Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, auf Grund einer Vereinbarung im Ältestenrat soll die heutige Tagesordnung um den Zusatzpunkt Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu dem Bericht der Bundesregierung über die Erfahrungen mit der Sommerzeit in den Jahren 1980 und 1981- Drucksachen 9/1583, 9/1646 - erweitert werden. Erhebt sich dagegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Es ist so beschlossen.
Für den aus dem Gemeinsamen Ausschuß nach Art. 53 a des Grundgesetzes ausgeschiedenen Abgeordneten Röhner benennt die Fraktion der CDU/ CSU den Abgeordneten Dr. Bötsch als ordentliches Mitglied des Gemeinsamen Ausschusses.
Ist das Haus damit einverstanden? - Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Damit ist der Abgeordnete Dr. Bötsch als ordentliches Mitglied des Gemeinsamen Ausschusses nach Art. 53 a des Grundgesetzes bestimmt.
Ich rufe Punkt 22 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Asylverfahren ({0})
- Drucksachen 9/221, 9/875 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 9/1649 Berichterstatter:
Abgeordnete Franz Zutt Carstens ({2})
b) Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({3})
- Drucksache 9/1630 Berichterstatter:
Abgeordnete Dr. Bötsch Dr. Schöfberger
({4})
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat soll die Aussprache drei Stunden dauern. Ist das Haus auch
damit einverstanden? - Dann ist die Redezeit auf drei Stunden begrenzt.
Wünschen die Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Bötsch.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kaum ein Gesetzentwurf aus jüngster Zeit wurde, wenn wir es alles in allem nehmen, nach so langer Beratungszeit diesem Hohen Hause vorgelegt wie die heute zur Beratung anstehenden Gesetzentwürfe. Wenn auch nicht mehr formell, so doch inhaltlich, stehen auch der Gesetzentwurf des Bundesrates und, formell, der von den Fraktionen der SPD und FDP vorgelegte Gesetzentwurf zur Novellierung des Asylrechts hier noch zur Debatte an. Es gab wohl auch lange Zeit kein Gesetz - wenn man einmal von den Gesetzen mit finanziellen Auswirkungen absieht -, das von draußen damit Befaßten so dringlich erwartet worden ist.
Eine gründliche Beratung ist sicherlich immer geboten, wenn Grundrechte berührt werden. Es bestand eigentlich in allen Fraktionen Einigkeit darüber, daß das in Art. 16 Abs. 2 unseres Grundgesetzes gewährleistete Grundrecht auf Asyl uneingeschränkt gewährt und gewahrt bleiben muß.
Der Grund für die lange Dauer der Beratungen war allerdings nicht der uns allen gemeinsame Respekt vor dem Grundrecht auf Asyl, sondern die Hinhaltetaktik der Bundesregierung und der Fraktionen von SPD und FDP, die sich zunächst darauf beschränkten, den bereits im Dezember 1980 vom Bundesrat mit Zustimmung auch fast aller SPD-regierten Bundesländer eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Gesetzes zur Beschleunigung des Asylverfahrens zurückzuweisen, und im übrigen untätig blieben.
Durch ihr Verhalten hat es die Bundesregierung zugelassen, daß seit fast eineinhalb Jahren weiterhin echte und unechte Asylbewerber ungehindert in unser Land strömen und darin sehr lange Zeit verweilen konnten. Trotz aller Beteuerungen der Bundesregierung, daß die von ihr eingeleiteten Maßnahmen greifen würden - und wir haben die Reden ins6090
besondere des Herrn Bundesinnenministers hier noch im Ohr -, ist die Zahl der Asylbewerber nach einer kurzen Zeit des Zurückgehens wieder im Steigen.
({0})
In den ersten drei Monaten dieses Jahres haben nahezu 11 800 Personen wieder einen Asylantrag gestellt. Dies bedeutet eine Zunahme um 28 % gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres. Gerade in den letzten Wochen mußten wir einen wahren Ansturm von Asylbewerbern auf dem Frankfurter Flughafen erleben, der dazu führte, daß die dort eingesetzten Beamten des Bundesgrenzschutzes nicht mehr in der Lage waren, sämtliche ihnen übertragenen Aufgaben in vollem Umfange zu erfüllen.
({1})
Die Verzögerungstaktik der Regierungsparteien stellt unsere Städte, Gemeinden und unsere Länder vor fast unlösbare Probleme.
({2})
Die finanziellen Aufwendungen, die ihnen durch die Unterbringung und Betreuung von Asylbewerbern entstehen, haben ein besorgniserregendes Ausmaß angenommen. Die Überlastung unserer Verwaltungsgerichte droht zu einer empfindlichen Störung nicht nur dieses Zweiges der Rechtspflege, sondern auch der anderen Bereiche zu werden.
Zu welchen grotesken Entwicklungen die lange Unentschlossenheit der Bundesregierung geführt hat, zeigt die aus Berlin kommende Meldung, daß Asylbewerber, während sie hier ihr auf mehrere Jahre veranschlagtes Verfahren durchziehen - oder sollte man besser sagen: abwarten -,
({3})
mit einem zweiten Paß von Berlin aus in ihre Heimatländer reisen, in denen sie angeblich politisch verfolgt werden. Die Reisen werden dann noch teilweise durch den Verkauf von aus den Heimatländern mitgebrachten Drogen finanziert.
({4})
Das Ergebnis der Beratungen, das nun heute diesem Hohen Hause vorgelegt wird, steht eindeutig in umgekehrtem Verhältnis zu dem dafür benötigten Zeitaufwand.
({5})
Es ist ferner eine große Enttäuschung für alle, die dieses Gesetz so dringlich erwartet haben, nämlich die Länder, Städte und Gemeinden, die Gerichte und die Verwaltungsbehörden, die das Gesetz zu vollziehen haben.
Es ist nicht zu leugnen - und dies soll durchaus positiv vermerkt werden -, daß Bundesregierung und Koalitionsparteien in den zurückliegenden Monaten einen gewissen, kleinen Lernprozeß mitgemacht haben.
({6})
Ich möchte hier, weil der betreffende Kollege anerkennend zu meinen Worten nickt, dieses Kompliment durchaus personalisieren und dem Kollegen Dr. Schöfberger machen.
({7})
Allerdings ging Ihre Aufnahmebereitschaft nicht so weit, daß Sie die Zielsetzung des Gesetzes erreichten, nämlich den wirklich Verfolgten so bald wie möglich ihre Asylberechtigung auszusprechen und Scheinasylanten den Aufenthalt in unserem Lande so kurz wie möglich zu gestalten. Die kleineren inhaltlichen Korrekturen, die die Regierungsparteien im Laufe der Beratungen an dem von ihnen eingebrachten Entwurf vorgenommen haben, reichen nicht aus, um den Zustrom von Ausländern, die eben nicht echte Asylanten sind, einzudämmen und um das Asylverfahren so, wie es notwendig wäre, zu beschleunigen.
Der Bremer Bürgermeister Koschnick, der ja auf der Bundesratsbank Platz genommen hat und der als Kommunalpolitiker mit den Problemen unmittelbar konfrontiert ist, hat also recht - ich weiß nicht, was er heute dazu sagen wird -, wenn er vor kurzem gesagt hat, daß im Grunde nur die Kompetenzen verlagert würden, nicht aber die dringend notwendige Beschleunigung des Verfahrens erreicht werde. Ich glaube, dieser Einschätzung ist auch, was den heute vorliegenden Gesetzentwurf angeht, nichts hinzuzufügen.
Das Asylverfahrensgesetz der beiden Koalitionsfraktionen ist nicht geeignet, das Verwaltungs- und Prozeßverfahren in Asylsachen entscheidend zu beschleunigen und die Verwaltungsgerichte wirklich zu entlasten. Wir werden den Entwurf dieses Gesetzes deshalb heute ablehnen.
({8})
Daß in allerletzter Minute nun auch noch ein völlig veränderter Entwurf als Beratungsgrundlage diente, nachdem monatelang auf anderen Entwürfen, so möchte ich fast sagen, herumberaten worden ist, muß wohl - ganz vorsichtig ausgedrückt - als reichlich ungewöhnlich bezeichnet werden. Wir haben uns nur deshalb zu diesem Verfahren bereit erklärt, um nicht eine erneute Verzögerung in Kauf nehmen zu müssen.
({9})
- Sie waren nur zeitweise bei den Beratungen anwesend. Insofern sollten Sie mit Ihren Zwischenrufen, Herr Kollege Klejdzinski, etwas vorsichtiger sein.
({10})
Wir bedauern, daß die Vorschläge des Bundesrates kaum Eingang in den Entwurf der Koalitionsfraktionen gefunden haben. Nach Auffassung der CDU/CSU sieht der Bundesratsentwurf nämlich Maßnahmen vor, die geeignet gewesen wären, die bereits genannte Zielsetzung des Gesetzesvorhabens zu erreichen, und zwar ohne - das ist für uns
genauso wichtig wie für Sie - daß damit eine auch nur faktische Einschränkung des Grundrechts selbst verbunden ist.
Eine entscheidende Verkürzung des Asylverfahrens kann unseres Erachtens nur erreicht werden, wenn offensichtlich aussichtslose Asylanträge im Vergleich zu den übrigen Asylverfahren gesondert behandelt werden.
({11})
Aus diesem Grunde wäre unseres Erachtens den Ausländerbehörden die Möglichkeit einzuräumen, über offensichtlich unbegründete Asylanträge, also solche - wenn Sie es bildlich ausgedrückt haben wollen denen die Aussichtslosigkeit auf die Stirn geschrieben ist, selbst zu entscheiden.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 25. Februar 1981 zum Ausdruck gebracht, daß der Gesetzgeber den Ausländerbehörden die Entscheidungszuständigkeit für eindeutig aussichtslose Asylanträge zuweisen kann. Um die dringend notwendige Beschleunigung zu erreichen, sollte deshalb dieser vom Bundesverfassungsgericht vorgezeichnete Weg beschritten werden. Wenn gleichzeitig der Klage gegen die Entscheidung der Ausländerbehörden die aufschiebende Wirkung versagt würde und im einstweiligen Rechtsschutz die Beschwerdemöglichkeit entfiele, wäre gewährleistet, daß über offensichtlich unbegründete Asylanträge sehr rasch entschieden werden kann. Asylbewerber, die offensichtlich unbegründete Asylanträge stellen und damit im Regelfall unser doch - dieses ist wohl allgemeine Auffassung - sehr liberales Asylrecht mißbrauchen, können dann nur noch mit einer kurzen Aufenthaltsdauer in der Bundesrepublik Deutschland rechnen. Dies würde dazu führen, daß die Einreise für sogenannte Scheinasylanten nicht mehr besonders attraktiv ist und daß damit dem Asylmißbrauch wirksam entgegengetreten wird.
Ein wesentlicher Beschleunigungseffekt bei diesen offensichtlich unbegründeten Asylanträgen ist nur zu erreichen, wenn die Zuständigkeit auf eine Behörde, eben die Ausländerbehörde konzentriert wird. Sobald mehrere Behörden - nämlich das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und die Ausländerbehörde - in diesen Fällen eingeschaltet werden, kommt es unvermeidbar zu längeren Bearbeitungszeiten, beispielsweise allein schon durch die Aktenversendung, die notwendig ist. Der Asylbewerber kann sich dann auf eine längere Aufenthaltszeit einrichten, was wiederum zum Anreiz für weiteren Asylmißbrauch wird.
({12})
Irgendwelche Schwierigkeiten treten bei der Zuweisung der Entscheidungszuständigkeit an die Ausländerbehörde nicht auf. Bei offensichtlich unbegründeten Asylanträgen sind die Ausländerbehörden - ({13})
- Herr Kollege Löffler, Sie werden festgestellt haben, daß ich bewußt gestoppt habe, um die Zwischenfrage zu ermöglichen. Ich kann aber dem Präsidenten nicht in das Handwerk hineinreden. Ich wäre selbstverständlich bereit, die Zwischenfrage zuzulassen.
({14})
- Probieren Sie es halt.
Herr Abgeordneter, Entschuldigung! Gestatten Sie jetzt eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Hirsch?
Gerne.
Herr Kollege, da Sie liebenswürdigerweise bereit sind, die Zwischenfrage zuzulassen: Würden Sie bitte auch dazu Stellung nehmen, daß sich in der Anhörung des Rechtsausschusses entgegen Ihrer Auffassung alle Sachverständigen - alle Richter, der Hohe Flüchtlingskommissar und alle anderen - ausdrücklich dahin gehend geäußert haben, daß die Erweiterung der Zuständigkeit der kommunalen Ausländerbehörden mit Sicherheit zu einer Verlängerung des Verfahrens und insbesondere zu einer weiteren Überlastung der Verwaltungsgerichte führen würde.
Ich kann Ihnen nur sagen, daß in dem Hearing, an dem ich teilgenommen habe, eben offensichtlich nicht genügend zwischen den offensichtlich unbegründeten oder offensichtlich unzulässigen Asylanträgen und den anderen Anträgen unterschieden worden ist. Vielmehr hat man in dem Hearing alle Anträge einheitlich behandelt. Das ist der Sachverhalt. Wir aber wollen eben diese Unterscheidung.
({0})
- Frau Kollegin, Sie können sich nachher zu Wort melden, um diese Ihre Auffassung nachhaltig zu begründen.
({1})
Meine Damen und Herren, wer den vom Bundesverfassungsgericht selbst vorgezeichneten Weg ablehnt, wird den nach wie vor drängenden Asylproblemen nicht gerecht. Dies geschieht auch in keiner Weise durch die jetzt ins Auge gefaßte und in Hamburg - wohlgemerkt: nicht in einem Flächenstaat, sondern in einem Stadtstaat - versuchte dezentrale Ausgestaltung des Bundesamtes. Vielleicht wird es dann als ambulantes Gewerbe behandelt. Ich weiß noch nicht genau, wie das in den Ländern gehen soll. Jedenfalls ist damit kein nennenswerter Beschleunigungseffekt zu erreichen.
Nach § 28 Abs. 6 des Entwurfs dieses Asylverfahrensgesetzes, wie es uns heute vorliegt, ist auch in den Fällen - das ist der nächste Punkt, der uns zu unserer Ablehnung veranlaßt -, in denen das Verwaltungsgericht die Klage als offensichtlich unzulässig oder als offensichtlich unbegründet abgewiesen hat, die Berufung zuzulassen, wenn ein in
§ 138 VwGO bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt. Damit wird dem Asylbewerber eine zweite Instanz eröffnet, die er zur Verfahrensverlängerung, jedenfalls wenn es ihm darauf ankommt, selbstverständlich auch in jedem Fall - gleichgültig, ob er sein Rechtsmittel für aussichtsreich oder aussichtslos hält - anrufen wird. Ich glaube, daß es eine völlig untergeordnete Rolle spielt, welche Zulassungsgründe das Gesetz dann einräumt, weil jede Nichtzulassungsbeschwerde das Verfahren verlängert, gleich, ob sie sich nun hinterher als unzulässig oder unbegründet erweist.
Sie müssen sich, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, fragen lassen, wie bei der von Ihnen vorgeschlagenen Regelung ein Beschleunigungseffekt tatsächlich erreicht werden soll. Denn wir haben jetzt in dem Verfahren nach wie vor eine verwaltungsbehördliche Instanz und zwei verwaltungsgerichtliche Instanzen. Wir sind der Auffassung, daß eine volle Verwaltungs- und eine volle Gerichtsinstanz mit jeweiliger mündlicher Verhandlung zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage ausreichend sind.
({2})
Dem Asylbewerber wird ausreichend Rechtsschutz gewährt, wenn ihm eine volle Gerichtsinstanz zur Verfügung steht, dies um so mehr, als über die Klage - wir haben diesen Vorschlag des Bundesrates, das zu ändern, j a nicht aufgegriffen - ja nicht der Einzelrichter, sondern die Kammer des Verwaltungsgerichts mit drei Richtern entscheidet. Eine echte Beschleunigung hätte auch der Bundesratsentwurf gebracht, der ausdrücklich bestimmt, daß die Entscheidung über die Nichtzulassung der Berufung unanfechtbar ist und damit das gerichtliche Verfahren eben auf eine Instanz beschränkt wird.
Meine Damen und Herren, eine mit der Neuregelung beabsichtigte Beschleunigung - damit komme ich zu unserem dritten Punkt - läßt sich mit bestem Willen auch nicht § 20 Abs. 2 des Koalitionsentwurfs entnehmen, der bestimmt, daß ein Beauftragter der Bundesregierung die Asylbewerber auf Grund eines bestimmten Schlüssels auf die einzelnen Bundesländer nach deren Anhörung verteilt. Im Gegenteil! Durch eine Verteilung wird das Asylverfahren verlängert, weil das Bundesamt erst dann tätig werden kann, wenn das Verteilungsverfahren abgeschlossen ist, und weil der Aufenthaltsort des Asylbewerbers häufiger wechselt.
Eine Verlängerung des Asylverfahrens tritt ferner ein, weil durch Umverteilungs- und Verteilungsanträge die Verwaltungsbehörden zusätzlich belastet werden. Dasselbe ist bei den Gerichten zu erwarten, die sich mit Rechtsmitteln gegen Verteilungsentscheidungen zu befassen haben. Durch im Ergebnis aussichtslose Anträge und Gerichtsverfahren können Asylbewerber damit den Abschluß des Asylverfahrens zusätzlich hinauszögern. Dadurch werden für Asylbewerber, die sich allein aus wirtschaftlichen Gründen auf das Asylrecht berufen, neue Möglichkeiten eröffnet, den Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu verlängern. Das Verteilungsverfahren schafft daher zusätzliche Anreize.
Abgesehen davon begegnet die Bestimmung über die Verteilung der Asylbewerber zumindest erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken, weil die Aufteilung durch einen Beauftragten der Bundesregierung in die Hoheitsgewalt der Bundesländer eingreift. Diese Verteilung stellt sich als Gesetzesvollzug dar, der nach unserer Verfassung Sache der Länder ist. Dies folgt aus dem Bundesstaatsprinzip, das Bund und Länder als Staaten mit eigener unabgeleiteter Staatsgewalt anerkennt. Bund und Länder üben eben nicht nur miteinander eine einheitliche Staatsgewalt aus, sondern jedes von ihnen besitzt in seinem Bereich selbst, kraft eigenen Rechts, die - wenn auch beschränkte - unabgeleitete Staatsgewalt.
Zur Beschleunigung des Verfahrens - ich will auch noch aus einigen Vorschriften auszugsweise anführen, warum wir dieses Gesetz ablehnen - hielten wir auch eine schärfere Vorschrift über die Identitätsfeststellung des Asylbewerbers für geboten. Der Entwurf der Koalitionsfraktionen sieht eine erkennungsdienstliche Behandlung nur unter bestimmten Voraussetzungen vor, die in § 11 Abs. 1 des Entwurfs niedergelegt sind. Eine solche Einschränkung kann den Zweck der Vorschrift nicht erfüllen, der ja darin besteht, zu verhindern, daß Asylbewerber, deren Antrag bereits abgelehnt worden ist, unter einem anderen Namen möglicherweise ein neues Asylverfahren betreiben. Solche Asylbewerber können unter ihrer wahren Identität nur dann erkannt werden, wenn sie bei der ersten Antragstellung erkennungsdienstlich - und zwar uneingeschränkt - behandelt worden sind.
({3})
Um einen derartigen Mißbrauch zu verhindern, muß dies deshalb möglich sein.
Nach dem Entwurf kann die Ausländerbehörde dem Ausländer erlauben, den Bereich der Aufenthaltsgestattung vorübergehend zu verlassen. Wir halten eine solche Bestimmung für zu allgemein und haben im Ausschuß die Ergänzung empfohlen „wenn zwingende Gründe dies erfordern", weil dadurch der Behörde der Vollzug erleichtert wird und eine einheitliche Anwendung in der Praxis gewährleistet ist. Wir sind keineswegs der Auffassung, daß daraus vielleicht ein Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis hergeleitet werden könnte.
Erfreulicherweise - ich habe das schon angedeutet - enthält der Entwurf auch Vorschriften, die der Verfahrensbeschleunigung dienen. Hierzu zu rechnen sind die Vorschriften, die bestimmte Mitwirkungspflichten des Asylbewerbers begründen und aus einem Unterbleiben der Mitwirkung Folgerungen ziehen, die das Verfahren einem raschen Ende zuführen. Zu begrüßen ist auch die in den §§ 30 und 31 erfolgte Trennung bei den Sanktionen zwischen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten.
Meine Damen und Herren, trotz positiver Ansätze in dem Entwurf - das will ich nicht verhehlen - bleiben Zweifel, ob die Koalitionsparteien willens sind, wirklich wirksame Regelungen zur Beschleunigung des Asylverfahrens zu treffen. Der vorliegende Entwurf, der unserer Auffassung nach auch nicht als eigenes Gesetz hätte verabschiedet werden
sollen, sondern der in das Ausländergesetz integriert gehörte, ist zwar ein umfangreiches Gesetzeswerk, enthält aber eben nur wenige Elemente, die zu einer echten Beschleunigung führen.
Ich habe bei der ersten Lesung darauf hingewiesen, daß der Bundesrat dem Gesetzentwurf - die Ankündigungen liegen vor, und sicherlich sind die Herren des Bundesrates nicht hier, um heute ihre Zustimmung laut zu signalisieren - im Endergebnis nicht zustimmen kann und nicht zustimmen wird, wenn er nicht durch erhebliche beschleunigende Maßnahmen angereichert wird. Sie, meine Damen und Herren aus den Reihen von SPD und FDP, haben die Vorschläge der Bundesländer weitgehend unbeachtet gelassen und nehmen damit erneut eine Auseinandersetzung mit dem Bundesrat in Kauf. Schon heute dürfte feststehen, daß es dort eine Mehrheit gegen Ihren Gesetzentwurf gibt.
({4})
Wir haben damit wiederum einen nahezu klassischen Fall für ein Tätigwerden des Vermittlungsausschusses.
In der letzten Sitzungswoche des Deutschen Bundestages wurden sehr interessante Ausführungen zum Thema Vermittlungsausschuß gemacht. Die damals aufgezeigten Probleme werden sich beim Asylrecht so sicherlich nicht stellen. Aber wer beklagt, wie das im Vermittlungsausschuß so läuft, müßte sich eben bei seinen eigenen Vorschlägen schon darauf einstellen.
({5})
- Das ist das Parlamentsverständnis von zwei Kammern in Deutschland, Herr Kollege Lambinus. Vielleicht sollten Sie sich damit einmal etwas näher beschäftigen, und zwar mit all den damit zusammenhängenden Problemen.
({6})
Es wäre sicher besser gewesen, wenn Sie um der Sache willen von vornherein mehr Einsicht gezeigt
({7})
und die Vorschläge des Bundesrates angenommen oder zumindest so übernommen hätten, daß der Gesetzentwurf auch für die Mehrheit der Bundesländer zustimmungsfähig gewesen wäre. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
({8})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schöfberger.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Juristen sind bei solchen Themen immer wieder versucht, sich tief in das Gestrüpp der Paragraphen zu begeben. Aber der Glaube, man könnte das Flüchtlingselend dieser Welt mit Zulassungsbeschwerden oder mit einstweiligen Anordnungen beheben oder ihm entgegenwirken, ist von Anfang an verfehlt. Es geht nicht um dürre Paragraphen, es geht um Menschen in Not, um solche, die politisch verfolgt werden, oder um andere, die aus Gründen des Hungers, der Not und des Elends zu uns kommen. Wenn die Letztgenannten auch nicht hier bleiben können, so vermag ich, wenn ich mich in die Lage eines solchen Menschen hineinzuversetzen versuche, den Leidensunterschied zwischen einer politischen Verfolgung und dem Leben in den Blechhütten von Kalkutta nicht mehr zu erkennen, wenn auch das deutsche Asylrecht daran eine differenzierende Behandlung knüpfen muß und knüpfen wird. Deswegen sollten wir auch mit Ausdrücken wie „Wirtschaftsflüchtlinge" sehr viel vorsichtiger sein.
Es ist nicht die Frage - darauf haben wir uns verständigt, Herr Bötsch -, ob solchen Menschen, die aus politischer Verfolgung zu uns kommen, geholfen wird, sondern es ist die Frage, wie ihnen geholfen wird; denn das Menschenrecht aus Art. 16 des Grundgesetzes unterliegt von Verfassungs wegen nicht der Disposition des einfachen Gesetzgebers. Das wissen alle im Saal, aber das sollte auch draußen einmal gängige Einsicht werden, weil das die Grundlage des Asylrechts ist.
({0})
Wenn dies aber so ist, dann darf man auch nicht den Versuch unternehmen, über ein bloßes Verfahrensgesetz auf dem Schleichwege ein Menschenrecht auszuhöhlen. Auch dieser Versuch muß unterbleiben.
({1})
Wir Sozialdemokraten - ich nehme an, das ist bei Ihnen auch so - verletzten kein internationales Flüchtlingsabkommen. Wir unterlaufen nicht die Europäische Menschenrechtskonvention, die zwingend eine mündliche Verhandlung vorsieht und kein kursorisches Verfahren.
({2})
Wir höhlen kein Menschenrecht aus, und wir untergraben auch nicht die Rechtsweggarantie des Art. 19 unseres Grundgesetzes, aus diesen und aus anderen Anlässen nicht.
({3})
Wir tun das nicht. Wir sind das - ich hoffe auch hier wieder auf Zustimmung - unserer Geschichte, dem Grundgesetz und der politischen Kultur dieser Republik schuldig.
({4})
Die Ausgangslage ist uns Sozialdemokraten wohlbekannt, auch die Last, unter denen die Länder und Kommunen zu leiden haben. Aber wir lassen uns weder durch scharfmacherische Appelle hinreißen noch durch schiefe Stimmungslagen aus dem Bierdunst mancher Stammtische verleiten, hier einen „kurzen Prozeß" - jeder weiß, was damit gemeint ist - zu machen; denn die leidvolle deutsche Ge6094
schichte ist voll solcher „kurzer Prozesse". Davor wollen wir uns behüten.
({5})
Wir machen das, was angesichts des massenhaften Zustroms notwendig, aber auch nur das, was von Verfassungs wegen erlaubt und unserer politischen Kultur dienlich ist.
Wir sind uns einig gewesen, Herr Bötsch: Jeder, der in der Gefahr für Leib, Leben und Freiheit als politisch Verfolgter zu uns kommt, muß im Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland nicht nur eine gewisse Chance, nicht nur eine überwiegende Möglichkeit, sondern eine menschenmögliche Sicherheit haben, daß er hier Aufnahme und Schutz findet.
Unser Asylverfahren orientiert sich nicht nur am zügigen Abschub von Scheinasylanten.
({6})
Auch das muß geleistet werden, aber unser Asylverfahren orientiert sich zuallererst - und mögen es nur 10 % der Ankömmlinge sein - an der Aufnahme und dem Schutz derer, die tatsächlich politisch verfolgt sind.
({7})
Da ist eine Güterabwägung vorzunehmen.
({8})
Da geht es nicht ohne Späne ab.
Vielleicht können Sie mir auch noch folgen, wenn ich sage: Lieber nehmen wir mal hundert zuviel auf, bei denen wir die letzten Zweifel daran, ob sie wirklich politisch verfolgt sind, nicht ausräumen konnten, bevor wir auch nur einen - ich denke an den Freistaat Bayern und die beiden Tschechen, die über die bayerisch-tschechoslowakische Grenze zurückgeschoben worden sind - seinem Folterer und seinem Henker ausliefern.
