Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe die Punkte 7 bis 9 der Tagesordnung auf:
Einbringung des von der Bundesregierung zugeleiteten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1981 ({0})
- Drucksache 9/50 Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Mineralöl-und Branntweinsteuer-Änderungsgesetzes
1981 - MinöBranntwStAndG 1981 - - Drucksache 9/91 Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Abbau von Subventionen und sonstigen Vergünstigungen, zur Erhöhung der Postablieferung sowie zur Klarstellung von Wohngeldregelungen ({1})
- Drucksache 9/92 Das Wort zur Einbringung dieser Vorlagen hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung legt Ihnen den Entwurf des Haushalts 1981 in einer politisch und wirtschaftlich schwierigen Weltlage und in einer Zeit vor, in der wir wohl Abschied nehmen müssen von der Vorstellung, als ob es immer unvermindertes, auf materiellen Verbrauch zielendes Wachstum geben könnte, als ob es auf einem hohen Wohlstandssockel ganz selbstverständlich wäre, Vollbeschäftigung wieder zu erreichen und zu sichern - unabhängig davon, was sonst in der Welt passiert.
Die Ölverteuerung wird unabweisbar zur Übertragung beachtlicher Ressourcen an die Förderländer führen. Wir müssen zugleich diesen Wohlstandsverlust verkraften, Wirtschaft und Lebensgewohnheiten an neue Kostenstrukturen und Wertvorstellungen anpassen und als Voraussetzung für die langfristige Sicherung des Friedens gemeinsam mit den
Entwicklungsländern eine neue wirtschaftliche Zusammenarbeit aufbauen.
Die 70er Jahre erscheinen uns heute als ein Jahrzehnt des Übergangs. Möglichkeiten, Ziele und Grenzen wirtschaftlichen Wachstums sehen wir heute grundlegend anders als noch am Ende der 60er Jahre. Die Einsicht in die Notwendigkeit schonenderen Umgangs mit Rohstoffen und Energie ist gewachsen. Die Bedeutung materiellen Verbrauchs wird - im Vergleich zu den Entfaltungsmöglichkeiten der Menschen in Bildung, Arbeit und Freizeit - zunehmend in Frage gestellt. Wir haben es mit einer nicht wieder umkehrbaren Wertsteigerung begrenzter Rohstoff- und Energievorräte zu tun, mit tiefgreifenden Folgen für die Produktionsstrukturen und für das Leben der Menschen in der ganzen Welt.
Das Weltwährungssystem ist starken Erschütterungen und Belastungen ausgesetzt. Zahlungsbilanzungleichgewichte erreichen noch nie dagewesene Größenordnungen, die mit den hergebrachten Methoden, Instrumenten und Organisationen nur mit großer Mühe zu bewältigen sind.
Es wird immer deutlicher, in wie hohem Maße die Wirtschaft der Industrieländer mit weltweiten Entwicklungen verknüpft ist. Das gilt für sich verändernde Rohstoffpreise, für die Freiheit des Handels, der Kapitalströme und Investitionen, für Krisen und kriegerische Auseinandersetzungen. Es gilt auch für die Frage, welche Möglichkeiten öleinführende Entwicklungsländer noch sehen können, ihren Völkern die Chance zu verschaffen, sich durch eigene Arbeit die Voraussetzungen für ein menschenwürdiges Leben zu verdienen.
In einer Welt, in der die Mehrheit der Menschheit um das Existenzminimum ringen muß, in der Hunderte von Millionen für Hungerlöhne Arbeit suchen, in der fast alle erdöleinführenden Länder wachsende Zahlungsbilanzdefizite aufweisen und in immer größere Finanzierungsprobleme geraten, kann es auch für die wohlhabenderen Völker keine selbstverständliche Vollbeschäftigungsgarantie mehr geben. Eine auf Vollbeschäftigung abzielende Politik muß deshalb heute stärker als bisher weltwirtschaftliche Zusammenhänge berücksichtigen und die Grenzen des Möglichen richtig einzuschätzen versuchen.
I Die wirtschaftliche Stagnation in den Industrieländern kann nur überwunden werden, die Anpassung an neue Rohstoff- und Energiepreise kann nur gelingen, wenn sich weltweit die Wachstumschancen verbessern, wenn überall Technologien, Kapital und Arbeitskraft zum Nutzen aller zusammenwirken, der Industrie- wie der Ölländer und der erdölimportierenden Entwicklungsländer.
1,2 Milliarden Menschen in den ärmsten Ländern der Welt hatten 1978 ein durchschnittliches Pro-Kopf-Einkommen von jährlich weniger als 220 Dollar, die Menschen in allen Entwicklungsländern, außer den erdölexportierenden selbstverständlich, eines von 560 Dollar. In den Industrieländern erreichte das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen jedoch 1979 mit 8850 Dollar das 40fache des Einkommens der ärmsten 1,2 Milliarden; das sind immerhin ein Drittel der Menschheit. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen in der Bundesrepublik belief sich 1979 mit 12 440 Dollar auf das 57fache dessen, was im Durchschnitt diesem Drittel der Menschheit zur Verfügung steht. Wir haben damit nach der Schweiz und zusammen mit Dänemark und Schweden das höchste Wohlstandsniveau der Welt erreicht.
Wenn wir uns bei der Vorlage dieses Haushalts im Januar 1981 nur mit Mühe an den Gedanken gewöhnen, daß es auf absehbare Zeit keine automatische Garantie für ein weiteres Anwachsen unseres Einkommensniveaus und für eine Rückkehr zu dauerhafter Vollbeschäftigung geben kann, so müssen wir dies auch in Beziehung setzen zu dem, was in anderen Industrieländern und was auf dem Boden der Armut in den Entwicklungsländern geschieht.
Schon 1974 ging das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte in zwei der immerhin leistungsfähigsten Industrieländern, USA und Italien, real um 2 % beziehungsweise 1,4 % zurück. Großbritannien erlitt - von der Veränderung der Kaufkraft des Pfundes ganz abgesehen - von 1975 bis 1978 jeweils einen realen Einkommensrückgang. 1980 wuchs das durchschnittliche reale Einkommen in allen OECD-Ländern um 0,8 %. Ohne die Spitzenreiter Japan ({0}) und Bundesrepublik ({1}) hätte es in den stärksten Industrieländern der Welt 1980 überhaupt keine Einkommenssteigerung mehr gegeben.
In allen Ländern suchen immer mehr Menschen vergeblich Arbeit. Bei uns waren es im Dezember 1,12 Millionen Männer und Frauen, im Vergleich zu 1,6 Millionen arbeitslosen Franzosen, 2,2 Millionen Briten und 1,9 Millionen Italienern.
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In den Ländern der EG und in den USA gibt es zur Zeit insgesamt rund 17 Millionen registrierte Arbeitslose. Mit ihnen konkurrieren auch die Arbeitslosen in Spanien, Portugal, der Türkei, in Jugoslawien und in Schwellenländern wie Mexiko, Brasilien, Korea oder Taiwan.
Man muß außerdem von einem Sockel von mindestens 300 Millionen dauerhaft Arbeitslosen und von etwa ebenso vielen unterbeschäftigten oder nur vorübergehend beschäftigten Erwerbsfähigen in den Entwicklungsländern insgesamt ausgehen.
Wenn ich dies zu Beginn der Einbringung des Haushaltsentwurfs 1981 sage, so soll es nicht unsere eigenen Probleme geringfügiger erscheinen lassen.
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Aber selbst wenn es uns nur um unsere Arbeitsuchenden ginge, müßten wir doch sehen, daß sich unsere in so hohem Maße auf Export angewiesene Wirtschaft in einer von Stagnation bedrohten Weltwirtschaft behaupten muß. Dies gilt in noch höherem Maße für die Probleme unseres Leistungsbilanzdefizits von rund 28 Milliarden DM - oder 1,8 % des Bruttosozialprodukts 1980 -, das gegenwärtig zu Recht in den Vordergrund der Besorgnisse gerückt ist. Alle OECD-Länder zusammen hatten 1980 ein Leistungsbilanzdefizit von 73 Milliarden Dollar, die erdölimportierenden Entwicklungsländer eines von 50 Milliarden. Jedes einzelne Industrie- oder Entwicklungsland könnte sich selbstverständlich zu einer kurzfristigen Roßkur zur Behebung seines Defizits durch drastische Einschnitte bei den Einfuhren und eine aggressive Exportoffensive entschließen. Das würde allerdings statt zum gewünschten Ergebnis zu einer Verschärfung der weltweiten wirtschaftlichen Schwierigkeiten führen.
Für Entwicklungsländer, die nicht über ausreichende andere Energiequellen verfügen, ist es bei weitem am schwierigsten, diese Defizite zu finanzieren. Dennoch ist es für sie richtig, mehr zu investieren - trotz stark geschrumpfter Kapitalverfügbarkeit -, um neue Energiequellen zu erschließen und Energie einzusparen. Denn nur so können sie sich aus dem Teufelskreis teurer werdender Energie und wachsender Defizite befreien.
