Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
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Ich habe Ihnen die traurige Mitteilung zu machen, daß gestern nachmittag unser Kollege Egon Lampersbach im Alter von 65 Jahren plötzlich und unerwartet in Unna in einem Krankenhaus verstorben ist.
Egon Lampersbach wurde am 9. August 1917 in Holzwickede, Kreis Unna, geboren. Nach dem Schulabschluß zum Großhandelskaufmann ausgebildet, war er zunächst angestellter, später selbständiger Kaufmann. Von 1939 bis 1945 nahm er am Zweiten Weltkrieg teil.
Nach der Heimkehr begann er sich schon bald politisch einzusetzen. Seit 1956 hat er sich in der Mittelstandsvereinigung Westfalen-Lippe betätigt, deren Landesvorsitzender er 1961 wurde. 1968 wählte ihn die Mittelstandsvereinigung der CDU/ CSU zu ihrem geschäftsführenden Bundesvorsitzenden, ein Jahr später zu ihrem Bundesvorsitzenden. Dieses Amt hat er acht Jahre lang wahrgenommen.
Dem Deutschen Bundestag gehörte Lampersbach seit 1965, also seit Beginn der 5. Wahlperiode, an. Er war lange Jahre hindurch Mitglied des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung. In der jetzigen Wahlperiode gehörte er dem Wirtschaftsausschuß an. Sein besonderes Engagement galt immer der Sozialen Marktwirtschaft und einer soliden Sozialpolitik. Er hat sich vor allem Fragen der Mittelstandspolitik sowie Problemen der Kartellbildung und der Außenhandelspolitik gewidmet.
Der Deutsche Bundestag verliert in Egon Lampersbach einen kämpferischen, kenntnisreichen und geschätzten Kollegen.
Ich spreche den Angehörigen des Verstorbenen und der Fraktion der CDU/CSU meine aufrichtige und herzliche Anteilnahme aus. Der Deutsche Bundestag wird Egon Lampersbach stets ein ehrendes Gedenken bewahren.
Sie haben sich zu seinen Ehren von den Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.
Vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich noch einige Mitteilungen bekanntgeben.
Der Ältestenrat empfiehlt für den Fall der Auflösung des Bundestages folgende Regelung:
Nach der Auflösung des Bundestages eingehende selbständige Vorlagen werden in Abweichung von § 77 Abs. 1 der Geschäftsordnung nicht mehr gedruckt, wenn sie in der laufenden Wahlperiode nicht mehr auf die Tagsordnung einer Sitzung des Bundestages gesetzt werden und am Ende der Wahlperiode nach § 125 der Geschäftsordnung als erledigt gelten.
Diese Regelung gilt nicht für Große Anfragen, die ebenso wie Kleine Anfragen und schriftliche Einzelfragen weiterhin gedruckt und behandelt werden sollen.
Ist das Haus mit dieser Regelung einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so mit der erforderlichen Mehrheit beschlossen.
Meine Damen und Herren, vor Aufruf des einzigen Punktes der heutigen Tagesordnung müssen wir noch zwei Abstimmungen nachholen, die in den gestrigen Abendstunden nicht mehr erledigt worden sind. Es handelt sich um eine Beschlußempfehlung des Ausschusses zum Kriegsdienstverweigerungs- Neuordnungsgesetz auf Drucksache 9/2293 unter Nr. III. Der Ausschuß empfiehlt die Annahme einer Entschließung. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Diese Entschließung ist mit Mehrheit angenommen.
Ferner ist noch über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 9/2341 abzustimmen. Wer dem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dieser Entschließungsantrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Wir treten in die Tagesordnung ein. Ich rufe den Tagesordnungspunkt XXXII auf:
Beratung des Antrags des Bundeskanzlers gemäß Artikel 68 des Grundgesetzes
- Drucksache 9/2304 Am 13. Dezember 1982 hat der Bundeskanzler den Antrag gemäß Art. 68 Abs. 1 des Grundgesetzes gestellt. Der Antrag ist am 14. Dezember 1982 als
Präsident Stücklen
Drucksache 9/2304 verteilt worden. Damit ist die Frist von 48 Stunden zwischen dem Antrag und der Abstimmung gemäß Art. 68 Abs. 2 des Grundgesetzes gewahrt.
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Regierungserklärung vom 13. Oktober 1982 habe ich das Programm der von FDP, CSU und CDU getragenen Bundesregierung vorgestellt und unsere Absicht bekräftigt, möglichst am 6. März 1983 vor den Wähler zu treten. Ich habe deshalb den Antrag gemäß Art. 68 des Grundgesetzes gestellt.
Einen solchen Antrag hat es in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland bisher zweimal gegeben. Im September 1972 stellte Bundeskanzler Willy Brandt diesen Antrag mit dem erklärten Ziel, durch die Ablehnung des Antrags in die Lage versetzt zu werden, dem Bundespräsidenten die Auflösung des Bundestages vorzuschlagen. Im Februar 1982 hat Bundeskanzler Helmut Schmidt einen solchen Antrag gestellt, um sich der Zustimmung der damaligen Koalition zu vergewissern.
Meine Damen und Herren, auch wenn die Gründe im Jahr 1972 anders waren, knüpfe ich an das von Bundeskanzler Brandt damals genannte Ziel an. Mein Antrag soll dazu beitragen, daß der Weg zu Neuwahlen geöffnet werden kann.
Ich weiß, daß es über den Anwendungsbereich des Art. 68 des Grundgesetzes wie auch über andere Wege zur Auflösung des Bundestages während einer Legislaturperiode eine intensive öffentliche Diskussion gibt. Nach eingehender Prüfung aller wesentlichen Gesichtspunkte und nach Beratungen und Gesprächen mit den Vorsitzenden der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien und Fraktionen bin ich zu der Überzeugung gelangt, daß der von mir eingeschlagene Weg im Einklang mit dem Grundgesetz steht. Art. 68 des Grundgesetzes gibt dem Bundeskanzler die Möglichkeit, die Mitglieder des Deutschen Bundestages zu fragen, ob für die Weiterarbeit der Bundesregierung eine hinreichende parlamentarische Basis gegeben ist. Ich stelle Ihnen heute diese Frage.
Meine Damen und Herren, ich erinnere an die Vereinbarung, welche die Koalitionsparteien CDU, SPD - - CDU, CSU und FDP - ({0})
- Meine Damen und Herren, das war ganz gewiß keine Freudsche Fehlleistung bei mir.
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Aber ich sage es gern noch einmal: Ich erinnere an die Vereinbarung, welche die Koalitionsparteien CDU, CSU und FDP im September 1982 getroffen haben. Wir sind damals in der Koalition gemeinsam zu der Auffassung gelangt, daß wir sofortige Neuwahlen angesichts der außergewöhnlichen Notlage, die wir vorgefunden haben, nicht verantworten können. Die Bewältigung dringender Pobleme, für die in der früheren Regierung und Koalition keine Mehrheit zu erzielen war, duldete keinen Aufschub.
Ich erinnere vor allem an die Lage der öffentlichen Finanzen, an die wirtschaftliche Situation und insbesondere an die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Wir mußten den Bundeshaushalt 1983 und die ihn begleitenden Gesetze verabschieden. Wir mußten unserem Land sowie unseren Partnern und Verbündeten in der Welt Klarheit über den künftigen außenpolitischen Kurs verschaffen. Deshalb war der Auftrag für diese Bundesregierung von Anfang an sachlich begrenzt. Deshalb haben wir von Anfang an angestrebt, dem Wähler so bald wie möglich Gelegenheit zu geben, sein Votum zur Politik der Koalition der Mitte, zu dieser neuen Politik, abzugeben.
Meine Damen und Herren, das bedeutet: Erstens. Wir wollten ein auf das Notwendigste konzentriertes Dringlichkeitsprogramm. Zweitens. Wir wollten uns nach Verabschiedung des Programms unverzüglich dem Wähler stellen. Auf dieser Grundlage und gemäß dieser Absprache bin ich am 1. Oktober 1982 zum Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt worden. Dies habe ich in meiner Regierungserklärung am 13. Oktober 1982 bekräftigt, und dazu stehe ich selbstverständlich auch heute.
Den ersten Teil unserer Zusage haben wir eingelöst. Erstens. Die neue Koalition der Mitte hat die notwendigen ersten Schritte eingeleitet, damit die staatlichen Finanzen wieder gesunden können. Der Deutsche Bundestag hat die Haushaltsgesetze und die Begleitgesetze in dieser Woche verabschiedet. Die Koalition hat die ersten Impulse gegeben, um unsere Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen und neue Arbeitsplätze, vor allem für die junge Generation, zu schaffen. Die Bundesregierung hat zugleich deutlich gemacht, daß und wo wir uns gemeinsam mit unseren Mitbürgern Opfer zumuten müssen, damit das soziale Netz erhalten werden kann. Wir haben die seit vielen Jahren anstehende Novelle zur Neuordnung des Kriegsdienstverweigerungsgesetzes verabschiedet.
Zweitens. Die neue Koalition der Mitte hat die Freundschaft mit unseren europäischen Nachbarn und unseren Partnern im Nordatlantischen Bündnis gefestigt. Die Bundesregierung hat unsere Politik des Dialogs in den Ost-West-Beziehungen sowie der Partnerschaft mit den Ländern der Dritten Welt vertieft. Das Ziel unserer Sicherheitspolitik und unser fester Wille, für den Frieden in der Welt zu arbeiten, sind besonders deutlich geworden. Wir sind wieder, meine Damen und Herren, ein verläßlicher und berechenbarer Partner in der internationalen Politik.
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Nachdem wir das Dringendste getan haben, ist es geboten, sich dem Votum des Wählers zu stellen.
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In zahlreichen Gesprächen habe ich den Eindruck gewonnen: Alle im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien wollen Neuwahlen.
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- Ich bin ja dankbar, daß ich wenigstens auf diese Art Ihren Beifall gewinne. ({5})
Meine Damen und Herren, die weit überwiegende Mehrheit unserer Bürger will ebenfalls Neuwahlen.
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Ich bin davon überzeugt, daß die angestrebten Neuwahlen notwendig sind.
Vor uns liegen außerordentlich schwierige Aufgaben. Es geht darum, unser Land aus der schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland herauszuführen. Ob diese Aufgaben mit Aussicht auf Erfolg gelöst werden können, hängt entscheidend davon ab, daß die Arbeit der Parteien und Fraktionen, welche die Regierung tragen, von einem entschiedenen Wählerauftrag gestützt wird.
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Die notwendige Politik muß langfristig angelegt sein. Denn wir wollen nicht Stückwerk leisten, sondern dauerhafte Fundamente legen, wie CDU, CSU und FDP dies schon einmal zu Beginn der Geschichte unserer Bundesrepublik Deutschland getan haben.
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Wir, CDU/CSU und FDP, sind bereit, uns zum zweitenmal einer solch schweren Aufgabe in einer schwierigen Zeit zu stellen.
Wir wollen und müssen den Staatshaushalt in Ordnung bringen. Wir müssen Arbeitsplätze schaffen und die Wirtschaft wiederbeleben. Wir müssen in der Außen- und Sicherheitspolitik unseren Weg zur Sicherung des Friedens in Freiheit weitergehen können, auch wenn wir dabei schwierige Auseinandersetzungen zu bestehen haben. Wir müssen dauerhafte Voraussetzungen für eine menschlichere Gesellschaft schaffen. In all diesen Fragen gibt es noch keine umfassenden, längerfristigen Absprachen der jetzigen Koalitionspartner. Die Koalitionsvereinbarung konzentrierte sich auf das in meiner Regierungserklärung vom 13. Oktober 1982 dargelegte Dringlichkeitsprogramm. Es konnte und kann sich nicht auf alle Felder der Politik in der notwendigen Breite und Vielfalt erstrecken.
Das notwendige Dringlichkeitsprogramm ist erfüllt. Mit der Erfüllung dieses Programms ist für die Weiterarbeit der Koalition eine parlamentarische Grundlage nicht mehr gegeben. Wir wollen nun den Wähler bitten, uns den Auftrag für eine langfristige Politik der neuen Koalition der Mitte zu geben. Die Koalitionsparteien CDU, CSU und FDP sind grundsätzlich bereit, nach der Wahl erneut zusammenzuarbeiten. Für die weitere Arbeit der Koalitionsparteien bedarf es einer neuen parlamentarischen Grundlage. Diese Grundlage soll der Wähler gewähren. Er soll darüber entscheiden, ob die Koalition weiter zusammenarbeiten kann und welcher gemeinsame Inhalt für eine zukunftsorientierte, langfristig angelegte Politik vereinbart werden kann.
Auch die SPD als Oppositionspartei hat klar erklärt, daß sie nicht bereit ist, eine Koalition einzugehen und daß sie Neuwahlen will. Keine im Deutschen Bundestag vertretene Partei oder Fraktion wird durch eine Parlamentsauflösung übervorteilt.
Wenn gegen den Weg, den ich zu Neuwahlen eingeschlagen habe, der Einwand erhoben wird, daß die Verfassung manipuliert werde, so entbehrt dieser Einwand jeder Grundlage.
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Ich habe seit meiner Wahl zum Kanzler der Bundesrepublik Deutschland Ihnen und der deutschen Öffentlichkeit in aller Offenheit meine Erwägungen vorgetragen. Ich habe alles vermieden, was den Anschein des Künstlichen oder der Manipulation erwecken könnte.
Der Vorwurf der Manipulation wäre schon eher gerechtfertigt, wenn ich den Weg des Rücktritts gemäß Art. 63 des Grundgesetzes wählen würde.
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Art. 63 des Grundgesetzes setzt mehrere vergebliche Wahlgänge voraus, um den Weg zu Neuwahlen zu öffnen. In der augenblicklichen Situation würde es niemanden überzeugen, wenn ein derartiges Verfahren eingeschlagen würde, um den Bundespräsidenten zur Auflösung des Bundestages zu nötigen.
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Ich bin der Auffassung, daß der von mir gewählte Weg zur Auflösung des Bundestages überzeugend und verfassungsrechtlich einwandfrei ist. Ich hebe noch einmal die wichtigsten Gesichtspunkte hervor. Die Koalition braucht als Grundlage für die notwendige, langfristige und breit angelegte Politik der Erneuerung eine Entscheidung des Wählers. Alle im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien wollen Neuwahlen. Es gibt keine Mehrheit des Bundestags, die bereit ist, eine andere Regierung zu wählen. Mit ihrem Wunsch nach Neuwahlen entsprechen die Parteien einem Wunsch der großen Mehrheit unserer Bevölkerung.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, Ihre Entscheidung zu der von mir gestellten Frage nach Ihrem Gewissen zu treffen. Dem besonderen Charakter des Art. 68 des Grundgesetzes entspricht es, daß ich persönlich an der Abstimmung nicht teilnehme.
Meine Damen und Herren, wir werden durch unser Verhalten eine wesentliche Grundlage für die Entscheidung treffen, die ich dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen möchte.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Brandt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch die gegenwärtige Bundesregierung hat nichts daran ändern können, daß wir in einer Woche Weihnachten haben.
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Ich gehe davon aus, daß sie daran auch nichts hat ändern wollen.
Es ist ja im übrigen gut, wenn wir alle miteinander, Herr Bundeskanzler, wir alle in diesem Hause an die Begrenztheit dessen erinnert werden, was wir bei allem Engagement und bei allem mehr oder weniger guten Willen zu bewirken vermögen.
Aber dem Herrn Bundespräsidenten legen Sie, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen der gegenwärtigen Koalition, wenn Sie dem Begehren von Bundeskanzler Kohl folgen, etwas auf den vorweihnachtlichen Tisch, was ihm wenig Freude bereiten kann, auch nach den Erläuterungen, die der Herr Bundeskanzler dazu eben gegeben hat.
Nun haben wir über den Gegenstand, um den es hier geht, also vorgezogene Neuwahlen, schon im September, als die sozialliberale Koalition auseinandergebrochen war, von dieser Stelle aus unsere Meinungen ausgetauscht. Wir Sozialdemokraten haben seitdem auch sonst unsere Meinung gesagt.
Ich bin weiterhin nicht sicher, ob unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger gut genug verstehen, worum es jetzt geht. Deshalb erscheint es mir unerläßlich, die Zusammenhänge aus meiner, aus unserer Sicht noch einmal aufzuzeigen.
Wir, die Sozialdemokraten in diesem Hause, waren und sind der Meinung, daß der Weg zu Neuwahlen hätte beschritten werden sollen, als die Koalition zerfiel, die im Oktober 1980 durch die Wähler erneut ins Amt berufen worden war.
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Bundeskanzler Schmidt hatte Ihnen und uns vorgeschlagen, das Mandat in die Hände der Wähler zurückzugeben. Die Mehrheit dieses Hauses hat sich anders entschieden, und wir, die wir nicht die Mehrheit stellen, hatten uns dem zu beugen.
Wir haben ja auch nie die Rechtmäßigkeit des Regierungswechsels bestritten, der hier am 1. Oktober stattgefunden hat.
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Natürlich erlaubt das Grundgesetz die Neuwahl eines Bundeskanzlers im Verlauf einer Legislaturperiode des Bundestags. Ob der Wechsel im konkreten Fall, also durch den Seitenwechsel derer, die die Mehrheit der FDP bilden, unter dem Gesichtspunkt politischer Klarheit und Wahrhaftigkeit gerechtfertigt war, daran haben wir unseren ersten Zweifel angemeldet.
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Daran hat sich nichts geändert; denn es bleibt ein ungewöhnlicher Vorgang, ein, wie wir meinen, höchst zweifelhafter Vorgang, wenn eine Partei einen Teil ihrer Stimmen für das Versprechen erhält, mit Bundeskanzler Schmidt weiter zusammenzuarbeiten, sie ihn dann aber kaum zwei Jahre danach nicht stützt, sondern aus fadenscheinigen Gründen stürzt.
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Nun hat ja Bundeskanzler Kohl von Anfang an auch das Empfinden gehabt, daß er nicht einfach weitermachen könne, als ob in bezug auf die innere Rechtfertigung des Regierungswechsels alles in Ordnung gewesen wäre. Also hat er in seiner Regierungserklärung vom 13. Oktober - er hat eben darauf Bezug genommen - Neuwahlen in Aussicht gestellt. Weil Sie, Herr Bundeskanzler, was ich wohl verstehen kann, sich erst einen Platzvorteil verschaffen wollten, haben Sie eine sich über zwei Monate erstreckende Phase der Spekulationen und Unklarheiten entstehen lassen,
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nämlich darüber, wie die vorgezogenen Neuwahlen in die Wege geleitet werden sollten.
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Erst seit Ihrem Antrag zu Beginn dieser Woche gibt es insoweit eine neue Situation.
Herr Bundeskanzler, vor dem von Ihnen jetzt vorgeschlagenen Weg, die Neuwahl zu erreichen, ist schon im September, also vor Ihrer Wahl zum Bundeskanzler, aus verfassungsrechtlicher, vor allen Dingen aus verfassungspolitischer Sicht ausdrücklich gewarnt worden. Die inzwischen mehrfach wiederholte Warnung hat ihren Zweck nicht erreicht. Gerade an diesem Weg, wie wir eben gehört haben, einer einfachen Vertrauensfrage halten Sie fest.
Dabei fehlte es nicht an Hinweisen, daß Sie, Herr Bundeskanzler, und Ihre politischen Freunde die rechtlichen Bedenken im Hinblick auf eine negativ beantwortete Vertrauensfrage trotz bestehender Mehrheit für die Regierung als erheblich angesehen haben oder vielleicht auch jetzt noch ansehen. Herr Ministerpräsident Strauß, der Vorsitzende einer der drei diese Regierung tragenden Parteien, hat noch am 2. Dezember - nicht irgendwann im frühen Herbst - in einem Fernsehgespräch betont, er sei für sofortige Neuwahlen gewesen. Von ihm stamme der Termin des 6. März nicht, und er trage auch nicht die Verantwortung dafür. Sein, wie er es sagt, liebster Weg zu Neuwahlen führe über die durch eine Grundgesetzänderung ermöglichte Selbstauflösung des Bundestages.
Sie selbst, Herr Bundeskanzler, hatten in Ihrer Regierungserklärung vom 13. Oktober eingeräumt, daß es verfassungsrechtlich nicht einfach sei, Ihre Absicht zur Wahl am 6. März nächsten Jahres zu verwirklichen. Gleichwohl haben Sie es sich mit Ihrem jetzigen Verfahren einfach gemacht, ich finde, vielleicht zu einfach.
Dies ist, Herr Bundeskanzler, im übrigen nicht die Situation von vor zehn Jahren. Damals ist - woran Sie uns eben erinnert haben - von Art. 68 des Grundgesetzes Gebrauch gemacht worden. Doch übersehen wir bitte nicht: Die damalige Regierung hatte es mit einem Patt zu tun. Damals haben wir uns darauf verständigt, das nicht erstrebte und in der gegebenen Situation auch nicht zu erreichende Vertrauensvotum nach Art. 68 des Grundgesetzes zu nutzen, um Gustav Heinemann, dem damaligen Bundespräsidenten, die Möglichkeit
zu geben, den Bundestag aufzulösen; und so ist es ja dann auch erfolgt. Diesmal haben wir es mit einer, was den Ausgangspunkt angeht, anderen Lage zu tun. Niemand, der die Belastbarkeit unserer Verfassung geprüft hat, dürfte sich darüber im unklaren gewesen sein.
Es drängt sich hier die Frage auf, meine Damen und Herren, ob wirklich die zeitliche Begrenzung eines Regierungsmandats durch Koalitionsvereinbarung und ergänzende Fraktionserklärungen genügen soll, um die vorzeitige Auflösung des Bundestages zu ermöglichen. Wir Sozialdemokraten werden jedenfalls den weiteren Verlauf dieses Verfahrens mit aller Sorgfalt daraufhin beobachten, ob hier erstmalig ein Beispiel dafür gegeben wird, daß ein Bundeskanzler, egal aus welcher Partei er komme, mit seiner Parlamentsmehrheit das Ende einer Legislaturperiode des Bundestages nach eigenem Ermessen herbeiführen kann.
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Meine Damen und Herren, politische Gründe für die zeitliche Begrenzung und die Erneuerung eines Regierungsmandats durch Wahlen lassen sich auch für andere, künftige Fälle denken. Wir alle können doch aber wohl - ({8})
- Lassen Sie mich bitte jetzt meine Darlegungen hierzu in Ruhe auseinandersetzen. Das, wovon ich spreche, ist wichtig genug, nicht nur für uns heute, sondern für die Verfassungsentwicklung dieses Landes.
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Ich wiederhole: Politische Gründe für die zeitliche Begrenzung und die Erneuerung eines Regierungsmandats durch Wahlen lassen sich auch für andere, künftige Fälle denken. Nun können wir doch alle wohl nicht wollen, daß eine jeweilige Regierung mit ihrer jeweiligen Mehrheit den ihr günstig erscheidenenden Neuwahlzeitpunkt selbst aussucht, statt in der vom Grundgesetz bestimmten Vierjahresfrist ihre Aufgaben zu erfüllen und sich danach den Wählern zu stellen; das ist die Grundlage der Verfassung.
