Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 6/9/1982

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Die Sitzung ist eröffnet. Vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich folgende Mitteilung machen. Meine Damen und Herren, wie schon in der Amtlichen Mitteilung vom 29. April 1982 angekündigt worden ist, wird der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika heute nachmittag gegen 16.15 Uhr zu den Mitgliedern des Hauses sprechen. Der Ältestenrat ist übereingekommen, daß das Haus die Beratungen um diese Zeit unterbricht und im Anschluß an die Rede des Präsidenten die Beratungen wieder aufnimmt. Der Herr Abgeordnete Hansen hat gemäß § 20 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung den Antrag gestellt, die heutige Tagesordnung um den Punkt „Abgabe einer Erklärung des Präsidenten der USA und Aussprache über diese Erklärung" zu erweitern. Zur Begründung dieses Antrages erteile ich dem Abgeordneten Hansen das Wort. Hierzu, Herr Abgeordneter Hansen, steht nach § 29 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung eine Redezeit von höchstens fünf Minuten zur Verfügung. Ich möchte Sie, Herr Abgeordneter Hansen, bitten, sich ausschließlich auf die Begründung Ihres Geschäftsordnungsantrages zu beschränken. Sie haben das Wort.

Karl Heinz Hansen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000805, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich darüber, daß ich wenigstens den für den heutigen Tagesablauf verantwortlichen Mitgliedern dieses Hauses meine Bedenken kundtun kann. Dieses Parlament erhebt den Anspruch, eine Volksvertretung zu sein. In einer Volksvertretung werden politische Fragen in Rede und Gegenrede diskutiert und manchmal sogar entschieden. Heute verzichtet das Parlament auf dieses verpflichtende Recht, und das in einem alle Bürger betreffenden Streit um überlebenswichtige politische Fragen. Das ist ein gespenstischer und beschämender Vorgang. Daß demokratisch gewählte Regierungen selbstherrlich so tun, als gäbe es keine Parlamente, ist angesichts deren Entwicklung zu Notariaten der Exekutive nicht verwunderlich. Daß aber der Deutsche Bundestag heute selbst so tut, als gäbe es ihn nicht, ist ein Skandal für die Demokratie. ({0}) Während mehr als 30 Kongreßabgeordnete in den USA ihren Präsidenten vor dem Obersten Gericht wegen seiner El-Salvador-Politik anklagen, während Millionen Menschen in der Bundesrepublik sich mit Recht darüber empören, einen Staatsgast höflich, stumm und ehrerbietig begrüßen zu sollen, der offensichtlich hierhergebeten worden ist, um die potentiellen Opfer auf dem potentiellen Schlachtfeld seiner neuen Kriegführungsstrategie noch einmal lebend zu besichtigen, - ({1})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter Hansen, beschränken Sie sich ausschließlich auf die Begründung des Antrages! Nach einer zweimaligen Mahnung entziehe ich Ihnen das Wort. ({0})

Karl Heinz Hansen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000805, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Gut. - Während also Hunderttausende draußen demonstrieren, ({0}) haben sich alle Fraktionen des Deutschen Bundestages, vor dem Volk durch die Bannmeile geschützt, einmütig eine Vergatterung durch den obersten Kriegsherrn im Westen im eigenen Hause verordnet. ({1})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter Hansen, ich ermahne Sie zum zweiten Mal!

Karl Heinz Hansen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000805, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Die besorgten Fragen von Millionen Menschen, ihre Sorgen um die Erhaltung des Friedens, dürfen in Anwesenheit des Präsidenten der USA im frei gewählten Parlament dieser Republik also nicht laut werden. ({0}) Dadurch wird ein großangelegtes Täuschungsmanöver über die nach wie vor gültigen, für Europa leHansen bensbedrohenden Strategien der US-Regierung unterstützt. ({1}) Dieser Verzicht auf eine Diskussion ist gleichbedeutend mit einer Selbstabdankung des Parlaments, die ich schlicht für würdelos halte. ({2}) Ich will diese Herabstufung des Parlaments zum Befehlsempfänger und zur Marionette ({3}) nicht widerspruchslos hinnehmen. Deshalb ist unser Antrag auf eine Aussprache im Deutschen Bundestag nach der Erklärung des Präsidenten der Vereinigten Staaten ein Antrag auf Wiedereinsetzung des Parlaments in den Stand einer Volksvertretung, die diesen Namen verdient. ({4}) Deshalb bitten wir Sie - Sie sind ja frei -, das, was Ihre Oberen im Ältestenrat beschlossen haben, hier heute durch die Annahme des Antrags zu ändern, auch um Ihrer eigenen Selbstachtung willen. ({5}) Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. ({6})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Dr. Jenninger.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001025, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ist heute auf Einladung des Präsidenten des Deutschen Bundestages und auf Einladung aller Fraktionen des Deutschen Bundestages Gast des Hohen Hauses. Er ist von den Einladenden gebeten worden, vor den Mitgliedern des Deutschen Bundestages eine Ansprache zu halten. Er ist nicht gebeten worden, dem Abgeordneten Hansen als Gesprächspartner zur Verfügung zu stehen. ({0}) Herr Abgeordneter Hansen, die Art und Weise und die Worte, die Sie gewählt haben, um Ihren Antrag zu begründen, lassen erkennen, daß es Ihnen in Wirklichkeit nicht um eine Aussprache geht, sondern daß Sie eine spektakuläre Gelegenheit suchen, um den freigewählten Repräsentanten des amerikanischen Volkes herabzuwürdigen und zu diffamieren. ({1}) Ich weise diese Ihre Worte und Ihre Vorwürfe im Auftrag meiner Fraktion mit Nachdruck zurück. ({2}) Sie haben durch Ihre Einlassung demonstriert, wie man sich unter zivilisierten Menschen in einer solchen Situation nicht verhalten kann. ({3}) Wir lassen uns von Ihnen unsere Gastfreundschaft dem Präsidenten der Vereinigten Staaten gegenüber nicht mit Füßen treten. ({4}) Das Hohe Haus hat seit seinem Bestehen, seit 1949, wiederholt die Ehre gehabt, hohe ausländische Gäste zu Besuch zu haben. Wir haben diesen Gästen auch Gelegenheit gegeben, zum Hohen Hause zu sprechen. Dies war 1953 der Sprecher des Repräsentantenhauses der Vereinigten Staaten von Amerika, Joseph Martin; dies war 1962 der Präsident der Beratenden Versammlung des Europarates, Herr Federspiel; dies war 1969 der damalige Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Richard Nixon. Wir werden auch heute den Besuch des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika - so haben wir das im Ältestenrat verabredet - so gestalten, wie wir das in der Vergangenheit mit unseren Gästen getan haben. Ich weise Ihren Antrag namens meiner Fraktion zurück. ({5})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Linde.

Dr. Jürgen Linde (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001343, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In Anknüpfung an die Ausführungen meines Kollegen Jenninger gestatten Sie mit zwei politische und eine persönliche Bemerkung. Die Zusammenarbeit und Freundschaft mit Regierung und Volk der Vereinigten Staaten von Amerika gehören zu den Prinzipien unserer, der sozialdemokratischen, aber auch der Außenpolitik dieses ganzen Hauses. Sie beruhen nicht nur auf der gemeinsamen Zugehörigkeit zum Nordatlantischen Verteidigungsbündnis, sondern auch auf gemeinsamen Wertvollungen vom Recht der Völker auf Demokratie und auf Unabhängigkeit. ({0}) Diese Gemeinsamkeiten, meine sehr verehrten Damen und Herren, müssen sich auch bei aktuellen Interessen und Meinungsunterschieden bewähren. Was ich eben vorgetragen habe, ist die durch das Präsidium der SPD am 8. Juni 1982 bekräftigte Feststellung unseres Münchner Parteitages. Dem möchte ich eine persönliche Bemerkung anschließen. Es ist leicht, die Gemeinsamkeiten mit den Bürgern und dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika zu wahren. Die Zusammenarbeit mit Menschen fällt jedoch dann schwer, wenn bestimmte Grundregeln und Grundübereinstimmungen über die Würde des Parlaments, über das Funktionieren der Parlamentarischen Demokratie, über die Anwendung der Regeln für die politische Zusammenarbeit - z. B. in unserer Geschäftsordnung - und über die Gastfreundschaft unter Menschen und Staaten nicht anerkannt werden. Dem möchte ich eine zweite politische Bemerkung hinzusetzen. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat gestern mit großer Mehrheit in einer Entschließung den Besuch des amerikanischen Präsidenten in Bonn und in Berlin begrüßt. Sie begrüßt auch, daß der Präsident die Einladung angenommen hat, heute nachmittag vor dem Deutschen Bundestag zu sprechen. Sie heißt Präsident Reagan als den Repräsentanten eines großen Volkes willkommen, dessen demokratischer Tradition wir sehr viel verdanken. Aus diesem Grunde wird die sozialdemokratische Bundestagsfraktion zusammen mit den anderen Fraktionen des Deutschen Bundestages den Antrag auf Änderung der Tagesordnung zurückweisen. ({1})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wolfgramm.

Torsten Wolfgramm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002557, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Meine Fraktion hat zusammen mit den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD den Bundestagspräsidenten bei seinem Vorhaben unterstützt, den amerikanischen Präsidenten einzuladen, anläßlich seines Besuches in der Bundesrepublik im Zusammenhang mit dem NATO-Gipfel vor diesem Haus zu sprechen. Wir bekräftigen diese Unterstützung noch einmal und stellen fest, daß mit dieser Erklärung vor dem Deutschen Bundestag die Bedeutung des Besuches um ein Weiteres unterstrichen wird. Wir sind auch hoffnungsvoll, daß von dieser Ansprache ein weiterer Impuls für die Abrüstungsverhandlungen ausgehen wird. Aber, Herr Kollege Hansen, das Mindestmaß an Fairneß und Höflichkeit unter Parlamentariern gebietet es, eine Debatte über eine Erklärung nur in Anwesenheit desjenigen zu führen, der diese Erklärung abgegeben hat. Das ist nicht möglich, wie Sie und wie wir wissen, weil der Präsident die dazu erforderliche Zeit nicht hat. Wir werden diese Debatte - so frei sind wir, Herr Hansen - über den NATO-Gipfel im Zusammenhang mit einer Regierungserklärung in diesem Hause führen. Wir werden über alle Fragen debattieren, die damit zusammenhängen. Das werden wir zu dem Zeitpunkt tun, zu dem die Regierung diese Erklärung abgeben wird. Wir lehnen deshalb Ihren Antrag ab, jetzt und heute darüber zu debattieren. ({0})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Es liegt noch eine Wortmeldung eines Mitgliedes dieses Hauses vor. Ich habe die Absicht, von § 29 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung Gebrauch zu machen, der lautet: Der Präsident kann die Worterteilung bei Geschäftsordnungsanträgen, denen entsprochen werden muß ({0}), auf den Antragsteller, bei anderen Anträgen auf einen Sprecher jeder Fraktion beschränken. Ich mache von dieser Vorschrift Gebrauch und komme zur Abstimmung über den Antrag. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Antrag ist gegen zwei Stimmen - der Abgeordneten Hansen und Coppik - und bei einer Enthaltung - des Abgeordneten Conradi - abgelehnt. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll Punkt 5 der Tagesordnung abgesetzt werden. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen. Wir treten nun in die Tagesordnung ein. Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Verteidigungsausschusses ({1}) zu der Unterrichtung durch den Wehrbeauftragten Jahresbericht 1981 - Drucksachen 9/1406, 9/1695 Berichterstatter: Abgeordnete Weiskirch ({2}) Horn Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die Aussprache zwei Stunden vorgesehen. Das Haus ist damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Dann treten wir in die Aussprache ein. Das Wort hat Herr Abgeordneter Weiskirch.

Willi Weiskirch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002459, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben vor einem Vierteljahr das Gesetz über den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages novelliert. Darin ist seine Position als wichtiges Hilfsorgan des Parlaments neu beschrieben und neu gefestigt worden, d. h. es gibt keinen Zweifel mehr daran, in wessen Auftrag und mit welcher Kompetenz er handelt. Ich weise zu Beginn der heutigen Debatte über den Jahresbericht 1981 des Wehrbeauftragten deshalb darauf hin, weil die Konsequenzen, die wir alle aus diesem Bericht zu ziehen haben - sowohl die Öffentlichkeit als auch der Bundestag und vor allem die Bundesregierung -, dadurch besonders gewichtig und dringlich werden. Wenn nämlich der Wehrbeauftragte auch im vorliegenden Bericht eine ganze Fülle von Verstößen gegen die Grundsätze der Inneren Führung in den Streitkräften aufdeckt, von Fehlleistungen bei der Handhabung der Disziplinargewalt, von Tätlichkeiten, von Drogenmißbrauch, von Mängeln bei der Ausbil6318 Weiskirch ({0}) dungsplanung oder - mit diesen wenigen Hinweisen möchte ich es genug sein lassen - von den immer noch ungelösten Problemen der Dienstzeitbelastung und des Verwendungs- und Beförderungsstaus, dann läßt sich das nicht mit einer Handbewegung abtun. Dann muß etwas passieren, und zwar sofort und wirkungsvoll. Ich habe bereits im Verteidigungsausschuß darauf hingewiesen, daß die Jahresberichte des Wehrbeauftragten Gefahr laufen, in der Öffentlichkeit als Kolportagen über Schauerdinge und Greuelgeschichten mißverstanden zu werden. Die Berichte können nun einmal von Unzulänglichkeiten und von Fehlleistungen nur an konkreten Beispielen berichten und sie an konkreten Beispielen darstellen und nachweisen. Das führt bedauerlicherweise dazu, daß erschreckte Zeitungsleser ihr Bild von der Bundeswehr dann mit Schlagzeilen serviert bekommen wie - ich zitiere -„Soldat von angetrunkenen Kameraden verprügelt", „Rekruten nachts um 1 und 2 zum Duschen gezwungen", „Kanonier mußte die Schuhe der angetretenen Soldaten einer Ehrenformation putzen" und so weiter. Der Wehrbeauftragte steht solchen Exzerpten und aus dem Zusammenhang gerissenen Verallgemeinerungen naturgemäß hilflos gegenüber. Er kann nicht mit Dementis klarstellen, daß jeder Fall, den er anführt, ein Fall für sich ist und nicht gleichzeitig für viele andere steht. Gewiß, die von mir soeben zitierten Schlagzeilen werden durch den Bericht gedeckt, und zwar allesamt. Sie sind aber in der verkürzten öffentlichen Behandlung dazu angetan, das Bild der Bundeswehr und ihrer Soldaten zu verzerren. Hier werden Einzelfälle, die ja eben die Aufmerksamkeit und die Tatkraft des Wehrbeauftragten fordern und Gott sei Dank auch gefordert haben, in fahrlässiger Weise aufgebauscht und verallgemeinert. ({1}) Lassen Sie mich aber noch einmal mit Nachdruck sagen: Die Bundeswehr ist keine Armee von Trinkern und Rowdies. Ihre Soldaten sind sicherlich nicht besser, sie sind aber auch nicht schlechter als wir alle, meine Damen und Herren, als die Gesellschaft, aus der sie stammen. Dennoch geben die Beispiele von Fehlern, von Schwächen und von Unrechtmäßigkeiten, die der Wehrbeauftragte in seinem Bericht anführt, zu denken. Sie müssen die Verantwortlichen auf den Plan rufen. Meine Kollegen werden in der Debatte noch auf Einzelheiten eingehen. Lassen Sie mich hier ein Problem ansprechen, das in den Anfangspassagen des Jahresberichts 1981 besonders behandelt wird. Dabei geht es um die Frage, inwieweit die öffentliche Diskussion um Frieden und Abrüstung auch auf die Bundeswehr und auch auf ihre Soldaten einwirkt. Ich sage sicherlich nichts Falsches, wenn ich bemerke: Sie wirkt ganz beträchtlich ein. Der Bundesminister der Verteidigung hat vor einiger Zeit einmal darauf hingewiesen, daß sich auch die Soldaten der Bundeswehr dieser Friedensdiskussion stellen und an ihr teilnehmen müßten. Ähnlich klingt es auch aus der Stellungnahme des Ministers zum Jahresbericht des Wehrbeauftragten 1981 - ich zitiere -: Der Soldat ist als Staatsbürger in Uniform und als Sachkundiger von Berufs wegen in dieser Diskussion gefordert. Weiter heißt es da: Nicht selten sehen sich Soldaten jedoch auch als Zielscheibe ungerechtfertigter bzw. falsch adressierter Kritik und neigen dann zur Zurückhaltung. Der Wehrbeauftragte drückt sich in seinem Bericht zur Haltung der Soldaten klarer aus: Sie vermögen nicht einzusehen, weshalb sie sich an der Diskussion beteiligen sollen. Die Gründe für diese Einstellung sind unterschiedlich. Im Vordergrund steht, daß es nicht Aufgabe der Bundeswehr und ihrer Angehörigen sein könne, die Rolle der Streitkräfte als Instrument der Friedenssicherung zu rechtfertigen, da sich dies aus dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland ergebe. Dieser Meinung kann man nur beipflichten. Wenn das aber so ist, dann muß, wie ich meine, die politische Führung sich einmal sehr ernsthaft mit der Frage beschäftigen, wie unsere Soldaten aus einem Rechtfertigungszwang herausgebracht werden können, der ganz andere in unserem Staat betrifft und dem sich ganz andere zu stellen haben oder zu stellen hätten. Das bringt mich nun auf ein zweites Problem. In seinen Schlußbemerkungen greift der Wehrbeauftragte eine Frage auf, die schon in seinem Jahresbericht 1980 behandelt worden ist, die Frage nämlich, was getan werden kann und getan werden muß, um den Wehrpflichtigen schon vor ihrer Einberufung, ja um allen jungen Leuten verständlich zu machen, warum die Bundesrepublik Deutschland von ihren jungen Männern den Wehrdienst verlangt und weshalb sie die allgemeine Wehrpflicht eingeführt hat. Ich denke, wir sind uns hier alle darin einig, daß diese Aufgabe nicht zunächst oder allein in die Zuständigkeit der Truppe selber gehört. Die Bundeswehr und ihre militärischen Führer wären überfordert, wenn sie eine Aufgabe zu leisten hätten, die in die Familie, in die Jugendverbände und vor allem in die Schulen hineingehört. Das Bundesministerium der Verteidigung weist in seinen Anmerkungen zum Jahresbericht des Wehrbeauftragten, ich finde, zu Recht darauf hin, daß der Bund, also auch der Bundesminister der Verteidigung, keine Kompetenz für die Ausgestaltung des staatsbürgerlichen Unterrichts in den Schulen habe. Es könne allerdings seit 1982 in allen Bundesländern hauptamtliche Jugendoffiziere für die Schulen zur Verfügung stellen. Wir wissen - und wir haben diesen Sachverhalt im Verteidigungsausschuß des Bundestages sehr gründlich diskutiert -, daß die Ständige Konferenz der Kultusminister bereits 1980 eine Kommission eingesetzt hat, die eine Empfehlung zur Behandlung sicherheitspolitischer Themen im Unterricht ausarbeiten soll. Ich finde, es wäre angesichts der wachsenden Bedeutung und auch der Weiskirch ({2}) Brisanz dieser Sache angebracht, hier auf Eile zu drängen und die Ständige Konferenz der Kultusminister zu veranlassen, endlich mit einem plausiblen Vorschlag überzukommen. ({3}) Wenn zu den wachsenden Personalsorgen in den nächsten Jahren auch noch eine wachsende Demotivierung der jungen Männer hinzukommen sollte - und wen würde das angesichts der einseitigen öffentlichen Friedensdiskussion wundern -, dann stünde die Bundeswehr in der Tat sehr bald vor unlösbaren Problemen. Solange sich Schulen und Lehrer gegenüber sicherheitspolitischen Themen sperren oder gar auf Gegenkurs gehen und dabei den Auftrag der Bundeswehr im Unterricht in Zweifel ziehen oder gar unterlaufen, wird es diesen fatalen Zwiespalt in den Seelen unserer jungen Wehrpflichtigen geben. Hier redet niemand einer Wehrkunde nach DDR-Muster das Wort, wohl aber einem sachlichen, an den Realitäten und Erfordernissen orientierten, informativen Unterricht. Ich habe mich dieser Frage deshalb besonders gewidmet, weil der Wehrbeauftragte sie in seinem Bericht aufgegriffen und prononciert vertreten hat. Er möchte - ich zitiere - „den Bundesminister der Verteidigung ermutigen, sich bei den Kultusministern der Bundesländer darum zu bemühen, daß das Thema ,Friedenssicherung, Verteidigung und Bundeswehr stofflich nicht überfrachtet wird und im Schulunterricht vor allem die von der Verfassung vorgegebene Zielrichtung behandelt und darüber hinaus verdeutlicht wird, weshalb deren Begründung auch heute noch gilt". Ich kann diesem ermutigenden Appell des Wehrbeauftragten für meine Fraktion und, so denke ich, auch für andere in diesem Hause nur nachdrücklich zustimmen. Der Wehrbeauftragte hat im vorliegenden Jahresbericht auf Schwierigkeiten und Ärgerlichkeiten hingewiesen, die dem Begriff „Wehrgerechtigkeit" zuzuordnen sind. Zu Details werden sich da meine Kollegen nachher noch äußern. Ich möchte hier den Faden des Wehrbeauftragten aufgreifen und ganz allgemein einmal ein Wort für unsere jungen wehrdienstleistenden Soldaten sagen. Das ist j a doch, meine Damen und Herren, wie jedermann weiß und wissen sollte, gar keine so einfache und gar keine so schöne Sache, wenn man da aus der Berufsausbildung, aus dem Studium oder aus der Bahn dazu herausgerissen wird, um 15 Monate beim Bund verbringen zu müssen. Zwar wird sich in einigen Jahren da etwas ändern, aber bis jetzt hat gegolten und gilt, daß. es immer nur einen Teil der jungen Generation betrifft und daß dieser Teil zu tragen und zu ertragen hat, und zwar für uns alle, meine Damen und Herren, was ihm eigentlich niemand vergilt und vergütet. Ich stimme mit dem Wehrbeauftragten überein, wenn er große Fragezeichen hinter Kürzungen bei finanziellen Leistungen des Bundes für Wehrdienstleistende setzt, wie sie leider im letzten Jahr vorgenommen worden sind. Wenn einem wehrpflichtigen Soldaten ohnehin per saldo 10 000 bis 15 000 DM, die er im Beruf hätte verdienen können, im Schnitt verlorengehen, eben weil er Wehrdienst leistet, dann ist nicht einzusehen, daß er auch noch zusätzlich, und zwar bei den ihm zustehenden finanziellen Leistungen, geschröpft wird. Ich finde, das sollte, ja das dürfte in einem Land wie der Bundesrepublik Deutschland nicht vorkommen. ({4}) Es hat in der Vergangenheit immer wieder Kritik, und zwar berechtigte Kritik, daran gegeben, daß die Forderungen, Ratschläge und Empfehlungen des Wehrbeauftragten vom Bundesministerium der Verteidigung nur halbherzig oder überhaupt nicht befolgt worden sind. Der Wehrbeauftragte selbst mußte gelegentlich darauf hinweisen, daß es entweder gar keine oder nur eine unzureichende Resonanz auf seine Anmahnungen gegeben habe. Das Parlament, in dessen Namen der Wehrbeauftragte als Anwalt der Soldaten tätig ist, erwartet, daß auf der Hardthöhe aus dem vorliegenden Jahresbericht die nötigen Konsequenzen gezogen werden. Und ich sage Ihnen jetzt schon, Herr Verteidigungsminister, daß wir in der Debatte über den Jahresbericht 1982 einmal Punkt für Punkt abhaken werden, was Sie und Ihr Haus da getan und unterlassen haben. Es ist doch wohl auch ein Stück gegenseitigen Vertrauens, daß der Soldat, der sich an den Wehrbeauftragten wendet, wirklich damit rechnen kann, nicht nur gehört, sondern auch erhört zu werden. Fälle, wie sie im Jahresbericht 1981 vermerkt sind, dürfen eben kein schaurig-schöner Lesestoff bleiben, sondern müssen abgestellt werden - ohne Wenn und Aber. ({5}) Meine Damen und Herren, der Wehrbeauftragte hat bei der Behandlung seines Berichts im Verteidigungsausschuß vor kurzem besonders nachdrücklich auf die Fälle von fahrlässigem oder unverantwortlich-mißbräuchlichem Umgang mit Faustfeuerwaffen hingewiesen, bei dem im vergangenen Jahr wieder etliche Soldaten schwer verletzt oder getötet worden sind. Das Ministerium hat in seiner Stellungnahme bestätigt, daß die Zahl derartiger Fälle im letzten Jahr zugenommen hat. Die Hardthöhe meint, gemessen am Umfang der Streitkräfte könne man aber noch nicht von einem besorgniserregenden Zustand sprechen. Ich nehme diese, wie ich finde, allzu einfache Bemerkung zum Anlaß, darauf hinzuweisen, daß jede mißbräuchliche Benutzung von Waffen mit so schwerwiegenden Folgen, daß überhaupt jeder verschuldete oder unverschuldete Anschlag auf die körperliche Unversehrtheit der Soldaten besorgniserregend ist. Wenn es um die Menschen in den Streitkräften geht - und da setzt die Sorgepflicht aller Vorgesetzten in der Bundeswehr ein -, kann nicht scharf genug und nicht pingelig genug verfahren werden. Meine Damen und Herren, auch im Namen meiner Fraktion spreche ich dem Wehrbeauftragten, Herrn Karl Wilhelm Berkhan, und seinen Mitarbeitern meinen Dank für die im Berichtsjahr geleistete Arbeit aus und bitte Sie, Herr Präsident, ihm nachher hier im Hause das Wort zu erteilen. Ich beantrage, am Schluß der Debatte den Jahresbericht 1981 des Wehrbeauftragten durch das Plenum offiziell Weiskirch ({6}) zur Kenntnis nehmen zu lassen. - Ich danke Ihnen. ({7})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Horn.

Erwin Horn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000958, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit einer Darstellung über den Schutz der Grundrechte und der Grundsätze der Inneren Führung leitet der Wehrbeauftragte seinen diesjährigen Bericht ein. Dies hat sicher seinen guten Grund. Es ist die vornehmste Aufgabe des Wehrbeauftragten, über die Erhaltung dieser Grundrechte zu wachen und Verstöße gegen dieselben sichtbar zu machen. Grundrechtsverletzungen sind bei der Bundeswehr keineswegs an der Tagesordnung, sondern die Ausnahme. ({0}) Dennoch wiegt jede einzelne so schwer, daß es notwendig ist, sie genau zu überprüfen und vor allem - darüber sind wir uns alle einig - den Wehrloseren gegen Übergriffe zu schützen. Es ist eine einmütige Auffassung des Deutschen Bundestages, daß die Vorgesetzten in den Fällen, die ihnen bekanntgeworden sind, durchgreifen müssen und keinesfalls eine falsch verstandene Kameraderie ausüben dürfen. Deshalb fordern wir auch von allen, von den Kommandeuren und Chefs, eingehend darüber zu wachen, daß vor allem Grundrechtsverletzungen in Form körperlicher Mißhandlungen nicht geduldet und hingenommen werden können. Mit viel Einfühlungsvermögen für die Situation des Wehrpflichtigen und seine Erwartungen an den Wehrdienst, aber auch mit einem sicheren Blick für das, was die Streitkräfte für die wirksame Erfüllung ihres verfassungsmäßigen Auftrages in einer Demokratie benötigen, begleitete der Wehrbeauftragte als parlamentarisches Kontrollorgan die Bundeswehr 1981. Seine Beobachtungen und Erkenntnisse geben dem Deutschen Bundestag Hinweise, wo im Bereich der Inneren Führung in den Streitkräften auch heute noch Schwachstellen sind. Der Bericht zeigt aber auch, daß manches, was es an Problemen in der Bundeswehr gibt, erkannt wurde und durch den Bundesminister der Verteidigung Verbesserungen erfahren hat. ({1}) - Ich komme auch auf Sie noch zurück, Herr Würzbach. Die vom Wehrbeauftragten dargelegten Auswirkungen der Diskussion unter Soldaten über die Rolle von Streitkräften als Instrument der Friedenssicherung macht deutlich, daß auf dem Gebiet der politischen und staatsbürgerlichen Bildung noch viel zu leisten bleibt. Hierbei sind jedoch nicht nur die Streitkräfte, sondern auch die anderen gesellschaftlichen Gruppen gefordert. Die sozialdemokratische Fraktion unterstützt die Forderung des Wehrbeauftragten, daß die Diskussion über den richtigen Weg der Friedenssicherung nicht in einer Frontstellung zur Bundeswehr geführt werden und auch nicht als Mittel dafür gebraucht werden darf, Vorbehalte gegen den Wehrdienst zu schüren. Wir Sozialdemokraten bewerten es als ein positives Zeichen demokratischen Engagements, daß zunehmend auch Soldaten ihren Sachverstand in die öffentliche Diskussion über dieses Thema mit einbringen. Die Soldaten dürfen zu Recht für sich in Anspruch nehmen, daß sie durch ihren Dienst und ihre Präsenz einen wesentlichen Beitrag zur Friedenssicherung leisten und dafür Anerkennung verdienen. Gerade deshalb sollten Soldaten auf Kritik auch gelassen reagieren. Die Bundeswehr hat kein Legitimationsbedürfnis. Sie ist nicht durch eigenen Willen geschaffen, sondern auf Grund einer politischen Entscheidung des deutschen Parlamentes als Verfassungsorgan. Dementsprechend haben auch wir als Politiker uns bei ungerechtfertigten Angriffen schützend vor die Bundeswehr zu stellen. Mit Genugtuung muß verzeichnet werden, daß die allgemeine Grundausbildung den Erwartungen junger Wehrpflichtiger in der Regel entspricht und von ihnen positiv bewertet wird. Mit Sorge erfüllt uns hingegen, daß der Dienst in der Stammeinheit gerade deshalb großer Kritik ausgesetzt ist, weil sich viele junge Wehrpflichtige in den noch verbleibenden zwölf Monaten nicht genügend ausgelastet sehen. Die hohe Dienstzeitbelastung vieler militärischer Vorgesetzter steht hierzu in einem aber nur scheinbaren Widerspruch. Beide Aspekte verdienen Beachtung. Die Streitkräfte, insbesondere aber das Heer, werden die Feststellung des Wehrbeauftragten zum Anlaß nehmen müssen, die zur Verfügung stehenden Dienststunden effektiver zu bewirtschaften. Der Bericht des Wehrbeauftragten bietet für uns überhaupt keinen Anlaß, ihn zu einer Jammerstudie herabzuwürdigen. Einschätzungen, Herr Würzbach, wie sie in Kreisen der Opposition vorgenommen werden, sind falsch und auch ohne Augenmaß, weil sie einfach die gesamtpolitischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht wahrhaben wollen, unter denen die Bundeswehr steht. ({2}) Selbstverständlich sind uns einschneidende Maßnahmen im Bereich des Bundeswehr, um es salopp zu sagen, verdammt schwergefallen, z. B. die Verminderung der Z 2-Stellen oder die Streichung der Sparprämien für die Wehrpflichtigen. ({3}) Aber man kann es wohl nicht so machen, wie Sie es von der Opposition weithin tun, nämlich überall generell Einsparungen verlangen, aber dann, wenn es konkret wird, als Lobbyist für die betroffene Gruppe auftreten. In bezug auf die Bezieher kleiner Einkommen werfen Sie uns oft vor, bei Einsparungen unsozial zu handeln, und den Großunternehmern versprechen Sie im gleichen Atemzug Steuererleichterungen und staatliche Subventionen. Ich sage es wirklich ohne Häme: Unsere amerikanischen Freunde machen im Augenblick einen außerordentHorn lichen Lernprozeß durch, aber sie sind auch lernfähig. ({4}) Unsere amerikanischen Freunde sehen im Unterschied zu manchen Stellungnahmen aus der Bundesrepublik Deutschland, daß die wirtschaftliche Gesundung die Voraussetzung für eine langfristige Verteidigungsfähigkeit ist. ({5}) Selbstverständlich sind auch für uns Sozialdemokraten Beförderungs- und Verwendungsstau, vor allem die unangemessene Dienstzeitbelastung, mehr als ein Ärgernis. ({6}) Dabei muß jedoch gesagt werden, daß die Bundeswehr in der Frage von Beförderung und Verwendung keineswegs schlechter als andere Gesellschaftsgruppen in unserem Staat abschneidet. Ich sage es ausdrücklich, daß dies kein befriedigender Zustand ist, vor allem nicht hinsichtllich des Verwendungsstaus. Mit Ausnahme von wenigen Berufen, z. B. Pfleger und Erzieher von Schwerbehinderten oder Sonderschullehrer, sind unsere Soldaten auch hier in einer besonders schwierigen Lage, zum Teil in einer nicht vergleichbaren Situation. Überhaupt nicht vergleichbar ist die Dienstzeitbelastung, der unsere Soldaten unterworfen sind. Hier gibt es wirklich keinen Vergleich zu irgendeinem Beruf im öffentlichen Dienst. Keine Fraktion des Deutschen Bundestages redet der 40-Stunden-Woche für die Soldaten das Wort; aber die Dienstzeitbelastungen vieler Soldaten geht weit über das vertretbare Maß hinaus und benachteiligt unsere Soldaten ganz eindeutig. Dennoch sollten wir nicht ständig mit einem Aschermittwochsgesicht durch die Gegend laufen, wenn wir über die Probleme der Bundeswehr sprechen. Die Leistungsfähigkeit der Bundeswehr ist ausgezeichnet. Dies ist das Ergebnis des Schlußberichts des Unterausschusses „Personalsituation in der NATO" der Nordatlantischen Versammlung. Vor wenigen Tagen hat der holländische Kollege Adrian Ploeg einen Bericht über eine kritische Untersuchung aller NATO-Länder vorgelegt. Ploeg kommt zu dem Ergebnis, daß die Situation der Bundeswehr, ihre Motivation, die Personallage, das Reservistenpotential und die Mobilisierungsfähigkeit für die gesamte NATO beispielhaft seien. Kein anderes Land erhielt eine so positive Würdigung wie die Bundesrepublik Deutschland. In den letzten zehn Jahren wurde der Personalbestand der Bundeswehr von 465 000 auf 495 000, d. h. um 30 000 Mann, vergrößert. In dieser Zeit wurde der Verteidigungshaushalt mit Ausnahme dieses Jahres um je 3 % real erhöht. Die Bundeswehrausrüstung wurde für 55 Milliarden DM modernisiert. Wir haben uns die Fähigkeit erworben, in etwa 72 Stunden insgesamt 1,2 Millionen ausgebildete Soldaten einsatzbereit zu haben. ({7}) Wir sind das einzige Land, in dem der Verteidigungsminister, rein rechtlich gesprochen, in alleiniger Entscheidung Wehrpflichtige während einer Zeit von 12 Monaten im Anschluß an den Grundwehrdienst in der Verfügungsbereitschaft für eine Dauer einziehen kann, über die er befindet. Diese Maßnahme wurde seinerzeit von der Opposition übrigens hart kritisiert, und sie wird heute von der gesamten NATO als vorbildlich hingestellt. Sie wissen auch, daß unsere zwölf Divisionen den höchsten Bereitschaftsstatus haben. Dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist in Kurzfassung die Würdigung durch ein internationales Gremium, nämlich die Nordatlantische Versammlung. Der Bericht des niederländischen Kollegen Ploeg wurde einstimmig angenommen. Wir wollen keine Musterknabenrolle. Aber es ist einfach Unsinn, den Zustand der Bundeswehr und ihre Verteidigungsfähigkeit so herunterzureden, wie es seit nunmehr zehn Jahren von bestimmten Seiten immer wieder geschieht. Die Bundeswehr soll nicht Musterknabe sein. Aber bei unseren Soldaten ist doch ein gewisser Stolz über die gute Ausrüstung und über die gute Ausbildung vorhanden. Denn in internationalen Vergleichswettkämpfen und auch in internationalen Tests belegt die Bundeswehr jeweils die ersten oder die zweiten Plätze. ({8}) Das ist darauf zurückzuführen, daß unsere Soldaten gut ausgerüstet und auch gut ausgebildet sind.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter Horn, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Biehle?

Erwin Horn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000958, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, gern.

Alfred Biehle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000176, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Horn, würden Sie mir auf Grund der persönlichen Erfahrungen, die Sie auch im NATO-Parlament gemacht haben, nicht beipflichten, daß Berichte solcher Unterausschüsse, wie Sie sie eben zitiert haben, doch dadurch relativiert werden, daß sich diese Kommissionsmitglieder nur einen oder zwei Tage in dem jeweiligen Land aufhalten und sich von der Regierung und einigen Parlamentariern Informationen geben lassen, die sie dann zu Papier bringen?

Erwin Horn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000958, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Biehle, es ist gar keine Frage, daß diesen Unterausschüssen nicht genügend Zeit zur Verfügung steht, um alle Einzelheiten eingehend zu untersuchen. Jedoch lassen die kritische Würdigung anderer NATO-Partner und die positive Herausstellung der Situation bei der deutschen Bundeswehr darauf schließen, daß die Kommission hier nicht oberflächlich, sondern ganz einwandfrei sehr nachdenklich und auch sehr nachdrücklich gearbeitet hat. Ich glaube, es ist von entscheidender Bedeutung für die Motivation unserer Soldaten und für das innere Gefüge, daß sie Vertrauen in ihre Ausbildungssysteme und auch in die Ausbildung haben. Damit haben sie sich ohne Überheblichkeit auch ein gesundes Selbstvertrauen erworben. Niemand von uns will eine Militarisierung unserer Gesellschaft. Aber wir dürfen auch nicht den Staat dadurch in Frage stellen lassen, daß hochrangige Politiker so dummes Zeug daherreden, wie es geschehen ist, etwa mit den Worten, in der Bundesrepublik müßten wieder Verhältnisse geschaffen werden, in denen man frei reden und frei einkaufen könne. Politiker haben in der Demokratie eine Führungsaufgabe. Führung heißt überzeugen. ({0}) Wir haben unsere Soldaten davon zu überzeugen, daß sich die Erhaltung des Friedens durch die bewaffnete Streitkraft in der Bundesrepublik Deutschland lohnt. Noch nie in der Geschichte hatten wir auf deutschem Boden einen Staat, in dem die Bürger so freiheitlich leben konnten, der rechtlich so geordnet und freiheitlich so gesichert war, wie es in der Bundesrepublik Deutschland der Fall ist. Deshalb besteht die entscheidende Motivation für unsere Soldaten auch darin: Unser Staat, die Bundesrepublik Deutschland, ist es wert, verteidigt zu werden.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter Horn, gestatten Sie eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Biehle.

Erwin Horn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000958, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Gern, noch einmal, Herr Kollege Biehle.

Alfred Biehle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000176, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Horn, Sie haben eben auf das Recht der freien Rede hingewiesen und von ungezügelten Äußerungen prominenter Politiker gesprochen. Kann ich davon ausgehen, daß Sie damit den hessischen Ministerpräsidenten gemeint haben, der seit gestern am Frankfurter Bahnhof auf einem Plakat zitiert wird, auf dem es heißt: „Ich will, daß jeder Hesse das Recht auf freie Meinungsäußerung behält; hier regiert die SPD, die CDU opponiert"? Dies sollten sich Demokraten nicht gegenseitig streitig machen.

Erwin Horn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000958, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Kollege Biehle, ich kann Ihnen sagen: Meine Worte sind ein Zitat von Herrn Kohl. Wenn Sie das hier im Protokoll verewigt haben wollen, dann will ich Ihnen den Gefallen gern tun. Ich möchte zum Schluß dem Wehrbeauftragten und auch seinen Mitarbeitern namens meiner Fraktion den herzlichen Dank aussprechen. Die Fraktion der SPD beantragt nach § 115 der Geschäftsordnung, daß der Wehrbeauftragte zu diesem Bericht Stellung nimmt. - Schönen Dank, meine Damen und Herren. ({0})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Popp.

Karl Heinz Popp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001735, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bericht des Wehrbeauftragten läßt die Öffentlichkeit in jedem Jahr erneut aufhorchen. Die Medien greifen - das wurde hier schon angesprochen - die Feststellungen des Wehrbeauftragten, besonders die kritischen, begierig auf und vermitteln so häufig - vielleicht ungewollt - ein negatives Bild von den Streitkräften. Plötzlich interessieren sich Leute für die Bundeswehr, die sich sonst kaum darum kümmern. Nun liegt es in der Natur der Sache, daß der Wehrbeauftragte den Finger auf die Wunden legt, wenngleich er auch positive Feststellungen in seinem Bericht trifft. Daß z. B. von vorbildlicher Menschenführung durch die überwiegende Mehrheit der Vorgesetzten die Rede ist, geht leider unter. „Was ist denn los in der Bundeswehr"?, so wurde ich nach Erscheinen des Jahresberichts wiederholt gefragt. Nun kann man Gutwillige j a noch davon überzeugen, daß es sich bei den aufgegriffenen Mißständen um Einzelfälle handelt. Aber für Böswillige, die es leider gibt, ist der Jahresbericht des Wehrbeauftragten Zeugnis eines miserablen Zustandes der Streitkräfte, in denen Komißgeist, Menschenverachtung, Leichtsinn, Gammelei und Drogensucht an der Tagesordnung sind. Aus Kreisen der Soldaten hört man denn auch nicht selten, daß der Wehrbeauftragte doch solche Beispiele nicht bringen sollte, weil sie die Bundeswehr in Mißkredit bringen. Ich möchte aber der Art und Weise der Abfassung des Jahresberichts ausdrücklich zustimmen. Die Einzelbeispiele erläutern das Gesagte exemplarisch und konkretisieren den Bericht; sie sind kein Katalog von Mißständen. Aber selbst wenn alle Mißstände lückenlos dargestellt würden, ergäbe sich von den Streitkräften mit Sicherheit kein schlechteres Bild als von anderen Bereichen unserer Gesellschaft. Die Streitkräfte stellen sich als einzige Gesellschaftsgruppe nur einem zusätzlichen Kontrollorgan des Parlaments. Sie brauchen diese zusätzliche Kontrolle nicht zu scheuen, sondern sie können sie als willkommene Hilfe nutzen. Die Diskussion über Frieden, Sicherheit und Abrüstung bewegt die Bürger unseres Landes. Sie wird, was ganz natürlich ist, auch von den Soldaten geführt. Wer angesichts der mehrfachen Vernichtungskapazität von dem Wunsche beseelt ist, daß diese schrecklichen Waffen niemals eingesetzt werden, daß der unselige Rüstungswettlauf beendet wird, wer sich nach Frieden in Freiheit sehnt, der wird die FDP auf seiner Seite finden. Ja, ich bin sicher, daß die Friedenssehnsucht dieses Parlament ohne Ausnahme erfüllt. Diese Friedenssehnsucht erfüllt auch unsere Soldaten, die j a die furchtbare Wirkung der Waffen am besten kennen. Ich begrüße deshalb mit dem Wehrbeauftragten, daß sich die Militärs an der Sicherheits- und Friedensdiskussion zunehmend beteiligen. Ihnen, Herr Minister Apel, und Ihnen, Herr Generalinspekteur, ist zu danken, daß Sie die Soldaten dazu ermuntert haben. Die Bundeswehr - das ist bereits von meinen Vorrednern angesprochen worden - braucht sich nicht selbst zu rechtfertigen. Sie ist politisch gewollt, und es ist Sache der Politiker, die Bundeswehr zu bePopp gründen. Aber die Soldaten sind als Staatsbürger in Uniform Mitbetroffene und als Sachverständige und Fachleute in dieser Diskussion gefordert. Wenn sie bei Gegnern unserer Sicherheitspolitik dabei auf Ablehnung stoßen, so teilen sie nur das Schicksal anderer Fachleute. Denn es ist j a heute manchmal geradezu eine Manie, Fachleute aus Sachdiskussionen ausschließen zu wollen, weil man sie für voreingenommene Lobbyisten hält. Verteidigungsfragen sind zwar nicht nur Themen für Soldaten, aber sie sind auch Themen der Soldaten. Andererseits ist dem Wehrbeauftragten voll zuzustimmen, daß alle, die als Erzieher und Ausbilder auf unsere verfassungsmäßige Ordnung und das daran ausgerichtete Gemeinwohl verpflichtet sind, aber darüber hinaus auch alle diejenigen, für die unsere Gesellschaftsordnung verteidigungswert ist, eine große Verantwortung haben, sich der Friedensdiskussion zu stellen. Die Teilnahme von Soldaten an politischen Veranstaltungen ist grundsätzlich zu begrüßen. Es muß aber dafür gesorgt werden, daß die Bundeswehr nicht zu parteipolitischen Zwecken mißbraucht wird. Deshalb muß das Uniformverbot strikt eingehalten werden. In den meisten Fällen, in denen das Uniformverbot mißachtet wurde, handelte es sich um Provokation. ({0}) Meinungs- und Willensbildungsprozesse zu beeinflussen ist gutes demokratisches Recht, auch von Soldaten. Das Tragen von Uniform zu diesem Zweck aber kann nicht geduldet werden. Die disziplinäre Ahndung eines Verstoßes gegen das Uniformverbot freilich ist eine verantwortungsvolle und nicht leichte Aufgabe, zu der viel Einfühlungsvermögen und Verständnisbereitschaft gehören, wenn nicht jugendliches Engagement, Übereifer und Idealismus in Staatsverdrossenheit umschlagen sollen. Eine erfreuliche Feststellung des Wehrbeauftragten möchte ich besonders hervorheben, die Feststellung nämlich, daß die Wehrpflichtigen mehrheitlich mit einer positiven Einstellung zum „Bund" kommen und der Grundausbildung durchweg aufgeschlossen gegenüberstehen. Um so bedauerlicher ist es, daß der anschließende Dienst in den Stammeinheiten vielfach wenig sinnvoll erscheint oder gar als unnütze Gammelei empfunden wird. Nun wurde ja schon wiederholt darauf hingewiesen, daß manche Routinetätigkeit, die wenig anregend, aber doch notwendig ist, als Gammelei bezeichnet wird. Hierbei wird allzu leicht übersehen, daß Waffenpflege, Fahrzeuginstandhaltung und Schreibstubendienst ebenso zur Aufrechterhaltung der Einsatzbereitschaft der Streitkräfte gehören wie der eintönige Wachdienst. Aber es gibt natürlich gelegentlich Leerlauf; Leerlauf, der durch Phantasie und Engagement sicher verringert werden kann. Es ist aber auch der Stellungnahme des Ministeriums durchaus beizupflichten, daß eine sinnvolle Dienstgestaltung durch den Mangel an Führungs- und Ausbildungspersonal in der Truppe erschwert wird. Es muß alles getan werden, den Dienst für die Soldaten erkennbar sinnvoll zu gestalten und sie von Notwendigkeit und Sinngehalt ihrer Tätigkeit zu überzeugen. Unsachliche Kritik, billige parteipolitische Effekthascherei können hier großen Schaden anrichten. Die positive Einstellung während der Grundausbildung darf sich nicht am Ende des Grundwehrdienstes ins Gegenteil verkehren; die Reservisten sind schließlich die wichtigsten Meinungsbildner und damit Propagandisten der Bundeswehr. Ich möchte aber nochmals die grundsätzlich positive Einstellung der Wehrpflichtigen hervorheben und den Wehrbeauftragten zitieren. Er schreibt: Persönliche Vorteile durch den Wehrdienst versprach sich kaum einer, und die große Mehrheit . .. vertrat die Auffassung, daß der Wehrdienst notwendig und damit ein persönliches Opfer nicht zu umgehen sei. Respekt vor einer solchen Einstellung! Wenn die jungen Leute mit einer so positiven Einstellung zum Bund kommen, ist es um so schlimmer, daß der Wehrbeauftragte immer wieder Fälle von Kameradenmißhandlungen feststellen muß. Ich weiß und betone es nochmals, daß Ausschreitungen und entwürdigende Behandlungen von Untergebenen nicht verallgemeinert werden dürfen. Aber jeder Einzelfall muß rücksichtslos aufgedeckt und angemessen geahndet werden. Die vom Wehrbeauftragten angesprochenen Vorfälle sind nicht „nur" Rechtsverletzungen, sie sind eklatante Verstöße gegen die Kameradschaft. Das wiegt schwer in einer Gemeinschaft, die auf Kameradschaft angewiesen ist. Sie stellen, wie der Wehrbeauftragte schreibt, eine besondere Belastung des Dienstes in der Truppe dar. Der Soldat muß die sichere Gewißheit haben, daß er vor Ausschreitungen und Mißhandlungen in der Bundeswehr geschützt ist. Meine Damen und Herren, wen kann es eigentlich wundern, daß das Drogenproblem, das sich in den letzten Jahren in der Jugend erheblich verschärft hat, auch vor der Bundeswehr nicht haltmacht? Die Zunahme des Drogenkonsums bei den Soldaten ist deshalb nicht bundeswehrtypisch, sondern ein allgemein gesellschaftliches Problem, das allerdings in der Truppe höchste Aufmerksamkeit verdient, wenn es auch zahlenmäßig noch nicht sehr ins Gewicht fällt. Die Gründe und Motive für den Drogenkonsum der Soldaten sind nicht andere als bei den übrigen Jugendlichen auch. Die disziplinären Maßnahmen dürfen diese Gründe nicht unberücksichtigt lassen. Vorbeugen durch Aufklärung ist dringend geboten. Hier gilt der Grundsatz ganz besonders: Vorbeugen ist wichtiger als die Bestrafung. Der Wehrbeauftragte widmet dem Vertrauen in die Personalführung ein eigenes Kapitel seines Berichts; und dies mit Recht. Dieses Vertrauen darf nicht durch leichtfertige Versprechungen erschüttert werden. Ich habe wie das Ministerium Verständnis dafür, daß personalbearbeitende Stellen bindende Zusagen vermeiden, und meine auch, daß Truppenvorgesetzte Zusagen nur mit Rückendekkung der zuständigen personalbearbeitenden Stelle geben sollten. Unsicherheit in der persönlichen Zukunftsgestaltung ist unangenehm. Schlimmer aber ist es, sich auf vermeintliche Zusagen zu verlassen, sich darauf einzustellen und dann enttäuscht zu werden. Die jederzeitige Versetzbarkeit des Soldaten muß - das möchte ich unterstreichen - gewährleistet bleiben, weil nur so die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr gesichert ist. Daß bei allen notwendigen Versetzungen persönliche Härtefälle möglichst vermieden werden sollten, die Versetzungsfälle auf die unbedingt notwendige Zahl zu beschränken sind und dem Betroffenen dabei die Notwendigkeit der Maßnahmen einsichtig gemacht werden sollte, halte ich für einen wesentlichen Beitrag, das Vertrauen in die Personalführung zu stärken. ({1}) Der seit Jahren bestehende Beförderungsstau, der vom Wehrbeauftragten aufgegriffen wird, ist seit dem Aufbau der Bundeswehr vorprogrammiert. Eine kurzfristig voll befriedigende Lösung ist sicher nicht möglich. Gleichwohl muß erwartet werden, daß nach Lösungen gesucht wird. Besonders dringend ist der Abbau der Chancenunterschiede zwischen den Teilstreitkräften und der Benachteiligung des Heeres. Die Aussage des Bundesministers der Verteidigung: „Das Schließen der Schere STAN/Stellenplan wird als langfristiges Ziel weiterverfolgt", genügt hier nicht. Wenn der Minister schreibt: „Die graduellen Unterschiede zwischen den Teilstreitkräften sind zur Zeit Gegenstand von Untersuchungen", so ist dies zwar zu begrüßen, ich frage mich aber, warum das nicht schon längst in Angrifff genommen wurde. Das Problem hat sich doch nicht erst heute gestellt. Besonders gravierend sind die unterschiedlichen Beförderungsmöglichkeiten in den verschiedenen Ausbildungs- und Verwendungsreihen des militärfachlichen Dienstes. Beim bordtechnischen Dienst der Heeresflieger und bei den Fahrschulleitern ist die Beförderungschance fast gleich Null. Es müssen, wie angekündigt, weitere Ausbildungs- und Verwendungsreihen zusammengefaßt werden, um die Ausgleichmöglichkeiten zu verbessern. Generell stellt sich allerdings für mich die Frage, ob der militärfachliche Dienst eine glückliche Lösung darstellt oder ob er nicht doch überdacht werden sollte. Wäre es nicht zweckmäßiger und für die Betroffenen befriedigender, eine geringe Zahl hoch-qualifizierter Feldwebel in die Offizierslaufbahn des Truppendienstes zu übernehmen und für die anderen einen gehobenen Spitzendienstposten zu schaffen? Die Betreuung und Fürsorge wird vom Wehrbeauftragten lobend erwähnt. Er spricht von einem hohen Niveau. Dem ist zuzustimmen, auch wenn gelegentliche Mängel im Bericht angesprochen werden. Die von den Soldaten geforderte Mobilität, häufige Versetzungen, Kommandierungen zu Lehrgängen, Übungen usw., stellt eine nicht unwesentliche Belastung nicht nur der Soldaten selbst, sondern auch ihrer Familien dar. Wohnungsprobleme, Schulprobleme, Probleme der Integration in das gesellschaftliche Leben, häufige Trennung von der Familie usw. sind Belastungen und Opfer, wie sie kaum von anderen Berufsgruppen gefordert werden. Man sollte dafür auch den Familien einmal danken. Meine Damen und Herren, der, wie ich eingangs sagte, oft mißverstandene oder mißdeutete Bericht des Wehrbeauftragten gibt eine Fülle wichtiger Hinweise und wertvoller Anregungen. Es liegt jetzt am Verteidigungsministerium und an der Truppe, diese aufzugreifen. Ich möchte namens der FDP-Fraktion dem Wehrbeauftragten und seinen Mitarbeitern für die geleistete Arbeit und für die sorgfältige Erstellung des Berichtes, aus dem viel Engagement für unsere Soldaten spricht, herzlich danken. ({2})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Oldenstädt.