Daß Entwicklungsländer mehr investieren, um von Öleinfuhren unabhängiger zu werden, liegt übrigens auch in unserem Interesse, da dies zugleich für uns Exportmöglichkeiten schafft. Wenn wir den ärmsten, am höchsten verschuldeten Entwicklungsländern ohne Währungsreserven und damit mit geringen Exportmöglichkeiten den Rat geben, trotz ihres Defizits, das höher und schwerer zu finanzieren ist als unseres, noch mehr Kapital zu importieren - z. B. über die Weltbank -, dann erst werden wir unser eigenes Defizit richtiger beurteilen und allzu einfache Schlußfolgerungen vermeiden können.
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- Ich hatte mir gedacht, daß Sie an dieser Stelle lachen würden; das hatte ich mir in der Tat gedacht.
Der scheidende Präsident der Weltbank, Robert McNamara, sagt dazu zu Recht: „Es kommt nicht nur darauf an, die Zahlungsbilanzen wieder ins Gleichgewicht zu bekommen, entscheidend ist, daß dieses Gleichgewicht bei größtmöglichem Wirtschaftswachstum erreicht wird."
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Der letzte Ölpreisschub belastet die ölimportierenden Entwicklungsländer gegenüber 1978 mit einer Summe, die höher ist als die gesamte öffentliche Entwicklungshilfe. Hier handelt es sich um das zenBundesminister Matthöfer
traie Problem der Welt am Ausgang des 20. Jahrhunderts, dessen Dimensionen die Möglichkeiten einzelner Länder, Lösungen zu finden, weit überschreiten. Weltweit sind neue Formen des Zusammenwirkens erforderlich, um eine Wende zum Besseren zu ermöglichen. So wichtig auch künftig die bi- und multilaterale Entwicklungshilfe der Industrieländer sein wird, um in der Dritten Welt die Entfaltung produktiver Kräfte zu ermöglichen, darunter als wichtigster Produktivkraft der Arbeitskraft der Menschen, so wird sie doch allein nicht ausreichen.
Die Leistungsbilanzdefizite der Entwicklungsländer zu finanzieren, zusätzliche Kapitalübertragungen zu ermöglichen, insbesondere für Energieinvestitionen, technisches Können zu mobilisieren und wirtschaftliches Wachstum herbeizuführen, all das kann nur gelingen, wenn Industrie-, 01- und Entwicklungsländer ihre Kräfte zu einer neuen gemeinsamen Anstrengung zusammenführen.
Die Bundesregierung beschließt in der nächsten Woche den Jahreswirtschaftsbericht 1981. Die Projektionen für Wachstum und Beschäftigung werden dabei voraussichtlich nach unten korrigiert werden müssen. Auch die Preisentwicklung gibt nach wie vor Anlaß zur Sorge. Die konjunkturelle Entwicklung ist von Unsicherheiten gekennzeichnet. Niemand weiß heute wirklich, ob und wann es im Laufe dieses Jahres zu einer Wende zum Besseren kommen wird.
Wir müssen uns deshalb bei der Beratung dieses Haushalts mit allem Ernst die Frage stellen, was er sinnvollerweise dazu beitragen kann, die Chancen für einen wirtschaftlichen Aufschwung zu verbessern und Risiken für die Beschäftigung zu vermindern. Wir dürfen niemals die Probleme unterschätzen, die Arbeitslosigkeit für die Betroffenen schafft. Wir sollten uns nicht an Arbeitslosigkeit gewöhnen,
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und ganz sicher ist Arbeitslosigkeit für uns kein Instrument der Wirtschaftspolitik.
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Nur Theoretiker ohne Verantwortung für Menschen, die jetzt leben und jetzt Arbeit suchen, können darauf warten, daß sich alles von selbst einrenkt.
Es wäre ein großer Gewinn für die finanz- und wirtschaftspolitische Diskussion, wenn wir allzu simple Klischees überwinden könnten. Unsere Wirtschaftsprobleme wie die unserer europäischen Partner und der USA - erst recht der öleinführenden Entwicklungsländer - lassen sich mit Patentrezepten nicht lösen.
Wir haben es eben nicht mehr nur mit zyklischen Schwankungen zu tun, die durch globale antizyklische Geld-, Kredit- und Finanzpolitik ausgeglichen werden könnten. Wir stehen vor der Notwendigkeit tiefgreifender struktureller Anpassungen. Dabei ist es für die Zukunft außerordentlich schwierig abzuschätzen, in welchem Maße wirtschaftlicher Stillstand die Folge veränderter Kostenstrukturen, internationaler Wettbewerbsverhältnisse, unsicherer Absatzerwartungen und ungünstiger Gewinnerwartungen ist und in welchem Maße Anstöße der Finanzpolitik die Tätigkeit der Wirtschaft nachhaltig stützen können.
Die Industrieländer müssen nach der jüngsten Preiserhöhung jährlich 300 Milliarden Dollar für ihre Ölrechnungen bezahlen, zugleich die Umstellung auf neue Energiestrukturen bewältigen und neue Arbeitsplätze schaffen, die trotz des höheren Wohlstands international wettbewerbsfähig sein müssen. Schließlich müssen sie ihre Leistungsbilanzdefizite durch verminderte Öleinfuhren und höhere Exporte ausgleichen in einer Zeit, in der die Entwicklungsländer mit noch höheren Zahlungsbilanzproblemen fertig werden müssen, und der internationale Handel deshalb stagniert oder gar zurückgeht.
Wenn es auch keine Patentrezepte für Wachstum, Vollbeschäftigung und Wohlstandsmehrung gibt, schon gar nicht kurzfristig wirksame, so gibt es doch begründbare Annahmen über die Richtung, die wir einschlagen müssen. An ihnen orientiert die Bundesregierung ihre Politik.
Wir müssen zunächst einmal durch eine intensive internationale Bemühung verhindern, daß die gegenwärtige weltweite Stagnation in einen sich selbst verstärkenden Prozeß einer lang andauernden Rezession übergehen könnte.
Wir haben ein überragendes Interesse daran, daß die Leistungsbilanzdefizite überall auf der Welt finanzierbar bleiben, daß es nicht zu starken Verminderungen der Importfähigkeit in Industrie- oder öleinführenden Entwicklungsländern kommt. Es kommt also nicht nur darauf an, mit aller Entschlossenheit zur langfristigen Verminderung unseres eigenen Defizits beizutragen und dafür auch unpopuläre Maßnahmen zu ergreifen. Wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, daß es uns wenig nützt, wenn wir es anderen Ländern noch schwieriger machen, mit ihren Defiziten fertig zu werden.
Selbstverständlich können weder wir noch andere Industrieländer kurzfristig von Ölimporten unabhängig werden. Die Weltwirtschaft muß deshalb auf längere Zeit mit erheblichen Leistungsbilanzungleichgewichten leben, ohne daß von ihnen Zwänge zur Verringerung des internationalen Handels und damit Arbeitslosigkeit verursachende Wirkungen ausgehen dürfen.
Gleichzeitig müssen alle produktiven Ressourcen genutzt werden, um mit Energie wirtschaftlicher umzugehen und andere Energiequellen zu erschließen. Ein höherer Energiepreis ist als Kostenfaktor nicht nur Hemmnis für wirtschaftliches Wachstum, er schafft zugleich auch neue Wachstumsfelder. Es lohnt sich immer mehr, zu investieren, um Energie zu sparen und neue Energiequellen zu erschließen. Es gibt genügend neue Technologien, genug Kapital und Arbeitskraft, um diese Möglichkeiten auszuschöpfen.
Dem größeren Teil der Industrie- und Entwicklungsländer wird durch die gestiegene Ölrechnung Kaufkraft entzogen. Früher oder später muß dafür
auf eigenen Verbrauch verzichtet werden. Dies muß für uns aber nicht bedeuten, daß in diesem Umfang in unserem Lande auch die Wirtschaftstätigkeit zurückgeht. Die Lösung kann im Übergang nur darin liegen, daß entzogene Kaufkraft wieder zurückfließt und investiert wird, sei es durch direkte Unternehmensbeteiligungen oder über Banken und Kredite.
Es muß mehr investiert werden, um die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft im Strukturwandel zu erhöhen, um mit den zusätzlichen Erträgen später real die Ölrechnung begleichen zu können. Sicher können in begrenztem Umfang auch mit öffentlichen kreditfinanzierten Investitionen Energiestrukturen verändert und Umstellungen in der Wirtschaft erleichtert werden. Aber grundsätzlich muß es darum gehen, die Wirtschaftsstruktur durch Investitionen der Unternehmen auf neue Kosten- und Wettbewerbsverhältnisse umzustellen und bis dahin das Leistungsbilanzdefizit durch Kapitalexporte zu Marktbedingungen zu finanzieren.
Die Industrieländer haben ihr im Vergleich zu den Völkern der Dritten Welt schwindelerregend hohes Wohlstandsniveau weitgehend durch die hohe Produktivität ihrer Arbeit verdient, durch Verfügung über Technologien, durch Organisationsfähigkeit, durch die Qualifikation, die Leistungsfähigkeit und den Fleiß ihrer Arbeitnehmer und durch ihre bessere Infrastruktur. Nur in dem Maße, in dem es gelingt, unsere Technologien weiterzuentwickeln und sie zusammen mit dem weltweit verfügbaren Investitionskapital produktiv zu nutzen, können wir bei uns dauerhaft Beschäftigung und Einkommen sichern.