({9})
- Herr Kollege, im bayerischen Landtag hat es einen Untersuchungsausschuß gegeben. Dieser hat festgestellt, daß 56 Flüchtlinge aus dem kommunistischen Machtbereich - entweder wieder direkt - wie bei den beiden Genannten - über die bayerisch-tschechoslowakische Grenze ihren Verfolgern ausgeliefert oder über Österreich nach Ungarn transportiert worden sind. Das können Sie doch nicht bestreiten. Das waren 56 gravierende Fälle, die der Untersuchungsausschuß des bayerischen Landtags festgestellt hat. Diese Verhältnisse wollen wir nicht.
({10})
- Ich kann Ihnen den Untersuchungsbericht gern
zustellen. Sie müssen allerdings auch den Minderheitenbericht lesen. Denn sich bei der CSU über das
Asylverfahren der bayerischen Staatsregierung zu beklagen ist genauso, wie wenn man sich bei der Großmutter des Teufels über denselben beschweren würde.
({11})
Wer bisher - das steht fest - alle Instanzen mit Verschleppungsabsicht ausschöpfte und zeitweise auch untertauchte, konnte bis zu acht Jahren hierbleiben. Mit dem neuen Asylverfahren - und dies ist jetzt eine Hoffnung - wollen wir die Zeit bis zur unanfechtbaren Entscheidung - immerhin sind drei Schritte notwendig: Ausländeramt, Bundesamt, Verwaltungsgericht - für 90 % aller Fälle auf unter ein Jahr drücken.
Dies erfordert allerdings nicht nur ein neues Asylverfahren, sondern auch, meine Damen und Herren von der Bundesratsbank, einen entsprechenden personellen Unterbau bei den Ausländerämtern und den Verwaltungsgerichten.
({12})
Alle angehörten Richter haben in diesem Hause ein Klagelied gesungen. Sie haben uns übereinstimmend geklagt, daß zwischen der Abfassung des Urteils und dem Versand des Urteils ein halbes Jahr vergehen kann, weil es schlicht und einfach an Schreibkräften fehlt.
({13})
Dies ist im Hearingsprotokoll nachzulesen.
({14})
Ich würde herzlich bitten: Sorgen Sie bitte, bevor Sie uns weiterhin mit Ihren Vorstellungen über ein neues Asylverfahren im Ohr liegen, dafür, daß in Ihrem Bereich dieses Problem gleichermaßen bewältigt wird.
({15})
Wir wollen erreichen, daß der Asylbewerber in einem Jahr wissen muß und wissen kann, ob er hierbleiben darf oder wieder gehen muß. Damit wollen wir auch Anreiz für und Sog auf solche Menschen vermeiden, die es sich in den Fluchtländern erst noch überlegen oder von gewissenlosen Schleppern dazu gebracht werden, hierher zu kommen.
Wer uns eine kürzere Frist als ein Jahr andient, hat im Grunde keine Ahnung von notwendigen Bearbeitungszeiten, auch keine Ahnung von rechtsstaatlichen Ladungsfristen, Zustellungszeiträumen, Äußerungsfristen, Rechtsbehelfsfristen und Abschiebungsfristen. Wenn man allein die notwendigen Fristen, auf die auch Sie nicht verzichten wollen und nicht verzichten können, zusammenzählt, kommt ohne bürokratische Bearbeitungszeit schon fast ein Zeitraum von vier Monaten bis zu sechs Monaten heraus. Dies muß man zur Kenntnis nehmen.
Die Grundzüge des Gesetzes brauche ich nicht zu erläutern. Der Gesetzentwurf liegt jedermann vor. Wir meinen, daß es bei der Konzentration der Entscheidungsbefugnis beim Bundesamt bleiben muß. Wir sind der Meinung, daß dann die Entscheidung über Asyl und die Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen verbunden werden müssen und grundsätzlich nur in einer Klage in einer Instanz angefochten werden können, nicht durch zwei Klagen in je drei Instanzen. Es gibt also grundsätzlich nur noch eine Gerichtsinstanz. Hier waren wir lernfähig und sind Ihnen weit entgegengekommen, auch auf Grund des Rates, den uns alle angehörten Richter erteilt haben.
Es gibt in Zukunft Zulassungsberufung bei Grundsatzentscheidungen und Divergenz. Aber diese wollen wir nicht so sehr im Interesse des Klägers als vielmehr im Interesse der Einheitlichkeit unserer Rechtsprechung haben. Wenn wir dies so wollen, muß es irgendeinen Durchzug, einen möglichen Durchzug bis zum Bundesverwaltungsgericht geben. Aber es werden in der Praxis - das beweist sie heute schon auch in anderen Fällen der Verwaltungsprozeßordnung - weniger als 1 Promille aller Fälle sein, die durch Zulassungsberufung dann in der Tat bis zum höchsten deutschen Verwaltungsgericht kommen.
Immerhin hat das Bundesverwaltungsgericht im Jahre 1980, wenn auch nur in fünf Fällen, festgestellt, daß alle unteren Behörden und Instanzen nicht richtig gearbeitet haben. Diese Restmöglichkeit der rechtsstaatlichen endgültigen Feststellung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung wollen wir uns vorbehalten. Das ändert nichts an der Tatsache, daß das normale Asylverfahren in 99,9 % aller Fälle mit einer Instanz - und zwar sehr schnell - beendet sein wird. Damit gehen wir an die Grenze des von der Rechtsweggarantie Gebotenen und des Notwendigen, aber wir überschreiten diese Grenze nicht. Die Verfahrensrüge brauchen wir, damit andererseits das Bundesverfassungsgericht nicht überschwemmt wird.
Der Asylbewerber muß sowohl am Verwaltungsals auch am Verwaltungsgerichtsverfahren mitwirken. Wir haben neue Zustellungsvorschriften geschaffen, damit er uns nicht ständig untertauchen kann. Er muß Adressenänderungen angeben; es gibt Zustellungsfiktionen.
Vorschläge, die von Ihnen gekommen sind, haben wir aufgenommen. Ich bitte Sie herzlich, Ihre eigenen Früchte am grünen Baum jetzt nicht verfaulen zu lassen.
({16})
Der Ausländer muß Ladungen folgen. Er muß seinen Prozeß betreiben. Folgt er nicht, betreibt er den Prozeß über drei Monate hinweg nicht, weil er vielleicht in Europa ein paar Asyleisen im Feuer hat, weil er sich gar nicht mehr darum kümmert, dann tritt die Erledigung in der Hauptsache ein. Verschlepper haben also in Zukunft viel weniger Chancen, als sie bisher gehabt haben.
Folgeanträge - eine beliebte Praxis, nach rechtskräftiger Ablehnung immer wieder die gleichen Anträge zu wiederholen - haben in Zukunft keine Chance mehr. Hier haben wir Ihnen recht gegeben. Die müssen gar nicht mehr zum Bundesamt. Solche schlichten Folgeanträge sind unbeachtlich. Sie können von der Ausländerbehörde abgewiesen und mit aufenthaltsbeendenden Maßnahmen bedacht werden.
Wenn der Bewerber allerdings neue Beweismittel beibringt, etwa sein Todesurteil aus dem Verfolgerland, dann werden auch Sie sagen: dann müssen wir nach allen Regeln des Rechtsstaats auch einen solchen Wiederholungsantrag zulassen. Darüber war gar kein Streit im Ausschuß.
({17})
Die Ausländerbehörden - das ist der zentrale Streitpunkt - sollen nach Ihrer Auffassung in wesentlichen Fällen eine Prüf- und Endentscheidungskompetenz haben. Nun gibt es in der Bundesrepublik 327 kreisfreie Städte und Landkreise und damit auch 327 Ausländerämter. Da müssen Sie uns erst erklären, was Sie tun wollen - wenn schon die Schreibkräfte fehlen -, um diese 327 Ausländerämter personell, sachlich und informatorisch auszustatten. Da bedarf es großer Dateien und der ständigen Rückkopplung zum auswärtigen Dienst der Bundesrepublik, um über die Lage in den Verfolgerländern Bescheid zu wissen. Erklären Sie einmal, wie Sie das alles bei 327 Ausländerämtern bewerkstelligen wollen.
({18})
Und dann haben Sie, Herr Kollege Bötsch -
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Bötsch?
Herr Kollege Schöfberger, haben Sie zur Kenntnis genommen, daß von allen Bundesländern Erklärungen vorliegen, daß nicht beabsichtigt ist, alle 327 Ausländerbehörden für zuständig zu erklären, sondern daß hier an eine Zentralisierung der Ausländerbehörden für diesen Sachbereich gedacht ist, d. h. daß für jedes Bundesland eben nur eine, zwei oder vielleicht bei den größeren Ländern mehrere Ausländerbehörden zuständig sein sollen?
Ich bin Ihnen für diese Frage sehr dankbar, Herr Kollege Bötsch. Ich habe das auch früher schon zur Kenntnis genommen. Sie haben es zwar nie konkretisiert. Aber mit unserem Vorschlag, dezentrale Außenstellen des Bundesamtes nach dem Hamburger Modellversuch zu schaffen, sind wir dann doch gar nicht weit auseinander. Warum begeben Sie sich dann nicht auf diese Linie?
({0})
Ich sagen Ihnen, worum es einigen Bundesländern in Wahrheit geht, warum diese Länder keine Mühe und Kosten scheuen, um Ausländerämter zuständig zu machen: sie wollen im Asylrecht ein weitmaschiges Rüttelsieb einführen; sie wollen den Daumen aufs Asylrecht bekommen; darüber waren wir uns am Beratungstisch auch einig. Sie bemühen sich um eine Aufnahmequotenkompetenz, die sie sich errütteln wollen; und dafür sind wir nicht zu haben, schon weil wir die vielfältigen Divergenzen der praktischen Entscheidungen befürchten.
({1})
Darf ich noch ein Wort zu Ihrem Vorschlag sagen, mit dem Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung zwecks Wiederherstellung einer aufschiebenden Wirkung per einstweiliger Anordnung zu arbeiten, und den Antrag hierfür innerhalb einer Woche zu verlangen. Das ist ein kursorisches Gerichtsverfahren, kein Vollverfahren. Das ist ein einstweiliges Verfahren und kein endgültiges Verfahren, welches Sie damit nicht einmal ersparen. Da bedarf es der Glaubhaftmachung und nicht des Vollbeweises. Das kann ohne mündliche Verhandlung ablaufen. Dann sagen Sie mir, wie Sie das mit der Europäischen Menschenrechtskonvention in Einklang bringen. Da steht hinterher ein Beschluß und nicht einmal ein zu begründendes Urteil. Das ist buchstäblich der „kurze Prozeß", und dann wollen Sie ruckzuck abschieben. Die Hauptverhandlung wird dadurch nicht ersetzt. Politisch Verfolgte sollen also wohl aus dem heimischen Folterkeller heraus das Hauptverfahren in der Bundesrepublik betreiben. Aber vielleicht hätten Sie dann wenigstens noch die Güte, die Prozeßführung auch der Witwe zu genehmigen und das Todesurteil als Beweismittel zuzulassen!
({2})
Ich sage Ihnen: der Vorschlag, nur auf § 80 Abs. 5 VwGO zu bauen und die Abschiebung von einem kursorischen Verfahren und dessen Ausgang abhängig zu machen, höhlt das Menschenrecht auf Asyl aus. Wenn ich Jurist in Ihren Reihen wäre, würde ich mich am allermeisten über diesen Vorschlag schämen.
({3})
Ich möchte noch etwas zum Einzelrichter sagen, Herr Kollege Bötsch. Den Einzelrichter gibt es bisher im Verwaltungsgerichtsprozeß überhaupt nicht. Wir haben ja nichts gegen Experimente; aber diese sollte man dann bitte einmal in Bausachen und nicht dort durchführen, wo es um Menschenleben geht.
({4})
- Aber der Bundesrat hat doch am 12. Mai bereits wieder einen Änderungsantrag zum Einzelrichter gestellt.
({5})
- Dann rede ich in diese Richtung; das kommt mir gar nicht darauf an.
Alle angehörten Richter warnen uns vor dem Einzelrichter. Sie sagen, der Effektivitätsvervielfältiger liegt nicht etwa bei drei, weil statt drei hauptamtlichen Richtern nur einer entscheidet. Nein, der Effektivitätsvervielfältiger liegt höchstens bei 1,2. Wer das sogenannte Berichterstattersystem in der Verwaltungsgerichtsbarkeit kennt, der weiß auch, warum das so ist. Gerade im Asylprozeß kommt es auf die persönliche Anhörung durch die ganze Kammer an, damit sich alle, auch die ehrenamtlichen Richter - wir haben schließlich eine Laiengerichtsbarkeit im Verwaltungsgerichtsverfahren -, ein Bild von dem Asylbewerber machen können. All dies verträgt sich nicht mit dem Einzelrichter, schon gar nicht mit dem obligatorischen Einzelrichter und auch nicht mit dem fakultativen Einzelrichter, weil das Verfahren dann in den meisten Fällen dennoch in die Kammer zurück müßte.
Wir brauchen dieses neue Asylverfahrensgesetz, aber wir wollen dafür sorgen, daß damit nicht etwas betrieben werden kann, was uns und unserem Ansehen schadet. Dieses Gesetz - damit möchte ich schließen ({6})
kann auch die internationale Solidarität der deutschen Politik mit den hungernden, notleidenden und elenden Menschen in dieser Welt nicht ersetzen. Wer glaubt, mit der raschen Abschiebung von sogenannten „Wirtschaftsflüchtlingen" sei das Problem gemeistert, wer sich nur auf den Asylverfahrensweg verläßt, der leistet den letzten und wichtigsten Beitrag nicht.
Vielleicht gelingt es Ihnen, weil Sie intensiv mitgearbeitet und vieles beigetragen haben, sich selbst zu sagen: Dies ist ein gutes Gesetz, dies ist ein problemorientiertes Gesetz, dies ist ein taugliches Gesetz, es trägt ein Gütesiegel. Ihre Vorschläge sind darin enthalten, Sie können sie fast in jedem Paragraphen entdecken. Wir waren alles andere als lernunfähig, und Sie haben uns das selbst heute bestätigt. Wir geben auch zu, daß in den Jahren 1978 bis 1980 angesichts dieser Flut von Asylbewerbern immer wieder dilettantisch nachgebessert wurde und daß dabei eine Flickschusterei entstanden ist.
({7})
Jetzt haben wir uns in voller Kenntnis der Probleme entschlossen, ein Asylverfahrensgesetz aus einem Guß zu machen. Es wird Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, schwerfallen, drauDr. Schöfberger
ßen jetzt noch zu sagen: Die Koalition oder die Bundesregierung würden das Asylverfahren erneut und immer wieder verzögern. Das wird Ihnen sehr schwer fallen. Ab heute sind Sie Ihren Beitrag schuldig geblieben, wenn Sie nicht zustimmen. Vielleicht darf ich den Verdacht äußern, daß Sie mit der Behauptung noch über zwei Landtagswahlen kommen wollen, die Koalition sei saumselig und meistere die Probleme nicht.
({8})
Mit einem solchen Verhalten helfen Sie weder den bedrohten Menschen noch der Sache, noch den Ländern, die die Hauptlast tragen, noch den beteiligten Kommunen. Deswegen bitte ich Sie, sich in Anbetracht Ihrer eigenen Leistungen zu diesem Gesetz zu bekennen und sich zu einer Zustimmung durchzuringen.
({9})
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Abgeordnete Engelhard.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei der ersten Lesung des Koalitionsentwurfs am 22. Oktober des letzten Jahres haben wir einiges Prinzipielle über die Bedeutung des Asylrechts gesagt, auch für unser eigenes staatliches Selbstverständnis als Bundesrepublik Deutschland. Ich möchte das nicht wiederholen und brauche es nicht; die grundsätzliche Übereinstimmung aller drei Fraktionen dieses Hauses ist zu Protokoll festgehalten.
Wir waren uns damals aber auch darüber einig, daß, auf Dauer gesehen, das Asylrecht auch in der Zustimmung der Bevölkerung nur dann Bestand haben kann, wenn es gelingt, dieses Grundrecht vom vieltausendfachen Mißbrauch zu befreien. Bei diesem Versuch habe ich mich j a nicht nur mit Ihnen, Herr Kollege Dr. Bötsch, und Ihren politischen Freunden auseinanderzusetzen, sondern ich sehe sehr wohl, daß es auch durchaus ernst zu nehmende, seriöse Stimmen gibt, die da sagen, es werde jetzt darangegangen, überhaupt den Rechtsschutz für den Bürger in dieser Republik zurechtzustutzen und zurückzudrehen, und das was wir hier beim Asylrecht unternehmen, sei j a erst ein Beginn. Ich glaube, auch solchen Ängsten muß man mit allem Nachdruck entgegentreten, ganz einfach deswegen, weil das auf dem Mißverständnis beruht, als könne der Rechtsstaat allein durch Abzählen der Gerichtsinstanzen beurteilt werden, ob er ein guter oder ein weniger guter Rechtsstaat ist.
Wir legen umgekehrt Wert darauf: wenn wir jetzt einen neu beratenen Entwurf zum Asylverfahren vorlegen, soll dies kein Präjudiz für alle Verfahrensordnungen sein, insbesondere auch nicht für die Verwaltungsprozeßordnung. Der Grund solcher Unterscheidung liegt nicht darin, daß wir sagen, im sonstigen Verwaltungsrecht sind die Kläger meist Deutsche, im Asylrecht sind die Kläger Ausländer, die
muß man aus diesem Grunde nicht so ernst nehmen und ganz anders behandeln. Nein, der Grund ist ein ganz sachgerechter, wenn man es sich richtig überlegt.
Die lange Verfahrensdauer bei unseren Gerichten mag für die Betroffenen in vielen Fällen materielle und immaterielle Schäden bedeuten. Das bringt Ärger. Das kann auch für die ganze Rechtsgemeinschaft zum Ärgernis werden. Aber das Besondere im Asylrecht ist doch dies, daß die Verfahrensdauer identisch ist mit jenem Zeitraum, währenddessen auch ein schließlich oft nach vielen Jahren erst endgültig abgelehnter Antragsteller das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet hat, und dies auf Kosten der Sozialhilfe; dies kommt hinzu. Und wir wissen auch: je später er dann schließlich in sein Heimatland abgeschoben wird, desto mehr schließt diese Maßnahme die Gefahr der Inhumanität in sich. Deswegen meine ich, wir hätten es nie - auch in früheren Zeiten - überhaupt je so weit kommen lassen dürfen.
({0})
Da sind nicht nur wir und ist nicht nur diese Bundesregierung angesprochen, sondern ich will es ganz klar sagen. Wir sollten einmal über den Tag hinaus darüber nachdenken, woher es eigentlich kommt, daß unser Handlungsbedarf immer nur aus dem Druck der Verhältnisse erwächst.
Sollte man eigentlich - das hätte vor ganz vielen Jahren aus den von mir geschilderten prinzipiellen Erwägungen geschehen müssen - nicht etwas rechtzeitig tun, nicht, weil man in Druck ist, sondern weil man es als das Richtige, das Sachgerechte für diesen Staat und seine Bürger, aber auch für die . betroffenen Asylbewerber erkannt hat? Und daher ist, glaube ich, der Streit jetzt müßig, und der Stolz des Bundesrats, einige Monate früher mit einem Entwurf - einem höchst lückenhaften! - dagewesen zu sein, schmilzt doch zu einem fast lächerlichen Stolz zusammen, wenn man die Dimension sieht, daß alle politischen Kräfte dieses Landes, als es noch nicht so viele Asylbewerber waren, keinen Anlaß gesehen haben, aus grundsätzlichen Erwägungen dieses Verfahren anders und sachgerechter zuzuschneiden.
({1})
Das soll doch mal zurechtgerückt werden.
Die entscheidende Wende bei den Beratungen im Rechtsausschuß war ganz sicher das Hearing vom 12. März 1982.
({2})
- Ich denke, die Bedeutung des Hearings richtig
einzuschätzen, ehrt denjenigen, der das tut, und ich
glaube, Sie sind nicht gut beraten, wenn Sie dieses
Ereignis herunterspielen. Wir waren ganz einfach an einem Punkt angelangt, wo wir doch alle - das müssen wir zugeben, wenn wir ehrlich sind - das Gefühl hatten: Jetzt kommt es nicht allein darauf an, was wir in unserem Engagement und in unserer Klugheit, die wir uns sicher zuschreiben, für richtig halten, sondern jetzt ist die Meinung hoher und höchster Praktiker gefragt, und wir brauchen die Meinung der Richter, besonders was die Realisierung der einzelnen Vorstellungen anlangt.
Ich muß sagen: Ich bin selten so offen in ein Hearing gegangen, und ich weiß aus Gesprächen mit Kollegen, daß auch sie gesagt haben: Wir halten uns offen. Wenn wir uns in einem Hearing von denen, die angehört werden, natürlich auch nicht diktieren lassen nach dem Motto: Jetzt werden wir euch sagen, was ihr formulieren sollt. Nein! Aber wir waren entschlossen, das ernst zu nehmen und alles, was uns dort überzeugend und glaubwürdig und handfest dargelegt wird, bitter ernst zu nehmen und danach zu handeln. Ich stehe deswegen nicht an, das Hearing als ein bedeutendes rechtspolitisches Ereignis anzusprechen.
({3})
- Ich freue mich ja nicht deswegen so, Herr Kollege Bohl, und ich finde so freundliche Worte für das Hearing nicht deswegen, weil der Bundesratsentwurf dort so schlecht abgeschnitten hat. Nein! Diese Schadenfreude habe ich nicht.
({4})
Ich übersehe j a überhaupt nicht, daß auch der Koalitionsentwurf, Herr Kollege, dort ganz schön gerupft worden ist und daß einige - auch in den Reihen der Koalition - eine ganze Reihe ihrer Vorstellungen nach diesem Hearing nicht länger aufrechterhalten konnten.
Ich denke, dieses Zusammenstreichen liebgewordener Vorstellungen auf beiden Seiten sollte es uns eigentlich erleichtern, jetzt noch, auch in diesen Stunden noch, zusammenzukommen. Erste Schritte sind ja bei den Beratungen im Rechtsausschuß bereits getan worden.
Nun ist es heute an der Opposition und morgen, und in naher Zukunft, am Bundesrat, ernsthaft zu überlegen, ob man guten Gewissens an der eigenen Auffassung festhalten und sich über das Votum des Hearings hinwegsetzen kann.
Ich gehe bloß auf die wichtigsten Punkte ein. Es ist ja eine ganz klare Absage dem Plan erteilt worden, stärkere Kompetenzen auf die Ausländerbehörden zurückzuverlagern, weg vom Bundesamt. Es ist dargelegt worden, daß die Sachaufklärung, die beim Bundesamt besser geleistet werden kann, die Voraussetzung dafür ist, daß die Gerichte bei ihrer Arbeit nicht erst beim Punkt null beginnen müssen, sondern daß sie zügig, aufbauend auf dem, was für sie aufbereitet worden ist, arbeiten können.
Wir haben weiter auch gehört, welche Ergebnisse es bringt - und das müssen wir jetzt in der ganzen Breite verwirklichen -, wenn man dieses Bundesamt dezentralisiert. Der Modellversuch in Hamburg hat gezeigt, daß die Verfahrensdauer im Verwaltungsverfahren von durchschnittlich einem ganzen Jahr auf die Dauer von nur zwei Monaten zurückgeschraubt werden konnte. Das sind klare, durch die Praxis ausgewiesene Erfolge.
Dann ist es eine ganz andere Frage - und hier sind wir gerne entgegengekommen -, daß die Ausländerbehörden dafür zuständig sein sollen, unbeachtliche Folgeanträge erst gar nicht dem Bundesamt vorzulegen, um dieses Bundesamt nun nicht seinerseits zu überschwemmen und in seiner sonstigen Tätigkeit zu behindern.
Sie haben zu Recht, Herr Kollege Dr. Bötsch, darauf hingewiesen, daß der Einzelrichter im Ausschuß gar nicht wieder aufgegriffen worden ist. Aber es ist gesagt worden, im Bundesrat habe man sich davon noch nicht verabschiedet. Ich unterstreiche, was Kollege Dr. Schöfberger sagte. Es ist deutlich geworden, daß die Gerichte, nicht etwa nur aus standespolitischen Überlegungen, sondern einfach von der täglichen Praxis her, zu dem Ergebnis kämen, dann weniger Fälle als „offensichtlich unbegründet" einzustufen, weil viele Richter als Einzelrichter das Gefühl hätten: Da möchte ich schon noch einen über mir zur Kontrolle haben.
Und vollständig war - hier muß man schon von einem Verriß sprechen - das Votum im Hearing gegen das Eilverfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung. Das waren einmal verfassungsrechtliche Bedenken, die zum Ausdruck brachten, daß zumindest eine volle gerichtliche Instanz notwendig sei. Und dann bringt das Eilverfahren von der Beschleunigung her nichts, weil die Richter nicht mitspielen. Sie lassen vom Gesetzgeber nicht alles mit sich machen. Ich halte dies für gut, für richtig und für notwendig, gerade in einem Rechtsstaat. Das ist nicht so grob gesagt worden; aber ich will es hier einmal so ausdrücken: Die Gewährung von Rechtsschutz ist eben etwas anderes als Kartoffeln sortieren oder Rüben verziehen. Und die Richter spielen nicht mit, nur so im Vorbeigehen den berühmten Blick im Eilverfahren auf eine Sache zu werfen und blitzschnell in nicht einmal vernünftig aufbereiteten Fällen zu entscheiden, weil sich der Gesetzgeber dies vielleicht so einbildet und er es für notwendig erachtet. Ich halte es durchaus für gut, daß wir Richter haben, die von ihrem richterlichen Selbstverständnis her bereit sind, in der Arbeitsbelastung und auch in der Art, wie sie arbeiten, bis an die Grenze des Äußersten zu gehen. Und wer neulich im „Spiegel" in dem Interview mit dem Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts nachgelesen hat, wie dort heute in Asylsachen gearbeitet werden muß, der wird doch zugeben, daß dies konträr zu dem ist, was man von der Arbeitsweise eines obersten Gerichts erwartet und was man ihm zubilligen muß. - Aber die Gerichte sind dazu bereit. Jedoch auch für die Richter läuft eine Grenze. Und diese Grenze müssen wir bei unseren Entscheidungen beachten.
Jetzt liegt uns ein Entwurf vor, der voll das Grundrecht auf Asyl bewahrt, der den vollen Rechtsschutz garantiert und der gleichzeitig auf eine wesentliche Beschleunigung der Verfahren angelegt ist. In dem neuen Entwurf, der Grundlage unserer Beratungen im Rechtsausschuß in den letzten Tagen war, ist jetzt sowohl das Verwaltungs- wie das Gerichtsverfahren umfassend, verständlich, in systematischer und übersichtlicher Ordnung dargestellt. Ich möchte ausdrücklich dem Kollegen Dr. Schöfberger danken - auch für unsere ganze Fraktion -, daß er sich als Berichterstatter der Mühe unterzogen hat, in der Osterpause diesen neuen Entwurf zu fertigen, der uns die Arbeit ganz wesentlich erleichtert hat.
({5})
Mir bleibt zum Schluß nur, die Frage zu stellen, wie es jetzt weitergehen soll. Dies ist ein Zustimmungsgesetz, und wir benötigen die Einigung von Bundestag und Bundesrat. Das Votum der Opposition heute ist nicht ausschlaggebend, aber ich möchte um Ihre Zustimmung bitten und werben, weil ich meine, daß diese Zustimmung ein Signal auch für den weiteren Verlauf des Verfahrens wäre. Es muß entschieden werden, ob die drängenden Probleme gelöst werden oder ob alles wieder hängenbleibt. Und diese Entscheidung liegt dann schließlich allein beim Bundesrat.