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- Nun muß ich Ihnen einmal was sagen. Wir haben den Bundeskanzler angehört, wie es sich gehört. Sie haben bitte den Sprecher der Opposition auch anzuhören, damit er seine Auffassung ruhig darlegen kann.
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Nun haben Sie, Herr Bundeskanzler, im Laufe der zurückliegenden Wochen die Frage aufgeworfen, ob nicht das Grundgesetz so ergänzt werden sollte, daß für die Zukunft der Bundestag selbst das Recht erhielte, sich durch qualifizierten Mehrheitsbeschluß selbst aufzulösen und dadurch Neuwahlen möglich zu machen.
(
Das ist doch der Vorschlag der Enquete-Kommission, Herr Brandt!)
Ich habe Ihnen dazu gesagt, daß sich die Sozialdemokraten, ohne das Ergebnis vorwegzunehmen, einer späteren sorgfältigen Prüfung einer entsprechenden Verfassungsergänzung nicht entziehen würden. So habe ich es Ihnen gesagt. So wiederhole ich es hier. Wir Sozialdemokraten haben indes zu keinem Zeipunkt einen Zweifel daran aufkommen lassen, daß wir zu Neuwahlen bereit sind,
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auch unter anderen als den im Frühherbst von Bundeskanzler Schmidt vorausgesetzten Bedingungen.
Wir haben auch gegenüber dem Herrn Bundespräsidenten keinen Zweifel daran gelassen, daß die Nein-Stimmen der Sozialdemokraten in diesem Haus Ihnen, Herr Bundeskanzler, jedenfalls sicher sind.
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So haben wir es übereinstimmend erklärt, ich selbst für die Sozialdemokratische Partei, Herbert Wehner, der aus Krankheitsgründen heute leider nicht hier sein kann, und Hans-Jochen Vogel als unser erster Mann für die nächsten Wahlen, nämlich als unser Kandidat für das Amt des Bundeskanzlers. So sage ich es hier noch einmal: Bundeskanzler Kohl kann sich darauf verlassen, daß er das politische Vertrauen der sozialdemokratischen Abgeordneten im Deutschen Bundestag nicht hat.
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Da Sie, Herr Bundeskanzler, auch schon das Empfinden hatten, daß es einer neuen Entscheidung der Wählerinnen und Wähler bedürfte, sage ich auch nach der heutigen Einlassung, daß Sie sich am besten zum verfassungsrechtlich ganz unproblematischen Rücktritt hätten entschließen sollen.
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Denn Sie wären damit, Herr Bundeskanzler, gar nicht erst in die Verlegenheit geraten, Ihre gerade gestern bestätigte Gesetzgebungsmehrheit mit dem heute erstrebten fiktiven Vertrauensvotum, einem Nicht-Vertrauensvotum, in Einklang zu bringen und so das Grundgesetz zu strapazieren.
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- Aber verehrter Kollege - nun gehe ich doch auf den Zwischenruf ein -, ist es denn nicht verständlich,
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daß eine andere Situation gegeben war, als es nicht eine Gesetzgebungsmehrheit gab, wie Sie sie gerade gestern hier festgestellt haben?
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Damals saß der Herr Kollege Stücklen dort, nicht als Bundestagspräsident, sondern um für seine Fraktion, als dieser ganze Vorgang eingeleitet wurde, festzustellen, daß wir beim Haushalt unterlegen seien. Sie sind doch beim Haushalt gestern nicht unterlegen. Sie können die Dinge doch nicht auf den Kopf stellen.
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Ich sage also, Sie hätten sich durch den anderen Weg einiges erspart; gewisse Peinlichkeiten im Verhältnis zu anderen Verfassungsorganen hätten vermieden werden können.
Mit Nachdruck will ich im übrigen feststellen, meine Damen und Herren, daß Sie - insbesondere Sie, Herr Bundeskanzler - Ihre Pflicht und Ihre Zusage nur erfüllt haben, wenn es wirklich zu Neuwahlen kommt.
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Etwaige Hindernisse auf dem Weg dorthin wären von Ihnen verschuldet und müßten von Ihnen durch einen Rücktritt überwunden werden. Ich sage das vorsorglich.
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Diejenigen, die skeptisch nach Bonn blicken und ihre Vorwürfe an alle Parteien, nämlich für den Fall des Scheiterns einer Neuwahl, schon jetzt ankündigen, mögen bitte zur Kenntnis nehmen, daß dieser Bundeskanzler und die ihn stützenden Fraktionen die alleinige Verantwortung für das heutige Geschehen tragen und deshalb auch allein als Adressaten für Vorwürfe dieser Art zu gelten haben.
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Wir Sozialdemokraten wollen die Neuwahl, und wir bestehen auf ihr. Aber wir haben nicht Anteil an dem Risiko eines Scheiterns, das sich aus dem von der Regierung und den Regierungsparteien mit robuster Dickfelligkeit festgehaltenen Weg über die fiktive Vertrauensfrage ergeben kann.
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Tritt bei einem Fehlschlag durch die Enttäuschung der Bürger politischer Schaden ein, so sind die Schuldigen allein auf der Regierungsbank und natürlich in den Fraktionen zu suchen, auf die sich der Bundeskanzler stützt.
Erst recht, Herr Bundeskanzler, verantworten Sie den Schaden, der dadurch entstanden ist, daß Sie sich einerseits der noch am 1. Oktober von Bundeskanzler Schmidt und seither von vielen Seiten wiederholt erhobenen Forderung, Ihren Weg zur Neuwahl klarzustellen, bis vor kurzem beharrlich entzogen haben, andererseits die Festlegung auf den 6. März als Wahltag gleichwohl ständig wiederholt haben. Ihnen muß doch klar gewesen sein, Herr Bundeskanzler, daß Sie damit den Versuch unternommen haben, nicht sich, sondern den Herrn Bundespräsidenten festzulegen.
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Er löst den Bundestag auf. Er setzt den Tag der Neuwahl fest.
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Und ich möchte dagen: Er hat sich in der bisherigen Diskussion vorbildlich zurückgehalten.
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Und er hat Sie, Herr Bundeskanzler, offenkundig nicht ermächtigt, an seiner Stelle den Wahltag zu verkünden.
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Ich frage für alle zukünftigen Fälle mit: Wird dem Herrn Bundespräsidenten sein Handeln durch die Regierung vorgeschrieben? Soll er unter öffentlichen Druck gesetzt und zum Vollzugsorgan von Koalitionsentscheidungen gemacht werden?
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- Die Kollegen hier sagen: Nein. Ich wende mich dann dem Teil Ihrer Koalition zu und sage:
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Ihr Innenminister Zimmermann, Herr Bundeskanzler, nähert sich auch sprachlich bereits dieser Sichtweise, bei der ich eben war, wenn er nach einem Hinweis auf den Willen einer übergroßen Mehrheit des Parlaments, wie er sagt, in einem Zeitungsinterview von vor drei Tagen davon ausgeht, daß der Bundespräsident - und ich zitiere wörtlich - „den Wunsch des Kanzlers vollzieht und den Neuwahltermin bestimmt".
({18})
Sie müssen sich bitte, meine verehrten Kollegen von der gegenwärtigen Mehrheit, deshalb sagen lassen: Wer von Staatsverdrossenheit spricht und sie beklagt, sollte solchen Umgang mit unserer Verfassung wirklich vermeiden.
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Ich gehe davon aus, daß es zu Neuwahlen kommt. Dann werden viele sich und uns,
({20})
Ihnen und uns die Frage stellen, was die Bundesrepublik davon gehabt hat, daß ein so angesehener und kompetenter Regierungschef wie Helmut Schmidt, der unser Land mit sicherer Hand durch
manche Fährnis der Weltwirtschaftskrise gesteuert hat,
({21})
aus dem Amt gedrängt wurde,
({22})
und ob es sich wirklich gelohnt hat, daß man die Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland nicht vor der Bildung einer neuer Regierung an den Wahlurnen ihren Beitrag hat leisten lassen.
({23}) Dabei messen wir Sie, - -({24})
- Ich würde mir solche Zwischenrufe, Frau Kollegin, wirklich ernsthaft überlegen.
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Dabei messen wir Sie - ich wiederhole es -, die gegenwärtige Regierung und die sie tragende Koalition, an Ihren eigenen Ansprüchen. Sie haben die Notwendigkeit der Bildung dieser Übergangsregierung damit begründet - und haben jetzt eben darauf Bezug genommen , Herr Bundeskanzler -, Sie wollten und Sie könnten die Voraussetzungen schaffen, um die wirtschaftlichen Probleme unseres Landes zu bewältigen und vor allem, um die Arbeitslosigkeit zu beseitigen. Sie, Herr Bundeskanzler, haben in Ihrer Rede am Dienstag, die ich wegen einer Sitzung einer von mir zu leitenden Kommission leider nicht mit anhören konnte, aber natürlich nachgelesen habe - ({26})
- Der das eben zugerufen hat, ist mir noch nicht weiter aufgefallen, als dadurch,
({27})
daß er, anstatt einen Kollegen nach einem bedauerlichen Sachverhalt zu fragen,
({28})
die für ihn günstige Gelegenheit nimmt, sich in die Bild-Zeitung reinzuspielen. Schämen sollten Sie sich.
({29})
Ich wiederhole:
({30}) Was heißt hier peinlich? Wenn Sie es schon genauer hören wollen - ({31})
Wenn Sie es schon genauer hören wollen, anstatt etwas, was Sie für beanstandenswert halten - ich auch -, mit dem Betroffenen zu besprechen: Können Sie sich vorstellen, daß jemand eine Kassette, die ihm zum 60. Geburtstag von seinem Freund, dem Mainzer Oberbürgermeister, geschenkt wird, nicht mit einer Bibel, aber mit einem Nachdruck von zwei Seiten der Gutenberg-Bibel, auf den Markt bringt?
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- Ja, das können Sie sich vorstellen; so ist Ihre Gesinnung!
({33})
Ich werde mir jetzt meine Zeit nicht hierdurch nehmen lassen.
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Ich sage Ihnen nur: Mich erstaunt das Ausmaß an Böswilligkeit und Heuchelei, das hier zum Ausdruck kommt.
({35})
Ich sage - ich versuchte zu sagen -, daß ich die Rede des Herrn Bundeskanzlers am Dienstag nicht habe mit anhören können, aber natürlich nachgelesen habe. In dieser Rede haben Sie ebenso wie in der Erklärung heute früh gemeint, Herr Bundeskanzler, Sie hätten die Weichen richtig gestellt. Das kann ich für die, deutschen Sozialdemokraten nicht bestätigen.
({36})
Die von der neuen rechten Koalition vorbereiteten und verabschiedeten Gesetzentwürfe, vor allem aber der von Ihnen gestaltete Bundeshaushalt 1983, werden sich sehr rasch als ungeeignet erweisen, die Krise zu meistern.
({37})
Das hat zum einen wesentlich damit zu tun, worauf meine Freunde während der Haushaltsdebatte mehrfach hingewiesen haben.
Aus vordergründigen Motiven wollen Sie nicht zugestehen, wie sehr die Schwierigkeiten in der Bundesrepublik Ausdruck der schweren internationalen Verwerfungen sind, mit denen wir es seit einer Reihe von Jahren zu tun haben. Sie wollen den Ihnen so attraktiv erscheinenden Knüppel der Erblast nicht aus der Hand legen, dienen aber dem Gegenteil von Wahrhaftigkeit in der politischen Auseinandersetzung.
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Die Fakten weisen nämlich aus: Das Gerede von
Schutt und Erblast war überwiegend eine Legen8944
denbildung, und darauf kann man keine vernünftige Politik bauen.
({39})
Und wenn die Diagnose nicht stimmt, kann man daraus auch keine richtige Therapie ableiten.
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Der andere Grund ist in einer Voreingenommenheit zu sehen, die ebenso verheerend wirken muß. Als ob eine - und darauf läuft es eben doch hinaus - Umverteilung von unten nach oben neue Arbeitsplätze schaffen und den weiterhin notwendigen Modernisierungsprozeß unserer Volkswirtschaft voranbringen könnte! In Wirklichkeit sieht es so aus:
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Sie vermindern die Massenkaufkraft um viele Milliarden Mark; Sie schwächen die Investitionskraft der Städte und Gemeinden, auf die es jetzt ganz besonders ankäme.
({42})
Der Abbau des sozialen Mietrechts wird mit ziemlicher Sicherheit nicht zu der erwarteten Belebung der Bauwirtschaft führen.
({43})
Millionen von Mietern wird das Geld aus der Tasche gezogen, ohne daß eine entsprechende Investitionstätigkeit angeregt würde.
({44})
Im Grunde werden Sie selbst es nicht leugnen können: für die breiten arbeitenden Schichten sind die Aussichten heute keineswegs freundlicher als am 1. Oktober 1982.
({45})
Nicht weniger, sondern mehr Menschen sind ohne Arbeit; nicht weniger, sondern mehr Menschen müssen noch um den Verlust ihres Arbeitsplatzes bangen.
({46})
Ich will nicht den Spieß umdrehen und behaupten, das sei Ihnen allein anzulasten.
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- Ja, sind Sie nun Regierung, oder sind Sie es nicht?
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- Sie möchten beides zugleich sein, das lassen wir nicht zu. Wenn schon, dann tragen Sie die Verantwortung, und wir sind die, die hier kritisieren.
({49})
Sie sollten noch einmal nachdenken über das, was unser Kollege Georg Leber hier am Dienstag gesagt hat als einer, der hohe staatliche Ämter wahrgenommen hat und sich dabei immer seiner Verankerung in der Arbeitnehmerschaft bewußt geblieben ist.
({50})
Er, mein Freund Georg Leber, hat einige Wahrheiten gesagt,
({51})
die uns alle angingen, an unser aller Adresse gerichtet waren. Zugleich hat er Ihnen in der jetzigen Koalition und Regierung vor Augen geführt, was die Arbeitnehmer erwarten.
({52})
Es reicht eben nicht, sage ich jetzt, den Menschen vorzugaukeln,
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die Ablösung von Helmut Schmidt durch Helmut Kohl werde auf wunderbare Weise aus der Bundesrepublik eine Insel der Stabilität in dem sie umgebenden Meer von wirtschaftlichen Zusammenbrüchen machen.
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Ich sage Ihnen, immer mehr Menschen erkennen in diesen Wochen,
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daß Sie, meine Kollegen von der Koalition, Ihrem eigenen Anspruch nicht gerecht werden.
({56}) Sie haben so getan, als wüßten Sie alles besser.
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Jetzt haben Sie nicht einmal, wie sich gezeigt hat, ein Konzept der Beschäftigungs- und Haushaltspolitik, das den Problemen unserer Zeit gerecht wird, in der Schublade gehabt.
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Zur auswärtigen Politik hieß es, es solle Kontinuität gewahrt werden. Andere, vorläufig noch im Hintergrund, stellen die nicht ganz unlogische Frage, ob sie denn nun unterstützen sollten, was sie 13 Jahre lang zum Teil verbissen bekämpft haben.
Derweil hat sich der neue Bundeskanzler in eine Vielzahl internationaler Aktivitäten gestürzt und eine ansehnliche Zahl von Reisen absolviert.
({59})
Ich will daran nicht herumkritteln;
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denn was könnten wir dagegen einzuwenden haben, wenn tatsächlich eine Politik weitergeführt worden ist, die unserem Land gut bekommen ist?
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Aber, meine Damen und Herren von der Union, wundert es Sie wirklich, wenn sich bei nicht wenigen Menschen die Zweifel daran mehren, daß wir uns in den entscheidenden Fragen deutscher Friedens- und Sicherheitspolitik auf ein Kurshalten verlassen können? Ist es wirklich so erstaunlich, wenn zunehmend die Frage gestellt wird, ob unsere Interessen so entschieden und so kompetent wahrgenommen werden, wie man es vom bisherigen Bundeskanzler gewohnt war?
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Ich stehe unter dem Eindruck mehrtägiger Beratungen über die internationale Krise besonders im Nord-Süd-Verhältnis,
({63})
Beratungen in Ottawa, von denen ich gestern morgen zurückgekehrt bin.
({64})
Wir haben einen Punkt erreicht, an dem auch konservative Kollegen in den Vereinigten Staaten - bis in die Regierung Reagan hinein - von der Notwendigkeit sprechen, sogar die internationalen Institutionen zu überprüfen, die am Ende des Zweiten Weltkrieges errichtet wurden, um für die Währungssicherheit und für die Stabilität der internationalen Finanzen verantwortlich zu sein, von der Notwendigkeit, sie zu reformieren, um der internationalen Finanz- und Währungskrise endlich wirksamer begegnen zu können.
({65})
Wir haben es mit einer Situation zu tun, in der der Zusammenhang zwischen der Depression in den Industriestaaten - es ist mittlerweile eine Depression - und der katastrophalen Lage in einer großen Zahl von Entwicklungsländern immer deutlicher wird, mit einer Situation, in der auch vielen klarer wird, welche kaum noch zu verantwortende Last die immens gewachsenen Rüstungsausgaben selbst für die wirtschaftlich stärkste Nation geworden sind,
({66})
mit einer Situation, in der zunehmend erkannt wird, wie sehr die internationale Staatengemeinschaft gefordert ist, wo es darum geht, der Zerstörung der natürlichen Umwelt nicht nur in einem Teil der Welt, sondern in allen Teilen der Welt Einhalt zu gebieten.
({67})
Ich sage Ihnen: Demgegenüber nimmt sich manches, was im Namen der Bundesrepublik Deutschland erklärt wird, verstaubt und kleinkariert aus.
({68})
Wir in der Bundesrepublik Deutschland müssen aufpassen, daß wir auf der Höhe der internationalen Erfordernisse bleiben. Wir brauchen eine Regierung, die sich auf dem Niveau der zeitgemäßen Einsichten befindet
({69})
und die sich der sich daraus ergebenden Aufgaben annimmt.
({70})
Herr Bundeskanzler, Sie haben zu Beginn dieser Woche gemeint, uns Sozialdemokraten vorwerfen zu sollen, durch einen Beschluß des SPD-Vorstands vom 6. Dezember hätten wir den Verhandlungsansatz des Bündnisses für die Verhandlungen in Genf untergraben. Die zeugt - ich bitte um Entschuldigung - von wenig hinreichender Unterrichtung über das, was tatsächlich vorliegt.
({71})
Mein Parteivorstand hat am 6. Dezember nicht getagt und konnte also auch nichts beschließen. Was es gibt, ist eine Empfehlung des SPD-Präsidiums, die Vorschläge des langjährigen amerikanischen SALT-Unterhändlers, also eines Mannes, der etwas von der Sache versteht, der sich jahrelang mit den nuklearen Waffen befaßt hat, der mit der anderen Seite am Tisch gesessen hat, daraufhin zu prüfen, ob sie nicht einen Weg in Richtung nicht bloß auf Polemik, sondern auf ein Ergebnis der Genfer Verhandlungen weisen können, denn darauf kommt es an.
({72})
Wir wollen eben, Herr Bundeskanzler, meine Damen und Herren, alles tun, was sinnvollerweise möglich ist, um eine Stationierung neuer, zumal nuklearer Mittelstreckenraketen in der Bundesrepublik Deutschland zu vermeiden.
({73})
Sie wissen so gut wir wir: Dies wird sich nur erreichen lassen, wenn sich die Verhandlungspartner bewegen und nicht stur auf ihren Ausgangspositionen beharren.
({74})
Und eben darin liegt der Unterschied zwischen der jetzigen Regierung und ihrer Vorgängerin. Es war gelungen, die Weltmächte zu veranlassen, sich in Genf an einen Tisch zu setzen. Der Sinn konnte nur sein, uns allen eine neuerliche Umdrehung der Rüstungsspirale zu ersparen.
Aus deutscher Sicht und Interessenlage müssen wir weiter drängen. Und das geht nicht, wenn man Ausgangspositionen für sakrosankt erklärt. Was wäre das, frage ich - und gucke den Außenminister dabei an -, für eine Außenpolitik, die Verhand8946
Lungen sagt und es an der Bereitschaft zum Kompromiß fehlen ließe?
({75})
Soweit ich das sehen kann, hat sich der Regierungswechsel auch aus diesem Grund bisher nicht als lohnend erwiesen.
({76})
Nun hat die deutsche Öffentlichkeit gewiß nicht übertriebene Hoffnungen in die Fähigkeit einer neuen Koalition gesetzt, entscheidende Probleme unseres Landes zu lösen. Aber auch die Hoffnungen, die manche sicher gehabt haben, sind schon zu einem wesentlichen Teil enttäuscht worden. Lohnt es sich noch, so frage ich mich und andere, in diesem Zusammenhang von dem zu sprechen, was von der FDP übriggeblieben ist?
({77})
Sie, Herr Genscher, und Sie, Graf Lambsdorff, haben gemeint, dem Wähler davonlaufen zu können. Sie haben dabei mit einem allzu kurzen Gedächtnis der Mitbürger gerechnet.
({78})
Dieser vordergründige Kalkül konnte nicht aufgehen. Die eher parteitaktischen Motive und der Stil, dessen Sie sich dabei bedienten, nämlich beim Regierungswechsel, hat sich den Menschen tief ins Gedächtnis eingegraben.
({79})
Der sich daraus ergebende, förmlich mit Händen zu greifende Kräfteschwund hat dazu geführt, daß Sie vom neuen Koalitionspartner so behandelt werden, wie es Herrn Strauß gefällt.
({80})
Sie werden von der Union als Leichtgewicht behandelt, auf das man, auch öffentlich erkennbar, kaum noch Rücksicht zu nehmen gedenkt. Aus einem eigenständigen Faktor der deutschen Politik wird so eine quantité négligeable, eine nicht mehr ins Gewicht fallende Größe.
({81})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie werden verstehen, daß ich ebenso wie der Bundeskanzler nachgelesen habe, was hier am 22. September 1972 aus Anlaß der erstmaligen Anwendung von Art. 68 des Grundgesetzes gesagt wurde. Und man mag mir nachsehen, daß ich mich auch für das interessiert habe, womit ich selber zur damaligen Debatte beitrug.
({82}) Das Protokoll weist aus, daß ich sagte:
Alle Industriegesellschaften des Westens stehen in diesen Jahren vor großen Problemen. Sie müssen diese Probleme lösen, ohne die persönliche Freiheit einzuschränken; denn dann wären sie nicht mehr demokratische Staaten
des Westens. Diese Lösung wird durch die Tatsache kompliziert, daß sich besonders bei der jüngeren Generation eine gewisse Wandlung der Wertvorstellungen vollzieht, durchaus nicht nur ... in Richtung auf unfruchtbaren, auf unsinnigen und deshalb zu verurteilenden Radikalismus, sondern bei sehr vielen und von viel Idealismus getragen in Richtung auf eine höhere Qualität des Lebens. Es ist politisch entscheidend, wie wir auf diese Veränderungen reagieren.