Wir können die konjunkturelle Schwäche nur überwinden, neue Energiestrukturen und neue zukunftsgerichtete Arbeitsplätze schaffen, wirtschaftliches Wachstum wieder erreichen, das den Bedürfnissen der Menschen und zugleich neuen ökologischen Bedingungen entspricht, die gegenwärtigen Krisen und die Herausforderungen der Zukunft bewältigen, wenn alle zusammenwirken: Unternehmensleitungen, Arbeitnehmer und Selbständige, Banken und Kapitalgeber im In- und Ausland, Gewerkschaften, Verbände und öffentliche Hände.
Der Staat allein kann dies nicht. Es ist aber sicher richtig, auf die Bedeutung einer leistungsfähigen öffentlichen Infrastruktur, eines breiten Bildungsangebots, einer vielfältigen Wissenschafts- und Forschungsförderung hinzuweisen, nicht zuletzt auch auf vernünftige Rahmenbedingungen für die Wirtschaft, von einer funktionierenden Wettbewerbsordnung über Mitbestimmung und Sozialgesetzgebung bis hin zum Steuerrecht.
In den Industrieländern ist der mittelbare und unmittelbare Einfluß des Staates auf die Entwicklung der Wirtschaft auch durch Art und Höhe der öffentlichen Ausgaben nicht mehr wegzudenken. Dennoch ist es gerade bei der Beratung des Bundeshaushalts und seiner Einordnung in die gesamtwirtschaftliche Lage angebracht, die Grenzen staatlicher Einwirkungsmöglichkeiten richtig einzuschätzen.
Entscheidend sind nicht staatliche Ausgaben, sondern unternehmerische Entscheidungen, Initiativen, Investitionen und Innovationen.
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- Wenn ich die selbstverständlichsten Banalitäten sage, dann klatschen Sie Beifall.
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Aber wenn es ein bißchen komplizierter wird, habe ich Sie sofort wieder verloren.
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Es bleibt auch künftig richtig, daß der Staat mit einem vielfältigen Instrumentarium Initiativen fördert, daß er insbesondere die Entwicklung und Nutzung neuer Technologien unterstützt und den Unternehmen einen Teil der mit Innovationen verbundenen besonderen Risiken abnimmt, daß die öffentlichen Hände energiesparende Investitionen dort anregen und fördern, wo sie vom Markt oder von den steigenden Energiekosten nicht von selbst hervorgerufen oder verbreitet werden. Staatliche Maßnahmen sollen die unternehmerischen Kräfte der einzelnen Bürger und Unternehmen anregen und stärken, können sie aber niemals ersetzen.
Der Beitrag, den der Bundeshaushalt zur Belebung der Wirtschaft und zur Überwindung von Strukturproblemen leisten kann, ist begrenzt. Selbst eine beachtliche Erhöhung des Haushaltsdefizits wäre fast bedeutungslos im Vergleich zu der investitionsauslösenden Kraft einer Zinssenkung von 1, 2, 3 oder gar 4 Prozentpunkten.
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Eine Zinssenkung um nur 1 % würde die Ertragslage und damit die Investitionskraft der Unternehmen um rund 8 Milliarden DM verbessern und zugleich mit verbesserten Ertragsaussichten die Investitionsneigung erhöhen.
Oder: Der Wohnungsbau - nicht nur der Eigenheimbau, auch der Mietwohnungsbau - hängt zunächst einmal von Bau- und Grundstückspreisen, von Zinsen, auch vom Mietrecht, auch von der Bereitschaft ab, einen wachsenden Anteil des Einkommens für das Wohnen auszugeben. Öffentliche Finanzierungen, z. B. der soziale Wohnungsbau, können diese Mechanismen nicht ersetzen, sondern nur ergänzen.
Die öffentliche Hand kann auch die Umstellung der Wirtschaft auf neue Energiestrukturen nicht bewältigen. Die Kalkulation mit neuen Energiekosten und die Umstellung auf neue Produktionsweisen kann nur in den Unternehmen selbst erfolgen. Der Strukturwandel muß von der Wirtschaft bewältigt werden. So kann der Staat bei aller Förderung, z. B. der modernen Elektronik, das unternehmerische Engagement auch auf diesem Feld nicht überflüssig machen. Es ist darum richtig, beim Bemühen um eine zukunftsgerichtete Belebung der Wirtschafts-und Investitionstätigkeit auch dem Vorwurf nachzugehen, daß Investitionen in einer nicht durch überBundesminister Matthöfer
greifende Gründe gerechtfertigten Weise behindert werden.
Wir befinden uns gegenwärtig in einer Phase hoher Zinsen, und das sind keine optimalen Rahmenbedingungen für neue Investitionen. Die Bundesbank sieht aber gegenwärtig angesichts der sehr hohen Zinsen im Ausland und der Gefahr von Kapitalabflüssen, während wir doch Kapitalimporte zur Finanzierung unseres Leistungsbilanzdefizits benötigen, keinen Spielraum für Zinssenkungen. Es ist eine ungewöhnliche Situation, daß Kapitalanleger das hohe Nominalzinsniveau von Ländern mit hohen Preissteigerungsraten suchen und offenbar zur Zeit kein gegenläufiges Wechselkursrisiko sehen. Längerfristig werden sich aber die Grundkräfte, nämlich der von der Stabilität abhängige Realzins und der innere Wert von Währungen, durchsetzen.
Der vorübergehend geradezu dramatisch erscheinende Verfall des Dollarwertes hat sich letztlich ohne allzu schwerwiegende Folgen für die deutsche Wettbewerbsposition auffangen lassen. Wir haben in den Jahren zwischen der ersten und der zweiten Ölpreissteigerungswelle Preissteigerungen durch die höhere Bewertung der D-Mark ausgleichen können. Wenn nach dieser außergewöhnlichen Aufwertungsphase nunmehr eine gewisse Stabilisierung eingetreten ist, so bedeutet dies keine fundamentale Schwäche der D-Mark. Die D-Mark ist und bleibt eine der stabilsten und gesuchtesten Währungen der Welt. Ich habe großes Vertrauen in den inneren Wert der D-Mark, der sich langfristig gegenüber allen künstlich erzeugten Spekulationsbewegungen durchsetzen wird.
Beschränkungen oder Erschwerungen von Auslandsreisen können als Mittel zur Verbesserung der Leistungsbilanz nicht in Frage kommen.
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Das wäre letztlich eine Beschränkung des internationalen Handels, die wir nicht wollen können. Wie sollen Länder, wie Italien, Spanien, Griechenland oder die Türkei, von den ganz armen Entwicklungsländern zu schweigen, ihre Leistungsbilanzdefizite finanzieren, wenn wir ihnen sogar die Chance nehmen, deutsche Devisen durch Fremdenverkehr zu verdienen? Ganz abgesehen davon ist die Freiheit zu reisen, wohin man will, eines unserer Bürgerrechte, das man nicht beschneiden sollte.
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Leistungsbilanzdefizite saldieren sich weltweit mit den Leistungsbilanzüberschüssen immer auf Null. Es ist kein vorrangiges und angesichts der Energieversorgungsstrukturen auch kurzfristig gar kein realistisches Ziel, in jedem Land völlig ausgeglichene Leistungsbilanzen anzustreben. Unsere Aufgabe lautet vielmehr, eine Finanzierung der Leistungsbilanzdefizite ohne Schaden für das Wachstum zu ermöglichen und zugleich mitzuhelfen, die Investitionstätigkeit weltweit zu erhöhen, um die Abhängigkeit vom 01 zu verringern.
Auch wir müssen auf absehbare Zeit das Leistungsbilanzdefizit durch Kapitaleinfuhren finanzieren und dieses importierte Kapital in produktive Investitionen lenken. Mit höherer Produktivität, neuen Technologien und größerer Leistungsfähigkeit müssen wir die höhere Ölrechnung bezahlen.
Weil dies aber so ist, können wir die durch die höheren Ölpreise entstandene und durch Kapitalimporte wieder aufgeschobene Wachstumslücke nicht durch eine kreditfinanzierte Ausweitung der öffentlichen Haushalte schließen. Wir müssen sie durch Investitionen, insbesondere durch energiesparende Investitionen in der Wirtschaft, schließen. Wir müssen alles vermeiden, was die gefährliche Kombination von zunächst einmal auf höhere Preisstabilität abzielender restriktiver Geldmengenpolitik und Hochzinspolitik in einer Phase wirtschaftlicher Stagnation noch fördern könnte. Wir müssen so bald wie möglich die Voraussetzungen dafür erreichen - hier liegt wirklich die Schlüsselvariable der Wirtschafts- und Finanzpolitik -, daß Geldmenge und Zinsen den beschäftigungspolitischen Bedürfnissen, den Bedürfnissen nach Investitionen zum besseren Umgang mit Energie und den Wachstumszielen angepaßt werden können. Dabei werden und müssen wir uns international um eine bessere Koordinierung der Zinspolitik bemühen mit dem Ziel, die Zinspolitik umzudrehen, um dadurch Investitionshemmnisse zu beseitigen. Es wäre aber unvernünftig, ein zu hohes Zinsniveau durch staatliche Ausgaben, z. B. durch Investitionszulagen, senken zu wollen.