Dr. - Ing. Martin Oldenstädt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001644, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer den Bericht 1981 des Wehrbeauftragten liest, der spürt, auch wenn er den Bewertungen im einzelnen nicht zustimmt, das große Engagement, mit dem dieser Bericht geschrieben ist. Da ist Betroffenheit erkennbar. Da sorgt sich jemand. Da wird Hilfsbereitschaft deutlich. Kurz, es äußert sich ein Mann, der mit Leib und Seele bei seiner Aufgabe ist - und deshalb ganz bei den Soldaten, die seiner besonderen Aufmerksamkeit anempfohlen sind. ({0}) Ein gleichermaßen positives Urteil kann ich zu der Stellungnahme des Bundesministers der Verteidigung in weiten Teilen nicht abgeben. ({1}) Den Herrn Wehrbeauftragten müssen schon 1980 ähnliche Gedanken bewegt haben, als er in der Aussprache über seinen Bericht 1979 - wie ich meine, zu Recht - darauf aufmerksam machen mußte, daß nicht er, der Wehrbeauftragte, sondern der Verteidigungsminister der „erste Sachwalter der legitimen Interessen der Soldaten" ist. ({2}) Ich möchte Ihnen ein Beispiel dafür geben, daß der Herr Bundesminister der Verteidigung im Gegensatz zum Wehrbeauftragen seiner Aufgabe offensichtlich nur halbherzig und eher widerwillig nachkommt, ({3}) und dabei bin ich mir durchaus dessen bewußt, daß es zwischen den beiden Positionen Unterschiede gibt, die in der Kompetenz und den Notwendigkeiten des Amtes begründet sind: Der eine kann das Wünschenswerte formulieren, der andere jedoch muß das Machbare tun. Dennoch, Sprache ist verräterisch! ({4}) Im Abschnitt 2.13 - Fürsorge und Betreuung - führt der Wehrbeauftragte aus, daß kostenwirksame staatliche Fürsorgeleistungen zur Zeit nicht erweitert werden könnten. Um so wichtiger sei es, daß der Dienstherr „durch rechtzeitige und umfassende Information für sein Führungsverhalten und seine Maßnahmen das Verständnis der Soldaten" finde. Der Wehrbeauftragte schließt mit dem Satz: Dieses ist jedoch nicht immer gelungen. Der Herr Bundesminister der Verteidigung antwortet darauf mit einer allgemeinen nichtssagenden Floskel und fügt dann noch einen Satz an, der lapidar lautet: „Weitergehende Einschränkungen in diesem Bereich können jedoch die Motivation der Soldaten berühren." ({5}) Sollten Sie, Herr Minister, wirklich noch nicht zur Kenntnis genommen haben, daß der Zeitpunkt, in dem Motivation lediglich „berührt wird", längst vorüber ist, ({6}) daß hingegen in weiten Bereichen und bei vielen Soldaten Vertrauen zerstört und damit Motivation nicht mehr gegeben ist? ({7}) Meinen Kurzbeitrag gliedere ich in zwei Teile auf. In einem ersten Teil behandle ich die Themen „Mißhandlungen", „Drogenmißbrauch" und „Selbsttötungsversuche". Meine Absicht ist dabei, Ihre besondere Aufmerksamkeit, verehrte Kolleginnen und Kollegen, auf die unterschiedlichen Darstellungen und Bewertungen von Sachverhalten durch den Wehrbeauftragten auf der einen und den Verteidigungsminister auf der anderen Seite zu lenken. Zugleich möchte ich eigene Akzente setzen, wobei meine Vorstellungen von der Art der Problemlösung in den genannten Bereichen Bedingungen zur Voraussetzung haben, die ich mit den Worten „Gerechtigkeit" und „Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit" beschreiben möchte. Gerechtigkeit gerät jedoch immer mehr ins Hintertreffen, Mißtrauen breitet sich aus. Dies werde ich belegen. In einem zweiten Teil meiner Ausführungen werde ich die Abschnitte des Berichts „Hauptleute des Truppendienstes und Oberleutnante des militärfachlichen Dienstes" sowie „Fürsorge und Betreuung" einer kritischen Betrachtung unterziehen. Eine Bemerkung vorweg: Die Warnung, die mein Kollege Willi Weiskirch in der Aussprache über den Bericht des Wehrbeauftragten 1980 mit Blick auf die öffentliche Behandlung des Themas „Gewalttätigkeiten in der Truppe" ausgesprochen hat und die er heute in Teilen wiederholt hat, gilt auch für die Themen „Drogenmißbrauch" und „Selbsttötungsversuche". Weder dürfen die Probleme verallgemeinert werden, noch sind es solche, die ausschließlich auf die Bundeswehr beschränkt sind. ({8}) Diese Einschränkungen mindern jedoch nicht die Verpflichtung aller Verantwortlichen - voran des Bundesverteidigungsministers -, sich der Sorgen und Nöte der Soldaten und insbesondere der Grundwehrdienstleistenden mit ganzem Herzen anzunehmen. Zum Abschnitt „Mißhandlungen" darf ich zwei der vom Wehrbeauftragten angeführten Beispiele besonders hervorheben: A) Ein einzelner als gewalttätig bekannter Hauptgefreiter zwingt mitten in der Nacht sechs Soldaten, sich zu duschen. Dazu heißt es im sechsten Absatz: Die Sechs „fürchteten sich und folgten widerstandslos". B) Die Neigung und Bereitschaft zur Gewaltanwendung wird häufig durch die als Drückeberger verschrieenen Opfer sogenannter Lektionen verstärkt, und zwar durch Redensarten wie „die anderen seien selber schuld, wenn sie arbeiten müßten; man brauche j a nur zum Arzt zu gehen". Der Wehrbeauftragte anerkennt zwar die Bemühungen der Streitkräfte im Berichtszeitraum, den Rechtsverletzungen entgegenzuwirken, bleibt jedoch bei der Feststellung, daß diese „nicht immer und überall den erforderlichen Erfolg hatten", und registriert „immer noch Unsicherheiten bei der tatsächlichen und rechtlichen Bewertung derartiger Vorgänge und einen Mangel an Innerer Führung". Der Herr Bundesminister der Verteidigung reagiert auf dieses, wie ich meine, bestürzende, oder doch wenigstens bedenkenswerte Urteil in der schon eingangs charakterisierten ausschließlich administrativen Weise. Die Anzahl der gemeldeten Fälle sei „rein statistisch" gesunken; oder: der Generalinspekteur der Bundeswehr habe in einer „Information für Kommandeure" erklärt, daß „Kameradschaft für die Streitkräfte lebensnotwendig" ist; und schließlich: es stehe zu erwarten, daß „durch die gestärkte Stellung des Vertrauensmannes auch physische und psychische Gewaltanwendungen unter Kameraden im Einzelfall unterbunden, aufgedeckt und insgesamt im Ausmaß noch weiter reduziert werden können". Mit Statistiken, sehr geehrter Herr Bundesminister, mit Informationen, mit Briefen, mit Tagesbefehlen, mit Veröffentlichungen sind die Mißhandlung und die entwürdigende Behandlung von Soldaten offensichtlich und meiner Meinung nach nicht entscheidend zu reduzieren. Auch die Stärkung der Stellung des Vertrauensmannes wird hier wenig helfen, ganz abgesehen davon, daß ein einzelner Vertrauensmann nicht allgegenwärtig sein kann. Der Wehrbeauftragte berichtet, daß einem Vertrauensmann der Mannschaften von einschlägigen Vorfällen nichts bekannt war, obwohl sich diese wochenlang und im Beisein unbeteiligter Soldaten wiederholten. Ich darf auch an die besorgte Mahnung des Herrn Wehrbeauftragten im Verteidungsausschuß erinnern: „Passen Sie auf, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, daß der Vertrauensmann nicht zum Prügelknaben wird!" Die 1980 veröffentlichte Kriminalstatistik für das Jahr 1979 wies darauf hin, daß sich die Zahl der Rauschgiftdelikte alarmierend erhöht habe. Dies veranlaßte den Wehrbeauftragten, diejenigen Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, die ihm im Jahre 1981 als besonderes Vorkommnis in der Bundeswehr bekannt geworden sind, aufzugreifen und auszuwerten. Es zeigte sich, daß die Zahl der BV-Meldungen, die im Jahre 1975 noch 156 betrug, im Jahre 1980 auf 249 und im Jahre 1981 noch einmal überdurchschnittlich stark auf 312 angestiegen war. Und nun wieder die unterschiedliche Beurteilung dieses Sachverhaltes: Dem Wehrbeauftragten gibt die im Laufe der Jahre gestiegene Zahl der Verstöße „Anlaß zur Sorge". Er konstatiert, daß derartige Fehlhandlungen durch Soldaten zu einer Beeinträchtigung der militärischen Ordnung werden können. Er plädiert für eine Ergänzung und Präzisierung der einschlägigen Dienstvorschriften und für eine verbesserte Aufklärung. Der Bundesminister der Verteidigung hingegen wiegelt ab: ({9}) Die steigende Zahl der Verstöße sei nur ein Spiegelbild der wachsenden Drogenerfahrung Jugendlicher außerhalb der Bundeswehr; die Entwicklung bedeute „überschlägig", daß neun von zehn Einheitsführern „keinen Fall von Betäubungsmittelmißbrauch erlebt" hätten; die Einsatzbereitschaft der Truppe sei nicht gefährdet, die Motive für den Mißbrauch seien „an sich nicht bundeswehreigentümlich"; und schließlich: der Bundesminister der Verteidigung beobachte „mit Sorgfalt" und erschließe weitere Möglichkeiten einer gezielten Vorbeugung durch ein Forschungsvorhaben, genannt - nun hören Sie bitte sehr gut zu - „Entwicklung und Standardisierung eines effektiven Programms zur positiven Beeinflussung des Gesundheitsverhaltens der Soldaten". ({10}) Dieser Forschungstitel in seiner geschraubten Umständlichkeit wird das Problem lösen, dessen bin ich ganz gewiß! ({11}) Vielleicht wäre es noch interessant zu erfahren, wer dieses Vorhaben ausführt und was es den Steuerzahler kostet. ({12}) Unter der Überschrift „Selbsttötungsversuche von Soldaten im Grundwehrdienst" teilt der Herr Wehrbeauftragte lediglich mit, daß er seine Fragebogenaktion 1976/77, deren Ergebnis er dem Verteidigungsausschuß in einem Einzelbericht am 30. Januar 1979 vorgelegt habe, nunmehr in der gleichen Weise für den Zeitraum vom 1. August 1980 bis 31. Juli 1981 wiederholt habe. Auch dieses Ergebnis werde er dem Verteidigungsausschuß „alsbald" zur Kenntnis geben. Die Tatsache, daß der Herr Bundesverteidigungsminister in seiner Stellungnahme mit keinem Wort auf diese Ankündigung eingeht, will ich allein darauf zurückführen, daß sich auch der Herr Wehrbeauftragte im Abschnitt 2.6 zur Sache nicht äußert. Dennoch will ich nicht verhehlen, daß mir wenigstens die Andeutung, man sehe der Vorlage des Einzelberichts mit Interesse entgegen, angemessener erschienen wäre; ganz abgesehen davon, daß uns der Einzelbericht inzwischen als Ausschußdrucksache 9/246 vorliegt. Meine Redezeit reicht nicht aus, um Sie auch nur mit einigen wenigen Daten dieses Berichtes vertraut zu machen. Ich möchte mich lediglich zu einigen Schlußfolgerungen äußern. Ich teile die Auffassung, daß es nicht möglich sein wird, alle Selbsttötungsversuche durch präventive Maßnahmen zu verhindern. Dazu sind die Anfälligkeiten, die Motive und Absichten zu unterschiedlich und zu schwer erkennbar. Jedoch ist die Ausschöpfung aller Möglichkeiten schon dann gerechtfertigt, wenn sie nur in wenigen Fällen geeignet ist, junge Soldaten von ihrer Selbsttötungsabsicht abzubringen. Dem Vorschlag des Wehrbeauftragten, der Verteidigungsausschuß möge beschließen: „Der Bundesverteidigungsminister wird aufgefordert, dem Verteidigungsausschuß Vorschläge zu unterbreiten, die geeignet erscheinen, die Zahl der Selbsttötungsversuche zu mindern", werden wir, die Mitglieder des Verteidigungsausschusses - dessen bin ich sicher -, uneingeschränkt folgen. Was ist nun aus meiner Sicht notwendig, um mit jenen Nöten fertig zu werden, wie ich sie mit Bezug auf drei Abschnitte des Wehrbeauftragtenberichtes noch einmal schlaglichtartig beleuchtet habe? Wir brauchen jedenfalls nicht in erster Linie neue Richtlinien und Dienstvorschriften. Wir brauchen vielmehr erstens Vorgesetzte, die, von überhandnehmenden Repräsentationspflichten befreit und von unerträglicher Bürokratie entlastet, in der Truppe wieder wirklich präsent sein können, Einheitsführer - um eine Erkenntnis des Wehrbeauftragten aus der Plenardebatte am 14. Mai 1981 über den Wehrbeauftragtenbericht 1980, leicht abgewandelt, aufzugreifen -, die wieder verantwortungsvoll handeln können, die „die Hand am Puls ihrer Soldaten" haben und die in die Lage versetzt werden, Mißstände der geschilderten Art bereits im Keime zu ersticken und weiteren Schaden abzuwenden. Wir müssen zweitens einen wesentlichen Grund dafür beseitigen, daß die Kameradschaft Not leidet. Dieser Grund besteht darin - er ist sicherlich nicht der einzige, aber eben ein wesentlicher; ich zitiere den Wehrbeauftragten -, daß sich nach Dienst einige Kasernen weitgehend leeren und ein sehr großer Teil der Soldaten bis zum nächsten Morgen in den privaten Bereich zurückkehrt. Der in der Kaserne verbleibende, meist heimatfern einberufene Soldat erfährt dabei vor allem das Gefühl der Isolierung. Die Gemeinschaft während des Dienstes findet ihre Fortsetzung nicht nach Dienst. Wichtige Voraussetzungen für das Entstehen und Wachsen von Kameradschaft fehlen damit. ({13}) Wer aber die verstärkte Präsenz von Vorgesetzten und Soldaten in unseren Kasernen für erforderlich hält, muß auch fragen, ob die Motivation dafür gegeben ist, ob die Rahmenbedingungen so sind, daß idealistische Haltungen - und die sind hier gefragt - überhaupt denkbar sind. Die negativen Wirkungen des Verwendungsstaus auf die Motivation der Einheitsführer sind bereits hinreichend und, wie ich meine, überzeugend dargestellt worden. Im übrigen stammen Formulierungen wie: „Ich sehe die Probleme des Verwendungsstaus genauso dramatisch an", ja nicht von uns, sondern vom Bundesverteidigungsminister. Die Probleme sind also unstrittig. Eine Bemerkung möchte ich jedoch noch anfügen. In der Stellungnahme zum Wehrbeauftragtenbericht heißt es: Die Hauptursache für den Verwendungs- und Beförderungsstau liegt in der unausgewogenen Altersstruktur der Berufssoldaten. Dieser Ursache kann nur langfristig begegnet werden. Das muß in den Ohren desjenigen, der länger als zehn Jahre Oberleutnant des militärfachlichen Dienstes ist, hervorragend beurteilt und mehrfach für besondere Leistungen ausgezeichnet wurde, aber immer noch nicht weiß, wann er zum Hauptmann befördert werden wird, wie blanker Hohn klingen. ({14}) In dem Abschnitt „Fürsorge und Betreuung" bekennt der Wehrbeauftragte, daß er Verständnis für die Kritik der Grundwehrdienstleistenden daran habe, daß die Wehrsolderhöhung zum 1. Juli 1981 per Saldo durch den Wegfall der Sparförderung von monatlich bis zu 50 DM zu einem Verlustgeschäft geworden sei. Ich teile dieses Verständnis mit dem Wehrbeauftragten. Kein Mensch kann doch verstehen, daß er eben noch eine Wehrsolderhöhung als Ausdruck „der Wertschätzung jenes Dienstes und der ihm damit auferlegten Verpflichtung" befeiern soll, die ihm aber nach einem halben Jahr wieder abkassiert wird. Hier ist, wie bei den Offizieren und Unteroffizieren im Verwendungsstau, ebenfalls Vertrauen zerstört worden. Die Empörung und Verbitterung, von der der Wehrbeauftrage spricht, haben wir alle bei unseren Truppenbesuchen und bei anderen Gelegenheiten erfahren. Das Ausmaß des Unmuts ist auch daran ablesbar, daß aus den 70 Einzeleingaben, über die der Wehrbeauftragte in einem Brief an den Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses mit Datum vom 21. Dezember 1981 berichtete, inzwischen 260 geworden sind. Dazu kommen noch zwei Sammeleingaben mit insgesamt 410 Unterschriften. Ich fasse zusammen: Was die Bundeswehr braucht, um mit Problemen wie Mißhandlung, Drogenmißbrauch und Suizidanfälligkeit besser fertig zu werden, ist mehr menschliche Hinwendung der Vorgesetzten gegenüber den Untergebenen, aber auch der Soldaten derselben Gruppe untereinander. Voraussetzung dafür ist jedoch, daß die Soldaten das Vertrauen in eine als gerecht empfundene Politik wiedergewinnen. Diese Voraussetzung zu schaffen ist die amtierende Bundesregierung nicht mehr in der Lage - ein weiterer Grund dafür, sie möglichst bald abzulösen. ({15})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat Herr Abgeordneter Heistermann.

Dieter Heistermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000854, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dem Wehrbeauftragten ist zuzustimmen, daß das öffentliche Interesse am inneren Zustand der Streitkräfte und an der Situation der Soldaten überlagert war von Fragen nach dem notwendigen Umfang und der Finanzierung von Rüstungsvorhaben, den Möglichkeiten einer Rüstungskontrolle, der zukünftigen Stationierung weiterer Atomwaffenträger auf deutschem Boden und auch über den richtigen Weg zur Sicherung des Friedens. Ich füge aber hinzu: Auch andere Fragen - hier erwähne ich nur den Tornado-Untersuchungsausschuß - haben mit dazu beigetragen, das Bild der Bundeswehr in der Öffentlichkeit zu verwischen. Die öffentliche Diskussion über Ziele und Wege der deutschen Sicherheitspolitik im Rahmen des Atlantischen Bündnisses darf uns aber nicht dazu führen, die tagtäglichen Sorgen und Nöte der Soldaten damit zu überdecken. Es gibt nicht nur ethische und moralische Grundfragen über den richtigen Weg zum Frieden, sondern es gibt genauso, wie ich meine, wichtige Fragen der Ethik und Moral im Bereich der Inneren Führung der Bundeswehr. Wenn der Wehrbeauftragte Mißhandlungen und entwürdigende Behandlungen von Soldaten sehr eingehend am Einzelfall schildert, dann doch sicherlich mit dem Motiv, immer wieder darauf hinzuweisen, wie wichtig es ist, diesen Verstößen nachzugehen. Wenn auch die Feststellung gilt, daß der Einzelfall nicht verallgemeinert werden darf, so kann aber auch nur über ihn deutlich gemacht werden, welche Schikanen und Verstöße begangen worden sind. Die umfangreichen Darstellungen über die Einzelfälle erlauben den zuständigen Dienstvorgesetzten nachzuvollziehen, welchen unwürdigen Handlungen Soldaten ausgesetzt werden können. Wir unterstützen den Wehrbeauftragten mit seiner Forderung, daß Kameradenmißhandlungen nicht als eine Form der internen Konfliktregelung unkritisch akzeptiert oder aus Furcht vor Bloßstellung oder vor weiteren Mißhandlungen schweigend ertragen werden. Vorgesetzte müssen tatsächlich das richtige Empfinden dafür entwickeln und auch bei ihren Untergebenen schärfen, Mißbräuche jeder Art unnachgiebig zu verfolgen. Nur so lassen sich Veränderungen erreichen. Ich spreche insbesondere die Inspekteure an, nicht nachzulassen, die jeweiligen Vorgesetzten hierzu dauernd anzuhalten. Der Bericht über den Umgang mit Waffen liest sich teilweise wie ein Kriminalroman. Was da an Einzelschilderungen deutlich wird zeigt, wie wichtig es ist, diesem Problem eine besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Obwohl auch hier eine Verallgemei6328 nerung nicht angemessen ist, so darf doch nicht übersehen werden, daß auch das BMVg die Besorgnis äußert, daß die Unfälle mit Waffen und Munition der Anzahl nach zugenommen haben. Die SPD-Bundestagsfraktion bittet das BMVg, sicherzustellen, daß alle Verantwortlichen darauf hingewiesen werden, daß die Sicherheitsbestimmungen im Umgang mit Waffen und Munition und Gerät im Ausbildungs- und Waffendienst eingehalten werden. Das Thema Dienstzeitbelastung, das der Wehrbeauftragte mit aufgreift, und deren finanzieller oder durch Freizeit zu gewährender Ausgleich wird uns auch zukünftig zu beschäftigen haben. Auch das neue Modell, das vorgelegt worden ist, ist j a nach dem einstimmigen Beschluß des Verteidigungsausschusses nochmals zur Überprüfung an die militärische Führung zurückgegeben worden. Aber wer sich damit befaßt hat, wird auf zwei Besonderheiten stoßen. Berichte vom Gammeldienst der Wehrpflichtigen einerseits und Dienstzeitbelastungen vor mehr als 60 Stunden andererseits scheinen ein Widerspruch in sich zu sein. Unverkennbar ist nach meiner Auffassung, daß in einigen Bereichen eine Mehrbelastung hinsichtlich der Dienstzeit eingetreten ist; das ist nicht zu bestreiten. Unverständlich sind nach unserer Meinung in diesem Zusammenhang allerdings die Diskussionsäußerungen, die besagen, man können nur durch einen entsprechenden finanziellen Ausgleich zur Lösung dieses Problems beitragen. Zu fragen ist doch: Was haben eigentlich die Soldatenfamilien davon, wenn der einzelne Soldat mit 90 Mark mehr Entgelt im Monat abgespeist wird? Im Vordergrund aller Bemühungen hat nach unserer Auffassung deshalb der Abbau der Dienststundenzahl zu stehen, soweit er vertretbar und auch erreichbar ist. ({0}) - Ich bin mir darüber im klaren, Herr Würzbach, daß es eine 40-Stunden-Woche bei der Bundeswehr in Reinkultur nicht geben kann. Aber ebenso bin ich mir sicher, daß eine Reihe von Dienststunden vermeidbar sind. Wir haben im Ausschuß ja bereits erste Diskussionen darüber geführt. Wir unterstützen den Inspekteur des Heeres in seinen Bemühungen, die Jahresgesamtleistung an Dienststunden deutlich abzusenken. Das BMVg sollte den Verteidigungsausschuß über die praktischen Erfahrungen recht bald unterrichten. Daß Fürsorge und Betreuung in der Bundeswehr weiterhin ein hohes Niveau haben - und dies ist die Feststellung des Wehrbeauftragten -, dieser Wertung stimmen wir ausdrücklich zu. Wir verkennen allerdings auch nicht den Unmut, der insbesondere durch den Wegfall der Sparförderung von monatlich bis zu 50 DM bei grundwehrdienstleistenden Soldaten eingetreten ist. Wir haben Verständnis für diesen Unmut, der hier geäußert wurde. Es ist sicherlich kein Trost für die Soldaten, wenn entsprechende Lebens- und Altersversicherungen weiterhin gefördert werden. Ich sage hier und bekenne auch ganz offen, daß diese Entscheidung des Parlaments kritikwürdig ist. Wir Sozialdemokraten haben uns aber die Aufgabe gesetzt, die Situation der Grundwehrdienstleistenden erneut aufzugreifen. Wir wollen wie im vorigen Jahr Verbesserungen für Wehrpflichtige, die damals eingetreten sind. Ich erinnere nur an die Wehrsolderhöhung, an das Entlassungsgeld. All das enthebt uns aber nicht unserer Verpflichtung, auch zukünftig weitere sorgsame Prüfungen vorzunehmen. Das Problem der Truppenunterkünfte ist trotz aller Fortschritte immer noch nicht ausreichend gelöst. Es bedarf hier weiterer Anstrengungen. Wir anerkennen, daß für Sanierungsmaßnahmen jährlich 250 Millionen DM eingesetzt sind und durch das Sofortprogramm ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung getan wurde. Ebenso begrüßen wird, daß es den Soldaten ermöglicht wurde, im Rahmen von Eigeninitiativen die Wohnqualität der Unterkünfte zu verbessern. Hier kann man nur anmerken: Größere Flexibilität könnte auch in anderen Bereichen von Nutzen sein. ({1}) Es würde zu weit führen, alle wichtigen Anregungen hier aufzugreifen und darzustellen, die sich im Bericht des Wehrbeauftragten wiederfinden. Für meine Fraktion kann ich aber erklären, daß wir sowohl den kritischen als auch anderen Hinweisen des Wehrbeauftragten nachgehen werden. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich resümieren und ergänzen: Viele der Probleme, die der Wehrbeauftragte in seinem Jahresbericht darstellt, sind nicht bundeswehrspezifisch. Sie hängen wesensmäßig zusammen mit der Struktur solcher Organisationsformen, wie auch die Bundeswehr sie darstellt. Sie beruhen auf menschlichem Versagen und auf Schwächen der menschlichen Natur. Diese Mängel können wir daher auch nicht restlos beseitigen und grundsätzlich lösen. Aber wir können sie in einem hohen Maße eindämmen. Und es ist der politische Wille der SPD-Bundestagsfraktion, alles zu tun, was menschenmöglich ist. Dies geschieht aber nicht nur durch die Kontrollfunktion, die der Wehrbeauftragte dadurch wahrnimmt, daß er wie mit einem Spiegel die menschlichen und auch organisatorischen Schwachstellen aufzeigt, sondern auch dadurch, daß er für viele Soldaten in bedrängter Situation zugleich eine wirksame Hilfe ist. Deshalb danken wir dem Wehrbeauftragten für seine Arbeit im Dienst der Soldaten. Wir haben uns aber auch gleichzeitig zu fragen, ob wir selbst - und hier spreche ich in erster Linie den Verteidigungsausschuß an - in den vergangenen Monaten unserer Fürsorgeverpflichtung gegenüber den Soldaten voll nachkommen konnten. Ich bin sehr erstaunt, wie die betreffenden Kollegen aus den Reihen der Opposition in der heutigen Debatte aufgetreten sind. Ihr heute leidenschaftliches Eintreten für die Sorgen der Soldaten, ({2}) das ich Ihnen nicht abspreche, war in dem zurückliegenden Jahr tatsächlich nicht so groß, wie rhetorische Pflichtübungen hier jetzt vermuten lassen könnten. ({3}) Im Interesse der Soldaten und im Interesse der Bundeswehr überhaupt lag es nämlich nicht, daß der Verteidigungsausschuß des Deutschen Bundestages als Untersuchungsausschuß seine Energien in einem länger als zwölf Monate währenden aufreibenden Verfahren vergeudete. ({4}) Es lag nicht im Interesse der Soldaten, nicht im Interesse der Bundeswehr, daß der Verteidigungsausschuß des Deutschen Bundestages als Untersuchungsausschuß seine Aufmerksamkeit in 14 Sitzungen einem einzelnen Waffensystem letztlich nur unter dem Aspekt selbstsüchtiger politischer Interessen gewidmet hat. ({5}) - Feststeht, Herr Kollege Würzbach, daß dieses Spektakel nicht nur die eigentliche Arbeit des Verteidigungsausschusses behindert; sondern das Ansehen dieses Ausschusses und der Bundeswehr selbst in der Bevölkerung unerträglich belastet hat. ({6})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter Heistermann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Biehle?

Dieter Heistermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000854, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident, da ich am Ende meiner Rede bin, ({0}) möchte ich darauf verzichten. Die Zusammenarbeit mit der Opposition ist wahrlich nicht leicht, aber wir sind dazu bereit, Herr Kollege Würzbach. ({1}) Die Soldaten der Bundeswehr dürfen sich darauf verlassen, daß immer dann, wenn es um ihre ureigensten Probleme, um die Probleme ihrer Familien geht, wir Sozialdemokraten an ihrer Seite sind. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({2})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Bundesminister der Verteidigung.

Dr. Hans Apel (Minister:in)

Politiker ID: 11000043

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich an dieser Stelle in die Debatte eingreifen, wohlwissend, daß nach meiner Intervention auch noch Fragen auftauchen könnten und wahrscheinlich werden. Ich möchte eine Vorbemerkung machen. Sicherlich ist der Bericht des Herrn Wehrbeauftragten Grund und Anlaß dafür, eine Reihe von kritischen Bemerkungen zu machen. Das ist ja auch Zweck der Institution des Wehrbeauftragten. Auf der anderen Seite sollten wir aber auch mit einem gewissen Stolz darauf hinweisen, daß wir diese Institution haben. Der Bericht ist ein Beweis dafür, daß nach 27 Jahren die Innere Führung zwar der Korrektur durch den Herrn Wehrbeauftragten und auch durch den Deutschen Bundestag ebenso wie durch den Minister bedarf, aber insgesamt zeigt er auch, daß unsere bewaffneten Streitkräfte, die Bundeswehr, in Ordnung sind. ({0}) Nun zu einigen Sachfragen. Mehrere Debattenredner - so z. B. auch Sie, Herr Abgeordneter Weiskirch - haben, wie ich finde, zu Recht darauf hingewiesen, daß es nicht angehen kann, daß die Soldaten der Bundeswehr, wenn Sie so wollen, ihren eigenen Auftrag rechtfertigen. Die bewaffneten Streitkräfte sind von uns gewollt, vom deutschen Volk gewollt. Sie sind Teil der militärischen Integration. Sie sichern unseren Frieden und unsere Freiheit. Die Rechtfertigung ihrer Existenz ist von uns vorzunehmen. ({1}) Es darf nicht sein, daß dieses an Soldaten abgetreten wird. Dennoch sind wir, denke ich, alle einer Meinung in der Hinsicht, daß es geboten ist, daß auch aktive Soldaten ihren Sachverstand in diese Debatte einbringen. Es wäre nicht gut, wenn sich erst Pensionäre zu Wort meldeten - und dann in einer Weise, die auch Fragen aufwirft. ({2}) Zu einem zweiten Punkt. Alle Fraktionen haben hier die Kürzungen im Bereich der Sparpauschale - sicherlich sind, obwohl noch nicht erwähnt, hier auch die Kürzungen im Bereich der Rentenversicherung einzubeziehen - beklagt. Ich will diese Problematik gar nicht wegschieben. Es ist eine echte Problematik. Wenn wir aber darüber debattieren, müssen wir zu Anfang der Debatte sagen, daß beides hier im Deutschen Bundestag von allen Fraktionen so beschlossen worden ist. Es hat keinen Zweck, wegzudebattieren, daß das Haushaltsstrukturgesetz, das beide Bestandteile, die ich dargestellt habe, beinhaltet, nach einem langen Vermittlungsverfahren hier im Deutschen Bundestag von allen Fraktionen einvernehmlich angenommen worden ist. ({3}) - Eine Sekunde. Wenn Sie meinen, Herr Abgeordneter Dr. Wörner, natürlich gebe es hier Führungs6330 funktionen der Bundesregierung, und sie könne Verantwortung nicht wegdelegieren, so sei dies von vornherein konzediert. Ich werde darüber gleich zu sprechen haben.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Hans Apel (Minister:in)

Politiker ID: 11000043

Ja, sehr gerne, wenn dies die Redezeit nicht ungebührlich beschränkt.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Die Redezeit der Minister unterliegt keiner Beschränkung, außer durch Sie selbst, Herr Minister.

Dr. Hans Apel (Minister:in)

Politiker ID: 11000043

Alles klar. - Bitte schön.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Herr Abgeordneter Dr. Wörner!

Dr. Manfred Wörner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002547, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, völlig unabhängig von der Tatsache, daß es sich hier um ein Paket handelte, das in der dritten Lesung in der von Ihnen beschriebenen Form verabschiedet wurde, möchte ich Sie fragen, ob Ihnen bewußt ist, daß die CDU/CSU-Fraktion in zweiter Lesung gerade jenen Änderungen, die Sie eben genannt haben, nicht zugestimmt hat, um damit deutlich zu machen, daß wir diese Maßnahmen nicht billigen?

Dr. Hans Apel (Minister:in)

Politiker ID: 11000043

Mir ist das sehr wohl bewußt, Herr Dr. Wörner. Am Ende haben Sie dieses Paket aber akzeptiert, wie auch wir Maßnahmen, die der Bundesrat dazugepackt hat und die im übrigen jetzt korrigiert werden, akzeptiert haben. ({0}) Es hat keinen Zweck, auf diese Art und Weise Versteck zu spielen. Wir tragen alle Verantwortung. Wie gesagt, daß die Bundesregierung eine besondere Verantwortung in dieser Frage trägt, ist von der Verfassung gewollt und von mir nicht wegzudebattieren. Ich muß nur hinzufügen, daß es natürlich bei einer allgemeinen Einschränkung der Sparförderung einer gewissen Sachlogik nicht entbehrt, wenn in diesem Bereich auch bei den Soldaten gespart wird. Für mich liegt das Problem - das möchte ich hier ganz ruhig sagen - im übrigen ganz woanders. Das haben, glaube ich, auch einige Debattenredner aufgegriffen. Es geht um die Frage: Wie halten wir es eigentlich mit der Wehrgerechtigkeit. Der Jahrgang 1962, dessen Angehörige jetzt neben anderen zum Wehrdienst anstehen, umfaßt 479 000 Männer. Davon stehen 455 000 zur Verfügung; andere sind im Ausland, in Berlin und anderswo. Davon sind 332 000, nämlich 69 %, tauglich. Nun beginnt das Problem. Von diesem Jahrgang ziehen wir, auf den Gesamtjahrgang bezogen, 58 % ein. Wenn wir diesen Jahrgang ganz voll ausschöpfen würden - wir ziehen ihn nicht voll ein, weil wir derzeit die geburtenstarken Jahrgänge haben -, würden wir etwa 63 einziehen. Wenn wir dann noch die etwa 8 % Zivildienstleistenden dazurechnen, wird deutlich, daß eine stattliche Zahl keinen Dienst leistet und auch eine stattliche Zahl, nämlich 33 000 aus diesem Jahrgang, über Wehrdienstausnahmen befreit werden. Wenn ich mit Wehrpflichtigen über die Frage der Sparprämie debattiere, dann ist das eigentlich ihr Problem. Sie sagen: Okay, wenn mir das weggenommen wird, kann ich das nicht gut finden. Aber wie ist es eigentlich mit denen, die, aus welchen Gründen auch immer, keinen Wehrdienst leisten? ({1}) Das ist die berechtigte Frage, die hier gestellt wird. ({2}) Ich denke, über diese Frage müssen wir effektiver nachdenken, ohne daß ich hiermit irgendwelche Ankündigungseffekte mache. Wir müssen über diese Frage im übrigen effektiv nachdenken, weil wir - ({3}) - Nein, Herr Dr. Marx, wir werden ganz schnell darüber nachdenken müssen, weil wir in ganz kurzer Zeit in den geburtenschwachen Jahrgängen sein werden und dann ohnehin zu einer sehr viel stärkeren Ausnutzung des jeweiligen Aufkommens kommen müssen. Wir werden Ihnen noch in diesem Monat unsere Vorschläge dazu machen, nämlich dann, wenn Ihnen der Bericht der Langzeitkommission vorgestellt wird. ({4}) Damit komme ich zu einem weiteren Punkt. Herr Kollege Horn hat über die effektivere Nutzung der Dienstzeit gesprochen, andere Kollegen haben über das sogenannte Gammeln gesprochen. Gammeln ist ein Sammelbegriff für vieles, was in der Bundeswehr unabdingbar ist; denn es ist eben eine Präsenzarmee. Aber wir werden uns gerade mit dieser Frage noch deutlicher und insbesondere auch im Dialog mit jungen Männern auseinandersetzen müssen, ihnen sagen müssen, daß das Vorhandensein, die Präsenz von Soldaten Abschreckung und damit Friedenssicherung bedeutet. Dies werden wir tun müssen, weil wir am Ende dieses Jahrzehnts gar nicht darum herumkommen, die Wehrpflicht zu verlängern. Wenn die Wehrpflicht von 15 auf z. B. 18 Monate verlängert werden müßte - ich sehe diese Notwendigkeit ab 1986/87 -, dann stellt sich noch stärker die Frage, wie wir jungen Männern erklären können, daß sie 18 Monate Soldat sein müssen, obwohl sie bei sich selbst - ich meine in gewissem Sinne zu Recht - das Gefühl haben, sie hätten nun all das gelernt und begriffen, was man eigentlich brauchte, um das Soldatsein wirkungsvoll werden zu lassen, eine ganz wichtige Debatte sinnvoll werden zu lassen. Sehr verehrte Frau Kollegin, hier ist sicherlich sehr viel zu verändern und zu verbessern. Aber am Ende bleibt Präsenz nach, und die BundesBundesminister Dr. Apel wehr kann nicht jeden Tag ein großes Abenteuer bieten. ({5}) Ich will bei dieser Gelegenheit Bemerkungen zum Thema Spitzendienstzeitbelastung und finanzieller Ausgleich machen, weil das ein Teil der allgemeinen öffentlichen Debatte ist. Ich glaube, wir haben alle ein Interesse daran - wenigstens ist das bisher die Meinung des Parlaments gewesen -, daß es nicht darum gehen kann, mehr Geld für höhere Dienstzeitbelastung zu bezahlen, sondern daß es das prioritäre Ziel ist, Dienstzeitbelastung zu reduzieren. ({6}) Insofern ist das, Herr Kollege Würzbach, was der Inspekteur des Heeres vorgeschlagen hat und was beim Herrn Wehrbeauftragten auch eine durchaus positive Aufnahme gefunden hat, richtig, und es weist in die richtige Richtung. ({7}) Da mag uns in der Information der Truppe die eine oder andere administrative Panne unterlaufen sein, was ich gar nicht wegdebattieren will und was auch der Herr Wehrbeauftragte sagt. Aber der Weg muß fortgesetzt werden. ({8}) - Augenblick, Herr Kollege Dr. Wörner -, obwohl ich bei meinen Truppenbesuchen genügend Soldaten finde, die diesen Weg kritisch betrachten, weil sie sagen: Die 90 DM im Monat sind im Jahr 1080 DM, auf die ich eigentlich nicht verzichten kann. Dennoch müssen wir diesen Weg gehen, nicht zuletzt um die Attraktivität der Bundeswehr in diesem Jahrzehnt, insbesondere bei den Zeit- und Berufssoldaten, zu erhalten. Bitte schön.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Zu einer Zwischenfrage, Herr Abgeordneter Dr. Wörner.

Dr. Manfred Wörner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002547, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wir alle - ich denke, auch Sie - werden bei Truppenbesuchen immer wieder gefragt - und diese Frage richte ich jetzt in diesem Parlament an Sie -, wie die Dienstzeit heruntergefahren werden soll, wenn die Einsatzbereitschaft, wie es in demselben Befehl heißt, nicht angetastet werden darf, und gleichzeitig der Truppe weitere, zusätzliche Aufgaben übertragen werden sollen, statt die Aufgaben logischerweise herabzusetzen. Halten Sie das für ein Beispiel eines Befehls, der dem Grundsatz der inneren Führung entspricht?

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Herr Abgeordneter Dr. Wörner, würden Sie bitte die Antwort am Mikrophon entgegennehmen.

Dr. Hans Apel (Minister:in)

Politiker ID: 11000043

Herr Abgeordneter Dr. Wörner, es hat keinen Zweck, hier in allgemeinen Floskeln zu debattieren. ({0}) - Ja, schauen Sie sich die Segelanweisung des Inspekteurs des Heeres an, der in einer Reihe von Punkten sehr präzise sagt, wie es gehen kann, ohne daß auf diese Art und Weise die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr, hier insbesondere der Teilstreitkraft Heer, reduziert wird. Sie werden sehen, daß es eine ganze Reihe Schritte gibt, die ganz konkret in diese Richtung führen, ohne die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr zu reduzieren. Ich gebe allerdings zu, daß das auch Abschiednehmen von einer Reihe von liebgewordenen Gewohnheiten heißt. Am Ende - Herr Dr. Wörner, da sind wir uns einig - bleibt das Problem nach. Die 40- Stunden-Woche ist auf diese Weise nicht zu erreichen. Deswegen werden wir eine ganze Reihe von dienstgebundenen, aber auch dienstzeitgebundenen Zulagen benötigen. ({1}) - Ich möchte jetzt nicht in einen Dialog mit Ihnen eintreten. Schließlich muß ich auch an meine nachfolgenden Kollegen denken. Meine Redezeit wird der Koalition angerechnet, wie ich informiert bin. Ich komme zu einem nächsten Punkt, dem Verwendungsstau. Ich gebe zu, daß die Kritik, die von vielen Seiten kommt, berechtigt ist. Es handelt sich um ein zentrales Problem. Aber bitte, meine Damen, meine Herren, Sie alle wissen, daß mit großer Wahrscheinlichkeit im öffentlichen Dienst jetzt zum drittenmal - 1981, 1982 und 1983 wieder - insgesamt um einige Prozentpunkte gekürzt wird, d. h. Stellen wegfallen, der öffentliche Dienst zusammengepreßt wird. Wir kriegen, so hoffe ich, erneut 500 Stellen zur Realisierung der Heeresstruktur 4. Das ist auch ein Beitrag zum Abbau des Verwendungsstaus. Nur, hat es keinen Zweck, hier Dinge zu beschwören, die derzeit nicht machbar sind, bei all der Problematik, die damit verbunden ist und die ich nicht wegdebattieren will. Herr Kollege Popp, Sie haben recht, zwischen den Teilstreitkräften Heer, Luftwaffe und Marine gibt es im Offizierkorps sehr unterschiedliche Beförderungschancen. Sie haben gefragt: Wann tut ihr endlich etwas? Ich kann Ihnen heute mitteilen, daß wir den ersten Schritt beschlossen haben, daß wir im zentralmilitärischen Bereich, dort, wo alle Teilstreitkräfte mit ihren Beförderungschancen zusammenkommen, zu eine Umschichtung zugunsten der Teilstreitkraft Heer kommen werden, die gegenüber den beiden anderen Teilstreitkräften in einem hohen Maße benachteiligt ist. Dies ist bereits beschlossen. Es hält sich natürlich in Grenzen. Darüber hinaus wollen wir noch in diesem Jahr einen Zehnjahresplan vorlegen, mit dem wir die Beförderungsungleichheiten zwischen den Teilstreitkräften abbauen und zum Verschwinden bringen. Im militärfachlichen Bereich ist das zwangsläufig sehr viel schwieriger. Hier können wir eigentlich nur den Weg des Abbaus und der Zusammenfassung von Ausbildungs- und Verwendungsreihen gehen, den Weg des möglichen Wechsels von ungünstig zu günstig strukturierten Ausbildungs- und Verwendungsreihen. Dienstposten sind neu zu bewerten und auch Zuordnungen von Dienstposten zu Laufbahnen zu ändern. Herr Kollege Oldenstädt, aus Ihren Ausführungen will ich nur einen Punkt aufgreifen: Selbstmorde, Suizide bei der Bundeswehr. Sie sagen zu Recht, daß hierüber mit dem Verteidigungsausschuß, mit der Truppe diskutiert werden muß, weil wir über die Zahl natürlich beunruhigt sind. Nur hat es keinen Zweck, hier an den Tatbeständen vorbeizugehen. Bezogen auf je 100 000 Männer im Alter von 20 bis 25 Jahren - das ist die Generation, die wir bei der Bundeswehr treffen - hat die Bundeswehr stets einen sehr viel geringeren Anteil an Selbstmorden gehabt als der Bereich außerhalb der Bundeswehr, als der zivile Bereich. Nur die letzten Zahlen: Auf 100 000 männliche Personen - wie gesagt, das bezieht sich auf die Zwanzig- bis Fünfundzwanzigjährigen - kamen 1978 33 Selbstmorde im zivilen Bereich, bei der Bundeswehr waren es 13. In dem Bereich hat sich das immer so eingependelt. Ich will das Problem zwar nicht verniedlichen, aber man muß es, glaube ich, einordnen und in die richtigen Größenordnungen bringen. Dennoch bleibt es - ich gebe Ihnen das zu - ein Problem; wir müssen darüber debattieren. Eine weitere Bemerkung: Herr Wehrbeauftragter, Sie haben in Ihrem Bericht bemängelt - auf Ihre sehr vorsichtige und vornehme Art -, daß wir bei den Versetzungen, die sich aus der Verwirklichung der Heeresstruktur 4 wohl falsche Zahlen angegeben hätten. Sie sagen - ich zitiere Sie wörtlich -, die Versetzungsrate überschreite erheblich das, was angekündigt worden sei. Was ist angekündigt worden? Der Inspekteur des Heeres, damals General Hildebrandt, hat im Oktober 1979 gesagt: Diese nun so veränderte Heeresstruktur 4 wird 1 500 bis 2 000 Versetzungen bringen; das war seine Schätzung. Wir stellen heute fest, daß wir - das Jahr 1982 einbezogen, Herr Wehrbeauftragter - auf 2 250 Versetzungen kommen werden. Wir liegen also zwar etwas oberhalb der Grenze von 2 000, aber von „erheblich überschritten" kann überhaupt nicht die Rede sein. Vielmehr haben wir hier in der Tat nicht schlecht geschätzt. Das heißt nicht, daß die Heeresstruktur 4 nicht auch Probleme bringt, auch für die Soldaten, die versetzt werden, aber sie halten sich doch in den Grenzen, die wir uns vorgestellt hatten. Letzte Bemerkung: Ich denke, die Institution des Wehrbeauftragten ist unverzichtbar. Es kommt darauf an, daß das Verteidigungsministerium in seiner ganzen Größe, in seiner ganzen Komplexität und der Minster selbst einer dauernden, kritischen Betrachtung unterworfen werden. Insofern darf ich als Bundesminister der Verteidigung im Namen der gesamten Bundeswehr Ihnen für Ihre Arbeit, für Ihre kritische Begleitung unserer Arbeit danken und Ihnen weiterhin alles Gute wünschen. - Schönen Dank. ({2})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Voigt ({0}).