Vielleicht, meine Damen und Herren, wird Ihnen auf der Bundesratsseite die Entscheidung dadurch etwas erleichtert, daß dies keine Frage der parteipolitischen Konfrontation ist,
({6})
ganz einfach deswegen, weil sich, wie ich weiß, nicht nur die Mitglieder des Bundesrates aus den unionsregierten Ländern schwertun, sondern auch manche der anderen politischen Couleur, die dem Bundesratsentwurf einst teilweise angehangen sind und heute noch anhängen, viele Bedenken haben und auch sie in der Überlegung sind. Aber vielleicht erleichtert dies das Geschäft.
Ich sage Ihnen - und dies macht die enorme Schwierigkeit aus -: Der Spielraum für den Vermittlungsausschuß ist doch gering. Er ist nicht deswegen so gering, weil wir rechthaberisch wären und sagten: „Lieber lassen wir den ganzen Gesetzentwurf baden gehen, lieber verzichten wir darauf, als etwas von unseren Überzeugungen aufzugeben" - das ist nicht das Problem. Vielmehr tritt an uns doch jetzt, da wir im Hearing beinahe in einer Front in den wesentlichen Punkten gerade dessen, was Sie zentral wollen, eines Besseren belehrt worden sind, die Frage heran, ob wir in und nach einem Vermittlungsverfahren gegen unser besseres Wissen, gegen unsere neu gewonnene Überzeugung, gegen das Votum wichtigster Fachleute und Praktiker unsere Stimme abgeben können. Ich glaube, es ist genügend Zeit - es ist an Ihnen, dies zu tun -, noch einmal darüber nachzudenken, ob auch Sie eigentlich in der Lage sind, sehenden Auges und in Kenntnis der Ergebnisse des Hearings das unzweideutig Falsche zu tun. Umgekehrt ist im Detail auch noch etwas Spielraum vorhanden.
Der Kollege Dr. Bötsch hat das Identitätsverfahren angeschnitten. Als ich neulich las - um dieses Beispiel noch zu bringen -, daß die Unterlagen, die bei der Identitätsfeststellung gewonnen werden, bereits fünf Jahre nach rechtskräftiger Ablehnung eines Bewerbers vernichtet werden sollen, habe ich sofort darauf hingewirkt und auch die Zustimmung beider Berichterstatter dazu gefunden, daß diese Frist selbstverständlich auf zehn Jahre verlängert werden muß. Wo sind wir eigentlich, daß wir einerseits dem Mißbrauch die Türe versperren wollen und andererseits durch eine laxe und zu kurz bedachte Handhabung etwas tun, was dem Mißbrauch wieder Tür und Tor öffnet? In dieser Hinsicht sind wir bereit, auf alles einzugehen und über alles mit uns sprechen zu lassen.
Wir können uns doch aber schlecht über das Voturm derjenigen, die die Dinge Tag für Tag handhaben, die kundig sind, die uns ihre Auffassung dargelegt haben, die nicht nur unter verfassungsrechtlichem Aspekt, sondern auch von der Praxis her gesagt haben, was machbar ist und was nicht, einfach hinwegsetzen. Die Frage, ob Sie dies können, richtet sich jetzt an Sie. Ich hoffe dies nicht.
({7})
Meine Damen und Herren, wir haben jetzt das Vergnügen, nacheinander sechs Herren vom Bundesrat bzw. von der Bundesregierung zu hören. Sie haben uns versprochen, daß sie sich möglichst jeweils an eine Redezeit von zehn Minuten halten werden. Das wäre sehr hilfreich. Herzlichen Dank schon im voraus.
Das Wort hat der Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz, Herr Dr. Vogel.
Ministerpräsident Dr. Vogel ({0}): Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die deutschen Bundesländer und die Kommunen sind in vielfacher Hinsicht von den Folgen der Einreise und des Aufenthalts von Ausländern in der Bundesrepublik Deutschland betroffen. Erlauben Sie mir deswegen, daß ich zu diesem Thema heute hier das Wort nehme und in meiner Eigenschaft als gegenwärtiger Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz im Namen aller deutschen Bundesländer dringend an Sie den Appell richte, uns zu helfen, mit einem der schwierigsten und bedrückendsten Probleme fertig zu werden.
({1})
Wir brauchen dazu Ihre Hilfe. Das ist auch der Grund, warum heute bei der Debatte über dieses Thema hier zahlreiche Länder vertreten sind und warum mehrere meiner Kollegen vom Recht Gebrauch machen möchten, hierzu vor Ihnen zu sprechen, von einem Recht, das uns die Verfassungsväter in kluger Voraussicht dankenswerterweise eingeräumt haben.
Ich möchte gleich sagen, daß wir heute nach meiner Beurteilung einen wichtigen Schritt auf eine Lösung hin tun werden und daß ich im Gegensatz zu manchem, was in der letzten Stunde hier gesagt worden ist, der sicheren Erwartung bin, daß wir in sehr kurzer Zeit zu einer endgültigen Lösung, was diese
Ministerpräsident Dr. Vogel ({2}) Gesetzesvorlage betrifft, nicht was das ganze Thema betrifft, kommen werden.
Was mich in meiner Eigenschaft als rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten betrifft, so muß ich daran erinnern, daß die Auseinandersetzungen in einem Mainzer Studentenheim bei mir nicht ganz außer acht bleiben können. Ich weise aber darauf hin, daß sie nur einen, wenn auch besonders bedrükkenden Aspekt der Ausländerproblematik in Deutschland darstellen. Meine Damen und Herren, es darf nicht dazu kommen, daß rivalisierende politische Gruppen anderer Länder auf deutschem Boden mit Gewalt ihre unterschiedlichen Ansichten ausdrücken.
({3})
Es darf aber auch nicht dazu kommen, daß durch diese Dinge die Verhaltensweise und das Zusammenleben von Ausländern in Deutschland mit Deutschen belastet werden, weil die übergroße Mehrheit aller Ausländer mit Dingen dieser Art nichts zu tun hat.
({4})
Darum werde ich auf diese Frage hier in diesem Zusammenhang auch nicht weiter eingehen.
Herr Ministerpräsident, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schöfberger?
Ministerpräsident Dr. Vogel ({0}): Gerne, Frau Präsident.
Herr Ministerpräsident, ich gehe davon aus, daß Sie damit ein allgemeines Ausländerproblem ansprechen wollten. Glauben Sie nicht, daß § 6 des Ausländergesetzes über die politische Betätigung von Ausländern und die §§ 10 und 11 des Ausländergesetzes über die Möglichkeit der Ausweisung bei schwerwiegenden Verstößen gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung Ihnen als Ministerpräsidenten und Ihren Länderbehörden hinreichende Möglichkeiten geben, der Probleme ohne ein neues Gesetz Herr zu werden?
({0})
Ministerpräsident Dr. Vogel ({1}): Herr Abgeordneter, was den ersten Teil der Frage angeht, so verweise ich auf das, was ich gesagt habe. Ich will die erwähnten Vorgänge gerade nicht zu einem allgemeinen Thema der Ausländerpolitik machen.
Ihre zweite Frage beantworte ich mit Hinweis auf die Bemühungen meines Landes, diese Probleme zu lösen, mit allergrößter Skepsis und bitte um Verständnis dafür, daß ich mir weitere Ausführungen dazu für später vorbehalte.
Meine Damen und Herren, wir befassen uns seit Jahren mit dem Gesamtzusammenhang ausländerpolitischer Maßnahmen, insbesondere auch mit der Gefährdung unserer Integrationsanstrengungen durch eine zu große Zahl von Ausländern. Die Regierungschefs der Länder haben immer und immer
wieder - zuletzt beim Bundeskanzler im März dieses Jahres - darauf hingewiesen, daß das Asylverfahren beschleunigt werden muß, damit der mißbräuchlichen Ausnutzung des Asylrechts bis zum Inkrafttreten einer umfassenden Neuregelung wirksam begegnet werden kann.
Herr Ministerpräsident, gestatten Sie noch einmal eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Däubler-Gmelin?
Ministerpräsident Dr. Vogel ({0}): Ja, bitte schön.
Herr Ministerpräsident, wir beraten hier ja das Asylverfahrensgesetz. Würden Sie so freundlich sein, nochmals klarzustellen, daß es sich bei diesen bedauernswerten Vorgängen in Mainz nicht um Asylbewerber gehandelt hat?
Ministerpräsident Dr. Vogel ({0}): Ich weiß nicht, worauf Sie die optimistische Hoffnung stützen, daß uns erspart bleibt, daß die, die sich in Mainz als Schläger betätigt haben, jetzt etwa nicht Asylrecht beanspruchen, Frau Kollegin.
({1}) Ich bitte, das dabei zu bedenken.
({2})
- Wir werden das alles mit großer Geduld behandeln, aber bitte nicht jetzt hier bei der Beratung dieses Punktes. Nur, eins ist klar, Frau Kollegin: Gegenwärtig kann es sechs bis acht Jahre dauern, bis endlich rechtskräftig festgestellt wird, ob einem Ausländer ein Asylanspruch zusteht oder nicht.
({3})
- Gegenwärtig ist das geltende Lage. - Mit einer Beschleunigung des Verfahrens ist vor allem denjenigen gedient - das übersehen Sie mitunter -, die tatsächlich unter politischer Verfolgung leiden.
({4})
Wenn wir das Problem nicht lösen, besteht doch die Gefahr, daß wir denen, denen wir wirklich helfen wollen, nicht mehr helfen können. Das ist doch das, was uns dabei bleibt.
({5})
Im übrigen soll aber auch denen, die hier nicht Asyl erfahren können, der Weg zurück in die Heimat rechtzeitig gewiesen werden. Denn je länger sie hier bleiben, um so schwerer fällt ihnen natürlich die Wiedereingliederung in ihre Heimat. Vor allen Dingen kann aber den Ländern und Gemeinden ein jahrelanges Warten auf eine rechtskräftige Entscheidung über die Gewährung des Asylrechts nicht länger zugemutet werden, weil sie während der Dauer des Asylverfahrens für die Asylbewerber und ihre Familien, wie Sie wissen, aufkommen müssen. Dabei ist der Hinweis auf die Kosten für Betreuung, Unterbringung und Verpflegung nicht alles, um die Dimension des Problems zu verdeutlichen. EntscheiMinisterpräsident Dr. Vogel ({6})
dend ist, daß die immer noch zu hohe Zahl der ins Land einströmenden Asylbewerber - doch für jedermann erkennbar - eine Belastung für unsere ganze Integrationspolitik darstellt und dazu beiträgt, daß die Eingliederung der ausländischen Arbeitnehmer der zweiten und dritten Generation noch mehr erschwert oder gar unmöglich gemacht wird.
({7})
In einem Entschließungsantrag, den Sie im Februar dieses Jahres hier in diesem Hohen Hause erörtert haben, wird bedauert, daß das Verständnis der deutschen Bevölkerung für die Lebenssituation der hier seit langem wohnenden und arbeitenden ausländischen Arbeitnehmer durch den häufigen Mißbrauch des Asylrechts erschwert worden ist. Meine Damen und Herren, das ist richtig. Nur, es führt nicht weiter, sich in Resolutionen darüber zu beklagen. Selbstverständlich muß für die ausländischen Arbeitnehmer und ihre Familien, die auf Grund von Anwerbeverträgen hierher gekommen sind, etwas anderes gelten als für die Ausländer, die unter mißbräuchlicher Berufung auf das Asylrecht eingereist sind. Das ist doch der Grund, warum wir von seiten des Bundesrates seit zwei Jahren auf eine weitere Beschleunigung des Asylverfahrens drängen.
Das heute in diesem Hause zu verabschiedende Gesetz ist sicher nicht das letzte Wort. Es liegen bereits Ankündigungen weiterer ausländerrechtlicher Gesetzesvorhaben durch die Bundesregierung vor; es liegen bereits weitere Gesetzesinitiativen der Länder vor. Die Regelungen, die das geltende Ausländergesetz, das gerade zitiert worden ist, über das Asylverfahren enthält, sind seit langem überholt. Sie sind zu einer Zeit getroffen worden, als jährlich ein paar hundert Asylbewerber in die Bundesrepublik kamen. Man hat lange Zeit geglaubt, auch ohne die längst fällige Neuregelung auskommen zu können.
Das Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber aber dann geradezu gedrängt, endlich gesetzliche Regelungen zu treffen. Es hat ihm aber zugleich einen großen Gestaltungsfreiraum eingeräumt.
Allerdings sind die dringenden Appelle des Bundesverfassungsgerichts und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für die Bundesregierung leider kein Anlaß gewesen, selbst einen eigenen Entwurf vorzulegen. Meine Damen und Herren, es muß doch auch erlaubt sein festzuhalten: Die Bundesregierung hat in dieser drängenden Frage seit Jahren selbst nicht die Initiative ergriffen.
({8})
Wir, die Länderregierungen, waren es, die, wie Sie alle wissen, die Initiative ergriffen haben. Danach, im Oktober 1981, waren es die Fraktionen von SPD und FDP, die einen Gesetzentwurf zum Asylverfahren vorgelegt haben, nachdem der Entwurf des Bundesrates bereits über ein Jahr vorlag.
Die sichere Erwartung der Länder, daß ein Gesetzentwurf, der vom Bundesrat einstimmig beschlossen worden ist, im Bundestag bald verabschiedet werden würde, hat sich nicht bewahrheitet. Die Bundesregierung hat bei der Zuleitung des Gesetzentwurfs erhebliche Bedenken gegen die vom Bundesrat vorgesehenen Verfahrensregelungen vorgebracht und sich darauf berufen, daß das Grundrecht auf Asyl nicht unter einem Gesetzesvorbehalt steht.
Herr Ministerpräsident, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Hirsch?
Ministerpräsident Dr. Vogel ({0}): Bitte schön.
Herr Ministerpräsident, würden Sie sich bei der Aufzählung der Chronologie dann bitte auch dazu äußern, daß der Bericht der von Bund und Ländern gemeinsam eingesetzten Arbeitsgruppe vom Juni vergangenen Jahres eindeutig ergeben hat, daß der Gesetzentwurf des Bundesrates eben nicht ausreicht, um alle anhängigen Probleme zu lösen, und es deswegen notwendig war, ein Gesetz wie dieses vorzulegen, das auch die Verwaltungsverfahrensprobleme löst, die in Ihrem Entwurf überhaupt nicht behandelt wurden?
({0})
Ministerpräsident Dr. Vogel ({1}): Herr Kollege, die Meinung, die ich Ihnen ja nicht in Frage stelle, daß ein Entwurf nicht hinreicht, ist keine Entschuldigung, über viele Monate in einer lebenswichtigen Frage gar nichts zu tun.
({2})
Ich will im Augenblick, weil ich ja, wie Sie merken, dazu beitragen möchte, zu einer Lösung zu kommen, nicht über inhaltliche Fragen, die vergangen sind, reden, sondern ich möchte darüber reden, daß die deutschen Gemeinden und Städte und die deutschen Länder in dieser Frage seit Jahr und Tag eine unerträgliche Last tragen und daß Sie uns bitte helfen sollen, sie zu beheben.
({3})
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Hirsch?
Ministerpräsident Dr. Vogel ({0}): Allerdings mache ich dann darauf aufmerksam, daß ich nicht nur zehn Minuten brauche.
Das muß ich Ihnen zugeben, Herr Ministerpräsident. - Bitte.
Herr Ministerpräsident, ist es dann nicht um so unverständlicher, wenn die Anhörung im Rechtsausschuß, von der der Kollege Engelhard gesprochen hat, gezeigt hat, daß der Gesetzentwurf des Bundesrats selbst die Gebiete, die er regeln wollte, nicht hat regeln können, sondern unbrauchbar war?
({0})
Ministerpräsident Dr. Vogel ({1}): Durch nichts, was Sie hier als Ihre Meinung vortragen, entkräften Sie meine Feststellung, daß mehr als ein Jahr für eine Lebensfrage zu lang ist und daß sie
Ministerpräsident Dr. Vogel ({2})
rascher hätte entschieden werden müssen, daß sie aber wenigstens jetzt entschieden werden muß. Das ist doch der Grund, warum ich hier stehe.
({3})
- Dazu möchte ich Ihnen gleich sagen: So haben wir nun nicht gewettet, daß die einen 14 Monate brauchen, um eine Entscheidung zu treffen, und die anderen ungesehen dann in 14 Stunden zustimmen sollen. Das ist keine gemeinsame Umgangsform zwischen zwei Parlamenten, die Hochachtung voreinander haben.
({4})
Meine Damen und Herren, was die endgültige, nun zur Entscheidung anstehende Vorlage betrifft, die nach der erwähnten erheblichen Verzögerung zustande gekommen ist, so sage ich noch einmal: Sie stellt einen Schritt in die richtige Richtung dar, aber sie hat - das ist ja unbestritten - wichtige Forderungen des Bundesrates übergangen. Deswegen wird über dieses Gesetz heute morgen in diesem Haus noch nicht das letzte Wort gesprochen werden können. Ich gehe davon aus, daß zahlreiche Länder an drei Punkten, die Sie nicht berücksichtigt haben, festhalten und auf die Einfügung dieser drei Punkte in das heute vorliegende Gesetz dringen werden.
Erstens werden sie darauf bestehen, daß die Ausländerbehörden die Befugnis erhalten, über offensichtlich unbegründete Asylanträge ohne Einschaltung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zu entscheiden und sofort vollziehbare Maßnahmen zur Beendigung des Aufenthalts zu ergreifen.
Zweitens. Es müssen wirksamere Maßnahmen getroffen werden, damit auch die gerichtlichen Verfahren entschieden abgekürzt werden. Dies gilt für den vorläufigen Rechtsschutz, aber auch für das Verfahren in der Hauptsache.
Drittens. Das erst in den Ausschußberatungen eingefügte Verfahren zur Verteilung der Asylbewerber stößt bei uns auf Bedenken. Die vorgesehene Verteilung löst nicht das Problem des Zustroms der Flüchtlinge, die aus wirtschaftlichen Gründen zu uns kommen, sondern schafft neue Probleme, wie die Erfahrungen gezeigt haben. Das Asylverfahren wird dadurch nicht beschleunigt, sondern verlängert. Sie schaffen durch diese Hinzufügung einen neuen Grund, langwierige Prozesse zu führen. Wir werden Vorschläge zur Änderung und zur Verkürzung in diesen drei von mir erwähnten Punkten machen.
Lassen Sie mich noch hinzufügen: Draußen hört man gelegentlich, die Gesamtzahl der Asylbewerber im Jahr 1981 sei j a gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen, das Problem nehme ab. Dieser Überlegung möchte ich widersprechen. Auch die Aufnahme von jährlich zusätzlich 50 000 Menschen führt zu
kaum lösbaren Problemen für Länder und Gemeinden. Auch die Länder, die wie beispielsweise Rheinland-Pfalz ein Landesaufnahmegesetz zur möglichst gleichmäßigen Verteilung über das Land hin haben, stoßen auf immer größere Schwierigkeiten, wenn sie Städte und Landkreise zwingen müssen, neue Bewerber aufzunehmen.
Ich muß hier eben sagen, daß der Deutsche Städtetag zu den Institutionen gehört, die seit langem mit besonderer Eindringlichkeit die Dauer der Asylverfahren kritisiert haben. Im Januar 1982 hat der Städtetag eine Dokumentation hierzu vorgelegt. In nicht weniger als 32 Resolutionen hat der Städtetag seit 1975 Bundesregierung und Bundestag aufgefordert, sich des Problems der Asylbewerber anzunehmen, und hat zur Lösung der Probleme praktische Vorschläge gemacht.
Übergreifend möchte ich Sie darauf hinweisen, daß es doch wohl unser gemeinsames Bemühen ist, in Deutschland keine neue Ausländerfeindlichkeit entstehen zu lassen und sie dort, wo sie entstanden ist, zu bekämpfen. Bitte sehen Sie den Zusammenhang zwischen den beiden Themen! Wenn wir nicht glaubhaft des ungewollten Scheinasylantenstroms Herr werden, werden wir die Ansätze zur Ausländerfeindlichkeit in Deutschland nicht wieder aus der Welt schaffen.
({5}) Das ist unsere eigentliche Aufgabe.
Die Angst, die mitunter unbegründete Angst, Fremder im eigenen Land zu werden, darf doch nicht leichthin abgetan werden. Sie ist geeignet, die Grundlagen unseres sozialen Friedens in Frage zu stellen; denn Angst ist immer ein schlechter Ratgeber.
({6})
Wir alle - ich hoffe, daß ich das sagen darf - wollen den Menschen in Not in der Welt helfen, aber wir können ihnen nicht dadurch helfen, daß wir sie alle ins eigene Land holen. Dadurch werden wir die Not hier nur so groß machen, daß Hilfe für andere nicht mehr möglich ist.
Ich bedanke mich dafür, daß ein Schritt getan worden ist, der zu einer Lösung führen kann. Ich biete von seiten des Bundesrates die Bemühung um eine endgültige Lösung an. Ich mache aber darauf aufmerksam, daß die Diskussion hinsichtlich der drei angesprochenen Punkte noch fortgesetzt werden muß. - Vielen Dank.
({7})
Das Wort hat der Ministerpräsident Börner.
Ministerpräsident Börner ({0}): Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Flughafen Frankfurt ist Einfallstor für Asylbewerber. Das Land Hessen ist daher von dem Zustrom der Asylbewerber besonders betroffen. Obgleich die Zahl der Asylbewerber seit 1980 rückläufig ist, hat Hessen immer noch einen Überhang von 1 500 Asylbewerbern. Im Jahr 1981 hat das Land allein auf Grund seiMinisterpräsident Börner ({1})
nes Aufnahmegesetzes 22,4 Millionen DM für die Asylbewerber aufzubringen gehabt. Die von uns in Eschborn errichtete Gemeinschaftsunterkunft war alsbald überbelegt.
Die Landesregierung hat sich daher für den im Dezember 1980 vom Bundesrat einstimmig eingebrachten Gesetzentwurf eingesetzt, um das Asylverfahren zu beschleunigen.
Obwohl die Länder immer wieder eine baldige Verabschiedung dieser gemeinsamen Bundesratsinitiative gefordert haben, berät der Bundestag leider erst heute abschließend über die Neuregelung des Asylrechts. Diese Verzögerung hat bei Ländern und Gemeinden gelegentlich den Eindruck erweckt, daß Mitglieder dieses Hohen Hauses über die Schwierigkeiten vor Ort nicht hinreichend unterrichtet sind.
({2})
Bundestag und Bundesrat sollten sich nunmehr rasch auf gesetzliche Regelungen verständigen, welche die Dauer der Asylverfahren unter Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze abkürzen und dem Mißbrauch des Asylrechts vorbeugen.
Ich sehe in dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen einen gangbaren Weg, auch wenn er nicht in jeder Hinsicht den Vorstellungen der hessischen Landesregierung entspricht; dies gilt insbesondere für die Einführung des Einzelrichters, die wir gefordert haben.
Meine Damen und Herren, die Ausgestaltung des Asylverfahrens darf das vom Grundgesetz gewährleistete Asylrecht für politisch Verfolgte nicht antasten.
({3})
Dieses Grundrecht spiegelt eine leidvolle Erfahrung unserer Geschichte wider. Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht von ungefähr das einzige Land der Welt, das politisch Verfolgten einen einklagbaren Schutzanspruch gewährt. Die Väter unserer Verfassung haben in der Nazizeit erlebt, was es heißt, politischer Verfolgung ausgesetzt zu sein, und was es bedeutet, Aufnahme in einem anderen Land zu finden. Sie wollten gewährleisten, daß die Bundesrepublik diese Aufnahme anderen politisch Verfolgten vergilt. Sie wollten mit dem Recht auf Asyl neue Maßstäbe internationaler Humanität setzen.
({4})
Ich sage deshalb: Unser Land muß daher auch künftig politisch Verfolgten offenstehen.
In den letzten Jahren suchen jedoch zunehmend Bewerber um Asyl nach, die nicht wegen politischer Verfolgung, sondern aus anderen, vornehmlich wirtschaftlichen Gründen zu uns kommen. Wir sind daher gefordert, für ein zugleich zügiges und sorgfältiges Asylverfahren Sorge zu tragen. Zu einem rechtsstaatlichen Verfahren gehört auch, daß Rechtsschutz in angemessener Zeit gewährt wird. Ich möchte hier nicht erörtern, inwieweit der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen diesen Erfordernissen gerecht wird. Dies möchte ich den Beratungen des Bundesrates vorbehalten.
Auf eine Regelung allerdings möchte ich eingehen. Der Gesetzentwurf sieht vor, daß Asylbewerber künftig nach Quoten auf alle Länder verteilt werden. Ich begrüße diese Regelung, weil sie auch die Länder in die Pflicht nimmt, die sich einer Aufnahme von Asylbewerbern bisher verschlossen haben.
({5})
Mit dieser Regelung entfällt allerdings ersatzlos die Vorschrift des Ausländergesetzes, nach der die Bundesregierung die Sammellager für Asylbewerber bestimmt. Die finanziellen Konsequenzen dieser Vorschrift sind bisher nicht ausgelotet. Sie können jedoch Bedeutung in dem Prozeß gewinnen, den die Stadt Frankfurt derzeit gegen das Land Hessen mit dem Ziel führt, sich die Aufwendungen für die Betreuung der Asylbewerber erstatten zu lassen. Zu diesem Prozeß ist der Bund beigeladen.
Ich möchte dazu zweierlei bemerken: Erstens. Wenn die Bestimmung über die Sammellager künftig ersatzlos entfällt, bedeutet das nicht, daß der Bund damit von finanziellen Verpflichtungen aus der Vergangenheit entbunden ist. Zweitens. Da der Bund nach dem Gesetzentwurf keinerlei Kosten für die Betreuung der Asylbewerber zu tragen hat, sind die Belastungen der Länder bei den bevorstehenden Umsatzsteuerverhandlungen zu berücksichtigen.
({6})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, da ich eingangs den Flughafen Frankfurt erwähnt habe und nun bei den Finanzen bin, möchte ich - vor allen Dingen Ihnen gegenüber, Herr Bundesinnenminister - auf eine weitere Sorge des Landes hinweisen. Der Bund unterstützt das Land bei der Sicherung des Flugverkehrs durch den Grenzschutz. Wegen der nationalen und internationalen Bedeutung des Frankfurter Flughafens hat er seit 1970 darauf verzichtet, dem Land für diesen Einsatz Mehrkosten in Rechnung zu stellen. Diesen Verzicht haben Sie, Herr Bundesminister Baum, nunmehr widerrufen.
({7})
Ich halte diesen Schritt nicht für einen geeigneten Beitrag zur gemeinsamen Erfüllung von Aufgaben von übergeordneter Bedeutung durch Bund und Länder und gehe davon aus, daß das letzte Wort in dieser Sache noch nicht gesprochen ist.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich schließen. Eine Beschleunigung der Asylverfahren ist dringend. Wir sollten jedoch die notwendige Diskussion darüber nicht mit den Problemen der ausländischen Arbeitnehmer verquicken.
({8})
Wer diesen Weg geht, leistet einen nicht zu verantwortenden Beitrag dazu, die leider zunehmenden Vorbehalte gegen Ausländer zu fördern und die Integrationsbemühungen zu erschweren.