Vor diesem Hintergrund sind die Finanzplanungen der öffentlichen Hände und der Entwurf des Bundeshaushalts zu beurteilen. Wir haben den Zuwachs der öffentlichen Ausgaben für den Zeitraum der mittelfristigen Finanzplanung eher niedriger angesetzt als das erwartete nominale Wachstum des Bruttosozialprodukts.
Der Entwurf enthält eine Zunahme der Ausgaben des Bundes auf der Grundlage der Ist-Ergebnisse 1980 um 4,1 %. Angesichts der sich verschlechternden Wachstumsaussichten kann heute noch nicht abschließend beurteilt werden, ob diese Zunahme der Ausgaben des Bundes der Zunahme des Bruttosozialprodukts entsprechen oder möglicherweise leicht darüber liegen wird. Dieser Umfang des Haushalts 1981 ist zu meiner großen Überraschung als prozyklisch - das kann j a nur bedeuten: als zu niedrig - kritisiert worden. Ich halte diese Kritik aus einer ganzen Reihe von Gründen, nicht zuletzt wegen der schon vorgetragenen grundsätzlichen Überlegungen, schlicht und einfach für falsch.
Eine Zunahme der Ausgaben auf der Ist-Basis um 4,1 % bedeutet aus heutiger Sicht - schon die nächste Steuerschätzung kann dies verändern - eine Nettoneuverschuldung des Bundes um 27,4 Milliarden DM. Das kann ja doch wohl nicht als prozyklisch bezeichnet werden. Nach den bisherigen Planungen werden die Länder ihre Neuverschuldung in mindestens dem gleichen Umfang erhöhen. Einschließlich der Gemeinden werden die öffentlichen Hände die Konjunktur mit einem gesamtstaatlichen Defizit von etwa 60 Milliarden DM nachhaltig stützen. Das ist ein erheblicher Anstieg gegenüber 55 Milliarden
DM im Jahre 1980. Die öffentlichen Haushalte sind deshalb konjunkturgerecht.
Die private Kaufkraft wird durch die jetzt in Kraft getretenen Steuererleichterungen - auch bei einer Gegenrechnung der indirekten Steuererhöhungen - um 10 Milliarden DM zum richtigen konjunkturellen Zeitpunkt ausgeweitet. Sollte sich die Konjunktur gegenüber den Annahmen, die diesem Entwurf zugrunde liegen, verschlechtern, so würde sich auch ohne weitere zusätzliche Maßnahmen das Defizit erhöhen.
Die Bundesregierung hält es 1981 nicht für zweckmäßig, Einnahmeausfälle durch Ausgabenkürzungen aufzufangen. Annahmen, die aus heutiger Sicht zum Zuschußbedarf der Bundesanstalt für Arbeit gemacht worden sind, könnten sich als zu optimistisch erweisen. Eine Zunahme der Zahl der Arbeitslosen oder Kurzarbeiter würde zu einer Erhöhung der Kreditaufnahme des Bundes führen. Es ist müßig, heute darüber zu spekulieren, ob sich im Verlaufe des Jahres weitere Haushaltsrisiken zeigen werden, ob unvorhersehbare Einnahmeausfälle oder neue Ausgabenzwänge auf uns zukommen und wie Mehrausgaben dann sinnvollerweise und konjunkturgerecht finanziert werden können.
Aus heutiger Sicht halte ich es nicht für angebracht, neue zusätzliche Ausgabenprogramme zu beschließen. Sie können nicht die wirtschaftlichen Probleme lösen, vor denen wir stehen. Dabei will ich gar nicht erst die Frage diskutieren, ob die durch derartige Programme entstehende Nachfrage mit einer genügenden Effizienz ohne Umfinanzierungen und Preiserhöhungen konjunkturgerecht, d. h. entsprechend den unterausgelasteten Kapazitäten, in den entsprechenden Regionen und Wirtschaftszweigen gesteuert werden kann.
Es ist für mich auch nicht vorrangig entscheidend, daß derartige Programme die Manövrierfähigkeit künftiger Haushalte weiter einengen. Entscheidend ist, daß eine Analyse der wirtschaftlichen Lage, der vor uns liegenden Wachstumsprobleme und der Zusammenhänge von Ölverteuerung, außenwirtschaftlichem Ungleichgewicht und Geld- und Zinspolitik zu dem Ergebnis führt, daß im jetzigen Zeitpunkt zusätzliche öffentliche Ausgabenprogramme nicht der entscheidende Hebel für einen neuen wirtschaftlichen Aufschwung sein können.
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Bei den öffentlichen Ausgaben muß es jetzt vorrangig darum gehen, zu überprüfen, wo neue Prioritäten gesetzt werden müssen und wo konsumtive Ausgaben abgebaut werden können.
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Ein erster wichtiger Schritt ist das Subventionsabbaugesetz, dessen Entwurf heute eingebracht wird.
Im übrigen sind ein Bundeshaushalt mit Ausgaben von 224 Milliarden DM und Landeshaushalte mit einem Gesamtumfang von 208 Milliarden DM, Gemeindehaushalte von 146 Milliarden DM und Ausgaben der Sozialversicherungsträger in Höhe von rund 260 Milliarden DM ausreichend, um der Wirtschaft Wachstumsimpulse, Umstrukturierungshilfen und soziale Absicherungen zu geben, die sie in die Lage versetzen sollten, neue Investitionen und Innovationen zu wagen. Keine laufenden Investitionsvorhaben müssen konjunkturwidrig abgebrochen werden.
Der Bund strebt durch den Abbau ungerechtfertigter und energiepolitisch teilweise falsch angelegter Subventionen auch eine bessere Ausgabenstruktur an. Schwerpunkte des Gesetzes über den Subventionsabbau sind, neben dem schon erwähnten Abbau von Ölverbrauchssubventionen, die Neuregelung und Konzentration der Sparförderung und die Beseitigung von Steuervergünstigungen in der Kreditwirtschaft.
Die Neuordnung und Konzentration der Sparförderung sieht den Wegfall der Sparprämie für neue Sparverträge, die Kürzung der Wohnungsbauprämie von 18 auf 14 v. H. und die Verlängerung der Festlegungsfrist auf zehn Jahre vor. Die Einschränkung der enormen Ausgaben für die staatliche Sparförderung - sie betrugen 1980 einschließlich Steuervergünstigungen immerhin 7 1/2 Milliarden DM - ist ein wichtiger erster Schritt zur Änderung der Ausgabenstruktur des Haushalts.
Die Mehreinnahmen aus den vorgeschlagenen steuerlichen Maßnahmen betragen im laufenden Jahr 2,5 Milliarden DM.
Im Haushaltsjahr 1981 stehen diesen steuerlichen Mehreinnahmen von 2 1/2 Milliarden DM auf der Ausgabenseite Kürzungen und Umschichtungen von insgesamt rund 10 Milliarden DM gegenüber; d. h., bei einem Verhältnis von 1 : 4 überwiegen bei der Strukturverbesserung bei weitem die Maßnahmen auf der Ausgabenseite und nicht die Steuererhöhungen.
Die Erhöhung der beiden Verbrauchsteuern kann im übrigen nur im Zusammenhang mit den beträchtlichen Steuerentlastungen und familienpolitischen Maßnahmen gesehen werden. Damit setzt die Bundesregierung konsequent eine Steuerpolitik fort, die seit Mitte der 70er Jahre eine Entlastung der Steuerzahler, insbesondere der lohnsteuerpflichtigen Arbeitnehmer, eine Verbesserung der finanziellen Situation der Familien sowie eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für mittelständische Unternehmen und freie Berufe zum Ziel hat.
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Seit 1975 sind Steuerentlastungen und Kindergelderhöhungen mit einem Jahresvolumen von über 50 Milliarden DM - unter Gegenrechnung aller Steuererhöhungen - beschlossen worden. Die Arbeitnehmer wurden durch eine leistungsgerechtere Tarifgestaltung sowie die Anhebung des Arbeitnehmerfreibetrags, des Weihnachtsfreibetrags, des Grundfreibetrags und der Sonderausgabenhöchstbeträge entlastet. Die Lohnsteuerquote und der Anteil der Lohnsteuer am gesamten Steueraufkommen sind seit 1975 nicht mehr gestiegen. In all den Jahren vorher, seit Beginn der 50er Jahre, sind diese Schlüsselzahlen ständig nach oben geklettert. Wir haben diesen Prozeß gestoppt. Mit dem Steuerpaket 1981/ 1982 setzt die Bundesregierung diese Politik konsequent fort.