Ekkehard Voigt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002386, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Wehrbeauftragte hat seinen Bericht 1981 vorgelegt. wenn ich ihn in drei Kurzformeln zusammenfasse: umfassend in seiner Analyse, kritisch im Detail und richtungweisend mit seinen Vorschlägen. Das kann man von der Stellungnahme des Herrn Verteidigungsministers sicher nicht sagen. Da wird die Problematik der Sparprämien verniedlicht, da wird die Problematik der Wehrgerechtigkeit angesprochen, als ob dies ein neues Problem wäre, und die eigentlichen Probleme der Truppe werden überhaupt nicht angesprochen. ({0}) Meine Damen und Herren, ich habe mir einmal die Mühe gemacht, die Berichte des Herrn Wehrbeauftragten aus den vergangenen Jahren durchzusehen. Ich muß feststellen: Eine Umsetzung seiner vielen Vorschläge, die wir auch hier beraten haben, die Umsetzung der Vorschläge von Kollegen aller Fraktionen ist nicht erfolgt. Entscheidungen hinsichtlich des Abbaus des Beförderungs- und Verwendungsstaus, hinsichtlich der problematischen Personallage usw., Entscheidungen, die von der Bundesregierung hätten getroffen werden müssen, sind nicht gefallen. Das heißt, die Truppe wird mit ihren Problemen von dieser Bundesregierung allein gelassen. Da wird hier vom Verteidigungsminister zwar gesagt: „wir sind stolz auf die Institution des Herrn Wehrbeauftragten", „diese Institution ist unverzichtbar", „wir wollen immer eine kritische Betrachtung durch den Wehrbeauftragten", doch ist es für mich und meine Kollegen, meine Damen und Herren, in der Tat deprimierend, festzustellen - ich sage das sicher auch für den Herrn Wehrbeauftragten und seine Mitarbeiter -, daß wir in jedem Jahr die gleichen Dinge behandeln, beraten, erörtern, diese Bundesregierung aber nicht in der Lage ist, die nötigen Entscheidungen zu fällen, so daß die Lage in den Streitkräften immer alarmierender geworden ist! ({1}) Das kommt mir manchmal so vor, als ob wir Abonnenten in einem Theaterverein wären: Jedes Jahr warten wir gespannt auf die „neue Aufführung", der Vorhang geht zur Seite, und siehe da, der Schriftsteller präsentiert im Grunde genommen das gleiche Stück, mit dem gleichen dramaturgischen, sorgenvollen Inhalt. Die politischen Akteure wechseln zwar, aber der ministerielle Hauptdarsteller hat den Sinn dieses Stückes noch nicht verstanden; er identifiziert sich auch nicht mit diesem Stück. ({2}) Alle Berichte des Wehrbeauftragten, so auch dieser, sind zwangsläufig Mängelberichte über die Streitkräfte. Aber jeder Bericht zeigt auch - und darauf möchte ich aufmerksam machen - deutlich die Zusammenhänge und Folgen auf, die durch die jahrelangen Versäumnisse der Bundesregierung in den Streitkräften zwangsläufig entstehen mußten und damit zu den auch in diesem Bericht aufgezeigten Ergebnissen geführt haben. Wenn die Bundesregierung z. B. nicht die nötigen Haushaltsmittel bereitstellt, um den gerechten Abbau der Dienstzeitbelastung durchzuführen, und sich daraus die Konsequenzen wie mangelnde Motivation, Rückgang der Weiterverpflichtungen, Personalfehl und dadurch wiederum ein Fehl in der Ausbildung ergeben, dann Voigt ({3}) trägt eigentlich die Bundesregierung die Schuld für diese Mißstände, die in diesem Bericht aufgezeigt sind! ({4}) Insoweit möchte ich auch namens unserer Fraktion klarstellen, daß eine Kritik an den Streitkräften nicht nur unbegründet ist, sondern eigentlich den Falschen treffen würde. Der Bericht des Wehrbeauftragten macht auch deutlich - das sollten wir herausstellen -, daß diese Streitkräfte hervorragend sind, aber mit dem fertig werden müssen, was ihnen durch jahrelange Versäumnisse der Bundesregierung heute nach wie vor zugemutet wird. Hier ist ein ganz entscheidender Zentralbereich anzusprechen, das ist die ungelöste Personalfrage. Auf diesem Gebiet gibt es nach unserer Erkenntnis einfach keine Konzeption der Bundesregierung. Man muß ganz deutlich sagen: Die Bundesregierung drückt sich vor den überfälligen Entscheidungen! Damit hat sie eben auch die Auswirkung für die Einsatzbereitschaft der Truppe, für die Ausbildung, für die Dienstzeitbelastung und für den Beförderungs- und Verwendungsstau und seine Folgen zu verantworten. Das wiederum strahlt auf das gesamte Betriebsklima, auf die Einstellung jedes einzelnen Soldaten und damit auf die Gesamtattraktivität der Streitkräfte aus. ({5}) Wenn man allerdings den Verteidigungsminister hört, dann hat man so den Eindruck, „alles sei in bester Ordnung". „Sicher gebe es zwar Probleme, für die müsse man dann auch Verständnis haben." Und überhaupt, „wenn es um politische Entscheidungen geht, brauche man für diese eigentlich noch Zeit". Wir haben es jetzt wieder gehört. Jetzt wird ein Vierjahresplan aufgestellt. ({6}) Der Verteidigungsminister behauptet sogar: „Die Motivation unserer Soldaten kann heute als sehr gut bezeichnet werden." Meine Damen und Herren, woher nimmt eigentlich dieser Minister den Mut, von einer sehr guten Motivation zu sprechen, wenn sich Tausende von Offizieren und Unteroffizieren im Beförderungs- und Verwendungsstau befinden, wenn die Sparzulage gestrichen wird, wenn mehr als die Hälfte der Soldaten eine unzumutbar hohe Dienstzeitbelastung hat? Wie kommt es denn, muß ich fragen, daß dieser Bundeswehr 30 000 längerdienende Soldaten auf Zeit fehlen? Warum fehlen in der heutigen Zeit 20 000 Unteroffiziere, in einer Zeit also, wo wir eine hohe Arbeitslosigkeit zu beklagen haben? ({7}) Ich glaube, daß diese Mängel Auswirkungen auf die gesamte Truppe haben! Ich möchte einen zweiten Zentralbereich ansprechen, die Dienstzeitbelastung, die schon mehrfach erwähnt worden ist, aber nicht nur das, sondern auch die Manipulation, den Umgang mit dieser Dienstzeitbelastung gegenüber der Truppe. ({8}) Ich erinnere an die Umfrage vom Mai 1980 bis Mai 1981 bei allen Truppenteilen, bei der ja festgestellt worden ist, daß im Heer 82 % aller Soldaten über 56 Stunden Dienst leisten. Daß durch solche Zustände Unzufriedenheit und Unmut entsteht, ist deutlich, auch daß sich dann die Soldaten nicht weiterverpflichten und dadurch wiederum erfahrene Ausbilder fehlen, die die Wehrpflichtigen erziehen, ausbilden und führen sollen. Hier wird der Zusammenhang zwischen Ursache und Auswirkung besonders deutlich. Wie hat nun die Bundesregierung dieses Problem gelöst? Der Wehrbeauftragte hat das in seinem Bericht sehr zutreffend formuliert, wenn er schreibt: Erst nachdem die von der Truppe ermittelten Ergebnisse vorlagen und feststand, daß statt der im Haushalt 1982 vorgesehenen 150 Mio. DM auf Grund der Neuerhebung nunmehr ein höherer Betrag für die Durchführung der Spitzendienstzeitregelung notwendig würde, verfügte die militärische Führung, durch organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, daß der gegebene Haushaltsrahmen nicht überschritten werde.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Klejdzinski?

Ekkehard Voigt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002386, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein. Meine Damen und Herren, das bedeutet doch, daß der Rechtsanspruch, den die Soldaten auf diesen Ausgleich haben, mit einem üblen Taschenspielertrick auf Kosten der Soldaten, und zwar unter klarem Verstoß auch gegen die im Soldatengesetz festgelegte Fürsorgepflicht des Dienstherrn, mit einem Federstrich aus der Welt geschafft worden ist! ({0}) Ich glaube, daß dieses Verhalten das Vertrauen zwischen der politischen Leitung und den Streitkräften empfindlich gestört hat. Das ist in der Tat schlechtes Verhalten in Sachen Innere Führung, ist in der Tat die Manipulation, die die Soldaten nicht verstehen. Statt daß man sich hier hinstellt und sagt: wir haben nicht das nötige Geld, ihr müßt eine bestimmte Zeit damit fertigwerden, wird das herabgespielt und so getan, als wollte man hier mehr Freizeit schaffen und die Dienstzeitbelastungen herabschrauben. Das ist schlichtweg unredlich. ({1}) Ich muß auch sagen, daß solche Dinge den Glauben vieler junger Männer an eine Institution wie die Bundeswehr erschüttert haben. Auch hier ist diese Bundesregierung wieder nach dem Motto verfahren: versprochen und nicht gehalten, geworben und getäuscht. Voigt ({2}) Welche Konzeptionslosigkeit hier an der Tagesordnung ist, möchte ich an einem weiteren Beispiel deutlich machen. Das Stichwort „Wehrgerechtigkeit" ist schon gefallen. ({3}) - Wissen Sie, wenn Sie sich dann manchmal äußerten, wenn es sinnvoll wäre, im Ausschuß oder bei Abstimmungen, und zwar so, daß es positiv für die Streitkräfte wäre, wären wir ja sehr dankbar! ({4}) Wie Sie wissen, meine Damen und Herren, werden jeweils zum 1. Juli eines Jahres die Abiturienten eingezogen. In diesem Jahr wird das nicht der Fall sein. Mehrere Tausend Abiturienten stehen praktisch auf der Straße. Sie haben ihre Planung, ihr persönliches Schicksal damit verbunden, daß sie dann auch zum 30. September und nicht zum 31. Dezember ausscheiden. Das bedeutet, daß sie jetzt viele Monate warten müssen, daß sie in der Zeit bis zur Einberufung, von Juli bis Oktober, auf der Straße „liegen" - wenn Sie so wollen: in der Luft hängen -, daß sie dann aber bis zu einem Jahr Zeit verlieren und daß die Truppe zusätzlich die vorzeitige Entlassung dieser Soldaten zu bearbeiten hat. Die Entlassung muß dann vorgezogen werden. Damit haben wir nichtausgebildete Soldaten, die nach elf, zwölf Monaten ausscheiden. Warum sage ich das? Diese jungen Wehrpflichtigen, um die es sich hier handelt, sind gutwillig. Sie wollen dienen, können aber nicht dienen, weil durch Maßnahmen des Ministers ihre Opferbereitschaft von vornherein mit Füßen getreten wird. Enttäuschung, mangelnde Motivation bei den Wehrpflichtigen und dann noch die Probleme der Vertrauenskrise werden durch solche Beispiele offensichtlich. Ich möchte aber auch sagen, daß die Vorschläge, die der Wehrbeauftragte in seinem Bericht aufgezeichnet hat, dann zu einer Lösung führen können, wenn endlich die notwendigen Entscheidungen im Personalbereich getroffen werden. Ich schlage vor, erstens das Mißverhältnis zwischen Aufträgen und bereitgestellten Mitteln zu beseitigen. Hier hat die Regierung die Verantwortung. Zweitens muß das Fehl an Unteroffizieren und längerdienenden Mannschaften durch eine Verbesserung der Attraktivität der Laufbahn der Unteroffiziere beseitigt werden. Ich erinnere an unsere jahrelang erhobene Forderung der Wiedereinführung eines Spitzendienstgrades für Unteroffiziere oder einer höheren Bewertung der Gruppenführer. Ich möchte drittens vorschlagen, das Ausbildungs- und Fortbildungskonzept insgesamt zu durchforsten. Wenn wir die mangelnde Präsenz der Unteroffiziere in den Streitkräften beklagen, muß eben auch untersucht werden, ob wir es uns auf die Dauer leisten können, die „Streitkräfte so zu verschulen", wie das bisher der Fall ist. ({5}) Viertens müssen die Mittel für den Dienstzeitausgleich, und zwar im Sinne einer gerechten Lösung, bereitgestellt werden. Ich habe dazu etwas gesagt. Fünftens muß endlich ein sichtbarer und glaubwürdiger erster Einstieg in den Abbau des Beförderungs- und Verwendungsstaus erfolgen. Personalfachleute können bestätigen, daß Versäumnisse in diesem Bereich immer Auswirkungen erst in acht oder zehn Jahren haben. Zum Schluß möchte ich das ansprechen, was der Wehrbeauftragte in seinem Bericht 1981 so formuliert hat - ich zitiere -: „Nicht wenige Soldaten sehen sich in der Position gesellschaftlicher Außenseiter." - Das mag subjektiv, aus der Sicht des Soldaten, durchaus richtig sein. Aber, meine Damen und Herren, wir sollten die Gelegenheit dieser Debatte auch dazu nutzen, den Reservisten, den Wehrpflichtigen, den Berufs- und Zeitsoldaten und auch den zivilen Mitarbeitern einmal für ihren loyalen, uneigennützigen und selbstlosen Dienst für Freiheit und Frieden zu danken. ({6}) Ich meine, wir alle sind aufgerufen, dafür zu arbeiten, daß das, was der Wehrbeauftragte hier sagt, nicht Wirklichkeit wird. Diese Bundeswehr ist nicht Außenseiter und darf kein Außenseiter werden. Deshalb möchte ich noch einmal unmißverständlich herausstellen: Diese Bundesregierung trägt die Hauptschuld daran, daß wir uns in diesem Bericht mit den aufgezeigten Problemen wahrlich „herumschlagen" müssen, und dies, obwohl die Antwort auf die Anfrage der CDU/CSU vom 6. Oktober 1981 lautet: „Der politischen Leitung der Bundeswehr sind daher die negativen Einwirkungen der inneren Lage im Detail bekannt." ({7}) Ja, meine Damen und Herren, da muß ich doch die Frage stellen: Will die Bundesregierung diesen Zustand absichtlich beibehalten? Denn jeder Tag, der diese Fehler fortschreibt, verursacht ja noch mehr Mißstimmung in den Streitkräften. Wer so verfährt wie diese Bundesregierung, macht sich dann auch zum Mitschuldigen für diese Zustände. Namens der CDU/CSU-Bundestagsfraktion fordere ich die Bundesregierung auf, sofort - wie der Wehrbeauftragte es angesprochen hat - die nötigen, die überfälligen Entscheidungen zu treffen und durch die Beseitigung der von der Bundesregierung verursachten und zu verantwortenden Zustände die Folgen für die Streitkräfte endlich zu mildern, damit die Einsatzfähigkeit, die Schlagkraft der Streitkräfte, aber auch die Motivation aller ihrer Soldaten für die Zukunft wirklich verbessert werden. - Danke sehr. ({8})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Ich erteile dem Abgeordneten Möllemann das Wort.

Jürgen W. Möllemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001520, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte nur einige kurze Bemerkungen zur Debatte und zu dem, was Gegenstand dieser Debatte ist, machen. Mir scheint, es ist ganz natürlich, daß bei solchen Diskussionen die Opposition aus einem derartigen Bericht das herausgreift, was ihr an der Bundesregierung nicht gefällt und was sie zur Kritik führt, und es ist auch natürlich, daß wir als die die Regierung tragenden Fraktionen das Positive unterstreichen und vielleicht auch in einer etwas konstruktiveren Art und Weise nach Auswegen suchen, als es jedenfalls mein Vorredner hier getan hat. ({0}) Denn, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, dies muß hier unterstrichen werden: Es macht keinen Sinn, wenn Sie in einem nun wirklich sehr durchsichtigen Verfahren den jeweils in Frage kommenden Haushaltsplänen mit allen Einzeltiteln, in denen politische Maßnahmen abgesichert werden, zustimmen und sich nachher hier hinstellen und glauben, die Leute verdummen zu können, indem Sie sagen, eigentlich hätten wir es ganz anders gewollt. ({1}) Dann stimmen Sie doch dem Haushalt nicht zu! ({2}) - Ja, j a, aber beantragen Sie dann mehr Mittel! Das meine ich damit. Stellen Sie dann konkrete Anträge, beantragen Sie soundso viele Millionen DM für Personalmaßnahmen, beantragen Sie Mittel für den Dienstzeitausgleich, legen Sie diese Anträge vor! ({3}) Aber es ist unlauter, sich hier hinzustellen und zu sagen, zwar haben wir dem Haushaltsstrukturgesetz in dritter Lesung - bei der abschließenden Abstimmung - zugestimmt, aber eigentlich wären wir j a dagegen gewesen. Denn einer meiner Vorredner hat mit Recht darauf hingewiesen: Bei diesem Haushaltsstrukturgesetz hatte jede der drei Fraktionen Einzelpunkte, die sie am liebsten nicht mitgetragen hätte, aber aus dem Gesamtpaket ist dann eben das Bündel von Maßnahmen geworden, das wir alle - und dazu sollten wir stehen - für notwendig gehalten haben. ({4}) - Ja, es ist auch gut so, daß die Opposition nicht regiert. Nun komme ich zu dem, was hier im Mittelpunkt der Diskussionen gestanden hat, nämlich zu der Frage: War es zulässig und vertretbar, die Sparzulage für Wehrpflichtige zu streichen, und war es zulässig, im Bereich des Ausgleichs für Spitzendienstzeiten so vorzugehen, wie es geschehen ist? Nach vielen Diskussionen, die wir alle geführt haben, komme ich zu dem Ergebnis, daß wir bei den anstehenden Haushaltsberatungen diese beiden Maßnahmen überprüfen müssen. ({5}) Es ist doch überhaupt keine Schande, wenn man vor sich selber zugibt, daß man vielleicht Maßnahmen falsch eingeschätzt hat. ({6}) Aber dann sollte auch jeder das zugestehen, der das mitgetragen hat. Man muß ein Zweites dazu sagen, liebe Kollegen: Das kann nur bedeuten, daß wir innerhalb des Verteidigungshaushalts Umschichtungen vornehmen werden. Sie wissen doch genauso, daß auch Ihre Kollegen im Haushaltsausschuß, auch die Kollegen der SPD, auch meine Kollegen keine Möglichkeit sahen, bei deutlichen Einsparungen in allen anderen Einzelplänen den Verteidigungshaushalt im Vergleich zu anderen Etats noch weiter ungebremst zu steigern. Deswegen geht meine Aufforderung an Sie, daß wir uns bei den jetzt wieder vor uns liegenden Haushaltsberatungen darüber Gedanken machen, wo wir im Bereich des Verteidigungshaushalts Veränderungen vornehmen können, die uns erlauben, sowohl eine gerechte Behandlung der Soldaten zu finden, die diese langen Dienstzeiten haben, als auch die Sparzulage wieder einzuführen. ({7}) - Nein, ich sage j a, das haben wir gemeinsam zu bewältigen. Da erwarte ich nicht nur Ihre Vorschläge. Ich will ein Weiteres sagen. Herr Bundesminister Apel, unbestreitbar mußte sich der Verteidigungsausschuß und mußten sich die Abgeordneten aller Fraktionen von der Methode, mit der die Regelung durch diesen Erlaß eingeführt worden ist, überfahren fühlen. ({8}) - Ich rede jetzt zunächst einmal für uns als Parlament. Es ist natürlich so, daß Sie formal das Recht haben, so vorzugehen. Aber andererseits haben wir dieses Thema vorher im Ausschuß sehr intensiv beraten gehabt. Es ist schon wichtig, daß diejenigen, die es draußen immer transparent machen müssen, in den Prozeß der Willensbildung einbezogen werden und nicht durch Aufrufe aus der Truppe erfahren, daß da eine Änderung erfolgt ist. Auch die Änderungen in der Substanz, meine ich, sind im übrigen nicht unproblematisch. Ich weiß, daß in Ihrem Haus an verschiedenen Modellen gearbeitet wird, wie man das am besten in den Griff bekommen kann. Ich gehe davon aus, daß eines der sieben Modelle, die es derzeit offenbar bei Ihnen gibt, nach diesen Erfahrungen dann rechtzeitig dem Verteidigungsausschuß vorgestellt wird, damit wir uns dazu unsere Meinung bilden können. ({9}) Hier ist davon gesprochen worden, daß wir einen Mangel an Führungspersonal und an Ausbildungspersonal haben und daß das einen erheblichen Teil der Probleme in der Truppe verursacht. Ich stimme dem Wehrbeauftragten da völlig zu. Aber unsere Schlußfolgerungen sind bisher nicht sehr überzeugend. Ich habe eine Bitte, und diese geht an das Bundesministerium der Verteidigung. Alle meine Erfahrungen - und die von vielen Kollegen, glaube ich - sprechen dafür, daß ganz einfach der Anteil an Führungspersonal, der sich auf der einen Seite im Bundesministerium der Verteidigung und auf den höheren Führungsebenen insgesamt mittlerweile versammelt hat, ({10}) und der, der in den Kampfverbänden und an den personell besetzten Waffensystemen in Ausbildungseinheiten vorhanden ist, in einer außerordentlich ungesunden Relation zueinander steht. ({11}) Das Wort „Wasserkopf" ist mittlerweile schon ein bißchen abgegriffen. Wir haben nach unserer Überzeugung hier wirklich eine ungesunde Relation. Ich möchte Sie dringend bitten, dieses Mißverhältnis abzubauen. ({12}) - Wir strengen uns jetzt richtig an, Herr Würzbach. Diese Bitte ging im übrigen weniger an Sie, sondern an das Bundesministerium der Verteidigung, dessen Zuständigkeit hier geben ist. Ein dritter Bereich: Die Mitwirkung, die auf seiten der Vertrauensleute ausgeweitet worden ist, wird von uns allen, glaube ich, begrüßt. Ich sehe auch, Herr Wehrbeauftragter, daß wir aufpassen müssen, daß man nicht eine Art Funktionsnärsmitbestimmung bekommt in dem Sinne, daß am Ende die paar, die das machen, die Sündenböcke für Versäumnisse da oder dort werden, für die sie gar nicht einzustehen haben. Deswegen noch einmal auch hier meine Bitte: Kann man nicht die in manchen süddeutschen Einheiten erprobten Mitwirkungsmodelle, die darauf abgezielt haben, mehr als nur die Vertrauensleute in die Gestaltung des Dienstbetriebes einzubeziehen, nämlich im Grunde möglichst viele einzelne Soldaten, auf größere Teile der Bundeswehr ausweiten? Ein vierter Punkt ist kurz angesprochen worden, der sicherlich nicht unmittelbar zum Thema gehört, es aber am Rande berührt: die derzeit ihren Bericht abgeschlossen habende Langzeitkommission. Ich möchte hier die Gelegenheit nehmen zu sagen, Herr Bundesminister, daß, wenn die Presseberichte stimmen - und es gibt einigen Grund anzunehmen, daß Herr Moniak und andere in diesen Dingen ganz gut unterrichtet sind -, ich die Befürchtung habe, daß eine Reihe der drückenden Probleme, die Sie selbst hier angeschnitten haben und mit denen wir uns in den nächsten Jahren zu befassen haben werden, von dieser Kommission in einer bemerkenswerten Art und Weise von vornherein zur Seite geschoben worden sind. ({13}) Oder aber sie haben zur Seite geschoben werden müssen auf Grund der Vorgaben, die der Kommission zugewiesen worden sind. Deswegen hätte ich die herzliche Bitte, noch einmal darüber nachzudenken, ob nicht das Parlament oder eine gemischte Kommission dieses Problem besser aufnehmen könnte, das uns in nächster Zeit j a ganz erheblich drücken wird. Letzter Punkt: Hier ist die Rede von dem politischen Engagement von Soldaten gewesen. Kollege Popp hat für unsere Fraktion erklärt, daß wir das Uniform-Verbot bei politischen Veranstaltungen unterstützen, jedenfalls dann, wenn es konsequent angewendet wird. Anderenfalls sollte man es bleiben lassen. Aber, ich finde, man muß bei derselben Gelegenheit deutlich machen, daß der idealtypische, der gute Soldat nicht unbedingt der unpolitische sein muß. ({14}) - Nein, auch nicht der parteipolitisch neutrale. Sie wissen doch alle sehr genau, daß es in der Bundeswehr sehr viele gibt, die sagen: Der beste Soldat ist eigentlich der, der sich parteipolitisch neutral verhält. So als sei das irgendein besonderer Wert. ({15}) - Der sich auch parteipolitisch nicht engagiert. Ich muß Ihnen sagen: Ich halte davon überhaupt nichts. Ich meine, daß diejenigen Bürger, die unsere Demokratie zu verteidigen haben, auch diejenigen sein sollten, die ihre Privilegien, nämlich die Möglichkeit, an allem mitzuwirken, in besonderer Weise in Anspruch nehmen. Sie sollten nicht zurückhaltend sein. Insofern bin ich nach wie vor der Auffassung, daß wir noch einmal über § 35 des Soldatengesetzes nachdenken sollten, der den Soldaten innerhalb und außerhalb des Dienstes eine besondere Zurückhaltung auferlegt. Schlußbemerkung: Es ist mit Recht darauf hingewiesen worden, daß das Bundesministerium der Verteidigung eine besondere Verpflichtung hat, was die Berechenbarkeit seiner Politik und damit das Vertrauen der Soldaten zu dieser Politik angeht. Diese Verpflichtung haben wir auch. Dann darf auch nicht davon abgelenkt werden, daß bei uns bestimmte Dinge vorkommen, die so nicht laufen dürfen. Ich will Ihnen dafür ein Beispiel geben. Ich habe vor mir die „Westfälischen Nachrichten" aus Münster vom 20. Mai 1982 mit einem zweispaltigen Artikel vor mir liegen. Überschrift: „Karriere zeigt steil nach oben - Der ,Neue beim I. Korps: ,Strammer Genosse" Es handelt sich um den künftigen Chef des I. Korps in Münster, um den Kommandierenden General Wachter. Herr Wachter wird in diesem Artikel, noch bevor er am 1. Oktober 1982 sein Amt antreten wird, von dem in Münster sicherMöllemann lich außerordentlich bewanderten Kollegen Voigt, der vorher gesprochen hat und der CSU angehört, mit folgenden Worten begrüßt ({16}) ich zitiere das jetzt einfach zum Schluß; Sie mögen sich dann eine Meinung dazu bilden, ob das Vertrauen zwischen Soldaten und politischer und militärischer Führung schaffen kann -: Einiges Aufsehen ausgelöst hat in sach- und fachkundigen Kreisen der CSU die Nachricht vom bevorstehenden Wechsel des Chefs der 4. Panzergrenadierdivision in Regensburg, Dr. Gerhard Wachter, in die Position des Kommandierenden Generals des I. Korps in Münster. Die Bayern - wahrscheinlich ist CSU gleich Bayern halten mit ihrer Meinung nicht hinterm Berg: „Das ist eine rein politische Entscheidung. Die SPD schiebt einen strammen SPD-Mann nach oben." Gut informierte Männer, wie der Landesvorsitzende des wehrpolitischen Arbeitskreises der CSU und Bundestagsabgeordnete Ekkehard Voigt, ahnten schon, was laufen würde, als Dr. Wachter im Frühjahr 1980 nach Regensburg kam. Einer breiten Öffentlichkeit in und um Regensburg blieb es dann auch nicht mehr lange verborgen: „Der trat gleich ostentativ in den SPD-Ortsverein Obertraublingen bei Regensburg ein. Und zwar mit Riesentamtam." Die Art und Weise, wie Sie einen General, der, wie ich weiß, seit 15 Jahren Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands ist, nur deswegen, weil er das ist - und deswegen aus Ihrer Sicht wahrscheinlich unqualifiziert ist -, in den Augen seiner künftigen Tausenden untergebenen Soldaten diskreditieren, macht uns selbst alle lächerlich, wenn wir gleichzeitig dafür plädieren, daß Soldaten ihre staatsbürgerlichen Rechte wahrnehmen sollten. ({17}) Ich möchte Sie deswegen sehr herzlich bitten, Herr Kollege Voigt: Lassen Sie künftig diese Diskreditierung und Diffamierung eines angehenden Chefs einer großen Einheit, der sich dagegen noch nicht einmal wehren konnte, und hören Sie mit dem Getue auf, als sei ein guter Soldat ein CDU - oder CSU-Mitglied, während die anderen schlechte Soldaten seien. - Ich danke Ihnen. ({18})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Es wurde beantragt, dem Herrn Wehrbeauftragten des Bundestages nach § 115 Abs. 1 das Wort zu erteilen. Ich erteile ihm das Wort. Berkhan, Wehrbeauftragter des Bundestages: Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich bedanke mich, daß Sie mir auch in diesem Jahr Gelegenheit geben, hier zu reden; denn damit kann ich einige Fragen aus meinem Aufgabenbereich direkt vor Ihnen ansprechen. Es ist nützlich, daß die Aussprache über meinen Jahresbericht noch vor der parlamentarischen Sommerpause erfolgt. Aktualität und Stellenwert von Fragen der Inneren Führung werden damit unterstrichen. Die Verwirklichung vom Empfehlungen wird beschleunigt, und der Meinungsbildungsprozeß zu bestimmten, für die Bundeswehr und den Dienst der Soldaten wichtigen Problemen wird um diejenigen Argumente bereichert, die das Parlament berücksichtigt wissen will. Lassen Sie mich eine Bemerkung einschieben. Ich bitte, für die kommenden Jahre für mich und meine Amtsnachfolger darum, daß man den Bericht des Wehrbeauftragten oder gar einige Äußerungen des Wehrbeauftragten nicht als einen Hebel benutzt, z. B. die Regierung etwas höher auf das Podest zu heben. Aber genauso sehr ist das Amt des Wehrbeauftragten kein Hebel, um eine Regierung zu stürzen. ({0}) Ich bin weder eine Hilfe für die Mehrheitsfraktion, noch eine Hilfe für die Minderheit hier in diesem Hause, sondern ich fühle mich mit meinen Mitarbeitern dem ganzen Haus verantwortlich. ({1}) Wie schon im Jahresbericht 1980, so steht auch im Jahresbericht 1981 der Grundwehrdienst im Mittelpunkt meiner Ausführungen. Damit ich nicht mißverstanden werde, muß ich hier erläuternd darauf hinweisen, daß der Soldat im Grundwehrdienst für alle Wehrbeauftragten und damit auch für mich schon deshalb hervorragende Bedeutung hat, weil er die jüngste und schutzbedürftigste Gruppe unter den Soldaten darstellt, weil er zahlenmäßig die größte Gruppe der Soldaten darstellt - etwa 50 % aller Soldaten sind Wehrpflichtige -, weil er nicht freiwillig, sondern auf Grund gesetzlicher Verpflichtung in der Bundeswehr zu dienen hat und weil es sich bei diesen jungen Männern - vielleicht gestatten Sie mir ein bißchen Pathos - um unsere Söhne und, wenn ich einige Herren hier betrachte - die Damen nehme ich natürlich aus -, um unsere Enkelsöhne handelt, die ein Stück Zukunft des Landes darstellen. Das alles aber ist nur Hintergrund dafür, daß ich den Grundwehrdienst zu einem zentralen Thema in zwei Jahresberichten gemacht habe. Der aktuelle Anlaß ist ein anderer. Die Legitimation unserer auf die allgemeine Wehrpflicht gestützten Streitkräfte wird in den kommenden Jahren aus verschiedenen Gründen schwierig werden. Der Bundesminister der Verteidigung ist etwas darauf eingegangen. In der Jugend aber ist eine eher distanzierte Haltung gegenüber der Bundeswehr und dem Wehrdienst gewachsen. Die Bundesregierung weist in ihrer Antwort vom 6. Januar 1982 auf eine Große Anfrage hier im Bundestag darauf hin, daß von Jugendlichen vor allen Dingen als störend empfunden wird, auf bestimmte Dinge, wie z. B. den guten Verdienst und das Leben in der vertrauten Umgebung, verzichten zu müssen. Aber auch das Uniformtragen, das Prinzip von Befehl und Gehorsam, die Kasernierung und die damit verbundene Einschränkung der Privatsphäre werden als Gründe genannt, die den Wehrdienst unangenehm erscheinen lassen. Wehrbeauftragter Berkhan Die Umwelt steuert dieser Entwicklung kaum entgegen. Es ist wohl richtig beobachtet, daß Eltern, Freunde oder Ausbilder und Arbeitskollegen gegenüber der Wehrpflicht eine eher verhaltene Position beziehen, als daß sie dem Wehrpflichtigen mit ihrem Einfluß zur Seite stehen, sich für den Wehrdienst zu entscheiden. Man akzeptiert die Entscheidung des Wehrpflichtigen, wie sie fällt, so oder so. Um so notwendiger und dringlicher ist es daher, daß die Bewußtseinsbildung und die Einflußnahme auf das Selbstverständnis von Jugendlichen bei der Behandlung der Fragen von Wehrdienst und Zivildienst im staatlichen Bildungs- und Erziehungswesen den verfassungsmäßigen Bezugsrahmen verständlich machen und sich dabei an die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätze halten. Sie alle wissen, daß es daran noch immer mangelt. Schon in meinem Jahresbericht 1980 habe ich darauf hingewiesen. In dem Jahresbericht 1981 habe ich Klagen von Jugendoffizieren darüber wiedergegeben, daß sie in den Schulen nicht mehr immer und überall auf die Bereitschaft zum vorurteilsfreien Zuhören treffen. Ihre Argumente für die vom Grundgesetz geforderte militärische Landesverteidigung werden als Propaganda eingestuft oder sonst mißdeutet. In meinem schriftlichen Bericht habe ich daher auf die Verantwortung vor allem aller derer hingewiesen und an sie appelliert, die als Erzieher und Ausbilder auf unsere verfassungsmäßige Ordnung und das daran ausgerichtete Gemeinwohl verpflichtet sind. Ich wiederhole das hier. Sie alle wissen, daß die Bemühungen des Verteidigungsausschusses und des Bundesministers der Verteidigung, über die Ständige Kultusministerkonferenz auf diesem Gebiet eine Intensivierung des Unterrichts in den Schulen zu erreichen, bisher zu keinen befriedigenden Ergebnissen geführt haben. ({2}) Zu den genannten Gründen tritt hinzu, daß die anhaltende Diskussion über ethische und politische Grundfragen des richtigen Weges zur Friedenssicherung und über die Legitimation des Auftrags der Streitkräfte von einigen Seiten in einer Frontstellung zur Bundeswehr geführt wird. Herr Horn ist darauf eingegangen. Es mag sein, daß in diese Diskussion zunehmend Sachverstand durch Expertenäußerungen hineingetragen wird. Richtig ist aber sicher auch, daß durch manche Diskussionsbeiträge zu Fragen der westlichen Strategie bei vielen jungen Bürgern Unsicherheit entstanden ist. Wenn vor diesem Hintergrund jährlich mehr als 200 000 junge Männer ohne Wenn und Aber zu den Streitkräften kommen, um ihrer Wehrpflicht zu genügen, dann ist das auf der einen Seite ein eindrucksvolles Zeugnis dafür, daß die nachwachsende Generation in ihrer Mehrheit trotz allem zur Verteidigung bereit ist. ({3}) Wenn nach meinen Feststellungen dann aber viele Soldaten den Grundwehrdienst mit weniger Überzeugung von der Notwendigkeit ihres persönlichen Dienens beenden, als sie ihn begonnen haben, dann, so meine ich, müssen sich auch die Streitkräfte fragen lassen, was sie besser machen können, j a was sie besser machen müssen. ({4}) Wo die Ursachen für derartige Enttäuschungen oder sonstige Kritik am Wehrdienst auch immer liegen mögen, der junge Soldat, der Reservist und die von ihm beeinflußte zivile Umwelt werden die Bundeswehr für das verantwortlich machen, was dort berichtet wird. Der vom Sinn seines Dienstes in den Streitkräften nicht überzeugte Wehrpflichtige ist eine zusätzliche Argumentationshilfe für alle diejenigen, die überhaupt nicht dienen wollen oder den Zivildienst als höherwertig propagieren, den Sinn unserer Verteidigungsanstrengungen in Zweifel ziehen oder der Bundeswehr sonst mit Vorbehalten gegenüberstehen und ihre Kosten für zu hoch halten. Ich gehöre nicht zu denen, die von den Streitkräften mehr verlangen, als sie in bezug auf die Einsatzbereitschaft und die allgemeine Motivation der Soldaten im Grundwehrdienst leisten können. Ich lasse mir aber auch nicht einreden, daß die Streitkräfte wegen der Vorprägung, mit der die Rekruten zu ihnen kommen, schlechte Chancen haben. Um es bildlich zu sagen: der „Schwarze Peter" ist nicht nur bei dem jeweils anderen, er ist in den Händen vieler. Eine meiner Aufgaben sehe ich darin, dabei behilflich zu sein, daß die Bundeswehr den Teil ihrer Verantwortung als Aufgabe annimmt, der ihr zufällt, und Fehlschläge insoweit nicht anderen zuschiebt oder als unabänderliche Konsequenz aus dem gern und schnell, aber keineswegs immer zutreffend zitierten Mißverhältnis von Auftrag und Mitteln darstellt. Es freut mich, daß ich in diesem Zusammenhang nicht nur Kritisches zu bemerken habe, sondern auch auf Erfolge der Streitkräfte hinweisen kann. In meinem Jahresbericht 1980 hatte ich besondere Anstrengungen empfohlen, um den Wehrpflichtigen den Übergang von der zivilen in die militärische Welt zu erleichtern. In dem Ihnen jetzt vorliegenden Bericht für 1981 habe ich über die positiven Erkenntnisse berichtet, die mir aus der Begleitung von Rekrutentransporten am Tage der Einberufung und aus Berichten sowie Befragungen von Soldaten über ihre Erfahrung in der allgemeinen Grundausbildung vorliegen; das sind die ersten drei Monate des Grundwehrdienstes. Dabei bin ich zu der Überzeugung gelangt, daß das Bemühen der Streitkräfte, sich auf die Ausgangslage der Wehrpflichtigen bei Dienstantritt einzustellen, Ergebnisse und ganz sichtbare Erfolge zeigt. Vorgesetzte versuchen heute, dem Gesichtspunkt Rechnung zu tragen, daß der junge Wehrpflichtige ohne Vorbereitung zur Bundeswehr kommt und die militärische Ordnung als fremd empfindet. Im Rückblick bewerten manche Soldaten die allgemeine Grundausbildung als eine gelungene Mischung von Theorie und Praxis, in der geistige Anforderungen Wehrbeauftragter Berkhan und körperliche Belastungen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen. Neben dieser Anerkennung durch Wehrpflichtige für den Dienst in den Streitkräften in den ersten drei Monaten stelle ich mit Genugtuung fest, daß junge Menschen auch heute gefordert werden wollen. Und an dieser Forderung läßt es mancherorts zu wünschen übrig. ({5}) Im Mittelpunkt der Kritik von Soldaten im Grundwehrdienst steht der Dienst in der Stammeinheit. Das sind dann die weiteren zwölf Monate des Soldat-seins nach der allgemeinen Grundausbildung. Dabei geht es vielfach nicht um konkrete Vorgänge, sondern immer wieder darum, daß der Sinn des Dienstes über die ganze Zeit hinweg in Frage gestellt wird. Aus Erfahrungsberichten, die Soldaten kurz vor oder nach dem Ende ihrer Dienstzeit, aber auch mitten aus dem Wehrdienst an mich richten, und aus einer Reihe anderer Erkenntnisse bei Truppenbesuchen und dergleichen ergibt sich schwerpunktmäßig nach wie vor die Klage über zu wenig Auslastung bei vollständigem Dienstplan. Zuviel Wiederholung von bereits bekanntem und abgefragtem Ausbildungsstoff, zu weit bemessene Zeitansätze für eine Reihe von technischen Diensten, zu häufiges Revierreinigen, allerdings auch Wach- und Bereitschaftsdienst, werden als Beispiele genannt. Der Bundesminister der Verteidigung hält dem in seiner Stellungnahme entgegen, daß Routinedienste unvermeidbar seien und daß sinnvolle Dienstgestaltung durch Mangel an Führungs- und Ausbildungspersonal, ein beträchtliches Fehl an Soldaten mit drei- und mehrjähriger Verpflichtungszeit sowie eine große Fluktuation von Ausbildern und auszubildenden Soldaten erschwert sei. Das ist alles richtig, und dennoch dürfen wir uns damit nicht beruhigen. Der Minister weist in seiner Stellungnahme auch auf Maßnahmen hin, die er zur Verbesserung von Menschenführung und Ausbildung getroffen hat: die inzwischen um drei Monate verlängerte Unteroffizierausbildung, die kompanieweise Auffüllung der Kampfeinheiten des Heeres ab Juli 1982, die Vielzahl von Ausbildungshilfen für die Truppe und anderes mehr. Langfristig, so hoffe ich, wird das alles seine Wirkung zeigen. Notwendig bleibt dennoch, daß vor Ort die Dienstplangestaltung in der Stammeinheit vorurteilsfrei geprüft und Zeitansätze für bestimmte Routine- und technische Dienste allein daran ausgerichtet werden, was die Aufgabenerfüllung verlangt. ({6}) Wenn Ausbildungsverantwortliche erklären, daß die Zeit für die Ausbildung zu kurz sei, und die militärische Führung zunehmend fordert, daß der Faktor Zeit rationeller genutzt werden müsse, dann weist dies in die gleiche Richtung. Die hohe Dienstzeitbelastung einer immer größer werdenden Zahl von längerdienenden Soldaten und die Notwendigkeit, diese abzubauen, sollten ebenfalls unter diesem Gesichtspunkt bedacht werden. Ein weiterer Schwerpunkt bei der Kritik am Dienst in den Stammeinheiten wird aus immer wieder geäußerten Zweifeln einzelner Soldaten deutlich. Sie fragen mich und andere, sie fragen Sie, sie fragen sich selber, ob sie denn tatsächlich immer gebraucht würden. Die Bewahrung des Friedens auch als ein Ergebnis der Präsenz jedes einzelnen Soldaten scheint nicht das Bewußtsein aller Soldaten im Grundwehrdienst über die Dienstzeit hinweg zu prägen. Dort, wo sich der Grundwehrdienstleistende überflüssig fühlt, weil er nichts zu tun hat, wird ihm das Nichtstun, das Absitzen seiner Wehrdienstzeit, auch nicht durch ein Mehr an politischer Bildung oder durch eine Verbesserung seiner Beteiligungsmöglichkeiten einsichtiger werden. Auch wird die politische Dimension des Begriffs Präsenz hierdurch nicht erfahrbar; denn Präsenz muß inhaltlich gestaltet sein. ({7}) Wenn dies nicht gelingt, wird es schwer werden, die Notwendigkeit der Dauer des Grundwehrdienstes und womöglich dessen Verlängerung - Herr Minister, Sie haben hier heute für mich erstmalig hörbar darüber in der Öffentlichkeit gesprochen; ich mag aber einiges überhört haben - zu erklären. Es wird auch schwer sein, der Gesellschaft in der Zukunft überzeugend zu erklären, warum wir einen längeren Wehrdienst verlangen müssen. ({8}) Damit ich nicht mißverstanden werde, betone ich hier: Es geht mir nicht darum, daß jeder Tag in der Truppe für den Soldaten im Grundwehrdienst zum Erlebnis wird, zu einem Abenteuer, wie der Herr Minister gesagt hat. Das wäre schön: Jeden Tag ein Abenteuer. Nicht einmal im Parlament gibt es jeden Tag ein Abenteuer. ({9}) - Es wird jeden Tag teurer. ({10}) - Aber jeden Tag ein Abenteuer, das ist nicht möglich. ({11}) Ein vom Sinn seines Wehrdienstes überzeugter Soldat ist eben ein besserer Soldat als derjenige, der nach dem Sinn seines Dienens täglich zu fragen hat. ({12}) Eine auf die Wehrpflicht gestützte Streitkraft lebt von der Bejahung der Wehrpflicht und des sich daraus ergebenden Dienstes. Art und Umfang der Integration der Bundeswehr in die Gesellschaft sind nicht zuletzt davon abhängig, welche Anerkennung sie und ihr Dienst bei den Soldaten im Grundwehrdienst findet. Letztlich: Überlegungen für eine eventuell notwendig werdende Verlängerung des Grundwehrdienstes werden in der Öffentlichkeit auf mehr Verständnis stoßen und mancherorts überhaupt erst verständlich, wenn die jetzigen 15 Monate nicht mit Wehrbeauftragter Berkhan dem Etikett der verlorenen Zeit versehen werden können. Ich halte es für notwendig, daß allen Vorgesetzten in den Streitkräften - auch der Gruppen- und der Zugführer ist Vorgesetzter -, also auch den ersten Graden der Unteroffiziere die Erkenntnis vermittelt und selbstverständlich wird, daß sie Soldaten im Grundwehrdienst nicht nur auszubilden und dafür zu sorgen haben, daß diese Soldaten mit ihrem Dienst den Auftrag der Streitkräfte erfüllen. Sie haben darüber hinaus den Soldaten im Grundwehrdienst für den Auftrag der Streitkräfte zu gewinnen, d. h. ihn davon zu überzeugen. Das ist auch Öffentlichkeitsarbeit, das ist Werbung im guten Sinne. Lassen Sie mich nunmehr im folgenden noch auf einige weitere Punkte meines Jahresberichts und auf Reaktionen darauf eingehen. Wie in den vergangenen Jahren habe ich auch diesmal wieder dem Thema der Mißhandlungen und entwürdigenden Behandlung ein eigenes Kapitel gewidmet. Ich habe dabei Fragen aufgegriffen, die das Umfeld und die Begleitumstände dieser Rechtsverletzungen betrafen. Der Bundesminister der Verteidigung hat in seiner Stellungnahme darauf hingewiesen, daß die Anzahl der gemeldeten Fälle im Jahre 1981 auf den niedrigsten Stand seit zehn Jahren gesunken sei. Ich begegne deshalb der Frage, weshalb ich mich Jahr für Jahr so eingehend und mit Beispielen zu diesem Themenkreis äußere. Dazu ist zunächst festzustellen, daß der Schutz der Menschenwürde und der körperlichen Integrität hier in Frage steht. Die Resonanz auf die Berichterstattung hierzu ist in der Truppe zwiespältig. Die einen befürchten, daß das Bild der Bundeswehr in der Öffentlichkeit durch diese Veröffentlichungen geprägt wird und damit verzerrt erscheint. Andere hingegen wünschen eine noch breitere Falldarstellung für Belehrungszwecke. Mir geht es darum, dem Deutschen Bundestag an Hand von Beispielen bestimmte Aussagen zu verdeutlichen. Selbstverständlich habe ich dabei auch im Blick, daß meine Jahresberichte in der Truppe gelesen werden. Nach dem Urteil des Bundesministers der Verteidigung kommt dem Bericht gerade zu dem hier genannten Themenkreis - ich zitiere Sie, Herr Apel - „eine große erzieherische Bedeutung" zu. Wenn die Jahresberichte der Wehrbeauftragten dazu beigetragen haben oder dazu beitragen, daß die Zahl der Fälle von Mißhandlungen und entwürdigender Behandlung in den Streitkräften in den letzten Jahren zurückgegangen ist, dann nehme ich das als einen großen Erfolg zur Kenntnis, ({13}) aber auch als eine Aufforderung an mich, in der Berichterstattung über derartige Fälle fortzufahren. ({14}) Soldatenschinderei ist eine üble Sache, der sofort und immer und überall begegnet werden muß. ({15}) - Mein Amt verbietet mir, auf alle Zurufe einzugehen. Ich muß auch vorsichtig sein, daß mein Temperament hier nicht mit mir durchgeht. ({16}) - Ja, ich versuche immer höflich zu bleiben; es fällt mir aber manchmal schwer. Besondere Aufmerksamkeit hat gefunden, daß ich dem Betäubungsmittelmißbrauch einen eigenen Abschnitt gewidmet habe. Der Bundesminister der Verteidigung räumt in seiner Stellungnahme ein, daß die Anzahl der gemeldeten Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz im vergangenen Jahr überdurchschnittlich stark gestiegen sei. Ich habe bei der Vorstellung meines Jahresberichts vor der Presse darauf hingewiesen, daß, gemessen am Umfang der Streitkräfte und angesichts der Zahl drogenerfahrener Jugendlicher außerhalb der Bundeswehr, bisher nicht von einer besonders schwierigen Lage gesprochen werden kann. Es ist jedoch leider zu befürchten, daß in diesem Bereich eine beachtliche Dunkelziffer vorhanden ist. Mein Beitrag soll zu der notwendigen Wachsamkeit anregen. Darüber hinaus soll er anregen, daß nach Mitteln und Wegen gesucht wird, um u. a. vor Ort dem militärischen Vorgesetzten bessere Möglichkeiten der Erkenntnis über Drogenmißbrauch bzw. das Vorliegen von Gefahrentatbeständen zu geben. Ich komme zu einem anderen Komplex, auf den Herr Weiskirch und Herr Heistermann eingegangen sind. Herr Heistermann hat das mit einem Krimi verglichen. Nur, Herr Abgeordneter Heistermann, im Krimi wissen wir, wer der Täter war; denn da war es immer der Gärtner. Hier ist es schwieriger. Der Umgang mit Waffen ist nicht immer so sorgfältig, wie es beim Umgang mit Waffen geboten ist. Durch die fahrlässigen oder unverantwortlich mißbräuchlichen Umgänge mit Waffen wurden auch 1981 wieder Soldaten verletzt oder gar getötet. Die Gesamtzahl der Vorgänge bezeichnet der Bundesminister der Verteidigung als im Verhältnis zum Umfang der Streitkräfte und gemessen an der Tatsache, daß Soldaten fast täglich mit Waffen und scharfer Munition umzugehen haben, noch nicht besorgniserregend. Der Minister hebt in seiner Stellungnahme zu meinem Jahresbericht aber gleichzeitig hervor, daß mit Waffen häufiger leichtfertig und sorglos umgegangen wird als in früheren Jahren. Es kommt darauf an, das Gewissen der Vorgesetzten zu schärfen. Eine Waffe ist kein Spielzeug, und wer leichtfertig mit einer Waffe hantiert, muß sofort und am Ort zur Ordnung gerufen werden. Mir stellt sich gelegentlich die Frage, ob tatsächlich genügend mit der Waffe geübt wird. Wenn ich Soldaten im Wachdienst danach frage - das tue ich häufiger, insbesondere bei meinen Truppenbesuchen - wann sie das letzte Mal an einer Schießausbildung teilgenommen haben, so höre ich, daß das oft sehr lange zurück liegt. Ich habe schon einen Soldaten getroffen, der mit einer scharfgeladenen oder, wie die Fachleute sagen, teilgeladenen Waffe umzuWehrbeauftragter Berkhan gehen hatte, ohne überhaupt an einer Schießausbildung teilgenommen zu haben. ({17}) Mein Entsetzen teilte ich sofort dem Wachhabenden mit, und das führte zu folgendem Ergebnis. - Ich werde Ort und Tatzeit des Ergebnisses hier nicht bekanntgeben. - Der Stabsunteroffizier sagte mir: Herr Wehrbeauftragter, seien Sie ganz beruhigt! Ich habe das gewußt, und daher hat der auch gar keine scharfe Munition im Magazin. Der hat ein Walki-talkie, er muß dann schreien, und dann kommen wir alle, die wir besser mit der Waffe umgehen können. ({18}) Ich fragte: Warum haben Sie den nicht abgelöst? Er erklärte mir: Dies ist ein so umständliches Verfahren, daß der Posten, der den ablösen würde, überhaupt erst erscheint, wenn die Wache vorüber ist, und ich damit eine größere Belastung auf die Soldaten zukommen ließe, als ich dies eigentlich verantworten kann. Ich habe ihm gesagt: Seien Sie beruhigt, Herr Stabsunteroffizier, ich werde darüber schweigen, bis der Ort nicht mehr zu identifizieren ist; aber die Sache ist zu schön, ({19}) als daß sie immer verschwiegen werden müßte. Ich werde darüber schweigen, um zu verhindern, daß Sie Schaden nehmen. Ich werde allerdings bei passender Gelegenheit darüber zu sprechen haben; denn wer mit einer scharfgeladenen oder teilgeladenen Waffe hantiert, muß zu diesem Zweck zureichend aus- und fortgebildet sein, um mit der notwendigen Sicherheit mit dieser schwierigen Frage fertig zu werden. Verschiedene Fragen der Personalführung, z. B. die Versetzungshäufigkeit mit Standortwechsel im Zuge der Umgliederung des Heeres in die Heeresstruktur 4, die Personallage, insbesondere bei Hauptleuten des Truppendienstes sowie Leutnanten und Oberleutnanten des militärfachlichen Dienstes, haben mich in meinem schriftlichen Bericht ebenso beschäftigt wie Mängel bei der Ausbildungsplanung und Fragen der vorzeitigen Entlassung aus dem Grundwehrdienst. Wenn der Verteidigungsausschuß Ihrer Anregung nachkommt, Herr Popp, und noch einmal die Fragen des Fachdienstoffiziers erörtert, möchte ich darum bitten, daß wir uns dafür eine ausreichende Zeit lassen, damit nun wirklich auch bis auf den Grund gelotet werden kann und nicht mit einer schnellen Handlung darüber hinweggewischt wird. Meine umfangreichen Ausführungen zu der Dienstzeitbelastung und dem finanziellen Ausgleich für Spitzendienstzeiten, insbesondere meine kritischen Anmerkungen über die in diesem Zusammenhang vorliegenden Informationsdefizite und die Gründe dafür, brauche ich hier nicht zu wiederholen. Das Thema ist weiter in der Diskussion und wird uns noch nachhaltig beschäftigen. Dabei wird allerdings nicht unberücksichtigt bleiben dürfen, daß die Bemühungen um eine Verkürzung übermäßig langer Dienstzeiten mit dem Bestreben vieler Soldaten konkurrieren, den Genuß der Zulage für Spitzendienstzeiten nicht zu gefährden. Herr Präsident, um die Zeit nicht über Gebühr in Anspruch zu nehmen, lasse ich das weg, was ich zur Sparzulage und zur Erhöhung des Wehrsoldes sagen wollte. Ich versuche, zum Schluß zu kommen, und erkläre hier noch einmal sehr deutlich, um auch auf den Abgeordneten Herrn Möllemann einzugehen: Dem Soldaten im Grundwehrdienst sollte immer wieder klargemacht werden, daß er das unbestrittene Recht hat, seine Meinung bei politischen Veranstaltungen öffentlich zu vertreten und sich dafür einzusetzen. Gleichzeitig sollte ihm aber immer wieder klargemacht werden, daß der Schutzbereich des Rechts auf freie Meinungsäußerung und der Versammlungsfreiheit nicht umfaßt, diese Rechte auch in Uniform ausüben zu dürfen. Der Meinungs- und Willensbildungsprozeß gerade in unserem demokratischen Staat soll nicht vermittels Uniform beeinflußt werden. Das gilt allgemein, d. h. unabhängig von der Zielrichtung der politischen Veranstaltung, an der ein Soldat teilnimmt. Die Bundeswehr soll nicht auf diese Weise in politische Auseinandersetzungen verwickelt werden, und die Erfüllung ihres verfassungsmäßigen Auftrags soll damit nicht in einer vom Grundgesetz nicht gewollten Weise erschwert werden. Zum Schluß möchte ich ein paar Bemerkungen zu den Untersuchungen und den wissenschaftlichen Arbeiten machen, die sich mit der Tradition beschäftigen. Herr Minister, ich bitte Sie und insbesondere Ihre Mitarbeiter und Ihr Haus, sich nicht in einen Zeitzwang zu setzen, insbesondere da hier auch mit Zuarbeit verschiedene unter Ihrer Aufsicht stehende Institute befaßt sind, die in Koblenz gemeinsam arbeiten. Die Ergebnisse werden nicht zeitgerecht vorliegen, wie ich informiert bin. Wir sollten die Ergebnisse aber abwarten; denn ein so schwieriges Thema wie Tradition könnte sonst sehr leicht in einer falschen Richtung behandelt werden. Lassen Sie mich mit einem Dank an die Soldaten schließen. Sie haben mir in meiner Arbeit keine Schwierigkeiten bereitet, sondern sehr häufig in offener und fröhlicher Weise zur Diskussion und Aussprache zur Verfügung gestanden, auch wenn es um schwierige Fragen ging. Lassen Sie mich den Damen und Herren Abgeordneten danken, die meine Arbeit mitgetragen und mitunterstützt haben. Und lassen Sie mich Ihnen danken, Herr Präsident, daß Sie mir hier Gelegenheit zur Rede gegeben haben. ({20})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses. Wer der Beschlußempfehlung des Verteidigungsausschusses unter Nr. 1 und 2 in Drucksache 9/1695 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist damit einstimmig angenommen. Vizepräsident Windelen Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({0}) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Stercken, Klein ({1}), Dr. Mertes ({2}), Graf Huyn, Dr. Köhler ({3}) Dr. Marx, Köster, Frau Hoffmann ({4}), Dr. Abelein, von der Heydt Freiherr von Massenbach, Dr. Czaja, Dr. Todenhöfer, Höffkes, Lamers, Frau Fischer, Schmöle, Dr. Kunz ({5}) und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU Lage im Libanon - Drucksachen 9/1121, 9/1693 Berichterstatter: Abgeordneter Schäfer ({6}) Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist für die Aussprache ein Beitrag von bis zu zehn Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. Darf ich davon ausgehen, daß das Haus damit einverstanden ist? - Ich stelle Ihr Einverständnis fest. Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Als Berichterstatter hat Herr Abgeordneter Schäfer ({7}) das Wort.

