eigene Gewerkschaft, die IG Metall, kann ich nur sagen: da verstehe ich die Welt nicht mehr. Eugen Loderer hat am 22. August 1980, vor den Wahlen, den Strauß-Vorschlag in der „Bild"-Zeitung begrüßt. In der „Frankfurter Rundschau" hat er einen Tag später zu den CDU/CSU-Aktivitäten gesagt: „Sie passen genau in unser Konzept." In der „Süddeutschen Zeitung" hat er am 23. September 1980 gesagt, der CDU/CSU-Vorschlag, der Vorschlag des Kanzlerkandidaten - ich zitiere -, sei ein „gewichtiges Wort". Er führt in der „Süddeutschen Zeitung" weiter aus: „Wir haben das mit Genugtuung registriert." Im Deutschlandfunk sagt er wenige Tage nach Vorlage des Vorschlages: „Ich muß ehrlich sein; ich hatte mit dieser klaren Formulierung nicht gerechnet." - Es kann sein, daß Eugen Loderer nicht damit gerechnet hat, daß wir unsere Wahlaussagen wahr machen; aber dabei schließt er von seiner Partei auf uns. Das ist der Fehler.
({0})
Ich frage, meine Kollegen in der IG Metall, ob Sie sich in die Koalitionsdisziplin nehmen lassen oder ob Ihr Standpunkt unverändert so bleibt, wie Sie ihn auch vor den Wahlen zum Ausdruck gebracht haben.
({1})
Ich will meinem verehrten Vorsitzenden Eugen Loderer nicht die Glaubwürdigkeit absprechen; aber offensichtlich muß ihm aus dem Gedächtnis entfallen sein, was er alles zu dem Strauß-Vorschlag gesagt hat, den er jetzt ablehnt.
Es geht hier nicht um Rechthaberei. Ich wollte nur diese parteipolitische Schablone „SPD gut, CDU schlecht" zerstören, damit uns allen, ob für oder gegen Parität, in einer gemeinsamen Anstrengung die Sicherung der Montan-Mitbestimmung möglich wird. Hier geht es nicht um die Ausdehnung der Mitbestimmung, hier geht es um nichts anderes als um die Sicherung der Montan-Mitbestimmung. Dazu muß jeder über seinen Schatten springen können, dazu muß es möglich sein, daß Sie aus Ihren Schützengräben herauskommen und der besseren Sache zum Siege verhelfen.
({2})
Ich will die Gelegenheit nutzen, um auch das Bedenken vieler Unternehmer von außerhalb des Montan-Mitbestimmungs-Bereiches zu zerstreuen. Wenn jetzt die Grenzen in der Montan-Mitbestimmung zu ihrer Sicherung gesenkt werden sollen, dann ist das kein Präjudiz, die Anwendungskriterien im Gesetz von 1976 zu ändern. An der 2000Mann-Belegschaftsgrenze wird von uns nicht gerüttelt.
({3})
Ich will auch unseren Freunden im Mittelstand versichern: Niemand in den Unionsparteien denkt an
die Übertragung der Montan-Mitbestimmung auf den Mittelstand.
({4})
Ich glaube überhaupt, daß es mehr Gemeinsamkeiten zwischen kleinen mittelständischen Unternehmern und Arbeitnehmern gibt. Wer im kleinen Boot zusammensitzt, der merkt eher, daß er zusammensitzt, als das auf den großen Luxusdampfern der Fall ist.
({5})
Die Gelegenheit muß auch genutzt werden, etwas zum Wahlrecht zu sagen. Natürlich stellt sich die Frage eines demokratischen Wahlrechtes. Aber überlasten und überfrachten Sie doch nicht den Rettungswagen für die Montan-Mitbestimmung!
({6})
Das Thema des demokratischen Wahlrechts stellt sich nicht nur in der Montan-Mitbestimmung. Das stellt sich in allen Mitbestimmungs- und Betriebsverfassungsgesetzen. Wir haben inzwischen sechs verschiedene Wahlverfahren. Man braucht inzwischen einen Berater, um da überhaupt noch durchzusehen. Ich fürchte, die Mitbestimmung kann auch dadurch Schaden erleiden, daß diejenigen, für die mitbestimmt wird, überhaupt nicht mehr durchschauen, wie Mitbestimmung zustande kommt. Wir bleiben dabei, daß die Mitbestimmungsrepräsentanten in der Hand der Mitbestimmungsrepräsentierten bleiben müssen. Wir wollen die Gewerkschaft nicht herausdrängen - sie ist ein Faktor der Stabilität -; aber niemand braucht Angst vor der direkten Wahl zu haben. Sie ist das beste Mittel, Mitbestimmungsrepräsentanten und -repräsentierte ohne Entfremdung im Zusammenhang zu lassen.
({7})
Meine Damen und Herren von der FDP, Sie sind etwas nervös geworden.
({8})
- Ich verstehe es wirklich nicht, wieso ausgerechnet Sie sich zum Gralshüter der direkten Wahl der Arbeitnehmer machen können. Sie haben doch 1976 gegen den Widerstand der Opposition ein kompliziertes Wahlmännerverfahren in die Mitbestimmung eingeführt; Sie haben doch die direkte Wahl, die nach dem Betriebsverfassungsgesetz aus dem Jahre 1952 für die Aufsichtsräte möglich war, beschränkt. Wie kommen Sie eigentlich dazu, sich jetzt plötzlich als die Monopolisten der Arbeitnehmerrechte im Wahlrecht zu betrachten? Sie haben die Wahlrechte beschränkt.
({9})
Wir appellieren an die Regierung, die Wahlrechte unter der Bedingung Demokratisierung zu harmonisieren, und sollte es die Regierung nicht schaffen, dann müssen wir auch in diese Lücke springen. Mein Gott, wenn sie es nicht schafft, dann muß die Opposition auch in dieser Frage initiativ werden.
Zum Abschluß will ich noch etwas zum Thema Glaubwürdigkeit sagen, denn ich meine, daß das im Zusammenhang mit dieser Debatte schon erwähnt werden muß. Die FDP, wenn ich sie recht verstehe, versucht, zweimal Miete für dieselbe Sache zu kassieren. Einerseits gehen Sie zu den Arbeitnehmern und sagen, es ginge Ihnen nur um die direkten Wahlrechte der Arbeitnehmer, und andererseits gehen Sie zu den Arbeitgebern und sagen, Sie seien die einzigen, die die Parität verhindern. Ich möchte Ihnen auch raten, in dieser Frage mit der ordnungspolitischen Keule, Hausmarke Lambsdorff, etwas vorsichtig umzugehen. Der Schlag könnte nämlich in den eigenen Reihen landen. Ihr Landesvorsitzender Burkhard Hirsch hat nämlich unseren Vorschlag im August des Jahres 1980 begrüßt und ihn als einen Weg zur Lösung der Montan-Mitbestimmung bezeichnet.
({10})
Was die Glaubwürdigkeit der SPD anbelangt, so beantwortet sich das kurz und knapp durch die Frage: Was ist aus dem Gruppenantrag des Herrn Wehner vor der Wahl geworden?
({11})
Ich zitiere jetzt aus einem Wahlkampf-Flugblatt: „Sozialdemokraten haben deshalb einen Gesetzentwurf vorgelegt. Er sichert die Montan-Mitbestimmung gegen die, die daran herummachen wollen." Ich kann nur sagen: Ei, wo is er denn, der Gesetzentwurf?
({12}) In diesem Parlament ist er nicht!
Sie haben in der Bildzeitung erklärt: „Dann müssen wir mit unserem Gruppenantrag zur paritätischen Mitbestimmung im Bundestag in Fahrt kommen. Aus Jux mache ich doch solche Sachen nicht." - Das haben Sie, Herr Wehner vor der Bundestagswahl gesagt. Das war also offensichtlich doch eine Jux-Fahrt. Ich sehe nämlich diesen Gruppenantrag nicht.
Und wenn jetzt gesagt wird, es sei die Koalition, welche den Gruppenantrag verhindere - nun gut, vor der Bundestagswahl hat der sehr verehrte Kollege Urbaniak zu diesem Gruppenantrag im ZDF gesagt: „Ich sehe hier keinen Koalitionskonflikt." Entweder hat das damals nicht gestimmt oder es stimmt heute nicht. Sie können doch nicht damals sagen, die Koalition habe keine Einsprüche, und heute sagen Sie, es würde an der Koalition scheitern.
Ich darf noch einmal den Kollegen Urbaniak zitieren, immer aus der Zeit vor der Wahl. Das Kontrastprogramm zu den Aussagen nach der Wahl muß nicht variiert werden; das ist relativ einfach. Er sagte vor der Wahl: „Unser Entwurf" - der Gruppenantrag - „hat allen Prüfungen standgehalten. Er skizziert nicht nur die beste, sondern die einzige Lösung." Und nach der Wahl sagt derselbe Kollege Urbaniak: „Wir werden dieser Regelung" - jetzt dem Gesetzentwurf, der mit dem Gruppenantrag nichts mehr zu tun hat - „zustimmen, weil sie voll dem
entspricht, was der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung dargelegt hat."
({13})
Da kann ich nur sagen: So seid ihr.
({14})
Von der „einzigen Lösung" zum „Bundeskanzler-Gehorsam", das ist die Abstiegslinie der sozialdemokratischen Mitbestimmungspolitik.
({15})
Herr Ehrenberg, wir wollen hier kein historisches Kolleg veranstalten. Ich will in Erinnerung rufen, daß Konrad Adenauer hier in diesem Hohen Hause zur Verabschiedung der Montan-Mitbestimmung dieses Gesetz als einen „großen Fortschritt auf dem Weg zur sozialen Befriedung" bezeichnet hat. Aber lassen wir alle Feinheiten weg. Wenn ihr Gesetzentwurf Wirklichkeit wird, dann werden die Sozialausschüsse, das verspreche ich Ihnen, den Sozialdemokraten eine Gedenktafel stiften, auf der stehen wird: Montan-Mitbestimmung - geboren unter Konrad Adenauer, gestorben unter Helmut Schmidt.
({16})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wehner?
Bitte
Herr Abgeordneter Wehner, bitte.
Herr Kollege Blüm, nachdem Sie hier die Rolle Konrad Adenauers beim Zustandebringen des Mitbestimmungsgesetzes in Erinnerung gebracht haben, möchte ich Sie bitten, deutlich zu machen, ob Ihnen dabei bewußt ist, daß Konrad Adenauer damals die Abstimmung unterbrechen mußte, weil seine eigene Partei und Koalition die Mehrheit nicht zustande zu bringen drohten und die 160 Stimmen der Sozialdemokraten allein nicht ausreichten. Ich habe Adenauer damals für diesen Mut gedankt.
Ich bestätige Ihnen diesen Vorgang ausdrücklich. Ich würde mir wünschen, daß auch Helmut Schmidt die Sitzung unterbricht und versucht, unserem Vorschlag zu einer Mehrheit zu verhelfen.
({0})
Wir machen das, was wir vor der Wahl versprochen haben, nicht mehr und nicht weniger. Wir versprechen nur, was wir halten können, und wir halten was wir versprochen haben.
Meine Damen und Herren, ich meine, daß Glaubwürdigkeit nicht nur eine Frage der Mitbestimmung, sondern der etablierten Parteien überhaupt ist. Eine junge, nachwachsende Generation wird uns möglicherweise nicht nur daran messen, was wir sagen, sondern auch daran, ob wir zu dem stehen, was wir gesagt haben. Insofern entscheidet sich an dieser Frage und in dieser Debatte mehr als nur die Frage „Parität oder Nichtparität" bzw. „Sicherung oder Nichtsicherung der Montan-Mitbestimmung". Hier entscheidet sich der Stellenwert von Wahlkämpfen. Wenn man in Wahlkämpfen versprechen kann, was man will, ohne sich danach richten zu müssen, dann verabschieden sich die politischen Parteien aus dem Zutrauen der jungen skeptischen Generation.
({1})
Ich möchte meine Darlegungen zusammenfassen. Unser Entwurf, der ein Angebot zur Übereinstimmung ist - deshalb kann er doch kein Gesetzentwurf sein; der CDU/CSU-Antrag ist die Basis für die Übereinstimmung -, unterscheidet sich vom vorliegenden Gesetzentwurf. Erstens schafft er Klarheit statt Verwirrung. Zweitens trifft er die Entscheidung jetzt statt 1986. Drittens stiftet er sozialen Frieden. Viertens löst er ein, was wir versprochen haben. Fünftens ist er eine Informationshilfe zur Zerstörung jener Schablone, die Sozialdemokraten seien die Arbeitnehmerpartei.
Die christliche Soziallehre kann und muß sich, gleich, ob in ihrer protestantischen oder in ihrer katholischen Gestalt, ihre Minderwertigkeitskomplexe aus den Kleidern schütteln. Sozialismus und Liberalismus sind verbraucht. Auch wenn sie den Inhalt zweier leerer Flaschen zusammenschütten, entsteht keine volle Flasche.
({2})
Das sozialliberale Bündnis, einst angetreten, um Arbeiterschaft und Bürgertum zu versöhnen, hat seinen Vorrat verbraucht. Das sind die Fragen des 19. Jahrhunderts gewesen. Das ist das Bündnis jener Bürgersöhne, die ob der Taten ihrer Eltern ein schlechtes Gewissen hatten, und jener Anerkennungssehnsüchte der Arbeitnehmerschaft, die im 19. Jahrhundert verkannt war.
Heute haben wir andere Probleme. In diesen Kategorien läßt sich heute nicht mehr Politik machen. Daß wir von rechts und links in dieser Frage angegriffen wurden, zeigt, daß wir den richtigen Platz haben: in der Mitte.
Ich möchte meinen Beitrag mit einem Zitat aus „Rerum Novarum" schließen, jener großen päpstlichen Enzyklika, deren 90. Jahrestag wir in diesem Jahr feiern. Dort heißt es:
Sowenig das Kapital ohne Arbeit auskommt, so wenig kann die Arbeit ohne das Kapital bestehen.
Das ist die Kurzfassung unserer Mitbestimmungsphilosophie.
({3})
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Abgeordnete Urbaniak.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren!
({0})
Ich glaube nicht, Kollege Blüm, daß Sie den Ernst der Stunde begriffen haben,
({1})
da es heute um die Frage geht, eine so wichtige Sache wie die paritätische Mitbestimmung, die Mitte des Jahres bedroht ist, mit einem Entwurf der Bundesregierung zu sichern, der in dieser Frage Klarheit schafft. Wenn das nicht gemacht wird, ist die paritätische Mitbestimmung am 1. Juli 1981 bei Mannesmann verloren. Meine Damen und Herren, das wollen Sie im Grunde, wir aber nicht!
({2})
Ich sage Ihnen noch einmal, Herr Kollege Blüm: Ihre Entschließung schafft Klarheit - Klarheit darüber, daß sie schludrig ist und daß bei Mannesmann am 1. Juli 1981 die Mitbestimmung verloren sein wird.
({3})
Das haben Sie zu verantworten, kein anderer!
({4})
Ihre Entschließung ist schludrig!
({5})
Kollege Blüm, wir brauchen uns in dieser Frage nicht zu ereifern. Das hat gar keinen Zweck.
({6})
Denn wenn Sie davon reden, Ihre Entschließung bringe eine breite Übereinstimmung zum Ausdruck, will ich hier feststellen, daß der Gewerkschaftsvorsitzende der IG Metall, Eugen Loderer, den Sie ja hier in der vollen Breitseite angenommen haben,
({7})
schätzt, daß durch die Übernahme der Frankfurter Meß- und Regelfirma Hartmann und Braun und durch den Einstieg in den Verarbeitungsbereich Kienzle die 30% im Konzern bereits nicht mehr erreicht sind.
({8})
- Das ist vom Vorsitzenden der IG Metall festgestellt worden. Wollen Sie das bestreiten, Kollege Blüm?
({9})
Das hat er festgestellt,
({10})
und alle ernsthaften Nachprüfungen unsererseits kommen zu demselben Ergebnis.
({11})
Aber ich sage Ihnen hier ganz frei und offen, Sie brauchen in diesem Hause für die Sozialdemokratie die Partnerschaft nicht festzustellen, sie brauchen auch die Verantwortung der Arbeitnehmer und ihrer Gewerkschaften für das Gemeinwohl nicht festzustellen. In Ihrer Fraktion muß doch heute erst noch gelernt werden, wer 1945 die Grundlagen dazu geschaffen hat, nämlich die Einheitsgewerkschaften. Und Sie sind dabei, diese zu zerstören!
({12})
Sie brauchen auch nicht festzustellen, Kollege Blüm, die Arbeitnehmer in den mitbestimmten Betrieben würden erkennen, welch einen Grundkonsens Sie anbieten. Nein, an Rhein und Ruhr nicht! Das können Sie vielleicht mit Ihren Kolleginnen und Kollegen in der Ihnen eigentümlichen Art: nur nicht konkret werden,
({13})
immer wieder alles darlegen. Aber die Arbeitnehmer in diesen Betrieben haben dieses Nebel- und Scheingefecht des Herrn Blüm à la Strauß - denn mehr dürfen Sie nicht, Kollege Blüm - schon lange erkannt. Denen machen Sie nichts vor!
({14})
Wenn Sie von einer breiten Übereinstimmung sprechen, wissen Sie doch, daß der Vorsitzende des CDU-Wirtschaftsrates, Philipp von Bismarck, erklärt hat, man habe Strauß wegen seiner in der Wahlkampfzeit geäußerten positiven Einstellung zur Montan-Mitbestimmung jetzt nicht im Regen stehenlassen wollen
({15})
und man habe ihm - diesem Herrn Strauß - jetzt einen Regenschirm gegeben, und der Regen komme nun tatsächlich. Der sehr einflußreiche Herr in Ihren politischen Reihen bestimmt also eigentlich den entscheidenden Kurs, und darum sind Sie auch nicht konkret geworden.
Ich sage Ihnen: Die Resolution der CDU/CSU ist eine politische Täuschung, weil ihr Inhalt in völligem Widerspruch zu der bombastischen Verpakkung steht, mit der sie öffentlich auf den Weg gebracht worden ist. Das Vorgehen der Union sichert nicht die Montan-Mitbestimmung, das Gegenteil ist der Fall.
Ich stelle für die Sozialdemokraten fest: Die CDU/ CSU hat keinen Gesetzentwurf, sondern nur eine Meinungsbekundung vorgelegt, in der sie vor allem fordert, den bereits eingeleiteten Gesetzgebungsprozeß zur Mitbestimmung abzubrechen. Wer dem folgt, meine Damen und Herren, läuft in die Mannesmann-Falle.
({16})
Der Vorstand dieses Konzerns hat erklärt, wenn bis zum 1. Juli 1981 kein neues Montan-Mitbestimmungsrecht geschaffen worden sei, werde er die Veränderung der Konzernstruktur mit der Aushebe-lung der Montan-Mitbestimmung verbinden. Diese Herren - und keine anderen - unterstützen Sie. Mir tut das sehr leid, Kollege Blüm.
({17})
Mit der ersten Lesung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Änderung der beiden Mitbestimmungsgesetze beginnt nun die eigentliche parlamentarische Diskussion. Das Thema „Sicherung der Montan-Mitbestimmung" ist, seitdem sie existiert, immer wieder aufgekommen, vor allen Dingen im Jahre 1980.
Zu unserem Gruppenantrag will ich Ihnen sagen: Die Sozialdemokratie hat sich klar zur paritätischen Mitbestimmung für alle Wirtschaftszweige erklärt, 1950, 1968 und 1980,
({18})
und keine der politischen Parteien ist uns dabei gefolgt. Dieser Gruppenantrag löst das Sicherungsgesetz überhaupt aus, meine Damen und Herren.
({19})
Für uns gehört die Mitbestimmung zur Substanz des Demokratisierungsprozesses dieser Gesellschaft. Demokratie kann und darf doch nicht an den Werkstoren enden. Mitbestimmung heißt für uns aber auch Mitverantwortung. Beides gehört zusammen.