Neben den bisherigen Vorschlägen zum Subventionsabbau bleibt es auch künftig richtig und notwendig, weitere hergebrachte Ausgabenblöcke noch kritischer als bisher zu durchleuchten und in Frage zu stellen, um Raum zu gewinnen für die Erfüllung neuer Aufgaben: Entwicklung neuer Energietechnologien, Ausbau von Fernwärmenetzen, Ausbau der öffentlichen Verkehrsangebote, Förderung der Bildung und Wissenschaft, der Grundlagenforschung ebenso wie der anwendungsorientierten Forschung, Förderung neuer Existenz- und Unternehmensgründungen, der Selbständigen, der kleinen und mittleren Unternehmen, Förderung von Schlüsseltechnologien wie der Elektronik, von Innovationen und von unternehmerischen Wagnissen.
Wir wollen private Initiativen, private Leistungsbereitschaft und unternehmerischen Wettbewerb nicht ersetzen oder gar lähmen, sondern sie marktund wettbewerbskonform anregen. Deshalb muß immer wieder neu geprüft werden, wieweit private Initiative und Investitionen schon von Marktkräften und Marktrentabilität getragen werden und öffentliche Hilfen gewissermaßen nur „mitgenommen" werden, ohne irgendwelche zusätzliche Wirkungen zu entfalten.
Es ist kein Widerspruch, wenn wir der Politik „Weg vom Öl höchste Priorität einräumen und zugleich die Hilfen für den Bergbau neu überprüfen, wenn wir den Stromversorgungsunternehmen und damit letztlich natürlich dem Verbraucher zumuten wollen, sich stärker an den Kosten neuer Stromerzeugungstechnologien zu beteiligen, oder wenn wir das 4,35-Milliarden-Energieeinsparungsprogramm zumindest in seiner bisherigen Form nicht fortschreiben wollen. Im Energiesektor, auf dem Feld neuer Technologien, im Wohnungsbau muß gelten: Vorrang für unternehmerische Investitionen und für den Wettbewerb.
Eine entscheidende Kraft, schonenderen und wirtschaftlicheren Umgang mit Energie und Ö1 zu bewirken, Verbrauchergewohnheiten zu ändern, Einsparinvestitionen auszulösen und neue Energiequellen lohnend zu machen, ist der Anstieg der Preise. Es ist unausweichlich notwendig, die weiter steigenden Öl-und Energiekosten voll in die Wirtschaftlichkeits-und Rentabilitätsrechnungen der Unternehmen und in die privaten Verbraucherentscheidungen eingehen zu lassen.
Auf längere Sicht werden auf dem Öl- und Energiemarkt die Kräfte von Angebot und Nachfrage und die davon ausgehenden wirtschaftlichen Anreize doch ihre Wirkung zeigen. Wir sind deshalb entschlossen, weitere Subventionen und Vergünstigungen abzubauen, 'die insbesondere das Ö1 verbilligen und einem energiepolitisch und wirtschaftlich richtigen Verbraucherverhalten entgegenwirken.
Es mag manchem wenig überzeugend erscheinen, daß wir mit dem Abbau der Gasölsubventionen im öffentlichen Nahverkehr sofort beginnen wollen, obwohl gerade der öffentliche Nahverkehr - und ich füge hinzu: ein Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs - ein wichtiges Element einer energiesparenden Verkehrspolitik ist. Deshalb bekräftige ich unsere Entschlossenheit, langfristig alle den Energie verbrauch fördernden Subventionen abzubauen. Ebenso unzweifelhaft müssen die Verkehrsangebote im öffentlichen Nah- und Fernverkehr verbessert werden.
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Dies bedeutet nicht, daß den Bürgern das Autofahren verleidet werden soll. Die nicht zu unterschätzenden Freiheitsräume, die der individuelle Kraftfahrzeugverkehr ermöglicht, werden nicht angetastet. Das Auto wird auch in Zukunft - wenn auch vielleicht in veränderter Form und mit anderer Gewichtung - innerhalb unserer Lebensgewohnheiten seinen Platz haben.
Wir unterstützen die Anstrengungen der Industrie, weniger energieaufwendige, vielleicht sogar vom Öl unabhängigere Fahrzeuge zu entwickeln und auf den Markt zu bringen, die zudem sicherer, leiser und umweltfreundlicher sind. Das erhöht dann auch die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Das Auto und die deutsche Automobilindustrie haben gute Chancen für die Zukunft. Aber die Möglichkeiten des Individualverkehrs werden in Zukunft stärker durch öffentliche Verkehrsangebote ergänzt werden müssen.
Die Mineralölsteuer in einer Zeit ohnehin nicht geringer Preissprünge beim Benzin und jetzt wieder wachsender Schwierigkeiten im Absatz von Kraftfahrzeugen um 7 Pfennig zu erhöhen ist eine Entscheidung, die vielen sicher nicht leicht fallen kann. Es ist aber - über einen längeren Zeitraum betrachtet - richtig, den ständigen Schwund der indirekten Steuereinnahmen insbesondere des Bundes zu korrigieren. Die Erhöhung paßt auch in die energiepolitische Landschaft.
Die Verteuerung des Kraftstoffs schafft zudem Raum für einen höheren Kostendeckungsgrad im öffentlichen Nah- und Fernverkehr, die die öffentlichen Haushalte mit Defiziten belasten und die Ausweitung des Leistungsangebots und neue Investitionen wesentlich erschweren.
Der öffentliche Personennahverkehr ist Aufgabe der Länder und Gemeinden. Der Bund hat dennoch seit 1967 rund 24 Milliarden DM aufgewandt, um die Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden zu verbessern, davon knapp die Hälfte für Investitionen im öffentlichen Personennahverkehr.
Ob es sachgerecht ist, kommunale Planungen und Entscheidungen nicht nur mit der Landesebene, sondern auch noch mit einem Mitspracherecht des Bundes zu verbinden, werden wir im Rahmen der vom Bundeskanzler und den Ministerpräsidenten der Länder verabredeten Überprüfung der Beziehungen von Bund und Ländern neu überdenken müssen. Bis es zu neuen Zuordnungen kommt, wird der Bund für Verkehrsinvestitionen in den Gemeinden im Planungszeitraum 800 Millionen DM zusätzlich bereitstellen, davon rund 600 Millionen DM für den öffentlichen Personennahverkehr.
Der Bundeshaushalt muß seit Jahren durch Leistungen an die Deutsche Bundesbahn einen hohen Beitrag zur Erhaltung eines leistungsfähigen öffentlichen Verkehrsangebots leisten. 100 Milliarden DM
) Zuschüsse und sonstige Leistungen an die Bahn seit 1970 machen annähernd die Hälfte der gesamten Nettokreditaufnahme in diesem Zeitraum aus.
Dennoch war es richtig, das öffentliche Verkehrsnetz der Bundesbahn leistungsfähig zu erhalten. Es waren j a nicht zuletzt die Länder, die auf der Aufrechterhaltung defizitärer Strecken bestanden. Dann müssen wir allerdings auch bereit sein, den Preis dafür zu bezahlen.
Wir werden - in Zukunft noch stärker als in der Vergangenheit - darauf bestehen, daß die Bahn sich in ihrer Planungs- und Arbeitsweise den Erfordernissen eines modernen Dienstleistungunternehmens anzupassen hat.
Die Bahn muß ihre Chance nutzen, wenn höhere Benzinpreise, aber auch neue Bedingungen im Umweltschutz, in der Raumordnung, in der Stadt- und Großraumplanung ihr Verkehrsaufkommen nachhaltig verbessern. Die 50 Milliarden DM der Finanzplanung stellen allerdings den oberen Rahmen der vertretbaren öffentlichen Zuschüsse in den nächsten vier Jahren dar.
Für die Bundesregierung bleibt die Kohle ein Eckpfeiler der deutschen Energieversorgung.
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Es gibt keinen Anlaß, von dieser Grundposition abzurücken oder von ihr Abstriche zu machen.
Die deutsche Kohle kann zwar nicht mit den
) Kosten der billigeren Kohle auf den Weltmärkten konkurrieren, aber sie kann bei steigendem Energiepreisniveau ihre Möglichkeiten zunehmend in wirtschaftlicher Unternehmensführung und durch einen wachsenden Anteil der Investitionsfinanzierung unter wirtschaftlichen Bedingungen wahrnehmen. Wir werden uns auch künftig mit Nachdruck dafür einsetzen, daß die Kohle - insbesondere die deutsche Kohle - bei der Stromerzeugung und bei der Wärmeversorgung eingesetzt wird und dafür auch neue, zukunftsweisende Investitionen vorgenommen werden.
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Die Bundesregierung wird sich weiterhin für einen zügigen Ausbau von Fernwärmeversorgungsnetzen, insbesondere in den großen Ballungsräumen, aber auch für die Koppelung von Krafterzeugung und Abwärmenutzung in kleineren dezentralen Versorgungseinheiten einsetzen. Hier tragen aber auch Länder und Gemeinden gesamtwirtschaftliche Verantwortung, da von ihren Planungen weitgehend abhängt, ob die Möglichkeiten der Wärme-Kraft-Koppelung ausgeschöpft werden.