Helmut Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001932, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ihnen vorliegende Beschlußempfehlung, die der Auswärtige Ausschuß einstimmig gefaßt hat, ist durch die dramatische Entwicklung seit dem 6. Juni im Libanon, durch den Einmarsch israelischer Truppen, in ihrer jetzigen Fassung überholt. Wir sind deshalb zwischen den drei Fraktionen übereingekommen, daß wir die notwendig gewordenen Änderungen und Aktualisierungen in einer weiteren Sitzung des Auswärtigen Ausschusses besprechen, aber heute die Gelegenheit wahrnehmen sollten, zu dieser Beschlußempfehlung hier Stellung zu nehmen. - Vielen Dank.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Das Wort in der Aussprache hat der Abgeordnete Klein ({0}).

Hans Klein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001114, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der amerikanische Präsident, der von dieser Stelle aus in wenigen Stunden zum Deutschen Bundestag sprechen wird, hat gestern abend etwa sinngemäß zwei Forderungen zur Wiederherstellung des Friedens im Libanon aufgestellt: Er hat den Rückzug der israelischen Truppen und die Unterbindung palästinensischer Gewaltakte gegen Israel verlangt. Dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist der Kernpunkt auch der Beschlußempfehlung aller drei Fraktionen und der konzipierten Aktualisierungsvorschläge dazu. Es geht in allererster Linie darum, die Souveränität des Libanon wiederherzustellen, den Libanesen dabei zu helfen, Herr im eigenen Hause zu sein. ({0}) Daß wir die Bundesregierung auffordern, dabei gemeinsam mit unseren Verbündeten in der Europäischen Gemeinschaft und im Atlantischen Bündnis vorzugehen, meine Damen und Herren, hat auch den Sinn, daß ja die Amerikaner diejenigen im Nahen Osten waren, die sich - im Gegensatz zur Sowjetunion - um eine friedensstiftende Rolle bemüht haben. ({1}) Und vergessen wir nicht: Der Waffenstillstand, der jetzt auf dramatische Weise gebrochen worden ist-für die Bevölkerung mit schwerem Leid verbunden -, ist von dem amerikanischen Unterhändler Philippe Habib ausgehandelt worden. Ich erinnere an den Camp David-Prozeß, der in einem gewissen Zusammenhang mit der neuesten Entwicklung im Libanon steht. Die tiefere Ursache für die gegenwärtige Situation wurde vor ungefähr acht Jahren sichtbar, als der große, interne Krieg im Libanon ausbrach. Es gab zeitweise 40 - meine Damen und Herren, 40! - verschiedene Konfliktparteien. Alte Gegensätze brachen auf. Ich erinnere nur daran, daß es 17 größere Religionsgemeinschaften in diesem Lande gibt und daß heute ungefähr 90 000 Mann bewaffneter Ausländer im Libanon stehen. Das schließt die israelischen Truppen ein, das schließt die bewaffneten palästinensischen Freischärler ein, das schließt ein die syrische Besatzungsmacht, das schließt ein die Truppen von UNIFIL. ({2}) Der achtjährige interne Krieg - ich sprach davon, daß alte Gegensätze aufgebrochen seien - hat aber letztlich dazu geführt, daß sich ein libanesisches Nationalgefühl gefestigt hat, daß die Libanesen heute nichts sehnlicher wünschen, als - auf der Basis des alten nationalen Paktes, den sie in den 40er Jahren miteinander geschlossen hatten: Christen, Sunniten, Schiiten, Drusen - ihr Land wieder gemeinsam regieren zu können. Meine Damen und Herren, bei dem Wort „Christen" muß es in einem christlichen Land gestattet sein, daran zu erinnern: Die libanesischen Christen waren schon Christen, als in unserem Teil der Welt die Mission noch kaum eingesetzt hatte. Der Libanon war für den Nahost-Raum so etwas wie die Schweiz für den europäischen Raum: wirtschaftlich, politisch und in gewissem Sinne auch touristisch. Diese Rolle, diese Funktion, die der Libanon in diesem Raum ausgeübt hat, nützte allen. Und diese Funktion wieder herzustellen, kann auch im Sinne aller - aller arabischen Nachbarn, auch der Israelis, auch der Europäer, auch des Westens - sein. Vielleicht liegt auf diesem Wege eine Möglichkeit, eine zweite sichere Grenze für Israel zu schaffen. Ich erinnere an den Rückzug der Israelis aus dem Sinai als einen bedeutenden Beweis dafür, daß Israel auch unter schwierigsten Umständen bereit ist, aus Sicherheitsgründen erobertes Land wieder abzugeben, wenn es die einigermaßen plausible Garantie dafür hat, daß an dieser Grenze seine Sicherheit gewährleistet ist. ({3}) Klein ({4}) Es fällt mir nicht ein, den Israelis hier altkluge, distanzierte Ratschläge zu erteilen, wohl aber muß es gestattet sein, in beide Richtungen eine Meinung als Freund zu äußern. Auf lange Sicht ist auch Israels Sicherheit nicht nur mit militärischen Mitteln zu gewährleisten. ({5}) Die Zahl von Freunden in der Region muß vergrößert werden. Der Tod Sadats hat uns für eine kurze Frist dramatisch vor Augen geführt, daß es nicht ausreicht, nur einen Freund in der Region zu haben. Vielleicht bietet die gegenwärtige Auseinandersetzung eine Möglichkeit für einen Neuanfang mit einem weiteren Nachbarn, was auch im Interesse der Araber liegen müßte. Wenn ich über die Araber spreche, möchte ich ein deutliches Wort versuchen, das zu formulieren nicht leicht ist. Schauen wir uns an, wie jetzt die arabische Welt auf den Krieg im Libanon reagiert: verbal, mit großen Worten. Das sage ich nicht, um sie einzuladen, militärisch zu reagieren, sondern das sage ich, um zu kennzeichnen, daß seit Jahrzehnten in der arabischen Welt eine leere Schlagzeilensprache geführt wird, wenn es um die Palästinenserfrage geht. Dieses Stück Unterschied zwischen dem, was gesagt wird, und dem, was gedacht und getan wird, spüren nicht nur die betroffenen Palästinenser, das spüren die Menschen in allen arabischen Ländern selbst. Der Bedarf an Wahrheit drückt sich vielleicht zum Teil auch in der Re-Islamisierung aus. Wenn es uns gelingt, mehr arabische Staaten dazu zu bringen, ihre Interessen offen und ehrlich zu bekunden, dann wird auch den Palästinensern besser geholfen werden. Anwar al-Sadat hat ein Beispiel dafür gesetzt. Ich darf noch einmal daran erinnern, daß für die CDU/CSU-Fraktion auch im Raume Nahost die drei Prinzipien Selbstbestimmungsrecht, Rücksichtnahme auf die Sicherheit und Integrität der Nachbarstaaten und Verzicht auf Anwendung oder Androhung von Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele oder rechtlicher Standpunkte unauflösbar miteinander verknüpft sind und gleichrangig bestehen. ({6}) Weder darf die eine Seite der anderen das Selbstbestimmungsrecht leugnen, noch darf die andere Seite, wie teilweise im Falle der Palästinenser geschehen - ich zitiere jetzt meinen Freund Alois Mertes -, aus dem Selbstbestimmungsrecht ein Verfügungsrecht über den Libanon und ein Vernichtungsrecht gegenüber Israel machen. ({7}) Ich begrüße, daß die Europäische Volkspartei gestern in Brüssel einen Beschluß zur Libanon-Frage gefaßt hat, der sich weitgehend mit den Auffassungen deckt, die auch in unserem gemeinsamen Beschluß enthalten sind. Ich darf einen Satz hervorheben. Dort wird daran erinnert, daß sich insbesondere der Libanon in seiner Geschichte niemals einer Aggression schuldig gemacht hat, sondern im Gegenteil in einem pluralistischen Staat die friedliche Koexistenz zwischen christlichen und islamischen Religionen und Kulturen verwirklicht und den palästinensischen Flüchtlingen seine volle Gastfreundschaft gewährt hat. - Ich danke Ihnen. ({8})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Soell.

Prof. Dr. Hartmut Soell (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002186, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, bevor ich auf einige Punkte der Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zur Lage im Libanon eingehe, einige Bemerkungen über persönliche Eindrücke zu machen, die sich demjenigen aufdrängen, der sich durch die Bilder der jüngsten blutigen Auseinandersetzung im Libanon betroffen fühlt, die zunächst durch israelische Luftangriffe ausgelöst worden sind. Bilder sind meist einseitig, augenblicksbedingt. Sie zeigen nicht, was jeweils vorher geschehen ist. Sie bilden meist nur Folgen ab, ohne die Ursachen zu erläutern, zumal dann, wenn wie hier die Ursachen so verwickelt sind. Dennoch sind die Reaktionen der Menschen im Libanon und darüber hinaus aller Menschen, die auch diesen neuen Krieg für sinnlos halten, mehr als verständlich. Sie fragen zu einem großen Teil nicht mehr nach Ursache und Wirkung, nach den Urhebern der Konflikte, nach richtiger oder falscher Seite, nach gut oder böse, nach Gerechten oder weniger Gerechten. Es wäre sicherlich ein politischer Fehler, uns diese Haltung so zu eigen zu machen. Die Gefahr liegt vor allem darin, daß die Maßstäbe für die Beurteilung der Lage und die daraus abzuleitenden politisch notwendigen Maßnahmen verlorengehen würden. Wir müssen aber Verständnis für die tiefe Sehnsucht der Menschen dort aus allen politischen, religiösen, sozialen und ethnischen Gruppen haben, die Kette der Gewalt und des Unheils zu durchbrechen, egal wie. Diese Sehnsucht sollte unsere unmittelbare Betroffenheit, unsere Verantwortungsbereitschaft erhöhen, ohne uns der Fähigkeit zur genauen Unterscheidung dessen, was ist, und dessen, was sein soll, zu berauben. Dies ist eines der zentralen Ziele des vorliegenden Antrages. Gerade weil wir Sozialdemokraten den Weg der Gewalt, wie ihn die politischen Organisationen der Palästinenser in vielfältiger Weise beschritten haben, verabscheut, ihn verturteilt haben, können wir auch die jüngste Intervention Israels im Südlibanon nicht mit Schweigen übergehen. Um die Gefahr von Mißverständnissen zu verringern und weil wir auch Sorge haben über die Haltung, die insbesondere in Teilen der jungen Generation entstanden ist, möchte ich erläutern, weshalb ich eine solche Kritik nicht nur für möglich, sondern für notwendig halte. Geschichtliche Schuld, die durch eine verbrecherische Politik im Namen Deutschlands auch uns Nachlebenden aufgeladen ist, hat uns seit den Tagen Kurt Schumachers - ich möchte hier die Christdemokraten und die Freien Demokraten mit einbeziehen -, seit den Tagen Konrad Adenauers und Theodor Heuss' immer und immer wieder dazu gebracht, die Existenz- und Lebensrechte Israels anzuerkennen und für ihre Er6344 haltung nach Kräften zu wirken. Dies soll nach unserem Willen auch künftig so bleiben. Nun gibt es aber führende Regierungspolitiker in Israel - die Auseinandersetzung im letzten Sommer brennt mir noch auf der Seele - wie Ministerpräsident Begin, die in Anlehnung an Lehren des Alten Testaments im Blick auf Deutschland meinen, die Sünden der Väter träfen Kinder und Kindeskinder bis ins letzte Glied, also sei es eine immerwährende moralische Pflicht der Deutschen und ihrer politischen Kräfte, die jeweilige Politik Israels um jeden Preis zu unterstützen oder zumindest widerspruchslos hinzunehmen. In dieser Absolutheit kann ich, der mittleren Generation angehörend und die „Sünden der Väter" bewußt auf mich nehmend, solche Forderungen nicht akzeptieren. Dies gilt ungleich mehr noch für die jüngere Generation. Diese Tendenz wird sich in den kommenden Jahren verstärken. Dabei ist keineswegs nur die vielbeklagte Geschichtslosigkeit der jungen Generation ausschlaggebend, sondern oft auch die Frage, ob, gerade wenn die geschichtliche Verantwortung dort bewußt bleibt, nicht zu den Folgen des Mordes am jüdischen Volk auch die Art und Weise der Gründung und Selbstbehauptung des Staates Israel gehört und sich dadurch eine zumindest indirekte deutsche Mitverantwortung für die davon Betroffenenen - von den palästinensischen Flüchtlingen bis hin zu den Libanesen - ergibt. Solche Fragen nehmen an Intensität zu, wann immer, wie in den letzten Tagen, der Eindruck entsteht, daß Israel im Libanon seine Sicherheitsinteressen absolutsetzt, was aber nur die absolute Unsicherheit und das Unglück der Nachbarn im Norden verstärkt. Im Sinne dieser Überlegungen verstehen wir den Antrag zur Lage im Libanon, dessen Notwendigkeit durch die gegenwärtige Entwicklung noch unterstrichen wird. Wir unterstützen die Bemühungen um einen sofortigen Waffenstillstand im Libanon im Sinne der Resolutionen 508 und 509 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen und fordern die Bundesregierung auf, gemeinsam mit den Partnern in der Europäischen Gemeinschaft und in der Atlantischen Allianz darüber hinaus auf den Rückzug der israelischen Truppen hinter die libanesisch-israelische Staatsgrenze und auf eine Einstellung der palästinensischen Beschießung israelischer Siedlungen und weiterer Gewaltakte gegen Israel sowie der israelischen und syrischen Bombardements von Zielen im Libanon hinzuwirken. Lassen Sie mich auf einen wichtigen Punkt des Antrages besonders hinweisen, der die Ausdehnung der Kontrolle der Truppen der Vereinten Nationen -UNIFIL - im Süden des Libanon bis zum LitaniFluß fordert. Wir haben jetzt erneut gesehen, daß diese Truppen auf Grund ihres Auftrages, ihrer Ausstattung und ihrer örtlichen Begrenzung zu einer wirksamen Kontrolle noch nicht fähig sind. Durch unsere Forderung sollen Bemühungen mit dem Ziel unterstützt werden, daß kein Landesteil des Libanon von Dritten als militärische Basis für Angriffe auf Nachbarstaaten mißbraucht werden kann. Das massive militärische Eingreifen der Israelis (1 im Südlibanon mag von der Absicht diktiert sein - darauf hat der Kollege Klein hingewiesen -, dort eine ähnliche Lösung wie an der israelisch-ägyptischen Grenze zu erzwingen. Geographie, Bevölkerungsdichte und Anwesenheit der palästinensischen Flüchtlinge und ihrer Organisationen schaffen im Libanon aber eine erheblich andere Lage als im Sinai. Deshalb ist der Weg der mehrseitigen Sicherheitsbemühungen, u. a. garantiert durch eine verstärkte UNIFIL, gangbarer als jede einseitige militärische Sicherheitsvorsorge, die, wie die Auseinandersetzung der Israelis mit den Syrern schon zeigt, die große Gefahr der Eskalation und der räumlichen Ausweitung des Krieges mit sich bringt - so, als hätten wir nicht schon übergenug militärische Konflikte in den anderen Teilen der Welt. Außenminister Genscher hat am 25. April dieses Jahres aus Anlaß des Rückzuges der Israelis vom Sinai erklärt, er sehe in der Erfüllung des Friedensvertrages einen wichtigen Wendepunkt in der Geschichte des Nahen Ostens. Durch Verhandlungen und Zusammenarbeit könne man mehr für den Frieden im Nahen Osten erreichen als durch Gewalt oder Verweigerung. ({0}) - Dies gilt für alle Seiten, natürlich auch für die PLO und für andere Organisationen der Palästinenser. Jedenfalls ist das Ziel, das durch diese Aussage angestrebt wird, heute noch wichtiger als am (1 25. April 1982. Da der Antrag darauf ausgeht, den Menschen im Libanon bei der Gestaltung einer friedlicheren Zukunft zu helfen - so begrenzt unsere Mittel sind -, da er aber auch auf Grund der aktuellen Lage der Ergänzung bedarf, stimmt die sozialdemokratische Bundestagsfraktion der Rückverweisung des Antrages an den Auswärtigen Ausschuß zu. - Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({1})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Ich erteile dem Abgeordneten Schäfer ({0}) das Wort.

Helmut Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001932, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ernst der im Libanon eingetretenen Lage wurde aus den Worten meiner beiden Vorredner deutlich, und ich glaube, es ist auch bei den Bemühungen des Auswärtigen Ausschusses deutlich geworden, daß es hier keine parteipolitischen Gegensätze gibt. Es handelt sich um einen gefährlichen Konflikt, dessen Ausmaß wir jetzt noch nicht übersehen können, der aber in den nächsten Tagen ein noch gefährlicheres Ausmaß annehmen kann. Ich warne alle diejenigen, die glauben, es handele sich dabei um eine regionale Auseinandersetzung, die man hier zwar debattiert, über deren Ernst man sich hier aber möglicherweise nicht allzu sehr erregen müßte. Gerade an dem Tag, an dem der amerikanische Präsident von dieser Stelle aus zum deutschen Volk sprechen wird, ist es, glaube ich, anSchäfer ({0}) gebracht, darauf hinzuweisen, daß die Debatten, die wir über Rüstungskonstrolle und Abrüstung führen, ungeheuer wichtig sind, aber daß wir in der westlichen Politik mehr als bisher darauf achten müssen, daß uns Konfliktherde nicht außer Kontrolle geraten, die möglicherweise einen Konflikt zwischen Ost und West herbeiführen können, der nicht an unseren Grenzen ausbricht, aber möglicherweise dort, wo wir nicht genügend darauf geachtet haben, solche militärischen Konflikte rechtzeitig einzudämmen. Meine Damen und Herren, wer die Bilder im Deutschen Fernsehen gestern abend verfolgen konnte, wer die Nachrichten heute gehört hat und wer sich mit dem hier anwesenden libanesischen Botschafter unterhalten konnte, der auf der Tribüne Platz genommen hat, ({1}) muß sagen: Was zur Zeit im Libanon geschieht, kann nicht einfach durch freundliche verbale Äußerungen beseitigt werden, sondern wir müssen uns sehr ernsthafte Gedanken machen, ob wir hier nicht auch dem Verursacher dieses Angriffs gegenüber sehr deutlich zum Ausdruck bringen müssen, daß wir bei allen Verpflichtungen, die wir Israel gegenüber eingegangen sind, und bei aller Verantwortung, die wir mit für diesen Staat tragen, nicht hinnehmen können, daß dort eine Regierung inzwischen zu glauben scheint, sie habe in der Welt Sonderrechte - Sonderrechte, die keinem anderen Staat der Welt zugebilligt würden. Meine Damen und Herren, die Vereinten Nationen haben schon am Tag nach dem israelischen Angriff versucht, einen Waffenstillstand zu erreichen. Sie haben alle Bemühungen eingeleitet, heute nacht wieder, leider gescheitert am amerikanischen Veto, was ich nicht recht begreifen kann. Die Begründung von Frau Kirkpatrick ist mir bis zur Stunde nicht ganz verständlich geworden. Meine Damen und Herren, wenn wir unseren israelischen Freunden nicht unmißverständlicher klarmachen, daß eine solche Politik für uns gefährlich ist, daß sie einen Weltkonflikt heraufbeschwören kann, dann allerdings fürchte ich Schlimmes. Dies ist ja nicht der einzige Konflikt, der in den letzten Wochen über uns gekommen ist und der uns bedroht. Ich meine, hier genügen verbale Erklärungen nicht mehr; hier müssen die westlichen Außenminister, die heute hier versammelt sind, auch überlegen, welche anderen Möglichkeiten sie noch haben, welche wirksamen Möglichkeiten sie noch haben. Die Falklandkrise ist im Verhältnis zu dem, was im Libanon passiert, geradezu abenteuerlich geringfügig. Dort sind nicht Tausende von Menschen bei einer Invasion umgekommen. Man hat nur eine Invasion sinnloserweise eskalieren lassen. ({2}) - Lassen Sie mich bitte ausreden. - Ich bin mir völlig darüber im klaren, daß es hier in diesem Hause und in Deutschland Leute gibt, die immer wieder versuchen, alle Aktionen Israels zu entschuldigen. Ich gehöre nicht zu denen, die alle Aktionen Israels nur verdammen. Aber ich bin der Meinung, wir müssen mehr Gerechtigkeit walten lassen, Herr Lenz. ({3}) Wir dürfen uns nicht immer auf Aussagen von vor 30 Jahren zurückziehen, Israel „müsse ins Meer getrieben werden". Die Dinge haben sich zum Teil leider Gottes verkehrt. Das müssen Sie bitte einmal zur Kenntnis nehmen. Wir können hier doch nicht gleich anschließend über Afghanistan diskutieren und zu Recht die sowjetische Invasion verurteilen und einen ähnlichen Vorgang nur deshalb herunterspielen, weil es sich dabei um einen befreundeten Staat handelt. Ich halte das nicht für richtig. ({4}) - Lassen Sie mich bitte weiterfahren. Ich werde auch noch zu den Syrern kommen, wenn Sie mir dazu Gelegenheit geben.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Graf Huyn zu? - Bitte, Herr Abgeordneter Graf Huyn.

Hans Huyn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000987, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Schäfer, wenn wir sicher auch alle der Meinung sind, daß jeder Bruch eines Waffenstillstands und eines Friedens von Übel ist, sind Sie doch bereit, mir zuzustimmen, daß hier nicht einseitig Israel verurteilt werden sollte, sondern daß es auch eine lange andauernde syrische Besetzung des Libanon gibt und daß von dem Libanon, und zwar gerade von der Gegend, die jetzt von den israelischen Truppen besetzt wird, seit Jahren Terrorakte der Palästinenser gegen Israel ausgehen? ({0})

Helmut Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001932, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Graf Huyn, ich möchte hier nicht auf den gesamten Nahost-Konflikt und alle Einzelheiten zu sprechen kommen. Das würde zu weit führen. Aber ich kann Ihnen sagen, daß ich vor acht Wochen an der Grenze war, an der jetzt Israel eingegriffen hat. Israelische Offiziere haben mir an dieser Grenze gesagt, dort sei von der anderen Seite kein Schuß gefallen, seit dem Beginn des Waffenstillstandes, der - das hat Herr Klein zu Recht erwähnt - ein Verdienst des Unterhändlers Habib war. Aber wir wissen seit sechs Wochen - und länger -, daß Israel eine solche Aktion systematisch geplant hat. Wenn Sie mir jetzt zugeben müssen, Graf Huyn, daß Israel inzwischen nicht etwa nur bis zum Litani vorgestoßen ist, sondern wenige Kilometer vor Beirut steht, wenn es gleichzeitig bereits an der Straße Damaskus-Beirut steht, muß ich mich allerdings fragen, was mit dieser Aktion wirklich beabsichtigt ist, ob es wirklich nur um die Beseitigung der palästinensischen Stellungen geht oder ob Israel nicht, wie heute morgen in den Nachrichten zu hören war, beabsichtigt, eine Teilung des Libanon herbeizuführen: Nordlibanon syrisch und Südlibanon Schäfer ({0}) israelisch. Ich halte das für eine ganz bedenkliche Entwicklung. ({1}) - Ich glaube, es führt uns nicht weiter, Herr Lenz, wenn wir uns durch Zwischenrufe gegenseitig zu stören versuchen. Wir sind uns, denke ich, im Grund unserer Politik durchaus einig. Aber wir müssen ehrlich bleiben. ({2}) Wir können nicht auf der einen Seite Wirtschaftsembargos fordern und auf der anderen Seite nicht einmal darüber nachdenken. ({3}) Wir können auch nicht eine westliche Außenpolitik glaubwürdig vertreten, wenn wir sagen, der eine Aggressor wird bestraft, uns bei dem anderen aber zurückhalten, d. h. bei verbalen Erklärungen bleiben. ({4}) - Herr Lenz, Sie können noch so laut schreien. Ich bin gerne bereit, Ihnen den genauen Ablauf der Kampfhandlungen vorzulegen, beginnend mit einem Attentat auf den israelischen Botschafter in London. Das war ein abscheuliches Verbrechen, das von Israel am nächsten Tag mit einem Bombenangriff auf Beirut geahndet wurde. Halten Sie das hinsichtlich der Wahl der Mittel noch für verhältnismäßig, oder müssen Sie mir nicht zugeben, wenn ich sage, daß man zunächst einmal abwarten müßte, wer denn nun eigentlich der Attentäter gewesen ist, oder das gar zum Anlaß nimmt, einen Krieg vom Zaun zu brechen? Und es ist inzwischen ein Krieg. ({5}) - Versuchen Sie nicht dauernd, mir Ihre Meinung aufzuzwingen! Sie können das ja noch alles im Verlauf weiterer außenpolitischer Debatten darstellen. Ich bin überzeugt davon, daß der Ernst der Lage, der entstanden ist, dem amerikanischen Präsidenten, den Staatschefs und den Außenministern der westlichen Welt, die sich hier versammeln, Gelegenheit geben wird, etwas Wirksames zu unternehmen, und daß es nicht allein bei Erklärungen und Resolutionen bleibt. Ich finde es schlimm, daß UNIFIL- Truppen, stationiert an der Grenze, um nach Möglichkeit einen Puffer zu bilden, zur Seite traten, als die israelischen Truppen einmarschierten, daß sie sagten, sie hätten dafür eine Order bekommen. Wozu dann solche Truppen? Wir müssen uns fragen: Ist das die Lösung des Konfliktes oder bedarf es nicht anderer Lösungen, z. B. solcher, wie sie an der ägyptisch-israelischen Grenze inzwischen zustande gekommen sind? Ich kann nur hoffen, daß sich diejenigen israelischen Politiker, denen ich Mäßigung bescheinigen kann, in Israel durchsetzen werden und daß man nicht glaubt, mit einer Politik der verbrannten Erde im Libanon den Nahost-Konflikt lösen zu können. Ich muß in diesem Zusammenhang auch sehr kritisch zum israelischen Verteidigungsminister Stellung nehmen, der erklärt hat, die politische und militärische Vernichtung der Palästinenser sei beabsichtigt. Wenn Israel glaubt, daß der Nahost-Konflikt auf diese Art und Weise, militärisch gelöst werden kann - aus der Geschichte des Judentums müßte es eigentlich zu anderen Schlüssen als zu solchen kommen -, dann wird man sicher feststellen können, daß das zu einer ganz gefährlichen Entwicklung in der Zukunft führen kann. Bei aller Liebe und Freundschaft zum Staat Israel müssen wir diese Entwicklung zu steuern versuchen. Ich wiederhole: Hier bedarf es wirklich keines Streites hinsichtlich der Kontrahenten. Notwendig ist seitens des Westens nur, die Fakten zu sehen und wirkungsvolle Mittel anzuwenden, die geeignet sind, diese Fakten anders zu gestalten. Ich kann nur sagen, bisher ist es bei verbalen Erklärungen geblieben. Ich glaube, wir müssen alles daransetzen, daß die Glaubwürdigkeit der westlichen Außenpolitik erhalten bleibt. Wir müssen alles tun, damit dieser Konflikt im Interesse des Volkes des Libanon möglichst schnell beendet wird. Ich kenne die Zahl der Toten - soweit sie bis gestern bekannt war - und weiß um Zerstörung südlibanesischer Städte und Dörfer. Es ist nicht richtig, daß nur Palästinenser-Stellungen angegriffen worden sind. Inzwischen gibt es schwere Verluste unter der Zivilbevölkerung. Ich meine, wir sollten das nicht einfach hinnehmen, dies nicht einfach nur mit einer historischen Debatte abtun sondern wir sollten uns der Bewältigung dieses Konfliktes entschiedener stellen, als wir das bisher getan haben. - Vielen Dank. ({6})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Das Wort hat der Staatsminister im Auswärtigen Amt Frau Dr. Hamm-Brücher.

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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung begrüßt es, daß dem Deutschen Bundestag ein umfassender und von allen Fraktionen gemeinsam getragener Antrag vorliegt, mit dem die in der Tat bedrückenden Probleme aufgegriffen werden, die seit Jahren den Libanon belasten und ihn seit einigen Tagen in eine aktuelle bedauernswerte kriegerische Auseinandersetzung verwickelt haben. Gerade die tragischen Ereignisse der letzten Tage - das wurde j a aus den Worten der Sprecher aller Fraktionen deutlich - geben der heutigen Aussprache eine noch größere Aktualität, als das bei der Einbringung des Entschließungsantrags zu vermuten war. Ich kann Ihnen sagen, meine sehr geehrten Damen und Herren, weil die Bundesregierung dazu aufgefordert wurde: Diese Aktualität wird heute in besonderer Weise durch eine Sondersitzung der europäischen Außenminister im Rahmen der Europäischen Politischen Zusammenarbeit zum Ausdruck kommen. Diese Sitzung wird heute nachmittag in Bonn stattfinden. Die zehn Außenminister werden sich dabei mit der stündlich sich zuspitzenden Lage im Libanon sehr intensiv beschäftigen. Herr Kollege Schäfer, Sie haben das vorher reklamiert. Herr Kollege Klein hat zu Recht darauf hingewiesen, daß es gemeinsame Aktionen und gemeinsame Überlegungen der befreundeten Staaten sein sollten. Außerdem darf ich hier zur Kenntnis geben, daß Bundesaußenminister Genscher gestern die in Bonn akkreditierten arabischen Botschafter empfangen und in derselben unmißverständlichen Weise, wie das in der Erklärung in Versailles geschah, wie es auch den Erklärungen im Weltsicherheitsrat entspricht, unsere Vorstellungen dargelegt hat. Lassen Sie mich diese Gelegenheit benutzen, um ganz kurz die Auffassung der Bundesregierung zu dieser Entwicklung darzulegen, die im Libanon seit dem 3. Juni, dem Tag des Einmarsches der israelischen Truppen, eingetreten ist und die, wie hier übereinstimmend mit großer Bestürzung bedauert wurde, große Teile der unschuldigen Zivilbevölkerung des Libanon in eine wahrhaft verzweifelte Situation gestürzt hat. Auch die Mitglieder der Bundesregierung sind von den Leiden und den sinnlosen Zerstörungen, die über die Zivilbevölkerung hereingebrochen sind - über Libanesen wie Palästinenser -, zutiefst betroffen. Nach den vorliegenden Berichten muß damit gerechnet werden, daß die Zahl der Todesopfer in die Hunderte geht. Ich glaube, wir alle stimmen überein, sehr geehrte Kollegen, daß es keinen Anlaß geben kann, der den gewaltsamen Tod einer so großen Zahl unschuldiger Zivilisten rechtfertigt. Es ist Ihnen bekannt, daß sich alle Bundesregierungen immer wieder zum Gewaltverzicht bekannt haben. Wir wissen aus unserer geschichtlichen Erfahrung, daß sich durch Gewalt keine Probleme lösen lassen, jedenfalls nicht auf Dauer. Im Gegenteil: Gerade im Fall des Libanon haben wir mit ansehen müssen, wie der sich seit Jahren eskalierende Zyklus von Gewalt und Gegengewalt alle Aussicht auf eine einvernehmliche Lösung weiter verbaut hat. Deshalb ist die Bundesregierung immer wieder für beharrliche und geduldige Bemühungen um einen innerlibanesischen Konsens eingetreten. Der Dialog aller am Libanonkonflikt beteiligten Kräfte muß die Wiederherstellung der nationalen Einheit, der Souveränität und der territorialen Integrität des Landes und das Ende - auch das möchte ich unterstreichen - jeglicher Einmischung von außen in innerlibanesische Angelegenheiten zum Ziel haben. ({0}) Von den eben noch einmal im Hinblick auf die Kürze der heutigen Debatte nur knapp skizzierten Grundlagen unserer Außenpolitik betreffend den Libanon hat sich vor wenigen Tagen auch - ich möchte es wiederholen - die Gipfelkonferenz der Sieben in Versailles leiten lassen. Die Bundesregierung hat diese Erklärung aktiv mitgestaltet. Mit der gleichen Entschiedenheit stehen wir zu den Resolutionen, die der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am 5. und 6. Juni verabschiedet hat. Israel wird in diesen Resolutionen aufgefordert, seine Streitkräfte umgehend und ohne Bedingungen über die internationalen Grenzen zurückzunehmen. Sie fordern gleichzeitig alle Konfliktparteien auf, sofort und gleichzeitig die militärischen Aktionen im Libanon zu beenden. In diesem Sinne begrüßen wir es, wenn der vorliegende Antrag im Auswärtigen Ausschuß neuerlich behandelt und aktualisiert wird. Zum grundsätzlichen und ursprünglichen Teil des Antrags kann ich nur wiederholen, daß er von der Bundesregierung voll mitgetragen wird. Alle dort aufgeführten Punkte entsprechen den Vorstellungen der Bundesregierung. Das libanesische Volk muß die Möglichkeit haben, über seinen künftigen Weg, über die Gestaltung seines Staates selber zu entscheiden. Dies ist überhaupt die Grundvoraussetzung für den Konsens der Libanesen untereinander. Wir alle wünschen aufrichtig, daß die Vielzahl der libanesischen Parteien - sie wurden ja hier einmal aufgezählt; ich glaube, das war sehr wichtig -, die Vielzahl der Religionsgemeinschaften die innere Bereitschaft zu diesem Konsens aufbringen mögen, damit das Land wieder seine Rolle als Mittler zwischen Okzident und Orient und als Vermittler wirtschaftlichen und kulturellen Austausches erfüllen kann, wie es in der Vergangenheit der Fall gewesen ist.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Frau Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Mertes? - Bitte, Herr Dr. Mertes.

Dr. Alois Mertes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001482, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, gerade weil wir jedem Wort, das Sie bis jetzt gesagt haben, zustimmen können, liegt mir daran, daß folgender Punkt in dieser Debatte ausgeräumt wird. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß ein Vergleich des Falkland/MalwinenKonfliktes mit dem Nahost-Konflikt sich allein schon deshalb verbietet, weil sich das Problem der Nichtanerkennung des Existenzrechts eines Staates, eines Mitglieds der Vereinten Nationen, im Falle des Malwinen-Konfliktes nicht stellt, während er das Grundproblem im Nahen Osten ist? Teilt die Bundesregierung diese Ansicht bezüglich der Nichtvergleichbarkeit?

Not found (Gast)

Herr Kollege Mertes, die Bundesregierung teilt die Meinung und ist im übrigen der Ansicht, daß sich wahrscheinlich kein weltpolitischer Konflikt mit dem anderen deckungsgleich vergleichen läßt. Das ergibt unter Umständen auch schiefe Eindrücke in der Öffentlichkeit und in unseren befreundeten Nachbarländern. ({0}) Ich möchte zum Schluß kommen und meine Darlegungen noch einmal kurz zusammenfassen. Die eben skizzierten Ziele hat die Bundesregierung zusammen mit den Regierungen der befreundeten Staaten stets verfolgt. Die Bundesregierung ist auch weiterhin bereit, zu helfen, daß der Libanon die jetzige verzweifelte Lage endgültig überwinden kann und daß der Friede in diesem Lande, in diesem viel- und leidgeprüften Lande und seiner Bevölkerung wiederhergestellt werden kann. In dem vorliegenden Antrag sieht die Bundesregierung einen wertvollen Beitrag zur Erfüllung der Aufgaben, die der internationalen Gemeinschaft bei der Überwindung des Libanon-Konfliktes obliegen. Wir hoffen sehr, daß auch in der zweiten Runde eine einstimmige Verabschiedung möglich ist. ({1})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Es ist beantragt, die Vorlage auf Drucksache 9/1693 - Beschlußempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag bezüglich Lage im Libanon - an den Auswärtigen Ausschuß zurückzuverweisen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist einstimmig angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({0}) zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und FDP zur Erklärung der Bundesregierung zum Afghanistantag zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur Erklärung der Bundesregierung zum Afghanistantag - Drucksachen 9/1445, 9/1450, 9/1694 Berichterstatter: Abgeordnete Graf Stauffenberg Neumann ({1}) Schäfer ({2}) Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist für die Aussprache ein Beitrag von bis zu zehn Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. Darf ich davon ausgehen, daß das Haus mit diesem Vorschlag einverstanden ist? - Ich stelle das Einvernehmen fest. Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Dies ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wulff.

Prof. Dr. Otto Wulff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002574, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich feststellen, daß es eine gute Lösung ist, wenn wir in diesem Hause in der Außenpolitik in den Fragen, die unser ganzes Volk betreffen und die von großem Gewicht sind, zu Gemeinsamkeit zurückgefunden haben - zumindest im Hinblick auf die Probleme, die Afghanistan betreffen. Ich halte es für eine gute Sache, daß wir in unsere Empfehlung im Ausschuß einstimmig einfügen konnten, auch den Freiheitskämpfern humanitäre Hilfe zu gewähren, ({0}) weil - auch das sei einmal in aller Deutlichkeit gesagt - die 15 Millionen Afghanen in ihrer Gesamtheit als Freiheitskämpfer für ihr Land zu bewerten sind. Meine Damen und Herren, es ist im Grunde genommen eine Tragik, was man am Beispiel Afghanistan sehen und verfolgen kann. Zweieinhalb Jahre nach der Invasion der Sowjettruppen in Afghanistan wird zwar überall in unserem Lande - was richtig ist - für den Frieden demonstriert, für den Frieden gefochten, aber wo, so frage ich mich auf vielen Veranstaltungen, spricht man noch von dem leidgeprüften Afghanistan? ({1}) Und man muß sich die Frage stellen, warum Sanger, Schauspieler, Intendanten, wenn sie über Frieden sprechen, nicht Afghanistan, nicht Polen erwähnen. In welcher Welt, meine Damen und Herren, leben wir eigentlich? ({2}) Man muß sich einmal klarmachen, daß 3 Millionen Afghanen heute unter den bittersten Verhältnissen als Flüchtlinge leben müssen. Man gehe einmal an die Universitäten hier in Deutschland und sehe sich das Los jener Menschen an, die fliehen mußten. Ich glaube, auch in diesem Hause gibt es Kollegen, die das bittere Los haben durchmachen müssen, die sich vorstellen können, was es bedeutet, in einem fremden Land leben zu müssen, während zur gleichen Zeit Angehörige ermordet, verhört, gefoltert werden. All das sind Tatsachen, mit denen wir uns auseinanderzusetzen haben. Wenn man sich weiter vorstellt, daß auch in diesen Stunden ärmste afghanische Bauern mit dem Koran auf dem Kopf, kniend vor den russischen Besatzern, ihre Ergebenheit bekunden, nach althergebrachter Landessitte, die unterwürfigste Art, die man sich überhaupt vorstellen kann, dann zeigt das doch, wohin dieses Land gekommen ist. Und manche Anzeichen, glaube ich, sprechen dafür, daß wir Zeugen werden, wie Afghanistan zu einer weiteren sowjetischen Republik gemacht werden soll. Meine Damen und Herren, Doktorprüfungen für Ärzte können in Afghanistan nicht mehr abgelegt werden. Sie müssen in der Sowjetunion abgelegt werden. An der Universität in Kabul dürfen in manchen Fakultäten nur noch Parteileute unterrichten. Sehen Sie sich weiter das naturwissenschaftliche Kolleg der Universität Kabul an, wo dank amerikanischer Hilfe 1 700 Studienplätze geschaffen wurden! Dieses Kolleg wird heute von keinem Lehrer mehr betreut, weil sie fliehen mußten. Sie werden mehr und mehr durch sowjetische Betreuer und sogenannte Berater ersetzt. Hier wird nach der militärischen Invasion eine Politik eingeführt, mit der einem alten, stolzen Volk eine andere Kultur aufgepfropft wird - und das in einer Zeit, in der wir vom Frieden reden. Ich frage mich überhaupt: Wie kann ein Volk, das einen Puschkin, Tolstoi und DostojewDr. Wulff ski, einen Turgenjew und Tschechow, einen Tschaikowski und einen Rachmaninow hervorgebracht hat, wie kann die Führung eines solchen Landes sich so unwürdig verhalten und in ein kleines, zu den ärmsten Ländern der Welt zählendes Land einmarschieren? ({3}) Wie kann es, so frage ich, eine Großmacht überhaupt verantworten, daß ihre Soldaten bisher eine halbe Million Menschen umgebracht haben? Das sind alles Probleme, auf die wir, wie ich meine, zumindest in einer Zeit, in der wir über Frieden sprechen, näher eingehen sollten. Meine Damen und Herren, ich freue mich, daß der Ausschuß die Empfehlung, die Ihnen vorliegt, einstimmig beschlossen hat. Ich freue mich darüber, weil es, wie ich eingangs schon sagte, gut ist, wenn wir uns auf wesentliche Positionen in der Außenpolitik einigen. Ich hoffe sehr, daß das Plenum der Empfehlung des Ausschusses folgen wird. Wir sollten aber auch hier an dieser Stelle immer wieder bekunden: Wir fordern die Sowjetunion auf, möglichst bald die Truppen aus Afghanistan zurückzuziehen, denn jedes Beibehalten dieser Position in Afghanistan seitens der Sowjetunion bedeutet einen Schlag gegen den Frieden, gegen die Entspannung, gegen die Völkerverständigung. ({4}) Ich denke, es ist höchste Zeit, daß die Bundesregierung und dieser Bundestag auch an die Völker der Dritten Welt, die sich überall so beeilen, wenn es darum geht, westliche Positionen zu kritisieren, die sie kritisieren zu müssen glauben, appellieren, daß sie es nicht zulassen dürfen, daß ein Land, das ein blockfreies Land ist und somit zu ihnen gehört, weiterhin ohne Protest der sogenannten Blockfreien besetzt sein kann. Hier befinden wir uns, wie ich glaube, in voller Übereinstimmung mit allen blockfreien Staaten in der Welt. Hier befinden wir uns auch in Übereinstimmung mit der Bundesregierung, die die Invasion in Afghanistan stets und zu jeder Zeit als völkerrechtswidrig, als den Frieden bedrohend und die Menschenrechte verletzend bezeichnet hat. Meine Damen und Herren, ich bin sicher, daß der Bundestag das Problem Afghanistan zu keiner Zeit vergessen wird, weil wir, wie ich glaube, für jeden Verantwortung tragen, der ungerecht in dieser Welt behandelt wird. - Herzlichen Dank. ({5})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Ich erteile dem Abgeordneten Neumann ({0}) das Wort.