({9})
Ich halte es für notwendig, über vernünftige Verfahrensregelungen zu streiten. Ich halte es für vertretbar, in diesem Hohen Hause Unmut wegen einer zu zögerlichen Beratung einer Gesetzesinitiative des Bundesrates zu äußern. Ich halte es jedoch für
Ministerpräsident Börner ({10})
unverantwortlich, Asyl- und Ausländerprobleme zu parteipolitischen Schlagstöcken für Demagogen zu machen.
({11})
Streiten wir, meine Damen und Herren, daher in den bevorstehenden Debatten um die vernünftigste Verfahrensregelung, um nicht mehr, aber auch um nicht weniger!
({12})
Das Wort hat Herr Bundesminister Schmude.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! An die Schlußbemerkung des Ministerpräsidenten Börner kann ich sogleich anknüpfen, wenn ich sage: Wir sind auch den Ausländern, die zu uns kommen, Gerechtigkeit schuldig, und dazu gehört die Bereitschaft, Ungleiches zu unterscheiden, statt es kurzerhand über einen Leisten zu schlagen.
({0})
Unter den hier lebenden Ausländern macht - das hat Herr Börner nicht erwähnt, aber es gehört zu seiner Bemerkung - die Gruppe der Asylbewerber nur einen kleinen Prozentsatz aus, die der anerkannten Asylanten einen noch viel kleineren. Der Druck des sogenannten Ausländerproblems darf uns also nicht dazu verleiten, es gerade im Asylbereich lösen zu wollen. Hier gelten besondere Grundsätze, vor allem besondere Rechtsnormen, und was hier Recht ist, muß ganz und gar unabhängig davon festgestellt werden, ob z. B. am Arbeitsmarkt gerade ein Bedarf an ausländischen Arbeitskräften oder ein Überschuß besteht.
({1})
„Politisch Verfolgte genießen Asylrecht." Mit diesen knappen Worten legt unser Grundgesetz den unverrückbaren Rahmen auch für das Asylverfahren fest. Das heißt, der politisch Verfolgte muß schnell und zuverlässig geschützt werden. Dem Bewerber, der aus anderen Gründen bei uns Aufenthalt sucht, muß - auch in seinem Interesse - bald gesagt werden, daß er kein Asyl erhält.
Der heute vorliegende Entwurf eines Asylverfahrensgesetzes wird beiden Zielen gerecht. Seine Regelungen werden das Verfahren beschleunigen und gleichwohl die Rechte des politisch Verfolgten wirksam schützen.
Dieser Entwurf ist das Ergebnis intensiver parlamentarischer Beratungen. Die dafür aufgewendete Zeit ist mit Gewinn für gründliche Überlegungen und Beratungen genutzt worden.
({2})
„Mit Gewinn", das sage ich auch an die Adresse des Ministerpräsidenten Vogel, der uns aus triftigem Grund für einige Zeit verlassen mußte.
({3})
Er hat die - wie er es sieht - Verzögerung beanstandet, aber er mag zur Kenntnis nehmen: In dieser Beratungszeit sind entscheidende Verbesserungen in den Entwurf hineingekommen. Wenn er im übrigen die Initiative der Bundesregierung vermißt, so wird j a Ihnen allen in diesem Hause klar sein, daß die Bundesregierung am Zustandekommen des Koalitionsentwurfes und auch an den Beratungen ihren Anteil hat. Nun noch eine besondere Initiative zu ergreifen, hätte nichts beschleunigt.
({4})
Wesentliche Impulse hat bei diesen Beratungen die schon von Herrn Engelhard gewürdigte öffentliche Anhörung von Praktikern vor dem Rechtsausschuß am 12. März erbracht. Die dabei gegebenen Anregungen wurden aufgegriffen. Der Gesetzentwurf ist dadurch entscheidend verbessert worden; übrigens hat auch seine Sprache gewonnen. Dem hohen Rang der betroffenen Rechte ist diese sorgfältige Sachbehandlung durchaus angemessen.
({5})
Im übrigen hat die Anhörung Aufschluß über Verfahrensverzögerungen aus organisatorischen und verwaltungstechnischen Gründen erbracht - Herr Schöfberger hat darauf schon hingewiesen -, aus Gründen, die durch gesetzgeberische Maßnahmen nicht auszuräumen sind. Die Praktiker berichten, daß Verfahren sich um viele Monate nur deshalb verzögern, weil es an Schreibkräften und Dolmetschern fehlt. Solche und ähnliche Schwachstellen können und müssen beseitigt werden. An den Kosten darf das nicht scheitern. Es wäre unverantwortlich, den Rechtsschutz in den für die Betroffenen existenzwichtigen Asylverfahren drastisch einzuschränken, weil man die Geldmittel für die verwaltungstechnische Verfahrensbeschleunigung nicht aufwenden will.
Der vorliegende Entwurf enthält überzeugende Lösungen sowohl für das Verwaltungs- als auch für das Gerichtsverfahren. Das Verwaltungsverfahren wird so ausgestaltet, daß das gerichtliche Verfahren zügiger ablaufen kann. Durch die Pflicht der Behörde, den Asylbewerber persönlich anzuhören, wird vermieden, daß vor Gericht das nachgeholt werden muß, was zweckmäßigerweise schon im Verwaltungsverfahren erfolgt.
Auch die Vorschriften über die Zustellung haben eine erheblich beschleunigende Wirkung. Der relativ häufige Wohnsitzwechsel hat in der Vergangenheit bei Asylbewerbern zu beträchtlichen Verzögerungen geführt, weil die neue Anschrift nicht ermittelt werden konnte. Dieser Zeitverlust wird entfallen, wenn der Asylbewerber künftig Zustellungen und Mitteilungen unter der letzten Anschrift, die er angegeben hat, gegen sich gelten lassen muß.
Die Bundesregierung begrüßt besonders, daß die Zulassungsberufung allseits als ein geeignetes Mittel angesehen wird, um das gerichtliche Verfahren zu straffen. Der Katalog der Zulassungsgründe soll auf die unumgänglich notwendigen Fälle der grundsätzlichen Bedeutung, der Divergenz und der schwerwiegenden Verfahrensmängel beschränkt
werden. Diese Zulassungsberufung wird darüber hinaus die dringend erforderliche Entlastung des Bundesverwaltungsgerichts bringen. Den Richtern des Bundesverwaltungsgerichts danke ich an dieser Stelle ausdrücklich für ihren engagierten Arbeitseinsatz. Nach der Einführung der Zulassungsberufung im Asylrecht wird das Gericht seiner eigentlichen Aufgabe, die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu wahren und das Recht fortzuentwickeln, wieder verstärkt Aufmerksamkeit widmen können.
Über die im Entwurf vorgesehene Regelung für offensichtlich unzulässige oder offensichtlich unbegründete Klagen bestehen - wir haben das auch in dieser Debatte wieder gehört - unterschiedliche Auffassungen. Rechtsausschuß und Bundesregierung sind sich allerdings darin einig, daß für Asylbegehren, die erkennbar aussichtslos sind, ein selbstverständlich rechtsstaatliches, aber gestrafftes Verfahren zur Verfügung stehen muß. Nur so kann den Ausländern wirksam begegnet werden, die zu asylfremden Zwecken einreisen und hier Aufenthalt suchen.
Die Opposition und einige Länder möchten in den offensichtlich unbegründeten Fällen den Rechtsschutz auf das Eilverfahren über den Aufschub der Vollstreckung beschränken, ohne die sonst in diesen Verfahren übliche Beschwerdemöglichkeit. Für die erste Prüfung soll dabei dann auch noch die Ausländerbehörde zuständig sein. In der öffentlichen Anhörung haben sich die schon vorher bestehenden Zweifel an einem derartigen Rechtsschutzmodell weiter verstärkt. Keiner der angehörten Richter verspricht sich davon eine Beschleunigung der Verfahren. Im Gegenteil, die Praxis befürchtet, daß die Gerichte durch die von Bundesrat und Bundestagsopposition empfohlene Lösung letztlich in noch größerem Umfang belastet werden würden. In vielen Fällen werde das einstweilige Verfahren faktisch zu einem Hauptsacheverfahren werden, weil es unvermeidlich sei, den Asylbewerber anzuhören und Beweise zu erheben. Zudem sei absehbar, daß sich nicht selten an das einstweilige Verfahren nach dessen Abschluß ein Verfahren in der Hauptsache anschließen werde.
Der für das einstweilige Verfahren vom Bundesrat wie von der Opposition vorgeschlagene Rechtsmittelausschluß würde gerade in dem sensiblen Bereich des Asylrechts eine Nachprüfung der Entscheidung völlig ausschließen und damit gerade hier ein ausgeprägtes Sonderrecht schaffen. Wir sollten es doch nicht erst darauf ankommen lassen, daß uns nach Fehlentscheidungen und Abschiebungen die schrecklichen Folgen für die Betroffenen in der Presse vorgeführt werden, sondern von vornherein eine gewisse Korrekturmöglichkeit belassen. Sonst würden wir auch in Kauf nehmen, daß der Rechtsmittelausschluß zu einer nicht mehr kalkulierbaren Belastung des Bundesverfassungsgerichts führt. Entfiele die Möglichkeit einer Nachprüfung der erstinstanzlichen Gerichtsentscheidung, würde das ohnehin stark belastete Bundesverfassungsgericht nach aller Voraussicht mit Verfassungsbeschwerden von Asylbewerbern überhäuft, die sich auf eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör berufen. Nur die Möglichkeit, Verfahrensfehler innerhalb der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu beheben, hält das Bundesverfassungsgericht von einem Geschäftsanfall frei, den es nach seiner Aufgabenstellung und auch nach seiner Ausstattung gar nicht bewältigen könnte.
({6})
Das ist in der gegenwärtigen Zeit nicht der Fall; aber wir würden einen neuen Strom von Verfassungsbeschwerden dorthin lenken. Dieser Punkt ist bisher in der Debatte noch nicht erwähnt worden, und ich empfehle ihn deshalb nachdrücklich Ihrer Aufmerksamkeit. Deshalb ist die Regelung des vorliegenden Gesetzentwurfs unverzichtbar, die eine vollständige gerichtliche Überprüfung des Asylbescheids und die weitere Überprüfung dieser Entscheidung zumindest in einem kurzen Beschwerdeverfahren ermöglicht, in dem es darum geht, ob in der ersten Instanz ein schwerwiegender Verfahrensfehler geschehen ist.
Namens der Bundesregierung danke ich dem Rechtsausschuß für seine gründliche und überaus ergiebige Arbeit. In seiner vorliegenden Gestalt wird der Entwurf eine weitgehende Beschleunigung der Asylverfahren ermöglichen. Gleichzeitig verwirklicht er in ausreichendem Maß das vom Grundgesetz verbürgte Recht auf wirksamen Rechtsschutz. Den sprichwörtlichen kurzen Prozeß, zu dem uns Herr Schöfberger schon einige einprägsame Worte gesagt hat, wird es dabei nicht geben, und es darf ihn auch nicht geben. Wer den rigorosen Abbau des Rechtsschutzes im Verfahren über das Asylrecht fordert, mag auch die Präzedenzwirkung bedenken und scheuen. Wo es dann um weniger wichtige andere Rechte geht, würde man sich der Forderung nach gleichartigen und auch weiter reichenden Einschnitten in den Rechtsschutz nicht entziehen können
({7})
Bedenken wir bitte, daß der Asylanspruch in der Bundesrepublik Deutschland aus guten Gründen den hohen Rang eines Grundrechts erhalten hat. Ich bin Herrn Ministerpräsidenten Börner dankbar dafür, daß er an diese Gründe erinnert hat.
({8})
Allzu viele haben diese Gründe, die notvollen Erlebnisse deutscher Emigranten während der Naziherrschaft leider vergessen oder verdrängt.
({9})
Erich Maria Remarque schildert solche Emigrantennot in seinem Buch „Die Nacht von Lissabon" mit den Worten:
Der Emigrant muß verbluten im Gestrüpp der verweigerten Ein- und Ausreisevisa, der unerreichbaren Arbeits- und Aufenthaltsbewilligungen, der Internierungslager, der Bürokratie, der Einsamkeit, der Fremde und der entsetzlichen allgemeinen Gleichgültigkeit gegen das Schicksal des einzelnen, die stets die Folge von Krieg,
Angst und Not ist. Der Mensch ist nichts mehr, ein gültiger Paß ist alles.
Lassen wir uns, meine Damen und Herren, bitte von diesen Worten anrühren und daran erinnern, daß es beim Asylrecht auch um unsere eigene Sache geht, um Grundsätze und Maßstäbe, an denen wir messen lassen müssen, was wir aus unserer Vergangenheit gelernt haben.
({10})
Lassen wir uns nicht durch eine Diskussion über Zahlen und Probleme davon ablenken, daß es bei den Asylbewerbern um Menschen geht, um viele und doch jeweils einzigartige menschliche Schicksale. Daß wir das wissen und ernsthaft Konsequenzen daraus ziehen, muß, ob es nun im Einzelfall zur Ablehnung oder Anerkennung kommt, auch künftig in unserem Asylrecht und in unserer Asylpraxis sichtbar sein. Ich bin der Überzeugung, daß der vorliegende Gesetzentwurf das gewährleistet, und empfehle ihn deshalb nachdrücklich zur Annahme.
({11})
Das Wort hat der Herr Senator des Innern, Herr Lummer.
Senator Lummer ({0}): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gerade die letzten Worte des Justizministers verdienen es, daß man daran anknüpft und vielleicht den Versuch macht, zumindest da Einigkeit herzustellen, wo es wohl am wichtigsten ist, in der Frage der Beweggründe, Zielvorstellungen und Motivlagen. Denn auch hier gibt es j a gelegentlich Meinungsverschiedenheiten, oder da werden einem Dinge verdreht, die man denkt und sagt. Manche meinen z. B., wenn sich da jemand für die Verschärfung des sogenannten Demonstrationsstrafrechts einsetze, verfolge er das Ziel, das Demonstrationsrecht auszuhöhlen. Tatsächlich aber geht es gerade darum, dieses Recht zu bewahren, und zwar vor Mißbrauch zu bewahren.
Genauso ist es wohl bei der allgemeinen Ausländerpolitik. Manche meinen, derjenige, der versucht, Maßnahmen zu ergreifen, die die Zahl begrenzen sollen, führe ein Stück Ausländerfeindlichkeit im Schilde, wo doch gerade das Gegenteil richtig ist: durch eine zahlenmäßige Begrenzung zu erreichen, daß Integration möglich bleibt und Ausländerfeindlichkeit verhindert wird.
Genauso, meine ich, ist es hier. Mit einschränkenden Bestimmungen des Asylverfahrensrechts soll ja doch nicht das Recht auf Asyl ausgehöhlt, sondern gerade vor Mißbrauch bewahrt werden,
({1})
auch davor bewahrt werden, daß das Wort Asylant schlicht und einfach zu einem Schimpfwort wird.
({2})
Die Problematik, die wir doch haben, liegt ganz offenkundig in den langen Verfahren.
({3})
Dadurch entsteht ja jener Reiz, dieses Recht in Anspruch zu nehmen. Da ist gewiß manchmal Not im Spiele, auf die Herr Schöfberger zu Recht hingewiesen hat,
({4})
Elend vielleicht gar. Aber manchmal ist es auch etwas anderes. Berlin, das besonders gekennzeichnet ist von einer großen Zahl aus dem arabischen Raum kommender Asylbewerber, wird von diesen nicht sagen können, daß hier Not das primäre Element ihres Verhaltens und Handelns ist. Auch das muß man ja im Gesamtzusammenhang sehen. Aber es ist klar, jenes wirtschaftliche Gefälle in der Welt ist eine elementare Kraft, dorthin zu drängen und dorthin zu gehen, wo es einem eben besser gehen könnte. So enthält ja doch, wie mir scheint, unser Asylrecht, wie es bisher war, für viele Menschen in der Welt geradezu die Offerte: Willst du sechs bis acht Jahre in der Bundesrepublik Deutschland leben - und möglicherweise kostenlos -, dann gehe an die Grenze und sage: Asyl. Das ist nicht erfunden. Das wird in mancher Zeitung in diesen Ländern ja doch genauso verbreitet, spricht sich auf diese Weise eben herum und führt zu dem Mißbrauch, den wir haben.
Nun, meine Damen und Herren, darüber soll nicht weiter geredet sein. Das alles ist ja inzwischen bekannt, erkannt, und es ist auch die Meinung klar, daß dagegen etwas getan werden muß.
Heute diskutieren wir j a, wenn sie so wollen, über den dritten Schritt zur Beschleunigung des Asylverfahrens. Es war nicht der erste. Es ist der dritte. Nun ja, da sage ich ganz schlicht und einfach: Den dritten Schritt hätten wir schneller tun sollen; dann wäre es besser gewesen, nicht nur aus Gründen der Kosten.
Aber ich sage auch: Manche haben ja schon beim zweiten Schritt gesagt, damit habe man jene prekäre Grenze erreicht, die zu überschreiten man aus rechtsstaatlichen, verfassungsrechtlichen und humanitären Gründen nicht in der Lage sei. Und doch haben wir erkennen müssen, daß diese Grenze nicht ausgereicht hat, sondern daß wir gezwungen waren, Zusätzliches zu tun, und zwar - Herr Engelhard, damit greife ich ein Wort auf, das Sie verwendet haben - unter dem Druck der Verhältnisse. Unter dem Druck der Verhältnisse ist das geschehen.
Und wenn wir heute den dritten Schritt tun, weiß niemand mit Sicherheit, ob es der letzte sein kann. Das wünschen wir uns alle. Herr Schöfberger, ich wünsche mir wie Sie - und ich meine, das wäre ja auch fast ausreichend -, daß die Verfahren auf unter ein Jahr zusammengekürzt werden. Aber ob sich das erfüllt? Das bleibt unsere gemeinsame Hoffnung. Und die Verhältnisse, Herr Engelhard, werden uns lehren, ob es ausreicht oder ob wir uns wieder mit diesem Thema zu beschäftigen haben, einem Thema, das zweifellos wichtig ist und das ja zum Teil auch in sich Dramatik enthält.
Insofern ist es natürlich bedauerlich, daß darüber nicht vollständige Einigkeit herrscht. Dieses Thema ist eben von so großer Wichtigkeit.
Aber es ist für alle, die dort auf der Bank sind, sicher tröstlich, zu wissen, daß hier nicht über
Senator Lummer ({5})
Schlechtes gestritten wird, sondern daß es nur um Gut und Besser geht. Das, meine ich, sollte man in der Sache unterstreichen.
Herr Bürgermeister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Löffler?
Senator Lummer ({0}): Gewiß doch.
Bitte.
Sehr geehrter Herr Senator und sehr geehrter Herr Bürgermeister - Sie sind ja in doppelter Funktion hier -, muß ich Ihre Ankündigung eben so verstehen, daß Sie einen vierten Schritt erwägen und dieser vierte Schritt so aussähe, daß wir unser Grundgesetz mit seinen Bestimmungen über Rechtsstaatlichkeit und über Gewährung von politischem Asyl ändern wollen?
({0})
Senator Lummer ({1}): Nein, Herr Kollege Löffler, das dürfen Sie nicht so werten. Sie wissen doch - Herr Vogel hat schon einiges angedeutet, was im Vermittlungsausschuß eine Rolle spielt -: Zwischen diesem Schritt - den sich niemand wünscht; ich jedenfalls nicht - und dem, was jetzt ist, gibt es immer noch einen beachtlichen Zwischenraum, den auszufüllen man in der Lage ist.
({2})
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?
Senator Lummer ({0}): Ja, wer ist nun dran?
Der Kollege Löffler nochmals.
Senator Lummer ({0}): Bitte.
Ganz klar, Herr Bürgermeister: An das Grundgesetz wollen Sie nicht ran, und Sie treten dafür ein, daß seine Bestimmungen voll in der Praxis verwirklicht werden?
Senator Lummer ({0}): Ich hoffe, daß uns der Druck der Verhältnisse nie zwingen wird, das zu tun.
({1})
Herr Bürgermeister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Klein?
Senator Lummer ({0}): Bitte.
Herr Dr. Klein.
Herr Bürgermeister, könnten Sie den Kollegen von der Fraktion der
SPD bestätigen, daß es der der SPD angehörende Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts war, der vor einiger Zeit empfohlen hat, den Art. 16 Abs. 2 des Grundgesetzes mit einem Gesetzesvorbehalt zu versehen?
Senator Lummer ({0}): Auch dies trifft zu. Es gibt viele, auch sehr Renommierte, die diesen Gedanken erwogen haben. Aber es sei unterstrichen: Jetzt und hier steht es ja nicht zur Diskussion.
({1})
Aber zur Diskussion steht doch immer wieder die Frage nach dem Handlungsbedarf. Und hier haben sowohl Herr Engelhard als auch Herr Schöfberger erkennen lassen, daß die Länder offenbar den Wunsch haben, den Daumen auf der Sache zu behalten mit dem Begehren, eine stärkere Zuständigkeit der Ausländerbehörde sich zu bewahren. Das ist richtig, und das will ich auch gar nicht bestreiten. Das ist doch offenbar deshalb so, weil die Länder haben erfahren müssen: sie und die Gemeinden haben die Last, haben die praktische Verantwortung, aber nicht die Kompetenz.
({2})
Die Kompetenz ist hier. Und manches an Zögern, gerade bei dem Verfahren um dieses Gesetz, ist ja wohl darauf zurückzuführen, daß wir die Last haben und Sie nicht unmittelbar von der Last betroffen sind, sondern nur die Kompetenz haben. Auch das, meine ich, muß man vom Standpunkt der Länder aus sagen. Das wird dann immer dazu führen, Herr Engelhard, daß wahrscheinlich erst der Druck der Verhältnisse und der Länder bewirkt, daß in der Sache etwas geschieht. Insofern möchte ich das mit dem lächerlichen Stolz zwar nicht zurückgeben, aber einmal die Frage aufwerfen, warum Sie es denn immer so spät tun und sich immer erst in dieser Weise unter Druck nehmen lassen.
Meine Damen und Herren, wir alle wünschen nicht, daß zusätzliche unangenehme Erfahrungen gemacht werden. Aber gerade in Berlin haben wir bis heute solche Erfahrungen. Sie zu übersehen würde bedeuten, daß man der Sache nicht gerecht würde. Darum lassen Sie mich ganz kurz auf ein paar Dinge hinweisen, die das tägliche Geschäft eines Innensenators betreffen. Ich nenne ein Beispiel: Da hat ein Verfahren sechs oder sieben Jahre gedauert. Der Mann, der vielleicht als erster kam, hat seine Frau nachgeholt, einen Teil der Familie hatte er schon mitgebracht, und schließlich hat er sechs, sieben oder acht Kinder hier. Und dann muß man ihn nach acht Jahren mit der Familie - weil das Asylrecht nicht gewährt wird - in die Heimat zurückschicken. Davon sind dann auch Kinder betroffen, die teilweise gar nicht in der Heimat aufgewachsen sind, keinen Bezug zu ihr haben. - Das ist ein Stück Unmenschlichkeit, zu dem man gezwungen ist. Das ist die Unmenschlichkeit, die durch die langen Verfahren zustande gekommen ist. Deswegen ist der Handlungsbedarf an dieser Stelle so groß.
({3})
Senator Lummer ({4})
Meine Damen und Herren, das, was die Länder zum Teil an restriktiven Abwehrmaßnahmen getan haben - ich sage es für mich in aller Deutlichkeit -, empfinde ich zum Teil als unwürdig. Es ist zum Teil unwürdig
({5})
- Moment -, ob man die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften oder Lagern vorsieht, kein Bargeld aushändigt, ob man sie Straße kehren läßt. Aber warum tut man denn das? Weil man in der Vergangenheit den sauberen und ehrlichen Weg, die Verfahren zu verkürzen, wie es mit diesem Gesetz jetzt versucht wird, noch nicht gegangen ist. Ich kann nur hoffen, daß die Wirkungen dieses Gesetzes, wenn es aus dem Vermittlungsausschuß kommt, so sein werden, daß man sich dieser Maßnahmen entledigen kann. Mein Wunsch jedenfalls wäre es.
Ich sagte, meine Damen und Herren, wir haben es mit schwerwiegenden Dingen zu tun. Ich bitte, zu sehen, daß Versäumnisse heute morgen Gefährdungen des inneren Friedens bedeuten können.
({6})
Es hat jemand nicht zu Unrecht geschrieben - das gilt speziell für bestimmte Gruppen, natürlich -, daß die Verweigerungen oder Verzögerungen sinnvoller gesetzlicher Regelungen auch eine Mitursache für eine verstärkte Rauschgiftkriminalität in Berlin geschaffen hätten. - Wir haben feststellen müssen, daß von 774 Ausländern, die als Rauschgifttäter in Erscheinung traten, 574 Asylbewerber waren, eine Zahl, die man nicht übersehen darf. Auch das wirkt doch im Blickfeld der Menschen und hat unangenehme Rückwirkungen auf die gesamte Ausländerproblematik. Das will man doch ganz gewiß nicht haben.
({7})
Meine Damen und Herren, der Bundesrat ist hier in vielfältiger Weise einig - weil er so nahe an der Sache ist. Er ist daran interessiert, daß es möglichst schnell zu einem Ergebnis kommt
({8}) und wird seinen Teil dazu beitragen.
({9})
Ich hoffe, daß das, was heute geschieht, möglichst bald zu einem vernünftigen Abschluß kommt. Die Zeit drängt. Und ich hoffe, daß wir nicht gehalten sein werden, diesem Schritt einen weiteren hinzuzufügen, weil sich die Verhältnisse verschlechtern.
({10})
Das Wort hat der Herr Bürgermeister der Stadt Bremen.
Präsident des Senats Koschnick ({0}): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin noch Bürgermeister von Bremen, aber spreche hier als Mitglied des Bundesrates nach Art. 43 Abs. 2 des Grundgesetzes.
({1})
- Sie müssen wissen, daß Bürgermeister eine kommunale Funktion ist. „Der Stadt Bremen" ist gesagt worden, nicht: des Landes. Von daher muß ich darauf aufmerksam machen: Nicht in dieser Eigenschaft kann ich hier sprechen. Ich will es aber gerne tun, wenn Sie es gestatten.
({2})
- Ich gebe mir größte Mühe, das regelmäßig zu schaffen, und würde mich freuen, wenn andere Kollegen das auch könnten. - Ich meine das natürlich nur, was meine Eigenschaften angeht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In meiner Antrittsrede als Präsident des Bundesrates hatte ich die Hoffnung geäußert, daß die Bundesländer auch bei gegensätzlicher parteipolitischer Überzeugung gemeinsam gegenüber dem Bundestag als dem anderen Gesetzgebungsorgan auftreten und handeln können. Als Beispiel habe ich unser gemeinsames Eintreten für ein zeitgerechtes und Mißbräuche eingrenzendes Asylrecht genannt.
Welche Bedeutung der Bundesrat dem Thema Asylrecht beimißt, zeigt die Tatsache, daß er seine Beratungen in den Ausschüssen parallel zu denen des Bundestages durchgeführt hat. Wenn ich mir allerdings den Verlauf dieser Beratungen in den Bundesratsausschüssen vor Augen führe, dann muß ich jetzt schon die für mich betrübliche Feststellung machen, daß ich mich hinsichtlich des gemeinsamen Eintretens ein wenig getäuscht habe. - Dies zu den Problemen der Bundesratsbank.
Falls nicht doch noch ein Mehr an Verständigungswillen zustande kommt, wird das Ergebnis aller Bemühungen sein, daß wir auch mit diesem Gesetzentwurf wieder im Vermittlungsausschuß landen.