({20})
Umgekehrt ist Mitverantwortung ohne Mitbestimmung nicht akzeptabel. Das ist für die Arbeitnehmer und für ihre Gewerkschaften selbstverständlich.
Wir wissen auch um die wirtschaftliche Vernunft der Mitbestimmung, weil all die schwierigen Prozesse mit der Arbeitnehmerschaft gelöst werden müssen, was in diesem komplizierten Bereich des Sichbehauptens auf den Märkten immer wieder erforderlich ist. Alle wissen wir in diesem Hohen Hause, welche Bedeutung die paritätische Mitbestimmung für die Strukturprobleme im Bergbau und in der Stahlindustrie hat. Dieser Strukturwandel geht unaufhaltsam weiter. Hätten wir die Mitbestimmung nicht schon zu Beginn dieser Zeit gehabt, hätten wir, wie ich glaube, in unseren Großbetrieben schon sehr schwierige Situationen erlebt. Den Gewerkschaften, den Betriebsräten und den Arbeitnehmern ist daher zu danken, daß sie die paritätische Mitbestimmung nicht nur für die Betriebe, sondern unter Einschluß des Gemeinwohls des deutschen Volkes praktiziert haben. Dafür haben wir besonders zu danken.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir als Sozialdemokraten haben uns immer klar zur paritätischen Mitbestimmung geäußert; das ist gar keine Frage. Hier aber geht es jetzt darum, daß der Gesetzentwurf der Bundesregierung weiter auf den Weg gebracht wird und daß wir in den Fällen, in denen Vorstände daran gehen, die Mitbestimmung in
Frage zu stellen, wie das im Mannesmann-Bereich geschehen ist, alles tun, damit die Mitbestimmung weiter gesichert werden kann. Nach diesem Entwurf passiert bis 1987 auf jeden Fall nichts. Damit wird Raum für weiteres Nachdenken geschaffen. Dabei ist, wie wir meinen, weniger die inhaltliche Phantasie gefordert. Es geht vielmehr darum, das politisch Notwendige parlamentarisch möglich zu machen. So sehen wir den Gesetzentwurf der Bundesregierung mit den bekannten Argumenten, die wir da schon geliefert haben, als einen Kompromiß an; denn Alternativen liegen uns ja nicht vor. Ich darf noch einmal sehr klar sagen: Seitdem Ihre Entschließung bekanntgeworden ist, ist uns allen klar: Eine Alternative der CDU/CSU in Form eines Gesetzentwurfs ist nicht zu erwarten.
Die SPD hat in der Frage der Mitbestimmung weitergehende Vorstellungen, als sie von anderen Parteien vertreten werden. In unserem Godesberger Grundsatzprogramm heißt es:
Die Mitbestimmung in der Eisen- und Stahlindustrie und im Kohlebergbau ist ein Anfang zu einer Neuordnung der Wirtschaft. Sie ist zu einer demokratischen Unternehmensverfassung für die Großwirtschaft weiterzuentwickeln. Die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Selbstverwaltungsorganen der Wirtschaft muß sichergestellt werden.
Wir bekennen uns deshalb zu dem Ziel, das Mitbestimmungsgesetz 1976 zur vollen Parität hin fortzuentwickeln, meine Damen und Herren. Das ist der politische Ausdruck dessen, was die Sozialdemokraten seit Beginn der Diskussion um die paritätische Mitbestimmung immer gradlinig und klar gewollt haben und wofür sie auch weiterhin eintreten werden.
({21})
Wir sind auch in diesem Punkt mit den Gewerkschaften einer Meinung. Die dauerhafte Sicherung der Montan-Mitbestimmung ist also eine erste Stufe. Die jetzige erste Lesung des Gesetzentwurfs sehen wir gewissermaßen als eine weitere Grundlage an, um in der kommenden Zeit auf diesem Felde weiter voranzukommen. Ich sage sehr deutlich: Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf ist nicht nur nach Auffassung der Gewerkschaften verbesserungsfähig. Wir alle sollten uns in der parlamentarischen Beratung grundsätzliche Gedanken darüber machen, wie die Montan-Mitbestimmung am besten gesichert werden kann. Das ist natürlich auch eine Zweckmäßigkeitsfrage; der Weg über eine Öffnungsklausel ist denkbar. Aber die vertragliche Sicherung der Montan-Mitbestimmung ist am bösen Willen der Arbeitgeberseite bei Mannesmann gescheitert. Bei gutem Willen hätte der Gesetzgeber nicht bemüht werden müssen. Die vertragliche Sicherung der Montan-Mitbestimmung kann tatsächlich letztlich nur erreicht werden, wenn die Öffnungsklausel gesetzlich fixiert ist. Der Anfang einer parlamentarischen Beratung kann dazu doch noch nicht das letzte Wort sein. Denn sonst könnte man ja auf das gesamte Verfahren verzichten. Darum sage ich, welche Vorstellungen wir haben.
Seit der Vorstand der Mannesmann-AG handstreichartig - man kann auch sagen: von oben herab - die Flucht aus der Mitbestimmung vollziehen wollte, ist die Sicherung der Montan-Mitbestimmung wieder ein Thema erster Ordnung. Wer die Geschichte der Mitbestimmung kennt, kann sich nicht wundern, wie heftig die Gewerkschaften und mit welchem Engagement die SPD sich dagegen gewehrt haben.
Die wirklich echte Mitbestimmung, die paritätische Mitbestimmung in der Montanwirtschaft ist tatsächlich eine Mitgift dieser Republik und nicht, wie immer wieder behauptet wird, eine Erfindung der Regierung Adenauer. Bereits in der ersten Legislaturperiode des Deutschen Bundestages ging es um die Sicherung der Montan-Mitbestimmung, wie jeder bei einem Blick in die Archive leicht feststellen kann.
Nach § 89 Abs. 1 des damaligen Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Neuordnung der Beziehungen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern in den Betrieben, dem Betriebsverfassungsgesetz, aus der ersten Wahlperiode, war die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer generell vorgesehen.
Gleich sah der von der Fraktion der CDU/CSU vorgelegte Entwurf eines entsprechenden Gesetzes aus. Sie sind immer nur für die Drittelbeteiligung eingetreten. Ihren Entwürfen fehlte gar die Institution des Arbeitsdirektors.
Die paritätische Mitbestimmung aber wurde bereits 1947 von der Treuhand-Verwaltung - durch die Alliierten, wenn Sie so wollen - eingeführt. Das war tatsächlich der Beginn der echten Mitbestimmung in der deutschen Montanindustrie. Nicht Sie haben es geschafft, wie Sie, Herr Kollege Blüm, immer fälschlich sagen. Bereits 1950 gab es also nicht nur berechtigte Befürchtungen, sondern konkrete Anlässe, die vertragliche Mitbestimmung in Gefahr zu sehen. Der Widerstand der Arbeitnehmer an Rhein und Ruhr, die hier schon zitierten historischen Gespräche, aber auch die SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag haben damals Schlimmes verhütet. Am 10. April 1951 verabschiedete dann der Deutsche Bundestag das Montan-Mitbestimmungsgesetz, und zwar mit Hilfe der SPD Fraktion. Opposition von damals war anders als Opposition von heute. Wir jedenfalls haben konstruktive Beiträge geleistet.
({22})
Heute wird selbst von den Sozialausschüssen der Union die Haltung zur Mitbestimmung als taktische Frage begriffen. Anders können wir Ihr Verhalten nicht sehen. Ich sage Ihnen in diesem Zusammenhang noch einmal, Kollege Blüm: Die Union leistet keinen Alternativbeitrag und legt keinen eigenen Gesetzentwurf vor, sondern präsentiert eine Entschließung, nämlich die Aufforderung, den Gesetzentwurf der Bundesregierung zurückzuziehen. Das heißt - man muß es wiederholen -: Ab 1. Juli 1981 gibt es in dem bekannten Unternehmen keine Mitbestimmung mehr. Wenn Sie, Herr Kollege Blüm, einen 30 %igen Montanumsatz bei der Wertschöpfung als Kriterium zugrunde legen, dann geben Sie das Signal, in den restlichen Montanunternehmen alles darauf zu konzentrieren, diesen Punkt zu erreichen, damit die auch von Ihnen persönlich so bewertete paritätische Mitbestimmung insgesamt verlorengeht. Wir diskutieren in den Montanunternehmen heute nicht über Prozentsätze, sondern bekanntlich über die Probleme, wie wir mit den wirtschaftlichen und den strukturellen Problemen zurechtkommen.
({23})
Zur Frage der paritätischen Mitbestimmung, Kollege Blüm, legen Sie einen Entschließungsantrag - die Entschließung ist ein sehr schwaches parlamentarisches Instrument - vor, weil Sie sich in der eigenen Fraktion nur auf das Nein einigen können. Zum Thema „Sprecherausschüsse für leitende Angestellte" hat diese Union aber einen Gesetzentwurf erarbeitet, um nach Möglichkeit den Kreis der Arbeitnehmer in der Betriebsverfassung aufzuspalten.
({24})
Das ist Ihre Position.
Wir werden jetzt gründlich darangehen, den Entwurf der Bundesregierung zu beraten. Wir haben keinen Grund, aufgeregt oder bewegt über das zu sein, was sich die Opposition hier geleistet hat, Kollege Blüm. Erstens stellt das, was sie vorgelegt hat, keine Grundlage für ein gemeinsames Handeln der in Frage kommenden Kräfte dar. Die Gewerkschaften lehnen ihre Vorstellungen ab.
Zweitens registrieren wir eine schludrige Antragsform und unglaubliche Inhalte, die gar nicht nachzuvollziehen sind. Dann bin ich schon lieber für eine klare Entscheidung, die uns sagt, wie es aussieht, wenn Unternehmungen darangehen, die Mitbestimmung zu kappen, und in welch einem Zeitraum die Unternehmungen weiter in dieser Mitbestimmung verbleiben. Dem Parlament sollte Gelegenheit gegeben werden, nachzudenken, wie wir gemeinsam die paritätische Mitbestimmung sichern. Wir Sozialdemokraten haben das stets gemacht. Wir werden uns in dieser Frage auch nicht zurückwerfen lassen. Heute geschieht das, was parlamentarisch möglich ist. Wir werden auf diesem Felde gemäß unserem Godesberger Programm aber weiter
({25})
für den Erhalt und die Ausdehnung der paritätischen Mitbestimmung kämpfen, überall, in diesem Parlament und in den Betrieben. Für uns ist das eine entscheidende Sache zur Entwicklung der entsprechenden demokratischen Strukturen im wirtschaftlichen Bereich. Ich danke Ihnen.
({26})
Als nächster Redner hat Herr Abgeordneter Hölscher das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie, daß ich auch einige grundsätzliche Vorbemerkungen über die Haltung meiner Fraktion zur Frage der Mitbestimmung machen möchte. Gerade in den letzten Wochen und Monaten hat man in der Diskussion um die Montan-Mitbestimmung des öfteren den Vorwurf gehört, die Liberalen in diesem Lande seien grundsätzlich gegen die Mitbestimmung der Arbeitnehmer. Dabei wird völlig verkannt, daß es ohne die Liberalen im letzten Jahrzehnt keine Verbesserung der Arbeitnehmerrechte im Betrieb und im Unternehmen gegeben hätte. Mit uns wurde 1972 ein verbessertes Betriebsverfassungsgesetz verabschiedet, und mit uns wurde 1976 eine neue Unternehmensmitbestimmung eingeführt, die Gewerkschaften und Arbeitnehmern mehr Rechte im Aufsichtsrat von Großbetrieben sichert.
({0})
Für uns ist Mitbestimmung auf betrieblicher Ebene wie im Unternehmen ein Kernstück des freiheitlichen Sozialstaats. Wir haben bereits mit unseren Freiburger Thesen 1971 ausdrücklich die Demokratisierung der Gesellschaft gefordert und damit deutlich gemacht, daß eine freiheitliche Demokratie nicht nur die gleichberechtigte politische Teilhabe und Mitbestimmung aller Bürger an der verfassungsmäßigen Ordnung des Staates erfordert, sondern auch die gleichberechtigte soziale Teilhabe und Mitbestimmung aller Bürger an der arbeitsteiligen Organisation der Gesellschaft.
Friedrich Naumann, unser großer Liberaler, hat dies einmal in einem doppelten Grundsatz deutlich gemacht, der wie folgt lautet:
Erstens. Der Staat sind wir alle. Zweitens. Der Staat darf nicht alles. - Erstens. Der Betrieb sind wir alle. Zweitens. Der Betrieb darf nicht alles.
Für uns ist es daher selbstverständlich, daß der einzelne auch gerade dort, wo er den größten Teil seines Lebens verbringt, im Betrieb, und wo sein Leben und das Leben seiner Familie entscheidend geprägt werden, Mitbestimmungsrechte haben muß. In unseren Thesen zur Unternehmensmitbestimmung schlugen wir daher den Weg einer innerbetrieblich organisierten, aber auch paritätisch gestalteten Unternehmensmitbestimmung vor. Dabei gingen wir allerdings von der grundsätzlichen Mitverantwortung der Faktoren Kapital auf der einen und Disposition, also leitende Angestellte, und Arbeit auf der anderen Seite aus. Diese funktionsgerechte Differenzierung zwischen den das Unternehmensgeschehen bestimmenden Faktoren entspricht eben den heutigen Unternehmensstrukturen und fand auch ihren Niederschlag in dem Mitbestimmungsgesetz von 1976.
Meine Damen und Herren, niemand wird bestreiten, daß gerade die Mitbestimmungsregelung von 1976 dem einzelnen Arbeitnehmer, aber auch Minderheitsgruppen, ein Höchstmaß an Mitbestimmung sichert. Dabei ist es uns Politikern selbstverständlich unbenommen, auch mit diesem Gesetz Erfahrungen zu sammeln und vielleicht später einmal notwendige Korrekturen durchzuführen.
Meine Damen und Herren, der DGB hat in seinem neuen Grundsatzprogramm u. a. gesagt - ich zitiere -:
Durchdrungen von der Verantwortung gegenüber ihren Mitgliedern und dem ganzen Volk bekennen sich der Deutsche Gewerkschaftsbund und seine Gewerkschaften zu den unveräußerlichen Rechten der Menschen auf Freiheit und Selbstbestimmung.
Und es heißt weiter im DGB-Grundsatzprogramm:
Unser Freiheitsbegriff verlangt Demokratisierung aller Lebensbereiche.
Meine Damen und Herren, wir Liberalen unterschreiben dies nicht nur, sondern bekennen uns ausdrücklich zu den in diesen Grundsätzen niedergelegten Zielen einer freiheitlichen und sozialen Demokratie.
Wir bitten allerdings auch um Verständnis, wenn unsere Mitbestimmungspolitik nicht auf die Stärkung von Organisationsmacht ausgerichtet sein kann,
({1})
sondern die Stärkung der Mitwirkungsrechte des einzelnen Arbeitnehmers zum Inhalt haben muß. Wenn sich gerade in dieser Frage Sozialdemokraten und Liberale voneinander unterscheiden, dann ist dies verständlich. Es sollte aber nicht dazu führen, daß uns z. B. seitens des DGB vorgeworfen wird, mit unseren Forderungen nach besseren Wahlverfahren bei der Montan-Mitbestimmung einen Keil zwischen die Arbeitnehmerschaft und die Gewerkschaften zu treiben und die Gewerkschaften schrittweise aus der Verantwortung zu drängen. Wieso ist es eigentlich gewerkschaftsfeindlich, wenn wir es am liebsten sähen, daß auch in der Montan-Mitbestimmung die Arbeitnehmer in direkter Wahl selbst entscheiden, wer ihre Interessen im Aufsichtsrat vertritt?
({2})
Ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß unsere Gewerkschaften so schwach sein sollen, daß sie es sich nicht erlauben können, ihre Vertreter einer freien Wahl auszusetzen.
({3})
Gewerkschaften sind zweifellos die legitimen Interessenvertreter der Arbeitnehmer. Dies bestreiten wir nicht. Gewerkschaften sind auf Dauer aber nur dann stark - und ich wünsche mir starke Gewerkschaften -, wenn ihre Organisationen und ihre Vertreter in den Betrieben immer wieder, z. B. durch Wahlen, beweisen können, daß sie das Vertrauen der deutschen Arbeitnehmerschaft besitzen.
({4})
Meine Damen und Herren, bei diesem Gesetzentwurf handelt es sich zweifellos um einen Kompromiß, bei dem nur ein Teil unserer Vorstellungen verwirklicht werden konnte. Es ist auch kein Geheimnis, daß wir Freien Demokraten zunächst keinen Anlaß sahen, den Bestand der Montan-Mitbestimmung zu garantieren, wenn die gesetzlichen Anwendungsvoraussetzungen für die Montan-MitbestimHölscher
mung entfallen, weil das Unternehmen nicht mehr montangeprägt ist. Genauso bekannt ist: Mit dieser Position steht die FDP im Deutschen Bundestag allein. Die Reaktionen von CDU/CSU und SPD im Fall Mannesmann bestätigen es ja. Deshalb mußten wir hier einen Kompromiß schließen. Meine Fraktion hält das Gesetz nach den sehr schwierigen Verhandlungen, die mit dem vorliegenden Kompromiß dann aber zu einem glücklichen Abschluß geführt haben, im ganzen für vertretbar.
Ich darf die drei Kernpunkte des Gesetzes einmal ansprechen. Erstens die Geltungsdauer. Die Montan-Mitbestimmung soll nach Wegfall ihrer Anwendungsvoraussetzungen für die Dauer von sechs Jahren weitergelten. Damit wird ein übergangsloses Ausscheiden aus der Montan-Mitbestimmung vermieden. Wir halten diese Regelung auch deshalb für vertretbar, weil ohne eine derartige Regelung zweifellos die innere, aber auch die äußere Stabilität von Unternehmen gefährdet werden könnte, weil es ja möglich ist, daß ein Unternehmen in relativ kurzen Zeitabständen zwischen zwei Mitbestimmungsregelungen hin und her pendeln müßte. Eine solche Regelung gibt es ja bereits im Mitbestimmungsergänzungsgesetz von 1956. Sie soll jetzt von fünf auf sechs Jahre verlängert und auch auf das Montan-Mitbestimmungsgesetz von 1951 übertragen werden. Eine dauerhafte Zementierung der MontanMitbestimmung ohne Rücksicht auf die Montanprägung des Unternehmens unterbleibt.
Es ist bekannt, daß die Sozialdemokraten die Frage der Geltungsdauer zu einem Thema im Wahlkampf 1984 machen wollen. Dieses Recht können wir ihnen nicht bestreiten, und wir wollen es der SPD auch nicht bestreiten. Ich möchte jedoch bei dieser Gelegenheit an das erinnern, was der Kollege Adolf Schmidt in der ersten Lesung zum Unternehmensmitbestimmungsgesetz, Geltung 1976, am 20. Juni 1974 im Deutschen Bundestag gesagt hat - etwas sehr Wichtiges. Der Kollege Schmidt meinte, wenn es sich erweisen sollte und alle Beteiligten zu dem Ergebnis kämen, daß die Mitbestimmung von 1976 besser als die Montan-Mitbestimmung sei, könne er sich nicht vorstellen, daß man Streit mit einem der Beteiligten darüber bekommen würde, das Montan-Mitbestimmungsmodell in dem, was man als besser ansähe, aufgehen zu lassen. Der Kollege Adolf Schmidt sagte wörtlich:
Andernfalls würden wir uns geradezu töricht verhalten. Das Abwarten, ob unser Modell besser ist, gibt uns die Chance, zu einem späteren Zeitpunkt ein Urteil zu treffen.