Volker Neumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001598, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns zuletzt am 11. März mit Afghanistan beschäftigt. Drei Monate später steht Afghanistan wieder auf der Tagesordnung. Seinerzeit haben wir uns auf Anregung des Europäischen Parlaments - der 23. März ist der Nationalfeiertag Afghanistans - mit Afghanistan befaßt. So kam es zu einem Afghanistantag in Europa und in der freien Welt. Wir haben das wie viele andere Parlamente in dieser Welt zum Anlaß genommen, auf die dauernde Besetzung Afghanistans hinzuweisen. In den Zeitungen stand nach der Debatte folgendes. In der „Frankfurter Rundschau" hieß es: „Die Regierungserklärung zu Afghanistan dauerte keine 15 Minuten, auch die Debatte war kurz; trotzdem wurde im Bundestag alles gesagt, was gesagt werden mußte". Eine andere Zeitung schreibt: „Was eigentlich selbstverständlich sein sollte, muß in Bonn heute als besonderes Ereignis bezeichnet werden: Der Bundestag hat in einer wichtigen internationalen Frage Einigkeit bewiesen". Die „FAZ" fügte hinzu: Die Haltung von Regierung und Parlament ist seit Beginn der sowjetischen Invasion in Afghanistan unverändert. Beide verurteilen die Vergewaltigung dieses blockfreien Staates und fordern als Voraussetzung einer politischen Lösung unter Einschluß aller Parteien den Abzug der Roten Armee. Dennoch war es wichtig, daß wir jetzt noch einmal dies im Bundestag sagen; denn es schien schon in Vergessenheit zu geraten. Die Lage hat sich seitdem nicht verändert. Die Fraktionen des Bundestages haben einen gemeinsamen Entschließungsantrag eingebracht und noch einmal verstärkt betont, was die Fraktion der SPD, in fünf Punkten zusammengefaßt, am 11. März erklärt hatte: Erstens. Die Intervention der Sowjetunion in Afghanistan ist völkerrechtswidrig. Zweitens. Die sowjetischen Maßnahmen haben das internationale Klima verschlechtert. Drittens. Der von uns unterstützten Idee der Blockfreiheit wurde ein schwerer Schlag versetzt. Viertens. Die Region wurde destabilisiert. Fünftens. Den Entscheidungen der Vollversammlung der Vereinten Nationen wurde der Respekt verweigert. Ich füge hinzu: Der Einmarsch der sowjetischen Truppen am 27. Dezember 1979 in Afghanistan war der schlimmste Schlag der Machthaber im Kreml gegen die Entspannungspolitik und den Friedenswillen der Menschen in unserer Zeit. ({0}) In der Zwischenzeit verschwindet bei manchen Menschen das Bewußtsein für die Lage in Afghanistan. Viele vergessen, daß noch heute fast 100 000 sowjetische Soldaten in Afghanistan gegen ein Volk kämpfen, das von dem Willen beseelt ist, die Freiheit wiederzuerlangen und sein Selbstbestimmungsrecht auszuüben. Die Lage in Polen, der Krieg auf den Falkland-Inseln, der Einmarsch der israelischen Truppen im Südlibanon verdrängen diese Krise, diesen Krieg in Afghanistan aus den Schlagzeilen. Um so mehr besteht für uns die Verantwortung, immer wieder auf die Völkerrechtsverletzungen in diesen und in anderen Ländern hinzuweisen. Keine Regierung der Welt soll glauben, daß das Abenteuer einer Invasion, die Besetzung eines Landes stillschweigend hingenommen wird. Das gilt für alle Länder von Afghanistan bis Kambodscha. Wir werden mit den Mitteln der Außenpolitik immer versuchen, das Selbstbestimmungsrecht des afghanischen Volkes durchzusetzen. Würden wir Neumann ({1}) eine solche Politik nicht betreiben, müßten wir bei dem Bemühen unglaubwürdig werden, das Selbstbestimmungsrecht für das deutsche Volk durchzusetzen und zu verteidigen. In der Geschichte hat es sich gezeigt, daß eine völkerrechtswidrige Besetzung eines anderen Landes auf Dauer gegen den energischen und vom ganzen Volk getragenen Widerstand nicht aufrechterhalten werden kann, mag dies ein Jahr oder ein Jahrzehnt dauern. Die Afghanen haben in ihrer Geschichte viele Besetzungen erlebt. Sie haben sich stark genug erwiesen, trotz der naturgegebenen Zersplitterung in viele Stämme und Sippen ihre Freiheit wiederzuerlangen. Dies hat Alexander der Große, dies hat der Zar gespürt, und das haben die Briten gespürt. Ich bin sicher, dies werden auch die Sowjets erkennen. ({2}) Bis dahin werden noch viele Menschen sterben, und das ist etwas, was uns alle sehr bedrückt. Es sind nicht allein die afghanischen Freiheitskämpfer, sondern auch junge sowjetische Soldaten, die ihr Leben lassen müssen. Der Kollege Todenhöfer hat in der Sitzung am 11. März darauf hingewiesen, daß es Parallelen zu dem Krieg in Vietnam gibt. Ich kann das nur unterstreichen. In gleicher Weise sollten sich alle, die gegen den amerikanischen Krieg in Vietnam protestiert haben, gegen den sowjetischen Krieg in Afghanistan wenden. ({3}) Ich füge für mich persönlich hinzu: Ich protestiere auch gegen den israelischen Krieg in Südlibanon. Dies ist besonders schmerzlich, wenn man sich mit dem israelischen Volk verbunden fühlt; aber es darf bei dem Protest gegen Völkerrechtsverletzungen und Krieg keinen Unterschied geben. Halbherzigkeiten dürfen wir uns nicht leisten, wenn uns der eigene Wille und die Fähigkeit zum Frieden nicht abgesprochen werden sollen. Wir fühlen uns in dieser Haltung einig mit dem größten Teil der Völker dieser Welt, die in der UNO, zuletzt mit 116 Stimmen, eindeutig den Abzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan gefordert haben. Die Sowjetunion, die sich oft als großer Freund der unterdrückten Völker darstellen will, sollte zur Kenntnis nehmen, daß auf diese Art Freundschaft verzichtet wird, die auf die Unterdrückung eines anderen Volkes abzielt. Wir stellen uns die Frage, was wir noch machen können, um dem afghanischen Volk zu helfen. Unser Entschließungsantrag weist einen Weg auf: Wir unterstützen alle Resolutionen, die einen Abzug der sowjetischen Truppen zum Gegenstand haben. Das gilt für die Vereinten Nationen, die IPU, das Europäische Parlament. Wir erklären unsere Zustimmung zu den Erklärungen der islamischen Gipfelkonferenz, der Konferenz der Blockfreien-Bewegung und der Commonwealth-Konferenz. Wir bitten die Bundesregierung, bei allen Gelegenheiten in Gesprächen mit der sowjetischen Führung darauf hinzuweisen, daß die Freiheit und die Selbstbestimmung des afghanischen Volkes ein entscheidender Beitrag zur internationalen Entspannung und zur Wiederherstellung des Friedens sind. Aber wir bitten auch die Kollegen, bei jeder Gelegenheit die sowjetischen Politiker und die Politiker der ihnen befreundeten Staaten immer wieder darauf hinzuweisen, daß Afghanistan für uns ein Symbol ist, an dem sich der Entspannungswille der Sowjetunion manifestieren kann. Darüber hinaus wollen wir den Flüchtlingen im Rahmen der humanitären Hilfe helfen. Wir bitten die deutschen und die internationalen Hilfsorganisationen, den nach Pakistan und anderswo Geflohenen wie bisher und vielleicht verstärkt zu helfen. Nie gab es in einem Land eine größere Zahl von Flüchtlingen als in Pakistan: 2,5 Millionen. Wir schließen in diese Hilfe selbstverständlich die Freiheitskämpfer ein. Wer würde etwas anderes verlangen! Wer die großen Flüchtlingslager der Welt in Thailand, Malaysia, Somalia, Uganda und Honduras kennt, kann sich vorstellen, welche Leistung es ist, 2,5 Millionen Menschen gastfreundlich aufzunehmen. Die pakistanische Grenzbevölkerung zeigt manchmal mehr Solidarität, als in unserem eigenen Land gegenüber Gästen aus dem Ausland gezeigt wird. Bei unserem Beitrag zur humanitären Hilfe sollten wir auch darauf hinweisen, daß die Hilfe in Afghanistan nahezu unmöglich ist. Wir bitten darum, daß das Internationale Komitee vom Roten Kreuz in Afghanistan helfen kann. ({4}) Das ist die Aufgabe des Internationalen Komitees. Es bedrückt mich zutiefst, zu wissen, daß Gefangene auf beiden Seiten umgebracht, ermordet werden, weil ein Austausch nicht möglich ist oder weil zumindest bei den afghanischen Freiheitskämpfern keine Möglichkeit besteht, die Gefangenen unterzubringen. Die Unmenschlichkeit dieses Krieges wird dadurch noch unerträglicher. Wir bitten dringend die sowjetische Führung, auf die afghanische Regierung einzuwirken, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz in Afghanistan arbeiten zu lassen. Ich möchte an dieser Stelle den deutschen Hilfsorganisationen und den Menschen, die mit vielen privaten Spenden unsere humanitäre Hilfe möglich machen, danken. Die Afghanen erklären uns gegenüber oft den Dank. Ich gebe ihn hier weiter; denn sie haben keine Möglichkeit, ihn gegenüber den Deutschen zu äußern. Wir werden weiterhin überall, wo wir es können, auf der Grundlage des Entschließungsantrags unsere Meinung vertreten. Ich wäre sehr dankbar, wenn sich auch unsere Jugend mit der Besetzung Afghanistans stärker befassen würde. Der Friedenswille der jungen Menschen - aber nicht nur der jungen Menschen - manifestiert sich gerade in diesen Tagen auf verschiedene Weise. Aber der Protest darf nicht einseitig sein. Der Wille zum Frieden ist unteilbar. Er gilt für Afghanistan wie für El SalNeumann ({5}) vador. Er gilt für Kambodscha wie für den Libanon. Ich wäre sehr dankbar, wenn diese Selbstverständlichkeit auch nach außen zum Ausdruck käme. An uns selbst appelliere ich, in einer solchen wichtigen und grundsätzlichen Frage des internationalen Zusammenlebens der Völker Einigkeit zu beweisen. Krieg ist und bleibt kein Mittel zur Durchsetzung der Politik. Ich bitte Sie daher, unserem gemeinsamen Antrag zuzustimmen. ({6})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Möllemann.

Jürgen W. Möllemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001520, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch wir Freien Demokraten begrüßen, daß es bei diesem Thema zu einer gemeinsamen Haltung aller im Bundestag vertretenen Fraktionen über die bisherigen Positionen hinaus gekommen ist, daß eine gemeinsame Entschließung vorliegt. Wir begrüßen darüber hinaus, daß die Diskussion hier zu einem Zeitpunkt stattfindet, an dem sich die NATO mit der Frage beschäftigt, wie sie denn künftig den Ost-West-Dialog gestalten kann, und sich damit sicherlich auch mit den Problemen beschäftigen muß, die einem positiveren Dialog zwischen Ost und West entgegenstehen. Dieses Problem Afghanistan ist nun einmal eines der wichtigsten davon. Ich empfinde wie meine beiden Vorredner das gleiche Betroffensein, die gleiche Bedrückung darüber, daß wir hier im Grunde reden, reden und reden, sich aber nichts ändert. Ich empfinde eine gewisse Hilflosigkeit - bei allen Bekundungen, die wir hier vornehmen -, zur Kenntnis nehmen zu müssen, daß die Sowjetunion offenkundig überhaupt nicht daran denkt, auf die politischen Forderungen auch nur in irgendeinem Detail einzugehen. Als wir vor einigen Monaten hier in Bonn mit vielen tausend Bürgern gegen den Krieg gegen Afghanistan protestiert haben, ist uns von einigen Kritikern entgegengehalten worden, dies sei doch ein Thema, das die Bundesregierung - bei dem damals ja bevorstehenden Besuch - mit Leonid Breschnew erörtern und mit diesem dann wahrscheinlich irgendwie voranbringen könne. Das Ergebnis in diesem Bereich war Null; nichts ist bewegt worden. Die Russen, die Rote Armee kämpft weiter gegen die Freiheitskämpfer. Sie schießen die Menschen zusammen und vertreiben die, die sich ihnen nicht fügen wollen. Ich denke, man kann sich - das hat der Kollege Neumann gerade gesagt - dem Dialog mit der Friedensbewegung in der Tat unmöglich stellen, wie wir das ja alle jeden Tag tun müssen, ohne auf die flagranteste Verletzung des Friedensgebotes, die es derzeit akut gibt, durch die Tötung von jetzt mehr als 500 000 und die Vertreibung von zweieinhalb Millionen Menschen hinzuweisen. Und das ist nun einmal eben Verantwortlichkeit, und zwar allein Verantwortlichkeit der Sowjetunion. Insofern stellt sich auch mir wie meinen beiden Kollegen, die vorher gesprochen haben, die Frage: Was können wir eigentlich tun? Sich hier Monat für Monat hinstellen und dokumentieren, daß man empört ist, und dabei merken, wie eine schleichende Gewöhnung eintritt, merken, daß man am liebsten schon gar nicht mehr darüber diskutieren würde, eben weil es kaum etwas bringt und weil es j a vielleicht auch das „business as usual" zu stören in der Lage wäre? Was also, so frage ich noch einmal, können wir tun? Ich stimme den beiden Kollegen zu, die gesagt haben: Auf jeden Fall dürfen wir diese schleichende Gewöhnung nicht hinnehmen, dies schon deshalb nicht, weil sonst das, was wir früher, am Beginn dieses Krieges gesagt und getan haben, geradezu absurd und peinlich würde. Wir haben die Sportler gehindert, nach Moskau zu fahren. Wir haben große Diskussionen geführt, halbwegs große Maßnahmen eingeleitet, manche davon völlig wirkungslos. Jetzt, obwohl sich nichts geändert hat, tun wir ein bißchen so, als habe sich doch etwas geändert. Ich finde, damit werden wir nicht nur unglaubwürdig vor uns selber, sondern wir provozieren sogar, daß auch die Friedensbewegung das Thema vergißt. Ich befürchte, daß wir möglicherweise sogar Folgetatbestände provozieren. Denn ist es für die Sowjetunion nicht eine Verlockung, zu sagen: Das Weltgewissen beruhigt sich doch nach zwei Jahren wieder? Warum dann nicht der nächste Staat, aus welchem Motiv heraus auch immer: sei es auf Grund eines übertriebenen Sicherheitsgefühls, sei es auf Grund eines Expansionsbedürfnisses? Ich meine also, wir dürfen auf keinen Fall zu einem „business as usual" zurückkehren. Aber das reicht nicht. Die Bundesregierung und wir selbst - auch da stimme ich Ihnen ausdrücklich zu, Herr Kollege - müssen alle internationalen Ebenen nutzen, um dieses Thema dort als das den Frieden belastende darzustellen. Nicht der stört den Frieden, der darauf hinweist, sondern derjenige, der diese Besetzung unablässig aufrechterhält. Die Propaganda der Sowjetunion versucht j a, genau das zu suggerieren: daß wir sozusagen Nörgler, Querulanten seien, weil wir das Thema im Bewußtsein halten wollen, und daß nicht derjenige der Friedensstörer ist, der dieses Land besetzt hält und die Menschen dort tötet. Aber auch das, so befürchte ich, reicht nicht aus. Ich glaube, wir werden nicht umhinkommen, in einer Diskussion, die ja auch in der NATO ansteht, darüber zu debattieren, was denn, gerade wenn man die Entspannungspolitik will und sie als rational begründet ansieht, die Instrumentarien einer solchermaßen angelegten Politik dann sein können, wenn das Gegenüber gegen die wesentlichen Prinzipien dieser Entspannung erkennbar und ohne jede Rechtfertigung massiv verstößt und auch überhaupt keine Anzeichen erkennen läßt, von diesen Verstößen abzurücken. Meine Damen und Herren, wenn wir nicht darüber nachdenken, welche operativen Möglichkeiten wir da haben, dann wird, so befürchte ich, eine Mehrheit unserer Bevölkerung die gesamte Politik auf Dauer nicht mehr wollen, die wir da betreiben, weil sie sagt: Sie bewirkt j a eben nicht, daß entsprechend deren Prinzipien gehandelt wird. Ich frage mich darüber hinaus schließlich, indem ich übrigens ausdrücklich unterstütze, daß wir die humanitäre Hilfe leisten, ob in diese Diskussion am Ende nicht sogar die Frage hinein muß - ich bin da mit meiner Meinungsbildung selbst noch nicht am Ende -, ob wir nicht dann, wenn ein Volk von einem Aggressor, von außen überfallen wird, sogar die Verpflichtung haben, weitergehende Hilfe an die Freiheitskämpfer zu geben. Ich fürchte, wenn wir das a priori ausschließen, wird unser Protest am Ende ein zahnloser, ein wirkungsloser bleiben. Ich weiß, daß Kollege Ehmke damals - ich entsinne mich an eine Diskussion - ähnliche Erwägungen darüber angestellt hat, was man denn tun könne. Wir werden darüber noch einmal nachdenken müssen, was wir denn tun, wenn alle politischen Anstrengungen, alle politischen Offerten - wie die Initiative von Lord Carrington - nichts bewirken. Ist es eine Alternative, sich damit abzufinden? Mich beruhigt und befriedigt das nicht. Eine abschließende Bemerkung. Helmut Schäfer hat vorhin darauf hingewiesen, daß eine bestimmte politische Verhaltensweise von uns, wenn wir glaubwürdig sein wollen, ja nicht nur jeweils bei dem moniert und kritisiert werden kann, bei dem einem das auch ansonsten vielleicht ganz gut politisch begründet erscheint, weil man mit ihm von der Ideologie her, von anderen Realitäten her in einem Gegensatz lebt. Das wird uns in den Diskussionen mit der Friedensbewegung übrigens massiv vorgehalten. Nur insoweit und in überhaupt gar keiner anderen Hinsicht war sein Vergleich mit Falkland gemeint. Die Leute sagen: Wir erleben in den letzten Jahren immer wieder den Zugriff auf die Gewalt als Mittel der Politik. Warum - so fragt man gerade auch uns; ich glaube, Frau Hamm-Brücher, Ihnen wird das auch häufig so gegangen sein - rügt Ihr dann nur da und nicht mit gleicher Intensität auch dort? Das ist die von Kollege Schäfer vorgetragene Kritik, die ich ausdrücklich eben wegen dieser Glaubwürdigkeit für richtig halte. Wer in ein anderes Land mit Waffengewalt einfällt, die Zivilbevölkerung niederschießt, kann dafür keine noch so weit hergeholte, noch so künstlich gestaltete Begründung anführen, die wir dann hinzunehmen haben; auch dann nicht, wenn wir historische Verpflichtungen haben. Ich bin ganz sicher, wenn wir eine übertriebene Rücksicht auf die israelische Position im Nahen Osten übten, würde der Reflex in unserer Bevölkerung ein viel gefährlicherer sein als das, was sich manche von uns vorstellen. - Ich danke Ihnen. ({0})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Das Wort hat der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Frau Dr. Hamm-Brücher.

Not found (Gast)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung begrüßt die Initiative der Antragsteller, und sie begrüßt den vorliegenden Antrag aller Bundestagsfraktionen zur Afghanistan-Frage. Ich möchte, wie schon andere zuvor, zu diesem Antrag einige Anmerkungen machen. Vor dem Hintergrund einer gerade einsetzenden neuen Offensive sowjetischer Interventionstruppen gegen die Stellungen des Widerstands im Panschirtal - es ist übrigens die sechste derartige Offensive innerhalb von etwas mehr als zwei Jahren, eine Offensive, die wiederum einen hohen Blutzoll fordern wird - gewinnt der neuerliche Appell an die Sowjetunion, ihre Truppen aus Afghanistan abzuziehen und dem afghanischen Volk sein Selbstbestimmungsrecht zuzugestehen, eine ganz besondere, wenn auch traurige Aktualität. Die freie Welt darf - das wurde von allen Sprechern betont - zu dem von sowjetischer Seite mit zunehmender Härte geführten Kampf gegen das afghanische Volk nicht schweigen. Sie darf auch nicht resigniert hinnehmen, was dort geschieht. Sie darf vor allen Dingen Afghanistan nicht aufgeben. Unsere Solidarität gilt all denjenigen, die für Freiheit, Selbstbestimmung und Menschenwürde kämpfen. Wir treten ein für das auf internationaler Partnerschaft beruhende Konzept der Blockfreiheit, das von der Sowjetunion mit ihrer anhaltenden Intervention in Afghanistan andauernd mißachtet wird. Es ist erforderlich, die Sowjetunion ständig daran zu erinnern - das ist von den Vorrednern auch betont worden - daß sie sich nicht nur im Gegensatz zu den Forderungen des afghanischen Volkes nach Selbstbestimmung und Freiheit befindet, sondern daß sie auch im Widerspruch zur Weltmeinung verharrt. Die Staatengemeinschaft hat zu der Afghanistan-Intervention eine Vielzahl von Erklärungen abgegeben, die die Sowjetunion immer wieder aufgefordert haben, ihre Truppen aus Afghanistan abzuziehen und es dem afghanischen Volk zu ermöglichen, sein Recht auf Unabhängigkeit und Selbstbestimmung uneingeschränkt auszuüben. Leider ist sie auf die wiederholten Appelle der Staatengemeinschaft sowie auf die Lösungsbemühungen der islamischen Staaten, auf den europäischen Vorschlag einer internationalen Afghanistan-Konferenz und auf die Bemühungen der Generalsekretäre der Vereinten Nationen bisher nicht konstruktiv eingegangen. Wir hoffen dennoch, daß die in diesen Tagen beginnenden indirekten pakistanisch-afghanischen Gespräche in Genf - auch unter loser Einbeziehung des Iran -, die über den stellvertretenden Generalsekretär der Vereinten Nationen geführt werden sollen, doch einen Aufschluß über die sowjetischen Absichten erbringen werden. Afghanistan, meine Damen und Herren, ist ein Prüfstein und wird ein Prüfstein bleiben für die sowjetische Bereitschaft, die Unabhängigkeit und Eigenständigkeit der Staaten der Dritten Welt zu achten und ihr Streben nach wirklicher Ungebundenheit anzuerkennen. Es ist auch ein Prüfstein für die sowjetische Bereitschaft, Zurückhaltung bei der Durchsetzung der eigenen Interessen und Verantwortung zu üben. Meine Damen und Herren, mit der Mehrheit der Staatengemeinschaft fordern wir die Sowjetunion auf zu einer Abkehr von der Politik der Vorherrschaft, der Unterdrückung der Freiheit in all ihren Formen und in allen Teilen der Welt, sei es nun in Afghanistan oder sei es auch in Polen. Deutschland, wir alle fühlen uns infolge der traditionell engen BeStaatsminister Frau Dr. Hamm-Brücher ziehungen zum afghanischen Volk diesem in der gegenwärtigen Notlage ganz besonders verbunden. Das kam bei den verschiedenen Interventionen auch heute zum Ausdruck. Praktischer Ausdruck unserer Solidarität mit dem afghanischen Volk ist der hohe Umfang der deutschen Flüchtlingshilfe aus öffentlichen, vor allem aber auch aus privaten Mitteln. Die deutsche Seite leistet auch einen maßgeblichen Beitrag zur Linderung der Not der mehr als 2,5 Millionen afghanischen Flüchtlinge auf pakistanischem Boden. Ich unterstütze die Forderung der Kollegen, darüber hinaus Mittel und Wege zu suchen, wie wir für die leidgeprüfte Bevölkerung in Afghanistan direkt und unmittelbar humanitäre Hilfe leisten können. Ich bin den Fraktionen sehr dankbar für den im Entschließungsantrag enthaltenen Hinweis auf die Notwendigkeit, dem Internationalen Roten Kreuz Zugang auch nach Afghanistan zu eröffnen, und ich betrachte es als einen besonders schwerwiegenden und zu verurteilenden Tatbestand, daß das Internationale Rote Kreuz bisher trotz des Umfanges der Leiden des afghanischen Volkes nicht in Afghanistan tätig werden konnte. Die kürzlich bekanntgewordenen Berichte einer französischen Ärztegruppe über eine gezielte Zerstörung der von ihr in Afghanistan unterhaltenen medizinischen Station unterstreichen die Dringlichkeit dieser Forderung nur. Meine Damen und Herren, nahezu zweieinhalb Jahre sind seit der völkerrechtswidrigen sowjetischen Intervention in Afghanistan vergangen. Der Widerstand der Bevölkerung dauert unvermindert an. Das Regime findet weder Anerkennung bei der Bevölkerung noch in der Staatengemeinschaft. Und mit dieser Staatengemeinschaft dürfen wir nicht nachlassen, die Sowjetunion immer wieder aufzufordern, dem traditionell blockfreien Afghanistan seine Freiheit und Unabhängigkeit wiederzugeben. - Ich danke Ihnen. ({0})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 9/1694 die Annahme einer Entschließung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Die Entschließung ist damit einstimmig angenommen. Meine Damen und Herren, wir treten in die Mittagspause ein. Die Sitzung wird um 14 Uhr mit dem Tagesordnungspunkt 4 fortgesetzt. Ich unterbreche die Sitzung. ({0})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Die Sitzung ist wieder eröffnet. Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses ({0}) zu den Unterrichtungen durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz a) Zweiter Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für den Datenschutz gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 des Bundesdatenschutzgesetzes ({1}) b) Dritter Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für den Datenschutz gemäß § 19 Abs. 2 des Bundesdatenschutzgesetzes ({2}) - Drucksachen 8/3570, 9/93, 9/1623 Berichterstatter: Abgeordnete Dr. Laufs Dr. Wernitz Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist für die Aussprache ein Beitrag von bis zu 10 Minuten für jede Fraktion vorgesehen worden. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Wünscht einer der Herren Berichterstatter das Wort? - Ich sehe, das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Als erster Redner spricht Herr Dr. Laufs. Bitte!

Prof. Dr. Paul Laufs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Computertechnik findet in erstaunlichem Tempo immer neue nutzbringende Verwendung. Ein Ende ihres Vormarschs ist überhaupt nicht abzusehen. Heimcomputer, Bildschirmtext, Kabelfernsehen, Satellitenkommunikation, elektronischer Briefkasten und andere neue rechnergestützte Informationstechniken kennzeichnen die Entwicklung. Der Mißbrauch dieser automatisierten Datenverarbeitung kann den Menschen in seiner Privatsphäre bedrohen. Zur vorbeugenden Abwehr von Gefahren ist 1976 ein Gesetz zum Schutz vor Mißbrauch personenbezogener Daten bei der Datenverarbeitung - so lautet die vollständige Bezeichnung des Datenschutzgesetzes - geschaffen worden. Für die Jahre seit dem Inkrafttreten 1978 liegen uns die Tätigkeitsberichte des Bundesbeauftragten für den Datenschutz vor. Die erste und beruhigende Feststellung, die wir treffen können, ist: Wirklicher Mißbrauch personenbezogener Daten ist nicht bekannt geworden. Vorsätzliche Verstöße gegen das Datenschutzrecht, insbesondere die Veruntreuung von Bürgerdaten zum persönlichen Nutzen von Amtswaltern und dadurch verursachte Schäden für den Betroffenen, hat es nach unserer Kenntnis nicht gegeben. Es gibt überhaupt keine Hinweise darauf, daß in unserem Lande die Gefahr des „Großen Bruders" im Verzug wäre. Mit dieser Feststellung soll nichts über die Notwendigkeit des Wächteramtes des Bundesdatenschutzbeauftragten und über seine Bemühungen um die Datenhygiene in der öffentlichen Verwaltung gesagt sein. Diè vorliegende Beschlußempfehlung des Innenausschusses zum zweiten und zum dritten Tä6354 tigkeitsbericht zeigt aber, daß im Kern aller Auseinandersetzungen die Weiterentwicklung des vorbeugenden Datenschutzes - um die Gefahrenabwehr weit vor einer konkreten Bedrohung sicherzustellen - steht. Zahlreiche Kontroversen bewegen sich letztlich um die Frage, ob das Bundesdatenschutzgesetz den Rahmen dafür bieten kann, daß ein umfassendes Recht der Informationsbeziehungen entwikkelt wird. Wer den öffentlichen Meinungsstreit und die politischen Diskussionen über die Tätigkeitsberichte verfolgt, erkennt leicht, daß in den unterschiedlichen Auffassungen von den Aufgaben des Datenschutzes die gegensätzlichen Positionen des Bundesdatenschutzbeauftragten, von Behörden und Ämtern, von sonst betroffenen Stellen und politischen Parteien begründet sind. Der Bundesbeauftragte hat nie einen Zweifel daran gelassen, daß sein zentrales Anliegen die menschliche Gestaltung der modernen Informationsgesellschaft nach seinen Wertvorstellungen ist. Ihn bewegt die Frage nach dem jeweils notwendigen Ausmaß des Einsatzes elektronischer Medien und nach den sozialen Folgen technisch-ökonomischer Entwicklungen. Sein Amtsverständnis geht also weit über den Bereich hinaus, innerhalb dessen Mißbrauch bei der Verarbeitung personenbezogener Daten abgewehrt werden soll. Kritik an dieser offensiven Auslegung des Datenschutzrechtes und seinen Kompetenzen hat er damit beantwortet, daß es ihm kraft seiner Unabhängigkeit zustehe, diejenige Auslegung des Gesetzes zu vertreten, die nach seiner Einschätzung seinem Auftrag, dem Schutz von Bürgerrechten, am besten gerecht werde. Die Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffe des Bundesdatenschutzgesetzes eröffnen in der Tat beträchtliche Ermessensspielräume bei der Auslegung. Hier stellt sich die Frage, welchen Leitbildern bei solchen Wertungen gefolgt werden soll. Den Tätigkeitsberichten liegt, wenn ich es richtig sehe, die Vorstellung zugrunde, mit Hilfe des Datenschutzrechts dem einzelnen Bürger die Chance schaffen zu müssen, seine Informationsbeziehungen möglichst weitgehend nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Die persönliche Selbstbestimmung soll sich dabei keineswegs auf die aktive Gestaltung eigener Kommunikationsbeziehungen beschränken, sondern umfaßt vor allem auch die Abwehrrechte, die verhindern können, zum Objekt der Datenverarbeitung durch Dritte zu werden. Insbesondere könne jeder staatliche Akt der Erhebung und Verarbeitung persönlicher Daten ein Eingriff in die Grundrechte des einzelnen darstellen und dürfe nur unter engen Voraussetzungen zulässig sein. Diese Vorstellungen kommen einer zunehmend verbreiteten Grundstimmung entgegen, die vom Verlangen nach neuen Freiräumen und Autonomie gegenüber der immer perfekter werdenden Einbindung in das Geflecht staatlich reglementierter sozialer Abhängigkeiten geprägt ist. Die staatlichen Behörden auf der anderen Seite müssen sich jedoch Handlungsräume bei der Einleitung von Verwaltungsverfahren, das Ermessen bei der Auswahl von Beweismitteln offenhalten. Als besonders konfliktträchtig hat sich der Datenschutz bei der Strafverfolgung, der Gefahrenabwehr im Bereich der inneren Sicherheit erwiesen. Jede Vorfeldtätigkeit wird ausgetrocknet, wenn die von Sicherheitsbehörden intern durchgeführte Überprüfung von Personen als Eingriff in die Persönlichkeitssphäre aufgefaßt und äußerst restriktiven Zulässigkeitskriterien unterworfen wird. Es konnte deshalb nicht ausbleiben, daß sich die betroffenen Ämter heftig gegen eine überzogene Auslegung des Datenschutzrechtes zur Wehr setzen. Es ist auch die Auffassung der CDU/CSU, daß durch eine einseitig offensive Anwendung der Generalklauseln des Bundesdatenschutzgesetzes die Funktionsfähigkeit der Sicherheitsbehörden beeinträchtigt und damit die Freiheit der Bürger, die Sicherheit des Staates und der Rechtsfrieden gefährdet werden. Im Grundsatz gibt es insoweit keinen Dissens, als sich auch der Bundesdatenschutzbeauftragte in der vorliegenden Beschlußempfehlung zur öffentlichen Sicherheit ausdrücklich zu eigen macht, daß die Regelungen des Datenschutzes die Behörden von Polizei, Verfassungsschutz und Nachrichtendiensten in der Wahrnehmung ihrer verfassungsmäßigen und gesetzlichen Aufgaben nicht beeinträchtigen dürfen. Der Konflikt entzündet sich aber am richtigen Verständnis von Amtshilfe, von Zuständigkeiten, von rechtmäßiger Erfüllung erforderlicher Aufgaben, von anderen unbestimmten Rechtsbegriffen. Dieser Konflikt kann durchaus fruchtbar sein. Er sollte aber unter dem Gebot der Mäßigung ausgetragen werden. Es ist nicht hilfreich, wenn jede andere und durchaus begründbare Auslegung der Generalklauseln des Bundesdatenschutzgesetzes als Rechtsverstoß öffentlich verurteilt wird. In der Öffentlichkeit wurde zu Unrecht der Eindruck erweckt, als ob in den Sicherheitsbehörden der Datenschutz fortlaufend und erheblich verletzt werde. Das hat bei den Angehörigen dieser Behörde zu Verunsicherung und Ratlosigkeit geführt. Wir möchten dazu ganz klar feststellen: Es ist nicht Aufgabe des Datenschutzes, zu beurteilen, was legitime Sicherheitsinteressen sind, welche Informationen aus dem Umfeld des Terrorismus Relevanz haben können, wie harmlos oder kriminell Widerstand gegen die Staatsgewalt ist. Die Zuweisung von Aufgaben und Zuständigkeiten sowie die Bewertung von Ermessensentscheidungen der Behörden in Fragen des Datenschutzes sind zunächst Sache der Regierung. Die Bundesregierung ist aber säumig und unentschlossen, wenn es darum geht, übermäßige Kritik richtigzustellen und durch Richtlinien die notwendigen Klarstellungen zu treffen. Zahlreiche Meinungsverschiedenheiten bestehen seit Jahren fort. Wir erwarten, daß die Bundesregierung in der Zukunft gemäß vorliegender Beschlußempfehlung möglichst bald nach Vorlage der künftigen Tätigkeitsberichte zu den darin dargestellten Beanstandungen und Forderungen vor dem Innenausschuß Stellung bezieht. Zu den angeschnittenen Fragen der Datenschutzphilosophie möchte ich aus der Sicht der Union noch folgendes sagen. Jede Forderung in Sachen DatenDr. Laufs schutz, die Emotionen anheizt, ist uns verdächtig. Weder droht in unserem Land auch nur im entferntesten die Orwellsche Vision Wirklichkeit zu werden, die Vision vom gläsernen, im Zugriff der Computer total manipulierten Menschen, noch kann in einem komplizierten Sozialstaat das Recht, allein gelassen zu werden, zum vorrangigen Freiheitsgrundrecht gemacht werden. Der individualistische Datenschutz ist nicht die höchste Kontrollinstanz des öffentlichen Lebens. Das Datenschutzrecht entscheidet nicht allein und nicht vorrangig über die weitere Nutzung elektronischer Informationstechnologien. Unserer freiheitlichen Grundordnung widerspräche es fundamental, die vielfältigen Möglichkeiten der Kommunikation und ihrer Techniken durch staatliches Eingreifen auf das erforderliche Mindestmaß zu reduzieren. Das wäre keine liberale Politik. Der vom Bundesinnenminister vorgelegte Referentenentwurf zur Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes weist allerdings wesentliche Ansätze auf, dieses Gesetz in Richtung auf eine Datenverkehrsordnung zu entwickeln. Die CDU/CSU stimmt dieser Tendenz nicht zu. Wir halten nichts von Technikfeindlichkeit, nichts von der Reglementierung jeder neuen Anwendung moderner Technik. Wir fordern ein verbessertes Abwehrrecht gegen den Mißbrauch personenbezogener Datenverarbeitung zum Schutze des Bürgers. Die Lösung allein dieses Problems ist Aufgabe genug für den Rest dieser Wahlperiode. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. ({0})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wernitz.