So im September 1972. Ich fuhr fort:
1969 hat unsere Gesellschaft aus meiner Sicht positiv geantwortet durch die Verlagerung der politischen Mehrheit von der rechten zur linken Mitte. Die Antwort der CDU/CSU darauf war, wie ich es in diesen Jahren gesehen habe, in einigen wesentlichen Punkten ein weiterer Ruck nach rechts. ... Ich bin davon überzeugt, daß jetzt nur das Lager der linken Mitte mit den Problemen der Zukunft fertig werden kann. Diesem Lager die eindeutige Mehrheit zu verschaffen, darin sehe ich das Ziel der Neuwahlen. Ein anderer Wahlausgang würde dazu führen, so meine ich, so befürchte ich, daß die Schwierigkeiten wachsen. Wenn die Bundesrepublik nicht hinter den Erfordernissen der Zeit zurückbleiben soll, müssen die Kräfte des Fortschritts und der Erneuerung gestärkt werden.
({83})
Das war vor zehn Jahren.
Vieles hat sich seither geändert. Vor allem hat sich die FDP aus dem Lager der linken Mitte verabschiedet.
({84})
Doch im Kern bleibe ich bei meiner Überzeugung, die ich hier vor zehn Jahren geäußert habe: Wie damals so auch heute braucht unser Land eine Politik der linken Mitte, mitgetragen von den breiten Arbeitnehmerschichten, von aufgeschlossenen liberalen Bürgern, von Frauen, die endlich gleichberechtigt sein wollen, und zwar nicht nur auf dem Papier
({85})
und heute noch mehr als gestern, von den vielen, die sich um den Frieden sorgen und über den weltweiten Rüstungswahnsinn empört sind,
({86})
und von denen, die dagegen aufbegehren, daß unsere natürliche Umwelt immer weiter zerstört wird,
({87}) [CDU/CSU]: Aha!)
von jungen Menschen, die es beim Einstieg ins Berufsleben schwer haben und sich mit verkrusteten Besitzständen zu Recht nicht abfinden wollen.
({88})
Vor zehn Jahren, im Spätherbst 1972, ist es uns deutschen Sozialdemokraten bekanntlich gelungen, die Wahlen für uns zu entscheiden. Dabei hatten uns viele eine sichere Niederlage vorausgesagt.
({89})
Verlassen Sie sich darauf, meine Kollegen von der Union: Wir freuen uns darauf, mit Ihnen erneut unsere Argumente auszutauschen
({90})
- wenn es denn welche sind - und die Kräfte zu messen, wenn wir erneut um das Vertrauen der Mitbürgerinnen und Mitbürger ringen: am Sonntag in Hamburg, wo ich meinen Freunden mit Bürgermeister Klaus von Dohnanyi den verdienten Erfolg wünsche,
({91})
danach in Rheinland-Pfalz und in Schleswig-Holstein und dann in der ganzen Bundesrepublik.
Unser Kandidat Hans-Jochen Vogel stößt auf viel Zustimmung.
({92}) Wir sind personell gut gerüstet
({93})
und werden in den vor uns liegenden Wochen, wenn es endlich Klarheit gibt, die Bürgerinnen und Bürger damit vertraut machen, welche inhaltlichen Alternativen nach unserer Überzeugung zur Wahl stehen.
({94})
Zunächst und vor allem werden wir in der Wirtschafts- und Sozialpolitik darauf verweisen, daß jene Länder, in denen schon seit längerem konservative Rezepte praktiziert wurden, erheblich schlechter dastehen als die Bundesrepublik, deren Regierung Sie übernommen haben,
({95})
daß mithin der Weg, den diese Übergangsregierung eingeschlagen hat, in die Irre führt. Unsoziale Sparpolitik beseitigt die Haushaltsprobleme des Staates nicht, sondern treibt nur zusätzlich Hunderttausende in die Arbeitslosigkeit.
({96})
Eine ungerechte Umverteilung der Krisenlasten führt zur Zerstörung des sozialen Friedens.
Dem stellen wir Hans-Jochen Vogels und unsere Forderung nach einem internationalen Beschäftigungspakt gegenüber, in dessen Rahmen die Industriestaaten gemeinsam wieder eine expansive Wirtschaftspolitik betreiben.
({97})
Wir wollen an neuen weltwirtschaftlichen Strukturen mitarbeiten, die gemeinsamen Interessen, auch solchen von Nord und Süd, Rechnung tragen. Wir kämpfen für die Verwirklichung des kürzlich von uns vorgelegten Beschäftigungshaushalts 1983 bis 1985 mit der dort vorgeschlagenen Finanzierung. Wir unterstützen die vielfältigen Bemühungen der Gewerkschaften um Arbeitszeitverkürzungen, die nicht nur wegen der wachsenden Produktivität unserer Wirtschaft geboten sind. Ein Arbeitszeitgesetz, wie es von der sozialdemokratischen Fraktion vorgeschlagen worden ist, könnte hierzu ein Beitrag sein. Und natürlich treten wir gemeinsam mit vielen unserer Freunde in den Gewerkschaften für den Ausbau von Mitbestimmung und Vermögensbildung ein.
({98})
In wirtschaftlich schwieriger Zeit sind diese Elemente ökonomischer Demokratie wichtiger denn je.
({99})
In der Innen- und Rechtspolitik steht zur Entscheidung, ob das, was in den vergangenen 13 Jahren an konkreter Freiheit im Zusammenleben der Menschen geschaffen wurde - unzulänglich, wie es bleiben muß -, zurückgedreht wird oder ob es weiter ausgebaut wird. Der Weg, den viele von Ihnen in der Union offensichtlich zu gehen beabsichtigen, würde rasch zu mehr Bevormundung, zu mehr Mißtrauen gegenüber dem kritischen Bürger, zu wachsender Entfremdung zwischen vielen - vor allem jungen - Menschen und unserem staatlichen Gemeinwesen führen.
({100})
Wir dagegen wollen keine Rückwärtsentwicklung
({101})
im Ehe- und Familienrecht, keine Aushöhlung des Rechts auf friedliche Demonstration,
({102})
keine abschreckenden Bestimmungen zur Kriegsdienstverweigerung,
({103})
kein Duckmäusertum, sondern das Wagnis des kritisch mitwirkenden Bürgers.
({104})
In der Friedens- und Sicherheitspolitik schließlich steht die SPD in ihrer Tradition als große deutsche Friedenspartei. Unsere Politik des Abbaus von Spannungen hat der Bundesrepublik neues Ansehen verschafft. Der Frieden in Europa ist dadurch ein Stück sicherer geworden. Aber jetzt muß alle Kraft aufgewendet werden - in diesem Land wie
anderswo in Europa -, damit das Wettrüsten endlich zum Stillstehen gebracht wird.
({105})
Unter sozialdemokratischer Führung wird diese Bundesrepublik ihr ganzes Gewicht in die Waagschale werfen, um den drohenden Rückfall in den Kalten Krieg und damit in einen Zustand sich verschärfender Spannungen zu vermeiden.
({106})
Im Atlantischen Bündnis, im freundschaftlichen Dialog mit den Vereinigten Staaten, mit den anderen Verbündeten und ganz besonders mit Frankreich treten wir dafür ein - davon lassen wir uns nicht abbringen -, daß eine Partnerschaft der Sicherheit zwischen West und Ost erreicht wird.
({107})
Dies bleibt die entscheidende Voraussetzung für alles andere, auch im Verhältnis zwischen den beiden deutschen Staaten. Im Bündnis gilt es, deutsche Interessen wirkungsvoll zu vertreten und dem stärksten Verbündeten wie anderen Freunden nicht nach dem Munde zu reden, wo sie kritischer Begleitung bedürfen.
({108})
Ich weiß und ich würdige, daß die Kollegen der gegenwärtigen Mehrheit
({109})
das ihnen Mögliche aufbieten werden, damit die Regierungsmehrheit ihnen nicht schon im März wieder entgleitet. Wir werden uns bemühen, ihnen ein guter Partner im Streit der Meinungen zu sein. Möge sich unser aller Ringen um die Zustimmung, um das Vertrauen der wahlberechtigten Frauen und Männer unseres Landes so vollziehen, daß es dem Staatsganzen und dem Wohle unseres Volkes zugute kommt.
({110})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Dregger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Brandt hat vieles vorgetragen. Aber ich habe nicht den Eindruck, daß durch seinen Beitrag der Standpunkt der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in der Neuwahlfrage klarer geworden wäre.
({0})
Um einige Punkte aufzugreifen: Er hat die Befürchtung geäußert, daß sich der Herr Bundespräsident durch uns unter Druck gesetzt fühlen könnte. Bei der Unabhängigkeit dieses Amtes und bei der Persönlichkeit ihres Inhabers halte ich das für völlig ausgeschlossen.
({1})
Der Herr Bundespräsident ist das dritte Verfassungsorgan,
({2})
das mit diesem Antrag befaßt ist. Das erste ist der Bundeskanzler, das zweite sind wir, der Deutsche Bundestag. Der Herr Bundespräsident wird dann auf Grund des Vorschlags des Kanzlers und unter Bewertung unseres Votums und seiner Begründung selbstverständlich unabhängig, nach eigenem, pflichtgemäßen Ermessen seine Entscheidung treffen.
Das gilt auch für den Wahltag. Die Fristen sind in der Verfassung eindeutig vorgeschrieben. Innerhalb von 21 Tagen nach unserem Votum hat der Herr Bundespräsident zu entscheiden, ob er den Bundestag auflösen will. Innerhalb von 60 Tagen hat er, falls er sich für die Auflösung entscheidet, den Wahltag festzusetzen. Seine Unabhängigkeit wäre nicht gefährdet, wenn er dabei auf den Vorschlag einginge, den die Bundesregierung oder der Bundestag auch im Hinblick auf den Wahltag selbstverständlich machen kann.
({3})
Der Herr Bundeskanzler hat zu Beginn seinen Antrag gemäß Art. 68 des Grundgesetzes und die diesem Antrag zugrunde liegenden Erwägungen eingehend dargelegt. Unsere Erwägungen entsprechen den seinigen. Die Begründung dafür habe ich bereits am 14. Dezember 1982 zu Beginn der Haushaltsdebatte im einzelnen dargelegt. Diese Begründung gilt nach wie vor; ich nehme darauf Bezug. Die Mitglieder der CDU/CSU-Bundestagsfraktion werden sich dementsprechend bei der Abstimmung zum Antrag nach Art. 68 des Grundgesetzes mit Ausnahme einiger weniger Kollegen der Stimme enthalten, die selbstverständlich das Recht haben, ihre abweichende Auffassung zum Ausdruck zu bringen.
Wir, die CDU/CSU-Fraktion, wollen durch unser Abstimmungsverhalten dazu beitragen, daß der Weg zu Neuwahlen geöffnet wird; denn wir halten diese Neuwahlen politisch jetzt für notwendig, und wir halten sie verfassungsrechtlich für möglich.
({4})
Wer von Neuwahlen spricht, muß die Perspektiven aufzeigen, die diese Neuwahlen den Bürgern eröffnen. Die Perspektive der neuen Mehrheit aus CDU/CSU und FDP ist in zehn Wochen Regierungs-
und Parlamentsarbeit nicht durch Beschreibungen, sondern durch Handlungen' sichtbar geworden.
({5})
Es gibt eigentlich kein faireres Verfahren, sich auf diese Weise auf den Prüfstand der Wähler zu stellen. Allerdings, Herr Kollege Brandt, da Sie weder an der ersten Lesung noch an der zweiten und dritten Lesung der Haushaltsberatung teilgenommen haben,
({6})
ist es für Sie natürlich schwer zu beurteilen, welche Perspektive wir aufgezeigt haben.
({7})
Diese Perspektive ist gewiß nicht bequem, aber sie
ist wahrhaftig und der jetzigen Lage allein angeDr. Dregger
messen. Wir sind angetreten, um den Schutt wegzuräumen,
({8})
wie es einer der Kollegen in der Debatte formuliert hat. Dabei geht es mir zunächst gar nicht um Schuldzuweisungen. Natürlich gab und gibt es negative Einflüsse aus der Weltwirtschaft. Aber das entlastet uns doch nicht; denn wir sind ja ein wesentlicher Teil dieser Weltwirtschaft und haben ihre Probleme mitverursacht. Wir sind immer verpflichtet, uns auf neue Herausforderungen dieser Weltwirtschaft einzustellen, und das ist eben in den letzten Jahren nicht geschehen.
({9})
Natürlich ist niemand von uns ganz frei von der Verantwortung für die Probleme, die, aus der Vergangenheit kommend, unsere Zukunft belasten. Trotzdem wehre ich mich entschieden gegen den Versuch des von mir im übrigen geschätzten Kollegen Leber, uns allen gleiche Verantwortung anzulasten, gleichgültig, ob wir in der Regierung oder in der Opposition standen.
Kollege Leber hat gemeint, wir alle hätten versäumt, in den fetten Jahren bis 1976 Scheunen für die mageren Jahre anzulegen. Meine Damen und Herren, wer in dieser Weise jeden Unterschied in der Verantwortung zwischen denen, die als Regierung die Entwicklung beeinflussen können, und denen, die selbst aus der Verantwortung des Handelns ausgeschlossen sind, leugnet, stellt das parlamentarische System in Frage.
({10})
Was Herr Kollege Leber gesagt hat, stimmt aber auch historisch nicht. Es ging nicht um den Bau von Scheunen oder die Anlage eines Juliusturms - wovon er auch gesprochen hat - in den fetten Jahren; aber es ging darum, den Staat finanziell handlungsfähig zu erhalten, damit er in den mageren Jahren aktiv eingreifen kann, um die Arbeitslosigkeit zu beseitigen.
({11})
Diese Erhaltung der finanziellen Handlungsfähigkeit des Staates ist in den ersten 20 Jahren der Bundesrepublik Deutschland unter unserer Regierungsverantwortung voll gelungen. 1970, als wir das Steuer an Sie abgaben, war der Bund so gut wie schuldenfrei. Die Nettokreditaufnahme von 1949 bis 1969 betrug im Jahresdurchschnitt weniger als 1 Milliarde DM, und in den 13 Jahren danach unter Ihrer Verantwortung betrug sie im Jahresdurchschnitt mehr als 20 Milliarden DM und zuletzt 40 Milliarden DM. Meine Damen und Herren, das ist der Unterschied!
({12})
Das deutsche Volk kann die Regierenden der 70er Jahre, es kann vor allem die führende Regierungspartei der 70er Jahre, die SPD, insbesondere ihre Kanzler und ihre Finanzminister, aus der Verantwortung für diese Fehlentwicklung nicht entlassen.
({13})
Wir sind bereit, unsere Regierungsjahre zu verantworten, also in Bonn die 50er und die 60er Jahre und, wie ich hoffe, auch die 80er Jahre. Aber die Ergebnisse der 70er Jahre und die Lasten, die Sie in den 70er Jahren der Zukunft aufgebürdet haben, Herr Kollege Brandt, müssen allein Sie verantworten.
({14})
Wir sind bereit, die Last auf uns zu nehmen, die Sie hinterlassen. Wir treten vor die Wähler nicht mit unhaltbaren Versprechungen und nicht mit Geschenken, sondern mit zum Teil bitteren Wahrheiten. Aber wir sind überzeugt, daß wir die Krise meistern können.
({15})
Den Weg, der zum Teil gewiß steinig ist, haben wir in den letzten Wochen und insbesondere in den letzten Tagen aufgezeigt.
Nun frage ich: Wie sieht die Perspektive aus, die Sie den Wählern anbieten wollen, meine Damen und Herren der SPD? In der Haushaltsdebatte und im Beitrag des Kollegen Brandt ist diese Perspektive nicht sichtbar geworden.
({16})
Es war erstaunlich, mit welchem Tempo die SPD die Positionen aufgegeben und gewechselt hat, die sie noch kurz zuvor als Regierungspartei vertreten hat.
({17})
Im übrigen haben Sie angeklagt, zum Teil diffamiert und uns den guten Willen abgesprochen. Sie, meine Damen und Herren der SPD, sind in wenigen Wochen zu einer linken Protestpartei geworden, die Anlehnung an die Grünen sucht.
({18})
In Hamburg haben Sie das Fairneßabkommen, das unser Kollege Walter Leisler Kiep vorgeschlagen hat, abgelehnt. Das Abkommen lief darauf hinaus, daß die aus den Wahlen vom kommenden Sonntag als stärkste Partei hervorgehende Fraktion auf jeden Fall regieren und die zweitstärkste Partei das tolerieren sollte. Das war doch fair. Vor allem hätte es bewirkt, daß Hamburg endlich von den Launen der Grün-Alternativen befreit
({19})
und das Funktionieren der demokratischen Organe der Freien und Hansestadt Hamburg auch in der Zeit sichergestellt worden wäre, in der sich sogenannte Grün-Alternative in der Bürgerschaft befinden.
Die Entwicklung in Hessen ist nicht weniger besorgniserregend. Der Ministerpräsidentenkandidat der CDU, Dr. Wallmann, hat Herrn Börner und der SPD eine ganze Palette von Möglichkeiten angebo8950
ten, um in einer Vereinbarung mit der SPD sicherzustellen, daß auch in der jetzigen Situation, in der die Grün-Alternativen das Zünglein an der Waage sind, gehandelt und das Funktionieren der demokratischen Institutionen sichergestellt werden kann. Aber wie in Hamburg so haben sich auch in Hessen die Sozialdemokraten einer Zusammenarbeit mit der anderen großen demokratischen Partei verweigert. Sie suchen auf jeden Fall das Bündnis mit den Grün-Alternativen.
({20})
Meine Damen und Herren, das ist die Perspektive zu Bonn. Der Kanzlerkandidat der SPD, Herr Vogel, hat erklärt, er habe keinerlei Berührungsängste, wenn es darum gehe, von den Grün-Alternativen zum Kanzler gewählt zu werden.
({21})
Aber darum geht es ja gar nicht. Es geht nicht um die Wahl, sondern um die Abhängigkeit von den Grün-Alternativen nach der Wahl.
({22})
Wer nach der Wahl zur Mehrheitsbeschaffung auf die Grün-Alternativen angewiesen ist, der ist regierungsunfähig. Er kann nicht handeln.
({23})
Herr Vogel versucht immer wieder, das mit Hinweisen auf den Regierenden Bürgermeister von Berlin, Richard von Weizsäcker, zu überspielen. Dieser Vergleich geht fehl. Herr von Weizsäcker ist nicht auf die Grün-Alternativen angewiesen. Er findet für seinen Minderheitensenat die Unterstützung von freidemokratischen Abgeordneten, an deren Verfassungstreue und Handlungsbereitschaft für unseren Staat nicht gezweifelt werden kann.
({24})
Wenn ein so intelligenter Mann wie Herr Vogel einen so unpassenden Vergleich zwischen den Konstellationen in Berlin auf der einen Seite und in Hamburg und Hessen auf der anderen Seite zieht, dann ist höchste Vorsicht geboten.
({25})
- Ich analysiere jetzt die Perspektive, Herr Brandt, die Sie den Wählern bieten. Unsere Perspektive ist klar.
({26})
- Ich kann nur aus Ihrer Praxis in Hamburg und Hessen und aus den Äußerungen Ihres Kanzlerkandidaten Vogel folgern, daß die politische Alternative
({27})
für den neuen Bundestag lautet: entweder eine regierungsfähige Mehrheit unter der Führung der
Union, wobei uns die FDP als Koalitionspartner
willkommen ist, oder eine grünrote, eine negative, eine nicht regierungsfähige Mehrheit.
({28})
Das ist ja die Mehrheit, die Sie, Herr Kollege Brandt, in der Wahlnacht in Hessen als Ihr Ziel proklamiert haben,
({29})
allerdings eine Mehrheit, vor der Ihr Grundsatzdenker Richard Löwenthal mit Recht warnt. Wer mit den Grünen poussiert, verrät die Arbeiter, dieses Wort von Norbert Blüm ist ebenso knapp wie zutreffend.
({30})
Das ist die Alternative dieser Wahl. Eine solche hat es in der Nachkriegszeit noch nicht gegeben.
Ist das Risiko, das in dieser Alternative liegt, ein Grund, auf die Wahl vom 6. März zu verzichten? Das fragen sich ja einige Bürger. Ich meine, nein. Nichts spricht dafür, daß unserem Volke diese Alternative im Herbst 1984 erspart werden würde, und das wäre j a der späteste Wahltermin. Abwarten, Verschieben, Ausweichen, das hilft in dieser Situation nicht, im Gegenteil. Der Alptraum einer grün-roten Mehrheit links von der CDU lastet auf der deutschen Politik, lähmt den wirtschaftlichen Aufschwung, gefährdet unsere Position in der internationalen Politik. Deswegen muß dieser Alptraum sobald wie möglich durch eine klare Wahlentscheidung aus der Welt geschafft werden.
({31})
Je eher dieser Alptraum als mögliche Alternative verschwindet, um so besser für Deutschland.
Die erste Regierung Kohl wurde am 1. Oktober, also vor erst zehn Wochen, gebildet. Damit wurde die Periode der Zerstrittenheit und der Lähmung beendet, die die letzten Jahre der Regierung Schmidt gekennzeichnet hatten. Die Regierung Kohl und die sie unterstützende Mehrheit haben sich in der Innen- wie in der Außenpolitik als voll handlungsfähig, als kompromißbereit und entscheidungsfähig erwiesen.
({32})
Die neue Mehrheit hat die Fahrt unseres Landes in den finanziellen Abgrund
({33})
durch schwere und schmerzliche Entscheidungen auf der Ausgabenseite zunächst abgebremst.
({34})
Sie hat trotz leerer Staatskassen
({35})
wirksame Anstöße gegeben für die Belebung der Wirtschaft, insbesondere der Bauwirtschaft, und damit für die Eindämmung der Massenarbeitslosigkeit. Das Vertrauen der Deutschen Bundesbank in
die Solidität der neuen Finanzpolitik hat wesentlich dazu beigetragen, daß kurz hintereinander zweimal die Zinsen gesenkt und damit die Kostenlast der deutschen Wirtschaft wesentlich vermindert worden ist.
({36})
Auf dem Berliner Wirtschaftsgipfel haben sich deutsche Unternehmer verpflichtet, zur wirtschaftlichen Rettung unserer Hauptstadt Hunderte von Millionen in Berlin zu investieren,
({37})
nicht auf Grund eines staatlichen Beschäftigungsprogramms, das unseren ausgebluteten Staatshaushalt noch weiter belasten würde, sondern auf Grund des Vertrauens in die Stabilität dieser Regierung und in die Solidität ihrer Finanzpolitik.
({38})
Diese Regierung ist in der internationalen Politik als Friedensfaktor anerkannt. Der Regierungswechsel in Bonn ist von den westlichen Verbündeten mit Erleichterung aufgenommen worden, weil sich der neue Kanzler auf die Unterstützung seiner Mehrheit in der Außenpolitik hundertprozentig verlassen kann,
({39})
während der alte Kanzler in einem ständigen Clinch mit seiner eigenen Partei lag, die seine Kräfte aufgesogen und ihn nach und nach handlungsunfähig gemacht hat. Das ist doch die Wirklichkeit.
({40})
Aber, meine Damen und Herren, nicht nur die Verbündeten im Westen, auch die Sowjetunion und die sozialistischen Länder sind zur Zusammenarbeit mit der neuen Regierung bereit. Der sowjetische Außenminister wird in Kürze zu einem Besuch in Bonn eintreffen. Wir heißen ihn zu den in Bonn vorgesehenen Gesprächen willkommen, wobei ich von der außenpolitischen Perspektive ausgehe, die der Herr Bundeskanzler in der Regierungserklärung und die ich in meinem Debattenbeitrag vom 14. Dezember 1982 für die CDU/CSU-Fraktion gegeben habe.