Leider haben es die Vorgänge bei Mannesmann unmöglich gemacht, in Ruhe zu einem späteren Zeitpunkt die Erfahrungen mit beiden Mitbestimmungsregelungen einmal auszuwerten und ein vielleicht für alle Großunternehmen gleichermaßen geltendes Mitbestimmungsmodell zu entwickeln. Aber niemand kann uns verbieten, uns zu einem gegebenen Zeitpunkt wieder an diese Gemeinsamkeit der Debatte von 1974 zu erinnern und in unseren Parteien Initiativen zu ergreifen.
Der zweite Kernpunkt des Entwurfs betrifft das Wahlverfahren. Die Delegation der Gewerkschaftsvertreter in die montanmitbestimmten Aufsichtsräte wird durch ein Wahlverfahren ersetzt. Die Gewerkschaftsvertreter bedürfen dazu der absoluten Mehrheit der Stimmen der Mitglieder der Betriebsräte bzw. der Wahlmänner nach dem Gesetz von 1956. Damit wird also ein Zurückweisungsrecht der Wahlkörper begründet.
Ich habe schon gesagt, wir Freien Demokraten hätten hier gern ein Mehr an Demokratie verwirklicht. Dies ist nicht gelungen, aber wir haben einen Anfang gemacht und wir sind optimistisch. Wir können uns wirklich nicht vorstellen, daß die Arbeitnehmer bei Kohle und Stahl auf Dauer nicht die gleichen Rechte erhalten sollen wie die Arbeitnehmer in allen anderen Unternehmensbereichen.
({5})
Wir begrüßen im übrigen, daß in Konzernen, in denen ein Konzernbetriebsrat besteht, dieser Wahlkörper wird. Wählbar sind dann auch die Arbeitnehmer des Konzernunternehmens und nicht nur die Arbeitnehmer der Spitze. Damit allein kann im Mannesmann-Konzern eine Mitbestimmung der Chauffeure - lassen Sie es mich einmal so sagen - vermieden werden.
Ein dritter Kernpunkt des Entwurfs ist die Legaldefinition. In Unternehmen, die am 1. Juli 1981 einen montanmitbestimmten Aufsichtsrat haben, wird die Walzwerkerzeugung der Montanproduktion zugerechnet. Ich darf sagen, daß wir dies nach wie vor nicht für eine sehr überzeugende Regelung halten. Aber wir sagen trotzdem ja. Diese Stichtagsregelung erfaßt also lediglich die Altfälle. Ein Altfall ist auch die Verschiebung der Walzwerkserzeugung nach dem Stichtag innerhalb desselben Konzernes.
Meine Damen und Herren, die Koalitionsfraktionen haben über diesen Gesetzentwurf sehr lange verhandelt. Das kann bei den unterschiedlichen Ausgangspositionen zwischen SPD und FDP in der Mitbestimmung niemanden überraschen. Ich darf für meine Fraktion hier erklären: Der Rahmen, in dem der Koalition eine Verständigung in der Montan-Mitbestimmung möglich ist, wurde mit dem Regierungsentwurf dieses Gesetzes bereits abgesteckt. Herr Kollege Urbaniak, wir Freien Demokraten - dafür bitte ich auch bei Ihnen um Verständnis - haben nicht die Absicht, auf die Regierungsvorlage draufzusatteln.
Ich hoffe, daß wir davon ausgehen können, daß auch beim Koalitionspartner niemand ein Interesse daran hat, die Verabschiedung des Gesetzentwurfs zu gefährden.
({6})
Schon gar nicht kann unsere Haltung beeinflußt werden durch den Entschließungsantrag der CDU/ CSU. Mein Kollege Dr. Haussmann wird hierauf noch im einzelnen eingehen. Ich selbst habe den Eindruck: Herr Kiep hat sich vielleicht doch durchgesetzt; denn inzwischen ist uns klar, daß die Grenze von 30 % niemanden trifft, daß sie schon gar nicht das Mannesmann-Problem löst. Wir lassen uns aber auch deshalb nicht von Ihrem Antrag, meine Kollegen von der CDU/CSU, beeinflussen, weil wir natürlich zu deutlich die Absicht erkennen, mit dieser rein
taktisch gemeinten Schauaktion Zwietracht zwischen den Koalitionsfraktionen zu säen. Wir wissen ja auch, daß sich die Opposition wegen ihrer unüberbrückbaren internen Gegensätze nicht zu einem eigenen Gesetzentwurf durchringen konnte. Im übrigen haben wir oft genug gesagt - auch damit sind wir uns über die Wahl hinweg treu geblieben -, daß wir von einer willkürlichen Umsatzgrenze, auch von einer Grenze von 30 % nichts halten; denn die ganzen politischen Konflikte fangen bei 29 % erneut an, zuerst beim Mannesmannkonzern selbst.
Ich bedauere allerdings, daß nach Auffassung der Opposition Kern und Ziel ihres Gesetzentwurfs und ihrer Vorstellung allein sein soll, die Montanmitbestimmung auf Dauer zu sichern. Kern ihres Entwurfs ist nicht, die Verbesserung der Wahlverfahren zu erreichen. Dies überrascht um so mehr, weil Sie es sonst als CDU/CSU so gut verstehen, uns jedenfalls draußen überall vorzuwerfen, wir würden angeblich unkontrollierte Gewerkschaftsmacht nicht abbauen.
Meine Damen und Herren, wir Freien Demokraten werden uns für eine zügige Beratung des Gesetzentwurfs in der heute eingebrachten Fassung einsetzen. Wir sehen hierin über die Bedeutung der Mitbestimmung hinaus allerdings auch einen wichtigen Beitrag, in einer schwierigen Sache die Funktionsfähigkeit der sozialliberalen Koalition unter Beweis zu stellen. - Vielen Dank.
({7})
Als nächster Redner hat Herr Abgeordneter Kiep das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben den Koalitionsfraktionen mit unserem Antrag, der heute hier zur Debatte steht, ein Angebot gemacht, ein Angebot in der Form, in der Oppositionen in Parlamenten Angebote an Mehrheitsparteien zu machen pflegen. Es liegt an Ihnen, sich zu diesem Angebot zu äußern.
({0})
Was Sie hier bis jetzt vorgeführt haben, war im Grunde genommen nichts anderes als die lautstarke Überspielung Ihrer unendlichen Verlegenheit, in der Sie sich befinden.
({1})
Verehrter Herr Bundesminister, was Sie hier geboten haben, war zwar, was die Lautstärke anbetrifft, beachtlich.
({2})
Aber ich muß schon sagen: Dies war nicht mehr Schwimmen, sondern dies war schon Wassertreten.
({3})
Diese Betätigung ist verständlich, wenn man sich überlegt, daß Sie sich - bildlich gesprochen - tatsächlich in einem Brunnen befinden, in den Sie gefallen sind. Da kann man sich nur durch Wassertreten am Leben erhalten.
Ich möchte Sie daran erinnern, daß dies ein ernsthaftes Angebot ist, das wir Ihnen gemacht haben. Ihr Argument, das Sie und auch der Redner der FDP - ein wenig zurückhaltender - hier vorgetragen haben: „hätte die Union einen Gesetzentwurf vorgelegt, dann könnte man j a über alles reden", dieses Argument ist nun wirklich ein Scheinargument. Denn Sie wissen ganz genau, verehrter Herr Ehrenberg, verehrte Kollegen von der FDP, hätten wir einen Gesetzentwurf vorgelegt, dann würden Sie natürlich sofort sagen: An diesem Gesetzentwurf ist dieses und jenes völlig unmöglich, da sind so viele Haken und Ösen, darauf können wir nicht eingehen, den müssen wir zurückweisen. - Hier, bei diesem Antrag, der Ihnen vorliegt, brauchen Sie nur ein Ja zu einem breiten Konsens in diesem Parlament zu sagen,
({4})
und am morgigen Tag beginnt das Gespräch über einen Gesetzentwurf zur Sicherung der Montan-Mitbestimmung.
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Ich kann nur hoffen, daß viele, viele Zuhörer dieser Debatte heute gefolgt sind, um einmal zu erleben, wie hier mit außerordentlich vordergründigen und taktischen Argumenten in einer wirklich wichtigen Frage gerade auch von der Partei argumentiert wird, die die Mitbestimmung im allgemeinen und die Montan-Mitbestimmung im besonderen im Wahlkampf zu einem geradezu nationalen Thema machen wollte.
Wir haben ein Angebot zu Gesprächen gemacht. Wir hatten und haben die Hoffnung, daß dies zu einem Gespräch führt, daß ein breiter Konsens heute möglich ist, der Unsicherheiten und Ungewißheiten in dem wichtigen Bereich der Stahlindustrie beseitigt. Sie haben dieses Angebot bis jetzt abgelehnt. Sie müssen sich in der Debatte der kommenden Jahre, die natürlich aus Ihrem Gesetzentwurf heraus geradezu vorprogrammiert ist, dieser Diskussion stellen. Wir werden Sie bei allen Gelegenheiten daran erinnern, daß unsere Offerte an diesem entscheidenden Tag im Deutschen Bundestag vorgelegen hat. Ich bin ganz sicher, daß die Betroffenen an Rhein und Ruhr sich bei diesen kommenden Debatten bis hin zum Jahre 1984 an diesen Tag und an dieses Angebot erinnern werden.
({6})
Ich möchte mich auch mit der Kritik auseinandersetzen, die an diesem Antrag geübt worden ist, den wir hier vorgelegt haben. - Entschuldigen Sie, Herr Kollege Urbaniak, nicht an Ihrer Kritik; denn das war keine Kritik. Sie haben sich durch Ihre Äußerungen vor der Wahl und durch Ihre Äußerungen nach der Wahl für eine ernsthafte Debatte über dieses Thema völlig disqualifiziert.
({7})
Zu Recht ist heute vom Herrn Kollegen Ehrenberg und anderen in die Debatte eingeführt worden, daß die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände die Vorlage der CDU/CSU kritisiert hat. Wir sind kritisiert worden von Herrn Esser und von
Herrn Loderer. Wenn man von Herrn Herrn Esser und von Herrn Loderer in einer solchen Sache kritisiert wird, dann ist dies zumindest ein kleiner Hinweis, der einen vermuten lassen könnte, daß man sich möglicherweise nicht völlig auf dem Holzweg befindet.
({8})
Herr Esser hat die Sorge vorgetragen, daß ordnungspolitische Bedenken bestehen. In der Tat, ich glaube, daß eine rein ordnungspolitisch orientierte Analyse dieser ganzen Lage und auch unseres Entwurfs solche Bedenken sehr wohl tragen könnte. Ich werde in meinen weiteren Ausführungen auch noch einmal deutlich machen, daß wir in der Beratung in unserer Fraktion diese ordnungspolitischen Bedenken sehr wohl gesehen haben, daß wir aber auch andere Argumente gehört und vorgetragen haben, die uns dann zu dieser Entscheidung veranlaßten, die wir getroffen haben. Unser Kollege von Bismarck, der hier freundlicherweise auch lebhaft zitiert wurde, hat die Sorge geäußert, was wir hier vorschlügen, laufe im Grunde genommen auf eine Ausweitung der Montan-Mitbestimmung hinaus. Er fürchtet, daß wir viel, viel weiter gehen als die Bundesregierung. Auch diese Sorge, meine ich, ist sicherlich in der Gesamtlage verständlich, aber nicht begründet.
({9})
Denn wir beziehen uns mit unserem Entschließungsantrag ausdrücklich auf die Sicherung der Montan-Mitbestimmung in dem Bereich, in dem sie am 1. Januar 1980 bestanden hat. Eine Ausweitung ist also nicht vorgesehen.
Ich kann aber die Sorgen beider Herren vor dem Hintergrund verschiedener Aussagen vom linken Flügel der SPD und bedauerlicherweise auch vor dem Hindergrund von Aussagen einiger Gewerkschaftsführer verstehen. Diese Aussagen wollen den Charakter der Mitbestimmung verändern. Sie wollen die Mitbestimmung nicht mehr gewissermaßen als die Institutionalisierung von Partnerschaft betrachten, sondern als ein Instrument zur Machtübernahme darstellen. Wir schließen uns dieser eher defätistisch-resignierenden Auffassung von Mitbestimmung nicht an. Die CDU/CSU ist der Meinung, sie bleibt ein Instrument und bleibt ein Ausdruck des Willens zur Mitverantwortung und Partnerschaft, zum Miteinander an der Stelle von Klassenkampf. Wir beziehen uns dabei auf die überwiegende Mehrheit aller Arbeitnehmer in der Bundesrepublik, auf die Mehrheit des einen Drittels der Arbeitnehmer, die dem DGB angehören, und auf die Mehrheit derjenigen, die in dieser Bundesrepublik Deutschland nicht organisiert sind. Hier wird Partnerschaft gewünscht und gefordert.
({10})
Dies gilt um so mehr, da wir uns nicht nur in der Stahlindustrie, sondern auch in anderen Bereichen der Wirtschaft in einer weiß Gott schwierigen Lage befinden, die wir nur in einem Klima des sozialen Dialogs, des Konsenses, der Übereinstimmung und
niemals auf der Grundlage von Konfrontation oder gar Klassenkampf lösen können.
Die Mitbestimmung befindet sich in den kommenden Jahren insoweit auf dem Prüfstand. Es muß sich erweisen, ob sie dieses Instrument der Partnerschaft ist oder ob sie von einigen als die erste Stufe zur Machtübernahme mißbraucht wird.
({11})
- Bitte schön, Herr Kollege.
Herr Kollege Kiep, darf ich Sie fragen: Wenn Ihnen bei dieser Mitbestimmung die Rechte des einzelnen so am Herzen liegen, hat bei Ihrem Kompromiß mit Herrn Blüm auch die Frage der Verbesserung des Wahlrechtes des einzelnen in der Montan-Mitbestimmung überhaupt eine Rolle gespielt?
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Ich muß mich entschuldigen, Herr Präsident, daß ich hier eingegriffen habe. - Sehr verehrter Kollege, diese Frage hat nicht nur eine sehr große Rolle gespielt, sondern spielt sie und wird sie spielen, und wir werden auf dieses Thema sehr ausdrücklich und sehr umfassend zurückkommen.
({0})
- Ich dürfte einen alten erfahrenen Parlamentarier hier eigentlich nicht belehren, aber ich möchte Sie höflich daran erinnern, Herr Kollege, daß das, was wir hier auf einer Seite vorgelegt haben, nichts anders als die Einladung zu einem Gespräch zu einer Erneuerung und zu einem Konsens ist, der die Mitbestimmung im Montanbereich sichern und verbessern soll.
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Ich sprach davon, daß die Mitbestimmung in den kommenden Jahren auf dem Prüfstand steht. Alle diejenigen, die sie durch Machtansprüche belasten, müssen sich darüber klar sein, daß sie ihre Funktionstüchtigkeit zur Erhaltung des Klimas des sozialen Friedens dadurch beeinträchtigen.
Ich möchte noch kurz auf einen auch bei uns vermuteten Gegensatz eingehen. Herr Kollege Ehrenberg, andere und auch einige Presseorgane haben davon gesprochen, es gebe einen ganz schlimmen Dissens zwischen Blüm und mir in der Frage der Beurteilung der Parität. In der Tat sind Norbert Blüm und ich anderer Meinung, was die Änderung der Mitbestimmung aus dem Jahre 1976 in Richtung auf die Herstellung der vollen Parität betrifft. Ich meine, wir sind 1976 so weit gegangen, wie wir gehen können, ohne eine qualitative Veränderung unserer Wirtschaftsordnung insgesamt herbeizuführen. Norbert Blüm ist hier anderer Meinung, aber dies hat mit dem Thema der Sicherung der Montan-Mitbestimmung überhaupt nicht das geringste zu tun.
({2})
Norbert Blüm hat dies deutlich ausgesprochen: Es gibt hier keine Präjudizierung der Mitbestimmung des Jahres 1976, und es gibt hier keine Verbindungen zu Wünschen, die auch nie geäußert worden sind, etwa im Rahmen der Diskussion über die Mitbestimmung von 1976 Elemente der Montan-Mitbestimmung dort einzuführen.
Wir haben uns in unserer Diskussion in der Fraktion und in der Partei und mit vielen Freunden draußen die Sache nicht leichtgemacht. Wir haben uns letzten Endes vorwiegend auf der Grundlage zusammengefunden, daß unser Antrag die Chance eröffnet, die Montan-Mitbestimmung zu sichern und dadurch ein Klima des sozialen Friedens zu erhalten, das die Voraussetzung für die Lösung der Probleme in der betroffenen Industrie darstellt. Ich darf daran erinnern, und dies geht auch ein wenig an die Adresse der verehrten Arbeitgeberverbände, daß der Gedanke der 30 % keineswegs eine Erfindung der Union ist, sondern daß dieser 30 %-Gedanke von der Ruhr nach hierher eingeführt wurde und wir ihn als eine mögliche Basis für einen Konsens vor der Wahl aufgegriffen haben und ihn heute erneut anbieten.
Ich bin etwas merkwürdig berührt, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der FDP, wenn Sie heute auch in Ihren Erklärungen Ihr abgrundtiefes Entsetzen über das ordnungspolitische Versagen der CDU/CSU zum Ausdruck bringen, die es wagt, einen solchen Entwurf auf den Tisch dieses Hauses zu legen. Erinnern Sie sich noch, verehrte Damen und Herren, daß Ihr eigener Parteivorsitzender Hans-Dietrich Genscher in der Zeit der Koalitionsverhandlungen genau diese 30 %-Lösung mit Zustimmung von Lambsdorff in Ihrer Fraktion vorgetragen hat und Sie sich dann allerdings mehrheitlich anders entschieden haben? Aber Sie wollen doch nun nicht behaupten, daß Herr Genscher und Otto Graf Lambsdorff schluderliche und liederliche Ordnungspolitiker seien, denn das kann j a wohl kaum der Sinn Ihrer heutigen Einlassung gewesen sein.
Wir sollten uns also nichts vormachen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir versuchen hier eine Sicherung der Montan-Mitbestimmung, und Sie haben ein Verschiebungsgesetz vorgelegt.
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Viele unserer Fraktionskollegen, ich sagte es, haben diesem Entwurf zugestimmt, haben diesen Antrag befürwortet im Interesse der Sicherung des Klimas, das notwendig ist, um die Probleme der Stahlindustrie zu lösen. Ich habe aus der Stahlindustrie weder von Betriebsräten, mit denen wir in den letzten Wochen öfter zusammen waren, noch von seiten der Arbeitgeber in diesem Bereich auch nur ein anderes Wort gehört als das: Tut etwas, um die Montan-Mitbestimmung zu sichern, tut etwas, um die Ungewißheit zu beseitigen, die die strukturellen Veränderungen, die wir sowieso vornehmen müssen, ungeheuerlich erschwert! - Diesem Wunsch haben Sie, meine Damen und Herren, auf jeden Fall nicht entsprochen.
({4})
Ich muß sagen: bedauerlicherweise. Das muß hier zu Beginn der zweiten Runde dieser Debatte festgestellt werden, und diesmal ist die FDP auch dabei. Die FDP hat sich jetzt zusammen mit der SPD das Rezept von Willy Brandt aus der Krisensitzung des SPD-Vorstands zu eigen gemacht, das Rezept: wir werden gemeinsam kraftvoll regieren mit einem entschiedenen und entschlossenen Sowohl-Alsauch.
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Sie legen den Grundstein für Unsicherheit und Ungewißheit. Sie schaffen keine Rahmenbedingungen für die Lösung der Probleme der Montanindustrie. Sie tun das Gegenteil, Sie schaffen Unsicherheit und Verwirrung.
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Sie haben mit dieser Tat des heutigen Tages, mit der Ablehnung eines breiten Konsenses über diese wichtige Frage unserer Wirtschaft nunmehr erneut bewiesen, daß Sie nach dem 5. Oktober in keiner wesentlichen Frage der deutschen Politik imstande sind, eine weiterführende Antwort zu geben und zu regieren.