({3})
Das ist eine weitere betrübliche Feststellung; denn das Asylverfahren ist ein denkbar untaugliches Objekt, um politische Händel zu suchen. Ich habe das Gefühl, daß auch in Bereichen, die uns alle gemeinsam angehen, nicht mehr ausreichend verhandelt wird. Es werden Maximalforderungen erhoben, die der politische Gegner, wie man schon vorher weiß, überhaupt nicht akzeptieren kann. Alles geschieht, um für das von vornherein eingeplante Verfahren im Vermittlungsausschuß die Ausgangsposition zu verbessern. Und dann werden in den Vermittlungsberatungen in nichtöffentlicher Sitzung Kompromisse ausgehandelt und in Form von Gesetzen gebracht, die so dem öffentlichen Willensbildungsprozeß entzogen und daher nicht mehr nachvollziehbar sind. Gesetze von der Tragweite beispielsweise des hier vorliegenden Asylverfahrensgesetzes bedürfen der Erörterung in Rede und Gegenrede hier in diesem Parlament, natürlich auch im Bundesrat, bedürfen des Willensbildungsprozesses, müssen für den
Präsident des Senats Koschnick ({4})
Bürger sichtbar werden und sollten vor den Augen der Öffentlichkeit entstehen; denn es geht hier um die rechtsstaatliche Position, um das, was wir als Liberalität und Freiheit an Recht, an Schutz und an Verfahrensregelungen dartun müssen, damit nicht der Eindruck entsteht, wir würden Gesetze mit einer anderen Begründung machen und im geheimen etwas anderes wollen.
({5})
Deswegen bedaure ich, wenn die letzten Entscheidungen, notgedrungen - das sieht die Verfassung vor -, im stillen Kämmerlein des Vermittlungsausschusses fallen. Natürlich weiß ich auch, daß das Parlament das letzte Wort hat, daß der Vermittlungsausschuß es letztlich nicht zwingen kann, seine Kompromißformel anzunehmen. In der Öffentlichkeit entsteht aber mehr und mehr der Eindruck, daß der Vermittlungsausschuß den Rang eines gesetzgebenden Organs hat. Ich halte das für schädlich und appelliere an beide Häuser - ich sage bewußt: an beide Häuser, an alle Fraktionen, an alle Länder -, diesem Zustand abzuhelfen.
({6})
Meine sehr verehrten Damen, meine Herren, lassen Sie mich jetzt konkret auf den vorliegenden Gesetzentwurf eingehen.
({7})
- Ich freue mich sehr, daß Sie klatschen. Als Oscar Schneider hier gesprochen hat und Sie hier einstimmig verworfen haben, was der Vermittlungsausschuß beschlossen hat, hätten Sie aber auch protestieren sollen. Ich greife einmal auf, was vor kurzem hier im Bundestag geschehen ist.
({8})
- Weil ich nicht wissen konnte, daß Sie einen solchen Entschließungsantrag einbringen können. Ich konnte nur darauf reagieren. Ich habe auch reagiert. Ich habe mich an den Herrn Bundestagspräsidenten gewandt, damit wir darüber sprechen können. Es wäre aber schon ganz fair, daß wir, wenn wir im Vermittlungsausschuß schon Vorschläge machen, sie hier im Bundestag hinterher zumindest gemeinsam vertreten. Ich tue das.
({9})
- Nein, nicht an die Kollegen von dieser Fraktion. Lieber Herr Rawe, kommen Sie bitte nach Bremen. Ich zeige Ihnen dann einmal, was die CDU in Bremen damals an Anzeigen veröffentlicht hat und welche Schuldzuweisung sie vorgenommen hat.
({10})
- Das habe ich getan. Ich habe an den Kollegen Vogel geschrieben. Das wissen Sie genausogut wie ich, lieber Herr Rawe.
({11})
Herr Präsident, ich muß dies hier einmal deutlich sagen. Jetzt beginnt hier schon wieder die Schuldzuweisung. Ich plädiere nicht für Schuld. Ich habe mich an meinen Kollegen Vogel gewandt und habe gesagt: Laßt uns gemeinsam diesen Unsinn beenden.
({12})
Ich mache das, ich schreibe das - und jetzt wollen Sie eine Schuldzuweisung vornehmen. Nein, lassen Sie uns doch statt dessen gemeinsam, lieber Herr Rawe, weiter den Weg gehen, uns hinterher nicht gegenseitig Schuld zuzuweisen, sondern lieber offen zu sagen, wo wir politisch stehen, und wo die Kompromisse gefunden werden. Alles, was unter dem Deckmantel der Vertraulichkeit geschieht, bekommt den diffusen Anstrich, wir seien nicht mehr bereit, unsere Positionen in der Öffentlichkeit zu vertreten.
({13})
Ich plädiere deswegen dafür: Laßt uns aufeinander zugehen, und zwar auch bei diesem Gesetz. Für diejenigen, die die Gesetzgebungskompetenz haben - in meinen Augen sind das zunächst einmal die vom Volk gewählten Abgeordneten - ({14})
- Auch das, lieber Herr Abgeordneter, habe ich draußen immer vertreten, zum Erstaunen mancher sozialdemokratischer Abgeordneter, die meinten, wir im Bundesrat wären ganz und gar bescheuert. Das sind wir nicht.
Der zweite Punkt ist dieser: Dann hören Sie aber bitte auch auf das, was diejenigen sagen, die in der Praxis mit diesen Gesetzen umgehen müssen. Reflektieren Sie bitte nicht nur, was Ihnen Verwaltungsrichter sagen, sondern reflektieren Sie auch einmal die konkreten Schwierigkeiten in den Ballungsgebieten, wo wir eine große Zahl von Asylanten haben.
({15})
- Ja, ich komme darauf. - Versuchen wir auch einmal, die Praxis der Länder und Gemeinden ein bißchen in einen Konsens mit den rechtsstaatlich notwendigen Maßnahmen zu 'bringen. Wir wollen die Rechtsstaatlichkeit schließlich nicht vor lauter Praxis vor die Hunde gehen lassen. Zwischen diesen Polen möchten wir miteinander gern noch weiter reden.
({16})
Bund, Länder und Gemeinden müssen bei der Bewältigung der Asylantenproblematik an einem politischen Strang ziehen. Ziel einer neuen Verfahrensregelung - so habe ich es jedenfalls verstanden - muß es sein, das Verfahren unter Wahrung seiner rechtsstaatlichen Ausgestaltung, die ein wesentliches Element der Gewährleistung des Grundrechtes
Präsident des Senats Koschnick ({17})
auf Asyl darstellt, entscheidend zu beschleunigen, um einerseits - das ist immer wieder gesagt worden - Asylberechtigte rasch in den Genuß der Rechte gelangen zu lassen, die ihnen die deutschen Gesetze gewähren, und andererseits Nichtberechtigten alsbald Klarheit über ihren Status zu verschaffen. In dieser Hinsicht gibt es keinen Streit. Wir streiten über den Weg.
Die von den Gemeinden aufzubringenden Kosten für die sogenannten unechten Asylanten müssen im Hinblick auf die äußerst angespannte Haushaltslage der Gemeinden durch Verkürzung der Zeit des Aufenthaltes in der Bundesrepublik spürbar gesenkt werden. Die Zeit des Aufenthaltes in der Bundesrepublik und damit die Zeit des Empfanges von Sozialhilfeleistungen für sogenannte unechte Asylanten ist zu verkürzen, damit sich die hohen Aufwendungen für die Einreise in unser Land und der Streit um die Anerkennung als Asylberechtigter nicht mehr für andere bezahlt machen. Ich denke dabei nicht in erster Linie an den Asylanten, der sich hier bewirbt, sondern an diejenigen, die im Rahmen von Schlepperorganisationen und zum Teil auch im Rahmen von Betreuungsorganisationen hier abkassieren und damit einen neuen Weg bereiten, der ja - auch mit dem Entwurf, über den wir heute hier reden - unterbunden werden sollte.
Schließlich müßten wir gemeinsam wissen, daß ein zunehmender Mißbrauch des Art. 16 unseres Grundgesetzes eine wachsende Ausländerfeindlichkeit in der deutschen Bevölkerung mit sich bringt. Dieser Ausländerfeindlichkeit müssen wir entgegenwirken, zum einen im Interesse derjenigen, die hier berechtigt als Ausländer unter uns leben, und zum anderen auch im Interesse der wirklich politisch Verfolgten. Deshalb müssen wir zu klareren, die Zeiträume verkürzenden, aber rechtsstaatlichen Regelungen kommen. Wir wissen doch alle, daß gerade die große Zahl der unechten Asylanten zu der immer offensichtlicher werdenden Ausländerfeindlichkeit beigetragen hat, die ein fruchtbarer und furchtbarer Nährboden für antidemokratische, in der Regel rechtsextremistische Kräfte ist. Ich sehe natürlich auch mit Entsetzen, daß der eine oder andere auf dem politischen Boden der demokratischen Parteien sich schon nicht mehr genügend einer wachsenden Ausländerfeindlichkeit entgegenstemmt. Dies ist kein Vorwurf an irgendeine Seite. Dieses Problem stellt sich vielmehr in bestimmten Wahlbereichen, wo der einzelne mit diesen Fragen konfrontiert wird. Man kann nur jeden bitten, hier nein zu sagen, um verderblichen Entwicklungen rechtzeitig entgegenzuwirken.
Der Gesetzentwurf ist in meinen Augen ein dankenswerter Schritt in die richtige Richtung. Er ist Ausdruck des gemeinsamen Strebens um eine Verkürzung der Verfahrensdauer, aber leider nicht in allen Teilen. Ich habe dies, Frau Abgeordnete Däubler-Gmelin, bereits des öfteren kritisch angemerkt, keineswegs zur Freude der sich ernsthaft um eine rechtsstaatliche Lösung bemühenden Angehörigen des Hohen Hauses. Ich räume ein, daß eine ganze Reihe von Verbesserungen erreicht worden ist. Ich behaupte auch nicht, daß die Bundesratslösung der
Weisheit letzter Schluß war. Das können wir nicht gemeinsam für uns gelten lassen. Ich weiß, welche wichtigen Ergebnisse das Hearing gebracht hat. Auch diese Ergebnisse sind zu beachten.
Ich bitte Sie zu verstehen, warum ich hier noch etwas mehr engagiert bin als in anderen Fragen. Die kleinen Stadtstaaten haben einen Vorzug gegenüber den Flächenstaaten und den hohen Erkenntnissen einer Ministerialbürokratie, wie sie notgedrungen und Gott sei Dank in der Bundesverwaltung vorhanden ist. Wir erleben die praktischen Wirkungen der Gesetzgebung durch die enge Bindung Kommune - Land auch im Gerichtswege früher, schneller und können eher erkennen, wo Fehlentwicklungen sind. In zwei Fällen, die ich heute aber nicht mehr vortragen werde, weil es ja doch in den Vermittlungsausschuß geht, nämlich in Richtung auf die Folgeanträge und in Richtung auf Ihren Vorschlag, das Beschwerdeverfahren bei der Nichtzulassung der Berufung zuzulassen, kann es über den heutigen Stand der Rechtsprechung hinaus Verzögerungen geben. Wir würden das gern einmal einbrigen und sagen: Prüft es im weiteren Verfahren noch einmal. Aber es wäre falsch, an Hand von zwei, drei oder vier weiteren Beispielen einen Gesetzgebungsgang abzublokken. Wir müssen fertig werden, um draußen etwas mehr von der Sensibilität rechtsstaatlicher, und, wie ich meine, verwaltungspraktischer Erfahrungen zu gewinnen.
({18})
Bremen begrüßt daher - ungeachtet der beiden Bedenken, die ich angedeutet habe - die Bemühungen des Bundestages, das Asylverfahren zu beschleunigen, und hofft, daß sich Bundestag und Bundesrat in dieser für uns alle so wichtigen Frage nicht kompromißlos gegenüberstehen.
Ich habe an meine Kollegen aus den Ländern die Bitte, noch einmal zu sehen, ob es nicht doch zu einem gesetzlichen Verteilungsschlüssel kommen muß,
({19})
damit ein Land die Verteilung nicht einseitig aufkündigen kann und die anderen aufnehmenden Länder am Anfang darunter leiden. Es gibt vor allen Dingen in Berlin die Schwierigkeiten mit dem großen Zuzug über die DDR-Grenze. Wir haben die Schwierigkeiten in Hessen, etwa auch in Stuttgart am Flughafen. Wir haben die Probleme in München; wir haben in Hamburg und Bremen die besonderen Bedingungen, daß wir den Einzug sowohl über die Flughäfen als auch über die nassen Häfen haben. Wir müssen Wert darauf legen, daß ein fairer Verteilungsschlüssel gefunden wird. Hier sage ich: nicht allein vom Bund, sondern Bund und Länder müssen sich über den Schlüssel verständigen, allerdings mit einer gesetzlichen Regelung, damit keiner ausbrechen kann. Dies wäre meine Position. Ich bitte die Kollegen im Bundesrat, die eine andere Vorstellung haben, das im Interesse der betroffenen Länder mitzusehen.
Präsident des Senats Koschnick ({20})
Ich möchte nun gern noch zwei Bemerkungen zu den Vorträgen hier machen. Der Abgeordnete Schöfberger hat in wohltuender Zurückhaltung,
({21})
völlig demagogiefrei deutlich gemacht, wie ein Münchener Rechtsanwalt die Probleme sieht. Ich erinnere mich in dem Moment an Ludwig Thoma, dessen großartige Leistung auch mehr im Glauben als in der rechtlichen Darstellung bestand.
({22})
Lieber Kollege Schöfberger, sagen Sie doch hier: alle Richter haben uns nachgewiesen, daß zwischen Absetzung und Versendung eines Urteils mehrere Monate liegen, weil die Schreibkräfte fehlen. Dies würde ich in den Glaubensbereich hineinbringen. Man hat Ihnen etwas gesagt, und Sie haben das geglaubt. Aber Sie sollten als Rechtsanwalt nicht sagen, es sei bewiesen. Ich lade Sie herzlich ein: Kommen Sie zu mir nach Bremen, gucken Sie sich unsere Gerichte an, anschließend kriegen Sie dann ein nach dem Reinheitsgebot gebrautes Bier - und Schnupftabak auch.
({23})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schöfberger? - Bitte.
Herr Bürgermeister, ich war in Bremen noch nicht advokatisch tätig. Deswegen maße ich mir kein Urteil über Ihre Verhältnisse an. Ich habe aber - daran knüpft sich meine Frage - auf Grund eigener Erfahrung erlebt, wie lange man auf Urteile wartet. Ist Ihnen der Ausspruch von Ludwig Thoma bekannt: „In jedem Mensch steckt ein Prozeß; man muß ihn nur zutage fördern", und meinen Sie, daß wir beim Asylverfahren dafür sorgen müßten, daß dieser Ausspruch nicht zum zentralen Element des Asylverfahrens wird?
Präsident des Senats Koschnick ({0}): Lieber Herr Schöfberger, das letzte würde ich gerne bestätigen. Ich wäre froh, wenn wir hier mit einem Mindestmaß an Prozessen und etwas mehr bewußter Rechtsstaatlichkeit und politischer Konsequenz etwas tun könnten.
({1})
Ich weiß, daß in diesen Fällen manchmal auch von der Möglichkeit der Prozeßhanselei Gebrauch gemacht wird, um dem einen oder anderen noch etwas Beschäftigung zu verschaffen; beides ist gleich schlimm. Dabei möchte ich mich jetzt nicht nur an Schöfberger wenden, nicht nur den Münchener Himmel oder die Moral von Ludwig Thoma beschwören, sondern ich möchte mich hier gern auch an meinen Bundesjustizminister wenden. Lieber Herr Schmude, ich bin mit Ihnen einer Meinung: Wenn es an Dolmetschern und Schreibkräften fehlen sollte - bei Dolmetschern kann es bei schwierigen Sprachen einmal sein -,
({2})
so dürften Kosten hier gleichwohl nicht gescheut werden. Denn das, was wir hier mehr zahlen, sparen wir an Sozialkosten in anderen Fällen.
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- Na, sehr gut. - Aber jetzt will ich Ihnen folgendes sagen: Da kriege ich einen Brief von einem mir sehr nahestehenden politischen Freund aus der FDP, den ich in seiner Wirkung als Bundestagsabgeordneten sehr schätze, mit dem ich aber in seiner Eigenschaft als Bundesinnenminister gelegentlich Probleme habe. In dieser Eigenschaft als Bundesinnenminister hat er mir einen Brief geschrieben, daß er leider nicht in der Lage sei, den Wunsch Bremens zu erfüllen, eine Außenstelle von Zirndorf wie in Hamburg auch in Bremen einzurichten, weil ihm das Geld und die Personalmittel fehlen. Wir haben gesagt: Wir wollen nicht unsere Ausländerpolizei, sondern wir wollen den Bund nach Bremen holen, damit wir die Verfahren um Monate verkürzen können. Ich bin sogar bereit, wenn er kein Geld hat, das aus bremischen Mitteln zu machen; denn jeder Monat, den wir sparen, hilft uns gemeinsam.
Ich sage: Richten wir die Appelle nicht an die Länder, sie möchten Geld für Schreibkräfte und Dolmetscher geben, sondern ich richte den Appell an den Bund: Gebt dem Baum endlich auch die Mittel, damit er in den Ländern die Außenstellen einrichten kann, damit schnell gearbeitet wird.
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Meine Damen und Herren Bundestagsabgeordneten, hier tun Sie ein gutes Werk für die Asylanten, denen eine schnelle Entscheidung zugute kommt, und für den Bund und die Länder. Helfen sie uns; das ist meine Bitte.
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- Es geht in diesem Fall doch nicht um Mehrheiten.
({6})
- Es geht auch um Mehrheiten. Aber früher haben Sie gesagt, es sollte keiner so argumentieren: „Die Mehrheit hat recht", denn auch die Minderheit könnte einmal recht haben. Ich glaube das manchmal sogar, nicht in der Regel.
Ich bitte im Augenblick das ganze Hohe Haus, den Weg mitzugehen, den der Ausschuß vorgeschlagen hat. Ich bin nicht der Meinung, daß die kommunalen oder die Länder-Ausländerpolizeien die richtigen Stellen sind.
({7})
Ich bin dafür, daß der Bund diese Aufgaben übernimmt. Er muß sie allerdings auch finanzieren wollen, wenn die Sammelläger verschwinden. Dies sollte er machen, dann aber recht bald. Wir können Monate gewinnen, was nur positiv für den Rechtsfrieden ist.
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- Ich höre auch bei der Opposition völliges Einverständnis; fein. Dann sind wir schon ein Stück weiter.
Präsident des Senats Koschnick ({9})
Dann werden Sie sicher Ihre Freunde von der CDU/ CSU im Bundestag überzeugen können, den Bundesweg mitzugehen und dafür zu sorgen, daß die Planstellen kommen. Das wäre eine gute Lösung.
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Sie wissen, meine Damen und Herren, daß ich die Möglichkeiten des Bundesrats hier nicht mißbrauche. Ich spreche nur ganz selten hier, meist auch noch in unangenehmen Dingen. Heute ist es nicht unangenehm, denn heute darf ich Dank sagen, weil ich wirklich möchte, daß wir hier weiterkommen. Ich habe mich natürlich gefragt: Was macht man hier in einer so wichtigen Versammlung, nachdem wir erst beim letzten Mal so einstimmig beschimpft worden sind? Oskar Schneider oder etwa die FDP - alle haben unisono gesagt: Die Burschen im Vermittlungsausschuß sind reaktionär, frech und aufsässig.
Ich wollte ein bißchen dazu beitragen, daß wieder ein normales Klima zwischen beiden Häusern entsteht, auch in bezug auf einen Ausschuß, in dem ich jetzt gar nicht mehr bin, für den ich aber gern noch ein Wort sagen möchte. Je weniger wir bereit sind, in öffentlicher Sitzung aufeinander zuzugehen - hier wie im Bundesrat -, desto mehr verlagern wir Entscheidungskompetenzen in ein Gremium, das zwangsläufig versuchen muß, einen Kompromiß zu finden, das zwangsläufig die Möglichkeiten der Kompromißfindung ausweiten muß, weil man häufig nur noch mit Paketlösungen arbeiten kann.
Dies ist nicht gut, aber es ist die notwendige Praxis. Es liegt an Ihnen, meine Damen und Herren, und es liegt auch an uns, am Bundesrat, einen anderen Weg zu finden. Deswegen habe ich mich auch hier zu fragen bemüht: Können wir nicht hier und da eine Brücke finden, durch die verhindert wird, daß wir uns nur noch im Vermittlungsausschuß verständigen? Ich glaube, beim Asylantenrecht dürfen wir nicht in kleiner Münze handeln.
Weil ich mich ein bißchen auf die Opposition einstelle, habe ich mich gefragt: Was kann man Ihnen - und natürlich auch uns - als Weglosung heute mitgeben? Da fiel mir ein, was Jesaja bei der Versammlung frommer Männer gesagt hat: Sehet, ihr seid nichts, und euer Tun ist nichts, und euch zu wählen ist ein Greuel. Das trifft uns natürlich gemeinsam.
({11})
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es sind hier sehr erfreuliche Worte gebraucht worden, nicht nur von meinem Vorredner, sondern auch schon davor im Verlauf der Debatte. Ich danke aber meinem Vorredner besonders für seine ermutigenden Bemerkungen an das Hohe Haus, die Konzeption durch die haushaltsrechtlichen Vorkehrungen abzurunden, die getroffen werden müßten, um die Dezentralisierung zu bewirken.
Ich danke meinem Vorredner auch für die sehr nachdenklichen Bemerkungen zur Rolle des Vermittlungsausschusses, die wir jetzt leider nicht vertiefen können. Ich glaube, es besteht Anlaß, dieses Thema einmal bei anderer Gelegenheit sehr viel grundsätzlicher zu behandeln.
Ich weiß, daß einige Länder und einige Gemeinden besonders stark durch den Zustrom von Asylbewerbern belastet sind. Ich weiß, daß jetzt erneut eine Änderung vorgenommen werden muß, nachdem wir schon eine Menge getan haben. Aber ich möchte mir doch eine kurze Bemerkung zu der Gesamtlage in der Welt erlauben.
Kommen wir doch bitte wenigstens eine kurze Zeit einmal davon ab, nur unsere eigenen Verhältnisse zu sehen. Sehen wir doch einmal über den Tellerrand hinaus, lassen wir doch einmal unsere eigenen Probleme beiseite. Sehen wir uns einmal an: Was geschieht denn in einigen Ländern der Welt? Hunderttausende von Flüchtlingen im Sudan, in Somalia, in Kambodscha, in Malaysia, in Hongkong! Länder, die von Armut gekennzeichnet sind, versuchen, mit diesen Problemen fertig zu werden. Der Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen schätzt, daß es 10 bis 15 Millionen Flüchtlinge in der Welt gibt. Wir haben im letzten Jahr 50 000 Asylbewerber gehabt. Wir müssen doch auch einmal die Dimensionen zurechtrücken. Davon waren noch 30 % Polen. Wer wird denn einen Zweifel haben, daß hier zur Zeit jedenfalls politische Verfolgung sehr nahe liegt? Zusätzlich sind 6 % der Flüchtlinge Afghanen. Wer wird denn einen Zweifel haben, daß auch hier politische Verfolgung sehr nahe liegt?
In Österreich - um noch eine weitere Zahl zu nennen - sind im letzten Jahr ca. 30 000 Polen angekommen, die um politisches Asyl nachgesucht haben. So sehr uns die Lasten drücken: Bitte sehen wir doch auch einmal, daß unser Land im Vergleich zu anderen Ländern Lasten trägt, die doch eigentlich bewältigt werden können, zumal wenn wir jetzt zusätzlich dazu kommen, die Dauer der Gerichtsverfahren weiter zu kürzen.
Es geht also darum, daß die Grundrechte nicht etwas für Schönwetterperioden sind. Vielmehr ist die Wahrung des Grundrechts auf Asyl eben auch in schwierigen Zeiten ein Gradmesser für Humanität, für Rechtsstaatlichkeit. Und es geht darum, daß die Einhaltung des Asylrechts eben auch materielle Opfer verlangt, die durchaus schmerzlich sind. Es gibt keine Humanität zum Null-Tarif.
Ich meine, der Ihnen vorliegende Entwurf trägt dem Rechnung. Er soll die notwendige Verkürzung der Dauer der Verfahren bewirken, und er wahrt die Substanz des Asylrechts und der Rechtsschutzgarantie im Asylverfahren. Der Entwurf macht keinen „kurzen Prozeß" mit den Asylbewerbern. Gerade in der Ausländerfrage müssen wir als Politiker mehr tun, als bloß den kleinsten gemeinsamen Nenner der Emotionen zu suchen, wie das in diesem Lande heute an vielen Stammtischen geschieht.
({0})
Heute morgen war das nicht der Fall. Ich wünschte mir aber, daß alle draußen auch so sprechen, wie sie es heute morgen in der Diskussion getan haben.
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Wie ist denn die tatsächliche Lage? Dem stetigen Anstieg der Asylbewerberzahlen hat die Bundesregierung in den Jahren 1978 und 1980 entgegengewirkt. Die Verfahren sind gestrafft und beschleunigt worden. Die Wiedereinführung des Sichtvermerkzwangs für verschiedene Länder - Afghanistan, Äthiopien, Ghana, Bangladesch, Indien, Sri Lanka und Türkei -, der vermehrte Einsatz dezentraler und ortsnaher Kräfte des Bundesamtes haben den Zustrom der Asylbewerber doch gebremst. Wir sind in unseren Gegenmaßnahmen doch auch flexibel. Ich erinnere Sie nur an die Maßnahme gegenüber Fluggesellschaften, die sich nicht an die Regeln halten, Herr Börner. Ich erinnere Sie daran, daß wir jetzt Sofortmaßnahmen getroffen haben, als wir feststellen mußten, daß in Pakistan Visastempel gefälscht werden. Alles das kann doch nicht vergessen werden, wenn wir über die Problematik des Mißbrauchs des Asylrechts reden.
Wir haben im Jahre 1981 mit all diesen Maßnahmen einen Rückgang der Zahl der Asylbewerber um fast 55 % zu verzeichnen gehabt. Die Zahl der Asylbewerber aus der Türkei und aus Bangladesch ist im Zeitraum von 1980 bis 1981 um fast 90 % zurückgegangen. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, daß in den Zahlen des Jahres 1981 ca. 30 % Flüchtlinge aus den Staaten Osteuropas, vor allen Dingen aus Polen, und 6 % aus Afghanistan enthalten sind.
Man sollte also unsere Belastung immer auch in Relation zur Belastung anderer Länder setzen. Auch die Entwicklung der Asylbewerberzahlen in diesem Jahr - Herr Spranger, Sie machten einen Zwischenruf - ist entgegen anderslautenden Meldungen nicht alarmierend.
({2})
Der in den ersten vier Monaten zu verzeichnende leichte Anstieg gegenüber 1981 ist im wesentlichen auf die Asylsuchenden aus Polen zurückzuführen. Das ist doch die politische Realität. Verkennen Sie das bitte nicht.
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Wollen Sie denn eine Abschottung unseres Landes? Sind Sie der Meinung, daß das Leute sind, die das Asylrecht mißbrauchen?
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Während im ersten Drittel 1981 der Anteil der Asylbewerber aus Polen mit rund 1 000 Personen unter 1.0 % lag, liegt er im ersten Jahresdrittel mit knapp 4 000 Personen bei 25 %. Das ist also die Ursache für den Anstieg. Damit ist auf absehbare Zeit auch weiter zu rechnen.