Ich beglückwünsche den Herrn Bundeskanzler mit seiner Regierung zu seinen bisherigen Erfolgen.
({41})
Ich beglückwünsche ihn zu seinem Selbstvertrauen und zu seinem Mut,
({42})
sich der Entscheidung der Wähler zu stellen. Daraus spricht Ehrlichkeit, Vertrauenswürdigkeit und Standhaftigkeit. Das ist das, was wir jetzt brauchen.
({43})
„Denn der Mensch," - mit diesem Goethe-Zitat möchte ich schließen - „der in schwankenden Zeiten selbst schwankend gesinnt ist, der mehret das Übel und bereitet es weiter und weiter. Wer fest auf dem Sinne beharrt, der bildet die Welt sich."
({44})
Ich möchte es für unsere Zeit etwas bescheidener sagen: Nur mit Festigkeit, mit Beharrlichkeit und Wahrhaftigkeit können wir erreichen, worauf es ankommt, nämlich daß unser Volk in einer gefährlichen Zeit in Frieden überlebt und seine Zukunft sichert. Das wollen wir, und dafür stehen wir.
({45})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Genscher.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die Regierungsparteien der Koalition der Mitte, FDP, CDU und CSU, haben der Bundesregierung bei ihrer Bildung einen sachlich und deshalb auch zeitlich begrenzten Auftrag gegeben. Der Auftrag lautete, den Haushalt 1983 zu verabschieden, die Begleitgesetze zu beschließen und die Ziele der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik zu bekräftigen. Diesen Auftrag hat die Regierungskoalition erfüllt.
Sie löst heute das am 1. Oktober 1982 gegebene Versprechen ein, vorzeitige Neuwahlen möglich zu machen. Sofortige Neuwahlen hätten wichtige Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit um Monate verschoben. Die Staatsverschuldung wäre bei späterer Verabschiedung des Bundeshaushalts in seiner jetzigen Form in unvertretbarer Weise weiter gestiegen. Dafür konnten und wollten wir angesichts einer steigenden Zahl von Arbeitslosen die Verantwortung nicht übernehmen.
({0})
Mit der Abstimmung über die von Ihnen gestellte Vertrauensfrage, Herr Bundeskanzler, machen wir nun den Weg frei für die Neuwahlen. Die sachliche und damit auch zeitliche Begrenzung des Auftrags war der feste Wille von Anfang an.
Der Auftrag soll erneuert werden, aber erst, nachdem der Wähler das Wort gehabt hat. Das entspricht auch dem Willen der großen Mehrheit unserer Bürger. Die Tatsache, daß alle Parteien des Deutschen Bundestages für diese Neuwahlen eintreten und daß die Wahl eines anderen Bundeskanzlers von keiner dieser Parteien in diesem Bundestag angestrebt wird, gibt unserem Begehren nach Neuwahlen zusätzliches Gewicht.
({1})
Diese Tatsache beseitigt auch die vom Verfassungsgesetzgeber befürchtete Gefahr, daß Art. 68 des Grundgesetzes von der jeweiligen Mehrheit zur Herbeiführung von Wahlen in einem ihr geeignet erscheinenden Zeitpunkt mißbraucht wird.
Der Deutsche Bundestag gibt nach unserem Willen sein Mandat an die Bürger unseres Landes zurück. Die Koalition der Mitte wendet sich an die Bürger mit der Bitte, ihr einen neuen Auftrag zu erteilen.
Die Bilanz der Arbeit dieser Koalition seit dem 1. Oktober 1982 ist eindrucksvoll:
Zusätzlich zu Haushalts- und Begleitgesetzen wurde das Recht der Kriegsdienstverweigerung geregelt.
({2})
Auf einem wichtigen Rechtsgebiet, das für junge Menschen von besonderer Bedeutung ist, wurde der Zustand der Rechtsunsicherheit beseitigt.
({3})
Die Koalition der Mitte bewies damit ihre Einigungs- und Entscheidungsfähigkeit.
Die Verabschiedung der TA Luft ist ein bedeutsamer Beitrag für den Umweltschutz in unserem Lande.
({4})
Unsere entschlossenen Schritte zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte, der Mut zu Sparmaßnahmen, die Eröffnung einer sicheren Perspektive der sozialen Marktwirtschaft erweisen sich schon jetzt als ein Beitrag zur Vertrauensbildung.
({5})
In dieser Atmosphäre neu wachsenden Vertrauens in die Solidität staatlicher Finanzwirtschaft konnte die Deutsche Bundesbank die Leitzinsen senken. Das ist ein Gütesiegel für die Politik der Koalition, ein Gütesiegel, erteilt von der unabhängigen Bundesbank in diesem Lande.
({6})
Auch deshalb wollen wir die Unabhängigkeit dieser Bundesbank nicht angetastet sehen. Herr Kollege Brandt, man weiß bei der Bundesbank, daß trotz aller unbestreitbaren außenwirtschaftlichen Einwirkungen auch auf das Wirtschaftsgeschehen bei uns der alte Grundsatz weiter beachtet werden muß: Fehler, die hausgemacht sind, können auch nur zu Hause beseitigt werden.
({7})
Die steuerlichen Rahmenbedingungen für Investitionen wurden verbessert. Zusätzliche Mittel für öffentliche Investitionen wurden eingesetzt. Die Liberalisierung des Wohnungsmarkts
({8})
und eine verstärkte Förderung des Eigenheimbaus ermutigen wieder mehr zum Wohnungsbau.
Der Weg für die Anwendung neuer Kommunikationstechnologien wird freigemacht.
Das alles ist Teil einer konsequent marktwirtschaftlichen Politik, die nach Fortsetzung Tiber den 6. März hinaus verlangt.
({9})
Die Koalition der Mitte hat Stetigkeit, Verläßlichkeit und Berechenbarkeit
({10})
in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik und in der Deutschlandpolitik bestätigt.
({11})
Die Bürger unseres Landes und die Welt wissen von uns: Die Bundesrepublik Deutschland ist ein selbstbewußter und verläßlicher Partner der Europäischen Gemeinschaft und des westlichen Bündnisses.
({12})
Sie steht mit ihren Freunden fest zusammen. Sie will gleichberechtigte Partnerschaft mit den Staaten der Dritten Welt. Sie will mit ihrer Politik der ausgestreckten Hand die Verträge mit ihren östlichen Nachbarn nutzen. Sie will Zusammenarbeit, Entspannung, Abrüstung und Rüstungskontrolle. Die Zusammenarbeit mit der DDR ist Politik für die Menschen der getrennten Nation. Sie ist europäische Friedenspolitik.
Meine Damen und Herren, die Bundestagswahl 1983 stellt die Wähler - darauf hat der Kollege Brandt mit Recht hingewiesen - vor eine grundsätzliche Entscheidung. Die Wähler haben zu entscheiden zwischen der Koalition der Mitte und der Unregierbarkeit unseres Landes.
({13})
Die Wähler haben zu entscheiden zwischen der Koalition der Mitte und einer Zusammenarbeit, in der die Sozialdemokratische Partei von der Verweigerungspolitik der Grünen und Alternativen abhängig wäre.
({14})
- Ich verstehe nicht, Herr Kollege, warum Sie sich darüber empören.
({15})
Sie haben doch auf Ihrem Kleinen Parteitag in Kiel schon die Weichen für eine solche Zusammenarbeit gestellt.
({16})
Sie haben in Ihrer Kieler Erklärung eine eindeutige Position der SPD zur Kernenergie vermieden. Wer Ihre Erklärungen zur Sicherheitspolitik hört, bemerkt, wie Sie Schritt für Schritt einen Eckpfeiler unserer Sicherheitspolitik aushöhlen, nämlich das Festhalten an beiden Teilen des NATO-Doppelbeschlusses.
({17})
Damit werden schon im Vorfeld der Wahl die beiden Grundbedingungen erfüllt, die Grüne und Alternative für eine Zusammenarbeit mit der SPD gestellt haben.
({18})
Meine Kollegen, ist es nicht auch bedeutsam, wenn wir feststellen müssen, daß in den Wahlkreisen mehr und mehr solchen Sozialdemokraten die Unterstützung verweigert wird, die zur bisherigen Politik ihrer Partei stehen?
({19})
Meine Damen und Herren, die Wähler haben zu entscheiden über die Fortsetzung einer konsequenten Sozialen Marktwirtschaft, über die Liberalität unseres Landes und über die konsequente Fortsetzung unserer Außen- und Sicherheitspolitik.
({20})
Diese Soziale Marktwirtschaft ist für uns mehr als Wirtschaftspolitik - sie ist Freiheitsordnung für Wirtschaft und Gesellschaft. Wo sie ungehindert wirken kann, da ermöglicht sie Selbstentfaltung und Selbstverwirklichung der Bürger. Verantwortung und Leistung macht erst sie in vollem Umfang möglich.
({21})
Weil sie Selbstverantwortung stärkt, schafft sie auch Mitverantwortung für den anderen - für den Kranken und den Schwachen, für die Kinder und für die älteren Menschen. Solidarität und Subsidiarität tragen zur Humanität in unserer Gesellschaft bei. Dessen müssen wir uns ganz bewußt sein. Unsere Humanität und Solidarität muß sich auch gegenüber unseren ausländischen Mitbürgern bewähren.
({22})
Hier steht unsere freiheitliche Gesinnung auf dem Prüfstand.
Nur wenn wir in diesem Geist durch Soziale Marktwirtschaft soziale Gerechtigkeit verwirklichen, werden wir den sozialen Frieden bewahren. Dazu werden alle Gruppen gebraucht, Gewerkschaften und Arbeitgeber in gleicher Weise. Wir brauchen einen Pakt der Vernunft und der Verantwortung. Niemand sollte sich dazu hergeben, daß in diesem Lande in schwerer Zeit ein neuer Klassenkampf entfacht, eine Gruppe gegen die andere aufgestachelt wird.
({23})
Es geht eben nicht um Umverteilung von unten nach oben, sondern es geht um Umverteilung hin zu Investitionen, weil nur sie Arbeitsplätze schaffen können.
({24})
Wer die Soziale Marktwirtschaft einschränkt, schränkt Freiheits- und Verantwortungsräume ein, für den Arbeitnehmer wie für den Unternehmer, für den Freiberufler wie auch für den im öffentlichen Dienst. Einschränkung von Freiheit und Verantwortung schafft mehr Abhängigkeit, und das nicht nur für den einzelnen, nicht nur für den Unternehmer, genauso für Betriebsräte und Gewerkschaften. Nur in der Sozialen Marktwirtschaft kommt deshalb die Tarifautonomie zur Entfaltung.
Die entscheidende Aufgabe, die wir zu erfüllen haben, lautet, wieder Wirtschaftswachstum zu erreichen und damit Arbeitsplätze zu schaffen. Diese
Aufgabe läßt sich nicht lösen mit kurzatmigen Beschäftigungsprogrammen, finanziert durch eine immer höhere Staatsverschuldung. Solche Programme würden nur eins bewirken: uns immer tiefer hineinzutreiben in die Spirale von Rezession, Inflation und Arbeitslosigkeit.
({25})
Immer höhere Staatsverschuldung stranguliert private Investitionen und vernichtet Arbeitsplätze. Immer höhere staatliche Verschuldung bedeutet zugleich, daß die heutige Generation auf Kosten der nächsten lebt, daß die Eltern ihren Kindern und Enkeln eine erdrückende Hypothek hinterlassen.
Meine Damen und Herren, wenn es um die Grundsatzfragen geht, die in der Wahl zu entscheiden sind, sage ich noch einmal: Es ist die Entscheidung über die konsequente, unbeeinträchtigte Fortführung der Politik der Sozialen Marktwirtschaft. Wer Wirtschaftsräte, wer Strukturräte, wer Sozialräte und welche Räte man sich sonst noch ausdenken kann, fordert, der hemmt die Antriebskraft der Wirtschaft, und er beschränkt die Freiheits- und Verantwortungsräume in unserem Lande.
({26})
Kein staatlicher Dirigismus, keine Branchenpolitik, keine Strukturpläne können die Dynamik ersetzen, die sich aus den millionenfachen Einzelentscheidungen von Verbrauchern und Investoren ergibt. Eingriffe in den Wirtschaftsablauf, Planung und Dirigismus drängen nach großen Unternehmenseinheiten. Sie verdrängen die Vielfalt und die Kreativität, mit denen Mittel- und Kleinbetriebe, Handwerk, Handel und freie Berufe der wirtschaftlichen Entwicklung wirklich die motorische Kraft geben und Garanten des Wettbewerbs sind.
Die jetzige Krise ist eine Krise der Interventionen. Die Aufgabe, wieder wirtschaftliches Wachstums zu erreichen, wieder neue Arbeitsplätze zu schaffen, läßt sich allein durch eine funktionsfähige Ordnung der Sozialen Marktwirtschaft erreichen. Diese Ordnung hat in den 50er Jahren ein beispielloses Wachstum gebracht, das in der ganzen Welt als das deutsche Wirtschaftswunder bekannt wurde. Es hat diese Ordnung damals möglich gemacht, daß der Fleiß unserer Arbeitnehmer, der Erfindungsreichtum und das Engagement der Techniker und der Unternehmer Millionen und Abermillionen von Arbeitsplätzen geschaffen haben, und das wird auch heute geschehen, wenn man sie nur läßt, wenn es wieder Mut gibt zum Markt, zur Selbstverantwortung und zur Leistung.
({27})
In der Außen-, Sicherheits- und Deutschlandpolitik hat die Aussprache über den Haushalt den Fortbestand des Konsenses in vielen wichtigen Fragen ergeben. Je mehr wir davon bewahren, um so größer ist der Gewinn für unser Land, für unser Volk und für ganz Europa.
Wir müssen aber auch verzeichnen - damit gehe ich auf das ein, was in Zwischenrufen gesagt wur8954
de -, daß die SPD mit immer größeren Schritten die bisher gemeinsame Haltung zum NATO-Doppelbeschluß verläßt.
({28})
Immer deutlicher werden auch Stimmen, die eine selbstbewußte Wahrnehmung deutscher und europäischer Interessen unter Freunden und Verbündeten mit einer wertgleichen Betrachtung der Beziehungen zu den USA und zur Sowjetunion verwechseln.
({29})
Die deutsch-amerikanische Freundschaft und die Zusammenarbeit zwischen Europäern und Nordamerikanern sind von lebenswichtiger Bedeutung für unsere freiheitlichen Demokratien diesseits und jenseits des Ozeans. Sie garantiert den Frieden und die Freiheit. Diese Freundschaft darf nicht nur das Verhältnis der Regierenden zueinander bestimmen; sie muß in unserem Volk fest verankert sein und bleiben. Das immer wieder bewußt zu machen ist Aufgabe politischer Führung.
In diesem Bewußtsein sind sich alle Parteien des Deutschen Bundestages einig in der Verurteilung der Terroranschläge gegen amerikanische Soldaten, die hier in unserem Lande mit uns unseren Frieden und unsere Freiheit sichern.
({30})
Auf der Grundlage unserer festen Einbindung in das westliche Bündnis und in die Europäische Gemeinschaft und in dem Bewußtsein, daß der Friedensdienst unserer Soldaten in der Bundeswehr ein gemeinsamer und wichtiger Beitrag zur Sicherheit ist, stellt sich die Koalition der Mitte der großen Herausforderung der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik, nämlich Abrüstung und Rüstungskontrolle zum Erfolg zu führen. Wir alle wissen: Das ist die Überlebensaufgabe für unser Volk in West und Ost, für die Europäer in West und Ost, für die Menschheit. Wer die Grundlagen der für unser Volk lebenswichtigen Verhandlungen über die Mittelstreckenraketen in Frage stellt, bevor die entscheidende Verhandlungsphase überhaupt begonnen hat, wird nur erreichen, daß es zu dieser entscheidenden Verhandlungsphase überhaupt nicht kommen wird. Diese Bemühungen und Verhandlungen brauchen Festigkeit und Stetigkeit. Wankelmütigkeit und Unberechenbarkeit sind Gift für den Erfolg dieser Verhandlungen.
Niemand in unserem Volk drängt sich nach Mittelstreckenraketen. Wir wünschen diese Mittelstreckenraketen nicht auf der westlichen Seite, aber wir wollen sie auch nicht auf der östlichen Seite, wo sie gegen uns gerichtet sind.
({31})
Nicht amerikanische Raketen, die es noch nicht
gibt, bedrohen unsere Sicherheit, sondern sowjetische SS-20-Raketen, die schon heute auf uns gerichtet sind, sind für uns eine tödliche Gefahr, und sie wollen wir mit unserem ernsthaften Willen zu Verhandlungen beseitigen.
Herr Kollege Brandt, wir werden - das haben wir auch schon früher gesagt - jeden ernstgemeinten Vorschlag ebenso ernsthaft prüfen. Wir wissen: Die Beachtung der Sicherheitsinteressen beider Seiten, nicht nur der eigenen, ist Voraussetzung für erfolgreiche Verhandlungen. Wer einen Verhandlungserfolg will, muß, wenn das Verhandlungsziel - und das wäre nach unserer Meinung der beiderseitige Verzicht - nicht voll erreicht werden kann, zum Kompromiß bereit und fähig sein. Kompromiß, das heißt Nachgeben auf beiden Seiten, das heißt aber nicht gänzlicher Verzicht der einen Seite und teilweises Nachgeben der anderen.
({32})
Wer sagt, man könne bei einem gänzlichen Verzicht auf die westliche Nachrüstung der Sowjetunion jetzt 150 auf Westeuropa gerichtete sowjetische Mittelstreckenraketen zugestehen, der gesteht unter dieser Voraussetzung der Sowjetunion ein Monopol in diesem Waffenbereich zu,
({33})
und er würde außerdem zugestehen, daß auf sowjetischer Seite die Vernichtungskraft von mehr als 3 000 Hiroschima-Bomben auf uns gerichtet bliebe.
({34})
Das können und das dürfen wir nicht hinnehmen.
Meine Damen und Herren, deshalb haben wir doch von Anfang an, damals die Bundesregierung aus FDP und SPD, zusammen mit unseren Verbündeten den gänzlichen Verzicht auf amerikanische und sowjetische Mittelstreckenraketen gefordert. Wir waren damals stark bei der Vertretung dieser Forderung, weil wir von der damaligen Opposition, der CDU/CSU, ohne Einschränkung unterstützt wurden. Die Regierung aus FDP und CDU/CSU vertritt heute dieselbe Position wie damals ihre Vorgängerin. Aber nach allem, was wir hören, können wir in dieser Konsequenz nicht mehr auf die uneingeschränkte Unterstützung der jetzigen Opposition rechnen.
({35})
Wir werden die Wähler um Unterstützung bitten für unser großes Ziel: Frieden schaffen ohne Mittelstreckenwaffen, ohne sowjetische und ohne amerikanische Mittelstreckenwaffen.
({36})
Wir wollen nicht einen Raketen-Wahlkampf, aber wir wollen einen Wahlkampf über unsere Friedenspolitik. Wir werden alles daran setzen, den Bürgern verständlich zu machen, daß die Politik der Bundesregierung den richtigen Weg zeigt, auf dem wir Frieden für unser Land, für Europa und für die Welt sichern können. Engagement für den Frieden nehmen wir bei allen ernst, bei denen, die uns unterstützen, und bei denen, die wir noch nicht für unsere Politik von Frieden und Freiheit überzeugt haben.
Wer eine Politik der ausgestreckten Hand gegenüber dem Osten will, braucht einen festen Platz im Westen. Wer den Platz unseres Landes zwischen dem Westen und dem Osten suchen will, wird Sicherheit und Freiheit verspielen.
({37})
Und auch darum muß der Wahlkampf geführt werden, um die Erkenntnis: Unser Gewicht in der Europäischen Gemeinschaft und im westlichen Bündnis, die Qualität unseres Verhältnisses zu den Vereinigten Staaten bestimmen unser Gewicht auch im Gespräch mit der Sowjetunion. Wer nicht Spielball werden will zwischen West und Ost, der muß Gespräch, Verhandlung, Zusammenarbeit und Entspannung mit dem Osten suchen als Teil des Westens, als verläßlicher Freund und Verbündeter. Wanderer zwischen den Welten
({38})
führen unser Land auf einen gefährlichen Irrweg.
({39})
Und solche Wanderer gibt es nicht nur bei Grünen und Alternativen.
({40})
Die Bewahrung unserer Sicherheit und Freiheit nach außen verlangt den Ausbau der Liberalität unseres Staates und unserer Gesellschaft.
({41})
- Meine Damen und Herren, ich habe doch meine Haltung zum Doppelbeschluß nicht geändert. Sie laufen doch Ihrer früheren Haltung davon.
({42})
Die Aufgabe der Liberalen bleibt unverändert. Für uns steht unter den Grundwerten Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit die Freiheit des einzelnen an erster Stelle.
({43})
- Die Art, wie Sie hier reagieren, zeigt, wie falsch die These ist, Sie könnten der Liberalität eine Heimstatt in Ihrer Partei bieten.
({44})
Die Liberalen stellen den Menschen vor Staat, Wirtschaft und Gesellschaft. So haben wir es mit unseren Freiburger Thesen von 1971 bekräftigt. Nicht auf die bloß formalen Garantien von Freiheiten und Rechten des Bürgers gegenüber dem Staat, sondern auch auf die sozialen Chancen, diese Freiheiten und Rechte in der Gesellschaft auch wahrzunehmen, kommt es den Liberalen an. Für Liberale stehen Reformen, die mehr Freiheitsrechte für mehr Bürger bringen, also Reformen zur Demokratisierung der Gesellschaft, im Vordergrund. Die Gleichheit der Chancen ist das Ziel, nicht Gleichheit um den Preis der individuellen Freiheit.
Im Spannungsverhältnis zwischen Sicherheit und Freiheit, zwischen Staat und Bürger, zwischen Organisation und Individuum heißt für Liberale die Entscheidung immer: im Zweifel für die Freiheit, für die Freiheit des einzelnen.
({45})
Sie zu bewahren ist liberale Grundaufgabe. Die Freie Demokratische Partei ist und bleibt Garant unseres freiheitlichen Rechtsstaats.
Meine Damen und Herren, wir, die Freien Demokraten, werden den Wahlkampf sachlich und fair und ohne persönliche Verunglimpfungen führen. Liberale Toleranz verhindert auch, daß tiefe Gräben unser Volk trennen. Die von außen aufgezwungene Teilung unseres Volkes ist schlimm genug. Wir dürfen nicht noch eine innere Spaltung hinzufügen.
({46})
Diffamierung und Verunglimpfung werden sich gegen diejenigen wenden, die sie betreiben. Je mehr Intoleranz praktiziert wird, um so deutlicher wird die Abgrenzung zwischen Liberalen und den Trägern einer solchen Kampagne.
({47})
Wer einen Vernichtungskampf gegen eine demokratische Partei führt, gefährdet das politische Klima und die innere Stabilität unseres Landes.
