Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben heute die 100. Sitzung des Deutschen Bundestages. Ich eröffne die Sitzung.
Ich habe einige Glückwünsche auszusprechen. Am 1. Mai 1982 sind der Abgeordnete Schwörer und am 5. Mai 1982 der Abgeordnete Schröder ({0}) 60 Jahre alt geworden. Ich spreche beiden Abgeordneten die besten Wünsche des Hauses aus.
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Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll Punkt 4 der Tagesordnung abgesetzt werden.
Nach einer weiteren interfraktionellen Vereinbarung sollen Punkt 8 der Tagesordnung nach Punkt 3 und Punkt 9 vor Punkt 7 aufgerufen werden. Darf ich das Haus fragen, ob es mit dieser Vereinbarung einverstanden ist. - Ich stelle dies fest. Dann ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Schwarz, Dr. Schäuble, Tillmann, Spranger, Frau Hürland, Nelle, Dr. Müller, Clemens, Fischer ({2}), Dolata, Sauer, ({3}), Spilker, Müller ({4}), Dr. Jentsch ({5}), Gerster ({6}), Kroll-Schlüter, Dr. Miltner, Krey, Broll, Frau Dr. Neumeister, Dr. Marx, Fellner, Dr. Waffenschmidt, Dr. Jobst, Dr. Götz, Frau Geiger, Keller, Linsmeier, Wissmann, Dr. Olderog, Biehle, Würzbach, Weiß, Zierer, Repnik, Regenspurger, Gerlach ({7}), Magin, Ganz ({8}), Dr. Kunz ({9}), Niegel, Sauter ({10}), Dr. Hüsch, Maaß, Bühler ({11}), Dr. von Geldern, Dr. Hennig, Hartmann und der Fraktion der CDU/CSU
Förderung des Leistungssports - Drucksache 9/1514 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Sportausschuß ({12})
Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat soll die Aussprache eine Stunde dauern. Darf ich auch hier wieder feststellen, ob das Haus mit dieser Regelung einverstanden ist. - Ich stelle dies fest.
Wird das Wort zur Begründung des Antrags gewünscht? - Wird das Wort zur Aussprache gewünscht? - Ich erteile in der Aussprache dem Abgeordneten Schwarz das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gleich zu Beginn dieser Debatte möchte ich klarstellen: Wir wollen heute nicht über mehr Geld für den Spitzensport reden, sondern Antwort auf die Frage suchen, die Herr Bundesinnenminister Baum in Lake Placid angesichts dort ausgebliebener Medaillen gestellt hat, die Frage nämlich, ob unsere Sportförderung noch richtig sei. Eine Antwort oder zumindest den Versuch einer Antwort ist uns der Herr Bundesinnenminister schuldig geblieben - uns, den Parlamentariern, aber auch dem deutschen Sport.
Der Anlaß, aus dem diese Frage gestellt wurde, ist für uns jedenfalls, bezeichnend. Denn dahinter steht ja wohl die Theorie, daß mit Geld und Planung alles zu erreichen sei. Daß dies nicht so ist, beweist, daß wir unsere Spitzensportler nicht einfach verdisponieren können, daß sie Gott sei Dank keine Roboter sind. Das Bild der Spitzensportler wird j a von manchen, die dem Sport nicht sympathisch gegenüberstehen, dahin verzerrt, daß sie sagen: Das sind j a Monster, die diese Spitzenleistungen erbringen. Nun zeigt sich, daß diese Sportler junge Menschen sind, die in einem von der Öffentlichkeit erzeugten Erwartungsstreß stehen, wie er sonst in unserer Gesellschaft niemandem zugemutet wird.
Der Glaube an die Macht des Geldes und an die Planbarkeit ist offensichtlich auch die Theorie unseres Kollegen Schirmer, wenn ich seinen Pressebeitrag vom 15. April richtig verstanden habe, in dem er darauf hinweist, was alles an materiellen Dingen im Sport geleistet worden ist. Aber was nützen diese Sportstätten und die höchsten Steigerungsraten an Geld,
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wenn der junge Mensch droht, in einem Verwaltungsdschungel, der sich bürokratisch wie eine Hydra über ihn ausbreitet, zu ersticken! Wir glauben,
daß in einer Gesellschaft, in der der Spitzensportler bei seinen Freunden, am Arbeitsplatz und in der Schule immer weniger Verständnis für seine Bereitschaft zu individueller Höchstleistung findet, die er selber zu erbringen bereit ist, Spitzensport auch eine zusätzliche Belastung bei Berufswahl und Berufsausübung bedeutet.
Wir meinen, meine Damen und Herren: Das ist keine Frage des Geldes, sondern das ist entscheidend eine Frage des Klimas. Und darum gibt es keinen Zweifel, daß wir ein Klima der gesunden Leistungsbereitschaft brauchen, in dem das Streben nach Leistung und der Anerkennung von Leistung nicht als etwas Ehrenrühriges gilt. Ich meine, daß wir in den letzten zwölf Jahren - von 1969, das Herr Kollege Schirmer zitiert, an -, ein Klima erzeugt haben, in dem es nicht um Leistung geht, sondern in dem der ausgelacht wird, der den Versuch unternimmt, zu leisten.
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- Das werden wir noch diskutieren können.
Wer also den Versuch unternimmt, zu leisten, ist halt nicht mehr „in" - in dem Sinne, wie dies heute gemeint ist -, sondern der, der sich strebend bemüht, wird ausgelacht. In dieser Gesellschaft ist eigentlich nur der clever, der mit dem geringsten persönlichen Einsatz ein Optimum an sogenannter Lebensqualität erreicht, egal, auf wessen Kosten.
Wir kritisieren nicht den jungen Menschen, der so handelt - denn der ist nicht allein zu tadeln -, sondern die Umwelt. Er ist das Produkt dieser Umwelt geworden. Wir wollen, daß die jungen Menschen nicht verhätschelt werden. Das wollen sie auch selber nicht, sondern sie wollen auch bei dem mitentscheiden, was für sie und was mit ihnen geplant wird.