Der Bund ist nach wie vor bereit, sich im Rahmen der Finanzverfassung an Investitionshilfen für den Ausbau der Wärme-Kraft-Koppelung zu beteiligen. Er kann Fernwärmenetze aber selbst nicht planen und allein die Energieversorgungsunternehmen nicht darauf festlegen, Versorgungsstrukturen stärker als bisher nach volkswirtschaftlichen und energiepolitischen Maßstäben auszurichten. Hier müssen alle Ebenen unseres Staates zusammenwirken. ({20})
Dies gilt ebenso für die Erschließung der energie und industriepolitischen Möglichkeiten der Kohleveredelung. Kohleveredelung ist für ein Land, dessen einziger eigener Energierohstoff die Kohle ist, das auf den Export von Technologien und Industrieanlagen angewiesen ist, eine Zukunftstechnologie, in die Erfindungsgeist, Arbeit, Kapital und Standorte zu investieren sich lohnt. Bei der Veredelung der Kohle, sei es nun zu Gas oder zu flüssigen Produkten, wird es aber keine an den Kosten vorübergehende öffentliche Dauersubvention geben können. Wir sind bereit, gemeinsam mit den Ländern eine begrenzte Anzahl von Anlagen zu fördern. Der Finanzplan sieht dafür ca. 1,2 Milliarden DM vor. Die Anwendung dieser Technologien im größeren Maßstab und eine mögliche Integrierung der Kohleveredelung in die Energieversorgungsstruktur, sei es in der Wärmeversorgung, in der Chemie oder in der Kraftstofferzeugung, muß unter normalen Wettbewerbsgesichtspunkten von der Wirtschaft entschieden und von der Wirtschaft finanziert werden.
Auch beim Ausbau der Kernenergie müssen alle Ebenen unseres Staates zusammenwirken. Die Bundesregierung wird auch künftig das Notwendige tun, um die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Ausbau der Kernenergie verantwortbar zu halten, um die Aufarbeitung und Lagerung radioaktiver Abfälle einer auch für längere Zeit verantwortbaren Lösung zuzuführen und um die Sicherheit von Kernkraftwerken immer wieder an Hand von Erfahrungen zu überprüfen und weiterzuentwickeln.
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Standortplanungen, Genehmigungsverfahren,
regionale Energiebedarfsplanungen sind Angelegenheiten der Länder und müssen es bleiben. Die Energiewirtschaft muß, auch unter Kosten und Wettbewerbsgesichtspunkten, selbst prüfen und entscheiden, in welchem Umfang und in welcher zeitlichen Abfolge sie sich auf Investitionen in nutzbare Energieversorgungsstrukturen festlegen will.
Der Bund wird sein finanzielles Engagement für die technologische Weiterentwicklung der Nukleartechnik, insbesondere auch beim Schnellbrutreaktor und beim Hochtemperaturreaktor einschließlich des Brennstoffkreislaufs, an der Schwelle der jetzt erreichten Größenordnungen begrenzen. Jenseits dieser Schwelle müssen Markteinführung und weitere Nutzung über den Energiemarkt finanziert werden.
Das von uns angeregte mehrjährige Energieeinsparprogramm hat wesentlich zur Bereitschaft breiter Schichten beigetragen, sich finanziell für Wärmedämmung und andere energiesparende Investitionen zu engagieren. Nach dieser Anstoßwirkung müssen wir heute prüfen, wo es angesichts der dauerhaft höheren Energie- und Ölpreise überhaupt noch öffentlicher Zuschüsse bedarf. Dies gilt für den Zuschußteil des 4,35-Milliarden-Programms ebenso wie für den steuerlichen Teil. Ein neues Energieprogramm wird voraussichtlich sehr viel gezielter auf
die Einführung neuer, energiesparender Technologien ausgerichtet sein müssen.
Die öffentlichen Hände, Bund, Länder und Gemeinden, sollten sich in Zukunft beim Energiesparen noch vorbildlicher verhalten. Das gilt auch, ohne daß es dafür besonderer Haushaltsansätze oder Fördermittel bedürfte, für eine noch sorgfältigere Prüfung neuer Vorhaben, die mit Energieverbrauch verbunden sind. Um den Baubestand des Bundes auf rationelleren Energieverbrauch umzustellen, erhöhen wir die Haushaltsansätze des letzten Jahres um rund ein Drittel. Bis zum Jahre 1984 sind rund 500 Millionen DM für diesen Zweck fest eingeplant.
Damit wir das Leistungsbilanzdefizit verringern und notwendige Ölimporte real bezahlen können, damit wir Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze sichern, das soziale Netz und den sozialen Frieden in unserem Lande bewahren können, müssen wir die Chancen nutzen, die uns der Strukturwandel bietet. Die Voraussetzungen dafür sind bei uns nach wie vor sehr günstig. Unsere Ausgangsposition ist besser als die der meisten westlichen Partnerländer. Wir haben risikobereite und anpassungsfähige Unternehmen, die ihre Zukunftschancen in ständiger Qualitätsverbesserung, in neuen Produktionstechnologien und in neuen Produkten sehen. Es lohnt sich nach wie vor, bei uns zu investieren, es lohnt sich, unternehmerische Wagnisse einzugehen. Qualifizierte Arbeit findet ihren guten Preis. Die Wirtschafts- und Finanzpolitik hat gute Rahmenbedingungen für Wettbewerb, für selbständige und kleinere Unternehmen, für Kapitalbildung und für Investitionen geschaffen.
Um Innovationsfähigkeit und internationale Wettbewerbsfähigkeit weiter zu stärken, wird der Bund seine Ausgaben für Forschung und Entwicklung auch in den kommenden Jahren überproportional steigern,
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wenn auch mit geringeren Zuwächsen als in den vergangenen Jahren.
Das breit angelegte und unbürokratische Programm für kleinere und mittlere Unternehmen wird ungeschmälert fortgesetzt. Unvermeidliche Kürzungen gegenüber dem bisherigen Finanzplan beeinträchtigen zukunftsträchtige Vorhaben nicht. Das gilt neben der Grundlagenforschung, mit deren finanzieller Förderung wir weltweit an der Spitze liegen, und neben dem breiten Spektrum der Energietechnologien vor allem für die Schlüsseltechnologie Elektronik. Die moderne Elektronik wird, auch wenn dies nicht von einem Tag auf den anderen sichtbar wird, unsere Produktionsstrukturen, Verbrauchsgewohnheiten und Lebensbedingungen tiefgreifend verändern.
Es ist richtig und notwendig, diesen Prozeß mitzugestalten, damit er das Leben der Menschen verbessert und nicht über ihre Interessen hinweggeht. Wir werden unsere wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit nicht bewahren können, wenn wir nicht an der Spitze dieser technologischen Revolution mitwirken. Dies hängt letztlich von Leistungsfähigkeit, Weitsichtigkeit, Beweglichkeit und Engagement aller in den Unternehmen arbeitenden Menschen ab. Viele Unternehmer wären jedoch, wenn sie nur auf sich allein gestellt wären, von der rasanten Entwicklung der Elektronik überfordert. Hier kann der Staat in der Tat einen Beitrag leisten.
Der notwendige Strukturwandel trifft einzelne Regionen und einzelne Wirtschaftszweige stärker als andere. Wirtschaftliches Wachstum kann nie im harmonischen Gleichschritt erreicht werden, schon gar nicht in Zeiten beschleunigten Strukturwandels und erheblichen internationalen Wettbewerbs. Wir müssen von vielen Arbeitnehmern und ihren Familien, gerade aber auch von den neu ins Erwerbsleben eingetretenen jungen Menschen große Anpassungsbereitschaft erwarten. Jeder muß selbst seine Chance nutzen und seine Leistungsmöglichkeiten voll entfalten. Der Staat kann im Strukturwandel und bei weltweit wachsender Arbeitslosigkeit Unternehmer und Arbeitnehmer nicht völlig von negativen Wirkungen abschirmen.
Wo krisenhafte Entwicklungen und unvertretbare soziale Härten drohen oder aus Gründen der nationalen Vorsorge staatliche Hilfe geboten ist, muß der Staat für eine Übergangszeit helfen. Ruhrgebiet und Saarland haben wegen ihrer vor allem auf Kohle und Stahl aufgebauten Wirtschaftsstruktur in besonderem Maße Umstrukturierungs- und Anpassungsprozesse zu bewältigen. Der Bund unterstützt die Bemühungen dieser Länder, in Nordrhein-Westfalen u. a. im Rahmen des Ruhrprogramms, im Saarland vor allem mit Investitionshilfen zur Modernisierung der saarländischen Stahlindustrie und dem Engagement des Bundes bei den Saarbergwerken.
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Um an der Küste stärkere Beschäftigungseinbrüche zu vermeiden und notwendige strukturelle Anpassungen der deutschen Werften zu erleichtern, hat die Bundesregierung 1979 ein dreijähriges Programm zur Förderung von Schiffbau und Schiffahrt beschlossen. Zeitlich befristete Hilfen sollen anregen, Wettbewerbsfähigkeit über Modernisierung und Spezialisierung durch eigene Anstrengungen zu verbessern und die Struktur der Fertigung durch Aufnahme neuer Produkte krisenfester zu gestalten.