({48})
Herr Kollege Leber hat am Dienstag in eindrucksvoller Weise auf die Gefahren für die Stabilität unserer Demokratie hingewiesen. Gerade in dem bevorstehenden Wahlkampf sollten wir alle seine Mahnung ernst nehmen.
Die Freien Demokraten wissen: Der Bundestagswahlkampf 1983 wird für uns schwer sein. Wir müssen gemeinsam und entschlossen kämpfen, damit auch im nächsten Deutschen Bundestag liberale Politik verwirklicht werden kann. Diese liberale Politik durchzusetzen ist die Aufgabe der Freien Demokratischen Partei in unserem Pateiensystem. Es ist unsere Aufgabe, absolute Mehrheiten zu verhindern.
({49})
Es ist unsere Aufgabe, den Wechsel möglich zu machen, wenn nur so eine handlungsfähige Regierung gebildet werden kann.
({50})
Wir haben Kontinuität zu garantieren und unser Land vor politischen Wechselbädern zu bewahren.
({51})
Die Freie Demokratische Partei hat in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland zusammen mit der CDU/CSU die Marktwirtschaft erkämpft. Sie hat den Eintritt unseres Landes in das westliche Bündnis, in die Gemeinschaft der westli8956
chen Demokratien möglich gemacht. Sie hat mit den Sozialdemokraten die Vertragspolitik nach Osten gestaltet und wichtige innere Reformen durchgesetzt.
Wir stellen uns dem Wähler mit unserem ganzen politischen Weg. Wir stellen uns mit unserer Arbeit in der Koalition mit der SPD. Wir stellen uns mit unserer Verantwortung für die Wende in unserem Land, für die Bildung der Koalition der Mitte mit der CDU/CSU und für die Leistungen, die wir schon jetzt zusammen in der neuen Koalition erbracht haben.
({52})
Wer diese Koalition der Mitte als „Rechtskoalition" bezeichnet,
({53})
hat sich im Buhlen um Grüne und Alternative selber schon so weit nach links bewegt, daß ihm sogar die Mitte als rechts erscheinen muß.
({54})
Wir werden den Wahlkampf für die Liberalität in unserem Lande, für die Soziale Marktwirtschaft und für die Außen- und Sicherheitspolitik der verläßlichen Partnerschaft und der guten Nachbarschaft führen.
({55})
Wir stellen uns dem Wähler mit unserem liberalen Programm. Wir stellen uns mit dem Willen, die Koalition der Mitte aus Freien Demokraten und CDU/ CSU fortzusetzen.
({56})
Die Wirtschaftskrise verlangt von uns allen große und ernsthafte Anstrengungen. Dennoch gibt es für unser Land keinen Anlaß zu Pessimismus und Verzweiflung. Unser Land hat Grund zu Mut und Zuversicht auch morgen - mit der Koalition der Mitte. Unter der politischen Führung der Koalition aus FDP und CDU/CSU wurde unsere Bundesrepublik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg als ein freiheitlicher und sozialer Staat mit einer erfolgreichen Volkswirtschaft aufgebaut. Unter der gleichen Führung werden wir auch die wirtschaftliche und geistige Krise unserer Zeit meistern.
({57})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Waigel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag des Bundeskanzlers nach Art. 68 des Grundgesetzes, die Abstimmung des Parlaments über diesen Antrag und die Stimmenthaltung der Koalition, damit der Bundespräsident den Bundestag auflösen und Neuwahlen herbeiführen kann, sind verfassungsrechtlich legitim sowie verfassungspolitisch und staatspolitisch geboten.
({0})
Von einem Anschlag auf das Grundgesetz oder von einer Manipulation unserer Verfassung kann keine Rede sein.
({1})
Mit ihrem Stimmverhalten verbinden die Abgeordneten der Koalitionsparteien nicht Kritik an der Person von Bundeskanzler Kohl oder an seiner Politik.
({2})
Sie unterstreichen mit ihrer Stimmenthaltung vielmehr die politische Notwendigkeit einer neuen demokratischen Legitimation durch den Wähler, nachdem der Auftrag dieser Koalition erfüllt ist.
({3})
Als eine Verfahrensregelung des Staatsorganisationsrechts legt Art. 68 des Grundgesetzes die Voraussetzungen, unter denen der Bundespräsident den Bundestag auflösen kann,
({4})
präzise fest.
Von den am Verfahren beteiligten drei Verfassungsorganen, Bundestag, Bundespräsident und Bundeskanzler, kommt der Willensbekundung der Mitglieder des Bundestages entscheidende Bedeutung zu. Nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes sind die Abgeordneten „nur ihrem Gewissen unterworfen". Die Zustimmung zum Antrag des Bundeskanzlers kann seitens der Abgeordneten aus unterschiedlichen Motiven verweigert werden. Sie ist keiner Kontrolle oder Überprüfung zugänglich. Die konkrete Entscheidung liegt in der freien Verantwortung jedes einzelnen Abgeordneten.
({5})
Für jene, die Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des von uns beschrittenen Weges haben, sei auf die Entstehungsgeschichte des Art. 68 des Grundgesetzes hingewiesen. Die Materialien hierzu lassen deutlich erkennen, daß der Regierung die Möglichkeit eröffnet werden sollte, Neuwahlen herbeizuführen. Es war der SPD-Abgeordnete Dr. Katz, damals Justizminister von Schleswig-Holstein und von 1951 bis 1961 Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, der im Jahre 1948 die Aufnahme des konstruktiven Mißtrauens in das Grundgesetz beantragte. In der 33. Sitzung des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rates erklärte er am 8. Januar 1949:
Der Sinn des Artikels 90 a
- im Vorentwurf des Parlamentarischen Rates war das konstruktive Mißtrauen in Art. 90 a geregelt ist, der Regierung die Chance einer Neuwahl zu geben, wenn sie es für gegeben erachtet.
Soweit das Zitat.
In einer Stellungnahme des Allgemeinen Redaktionsausschusses des Parlamentarischen Rates zu Art. 68 des Grundgesetzes finden Sie folgende Anmerkung:
Hier wäre als unter Umständen die Auflösung des Bundestages politisch dann wünschenswert, wenn nach der gesamten politischen Situation damit gerechnet werden kann, daß die schwache Mehrheit des alten Bundestages von einer starken Mehrheit im neuen Bundestag abgelöst wird.
({6})
- Diese aus der Entstehungsgeschichte gewonnenen Erkenntnisse bestätigen unsere Auffassung.
({7})
- Sie sollten sich wenigstens die unbestrittenen Materialien der Entstehung des Grundgesetzes ruhig anhören.
({8})
Mit dem als verfassungsgemäß einzuordnenden Weg der Abstimmung über die Vertrauensfrage schaffen der Bundeskanzler und das Parlament die Voraussetzungen für den Bundespräsidenten, das wichtigste Mitwirkungsrecht der Bürger innerhalb der Verfassung, nämlich Neuwahlen in einer schwierigen Situation, zu ermöglichen.
Es bleibt mir eigentlich unerfindlich, Herr Abgeordneter Brandt, warum Sie meinten, hinsichtlich des Wahltermins den Vorsitzenden der CSU apostrophieren zu sollen; denn Sie waren doch in der SPD mehrheitlich eben nicht bereit, eine Verfassungsänderung so rechtzeitig durchzuführen, daß Sie für dieses Verfahren hätte angewendet werden können.
({9})
Wenn Sie glauben, dem Bundesinnenminister unterstellen zu müssen, er greife in die Ermessensfreiheit des Bundespräsidenten ein, wenn er sage, er gehe davon aus, daß der Bundespräsident dem Ersuchen nachkomme, dann muß ich sagen: Er drückt doch nichts anderes aus als seine eigene Überzeugung von der Richtigkeit des Verfahrens. Es wäre ja traurig, wenn wir von der Richtigkeit dieses Verfahrens nicht überzeugt wären.
({10})
Es bleibt unbestritten, daß die Souveränität und die Entscheidungsfreiheit des Bundespräsidenten unangetastet bleiben.
Ich weiß nicht, ob der Kollege Brandt noch im Saal ist, aber er hat geglaubt, vorher einen Mainzer Kollegen ansprechen zu sollen, der nichts anderes getan hat, als die Wahrheit zu sagen.
({11})
Es wäre besser gewesen, Herr Brandt, Sie hätten zu diesem Thema nichts gesagt;
({12})
denn wir werden es nicht zulassen, daß Sie Ihre eigenen persönlichen Peinlichkeiten in Böswilligkeit gegen andere ummünzen.
({13})
Der Rede des Abgeordneten Brandt war wirklich anzumerken, daß er an der dreitägigen Haushaltsdebatte nicht teilgenommen hat.
({14})
Das war nichts anderes als eine Wahlkampftirade,
({15})
um von der eigenen Verantwortlichkeit für die Jahre von 1969 bis 1974 und auch danach abzulenken. Wem selber die Finanzminister davongelaufen sind, weil sie an den ökonomischen Sachverstand ihres eigenen Bundeskanzlers nicht geglaubt haben, der sollte zu ökonomischen, wirtschaftspolitischen und finanzpolitischen Problemen wirklich nichts mehr sagen.
({16})
Wer 1974 so peinlich gescheitert ist wie er, sollte sich nicht so groß über andere Probleme auslassen.
({17})
Die Notwendigkeit von Neuwahlen wird verständlich, wenn man sich die Gründe vor Augen führt, die vor noch nicht drei Monaten zur Bildung der Koalition der Mitte geführt haben. Längst war der sozialliberale Konsens, der die alte Koalition über ein Jahrzehnt verband, zerbrochen. Zuletzt zeigte sich dies in der Außenpolitik. Ohne die Unterstützung durch die Opposition waren Bundeskanzler und Außenminister nicht mehr in der Lage, die von ihnen als richtig erkannte Politik durchzusetzen. Ich denke hier an den NATO-Doppelbeschluß - Außenminister Genscher hat hierzu das Notwendige gesagt-, den sich die SPD in ihrer Gesamtheit nie voll zu eigen gemacht hat.
Die Ablehnung der Nominierung prominenter Sozialdemokraten in den letzten Tagen und Wochen wirft ein bezeichnendes Licht auf diese Feststellung.
({18})
Warum eigentlich, meine Damen und Herren, geht der Abgeordnete Brandt, der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, nicht in die Delegiertenversammlungen, um für geschätzte Kollegen wie Frau Renger, wie Herrn Haack oder wie Herrn Männing Stellung zu beziehen, Partei zu ergreifen,
({19})
um damit zu sorgen, daß hier eine Kontinuität in wichtigen Fragen deutscher Außen- und Verteidigungspolitik fortgeführt werden kann?
({20})
Die eben von mir genannten Kollegen sind doch Opfer der neuen Strategie von Brandt und seinen neuen Koalitionen im rötlich-grünlichen Fahrwasser.
({21})
In der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik traten nach der Bildung der sozialliberalen Koalition im Jahre 1980 gravierende Meinungsverschiedenheiten auf. Die Haushaltsberatungen im Sommer 1981 und die Beschlüsse des SPD-Parteitags im Frühjahr dieses Jahres führten letztlich zum Bruch der alten Koalition. Auf ihrem Parteitag hatte die SPD klar ihren Willen bekundet, den Marsch in den Sozialismus anzutreten,
({22})
und dies ohne Rücksicht auf den Koalitionspartner und unter Billigung der der SPD angehörenden Regierungsmitglieder einschließlich des seinerzeitigen Bundeskanzlers Helmut Schmidt. Mehr Staat, höhere Abgaben, noch mehr Schulden, mehr staatlicher Dirigismus und mehr Bürokratie - das waren die Begleittöne dieses Parteitages.
Nach Wochen lähmender Untätigkeit und lärmenden Streits fand dann das alte Regierungsbündnis sein Ende.
Nach dem Auseinanderbrechen der alten Koalition war Helmut Schmidt nicht bereit, die politischen Konsequenzen zu ziehen und den Rücktritt einzureichen. Angesichts der Dringlichkeit der Probleme einigten sich deshalb CDU, CSU und FDP auf die Bildung einer neuen Koalition der Mitte. Von Anfang an verständigten sich die neuen Koalitionspartner darauf, ein zeitlich und sachlich begrenztes Dringlichkeitsprogramm zu verabschieden, um dann im März 1983 Neuwahlen herbeizuführen. Wie der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, der Kollege Dr. Dregger, in der Haushaltsdebatte am 14. Dezember 1982 zutreffend dargelegt hat, war der Auftrag der Regierung Kohl von vornherein sowohl sachlich als auch zeitlich begrenzt.
Angesichts der dramatischen Situation war es unumgänglich, ein Sofortprogramm zu verabschieden. Die neue Koalition der Mitte einigte sich deshalb darauf, erste Maßnahmen zur Sanierung der Bundesfinanzen und zur Sicherung der Finanzlage der Sozialversicherung zu ergreifen, erste Anstöße für die Wiederbelebung der Wirtschaft und für die Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit zu geben sowie die Mißverständnisse und Irritationen über die Stellung der Bundesrepublik in der westlichen Allianz aus dem Weg zu räumen.
Wenn wir heute Bilanz ziehen, können wir feststellen, daß mit der Verabschiedung des Haushalts 1983 und der Begleitgesetze die entscheidenden Weichenstellungen vorgenommen worden sind, um den vereinbarten Zielen näherzukommen. Zweifel an der Stellung der Bundesrepublik Deutschland im Bündnis konnten ausgeräumt werden.
Beim Abschluß der Koalitionsvereinbarung wurden Themen bewußt ausgespart. Es gibt unterschiedliche Standpunkte zwischen CDU/CSU und FDP in einigen Bereichen. Dies gilt vor allem für die innere Sicherheit, die Rechtspolitik und die Deutschlandpolitik. Eine Ausklammerung wichtiger politischer Bereiche ist jedoch auf Dauer nicht möglich. Sie erfolgte, weil die neuen Koalitionspartner vereinbart hatten, sich nach fünf Monaten dem Urteil der Wähler zu stellen.
({23})
Angesichts der Herausforderung im nationalen und internationalen Bereich bedarf es klarer, umfassender Festlegungen für eine ganze Legislaturperiode. Hierzu braucht eine neue Regierung den Auftrag durch die Wähler. Das ist der erklärte Wille aller Parteien und Fraktionen.
Wenn wir heute die Voraussetzungen für Neuwahlen schaffen, geschieht dies im Interesse unserer Bürger. Sie sollen die Möglichkeit erhalten, in einer entscheidenen Zeit über die weitere Zukunft unseres Landes entscheiden zu können.
({24})
Die CSU ist bereit, die neue Koalition der Mitte auch nach dem 6. März 1983 fortzusetzen. Wir haben den Mut, den Bürgern unseres Landes im bevorstehenden Wahlkampf die Wahrheit über die Probleme, die wir übernommen haben, und über die Opfer zu sagen, die zur Bewältigung der Krise von allen Gruppen unserer Bevölkerung erbracht werden müssen. In der schwersten Wirtschaftskrise unseres Landes ist die CSU bereit, ihren Beitrag zur Lösung der Probleme zu leisten, den Weg zu Neuwahlen zu ermöglichen, einen ehrlichen Wahlkampf zu führen, um das Vertrauen der Bürger zu bitten
({25})
und Regierungsverantwortung nach Neuwahlen zu übernehmen.
({26})
Das Wort hat der Abgeordnete Duve.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche aus eigenem Antrieb und bitte die Mitglieder meiner Fraktion um Entschuldigung, daß ich nicht die Gelegenheit hatte, das vorher anzukündigen, wie wir es an sich vereinbaren.
({0})
Meine Damen und Herren, wir beteiligen uns heute an einer Abstimmung die seit Wochen in der Öffentlichkeit lebhaft diskutiert wird. Jedermann sieht die politischen Motive ebenso deutlich wie die vielfältigen verfassungsrechtlichen Befunde. Ein großer Teil unserer Mitbürger - das ist der Grund,
warum ich mich zu Wort gemeldet habe - nimmt jedoch diesen Vorgang nur aus großer Distanz wahr. Ich spreche von den bei uns lebenden Ausländern. Sie haben an der vor uns liegenden Wahl und an den Wahlauseinandersetzungen keinen Anteil, obwohl ihr Leben bei uns durch das politische Klima, in dem Regierungen und Parlamente gebildet werden, sehr direkt und sehr wesentlich beeinflußt wird.
Ich möchte eindringlich an die Mitglieder des Deutschen Bundestages appellieren, jede propagandistische Behandlung der Ausländerpolitik aus dem parteipolitischen Wahlkampf herauszuhalten.
({1})
Herr Abgeordneter Duve, einen Augenblick bitte. Darf ich bitten, daß die Damen und Herren ihre Plätze einnehmen? - Bitte.
Danke, Herr Präsident.
Ich möchte das begründen. Ich spreche persönlich, aus eigenem Erleben, auch aus meinem eigenen Leben heraus und in großer Sorge. Vor über 20 Jahren habe ich gemeinsam mit einem Hamburger Freund in der Hamburger Innenstadt die erste Deutschschule für Gastarbeiter ins Leben gerufen. Seither verfolge ich mit Hoffen und Bangen die Entwicklung. Sie hatte gute und schlechte Phasen, sehr gute Phasen für unser Volk, in letzter Zeit aber auch schlechte. Seit einiger Zeit nämlich, meine Damen und Herren, kriecht überall im Lande die Angst vor dem Problem hoch. Niemand darf diese Angst mißbrauchen. Immer war es der entscheidende Prüfstein für die geistig-moralische Kraft der parlamentarischen Demokratie, wie sie mit Minderheiten, die an der Wahl nicht teilnehmen können, umgeht.
({0})
Es ist in den vorausgegangenen Kommunal- und Landtagswahlen möglich gewesen, gemeinsam solche Gruppen zu bekämpfen, die aus den hier arbeitenden Ausländern politisches Kapital für ihre Ziele schlagen wollen. Ich meine, das sollte auch so bleiben. Ich möchte eine vereinzelte Anzeige der Union aus dem Hamburger Bürgerschaftswahlkampf nicht überbewerten, in der es am 30. November 1982 geheißen hat:
Wenn es mit der Ausländerpolitik des Dohnanyi-Senats so weitergeht, werden wir bald 200 000 Ausländer in unserer Stadt haben.
Ich will das nicht überbewerten. Ich hoffe, daß dies ein Ausrutscher war. Ich bitte Sie, Herr Dr. Kohl, sehr eindringlich, als Vorsitzender der Union dafür zu sorgen, daß es zu solchen Entgleisungen im kommenden Bundestagswahlkampf nicht kommt,
({1})
wie ich auch alle Kollegen aus allen Fraktionen darum bitte, sich meinem Appell anzuschließen.
Ich vertrete einen Wahlkreis im Zentrum der Hamburger Arbeiterviertel, in dem es Quartiere gibt, in denen der Ausländeranteil bei 20 %, in Einzelfällen bei über 30 % liegt. Ich weiß, wovon ich rede.
Wir bürden, meine Damen und Herren - das ist meine persönliche Erfahrung -, relativ wenigen unserer deutschen Mitbürger in den entsprechenden Stadtteilen die konkreten Probleme des Zusammenlebens auf, Probleme am Arbeitsplatz, in den Schulen, in den Wohnstraßen, in den Häusern, bei der Veränderung der gewohnten Umgebung. Millionen, die persönlich nicht betroffen sind, verfolgen dieses politische Thema jedoch aus der Distanz, und die meisten von uns Abgeordneten gehen mit statistischen Zahlen um, ebenfalls ohne persönlich betroffen zu sein. Abstrakte, statistische Diskussionen lösen nicht die konkreten Probleme, sondern verschärfen sie.
({2})
Gefährlicher als die Probleme ist die abstrakte Angst vor ihnen, wo aktive Menschlichkeit gefordert ist. Und ich muß Sie, Herr Dr. Kohl, im Interesse dieser Menschlichkeit auch als Regierungschef bitten, die Formen des Wahlkampfes zu beachten. Wir hatten bei Äußerungen des Herrn Innenministers in der letzten Woche und auch bei Ihren eigenen Einlassungen am Anfang Ihrer Regierungszeit Anlaß zur Sorge, daß dieses nicht im Interesse der Menschlichkeit so geschieht, wie wir es alle wollen.
({3})
Ich möchte auf den eindringlichen Brief am 4. März 1982 von Frau Liselotte Funcke, der Beauftragten der Bundesregierung für Ausländerfragen, an den damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt verweisen. Sie beschreibt die bedenkliche Stimmung bei all jenen Deutschen und Ausländern, die sich haupt- und ehrenamtlich um das Problem bemühen. Ich zitiere:
Wenn Kirchen und Synoden, Wohlfahrtsverbände, in- und ausländische Lehrerorganisationen, freiwillige Initiativgruppen aus ihrer jahrelangen Erfahrung heraus dringend vor weiteren Einschränkungen bei der Familienzusammenführung warnen, wissen gerade sie um die schwere Beeinträchtigung, die die bemühte Arbeit um die friedliche und menschliche Eingliederung dadurch erfahren würde.
Meine Damen und Herren, das Engagement all dieser Menschen und vieler mehr brauchen wir bei 4,7 Millionen Ausländern eben genauso wie bei 1 Million Ausländern oder einer halben Million Ausländern. Wir werden es in unserer Bundesrepublik Deutschland, die Teil eines aufgeschlossenen Europas sein will, immer brauchen, unabhängig von der Ausländerpolitik. Die Angst breitet sich aus bei vielen Ausländern und bei vielen deutschen Bürgern, aber eben auch bei Politikern, die zuweilen Angst haben, Wählerstimmen zu verlieren, wenn sie sich für dieses Problem, für die Ausländer, einsetzen. Bekämpfen wir, meine Damen und Herren, gemeinsam die aufkommende Angst! Verjagen wir das Gespenst der schrecklichen Vereinfacher! Denn kein Politiker nimmt der 70jährigen Rentnerin im Arbeiterstadtviertel Veddel in Hamburg ihre Ängste und Probleme mit den fünf türkischen Familien im
Haus, wenn dieser Politiker verspricht, die Zahl der bei uns lebenden Ausländer um eine oder eine halbe Million zu verringern. Dadurch verringert er nicht die Probleme dieser Menschen vor Ort. Wir dürfen in der Bundesrepublik Deutschland nicht und vor allem nicht im Wahlkampf, einen Rausschmeißwettlauf dulden. Es darf kein Klima des Vor-die-Tür-Setzens entstehen, wenn wir mit den Bleibenden in Frieden leben wollen.
Helfen wir den deutschen Bürgern in Städten und Gemeinden und helfen wir den ausländischen Mitbürgern! Niemals dürfen die demokratischen Parteien diese Aufgabe zum Gegenstand des parteipolitischen Wettlaufs um die Gunst des Wählers machen.
({4})
Sie ist die seit 1945 größte moralische Herausforderung an unsere christliche - meine Damen und Herren, an unsere christliche - Solidarität und an unsere demokratische Kultur. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
({5})
Meine Damen und Herren, zum besseren Verständnis: Es handelt sich hier nicht um persönliche Erklärungen, weder nach § 30 noch nach § 31, sondern es sind Debattenbeiträge nach § 27 unserer Geschäftsordnung.