Wenn wir die materiellen Ergebnisse der Politik ansehen, so müssen wir, glaube ich, feststellen: Genausowenig wie ein Haufen Steine ein Haus ist, sind viele Leistungszentren noch kein Leistungs- und insbesondere kein Spitzensport. Sie sind nützliche Hilfsmittel, zu denen auch wir uns bekennen. Aber ohne jetzt in Nostalgie schwelgen zu wollen: Als die äußeren Bedingungen in den 50er und 60er Jahren nicht so blendend waren wie sie heute sind, waren die Erfolge deutscher Spitzensportler international nicht wesentlich geringer, als dies heute der Fall ist.
Wir wissen, daß der Sport Mäzene und Sponsoren braucht. Der größte Sponsor ist die öffentliche Hand. Allerdings müssen wir hier feststellen: nicht der Bund. Die größten Sponsoren des Sports sind vielmehr die Länder und insbesondere die Gemeinden. Nun wissen wir, daß das Geld knapper wird. Und wir brauchen auch weiterhin Geld und zusätzliche Partner. Die Wirtschaft nutzt ihre Chance. Man kann es ihr nicht verübeln. Aber sie bekommt unserer Meinung nach mit dem Werbewert des Sports das Produkt eigentlich zu billig. Und wenn man eine Rechnung nach Aufwand und Ertrag aufmachte, müßte man darüber reden, ob hier alles richtig geht - soweit wir in der Politik darüber mitreden können.
Natürlich stellen wir heute die Frage: Was ist aus den Diskussionen beim DSB-Bundestag in Kiel geworden, wo gesagt wurde, daß Arbeitgeber, Gewerkschafter, Sport und Politik sich gemeinsam dem Sport widmen müßten? - Dies sind Worte geblieben.
Was stimmt also nicht? Damit möchte ich auf die Frage von Herrn Minister Baum zurückkommen; denn er ist j a der Auffassung, daß etwas nicht stimme; sonst hätte er nicht so und nicht bei diesem Anlaß die Frage gestellt, warum wir international nicht erfolgreicher seien.
Da sind nach unserer Auffassung einige Punkte, die ich ganz klar herausstellen möchte: Das ist erstens der Glaube an die totale Planbarkeit menschlichen Erfolgs. Das ist zweitens die offensichtiche Diskriminierung der Leistungssportler in Schule und Beruf, auch durch öffentliche Arbeitgeber. Das ist drittens der Glaube, dem Aktiven müsse jede Eigenverantwortung abgenommen werden, und man müsse ihn rundum versorgen, betreuen, j a, bemuttern. Das ist viertens die unserer Meinung nach irrige Auffassung, daß Wettkämpfe das Training störten.
Sie haben eine Frage, Herr.
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Augenblick bitte, ich habe Ihnen das Wort noch nicht erteilt.
({0})
Ja.
Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort zu einer Zwischenfrage.
Herr Präsident, ich war der Meinung, nachdem der Kollege Schwarz schon .genickt hat, daß damit die Erlaubnis bereits erteilt sei.
Nun zu meiner Frage. Herr Kollege Schwarz, in Ihrer schriftlichen Begründung führen Sie an - das haben Sie jetzt auch mündlich ausgeführt-, daß die von der Bundesregierung geduldete Bildungspolitik, zum Teil auch von ihr initiierte Bildungspolitik, zu dieser von Ihnen beklagten Haltung geführt habe.
Könnten Sie mir und meinen Kollegen von der SPD und der FDP sagen, welche Möglichkeiten die Bundesregierung hat, eine Bildungspolitik in den Bundesländern nicht zu dulden, sondern zu unterbinden? Können Sie mir auch sagen, welche Artikel im Grundgesetz dieses zuließen?
Herr Kollege, würden Sie bitte auch die Antwort am Mikrophon entgegennehmen. - Danke schön.
Sehen Sie, Herr Kollege Klein, wir haben bewußt geschrieben „die von der
Bundesregierung geduldete Bildungspolitik", weil wir das Grundgesetz sehr genau kennen und wissen, daß eine konkrete Bildungspolitik seitens des Bundes nicht betrieben werden kann. Ich sprach j a ganz bewußt von dem Klima, das in den letzten Jahren erzeugt wurde, das eher auf Gleichmacherei denn auf Talentförderung und Talentbetreuung insbesondere im Sport herausläuft.
Herr Abgeordneter Schwarz, lassen Sie noch eine Zusatzfrage zu?
Ja.
Bitte schön.
Herr Kollege Schwarz, wenn Sie vom „Dulden" sprechen, müssen Sie logischerweise auch vom Verhindern sprechen. Welche Möglichkeiten hat die Bundesregierung, „schlechte Entwicklungen" in den Bundesländern zu verhindern? Das hätte ich gern von Ihnen gewußt.
Herr Kollege Klein, wir sind uns doch darüber im klaren, daß eine Politik der Gleichmacherei, durch die Sozialdemokraten betrieben und, wie von ihr behauptet, von der FDP manchmal gebremst, entscheidend dazu beiträgt, daß Leistung bestraft und Faulheit gefördert wird in dieser Republik. Das ist das Problem. Das ist das Klima, das ich meine.
({0})
- Die von mir zu Betreuenden waren ganz zufrieden mit dem Minister. Manchmal sagen sie, sie wären froh, wenn ich noch da wäre.
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Ich muß in den Punkten weitergehen, von denen wir meinen, daß sie wichtig sind:
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Ich nannte viertens die irrige Auffassung, daß Wettkämpfe das Training stören. Das ist fünftens die Belastung der Vereine und Aktiven mit bürokratischen Vorschriften, die zum Teil von solchen Stellen ausgearbeitet werden, deren Aufgabe es wäre, eigentlich helfend und unterstützend einzugreifen. Das ist sechstens das Fehlen einer zeitgemäßen Gesamtkonzeption zur Förderung des Spitzensports unter Beteiligung aller interessierten Gesellschaftsgruppen. Das ist siebtens die Gefahr der Unterminierung öffentlicher Förderung durch Wirtschaftsverbände, die die Entscheidungsfreiheit des Sports und des Sportlers insbesondere einschränken.
Meine Damen und Herren, wie Sie sehen, wollen wir mit diesem Antrag nicht mehr Geld, sondern einen effektiveren Einsatz der vorhandenen Mittel, eine Veränderung des Bewußtseins um die Bedeutung des Spitzensports auch und entscheidend in seiner Pilotwirkung für den Breitensport, aber auch für das berufliche Streben junger Menschen.