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Sie werden sich als SPD den Vorwurf machen lassen müssen, daß Sie gerade in den Bereichen, in denen Sie immer besonders auf Ihre Fähigkeit zum Konsens und Ihre Nähe zu den Gewerkschaften und Arbeitnehmern hingewiesen haben, daß Sie in diesem entscheidenden Bereich in einer wichtigen Stunde unserer Stahlindustrie hier versagt haben.
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Und Sie, meine Damen und Herren von der FDP, müssen sich auch vorwerfen lassen bzw. müssen sich daran erinnern lassen, daß Ihre Beiträge zur Sicherung des sozialen Friedens, zur Stärkung der Fähigkeit, zur Übereinstimmung und zum Konsens in den letzten Monaten mehr als mangelhaft waren.
Erlauben Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege Kiep?
Sehr gern. Bitte schön!
Sehr geehrter Herr Kollege Kiep, wenn es Ihnen um die Sicherung der MontanMitbestimmung in diesem wichtigen Bereich geht, stimmen Sie dann nicht mit mir überein, daß es mehr Sicherheit bedeutet, wenn innerhalb von sechs Jahren - egal, wie der Montananteil sich entwickelt - Sicherheit besteht, daß aber, wenn Sie sich auf 30 % beschränken und wir heute schon wissen, daß Mannesmann 30 % unterschreiten wird, dies weniger Sicherheit bietet?
Erstens berichtet der Vorstand der Mannesmann AG, daß der Montananteil zur Zeit 38 % beträgt,
({0})
und zwar nach der Übernahme von Hartmann & Braun.
Zweitens möchte ich Ihnen sagen und Sie höflichst daran erinnern, daß der Antrag, den wir hier vorgelegt haben, ein Angebot ist, das dann zum Zuge kommt, wenn Sie Ihren Entwurf zurückziehen, sich mit uns zusammensetzen und um ein neues Gesetz zur Sicherung verhandeln. Dann ist der Zeitpunkt gekommen, wo Sie alle Ihre Wünsche und Anliegen vortragen können.
({1})
Drittens, verehrter Herr Kollege, muß ich Ihnen wirklich sagen: Sie glauben doch selber nicht im Ernst, daß das, was Sie vorgelegt haben, auch nur eine einzige Seite des Problems in irgendeiner Weise löst oder verbessert. Sie institutionalisieren doch die Unsicherheit allein schon dadurch, daß Sie hier erklären, dies sei ein Auslaufgesetz, und die andere Seite erklärt, dies sei ein Sicherungsgesetz. Was soll denn eigentlich ein Arbeitnehmer an der Ruhr noch glauben, wenn er diesem zweistimmigen Chor zuhört?
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Ich war dabei, zum Schluß ein Wort an Sie, meine Damen und Herren der FDP, zu richten über Ihre Rolle in der wichtigen Aufgabe der Sicherung der Fähigkeit zum Gespräch, zum sozialen Dialog und zum Konsens in einer Zeit wirtschaftlicher Schwierigkeiten, in einer Zeit, wo wir erkennen müssen, daß die Ursachen unserer Wirtschaftsprobleme nicht nachfragebedingt, sondern strukturell bedingt sind, wo wir Veränderungen brauchen, Mobilität, Flexibilität bei Arbeitnehmern und Unternehmern. In dieser Lage gilt es, die einzige Rahmenbedingung zu erhalten, die uns im Grunde genommen die Chance gibt, diese Probleme zu lösen. Diese Rahmenbedingung heißt sozialer Friede, heißt Gesprächsbereitschaft, heißt Fähigkeit zum Konsens.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, da stelle ich an Sie die Frage: Glauben Sie eigentlich, daß man den Wert eines Wirtschaftsministers in schwierigen Zeiten, in Zeiten, wo es auf diese Gespräche und diesen Dialog ankommt, ausschließlich an der Lautstärke des Beifalls messen darf, den dieser Wirtschaftsminister auf Arbeitgeberversammlungen erhält?
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Nicht, daß die Wahrheiten etwa falsch wären, die Graf Lambsdorff ausspricht! Aber ich wünschte mir, daß er diese Wahrheiten und Erkenntnisse nicht in der Stadthalle in Bad Godesberg, sondern im Dialog mit den Gewerkschaften am runden Tisch der konzertierten Aktion ausspricht und in Politik zum Wohle des Ganzen umsetzt.
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Meine Damen und Herren, Sie sollten sich überlegen, ob Sie den Prinzipien, denen Sie zu dienen vorgeben, in dieser Debatte am heutigen Tage im Deutschen Bundestag tatsächlich einen Dienst erwiesen haben. Sie sollten sich fragen, ob Sie einen Beitrag zur Lösung der Probleme unserer Stahlindustrie geleistet haben, die in die schwierigste Phase ihrer Geschichte seit dem Wiederaufbau 1949 eintritt.
Ich meine, es war gut, daß der Abgeordnete Wehner hier an Konrad Adenauer erinnert hat. Wir wünschten uns heute einen Regierungschef, der den gleichen Mut hätte und hier angesichts einer so großen Problematik und Krise aufruft zur Gemeinsamkeit, bereit ist zum Gespräch im Interesse einer besseren Lösung für unsere Wirtschaft und die betroffenen Arbeitnehmer.
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Als nächster Redner hat Herr Abgeordneter Dreßler das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst rekapitulieren, daß Herr Kiep die Rolle der Opposition bei der Mitbestimmung im Gegensatz zu Ihrer romantischen Darstellung, Herr Blüm, eindeutig herausgearbeitet hat und daß Sie zweitens wieder einmal klargestellt haben, wie bedeutsam Ihnen Mitbestimmung vorkommt.
({0})
Es war nämlich so, daß Sie sich sehr große Mühe gemacht haben, einen ausgefeilten Gesetzentwurf zu den leitenden Angestellten vorzulegen - das war Ihnen so wichtig, Herr Blüm -;
({1})
aber bei der Montan-Mitbestimmung reicht es nur zu einer Entschließung.
({2})
Das ist der Unterschied, und das sind Ihre Wichtigkeitsgrade, das sind die Prioritäten, die Sie setzen.
Ich war noch nicht elf Jahre alt, Herr Blüm, als das Montan-Mitbestimmungsgesetz 1951 verabschiedet worden ist.
({3})
Mir wurde ab den 60er Jahren und in verstärktem Maße ab den 70er Jahren immer klarer, daß die CDU/CSU diesen gesellschaftspolitischen Sündenfall - der es für sie damals schon war - im Grunde bis heute noch nicht überwunden hat. Die übergroße Mehrheit der Union sieht nun die Stunde gekommen, ihre Jugendsünde des Jahres 1951 aufzuarbeiten. Mit einer Resolution soll verdeckt werden,
({4})
daß in der CDU/CSU-Fraktion im Grunde die Unfähigkeit
({5})
zur Entwicklung eines Gesetzentwurfes den Vorsitz übernommen hat.
Der CDU-Sozialausschußvorsitzende Blüm hat in dieser Woche - und das haben Sie, Herr Blüm, hier heute morgen wiederholt - gegenüber der Presse auch erklärt, er verstehe nun die Welt nicht mehr, weil der IG-Metall-Vorsitzende Eugen Loderer diesen Resolutionsentwurf nicht für eine praktikable Lösung hält. Dem Kollegen Blüm ist dabei verborgen geblieben, daß seine Partei durch seine Präsidi1286
umskandidatur mit ihm im Grunde genau das gleiche wie mit seinem Vorgänger praktiziert: Er wird so lange befördert, bis er mit Sicherheit unwirksam ist. Herr Blüm, wissen Sie, was Sie machen? Sie schieben Ihren Mitgliedern der Sozialausschüsse synthetischen Kaugummi zwischen die Zähne,
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und die Tragik, Herr Blüm, besteht darin, daß Sie Ihre Leute glauben machen wollen, daß sie auf echten Problemen herumbeißen.
({7})
Meine Kritik, Herr Blüm, an der durch sprachlichen Nebel verdeckten konkreten Initiativlosigkeit der Opposition ist die folgende. Unsere Zivilisation hat einen Status erreicht, in dem das allgemeine Bildungsgut auch Ihnen zugänglich gemacht wird.
({8})
Mit relativ geringfügigen Mitteln hätten Sie, Herr Blüm, in Erfahrung bringen können, daß Ihre Resolution einerseits die Montan-Mitbestimmung nicht auf Dauer sichert - das wissen Sie ganz genau - und daß andererseits der zeitliche Ablauf - 1. Juli 1981 - für Mannesmann bedeuten würde, daß die Montan-Mitbestimmung ausgeklinkt wird.
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Es ist erstaunlich, Herr Blüm, daß es Ihnen immer wieder gelingt, diese Hilflosigkeit zuzudecken. Die Frage ist nur, wie lange Sie eigentlich den geistigen Hunger Ihrer Sozialausschüsse weiterhin werden betäuben können. Ich nehme an, die werden das doch langsam auch durchschauen!
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Meine Damen und Herren von der Opposition, wenn es Ihr Amt ist, über die Inhalte der von der Regierung oder den sie tragenden Parteien eingebrachten Gesetzentwürfe zu wachen, dürfen Sie sich natürlich nicht - das räume ich Ihnen gern ein - davor scheuen, Ärgernis zu erregen oder sogar Aufruhr dagegen anzustiften. Aber dann müssen Sie Ihre ideale Forderung erheben, selbst wenn diese später von den Realitäten der Gegebenheiten, nämlich anderen Mehrheiten, abgeschliffen wird.
Was aber machen Sie - und Sie, Herr Müller, machen mit -: Sie machen sich das alte chinesische Sprichwort zu eigen „Die Wissenden reden nichts, und die Redenden wissen nichts".
({11})
Die Sicherung der Montan-Mitbestimmung ist Sache des Gesetzgebers geworden. Es wäre aber nicht notwendig gewesen, den Gesetzgeber unter Druck zu setzen. Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite hätten sich bei Mannesmann schon vor einem Jahr auf eine vertragliche Sicherung der Montan-Mitbestimmung einigen können, wenn der Mannesmann-Vorstand nur gewollt hätte. Für die Arbeitgeber war die echte Mitbestimmung seit jeher ein Dorn im Auge. Für den Mannesmann-Vorstand war dieser hand-streichartige Versuch, sich von der Montan-Mitbestimmung abzukoppeln, nicht die erste Aktion, die dazu diente, sich der lästigen Kontrolle durch Arbeitnehmer und Gewerkschaften zu entziehen.
Wir haben es hier mit einer breit angelegten Strategie zu tun. Zu erinnern ist ausdrücklich immer wieder an die Verfassungsklage der Arbeitgeber gegen das Mitbestimmungsgesetz 1976. Damit sollte ja die Grenze für die Mitbestimmung der Arbeitnehmer ein für allemal festgeschrieben werden. Das Bundesverfassungsgericht hat den Arbeitnehmern diesen Gefallen bekanntlich nicht getan.
Die Stärkung der Position des Arbeitnehmers ist für Sozialdemokraten eine ständige Aufgabe. Die Mitbestimmung der Arbeitnehmer ist durch das Betriebsverfassungsgesetz von 1972 und das Mitbestimmungsgesetz 1976 nicht abgehakt. Der Gesetzgeber muß auf dem bisherigen Weg weiterarbeiten. Es kommt auch darauf an, die praktische Anwendung der Mitbestimmungsgesetze zu verbessern. Dazu ist ständig Gelegenheit, auch jetzt. Die SPD streitet für den Ausbau und die Sicherung der Mitbestimmungsrechte. Die verschiedenen Mitbestimmungsebenen sind nicht voneinander zu trennen. Für die Unternehmensmitbestimmung ist es nicht gleichgültig, wie dabei der Unterbau aussieht.
Der Mannesmann-Vorstand hat betriebswirtschaftliche Sachzwänge erfunden, die die angebliche Nebenfolge hätten, daß das Unternehmen aus der echten Mitbestimmung herausfallen würde. Tatsächlich ist es genau umgekehrt. Die IG Metall hat Organisationsmodelle präsentiert, die, wäre man ihnen gefolgt, die Sachprobleme gelöst und gleichzeitig den Verbleib in der Mitbestimmung ermöglicht hätten. Im Aufsichtsrat hat sich schließlich die Arbeitgeberseite durchgesetzt. Deshalb muß bis zur Jahresmitte die gesetzliche Änderung erfolgen.
Die politischen Parteien haben auf das Problem unterschiedlich reagiert.
({12})
Allein die SPD, Herr Müller, hatte nach kurzer Zeit einen ausformulierten Gesetzentwurf zur Dauersicherung der Montan-Mitbestimmung vorzuweisen.
({13})
Sie haben es doch bis zu dieser Stunde nicht dazu gebracht und werden es auch im weiteren Verlauf der Beratungen dazu nicht bringen können.
({14})
Es ist kein Geheimnis, daß die Koalitionsparteien in der Mitbestimmungsfrage unterschiedliche Positionen haben. Das bestreitet hier niemand.
Herr Kollege Dreßler, erlauben Sie eine Zwischenfrage?
Herr Präsident, ich möchte das hier im Zusammenhang ausführen. Ich bitte den Kollegen Franke dafür um Verständnis.
({0})
Gleichwohl haben sich die Koalitionsfraktionen in der schwierigen Mitbestimmungsfrage immer wieder verständigt und zu einem gemeinsamen Konzept gefunden.
({1})
Beim Betriebsverfassungsgesetz 1972 war das nicht anders als beim Mitbestimmungsgesetz 1976. Auch der Koalitionskompromiß, den der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung am 24. November letzten Jahres dargestellt hat, liegt auf dieser Linie.
Am 27. November 1980 hat der Kollege Blüm - im übrigen heute morgen wieder - in der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung u. a. in ironischer Form gefragt: „Was ist eigentlich, Herr Wehner, aus Ihrem Gruppenantrag geworden, den Sie vor der Wahl mit großem Getöse im Bundestag eingebracht haben?"
({2})
Dieser Gruppenantrag, Kollege Blüm - das unterscheidet uns von Ihnen -,
({3})
kann in diesen Monaten nicht als Gesetzesinitiative eingebracht werden, weil es für diese SPD-Initiative, die die paritätische Mitbestimmung unbefristet festschreibt, in diesem Hause keine Mehrheit gibt.
({4})
Herr Kollege Blüm, was wollen Sie eigentlich noch mehr?
({5})
Ich sage Ihnen, es ist völlig zweifelsfrei, daß die Sozialdemokraten in diesem Hause - das ist hinreichend bekannt - die einzige Fraktion sind, die die Montan-Mitbestimmung ohne Wenn und Aber und
darüber hinaus Mitbestimmung überhaupt unbefristet sichern respektive einführen würde.
({6})
Herr Kollege Dreßler, der Abgeordnete Graf Stauffenberg möchte eine Frage stellen. Erlauben Sie eine Zwischenfrage?
Nein, ich erlaube keine Zwischenfrage, Herr Präsident. Ich komme sonst mit der Zeit nicht aus.
({0})
Sie haben versprochen, Herr Blüm, versprechen dürfen, daß Sie einen Gesetzentwurf einbringen. Dies war vor der Wahl. Ich stelle fest: Daraus ist nur eine Resolution geworden,
({1})
die Sie der Presse allerdings mit großem Getöse vorstellen durften.
({2})
Dabei hatten Sie, Herr Blüm, einen Aufpasser als Begleitperson; den haben Sie nicht verhindern können. Damit kein Zweifel aufkam, hat dann Ihre Begleitperson, der wirtschaftspolitische Koordinator Kiep, erklärt, daß er für paritätische Mitbestimmung nichts übrig habe; so ist das der Presse zu entnehmen. Sie, Herr Blüm, haben auf der Pressekonferenz natürlich nicht widersprechen dürfen.
({3})
Ich frage Sie - auch nach Ihrem Auftritt hier heute morgen -: Was glauben Sie den Arbeitnehmern eigentlich noch alles zumuten zu können?
({4})
Herr Blüm, daß man in einer Partei, in seiner Partei einmal unterliegt, ist ja kein Drama. Wenn man in seiner Partei aber ständig unterliegt, dann wird das zu einer Frage des persönlichen Geschmacks, und da sind Sie bekanntlich nicht pingelig.
({5})
Es ist nur schlimm, daß Sie das den Arbeitnehmern auch immer noch als Erfolg zu verkaufen suchen.
({6})
Die Union, meine Damen und Herren, hat an die Wahlkampfaussagen zur Mitbestimmung angeknüpft, allerdings auch jetzt wieder - ich wiederhole das immer wieder - keinen Gesetzentwurf präsentiert, sondern lediglich eine Entschließung.
({7})
Dies als normal zu bezeichnen, ist ein leicht durchschaubares Ablenkungsmanöver.
({8})
Denn tatsächlich, Herr Blüm, ging es in Ihrer Fraktion um den kleinsten gemeinsamen Nenner zwischen Wirtschaftsrat und Sozialausschüssen.
({9})
Im übrigen wiederhole ich: Sie präsentieren ja auch sonst Gesetzesvorlagen, wenn nicht die ganze Fraktion dahintersteht. Und: Wo waren eigentlich die 100 Mann, die laut Presseberichten nicht da waren, als Sie über Ihre Entschließung abgestimmt haben?
({10})
Die angebliche Mitbestimmungszusage des Kanzlerkandidaten war tatsächlich nichts wert, weil der Vorschlag nach allen Regeln der Kunst abgesichert war.
({11})
Der Vorbehalt, das gesamte Parlament und die Tarifvertragsparteien müßten zustimmen, war in Wirklichkeit eine Null-Option, und er ist es auch geblieben.
Nun fordert die Union neue Koalitionsverhandlungen unter eigener Beteiligung und macht dazu einen ganz allgemein gehaltenen Vorschlag, der
({12})
- würde man ihm tatsächlich folgen und ein entsprechendes Gesetz machen - bestenfalls für zwei, drei Jahre weiterhelfen könnte. Das, was die Koalition, Herr Blüm, vorgeschlagen hat, hilft dagegen konkret bis 1987.
({13})
Außerdem ist das Verfahren selbst terminlich abgesichert. Die Union weiß natürlich auch, daß das gesamte Verfahren innerhalb der nächsten drei Monate abzuwickeln ist, weil Mannesmann sonst am 1. Juli aus der Mitbestimmung herausfällt. Wer hinter diesem Entschließungsantrag etwa böse politische Absicht vermutet, liegt so ganz falsch ja wohl nicht.
({14})
Ziel des Antrages ist nicht die Sicherung der Mitbestimmung, sondern Ziel des Antrages ist es, der Koalition den politischen Erfolg vorzuenthalten.
({15})
Für Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, ist der Mitbestimmungsstreit hier und heute nur ein taktisches Spiel, um Punkte zu machen.
({16})
Aber selten war der Ansatz so einfältig angelegt wie jetzt.
({17})
Der CDU-Abgeordnete Blüm, meine Damen und Herren, hat am vergangenen Sonntag in Oberhausen anläßlich des 22. Welttages der Behinderten u. a. sein Verhältnis zu den Betriebsräten der Bundesrepublik Deutschland offenbart. Er forderte sie nämlich auf, als Suchtrupp für Behinderten-Arbeitsplätze tätig zu werden,
({18})
ohne Kenntnis der realen Einflußmöglichkeiten, ohne Kenntnis der wirklichen Rechte, die Betriebsräten auf diesem Felde gegeben sind. Natürlich haben Sie dort, was Ihren Vorschlag angeht, weder den Betriebsräten noch den Behinderten etwa konkrete politische Hilfe angeboten.
({19})
Sie wollten sie lediglich dazu animieren, Suchtrupp zu sein. Ich frage Sie heute: Warum betätigen Sie sich nicht mit einigen in Ihrer Fraktion als Suchtrupp nach einem Gesetzentwurf zur Sicherung der Montan-Mitbestimmung?