({0})
Da in der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers ebenso wie von Herrn Kollegen Brandt und Herrn Kollegen Dregger der gesamte politische Bereich angesprochen worden ist, ist keine Beschränkung auf das spezifische Gebiet ausschließlich des Art. 68 des Grundgesetzes gegeben.
({1})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Schmidt ({2}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Trotz des soeben von Ihnen, Herr Präsident, gegebenen Hinweises, daß es sich heute nicht nur um den vorliegenden Antrag des Bundeskanzlers handelt, sondern daß es im Grunde eine gesamtpolitische Debatte ist, habe ich erhebliche Zweifel, ob vieles, was in den letzten zwei Stunden hier gesagt wurde, mit dem Ernst der Stunde, mit dem Ernst der Entscheidung, die der Deutsche Bundestag als, wie Sie mit Recht, Herr Dregger, gesagt haben, zweites prüfendes Verfassungsorgan, mit der freien Stimmabgabe seiner Mitglieder zu treffen hat, überhaupt in Zusammenhang stehen kann.
Ich habe leider sehr wenig das Wort Verfassung und Grundgesetz, aber sehr viel das Wort Wahlkampf gehört.
({0})
Ich habe ein bißchen den Eindruck, dies ist schon
sozusagen eine vorbereitende Wahlkampfveranstaltung gewesen, obwohl jeder gleichzeitig gesagt hat,
es müsse überhaupt erst einmal entschieden werden, ob dies der richtige Weg zu den gewünschten Neuwahlen sei, und der Bundespräsident sei völlig frei in seiner Entscheidung.
({1})
Trotzdem hat man hier Vergangenheitsbewältigung, Schuldzuweisungen, Programmpunkte nach dem 6. März, und was weiß ich alles, ausgetauscht, als ob alles schon eine beschlossene Sache wäre und als ob dieses Parlament eigentlich nur - ich sage das sehr ernst - die Aufgabe hätte, bestimmten Vorstellungen der Parteispitzen zu folgen,
({2})
als ob dieses Parlament, wir alle, meine Damen und Herren, nicht auch eine eigenständige Kontrolle über die Wege hätte, als ob wir nicht auch die Aufgabe hätten, festzustellen, ob das, was vorgeschlagen ist, wirklich so verfassungsunbedenklich ist, wie es hier von vielen dargestellt wird.
({3})
Ich bin Ihnen, Herr Bundeskanzler, sehr dankbar, daß Sie in Ihrer Begründung wirklich nur kurz und knapp Ihre Vorstellungen zu dieser Antragstellung vorgetragen haben. Damit sollten wir uns auseinandersetzen, und dies ist auch der Grund, weshalb ich mich hier nicht namens meiner Fraktion, sondern persönlich zu Wort gemeldet habe. Persönlich habe ich das aus einer tiefen Sorge als ein Mitglied dieses Hauses getan, das heute und hier nach über 21 Jahren wahrscheinlich seine letzte Debattenrede hält, persönlich aus der Erfahrung eines der nicht mehr allzu vielen Mitglieder dieses Hauses, die noch das Ende der Weimarer Republik, die damalige politische Instabilität, die mit zu vielem geführt hat, auch im familiären Bereich hautnah miterlebt haben, als ein Mitglied dieses Hauses, das die zwölf Jahre Hitler-Diktatur hautnah miterlebt hat und das dieses Grundgesetz, wie es damals geschaffen wurde, als eine Basis ansah, gebaut auf der Erfahrung derer, die damals das alles auch so miterlebt hatten, um für die Zukunft Stabilität für diesen Staat in bestimmten Legislaturperioden zu erreichen, um zu verhindern, daß sich möglicherweise wieder einmal durch instabile politische Verhältnisse, durch häufigeres Wählen und dergleichen mehr in Krisenzeiten schlimme Folgen ergeben.
Aus dieser Sicht möchte ich einige Bemerkungen machen, ehe ich mich zu meinem Abstimmungsverhalten äußere, wobei ich gleich - ich glaube, ich darf das sagen - feststellen möchte, daß diese Sorge, die ich habe, viel mehr Mitglieder dieses Hauses beschäftigt, als es in der Öffentlichkeit zum Ausdruck kommt,
({4})
daß viel mehr Mitglieder dieses Hauses sich Sorgen über die Folgen einer solchen Entscheidung machen.
Herr Bundeskanzler, Sie haben als erstes gesagt: Ich will den Weg zu Neuwahlen öffnen. Das wurde hier auch von allen Seiten gesagt, und ich schließe mich dem an.
Schmidt ({5})
Nach den Versprechungen, die seinerzeit abgegeben und mehrmals wiederholt worden sind, ist die Einlösung oder Nichteinlösung dieses Versprechens zweifellos eine Frage, die den Wähler draußen sehr, sehr stark beschäftigt.
Aber man muß natürlich darüber diskutieren können und auch verfassungsrechtlich ein wenig prüfen dürfen, ob der Weg dorthin nicht zumindest verfassungsschädlich ist,
({6})
Ob der Weg dorthin nicht zumindest am Rand der Verfassung entlang und möglicherweise in Zukunft zu anderen Entwicklungen führt.
Der Wähler hat Anspruch darauf, daß ein ihm so deutlich gegebenes Versprechen eingelöst wird. Er hat aber auch Anspruch darauf, daß diejenigen, die es einlösen, nicht möglicherweise dabei die Verfassung beschädigen und sich hinterher Konsequenzen daraus ergeben.
({7})
Hier wurde ja vorhin praktisch die Haushaltsdebatte dieser Woche in ihren wichtigsten politischen Aussagen wiederholt. Hier wurde ja noch einmal dargestellt, was in dieser Woche hier gesagt wurde. Was muß sich eigentlich der Wähler draußen, was muß sich eigentlich derjenige, der nicht hier im Hause, aber am Fernsehschirm die letzten drei Tage erlebt hat, sagen, wenn er heute wieder am Fernsehschirm sitzt und erfährt, daß, nachdem hier die Handlungsfähigkeit einer stabilen Regierung eine Woche bescheinigt wurde, nachdem gestern durch ein hohes Abstimmungsergebnis eine komfortable Mehrheit für den Haushalt 1983 hier vorgelegt und somit die Handlungsfähigkeit für 1983 eigentlich in den Grundzügen festgelegt wurde, plötzlich diese Mehrheit nicht mehr vorhanden ist, daß der Bundeskanzler, der gestern noch das große Vertrauen für den Haushalt, den er und seine Regierung vorgelegt haben, bekommen hat, heute plötzlich das Vertrauen der ihn tragenden Mehrheit nicht mehr bekommt. Er muß sich doch die Frage stellen - das ist doch einer der Punkte -: Ist es denn überhaupt noch richtig, daß hier die Vertrauensfrage in dieser Form gestellt werden kann? Ist es denn überhaupt richtig, ist es nicht verfassungsrechtlich zumindest sehr bedenklich, wenn hier der Bundeskanzler - Herr Bundeskanzler, dies ist kein Angriff gegen Sie; denn es ist ja ein vereinbartes Verfahren - sozusagen einen Antrag vorlegt, nachdem vorher die Fraktionen und Parteien mit Mehrheit beschlossen haben, diesem Antrag nicht zuzustimmen? Ich spreche in diesem Fall einmal für die Mehrheit; denn die fingierte Vertrauensfrage ist ja im Zusammenhang mit einer Vereinbarung zwischen dem Bundeskanzler und den ihn tragenden Fraktionen und Parteien zu sehen. Was muß sich eigentlich der Wähler draußen fragen, der nun plötzlich ab morgen - oder ab 6. Januar oder vielleicht auch gar nicht - weiß, daß am 6. März gewählt wird, wenn er feststellt, daß eine Mehrheit, die gestern noch 266 Stimmen für den Haushalt abgab, heute dem Bundeskanzler das Vertrauen nicht mehr ausspricht? Ist das vielleicht Glaubwürdigkeit für dieses Parlament, meine Damen und Herren?
({8})
Hier stehen doch zwei Dinge im Raum: auf der einen Seite das Erfüllen eines Versprechens, um glaubwürdig zu bleiben, und auf der anderen Seite die Glaubwürdigkeit der Verfassung, wenn die Gefahr droht, daß die Fakten auf den Kopf gestellt werden. Es steht doch fest, daß die jetzige Bundesregierung legal zustande gekommen ist. Es steht fest, daß diese Bundesregierung - in der letzten Woche ist das noch einmal deutlich geworden - eine volle Handlungsfähigkeit hat, daß es nicht so ist - Herr Bundeskanzler, ich sage das, weil Sie 1972 angesprochen haben - wie 1972, wo es eben keine Mehrheit mehr für den amtierenden Bundeskanzler gab und sich eben das Problem der Neuwahl stellte.
({9})
Ich habe bisher noch nirgends in der Verfassung feststellen können, daß es befristete Regierungen geben kann,
({10})
daß es befristete Legislaturperioden auf Grund von Parteibeschlüssen geben kann. Oder soll das, meine Damen und Herren - dies ist eine Frage, die das Parlament mit entscheiden soll -, vielleicht Zukunftspraxis werden? Wenn ich heute schon lese und höre, man könne ja einmal eine befristete Große Koalition schließen - so Herr Fehrenbach vor kurzer Zeit -, dann ist doch dieser Begriff draußen schon ein Begriff für die Zukunft. In Zukunft brauchen wir dann gar keine nach dem Grundgesetz befristeten Legislaturperioden mehr, sondern können uns selbst Fristen setzen.
({11})
- Natürlich. Ich hoffe, dazu etwas beitragen zu können. Denn ich habe den Eindruck - auch die Debatte hat das gezeigt -, daß die verfassungsrechtlich und verfassungspolitisch problematischen Fragen in diesem Bereich in allen Fraktionen zu wenig diskutiert worden sind. Ich kann nicht ganz so, Herr Kollege Ehmke, über die Interna der SPD-Fraktion berichten.
Ich war z. B. sehr beeindruckt, daß die Vereinigung für Parlamentsfragen hierzu zum richtigen Zeitpunkt eine Diskussion durchgeführt hat. Ich habe es allerdings bedauert, daß man die Mitglieder des Bundestages in dieser Abendveranstaltung an einer oder höchstens zwei Händen abzählen konnte. Man hätte dort manches über die verfassungsrechtliche Problematik - von „verfassungswidrig" auf der einen Seite bis hin zu „verfassungsunbedenklich" auf der anderen Seite - hören können und vieles über Verfassungsschädlichkeit vielleicht noch dazulernen können.
Meine Damen und Herren, man kann über die heutige Entscheidung, die wahrscheinlich vorpro8962
Schmidt ({12})
grammiert ist, sagen: Dies ist eine Einmaligkeit, das wird nie wieder vorkommen. Aber ich warne aus der Sorge heraus, die ich vorhin eindeutig klargelegt habe, davor, daß mit der derartigen Bewegung des Art. 68 für zukünftige Regierungen - es muß gar nicht die nächste sein, es kann auch die übernächste oder auch die überübernächste sein - eine Prämie für die legale Mehrheit in der Auslegung des Art. 68 verankert wird. Eindeutig hat dann eine Mehrheit, mag sie aussehen, wie sie will, die Möglichkeit, über diesen Weg, der heute hier beschlossen werden soll, auch in Zukunft Neuwahlen zu einem anderen Zeitpunkt herbeizuführen, als er eigentlich vom Grundgesetz vorgesehen ist. Warum haben denn die Väter des Grundgesetzes hier gewisse Schranken gesetzt? Nicht nur, weil sie die Erfahrungen der Weimarer Republik hatten, doch auch, weil sie die Erfahrungen in den westlichen Demokratien in Europa hatten und haben: 42 Regierungen in Frankreich, Instabilität in Italien durch laufende parteipolitische Schwierigkeiten mit den Regierungen. Es war doch überhaupt ein Stück Fundament für den Aufbau nach 1949, daß es eben nie kurze Legislaturperioden gab, daß eben immer vier Jahre lang durchregiert werden konnte. Dadurch war Stabilität beim Wiederaufbau möglich.
Wenn wir die Vertrauensfrage gemäß Art. 68 sozusagen auch zu einer halben Mißtrauensfrage machen - es ist eine Vertrauensfrage, die heute gestellt wird, und das Mißtrauen wird ausgesprochen -, dann wird eines Tages Art. 68 in seiner Verfassungswirkung vor Art. 67 rangieren. Ich frage mich, ob dies gut ist für die Zukunft dieses Parlaments, für die Zukunft der parlamentarischen Demokratie. Ich frage mich - ich glaube, meine Damen und Herren, jeder von Ihnen muß sich das fragen -, ob der einmal beschrittene Weg von der repräsentativen Demokratie, vom repräsentativen System zum plebiszitären System nicht eines Tages nach dem Motto „Die ich rief, die Geister, werd' ich nun nicht los" zu einem Dauerweg wird. Ich fürchte, daß solche Gefahren auftauchen; sie können sehr schnell auftauchen.
In den Debattenbeiträgen vorhin ist sehr viel darüber gesagt worden, daß sich die Parteienlandschaft hier nach dem 6. März möglicherweise ändert. Dann kann es schon sehr leicht möglich sein, daß es schwierig werden wird, eine stabile Regierung zu bilden. Nicht umsonst reden die einen von Großer Koalition, die anderen von Unterstützung der stärkeren Minderheit, einfach um dann regieren zu können, wenn es so kommt. Das kann man doch aber dann nicht vier Jahre lang machen. Dann hat man über das jetzt im Rahmen von Art. 68 gewählte Verfahren natürlich wiederum die Möglichkeit, die Dinge befristet zu gestalten.
Meine Damen und Herren, abschließend möchte ich Sie alle noch einmal sehr herzlich bitten, genau darüber nachzudenken, welche Entscheidung Sie nachher treffen. Es gibt nicht viele Möglichkeiten. Es gibt die Möglichkeit - ich sage das sehr offen -, daß, Herr Bundeskanzler, was ich begrüßen würde, obwohl ich es seinerzeit nicht getan habe, Ihnen das Vertrauen ausgesprochen wird und so der Weg über eine verfassungsbedenkliche Regelung nicht gegangen wird. Dann gibt es für Sie die Möglichkeit, einen anderen Weg zur Erfüllung des Versprechens zu wählen. Für mich, meine sehr verehrten Damen und Herren - das ist meine persönliche Entscheidung -, gibt es nur einen Weg, und in diesem stimme ich aus unterschiedlichen Motiven mit Ihnen überein, Herr Bundeskanzler: Ich werde mich wegen des von mir nicht gebilligten Verfahrens an dieser Abstimmung nicht beteiligen. Ich möchte nicht schuld sein, wenn die Folgen, die ich hier vorgetragen habe, eines Tages über diese Republik kommen. - Vielen Dank.
({13})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Schuchardt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche heute hier auch im Namen meines Kollegen Friedrich Hölscher.
Sie wissen, Herr Bundeskanzler, wir haben Sie am 1. Oktober nicht gewählt, weil wir für Ihre Wahl vom Bürger 1980 kein Mandat erhalten haben.
({0})
Wir haben logischerweise auch Ihrem Haushalt nicht zugestimmt, und wir können Ihnen deshalb mit völlig reinem Gewissen heute auch das Vertrauen nicht aussprechen. Insofern können auch wir Ihnen zwei glaubwürdige Nein-Stimmen zusagen.
({1})
Gespräche mit Kollegen dieses Hauses haben bei uns Zweifel daran aufkommen lassen, daß die Mehrheit dieses Hauses die Wahlen wirklich noch will. Wir wollen die Wahl!
({2})
Friedrich Hölscher und ich sind also mit uns selbst im reinen. Nur, kann eigentlich die Mehrheit, können Ihre Regierung, Herr Bundeskanzler, und Sie selbst mit sich im reinen sein? Wer das Grundgesetz, in diesem Falle den Art. 68, so manipulativ gebraucht, kann - oder besser: darf - mit sich nicht im reinen sein.
({3})
Es ist das zweite Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, daß der Bundestag vorzeitig aufgelöst werden soll. 1972, beim erstenmal, war ein konstruktives Mißtrauensvotum gescheitert, der Kanzler selbst hatte aber auch keine Mehrheit mehr. Logisch, daß man gemeinsam nach einem Weg suchte, um den Bundestag aufzulösen.
Heute hat der Bundeskanzler - ganz im Gegensatz zu der Situation im Jahre 1972 - eine Mehrheit. Es hätte auch nach dem 17. September dieses Jahres eine verfassungsrechtlich einwandfreie Möglichkeit gegeben, den Bundestag aufzulösen.
({4})
Nachdem der damalige Bundeskanzler Schmidt seine Mehrheit verloren hatte,
({5})
hätte zumindest meine damalige Fraktion, die FDP-Fraktion, den Schlüssel dazu in der Hand gehabt.
({6})
Die FDP war 1980 durch klare und unmißverstänliche Aussagen für eine sozialliberale Koalition und gegen eine Politik von Strauß mit einem - für die Verhältnisse der FDP - überragenden Wahlergebnis in den Bundestag eingezogen.
({7})
Mein Kollege Gerhart Baum hat am 1. Oktober 1982 vor dem konstruktiven Mißtrauensvotum auch für mich erklärt:
Wenn wir ... den Wählern etwas versprechen, wenn wir ihnen sagen, was wir mit ihren Stirnmen machen wollten, müssen wir es auch halten.
Er hat damit begründet, weshalb FDP-Mitglieder einen Kanzler Kohl nicht wählen könnten und sich deshalb beim Wähler ein neues Votum dafür einholen müßten.
Es wäre glaubwürdig gewesen, wenn die FDP insgesamt damals so verfahren wäre.
({8})
Man hätte das Angebot des damaligen Bundeskanzlers annehmen und - ähnlich wie bei dem heute angestrebten Verfahren - gemeinsam handeln können, allerdings - hier liegt der entscheidende Unterschied - nach dem 17. September mit dem glaubwürdigen Argument verlorengegangener Mehrheiten.
({9})
Weshalb kam es damals nicht dazu? Man sah in Neuwahlen vermutlich ein zu hohes Risiko für diese neue Mehrheit; Hessen hat dies ja auch gezeigt. Außerdem sollte Helmut Schmidt nicht als noch amtierender Bundeskanzler Wahlkampf machen dürfen. Der Bundesvorsitzende der FDP drückte dies in seiner Rede zur Regierungserklärung am 13. Oktober dieses Jahres sogar direkt aus.
({10})
Da heißt es:
Diese Verfassung will aber auch nicht Vereinbarungen, durch die Fraktionen auf das verfassungsmäßige Recht zur Mehrheitsbildung verzichten, auch wenn sie eine Mehrheit bilden können, nur um dem amtierenden Regierungschef die Führung des Wahlkampfes als Bundeskanzler zu ermöglichen.
({11}) Diese Worte sprechen für sich selbst.
({12})
Wenn man Wahlkampf machte, wollte man schon selbst den Bundeskanzler stellen, und die FDP wollte mit neu bestellten Ministern antreten.
({13})
Andererseits wollte man aber auch nicht den Eindruck entstehen lassen, man drücke sich vor einem Wählervotum. Also verständigte sich die neue Mehrheit auf die ungemein verantwortungsvoll klingende Formel - so die Formulierung von Herrn Genscher -:
Bevor wir am 6. März des nächsten Jahres diese Neuwahlen abhalten, wollen wir das Haus in Ordnung bringen ...
Daß er seine eigene 13jährige Arbeit als Minister und Vizekanzler in der sozialliberalen Koalition so einstuft, spricht für sich.
({14})
Man mußte das ganze also staatspolitisch überhöhen. Die Verschuldung und die Arbeitslosigkeit mußten herhalten, um das alles so zu inszenieren.
({15})
„Notstand" hat der Bundeskanzler heute gesagt.
Nur, ist das Haus in Ordnung gebracht worden? Die Neuverschuldung ist von deutlich unter 30 Milliarden DM, wie es die FDP von der SPD gefordert hatte, auf deutlich über 40 Milliarden DM gestiegen.
({16})
Und natürlich konnte die Arbeitslosigkeit auch nicht abgebaut werden. Aber das hat wohl auch niemand ernsthaft annehmen können.
({17})
Und was hat man diesem Parlament zugemutet?
({18})
Haushalts- und Begleitgesetze mußten durchgepeitscht werden.
({19})
- Ich weiß nicht, warum es Ihnen so unmöglich ist, dies ruhig anzuhören.
({20})
- Ich kann Ihnen nur eines sagen: Die hysterischen Gesichter von Männern sind auch kein attraktiver Anblick.
({21})
Meine Damen und Herren, kein Gesetz - und schon gar nicht der Haushalt - konnte auf seine Zukunftsverträglichkeit abgeklopft werden, z. B. darauf, welche mittelfristigen Auswirkungen es auf den Arbeitsmarkt haben könnte. Die Fraktionen waren reine Befehlsempfänger.
({22})
Anhörungen vor den Ausschüssen des Bundestages wurden zur reinen Farce.
({23})
Den Entwürfen zum BAföG und zur Kriegsdienstverweigerung wurde von den Anzuhörenden eine eindeutige Abfuhr erteilt. Im Mietrecht haben die Kommunalvertreter auf die Rückwirkungen auf die kommunalen Haushalte hingewiesen. Fünf hochkarätige Professoren wurden eingeladen, um die Zwangsanleihe verfassungsrechtlich zu bewerten.
({24})
Die von allen vorgetragenen starken Bedenken wurden schlicht ignoriert.
({25})
Herr Kohl, was haben Sie aus diesem Parlament gemacht?
({26})
Sie haben aus diesem Parlament ein Instrument der heißen Nadel gemacht.
({27})
Und ich frage mich: Wo bleibt eigentlich die Selbstachtung der Mehrheit dieses Parlaments?
({28})
Der Bundespräsident hat wahrlich nicht viele Kompetenzen. Daß man ihn allerdings derart zum Statisten verkümmern läßt, ist schon mehr als schlimm.
({29})
Da teilt man ihm noch vor dem Konstruktiven Mißtrauensvotum mit, wann denn diese neue Mehrheit ihre Mehrheit zu verlieren gedenke. Dies hat nicht einmal das Parlament selbst bestimmen können, sondern die Regierung bestimmt, wann sie eine Mehrheit haben will und wann man sie ihr bitte schön zu verweigern habe.
({30})
Ich kann mir nicht vorstellen, daß der Verfassungsgeber den Art. 68 so verstanden wissen wollte. Und damit es der Bundespräsident auch nicht allzu schwer habe, teilt man auch gleich noch den genauen Terminablauf mit. Grobe Unhöflichkeit ist wohl das mindeste, was man dazu sagen könnte.
({31})
Es kann kein Zweifel sein: Heute wird ein Präjudiz geschaffen, dessen Auswirkungen wir noch gar nicht ermessen können:
({32})
Da treten Parteien mit bestimmten Aussagen vor den Wähler und erhalten dafür ein Mandat. Unterwegs kommt es zum Machtwechsel ohne neuerliche Legitimation. Diejenigen, die so die Macht verlieren, treten natürlich für Neuwahlen ein. Die Mehrheit verweigert sie, um einen ihr gemäßen Termin ins Auge zu fassen. Termine von Neuwahlen könnten künftig also davon bestimmt werden, ob sich die parlamentarische Mehrheit von einem Termin gute Wahlergebnisse verspricht.