Dazu reicht es eben nicht aus, wenn der Herr Bundesinnenminister eine Rede beim Bundesausschuß des Deutschen Sportbunds hält und zur gleichen Zeit der Bundesarbeitgeber Post von der Sporthilfe die Lohngelder zurückfordert für Postler, die Spitzensport leisten. Ich bin jetzt beim Geld. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß diese Rückforderung natürlich immer auch den Athleten betrifft und damit demotiviert. Das meine ich damit, wenn ich sage, daß wir uns über das Klima zu unterhalten haben.
Der Kollege Schirmer hat in seinem von mir schon zitierten Presseartikel geschrieben, wir hätten irgend etwas gemacht, aber das sei nichts.
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Herr Kollege Schirmer, wir haben diesen Antrag mit Aktiven, mit Trainern, mit Vereinsvertretern beraten. Wir befinden uns, Herr Kollege Schirmer, in guter Gesellschaft.
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Sie werden ja wohl, Herr Kollege Schirmer, dem Vorsitzenden des Deutschen Sportbunds nicht absprechen können, daß er auch ein bißchen von der Sache versteht, zumindest so viel wie Sie. Er hat uns geschrieben, das seien ganz hervorragende Vorschläge, die wir da eingebracht hätten. Es gebe zwar einige Punkte, über die man reden müsse - deshalb stellen wir den Antrag, damit wir im Sportausschuß darüber reden können -, und er beglückwünscht die CDU/CSU geradezu zu dieser Initiative.
Ein Mann, der Ihnen sicherlich sehr nahesteht, Heinz Fallak, hat uns ebenfalls geschrieben: Es sei ein sehr guter Vorschlag, den wir in die politische Diskussion einbrächten. Heinz Fallak hofft als Vorsitzender des Bundesausschusses Leistungssport, daß dieser Antrag dazu führe, daß wir im Deutschen Bundestag in der von uns geübten Partnerschaft darüber redeten, wie man die Dinge angesichts der vorhandenen Mittel im Sinne einer Verbesserung verändern könne.
Herr Abgeordneter Schwarz, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schirmer?
Ja.
Bitte, Herr Abgeordneter Schirmer.
Herr Kollege Schwarz, Sie gehen sicherlich von dem Schreiben aus, das Heinz Fallak zusammen mit Manfred von Richthofen an den Vorsitzenden des Bundesfachausschusses Sport der CDU, Herrn Dr. Schäuble, geschrieben hat; Herr Dr. Schäuble hat mir das Schreiben freundlicherweise überlassen. In diesem Papier wird allerdings nicht von Ihrem Antrag geredet, sondern von dem Positionspapier der CDU. Zweitens gibt der Bundesausschuß Leistungssport darin der Hoffnung Ausdruck - ich denke, daß Sie ihm zustimmen werden -, daß die von Ihnen gegebene politische Perspektive einen nützlichen Beitrag leisten werde, worauf ich auch
hoffe. Drittens werden darin die Mandatsträger Ihrer Partei aufgerufen, in ihren Verantwortungsbereichen für die Durchsetzung dieses Programms einzutreten. Sind Sie bereit, das zutreffend zur Kenntnis zu geben, damit hier keine falschen Akzente gesetzt werden?
Ich sehe da überhaupt keinen Widerspruch.
Herr Kollege Schirmer, würden Sie auch bitte die Antwort am Mikrophon entgegennehmen.
Natürlich hat der Bundesfachausschuß Vorarbeit für diesen Antrag geleistet. Sie als Sozialdemokrat haben doch sicherlich ein angemessenes Parteienverständnis, um mir zustimmen zu können: Wenn eine Fraktion das aufgreift, was die Partei aufgearbeitet hat, ist das durchaus legitim. Das haben wir hier getan. Ich sehe auch gar keinen Widerspruch darin, daß wir unsere Freunde in den kommunalen Parlamenten auffordern, entsprechend tätig zu werden.
Herr Kollege Schirmer, was den Sport angeht, so war unsere Verständigung bisher, nicht gegeneinander zuhandeln. Vielmehr wollen wir als Parteien miteinander im Wettbewerb liegen - so haben wir die Arbeit bisher getan - und sehen, wer die für den Sport besseren Vorschläge unterbreitet. Wir wollen den Sport nicht zu unserer Sache machen. In diesem Fall meinen wir allerdings, daß wir ein bißchen besser als die anderen sind und wir bitten darum, daß wir gemeinsam gut sind.
({0})
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Schirmer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Rede des Kollegen Schwarz konnte mir, was die öffentliche Sportförderung und hier insbesondere den Leistungssport angeht, weder neue Erkenntnisse noch beachtenswerte Erfahrungen vermitteln. Dagegen gab es einige Aussagen, denen ich nicht zustimmen kann.
Für mich, Kollege Schwarz, ist eine Sportstätte nicht, wie Sie es gesagt haben, ein Hilfsmittel, sondern sie ist die Voraussetzung dafür, daß man überhaupt tätig werden kann.
({0})
Diese Sportstätten haben wir zusammen mit den Kommunen, zusammen mit den Bundesländern in ausreichender - aber zugegebenermaßen: noch zu verbessernder, noch zu spezifizierender - Weise geschaffen.
Wenn Sie beklagen, daß so wenige gute Leistungen erzielt wurden, darf ich Sie daran erinnern, daß die Mannschaften der Bundesrepublik Deutschland an vierter Stelle rangieren, wenn man die Olympischen Spiele zugrunde legt; in einigen Fachverbänden sieht es gar noch besser aus. Das ist doch etwas. Oder ist das etwa nichts?
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- Nein, nein, meine Kollegen! Die Sozialdemokraten nehmen das für sich nicht in Anspruch. Aber wir nehmen für uns in Anspruch, daß wir - das mag Sie jetzt überraschen - in weiten Bereichen gemeinsam mit Ihnen die Voraussetzungen dafür geschaffen haben. Sie, die Sie Mitglieder im Sportausschuß sind, sollten mir darin zustimmen. Ich will keine Gräben aufreißen, wo das nicht geboten ist.