({20})
Das, was Sie machen, ist, die SPD-Fraktion, die FDP-Fraktion, den Bundestag aufzufordern, nun wiederum die Bundesregierung aufzufordern, Ihnen die Arbeit abzunehmen.
({21})
Herr Blüm, Sie sind ja ein begeisterter Interview-Geber hinsichtlich der nicht vorhandenen CDU-Programmatik auf dem Felde der Mitbestimmung. Jetzt suchen Sie bei den Sozialdemokraten und den Freien Demokraten Hilfe. Wir sind zwar bestürzt, Herr Blüm, aber wir können Ihnen nicht helfen; dafür ist Ihr taktisches Sündenregister zu lang.
({22})
Fernsehjournalist und CDU-Mitglied Franz Alt hat am 8. März 1981 im „Allgemeinen Sonntagsblatt" einen bemerkenswerten Artikel über den inneren Zustand der CDU veröffentlicht. Darin findet sich u. a. die bezeichnende Passage - ich zitiere -:
Kürzlich fragte ich einen ministrablen Bonner Unionspolitiker, was denn die Opposition machen würde, wenn sie morgen regieren müßte. Seine Antwort war kennzeichnend für die Lage:
({23})
Um Gottes willen; man muß doch nicht gleich mit dem Schlimmsten rechnen!
({24})
Diesen ungenannten Oppositionskollegen und alle möglichen anderen können wir beruhigen: Sie müssen nicht damit rechnen. Im übrigen hat Ihr Parteifreund Franz Alt im gleichen Artikel am 8. März im „Allgemeinen Sonntagsblatt" für die CDU/CSU bereits den Wahlslogan für das Jahr 2000 vorgeschlagen, nämlich: „31 Jahre SPD sind genug".
({25})
Der Bundeskanzler hat in der Regierungserklärung schon unterstrichen, daß die Gesetzesvorlage zur Sicherung der Mitbestimmung auf allen Seiten auch Wünsche offenläßt. Das gilt, wie jeder weiß, nicht nur für die Arbeitnehmerseite, sondern auch für die Gewerkschaften, die die dauerhafte Sicherung der Montan-Mitbestimmung jetzt schon durchgesetzt wissen wollen.
In der Zielsetzung unterscheiden wir uns in keiner Weise von den Gewerkschaften. Wir wollen nicht nur die Sicherung der echten Mitbestimmung, sondern auch den Ausbau. In unserem Grundsatzprogramm heißt es:
Die Mitbestimmung in der Eisen- und Stahlindustrie und im Kohlenbergbau ist ein Anfang zu einer Neuordnung der Wirtschaft. Sie ist zu einer demokratischen Unternehmensverfassung für die Großwirtschaft weiterzuentwickeln.
Und im „Orientierungsrahmen '85" der SPD heißt es genauso:
Die Unternehmensverfassung durch Gesetze umzugestalten, ist unser Ziel. Dabei geht es darum, in der Unternehmensordnung die Arbeitnehmer neben den Anteilseignern gleichberechtigt zu beteiligen.
Wir gehen vom Grundsatz der Gleichberechtigung und Gleichgewichtigkeit von Arbeitnehmern und Anteilseignern aus. Das hat schon Willy Brandt in seiner Regierungserklärung vom 18. Januar 1973 wörtlich gesagt.
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Wir wollen das, was jetzt möglich ist, tun, und kündigen weitere Aktivitäten ausdrücklich an. Damit ist nicht nur das gegenwärtige Gesetzgebungsverfahren gemeint. Das jetzt zur Beratung anstehende Gesetz ist nur die erste Stufe der dauerhaften Sicherung der Montan-Mitbestimmung.
Das Präsidium der SPD hat am 1. Dezember 1980 ausdrücklich erklärt:
Die SPD wird sich selbstverständlich darum kümmern, daß spätestens 1987 eine ihren Vorstellungen entsprechende Anschlußgesetzgebung gefunden wird. Sie wird sich auch auf dem Weg dahin darum bemühen, die Mitwirkungs-und Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer in der Wirtschaft auszubauen.
Für die SPD sind Einheitsgewerkschaften und Mitbestimmung die tragenden Säulen der zweiten deutschen Demokratie. Die Montan-Mitbestimmung - das bestreiten selbst die Gegner nicht - hat in den beiden besonders schwierigen Bereichen Kohle und Stahl tiefgreifenden Strukturkrisen lösen helfen.
Allerdings: Mitbestimmung nur da, wo schwierige Probleme zu lösen sind und wo man die Gewerkschaften mit in die Pflicht nehmen kann, das ist ein reichlich billiges Konzept, um Lasten auf andere abzuschieben. Mitbestimmung ist überall erforderlich, nicht nur für wirtschaftliche Notfälle.
Die Gewerkschaften sind mit der Vorlage nicht zufrieden. Sie wollen die dauerhafte Sicherung der Mitbestimmung jetzt. Die bisherigen Gespräche haben gezeigt, daß für das, was im SPD-Gruppenantrag aus der vorigen Wahlperiode enthalten war, zur Zeit keine parlamentarische Mehrheit zu erhalten ist - innerhalb der Koalition nicht und außerhalb erst recht nicht. Das zeigt sich jeden Tag aufs neue.
({27})
- Der Gesetzentwurf der Bundesregierung wird zügig beraten, Herr Müller, damit das Gesetz zur Jahresmitte im Gesetzblatt steht.
({28})
Wir werden verhindern, daß die Mannesmann-Strategie letztendlich doch noch aufgeht. Wir werden den aktuellen Anlaß des Gesetzgebungsverfahrens nicht aus dem Auge verlieren.
Der jetzt schon 30jährige Kampf um die Sicherung der Montan-Mitbestimmung geht weiter. Die dauerhafte Sicherung der Montan-Mitbestimmung sollte möglichst bald, muß aber spätestens in der nächsten Wahlperiode erreicht werden.
Mit Vergnügen, Herr Kollege Blüm, habe ich am 18. März, also vor zwei Tagen, über eine Rundfunkstation gehört, daß Sie erklärt haben, Ihre Resolution sei ein Beitrag, den sozialen Frieden zu sichern. Der Moderator dieser Sendung vor zwei Tagen kommentierte Ihre Formulierung direkt im Anschluß mit dem Satz: Das kann nur heißen, daß auch Sie dem Regierungsentwurf im Mai zustimmen werden. - Dem habe ich nichts hinzuzufügen. Schönen Dank.
({29})
Als nächstem Redner erteile ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Haussmann das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Wir von den Freien Demokraten sind enttäuscht über diese Debatte, weil beide große Parteien sich zwar in einen Streit um die Sicherung einer ganz bestimmten Mitbestimmungsverfassung begeben,
({0})
aber keine der beiden Fraktionen mehr als einen Satz darauf verwendet hat, wie denn die Wahlverfahren für den einzelnen in dieser Mitbestimmungsform verbessert werden können. Das ist für uns die zentrale Frage.
({1})
Herr Kiep, Sie haben ja in der Antwort auf meine Frage Ihre Unsicherheit nur verborgen, indem Sie zugeben mußten, daß in Ihrem Entschließungsantrag nichts, aber auch gar nichts, von einer Verbesserung des Wahlverfahrens steht.
({2})
Von Ihrer publizistischen Liberalität ist wirklich nicht mehr viel übriggeblieben.
Ich bin enttäuscht und möchte im Namen der FDP-Fraktion Ihre Behauptung entschieden zurückweisen, die Sie hier im Deutschen Bundestag aufgestellt haben, daß sich der Wirtschaftsminister der FDP, Graf Lambsdorff, zuwenig um den sozialen Frieden
({3})
und viel zu sehr um den billigen Beifall der Arbeitgebervereinigungen kümmere.
({4})
Wer bei dieser Veranstaltung in Bad Godesberg dabei war - Sie waren wie ich dabei -, der weiß, daß sich Graf Lambsdorff sehr engagiert mit den Arbeitgebern auseinandergesetzt hat, der weiß, daß er sie vor einem weiteren Weg in den Protektionismus gewarnt hat; er hat sie vor einer Preispolitik gewarnt, die die Stabilität und damit die Tarifverhandlungen erschweren würde. Wenn Sie das hier nicht zur Kenntnis nehmen und ihm nur billiges Schielen nach Beifall nachsagen,
({5})
so ist das eine Position - an sich haben Sie eine sehr konstruktive Position gehabt -, die von diesem Ihrem Auftreten hier im Bundestag an nicht mehr gilt. Ich würde Sie schon sehr bitten, daß Sie nachher hierzu noch etwas Klärendes sagen.
Zum zweiten, Herr Kiep, bin ich ebenfalls sehr enttäuscht darüber, daß Sie der zentralen Frage, unter welchen Voraussetzungen in einer Gesellschaftsordnung wichtige Unternehmensverfassungen zu gelten haben, ausweichen. Sie treten nun für jene 30 %-Regelung ein. Sie haben sich für diese Regelung nicht begeistert, sondern sind in Ihrer Fraktion mit Ihren ursprünglichen Vorstellungen unterlegen - das hat auch die Pressekonferenz gezeigt -; Herr Blüm hat sich durchgesetzt.
({6})
Es handelt sich hier nicht um eine dauerhafte Sicherung der Montan-Mitbestimmung, wie Sie sagen, sondern nur um eine Sicherung bis zu dem Punkt, an dem die 30 % erreicht sind. Es gibt völlig verschiedene Auskünfte über den Montananteil der Firma Mannesmann. Uns liegen sehr seriöse Auskünfte vor, daß durch neue und geplante Zukäufe im Falle Mannesmann im Laufe dieses Jahres die 30 %Grenze unterschritten wird. Ich möchte Sie fragen:
Was hat dies mit Sicherung zu tun? Ich bin durchaus der Meinung, daß der liberale Wirtschaftsminister in einem Kompromiß mit den Sozialdemokraten mittels jener 6-Jahre-Regelung dafür gesorgt hat, daß der soziale Friede gewahrt wird, und zwar unabhängig von der Umsatzgrenze.
({7})
- Herr Blüm, wir wissen doch heute schon, daß viele Firmen diese Umsatzgrenze unterschreiten werden.
({8})
- Natürlich wissen wir das.
({9})
Natürlich gab es eine große Diskussion - auch in Ihrer Fraktion -, ob es Sinn hat, eine bestimmte Zahl festzuschreiben, über die morgen erneut diskutiert werden muß. Wenn es heute 30 % sind, sind es morgen vielleicht 25 % und übermorgen 20 %. Das ist die fehlende ordnungspolitische Standfestigkeit, Herr Kiep, die Sie in dieser Frage in Ihrer Fraktion nicht durchsetzen konnten. Nach Ihrer Regelung würde es zu einem Pendeln zwischen verschiedenen Unternehmensverfassungen bei Unterschreiten und Überschreiten dieser 30 %-Grenze kommen. Das ist gegen die Dynamik all dieser Firmen, die nicht bei jedem Unternehmenszukauf vorher sollten planen müssen, ob sie nun unter diese oder unter eine andere Form der Mitbestimmung fallen. Deshalb - das darf ich hier noch einmal für meine Fraktion richtigstellen - ging es bei dem Vorschlag, den Herr Hirsch gemacht hat, bei den Vorschlägen, die Graf Lambsdorff und Herr Genscher in ihrer Fraktion gemacht haben, nie allein um die Frage des 30 %-Anteils. Das war ein Element eines möglichen Kompromisses
({10})
mit den Sozialdemokraten. Es ging den Freien Demokraten immer darum, was wir auf der anderen Seite an Verbesserung des Wahlverfahrens einhandeln können.
({11})
Sie haben in Ihrer Fraktion Null an Verbesserung des Wahlverfahrens eingehandelt. Deshalb ist es ein ganz schlechter Kompromiß.
({12})
Ich darf für meine Fraktion erklären: Nach wie vor ist für uns richtig, was Naumann damals, vor vielen Jahrzehnten, geschrieben hat. Uns geht es darum, vom Industrieuntertanen zum Industriebürger zu kommen. Und daher ist bei jeder Mitbestimmungsregelung für uns der Grad an innerbetriebDr. Haussmann
licher Demokratie entscheident. Dies ist entscheidend eine Frage des Wahlverfahrens.
({13})
Im Gegensatz zur organisationsbezogenen Montan-Mitbetimmung erweitert eben die Regelung der 76er Mitbestimmung die Rechte des einzelnen Arbeitnehmers. Aus liberaler Sicht müssen mit wachsender Mündigkeit Mitwirkungsrechte, die zunächst allein von den Arbeitnehmerorganisationen wahrgenommen wurden, auf den einzelnen Arbeitnehmer übergehen. Das ist unsere Position. Dies ist auch der Grund, warum wir uns dafür einsetzen, daß langfristig die 76er Mitbestimmung dort gelten muß, wo Unternehmen nicht mehr mehrheitlich montangeprägt sind.
Wir haben großes Verständnis - und Herr Hölscher hat das ausgeführt -, daß vor allem die Sozialdemokraten, die deutschen Gewerkschaften und Teile der CDU aus historischen Gründen an dem bestehenden Modell der Montan-Mitbestimmung festhalten müssen. Daher gilt auch für die FDP, was Adolf Schmidt damals bei der Lesung der 76er Mitbestimmung ausgeführt hat:
Wir stellen uns dem Vergleich beider Mitbestimmungsformen, der 76er Mitbestimmung und der Montan-Mitbestimmung. Und wir regen an, daß nach einigen Jahren durch empirische Befragungen bei den dort Beschäftigten festgestellt wird, welche Form der Mitbestimmung dem einzelnen ein höheres Maß an individueller Mitbestimmung gibt.
Wenn dieses Urteil da ist, dann ist nach sechs Jahren auch der Zeitpunkt gekommen, wo Freie Demokraten mit Sozialdemokraten entscheiden können, welche Verbesserungen bei beiden Mitbestimmungsformen möglich erscheinen.
Was nun Ihren Vorschlag angeht, Herr Kiep und Herr Blüm, so ist es nicht so, daß Sie sich deshalb so gut in der Mitte befinden, weil sowohl Gewerkschaften als auch Arbeitgeber Sie kritisieren. Das ist eine Position, die wir oft auch einnehmen. Aber der Inhalt der Kritik beider großen Verbände zeigt, daß Sie sich opportunistisch verhalten haben. Die Gewerkschaften glauben Ihnen nämlich nicht, daß Sie es ernst meinen. Die Gewerkschaften sagen, daß Sie einen Gesetzentwurf hätten vorlegen können und keinen Entschließungsantrag. Die Arbeitgeber sagen: Dies ist eine opportunistische Haltung, die man im Wahlkampf von der CDU noch erwarten konnte. Die Arbeitergebervereinigungen sind sehr erstaunt, daß sich die CDU in ihrer Mehrheit, mit 16 Gegenstimmen, in ihrer Fraktion, für diese 30 %-Regelung ausgesprochen hat.
Herr Blüm - wenn ich Ihnen das noch sagen darf -: Der deutsche Mittelstand weiß natürlich gerade auch nach dieser Regelung, woran er bei einer CDU-Regierung wäre. Das ist klar.
({14})
- Der Mittelstand hat die Angst, daß die CDU immer mehr zu einer Partei wird, die aus wahl- und parteitaktischen Erwägungen zentrale ordnungspolitische Vorstellungen zur Disposition stellt.
({15})
Die ordnungspolitische Vorstellung ist in diesem Punkt, daß es wichtig ist, daß die Unternehmer und Unternehmen wissen, ab welcher Montan-Grenze endgültig die Unternehmensform wechselt
({16})
- und ab welcher Beschäftigungsgrenze, Herr Blüm.
Entweder ist richtig, was Sie behaupten, daß Sie eine dauerhafte Sicherung der Montan-Mitbestimmung wollen - dann ist auch die Frage der Beschäftigtengrenze noch einmal aufgeworfen - oder aber es ist richtig, was Herr Kiep laut „FAZ" gesagt hat: daß er sich gegen eine Aufrechterhaltung der paritätischen Mitbestimmung langfristig wehre. Ich habe das Zitat hier.
({17})
- Ja, ich sage gerne etwas dazu, Herr Kiep. In dem Maße, Herr Kiep, wie Sie sich dafür einsetzen, daß ein Unternehmen, das zu 70 % keinen Montananteil mehr hat, trotzdem unter die Montan-Mitbestimmung fällt, setzen Sie sich umgekehrt natürlich für eine Ausweitung dieser Mitbestimmungsform auf Bereiche ein, die bisher von dieser Mitbestimmungsform nicht erfaßt waren. Sonst macht Ihr Antrag ja keinen Sinn. Sie setzen sich für die Beibehaltung der Montan-Mitbestimmung in Unternehmen ein, die bis zu 70 % mehrheitlich nicht mehr montangeprägt sind. Das ist das, was Herr Blüm will, und das wollen Sie abstreiten. Aber entweder ist ihr Angebot hinsichtlich dieser Firmen nicht glaubhaft - ({18})
- Ich freue mich, daß es auch im Parlament möglich ist, völlig unabhängig von einer vorbereiteten Rede einen solchen Dialog zu führen. Leider habe ich aber nur noch wenig Zeit zur Verfügung und möchte deshalb zum Schluß für die Freien Demokraten noch einmal folgendes erklären.
Wir sind nach wie vor bereit, mit allen Fraktionen des Deutschen Bundestages über alternative Mitbestimmungsformen zu diskutieren. Richtig ist, was Adolf Schmidt in der ersten Lesung erklärt hat. Wir haben mit der 76er-Mitbestimmung erst wenige Erfahrungen. Wir haben jedoch die Erfahrung mit der Montan-Mitbestimmung. Wir werden diesen sechsjährigen Übergangszeitraum dazu nutzen, bei beiden Mitbestimmungsformen, wenn es möglich ist, Verbesserungen zu erreichen.
Maßstab der Freien Demokraten bleibt letztlich, in welcher Mitbestimmungsform der einzelne ein höheres Maß an Mitwirkung und Mitverantwortung in der deutschen Wirtschaft hat. - Vielen Dank.
({19})
Das Wort hat der Bundesminister Ehrenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur zwei kurze Bemerkungen im Anschluß an die Ausführungen des verehrten Kollegen Kiep. Ich habe nicht gesagt, Herr Kiep, daß sich über Ihren Vorschlag reden ließe, wenn er als Gesetzentwurf vorläge. Ich habe lediglich bedauert, daß Sie keinen Gesetzentwurf vorgelegt haben; denn ohne ihn werden Sie bis zum 1. Juli 1981 gar nichts mehr erreichen. Deshalb muß ich an Ihrer Ernsthaftigkeit zweifeln.
Lassen Sie mich erläutern, warum sich darüber nicht reden läßt: weil die 30 %-Grenze völlig ungeeignet ist, Sicherheit zu bringen. Ich habe versucht, vorher deutlich zu machen, warum das so ist. Leider ist darauf keiner eingegangen, weder Herr Blüm noch Herr Kiep.
({0})
- Im Mitbestimmungsgesetz von 1951 gibt es keine Grenze von 50 %, verehrter Herr Blüm. Das müssen Sie einfach sehen: Sie würden in das 51er Gesetz eine Grenze neu einfügen, die gewissermaßen für alle Organisationsreformatoren in den Unternehmen das Signal wäre, so lange hin und her zu organisieren, bis sie unter die 30 %-Grenze fallen, was heute eben nicht möglich ist.
Herr Bundesminister, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Blüm?
Bitte.
Herr Bundesminister, können Sie bestätigen, daß Herbert Wehner den Vorwurf erhoben hat, der Strauß-Vorschlag sichere die Montan-Mitbestimmung außerhalb der Konzernebene nicht, weil in ihm die 30 %-Grenze nicht enthalten sei? Ich bin gerne bereit, Ihnen den entsprechenden Aufsatz zu geben.
Ich habe den letzten Halbsatz akustisch nicht verstanden. Können Sie ihn noch einmal wiederholen?
Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten aus dem Aufsatz Ihres Fraktionskollegen:
Für die übrigen 30 unter das Montan-Mitbestimmungsgesetz fallenden Unternehmen, die keine
Konzernspitze sind, wäre auf diese Weise eine
Sicherung der Montan-Mitbestimmung nicht zu erreichen.
Jetzt wollen wir die 30 %-Grenze in das 51er Gesetz aufnehmen, jetzt ist Ihnen das auch nicht recht.
Nein, die 30 % sind keine Sicherung der Mitbestimmung. Ihr Zitat belegt das, was ich gesagt habe, und widerlegt es nicht. Sie reden immer davon, daß 30 % besser sind als 50 %. Das würde stimmen, wenn es im Mitbestimmungsgesetz 1951 eine Grenze von 50 % gäbe. Aber diese Grenze gibt es nicht. Ich bitte Sie wirklich, den Text des 51er Gesetzes nachzulesen.
({0})
- Das 56er Gesetz trifft bis jetzt ja ausschließlich für Salzgitter zu. Ich habe nicht die Absicht, verehrter Kollege Müller, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Unternehmen geradezu auffordern würde, durch organisatorische Veränderungen von der 51er Regelung in die schwächere Form der 56er Regelung überzuwechseln. Das ist nicht unsere Absicht.
({1})
Herr Minister, erlauben Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Blüm?
Bitte.
Herr Minister, können Sie bestätigen, daß der Begriff „überwiegend", der im 51er Gesetz steht, von der herrschenden Rechtsmeinung mit „50 %" übersetzt wird?
Nein, das ist nicht die herrschende Rechtsprechung. Verehrter Herr Kollege Blüm, Sie müßten hier schon bitte sauber unterscheiden. Ich habe es in meiner Rede getan; aber scheinbar wird hier nicht zugehört. Der Begriff „überwiegender Betriebszweck" bezieht sich im 51er Gesetz ausschließlich auf Unternehmen des Bergbaus, nicht auf die Eisen- und Stahlindustrie. Für die Eisen- und Stahlindustrie bezieht sich das 51er Gesetz auf die Substanzmasse aus den Listen. Ein Unternehmen der Eisen- und Stahlindustrie, das auch nur eine einzige Tonne Stahl produziert, wird nach dem 51er Gesetz von diesem Gesetz erfaßt. 30 %, die Sie als neue Grenze einführen wollen, sind sehr viel weniger. So ist die Rechtslage und nicht anders.
({0})
Herr Bundesminister, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Müller?
Bitte.
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß zwischen der Mannesmann AG und der IG Metall vereinbart war, daß dann, wenn
Müller ({0})
der Gesetzgeber das 56er Gesetz ändert, das 56er Gesetz im Mannesmann-Konzern gelten sollte, und daß der Vorschlag, die Grenze auf 30 % herabzusetzen, in den Gesprächen der IG Metall mit dem Mannesmann-Vorstand so vereinbart war und man nur gesagt hat „Hier muß der Gesetzgeber die Voraussetzungen schaffen", so daß von daher vor der Wahl der Vorschlag von Herrn Strauß so zu sehen war?
Natürlich ist mir das bekannt, Herr Kollege Müller. Nur: Gerade daß der Vorschlag von Mannesmann kam, hat mich so mißtrauisch gemacht, daß wir sehr sorgfältig alle Tücken dieses Vorschlags geprüft haben. Die Tücken des Vorschlags sind dann zutage getreten.
({0})
- Deshalb bleiben wir bei dem „überwiegenden Betriebszweck" und bei der Eisen- und Stahlindustrie bei der Listenbestimmung, ohne jede Begrenzung.
({1})
Ich kann Ihnen zum Schluß deutlich machen, warum der Mannesmann-Vorschlag mich so mißtrauisch gestimmt hat. Die Mannesmann AG hat nach dem Erwerb von Hartmann & Braun nach unserer Definition nur, wenn man die Warmerzeugung mit dazuzählt, einen Montan-Umsatzanteil von 35 %, sonst sehr viel weniger. Wenn das Bundeskartellamt dem Erwerb der Hälfte des Kapitals von Kienzle zustimmt - es ist davon auszugehen, daß die Zustimmung erfolgt -, wird sich Mannesmann gerade mit einem halben Prozent herauf oder herunter um die 30 % Montananteil bewegen.
Das wollen Sie doch nicht im Ernst als Sicherung bezeichnen, wenn der Konzern, der die ganze Geschichte ausgelöst hat, anschließend mit Bruchteilen von Prozenten um diese neue Umsatzgrenze her-ummanövriert. Die Erhöhung eines einzigen Produktanteils aus dem Nicht-Montanbereich führt dann zum Ausscheiden des Unternehmens aus dieser Bestimmung.
Darum ist Ihr Vorschlag kein geeigneter, um die Montan-Mitbestimmung zu sichern, und zwar von den Fakten des Unternehmens Mannesmann und vom geltenden Recht der 51er Gesetzgebung her.
({2})
Meine Damen und Herren, das Wort wird weiter nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Interfraktionell und gemäß einer Vereinbarung im Ältestenrat wird vorgeschlagen, die Vorlagen auf den Drucksachen 9/ 235 und 9/241 zu überweisen zur federführenden Beratung an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung, zur Mitberatung an den Rechtsausschuß und an den Ausschuß für Wirtschaft. Ist das Haus mit den vorgeschlagenen Überweisungen einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist entsprechend beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und FDP
Enquete-Kommission Neue Informations-und Kommunikationstechniken
- Drucksache 9/245 Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Forschung und Technologie ({0}) Innenausschuß
Ausschuß für das Post- und Fernmeldewesen
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Dr. Nöbel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den Antrag auf Einsetzung einer Enquete-Kommission „Neue Informations- und Kommunikationstechniken" des Deutschen Bundestages begründen wir wie folgt.
Nach § 56 der Geschäftsordnung kann der Bundestag zur Vorbereitung von Entscheidungen über umfangreiche und bedeutsame Sachkomplexe eine Enquete-Kommission einsetzen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß es sich bei den neuen Kommunikationsformen wie Bildschirmtext, Videotext, Kabel- und Satellitenrundfunk um sowohl umfangreiche als auch bedeutsame Sachkomplexe handelt. Weil das so ist, kann die Entwicklung solcher Techniken auch Entscheidungen des Deutschen Bundestages erforderlich machen. Deshalb ist es unerläßlich, daß sich das Parlament rechtzeitig darauf vorbereitet. Die sozialdemokratische Fraktion war bereits in der 8. Legislaturperiode der Auffassung, der Bundestag müsse die parlamentarischen Möglichkeiten, die er hat, nutzen - mögen sie größer oder vielleicht auch kleiner sein, als es der eine oder andere erwartet -, um in diesen vielschichtigen Fragen von außerordentlicher Bedeutung seinen Beitrag zu leisten.
Als institutionelles Mittel steht ihm dafür die Einrichtung einer Enquete-Kommission zur Verfügung. Mit diesem parlamentarischen Instrument kann der Bundestag seine Fähigkeit beweisen, Probleme selber lösbar zu machen, sie einer Lösung zuzuführen. Ganz deutlich sei gesagt: hier soll nicht verzögert, sondern es sollen die notwendigen Beurteilungskriterien erarbeitet werden, und zwar in einem guten Jahr, mit der Vorlage des Berichts bis September 1982. Das ist wenig Zeit für die im Antrag formulierte Aufgabe, die Probleme der neuen Informationstechniken unter rechtlichen, insbesondere verfassungsrechtlichen, datenschutzrechtlichen, gesellschafts- und familienpolitischen, volkswirtschaftlichen, finanziellen, technischen und organisatorischen Aspekten national wie international darzustellen und Empfehlungen für entsprechende Entscheidungen zu erarbeiten.
Das ist ein breites Spektrum, in dem zwar der technischen Seite eine bedeutende Rolle zuzuordnen ist, mehr jedoch der Frage, wie wir die Technik politisch im Griff halten bzw. wie wir sie politisch wieder einholen können, um sie dann einordnen zu können. Dazu bedarf es natürlich der Klärung der
Zuständigkeiten von Bund und Ländern; das ist selbstverständlich.
Den Antragstellern geht es nicht darum, das, was Ländersache ist, den Ländern wegzunehmen, sondern darum, festzustellen, was Bundessache ist, um der eigenen Pflicht gerecht zu werden. Was daran, wie vor drei Tagen der Chef der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei verbreitet hat, „verfassungsrechtlich und verfassungspolitisch in höchstem Maße fragwürdig" sein soll, ist unbegreiflich. „Die Kommission hat sich um eine enge Zusammenarbeit mit den Bundesländern zu bemühen"; so heißt es ausdrücklich in dem Antrag.
Jedoch bei aller Anerkennung der grundsätzlichen Kompetenz der Länder für das Rundfunkrecht sind die Zuständigkeiten des Bundes mit Sicherheit auf den Gebieten des Fernmeldewesens, des Urheberrechts, des Persönlichkeits- und Datenschutzes, des Jugendschutzes, des Wirtschafts- und Kartellrechts sowie der Rahmenkompetenz für die Presse gegeben. Es ist wohl unbestreitbar, daß die gesellschaftspolitischen Dimensionen der neuen Medien im Zentrum der politischen Entscheidungen anzusiedeln sind. Außerdem ist klar, daß die vielfältigen und außerordentlich komplexen ordnungspolitischen Fragen nur im Rahmen eines konstruktiven, kooperativen Föderalismus gelöst werden können.
({0})
Daraus muß auf eine gemeinsame Verantwortung von Bund und Ländern dafür geschlossen werden, daß die künftige Rundfunklandschaft der Bundesrepublik Deutschland nicht durch partikuläre, auf einzelne Länder oder gar Landesteile zugeschnittene Sonderregelungen zerstört wird.
({1})
Mit Recht hat die Bundesregierung im September 1979 in einem medienpolitischen Beschluß festgehalten, daß die politischen Entscheidungen über den Ausbau des technischen Kommunikationssystems, wie es dort heißt, „von tragender Bedeutung für die Weiterentwicklung der Demokratie" sein werden. Genauso ist es.
({2})
Niemand wird bestreiten, daß sich der Deutsche Bundestag um diesen Kernpunkt, nämlich die Weiterentwicklung der Demokratie, mit ganzer Kraft zu bemühen hat.
Es hat vor knapp zwei Jahren, im April 1979, hier anläßlich der Debatte über den Bericht der Bundesregierung zur Lage von Presse und Rundfunk in der Bundesrepublik Deutschland einen Streit gegeben, als Sie, Herr Kollege Schwarz-Schilling, die detaillierte Darlegung der Probleme im Zusammenhang mit den neuen Kommunikationstechniken in diesem Bericht der Regierung vermißten. Ich möchte Sie heute daran erinnern, weil ich weiß, daß das Scheitern der Bemühungen um einen interfraktionellen Antrag jetzt nicht Ihnen persönlich zuzuschreiben ist. Sie haben dem Bund Kompetenzen zugewiesen, indem Sie feststellten - ich darf zitieren -:
Dazu gehört, deutlich zu machen, welche gesellschaftspolitischen, wirtschaftspolitischen und staatspolitischen Antworten die Bundesrepublik Deutschland auf die Herausforderungen der medientechnologischen Zukunft geben will.
Weiter haben Sie gesagt:
Dabei hat der Bund, dessen Zuständigkeiten sich eben nicht nur auf bestimmte Rundfunkanstalten und die Presse beschränken, ein erhebliches politisches Instrumentarium zur Förderung und Gestaltung zukunftsgerichteter Medienpolitik in der Hand: die Zuständigkeit für das Presserecht, die Zuständigkeit für das Post- und Fernmeldewesen, die Zuständigkeit für Forschung und Technologie und die Zuständigkeit für die Wirtschaftspolitik.
Bei allem medienpolitischen Dissens sehe ich in dieser eindeutigen Würdigung nicht unwichtiger Bundeszuständigkeiten einen hoffnungsvollen Ansatz für eine gemeinsame Arbeit in dieser Enquete-Kommission. Ich sehe darin auch einen Beitrag dazu, daß abwertendes Gerede über die Kommission, das im Vorfeld der Einsetzung abträglich sein sollte, zurückgedrängt wird.
Wir haben gemeinsam eine Reihe gleicher Fragen und daneben natürlich gegenteilige Akzente. Das ist klar. Wir haben aber - das geht uns in diesem Hause ganz besonders an - ein Grundgesetz. Ich halte es nicht für zulässig, daß man auf dem Gebiet der medienpolitischen Praxis, wenn ich es einmal so formulieren darf, von Art. 5 - Meinungsfreiheit - häufig nur Abs. 1 Satz 1 heranzieht: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern ..." Es müssen dabei auch die Beschränkungen, z. B. Art. 5 Abs. 2, herangezogen werden: „Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre." Als Beschränkung ist auch Art. 6 Abs. 1 heranzuziehen: „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung." Medienpolitisch ist bisher so gut wie gar nicht - da können wir uns auch an die eigene Brust klopfen - der Kernsatz des Grundgesetzes in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 behandelt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar."
Nun komme einer und behaupte, die EnqueteKommission des Bundestages habe keine Aufgabe! - Ich bedanke mich.
({3})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schwarz-Schilling.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Daß wir heute über den Antrag auf Einsetzung einer Enquete-Kommission auf diesem Gebiet zu entscheiden haben, hat eigentlich nur zwei Gründe. Erstens ist es eine bewährte bundesdeutsche Übung, Kommissionen immer dann einzusetzen, wenn die
Uneinigkeit groß ist und Probleme vertagt werden müssen.
({0})
Zur Uneinigkeit: Bei den Koalitionsverhandlungen zwischen FDP und SPD nach der letzten Bundestagswahl haben die einfachen Probleme zur Übereinstimmung geführt, bei umstrittenen Positionen wurden Formelkompromisse gefunden, und bei unlösbaren Problemen ging man nur noch den Weg der Ausklammerung.
Das Gebiet der Medienpolitik gehört sicherlich zur letzten Kategorie. Verursacht wurde die Paralyse der Koalition auf diesem Gebiet durch das zunächst sachte begonnene, aber dann stärkere Umschwenken der FDP auf einen Kurs medienpolitischer Vernunft. Dabei fielen drei Gründe ins Gewicht.
Erstens. Unter dem Eindruck der sich verschlechternden Wirtschaftslage meinte auch die FDP es nicht länger verantworten zu können, auf das im Bereich der Telekommunikation schlummernde Investitionspotential zu verzichten. Ich bin sehr gespannt, was die Arbeitsgruppe der SPD-Fraktion in diesem Zusammenhang alles bringen wird. Graf Lambsdorff hat darüber eindeutige Aussagen gemacht.
Zweitens. Nach der Bundestagswahl 1976 hat sich endgültig der Bundesaußenminister Genscher für die Bundesregierung für den bei der UNESCO 1979 in Paris ausgesprochenen Grundsatz des „free flow of information" und damit für die Absage der medienpolitischen Abschottung nach außen erklärt.
Drittens. Der Druck der Öffentlichkeit macht es der FDP heute leichter, in der Frage der Neuordnung der Medien ideologischen Ballast über Bord zu werfen. Auch das sind Äußerungen von seiten der FDP.
Die SPD ist bis heute zu solchen Einsichten noch nicht gediehen. Sie hält nach wie vor aus ideologischen wie aus Machterhaltungsgründen an ihrem prinzipiellen Nein zu einer medienpolitischen Neuordnung fest, auch wenn sie damit politisch in der Bundesrepublik weitgehend allein dasteht.
Man kommt aus diesen Gründen um den Eindruck nicht herum, daß die Einsetzung der EnqueteKommission dazu dienen soll, den Eklat innerhalb der Koalition um weitere zwei Jahre zu vertagen.
({1})
Der zweite Grund für diese Enquete-Kommission, der Paukenschlag von Luxemburg, die Ankündigung der Absicht der deutschen Zeitungsverleger, gemeinsam mit RTL ein deutschsprachiges Fernsehprogramm via Satellit ab 1985 auszustrahlen, hat schneller als alle schon sichtbaren Entwicklungen in der Telekommunikation deutlich gemacht, daß medienpolitische Weichenstellungen unmittelbar bevorstehen. Diese Entscheidung demonstriert nur allzu deutlich, was man hier jahrelang nicht wahrhaben wollte, daß nämlich auch im Bereich der Medienpolitik die Bundesrepublik nicht von der weltweiten Entwicklung abgekoppelt werden kann, gleichgültig, ob es sich um Satellitenfernsehen oder andere moderne Formen der Telekommunikation, wie kabel- oder computergesteuerte Kommunikation, handelt.
Es ist sicherlich ein Armutszeugnis, wenn nicht sogar eine Bankrotterklärung für die SPD, wenn zur Wahrung existentieller, wirtschaftlicher und politischer Interessen deutsche Verleger sich im Ausland holen müssen, was ihnen in der Bundesrepublik verweigert wird.
({2})
Es wirft ein bezeichnendes Licht auf die medienpolitischen Denkstrukturen führender SPD-Politiker wie die des neuen Bundesgeschäftsführers Peter Glotz, wenn die Entscheidung der deutschen Verleger, sich am Luxemburger Satelliten-Projekt zu beteiligen, als „Kriegserklärung" bezeichnet wird. Dabei hat gerade die SPD, das muß ich dazu auch sagen, diesen Verlegern immer wieder erklärt, daß sie in Deutschland nichts gewinnen werden. Man wollte keine privatwirtschaftlich orientierte Institutionen haben. Man will keine freie Programmgestaltung haben. Man wollte alles so lassen, wie es ist, und man wollte auch bei den Satelliten keinen Kanal für solche Möglichkeiten öffnen. Ja, was sollen die Verleger denn dann anderes tun als auswandern, um dann auf diese Weise wenigstens sicherzustellen, daß noch professionelle deutsche Journalisten auch in der Lage sind, für Deutschland über Satellit ein Programm zu machen?
({3})
Die Ankündigung etwa von Ministerpräsident Rau, daß man die sogenannte Fremdkommerzialisierung - zu meinem Bedauern nimmt der Antrag der Fraktionen der SPD und FDP bereits eine solche inhaltliche Bewertung vorweg - aus Luxemburg mit einer verstärkten Ausdehnung der Werbezeiten in den öffentlich-rechtlichen Anstalten beantworten wolle - man will also Kommerz mit Kommerz und den Teufel mit Beelzebub austreiben -, muß wohl auch dem letzten klarmachen, zu welchen Kraftakten die SPD bereit ist, um ihre Einflußpositionen in der deutschen Medienlandschaft zu erhalten. Es ist Sache der SPD, einmal zu erklären, warum öffentlich-rechtlicher Kommerz aus deutschen Landen etwas Besseres ist als privater Kommerz aus Luxemburg, der Schweiz oder Österreich. Auf diese Erklärung bin ich sehr gespannt.
Ohne Zweifel hat die Ankündigung der Verleger den Wunsch der SPD zur Einsetzung der Enquete-Kommission gefördert, weil sie von einem Luxemburger Satelliten einen Dammbruch in der deutschen Medienlandschaft befürchtet.
Man kann also zusammenfassend sagen: Man wird den Verdacht nicht los, daß die Enquete-Kommission als Vehikel zur Koalitionserhaltung und als Versuch eines medienpolitischen Stillhalteabkommens in der Bundesrepublik dienen soll. Weder zu der einen noch zu der anderen Prämisse ist die Union bereit die Hand zu reichen.
Nun zu den Zielen dieser Enquete-Kommission. Neben dieser eher aktuellen Betrachtung der Beweggründe gibt es allerdings eine Reihe sehr viel grundsätzlicherer Überlegungen, die die Union zu einer Ablehnung des Antrags der Fraktionen von SPD und FDP veranlassen.