Dagegen ist der Zugang aus der Türkei weiter rückläufig. Das ist wichtig, weil wir gesehen haben, daß das Asylrecht hier von Arbeitssuchenden mißbraucht worden ist, vor allem im Jahre 1980. Gleichbleibend ist der Zugang bei Indien, Pakistan, Bangladesch und Sri Lanka.
Der Zugang im April liegt, wenn man polnische Asylbewerber abzieht, deutlich, Herr Spranger, unter den Zahlen von 1981. Ich will nichts beschönigen. Ich weiß, das ist alles noch schwierig genug. Nur darf man nicht sagen, das Problem sei wieder alarmierend. Das ist angesichts der Zahlen nicht der Fall.
Die angestrebte Asylverfahrensbeschleunigung und die Senkung der Zahl der Asylbewerber können sicherlich auch eine Entlastung der allgemeinen Ausländerproblematik bewirken. Hier bin ich mit meinen Vorrednern einig. Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Frau Funcke, hat gerade in jüngster Zeit - meines Erachtens zu Recht - gesagt, daß die Asylproblematik und die allgemeine Ausländerproblematik in unterträglicher Weise miteinander vermischt werden. Meine Damen und Herren, lassen wir es doch nicht zu, daß die Asylbewerber zum Prügelknaben für ungelöste Probleme der Ausländerpolitik werden!
({5})
Den wenigsten Mitbürgern ist bekannt, daß von den 4,7 Millionen Ausländern in der Bundesrepublik lediglich ca. 200 000 - das sind also rund 4 % der gesamten Ausländerzahl - Asylbewerber sind.
Ich möchte jetzt zu einer wichtigen Einzelfrage des Gesetzentwurfs etwas sagen, die mich in meinen Zuständigkeitsbereich betrifft. Es handelt sich um die Zuständigkeit des Bundesamts in Zirndorf.
Der Gesetzentwurf des Bundesrats sieht vor, die Zuständigkeit zur Entscheidung über offensichtlich unbegründete Asylanträge den Ausländerbehörden zu übertragen. Das ist hier schon mehrfach erwähnt worden. Wir sind der Meinung, daß die Zuständigkeit von Zirndorf gewahrt werden sollte. Wir haben dazu, wie wir meinen, gute Gründe.
Erstens. Die Entscheidung über Asylanträge setzt eingehende Kenntnis über die politischen, sachlichen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in den Herkunftsländern der Asylbewerber voraus. Das Bundesamt und seine Mitarbeiter kennen diese Zusammenhänge auf Grund bald 30jähriger Tätigkeit. Sie haben eine umfassende Erfahrung und alle Mittel, um ihre Entscheidungen sachgerecht treffen zu können.
Häufig ist mit der Kenntnis der aktuellen Situation, meine Kolleginnen und Kollegen, überhaupt nichts gewonnen, sondern diese erhält erst Gewicht im Lichte historischer Entwicklungen.
Dafür zwei Beispiele. Unter der - allerdings verhältnismäßig großen - Zahl von Asylbewerbern aus der Türkei seit 1980 befinden sich etwa 5 000 Türken christlicher Glaubenszugehörigkeit. Weil diese Frage heillos umstritten ist, ermittelt das Bundesamt seit anderthalb Jahren, ob diese Menschen auf Grund ihrer Glaubenszugehörigkeit - dafür könnte j a einiges sprechen - in asylrechtlich bedeutsamer Weise diskriminiert werden.
Ganz ähnliche Probleme stellen sich bei dem kurdischen Bevölkerungsanteil. Ich kann jetzt nicht sagen, wie das Bundesamt entscheiden wird. Aber
ganz gleich, wie es entscheiden wird, - der Gefahr, daß all diese Fälle bei den Ausländerbehörden vom allgemeinen Denkraster, türkische Asylbewerber seien eben Armutsflüchtlinge und daher als Asylbewerber abzulehnen, erfaßt würden, wäre doch nur dadurch zu begegnen, daß bei jeder Ausländerbehörde, d. h. auch bei den dezentralisierten Stellen, dieser Kenntnisstand herbeigeführt wird, der in solchen Problemfällen unbedingt notwendig ist.
Diese Entscheidungen würden zwar von den Verwaltungsgerichten überprüft und möglicherweise bestätigt werden, aber dann mit dem gesamten Aufklärungsaufwand, den jetzt das Bundesamt übernimmt. Dies würde nicht zu einer Beschleunigung, für die wir ja alle eintreten, sondern, wie ich meine, zu einer Verzögerung beitragen.
Ich könnte Ihnen die Zahl der Beispiele für die Problemgruppen jetzt mühelos fortsetzen. Ich will das nicht tun, weil diese beiden Beispiele meines Erachtens genügen - Türken christlicher Glaubenszugehörigkeit und Kurden -, um die Schwierigkeiten deutlich zu machen.
Zweitens. Für Verwaltungsentscheidungen gilt der Verfassungsgrundsatz der Gleichbehandlung. Schon die Dezentralisierung der verwaltungsgerichtlichen Zuständigkeit im Asylverfahren seit 1980 zeigt Ansätze für eine Zersplitterung der Rechtsprechung mit allen Nachteilen der Notwendigkeit sachlicher Zusammenführung durch ober- und oberstgerichtliche Entscheidungen.
Wollen Sie aber diese Probleme durch die Übertragung der Entscheidungskompetenz auf eine Vielzahl voneinander unabhängiger und überhaupt nicht mehr koordinierbarer Stellen auch noch im Verwaltungsverfahren potenzieren, meine Damen und Herren? Diese Frage müssen wir uns doch gemeinsam stellen.
Durch die Zusammenfassung der Verfahren bei einer Bundesbehörde kann eine einheitliche Anwendung asylrechtlicher Grundsätze und damit eine gleiche Behandlung aller Asylbewerber am ehesten erreicht werden. Darauf hat auch das Bundesverfassungsgericht in seiner wichtigen Entscheidung vom 25. Februar 1981 ausdrücklich hingewiesen. Ich füge hinzu, diese Regelung entspricht auch der nachdrücklichen Empfehlung des Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen.
Das dritte Argument gegen den Vorschlag des Bundesrates: Das Bundesamt hat in der Vergangenheit eindeutig bewiesen, daß es sich auch auf einen plötzlich steigenden Arbeitsanfall umstellen kann. Meine Damen und Herren, in meinem Verantwortungsbereich dauert die Bearbeitung eines Verfahrens ca. sechs Monate. Die Länge der Verfahren, die hier bedauert wird, entsteht durch die Gerichtsverfahren, die sich danach anschließen. Hier, im Bundesamt, sind es ca. sechs Monate!
({6})
Wie ist es dazu gekommen? 1978 hatten wir 138 Stellen, 1982 haben wir dank der Entscheidung des Bundestages 240 Stellen. Wir haben also die Personalausstattung um 80 % erhöht. Das muß doch auch einmal positiv gewürdigt werden! Ich möchte jetzt nicht auf die Zahlen der Personalstellen zurückgreifen, die Sie in den Ländern aufwenden müssen, um mit dem Arbeitsanfall dort fertig zu werden; bitte erkennen Sie aber an, daß hier erhebliche Anstrengungen gemacht worden sind. Das Ergebnis war: 1978 rund 13 000 entschiedene Anträge, 1979 29 000, 1980 78 000 und 1981 rund 62 000. Die Rückstände sind erheblich abgebaut worden. Gegenüber rund 53 800 Verfahren am 1. Januar 1981 waren am 1. Januar 1982 nur noch rund 29 000 Verfahren anhängig.
Diese Mengenbewältigung hat keineswegs dazu geführt, daß die Entscheidungen des Bundesamtes von den Verwaltungsgerichten in vermehrtem Umfange aufgehoben worden wären. Dies ist nicht der Fall. Ich glaube, daraus läßt sich sehr wohl der Schluß ziehen, daß die Mitarbeiter des Bundesamtes eine gute Arbeit geleistet haben. Sie verdienen in einer sehr schwierigen Situation unseren Dank und unsere Anerkennung.
Viertens. Das angestrebte Ziel einer Beschleunigung des verwaltungsmäßigen Verfahrens kann effektiv erreicht werden - jetzt komme ich auf den Punkt, den Herr Koschnick angesprochen hat -, wenn Bedienstete des Bundesamtes verstärkt in unmittelbarer räumlicher Nähe von zentralen Ausländerbehörden der Länder tätig werden. Die guten Erfahrungen mit einer - wenn auch auf Grund der derzeitigen Personalausstattung des Bundesamtes nur begrenzten - dezentralen Tätigkeit von Bediensteten des Bundesamtes nicht nur in Hamburg, sondern auch in Bergkamen, also in Nordrhein-Westfalen, in Schwalbach, Rastatt und Hannover haben zu dem Modellversuch Hamburg geführt. Es handelt sich hierbei um einen Versuch, der dazu dienen soll, noch während des Gesetzgebungsverfahrens erste Erfahrungen mit einem verstärkten Einsatz von Bediensteten des Bundesamtes vor Ort zu sammeln; und ich meine, die hier gewonnenen Erfahrungen sind in der Tat ermutigend, denn sie lassen bei einem verstärkten Einsatz von Bediensteten des Bundesamtes eine beträchtliche Beschleunigung der verwaltungsmäßigen Abwicklung erwarten. In Hamburg konnte die für den verwaltungsmäßigen Teil des Asylverfahrens bisher veranschlagte Verfahrensdauer von durchschnittlich 12 Monaten von der Antragstellung bei der Ausländerbehörde bis zur Entscheidung des Bundesamtes auf durchschnittlich zwei Monate verkürzt werden. Einen besseren Beweis für die Wirksamkeit dieses Verfahrens gibt es nicht.
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Meine Damen und Herren, wir wollen dies nun auch in den anderen Ländern einführen. Voraussetzung ist allerdings, daß uns das notwendige Personal und die Mittel zur Verfügung gestellt werden.
Ich sehe in einem verstärkten dezentralen Einsatz des Bundesamtes - quasi Tür an Tür mit der zuständigen Ausländerbehörde - ein ganz entscheidendes und wesentliches Beschleunigungselement, und zwar eines, das nicht einen Verlust an rechtsstaatlicher Substanz zur Folge hat, weil es bürokratiBundesminister Baum
sche Abläufe strafft, die für den Betroffenen nichts bringen, die den Prozeß der Klärung der Frage, ob politische Verfolgung vorliegt, nicht fördern.
Ich meine, in einem solchen Verfahren kann sich kooperativer Föderalismus bewähren. Eine solche Praxis sollten wir anstreben. Ich bemühe mich nachdrücklich um Stellen und Mittel, um dies zu verwirklichen.
Zusammenfassend möchte ich folgendes feststellen. Der heute zur Beratung vorliegende Entwurf eines Asylverfahrensgesetzes trägt zu einer wirksamen Beschleunigung des verwaltungsmäßigen Verfahrens sowie der gerichtlichen Verfahren bei, und dies unter Wahrung der Substanz des Asylrechts und der Rechtsweggarantie. Er bringt unsere humanitären und verfassungsrechtlichen Pflichten in Einklang mit unseren tatsächlichen Möglichkeiten.
Wehren wir uns in unserem Lande gemeinsam gegen wachsende Ausländerfeindlichkeit! Wehren wir uns gegen leichtfertige Parolen wie „Ausländer raus" und unangenehme und schmutzige Ausländerwitze, die wieder die Runde machen! Wehren wir uns gegen die gefährliche Vermischung von Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus! Wehren wir uns dagegen, daß das Wort „Asylant", das ja auf einem Verfassungsartikel beruht, zu einem Schimpfwort verkommt!
Wir wissen, daß wir als Deutsche nach den furchtbaren Erfahrungen, die in diesem Jahrhundert andere mit uns machen mußten, daran gemessen werden, wie wir mit Minderheiten umgehen und mit denen, die Schutz und Hilfe suchen. Die Menschenrechte in unserem Lande dürfen nicht bei denen enden, die einen deutschen Paß besitzen.
Vielen Dank.
({8})
Das Wort hat der Abgeordnete Fellner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Innenminister, Sie werden es sicherlich verzeihen, wenn ich mich zwar über die große Ehre freue, nach Ihnen zu sprechen, wenn ich mich aber doch eingangs mit den Äußerungen des Kollegen Schöfberger befassen muß. Denn es war ja wieder einmal ein starkes Stück, was er hier losgelassen hat. Ich beziehe micht auf Ihre Äußerungen, was in Bayern geschehen sei und was das Ergebnis anscheinend des Untersuchungsausschusses bezüglich der Abschiebung von Asylbewerbern sei. Sie haben wieder besseres Wissen, weil Ihnen das im Rechtsausschuß schon einmal erzählt worden ist, behauptet, daß der Ausschuß zu dem Ergebnis gekommen sei, 56 Personen seien an der österreichischen Grenze abgeschoben worden. Sie wissen, was Tatsache ist. Tatsache ist einfach dies: daß 56 Bewerber deshalb wieder zurückgeschickt wurden, weil sie in Österreich bereits Schutz vor politischer Verfolgung gefunden hatten.
({0})
Das müssen Sie auch nach dem Entwurf tun, den Sie
jetzt hier vorgelegt haben. Sie haben das alles gewußt. Es ist schade, daß Sie es da mit der Aufrichtigkeit nicht so halten. Ich hoffe nicht, daß Sie doch noch in die Verlegenheit kommen, in irgendeiner Funktion die Bremer Gerichte kennenzulernen. Ich glaube, es ist einfach gefordert, zu dem zu stehen, was Tatsache und Wahrheit ist.
Ich hoffe, Herr Schöfberger, daß Sie auch dann so eifrig sind, wenn es darum geht, unanständigen Bestrebungen entgegenzuwirken, die ja mehr und mehr aufkommen, nämlich bei der Frage, ob es eigentlich gerechtfertigt ist, Osteuropäer bezüglich einer Abschiebung oder nicht gestatteten Abschiebung besser zu behandeln als Asylbewerber aus anderen Ländern. Es gibt ja diese Bestrebungen schon. Ich hoffe sehr, daß Sie sich dann genauso entschieden dagegen verwahren, wenn solche Bestrebungen weiter verfolgt werden sollten.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schöfberger? - Bitte.
Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, daß die beiden CSSR-Flüchtlinge Cermak und Zilka, deren Vorgänge das Untersuchungsverfahren ausgelöst haben, von bayerischen Behörden unmittelbar über die bayerisch-tschechoslowakische Grenze abgeschoben worden sind, obwohl die beiden Asyl beantragt haben, daß des weiteren eine Mehrzahl der 54 -
Herr Abgeordneter, Sie haben nur eine Frage.
Herr Kollege Schöfberger, ich habe zwar ohnehin geahnt, daß Sie nichts fragen, sondern wieder irgend etwas unter die Leute bringen wollten. Das war ja heute überhaupt nicht das Thema, jedenfalls nicht meiner Rede. Ich bestreite nicht, daß zwei über die tschechoslowakische Grenze abgeschoben worden sind. Ich bestreite aber, daß der Ausschuß festgestellt hätte, daß in rechtswidriger Weise 56 nach Österreich abgeschoben worden seien. Das haben Sie hier heute behauptet.
({0})
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Schöfberger?
Nein, das geht nicht.
({0})
Lassen Sie mich weiter auf ein paar Dinge eingehen, die heute in der Debatte eine Rolle gespielt haben.
({1})
- Herr Löffler, ich weiß, daß Sie sich immer äußern müssen, weil das offenbar die Art des Schullehrers ist. Es tut mir leid, aber ich möchte nun gern zu dem kommen, was hier heute das Problem ist.
Es hat heute schon mehrmals den Anschein gehabt, als würden manche Leute böse Geister rufen, um sie hinterher massiv bekämpfen zu können. Ich glaube, daß in diesem Hause niemand ist, der in irgendeiner Form will, daß das Asylrecht nicht mehr gewährleistet ist. In Art. 16 Abs. 2 unseres Grundgesetzes steht: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht." Es gibt in diesem Hause niemanden, der diese Regelung nicht für richtig hält. Aber ich meine, es muß uns auch erlaubt sein, mit rechtsstaatlichen Mitteln der Frage nachzugehen, ob jemand tatsächlich politisch verfolgt ist. Für diese Entscheidung halten wir auch nach der heutigen Diskussion nach wie vor auch die Ausländerbehörden für geeignet und meinen, daß eine voll besetzte Richterbank ausreichend Gewähr dafür bietet, daß der Rechtsschutz beachtet wird. Wir dürfen weiter nicht außer acht lassen, daß wir es hier bei diesen Asylverfahren wirklich mit Besonderheiten zu tun haben. Einmal ist da die Besonderheit, daß im vergangenen Jahrs beim Bundesverwaltungsgericht, wenn ich die Zahl richtig im Kopf habe, von 8 600 entschiedenen Verfahren letztlich nicht ein einziges positiv für den Antragsteller ausgegangen ist. Weiter haben wir mit der Besonderheit zu leben, daß im Asylverfahren mit einer sonst nicht gekannten Selbstverständlichkeit sämtliche Gerichtsinstanzen, die vorhanden sind, auch in Anspruch genommen werden. Ich glaube, es ist wahrlich gerechtfertigt, auf diese Besonderheiten in einer angemessenen Form zu reagieren.
Manche tun so, als müßten wir jeden, der sein Asylrecht geltend macht, sogleich aufnehmen und vor allen Dingen hierbehalten. Wer das nicht tut, ist dann ein sehr herzloser, ein fürchterlicher Mensch. Ich meine, wir stehen dazu, daß der politisch Verfolgte Asyl bekommt. Aber wer nicht verfolgt ist, muß im Normalfall genauso selbstverständlich unser Land wieder verlassen. Wir stehen auch dazu, daß wir jeden Fall prüfen müssen, auch wenn wir sicher wissen, daß sich mehr als 90 % aller Bewerber zu Unrecht auf das Asylrecht berufen. Aber es werden immerhin einige anerkannt, und die Fälle machen es notwendig, daß wir jeden Einzelfall sorgfältig prüfen, und dazu stehen wir.
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Wir stehen auch dazu - das ist das andere -, daß wir in den Fällen, wo Asylgründe offensichtlich nicht vorliegen, in einem deutlich beschleunigten Verfahren zu einer Entscheidung kommen und daß dann auch die Abschiebung des Bewerbers ermöglicht werden muß. Herr Kollege Schöfberger, das hat nichts mit einem „kurzen Prozeß" zu tun; denn manchmal muß man schon die Frage stellen, ob sehr lange und langwierige Prozesse auch im Interesse der Asylbewerber noch gerecht sind.
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Es kommt nicht von ungefähr, daß gerade das Thema Asylrecht in den letzten Monaten und nahezu schon in den letzten Jahren wie kein anderes Thema die politische Diskussion bei uns bestimmt hat. Dafür mag es sehr viele Gründe geben. Einer davon mag sein, daß wir, weil wir uns mit diesem Thema jetzt plötzlich einen Teil des Elends der Welt vor Augen halten müssen, die großen Flüchtlingsströme deutlicher sehen und auch sehen, daß Menschen in Not sind. Ein weiterer Grund mag sein, daß es uns deutlich wird, daß es nach wie vor viele Länder auf der Welt gibt, wo die Menschen entrechtet und geknechtet leben müssen, und daß es Länder auf der Welt gibt, die ihren Bürgern nicht einmal den Schutz der Existenz und des Lebens gewährleisten können, während wir in unserem Staat eigentlich daran gewöhnt sind, daß sich jeder Bürger wegen einer Straße, einer Industrieanlage oder eines Großprojektes, das ihm vor die Nase gesetzt werden soll, selbstverständlich gegen den Staat zur Wehr setzen kann.
Ich meine, der entscheidende Grund für diese breite Diskussion ist, daß die betroffenen Bürger, aber auch die Städte und Gemeinden den Eindruck haben mußten, daß hier ein dringend lösungsbedürftiges Problem nicht angepackt wurde. Gerade die heute so volle Bundesratsbank zeigt, daß die Bundesländer Sorgen und offenbar das Gefühl haben, daß wir hier in diesem Hause und diese Bundesregierung nicht das Notwendige tun, und daß sie offenbar meinen, sie müßten dem Ganzen durch ihre Anwesenheit hier heute etwas mehr Nachdruck verleihen. Ich meine, wir sollten das dann auch respektieren und das, was von denen heute schon gesagt worden ist - das ist nicht gerade sehr schmeichelhaft für Ihren Entwurf, für Ihre Vorstellungen und auch für die Vorstellungen der Bundesregierung -, auch mit dem gebührenden Ernst zur Kenntnis nehmen.
Wir meinen, daß gerade die zögerliche Behandlung des Asylproblems der eigentliche Grund dafür war, daß es in der Vergangenheit so viel Ärger gegeben hat. Sie hätten - das sage ich auch nach den vorangegangenen Debattenbeiträgen - getrost den Bundesratsentwurf etwas ernster nehmen können. Schließlich wurde er auch von den SPD/FDP-regierten Bundesländern mit getragen. Sie haben ihn einfach monatelang liegen lassen.
Mir kommt es auf die Klarstellung der Verantwortlichkeit in dieser Frage aus einem ganz gewichtigen Grund besonders an. Wir beklagen alle miteinander - die Debattenbeiträge haben dies auch gezeigt - die in den letzten Jahren deutlich gestiegene Ausländerfeindlichkeit. Wir beklagen ein oftmals unfreundliches und feindseliges Verhalten unserer Mitbürger gegenüber ausländischen Mitbürgern. Wir beklagen es sicherlich gemeinsam, aber ich meine, daß wir in den Reaktionen darauf nicht ganz übereinstimmen. Ich halte es nämlich nicht für richtig und meine, es steht uns nicht an, daß wir dann in der Form reagieren, daß wir unsere Mitbürger ständig ob ihrer Haltung rügen und kritisieren, wenn ihnen im Umgang mit Ausländern nicht so wohl ist, wie wir es gerne erwarten würden. Wir müssen die Ursachen der Feindlichkeit bekämpfen. Das heißt einfach: Wir müssen etwas tun; wir hätten schon längst etwas tun müssen.
Ich möchte hier ganz klar die Behauptung auf stellen, daß die gestiegene Ausländerfeindlichkeit zwar
zu einem geringen - vielleicht nicht zu geringen - Teil auf die schwierigeren wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland zurückzuführen sind, daß aber der entscheidende Grund in der ungelösten Frage des Asylrechts liegt.
Sie haben sich hier, so meine ich, nicht besonders angestrengt. Deshalb tragen Sie auch die Verantwortung für die Ausländerfeindlichkeit in unserem Lande.
Bei einer Zahl von 4,6 Millionen Ausländern sind die Asylbewerber sicherlich nicht die bedeutendste Gruppe:
({4})
das ist von Herrn Minister Schmude deutlich gemacht worden; er weist auf die kleine Zahl hin.
({5})
- Lassen Sie mich doch weiterreden, ich entwickle schon noch die Gedanken.
Herr Minister Baum hat ebenso darauf hingewiesen, daß wir die Dimensionen zurechtrücken müßten. Aber ich darf Sie darauf aufmerksam machen, liebe Kollegen, daß die Asylbewerber einfach die Gruppe von Ausländern darstellen, mit der wir als Staat zugegebenermaßen die allergrößten Probleme haben. Wir müssen einfach zur Kenntnis nehmen, daß der Bürger das auch sieht. Unsere Bevölkerung sieht die Probleme, die wir mit den Kosten, mit der Unterbringung haben, und hat dabei leider das Gefühl, daß sich hier ein paar Ausländer auf Kosten des Steuerzahlers ein schönes Leben machen. Ich sage das ausdrücklich mit dem Bedauern, daß dieser Eindruck leider entsteht. Deshalb meine ich, daß gerade bei dieser Gruppe von Ausländern ganz besondere Anstrengungen erforderlich wären, damit wir dieses Problem bewältigen. Die Asylbewerber haben einen sehr schlechten Ruf, leider. Wir stellen jetzt fest, daß sich dies auch auf die übrigen Ausländer übertragen hat, auf die ausländischen Arbeitnehmer und Kumpels im Betrieb, mit denen man bisher eigentlich keine Probleme hatte, wo wir schon meinten, es gebe doch zumindest im Arbeitnehmerbereich keine Probleme mehr.
Ich möchte darauf hinweisen, daß uns nach unserer Überzeugung das ungelöste Asylproblem, auch wenn die Asylbewerber zahlenmäßig eine kleine Gruppe darstellen, die allergrößten Schwierigkeiten bereitet. Wir müssen einfach sehen, was ein Arbeiter empfindet, der morgens zur Arbeit fährt und sieht, daß andere nicht arbeiten. Er versteht es leider nicht, warum die nicht arbeiten. Er meint, die sind Faulpelze. Wir haben große Not, das deutlich zu machen, daß die sehr gerne arbeiten würden, daß die ja gerade deshalb kommen, damit sie arbeiten können, daß sie eben zu 90 % nur aus dem Grunde kommen, hier arbeiten zu können.
Ich stehe aber auch zu den Entscheidungen, die wir bisher getroffen haben, nämlich dazu, daß wir in den ersten Jahren die Arbeitserlaubnis nicht erteilen können. Wir müssen etwas dagegen tun, daß die Attraktivität und die Möglichkeiten unseres Landes sozusagen einen Anwerbesog ausüben, daß die soziale Attraktivität für Bürger ärmerer Länder einfach der entscheidende Grund ist, warum sie hierher kommen. Wir müssen einfach zur Kenntnis nehmen, daß der entscheidende Grund für die allermeisten der ist, unsere wirtschaftliche Attraktivität mit uns gemeinsam genießen zu dürfen.
Ich meine, die soziale Leistungsfähigkeit unseres Staates muß es uns ermöglichen, daß wir sie auch einsetzen. Aber das Asylrecht ist bestimmt nicht der richtige Weg, um hier Gerechtigkeit zu schaffen und die Not in der gesamten Welt zu lindern. Ich stehe in vollem Umfang auch zu allen sonstigen Maßnahmen, die manche dann auch so charakterisieren, daß wir so ekelhaft und böse zu diesen Asylbewerbern seien. Wer wirklich politisch verfolgt ist, nimmt diese Behandlung hin, und wer aus ärmeren Ländern kommt, dem erscheint sie sicher nicht einmal unangemessen, und er wird uns auch verstehen, daß diese Art notwendig ist, um das ihm zustehende Recht, das wir ihm verbürgen wollen, vor Aushöhlung und Mißbrauch zu schützen. Wir müssen bei diesem unserem Verhalten natürlich einige Erwartungen enttäuschen. Wir müssen aber noch mehr dafür tun, daß Erwartungen überhaupt nicht aufkommen.
Das Schlepperunwesen blüht nach wie vor. Die Berichte über den sogenannten Ameisenpfad sind geradezu abenteuerlich. Und mit Ost-Berlin dürften wir auch einmal deutlich über die dubiose Hilfestellung reden, die von dort geleistet wird.
Ich bedauere, daß es leider so lange Zeit gedauert hat, bis der Druck auf die SPD von der Basis und von einem Bürgermeister wie dem Kollegen Koschnick ausreichend stark war, daß Sie überhaupt etwas getan haben. Wir waren mit dem Innenausschuß in Berlin und haben angesehen, was dort die Behörden zu leisten haben und wie es dort bei der Ausländerbehörde zugeht. Der Kollege Wernitz hat damals festgestellt, es wäre eigentlich sehr wertvoll, wenn die gesamten SPD-Kollegen sich das mal ansähen. Wir haben dann verstanden, daß die Krankheitsquote bei dieser Behörde 50 % beträgt. Es konnte nicht anders sein, weil das kein Mensch aushält.