Die Bundeshilfen haben inzwischen zusammen mit der Nachfragebelebung auf dem internationalen Schiffbaumarkt die Aussichten der deutschen Werften verbessert. Die Energieverteuerung hat übrigens auch dem Schiffbau neue Chancen geöffnet.
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Die regionalen Probleme sind in der Bundesrepublik vergleichsweise geringer als in anderen europäischen Ländern. Lebendiger dezentraler Wettbewerb zwischen Wirtschaftsräumen und Städten ist die beste Regionalpolitik. Dennoch wird es daneben richtig bleiben, daß Städte, Länder und - gewissermaßen als gemeinsame Klammer - auch der Bund regionale Wirtschaftsförderung betreiben.
Eine Überprüfung des Fördersystems ist allerdings angezeigt, damit Hilfen konzentrierter und wirksamer eingesetzt werden können.
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Ich hoffe, die 20 %ige Kürzung des Förderrahmens der Gemeinschaftsaufgabe wird Bemühungen unterstützen, Mittel stärker auf wirklich benachteiligte Gebiete zu konzentrieren und die Zahl der Schwerpunktorte zu verringern.
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Hier wie im allgemeinen wird es notwendig sein, Strukturhilfen und Subventionen kritisch auf ihren wirklichen volkswirtschaftlichen Nutzen zu überprüfen. Dies gilt für alle Regionen und für alle Wirtschaftszweige.
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Berlin hat bei seinem Bemühen um eine Verbesserung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Fortschritte erzielt.
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Der Ausbau des Dienstleistungsbereichs und die Stärkung des Forschungs- und Entwicklungspotentials haben Arbeitsplätze für qualifizierte Kräfte geschaffen
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und die wirtschaftliche Stellung Berlins gefestigt. Auch künftig wird der Bund seinen Verpflichtungen für Berlin nachkommen.
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Die Bundeshilfe soll 1981 um rund 6 % und damit überdurchschnittlich ansteigen.
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Die internationale Entwicklung ist durch verschärfte Spannungen und neue Risiken gekennzeichnet. Uns wird ein Mehr an Verantwortung abverlangt. Als Partner und Teil der Europäischen Gemeinschaft und des Nordatlantischen Bündnisses werden wir erhöhte Anstrengungen unternehmen, um auf der Grundlage eines gesicherten Gleichgewichts die Chancen eines friedlichen Miteinanders zu bewahren und auszubauen.
Die Bundesrepublik ist ein wichtiger Partner im westlichen Verteidigungsbündnis. Die Stärken der Bundeswehr liegen in ihrem guten Ausbildungsstand, in ihrer hohen Verteidigungsbereitschaft und in ihrer modernen Ausrüstung. Unsere Streitkräfte bestehen aus einer vernünftigen Kombination von Wehrpflichtigen und Zeit- und Berufssoldaten. So können wir von unseren Verteidigungsausgaben einen vergleichsweise hohen Anteil für Ausrüstung und Modernisierung einsetzen.
In den letzten zehn Jahren sind die realen Verteidigungsausgaben des Bundes in der Abgrenzung der NATO um jährlich 3% gestiegen. Auch in den 80er Jahren wird die Bundesrepublik zusammen mit ihren Partnern ihren Verpflichtungen im westlichen Bündnis nachkommen.
Für 1981 haben wir die Verteidigungsausgaben gegenüber dem bisherigen Finanzplan um gut 1,3 Milliarden DM aufgestockt. Damit wird es voraussichtlich möglich sein, trotz der vorgezogenen Mittelabflüsse beim Mehrzweckkampfflugzeug „Tornado" alle unabweisbaren Rüstungsprojekte zu finanzieren. Trotz dieser erheblichen Aufstockung oder gerade im Hinblick auf sie wird es unumgänglich sein, militärische Beschaffungen stärker noch als bisher nach Gesichtspunkten der Wirtschaftlichkeit auszurichten.
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Festigung und weiterer Ausbau der Europäischen Gemeinschaft dienen dem Interesse aller Mitgliedstaaten. Wir brauchen eine nach innen und außen handlungsfähige Gemeinschaft. Wir sind bereit, zur Verwirklichung dieses Zieles auch finanziell unseren Beitrag zu leisten. Dabei müssen wir gemeinsam mit unseren Partnern die schwierige Aufgabe lösen, knapper gewordene Gemeinschaftsmittel gezielter und wirksamer einzusetzen.
Die Europäische Gemeinschaft hat 1980 mit wichtigen Entscheidungen erneut Solidarität bewiesen. Die Beilegung des Konflikts um den britischen Beitrag zum EG-Haushalt verhinderte die drohende Lähmung der Gemeinschaft. Großbritannien wird für 1980 und 1981 voraussichtlich um 6,6 Milliarden DM entlastet. Auf die Bundesrepublik entfallen entsprechend ihrem Anteil an der EG-Haushaltsfinanzierung über 2,2 Milliarden DM.
Beweis europäischer Solidarität waren auch die Maßnahmen zugunsten Italiens nach dem schweren Erdbeben im November. Rund 100 Millionen DM Soforthilfe und 2,5 Milliarden DM Darlehen, zuzüglich Zinssubventionen von 3 % für 12 Jahre leisten einen Beitrag zur Linderung der Schäden.
Griechenland wurde am 1. Januar zehnter Mitgliedstaat der Gemeinschaft. Die Verhandlungen über den Beitritt Spaniens und Portugals gehen weiter. Zur Vorbereitung des portugiesischen Beitritts hat der Ministerrat beschlossen, Portugal zur Stärkung seiner Finanz- und Wirtschaftskraft eine Finanzhilfe von insgesamt rund 700 Millionen DM zu geben.
Wegen des bisherigen Anstiegs der EG-Ausgaben von durchschnittlich jährlich 23 % stößt die Gemeinschaft nunmehr an ihre finanziellen Grenzen. Hauptursache dafür ist die kostspielige Verwertung der am Markt vorbeiproduzierten Agrarüberschüsse.
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Eine Erweiterung des bestehenden Finanzrahmens der Gemeinschaft kommt für uns nicht in Betracht.
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Wir dürfen gerade auch im Interesse des europäischen Gedankens die Bereitschaft des deutschen Steuerzahlers nicht überstrapazieren, Fehlentwicklungen der europäischen Agrarmarktordnungen immer teurer zu bezahlen.
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Der Fortschritt in Europa mißt sich nicht an der Höhe der Ausgaben, sondern an seinem Nutzen für die Wirtschaft und für die Verbraucher. Festhalten an vereinbarten Begrenzungen bedeutet keineswegs Stillstand; auch ohne Veränderung der Finanzausstattung werden die der Gemeinschaft zur Verfügung stehenden Mittel auf absehbare Zeit jährlich um 10 % ansteigen.
Die Kommission soll bis Mitte 1981 Vorschläge für strukturelle Änderungen vorlegen. Die Überprüfung muß bei den Agrarausgaben ansetzen, die nach wie vor etwa 70 % des Gemeinschaftshaushalts ausmachen, mit dem Ziel des Abbaus der kostspieligen Agrarüberschüsse. Angesichts wachsender struktureller Überschüsse sollen marktwirtschaftliche Grundsätze stärker als bisher beachtet, die Erzeuger spürbarer als bisher an der Finanzierung der Überschüsse beteiligt und die Mechanismen der Marktinterventionen gelockert werden.
Auch die Sozial- und Strukturausgaben der Gemeinschaft müssen stärker auf die eigentlichen Probleme in der Gemeinschaft unter Berücksichtigung der Leistungskraft der Mitgliedstaaten ausgerichtet werden.
Im eigenen Lande werden wir daran festhalten, mit der Sozialpolitik soziale Sicherheit und Gerechtigkeit als Eckpfeiler der Stabilität, der Leistungsfähigkeit und des sozialen Friedens zu gewährleisten. Wir wehren uns gegen Versuche, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Grundsätze des Sozialstaates mit verfehlten diffamierenden Schlagworten wie Aushöhlung des Leistungsprinzips, Gleichmacherei oder Selbstbedienungsgesellschaft in Frage zu stellen.
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Die Solidarität des Sozialstaates höhlt Leistungsbereitschaft und Selbstbehauptungswillen nicht aus, sie soll vielmehr helfen, daß sich Lebenschancen und Leistungsmöglichkeiten aller Menschen in unserer Gesellschaft entfalten können.
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Eine Gesellschaft, in der die Schwächeren, die unverschuldet oder auch verschuldet in Not geraten oder auf Hilfe der Gemeinschaft angewiesen sind, in der die Behinderten, die weniger Begabten oder weniger Durchsetzungsfähigen nicht beiseitegeschoben, sondern in ihren individuellen Entwicklungsmöglichkeiten gefördert und angeregt werden, eine solche Gesellschaft ist nicht nur menschlicher und lebenswerter, sie ist letzten Endes auch leistungsfähiger und reicher als eine Gesellschaft, in der das Dschungelgesetz eines egoistischen Verdrängungswettbewerbs gilt.