Der Antrag spiegelt in einer Reihe von Punkten ein Verfassungsverständnis wider, das weder vom Grundgesetz noch vom Verfassungsgericht gedeckt ist. Wenn Sie sich auf die Zuständigkeitskataloge beschränkt hätten, die ich bei der Debatte des Medienberichts hier genannt habe, wäre dieser Einwand nicht da. Rundfunk und damit Nutzung der meisten neuen Informations- und Kommunikationstechniken sind Ländersache. Der Bundestag verstößt gegen die föderative Gewaltenteilung, wenn er sich Entscheidungsrechte im Bereich der neuen Kommunikationsformen anmaßt. Zuständig für die Ausgestaltung einer neuen Medienordnung für die 80er Jahre und die Anpassung an eine neue technologische Entwicklung sind die Parlamente und Regierungen der deutschen Bundesländer. Demgemäß hat der Bund keine Kompetenz, vor allem in rechtlichen, organisatorischen, strukturellen, kulturellen, gesellschaftspolitischen und finanziellen Fragen der Medien und in bezug auf ihre Anwendungsformen. Gerade diese Probleme bilden aber den Schwerpunkt des dargestellten Katalogs. Bei dieser Verfassungsrechtslage können von einer Enquete-Kommission des Bundes keine kompetenten Aussagen erwartet werden, auf die der Bundesgesetzgeber aufbauen könnte.
In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, daß eine Vertretung der Länder in der Kommission nicht vorgesehen ist. Statt dessen soll sich die Kommission um eine „Zusammenarbeit mit ihnen bemühen". In der von den Ministerpräsidenten vorgesehenen Länderkommission, die diese dem Bundeskanzler vorgeschlagen haben, soll der Bund mit drei Vertretern denselben Status erhalten wie die Länder. Hier wird also kooperationsbereiter Föderalismus praktiziert, während hier nur eine Enquete-Kommission des Bundestages vorgesehen ist.
Bund und Länder werden im Bereich der neuen Medien und der entsprechenden Technologien einen Modus der Zusammenarbeit finden müssen, der die verfassungsrechtlich festgelegten Kompetenzen beider Seiten achtet. Die Ministerpräsidenten der Länder haben eine solche Kooperation, wie gesagt, angeboten. Die Union kann zwar die Einsetzung dieser Enquete-Kommission nicht verhindern, aber wir werden peinlich darauf achten, daß die Balance zwischen Bund und Ländern hier nicht gestört und die Zuständigkeit des Bundes nicht überschritten wird.
Wir werden darauf hinwirken, daß sich die Arbeit der Kommission auf die Themenkomplexe beschränkt, die in die Zuständigkeit des Bundes fallen. Da gibt es allerdings - da gebe ich Herrn Nöbel sehr gern recht - eine Menge Zuständigkeiten, die wir gerne behandeln können, z. B. das Thema Deutsche Bundespost. Dem technischen Zuständigkeitsbereich des Bundes obliegt dieses Fernmeldewesen ohne jeden Zweifel. Aber eben dieser Zuständigkeitsbereich wurde vom Bundeskabinett am 26. September 1979 dazu benutzt, medienpolitische Entscheidungen zu treffen. Mit Blick auf die Bewahrung einer solchen Situation, wie wir sie hier vorhaben, sind wir allerdings der Auffassung, daß wir hier Klarstellungen erhalten müssen; denn nach unserer Auffassung hat die Bundespost hier eine Dienstleistungsaufgabe und nicht medienpolitische Aufgaben zu erfüllen.
({4})
Wir werden da also die Frage stellen, ob der Post ein solcher Verkabelungsstopp überhaupt hätte verordnet werden dürfen. Wir werden die Frage zu stellen haben, ob nicht Art. 5 des Grundgesetzes keiner Änderung bedarf, wie es in dem Medienbeschluß des Bundeskabinetts angedeutet worden ist. Wir sollten weiter die Frage stellen, ob eine so extensive Nutzung des Postmonopols und eine so extensive Interpretation der Bundeskompetenz mit dem bestehenden Verfassungsrahmen im Einklang steht. Meine Damen und Herren, die Monopolkommission hat hierzu sehr erwägenswerte Anregungen gegeben. Wir werden uns dieser Frage in der Kommission, wenn diese eingesetzt ist, sicher zuwenden müssen.
Wir haben seit Jahren davor gewarnt, daß die monopolistische Verzögerungstaktik das Gegenteil bewirken wird, weil nämlich das Satellitenfernsehen des Auslands bis etwa 1985 nicht kontrollierbare ausländische Konkurrenz in die deutsche Medienlandschaft bringen wird. Wir haben nun diese Aussage schneller bestätigt bekommen, als wir selbst es erwartet hatten.
Lassen Sie mich zu einem zweiten Komplex kommen, der sicherlich auch eine Bundeszuständigkeit beinhaltet, zum wirtschaftspolitischen Aspekt. Ein politischer Lernprozeß seitens der SPD in dieser Enquete-Kommission - auch hinsichtlich der Beurteilung der Bedeutung der Telekommunikation für die Wirtschaft und für das gesamte Sozialprodukt der Bundesrepublik Deutschland - ist natürlich begrüßenswert. Die Blockadepolitik hat außer im Bereich der Nukleartechnologie auch und besonders auf diesem Gebiet zu einem Investititionsstau in Milliardenhöhe geführt. Der Zentralverband der elektrotechnischen Industrie hat gerade jetzt die Angabe veröffentlicht, daß die mit der Breitbandverkabelung zusammenhängenden Investitionen ein Ausmaß von 20 bis 30 Milliarden haben. Das geht weit über alles hinaus, was Sie sich an öffentlichen Programmen überhaupt irgendwann ausdenken könnten - ganz abgesehen davon, daß die Kassen der Bundesregierung zu leer sind und Sie solche Programme überhaupt nicht finanzieren könnten.
Die Konsequenz, die sich daraus besonders für die Arbeitsplätze unseres Landes, aber auch für die Innovationsfähigkeit der elektrotechnischen Industrie ergibt, ist schon heute in Mark und Pfennig gar nicht mehr auszudrücken. Es liegt mit in der Verantwortung der Bundesregierung, daß sich der Abstand zwischen Amerika und Japan auf der einen Seite und der Bundesrepublik auf der anderen Seite in der Wachstumsindustrie des ausgehenden 20. JahrhunDr. Schwarz-Schilling
derts in so unverantwortlicher Weise vergrößert hat.
Ich möchte aus dem Bereich der integrierten Schaltungen - die Mikroelektronik ist einer der wesentlichen Bestandteile der Telekommunikation - das folgende Beispiel anführen. Die europäische Statistik zur Informationstechnologie beweist, daß die Kommunikationsindustrie zu dem Wachstumsbereich der Industrienationen herangewachsen ist. All die anderen Bereiche - die Automobilindustrie usw. - werden niemals mehr diese Zuwachsraten haben, wie sie hier in den nächsten Jahren und Jahrzehnten überhaupt erst kommen werden.
Wurden etwa im Jahre 1980 in Westeuropa für integrierte Schaltungen 2,9 Milliarden Dollar ausgegeben, werden es bereits im Jahre 1981 rund 4 Milliarden sein. Sie sehen hier aber eine Zuwachsrate von über 25 %. Im Weltverbrauch rechnet man 1981 mit einer Ausgabe von 15 Milliarden Dollar. Das sind Ausgaben, die eine der Grundlagen für die computergesteuerte Information darstellen. Ganz Westeuropa wird von diesen 15 Milliarden etwa 4 Milliarden ausgeben, aber im gleichen Zeitraum nur für 680 Millionen Dollar selber produzieren. Sie sehen, hier wird für die deutsche Exportindustrie eine gigantische Möglichkeit verspielt, und wir werden bereits auf dem Gebiet der Mikroelektronik ein Importkontinent.
Die USA liegen beim Zehnfachen dieses Wertes. Hier wird eine außerordentliche Potenz liegengelassen. Ich frage mich: Welche Regierung kann dies eigentlich angesichts steigender Arbeitslosenzahlen in diesem Ausmaß verantworten?
({5})
Meine Damen und Herren, die Mikroelektronik hat direkte beschäftigungspolitische Auswirkungen auf 3 Millionen Arbeitsplätze mit einer Wertschöpfung von 188 Milliarden DM unseres Sozialprodukts. Die indirekten Wirkungen der Mikroelektronik in Verbindung mit all den Fragen, die hier technisch zu besprechen sind, betreffen 50 % aller Arbeitsplätze. Das Ausmaß dieser Entwicklung, die in Japan und in Amerika rasant vorwärtsgeht, ist in der Bundesrepublik, insbesondere von der Regierung, bei den entsprechenden Weichenstellungen überhaupt nicht begriffen worden.
Man muß hier vielleicht die Frage stellen, welche Rolle Kommissionen spielen. Sie können natürlich weltanschauliche oder soziologische Fragen in Kommissionen behandeln. Sie können auch gesellschaftspolitische Fragen dort behandeln. Denn Sie können es ja für sich verantworten, daß in diesen Fragen dann eben einmal für zwei oder drei Jahre Schluß ist. Die Leute werden deswegen nicht gleich auswandern, es sei denn, es handelt sich um so fundamentale Fragen, daß die Bundesrepublik Deutschland überhaupt keinen Vergleich mehr aushielte.
Aber in der Technik sieht es anders aus! In der Technik arbeiten in der entsprechenden Zeit Firmen, Unternehmen, andere Länder, und sie legen uns in zwei oder drei Jahren ihre Ergebnisse vor, die wir ja, weil wir einen liberalen Welthandel haben, nicht abschotten können.
Meine Damen und Herren, die anderen Länder arbeiten und korrigieren unter dem laufenden Rad, so wie das in pragmatischen Naturwissenschaften immer angelegt ist, während wir sagen: wir setzen eine Kommission ein und beraten über Technologien; in zwei, drei Jahren werden wir dann das Ergebnis solcher Kommissionen beraten. Das ist doch eine unmögliche Situation. Stellen Sie sich einmal vor, ein Unternehmen würde erklären: Wir machen jetzt einmal drei Jahre lang eine Denkpause. Man würde das Management nach Hause schicken und sagen: Dafür gibt es kein Gehalt. - Das sollte man einmal bei Politikern einführen. Da haben wir nämlich zu viele solche Leute, meine Damen und Herren!
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Schauen Sie sich vor allen Dingen einmal die Kommissionsgeschichte an. Wir hatten doch eine großartige Kommission, die KTK. Die KTK hat 1976 ihren Bericht vorgelegt. Die Empfehlungen waren ausgezeichnet, von allen getragen. Da das Ergebnis mit den politisch-ideologischen Vorstellungen der SPD nicht übereinstimmte, ist alles beim alten geblieben. Wir haben heute das Jahr 1981, und jetzt fangen die damals vorgesehenen Pilotprojekte zögernd an. Die Finanzierung durch den Bund steht weiterhin in Frage. Diese Geschichte zeigt doch, daß die Einsetzungen solcher Kommissionen im Grunde genommen nur Blockierungs- und Verzögerungsaktionen sind.
In einem Hearing im Ausschuß für Forschung und Technologie wurden z. B. die Fragen gestellt, ob wir denn Glasfasertechniken sofort einsetzen könnten oder ob wir noch weiter mit Koaxialtechnik arbeiten müßten. Darauf sagten die Experten dort, daß heute alle Welt die Verkabelung noch mit Koaxialtechnik macht und daher alle Endgeräte und Zwischenglieder entsprechend weiterentwickelt werden. Nur wir sagen uns: „Wir machen das Allermodernste!" und bedenken nicht, daß wir dann erst in zehn Jahren massenmäßig mit der Glasfasertechnik beginnen können. Und was hat das Hearing für ein Ergebnis gehabt? Man hat das einfach nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Das ist die Situation.
Meine Damen und Herren, diese Technikfeindlichkeit in unserer Gesellschaft wird noch eines der größten Probleme werden. Diskussionen in dieser Weise werden nicht dazu angetan sein, der Jugend die Herausforderung unserer heutigen Lage klarzumachen und sie auf das Gleis zu setzen, das erforderlich ist, daß wir auch in Zukunft in diesem Land eine humane Welt haben.
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Herr Kollege Schwarz-Schilling, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß Ihre Redezeit schon 15 Minuten dauert? Soviel war für Sie angemeldet.
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Ich werde sehr gerne, wenn Sie mir noch zwei Minuten gestatten, zum Abschluß kommen.
Bitte sehr!
Meine Damen und Herren, wir werden ja sicherlich im Laufe der nächsten Wochen und Monate Gelegenheit haben, über den Inhalt solcher Kommissionsthemen weiter zu sprechen. Ich möchte nur davor warnen, diese Kommission dazu zu benutzen, technologische Gründe für medienpolitische Entscheidungen vorzuschieben. Leider Gottes hat Herr Minister Hauff dazu mehrere Beispiele gebracht. Die Frage ist, ob die Deutsche Bundespost z. B. Frequenzen des Satellitenbereichs Luxemburg dazu benutzt, eigene Dinge zu machen, während man mit dem Deutschlandfunk verhandelt, ob dieser nicht selber an einem deutschen Satellitenprogramm beteiligt wird. Eine sehr merkwürdige zweiseitige Auffassung einer einzigen Sache! Es wird auch für uns interesssant sein, ob man dann genau die Frequenz von Radio Luxemburg benutzt oder vielleicht diejenigen Sendefrequenzen, auf denen von Moskau nach Deutschland gesendet wird,
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ob man es also für wichtiger hält, „Fremdkommerz" aus Luxemburg für Deutschland zu verhindern.
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- Ja, es wird für uns sehr interessant werden!
Ich darf Ihnen zum Schluß sagen: Die Union ist der Ansicht, daß zur Neuordnung der Medien und zur Schaffung der technischen Voraussetzungen in diesem Land keine neue Kommission einberufen werden muß. Das Angebot der Ministerpräsidenten, zu abgestimmten Problemlösungen mit dem Bund zu kommen, liegt auf dem Tisch. Was fehlt, ist nicht ein Untersuchungsbericht, der die politische Diskussion nach zwei Jahren dort wieder beginnen läßt, wo wir sie heute abbrechen; was fehlt, ist der Kooperationswille und die Einsicht beim Bundeskanzler und bei der SPD, den Schritt aus den parteiideologischen und parteiegoistischen Schatten zu tun. Wir lehnen daher den Antrag auf Einsetzung der Enquete-Kommission „Neue Informations- und Kommunikationstechniken" ab. - Ich darf mich bedanken.
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Als nächster Redner hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Hirsch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schwarz-Schilling, Ihre Rede war eigentlich in ihrem polemischen Teil enttäuschend. Man wünscht sich in diesem Hause allmählich einmal, daß wir irgendein Sachgebiet finden, bei dem wir nicht ein Thema damit beginnen zu versuchen, uns gegenseitig irgendwelche Absichten, Erfolge, Mißerfolge oder sonstige schöne Hoffnungen mit auf den Weg zu geben.
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Vielleicht kann man sich zunächst einmal tatsächlich mit der Sache selber beschäftigen. Eins ist mir
nun völlig unklar geblieben: Auf der einen Seite haben Sie oft gesagt, wie interessant es in der Kommission sein werde, auf der anderen Seite wollten sie darlegen, warum diese Kommission eigentlich gar keine Aufgabe habe. Ebenso hat es mich überrascht, daß Sie sich im zweiten Teil Ihrer Ausführungen -Sie hatten j a eine schwierige Rede zu halten, nämlich auf der einen Seite zu sagen, daß die Kommission eingentlich ganz überflüssig sei, auf der anderen Seite aber dann doch die inhaltlichen Probleme darzustellen - allein auf die technischen, die technokratischen Gesichtspunkte der Entwicklung der neuen Medien konzentriert haben, die Kommission aber gleichzeitig davor warnen wollten, sich nicht mit Mediengesichtspunkten zu beschäftigen. Das paßt nicht zusammen.
Ich meine, daß die Entwicklung der neuen Medien zu den interessantesten und tiefgreifendsten - technisch wie inhaltlich - Entwicklungen gehört, denen wir - sie werden kommen - entgegensehen und denen wir uns stellen müssen. Wir können und sollten da kein Entscheidungsvakuum dulden.
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Wir haben Entscheidungen zu treffen, die unserer Verpflichtung aus Art. 5 unserer Verfassung gerecht werden müssen. Wir müssen entscheiden - wir oder die Länder -, wie die neuen Medien zu organisieren sind. Dabei sage ich Ihnen im vorhinein, daß es nicht im mindesten unsere Absicht ist, den Ländern etwas streitig zu machen. Wir sind Föderalisten, wir wollen es auch bleiben. Die Länder haben eine große Funktion in unserem Staatsaufbau; daran wird niemand rühren wollen.
Aber das darf uns nicht der Verpflichtung entheben, uns Rechenschaft zu geben und uns Unterlagen darüber zu verschaffen, die uns deutlich machen, was unser Teil in dieser notwendigen Zusammenarbeit des Bundes und der Länder ist. Denn Sie haben ja in Ihrer Rede in sehr vielfältiger Weise dargestellt, daß es sich nicht nur um eine Frage des Rundfunks, sondern auch um eine Frage des Pressewesens, um technische, wirtschaftliche und arbeitsmarktpolitische Entwicklungen sowie um Wettbewerbsfragen - man muß hinzufügen: auch um Fragen des Datenschutzes - handelt, die im Bereich neuer Medien eine große Rolle spielen werden. Also: Was ist unser Teil, was ist der Teil des Bundes bei der Bewältigung dieser Aufgaben? Der Zeitraum, der dieser Kommission zur Verfügung steht - sie hat Zeit bis September 1982 -, ist nicht groß. Die Zeit ist weit geringer als die, die den Ländern nach ihren Projektionen in Vollzug ihrer Pilotprojekte zur Verfügung steht.
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Die sind ja, wenn ich an Ludwigshafen denke, bis 1988 projektiert. Das heißt, daß wir hier im Bund, so denke ich, sehr viel schneller zu einem Ergebnis kommen könnten und kommen müssen.
Wir haben gesagt, daß wir uns um eine enge Zusammenarbeit mit den Bundesländern bemühen wollen. Dieses Haus hat aber nicht die Möglichkeit,
zu beschließen, in welcher Weise sich die Landtage an einer solchen Enquete beteiligen können.
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- Das weiß er auch nicht, das kann er auch nicht wissen. - Daß der Bundeskanzler mit den Ministerpräsidenten auf der Verwaltungsebene eine Vereinbarung dazu treffen kann, wie sie es koordinieren wollen, ist klar. Für die Parlamente ist das etwas schwieriger. Wir laden die Parlamente der Bundesländer ein, sich an diesen Untersuchungen zu beteiligen, um die wir uns hier bemühen.
Der Entwicklung der neuen Medien kann man mit Hoffnungen und mit Befürchtungen entgegensehen: mit Hoffnungen, was die Vielfalt an Informationen, den freien Fluß von Informationen über die Grenzen hinweg, der unbedingt erhalten werden muß, sowie den Wettbewerb auch zwischen öffentlich-rechtlichen Anstalten angeht, mit Befürchtungen dahin, ob die Beherrschung der Vielfalt der Programme gelingt, ob sie wirtschaftlichen oder anderen Monopolen einheimfallen werden, wie sich die Verlagerung von Werbemöglichkeiten auf den Markt der Zeitungen und Zeitschriften auswirkt, wobei ich nicht nur an die großen, sondern an die vielen kleinen Zeitschriften denke,
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die für das geistige Klima in unserem Land von erheblicher Bedeutung sind und die wir erhalten wollen. Man kann schließlich auch an den Menschen denken, nämlich wie er sich verhalten wird und ob er der Versuchung anheimfallen wird, den unmittelbaren Umgang miteinander durch mediale Kontakte zu ersetzen. Das ist eine Befürchtung, die ich nicht in dem Umfang teile, wie sie geäußert wird, aber eine Frage, der wir uns stellen müssen
Ich kann voraussehen, daß die neuen Medien auch beachtliche Wirkungen auf die Wettbewerbsverhältnisse haben werden: auf den Werbemarkt, die wirtschaftlichen Verhältnisse der Zeitungen, den Arbeitsmarkt. Neue Dienstleistungsbereiche werden entstehen. Schließlich wird es erhebliche ungeklärte Probleme im Bereich des Datenschutzes geben.