({33})
Herr Kohl, wer antritt, ein Haus in Ordnung zu bringen, von dem muß man wohl erwarten, daß er das Haus mindestens in Ordnung hält. Dazu gehört wohl zuallererst die Achtung vor dem Parlament und dem Bundespräsidenten. Aber die haben Sie leider vermissen lassen.
({34})
Herr Bundeskanzler, Sie haben Wahlen am 6. März versprochen. Sie tun gut daran, dieses Versprechen zu halten. Aber, bitte, lassen Sie an der Verfassungsmäßigkeit des Verfahrens keinen Zweifel!
Es gibt saubere Lösungen. Ich habe auf dem Bundesparteitag der FDP einen Vorschlag unterstützt, der ein guter Weg gewesen wäre: Die FDP-Minister treten zurück,
({35})
um damit zu dokumentieren, daß Sie, Herr Bundeskanzler, keine Mehrheit mehr haben. Leider wurde dieser Antrag von der Mehrheit - unter Einschluß der Stimmen der Betroffenen ({36}) verweigert.
Herr Kohl, Friedrich Hölscher und ich bitten Sie deshalb: Treten Sie zurück, damit das Verfahren über jeden verfassungsmäßigen Zweifel erhaben ist.
({37})
Wenn Sie dies nicht selber tun, so hoffen, wir, daß Ihnen der Bundespräsident dazu noch Gelegenheit gibt.
Wir wollen Neuwahlen. Aber die Verfassung darf dabei keinen Schaden nehmen. - Vielen Dank.
({38})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Hofmann ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bundeskanzler hat in seinem Antrag zur Vertrauensfrage das vorher festgelegte Verhalten der beiden Koalitionsfraktionen damit begründet, daß die Bundesregierung ein nach der Regierungsübernahme abgegebenes Versprechen einhalten wolle und die Bundesregierung nur für einen inhaltlich und zeitlich befristeten Auftrag das Vertrauen der Abgeordneten der CDU, der CSU und der FDP erhalten habe. Dieser Auftrag hieß nach Koalitionsversion: Verabschiedung des Bundeshaushalts 1983 und der entsprechenden Begleitgesetze. Wenn das so ist, dann müßten Herr Dr. Kohl und seine Regierung zurücktreten; denn ihre Aufgabe ist erfüllt.
Doch statt dessen will der Bundeskanzler, der im Gegensatz zu der Regierung Brandt/Scheel 1972 oder zu der Minderheitsregierung Helmut Schmidt vom September 1982 eine ausreichende Mehrheit hinter sich hat, über eine künstlich gestellte und ebenso künstlich beantwortete Vertrauensfrage eine vorzeitige Auflösung des Deutschen Bundestages erreichen. Ich halte dieses Verfahren verfassungsrechtlich und verfassungspolitisch für unzulässig, aber nicht aus dem vielleicht naheliegenden Grund, daß ich durch diese Maßnahme in meinen mir durch das Grundgesetz übertragenen Rechten unmittelbar gefährdet wäre; Sie wissen, der Bundestag wird auf vier Jahre gewählt. Nein, meine Einwände sind anderer Natur. Ich will sie in sechs Punkten darlegen.
Erstens. Die Verfassungsväter des Parlamentarischen Rates haben auf Grund der Weimarer Erfahrungen die Möglichkeit zur Auflösung des Bundestages so weit wie möglich eingeschränkt. Die Auflösung sollte immer nur Ultima ratio, letzter Weg, sein. Gerade diese Absicht, dieses Wollen der Verfassungsväter wird durch die heutige getürkte Vertrauensfrage eindeutig durchkreuzt.
Zweitens. Durch das heutige, vom Bundeskanzler eingeleitete Verfahren und die - möglicherweise - Billigung des Bundespräsidenten wird die Machtbefugnis des Bundeskanzlers in unzulässiger Weise ausgeweitet. Hier wird ein Präzidenzfall geschaffen, der es dem jeweiligen Kanzler ermöglicht, künftig zu einem ihm gelegenen Zeitpunkt die Parlamentsauflösung zu betreiben. Die Meinungsforscher, ihre Umfrageergebnisse und deren Auswertung haben dann Vorrang vor dem Grundgesetz.
Drittens. Eine weitverstandene Auflösungsmöglichkeit nach Art. 68 GG - mit der dadurch eröffneten Möglichkeit für den Mehrheitskanzler, jederzeit an das Volk zu appellieren - würde zu einer erheblichen Verstärkung des plebiszitären Elements führen. Mit diesem Beugen - um nicht zu sagen: Verbiegen - des Grundgesetzes kommen wir nahe an Weimar und seine Folgen; genau das wollten die Verfassungsväter nicht.
Viertens. Das nun eingeschlagene Verfahren führt meines Erachtens zu einer Herabwürdigung des Verfassungsinstruments der Vertrauensfrage zum technischen Notbehelf für die Herbeiführung von Neuwahlen. Hier wird der Charakter der Vertrauensfrage grundsätzlich geändert. Die Ablehnung des Vertrauens für den Bundeskanzler hat künftig nicht mehr die Bedeutung eines Makels oder Scheiterns der Regierung.
Fünftens. Die Regierung Kohl/Genscher hat eine regierungsfähige wie handlungsfähige Mehrheit; für die Auflösung des Bundestages besteht keine Not. Die Wahlergebnisse in Hamburg und Hessen lassen darauf schließen und befürchten, daß wir heute eine Parlamentsstabilität gegen eine instabile Bundestagszusammensetzung tauschen werden.
({0})
Die Warnung vor der Unregierbarkeit unseres Landes unterstreiche ich voll und ganz. Mir ist aber unverständlich, daß gerade die davor warnen, die mit den Neuwahlen das Tor für die öffnen, die unser Land unregierbar machen - auf Kosten der FDP. Die damit erneute, aber dann tatsächlich notwendig werdende Auflösung des Bundestages wird heute heraufbeschworen und eingeleitet. Ich erinnere auch hier an die Auflösung der Reichstage in der Weimarer Zeit. Dies sage ich im Wissen um die drastisch steigende Zahl der Arbeitslosen wie der Firmenzusammenbrüche. Sollten wir dem als Drittes einen instabilen Bundestag hinzufügen, wie der Reichstag es damals war?
Sechstens. Mit der heutigen Vertrauensfrage, die sicher so beantwortet wird, wie die Parteien das wünschen, wird die Entscheidung über das Wohl unseres Volkes der Verantwortung eines einzelnen übertragen. Der Bundespräsident kommt in den Zwang, abzuwägen, wodurch den Gesamtinteressen des Staates am besten gedient wäre: durch die Ablehnung des Vorschlags des Bundeskanzlers oder durch die Auflösung des Bundestages. Wird die Entscheidung vom Geiste des Grundgesetzes getragen sein, oder wird die Entscheidung den Wünschen der Parteien entsprechen? Wird dem Willen der Verfassungsväter nachgekommen, damit sich Weimar nicht wiederhole? Diese Entscheidung wird nicht nur von der Bevölkerung mit Spannung erwartet, sondern sie wird sicher auch die Verfassungsrichter interessieren, ja interessieren müssen.
Aus den aufgezeigten Gründen halte ich das heutige Verfahren zur Auflösung des Deutschen Bundestages für unzulässig.
Zu dieser Auffassung gelange ich auch auf Grund der Art des Verfahrens. Bei der Abstimmung über die Vertrauensfrage werden die Freunde dem Freund indirekt das Vertrauen entziehen, das sie ihm gestern gegeben haben und ihm morgen wieder geben wollen. Dieser Umgang vor allem auch mit dem Grundgesetz ist der parlamentarischen Demokratie nicht würdig. Eine rasch hingeworfene Zusage, Neuwahlen durchzuführen, kann nicht höherwertig sein als die Achtung vor dem Grundgesetz.
({1})
Meine Entscheidung gilt daher nicht einer Person
und nicht einer Partei, sondern gilt allein dem Verfahren und ist allein geprägt von der Sorge um den
Hofmann ({2})
Erhalt der freiesten Staatsform unseres Volkes und der Regierbarkeit unseres Landes.
Ich fordere Sie, Herr Bundeskanzler, daher auf, die übernommene Verantwortung weiter zu tragen oder, wenn Sie diese Verantwortung nicht mehr tragen wollen, zurückzutreten. Das Verfahren aber, heute von der Mehrheit der Vertretung des Volkes indirekt das Aussprechen des Mißtrauens zu verlangen und morgen das Volk direkt um Vertrauen zu bitten, schlägt nicht nur als Unglaubwürdigkeit auf alle Parteien zurück, sondern birgt auch die Gefahr in sich, daß sich die Wähler auf den Arm genommen fühlen müssen und sich eben jenen zuwenden, denen wir alle Deutschland nicht anvertrauen können. Diesem Verfahren kann ich nicht zustimmen.
Es geht heute nur um das Verfahren; denn der Kanzler hat eine Mehrheit, die sofort sichtbar würde - wie gestern -, wenn jeder einzelne seinem Gewissen entsprechend die Stimme abgäbe.
({3})
Meine Damen und Herren, wir haben gestern viel von Gewissen gehört; nicht vom eigenen, sondern vom Gewissen anderer, von der Gewissensentscheidung junger Leute zur Wehrdienstverweigerung. Wir sind heute zum Thema Gewissen selbst gefordert.
({4})
- Wir haben zu zeigen - und jungen Menschen vorzuleben -, wie wir mit unserem Gewissen dem Staat gegenüber umgehen. - Ich danke Ihnen.
({5})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Coppik.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Hansen und ich, die beiden Mitglieder der Partei „Demokratische Sozialisten" in diesem Haus,
({0})
werden bei der Vertrauensfrage des Bundeskanzlers Kohl mit Nein stimmen.
({1})
Uns interessieren dabei nicht fadenscheinige Begründungen für Stimmenthaltungen, um verfassungsrechtliche Manipulationen durchzuführen. Wir sagen nein zu der Vertrauensfrage, weil wir die Politik der Regierung Kohl inhaltlich ebenso ablehnen, wie wir in vielen Punkten die Politik der Regierung Schmidt in den letzten Jahren ablehnen mußten.
({2})
Wir Demokratischen Sozialisten lehnen eine Politik ab, die die Aufrüstung immer weiter vorantreibt,
den Frieden gefährdet, volkswirtschaftliche Ressourcen vergeudet und wertvolle soziale Errungenschaften zerstört. Gerade am Dienstag wurde der Rüstungshaushalt wieder einmal um 2 Milliarden DM erhöht. Allein für das Mehrzweckkampfflugzeug Tornado, eine reine Offensivwaffe, sollen im nächsten Jahr über 4 Milliarden DM ausgegeben werden.
Wenn man auf der anderen Seite sieht, wie eine sozial schwache Bevölkerungsgruppe nach der anderen zur Kasse gebeten wird, um diese Aufrüstungspolitik zu finanzieren, dann halten wir das für unverantwortlich.
({3})
Diese Aufrüstungspolitik findet in einer Welt statt, in der ohnehin schon jährlich über 500 Milliarden Dollar für die Rüstung ausgegeben werden, in der gleichzeitig Hunderte von Millionen Menschen hungern und verhungern. Immer wieder lesen wir von verhungernden Kindern in vielen Teilen der Welt. Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen zählt die Millionen. In den letzten Jahren sank die Zahl nie unter 10 Millionen jährlich.
Die menschliche Phantasie reicht nicht aus, um sich das Elend vorzustellen, das sich hinter diesen Zahlen verbirgt. Wir brauchen uns aber nur das Schicksal eines einzigen betroffenen Kindes vor Augen zu führen, um vielleicht zu begreifen, was dieses Leben für dieses Kind war.
Die Vergeudung volkswirtschaftlicher Ressourcen für die Aufrüstung ist schon heute in ihren Wirkungen Völkermord, und jeder, der daran mitwirkt, macht sich mitschuldig.
Wir Demokratischen Sozialisten lehnen die Bundesregierung Kohl ab, weil sie mit Hunderten von Millionen Mark die Stationierung neuer atomarer Mittelstreckenraketen in Deutschland vorbereitet. Die Bundesregierung macht sich damit zum Vollstrecker einer amerikanischen Politik, die einen Atomkrieg für gewinnbar hält und ihn möglichst auf Europa begrenzbar machen will.
({4})
Eine solche Politik entspricht nicht den Lebensinteressen der Menschen, die hier leben.
({5})
Wenn ich mir die Berechnung von Herrn Genscher bezüglich der SS 20 angehört habe, muß ich sagen: als ob nicht gegenüber bestimmten Waffensystemen auch andere, etwa U-Boot-gestützte Waffensysteme, bei denen der Westen eine Überlegenheit hat, genauso als Gegenmittel bestehen könnten!
Wer globales Gleichgewicht durch regionales Gleichgewicht, durch ein Gleichgewicht von Waffensystemen und ähnliches ersetzen will, führt schließlich eine Politik, die zu absurdesten Ergebnissen führt; zu Ergebnissen, daß man schließlich im Kreis Eschwege eine zusätzliche Rakete statioCoppik
nieren muß, weil im Kreis Jena drei Panzer mehr stehen.
({6})
Ich halte es in einer Situation, in der jede Seite in der Lage ist, die andere mehrfach zu vernichten, für eine absurde Politik, den Rüstungswettlauf fortzusetzen.
Wir Demokratischen Sozialisten lehnen die Regierung Kohl ab, weil sie mit zutiefst unsozialen Maßnahmen den Sozialabbau fortsetzt, den die Regierung Schmidt begonnen hatte. Bereits vor ihrer Regierungsübernahme hat die CDU/CSU über ihre Bundesratsmehrheit und den Vermittlungsausschuß in einer Art Allparteienkoalition am Sozialabbau mitgewirkt. Ich erinnere an solche Maßnahmen wie die Kürzung des Taschengelds für Altenheimbewohner, wo es nachher niemand gewesen sein wollte, der für diese Maßnahme verantwortlich war. Plötzlich haben sich alle überboten, es rückgängig zu machen.
Die Demokratischen Sozialisten haben von Anfang an dagegen gestimmt, ebenso wie sie gegen andere Maßnahmen des Sozialabbaus gestimmt haben, die nicht wieder rückgängig gemacht wurden, weil die Betroffenen keine organisierten Verbände hatten, die lauten Protest anmelden konnten. Ich denke da z. B. an die Kürzung der Mehrbedarfszuschläge für Alte, Kranke, Behinderte, alleinstehende Mütter mit Kindern. Da wurden die sozial Schwächsten der Schwachen getroffen, und die Regierung Kohl hat das durch weiteren realen Abbau der Sozialhilfe noch mehr verschärft.
({7})
Immer höhere Belastungen der Arbeitnehmer, Reallohnabbau, Einschränkungen in der Gesundheitsversorgung, bei Arbeitslosen, bei Behinderten, beim Wohngeld, bei der Ausbildungsförderung, laufende Mehrwertsteuererhöhungen, Mieterhöhungsgesetze, auf der anderen Seite immer mehr Steuergeschenke für die Unternehmer - das ist eine Politik, die Demokratische Sozialisten nicht mitmachen. Wir wissen, daß Massenarbeitslosigkeit nicht durch Geschenke an die Unternehmer beseitigt wird, sondern durch eine Wirtschaftspolitik, deren entscheidendes Kriterium die Bedürfnisse der Menschen und nicht die Profitinteressen der Kapitaleigner sind.
({8})
Rationalisierungen, die - sozial kontrollierbar - im Interesse der Menschen in Arbeitszeitverkürzung umgesetzt werden, Investitionen, die der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit den Vorrang vor den Profitinteressen des Kapitals einräumen, umfassende Demokratisierung der Wirtschaftsordnung - das alles ist das Gegenteil von dem, was wir von der Regierung Kohl zu erwarten haben.
Wir wissen, daß viele unserer Kritikpunkte auch gegenüber der alten SPD/FDP-Regierung galten, und wir haben sie auch geltend gemacht. Die Strategie der SPD, Reformen zugunsten der arbeitenden Menschen, Reformen zugunsten der breiten
Schichten der Bevölkerung in der Umarmung mit den Kräften des Kapitals umzusetzen, ist gescheitert. Man kann keine Machtverschiebung zugunsten arbeitender Menschen und zu Lasten des Kapitals ohne Konfliktbereitschaft durchsetzen. Spätestens in einer Wirtschaftskrise merken wir wieder, daß es nach wie vor jene wirklich Mächtigen gibt, die die Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel haben, die über die Investitionen entscheiden, die über Ausbildungsplätze, über Arbeitsplätze entscheiden, und andere, die diese Entscheidung über sich ergehen lassen müssen.
Herr Dregger hat heute mit einer Deutlichkeit, die man eigentlich nur begrüßen kann, den Gleichklang zwischen Kapitalinteressen und den Interessen der neuen Regierung zum Ausdruck gebracht.
({9})
Wir merken wieder, was das sogenannte Unternehmerrisiko bedeutet, daß nämlich bei einer Betriebsschließung die Arbeitnehmer ihre Arbeitsplätze verlieren und die Unternehmer ihre Schäfchen ins Trockene bringen.
({10})
Das ist die kapitalistische Wirtschaftsordnung, für die die Regierung Kohl steht und die Demokratische Sozialisten überwinden wollen.
Wir wissen, daß das eine langfristige Aufgabe ist, unabhängig von zufälligen aktuellen Parteienkonstellationen. Die ökonomische Machtfrage wird auch am 6. März nicht endgültig entschieden. Aber wer da bei bestimmten Wahlergebnissen über Unregierbarkeit redet, der sollte einmal darüber nachdenken, ob die Unregierbarkeit, die demokratische Unregierbarkeit dieses Landes nicht vielmehr durch ein Dreiparteiensystem herbeigeführt wurde, in dem eine 6-%-Partei als geborene Regierungspartei über Jahrzehnte hinweg die Richtlinien der Politik erpressen konnte.
({11})
Ich habe übrigens gelesen, daß bis 6. März Kabarettsendungen nicht mehr gesendet werden dürfen.
({12})
Ich weiß nicht, ob man Konkurrenz zu den Wahlveranstaltungen befürchtet. Aber vielleicht will man auch nur dem Flüsterwitz wieder eine Chance einräumen.
({13})
Wir Demokratischen Sozialisten wollen jedenfalls eine andere Politik. Wir wollen anknüpfen an Grundwerte, Erkenntnisse und Traditionen, die bereits vor über 100 Jahren die deutsche und internationale Arbeiterbewegung entwickelt hat und die heute noch global, aber auch national nach wie vor ihre Bedeutung haben. Nach wie vor gilt der Satz aus dem Programm des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins von 1867, daß die kapitalistische Gesellschaft auf der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen und auf der Ausbeutung der Massen
zugunsten weniger beruht. Das waren die Ursprünge der SPD.
Aber wenn ich mir die Politik der SPD in ihren letzten Regierungsjahren in Erinnerung rufe, dann war von diesen Grundwerten der Sozialdemokratie nichts, aber auch nichts mehr zu spüren. Die Tradition ihrer Grundwerte hat die SPD nicht wie ein brennendes Feuer, wie eine Flamme in die gesellschaftliche Wirklichkeit eingebracht. Sie hat sie wie nutzlose Asche allenfalls aus Pietät aufbewahrt.
Demokratische Sozialisten in der Bundesrepublik suchen und ringen um eine Alternative. Der Kern ihres sozialistischen Strebens wird die Idee einer klassenlosen Gesellschaft bleiben, die die ökonomische und politische Unterdrückung hinter sich gelassen hat,
({14})
eine Gesellschaft, in der die Menschen frei von bürokratischen Repressionen mit einem Maximum an Phantasie und Kreativität in einem demokratischen Willensbildungsprozeß ihr eigenes Schicksal selbst bestimmen. Dafür werden wir kämpfen und dabei auch in internationaler Solidarität alte, unerfüllte Forderungen nicht vergessen: Brot und Wissen für alle, Frieden und Freiheit allen Völkern.
({15})
Bevor ich das Wort Herrn Abgeordneten Ehmke erteile, tut es mir leid, Herr Gansel, daß ich Ihnen einen Ordnungsruf geben muß für den Ausdruck „Heuchler".
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ehmke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zwei Minuten, um als Verfassungsrechtler kurz Stellung zu nehmen zu dem recht bewegenden Beitrag des Kollegen Schmidt ({0}).
Herr Kollege Schmidt ({1}), Willy Brandt hat ja unsererseits schon vorgetragen, daß es in der Tat gegen das vom Bundeskanzler gewählte Verfahren verfassungsrechtliche Bedenken gibt. Ich lege aber großen Wert darauf, Kollege Schmidt ({2}), hier festzuhalten, daß sich diese verfassungsrechtlichen Bedenken nicht auf das Verhalten der Abgeordneten der sozialdemokratischen Fraktion beziehen können. Wenn wir, Herr Kollege Schmidt ({3}), an der Sitzung nicht teilnehmen, uns an der Abstimmung nicht beteiligen oder aber uns der Stimme enthalten würden, dann würde das weder etwas an der verfassungsrechtlichen Lage ändern noch am Ergebnis; denn auf Grund der zwischen den Unionsparteien und der FDP vereinbarten Stimmenthaltung würde in keinem dieser Fälle, Herr Kollege Schmidt ({4}), der Bundeskanzler eine Mehrheit für die von ihm gestellte Vertrauensfrage kriegen. Da das so ist, stimmen wir hier ab, und zwar unserer politischen
Überzeugung gemäß mit Nein; denn wir haben zu Bundeskanzler Kohl kein Vertrauen.
({5})
Verfassungsrechtlich problematisch, Herr Kollege Schmidt ({6}), kann also allein das Verhalten der Kollegen der Unionsparteien und der FDP sein, die gestern noch zu dem vom Bundeskanzler vorgelegten Haushalt ja gesagt haben, heute zum Bundeskanzler selbst aber nicht ja sagen wollen. Aber das haben sie zu verantworten.
Herr Bundeskanzler, Sie haben trotz der geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken den für Sie und Herrn Genscher politisch einfachsten Weg zu Neuwahlen gewählt. Auch darum haben wir zu Ihnen kein Vertrauen. Auch diesem Verfahren gilt unser Nein.
({7})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Graf Lamdsdorff.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich möchte hier, wie ich hoffe und wie ich es versuchen werde, in aller Ruhe und aller Gelassenheit einige Berner-kungen zu dem machen, was wir im Laufe dieses Vormittags gehört haben.
Auch wir, meine Damen und Herren, wie alle hier im Hause haben sehr sorgfältig überlegt, welcher Weg zum angestrebten Ziel verfassungsrechtlich vertretbar und gangbar ist. Wenn ich die Diskussion heute morgen verfolge, dann scheint mir eines immer wieder zu kurz gekommen zu sein - Herr Dregger hat zu Recht darauf hingewiesen -: Wollen wir eigentlich wählen - jetzt und heute, am 6. März oder am 13., das spielt dabei gar keine Rolle -, soll gewählt werden? Sind wir übereinstimmend der Meinung, daß wir uns dem Votum des Wählers zu stellen haben nach dem Wechsel und nach dem Erledigen der dringend gebotenen gesetzgeberischen Arbeiten, oder nicht?