Dr. Axel Wernitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002486, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Innenausschuß des Bundestages hat dem Plenum zum Zweiten und Dritten Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für den Datenschutz eine insgesamt einstimmig angenommene Beschlußempfehlung unterbreitet. Die praktischen Erfahrungen bei der parlamentarischen Aufarbeitung der bisherigen Tätigkeitsberichte haben zu konkreten Empfehlungen an den Bundesdatenschutzbeauftragten für künftige Berichte geführt. Ich will daraus nur einige wesentliche Punkte herausgreifen. Erstens sollte in künftigen Berichten auf offengebliebene Fragen aus den Vorjahresberichten eingegangen und dargelegt werden, ob und inwieweit diese erledigt sind. Abgehakte Probleme sollten im Rahmen einer Bilanz zum Vorjahresbericht zusammenfaßt werden. Das brächte mehr Transparenz für alle, die mit den Berichten zu arbeiten haben. Ein zweiter Punkt. Es wird angeregt, in den folgenden Tätigkeitsberichten auch zur Frage des erforderlichen Kenntnisstandes sowie der Schulung und Fortbildung der Mitarbeiter in der öffentlichen Verwaltung Stellung zu nehmen, die in datenschutzrelevanten Bereichen tätig sind. Ich glaube, das ist ein sehr wichtiger Aspekt. Schließlich ein dritter Punkt. Die Bundesregierung sollte dem federführenden Innenausschuß und selbstverständlich auch den mitberatenden Ausschüssen zu Beanstandungen, Forderungen, Anregungen und divergierenden Rechtsauffassungen des Bundesbeauftragten, soweit ihnen nach Berichtsvorlage noch nicht Rechnung getragen worden ist oder auch an unterschiedlichen Rechtsauffassungen festgehalten werden soll, nach Berichtsvorlage eine umfassende, angemessene Stellungnahme zuleiten und darin ihre Haltung darlegen und begründen. Gerade die Erfahrungen, die wir bei der Beratung des Zweiten und Dritten Tätigkeitsberichtes durch die Parlamentsausschüsse gemacht haben, haben gezeigt, daß durch die hier vorgeschlagene Verfahrensweise ein koordiniertes und vor allem Mehrfach-Aufwand sparendes Vorgehen ermöglicht wird. Von einer Zuleitung an den Bundestag als Drucksache insgesamt sollte daher abgesehen werden; denn es kann nicht darum gehen, einen kompletten Gegenoder Alternativbericht der Bundesregierung zum jährlichen Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für den Datenschutz zu präsentieren. Meine Damen und Herren, aus der Palette der bereichsspezifischen Anregungen und Feststellungen, in denen sich auch die Voten der zahlreichen mitberatenden Ausschüsse niedergeschlagen haben, seien hier nur drei Bereiche und Empfehlungen genannt: neue Medien, Datenschutz und wissenschaftliche Forschung und schließlich das immer brisante und aktuelle Kapitel öffentliche oder innere Sicherheit. Mit Koalitionsmehrheit wird in der Beschlußempfehlung bezüglich der neuen Medien an Bund und Länder appelliert, dafür Sorge zu tragen, daß die anlaufenden Erprobungen und die ihnen zugrunde liegenden Vorschriften den Datenschutz von vornherein umfassend berücksichtigen. Der Datenschutz darf nach unserer Auffassung dem Einsatz neuer Technologien nicht nachhinken. Bekräftigt wird in der Beschlußempfehlung die Forderung nach einer umfassenden Regelung des Verhältnisses zwischen Datenschutz und wissenschaftlicher Forschung. Nun zum Kapitel öffentliche Sicherheit und Datenschutz. Hier hat Kollege Laufs schon zu Recht auf die einschlägige Passage in der Beschlußempfehlung hingewiesen. Ich darf sie hier wörtlich zitieren, weil der eine oder andere, der dieses Thema, das kontrovers behandelt wird, in der öffentlichen Diskussion und den Medien verfolgt, einen anderen Eindruck haben muß. Deshalb dieses Zitat: Der Deutsche Bundestag teilt die Auffassung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz, daß die Regelungen des Datenschutzes nicht die Behörden von Polizei, Verfassungsschutz und Nachrichtendiensten in der Wahrnehmung ihrer verfassungsmäßigen und gesetzlichen Aufgaben beeinträchtigten dürfen. Das ist eine im Grunde genommen selbstverständliche Aussage, die aber angesichts gewisser aktueller Kontroversen auf diesem Gebiet aus gegebenem Anlaß in Erinnerung gerufen werden muß. Das Spannungsverhältnis zwischen Datenschutz und Sicherheit ist objektiv vorgegeben und läßt sich nicht leugnen und sollte auch nicht wegdiskutiert werden. Aber niemand, der sein Amt und seine Aufgabe, wo immer er steht, ernst nimmt, sollte sich dazu hergeben, in dieser Frage Emotionen zu schüren und eine falsche und schädliche Konfrontation zwischen Sicherheit und Datenschutz provozieren. Es geht hier um Bürgerrechte, die nicht gegeneinander aufgerechnet werden dürfen, sondern die miteinander verbunden bleiben müssen. Die Parole kann weder lauten, wie Generalbundesanwalt Rebmann offensichtlich meint, wenn man seine Veröffentlichungen originär zur Kenntnis nimmt - jedenfalls in den letzten Wochen -, Sicherheit gehe vor Datenschutz, noch darf - das füge ich hinzu - umgekehrt die Devise pauschaliert werden: Datenschutz vor Sicherheit. Lösbar bleibt die Aufgabe nur bei anhaltender Bereitschaft aller Beteiligten zum disziplinierten, rationalen, zur Differenzierung fähigen Dialog mit Augenmaß. Nich pauschal und ein für allemal läßt sich dies bewältigen, sondern immer nur von Fall zu Fall. In allen Einzelfällen dieses schwierigen komplexen Bereichs kommt es darauf an und geht es darum, tragfähige Antworten auf das Gebot des Grundgesetzes zu finden, nämlich effektive Sicherheit in möglichst klaren rechtlichen Grenzen, aber eben unter Einschluß des Datenschutzes, oder anders formuliert: der Persönlichkeits- und Freiheitsrechte des einzelnen Bürgers. Datenschutz ist Grundrechtsschutz. Es läuft einem kalt den Rücken herunter, wenn man die These liest oder hört „Sicherheit vor Datenschutz", angesichts der Möglichkeiten, die wir hier haben. Wer dies so will und bis in die letzte Konsequenz zu Ende denkt, kommt weit über „1984" hinaus. Ich glaube, darüber sollte in diesem Hause Klarheit bestehen. Die abschließende parlamentarische Behandlung des Zweiten und Dritten Tätigkeitsberichts des Bundesbeauftragten für Datenschutz bietet Anlaß und Gelegenheit, Professor Bull noch einmal für die vorgelegten Jahresberichte und die darin enthaltenen Materialien zu danken. Aus gegebenem Anlaß und auch in Richtung auf die Opposition sei daran erinnert: der Datenschutzbeauftragte handelt im Sinne des Gesetzes, wenn er die Handhabung der Datenschutzvorschriften durch die Bundesbehörden in seinen Tätigkeitsberichten ungeschminkt, kritisch und engagiert darstellt und würdigt. Mit der Vorlage eines jährlichen Tätigkeitsberichtes kommt der Datenschutzbeauftragte einem von uns, und zwar von uns allen, vom Gesetzgeber gewollten Auftrag nach, die verschiedenen Bereiche der Bundesverwaltung mit der Meßlatte des Datenschutzrechtes zu kontrollieren und zu beraten sowie diese Tätigkeit gegenüber Parlament und Öffentlichkeit zu dokumentieren. Parlament und Öffentlichkeit müssen heute wie morgen die Gewißheit haben, daß in den Tätigkeitsberichten sowohl die Aktiva als auch die Passiva des Datenschutzes aktuell präsentiert werden. Wir werden auch künftig alle offenen oder versteckten Versuche, die Erfüllung dieses gesetzlichen Auftrages zu behindern, abwehren, von wem auch immer diese Versuche kommen mögen. In diesem Sinne hat der Bundesbeauftragte für den Datenschutz unsere volle Unterstützung. Wir werden auch, was den Vierten Tätigkeitsbericht angeht, in dessen intensiver Beratung wir stehen, sorgfältig unter Wahrung und Abwägung aller Positionen, die hier eingebracht werden, diese Beratung zu Ende führen. Ich hoffe, daß wir dann im Spätherbst dieses Jahres noch einmal eine intensive, gründliche Beratung zum Kapitel Sicherheit und Datenschutz, und zwar im Vorfeld gewissermaßen auch der Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes, führen. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion stimmt der vorgelegten Beschlußempfehlung zum Zweiten und Dritten Tätigkeitsbericht des Datenschutzbeauftragten zu. ({0})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Hirsch.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000908, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann es nicht unterlassen, es als eine liebenswürdige Aufmerksamkeit zu bezeichnen, daß unsere Debatte über moderne Technologie gleichzeitig mit der Demonstration moderner Geräte verschönt wird, wie wir sie heute hier zum ersten Mal sehen, und nicht nur solcher Geräte selbst, sondern auch ihrer Vereinbarkeit mit den Accessoires überkommener Wohnlichkeit. ({0}) - Nein, ich habe hier eine bläuliche Mattscheibe vor den Augen, aber nur wenn ich zu den Seiten gucke. Nach vorn bietet sich wie immer das gewohnte Bild. Aber ich hoffe, das unsere Stenographen von ihrem mir verborgenen Standort aus in der Lage sein werden, Ihre Zwischenrufe in sachgerechter Weise aufzunehmen. ({1}) „Es ist nicht die Stunde", so heißt es immer, sich über irgend etwas aufzuregen. Die beiden Berichte, die wir hier behandeln, stammen aus dem Jahre 1979 und 1980. Sie enthalten eine Fülle von Hinweisen: von der zukünftigen Gesetzgebung über die Datenverarbeitung bis zur Steuerverwaltung und zum Bundesnachrichtendienst, vom Kreditwesen bis zur Berufsgenossenschaft für den Einzelhandel. Ich möchte dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz für diese umfangreiche Arbeit danken, ihm und seinen Mitarbeitern. Es ist eine eindrucksvolle Bilanz über den Umfang der Datenverarbeitung, die gleichzeitig zweierlei bewirkt. Erstens schärft sie unser Bewußtsein für die Unausweichlichkeit der EDV. Würde man sie abschaffen - aus welchen Gründen auch immer -, abschaffen wollen, würde man zweifellos ein Chaos anrichten. Aber diese umfangreiche Datenverarbeitung schärft gleichzeitig unseren Blick nicht nur bei den Bürgern, sondern auch bei den Anwendern für die Notwendigkeit eines wirksamen Datenschutzes. Wenn der Generalbundesanwalt vorschlägt, die Jahresberichte des Bundesbeauftragten einzuschränken, dann muß man das in der Tat mit aller Entschiedenheit ablehnen, ebenso wie seinen merkwürdigen Vorschlag, erledigte Bemerkungen von allgemeiner Bedeutung erst gar nicht mitzuteilen, ob sie nun zum Sicherheitsbereich gehören oder wozu auch immer. Denn ich denke, daß ein Bericht über den Datenschutz in diesem Lande nicht eine Auflistung unerledigter Beanstandungen sein kann, sondern wir wollen etwas über die Wirklichkeit der Datenverarbeitung und über die Wirklichkeit des Datenschutzes sehen können. Wir möchten den Datenschutzbeauftragten ermuntern, in seinen Berichten in der bisherigen Weise fortzuführen. Der Datenschutz wird in zunehmendem Umfang diskutiert, auch streitig. Das hat angefangen mit den Bürgermeistern, die den Jubilaren unbedingt gratulieren wollten, sozusagen auf Teufel komm raus. Ob die Jubilare selber wollten, daß man ihnen gratuliert, oder nicht, spielte dabei nur eine sekundäre Rolle. Wir haben heftige Diskussionen mit der Opposition im Innenausschuß geführt. Den Herrn Generalbundesanwalt habe ich erwähnt. Der Landtag von Baden-Württemberg bemüht sich aus Leibeskräften darum, den Datenschutz zurückzuschneiden. ({2}) - Die Mehrheit dort, j a, das muß ich sagen. Die Noch-Mehrheit dort. ({3}) - Leider, Herr Kollege. Ich finde es sehr gut, daß Sie sagen: die Mehrheit dort; denn dies ist in der Tat kein Ruhmesblatt für die dortige Landtagsfraktion: daß sie sich bemüht, den Datenschutz zurückzuschneiden, ({4}) um den wir hier damals, Anfang der 70er Jahre, gemeinsam gerungen haben und wo Sie sich in gar keiner Weise im Interesse am Individualschutz von anderen haben überbieten lassen. Nur muß man es durchhalten und darf nicht dann weiche Knie kriegen, wenn es anfängt, weh zu tun. Das ist in der Tat der Punkt: Wir hören Kritik von Interessierten und Interessenten; ich habe noch keine Kritik von einem Bürger darüber gehört, daß seine Daten zu viel geschützt würden. - Es ist wie beim Zahnarzt: Je heftiger die Reaktionen sind, desto näher kommt man offenbar an den Nerv. Um noch einmal auf Herrn Rebmann zurückzukommen und den Vorhalt, es seien heftige Vorwürfe, unangemessene Angriffe gegen die Sicherheitsbehörden erhoben worden: Das ist nicht zutreffend. Wenn man den Vierten Bericht liest, Herr Laufs, wird das deutlich. Ich will das zitieren. Der Datenschutzbeauftragte führt aus: Bei den im Berichtsjahr durchgeführten Prüfungen wurde nicht festgestellt, daß vorsätzlich personenbezogene Daten unzulässig verarbeitet wurden. Es gab jedoch eine erhebliche Anzahl von Fällen, in denen Behörden unzulässige Verarbeitungen für zulässig hielten und durchführten. Dieses Ergebnis hat der Datenschutzbeauftragte im Innenausschuß in eindrucksvoller Weise belegt. Ich denke, es gibt in Wirklichkeit keine Verunsicherung der Sicherheitsbehörden. Es hat auch bisher keinen Fall gegeben - jedenfalls ist uns keiner vorgetragen oder bekanntgeworden -, in dem durch den Datenschutz in der Tat ein Hindernis für den Erfolg der Arbeit der Sicherheitsbehörden eingetreten wäre. Es gibt manche, denen der Datenschutz lästig ist. Es ist häufig auch so, daß man manche lästigen Fragen unter Berufung auf den Datenschutz abwehrt; aber ich habe den Eindruck, daß der ganz überwiegende Teil der Behörden daran interessiert ist, wirksamen Datenschutz zu betreiben, und auch seine wirkliche Bedeutung erkennt - auch die Polizei. Es wird erkannt, daß der Datenschutz heute ein elementarer Bestandteil des Vertrauens des Bürgers in die Rechtsstaatlichkeit der Arbeit dieser Behörden ist, ein Vertrauen, das von großer Bedeutung ist und das wir schützen wollen, das wir dadurch schützen wollen, daß darauf geachtet wird, daß die Individualsphäre des Bürgers nicht mehr, als es notwendig ist, angetastet wird. Wenn man sich die Reizpunkte ansieht: Es gibt im Forschungsbereich, insbesondere im Bereich der statistischen Forschung Probleme, auch im Zusammenhang mit der ärztlichen Schweigepflicht. Die Frage der Gesundheitsregister muß uns hier beschäftigen, auch der Gesetzesvorschlag, den der hessische Datenschutzbeauftragte dazu gemacht hat. Der Bereich „Datenschutz und neue Medien" wird von wachsender Bedeutung sein. Zu erwähnen ist der Datenschutz im Bereich der Sozial- und Arbeitsverwaltung, in dem in der Tat gigantische Informationsmengen gesammelt werden. Alles das muß und wird uns in zunehmendem Maße beschäftigen; denn das Grundproblem ist unausweichlich: Die Datenverarbeitung hat nicht nur eine gewaltige Entwicklung genommen, sondern wird sie weiter nehmen. Sie kann nicht abgeschafft werden. Es ist wichtig, sie so zu gestalten, daß Mißbrauch wirksam verhindert wird. Ich glaube, daß sich manche Diskussionen um den Datenschutz - gerade vom Standpunkt konservativer Politiker her gesehen - daraus herleiten, daß man ein überkommenes Bild vom Staat und der Verwaltung erhalten will. Dahinter steht die Fiktion von der Einheit und der Allwissenheit der Verwaltung. Das wird ein großes Problem im Zusammenhang mit der Amtshilfe, über das wir im einzelnen sprechen werden, weil sich die überkommenen Strukturen der Amtshilfe unter dem Einfluß der modernen Technik verändern. Jeder, der sich mit Datenverarbeitung, mit On-line-Anschlüssen beschäftigt, weiß das. Ich hoffe, daß wir uns in absehbarer Zeit mit der notwendigen Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes beschäftigen können. Wir werden die Arbeit des Datenschutzbeauftragten und des Bundesinnenministers zum Schutz der persönlichen Daten unterstützen, und wir werden der vorgelegten Beschlußempfehlung zustimmen. ({5})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär von Schoeler. von Schoeler, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich noch einige Bemerkungen zu den Beschlußfempfehlungen des Innenausschusses sowie zu den Debattenbeiträgen machen. Natürlich sind alle Fraktionen dieses Hauses für den Datenschutz. Alle sind selbstverständlich auch der Meinung, daß wirksamer Datenschutz ohne Bundesbeauftragten für den Datenschutz nicht gewährleistet werden kann. Es ist aber in Mode gekommen, vor überzogenem Datenschutz zu warnen. Von dieser Seite kommt auch Beifall, wenn der Bundesbeauftragte für den Datenschutz angegriffen wird, weil er angeblich seine Kompetenzen überschreite. Ich teile die dahinter stehenden Auffassungen nicht. Im Gegenteil. Nach meiner Auffassung muß der Datenschutz weiter ausgebaut werden. Es sind in dieser Debatte zahlreiche Beispiele für die Notwendigkeit des Ausbaus des Datenschutzes genannt worden. Ich unterstreiche, was alle Kollegen übereinstimmend gesagt haben, daß die datenschutzrechtlichen Fragen, die im Zusammenhang mit der Einführung der neuen Medien gestellt werden, dringlich sind, Beachtung verdienen und auch eine Fortentwicklung des Datenschutzes erfordern. Als zweites Beispiel sei der bereichsspezifische Datenschutz genannt, den wir mit dem, was im Bereich des Sozialgesetzbuches, des Melderechtsrahmengesetzes oder der Amtshilfe in Angriff genommen worden ist, j a nicht abschließend geregelt haben. Wir alle wissen, daß es hier weiter vorangehen muß. Ich habe in der Debatte in dieser Hinsicht Übereinstimmung festgestellt. Drittens werden wir auch das Bundedatenschutzgesetz in dieser Legislaturperiode novellieren. Die Bundesregierung wird dazu in Kürze einen Entwurf vorlegen, der viele der Punkte, die in der Beschlußempfehlung des Innenausschusses enthalten sind, aufgreifen wird. Ich möchte mich beim Innenausschuß ausdrücklich dafür bedanken, daß hier schon Anregungen für die Novelle zum Datenschutzgesetz gegeben worden sind, die auch der Auffassung der Bundesregierung entsprechen. Die Novelle zum Bundesdatenschutzgesetz, Herr Kollege Laufs, wird nichts in Richtung Datenverkehrsordnung enthalten. Der jetzt vorliegende Referentenentwurf enthält auch nichts in dieser Richtung. Ich meine, wenn Sie vor falschen Emotionen im Zusammenhang mit Datenschutz gewarnt haben, muß auch vor der falschen Emotion gegen den Datenschutz gewarnt werden. Sie haben hier leichtfertig von Technikfeindlichkeit, die in diesem Gesetzentwurf zum Ausdruck käme, gesprochen. Dazu kann ich nur sagen: Dadurch werden Emotionen belebt, die letztlich nur das Ziel haben, den Datenschutz bei seiner Fortentwicklung zu behindern. Davor möchte ich warnen. Wir wollen eben gerade nicht eine Totalrevision des Bundedatenschutzgesetzes. Wir wollen vielmehr eine Fortentwicklung an Stellen, wo dies für den Bürger ganz praktisch mit Verbesserungen verbunden ist, unter Beibehaltung des, wie ich nach wie vor meine, bewährten Bundesdatenschutzgesetzes von 1976. Wir wollen also keine Umwälzung, sondern eine Fortschreibung. Meine Kolleginnen und Kollegen, verbesserter Datenschutz heißt für die Bundesregierung auch stärkere Stellung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz. Wer Datenschutz tatsächlich will, dem muß daran gelegen sein, die Institution des Bundesbeauftragten für den Datenschutz zu stärken. Dies sage ich, obwohl nicht zuletzt der Bereich des Bundesministeriums des Innern vom Bundesbeauftragten für den Datenschutz kritisch beleuchtet worden ist und beleuchtet wird, und ich nehme an, er wird auch weiterhin kritisch beleuchtet werden. Gewiß, Kritik ist nicht immer angenehm, und nicht jede Kritik ist inhaltlich berechtigt. Das ist jedoch beileibe kein Grund, wie es modischen Tendenzen zu entsprechen scheint, die Kritik zum Schweigen bringen zu wollen, sondern es ist ein Grund, sich mit der Kritik sachlich auseinanderzusetzen, sich ihr zu stellen und nicht die Kritik als unbequem zu empfinden, sondern die Probleme, um zu einer gemeinsamen Lösung dieser Probleme zu kommen. Ich sehe das Verhältnis zwischen dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz einerseits und dem Bundesministerium des Innern andererseits funktional. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz hat die sehr wichtige Aufgabe, die Einhaltung des Datenschutzrechts zu kontrollieren und auf Defizite hinzuweisen. Der Bundesinnenminister trägt nicht nur für den Datenschutz politische Verantwortung, sondern er trägt diese Verantwortung auch für die Gewährleistung der inneren Sicherheit, die ohne die Nutzung der modernen Datenverarbeitung nicht möglich ist. Der Bundesinnenminister gehört deshalb zu denen, die sich der Kritik des Bundesbeauftragten stellen müssen. Hier gibt es, meine Kolleginnen und Kollegen, unterschiedliche Rollen und deshalb auch unterschiedliche Auffassungen. Es kommt, glaube ich, ganz entscheidend darauf an, daß beide Seiten ihre unterschiedlichen Rollen respektieren. Ich habe den Eindruck, daß das in der Vergangenheit durchaus der Fall war. Wir haben Meinungsverschiedenheiten; wir haben aber bei Meinungsverschiedenheiten ein vernünftiges Verfahren. Ich meine, daß das Modell der Zusammenarbeit im Bundesbereich ein besseres Modell ist als das, was in einigen anderen Orten diskutiert und vorgeschlagen wird, nämlich den Schwierigkeiten unterschiedlicher Auffassungen dadurch entgehen zu wollen, daß man die Prüfungskompetenzen des Bundesbeauftragten für den Datenschutz beschneidet und die Kritik sich nicht mehr artikulieren lassen will. Wer die Kritik sich nicht mehr artikulieren lassen will, löst kein Problem, er verhindert nur, daß darüber diskutiert wird. Das kann langfristig nur negativ sein. Parl. Staatssekretär von Schoeler An den Fortschritten, die wir im Bereich des Datenschutzes auch bei den Sicherheitsbehörden in der letzten Zeit gehabt haben, hat der Bundesbeauftragte für den Datenschutz seinen Anteil. Dafür möchte ich ihm danken. Ihren Anteil daran haben aber auch die Sicherheitsbehörden, die in den letzten Jahren den Datenschutz im Sicherheitsbereich als ihre Aufgabe angenommen haben, sie erkannt haben und sich bemühen, beim Vollzug des Datenschutzes wie bei seiner Fortentwicklung, bei der Aufarbeitung und bei der Lösung von Problemen kooperativ auch mit dem Datenschutzbeauftragten zusammenzuarbeiten. Ich möchte deshalb auch die Sicherheitsbehörden in diesen Dank einschließen und mich bei dem Kollegen Hirsch ausdrücklich dafür bedanken, daß er dies hier auch von der parlamentarischen Seite her getan hat. Meine Damen und Herren, die Funktion dieses Datenschutzbeauftragten, über dessen Bericht und die Beschlußempfehlung des Innenausschusses wir diskutieren, wird nach meiner Überzeugung in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen. Deswegen sollten wir die Institution nicht disqualifizieren, sondern wir sollten ihre Anregungen, ihre Kritik, ihre Bedenken ernst nehmen, uns der Diskussion stellen und darin gemeinsam eine Chance begreifen, den Datenschutz fortzuentwickeln. - Vielen Dank. ({0})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses. Wer der Beschlußempfehlung des Innenausschusses auf Drucksache 9/1623 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthält sich jemand der Stimme? - Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist angenommen. Der Abgeordnete Coppik hat sich zur Geschäftsordnung gemeldet. Ich erteile ihm dazu das Wort.

Manfred Coppik (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000337, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantrage, diese Plenarsitzung unverzüglich zu beenden, weil die - ({0}) - Sie wissen ja noch gar nicht, weshalb. Die Entscheidung darüber steht bei Ihnen. Ich stelle nur einen Antrag, dieses Recht habe ich. Ich stelle den Antrag, diese Plenarsitzung unverzüglich zu beenden, weil die verfassungsmäßigen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung nicht gegeben sind. Gemäß Art. 42 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes verhandelt der Deutsche Bundestag öffentlich. Dieser Verfassungsgrundsatz hat selbstverständlich immanente Schranken, die sich aus den räumlichen und technischen Gegebenheiten ergeben. Inzwischen versammelt sich zwar Öffentlichkeit, jedoch nicht wegen dieser Plenarsitzung, sondern wegen der dann folgenden Unterbrechung der Plenarsitzung. Es geht aber sicherlich weit über die immanenten Schranken des Öffentlichkeitsgrundsatzes, wenn der Bundestag faktisch in einem Belagerungszustand tagt. ({1}) Das geht so weit, daß selbst einzelne Besucher, die sich in Begleitung eines Mitglieds dieses Hauses befinden, durch die Sperren mehrere hundert Meter vor diesem Hause nicht hindurchgelassen werden. Besucher, die bei einem Mitglied dieses Hauses angemeldet sind, werden nicht durchgelassen. Ihnen wird auch keine Gelegenheit gegeben, sich mit den vor seinem Volk geschützten Volksvertreter in Verbindung zu setzen. Ich halte das für unerträglich. Das ist Belagerungszustand, keine öffentliche Verhandlung. Hinzu kommt, daß die Auswahl der Personen, die sich innerhalb des Belagerungsringes aufhalten dürfen, in keiner Weise mehr von einzelnen Mitgliedern dieses Hauses beeinflußbar ist. Vielmehr wird hier durch die Bürokratie eine Auswahl vorgenommen, die mit dem Grundsatz der Öffentlichkeit erst recht nicht zu vereinbaren ist. Ich habe viel Verständnis für Sicherheitsfragen. Ich möchte weiß Gott nicht, daß Herrn Reagan irgend etwas zustößt. Ich wünsche ihm und allen Gesundheit und langes Leben, auch wenn ich bezweifle, daß seine Politik ihm und uns das bescheren wird. Ich halte es aber für unerträglich, wenn Herrn Reagan zuliebe das Verfassungsrecht unseres Landes außer acht gelassen wird. Wir sind keine amerikanische Kolonie. Wir sind als Parlament dieser Republik nicht gewählt, um das Verfassungsrecht außer Kraft zu setzen, nur um dem Imperator der Kolonialmacht zujubeln zu können. ({2}) Wenn schon heute nachmittag unter Umgehung verfassungsrechtlicher Bedenken und deshalb nahe am Verfassungsbruch mit einem formalen Trick Herrn Präsident Reagan das ihm nicht zustehende Rederecht in diesem Hause eingeräumt wird, dann sollten wir wenigstens bekennen, daß unter den gegebenen Bedingungen eine öffentliche Verhandlung hier nicht stattfindet. Ich beantrage, die Sitzung sofort zu beenden. Wer dann zur Jubelfete vor geladenen Gästen bleiben will, kann das ja tun. Mit Parlamentarismus hat das alles dann eh nichts mehr zu tun. ({3})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Meine Damen und Herren, ich habe dem Herrn Abgeordneten Coppik das Wort erteilt, damit in unserem Land nicht der Eindruck entsteht, als hätten bestimmte Abgeordnete hier nicht das Recht, frei zu reden. Wird dazu weiter das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Schwarz zur Geschäftsordnung.

Heinz Schwarz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002125, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Ich bitte, den Antrag abzulehnen. Die Öffentlichkeit ist hergestellt. Die Fraktionen haben wie auch bei anderen Sitzungen die Möglichkeit, ihre Gruppen einzuladen. Die Presse ist hier und kann übertragen. Die Freiheit und die Übertragungsmöglichkeiten sind sichergestellt. Insofern entbehrt der Antrag sachlich jeder Grundlage. Deshalb bitte ich um Ablehnung des Antrags. ({0})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Meine Damen und Herren, wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, wovon ich ausgehe, lasse ich über den Antrag abstimmen. Wer dafür ist, daß wir in unserer Tagesordnung so fortfahren, wie es der Deutsche Bundestag beschlossen hat, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Der Deutsche Bundestag hat gegen zwei Stimmen entsprechend beschlossen. Wir fahren in der Tagesordnung fort. Punkt 5 der Tagesordnung ist heute morgen abgesetzt worden. Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 6 auf: Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Vereinfachung der Lohnsteuerpauschalierung für Teilzeitbeschäftigte - Drucksache 9/1671 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Finanzausschuß ({0}) Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Im Ältestenrat ist für die Aussprache ein Beitrag von bis zu zehn Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Es wird nicht gewünscht. Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst der Abgeordneten Frau Dr. Hellwig das Wort.

Dr. Renate Hellwig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000861, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht heute um § 40 a des Einkommensteuergesetzes, der die Möglichkeit schafft, die Lohnsteuer für ganz bestimmte Saisonarbeiten zu pauschalieren. Es handelt sich dabei um ein typisches Verfahren der Lohnsteuervereinfachung. Dieser § 40 a wurde bei seiner Einführung 1974/75 im Rahmen der Großen Steuerreform als ein echter Akt der Steuervereinfachung gefeiert. Übrigens ist sein Vorlauf bereits mehr als 20 Jahre alt. Schon 1955 wurde die Pauschalierung durch Lohnsteuerrichtlinien auf Druck der Finanzämter eingeführt, weil der Aufwand der Lohnsteuererhebung im herkömmlichen Verfahren in keinem Verhältnis zum Ertrag stand. Die Reform war also sozusagen eine echte Reform von unten nach oben. § 40 a Einkommensteuergesetz ist eine aus der Praxis heraus gewachsene Vorschrift. ({0}) Gestatten Sie mir, in diesem Zusammenhang den damaligen Finanzminister Schmidt zu zitieren, der bereits im Februar 1973 anläßlich einer der vielen Anläufe zur Steuerreform folgendes sagte: Zwischen den Geboten der Einfachheit und der Gerechtigkeit wird es immer zu Konflikten kommen. Einfachheit zieht oft Ungerechtigkeit oder Härte nach sich. Gerechtigkeit ist - umgekehrt - oft nur um den Preis der Kompliziertheit möglich. Meine Auffassung - d. h. Schmidts Auffassung ist, daß eine gewisse Entfeinerung des Steuerrechts im Endergebnis mehr Gerechtigkeit bringen kann als ausgetüftelte Kompliziertheit. Gesetze, die vor lauter Kompliziertheit durch die Finanzämter in der Praxis nicht mehr angewendet werden können, sind nicht nur ungerecht, sondern darüber hinaus sogar gefährlich. ({1}) Ich glaube, daß wir dieser Aussage des heutigen Bundeskanzlers voll und ganz zustimmen können. Der ursprüngliche § 40 a hatte noch die Ermächtigung an die Finanzämter enthalten, daß sie dem Arbeitgeber die Pauschalierung untersagen könnten, falls das Steueraufkommen auf Grund der Pauschalierung wesentlich geringer sei, als wenn eine Normalveranlagung stattfinden würde. Die Länder haben 1978 beschlossen, von dieser Ermächtigung keinen Gebrauch zu machen, weil sie zu dem Ergebnis kamen, daß alle auf Grund dieser Ermächtigung notwendigen Prüfungen die endlich erreichte gesetzliche Steuervereinfachung nur wieder komplizierter machen würden. Dies war für die Bundesregierung Anlaß, diese Ermächtigung im sogenannten Omnibus-Gesetz vom August 1980 zu streichen. Der Bundesrat hat der Bundesregierung damals empfohlen, die Lohngrenzen in § 40 a zeitgerecht anzupassen, etwas höher zu setzen. Die Bundesregierung sagte zu, dies zu prüfen. Leider hat die Prüfung zu einem unerwarteten, geradezu gegenteiligen Ergebnis geführt. Mit dem Haushaltsstrukturgesetz 1981 wurde eine Neuregelung vorgelegt, die man als Einführung einer „riesigen Zettelwirtschaft" bezeichnen kann. Die Arbeitgeber dürfen nur noch ganz bestimmte Arbeitnehmer, die sich beim Finanzamt vorher eine Bescheinigung abgeholt haben, daß sie teilzeitarbeitswürdig sind, in das Pauschalierungsverfahren aufnehmen. Die Reaktionen der Betroffenen haben nicht auf sich warten lassen. Ich glaube, daß fast alle Abgeordneten sie zu spüren bekamen. Lassen Sie mich nur zwei Beispiele anführen. Das eine Beispiel ist: Der Evangelische Landesverband für Haus-, Pflege- und Nachbarschaftshilfe in Württemberg schreibt Ende April 1982 geradezu flehentlich an den Bundesgesetzgeber, nur 20 % seiner bisherigen Helferinnen seien bereit, sich diese Bescheinigung bei der Gemeinde zu holen. Die anderen ziehen es vor, die Tätigkeit aufzugeben. Das bedeutet für den Verband, daß er im Bereich der Nachbarschaftshilfe einen großen Anteil von hilfsbedürftigen Personen in Zukunft nicht mehr betreuen kann. Diese ehrenamtlichen Helferinnen arbeiten übrigens für einen Stundensatz von 6 DM bis 8 DM, die meisten von ihnen weniger als zehn Stunden im Monat. Wer sich als Sozialpolitiker auch noch dessen bewußt ist, welch kostendämpfende Maßnahme im Gesundheitswesen solch ein Angebot freier Träger darstellt, könnte verFrau Dr. Hellwig zweifeln, wenn er miterleben muß, wie diese ersten Pflänzchen einer modernen Ausgestaltung ehrenamtlicher Tätigkeit durch einen wild galoppierenden Amtsschimmel niedergetrampelt werden. ({2}) Ich empfehle die Gegenrechnung, was fürderhin für die nicht mehr zu Hause betreuten älteren Personen ein Heimplatz kosten wird. Das zweite Beispiel bezieht sich auf einen Weingärtner aus meinem Wahlkreis und seine Ernteleserinnen: In dem kleinen Ort mit seinen 30 000 Seelen gibt es rund 90 Weinbauern - meist im Nebenerwerb - und etwa ebenso viele Frauen - meist sind es Hausfrauen -, die bereit sind, bei der Lese mitzumachen, übrigens gegen eine Vergütung von 5 DM pro Stunde. In Zukunft darf jeder Bauer nur noch eine Hausfrau beschäftigen. Wer die Weinlese nur einmal aus der Ferne gesehen hat, weiß bereits, wie wirklichkeitsfremd ein solches Modell ist. ({3})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Erlauben Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Matthäus-Maier?

Dr. Renate Hellwig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000861, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Bitte sehr.

Ingrid Matthäus-Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001436, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Kollegin Hellwig, Sie haben soeben gesagt, daß in Zukunft jeder Bauer nur noch eine Hausfrau beschäftigen darf! Da Sie es wissen, wären Sie so nett, hier klarzustellen, daß jeder Bauer selbstverständlich auch in Zukunft so viele Hausfrauen beschäftigen kann, wie er will, nur mit der Einschränkung, daß jede Hausfrau bei nur einem Bauern ein solches „Verhältnis" eingehen kann? ({0})

Dr. Renate Hellwig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000861, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das ist ja genau das, was ich gesagt habe. Es wird dadurch nur noch schlimmer, weil es jetzt besonders deutlich geworden ist: eine Hausfrau pro Bauer! Bitte sehr. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich weiter ausführen: Der Bundesrat hat - übrigens bei nur einer Gegenstimme - am 30. April der Bundesregierung dringend empfohlen, dieses Gesetzgebungsverfahren wieder rückgängig zu machen. Ich erspare mir die Argumente meiner Länder, der CDU-Länder; ich zitiere nur Finanzsenator Apel aus Hamburg, der im Namen sämtlicher SPD-Länder zu Protokoll gegeben hat, daß auch die SPD-Länder die Initiative Bayerns und Baden-Württembergs voll unterstützen. Auch sie sind der Meinung, daß der Aufwand, der mit dem Bescheinigungsverfahren verbunden ist, in keinem Verhältnis zum Nutzen steht. Auch sie bestätigen, daß es in einigen Wirtschaftsbereichen bereits ungünstige Auswirkungen gegeben hat. Auch sie halten es für unerläßlich, sie waren sogar geneigt, den gleichen Antrag zu stellen, und unterstützen voll und ganz den Antrag von Baden-Württemberg und Bayern. Dann bleibt bloß noch die Frage: Warum klammert sich die Koalition eigentlich an diese Bescheinigungspflicht? Das wäre ja noch verständlich, wenn davon Mehreinnahmen erhofft werden könnten. Das kann jedoch nicht der Grund der Neuregelung sein, denn im Entwurf zum Haushaltsstrukturgesetz sind mangels statistischer Unterlagen gar keine denkbaren Mehreinnahmen veranschlagt. Es bleibt also nur noch das gesellschaftspolitische Argument, wie es der ehemalige Bundesfinanzminister in einem Schreiben an den Haushaltsausschuß im November 1981 niedergelegt hat. Dort wird deutlich: Das einzige Ziel der Bescheinigungspflicht ist, zu vermeiden, daß ein- und derselbe Arbeitnehmer mehrere pauschal besteuerte Teilzeitbeschäftigungen aufnehmen kann. Warum soll er das nicht können dürfen? Weil mehrfach pauschal besteuerte Teilzeitbeschäftigte steuerlich bessergestellt sind als Arbeitnehmer, die gleich hohe Bezüge aus nur einem Arbeitsverhältnis erhalten. Was heißt das auf deutsch? Die Bundesregierung hat auf der Suche nach neu zu melkenden Kühen eine neue Gruppe von sogenannten „Bessergestellten" entdeckt. Bisher konzentrierte sie sich und konzentriert sich immer noch auf die Konkurrenz zwischen Großverdienern und Kleinverdienern. Jetzt baut sie eine neue Konkurrenz zwischen zwei Gruppen von Kleinverdienern auf, und zwar zwischen denen in einem Vollarbeitsverhältnis und denen in zwei Teilzeitarbeitsverhältnissen. Sie kommt hier zu einer geradezu genialen Lösung: Doppelteilzeitarbeitnehmer sollen einen ihrer zwei Teilzeitarbeitsplätze aufgeben, also auf die Hälfte ihres Verdienstes verzichten, um keine ungerechtfertigten Steuervorteile gegenüber Ganztagsarbeitnehmern zu haben. Wenn sie mehr arbeiten wollen, bitte schön! Es wird empfohlen, dann einen Vollarbeitsplatz zu suchen. Allerdings ist diese Empfehlung angesichts von zwei Millionen Arbeitslosen etwas peinlich. Wenn ich meiner Weinlesefrau in Erligheim die sozialliberale Koalition erklären soll, dann muß ich ihr folgendes sagen: „Sozial" ist: Ein Weinlesearbeitsplatz genügt dir; den anderen mußt du einer anderen Weinlesefrau überlassen. Wenn du mehr verdienen willst, kannst du im 20 km entfernten Stuttgart einen Vollarbeitsplatz suchen. „Liberal" an der Neuregelung ist: Ohne vorherige zwei Gänge zum Rathaus - einmal zwecks Antragstellung, zum anderen zwecks Abholung der Bescheinigung - gibt es überhaupt keinen Weinlesearbeitsplatz mehr. - Es bleibt halt immer wieder der gleiche falsche Ansatz, indem die Bundesregierung fragt: Wie kann ich denjenigen, der arbeitet, steuerlich mehr belasten; wie kann ich verhindern, daß er zu wenig geschröpft wird? - Bei diesen Saisonarbeitern ist dies besonders unsinnig. Sie sollen in Zukunft lieber weniger arbeiten, um nicht durch Mehrarbeit mehr Steuervorteile zu haben. Meine Weinlesefrau wird zur „Mißbräuchlerin", wenn sie bei zwei statt bei einem Bauern mitmacht. Statt dessen fordert die CDU: Wir sollten uns auf die Mißbräuche konzentrieren, bei denen Sozialeinkommen ungerechtfertigt und ohne jene Arbeit in Anspruch genommen werden können. Diese Kor6362 rekturen bei Sozialgesetzen sind für die SPD jedoch tabu, werden als „Einschnitt ins soziale Netz", als „soziale Demontage" diffamiert. Wen wundert es da eigentlich noch, daß Arbeit immer unattraktiver und Nichtarbeit immer attraktiver wird! ({0}) Mein letzter Appell zur vom Bundesrat vorgeschlagenen Anhebung der Pauschsätze richtet sich an den Finanzminister: Er möge doch das mitmachen, was der Bundesrat vorgeschlagen hat. Es bringt ihm drei Vorteile. Erstens macht er den Frieden mit seinen Finanzämtern, daß die nicht über Personalmangel jammern, zweitens macht er den Frieden mit den Gemeinden, die befreit werden von der Pflicht zur Ausstellung der Bescheinigung und es in Zukunft auch leichter haben, Teilzeitarbeitnehmer für ihre Saisonarbeiten zu finden, und drittens hat er bei der Anhebung der Pauschsätze von 10 auf 15 % und von 2 auf 3 % echte Mehreinnahmen. Noch ein Schlußappell an die Kollegen der FDP: Sie fordern mit großem Nachdruck immer mehr Teilzeitarbeitsmöglichkeiten. In meinem Wahlkreis eine Riesenveranstaltung: „Entbürokratisierung", „Abbau von bürokratischen Hemmnissen gegen Teilzeitarbeit". Ich halte es auf Dauer für gefährlich, wenn Sie rechts blinken und links fahren. ({1}) So stellt es sich dar, wenn Sie hier bürokratische Hemmnisse für die Teilzeitarbeit einführen. - Vielen Dank. ({2})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Als nächster Redner hat der Abgeordnete Lennartz das Wort.

Klaus Lennartz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001319, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Hellwig, es reizt einen an und für sich, auf einige Ihrer mehr als überzogenen Bemerkungen einzugehen. Aber ich habe mir, da es sich um die erste Lesung handelt, vorgenommen, einen reinen Sachbeitrag zu leisten. Ich gehe davon aus, daß wir uns auch im Finanzausschuß mit der Thematik rein sachlich beschäftigen werden. ({0}) - Hören Sie doch erst einmal zu. Dann können Sie doch auch Ihre Fragen stellen. Sie haben dazu doch die Möglichkeit. Bitte! Meine Damen und Herren, am 22. Dezember 1981, also vor knapp einem halben Jahr, haben wir gemeinsam eine Änderung bei der Lohnsteuerpauschalierung beschlossen. Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU-Fraktion, sowie FDP und SPD waren gemeinsam der Überzeugung, daß es gerechtfertigt ist, jedem Arbeitnehmer in Zukunft die Vorteile aus der Lohnsteuerpauschalierung nur noch für ein solches Arbeitsverhältnis zu gewähren, für das eine entsprechende Bescheinigung vorliegt. Obwohl bis zum heutigen Tage so gut wie keine Erfahrung mit diesem geänderten Gesetz vorliegt, müssen wir uns jetzt mit einem Entwurf der Opposition befassen, der genau das Gegenteil - ({1}) - Herr Kollege, ich habe nichts gegen Zwischenrufe, aber dann bitte so, daß ich sie hier vorne auch verstehen kann. ({2}) Meine Damen und Herren, obwohl wir bis zum heutigen Tag so gut wie keine Erfahrung mit diesem geänderten Gesetz vorliegen haben, müssen wir uns jetzt mit einem Entwurf der Opposition befassen, der genau das Gegenteil von dem vorsieht, was wir vor einem halben Jahr beschlossen haben. Was hat sich denn in der Zwischenzeit geändert? Was hat sich denn getan, was es rechtfertigt, einen derartigen geänderten Gesetzentwurf vorzulegen? Mittlerweile sind die notwendigen Vorarbeiten bei den Städten und Gemeinden, die verständlicherweise Anlaufschwierigkeiten hatten, abgeschlossen. Wenn Sie, Frau Hellwig, sich mal zu den zuständigen Leitern der Ordnungsämter in ihrem Wahlkreis unterhalten hätten, hätten Sie erfahren können, daß die ersten Anlaufschwierigkeiten mittlerweile vorbei sind und daß der Bürger jetzt diese Bescheinigungen anfordert, daß keine Schwierigkeiten mehr bestehen, derartige Bescheinigungen in Anspruch zu nehmen. Nach vorsichtigen Schätzungen ist davon auszugehen, daß ca. 10 % aller Lohnsteuerpflichtigen diese Karte in Anspruch nehmen werden. Eine formale Schwierigkeit besteht nicht mehr, da sich wie bereits erwähnt, die ersten rein formalen Schwierigkeiten, die daraus entstanden, daß im Januar/Februar die Durchführungsbestimmungen noch nicht vorlagen, mittlerweise erledigt haben. Meine Damen und Herren, darüber hinaus aber liegen Ihnen ebenso wie uns noch keine praktischen Erfahrungen vor, da die Fristen des Übergangs zu dem vom Deutschen Bundestag verabschiedeten Gesetz doch erst mit dem 15. Mai 1982 abgelaufen sind. Das Gesetz - genauer, sein § 40 a - beläßt dem Arbeitnehmer nach wie vor die Möglichkeit, mehrere pauschalierungsfähige Beschäftigungsverhältnisse nebeneinander einzugehen. ({3}) Die Vorteile aus der Lohnsteuerpauschalierung kann er aber nur noch in dem Arbeitsverhältnis haben, für das er die Pauschalierungsbescheinigung vorlegt. Für die übrigen Arbeitsverhältnisse muß die Lohnsteuer nach den allgemeinen Regelungen abgeführt werden. Meine Damen und Herren, dies ist doch - darüber gibt es gar keinen Streit, denn das dürfte auch von Ihnen nicht bestritten werden - ein Beitrag zur Steuergerechtigkeit. Ohne Beschränkung auf ein pauschalierungsfähiges Arbeitsverhältnis kommt es nämlich auf Grund des niedrigen Pauschalsteuersatzes von ca. 10 % zu ungerechtfertigten Progressionsvorteilen. Die Vorteile würden sich doch beim einzelnen Arbeitnehmer kumulieren, wenn die Pauschalierung wieder, wie der Bundesrat und die Opposition es vorhaben, unbeschränkt - wohlgemerkt, Frau Dr. Hellwig: unbeschränkt - mehrfach nebeneinander möglich wäre. Das wäre ungerecht gegenLennartz über den Arbeitnehmern, die gleich hohe Einkommen aus nur einem Beschäftigungsverhältnis haben und das Einkommen normal versteuern müssen. Meine Damen und Herren, wir haben natürlich genau wie Sie zur Kenntnis genommen, daß von seiten des Bundesrates einstimmig ein Antrag eingebracht wurde. Aber vielleicht ist es bei uns in der SPD-Fraktion etwas anders; wir machen es nicht so, daß dann, wenn einer in Bayern mit dem berühmten Schwanz wackelt, wir alle hier bellen. Wir kennen unsere Verfassungsordnung, wir wissen, daß wir ein eigenständiges Verfassungsorgan sind, und demzufolge treten wir als SPD-Bundestagsfraktion auf und vertreten die Gesetze, die wir mit beschlossen haben. ({4}) Es ist Ihr Problem, wie Sie es mit dem Mann halten, den Sie mehr oder weniger - ({5}) - Entschuldigen Sie bitte, Herr Kollege, wenn Sie eine Zwischenfrage stellen möchten, gerne! ({6}) - Natürlich, das gehört doch zur Sache! Ich muß doch feststellen, daß hier von seiten des Bundesrates, von Bayern, ein Einwurf gemacht wurde - sehen Sie sich doch diesen Gesetzentwurf an -, und demzufolge haben Sie mit Ihrer Fraktion sofort nachgehakt. Das ist doch der Punkt! ({7}) Ihre Eigenständigkeit haben Sie doch nicht unter Beweis gestellt. Sie sind nachgezogen. So ist es! Meine Damen und Herren, der nächste Punkt: Beinhaltet das verabschiedete Gesetz das Übermaß an Bürokratie, das Sie immer unterstellen? Ich sage Ihnen: Nein. Das Bescheinigungsverfahren ist so einfach wie möglich gestaltet worden, um den Aufwand für alle Beteiligten so gering wie möglich zu halten. Das Bescheinigungsverfahren ist auch in den Fällen praktikabel, in denen Aushilfstätigkeiten zu einem unvorhersehbaren Zeitpunkt kurzfristig erforderlich waren. ({8}) - Nein, bitte keine Zwischenfragen!

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Sie möchten keine Zwischenfrage zulassen? ({0}) - Der Redner möchte keine Zwischenfrage zulassen.

Klaus Lennartz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001319, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Doch, wenn ich die Zeit dadurch nicht überschreite, gern! ({0})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Kollege, entweder Sie lassen eine Zwischenfrage zu, oder Sie lassen keine zu.

Klaus Lennartz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001319, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte schön!

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Sie lassen also eine Zwischenfrage zu? - Bitte sehr, Herr Kollege Eigen.

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Was soll ich nun machen?

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Sie haben das Wort zu einer Zwischenfrage.

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr gut! - Herr Kollege, können Sie sich vorstellen, daß ein solches Bescheinigungsverfahren für landwirtschaftliche Betriebe, für Weingärtner oder Erdbeerbauern, die für die Ernte auf einen Schlag 50 oder 60 oder 70 Menschen benötigen und kein Büro zur Verfügung haben, eine ungeheure zusätzliche bürokratische Belastung ist? Können Sie sich das vorstellen? ({0}) - Er soll es beantworten!

Klaus Lennartz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001319, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Eigen, ich sage Ihnen, ich kenne das Pauschalierungsverfahren des § 40 a nach altem Recht. Was haben denn Ihre Weinbauern damit gemacht? Sie mußten doch eine Liste führen, in der die Namen derjenigen, die von ihnen beschäftigt wurden, aufgeführt waren. Was hat sich daran geändert? Sie können hier doch nicht - insoweit darf ich Ihre Frage beantworten - einen Fakt aufstellen, der unrichtig ist. Ich sage Ihnen, hier hat sich an den Verhältnissen nichts geändert. Die Namen müssen nach wie vor - wie es auch früher der Fall war - auf bestimmten Lohnlisten geführt werden. Arbeitnehmer, die an kurzfristigen und zeitlich nicht vorhersehbaren Aushilfstätigkeiten interessiert sind, können sich doch ohne weiteres die Bescheinigungen im voraus ausstellen lassen. Was hindert denn einen Arbeitswilligen daran, sich am 31. Dezember 1982 die entsprechenden Pauschalierungsbescheinigungen für das Jahr 1983 ausstellen zu lassen? Daran hindert ihn keiner. Ebenfalls kann ich Ihre Befürchtung nicht teilen, Frau Dr. Hellwig, das Bescheinigungsverfahren wirke sich ungünstig auf die Beschäftigungssituation in bestimmten Wirtschaftsbereichen aus. Nachprüfbare Erfahrungen, ob Aushilfskräfte, wie von Ihnen und den Interessenverbänden behauptet, vielfach bereit sind, wegen der notwendigen Bescheinigung auf die Beschäftigung zu verzichten, liegen Ihnen genauso wenig vor wie uns. Frau Dr. Hellwig, auch ich habe Briefe bekommen, unter anderem von dem Provinzialverband Rheinischer Obst- und Gemüsebauern e. V. Die haben sich nicht über den Inhalt des Gesetzes beschwert; die haben sich darüber beschwert, daß der Bürger über den Inhalt nicht informiert war und ihn nicht verstanden hat. Aber dann verlange ich von diesem Verband - genauso, wie er deutlich macht, wo seine Bauern Subventionen herbekommen -, seinen Mitgliedern zu sagen, welche Gesetzesänderungen auf sie zukommen. Das muß man denen auch einmal mitteilen. ({0}) Meine Damen und Herren, sollten Arbeitnehmer, wie Sie es vermuten, tatsächlich nicht mehr bereit sein, im bisherigen Umfange tätig zu werden - was sich erst noch erweisen muß -, würden auf der anderen Seite die Beschäftigungschancen für echte Teilzeitarbeitsuchende steigen. Denn gerade Teilzeitbeschäftigte sind überdurchschnittlich von der Arbeitslosigkeit betroffen. Und noch etwas: Auch wir sind uns darüber im klaren, daß durch den jetzt bestehenden § 40 a des Einkommensteuergesetzes eine Umgehung steuerlicher Vorschriften grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden kann. Aber jetzt liegt ein entsprechendes Instrumentarium für die Finanzverwaltungen vor, wodurch Nachprüfungsmöglichkeiten gegeben sind. Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie haben uns bisher vornehm verschwiegen, warum Sie diesen Entwurf eingebracht haben. Tatsache ist doch, daß Sie während des Vermittlungsverfahrens im Bundesrat, als es um das Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz ging, auch dem § 40 a zugestimmt haben. Damals haben Sie zwar verhindert, daß der Wegfall der Sozialversicherungsfreiheit für nur geringfügig Beschäftigte Gesetz wurde. Sie haben aber übersehen, daß der verabschiedete § 40 a des Einkommensteuergesetzes in wesentlichen Bereichen eine gleiche Kontrollmöglichkeit offenläßt. Würden wir Ihrem heutigen Gesetzentwurf folgen, wäre dem absoluten Mißbrauch wieder Tür und Tor geöffnet. Wir hätten wiederum zu verzeichnen, daß Mehrfachbeschäftigungen eines Arbeitnehmers unter verschiedenen Namen beim gleichen Unternehmen möglich wären. Wir hätten wiederum zu verzeichnen, daß Mehrfachbeschäftigungen in den verschiedensten Unternehmungen ausgeübt werden könnten. Dies geschähe, meine Damen und Herren, mit Zustimmung und teilweise auch - ich sage das sehr offen - unter Druck des Arbeitgebers, der teilweise auf die Beschäftigten zugeht und sagt: Ihre Hauptbeschäftigung wird gekündigt; Sie haben ja die Möglichkeit, drei Nebenbeschäftigungen aufzunehmen. Dies müssen wir erkennen. Wir sind zum heutigen Zeitpunkt nicht bereit, dies so zu akzeptieren.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Kollege Lennartz, ich bitte Sie, zum Schluß zu kommen.

Klaus Lennartz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001319, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sofort, Herr Präsident. - Wie die Mißbräuche in der Sozialversicherung aussehen würden, wenn wir heute Ihrem Gesetzentwurf zustimmen würden, darauf möchte ich nicht eingehen. ({0}) - Entschuldigen Sie bitte, meine Redezeit ist abgelaufen. Ich würde Ihnen empfehlen, nachzulesen, welche Mißbräuche in der Sozialversicherung möglich werden könnten, wenn wir dem Gesetzentwurf folgen würden. Sie sind doch diejenigen, die gegen Mißbräuche sind. Wie können Sie dann ein derartiges Gesetz vorlegen? Meine Damen und Herren, wir sind bereit, nach dem Vorliegen erster Erfahrungen zu prüfen, ob und wo Verbesserungen an diesem Gesetz möglich sind und wo sie sinnvoll sein können. Wenn das der Fall ist, ist die SPD-Bundestagsfraktion davon überzeugt, daß eine Lösung gesucht und gefunden werden müßte, die einerseits Mißbräuche verhindert und andererseits besonderen Härtefällen gerecht wird, die durch den § 40 a entstanden sind. Wir lehnen es jedenfalls ab, blindlings, ohne Auswertung praktischer Erfahrungen schon heute Fakten zu schaffen. Wir verweigern daher dem von Ihnen vorgelegten Gesetzentwurf unsere Zustimmung. ({1})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Als nächster Redner hat das Wort die Abgeordnete Frau Matthäus-Maier.

Ingrid Matthäus-Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001436, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren. Wie Sie wissen - das sage ich speziell in Richtung Opposition -, war und ist die FDP keine glühende Verfechterin der heutigen Regelung. Doch so, wie Sie die Sachlage darstellen, Frau Hellwig, ist es falsch, unangemessen und entspricht nicht dem, was Grundlage der Änderung des § 40 a des Einkommensteuergesetzes war bzw. der Vorschrift ist, wie wir sie heute haben. Was ist denn der Ausgangspunkt dieser Regelung gewesen? Das sage ich gerade Ihnen, die Sie doch ununterbrochen davon reden, daß Mißbräuche abgestellt, Mißbrauchsmöglichkeiten eingedämmt werden müßten. Ausgangspunkt ist, daß es anerkanntermaßen Mißbräuche des heute geltenden § 40 a gibt, der Vorschrift, die Sie so gelobt haben, die auch wichtig ist und im übrigen erhalten bleibt. Erwecken Sie doch keine falschen Eindrücke. Kein Mensch will § 40 a abschaffen. Es soll nur die Möglichkeit der Inanspruchnahme des § 40 a eingeschränkt werden. Welche Mißbrauchsmöglichkeiten hat man im Auge gehabt? Mißbrauchsmöglichkeiten auf beiden Seiten, d. h. sowohl auf Seiten der Arbeitnehmer als auch auf Seiten der Arbeitgeber. Das ist ganz wichtig. Ich sage das, weil es gerade in Ihren Reihen Leute gibt, die immer so tun, als würden nur Arbeitnehmer gesetzliche Vorschriften mißbrauchen. Auch Arbeitgeber mißbrauchen gesetzliche Vorschriften. Dieser Paragraph ist eingefügt worden, damit Bürger, die eine nur geringe zeitliche Beschäftigung ausüben, nicht der vollen Besteuerung mit der scharfen Progression unterliegen. Damit das Ganze noch einfacher wird, kann der Arbeitgeber für sie 10 % Lohnsteuer zahlen. Nun wissen wir, daß es Bereiche gibt - z. B. im Gebäudereinigungswesen und in der Gastronomie, die eine gewisse Verbindung mit der Stadt Hamburg hat; ich esse übrigens gern Hamburger -, in denen die Unternehmen bzw. die Arbeitgeber ihre Mitarbeiter ganz oder überwiegend bewußt nur unter dem Gesichtspunkt einstellen, daß sie erstens in den Genuß der 390-DM-Regelung und zweitens in den Genuß des § 40 a kommen. Welche Folge hat das? Das hat die Folge, daß die Mitkonkurrenten, also mittelständische UnternehFrau Matthäus-Maier mer im selben Bereich, nicht konkurrenzfähig bleiben, weil sie nämlich - wie das eigentlich üblich ist - für einen Teil oder auch für die Mehrheit ihrer Mitarbeiter ganz normal Sozialversicherung und Steuern zahlen. Punkt 2. Das gleiche finden wir auf der anderen Seite. Wir kennen doch die Klagen: Da ist einer arbeitslos, kriegt Arbeitslosengeld, und außerdem hat er noch fünf Verträge nach § 40 a. Zusammen verdient er so viel wie ein anderer Arbeitnehmer, der von 8 bis 17 Uhr arbeitet und ganz ordentlich Sozialversicherungsbeiträge und außerdem Lohn- und Einkommensteuer zahlt. Es ist nicht korrekt, wenn der Betreffende Arbeitslosengeld bezieht und obendrein vier- oder fünfmal die Vorteile der geringen Besteuerung in Anspruch nimmt. Das waren die Gründe dafür, warum wir uns darangemacht haben, § 40 a einzuschränken. Sie, die Sie immer davon reden, daß sich Leistung lohnen müsse, daß man Mißbräuche abstellen müsse, haben wirklich nicht das Recht, sich hier hinzustellen und zu sagen, das alles sei dummes Zeug gewesen. ({0}) Nun ist nicht zu übersehen, daß die Einschränkung des § 40a, ihre Nachteile hat. Ein Teil davon war uns vorher bekannt, ein Teil zeigt sich erst jetzt. Deswegen werden wir das Ganze noch einmal sorgfältig prüfen müssen. Wir haben festgestellt - das wußte man schon vorher -, daß ein Teil der Arbeitnehmer nicht bereit ist, sich die Bescheinigung zu holen, selbst dann nicht, wenn das einfach ist, wenn man sie etwa geschickt bekommen kann. Es gibt Bürger, die sagen: Für dreimal Erdbeer-Pflücken oder dafür, daß ich einmal auf der Kirmes ein Karrussel bediene, gehe ich nicht zum Einwohnermeldeamt. Das ist zwar eine falsche Einstellung, aber sie ist vorhanden. Es stellt sich die Frage, ob wir es zulassen, daß dadurch ganze Bereiche in Schwierigkeiten kommen. Wir wissen weiter, daß mittlerweile auch Mißbräuche mit dieser Regelung betrieben werden. Es soll inzwischen einen schwunghaften Handel mit solchen Bescheinigungen geben. Man läßt sich eine Bescheinigung für Opa, Oma und Tante ausstellen, und diese verkauft man an jemand anders, der damit zu seinem Arbeitgeber geht, der natürlich gar nicht alles im einzelnen nachprüfen kann.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Frau Abgeordnete, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kolb?