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Vielmehr bin ich durchaus bereit zuzugeben, daß Sie mit uns kooperativ zusammengearbeitet und zu den meisten Anträgen Verbesserungsvorschläge eingebracht, die wir dann beschlossen haben.
Vor mir sitzt der Vorsitzende des Sportausschusses. Wir waren doch, Herr Kollege Tillmann, fast regelmäßig die Berichterstatter, wenn es um die Sportberichte der Bundesregierung ging. Wir haben beide immer danach gestrebt, für den Sport einvernehmliche Lösungen zu erzielen, weil wir wissen, daß die Kommunen, die Bundesländer und wir die Aufgaben nur gemeinsam bewältigen können.
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Wenn Sie von Gleichmacherei sprechen, Kollege Schwarz, muß ich sagen, daß der Leistungssport - darüber sprechen wir heute - exakt das Gegenteil von Gleichmacherei ist.
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Wenn Sie weiter von Diskriminierung derer sprechen, die Leistungssport treiben, muß ich Sie fragen: Erleben Sie in Ihrem Bundesland Rheinland-Pfalz nicht genau das Gegenteil? Ich bin ein bißchen außerhalb von Mainz, aber ich weiß, was in Mainz geschieht. Den Kollegen, den Sportlern dort dürfen Sie nicht sagen: Ihr betreibt Gleichmacherei, und Sie dürfen ihnen auch nicht vorwerfen, daß sie sich oder andere oder daß gar wir sie diskriminieren.
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Meine Damen und Herren, in dem vorliegenden Antrag der CDU/CSU-Fraktion beginnt der Widerspruch bereits mit dem ersten Satz. Darin wird behauptet, daß sich nach 15 Jahren der Förderung des Hochleistungssports durch den Bund bei der finanziellen Mittelzuweisung eine Grenze abzeichnet. Wie ist das wohl zu verstehen? Fördert der Bund den Hochleistungssport erst seit 1967, also seit der Großen Koalition, will die CDU/CSU damit zugestehen, daß vorher die von ihr geführten Bundesregierungen nichts getan haben? Das ist doch unrichtig. Zugegeben, damals war die Förderung weder zweckgerichtet oder sonderlich hilfreich; aber es waren, wenn auch nur geringe, Anfänge doch vorhanden. Dagegen ist es richtig, daß die öffentliche Sportförderung nach 1969 - ich beziehe Sie darin durchaus mit ein, meine Damen und Herren der Opposition - fachkundig, ausreichend und wirksam geleistet worSchirmer
den ist. Allein die seither gesteigerten Fördermittel machen jährlich etwa das Vierfache dessen aus, was noch 1969 geleistet wurde.
Die Wertschätzung des Sports wird aber nicht nur durch bereitgestellte finanzielle Mittel deutlich. Ich erinnere daran, daß es erst seit 1969 einen Sportausschuß im Deutschen Bundestag gibt, daß erst seit diesem Zeitpunkt in den Regierungserklärungen der sozialdemokratischen Bundeskanzler sportpolitische Aussagen enthalten sind.
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Die Deutsche Sportkonferenz als bundeseinheitliches Koordinierungsgremium ist ein weiteres Beispiel dafür.
Der vorliegende Antrag der CDU/CSU stellt sich für mich widersprüchlich und in seiner Zielsetzung unklar dar, und dafür möchte ich ein Beispiel geben. Auf Seite 3 wird kritisiert, daß Bund, Länder und Gemeinden angeblich nach kaum abgegrenzten Kriterien den Spitzensport fördern. Es wird behauptet, alle Versuche zu mehr Koordination oder Entmischung seien bisher wenig erfolgreich gewesen. Auf Seite 5 desselben Antrags heißt es - ich zitiere, Herr Präsident, mit Ihrer Erlaubnis -:
Wegen der Komplexität der Sportförderung von Bund, Ländern und Gemeinden ist eine eindeutige Kompetenzabgrenzung und Entmischung bei der Leistungssportförderung kaum möglich und im Interesse der Wechselwirkung zwischen Breiten- und Leistungssport wohl auch nicht sinnvoll.
Der Widerspruch zwischen den beiden Aussagen ist doch für jedermann erkennbar.
Dabei ist es doch bei allen noch möglichen Verbesserungen, die Sie wollen, die wir wollen, unstrittig, daß wir in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt über ein hohes Sportförderungsniveau verfügen, das von deutschen und von internationalen Sportfachverbänden anerkannt wird. Die Sportlerinnen und Athleten jedenfalls erleben es, wie gut insgesamt das von den Sportorganisationen, nicht von uns, geschaffene, von ihnen gestaltete und vom Bund, von den Ländern und von den Gemeinden geförderte Konzept für den Spitzensport funktioniert. Viele und zumeist einvernehmliche Entschließungen dieses Hauses bestätigen das. Soll dies nun künftig für die Opposition nicht mehr gelten, will sie daran nicht mehr teilhaben, wollen Sie daran nicht mehr mitwirken? Ich räume Ihnen jedenfalls nochmals ein, daß Sie daran einen guten Teil Arbeit mitgeleistet haben, und ich hoffe darauf, daß dies auch künftig so bleiben wird.
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Die Opposition behauptet - das ist ein weiterer Widerspruch -, ich zitiere:
Dabei
- gemeint ist hier wohl die Wirksamkeit des Spitzensportes ist Voraussetzung eine Gesellschaftsordnung, die sich an Leistung orientiert.
Das ist das gleiche, was der Kollege Schwarz hier eingangs ausgeführt hat. Dazu frage ich Sie, meine Damen und Herren von der Opposition: Welche Leistungen sollen das wohl sein? Ich meine, dazu gehören auch die Leistungen für die Hilfe, für die Solidarität mit den benachteiligten, den behinderten Mitbürgern im Sport. Dazu gehören auch solche Aufgaben, die die SPD mit der sozialen Offensive im Sport deutlich gemacht hat und die von den Sport-, Sozial- und Jugendorganisationen inzwischen in ausgezeichneter Weise verwirklicht werden. Leistungen in diesem Sinne bejahen wir. Wir verstehen es auch als Leistung im Sport, wenn immer mehr Bürger möglichst aktiv im Breiten- und Freizeitsport mitmachen und wenn behinderte Mitbürger voll in die Sportförderung einbezogen werden.