Ich möchte abschließend die Gelegenheit benutzen, all den Beamten bei den Ausländerbehörden, aber auch den Richtern bei den Gerichten herzlich dafür Dank zu sagen, daß sie diese Probleme ertragen haben, die nahezu überfallartig auf sie zugekommen sind.
Ich wünsche, daß dieser Entwurf, auch wenn wir ihm nicht zustimmen können, weil er nicht die geeigneten und die notwendigen Regelungen vorschlägt, nach dieser langen Verzögerung auf dem restlichen Weg mit Hilfe des Bundesrats schnell zu einem ordentlichen Gesetz wird. - Danke schön.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Däubler-Gmelin.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte gern einige Punkte aus der Diskussion über unseren Gesetzentwurf aufgreifen, der ja unter dem Stichwort steht:
Verkürzung der Anerkennungsverfahren so weit wie möglich bei voller Wahrung der Rechtsstaatlichkeit und - ich hoffe, daß das auch nach dem Vortrag von Herrn Senator Lummer noch so bleibt - bei voller Wahrung der Bedeutung des Grundrechts auf politisches Asyl. Ich werde noch einen weiteren Punkt ansprechen, der mit praktischer Durchführung und mit der Seite des Asylrechts zu tun hat, die mir im Augenblick noch etwas zu kurz gekommen zu sein scheint, nämlich mit der menschlichen Seite, mit der humanitären Lage der betroffenen Menschen, die bei uns Asyl vor Verfolgung suchen.
Aber lassen Sie mich zwei Bemerkungen vorweg machen, damit die Legendenbildung nicht weiter wuchert, dies einfach deswegen, weil sie nicht zutreffen. Eigentlich sollte der Bundestag es nicht so schrecklich ernst nehmen, wenn jemand, der einen Gesetzentwurf eingebracht hat, sagt, wir hätten entweder zu schnell gearbeitet - das kommt auch vor, wenn wir schnell etwas erarbeiten, was dann den Initiatoren inhaltlich nicht gefällt - oder - und das ist hier der Fall gewesen - wir hätten zu langsam gearbeitet. Ich glaube nicht, daß wir zuviel Zeit gebraucht haben, und zwar gerade deshalb, weil wir das getan haben, was Sie, meine Herren vom Bundesrat, hier in so deutlichen Worten angemahnt haben. Viele von uns sind nämlich zu den Ausländerbehörden runtergegangen, in den Sammellagern, auch in Zirndorf gewesen und haben mit den Bediensteten des Bundesamts gesprochen. Wir waren bei einigen Länderinnenbehörden und haben uns sehr wohl über sämtliche Aspekte sachkundig gemacht, die mit dem Problem zu tun haben. Und - das darf ich noch dazusagen - wir haben selbstverständlich die Gerichtspräsidenten und die Richter gehört, die an verantwortlicher Stelle mit den neuen Bestimmungen zu arbeiten haben und mit den alten arbeiten mußten.
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir sollten hier noch eine Legende aus der Welt schaffen. Der Vermittlungsausschuß ist zweifellos ein nützliches Instrument. Wer wüßte das besser als wir. Aber es darf natürlich nicht so sein, daß wir lange beraten und alles, was uns der Bundesrat vorgetragen hat, in den Ausschußberatungen bedenken und erörtern
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und uns dann gesagt wird: Weil die CDU bei ihrer Meinung bleibt - und weil wir natürlich wissen, daß in den entsprechenden Unterausschüssen des Bundesrates die Weichen in einigen Streitfällen, auf die ich noch zu sprechen kommen werde, schon wieder gestellt wurden -, müßten wir jetzt auch noch in der Entscheidung das Ergebnis der Opposition übernehmen, um dem Vermittlungsausschuß zu entgehen. So weit, sehr geehrter Herr Bürgermeister von Bremen, kann es nicht gehen, bei aller Liebe zum Aufeinanderzugehen.
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Wir meinen auch, daß wir gerade in diesem Verfahren im Ausschuß die beteiligten Länder selbst angehört haben.
Ich darf dazu eines sagen. Ich möchte dem Justizminister des Landes Rheinland-Pfalz ein großes
Kompliment machen: Wir haben ja nicht nur die vom Bundesrat vorgeschlagenen Vorschriften in offiziellen Gremien, in inoffiziellen Gremien sehr sorgfältig beraten - wir haben sehr viel miteinander gesprochen -, sondern wir haben ein Weiteres getan: Wir haben schon vor langen Monaten und Monaten über die uns dafür vom Bundesrat benannte Frau Senatorin Leithäuser aus Hamburg sämtliche Justizminister und -senatoren zum Gespräch eingeladen. Sie sind, wie ich sagen darf, sehr teilweise in den Ausschuß gekommen.
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Herr Dr. Schreckenberger ist gekommen. Deswegen wollte ich mich bei ihm bedanken.
Aber daraus dann - wie sein Ministerpräsident - den Vorwurf einer Nichtbeachtung oder der Verzögerung herleiten zu wollen, das ist, bei aller Liebe, wirklich ins Reich der Legenden zu verweisen.
Meine Damen und Herren, ich möchte jetzt gern zu den beiden ersten Punkten kommen, deren Behandlung ich angekündigt habe. Zunächst zur Frage der Verkürzung: Der Herr Ministerpräsident Vogel, der leider, wie ich meine, nachdem er den Bundesrat als „Parlament" bezeichnet und uns einige kleinere Ohrfeigen gegeben hatte, wieder gehen mußte - ich muß sagen, ich habe mich darüber sehr geärgert -,
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hat gesagt, es gebe drei Punkte, die noch im Bundesrat angesprochen werden sollten. Dazu gehöre auch, daß man dort der Meinung sei, mehr von der inhaltlichen Entscheidung über die Anerkennung als Asylant sei auf Ausländerbehörden zu verlagern.
Ich möchte versuchen, Sie noch einmal auf zwei Gründe hinzuweisen, weshalb wir diese Meinung für ganz falsch halten. Der eine Grund ist, daß jemand, gerade jemand, der mit der Praxis argumentiert, weiß, daß, wenn er in einem konkreten Fall die politische Situation beispielsweise in einem bestimmten Zeitpunkt in Bangladesch erkunden soll, das mit Hilfe eines Bundesamtes, der dort vorhandenen zentralisierten, aktuellen Dokumentation, einfach schneller und leichter kann als mit Landesbehörden. Er weiß auch ganz genau, daß Entscheidungsbefugnis der Ausländerbehörde zentralisiert oder nicht, in einem solchen Fall folgendes bedeuten würde: Da muß zunächst innerhalb des Landes der Dienstweg nach oben beschritten werden, dann geht es auf den Dienstweg vom Land zum Bund, dann vom Auswärtigen Amt zu den Auslandsdienststellen, die dann die Erkundigungen einziehen. Dann läuft das alles den gleichen Weg wieder zurück. Jetzt sagen Sie mir bitte, wo da der Verkürzungseffekt bleibt.
Zweiter Punkt - und davor ist mir mindestens genauso angst -:Ich habe gesehen, was man mit Gesetzen machen kann, wenn man die Ausführung zu sehr den Landesbehörden überantwortet, die von zusätzlichen Richtlinien der Länderinnenminister, weisungsabhängig sind. Gerade auf dem Feld des Ausländergesetzes gibt es zahlreiche zusätzliche
Richtlinien, die sich häufig von Land zu Land unterscheiden und die auf jeden Fall - so lassen Sie mich sagen - die Sicherheit der Lebensgestaltung eines Ausländers schon darin sehr stark beeinträchtigen können, wenn er völlig legal und ohne jede kriminellen Anhaltspunkte bei uns wohnt und arbeitet.
Wenn wir das auf das Asylverfahren übertragen wollten, dann möchte ich vorher die Frage beantwortet bekommen, warum der Tatbestand, daß jemand etwa aus Ghana zu uns kommt und bei uns Schutz vor Verfolg sucht, durch solche Ausführungsvorschriften möglicherweise in Bayern anders sollte entschieden werden können als in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein oder Hamburg. Dafür gibt es keinen sachlichen Grund - außer dem, daß man als Land in dieser Asylanerkennungsentscheidung selbst mitentscheiden will. Ob das immer gut ist, ist dann die Frage.
Und das führt uns zum Verteilungsverfahren. Ich habe mich etwas gewundert, warum hier und heute nicht dasjenige Land für die gesetzliche Verankerung eines Verteilungsverfahrens eingetreten ist, das es eigentlich am bittersten nötig hätte, das Land Berlin. Warum sagt der Herr Senator Lummer hier nicht, daß Berlin mit seiner besonderen Problematik auf die gesetzliche Verankerung eines Verteilungsverfahrens angewiesen ist.
Was wäre denn die Folge, wenn wir nicht einen gesetzlichen Verteilungsschlüssel ins Gesetz aufnähmen? Die Folge wäre doch, daß das passierte, was Bayern, was Baden-Württemberg gemacht haben, daß nämlich immer dann, wenn politische Probleme auftauchen und ein Land seinen Kopf nicht durchsetzen kann, Herr Fellner, weil die Kollegen aus den anderen Ländern dagegen sind, dieses Land sagen kann: So, und jetzt koppele ich mich ab und mache das, was ich will; jetzt mache ich meine Grenzen gegenüber den anderen Ländern ganz, halb oder drei Viertel zu. Das ist das, was wir verhindern müssen. Das wird dann nämlich wirklich auf dem Rücken der Asylbewerber ausgetragen. Da machen wir nicht mit.
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Ich darf hier noch einen letzten Punkt ansprechen, der in der Diskussion ebenfalls eine große Rolle gespielt hat, nämlich: Asylrecht und Ängste, Ausländerfeindlichkeit. Herr Fellner, wir treffen uns wahrscheinlich in vielen Punkten - Sie müssen wissen, daß ich bei mir im Wahlkreis in Baden-Württemberg eines der Sammellager habe, die es dort gibt, dazu komme ich gleich noch -, wenn wir uns so verstehen, daß es viele Leute gibt, die einfach Angst haben. Wir treffen uns aber schon nicht mehr bei der Frage, ob es die Behandlung des Asylproblems ist, die diese Ausländerfeindlichkeit oder -ängste hervorruft. Ich sage, entgegen dem, was Sie gesagt haben, und auch sehr deutlich entgegen dem, was Herr Ministerpräsident Vogel gesagt hat, folgendes: Wir haben ein Ausländerproblem und eine Ausländerfeindlichkeit weitgehend wegen der wirtschaftlichen Lage. Und wir kennen alle die klassischen Sündenbockentwicklungen die es früher bei uns gegeben hat - in schlimmeren Zeiten. Ich halte die Ausländerfeindlichkeit heute für ein neues Kapitel dieser historischen Entwicklungen. Und deswegen nehme ich es so ernst.
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Jetzt schließt sich aber die Frage an uns an, wie wir damit umgehen. Meinen Sie wirklich, man könne dem, was sich da tut, entgegenwirken, sich dem auch nur entziehen, wenn man dem nicht wirklich nach außen mit Aussagen und Handlungen entgegentritt? Sie werden das nicht schaffen. Und dadurch, daß Sie Vorurteile hier einfach wiederholen, sie dann zitiert stehenlassen oder sie im Wege der Schuldzuweisung auf jemand anderen schieben, verstärken Sie diese Entwicklung nur.
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Sie nehmen sie keineswegs zurück. Mir geht es jetzt nicht um die Schuldverteilung, Herr Bohl. Ich lasse mich davon jetzt auch nicht abbringen. Ich bin der Meinung, daß dies wirklich ein viel zu ernstes Thema ist, als daß wir hier damit spaßen können.
Ich will ein Beispiel nennen, das heute in dieser Debatte eine Rolle gespielt hat. Der Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz sprach von jenem ungeheuerlichen Vorfall in Mainz. Auf die Frage, warum er diesen Vorfall hier einbringe und ob es sich dort um Asylbewerber gehandelt habe, sagte er zwar nein, zugleich aber auch, es könnte ja die Sorge bestehen - ({7})
- Sinngemäß hat er das gesagt. Sie können es nachlesen. Ich hatte gerade Gelegenheit, Herr Klein, das Protokoll meiner Zwischenfrage zu prüfen. Deswegen habe ich die Stelle noch genau im Kopf. Sie werden feststellen, daß er gesagt hat: woher ich die Hoffnung nehme, daß sie keinen Asylantrag stellen können.
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- Nein, bei Leuten, über die derselbe Ministerpräsident vorher gesagt hat, es sei völlig klar, daß sie sich für Khomeini schlagen, ist es geradezu absurd, sie auch noch - dies sage ich jetzt - zur Stellung eines Asylantrags geradezu einzuladen, und zwar mit dem Aspekt, sie würden von gerade diesem Iran politisch verfolgt. Wo sind wir denn eigentlich?
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Herr Bohl, das ist genau der Punkt, den ich hier bemängele: das Zusammenmischen von sehr bedauerlichen Erscheinungen, von Vorfällen, für die nicht nur in diesem Hause keiner ist, sondern über die auch sonst alle sagen, wir müßten mit allen zulässigen Mitteln, die wir im übrigen haben, gegen sie vorgehen, mit Problemen der Minderheit, die bei uns nach einem jetzt gekürzten Verfahren Schutz erhalten soll. Gegen dieses Zusammenmischen wehre ich mich.
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Ich wehre mich auch dagegen, Herr Senator Lummer, daß Sie die Tatsache, daß es in Berlin Rauschgiftfälle gibt - wir wissen das -, mit dem Asylverfahren in einen Zusammenhang bringen. Wenn dies
so stehenbleibt, wird draußen die vorurteilsbeladene
Kette der Argumente verschärft, das seien alles Hascher, Rauschgifthändler oder Nichtstuer. Wir wissen doch aber ganz genau, daß das nicht zutrifft.
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Ich glaube, daß wir hier aufgerufen sind, sehr viel mehr zu tun. Ich sage Ihnen auch, wo unser Gesetzentwurf Ihnen von der Opposition und auch einigen der Ministerpräsidenten aus dem Bundesrat meines Erachtens Gelegenheit geben wird, mit konkreten Handlungen etwas gegen die Ausländerfeindlichkeit zu tun. Es gibt nämlich einige' Möglichkeiten. Ich nenne § 20 a, der die Bundessammellager betrifft, welchen wir entgegen dem Antrag von CDU/ CSU im Rechtssausschuß ausdrücklich abgelehnt haben. Nun wissen wir sehr wohl, daß der Antrag auf Einfügung dieses § 20 a betreffend Bundessammellager von Ihren Vertretern im Bundesrat wieder gestellt werden wird. Was hat dies nun mit Ausländerfeindlichkeit zu tun? Ausländerfeindlichkeit wird durch Vorurteile wie die, daß jemand nichts tue und kriminell werde, sehr stark beeinflußt; und Sammellager führen leichter zu solchen Entwicklungen.
Dazu möchte ich Ihnen einige Sätze vortragen. Da hat jemand folgendes festgestellt: „Die zwangsläufige Unterbringung von Ausländern unterschiedlicher Nationalität, Kultur und Religion auf engem Raum in solchen Sammellagern könne zu erheblichen Schwierigkeiten und vor allen Dingen zu Störungen im Zusammenleben mit der deutschen Bevölkerung führen." - Wie wahr! - „Die zentralisierte Unterbringung würde zu einem gesteigerten subjektiven Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung führen." - Dies hat ein Beamter geschrieben; auf deutsch heißt das: dies würde zu mehr Angst führen. - „Das müßte durch eine verstärkte personelle Besetzung der Verwaltung konterkariert werden. Dem müsse in gewisser Weise bei Verwaltung und Polizei Rechnung getragen werden." - Wie wahr! - „Lager könnten einen Nährboden für politische Agitation und Radikalisierung abgeben." - Ebenfalls richtig! - „Ein längerer Aufenthalt im Lager könne zu örtlichen Bindungen führen und eine spätere anderweitige Unterbringung erschweren." - Wie wahr! -„Einzelne Gemeinden würden hier über Gebühr belastet." - Sehr richtig!
Es fehlen eigentlich nur noch die zusätzlichen Punkte, die belegen, daß auch die Menschen in den Lagern betroffen sind, wenn sie dort lange leben müssen: daß Familien zerbrechen, daß sich Persönlichkeiten verändern, daß es zu Selbstaggression, zu Alkoholismus, zu Krankheiten und zu Aggressionen kommt. Diese Faktoren schlagen sich dann in den Kriminalitätsbelastungsziffern nieder.
Jetzt will ich Ihnen auch noch sagen, wer das, was ich zunächst zitiert habe, geschrieben hat. Der Text - ausgenommen die Punkte, die die einzelnen Menschen anbelangen; auf diese Punkte haben vor allem die Kirchen mit Recht aufmerksam gemacht - stammt aus der Begründung zu einem Gesetzestext des Landes Baden-Württemberg aus dem Jahre 1979. Er stammt aus der Begründung zu dem Asylbewerbe-Zuweisungsgesetz.
Ich kann nur sagen: Hätte man diese Ausführungen aus dem Lande Baden-Württemberg dort selbst ernstgenommen, so wäre heute schon viel mehr gegen die Ausländerfeindlichkeit geschehen. Wir hätten dann sehr viele Probleme - z. B. in meinem Heimatort - nicht, die wir heute haben. Wir hätten für die Menschlichkeit, wir hätten für die Beachtung der Tatsache, daß es sich um Menschen handelt, die unsere Achtung, unseren Respekt und eine würdevolle Behandlung verdienen, auf diesem Wege viel mehr erreicht, als alles Gerede, aus welchen Gründen auch immer, bewirken kann. - Herzlichen Dank.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Hirsch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich auf wenige Bemerkungen beschränken.
({0})
- Vielen Dank für Ihren Zwischenruf, Herr Kollege.
Als erstes möchte ich Frau Däubler ausdrücklich darin untertützen, wenn sie darauf hinweist, daß bei einer sorgfältigen Betrachtung des Ganges der Ereignisse von einer Verschleppung der Beratung des Gesetzentwurfes nicht gesprochen werden kann. Die etwas mehr als zwölf Monate, die wir für die Beratung aufgewendet haben, sind in der Tat nicht nur in Anbetracht des Ranges der Ausfüllung des Grundrechts auf Asyl angemessen. Wir haben im Laufe dieser Beratungen zudem auch eine ganze Reihe von Fortschreibungen erlebt. Wir haben festgestellt, daß die Vorschläge des Bundesrates - unabhängig davon, wie man zu ihnen steht, unabhängig davon, ob man sie überhaupt im Ansatz für akzeptabel hält oder nicht - nicht zu dem gewünschten Erfolg führen, sondern mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer Verlängerung und einer Verzögerung der Verfahren. Das hat heute vormittag der Kollege Engelhard insbesondere hinsichtlich des Rechtsweges ausgeführt. Man kann dasselbe hinsichtlich des Verhaltens der kommunalen Behörden sagen. Die kommunalen Spitzenverbände haben uns ausdrücklich gesagt, daß sie nicht daran dächten, Ausländer etwa abzuschieben, bevor eine Entscheidung rechtskräftig geworden ist. Ich halte diese Einstellung für durchaus ehrenwert und zutreffend.
Wir haben schließlich - und zwar in der gemeinsamen Arbeitsgruppe von Bund und Ländern, die ja vernünftigerweise eingerichtet worden ist, um die Verwaltungspraxis festzustellen - gesehen, daß neben dem Problem des Rechtsweges, auf das sich der Gesetzesvorschlag des Bundesrates im wesentlichen bezog, eine Fülle weiterer Probleme gelöst werden muß. Dies sollte dann aber auch in einem Gesetz geschehen. Es sollte also nicht so sein, daß wir den Entscheidungen oder der Wirklichkeit gewissermaßen jeweils mit weiteren Novellen hinterherlaufen.
({1})
Es ist ja mit Recht eine der Klagen, die von den Bürgern erhoben werden, daß wir durch diese dauernde
Gesetzesmacherei - eine Novelle nach der anderen - allmählich zu einer Unsicherheit beitragen, die unerträglich ist.
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Darum war es vernünftig, ein Gesetz zu machen, das die wesentlichen Probleme in der Tat anspricht und, wie wir hoffen, auch löst.
Über Einzelheiten des Verwaltungsverfahrens haben wir hier wenig gesprochen: Identitätsfeststellung, Verteilungsverfahren, Zustellungsprobleme, Dezentralisierung des Bundesamtes, Behandlung der Wiederholungsanträge, die einen großen Anteil an den gestellten Anträgen ausmachen - 10 % der Asylanträge sind Wiederholungsanträge und gesetzesmäßig absolut unbefriedigend, nämlich überhaupt nicht, geregelt -, und dgl. mehr.
Ich habe es begrüßt, daß wir heute hier wenigstens ansatzweise zu einer Diskussion mit den Ländervertretern gekommen sind. Ich hoffe, meine Herren, daß wir eine ähnlich erfreuliche Besetzung der Bundesratsbank auch dann erleben werden, wenn wir in einiger Zeit über die Ausländerpolitik generell sprechen werden, damit einmal deutlich wird, daß etwa das Asylantenproblem an der Ausländerfeindlichkeit, die wir mit großer Sorge verfolgen, in der Tat, Herr Kollege Fellner, nicht schuld ist. Vielmehr treten ja die mangelnden Integrationslösungen, die wir beklagen, insbesondere in zwei Bereichen auf: im Bereich des Wohnens - die große Zusammenballung von Ausländern in einzelnen Bezirken ist in Berlin, aber auch in anderen Großstädten sehr deutlich zu sehen - und im Bereich der Schule, weil unser Schulsystem bei der Beschulung der Ausländer versagt und ein Subproletariat schafft, wie wir das gestern in einem anderen Zusammenhang hier ausgeführt haben; darüber muß gesprochen werden.
Ich meine, die Probleme der Länder und Gemeinden im Zusammenhang mit dem Asylrecht sind bekannt; sie sind überwiegend finanzieller Art. Ich habe auch häufig beklagt, daß das Entgegenkommen des Bundes in diesem Bereich nicht immer der tatsächlichen Belastung entspricht, der sich Länder und Gemeinden ausgesetzt sehen. Man muß aber auch sagen, daß die Probleme des Asylrechts nicht nur eine Funktion der Bundesgesetzgebung sind, sondern zu einem nicht unerheblichen Teil auch auf Fragen des Verwaltungsvollzuges in den Ländern beruhen, die wir heute hier nicht erörtert haben. Ich will ein paar Stichworte nennen. Wir haben von der völlig unzureichenden personellen Ausstattung der Kanzleien der Gerichte gehört. Das, was dazu in der Anhörung gesagt worden ist, ist katastrophal; das kann man nicht beschönigen. Wir wissen, meine Herren Kollegen, daß in den Ländern zahlreiche Probleme im Zusammenhang mit dem Verteilungsverfahren bestehen; Hessen, auch Nordrhein-Westfalen möchte ich dabei nennen. Ich erinnere Sie an die mühsamen Verhandlungen über die Quoten, die wir geführt haben, in denen wir monatelang ohne Einigung über Zehntel-Quoten diskutiert haben. Ich erinnere Sie an die Probleme im Zusammenhang mit den Sammellagern. Wer ist zuständig dafür? Wo sollen sie eingerichtet werden? Wollen wir überhaupt Sammellager haben?
Schließlich haben wir unter den Ländern j a seit langem Diskussionen über die, so sage ich einmal, Opportunitätshaltung im Zusammenhang mit Kontingentsflüchtlingen geführt, die ja die Integrationsfähigkeit und die finanzielle Leistungsfähigkeit von Ländern und Gemeinden wohl auch belasten. Es war sehr mühsam, sich darüber zu verständigen, ob wir Kontingentsflüchtlinge, die genauso behandelt werden wie Asylanten, in einem gemeinsamen Verfahren, im Rahmen gemeinsamer Aktionen aufnehmen oder ob wir uns im Zuge politischer Opportunität gegenseitig dabei überbieten.
Schließlich erinnere ich Sie daran, wie schwierig es ist, festzustellen, wie groß die tatsächliche Belastung der Länder durch Ausländer ist, wie schwierig es ist, z. B. Zahlen darüber zu bekommen, wieviel Asylbewerber sich in den Ländern tatsächlich aufhalten. Ich weiß bezüglich Nordrhein-Westfalen, daß die Zahl der Asylbewerber, die sich im Land Nordrhein-Westfalen, dem Land mit der höchsten Aufnahmequote, tatsächlich aufhalten, in den letzten zwölf Jahren absolut nicht mehr zugenommen hat, unabhängig von der Zahl, Herr Kollege Lummer, die Sie mit Recht nennen, immer neu hinzukommender Asylbewerber.
Schließlich ist es außerordentlich schwer gewesen festzustellen, was denn die Länder im Verwaltungsvollzug mit den Asylbewerbern machen, die schon nach geltendem Recht rechtskräftig abgewiesen werden. Wieviel davon werden tatsächlich ausgewiesen? Wieviel bleiben, aus welchen Gründen auch immer?
Alle diese Zusammenhänge des Verwaltungsvollzugs sind, finde ich, in der politischen Diskussion zu kurz gekommen. Wir wären ganz falsch beraten, wenn wir gegenseitig in dem unstreitig unbefriedigenden Zustand, den wir ja auch durch dieses Gesetz verbessern wollen, die Verantwortung allein beim Bund sähen. Ich glaube, da sollten wir uns einmal von kleinlicher Zuständigkeits- oder Verantwortungszuschiebung frei machen.
Mich hat bei der ganzen Debatte eines am meisten gestört: Wir haben sehr viel über unsere eigenen Probleme, über die eigene finanzielle Belastung gesprochen; wir haben sehr viel weniger - teilweise aber auch sehr eindrucksvoll - darüber gesprochen, daß es sich um Menschen handelt, die bei uns Zuflucht suchen, ein Teil deswegen, weil sie politische Grundrechte, die für uns selbstverständlich sind, ausüben wollen und deswegen verfolgt werden, ein anderer Teil deswegen, weil er aus wirtschaftlichen Gründen das eigene Land verlassen muß. Ich frage mich manchmal, ob nicht auch der Zwang, aus wirtschaftlichen Gründen seine Heimat verlassen zu müssen, im Grunde genommen ein genauso harter Zwang ist wie der, wegen seiner Überzeugung gehen zu müssen.
Was wir immer leicht als „Scheinasylanten", als „Wirtschaftsflüchtlinge" bezeichnen, sind doch Menschen, die nichts anderes wollen und kein schlechteres Motiv haben, als den Versuch zu unternehmen, der Arbeitslosigkeit in ihren Ländern zu entfliehen und sich und ihre Familien in irgendeiner vertretbaren Weise zu ernähren. Ich sage nicht, daß wir deren
Probleme dadurch lösen können, daß wir sie alle aufnehmen: das weiß Gott nicht, das ist unstreitig.
Zwei Punkte muß man allerdings immer wieder betonen. Erstens. Die Verheißung des Grundrechts des Art. 16, nämlich das Recht auf politisches Asyl, muß unangetastet bleiben.
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Diesem Rang des Grundrechts muß auch das Verfahren entsprechen, mit dem wir es ausfüllen.
Zweitens muß daran festgehalten werden, daß wir uns doch nur mit der Kehrseite der Medaille beschäftigen, nämlich der Tatsache, daß der Wohlstand auf unserer Erde in einer unerträglichen Weise unterschiedlich verteilt ist. Wir versuchen, die Symptome dieses Tatbestands mit Mitteln der Verwaltungspraktikabilität zu lösen. Ich bin der festen Überzeugung, daß dieses Problem auf Dauer so eben nicht gelöst werden kann. Wir kurieren am Symptom, was immer wir tun.