Ingrid Matthäus-Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001436, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Jawohl.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Bitte sehr.

Elmar Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001170, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin Maier, weil Sie gerade das Erdberrpflücken erwähnt haben: Wie ist eigentlich der Sache gedient, wenn anstelle des Arbeitslohns zwei oder drei Steigen Erdbeeren gegeben werden, die dann zum Naturaltausch verwendet werden? Haben wir uns hier nicht eigentlich selbst etwas vorgemacht?

Ingrid Matthäus-Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001436, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nein, das sehe ich nicht so. Es geht hier um das Problem, daß bestimmte Naturalleistungen gewährt werden, die grundsätzlich natürlich auch lohnsteuerpflichtig sind, was die große Masse nicht mehr versteht. Das ist das Problem der Deputate, das wir auch in anderen Rechtsbereichen kennen. Das Beispiel zeigt nur, daß es hier noch problematischer ist als anderswo. Aber das grundsätzliche Problem, daß man die Arbeitnehmer mit Naturalien bezahlt, wodurch auch eine Steuerpflicht begründet wird, stellt sich im Zusammenhang mit § 40 a nicht anders als sonst. Ein weiteres Problem, das auch vorherzusehen war, sich möglicherweise aber doch deutlicher abzeichnet, als wir uns das gedacht haben, ist folgendes. Der Staat wird durch die Änderung des § 40 a nicht nur nicht mehr Steuern einnehmen, sondern möglicherweise wird er sogar weniger einnehmen. Sie kennen die Zuschriften, die wir bekommen haben. Ich erinnere insbesondere an die Zuschriften der Zeitungsverleger. Der Hintergrund ist, daß diejenigen Unternehmen, deren Arbeitnehmer die Bescheinigung nicht beibringen, ihre Arbeitnehmer dann nach der Lohnsteuerklasse VI versteuern müssen. Diese Lohnsteuerklasse ist sehr viel schärfer als die Besteuerung mit 10 %. Wenn der Arbeitnehmer im darauffolgenden Jahr einen Antrag auf Lohnsteuerjahresausgleich stellt, bekommt er dieses Geld in den meisten Fällen zurück, während die 10 %, die der Arbeitgeber ansonsten überwiesen hätte, voll beim Staat geblieben wären. Meine Damen und Herren, was will ich damit sagen? Erstens. Wir haben in dem Zielkonflikt zwischen dem Abbau von Mißbrauchsmöglichkeiten auf der einen Seite und der Steuervereinfachung auf der anderen Seite einen Weg gewählt, der Mißbräuche abbauen soll. Übrigens haben Sie j a auch zugestimmt. Machen Sie es sich bitte nicht so einfach, daß Sie ein halbes Jahr später sagen: Was kümmert uns unser dummes Geschwätz von gestern! Zweitens. Wir wissen, daß diese Regelung Probleme bringt. Wir fühlen uns in dieser Einsicht dadurch bestärkt, daß immerhin elf Bundesländer, also auch sozialdemokratisch und sozialliberal regierte Bundesländer, diese Regelung skeptisch betrachten. Das hat uns in der Absicht bestärkt, diese Regelung noch einmal unter die Lupe zu nehmen. Unser Ziel ist und bleibt, Regelungen zu finden bzw. notfalls auch zu behalten, die Mißbräuche abbauen, ohne daß wir unangenehme Begleiterscheinungen zu verzeichnen haben. Wir werden das Gesetzgebungsverfahren dazu nutzen, dies noch einmal zu überprüfen. - Ich danke Ihnen. ({0})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Aussprache. Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 9/1671 zu überweisen zur federführenden Beratung an den Finanzausschuß, zur Mitberatung an den Ausschuß für Wirtschaft, den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und den Ausschuß für Arbeit Vizepräsident Dr. h. c. Leber und Sozialordnung. Ist das Haus mit dieser Überweisung einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist entsprechend beschlossen. Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses ({0}) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Laufs, Dr. Dregger, Spranger, Dr. Riesenhuber, Bohl, Broll, Dr. Bugl, Fellner, Dr. von Geldern, Gerstein, Dr. Götz, Dr. Jentsch ({1}), Dr. Jobst, Krey, Dr. Kunz ({2}), Lenzer, Lowack, Magin, Dr. Miltner, Niegel, Regenspurger, Dr. Stark ({3}), Volmer, Dr. Waffenschmidt, Weiß, Zierer, Schwarz und der Fraktion der CDU/CSU Erhöhung der Rechtssicherheit atomrechtlicher Genehmigungsverfahren - Drucksachen 9/953, 9/1690 Berichterstatter: Abgeordnete Schäfer ({4}) Dr. Laufs Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist für die Aussprache eine Zeit bis zu zehn Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. - Ich sehe, es erhebt sich dagegen kein Widerspruch. Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Ich erteile als erstem Redner dem Herrn Abgeordneten Dr. Laufs das Wort.

Prof. Dr. Paul Laufs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Pessimist findet zu jeder Lösung ein passendes Problem. Die Einwände gegen die vorgeschlagene Reaktorsicherheitsverordnung, die wir bisher von SPD und FDP gehört haben, sind leider nur Vorwände. Sie haben es nicht für nötig befunden, weder in den Ausschüssen noch hier im Plenum, sich z. B. mit der sorgfältigen Argumentation des Deutschen Atomforums geradezu Ihrer Kritik aus den Reihen von SPD und FDP auseinanderzusetzen. Eine Reaktorsicherheitsverordnung ist nach Auffassung des Deutschen Atomforums geeignet, die Rechtssicherheit im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren und im Verwaltungsstreitverfahren zu erhöhen, ohne daß dies zu Lasten des vorrangigen Schutzzieles Leben und Gesundheit und des dynamischen Grundrechtsschutzes ginge. Das ist das Ergebnis seiner ausführlichen Stellungnahme zum vorliegenden Antrag. Was der jetzige Präsident des Bundesverwaltungsgerichts, Professor Sendler - nicht anders als sein Vorgänger Professor Fürst - im gleichen Sinne beschwörend an die Adresse der Bundesregierung sagt, interessiert Sie von der SPD/FDP überhaupt nicht. Es ist bemerkenswert, daß Sie im Innenausschuß zur gleichen Zeit, wie Sie unseren Antrag kategorisch ablehnten, die Beschlußempfehlung gegen die CDU/CSU durchsetzten, den Ausbau der Kernenergie so lange zu stoppen, wie weiterer Strombedarf durch Nutzung heimischer Kohle gedeckt werden könne. Im Forschungsausschuß haben Sie ohne weitere Aussprache den Antrag abgeschmettert, pikanterweise nach stundenlanger Debatte erdrückender Beweise dafür, daß der Hochtemperaturreaktor THTR mit diesem atomrechtlichen Genehmigungsverfahren praktisch überhaupt nicht von der Stelle kommen kann. Der Forschungsminister sagte angesichts von 7 000 Aktenordnern voller Dokumente nur für die Halterungskonstruktionen der Rohrleitungen des Wasser-Dampfkreislaufs und der dafür erforderlichen 800 000 Stempelungen und 400 000 Unterschriften: allein die Menge der dafür benötigten Stempelkissen übersteige sein Vorstellungsvermögen. Auch die internationale Fachwelt hat für diese bürokratischen Exzesse nur noch ein Kopfschütteln übrig. Was ist die Ursache? Es fehlen klare politische Entscheidungen. Die Bundesregierung ist nicht bereit, die als sozialadäquat hinnehmbaren Restrisiken der Kernenergie zu bestimmen. Sie zieht sich aus ihrer politischen Verantwortung auf eine Beobachterrolle zurück und bürdet den Technikern und Verwaltungsrichtern auf, einen Konsens über den jeweiligen Stand von Wissenschaft und Technik und das sicherheitstechnisch Machbare herbeizuführen. Die Formulierungen des Atomgesetzes werden absolut aufgefaßt, und es werden grundsätzlich Maximalforderungen daraus abgeleitet. Jeder, auch abwegigen Meinung, wird nachgegangen. Mit großzügig dotieren Gutachteraufträgen bringt die Bundesregierung auch die Meinungen von denjenigen ein, die sich die Verhinderung der Kernenergie zum Ziel gemacht haben. Genehmigungsentscheidungen werden möglichst lange offengehalten, um noch jeden Änderungsvorschlag berücksichtigen zu können. Jede sicherheitstechnische Bewertung, auch außerhalb des Primärbereichs, muß lückenlos nachgewiesen und dokumentiert werden. Da es Hunderttausende von Kraftwerkseinzelteilen gibt, wälzt sich unablässig ein unvorstellbar großer Papierberg zwischen dem Reaktorhersteller, den Komponentenherstellern, den zahlreichen Unterlieferanten, den Gutachtern und Genehmigungsbehörden hin und her. Die ständigen Eingriffe durch Änderungsauflagen der Behörden machen jede koordinierte logistische Planung der Fertigungsprozesse unmöglich. Erhöht dies alles die Sicherheit der kerntechnischen Anlagen? Ich kann den Kollegen, die so schnell das Wort vom Abbau des Sicherheitsstandards im Munde führen, wenn mehr Rechtssicherheit verlangt wird, nur empfehlen, einmal die Baustellen in Schmehausen, in Mülheim-Kärlich oder sonst irgendwo zu besuchen. Selbst Geschichtslehrer und Juristen können vor Ort unschwer erkennen, wie Ingenieurkunst im Würgegriff eines schrecklichen Bürokratengeistes verkommt. Da werden bewährte und sichere Schweißverbindungen durch weniger belastbare, umständliche Schraubkonstruktionen nur deshalb ersetzt, weil sich diese den extrem pessimistischen Betrachtungsweisen entziehen und für den Sicherheitsnachweis einfacher zu rechnen sind. Da werden AnkerDr. Laufs und Dübelplatten in Ausmaßen installiert, daß sich altgediente Ingenieure nur noch an den Kopf fassen können. Da werden dutzendweise in den Betonboden eingegossene Bolzen mühsam wieder entfernt, weil sie nach Meinung eines Gutachters unter extremen Lastannahmen bei schweren Erdbeben versagen könnten. Bei der Probebelastung nahm jedoch jeder dieser Bolzen, bevor er weggefräst wurde, ohne Schwierigkeiten das Fünfundzwanzigfache dieser hypothetisch berechneten Maximallast auf. Aber auf die Wirklichkeit kommt es in dieser Atmosphäre der Unsicherheit und Papiergläubigkeit nicht mehr an. Die Fälle häufen sich, wo sich Ingenieure auf der Baustelle zähneknirschend der Inkompetenz und dem ängstlichen Absicherungsbedürfnis der Bürokratie beugen, weil ohne Stempel und Unterschrift alles stehenbleibt. Die atomrechtlichen Verfahren sind heute an einem Punkt angekommen, wo sie nicht nur wirtschaftlich unkalkulierbar und unvorhersehbar geworden sind, sondern statt mehr Sicherheit vielfach weniger Sicherheit produzieren. In dieser Situation sind Bereinigungen und Klarstellungen unausweichlich. Der von der Bundesregierung eingeführte Maßnahmenkatalog zur Verbesserung der administrativen Maßnahmen kann dies nicht leisten, weil mit ihm nur an Symptomen herumkuriert wird. Die angekündigten Bemühungen um Standardisierung, Koordinierung der Arbeit der Genehmigungsbehörden und Vereinheitlichung von Bewertungskriterien werden zu weiteren Verzögerungen und Kosten führen, solange sich die Bundesregierung weigert, in der Sache selbst untergesetzliche, aber verbindliche Normen zu setzen. Genau dies ist das Anliegen des CDU/CSU-Antrags. Die Verordnungsermächtigungen des Atomgesetzes müssen ausgeschöpft werden. Verordnungen sind flexibel und können einfach dem technischen Fortschritt angepaßt werden. Es wird gewiß noch Jahre dauern, bis z. B. abschließend über Vorzüge und Nachteile eines Gebäudesprühsystems entschieden ist. Im Falle eines positiven Urteils wäre die Reaktorsicherheitsverordnung schnell geändert und um diese Maßnahme ergänzt. Einbußen am Sicherheitsstandard wären nicht zu befürchten. Das „Deutsche Atomforum" stellt dazu fest: Der - unbestritten vorrangige - Schutzzweck wird jedoch keineswegs in Frage gestellt, wenn in einer Verordnung die wesentlichen Auslegungsmerkmale geschlossen und konsistent dargestellt werden. Im Gegenteil, es wird zu fragen sein, ob nicht eine solche konsistente Zusammenfassung gerade sicherheitsgerichtet ist. Der Wert einer auf Betriebserfahrungen beruhenden, bewährten Sicherheitstechnik darf nicht unterschätzt werden. Wir wissen, die SPD/FDP-Koalition ist nicht bereit, das atomrechtliche Genehmigungsverfahren wirklich zu verbessern. Sie ist mit seinen Ergebnissen zufrieden. Alles, was Ihnen noch dazu eingefallen ist, ist, der Energiewirtschaft Unredlichkeit zu unterstellen, wenn sie unter immer neuen Auflagen und Vorbehalten die Risiken des Genehmigungsverfahrens nicht mehr auf sich nehmen will. Wir müssen deshalb SPD und FDP dafür verantwortlich machen, daß die Bundesrepublik Deutschland nach und nach von den technischen Entwicklungen in diesem wichtigen Bereich abgekoppelt wird. SPD und FDP müssen dafür verantwortlich gemacht werden, daß dadurch und in der Konsequenz, durch die extrem hohen Energiepreise die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft leidet. Wir werden nicht müde werden, diese Zusammenhänge der Arbeitnehmerschaft und den Arbeitslosen klarzumachen. - Danke schön. ({0})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Meine Damen und Herren, ich erteile als nächstem Redner dem Herrn Abgeordneten Schäfer das Wort. ({0}) Darf ich die Damen und Herren bitten, es dem Redner etwas leichter zu machen? Die Debatte wird etwas schwierig, wenn sich so viele Damen und Herren während der Aussprache unterhalten. ({1})

Harald B. Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001931, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gedenke nicht, die zehn Minuten auszuschöpfen. Wir haben im Dezember 1981 vor diesem Haus den Antrag debattiert. In der Zwischenzeit haben sich auch in den Ausschußberatungen keine wesentlich neuen Gesichtspunkte ergeben. Man muß auch nicht partout die alten Argumente permanent wiederholen. Ich möchte aber in wenigen Punkten auf das eingehen, was der Kollege Laufs hier ausgeführt hat. Herr Kollege Laufs, leider haben Sie der Versuchung nicht widerstanden, alte Ladenhüter hier ungeprüft und sachlich unrichtig vorzubringen. Ich will zwei Beispiele anführen, um zu belegen, wie fahrlässig Sie argumentiert haben. Sie haben beispielsweise beklagt, daß im Genehmigungsverfahren - Sie spielen hier auf UentropSchmehausen an - mehr als 7 000 Aktenordner - manchmal wird sogar von 26 000 Aktenordnern gesprochen - notwendig seien, um die entsprechenden Nachweise zu erbringen. Ich möchte Ihnen, Herr Kollege Laufs, und damit dem ganzen Haus einmal deutlich machen, wie sich der für die Genehmigung des THTR in Uentrop zuständige Minister des Landes Nordrhein-Westfalen, Herr Farthmann, dazu vor dem Forschungsausschuß in der 33. Sitzung geäußert hat. Ich zitiere wörtlich: Was nun die berühmten 7 000 Ordner - andere Stellen sprechen sogar von 26 000 Ordnern - anbetrifft, so handelt es sich dabei nach unseren Informationen ausschließlich um Hochrechnungen. Real existieren diese Ordner nach unseren Informationen nirgendwo. Da handelt es sich um eine Hochrechnung von einer einzelnen Rohrleitung auf die Gesamtheit der Rohrsysteme des Wasserdampfkreislaufsystems insgesamt. Schäfer ({0}) - Farthmann fährt weiter fort: Dabei ist in unserem Hause festgestellt worden, daß ein großer Teil dieser Unterlagen vierzehnfach gezählt worden ist. Meine Damen und Herren, das bedeutet, daß hier von Ihnen mit falschen Zahlen Horrormeldungen erzeugt werden, so als ob das Genehmigungsverfahren auf Grund der Anforderungen der Genehmigungsbehörde einen irrsinnigen bürokratischen Aufwand bedingen würde. Ich will auf ein zweites Beispiel, das Sie genannt haben, eingehen. Im Dezember letzten Jahres ist bei der hessischen Genehmigungsbehörde ein Gespräch mit dem Betreiber von Biblis C geführt worden, in dem u. a. über den Entwurf der ersten Teilerrichtungsgenehmigung Übereinstimmung festgestellt worden ist. Wenig später hat sich der Betreiber, das RWE, über angeblich neue Sicherheitsauflagen beschwert. Es hieß, daß von der Sache her neue Sicherheitsauflagen nicht notwendig gewesen wären. Allerdings sind alle betroffenen Genehmigungsbehörden - Bayern, Niedersachsen und Hessen - mit dem BMI gemeinschaftlich der Auffassung gewesen, diese Sicherheitsauflagen seien notwendig, um Schutz und Sicherheit der Bürger zu gewährleisten.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Kollege Schäfer, der Herr Abgeordnete Dr. Laufs möchte eine Frage stellen. - Bitte sehr.

Prof. Dr. Paul Laufs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Schäfer, darf ich Sie darauf hinweisen, daß die von mir genannten Zahlen einer Pressemitteilung des Forschungsministers Dr. von Bülow entnommen sind.

Harald B. Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001931, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Dadurch werden die Zahlen ja nicht unbedingt richtig, Herr Kollege Laufs. ({0}) - Meine Damen und Herren, ich sage das in allem Freimut, weil in der entsprechenden Sitzung des Forschungsausschusses der für die Genehmigung zuständige Minister, Herr Farthmann, dargelegt hat, daß es sich um Hochrechnungen handelt, daß die Hochrechnungen nicht zutreffend sind und daß darüber hinaus von der Genehmigungsbehörde keine Vorschriften gemacht werden, in welcher Art und Weise der Antragsteller den Nachweis zu führen hat. Ich komme nun zum Antrag der CDU/CSU-Fraktion. Wir lehnen den Antrag im wesentlichen aus drei Gründen ab. Erstens. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Kalkar-Beschluß von 1978 ausdrücklich festgehalten, daß der Sicherheitsstandard nicht gesetzlich festgeschrieben werden darf. Das Prinzip des dynamischen Grundrechtsschutzes verbietet eine gesetzliche Festschreibung. Das gleiche gilt, selbst wenn es juristisch möglich ist, nach unserer Auffassung auch für eine Festschreibung durch Rechtsverordnung. Wir können nicht erkennen, wie durch Ihren Vorschlag eine erhöhte Rechtssicherheit erzielt wird. Bei dieser Gelgenheit weisen wir noch einmal ausdrücklich darauf hin, daß gegenwärtig nicht eine einzige kerntechnische Anlage, nicht ein einziges Kernkraftwerk auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung im Bau blockiert wird. Dies hat andere Gründe, die jetzt nicht untersucht zu werden brauchen. Zweitens. Sie erhoffen sich von Ihrem Antrag eine Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens. Es ist darauf hinzuweisen, daß Bundesrat und Bundesregierung in diesem Jahr entsprechende Vorschläge gemeinsam zu Papier gebracht haben, Vorschläge, die Sicherheit und Schutz der Bürger ebensowenig beeinträchtigen wie die notwendige Bürgerbeteiligung. Drittens schließlich bleibt es für uns in Übereinstimmung mit der dritten Fortschreibung des Energieprogramms der Bundesregierung bei dem Grundsatz, daß bei der Nutzung der Kerntechnologie Sicherheit und Schutz unserer Bürger Vorrang auch vor ökonomischen Überlegungen haben müssen. Ihr Antrag läuft Gefahr, auf Kosten der Sicherheit der Bürger angebliche Beschleunigung und Rechtssicherheitserhöhungen zu bringen. Wir lehnen deswegen diesen Antrag ab. ({1})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Als nächstem Redner erteile ich dem Herrn Abgeordneten Wolfgramm das Wort.

Torsten Wolfgramm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002557, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Es sieht so aus, als wenn mein Beitrag unter erschwerten Bedingungen stattfindet, schon allein wenn ich die beiden gläsernen Notenständer hier betrachte, die wohl zur Unterstützung und nicht zur Irritation des späteren prominenten Redners - des amerikanischen Präsidenten - angebracht sind. Herr Kollege Dr. Laufs, wir haben am 2. Dezember 1981 intensiv über atomrechtliche Genehmigungsverfahren diskutiert. Da wir hier auch freundlich miteinander umgehen, möchte ich Sie fast des Plagiats an Ihrem eigenen Werk bezichtigen. Sie haben eine Menge der Gründe, die Sie heute vorgetragen haben, damals genannt, und es sind keine wesentlichen hinzugekommen. Burkhard Hirsch, der damals für uns gesprochen hat, hat gesagt: Es gibt keinen Investitionsstau, es gibt höchstens Genehmigungshalden. Daran hat sich in der Zeit, die jetzt vergangen ist, nichts geändert. Es ist eben die Frage der Akzeptanz, und es ist nicht die Frage der Kompliziertheit der Verfahren. Es ist die Frage, wie Kernenergie angenommen wird, trotz aller Probleme, die damit zusammenhängen und die, wie wir wissen, bis jetzt noch nicht hinreichend gelöst sind. Ich möchte hier eine aktuelle Anmerkung machen. Ich sehe den Kollegen Riesenhuber aufmerksam zuhören. Wir hören jetzt von der Physikalischtechnischen Bundesanstalt, daß es tatsächlich große Bedenken geben kann und geben wird, Gorleben einmal als Salzendlager zu installieren. Die bisherigen Untersuchungen sind nicht sehr hoffnungsvoll. Ich wiederhole hier noch einmal die Forderung, daß wir, wenn wir - wir sind durch das Atomgesetz dazu Wolfgramm ({0}) aufgerufen, eine sichere Endlagerung zu präsentieren - das in absehbarer Zeit erreichen wollen, Probebohrungen in Niedersachsen und in anderen Bundesländern, an anderen äußerlich geeigneten Salzstöcken niederbringen müssen. Sonst stehen wir im Jahre 1990 oder 1992 in einer Situation, die dann wirklich katastrophal ist. Ich möchte das hier ganz deutlich anmerken. Der „Stand von Wissenschaft und Technik", wie ihn das Atomgesetz vorschreibt, bedeutet, daß wir hier Vorsorge nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und nicht etwa nur nach dem rein technischen Vermögen treffen müssen. Das bedeutet, daß wir hier mehr als in vielen anderen technischen Bereichen tun müssen. Die Reaktorsicherheitskommission hat in ihrem Bericht nicht umsonst festgestellt, daß die Forderung zum Schutz des Wartungspersonals vor Strahlenexpositionen eine gewichtige Minderheitsgutachtenforderung gewesen ist, die wir erfüllen wollen. Eine weitere Forderung ist der Einbau des Sprühsystems. Das war übrigens schon im Dezember 1981 Gegenstand der Diskussion. Es ist wohl niemand hier im Saal, soweit er dieser Debatte zuhört - die anderen können sich schlecht dazu äußern, obwohl sie körperlich zahlreich anwesend sind -, der einem solchen Gutachten seine eigene Kompetenzmeinung entgegensetzt und dann feststellen möchte: Aus Gründen der Beschleunigung, aus Gründen der Entkomplizierung wollen wir darüber hinweggehen. Wir werden das als Liberale nicht tun. Ich möchte hier den Bundesinnenminister, heute vertreten durch den Staatssekretär Hartkopf, deutlich und intensiv unterstützen, in dieser Sicherheitspraxis fortzufahren. Wir werden übrigens durch das Bundesverfassungsgericht gestützt, das am 8. August 1978 gesagt hat, daß § 7 des Atomgesetzes eine Festschreibung verbietet. Es geht hier nicht um eine Festschreibung des Standes von Technik und Wissenschaft, sondern um die jeweilige Anwendung des neuesten Erkenntnisstandes. Wenn wir die ganze Umweltschutzpolitik betrachten, dann wollen wir j a wohl überall das Vorsorgeprinzip anwenden. Prometheus ist immer der Gefeierte gewesen; Epimetheus ist derjenige gewesen, der aus Schaden klug geworden ist. Bei einer unsicheren Atomsituation aus Schaden klug zu werden ist wohl das letzte, was wir uns vorstellen. Wir wollen, daß das Beschleunigungsverfahren so vorgenommen wird, wie es der Ausschuß für Forschung und Technologie, der hier seinen guten Sachverstand eingebracht hat, in seiner Stellungnahme angemerkt hat: Verabschiedung eines Maßnahmenkatalogs zur Beschleunigung der Genehmigungsverfahren für Kernkraftwerke und Erlaß einer ersten Verordnung zur Änderung der atomrechtlichen Verfahrensordnung. Ich meine, das ist gut. ({1}) - Ich habe fast den Eindruck, daß sich das Haus, auch wenn ich etwas lauter spreche, bemüht, dies endgültig zu übertönen. Ich möchte noch einmal festhalten: Wir werden in der Sache der Sicherheit keinen Zentimeter nachgeben. Sicherheit geht vor Wirtschaftlichkeit; das haben wir hier wiederholt festgestellt. Wir halten daran fest. Deswegen lehnen wir den CDU/CSU-Antrag ab. ({2})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Meine Damen und Herren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses. ({0}) - Meine Damen und Herren, ich darf Sie um etwas Aufmerksamkeit bitten. - Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 9/1690, den Antrag der Abgeordneten Dr. Laufs, Dr. Dregger, Spranger und weiterer Abgeordneter der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 9/953 abzulehnen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? ({1}) Im Präsidium besteht Unschlüssigkeit. Um die Stimmverhältnisse zu klären und damit dies überschaubarer ist, bitte ich diejenigen, die für die Ablehnung des Antrags sind, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Meine Damen und Herren, im Präsidium herrscht keine einstimmige Auffassung. Daher schreiten wir jetzt zur Auszählung. Meine Damen und Herren, damit Klarheit über die Abstimmungsformel herrscht: Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag der Abgeordneten abzulehnen. Wer ihn ablehnen will, muß also durch die Ja-Tür gehen; wer ihn nicht ablehnen will, muß durch die Nein-Tür gehen. Sind alle Abgeordneten aus dem Saal? - Dann bitte ich, die Türen zu schließen. Ich eröffne die Abstimmung. Sind alle Stimmen abgegeben? Dann schließe ich die Abstimmung. Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Abstimmung durch Auszählung über die Beschlußempfehlung auf Drucksache 9/1690 bekannt. Abgegebene Stimmen 456. Von diesen haben mit Ja gestimmt 232, mit Nein haben gestimmt 224; enthalten hat sich niemand. Damit ist entsprechend der Empfehlung des Ausschusses beschlossen. ({2}) Wir fahren in der Tagesordnung fort. ({3}) Meine Damen und Herren, ich möchte Sie bitten, mir einen Augenblick zuzuhören. Der Deutsche Bundestag tagt gegenwärtig mit größter öffentlicher Einsicht. Auf Grund der mir hier zur Verfügung stehenden Technik kann ich verfolgen, daß das Fernsehen ununterbrochen eingeschaltet ist. Ich wäre den Damen und Herren sehr dankbar, wenn nach Möglichkeit mit Gesprächen etwas Zurückhaltung geübt würde und wenn wir uns auch im ganzen so verhalten würden, daß der Bundestag ein würdiges Bild nach draußen abgibt. Vizepräsident Dr. h. c. Leber Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP Erhaltung der nationalen Filmförderung - Drucksache 9/1727 Im Ältestenrat ist für die Aussprache ein Beitrag von bis zu 10 Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Dann eröffne ich die Aussprache. Als erstem Redner erteile ich dem Abgeordneten Broll das Wort.

Werner Broll (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000271, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich selbst bin so unklug gewesen, kürzlich im Unterausschuß des Innenausschusses einen Antrag auf eine interfraktionelle Aktion wegen des Filmförderungsgesetzes zu stellen. So fällt auf mich zu Recht die Strafe, in diesem vor Aufmerksamkeit und Interesse förmlich brodelnden Hause jetzt in dieser Stunde noch sprechen zu müssen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Filmförderungsgesetz ist damals, 1978 und 1979, zwischen den Fraktionen sehr kontrovers behandelt worden. Die CDU hat damals das Gesetz aus einer Reihe von Gründen abgelehnt. Die Resolution, die wir heute, zwischen allen drei Fraktionen abgesprochen, gemeinsam vorlegen, betrifft einen speziellen Punkt, und in diesem Punkt sind wir einmütig. Das Filmförderungsgesetz enthält in den §§ 15 und 16 Hinweise darauf, daß wir mit unseren etwa 30 Millionen DM Filmfördermitteln deutsche Filme fördern. „Deutsch", das heißt, der Produzent muß in unserem Gebiet wohnen, eine der Endfassungen soll in deutscher Sprache hergestellt worden sein, der Regisseur, der Drehbuchautor, der Komponist, der Geräuschemacher und wesentliche Akteure und technische Mitarbeiter des Films sollen überwiegend deutsche Staatsbürger sein oder aus dem deutschen Kulturkreis kommen. Diese Forderung, daß wir unseren nationalen Film fördern, war eine der Grundlagen dieses Gesetzes. Zwar ist das Gesetz ein Wirtschaftsgesetz - schon deswegen, weil der Bund ja keine Kulturhoheit hat und sich also nur auf wirtschaftlich-subventionelle Weise betätigen darf -, aber wir wissen auch, daß Film nicht nur Kunst, sondern auch Wirtschaft ist und daß ohne das Funktionieren der technischen, kaufmännischen und wirtschaftlichen Basis Filmproduktion - und damit auch Kunstherstellung - nicht funktionieren kann. Meine Damen und Herren, aus diesem Grunde haben wir in unserem Filmförderungsgesetz bei der Förderung der wirtschaftlichen Basis angesetzt. Dieses Haus hat damals wahrscheinlich nicht geahnt, daß uns eines Tages die Kommission der Europäischen Gemeinschaft daraus einen Strick drehen würde. Man sagt nämlich, daß Schauspieler, Komponisten, Kostümhersteller sowie Regisseure von Filmen und andere am Filmschaffen Beteiligte Arbeitskräfte sind wie alle anderen Arbeitskräfte in der EG auch, und so will die Europäische Kommission das EG-Wirtschaftsrecht dergestalt auf die Filmproduktion anwenden, daß wir das Wort „deutsch" und die Bedingungen, die wir an die deutsche Nationalität knüpfen, aus dem Filmförderungsgesetz streichen sollen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Forderung hätte die Europäische Kommission auch auf mildere Weise verwirklichen können. Es gibt nach dem EWG-Vertrag die Möglichkeit, ein Harmonisierungsverfahren einzuleiten. Das ist von der Kommission leider versäumt worden. Statt dessen ist die Kommission - was ehrbare Leute wie uns nur sehr schwer ankommt - drauf und dran, uns vor den Europäischen Gerichtshof zu zitieren. Sinn der Resolution, die wir heute vorlegen und die gemeinsam zu beschließen ich bitte, ist es, zu erreichen, daß unsere Bundesregierung oberhalb der Europäischen Kommission den Ministerrat bemüht, um unsere politische Auffassung, unseren politischen Willen dort im Rahmen der EG durchzusetzen. Wir glauben, mit solch einer auf höchster politischer Ebene im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft ansetzenden Initiative um so mehr Erfolg zu haben, als auch die anderen europäischen Staaten und das Europäische Parlament erst im Frühjahr in seiner Debatte unsere Auffassung vertreten haben. Film fußt zwar auf wirtschaftlicher Basis, und zu seiner Herstellung sind viel Kapital, viel Technik und auch viel kaufmännisches Tun nötig. Die Förderung des Films hingegen, meine Damen und Herren, betreiben wir doch nur, weil wir mit ihm Produkte unseres Geisteslebens, Phänomene unserer Kultur fördern wollen. Wenn wir von den Kinobesuchern Geld verlangen, dann nicht deswegen, weil wir Wirtschaft fördern wollten, und auch nicht deshalb, weil wir jedwede vergnügliche Art, sich zu unterhalten, fördern wollten. Wo kämen wir hin, wenn wir in Bonn anfingen, alles, was Vergnügen macht, mit staatlichen Mitteln zu subventionieren? ({0}) Meine Damen und Herren, wir tun das vielmehr deshalb, weil wir der Auffassung sind, daß man mit dem Messer des europäischen Wirtschaftsrechts nicht die kulturelle Vielfalt Europas beschneiden und eine Egalität im Bereich dieses doch modernen und so außerordentlich wichtigen Kunstbereichs herstellen darf. ({1}) Malraux, der französische Kultusminister, hat schon einmal gesagt: „Kino, das ist Kunst und Industrie". - Das ist kein sehr geistvolles Bonmot; es zu zitieren wäre nicht nötig. Aber manchmal werden Banalitäten nur dann geglaubt, wenn sie berühmte Leute von sich geben. Wer würde schon glauben, wenn unsereiner laut Protokoll des Bundestages solcherlei von sich gibt? - Diese Weisheit, meine Damen und Herren, sollten wir - das ist Sinn dieser kurzen Debatte - unseren Vertretern im Europäischen Ministerrat mitgeben, damit man dort die Ambitionen, die wir einmal mit der Filmförderung kontrovers im einzelnen, aber einmütig in der Sache vertreten haben, nicht zerstört. Lassen Sie uns also, meine sehr verehrten Damen und Herren - und damit komme ich zum Schluß, mit dem es mir leider nicht gelungen ist, den Einzug des Präsidenten noch zu erreichen -, ({2}) in dieser Stunde daran erinnern, daß das Filmförderungsgesetz, wenn vielleicht nicht ursächlich, so doch zumindest parallel zu einer bedeutenden Steigerung, einer historisch phänomenalen Steigerung und einem Wiederaufleben des deutschen Films beigetragen haben mag. ({3}) Es ist ein Film, von dem wir merken, daß er nicht nur in der Bundesrepublik mehr und mehr Anhänger findet, sondern daß er auch im Ausland großen Erfolg hat, ein typisch deutscher Film, manchmal auch in seiner Tendenziösität, in seiner Einseitigkeit, in seiner Problematik und in den Themen, die er bringt; ein deutscher Film aber auch insofern, als er in dieser Einseitigkeit, in dieser manchmal kritisierten Einseitigkeit ein deutscher Film, ist für uns förderungswürdig. Wir möchten uns nicht durch Maßnahmen der Europäischen Gemeinschaft diesen Teil unseres kulturellen Lebens kaputt machen lassen, indem wir ihn nicht mehr wirtschaftlich fördern dürfen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bitte um Zustimmung zu diesem interfraktionell verfaßten Antrag. ({4})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Das Wort hat die Frau Abgeordnete Martiny-Glotz.

Dr. Anke Riedel-Martiny (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001428, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte mir im Leben nicht träumen lassen, daß eine Debatte über den deutschen Film vor einem nahezu ausnahmslos besetzten Hause stattfindet. ({0}) Die letzte Debatte war schon außergewöhnlich, denn wir brauchten die Kanzlermehrheit, um einen Einspruch des Bundesrats zurückzuweisen. Schon damals konnten wir über Besuch nicht klagen. Die Oppositionsbänke waren aber nicht so voll besetzt wie heute. Ich bedanke mich für dieses außerordentliche Interesse. ({1}) Ich bin nicht nur aus diesem Grunde glücklich über die heutige Debatte, sondern vor allem deswegen, weil das Problem, um das es geht, bisher ausschließlich im Rahmen der Exekutive behandelt wurde und weil ich meine, daß es ein Problem ist, das uns als Parlamentarier zutiefst angeht. Denn es geht letzten Endes darum, die nationale Filmkultur im Rahmen eines einheitlichen Wirtschaftsraumes EG zu erhalten und hier auch gegenüber den Drittländern - das schafft eine Überleitung zum nächsten Tagesordnungspunkt, denn Drittland sind hier vor allen Dingen die Vereinigten Staaten mit ihrer Wirtschaftskraft auf diesem Gebiete - einen europäischen nationalen Film zu erhalten. Wir Parlamentarier beklagen uns häufig zu Recht darüber, daß so vieles im Rahmen der Exekutive in Brüssel abgehandelt wird, wofür wir dann als Parlamentarier die politische Verantwortung zu übernehmen haben, ohne am Entscheidungsprozeß hinreichend beteiligt zu sein. Der vorliegende Entschließungsantrag ist zur Kennzeichnung dieses Problems ein klassisches Beispiel. Herr Broll hat schon auf die zugrunde liegende Problematik hingewiesen. Unser Filmförderungsgesetz von 1979 läuft nach wie vor Gefahr - die Kommission hat eine Stillhaltefrist bis Ende des Jahres gewährt -, vor dem Europäischen Gerichtshof als nicht EG-konform bezeichnet zu werden. Das müssen wir abwenden. Der jetzt gefundene Weg unter Zuhilfenahme des Unterausschusses „Kunst und Kultur" des Innenausschusses ist ein konstruktiver Weg, weil er aufzeigt, daß wir zu einer EG-einheitlichen Harmonisierung kommen können, die uns aus der gegenwärtigen Problematik in konstruktiver Weise herausführt. Wir haben uns im Jahre 1979, wie Sie sich vielleicht noch erinnern, sehr bemüht, die Europa-Freundlichkeit unseres Gesetzes zu unterstreichen und die entsprechenden Paragraphen zu verändern, so daß die Kommission damit eigentlich hätte zufrieden sein sollen. Gleichwohl ist es zu dieser Klageandrohung gekommen, mit der inzwischen aber nicht nur die Bundesrepublik Deutschland, sondern auch Italien und Frankreich sowie das filmpolitisch nicht ganz so bedeutsame Land Dänemark konfrontiert sind. Das alles spricht dafür, daß wir eine Lösung anstreben, die für den gesamten EG-Raum eine Lösung bedeutet.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Frau Kollegin, darf ich bitten, zum Ende zu kommen.