In diesem Gesamtzusammenhang wollen wir auch den Hochleistungssport fördern, aber ihn nicht allein. Auch wenn wir dafür - neben drei anderen, besonderen Arten - die spezielle Zuständigkeit haben, müssen wir ihn insgesamt in den zuvor gegebenen Zusammenhang eingeordnet sehen. Wer die Sportförderung jedoch auf die Förderung des Leistungssports verengen will,
({8})
der könnte unsere Zustimmung dafür nicht finden.
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Denn wir wollen nicht den sportlichen Erfolg um jeden Preis. Wir werden den humanen Leistungssport weiter fördern, bei dem nicht die Leistung, sondern bei dem der Mensch im Mittelpunkt stehen muß.
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Wenn die Opposition dem zustimmt - einige der Zurufe verdeutlichen dies -, dann bin ich darüber froh. Ich meine natürlich, daß die Opposition es dann unterlassen sollte, wie im Antrag geschehen, vom Trend der Nivellierung im Sport zu sprechen.
Herr Abgeordneter Schirmer, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Hürland?
Herr Kollege Schirmer, ist Ihnen nicht mehr in Erinnerung, daß die CDU/ CSU-Bundestagsfraktion zum ersten Mal den Behindertensport 1974 im Plenum des Deutschen Bundestages behandelt hat und daß Sie - Ihre Fraktion - zu der Zeit kaum etwas dazu zu sagen wußten?
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Frau Kollegin Hürland, mir ist gut in Erinnerung, daß Sie zusammen mit anderen - auch ich hatte mich dabei beteiligt - im Sportausschuß wie hier deutlich gemacht haben, wie sehr die Ihnen besonders am Herzen liegende Aufgabe auch in den Sport einbezogen werden muß. Ich will Ihnen gern zugestehen, daß Sie von damals bis heute gewirkt haben, damit dies gelingt.
Ich halte es für geboten, die positiven Seiten des Sports in den Vordergrund zu rücken, die für die öffentliche Förderung entscheidend sind: die Freude am Sport, der Nutzen für die Gesundheit, der Freizeitwert, die pädagogischen Elemente, das Erleben und Gestalten in Gemeinschaften sowie die sozialen Aufgaben des Sports. Diese Werte sind für die Sportpolitik der Sozialdemokratischen Partei entscheidend.
Der vorliegende Antrag ist für uns unpräzise, er ist langatmig, ist auch in seinen Forderungen nach unserer Einschätzung weder neu noch originell. Das gilt besonders für den Sport an Schulen und Hochschulen und dessen Verbindungen zu den Sportorganisationen. Ich spreche von der Ausbildung der Sportlehrer und dem Wunsch, daß sie und die Sportstudenten sich noch stärker als bisher in den Sportorganisationen betätigen. Ich erinnere an die in den letzten Jahren erheblich verbesserten sportmedizinischen Leistungen. Auch dazu wird in dem Antrag einiges geschrieben und gefordert. Präzisere Forderungen auf diesem Feld sind allerdings nachzulesen in den schon 1964 von der SPD veröffentlichten „Leitsätzen zur Förderung von Leibeserziehung und Sport", die danach als „Sportpolitische Leitsätze" aktualisiert wurden.
Wichtig ist auch der Hinweis auf das 1971 von der Bundesregierung vorgelegte Programm für Sport an Schule und Hochschule, das eine der Grundlagen für das bundeseinheitliche Aktionsprogramm für den Schulsport war. Inzwischen gibt es dazu erfreulicherweise deutliche Verbesserungen, die jedoch insgesamt noch nicht zufriedenstellend sind. Daher ist es notwendig, daß die Träger dieses Programms gemeinsam weiterarbeiten. Das sind die grundsätzlich zuständigen Bundesländer, die Bundesregierung, die kommunalen Spitzenverbände und der Deutsche Sportbund mit allen seinen Gliederungen.
Erst kürzlich, vor wenigen Wochen, erklärte die Bundesregierung in diesem Hause, daß sie ihre Bemühungen fortsetzen und als Träger dieses Programmes weiter mitwirken will. Ich meine, alle Mitglieder dieses Hauses sollten ihren Einfluß nutzen, damit dieses Aktionsprogramm nicht nur erhalten bleibt, sondern möglichst ausgestaltet und intensiviert wird. Das gilt besonders für die Situation des Sports in den Grund-, Haupt-, Sonder- und berufsbildenden Schulen, weil dort ein deutlicher Nachholbedarf besteht.
({0})
Für uns ist der Sport ein wesentlicher Faktor bei der Erziehung und Bildung der Kinder und der Jugendlichen in den Schulen, in den Bildungs- und Ausbildungsstätten. Dabei müssen neben den von der CDU/CSU in dem vorliegenden Antrag aufgeführten Werten wie Fleiß, Beharrlichkeit, Pflichtbewußtsein, Leistungsbereitschaft und Gemeinsinn auch die Fähigkeiten der Toleranz, der Mitverantwortung und der Solidarität mit einbezogen werden.
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Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Entscheidungen dieses Hauses und der Bundesregierung im Steuerrecht brachten in den vergangenen Jahren wesentliche Begünstigungen für den Sport. Besonders wirksam ist und bleibt die für die Übungs- und Jugendleiter geschaffene Steuerfreiheit für Entgelte bis zu 2 400 DM jährlich. Daran wollen wir auch in finanziell schwierigen Zeiten festhalten, weil wir um die positive Wirkung in den Vereinen und in den Verbänden wissen.
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Meine Fraktion hat in letzter Zeit an sie herangetragene Wünsche abgelehnt, zum derzeitigen Zeitpunkt Maßnahmen zu erwägen, nachdem das Internationale Olympische Komitee im Oktober des vergangenen Jahres die zeitgemäße Anpassung der olympischen Zulassungsbestimmungen - Art. 26 des IOC-Statuts - ermöglicht hat. Fairneß und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Sport gebieten es nach unserer Auffassung, daß zunächst die Sportorganisationen über diese Fragen beraten und ihre eigenen Entscheidungen treffen.