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Darum kann die Lösung im Zusammenhang mit dem Zustrom von Asylbewerbern aus aller Herren Länder auf Dauer nur darin bestehen, daß wir entschlossen mehr dafür tun, den Menschen ein Leben in ihren eigenen Ländern zu ermöglichen. Ich denke, daß die Anstrengungen, auch die finanziellen Anstrengungen, die wir und die Industrieländer westlicher und östlicher Prägung dazu unternehmen, lächerlich gering sind angesichts der unglaublichen Größe dieses Problems.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Klein ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die - wie soll ich sagen? - Equilibristik zwingt mich, noch einige Bemerkungen hier anzuschließen. Lassen Sie mich bei der Schlußbemerkung beginnen, mit der der Herr Bundesinnenminister seine Rede beendet hat. Es war eine für mein Empfinden pathetische, wenn nicht gar martialische Bemerkung. Er sagte nämlich: Menschenrechte dürfen in der Bundesrepublik Deutschland nicht nur für deutsche Paßinhaber gelten. Ich muß gestehen, daß ich den Sinn dieser Bemerkung angesichts der Debatte, die wir den Vormittag über geführt haben, nicht verstanden habe. Es ging doch nun wahrlich nicht darum, Ausländern schlechthin oder auch nur denen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland nach Maßgabe unseres Grundgesetzes um politisches Asyl bewerben, das Recht zu bestreiten, sich auf dieses und andere Grundrechte zu berufen. Ich meine, ein Mitglied der Bundesregierung täte gut daran, nicht auf diese Art und Weise eine sachlich zu führende Debatte, hinter der ernste Anliegen stehen, auf ein Geleise zu führen, auf dem dann die Sachargumentation in eine bloße Scheinargumentation abgleitet.
({0})
Unser Anliegen ist es, Mißbrauch des Grundrechts auszuschließen. Ich habe dieser Formulierung gegenüber - ähnlich, wie das bei dem Kollegen Hirsch in seinen letzten Bemerkungen angeklungen ist - gewisse Vorbehalte, wie ich offen gestehe; insoweit nämlich, als diejenigen, die unter nicht tragfähiger Berufung auf das Asylrecht in die Bundesrepublik Deutschland kommen, das in vielen Fällen nicht in der Absicht tun, dieses Recht zu mißbrauchen. Vielmehr kommen sie, weil die Not sie treibt. Insoweit, Herr Kollege Hirsch, stimme ich Ihnen zu.
Ich stimme Ihnen auch darin zu, wenn Sie sagen: Wir können das Problem der Millionen Wirtschaftsflüchtlinge, die es auf dieser Erde gibt, in unserem Lande nicht lösen. Wir lösen es freilich aber auch nicht dadurch, daß wir uns und den in der Bundesrepublik lebenden Ausländern, den sich hier rechtmäßig aufhaltenden Ausländern zusätzliche Probleme schaffen, indem wir es durch ausländerpolitisches Versagen zu den bedenklichen Entwicklungen kommen lassen, die wir alle in diesen Tagen mit Sorge verzeichnen. Wenn es dazu noch eines Nachhilfeunterrichts bedurft hätte, dann ist vielleicht der heutige Leitartikel der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" geeignet, ihn zu erteilen.
Frau Kollegin Dr. Däubler-Gmelin, gestatten Sie mir, kurz auf denjenigen Teil Ihrer Äußerungen einzugehen, in dem Sie sich mit dem Ministerpräsidenten des Landes Rheinland-Pfalz auseinandergesetzt haben. Zu einem Teil, so meine ich, haben Sie ihn falsch verstanden. Zu einem anderen Teil glaube ich etwas nachtragen zu sollen, was der Ministerpräsident des betroffenen Landes hier - wie ich meine, aus verständlichen Gründen - nicht hat sagen können.
Ich meine schon, daß der von ihm eingeführte Vorfall in Mainz, den wir gemeinsam verurteilen, in einer gewissen Weise etwas mit der Asylrechtsproblematik zu tun hat, über die wir heute verhandeln; nicht nur deshalb, weil der Presse zu entnehmen war, daß sich in der Tat einige derjenigen, die dort ihre Landsleute überfallartig in Bedrängnis gebracht haben, in der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich als Asylbewerber - noch - aufhalten, sondern auch deshalb, weil, wie ebenfalls zu vernehmen war - darauf hat der Ministerpräsident hingewiesen, wenngleich nicht ganz so deutlich, wie ich es jetzt tue -, der Botschafter des betroffenen Landes in der Bundesrepublik Deutschland seine derzeit in Rheinland-Pfalz einsitzenden Landsleute offensichtlich aufgefordert hat, Asylrechtsanträge zu stellen.
({1})
Wenn das in unserem Lande möglich ist, ist in hohem Grade Wachsamkeit geboten; nicht um der wenigen Fälle wegen, mit denen natürlich das Land Rheinland-Pfalz bzw. die Bundesrepublik Deutschland in der oder jener Weise fertig wird, sondern weil allein die Möglichkeit eines solchen Vorgangs jene Ausländerfeindlichkeit, jene Bedenken gegen das Asylrecht, die sich in der Bevölkerung breitmachen und, wie wir sehr genau wissen, den Nährboden für extremistische Bestrebungen bilden, zu förDr. Klein ({2})
dern geeignet ist. Dem müssen wir rechtzeitig vorbeugen.
Nun lassen Sie mich daran erinnern, meine Damen und Herren, daß der Gesetzentwurf, über den wir hier heute sprechen, ja nicht erst vor wenigen Tagen das Licht der Welt erblickt hat - das trifft nur für die Gestalt zu, in der er uns vorliegt -, sondern daß das Vorhaben, mit dem wir uns auseinandersetzen, dieses Hohe Haus jedenfalls formal seit nunmehr mindestens anderthalb Jahren beschäftigt; denn seit anderthalb Jahren liegt diesem Hohen Hause der entsprechende Entwurf des Bundesrates vor.
Nun leugne ich nicht, Herr Kollege Hirsch, und wer sonst immer noch im Laufe dieses Vormittags in dieser Weise argumentiert hat, daß die Koalition in diesen 18 Monaten oder, genauer gesagt, in den letzten drei Monaten in dieser Frage einen Lernprozeß durchgemacht hat. Nur stelle ich entschieden in Abrede, daß die Erkenntnisse, die Sie in den letzten drei Monaten gewonnen haben, nicht schon vor anderthalb Jahren zu gewinnen gewesen wären.
({3})
Denn mag auch, Herr Kollege Engelhard, die Anhörung des Rechtsausschusses und des Innenausschusses am 12. März dieses Jahres für Sie ein Schlüsselerlebnis gewesen sein, so war doch das, was dort gesagt worden ist, in keinem Punkte neu.
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Es ist über Monate und Jahre diskutiert worden. Wenn Sie politisch willens und imstande gewesen wären, sich vor diesem Datum, vor den letzten Wochen zu einer Veränderung der Asylrechtsproblematik durchzuringen, dann hätte es dieser Anhörung nicht bedurft.
({5})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hirsch?
Herr Kollege, wenn es so wäre, wäre es dann nicht unverständlich, daß der Gesetzentwurf des Bundesrates eben ganz im Gegensatz zu den Erkenntnissen steht, die wir aus dem Hearing gewonnen haben? Und würden Sie bitte auch akzeptieren, daß z. B. die Rechtsprechung zu den Wiederholungsanträgen erst aus der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres stammt, die notwendigerweise in diesen Gesetzentwurf mit aufgenommen werden mußte?
Herr Kollege Hirsch, ich leugne überhaupt nicht, daß Sie diese Erkenntnisse, die Sie hier zum wiederholten Male zitieren, erst nach dem 12. März dieses Jahres gewonnen haben. Ich leugne natürlich auch überhaupt nicht, daß an dem Entwurf des Bundesrates schon vorher Kritik geübt worden ist. Nur bestreite ich, daß die sachlichen Gesichtspunkte mit denen Kritik geübt worden ist bzw. mit denen Sie Ihre jetzige Auffassung fundieren, vorher noch nicht in der Welt gewesen wären.
({0}) Das ist der entscheidende Gesichtspunkt.
Meine Damen und Herren, wir wollen - ich zögere, den Ausdruck zu verwenden, der in der zweiten der heute morgen gehaltenen Reden j a mit bedenklichen Assoziationen eingeführt worden ist - keinen kurzen Prozeß in jenem diffamatorischen, denunziatorischen Sinne, in dem der Begriff hier gebraucht wurde. Aber wir wollen um der Wirksamkeit des Asylrechts wegen gründliche, aber dabei schnell abzuwickelnde Verfahren.
An diesem Maßstab gemessen, ist der uns vorliegende Entwurf - ich befinde mich in dieser Beurteilung in mir zur Genugtuung gereichender Übereinstimmung mit den Ministerpräsidenten der Länder Bremen und Hessen - zwar ein erster, aber eben kein hinreichender Schritt. Die zurückhaltende Würdigung, die die beiden praktischer Erfahrungen j a nicht ermangelnden Regierungschefs der genannten Länder hier dem Koalitionsentwurf haben zuteil werden lassen, sollte Ihnen von der Koalition zu denken geben.
Die Frage der Ausländerbehörden könnte ja auf den ersten Blick - wenn ich diesen letzten Gesichtspunkt hier noch anfügen darf - als eine nur mehr äußerliche Differenz erscheinen. Auf der einen Seite wollen die Länder, wenn ich es richtig sehe, eine zentralisierte Zuständigkeit der Ausländerbehörden in ihrem Bereich; auf der anderen Seite gibt es eine gewisse - haushaltsrechtlich freilich noch nicht fundierte - Bereitschaft des Bundes, eine Dezentralisierung des Bundesamtes vorzunehmen. Da gibt es wahrscheinlich, was die Zahl der zuständigen Stellen angeht, am Ende keine sehr grundlegenden Differenzen mehr.
Nur sind natürlich folgende Fragen zu stellen: erstens die, ob die Ankündigung bei der bekannten Finanzenge des Bundes eingehalten werden kann. Zweitens gibt es - darauf haben wir in den Beratungen des Rechtsausschusses aufmerksam gemacht - verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Realisierbarkeit des Planes, das Bundesamt mit einem dezentralisierten Unterbau auszustatten. Es erscheint also überaus zweifelhaft, ob dieses Vorhaben in die Realität umgesetzt werden kann.
Zweifelhaft erscheint mir auch - dies ist hier in der Frage geäußert worden -, ob die Ausländerbehörden fähig sind, sich mit den nach den Vorstellungen der Länder auf sie zukommenden Problemen sachlich auseinanderzusetzen. Ich darf daran erinnern, daß das hier schon mehrfach zitierte Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Frühjahr des vergangenen Jahres ja eben jene Praxis für mangels gesetzlicher Grundlage verfassungswidrig erklärt hat, für die wir jetzt die gesetzliche Grundlage schaffen wollen. Mit anderen Worten, eine Zuständigkeit der Ausländerbehörden in diesen Fragen gab es ja zuvor auch. Man kann also jetzt wohl nicht an der Sachkompetenz der Ausländerbehörden oder daran zweifeln, daß sich diese binnen angemessener Frist herstellen ließe.
Dr. Klein ({1})
Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen. Wir würdigen vor dem Hintergrund des Ausgangspunktes der Koalitionsparteien zu Beginn des parlamentarischen Beratungsprozesses die Schritte, die Sie mit diesem Entwurf in Richtung auf das, was notwendigerweise zu tun ist, unternommen haben, aber wir betrachten sie nicht als hinreichend. Da wir die Fortsetzung jener Flickschusterei, die der Herr Kollege Engelhard hier für die letzten Jahre mit Recht gegeißelt hat, nicht wünschen, treten wir dafür ein, jetzt mit diesem Gesetz die entscheidenden Schritte zu tun, so daß wir aus der Gesamtproblematik der Ausländerpolitik wenigstens dieses Problem für die nächsten Jahre abschließend regeln können. - Vielen Dank.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Coppik.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Gesetz, über das wir heute abstimmen, wird vor einem ganz bestimmten gesellschaftlichen Hintergrund beraten. Der gesellschaftliche Hintergrund ist eine seit ein paar Jahren ansteigende Welle von Ressentiments gegen Ausländer in der Bundesrepublik. Wir alle kennen das; mit entsprechenden Bemerkungen und Ansichten werden wir allenthalben konfrontiert. Herr Minister Baum hat das vorhin kurz angesprochen.
Die Beauftragte der Bundesregierung für Ausländerfragen, Frau Funcke, hat sich neulich veranlaßt gesehen, vor Ausländerfeindlichkeit zu warnen, und hat das mit dankenswerter Deutlichkeit getan. Nur, meine Damen und Herren, die Ausländerfeindlichkeit entwickelt sich bei uns nicht deshalb, weil die Leute bei uns plötzlich böse geworden wären und deshalb nicht mehr wahrhaben wollten, daß der millionste Gastarbeiter - wie es damals noch hieß - mit ganz großem Bahnhof in unserem Lande begrüßt wurde. Nein, die Ausländerfeindlichkeit entwickelt sich nicht deshalb. Darum werden auch bloße Beschwörungen sie nicht beseitigen. Die Ausländerfeindlichkeit hat ganz konkrete gesellschaftliche Ursachen: Angst um den Arbeitsplatz, Konflikte im Wohnbereich, wo in manchen Großstädten regelrechte Gettobildung zu beobachten ist, Konflikte im Schulbereich, die durch völlig unzureichende Lehrerversorgung und dadurch unerträgliche Schulverhältnisse in Stadtvierteln mit hohem Ausländeranteil entstehen; Herr Kollege Hirsch hat darauf hingewiesen. Wir sollten uns dann aber auch an die Beseitigung dieser gesellschaftlichen Ursachen der Ausländerfeindlichkeit begeben.
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Aber was geschieht statt dessen? Man erinnert sich daran, daß es noch das Gewerbe der Gesetzesmacher gibt, und beginnt neue Paragraphen auszuhecken. Dabei greift man sich eine Ausländergruppe heraus, von der man weiß, daß sie im öffentlichen Ansehen besonders schlecht dasteht, die sogenannten Asylanten. In unserem Land, aus dem vor einigen Jahrzehnten Tausende von Menschen wegen politischer Verfolgung flüchten mußten, hat das eine besondere Bedeutung. Auf diese geschichtlichen Zusammenhänge wurde heute mehrfach hingewiesen.
Nur ändert das nichts daran, daß auch heute oder heute schon wieder politische Flüchtlinge, zumal aus außereuropäischen Ländern, in manchen Kreisen der Bevölkerung nicht allzu viel gelten. Ja, mitunter trifft man sogar auf die Meinung, daß politisch Verfolgte eigentlich selbst an ihrer Verfolgung schuld sind. Denn wozu betätigen sie sich politisch in einem Land, wo das verboten ist? Dann sind auch noch die vielen sogenannten Wirtschaftsasylanten darunter. Kurzum alles Leute, die man in Lagern kasernieren, bei denen man für das Verlassen der Unterkunft bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe vorsehen, die man zu Sonderarbeitseinsatz heranziehen muß - alles Maßnahmen, die auf breite Zustimmung stoßen.
Aber gibt es wirklich Grund, Menschen zu hassen, die sich aus Ländern, in denen sie unter zum Teil menschenunwürdigen sozialen Bedingungen leben, auf den Weg machen in ein anderes Land, in dem sie arbeiten und menschenwürdig leben möchten? Herr Kollege Schöfberger hat das angesprochen. Ich kann dem, was er gesagt hat, und auch dem, was Kollege Hirsch gesagt hat, eigentlich nur zustimmen.
Auch ich weiß natürlich, daß wir nicht in der Lage sind, allen Elenden dieser Welt zu helfen. Wir sind eines der am dichtesten besiedelten Ländern. Und insgesamt entwicklungspolitisch gesehen, ist die Wanderungsbewegung in die Metropolen eine Fehlentwicklung, der wir entgegentreten müssen. Aber wir sollten das Problem mit Verständnis und nicht mit kurz angebundener Bravour, mit Sorgfalt und nicht in einem kurzen Prozeß behandeln. Für sachgemäße Entscheidungen reicht aber das geltende Recht vollkommen aus.
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Es mag sein, daß durch das vorliegende Gesetz das Asylverfahren in manchen Fällen verkürzt wird. Das wird zwar auf die Ausländerproblematik in der Bundesrepulik schon allein zahlenmäßig überhaupt keine Auswirkungen haben. Auch darauf hat Herr Minister Baum hingewiesen. Wohl aber wird es die Gefahr von Fehlentscheidungen erheblich erhöhen. Dabei könnte das Asylverfahren auch in anderer, die Sorgfalt der Entscheidung nicht beeinträchtigender Weise verkürzt werden: durch vorübergehende personelle Verstärkung der Entscheidungsgremien und durch ein anderes Verhalten der zuständigen Bundesbehörden. Denn es sind keineswegs nur Asylanten, die das Verfahren verzögern.
Vor wenigen Tagen erhielt ich ein Schreiben eines Kurden, der vom Verwaltungsgericht Minden als politisch Verfolgter, als Asylberechtigter anerkannt wurde. Der Betroffene hat in der Türkei in Kurdistan Unterricht in kurdischer Sprache erteilt, was dort strafrechtlich nach § 142 des türkischen Strafgesetzbuches verfolgt wird, weil es die Absicht beinhaltet, das Nationalgefühl zu unterdrücken und zu schwächen. Das Auswärtige Amt hat in manchen Stellungnahmen zu Asylverfahren von Kurden den Eindruck erweckt, als ob so etwas legitime Strafverfolgung und deshalb keine politische Verfolgung sei. Der Kampf um das Recht auf eigene Muttersprache
I als strafwürdiges Verbrechen? Das Verwaltungsgericht Minden sagt dazu:
Nach dem Wertesystem der Rechtsstaaten ist es erlaubt, sich in Ausübung der allgemeinen Meinungsäußerung mit friedlichen Mitteln für die Rechte einer völkischen Minderheit innerhalb des Staatswesens einzusetzen. Eine Bestrafung derartiger Bestrebungen wäre deshalb rechtsstaatwidrig.
Das Gericht erkannte den Asylbewerber an. Was war die Folge? Die Folge war, daß der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten Berufung gegen das Urteil einlegte. Herr Baum, wem untersteht eigentlich dieser Beauftragte? Wenn Sie da keine Weisungsmöglichkeiten haben, wenn also die gesetzliche Lage so ist, daß Sie insoweit der politischen Verantwortung entzogen sind, dann sollte man vielleicht dieses und nicht andere Gesetze ändern.
Meine Damen und Herren, wer in Anbetracht dieser Mißverständnisse über das Wesen und die Bedeutung des Asylrechts das Verfahren auf Teufel komm raus verkürzen will, nimmt zwangsläufig Fehlentscheidungen in Kauf, die für die Betroffenen Entscheidungen über Leben und Tod sein können. Dieser Verantwortung kann und darf sich niemand von uns entziehen.
In Anbetracht der Stimmungslage, die ich vorher angesprochen hatte, mag es für einen Politiker eine große Versuchung sein, zu Maßnahmen zu greifen, die populär sind, die die gesellschaftlichen Probleme allerdings nicht lösen, wohl aber das Verfassungsrecht des Art. 16 des Grundgesetzes nach und nach aushöhlen. Diese Versuchung mag für die Opposition besonders groß sein
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- ja -, weil alles, worüber es Unmut in der Bevölkerung gibt, tendenziell der Opposition nützt und sie deshalb dazu neigt, besonders forsch Maßnahmen zu fordern.
Nur, meine Damen und Herren von der Opposition, welchen Preis wollen Sie dafür zahlen, oder, besser gesagt, was wollen Sie alles dafür preisgeben? Wie schnell wird aus dem Ausnutzen von Stimmungen ein Schüren von Stimmungen, um aus Stimmungen Stimmen zu machen! Ich habe heute hier einiges gehört, auch von Ihnen, Herr Kollege Bötsch, von den Fällen von Berlin mit Zurückreisen und Drogenhandel. Sie wissen ganz genau, daß diese Fälle nach dem geltenden Recht durchaus gelöst werden können. Das Zitieren solcher Fälle, an deren Richtigkeit ich jetzt überhaupt nicht zweifle, kann nur die Funktion haben, Ressentiments zu schüren. Ich bedaure es sehr, daß es geschieht. Das gilt auch für die absurden Untätigkeitsvorwürfe, die Sie in diesem Zusammenhang gegen die Bundesregierung erheben. Wissen Sie eigentlich, welche Geister Sie da rufen? Das gleiche gilt für die Fälle in Mainz, wo es wirklich nicht um politisch Verfolgte, sondern um Leute geht, die gerade im Interesse eines ausländischen Terrorregimes gehandelt haben, also gerade das Gegenteil von politisch Verfolgten. Herr Lummer hat heute hier mehr oder weniger deutlich zu erkennen gegeben, daß er beim Druck der Verhältnisse sogar zu allem bereit wäre. Man muß sich davor fürchten, wie dann draußen gesprochen wird, wenn hier schon solche Töne zu hören sind.
Was die Regierungskoalition betrifft, so erinnert mich der Vorgang an frühere Auseinandersetzungen in diesem Hause über Einschränkungen verfassungsmäßiger Rechte. Die Opposition forderte mehr Einschränkung. Die Regierungskoalition sagte: So nicht, auf keinen Fall, aber wir müssen natürlich etwas machen, natürlich nur bis an die Grenzen des rechtsstaatlich Vertretbaren. Nur schien niemand diese Grenzen zu kennen; denn die zweite Novelle ging weiter als die erste, die dritte weiter als die zweite. Herr Kollege Schöfberger hat heute hier gesagt: Wir machen nur das, was notwendig, aber auch nur das, was rechtsstaatlich vertretbar ist. Herr Minister Schmude hat Erich Maria Remarque hier angesprochen. Auch ich habe diese Berichte gelesen, und ich war zutiefst über das betroffen, was Sie hier gesagt haben. Ich will an der Redlichkeit dieses Erwähnens überhaupt nicht zweifeln. Nur, wenn man vom Anrühren spricht, dann sind wir auch alle angerührt; dann verstehe ich nicht, wie man gleichzeitig bei diesen Worten und Bekenntnissen Schritt für Schritt vor dem Druck von rechts zurückweichen kann und immer weiter ein Gesetz nach dem anderen machen kann, was auf eine Verschärfung des Asylverfahrensrechts hinausläuft.
Denn was haben wir denn in den letzten Jahren gehabt? 1978 gab es das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz. Natürlich wurde nur in rechtsstaatlich vertretbarem Rahmen beschleunigt. 1980 wurde das beschleunigte Verfahrensgesetz wiederum durch ein Beschleunigungsgesetz beschleunigt, natürlich auch wiederum nur in rechtsstaatlich vertretbarem Rahmen. Aber dieser Rahmen war schon wieder weiter als 1978. Die Zahl der Asylbewerber ging zwar um mehr als die Hälfte zurück, aber nicht die Stimmung in Teilen der Bevölkerung und deshalb auch nicht die Forderungen der Opposition. Also mußte man wieder ein neues Gesetz machen, bei dem das beschleunigte beschleunigte Asylverfahrensgesetz nun wiederum beschleunigt wird, natürlich im Rahmen des rechtsstaatlich Vertretbaren. Da frage ich mich: Worin rast man nun mit dem beschleunigten beschleunigten beschleunigten Gesetzestext im Rahmen des rechtsstaatlich Vertretbaren weiter?
Ich bezweifle, ob man auf diesem Wege Stimmungen auffangen kann, so redlich dieses Bemühen auch sein mag. Man verstärkt sie nur. Wir müssen offensiv der Ausländerfeindlichkeit und jenen entgegentreten, die darauf ihr politisches Süppchen kochen wollen. Wir müssen deutlich machen, daß nicht die bösen Ausländer, sondern die menschenunwürdigen Lebensbedingungen in ihren Heimatländern schuld sind. Es ist kein Zufall, daß nach Ende der Franco-Diktatur viele Spanier in ihre Heimat zurückgekehrt sind und die Zahl der Spanier in der Bundesrepublik kontinuierlich abnimmt. Es ist kein Zufall, daß nach dem Ende des Obristenregimes in Griechenland viele Griechen in ihre Heimat zurückgekehrt sind und die Zahl der Griechen in unserem Land kontinuierlich zurückgeht. Probleme haben
wir mit der Türkei. Aber dann sollten wir unseren Beitrag dazu leisten, daß in der Türkei die Militärdiktatur ein Ende nimmt. Wir sollten endlich aufhören, diese Militärdiktatur zu unterstützen, und sollten für Freiheit, Demokratie und soziale Gerechtigkeit in der Türkei eintreten. Dann werden nämlich die Türken nicht zu uns hierherkommen.
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- Wollen Sie diese Asylbewerber abweisen, Herr Kollege Stark?
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- Ach so. Warum machen Sie dann ein neues Gesetz, wenn Sie die nicht abweisen wollen? Wir reden doch über das Gesetz, über das wir heute hier befinden wollen.
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- Wenn Sie über Fälle sprechen wollen, die nicht im Zusammenhang mit diesem Gesetz stehen, können wir das bei anderer Gelegenheit tun.
Wir sollten versuchen, für menschenwürdige Lebensbedingungen überall in der Welt einzutreten.
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Die gesellschaftlichen Fragen, die sich auf Grund des hohen Anteils von über viereinhalb Millionen Ausländern in der Bundesrepublik ergeben, werden nicht dadurch gelöst, daß sich ein paar tausend Asylbewerber ein Jahr kürzer in der Bundesrepublik aufhalten. Diese Probleme müssen dort gelöst werden, wo sie sich für Ausländer wie gleichermaßen für Deutsche stellen: in der Beschäftigungspolitik, in der Städtebaupolitik, in der Schulpolitik. Wir dürfen der aufkommenden Ausländerfeindlichkeit nicht dadurch nachgeben, daß wir sinnlose, überflüssige Gesetze produzieren, die die gesellschaftlichen Probleme nicht lösen, aber nach und nach in der Praxis das Verfassungsrecht des Art. 16 des Grundgesetzes aushöhlen.
Als demokratischer Sozialist lehne ich das vorliegende Gesetz ab.
({7})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung. Ich rufe die §§ 1 bis 40, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die aufgerufenen Vorschriften sind damit angenommen. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das Gesetz ist angenommen.
Meine Damen und Herren, es ist noch über eine Beschlußempfehlung des Ausschusses abzustimmen.
Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 9/1630 unter Nr. 2 die Annahme einer Entschließung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen ist die Beschlußempfehlung des Ausschusses angenommen.
Ich rufe den Zusatzpunkt zur Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses ({0}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung über die Erfahrungen mit der Sommerzeit in den Jahren 1980 und 1981
- Drucksachen 9/1583, 9/1646 Berichterstatter:
Abgeordnete Broll Schäfer ({1})
Im Ältestenrat war für die Aussprache ein Beitrag bis zu zehn Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. Soeben ist interfraktionell vereinbart worden, auf die Kurzbeiträge zu verzichten.
Ich gehe gleichzeitig davon aus, daß von der Frist für den Beginn der Beratungen nach § 78 Abs. 5 der Geschäftsordnung abgewichen wird. Ist das Haus damit einverstanden? - Es ist mit der erforderlichen Mehrheit beschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Innenausschusses auf Drucksache 9/1646 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist angenommen.
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Schluß unserer Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 26. Mai 1982, 13 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.