Dr. Anke Riedel-Martiny (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001428, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich unterbreche jetzt meine Rede, weil der Präsident der Vereinigten Staaten den Saal betritt. - Vielen Dank. ({0})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Meine Damen und Herren, wir unterbrechen die Beratungen des Deutschen Bundestages zu Punkt 8 der Tagesordnung. Im Augenblick betritt der Präsident der Vereinigten Staaten in Begleitung des Herrn Bundespräsidenten den Plenarsaal. ({0})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundespräsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete des Deutschen Bundestages! Im Namen des Deutschen Bundestages heiße ich Sie, Herr Präsident Reagan, in unserem Parlament auf das herzlichste willkommen. ({0}) Präsident Stücklen Ich danke Ihnen aufrichtig für Ihre Bereitschaft, vor den frei gewählten Vertretern des deutschen Volkes zu sprechen. Millionen werden heute über Rundfunk und Fernsehen Ihren Ausführungen mit großer Spannung folgen. Herr Präsident, Sie sind nach Bonn gekommen, um an der Tagung des Rates des Nordatlantikpaktes teilzunehmen. Der Nordatlantische Verteidigungspakt wurde geschlossen, um die Kräfte unserer Völker zur gemeinsamen Verteidigung und zur Erhaltung von Frieden und Freiheit zu vereinen. Uns alle erfüllt es mit Dankbarkeit und Genugtuung, daß wir unter dem Schutz und Schirm dieses Bündnisses eine lange Epoche des Friedens in Freiheit erleben durften. ({1}) Wir wissen, daß diese Bewährung der Nordatlantischen Allianz in der Vergangenheit wie auch ihre Funktionsfähigkeit in der Zukunft auf der Mitwirkung der Vereinigten Staaten und ihrer Präsenz in Europa beruhen, aber auch auf dem Beitrag, den die europäischen Bündnispartner zur gemeinsamen Verteidigung leisten. Dieses Haus hat sich in vielen Anlässen und vielen Debatten zum Bündnis und zu seinen Zielen bekannt. Dies geschah im Bewußtsein, daß die deutsch-amerikanische Verbundenheit ein wichtiges, unverzichtbares Element der Stabilität im Bündnis ist und bleiben muß. ({2}) Mit Ihrem Besuch im Deutschen Bundestag setzen Sie, Herr Präsident, ganz persönlich ein Zeichen für die tiefgegründete und enge Verbundenheit und Freundschaft unserer beiden Völker. Die Freundschaft zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland bedeutet mehr als nur ein militärisches Zweckbündnis zur gemeinsamen Abwehr äußerer Gefahren. Unsere Beziehungen beruhen nicht nur auf der Wahrnehmung gemeinsamer Interessen, sondern auch auf der Übereinstimmung in grundlegenden Werten und Überzeugungen, die in einer breiten geistig-kulturellen Gemeinsamkeit ihre Wurzeln haben. ({3}) Uns verbindet das gemeinsame Bekenntnis zu den Prinzipien der Demokratie, der Herrschaft des Rechts, der Freiheit der Person und der Achtung vor der Menschenwürde sowie zu den universalen Menschenrechten, die in den Verfassungen unserer beiden Staaten fest verankert sind. ({4}) Diese Prinzipien sind die Fundamente der Partnerschaft und Freundschaft zwischen unseren Völkern, die in einem lebendigen Austausch in vielfältiger Gestalt ihren Ausdruck finden. Ich sehe es als unsere Aufgabe an, das Bewußtsein dieser Gemeinsamkeit der Amerikaner und Deutschen zu pflegen und zu vertiefen. Wir wollen, daß sich die deutsch-amerikanischen Beziehungen auch in Zukunft umfassend und vertrauensvoll weiterentwickeln. Zutiefst sind wir davon überzeugt, daß die dauerhafte Verbundenheit zwischen Amerikanern und Deutschen und darüber hinaus zwischen Amerikanern und Europäern eine wesentliche Voraussetzung für die Bewahrung von Frieden und Freiheit, aber auch für die Bewältigung der wirtschaftlichen und sozialen Probleme ist, denen nicht nur Europa und Amerika, sondern die ganze Welt gegenüberstehen. Sie werden, Herr Präsident, von hier aus auch einen Besuch in unserer alten Hauptstadt Berlin machen und auch dort sprechen. ({5}) Wir sind Ihnen, Herr Präsident, dafür besonders dankbar; denn Sie bestärken damit die Berliner und darüber hinaus uns alle im Westen in der Gewißheit, daß Ihr Land weiterhin den unbeugsamen Willen hat, dem freien Teil dieser Stadt auch in Zukunft einen Frieden in Freiheit zu gewährleisten. ({6}) Berlin ist der Ort, an dem die Teilung Deutschlands wie in einem Brennglas in aller Schärfe sichtbar wird. Die Teilung Deutschlands und die Teilung Berlins sind für uns ein nationales Unglück. Sie sind unnatürlich, und sie sind unmenschlich. ({7}) Daher bleiben wir entschlossen, beharrlich auf einen Zustand des Friedens in Europa hinzuwirken, in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wiedererlangt. ({8}) Sie haben, Herr Präsident, bei Ihrem Amtsantritt davon gesprochen, daß die Vereinigten Staaten von Amerika ein Leuchtfeuer der Hoffnung sein müßten. Dieses Wort hat auch für uns große Bedeutung. Es bringt überzeugend zum Ausdruck, was wir bei Ihrem Besuch in Deutschland empfinden. Meine Damen und Herren Abgeordneten des Deutschen Bundestages, es ist mir eine große Ehre, dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika das Wort zu erteilen. Ich bitte um die Ehre Ihres Wortes. Ronald Reagan, Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ({9}): Mr. President! Chancellor Schmidt! Members of the Bundestag! Distinguished Guests! Perhaps because I've just come from London, I have this urge to quote the great Dr. Johnson, who said, "the feeling of friendship is like that of being comfortably filled with roast beef". ({10}) Well, I feel very much filled with friendship this afternoon, and I bring you the warmest regards and goodwill of the American people. ({11}) I am very honored to speak to you today and thus to all the people of Germany. Next year we will jointly celebrate the 300th anniversary of the first German settlement in the American colonies. The 13 families who came to our new land were the forerunners of more than 7 million German Ronald Reagan, Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika immigrants to the United States. Today more Americans claim German ancestry than any other. These Germans cleared and cultivated our land, built our industries, and advanced our arts and sciences. In honor of 300 years of German contributions in America, President Carstens and I have agreed today that he will pay an official visit to the United States in October of 1983 to celebrate the occasion. ({12}) The German people have given us so much, we like to think that we've repaid some of that debt. Our American Revolution was the first revolution in modern history to be fought for the right of self-government and the guarantee of civil liberties. That spirit was contagious. In 1849 the Frankfurt Parlament's Statement Of Basic Human Rights guaranteed freedom of expression, freedom of religion, and equality before the law. And these principles live today in the Basic Law of the Federal Republic. Many peoples to the east still wait for such rights. ({13}) The Unites States is proud of your democracy, but we cannot take credit for it. Heinrich Heine, in speaking of those who built the awe-inspiring cathedrals of medieval times, said that "in those days people had convictions. We moderns have only opinions and it requires something more than opinions to build a gothic cathedral". Over the past 30 years, the convictions of the German people have built a cathedral of democracy - a great and glorious testament to your ideals. We in America genuinely admire the free society that you have built in only a few decades. And we understand all the better what you have accomplished, because of our own history. Americans speak with the deepest reverence of those founding fathers and first citizens who gave us the freedoms that we enjoy today. And even though they lived over 200 years ago, we carry them in our hearts as well as in our history books. I believe future generations of Germans will look to you here today and to your fellow Germans with the same profound respect and appreciation. You have built a free society with an abiding faith in human dignity - the crowning ideal of western civilization. This will not be forgotten. You will be saluted and honored by this republic's descendents over the centuries to come. Yesterday, before the British Parliament, I spoke of the values of western civilization and the necessity to help all peoples gain the institutions of freedom. In many ways, in many places, our ideals are being tested today. We are meeting this afternoon between two important summits, the gathering of leading industrial democracies at Versailles and the Assembling of the Atlantic Alliance here in Bonn tomorrow. Critical and complex problems face us. But our dilemmas will be made easier if we remember our partnership isbased on a common western heritage and a faith in democracy. ({14}) I believe this partnership of the Atlantic Alliance nations is motivated primarily by the search for peace, inner peace for our citizens and peace among nations. Why inner peace? Because democracy allows for self-expression. It respects man's dignity and creativity. It operates by rule of law, not by terror or coercion. It is government with the consent of the governed. As a result, citizens of the Atlantic Alliance enjoy an unprecedented level of material and spiritual well-being. And they are free to find their own personal peace. We also seek peace among nations. The psalmist said, "seek peace and pursue it". Well, our foreign policies are based on this principle and directed toward this end. The noblest objective of our diplomacy is the patient and difficult task of reconciling our adversaries to peace. And I know we all look forward to the day when the only industry of war will be the research of historians. But the simple hope for peace is not engough. We must remember something that Friedrich Schiller said: "The most pious man can't stay in peace if it doesnt't please his evil neighbor." ({15}) So there must be a method to our search, a method that recognizes the dangers and realities of the world. During Chancellor Schmidt's state visit to Washington last year, I said that your Republic was "perched on a cliff of freedom". I wasn't saying anything the German people did not already know. Living as you do in the heart of a divided Europe, you can see more clearly than others that there are governments at peace neither with their own peoples nor the world. I don't believe any reasonable observer can deny there is a threat to both peace and freedom today. It is as stark as the gash of a border that separates the German people. We are menaced by a power that openly condemns our values and answers our restraint with a relentless military build-up. ({16}) We cannot simply assume every nation wants the peace that we so earnestly desire. The Polish people would tell us there are those who would use military force to repress others who want only basic human rights. The freedom fighters of Afghanistan would tell us as well that the threat of aggression has not receded from the world. Without a strengthened atlantic security, the possibility of military coercion will be very great. We must continue to improve our defenses if we are to preserve peace and freedom. ({17}) - Is there an echo in here? ({18}) Ronald Reagan. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika But this preserving peace and freedom is not an impossible task; for almost 40 years, we have succeeded in deterring war. Our method has been to organize our defensive capabilities, both nuclear and conventional, so that an aggressor could have no hope of military victory. The alliance has carried its strength not as a battle flag, but as a banner of peace. ({19}) Deterrence has kept that peace, and we must continue to take the steps necessary to make deterrence credible. This depends in part on a strong America. A national effort, entailing sacrifices by the American people, is now underway to make long-overdue improvements in our military posture. The American people support this effort because they understand how fundamental it is to keeping the peace they so fervently desire. We also are resolved to maintain the presence of well-equipped and trained forces in Europe, and our strategic forces will be modernized and remain committed to the alliance. By these actions, the people of the United States are saying: "We are with you, Germany. You are not alone." ({20}) Our adversaries would be foolishly mistaken should they gamble that Americans would abandon their alliance responsibilities, no matter how severe the test. Alliance security depends on a fully credible conventional defense to which all allies contribute. There is a danger that any conflict could escalate to a nuclear war. Strong conventional forces can make the danger of conventional or nuclear conflict more remote. Reasonable strength in and of itself is not bad; it is honorable when used to maintain peace or defend deeply held beliefs. One of the first chores is to fulfill our commitments to each other by continuing to strengthen our conventional defenses. This must include improving the readiness of our standing forces and the ability of those forces to operate as one. We must also apply the west's technological genius to improving our conventional deterrence. There can be no doubt that we as an alliance have the means to improve our conventional defenses. Our peoples hold values of individual liberty and dignity that time and again they have proven willing to defend. Our economic energy vastly exceeds that of our adversaries. Our free system has produced technological advantages that other systems, with their stifling ideologies, cannot hope to equal. All of these resources are available to our defense. Yes, many of our nations currently are experiencing economic difficulties. Yet we must nevertheless guarantee that our security does not suffer as a result. We've made strides in conventional defense over the last few years despite our economic problems, and we have disproved the pessimists who contend that our efforts are futile. The more we close the conventional gap, the less the risks of aggression or nuclear conflict. The soil of Germany, and of every other ally, is of vital concern to each member of the alliance, and this fundamental commitment is embodied in the North Atlantic Treaty. But it will be an empty pledge unless we insure that American forces are ready to reinforce Europe and Europe is ready to receive them. ({21}) I am encouraged by the recent agreement on wartime host nation support. This pact strengthens our ability to deter aggression in Europe and demonstrates our common determination to respond to attack. Just as each ally shares fully in the security of the alliance, each is responsible for shouldering a fair share of the burden. Now that, of course, often leads to a difference of opinion, and criticism of our alliance is as old as the partnership itself. But voices have now been raised on both sides of the Atlantic that mistake the inevitable process of adjustment within the alliance for a dramatic divergence of interests. Some Americans think that Europeans are too little concerned for their own security; some would unilaterally reduce the number of American troops deployed in Europe. And in Europe itself, we hear the idea that the American presence, rather than contributing to peace, either has no deterrent value or actually increases the risk that our allies may be attacked. These arguments ignore both the history and the reality of the transatlantic coalition. Let me assure you that the American commitment to Europe remains steady and strong. Europe's shores are our shores. ({22}) Europe's borders are our borders. And we will stand with you in defense of our heritage of liberty and dignity. ({23}) The American people recognize Europe's substantial contributions to our joint security. Nowhere is that contribution more evident than here in the Federal Republic. German citizens host the forces of six nations. German soldiers and reservists provide the backbone of NATO's conventional deterrent in the heartland of Europe. Your Bundeswehr is a model for the integration of defense needs with a democratic way of life. And you have not shrunk from the heavy responsibility of accepting the nuclear forces necessary for deterrence. I ask your help in fulfilling another responsibility. Many American citizens don't believe that their counterparts in Europe - especially younger citizens - really understand the United States presence there. If you will work toward explaining the US role to people on this side of the Atlantic, I will explain it to those on the other side. ({24}) Ronald Reagan, Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika In recent months, both in your country and mine, there has been renewed public concern about the threat of nuclear war and the arms buildup. I know it is not easy, especially for the German people, to live in the gale of intimidation that blows from the east. If I might quote Heine again, he almost foretold the fears of nuclear war when he wrote, „wild, dark times are rumbling toward us, and the prophet who wishes to write a new apocalypse will have to invent entirely new beasts, and beasts so terrible that the ancient animal symbols ... will seem like cooing doves and cupids in comparison". The nucelar threat is a terrible beast. Perhaps the banner carried in one of the nuclear demonstrations here in Germany said it best. The sign read, "I am afraid". But I know of no western leader who doesn't sympathize with that earnest plea. To those who march for peace, my heart is with you. I would be at the head of your parade if I believed marching alone could bring about a more secure world. And to the 2.800 women in Filderstadt who sent a petition for peace to President Brezhnev and me, let me say I myself, would sign your petiton if I thought it could bring about harmony. I understand your genuine concerns. The women of Filderstadt and I share the same goal. ({25}) The question is how to proceed. We must think through the consequences of how we reduce the dangers to peace. Those who advocate that we unilaterally forego the modernization of our forces must prove that this will enhance our security and lead to moderation by the other side - in short, that it will advance, rather than undermine, the preservation of the peace. The weight of recent history does not support this notion. Those who demand that we renounce the use of a crucial element of our deterrent strategy must show how this would decrease the likelihood of war. It is only by comparison with a nuclear war that the suffering caused by conventional war seems a lesser evil. Our goal must be to deter war of any kind. ({26}) And those who decry the failure of arms control efforts to achieve substantial results must consider where the fault lies. I would remind them that it is the United States that has proposed to ban land-based intermediate-range nuclear missiles - the missiles most threatening to Europe. It is the United States that has proposed and will pursue deep cuts in strategic systems. It is the West that has long sought the detailed exchanges of information on forces and effective verification procedures. And it is dictatorships, not democracies, that need militarism to control their own people and impose their system on others. ({27}) To those who have taken a different viewpoint and who cannot see this danger I don't suggest that they are ignorant. It's just that they know so many things that are true. We in the West - Germans, Americans, our other allies - are deeply committed to continuing efforts to restrict the arms competition. Common sense demands that we persevere. I invite those who genuinely seek effective and lasting arms control to stand behind the far-reaching proposals that we have put forward. In return I pledge that we will sustain the closest of consultations with our allies. On November 18th, I outlined a broad and ambitious arms control program. One element calls for reducing land-based intermediate-range nuclear missiles to zero on each side. If carried out, it would eliminate the growing threat to Western Europe posed by the U.S.S.R.'s modern SS-20 Rockets, and it would make unnecessary the NATO decision to deploy American intermediate-range systems. And, by the way, I cannot understand why, among some, there is a greater fear of weapons NATO is to deploy than of weapons the Soviet Union already has deployed. ({28}) Our proposal is fair because it imposes equal limits and obligations on both sides and it calls for significant reductions, not merely a capping of an existing high level of destructive power. As you know, we have made this proposal in Geneva, where negotiations have been underway since the end of November last year. We intend to pursue those negotiations intensively. I regard them as a significant test of the Soviets' willingness to enter into meaningful arms control agreements. On May 9th, we proposed to the Soviet Union that Strategic Arms Reductions Talks begin this month in Geneva. The U.S.S.R. has agreed, and talks will begin on June 29th. ({29}) We in the United States want to focus on the most destabilizing systems, and thus reduce the risk of war. That is why in the first phase we propose to reduce substantially the number of ballistic missile warheads and the missiles themselves. In the second phase we will seek an equal ceiling on other elements of our strategic forces, including ballistic missile throw weight, at less than current American levels. We will handle cruise missiles and bombers in an equitable fashion. We will negotiate in good faith, and undertake these talks with the same seriousness of purpose that has marked our preparations over the last several months. Another element of the program I outlined was a call for reductions in conventional forces in Europe. From the earliest postwar years, the western democracies have faced the ominous reality that massive Soviet conventional forces would remain stationed where they do not belong. The muscle of Soviet forces in Central Europe far exceeds legitimate defense needs. ({30}) Their presence ist made more threatening still by a military doctrine that emphasizes mobility and Ronald Reagan, Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika surprise attack. And as history shows, these troops have built a legacy of intimidation and repression. In response, the NATO allies must show they have the will and capacity to deter any conventional attack or any attempt to intimidate us. Yet we also will continue the search for responsible ways to reduce NATO and Warsaw Pact military personnel to equal levels. In recent weeks, we in the alliance have consulted on how best to invigorate the Vienna negotiations on mutual and balanced force reductions. Based on these consultations, western representatives in the Vienna talks soon will make a proposal by which the two alliances would reduce their respective ground force personnel in verifiable stages to a total of 700.000 men and their combined ground and air force personnel to a level of 900.000 men. While the agreement would not eliminate the threat nor spare our citizens the task of maintaining a substantial defensive force, it could constitute a major step toward a safer Europe for both East and West. It could lead to military stability at lower levels and lessen the dangers of miscalculation and of surpriske attack. And it also would demonstrate the political will of the two alliances to enhance stability by limiting their forces in the central area of their military competition. The West has established a clear set of goals. We as an alliance will press forward with plans to improve our own conventional forces in Europe. At the same time, we propose an arms control agreement to equalize conventional forces at a significantly lower level. We will move ahead with our preparations to modernize our nuclear forces in Europe. But, again, we also will work unceasingly to gain acceptance in Geneva of our proposal to ban land-based intermediate-range nuclear missiles. In the United States, we will move forward with the plans I announced last year to modernize our strategic nuclear forces, which play so vital a role in maintaining peace by deterring war. Yet we also have proposed that Strategic Arms Reductions Talks begin, and we will pursue them determinedly. In each of these areas, our policies are based on the conviction that a stable military balance at the lowest possible level will help further the cause of peace. The other side will respond in good faith to these initiatives only if it believes we are resolved to provide for our own defense. ({31}) Unless convinced that we will unite and stay united behind these arms control initiatives and modernization programs, our adversaries will seek to divide us from one another and our peoples from their leaders. I am optimistic about our relationship with the Soviet Union if the western nations remain true to their values and true to each other. ({32}) I believe in western civilization and in its moral power. I believe deeply in the principles the West esteems. And guided by these ideals, I believe we can find a no-nonsense, workable, and lasting policy that will keep the peace. Earlier I said the German people had built a remarkable cathedral of democracy. But we still have other work ahead. We must build a cathedral of peace, where nations are safe from war and where people need not fear for their liberties. I've heard the history of the famous cathedral at Cologne - how those beautiful soaring spires miraculously survived the destruction all around them, including part of the church itself. Let us Bild a cathedral as the people of Cologne built theirs - with the deepest commitment and determination. Let us build as they did - not just for ourselves but for the generations beyond. For if we construct our peace properly, it will endure as long as the spires of Cologne. Thank you very much. ({33}) Übersetzung Ronald Reagan, Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ({34}): Herr Bundestagspräsident, Bundeskanzler Schmidt, Mitglieder des Hohen Hauses, verehrte Gäste! Vielleicht liegt es daran, daß ich eben aus London gekommen bin, daß mir ein Zitat des berühmten Dr. Johnson auf der Zunge liegt, der gesagt hat: „Das Gefühl der Freundschaft gleicht dem angenehmen Vollgefühl, das man nach dem Verspeisen eines guten Bratens empfindet." ({35}) Wie dem auch sei, ich bin heute nachmittag voller freundschaftlicher Gefühle hierhergekommen und darf Ihnen zunächst die sehr herzlichen Grüße und guten Wünsche des amerikanischen Volkes überbringen. ({36}) Es ist mir eine große Ehre, heute zu Ihnen und damit zu allen Deutschen sprechen zu dürfen. Im kommenden Jahr werden wir gemeinsam den 300. Jahrestag der ersten deutschen Ansiedlung in den amerikanischen Kolonien feiern. Jene 13 Familien, die in die Neue Welt aufbrachen, waren die Vorläufer von über sieben Millionen deutschen Einwanderern, und heute berufen sich mehr Amerikaner auf eine deutsche Abstammung als auf jede andere. Diese Deutschen rodeten und bepflanzten unser Land, erbauten unsere Industrien und bereicherten unsere Kunst und Wissenschaften. Um diesen deutRonald Reagan. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika schen Beiträgen über einen Zeitraum von 300 Jahren Ehre zu erweisen, sind Bundespräsident Carstens und ich heute übereingekommen, daß er zur Feier dieses Jubiläums im Oktober 1983 zu einem Staatsbesuch in die USA kommen wird. ({37}) Wir verdanken deutschen Menschen sehr viel. Vielleicht hat mein Land einen Teil dieser Schuld wieder abgetragen. Die amerikanische Revolution war die erste in der modernen Geschichte, die den Kampf um Selbstregierung und um die Garantie der Bürgerrechte zum Gegenstand hatte. Dieser Gedanke war ansteckend. Die vom Frankfurter Parlament 1849 verkündeten grundlegenden Bürgerrechte garantierten Rede- und Religionsfreiheit und die Gleichheit vor dem Gesetz. Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland leben diese Prinzipien weiter. Viele Völker im Osten warten auch heute noch auf diese Rechte. ({38}) Die Vereinigten Staaten sind stolz auf die deutsche Demokratie - aber sie ist nicht unsere Schöpfung. Als Heinrich Heine von den Menschen sprach, die im Mittelalter die ehrfurchtheischenden Dome und Kathedralen gebaut haben, sagte er: „Die Menschen in jener alten Zeit hatten Überzeugungen. Wir Neueren haben nur Meinungen, und es gehört mehr als eine bloße Meinung dazu, um so einen gotischen Dom aufzurichten." Im Verlauf der letzten 30 Jahre haben die Überzeugungen des deutschen Volkes einen Dom der Demokratie aufgerichtet - ein großes und rühmliches Denkmal der Ideale Ihres Volkes. Wir Amerikaner betrachten die freie Gesellschaft, die Sie in so wenigen Jahrzehnten aufgebaut haben, mit echter Bewunderung. Unsere eigene Geschichte läßt uns um so besser verstehen, was Sie hier geleistet haben. Wir Amerikaner sprechen mit tiefster Ehrfurcht von unseren Gründervätern und ersten Bürgern, denen wir die Freiheiten verdanken, welche wir heute genießen. Und obwohl deren Schaffen mehr als 200 Jahre zurückliegt, tragen wir sie in unseren Herzen, nicht nur in unseren Geschichtsbüchern. Ich glaube, kommende deutsche Generationen werden einmal auf Sie, die Deutschen der Gegenwart, und auf Ihre Mitbürger mit derselben tiefen Ehrfurcht und Anerkennung zurückblicken. Sie haben eine freie Gesellschaft geschaffen, die auf das Herzstück der Ideale der westlichen Zivilisation gegründet ist: den unerschütterlichen Glauben an die Würde des Menschen. Das wird man Ihnen nie vergessen. Die Nachfolgegenerationen dieser Republik werden Ihnen noch in kommenden Jahrhunderten dafür Ehre und Bewunderung zollen. Gestern sprach ich vor dem britischen Parlament über die Grundwerte der westlichen Zivilisation und über die Notwendigkeit, allen Völkern zu helfen, in den Besitz der Institutionen der Freiheit zu kommen. Auf viele Weise und an vielen Orten werden unsere Ideale auf die Probe gestellt. Wir stehen heute nachmittag zwischen zwei wichtigen Gipfeltreffen - der Konferenz der führenden demokratischen Industrieländer in Versailles und der morgigen Zusammenkunft des Atlantischen Bündnisses hier in Bonn. Wir stehen vor kritischen und komplizierten Problemen. Wir werden uns aber mit jedem Dilemma leichter auseinandersetzen können, wenn wir uns daran erinnern, daß unsere Partnerschaft auf derselben gemeinsamen westlichen Tradition basiert, nämlich daß die Demokratie die beste Hoffnung für die Zukunft darstellt. ({39}) Als Triebfeder für die Gemeinsamkeit des Atlantischen Bildnisses sehe ich die Suche nach dem Frieden, innerem Frieden für unsere Bürger und Frieden zwischen den Nationen. Warum innerer Frieden? Weil die Demokratie die Selbstentfaltung erlaubt; weil sie die Würde und die Kreativität des Einzelmenschen respektiert; weil in der Demokratie nach dem Recht gehandelt wird, nicht auf Grund von Terror und Unterdrückung; weil sie Regierung mit Zustimmung der Regierten bedeutet. Dies alles ist der Grund, warum die Bürger des Atlantischen Bündnisses ein vormals unerreichtes Maß an materiellem und geistigem Wohlstand genießen. Und es steht ihnen frei, ihren eigenen Weg zum persönlichen Frieden zu finden. Es ist aber auch der Weg zum Frieden zwischen den Nationen, den wir suchen. Es steht in den Psalmen: „Suche den Frieden, jage nach ihm." Auf dieses Prinzip und auf diese Zielsetzung ist unsere Außenpolitik gegründet. Das vornehmste Ziel unserer diplomatischen Arbeit ist die schwierige und Geduld erfordernde Aufgabe, unsere Gegner auf den Pfad des Friedens zu bringen. Und sicherlich würden alle von uns den Tag begrüßen, an dem als letzte Kriegsindustrie nur noch die Forschungsarbeit der Historiker zu verzeichnen ist. Aber nur einfach auf den Frieden hoffen, genügt nicht. Wir sollten uns an Friedrich Schillers Worte erinnern: Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. ({40}) Unserer Friedenssuche muß ein Verfahren zugrunde liegen, ein Verfahren, das die Gefahren und Wirklichkeiten dieser Welt berücksichtigt. Als Bundeskanzler Schmidt letztes Jahr zu einem Staatsbesuch in Washington war, habe ich gesagt, Ihre Republik stehe auf einer Klippe der Freiheit. Damit habe ich dem deutschen Volke nichts Neues erzählt. Wer, wie Sie, im Herzen des geteilten Europa lebt, sieht deutlicher als andere, daß es Regierungen gibt, die sich weder mit dem eigenen Volk noch mit der übrigen Welt im Zustand des Friedens befinden. Ich kann mir nicht vorstellen, daß irgendein rational denkender Beobachter bestreiten würde, daß sowohl der Frieden als auch die Freiheit heute bedroht sind. Dies ist so unmißverständlich sichtbar wie die Schnittwunde der Grenze, die das deutsche Volk teilt. Wir werden von einer Macht bedroht, die öffentlich unsere Wertvorstellungen verhöhnt und unsere Zurückhaltung damit beantwortet, daß sie un6378 Ronald Reagan, Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika gezügelt ihre militärische Stärke immer weiter ausbaut. ({41}) Wir dürfen nicht simplistisch annehmen, daß jede andere Nation den Frieden wünscht, den wir so dringlich ersehnen. Das polnische Volk kann uns ein Lied von jenen singen, die andere mit militärischer Gewalt unterdrücken, nur weil sie menschliche Grundrechte anstreben. Desgleichen können uns die afghanischen Freiheitskämpfer bestätigen, daß Bedrohung durch Aggression noch nicht aus dieser Welt geschafft wurde. Die Gefahr militärischer Erpressung wäre sehr groß, wenn die atlantische Sicherheit nicht verstärkt wird. Wir müssen unsere Verteidigung verstärken, wenn wir den Frieden und die Freiheit erhalten wollen. ({42}) - Gibt es ein Echo in diesem Saal? ({43}) Diese Erhaltung von Frieden und Freiheit ist keine unmögliche Aufgabe; fast 40 Jahre lang hat unsere Abschreckung den Krieg verhindert. Auf dem nuklearen wie auf dem konventionellen Sektor haben wir unser Verteidigungspotential auf solche Weise geordnet, daß für einen möglichen Aggressor keine Hoffnung auf einen militärischen Sieg bestand. Das Bündnis hat seine Stärke nicht als Kriegsflagge, sondern als Friedensbanner getragen. ({44}) Die Abschreckung hat den Frieden erhalten. Deshalb müssen wir weiterhin diejenigen Schritte unternehmen, die getan werden müssen, um die Abschreckung glaubhaft zu machen. Dies hängt zum Teil von einem starken Amerika ab. Mein Land bemüht sich gegenwärtig, längst überfällige Verbesserungen unserer militärischen Fähigkeiten vorzunehmen, die unseren Bürgern Opfer abverlangen. Der amerikanische Bürger unterstützt diese Initiative, weil er weiß, wie fundamental wichtig sie ist, um den Frieden, den er aus allen Kräften will, zu erhalten. Wir sind auch entschlossen, die Präsenz gut ausgerüsteter und ausgebildeter Truppen in Europa zu erhalten, unsere strategischen Streitkräfte zu modernisieren und sie dem Bündnis zugeordnet zu lassen. Durch diese Handlungen sendet Ihnen das amerikanische Volk eine Botschaft: „Deutschland, wir stehen auf deiner Seite! Du stehst nicht allein!" ({45}) Unsere Gegner würden einen schrecklichen Fehler machen, es je darauf ankommen zu lassen, daß wir Amerikaner unsere Bündnisverpflichtungen nicht einhalten würden, ganz gleich wie schwer die Probe ist, auf die wir gestellt werden. Die Sicherheit der Allianz stützt sich auf eine völlig glaubhafte konventionelle Verteidigung, zu der alle Verbündeten beitragen. Es besteht bei jedem Konflikt die Gefahr, daß er sich zu einem Kernwaffenkrieg ausweiten könnte. Starke konventionelle Streitkräfte können die Gefahr einer Auseinandersetzung mit konventionellen oder nuklearen Waffen weniger wahrscheinlich machen. Stärke in vernünftigen Maßen ist nichts Böses an sich. Im Gegenteil, solche Stärke ist ehrenhaft, wenn sie der Erhaltung des Friedens oder der Verteidigung der tiefsten Überzeugungen dient. Daher liegt eine der ersten Aufgaben zur Erfüllung unserer gegenseitigen Verpflichtungen darin, mit der Stärkung unserer konventionellen Verteidigung fortzufahren. Dazu muß die Verbesserung der Bereitschaft unserer stehenden Kräfte sowie auch die Fähigkeit dieser Kräfte, als gemeinsames Ganzes eingesetzt zu werden, gehören. Auch das technische Genie des Westens muß zur Verbesserung unserer konventionellen Abschreckung eingesetzt werden. Es gibt keinen Zweifel daran, daß unser Bündnis über die Mittel verfügt, unsere konventionelle Verteidigung zu verbessern. Immer wieder haben unsere Völker bewiesen, daß sie willens sind, das ihnen eigene Gut der persönlichen Freiheit und der Menschenwürde zu verteidigen. Die Dynamik unserer Wirtschaft ist der unserer Gegner bei weitem überlegen. Unsere freie Wirtschaft hat technologische Vorteile erarbeitet, denen andere Systeme in ideologischen Zwangsjacken nie etwas Gleiches entgegensetzen können. Alle diese Ressourcen können für unsere Verteidigung eingesetzt werden. Es stimmt, daß viele unserer Nationen gegenwärtig in wirtschaftlichen Schwierigkeiten stecken. Trotzdem müssen wir sicherstellen, daß unsere Sicherheit nicht darunter leidet. Obwohl wir wirtschaftliche Probleme hatten, haben wir auf dem Gebiet der konventionellen Verteidigung in den letzten Jahren Fortschritte gemacht und die Pessimisten, die unsere Anstrengung für nutzlos halten, eines Besseren belehrt. Mit jedem Schritt zur Ausfüllung der konventionellen Lücke verringert sich das Risiko von Aggression oder Nuklearkonflikt. Der Boden Deutschlands, der Boden aller Verbündeten sind ein Hauptanliegen für alle Mitglieder der Allianz, und diese fundamentale Verpflichtung ist im Nordatlantikvertrag niedergelegt. Dieser Verpflichtung können wir aber nicht nachkommen, ohne sicherzustellen, daß amerikanische Streitkräfte zur Verstärkung Europas bereitstehen und daß Europa bereit ist, sie in Empfang zu nehmen. ({46}) Deswegen begrüße ich das vor kurzem mit der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossene Abkommen über Unterstützung durch den Aufnahmestaat in Krise oder Krieg. Dieses Abkommen stärkt unsere Fähigkeit zur Aggressionsabschreckung in Europa und bezeugt, daß wir gemeinsam entschlossen sind, einem Angriff zu begegnen. Da jedem Bündnispartner der volle Schutz durch das Bündnis zusteht, ist auch jeder dafür verantRonald Reagan, Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika wortlich, einen angemessenen Teil der Lasten zu tragen. Da gibt es nun natürlich des öfteren Meinungsverschiedenheiten, und Kritik am Bündnis ist so alt wie das Bündnis selbst. Auf beiden Seiten des Atlantik hören wir jetzt aber Stimmen, die den unvermeidbaren Prozeß der Anpassung innerhalb des Bündnisses mit einer dramatischen Veränderung der Interessenlage verwechseln. Einige Amerikaner glauben, die Europäer kümmern sich nicht genug um ihre eigene Sicherheit; einige wollen die Anzahl der in Europa stehenden amerikanischen Truppen einseitig reduzieren. Und in Europa selber hören wir den Gedanken geäußert, die amerikanische Präsenz sei kein Beitrag zur Friedenssicherung; im Gegenteil, sie hätte keinen Abschreckungswert oder würde sogar das Risiko eines Angriffs auf unsere Bündnispartner verschärfen. Solche Argumente verkennen die geschichtliche Entwicklung und die Realität der transatlantischen Koalition. Die amerikanische Verpflichtung gegenüber Europa - das versichere ich Ihnen - bleibt verläßlich und stark. Die Küsten Europas sind unsere Küsten. ({47}) Die Grenzen Europas sind unsre Grenzen. Und wir werden Ihnen bei der Verteidigung der uns überlieferten Freiheit und der Menschenwürde zur Seite stehen. ({48}) Das amerikanische Volk ist sich der erheblichen Beiträge Europas für unsere gemeinsame Sicherheit bewußt. Nirgends kann man diesen Beitrag klarer sehen als hier in der Bundesrepublik. Bei deutschen Bürgern sind die Streitkräfte von sechs Nationen zu Gast. Deutsche Soldaten und Reservisten bilden das Rückgrat der konventionellen Abschrekkung der NATO im Herzen Europas. Die Bundeswehr ist ein Modell für die Verschmelzung von militärischen Notwendigkeiten mit einem demokratischen Lebensstil. Und Sie sind nicht der schweren Verantwortung ausgewichen, die für die Abschrekkung notwendigen Kernwaffen bei sich aufzunehmen. Es gilt, eine andere Aufgabe zu bewältigen, bei der ich um Ihre Hilfe bitte. Viele amerikanische Bürger sind der Meinung, daß manche Europäer - insbesondere junge Europäer - nicht richtig verstehen, warum wir Amerikaner in Europa stehen. Wenn Sie mithelfen können, den Menschen auf dieser Seite des Atlantiks die amerikanische Rolle klarzumachen, werde ich auf unserer Seite das Gleiche tun. ({49}) In Ihrem Lande wie auch in meinem haben wir in den letzten Monaten erneut öffentliche Bezeugungen der Besorgnis über die Gefahr eines Atomkrieges und über den Ausbau der Waffenarsenale gesehen. Ich weiß, daß für die deutschen Menschen das Leben nicht einfach ist, wenn vom Osten her ein Sturm der Einschüchterung bläst. Gestatten Sie mir, Heine noch einmal zu zitieren. Er hat fast die Angst vor dem Atomkrieg vorausgesehen, als er schrieb: Wilde und düstere Geiten Bronnen heran. Und der Prophet, der eine neue Apokalypse schreiben wollte, müßte ganz neue Bestien erfinden, und zwar so erschreckliche, daß die älteren Johanneischen Tiersymbole dagegen nur sanfte Täubchen und Amoretten wären. Die atomare Bedrohung ist eine schreckliche Bestie. Vielleicht hat es ein Banner bei einer Demonstration gegen Kernwaffen hier in Deutschland am besten ausgedrückt. Darauf stand: „Ich habe Angst!" Ich kenne niemand in führender Rolle im Westen, der für diese ernste Mahnung kein Verständnis hat. Auch ich fühle mich jenen verbunden, die für den Frieden marschieren. Wäre ich überzeugt, daß Marschieren allein eine sicherere Welt herbeiführen könnte, würde ich sogar die Parade anführen. Und ich möchte auch den 2 800 Frauen von Filderstadt, die einen Friedensappell an Präsident Breschnew und an mich gesandt haben, versichern, daß ich diesen Appell gern unterzeichnen würde, wenn ich glauben könnte, daß man damit Übereinstimmung herbeiführen könnte. Ihr Anliegen verstehe ich durchaus. Die Frauen von Filderstadt und ich streben das gleiche Ziel an. ({50}) Die Frage ist nur, wie man es am besten erreicht. Wir müssen die Konsequenzen der Methoden überdenken, mit denen wir die Gefährdung des Friedens eindämmen wollen: Diejenigen, die vorschlagen, daß wir einseitig auf die Nachrüstung verzichten sollen, werden beweisen müssen, daß dieser Schritt unsere Sicherheit erhöht und zur Mäßigung auf der anderen Seite führt, kurz gesagt: daß er die Friedenssicherung fördert, statt sie zu untergraben. Die Ereignisse der jüngsten Geschichte stellen diese Auffassung in Frage. Diejenigen, die verlangen, daß wir auf die Verwendung eines bedeutsamen Elements unserer Abschreckungsstrategie verzichten sollen, werden beweisen müssen, wie dies die Kriegsgefahr vemindern würde. Nur im Vergleich zu einem Nuklearkrieg sind die durch einen konventionellen Krieg hervorgerufenen Leiden das kleinere Übel. Unser Ziel muß es sein, von jeder Art von Krieg abzuschrecken. ({51}) Diejenigen, die sich darüber beklagen, daß die Bemühungen zur Rüstungskontrolle bisher keine wesentlichen Ergebnisse gebracht haben, müssen in Erwägung ziehen, wo die Schuld dafür zu suchen ist. Ich möchte daran erinnern, daß es die Vereinigten Staaten waren, die ein Verbot der bodengestützten INF-Waffen vorgeschlagen haben, und es sind diese nuklearen Mittelstreckenraketen, die Europa am meisten bedrohen. Es war ein Vorschlag der Vereinigten Staaten, den wir weiterverfolgen werden, drastische Kürzungen in den strategischen Systemen vorzunehmen. Es war der Westen, der seit langem detaillierte Informationsaustausche über Streitkräfte und wirksame Nachprüfmethoden zu erreichen versucht hat. Und es sind die Diktaturen, nicht die demokratischen Staaten, die den Militarismus Ronald Reagan, Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika brauchen, um ihre eigenen Menschen im Griff zu halten und um anderen ihr System aufzuzwingen. ({52}) Von jenen, die einen anderen Standpunkt haben und die diese Gefahr nicht sehen, nehme ich nicht an, daß sie unwissend sind; sie wissen einfach zu viele Dinge, die stimmen. Wir im Westen - Deutsche, Amerikaner, unsere anderen Verbündeten - sind ernsthaft bestrebt, unsere Bemühungen zur Beschränkung des Wettrüstens weiter zu verfolgen. Der gesunde Menschenverstand gebietet uns, nicht aufzugeben. Ich fordere diejenigen auf, die ernsthaft um wirksame und dauerhafte Rüstungskontrolle bemüht sind, sich hinter die weitreichenden Vorschläge zu stellen, welche wir vorgelegt haben. Meinerseits verspreche ich, daß wir mit unseren Verbündeten hierüber weiterhin die engsten Konsultationen unterhalten werden. Am 18. November habe ich ein umfassendes zielstrebiges Programm für Rüstungskontrolle dargelegt. Darin wird die beiderseitige Reduzierung der bodengestützten INF-Waffen auf Null vorgeschlagen. Wird dies in die Tat umgesetzt, würde die wachsende Bedrohung Westeuropas durch die modernen sowjetischen SS-20-Raketen beseitigt werden und der NATO-Doppelbeschluß über die Aufstellung amerikanischer INF-Systeme wäre nicht mehr notwendig. Mir ist es, nebenbei gesagt, unverständlich, warum einige Leute vor den Waffen, deren Aufstellung die NATO plant, größere Angst haben als vor den Waffen, die die Sowjetunion schon stehen hat. ({53}) Unser Vorschlag ist fair, weil er beiden Seiten die gleichen Beschränkungen und Verpflichtungen auferlegt und weil er wesentliche Reduzierungen vorschreibt und nicht nur für ein schon bestehendes hohes Maß an Vernichtungspotential Obergrenzen setzt. Wie Sie wissen, haben wir diesen Vorschlag in Genf gemacht, wo wir seit dem November vorigen Jahres verhandeln. Wir beabsichtigen, diese Verhandlungen intensiv weiterzuverfolgen. Ich betrachte sie als einen wichtigen Prüfstein für die Bereitschaft der Sowjets zum Abschluß von wesentlichen Rüstungskontrollabkommen. Wir haben der Sowjetunion am 9. Mai vorgeschlagen, in Genf in diesem Monat mit den START-Gesprächen über die Reduzierung von strategischen Waffen zu beginnen. Die UdSSR hat zugestimmt, und die Gespräche werden am 29. Juni eröffnet. ({54}) Die Vereinigten Staaten beabsichtigen, sich besonders auf diejenigen Systeme zu konzentrieren, die am meisten destabilisierend wirken, um dadurch das Kriegsrisiko zu mindern. Aus diesem Grund schlagen wir für die erste Phase vor, die Anzahl der Gefechtsköpfe für ballistische Flugkörper sowie die Raketen selber um ein Wesentliches zu verringern. In der zweiten Phase suchen wir eine beiderseitig gleiche Begrenzung bei anderen Elementen unserer strategischen Kräfte, einschließlich des Wurfgewichts ballistischer Raketen, die unter dem gegenwärtigen amerikanischen Bestand liegen. Cruise missiles und Bombenflugzeuge werden von uns auf ausgewogene Weise behandelt werden. Wir werden mit gutem Willen verhandeln und an diese Gespräche mit demselben Ernst und derselben Zielstrebigkeit herangehen, wie wir dies schon bei der mehrere Monate andauernden Vorbereitungsphase gezeigt haben. Ein weiteres Element in dem von mir dargelegten Programm ist die Aufforderung, die konventionellen Streitkräfte in Europa zu reduzieren. Schon seit den frühesten Nachkriegsjahren haben sich die westlichen Demokratien mit der nichts Gutes verheißenden Realität auseinandersetzen müssen, daß massive sowjetische konventionelle Truppenkontingente immer noch dort stationiert bleiben, wo sie nicht hingehören. Die Stärke der sowjetischen Truppen in Mitteleuropa geht weit über legitime Verteidigungsinteressen hinaus. ({55}) Ihre Anwesenheit ist um so bedrohlicher, weil sich die sowjetische Militärdoktrin stark auf Mobilität und Überraschungsangriffe stützt. Diese Truppen haben sich, wie man an der Geschichte ablesen kann, als Werkzeug für Einschüchterung und Unterdrückung einen Namen gemacht. Um dem zu entgehen, müssen die NATO-Verbündeten zeigen, daß sie den Willen und die Fähigkeit besitzen, einen konventionellen Angriff oder Einschüchterungsversuch abzuschrecken. Wir werden aber auch weiterhin nach vertretbaren Wegen suchen, die Zahl des Militärpersonals bei der NATO und beim Warschauer Pakt auf gleiche Stärken zu reduzieren. In den letzten Wochen wurden in unserem Bündnis Beratungen geführt, wie die Wiener Verhandlungen über gegenseitige und ausgewogene Truppenreduzierungen wieder am besten stimuliert werden können. Als Ergebnis dieser Beratungen werden die westlichen Vertreter bei den Wiener Gesprächen demnächst einen Vorschlag einbringen, wonach die beiden Bündnisse - beiderseitig - ihre Landstreitkräfte in nachprüfbaren Phasen auf eine Gesamtstärke von 700 000 und die Kombination von Landtruppen und Luftwaffenpersonal auf 900 000 Mann senken würden. Wenn ein solches Abkommen die Bedrohung auch nicht aus der Welt schaffen und unseren Bürgern nicht die Last abnehmen würde, eine umfangreiche Streitkraft zu erhalten, würde es doch ein größerer Schritt hin auf ein sicheres Europa - im Osten wie im Westen - sein. Es könnte zu militärischer Stabilität auf niedrigeren Ebenen führen und die Gefahren von Fehleinschätzungen und Überraschungsangriffen mindern. Auch wäre es ein Zeichen für den politischen Willen beider Bündnisse, durch die Beschränkung ihrer Streitkräfte im Zentralgebiet der militärischen Konkurrenz die Stabilität zu fördern. Der Westen hat eine Reihe von klaren Zielen gesetzt. Wir im Bündnis werden unsere Pläne vorantreiben, unsere konventionellen Streitkräfte in Europa zu verbessern. Gleichzeitig schlagen wir ein Rüstungskontrollabkommen vor, das die konventionellen Kräfte auf einer wesentlich niedrigeren Ebene gleichstellen würde. Ronald Reagan. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika Wir werden mit unseren Vorbereitungen fortfahren, die nuklearen Streitkräfte in Europa zu modernisieren. Aber auch hier werden wir nicht aufhören, daran weiterzuarbeiten, die andere Seite in Genf zur Annahme unseres Vorschlags über das Verbot bodengestützter INF-Raketen zu bewegen. In den Vereinigten Staaten bewegen wir uns mit den von mir im letzten Jahr angekündigten Plänen vorwärts, unsere strategischen Nuklearstreitkräfte zu modernisieren, die bei der Friedenssicherung und Kriegsabschreckung eine wichtige Rolle spielen. Auch auf diesem Gebiet haben wir die Aufnahme der START-Gespräche angeregt, und wir werden diese Gespräche mit Entschlossenheit führen und verfolgen. Auf jedem dieser Gebiete basiert unsere Politik auf der Überzeugung, daß ein stabiles militärisches Gleichgewicht auf der niedrigstmöglichen Ebene der Sache des Friedens dienlich ist. Die andere Seite wird auf diese Initiativen nur dann ernsthaft eingehen, wenn sie glaubt, daß wir entschlossen sind, für unsere eigene Verteidigung zu sorgen. ({56}) Wenn unsere Gegner nicht davon überzeugt sind, daß wir uns zusammenschließen werden und daß wir weiterhin hinter diesen Initiativen geschlossen stehenbleiben können, werden sie versuchen, uns voneinander und unsere Völker von ihren Regierungen zu trennen. Ich bleibe optimistisch über unsere Beziehungen zur Sowjetunion, solange die westlichen Nationen ihren Werten treu bleiben und die Treue zueinander nicht verlieren. ({57}) Ich glaube an die westliche Zivilisation und an ihre moralische Kraft. Ich glaube zutiefst an die Ideale, denen der Westen verschrieben ist. Und wenn wir uns von diesen Idealen leiten lassen, glaube ich, daß wir eine geradlinige, durchführbare und dauerhafte Politik finden können, welche uns den Frieden erhält. Ich habe gesagt, das deutsche Volk habe einen bewundernswerten Dom der Demokratie aufgerichtet. Aber ein weiteres Bauwerk steht uns noch bevor. Wir müssen einen Dom des Friedens bauen, wo Nationen den Krieg und Menschen den Verlust ihrer Rechte nicht zu fürchten brauchen. Ich habe von der Geschichte des berühmten Kölner Doms gehört, wie seine herrlichen, aufstrebenden Türme wie ein Wunder die Zerstörung ringsumher und die Beschädigung der Kirche selber überdauert haben. Laßt uns wie die Kölner einen solchen Dom bauen - aus tiefster Überzeugung und mit Entschlossenheit. Laßt ihn uns bauen wie sie es taten - nicht nur für uns, sondern für die kommenden Generationen. Denn wenn wir beim Bau des Friedens richtig vorangehen, wird er genauso dauerhaft sein wie die Türme von Köln. - Ich danke Ihnen vielmals. ({58})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Präsident, der Beifall des Hauses zeigt, wie sehr Ihre Worte verstanden wurden und auch Anerkennung gefunden haben. Sie haben unsere gemeinsamen politischen Ziele dargestellt und für die Bundesrepublik Deutschland und das deutsche Volk herzliche und freundschaftliche Worte der Verbundenheit gefunden. ({0}) Herr Präsident, es war eine großartige Rede für den Frieden und für die Freiheit aller Menschen in der Welt. ({1}) Ich danke Ihnen dafür, daß Sie nach Deutschland gekommen sind, daß Sie den Deutschen Bundestag aufgesucht und ihm die Ehre Ihres Wortes erwiesen haben. In Ihrem Besuch, Herr Präsident, sehe ich einen Markstein auf unserem gemeinsamen Weg, der die Vereinigten Staaten von Amerika und die Bundesrepublik Deutschland zu noch besserer Zusammenarbeit, zu noch mehr Einvernehmen und zu noch festerer Freundschaft führen möge. Sie haben anstrengende Tage hinter sich und noch vor sich. Ich wünsche Ihnen und Ihrer Begleitung und vor allen Dingen auch Ihrer verehrten Gattin ({2}) trotz aller Anstrengungen einen angenehmen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Sie waren bei Freunden, und wir wissen, daß Sie unser Freund sind. - Ich danke Ihnen. ({3})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Meine Damen und Herren, wir setzen die unterbrochene Sitzung fort: Beratung des Tagesordnungspunktes 8, Erhaltung der nationalen Filmförderung, fort. Ich erteile erneut der Frau Abgeordneten Dr. Martiny-Glotz das Wort.

Dr. Anke Riedel-Martiny (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001428, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem sich nun allmählich das Interesse an der Filmförderung auf das Normalmaß reduziert, kann ich auch noch das vortragen, was ich mir zusätzlich aufgeschrieben hatte. Das Hauptbemühen von einigen anderen Kollegen aus der CDU/CSU, der FDP, der SPD und des Europäischen Parlamentes war in den letzten Monaten darauf gerichtet, die Klage abzuwenden und Verbündete in der Öffentlichkeit zu gewinnen, die sich wirklich für dieses Thema interessieren. Wer interessiert sich schließlich schon für etwa 30 Millionen DM, die alljährlich bei der Filmförderungsanstalt zu verteilen sind? Es ist uns gelungen, dieses öffentliche Interesse nicht nur seitens der Abgeordneten, sondern beispielsweise auch durch die Filmförderungsanstalt und durch die Medien zu mobilisieren. Die Stimmen zur Haltung der Kommission in Brüssel waren dabei ziemlich kritisch. Ich möchte aus dem Geschäftsbericht der Filmförderungsanstalt des Jahres 1981 zitieren, wo es heißt: Nach Auffassung der Filmförderungsanstalt hat die Brüsseler Kommission nicht erkannt, daß in Europa allein der Film in seiner nationalen Ausprägung Erfolge im In- und Ausland verbürgt.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Verzeihen sie, Frau Abgeordnete. - Meine Damen und Herren, ich bitte doch darum, Platz zu nehmen oder die Gespräche draußen fortzusetzen. Bitte sehr, fahren Sie fort.

Dr. Anke Riedel-Martiny (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001428, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

In dieser Stellungnahme wird auch ausdrücklich auf die - ich zitiere - „auch nach dem EWG-Vertrag bestehenden Vorbehaltsrechte im kulturellen Bereich und betreffend den ordre public" hingewiesen. Die Filmförderungsanstalt hofft, daß die Brüsseler Kommission insoweit ihre Grenzen erkennt. Dies schließt unmittelbar an die Bundestagsentschließung von 1979 an, die wir hier ohne Gegenstimmen gefaßt haben, in der es unter Punkt 1 wörtlich heißt: „Ein europäischer Film besteht auf absehbare Zeit aus den einzelnen nationalen Filmen. Der nationale Film bedarf vor allem im Hinblick auf den Drittlandwettbewerb dringend des Schutzes". Auf diese besondere Schutzbedürftigkeit verweisen auch zahllose Presseartikel und Briefe, Seminare und Stellungnahmen einzelner Verbände, von denen in der Zwischenzeit zu lesen war. Stellvertretend für alle möchte ich ein Zitat aus einer Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft neuer deutscher Spielfilmproduzenten vom 26. Mai 1982 in die Debatte einführen. Da heißt es: Es ist in der Filmgeschichte immer entscheidend gewesen, in welchem Kulturkreis, in welcher Art des Filmemachens, in welcher Art der Entwicklung von Filmstoffen und Projekten und ihrer Realisierung jemand aufgewachsen ist. Dies sind die Eigenschaften, die Identität und Authentizität schaffen, von denen das Publikum sich nicht betrogen fühlt. Dem kann man nur zustimmen. Der europäische Film wird es in den kommenden Jahren angesichts der neuen Medien, der Videotechnik und der immer erdrückender werdenden amerikanischen Wirtschaftskraft auf diesem Gebiet schwer genug haben. Deswegen unterstützen wir Sozialdemokraten ausdrücklich die politische Absicht des vorliegenden Antrages, der Ministerrat möge sich mit der Problematik der wirtschaftlichen Filmförderung in Europa befassen und alles tun, um die kulturelle Identität der kulturellen Ware Film in ihrer nationalen Ausprägung zu erhalten. Wir bekräftigen unseren in der Entschließung von 1979 geäußerten Wunsch nach einer EG-Richtlinie. Ich gehe davon aus, daß sich unsere Regierung an der Erarbeitung nach Kräften beteiligen wird. Wir Parlamentarier werden sie dabei unterstützen. 1986 müßte unser geltendes Gesetz ohnehin novelliert sein. Die dafür notwendige Arbeit wollen wir Parlamentarier gern gleich in die Umsetzung einer EG-Richtlinie einbringen. Das Kulturgut „deutscher Film" bedarf auch weiterhin unserer Hilfe. Wir werden sie leisten. - Vielen Dank. ({0})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wolfgramm.

Torsten Wolfgramm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002557, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da die beiden Spiegel vor diesem Rednerpult doch irritierend sind, zumal, wenn man sie nicht in der Weise nutzen kann, wie sie vorhin vom amerikanischen Präsidenten sinnvoll und richtig zum Ablesen seiner Rede genutzt worden sind möchte ich die Rede hier vom Platz aus halten. ({0}) - Ich habe mich auf diese Spiegel bezogen, lieber Kollege Daweke. Sie sollten nachher, wenn die Sitzung geschlossen ist, prüfen, wie sich das macht. Da ich wohl auch kein Geheimnis verrate, wenn ich sage, daß das die letzte Rede ist - danach werden wir schließen, haben die Geschäftsführer überlegt; dem hat sich das Präsidium angeschlossen -, möchte ich das kurz machen. Wir alle sind von dem Ereignis vorhin noch beeindruckt und wollen uns dem Tagesordnungspunkt „Filmförderung" nicht mehr in Länge und Breite widmen. Ich möchte für die FDP festhalten, daß wir uns gegen das EG-Vorgehen wehren, hier ein Verfahren Vertragsverletzung einzuleiten bzw. fortzuführen. Ein solches Verfahren führt zu einer Nivellierung wie beide Vorredner mit Recht festgestellt haben - einer Nivellierung, einer Gleichmacherei, die wir gerade im kulturellen Bereich nicht haben wollen. ({1}) Wir wollen sie nicht im kulturellen Bereich, wir wollen sie nicht im Filmbereich, nicht im musischen Bereich, und wir sollen sie ganz sicher auch nicht in einem Bereich, der Unterschiede innerhalb Europas besonders interessant macht, nämlich im kulinarischen Bereich. Sie sehen mir an, daß ich mir in diesem Bereich hin und wieder gewisse Exzesse zumute. ({2}) Mit dieser von allen drei Fraktionen vorgelegten Resolution soll erreicht werden, daß ein gemeinsamer Weg gefunden wird, der kein streitiger Weg sein soll. Art. 36 des EG-Vertrages, der die kulturellen Eigenheiten unterstreicht, erlaubt es uns, in Form einer EG-Richtlinie bzw. in einem Harmonisierungsverfahren die Möglichkeiten zu nutzen, die wir im Filmförderungsgesetz vor Jahren unter engagierter Beteiligung von früheren und jetzigen Kollegen des Hauses vorgesehen haben. Ich möchte zum Schluß anmerken: Wer glaubt, daß dies Thema dank deutscher Gründlichkeit hier und jetzt auf der Tagesordnung steht, überschätzt uns. ({3})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wer dem interfraktionellen Antrag auf Drucksache 9/1727 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist angenommen. Meine Damen und Herren, es wurde soeben interfraktionell vereinbart, die Punkte 9 und 10 der Tagesordnung abzusetzen. Ist das Haus damit einverstanden? - Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 30. Oktober 1980 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über Grenzberichtigungen ({0}) - Drucksache 9/1443 Beschlußempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses ({1}) - Drucksache 9/1692 Berichterstatter: Abgeordneter Männing ({2}) Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wird das Wort sonst begehrt? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen jetzt zur Einzelberatung und zur Schlußabstimmung. Ich rufe die Artikel 1 bis 6, Einleitung und Überschrift auf. Die Abstimmung hierüber wird mit der Schlußabstimmung verbunden. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das Gesetz ist angenommen. Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vorschaltgesetzes zum Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1982 - Drucksache 9/1533 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Innenausschuß ({3}) Haushaltsausschuß Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf zu überweisen zur federführenden Beratung an den Innenausschuß und zur Mitberatung an den Haushaltsausschuß. Ist das Haus mit den vorgeschlagenen Überweisungen einverstanden? - Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf: Beratung der Sammelübersicht 37 des Petitionsausschusses ({4}) über Anträge zu Petitionen - Drucksache 9/1663 Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses auf der Drucksache 9/1663, die in der Sammelübersicht 37 enthaltenen Anträge anzunehmen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses ist angenommen. Ich rufe die Punkte 14 bis 17 der Tagesordnung auf: 14. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung und Technologie ({5}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für einen Beschluß des Rates über ein sektorielles Forschungs- und Entwicklungsprogramm der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft im Bereich der Forschung in Medizin und Gesundheitswesen - konzertierte Aktion - ({6}) - Drucksachen 9/961 Nr. 13, 9/1655 Berichterstatter: Abgeordneter Boroffka Frau Terborg Timm 15. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzauschusses ({7}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Entscheidung des Rates zur Einführung eines Verfahrens zur vorherigen Information und Konsultation im Steuerbereich - Drucksachen 9/1272 Nr. 41, 9/1652-Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Kreile 16. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr ({8}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Begrenzung der Schallemissionen von Drehflügelflugzeugen - Drucksachen 9/1041 Nr. 16, 9/1677-Berichterstatter: Abgeordneter Merker 17. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr ({9}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie des Rates 80/51/ EWG vom 20. Dezember 1979 zur Verringerung der Schallemissionen von Unterschall-Flugzeugen - Drucksachen 9/934 Nr. 27, 9/1678-Berichterstatter: Abgeordneter Hanz ({10}) Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich lasse über die Beschlußempfehlungen gemeinsam abstimmen. Wer den Beschlußempfehlungen der Ausschüsse auf den Drucksachen 9/1655, 9/1652, 9/1677 und 9/ 1678 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlungen sind damit angenommen. Meine Damen und Herren, wir sind damit am Schluß der Tagesordnung angelangt. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 16. Juni 1982, 9 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.