Zum vorliegenden Antrag werden die Sportorganisationen selbst würdigen, was von der Behauptung zu halten ist, daß das derzeitige System dem Individuum nicht immer gerecht wird und daher zu einer Protegierung der Mittelmäßigkeit und zu einer Protegierung der Anpassungsfähigen führt.
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Meine Damen und Herren, hier soll doch bitte nicht versucht werden, in die Entscheidungsfreiheit der Verbände einzugreifen! Der Deutsche Sportbund, das Nationale Olympische Komitee für Deutschland, die Bundessportfachverbände, die Stiftung Deutsche Sporthilfe und insbesondere der zuvor schon erwähnte Bundesausschuß für Leistungssport verdienen derartige Unterstellungen nicht!
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Wir haben vielmehr allen Grund, sie in ihrer Arbeit zu ermutigen und auch weiterhin zu unterstützen. Deshalb werden wir uns darum bemühen, daß dieses Parlament und besonders sein Sportausschuß zusammen mit der Bundesregierung noch mehr Zusammenarbeit in der öffentlichen Sportförderung und mit den Sportverbänden realisieren. Bisherige Erfolge sind deutlich, aber verbesserungsfähig. Wir anerkennen nachdrücklich die wirksame Förderung des Sports durch die Kommunen, die Länder und den Bund. Dies gilt es auszubauen und zu intensivieren.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zusammenfassen: Am Schluß des langwierigen Antragstextes findet sich schließlich eine mehr als bescheidene Substanz, die parlamentarisch verwertbar ist. Ihr Kern ist ein vorsichtig als Prüfungsaufforderung formulierter Antrag, der im Gegensatz zu den lanSchirmer
gen, oft mißverständlichen und teilweise widersprüchlichen Ausführungen steht.
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Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird die Beratungen zum vorliegenden Antrag nutzen, um eine Bilanz der Leistungen der Sportpolitik der sozialliberalen Koalition und der Bundesregierung zu ziehen. Unser Bemühen bleibt es, die Vereine und die Verbände des Sports in der Bundesrepublik Deutschland weiter intensiv zu fördern.
Damit wir dieses Ziel erreichen, werden wir der Überweisung des vorliegenden Antrages an die Ausschüsse zustimmen. Zusätzlich zur vorliegenden Empfehlung wird beantragt, den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft in die Mitberatung mit einzubeziehen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
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Ich erteile das Wort der Frau Abgeordneten Fromm.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Die FDP-Bundestagsfraktion begrüßt es, daß wir uns auch an dieser Stelle mit der Leistungssportförderung befassen. Unserer Meinung nach ist es Aufgabe des Staates, dort Mittel für den Sport bereitzustellen, wo der Sport dies aus eigenen Kräften nicht leisten kann. Das gilt besonders für den Hochleistungssport. Dies geschieht in Zusamenarbeit mit dem Deutschen Sportbund und seinen Fachverbänden
Doch wollen wir, meine Damen und Herren, hier heute nicht eine Generalsportdebatte führen. Deshalb will ich auf den Kern der Leistungssportförderung zu sprechen kommen
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und möchte Ihnen die Stellungnahme der FDP dazu darlegen.
Wir halten eine Abstimmung aller fördernden Institutionen für erstrebenswert. Die von ihnen vorgeschlagene Erarbeitung eines umfassenden Konzepts zur Förderung des Spitzensports unter Berücksichtigung der finanziellen Unterstützung durch die Bundesregierung, die Beteiligung der Sportorganisationen und der Sporthilfe sowie die Einbeziehung der finanziellen Zuwendungen der Sportindustrie ist ein bestechender Gedanke. Dabei haben wir aber auch zu bedenken, daß durch die Dezentralisierung des Sports den Ländern ebenfalls Aufgaben zufallen. Die daraus entstehenden Schwierigkeiten kennen wir aus anderen Bereichen. Hier eine Gemeinsamkeit zu erreichen ist nicht leicht.
Meine Damen, meine Herren, was ist Leistungssportförderung? Zur optimalen Leistungssportförderung gehört auch eine umfassende medizinische, pädagogische und soziale Trainingsbegleitung. Diese ist nur zu erreichen, wenn sportspezifische Ausbildungsmöglichkeiten für diese Maßnahmen geschaffen werden.
Die Erweiterung der Approbationsordnung um die Sportmedizin, wie sie die CDU/CSU vorschlägt, halten wir für wünschenswert. Darüber hinaus sind wir der Meinung, daß insbesondere im Forschungsbereich Hochleistungssport die Trainingslehre noch längst nicht ausgeschöpft ist. Ich erinnere hier an die Diskussion, die wir im Sportausschuß hatten. Dort wurde uns gesagt: Erst vor kurzer Zeit ist an der Sporthochschule Köln eine - bisher die einzige - Professur für Trainingslehre eingerichtet worden.
In dieser ersten Beratung möchte ich auf die von der CDU/CSU-Fraktion geforderte Überprüfung der Bundestrainer-Vergütungsordnung eingehen. Wir wissen doch, daß diese erst seit 1980 in Kraft ist. Die darin vorgesehenen Zeitverträge haben eine Laufzeit von vier Jahren. Ich halte den jetzigen Zeitpunkt für eine Auswertung der Erfahrungen für verfrüht. Ich meine, eine gründliche Auswertung und auch eine Erfolgsbewertung sind nicht möglich, da viele Trainer mit gezielter Nachwuchssichtung und daraus resultierender Nachwuchsarbeit beschäftigt sind.
Wir Freien Demokraten sind uns sicher auch mit Ihnen, liebe Kollegen und liebe Kolleginnen von SPD und CDU/CSU, einig, daß eine bessere Koordination von Sportgroßveranstaltungen anzustreben ist.
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Denken Sie bitte an das Jahr 1978! Fünf Weltmeisterschaften, nämlich im alpinen Skisport, im Fechten, im Radsport, im Springreiten und im Schwimmen, wurden in unserem Land ausgerichtet. Teilweise überschnitten sie sich. Hier sollte künftig besser koordiniert werden. Ich meine, wir sollten nicht Weltmeister im Veranstalten sein.