({0})
- Wenn Sie den Zwischenruf machen, das sei unser Problem, dann frage ich zurück, ob denn nicht Sie die Schilder aufgehängt haben „Wir wollen wählen - jetzt". Und warum sollten wir nicht dazu stehen?
({1})
- Ich komme auf das Thema 1. Oktober oder früher noch zurück.
({2})
Meine Damen und Herren, es ist gesagt worden, der Bundeskanzler hätte sich zum Rücktritt entschließen müssen, um Neuwahlen herbeizuführen. Warum ist das am 17. September nicht gleichfalls gesagt und gefordert worden?
({3})
Herr Kollege Brandt, Sie haben gesagt - ich glaube, ich habe es richtig notiert -, Sie werden genau beobachten, ob der Bundeskanzler mit seiner eigenen Mehrheit das vorzeitige Ende einer Legislaturperiode herbeiführen kann. Das ist gewiß eine gerechtfertigte Frage. Frau Schuchardt hat gemeint, am 17. September 1982 habe die FDP den Schlüssel zu einer Auflösung in der Hand gehabt.
({4})
Ich frage: Inwieweit unterscheidet sich die verfassungsrechtliche Qualität des damaligen Vorschlages eigentlich von dem, was heute beabsichtigt wird?
({5})
Meine Damen und Herren, Herr Professor Ehmke, „wer nach einem konstruktiven Mißtrauensvotum Kanzler wird oder bleibt, der hat das Recht, über Art. 68 nach einer Vertrauensfrage - wenn der Bundespräsident es so will - die Auflösung des Bundestages und Neuwahlen herbeizuführen". - So sagte Helmut Schmidt am 9. September 1982 an dieser Stelle im Deutschen Bundestag, ausweislich des Protokolls.
({6})
„Wer nach einem konstruktiven Mißtrauensvotum Bundeskanzler wird oder bleibt" - hören Sie bitte zu oder lesen Sie es nach! Genau der Zustand, der eingetreten ist, ist von Helmut Schmidt als der Grund für ein Vorgehen nach Art. 68 bezeichnet worden, um Neuwahlen herbeizuführen.
({7})
Warum gilt unter den obwaltenden Umständen anderes, als es damals nach Ihren Wunschvorstellungen hätte gelten sollen?
({8})
Herr Kollege Brandt, Sie haben gesagt: Die Koalition wählt den ihr günstig erscheinenden Neuwahlzeitpunkt.
({9})
Das ist eine gewagte Behauptung, Herr Brandt; denn ob der 6. März 1983 mit dem, was wir hier beschlossen und unserem Volk angeboten haben, was wir an Zumutungen, an Entbehrungen, an Leistungen, an Arbeitslosenziffern - wie wir alle wissen - im Febraur auf dem Tisch haben werden, ein unter wahlopportunistischen Gesichtspunkten günstig gewählter Zeitpunkt ist, Herr Brandt, das kann man wohl mit Fug und Recht bezweifeln.
({10})
Das gilt in gleichem Maße für die hier aufgestellte Behauptung, das Wahlrisiko am 17. September 1982 sei zu hoch gewesen. Ich wiederhole noch einmal die beiden damals möglichen Lösungen, die ich nicht für sachgerechte Lösungen gehalten habe und heute erst recht nicht halte, nämlich entweder ein Minderheitenkabinett - unvertretbar und unverantwortbar angesichts des schwierigsten Winters, in den wir wirtschafts- und beschäftigungspolitisch gehen - oder keine Verabschiedung des notwendigen Haushalts 1983, vor allem aber keine Verabschiedung der Begleitgesetze für den Haushalt 1983, die am 1. Januar ihre Einsparungswirkungen entfalten müssen, um uns vor einer schlimmen Haushaltsentwicklung im Jahre 1983 zu bewahren. Wer heute noch davon redet, 28 Milliarden DM seien im ersten Etatentwurf angepeilt worden, und jetzt seien es 40 Milliarden DM geworden, und meint, man hätte bei 28 Milliarden DM bleiben müssen, der hat von den sachlichen Arbeiten dieses Parlaments in den letzten Wochen genausowenig Kenntnis genommen wie in den früheren Jahren.
({11})
Deswegen, Herr Kollege Brandt, ist Ihre Formulierung, die FDP habe gemeint - so sagten Sie - „dem Wähler davonlaufen zu können", ungerechtfertigt und falsch. Wir stellen uns dem Wähler,
({12})
aber wir sind den Sachproblemen nicht davongelaufen, sowie die Sozialdemokratische Partei mit zunehmender Geschwindigkeit der Sicherheitspolitik Helmut Schmidts, den Einsichten Helmut Schmidts in die Haushaltspolitik und Wirtschaftspolitik,
({13})
der Energiepolitik, die die sozialliberale Koalition konzipiert hatte, all dem in einem 75-Tage-Marathon-Rennen davongelaufen ist, das kaum noch überboten werden kann.
({14})
Wenn Sie, verehrter Herr Kollege Brandt, das Stichwort „Depression" in unsere wirtschaftspolitische Diskussion einführen, warne ich dringend davor, dies zu tun. Ich weiß, daß es auch jemand anders in Ihrer Partei tut, dem ich weltökonomische Einsichten durchaus zubillige.
({15})
- Ja, ich weiß das, Herr Brandt. Ich warne dennoch
davor, mit diesem Begriff und mit diesem Wort in
einer Weise umzugehen, die self fulfilling prophecy
werden kann. Daran kann keiner von uns ein Interesse haben.
({16})
Wenn Sie weiter sagen, die Schwierigkeiten, mit denen wir zu tun haben, seien Ausdruck internationaler Verwerfungen, dann bestreitet das in Teilbereichen niemand. Das ist nicht bestritten worden, und das wird auch nicht bestritten werden.
({17})
Aber ich darf ein Zitat hier wiederholen, im Verfahren Ihnen folgend Herr Brandt, obwohl auch ich mich nicht gern selber zitiere:
Diese weltweite Wachstumsschwäche darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß die derzeitigen weltwirtschaftlichen Schwierigkeiten die Summe einzelstaatlicher Fehlentwicklungen sind und daß ein wesentlicher Teil der Ursachen unserer binnenwirtschaftlichen Probleme auch im eigenen Land zu suchen ist.
({18})
So habe ich es dem Bundeskanzler Helmut Schmidt am 9. September 1982 schriftlich formuliert auf den Tisch gelegt. Und das halte ich nach wie vor für richtig.
Wir haben lange vor dem 17. September Diskussionen über die Formulierung gehabt, die vorhin kritisiert wurde, weil Herr Genscher sie gebraucht hat, daß nämlich das Haus in Ordnung gebracht werden muß. Wir hatten kontroverse Diskussionen darüber. Einige der Kollegen im alten Kabinett werden sich daran erinnern. Aber wir haben das nicht erst jetzt gesagt, sondern wir haben im Zug der sich abzeichnenden Fehlentwicklungen die Notwendigkeit solcher Entscheidungen heraufkommen sehen und uns ihnen gestellt.
Ich sage auch hier noch einmal, ebenso wie es mein Freund Hans-Dietrich Genscher vorhin von dieser Stelle getan hat und wie ich es vor zwei Tagen tun konnte: Wir haben diesen Wechsel aus unserer Verantwortung, aus unserer Einsicht in die Notwendigkeiten unseres Landes für richtig, für unumgänglich gehalten. Und wir übernehmen die Verantwortung und stellen uns dieser Verantwortung, auch und gerade dem Urteil des Wählers am 6. März 1983.
({19})
Wenn Fehlentwicklungen eingetreten sind - und die kann doch keiner bestreiten -, dann, Herr Brandt, kann man es sich nicht so leicht machen, wie Sie es formuliert haben: Wenn schon, dann tragen Sie die Verantwortung, und wir kritisieren. Wir alle haben Verantwortung. Wir stellen uns dieser Verantwortung.
({20})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Zu einer persönlichen Erklärung nach § 32 unserer Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete
Gansel das Wort. Zu einer Erklärung zur Abstimmung nach § 31 erteile ich dann der Kollegin Frau Dr. Hamm-Brücher das Wort. Bitte sehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für den Zwischenruf „Heuchler", für den ich einen Ordnungsruf erhalten habe, möchte ich mich entschuldigen. Denn er gilt ja als unparlamentarisch. Ich lege aber Wert darauf, daß der Zwischenruf bei der Rede des Kollegen Waigel erfolgte, der meinen Parteivorsitzenden attackierte, und nicht bei der Rede des Kollegen Coppik, nach der ich den Ordnungsruf erhalten habe. - Danke sehr.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Hamm-Brücher nach § 31 für eine Erklärung zur Abstimmung. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate möchte ich Art. 38 des Grundgesetzes, nach dem der Abgeordnete nur seinem Gewissen verpflichtet und an Aufträge und Weisungen nicht gebunden ist, für mich persönlich in Anspruch nehmen. Meine Fraktionskollegin Sibylle Engel schließt sich dieser Erklärung an.
Auch heute sehen wir uns veranlaßt, unser Abstimmungsverhalten ganz kurz zu begründen. Am 1. Oktober haben wir gegen einen fliegenden Koalitionswechsel ohne vorheriges Wählervotum gestimmt. Seither haben wir die Mehrheitsentscheidungen loyal respektiert. Bei den gestrigen Abstimmungen über den Bundeshaushalt 1983 haben wir uns der Stimme enthalten. In Konsequenz unserer damaligen Entscheidung sehen wir uns heute veranlaßt, wiederum mit Nein zu stimmen,
({0})
um damit unsere persönliche Überzeugung zum Ausdruck zu bringen, daß unter Beachtung von Wortlaut und Geist des Art. 68 des Grundgesetzes
({1})
der von allen Fraktionen gewünschte und versprochene Weg zu Neuwahlen seitens der Regierungsfraktionen nicht durch Stimmenthaltung, sondern durch klare Nein-Stimmen unterstützt werden soll.
({2})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, meine grundsätzlichen Sorgen über die Folgen der Mehrheitsentscheidung vom 1. Oktober, die ich damals zum Ausdruck gebracht habe, haben sich, wie die Problematik des Auflösungsverfahrens des Bundestages und wie die heutige Debatte leider bewiesen haben, als sehr berechtigt erwiesen. Dennoch hoffe ich, meine Damen und Herren, daß es uns allen - und das ist ein Ruf an uns alle - im Interesse des Ansehens unserer parlamentarischen Demokratie trotz aller Meinungsunterschiede, trotz unterschiedlichen Abstimmungsverhaltens gelingen möge, im Interesse unserer demokratischen freiFrau Dr. Hamm-Brücher
heitlichen Ordnung unsere Bürger von der Notwendigkeit, von der Rechtmäßigkeit und von der Verfassungsgemäßheit des für vorgezogene Neuwahlen eingeschlagenen Verfahrens zu überzeugen. Mit unseren klaren Nein-Stimmen möchten wir dazu beitragen.
({3})
Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion hat nach dieser Plenarsitzung noch eine Fraktionssitzung.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Bundeskanzlers gemäß Art. 68 des Grundgesetzes, zu dessen Annahme die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages erforderlich ist.
Meine Damen und Herren, die Fraktion der CDU/ CSU hat gemäß § 52 unserer Geschäftsordnung namentliche Abstimmung verlangt.
Ich eröffne die namentliche Abstimmung.
Ist noch ein Mitglied im Hause, das seine Stimme abgeben will? - Ich sehe, es ist kein Bedürfnis mehr. Ich schließe die Abstimmung. Ich bitte auszuzählen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, darf ich Sie bitten, Ihre Plätze wieder einzunehmen. Das Ergebnis der Abstimmung ist in aller Kürze zu erwarten.
Meine Damen und Herren, wenn Sie Platz nähmen, könnte ich vor der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses noch folgendes mitteilen. Da die Entscheidung, ob das Parlament aufgelöst wird und ob der 6. März der Neuwahltermin sein wird, durch den Herrn Bundespräsidenten getroffen wird, kann ich nicht sagen, ob dies die letzte normale Plenarsitzung in der 9. Wahlperiode ist. Eines aber wissen wir alle, und es ist durch den Herrn Kollegen Brandt ja auch schon protokollarisch festgehalten worden: In wenigen Tagen ist Weihnachten, und zu Weihnachten möchte ich Ihnen alles Gute wünschen. Ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein glückliches neues Jahr 1983!
({0})
Ich gebe das amtliche Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt. Von den voll stimmberechtigten Mitgliedern des Hauses haben 474 ihre Stimme abgegeben; davon ungültige Stimmen: keine. Mit Ja haben 8 gestimmt; mit Nein haben 218 gestimmt; enthalten haben sich 248. - Von den Berliner Abgeordneten haben 20 ihre Stimme abgegeben; davon ungültig: keine. Ja-Stimmen: keine, mit Nein haben 9 gestimmt, mit Enthaltung 11.
Nach Art. 68 des Grundgesetzes ist für die Annahme des Antrages die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages erforderlich, d. h. 249 Ja-Stimmen.
Ergebnis
Abgegebene Stimmen 474 und 20 Berliner Abgeordnete; davon
ja: 8
nein: 218 und 9 Berliner Abgeordnete
enthalten: 248 und 11 Berliner Abgeordnete
Ja
CDU/CSU
von der Heydt
Freiherr von Massenbach Sick
Volmer
FDP
Holsteg
Popp
Rentrop
Dr. Rumpf Dr. Wendig
Nein
SPD
Dr. Ahrens
Amling
Antretter
Dr. Apel
Auch Baack
Bahr Bamberg
Dr. Bardens
Becker ({1}) Bernrath
Berschkeit
Biermann
Bindig
Frau Blunck
Börnsen
Brandt ({2})
Brück Büchler ({3})
Büchner ({4})
Dr. von Bülow
Buschfort
Catenhusen
Collet Conradi
Dr. Corterier
Curdt
Frau Dr. DäublerGmelin
Daubertshäuser
Dreßler
Dr. Ehmke
Dr. Ehrenberg
Eickmeyer
Dr. Emmerlich
Dr. Enders
Engholm
Frau Erler
Esters Ewen Feile Fiebig Fischer ({5})
Fischer ({6})
Franke ({7})
Frau Fuchs
Gerstl ({8})
Dr. Geßner Gilges
Ginnuttis Glombig Gnädinger Gobrecht Grobecker Grunenberg
Dr. Haack Haar
Haase ({9})
Haehser
Frau Dr. Hartenstein
Hauck
Dr. Hauff Heistermann
Herberholz Herterich Heyenn
Hoffmann ({10})
Dr. Holtz Horn
Frau Huber Huonker Ibrügger
Immer ({11})
Jahn ({12})
Jansen
Jaunich
Dr. Jens Jungmann Kiehm
Kirschner
Klein ({13})
Dr. Klejdzinski
Kolbow
Kretkowski
Dr. Kreutzmann
Dr. Kübler Kühbacher Kuhlwein Lambinus Dr. h. c. Leber
Lennartz Leonhart Frau Dr. Lepsius
Leuschner Liedtke
Dr. Linde Lutz
Mahne
Marschall
Frau Dr. Martiny-Glotz Matthöfer
Meinike ({14}) Meininghaus
Menzel
Dr. Mertens ({15}) Möhring
Müller ({16})
Dr. Müller-Emmert Müntefering
Nagel
Nehm
Neumann ({17}) Neumann ({18})
Dr. Nöbel
Offergeld
Präsident Stücklen
Oostergetelo Dr. Osswald Paterna
Pauli
Dr. Penner Pensky
Peter ({19})
Polkehn
Poß
Purps
Rapp ({20})
Rappe ({21})
Frau Renger Reschke
Reuschenbach
Reuter
Rohde
Rosenthal Roth
Sander
Dr. Schachtschabel Schäfer ({22}) Schätz
Dr. Scheer Schirmer Schlaga
Schlatter Schluckebier
Dr. Schmidt ({23}) Schmidt ({24}) Schmidt ({25})
Frau Schmidt ({26}) Schmidt ({27}) Schmidt ({28}) Schmitt ({29})
Dr. Schmude Dr. Schöfberger
Schreiber ({30}) Schreiner
Schröder ({31}) Schröer ({32}) Schulte ({33})
Dr. Schwenk ({34}) Sielaff
Sieler
Frau Simonis
Frau Dr. Skarpelis-Sperk Dr. Soell
Dr. Sperling Dr. Spöri
Stahl ({35})
Dr. Steger Steiner
Frau Steinhauer
Stiegler
Stockleben Stöckl
Dr. Struck Frau Terborg
Thüsing
Tietjen
Frau Dr. Timm Topmann
Frau Traupe Dr. Ueberschär Urbaniak Vogelsang
Voigt ({36})
Vosen
Wallow
Waltemathe Walther
Weinhofer
Weisskirchen ({37}) Dr. Wernitz
Westphal Frau Weyel Dr. Wieczorek
Wieczorek ({38}) Wiefel
von der Wiesche Wimmer ({39})
Wimmer ({40}) Wischnewski
Witek
Dr. de With
Wolfram ({41}) Wrede
Würtz Wuttke Zander Zeitler Frau Zutt
Berliner Abgeordnete
Bühling
Dr. Diederich ({42})
Dr. Dübber Egert
Hitzigrath Frau Luuk Männing
Dr. Mitzscherling Wartenberg ({43})
FDP
Frau Dr. Engel
Gärtner
fraktionslos
Hansen
Hölscher
Hofmann ({44}) Frau Schuchardt
Enthalten
CDU/CSU
Dr. Abelein
Dr. van Aerssen
Dr. Althammer
Dr. Arnold Austermann Dr. Barzel Bayha
Dr. Becker ({45}) Berger ({46}) Biehle
Böhm ({47})
Dr. Bötsch Bohl
Borchert
Braun
Breuer
Broll
Brunner
Bühler ({48})
Dr. Bugl
Carstens ({49}) Clemens
Conrad ({50})
Dr. Czaja Dallmeyer Daweke
Deres
Dörflinger Dr. Dollinger
Doss
Dr. Dregger Echternach Eigen
Engelsberger
Erhard ({51}) Dr. Faltlhauser Feinendegen
Fellner
Frau Fischer
Fischer ({52}) Francke ({53}) Franke
Dr. Friedmann
Funk ({54})
Ganz ({55})
Frau Geier
Frau Geiger
Dr. Geißler
Dr. von Geldern
Dr. George
Gerlach ({56}) Gerstein
Gerster ({57})
Glos
Dr. Götz Günther Haase ({58})
Dr. Häfele
Handlos
Hanz ({59}) Hartmann
Hauser ({60}) Hauser ({61})
Frau Dr. Hellwig Helmrich
Dr. Hennig
Herkenrath
Hinsken Höffkes Höpfinger
Frau Hoffmann ({62}) Dr. Hornhues Horstmeier
Frau Hürland
Dr. Hüsch
Dr. Hupka
Graf Huyn
Jäger ({63})
Jagoda
Dr. Jahn ({64})
Dr. Jenninger
Dr. Jobst
Jung ({65})
Dr.-Ing. Kansy
Frau Karwatzki
Keller
Kiechle
Dr. Klein ({66}) Klein ({67})
Dr. Köhler ({68}) Köster
Kolb
Kraus
Dr. Kreile
Krey
Kroll-Schlüter
Frau Krone-Appuhn Dr. Kunz ({69}) Lamers
Dr. Lammert
Landré
Dr. Langner
Lattmann
Dr. Laufs Lemmrich
Dr. Lenz ({70}) Lenzer
Link
Linsmeier
Lintner Löher
Louven Lowack Maaß
Magin
Dr. Marx
Dr. Mertes ({71}) Metz
Dr. Meyer zu Bentrup
Michels
Dr. Mikat Dr. Miltner Milz
Dr. Möller Dr. Müller
Müller ({72}) Müller ({73})
Müller ({74})
Nelle
Frau Dr. Neumeister Niegel
Dr.-Ing. Oldenstädt
Dr. Olderog Frau Pack Petersen Pfeffermann Pfeifer
Picard
Dr. Pinger Pohlmann
Dr. Pohlmeier Prangenberg
Dr. Probst Rainer
Rawe
Reddemann Regenspurger
Repnik
Dr. Riedl ({75})
Dr. Riesenhuber
Frau Roitzsch
Dr. Rose
Rossmanith Rühe
Ruf
Sauer ({76})
Sauer ({77})
Sauter ({78})
Sauter ({79})
Dr. Schäuble
Schartz ({80})
Schmitz ({81})
Dr. Schneider
Freiherr von Schorlemer Dr. Schroeder ({82}) Schröder ({83}) Schröder ({84}) Dr. Schulte ({85}) Schwarz
Dr. Schwarz-Schilling
Dr. Schwörer
Seehofer Seiters
Dr. Freiherr Spies
von Büllesheim
Spilker
Spranger Dr. Sprung
Dr. Stark ({86}) Graf Stauffenberg
Dr. Stavenhagen
Dr. Stercken
Stücklen Stutzer
Susset
Tillmann
Dr. Todenhöfer
Dr. Unland
Frau Verhülsdonk
Vogel ({87})
Vogt ({88})
Voigt ({89})
Dr. Voss
Dr. Waffenschmidt
Graf von Waldburg-Zeil Dr. Warnke
Dr. von Wartenberg Weirich
Weiß
Präsident Stücklen
Werner
Frau Dr. Wex
Frau Will-Feld
Frau Dr. Wilms
Wimmer ({90}) Windelen
Frau Dr. Wisniewski Wissmann
Dr. Wittmann
Dr. Wörner Würzbach Dr. Wulff Zierer
Dr. Zimmermann
Zink
Berliner Abgeordnete
Bahner
Frau Berger ({91}) Boroffka
Buschbom Dolata
Dr. Hackel Kalisch
Kittelmann Lorenz
Schulze ({92})
Straßmeir
FDP
Frau Dr. Adam-Schwaetzer Baum
Beckmann
Frau von Braun-Stützer Cronenberg
Eimer ({93}) Engelhard Ertl
Funke
Gallus
Gattermann Genscher Ginsberg Grüner
Dr. Haussmann
Dr. Hirsch Jung ({94})
Kleinert
Dr.-Ing. Laermann
Dr. Graf Lambsdorff Merker
Möllemann Neuhausen Frau Noth Paintner
Riebensahm Dr. Riemer Ronneburger
Dr. Solms Timm
Dr. Vohrer
Wolfgramm ({95}) Wurbs
Dr. Zumpfort
Der Antrag des Bundeskanzlers gemäß Art. 68 des Grundgesetzes hat somit nicht die erforderliche Mehrheit gefunden.
({96})
Ich werde dem Herrn Bundespräsidenten unverzüglich das Abstimmungsergebnis übermitteln. Wenn der Bundeskanzler auf Grund des Abstimmungsergebnisses den Vorschlag zur Auflösung des Bundestages unterbreitet hat, liegt die Entscheidung über die vorgezogenen Neuwahlen beim Bundespräsidenten.
Da gemäß Art. 39 unseres Grundgesetzes die Wahlperiode auch bei vorgezogenen Neuwahlen erst mit dem Zusammentritt des neugewählten Bundestages endet, werden Sie über die weitere Arbeit des 9. Deutschen Bundestages rechtzeitig informiert.
Nochmals alles Gute für die Feiertage. Die Sitzung ist geschlossen.