Nun zu unserer Verfassung. Die Väter unserer Verfassung kannten weder den Begriff Bildschirmtext noch den Begriff Videotext. Nun kann man fragen: Was ist denn Rundfunk, und was ist Presse?
Wenn es im Gesetz nicht steht, muß man es auslegen. Ich denke an Goethes Wort - man sollte in einer Diskussion des Deutschen Bundestages ja wenigstens einmal wieder Goethe nennen -: Im Auslegen seid frisch und munter; legt ihr's nicht aus, dann legt ihr's unter.
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Das heißt: Man muß fragen: Was ist Videotext, was ist Bildschirmtext? Ist das Zeitung? Ist das Fernsehen? In welche verfassungsrechtliche Kompetenz gehört das denn? Das ist eine Frage, die, wie Sie wissen, selbst zwischen den Regierungen der Länder und selbst innerhalb der Regierungen umstritten ist, wo die Innenministerien je nach Zuständigkeit mit den Staatskanzleien konkurrieren. Das ist umstritten. Da muß man doch endlich Klarheit haben und sich gemeinsam Rechenschaft darüber ablegen, wer was und in welchem Sinn entscheiden kann. Wo man entscheiden will und wo wir entscheiden müssen, ist es sicher sinnvoll, den Bereich des gesicherten Wissens zu vergrößern.
Darum muß sich die Kommission bemühen, und das sehr schnell. Deshalb haben wir die Hoffnung, daß Sie sich der Arbeit dieser Kommission anschließen werden. - Vielen Dank.
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Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Paterna.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schwarz-Schilling, wenn der Ministerpräsident des Landes Niedersachsen, Herr Albrecht, erklärt, die Umgestaltung der Medienlandschaft sei ein Ding in der Größe von Gorleben, und sich dabei vergnügt die Hände reibt, dann werden Sie der FDP und der SPD nachsehen, wenn sie über ein solches Ding doch etwas nachdenken möchten.
Ich will Ihnen noch eines sagen. Sie versuchen ständig, der deutschen Öffentlichkeit zu suggerieren, Geschlossenheit sei eine politische Qualität. Das kommt mir so vor, wie wenn ein Politiker erklärt: Gestern standen wir am Rand des Abgrunds, und heute sind wir einen großen Schritt vorangekommen.
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Es ist doch noch nicht ein Nachweis für Regierungsfähigkeit, in den Abgrund zu springen, und dies geschlossen mit einem zackigen Hauruck auf den Lippen. Das allein ist doch wohl noch keine Politik.
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Lassen Sie mich auch sagen: Man muß ein bißchen aufpassen, daß nicht zu viele Nebelkerzen geworfen werden. Die CDU/CSU versucht ständig, den Bürger glauben zu machen, alle Fragen im Zusammenhang mit Informations- und Kommunikationstechnologien und der künftigen Struktur unserer Medienlandschaft seien längst geklärt und es komme nur noch auf geschlossenes ideologiefreies Handeln an. Ich will trotzdem versuchen, noch einen Rest des Keimes eines Zweifels an der eigenen Unfehlbarkeit bei der Opposition zu säen.
Wie kann man z. B. sogar eine so primitive Fragestellung wie die übergehen: Wer soll das bezahlen? Man wird doch mal einen Augenblick darüber nachdenken können, ob man 50 Milliarden DM mehr oder weniger ausgibt. Das wird doch auch im Jahr 1981 erlaubt sein.
Da wird man doch mal fragen müssen: Wie kann eine Partei wie die CDU/CSU ständig von der Bedrohung der Familien und dann nur über die Zahl von Programmen und nicht über deren Inhalt und darüber reden, welche Wirkungen solche Programme auf Kinder und die zwischenmenschlichen Beziehungen haben?
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Da wird man doch einmal die Frage stellen müssen, ob Jochen Vogel gestern nicht recht gehabt hat, wenn er sagt, daß die Probleme, die wir als Parteien mit den jungen Leuten haben, im wesentlichen darin begründet liegen, daß inzwischen eine zu große Kluft zwischen Denken und Handeln entstanden ist.
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Wie kann man ständig so hehre Worte wie „Freiheit", „Initiative des einzelnen", „Bedeutung der mittelständischen Unternehmen" im Munde führen und hier praktisch nur Interessen von Großkonzernen vertreten, weil man sich von einer konservativen Berichterstattung etwas erhofft? Da wird doch Etikettenschwindel getrieben. Ich will Ihnen das einmal am Beispiel dieses schönen „free flow of Information" klarmachen. Stellen Sie sich doch einmal vor, was französische Bürger und die französische Regierung sagen würden, wenn französische Zeitungsverleger auf deutschem Boden unter der Beratung eines engen Freundes von Mitterrand eine Unternehmung gründen würden, die mit Werbeetats französischer Unternehmen finanziert wird, um mit Hilfe eines deutschen Satelliten die französische Medienlandschaft zu bereichern. Da würde doch ein weltweites Gelächter entstehen. Genau das gleiche Spielchen soll jetzt über Bande mit Radio Luxemburg passieren. Das ist ein Piratenstück! Weiter ist das nichts.
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In jedem anderen Land der Welt würde das auch so bezeichnet werden.
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hirsch?
Lieber nicht. Ich habe nur sechs Minuten. Ich bitte um Verständnis.
Ich will diese Geschichte mit dem „privat" noch einmal ein bißchen auseinandernehmen. Mit diesem Privatfernsehen ist das ja so fein und intim. Aber glauben Sie wirklich, daß so viel Privates und Vielfältiges daran ist, wenn nicht nur die Schallplatte, das Buch, die Tageszeitung, die Sonntagszeitung, die Kassette, die Fernsehzeitschrift, sondern auch noch das Fernsehprogramm und die Fernsehnachrichten nebst Kommentar aus dem gleichen Hause kommen? Glauben Sie, das trage zur Vielfalt bei und sei eine so furchtbar private Veranstaltung? Ich nenne das Kommerzfernsehen schlimmster Form, was uns da ins Haus stehen könnte.
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Nun will ich nur noch mit einer Legende aufräumen; dann mache ich auch schon Schluß. Ich will hier zur Legende von der Technologiefeindlichkeit Stellung nehmen. Herr Kollege Schwarz-Schilling, ich will Ihnen einmal in allem Freimut sagen - das nehme ich jetzt auf meine Kappe -, Sie sind hier auf dem völlig falschen Dampfer. Sie sind bei einem Konzept von gestern, wenn Sie meinen, man müsse ein Verteilnetz über die Bundesrepublik ziehen. Die Verteilung klappt doch nachweislich, wie jeder von Rundfunk und Fernsehen weiß. Für 50, 60 oder 70 Milliarden DM wollen Sie ein völlig unintelligentes breitbandiges Netz in diese Republik buddeln. Dieses ist nicht das, was ich will. Ich sage Ihnen einmal, wie ich mir eine Lösung vorstellen könnte - das nehme ich jetzt wieder auf meine Kappe -: Aufbau eines integrierten breitbandigen Netzes, um den Bedarf von Wirtschaft, Dienstleistungsunternehmen und einzelnen Bürgern an Kommunikation und Information zu befriedigen; Schaffung von genügend Übertragungswegen für Daten und Texte; Ermöglichung von Dialog- und Abrufdiensten, Datenfernübertragung, Bildschirmkonferenzen und schnellem Fernkopieren. Das ist ein Netz der Zukunft, an dem wirklich die Zukunft eines großen Teiles unserer Wirtschaft hängt.
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Lassen Sie uns darum ringen. Daß über ein solches integriertes Netz auch eine bessere Fernsprech- und eine bessere Rundfunk- und Fernsehübertragung möglich gemacht wird, ist doch überhaupt nicht zweifelhaft. Dieses ist ein intelligentes Netz mit Zukunft. Das, was Sie vorschlagen, ist das Netz von gestern. Daß die alleinige Netzträgerschaft der Bundespost nicht gefährdet werden darf und daß wir uns für eine öffentlich-rechtliche Struktur der Programmanbieter einsetzen, ist j a wohl klar.
Lassen Sie uns in der Enquete-Kommission also konstruktiv und unter dem nötigen Zeitdruck zusammenarbeiten, unter den wir uns selbst begeben haben, indem wir gesagt haben, nach der Sommerpause 1982 sollten hier die Ergebnisse vorliegen. Es sollte also nicht zu einer Vertagung um zwei oder drei Jahre kommen. Wenn Sie glauben - dies ist mein letzter Satz -, in der Zwischenzeit passiere nichts, so gucken Sie sich einmal den Investitionshaushalt der Deutschen Bundespost an; dann werden Sie staunen.
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Meine Damen und Herren, um in dem Bild zu bleiben, das der Herr Kollege Paterna eingangs seiner Rede gebraucht hat: Er hat mit seiner Rede, was die der SPD-Fraktion zustehende Redezeit angeht, jetzt die Grenze erreicht, die Sie, Herr Kollege Schwarz-Schilling, gezogen haben. Die FDP liegt aber noch unterhalb dieser Schwelle. Ich wollte dies nur im Blick auf möglicherweise bestehende Absichten mitteilen, weitere Redner anzumelden.
Als nächster Redner hat der Herr Abgeordnete Schäfer das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen von Herrn Schwarz-Schilling sowie von Herrn Paterna verdienen vielleicht noch einige wenige zusätzliche Bemerkungen. Ich halte es für sehr bedenklich - und darauf hat mein Kollege Dr. Hirsch schon hingewiesen -, daß wir jetzt schon, bevor wir diese Enquete-Kommission einsetzen, über die wir im Grunde genommen, Herr Schwarz-Schilling - und das gebieSchäfer ({0})
tet die Ehrlichkeit -, im Grunde genommen einig waren - da gab es keinen Dissens mehr;
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das, was hier heute morgen gemacht wurde, waren Spiegelfechtereien aus fraktionsinternen Gründen; das muß ich hier einmal offen sagen -, anfangen, uns in einen ideologischen oder technokratischen Gegensatz hineinzureden.
Ich finde auch einiges von dem, was Sie, Herr Paterna, hier eben gesagt haben, nicht unbedingt hilfreich, sondern halte es für sehr gefährlich, wenn Sie hier sagen, wir dürften uns nicht nur um die Formen, sondern müßten uns um die Inhalte von Programmen bekümmern. Mir gerät das - das haben Sie sicher gar nicht gewollt - ein bißchen zu sehr in die Nähe von
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einem staatlich beeinflußten Fernsehen. Das können wir als Liberale nicht wollen. Es ist so - und ich bin darüber sehr froh -, daß die liberalen Parteien von acht in der Europäischen Gemeinschaft vertretenen Ländern ein Papier verfertigt haben, das nächste Woche der Presse übergeben wird, in dem sie vor jedem Anspruch auf Monopol warnen, und zwar sowohl vor dem Anspruch auf staatliches Monopol - das haben wir in Westeuropa leider noch in einigen Ländern; da gibt es, wie Sie wissen, kein öffentlich-rechtliches Fernsehen - als auch vor einem Anspruch auf privatrechtliches Monopol. Beides sollte gar nicht erst in die Diskussion hier mit einfließen.
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- Herr Kollege Schäfer, ich glaube, es könnten Mißverständnisse durch diese Ausführungen von Herrn Paterna entstanden sein.
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- Die öffentlich-rechtliche Struktur, meine Damen und Herren, ist ein in der Bundesrepublik gewachsenes und, wie wir meinen, auch gutes Instrument.
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Aber Sie werden bei der Diskussion über Satellitenfernsehen erleben - ich habe das jetzt ein Jahr lang mit meinen Freunden aus den liberalen Parteien in ganz Europa zu tun die Ehre gehabt -, daß dieses öffentlich-rechtliche Fernsehen schon in Nachbarländern überhaupt nicht mehr begriffen wird, weil es dort nie existiert hat. Wir sind nun mal in einer Europäischen Gemeinschaft, und dann müssen wir uns auch ein bißchen freundlich mit Formen auseinandersetzen,
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Herr Kollege Wehner, die es dort immer noch gibt.
Sie werden sicher zustimmen, wenn unsere Freunde
in Belgien z. B. sagen: Weg mit einem Staatsfernsehen, wie es dort immer noch existiert. Das muß dort verschwinden. Das ist begreiflich.
Wir sollten bei free flow of information darauf achten, daß wir nicht dadurch auf ein ganz gefährliches Gleis kommen, daß wir immer nur die Luxemburg-Problematik diskutieren. Ich möchte hier nicht weiter ausholen. Aber es gibt politisch sehr gravierende Dinge im Hintergrund - denken Sie an den Osten, an Osteuropa, in Zukunft auch durch westliche Satelliten leicht erreichbar; das wissen wir alle -, wenn wir hier anfangen, uns Gedanken zu machen, wie wir möglicherweise eine uns nicht genehme ausländische Rundfunkstation daran hindern könnten, über die Grenzen zu dringen. Das sind Themen der Enquete-Kommission. Ich will sie nicht vertiefen. Ich warne nur davor, daß wir auch nur den Geruch verbreiten, wir könnten so etwas wollen wie die Verordnung guter Programme auf irgendwelchen Umwegen durch den Staat. Das wollen wir nicht.
Ich plädiere hier noch einmal dafür - ich habe das wiederholt in der Öffentlichkeit getan -, in Deutschland bei all diesen Diskussionen ein bißchen freundlicher mit dem Wort „Unterhaltung" umzugehen.
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Das hat hier einen üblen Stellenwert. Ich habe das Gefühl, daß das daran liegt, daß wir da immer an bestimmte Unterhaltungssendungen der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten wie z. B. die Roberto-Blanco-Show denken, von denen wir nicht annehmen, daß sie so hilfreich im Hinblick auf die Intelligenz der Hörer, von der hier eben gesprochen worden ist, sind.
Lassen Sie uns doch durch eine geschickte Politik die Medien nutzen, ohne in tiefe Kulturängste abzugleiten und ohne - und das zur CDU gewandt - technokratische und rein wirtschaftspolitische Überlegungen in den Mittelpunkt zu stellen! Hier handelt es sich um Elemente eines gesellschaftlichen Sprengstoffs, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen, und zwar sehr ernst; aber es geht nicht an, schon im vorhinein das Kind mit dem Bade auszuschütten. Deshalb der Versuch, eine Enquete-Kommission damit zu befassen. Wir wissen, Herr Schwarz-Schilling wird wahrscheinlich ihr Vorsitzender. Er ist ja wohl qualitativ in der Lage, die Beratungen dieser Kommission so zu leiten, daß am Schluß nicht diese schrecklichen Ergebnisse stehen, die Sie uns heute morgen vorausgesagt haben. - Vielen Dank.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit schließen wir die Debatte.
Interfraktionell und gemäß der Vereinbarung im Ältestenrat wird vorgeschlagen, den Antrag der Fraktionen der SPD und der FDP auf Drucksache 9/245 zur federführenden Beratung an den Innenausschuß, zur Mitberatung an den Ausschuß für Forschung und Technologie und den Ausschuß für das Post- und Fernmeldewesen zu überweisen. Ist das
Vizepräsident Leber
Haus mit der vorgeschlagenen Überweisung einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist entsprechend beschlossen.
Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf:
a) Beratung der Sammelübersicht 6 des Petitionsausschusses ({0}) über Anträge zu Petitionen
- Drucksache 9/150 -
b) Beratung der Sammelübersicht 7 des Petitionsausschusses ({1}) über Anträge zu Petitionen
- Drucksache 9/168 Das Wort dazu wird nicht gewünscht. - Wir kommen zur Abstimmung. Wer den Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses auf den Drucksachen 9/150 und 9/168, die in den Sammelübersichten 6 und 7 enthaltenen Anträge anzunehmen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthält sich jemand der Stimme? - Die Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses sind angenommen.
Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({2}) zu der
Aufhebbaren Verordnung der Bundesregierung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs ({3})
Aufhebbaren Verordnung der Bundesregierung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs ({4})
- Drucksachen 9/78, 9/79, 9/170 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Jens
Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Ich sehe, das ist nicht der Fall. Das Wort wird auch anderweitig nicht gewünscht.
Wir kommen dann zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft auf der Drucksache 9/170, die Aufhebung der Verordnungen auf den Drucksachen 9/78, 9/79 nicht zu verlangen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Der Beschlußempfehlung des Ausschusses ist damit entsprochen.
Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({5}) zu der zustimmungsbedürftigen Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs ({6})
- Drucksachen 9/62, 9/171 Berichterstatter: Abgeordneter Echternach
Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Das Wort wird auch anderweitig nicht gewünscht?
Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft auf Drucksache 9/171, der Verordnung auf Drucksache 9/62 die Zustimmung zu geben, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthält sich jemand der Stimme? - Das ist nicht der Fall. Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist angenommen.
Ich rufe die Punkte 14 bis 17 der Tagesordnung auf:
14. Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses ({7}) zu der Unterrichtung durch den Bundesminister der Finanzen
Überplanmäßige Ausgaben bei Kap. 35 02
- Besatzungskosten und Auftragsausgaben in Berlin - im Haushaltsjahr 1980
- Drucksachen 9/73, 9/175 Berichterstatter: Abgeordnete Nehm Glos
15. Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses ({8}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 32 05 Tit. 575 02
- Zinsen für Bundesschatzbriefe - Drucksachen 9/100, 9/176 Berichterstatter:
Abgeordnete Löffler Carstens ({9})
16. Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses ({10}) zu der Unterrichtung durch den Bundesminister der Finanzen
Überplanmäßige Haushaltsausgaben bei Kap. 11 13 Tit. 646 05
- Leistungen des Bundes für Aufwendungen nach dem Mutterschutzgesetz usw. - Drucksachen 9/64, 9/177 Berichterstatter:
Abgeordnete Grobecker Dr. Zumpfort
Dr. Friedmann
17. Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses ({11}) zu der Unterrichtung durch den Bundesminister der Finanzen
Überplanmäßige Haushaltsausgaben bei Kap. 11 11 Tit. 643 01
- Kosten der Kriegsopferfürsorge ({12}) auf Grund des Bundesversorgungsgesetzes sowie entsprechender Leistungen auf Grund des Häftlingshilfegesetzes, des Gesetzes über die Unterhaltsbeihilfe für Angehörige von Kriegsgefangenen
Vizepräsident Leber
und des Gesetzes über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten - Drucksachen 9/76, 9/178 Berichterstatter:
Abgeordnete Grobecker Dr. Zumpfort
Dr. Friedmann
Wünscht einer der Herren Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Das Wort wird auch anderweitig nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuß empfiehlt auf den Drucksachen 9/175 bis 9/178 von der Unterrichtung durch den Bundesminister der Finanzen auf den Drucksachen 9/73, 9/100, 9/64 und 9/76 Kenntnis zu nehmen. Ist das Haus damit einverstanden? - Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist entsprechend beschlossen.
Ich rufe den Zusatzpunkt 2 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen
Bundeseigenes Grundstück in Berlin-Kladow, Neukladower Allee 12; Verkauf an die
Arbeiterwohlfahrt der Stadt Berlin e. V. ({13})
- Drucksache 9/225 Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuß
Wird das Wort zur Einbringung gewünscht? - Ich sehe, das ist nicht der Fall. Das Wort wird auch anderweitig nicht gewünscht?
Der Ältestenrat schlägt vor, den Antrag des Bundesministers der Finanzen an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Ist das Haus mit der vorgeschlagenen Überweisung einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist entsprechend beschlossen.
Meine Damen und Herren, damit sind wir am Schluß der heutigen Tagesordnung angelangt.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 1. April 1981, 13 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.