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Die im Antrag angesprochene Prüfung der Prioritäten in der Sportförderung des Bundes werden wir vornehmen müssen. Infolge der veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse wird auch der Sport vom Sparen nicht ausgenommen werden können. Die Leistungssportförderung, die Anerkennung des Leistungssports und seiner Athleten in unserer Gesellschaft sind von uns immer betont worden. Die trainingsbegleitenden Maßnahmen für den Sportler und seine bestmögliche Vorbereitung auf die Teilnahme an internationalen Wettkämpfen sind für uns selbstverständlich. Abstriche darf es in diesen Bereichen nicht geben.
Doch auch einige Sätze zur künftig immer schwieriger werdenden Standortbestimmung des Amateur- und des Profisports. Die Ergebnisse des 11. Olympischen Kongresses in Baden-Baden im September 1981 über die Zukunft des Amateursports und seiner Sportler können wegweisend sein. Zum erstenmal in der Geschichte der olympischen Kongresse nahmen Aktive aus aller Welt teil und bezogen aus der Sicht der Athleten zu den aktuellen Problemen innerhalb der olympischen Bewegung Stellung. Eine modernisierte Amateurregelung, die Abwehr des Dopings, die soziale Betreuung der Lei5988
stungssportler ist unter maßgeblicher Beteiligung von Athleten erarbeitet worden.
Hervorheben möchte ich hier den bisherigen Aktivensprecher Thomas Bach, dem ich im Namen der Fraktion der FDP dafür danke.
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Meine Damen, meine Herren, wenn wir hier über die Förderung des Leistungssports diskutieren, dann möchte ich die Leistungen der Stiftung Deutsche Sporthilfe mit ihrem unermüdlichen Vorsitzenden Josef Neckermann würdigen.
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Wir alle wissen, daß die Sporthilfe im Bereich der individuellen sozialen Betreuung und Nachbetreuung unserer Spitzensportler längst unverzichtbar geworden ist.
Der Antrag der CDU/CSU-Fraktion sollte für uns alle Anlaß sein, im Sportausschuß darüber noch ausführlich zu beraten. Deshalb schlage ich im Namen der FDP-Fraktion die Überweisung in den Fachausschuß vor. - Danke schön.
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Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Spilker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mir gestern abend überlegt, in unpolemischer Form meinen Beitrag hier zu leisten. Bei dieser Überlegung ist es geblieben, obwohl ich geradezu provoziert wurde, mich mit den Beiträgen, die hier im Anschluß an die Ausführungen meines Kollegen Schwarz zu Anfang dieser Debatte geleistet worden sind, zu befassen. Ich habe natürlich - das ist nichts Besonderes - aufmerksam zugehört und muß zu meiner Verwunderung sagen - so habe ich es wenigstens empfunden -, daß die FDP-Fraktion unserem Antrag zumindest wohlwollend gegenübersteht, während es auf der Seite der SPD, lieber Herr Kollege Schirmer, doch ganz massive Einwände gibt.
Ich möchte das nicht fortsetzen, aber doch auf einiges hinweisen, weil ich davon ausgegangen bin - und dabei bleibt es -, daß wir bemüht sind - das gilt auch für andere Sparten der Politik -, einen besseren Weg bei der Förderung des Leistungssports im Interesse der Sportler, der Leistungssportler und der Sportorganisationen zu finden. Das ist eigentlich die Geschäftsgrundlage für die heutige Debatte.
Was will eigentlich unser Antrag? Ich habe ihn hier nicht zu verteidigen; ich stehe voll hinter diesem Antrag und der Frage: Wie fördern wir den Leistungssport, den Spitzensport? Was tun wir, was können wir tun? Wo liegt eigentlich unsere Aufgabe? Sicherlich nicht darin, Sport zu treiben, sicherlich nicht darin, direkt einzuwirken. Das ist ganz sicher Sache des Sports. Der Staat hat hier unbestritten eine Hilfsfunktion bei einer ganz wichtigen Aufgabe, mit der der Sport allein - das ist wohl auch unbestritten - nicht fertig werden kann. Wenn hier der Eindruck entstehen sollte, daß wir an der Eigenverantwortung und der Eigenzuständigkeit des Sports aber auch nur etwas streichen wollten, dann muß noch einmal der Ordnung halber gesagt werden: Wir sind überzeugte Anhänger der Eigenverantwortlichkeit des Sports. Daran kann es doch gar keinen Zweifel geben. Wenn es einen Wunsch gibt, dann ist es der Wunsch nach weniger Staat und ganz gewiß nicht nach mehr Staat.
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Wenn es Vorschläge oder, sagen wir zunächst einmal: Fragen gibt, dann dies: Nach unseren Erfahrungen in all den Jahren mit hohen und weniger hohen, mit eingefrorenen und „weniger eingefrorenen" Förderbeiträgen zur Sportförderung - die Haushaltslage zwingt uns leider zur Kürzung; aber hier gibt es ja auch politische Verantwortung, die wir klarstellen wollen - müssen wir sagen: Wir wollen, daß die Gelder, die wir zur Verfügung stellen - um noch einmal kurz auf den materiellen Teil zurückzukommen -, zur richtigen Zeit, am richtigen Platz und für die richtigen Menschen, nämlich für die Sportler, eingesetzt werden.
Daraus ergibt sich gleichzeitig eine Frage: Ist uns das immer gelungen? Ist es uns gelungen, bei dieser Praxis, bei diesen Förderungsprogrammen, immer politisch richtig im Interesse der Aufgabe zu handeln, die wir uns gestellt haben? Da gibt es gewiß einige Zweifel. Es ist auch unzweifelhaft, daß da oder dort Fehler gemacht worden sind. Wo gibt es keine Fehler, wenn man etwas tut, wenn man sich engagiert, wenn man arbeitet? Das sind doch alles Selbstverständlichkeiten. Die Suche nach einem besseren Weg hat uns veranlaßt, diesen Antrag zu stellen. Ich glaube - wie Präsident Weyer und wie Herr Fallak auch -, daß es ein guter Antrag ist, der der Sache und der erwähnten Aufgabe dient und meines Erachtens das Ziel hat, die Entwicklung des Sports, speziell des Leistungssports und Spitzensports im Rahmen der Kompetenzen, über die wir hier auch debattierten, optimal zu fördern.