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Die tragenden Grundsätze der Sozialpolitik sind und bleiben Verläßlichkeit auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten und Solidarität in beiden Richtungen: Solidarität der Gemeinschaft für die, die auf sie angewiesen sind, Solidarität aber auch derjenigen, die die Leistung der Gemeinschaft in Anspruch nehmen. Sicherheit, Verläßlichkeit und Finanzierbarkeit des Systems der sozialen Sicherheit müssen in den 80er Jahren bewahrt werden, sie müssen sich bewähren in einer Zeit möglicherweise größerer wirtschaftlicher Unsicherheiten, möglicherweise weltweit länger anhaltender wirtschaftlicher Stagnation, in der Zeit eines Kaufkraftentzugs durch Ressourcenübertragung in die Ölländer. Die Systeme der sozialen Sicherung müssen aber zugleich auch fähig bleiben, demographischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Veränderungen der Zukunft Rechnung zu tragen.
Anpassungsprobleme wie durch die demographische Entwicklung zeichnen sich heute schon ab. Das Verhältnis von Erwerbstätigen zu Nichterwerbstätigen ändert sich im Verlauf der nächsten Jahrzehnte dramatisch, wenn wir auch heute noch nicht absehen können, wie sich die Lebensarbeitszeit entwikkelt, wie hoch die Arbeitsplatznachfrage der Frauen sein wird, wie sich neue Formen der Teilzeitarbeit und des nicht steuer- und sozialversicherungspflichtigen Arbeitens auswirken werden.
Die Sozialpolitik bedarf deshalb, gerade um Stabilität und Verläßlichkeit zu bewahren, zu Beginn der 80er Jahre eines besonders hohen Maßes an Vorsicht und Voraussicht. Besonnenheit und Augenmaß sind nötig bei der Überprüfung des in Jahrzehnten gewachsenen Spektrums an Leistungsverpflichtungen der Gesellschaft und Ansprüchen des einzelnen angesichts der Herausforderungen der Zukunft. Wir alle sind gefordert, der Versuchung zu widerstehen, sozialpolitische Auseinandersetzungen der Vergangenheit in die Zukunft einfach fortzuschreiben. Wir müssen statt dessen daran mitwirken, daß dieses gewachsene System der sozialen Sicherheit, von allen politischen Kräften in diesem Lande schrittweise aufgebaut, nicht zerredet und zerschlissen wird und daß es entwicklungsfähig bleibt für die Anforderungen der Zukunft.
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Wir bleiben dabei, Forderungen als falsch und illusionär zu bezeichnen, die Staats- und Sozialausgaben von heute rund 46,5 % des Sozialprodukts auf 40 % zu senken. Aber wir unterschätzen auch nicht, daß die Arbeitnehmer kaum bereit sein werden, von ihren Einkommen ständig steigende Sozialabgaben und progressiv wachsende direkte Steuern abzuführen.
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Wir müssen uns deshalb darauf konzentrieren, den finanzpolitischen Bewegungsraum, über den wir verfügen, so gut wie möglich zu nutzen, soziale Hilfen so zielgerecht wie möglich zu leisten und damit auch das Zusammenwirken von solidarischer Hilfe und Mobilisierung der Eigenverantwortung und der Möglichkeiten jedes einzelnen so gut wie möglich zu gestalten.
Wir können uns z. B. denen nicht anschließen, die den sozialen Wohnungsbau liquidieren und alle Menschen und Familien in unserem Lande auf den freien Wohnungsmarkt verweisen wollen.
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Wir können aber auch gerade im Interesse derjenigen, die wirklich nicht in der Lage sind, ihre Wohnungen selbst zu den steigenden Marktkosten zu finanzieren, nicht die Augen davor verschließen, daß
inzwischen zu breite Einkommensschichten Zugang zu der doch sehr begrenzten Zahl von Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus erhalten haben und sie belegen.
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Die Einführung einer Fehlbelegungsabgabe und eine kritische Überprüfung von Einkommensgrenzen könnten Beiträge zu größerer sozialer Gerechtigkeit sein.
Die länger anhaltenden Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt, von denen wir j a noch nicht wissen, wie sie sich in den 80er Jahren entwickeln werden, zwingen uns, mit größter Sorgfalt die Effizienz unseres arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitischen Instrumentariums zu überprüfen.
Die Haushaltsansätze des vorliegenden Entwurfs des Bundeshaushalts und des Haushalts der Bundesanstalt für Arbeit stellen sicher, daß unabweisbare, arbeitsmarktpolitisch sinnvolle Maßnahmen nicht scheitern werden. Gleichwohl wird sich erst im Verlauf des Frühjahrs mit hinreichender Deutlichkeit erweisen, ob die knapp kalkulierten Ansätze ausreichen oder ob sie korrigiert werden müssen.
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Es ist heute noch nicht abschließend zu beurteilen, wie auf längere Sicht eine zugleich sozial gerechte und ausreichende Zuordnung der finanziellen Lasten der Arbeitslosenversicherung, der Arbeitslosenhilfe und der Arbeitsmarktpolitik auf den Kreis der Abgabepflichtigen und auf die öffentlichen Haushalte gestaltet werden soll. Wenn der Bundeshaushalt 1981 diese Versicherungslasten trägt, wenn er zugleich seinen Zuschuß zur gesetzlichen Rentenversicherung um 3,5 Milliarden DM zurücknimmt, so wird damit kein Stück sozialer Sicherheit verringert.
1982 werden die Renten erhöht, wie es mit dem 21. Rentenanpassungsgesetz beschlossen und öffentlich erklärt worden ist. Realismus in der Sozialpolitik verlangt, angesichts geringeren wirtschaftlichen Zuwachses das Mögliche richtig einzuschätzen und dem Volke, denen, die heute auf Sozialleistungen angewiesen sind, und denen, die es morgen sein können, offen und unmißverstehbar - einschließlich des Preises - zu sagen, wie wir dafür sorgen, daß das, was möglich ist, auch getan wird.
Die Bundesregierung bleibt dabei: Die Renten werden solide finanziert und sicher bleiben, sie werden den Herausforderungen der Zukunft und neuen gesellschaftlichen Entwicklungen angepaßt und in einer sozial gerechten Weise solidarisch finanziert.
Der Bundeskanzler sagte in seiner Regierungserklärung:
Es kommt an auf Einsicht in die vielfältigen, komplexen Zusammenhänge unserer Welt, auf entschlossenes gemeinschaftliches Handeln in Konzentration auf die wichtigen Aufgaben. Wir sind nicht Objekt der Geschichte. Wir sind handlungsfähig - und wir sind handlungswillig.
({44})
Und ich sage Ihnen: Wir werden unser Volk auch 1981 besser durch die weltwirtschaftlichen Schwierigkeiten bringen, als dies in anderen Ländern der Fall ist.
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Gestützt auf eine leistungs- und wettbewerbsfähige Wirtschaft, deren Strukturwandel wir fördern, die es uns ermöglicht, neue Arbeitsplätze zu schaffen, humane Arbeitsbedingungen zu gewährleisten, die Umwelt besser zu schützen, soziale Sicherheit, Gerechtigkeit, Chancengleichheit schrittweise weiterzuentwickeln, werden wir unseren Beitrag zur Bewahrung des Friedens und der Freiheit in der Welt leisten; die Freundschaft zwischen dem deutschen und dem amerikanischen Volke stärken; die Europäische Gemeinschaft als unverzichtbare Grundlage für Frieden, Freiheit, sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt weiter ausbauen; helfen, die wirtschaftliche, politische und kulturelle Unabhängigkeit der Völker der Dritten Welt langfristig zu sichern, die demokratischen Reformkräfte stärken und jedes Vormachtstreben ablehnen; gemeinsam mit unseren Bündnispartnern darauf hinwirken, daß ein stabiles militärisches Gleichgewicht auf möglichst niedrigem Niveau erreicht und die Last der Rüstungskosten - auch zugunsten der Entwicklungshilfe - vermindert wird.
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Ich bitte den Deutschen Bundestag, diesen Haushalt zügig zu beraten. Das Parlament wird, wie es seinem verfassungsmäßigem Auftrag entspricht, diesen Haushaltsentwurf souverän beraten und auch verändern.
Ich sehe es nicht als einen Widerspruch an, wenn es im Parlament Kräfte gibt, die diesen Entwurf auf Einsparungsmöglichkeiten hin durchforsten wollen, und daß andere daran denken, Zusätzliches zu tun.
Die Gesetzentwürfe zum Subventionsabbau und zur Erhöhung der Mineralöl- und Branntweinsteuer müssen dabei als Teile der im Haushaltsentwurf niedergelegten finanzpolitischen Konzeption im Auge behalten werden. Ich bin gerne bereit, meine Unterstützung für die Prüfungen und Beratungen der Ihnen vorliegenden Entwürfe anzubieten, damit der Bundeshaushalt 1981 so gut und zeitnah wie möglich den Notwendigkeiten in unserem Lande und den Herausforderungen der Zukunft entspricht. - Ich danke Ihnen.
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Meine Damen und Herren, interfraktionell ist vereinbart worden, daß die Aussprache zu den Tagesordnungspunkten 7 bis 9 in der kommenden Sitzungswoche stattfindet.
Wir sind damit am Schluß unserer Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Dienstag, den 27. Januar 1981, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.