Friedel Schirmer, jetzt reden wir ganz offiziell miteinander. Sonst haben wir als Sportler eine ganz andere Sprache; das ist nun einmal so. Sie sprachen z. B. von einer Regierungserklärung. Ich habe auch einige gehört; ich habe auch einige Inhalte von Regierungserklärungen im Kopf. Es ist vielleicht besser, im Rahmen dieser Debatte über Regierungserklärungen zu schweigen;
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denn von dem, was uns da zum Teil zur Kenntnis gegeben worden ist, habe ich später sehr wenig wiedergefunden. Das verhält sich also nicht ganz so wie mit den Leistungen unserer Sportler.
Meine Damen und Herren, die Fördermittel, die zur Verfügung stehen - es sind weniger geworden -, wollen wir natürlich erhalten. Hier gibt es Zwänge wie beim Sport, neue Entwicklungen bei der Sportförderung, und hier gibt es auch Entwicklungen im materiellen Bereich. Ich muß jedoch ausdrücklich auf das zurückkommen, was mein Freund Schwarz vorhin betonte. Es ist doch gut, wenn man sich einmal daran erinnert, daß man nicht alles mit Geld machen kann, daß man nicht alles verplanen,
daß man einen Menschen nicht zum Staatsamateur degradieren kann, sondern daß wir es bei uns mit freien Menschen zu tun haben, die freiwillig ihrem Sport nachgehen, natürlich getragen von einem bestimmten Willen, dem wir nicht entgegenarbeiten sollten, für den wir einiges tun sollten, und zwar in unserer gesamten Umgebung, die wir beeinflussen können und auch politisch beeinflussen wollen.
Hier ist natürlich ein anderes Klima entstanden; über Jahre hinweg hat sich ein anderes Klima entwickelt. Auch der Amateurgedanke hat irgendwie einen Wandel erfahren; darüber gibt es doch keinen Zweifel. Der alte olympische Eid ist doch in der heutigen Situation gar nicht mehr möglich. Um auf die Debatte zurückzukommen: Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen, es muß doch möglich sein, daß im Bereich des Sports irgend etwas geschieht, um den Bemühungen in den Vereinen, in den Gemeinden, in den Ländern, in den Organisationen durch uns zum Erfolg zu verhelfen. Dazu gehört natürlich eine Gesellschaftsordnung, wie wir sie haben. Dazu gehört natürlich das Leistungsprinzip und auch der Leistungswille, dem allerdings die Chancengleichheit, für die wir alle sind, gegenüberstehen muß. Es gibt auch keinen Zweifel daran, daß die gesamte Sportförderung genauso ihre Entwicklung hat wie der Sport selbst.
Das heißt, um etwas kritisch zu sein: Wir müssen uns bemühen, die Zusammenarbeit mit den Sportverbänden und den Sportorganisationen ganz wesentlich zu verbessern. Mir scheint in der Tat, wie Präsident Weyer bei einem Bundestag einmal sagte, die Abhängigkeit des Sports vom Staat noch zu groß zu sein. Es gilt auch im Rahmen unseres Haushalts zu überlegen, ob es nicht Möglichkeiten gibt, mit den Geldern bei der Verteilung an den Deutschen Sportbund etwas anders umzugehen. Es geht um weniger unmittelbare oder mittelbare Einwirkung des Staates und um mehr Eigenverantwortlichkeit des Sports und seiner Organisationen. Das ist unsere Meinung. Hier könnten wir etwas Gutes tun, meine Damen und Herren, auf dem Weg zu mehr Effektivität, zu mehr Leistung und auch zu mehr Freude für die, die zuschauen und irgendwo auf den Tribünen sitzen oder stehen.
Warum wollen wir diese bessere Zusammenarbeit? Frau Fromm hat vorhin mit Recht von einer besseren Koordinierung gesprochen. Das gilt nicht nur für die öffentlichen Hände. Das gilt auch für den Sport selbst. Da gab es doch einen Versuch - damals hatten wir noch einen anderen Bundesminister des Innern; er sitzt gerade hier; deshalb spreche ich es an -, einen Weg dahin über die Deutsche Sportkonferenz zu finden. Da gab es bei dem Bundestag des Sports doch Grußworte von den Gewerkschaften und den Arbeitgebern, natürlich auch von den Parteien: Zusammenarbeit mit und für den Sport.
Was ist denn aus dieser Sportkonferenz und dieser hervorragenden Idee geworden? Sie hat darunter gelitten, daß sie parteipolitisch zum Teil mißbraucht worden ist. Wir haben in dieser Sportkonferenz - ich gehöre ihr an - eine andere Sprache gesprochen als z. B. in diesem Raum. Wir haben Beschlüsse gefaßt, hinter denen die Politiker hier in diesem Hohen Haus zum Teil nicht mehr standen. Das ist eine Methode, mit der wir nie zum Ziel kommen können.
Um es kurz zu machen und um abzuschließen: Ein Mehr an Zusammenarbeit zwischen den öffentlichen Händen und dem Sport ist erforderlich. Wir müssen auch ein Beispiel dafür geben, daß es möglich ist, zu einer gesellschaftspolitischen Klimaverbesserung zu kommen, ohne die eine Leistungsbereitschaft junger Menschen überhaupt nicht möglich ist. Diese Bereitschaft zu erhalten oder sie überhaupt zu haben beginnt in der Schule, beginnt im Beruf. Hier hat die Politik, vertreten durch die Regierungsparteien, jedenfalls durch eine der Regierungsparteien, nicht das getan, was wir für erforderlich halten.
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Wir wollen keine mittleren oder irgendwelche Verhältnisse, Bedingungen oder Voraussetzungen für unsere Leistungssportler schaffen, sondern mithelfen, daß wir optimale Verhältnisse für unseren Sport im allgemeinen und für unseren Leistungssport im besonderen bekommen. - Ich danke Ihnen sehr.
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Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Innern.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Der Ablauf der Debatte hat sehr deutlich gemacht, daß in dieser Diskussion eine Gefahr und eine Chance liegen.
Als eine Gefahr würde ich es betrachten, wenn die Debatte über den Sport hier im Deutschen Bundestag nur zu einer Neuauflage ideologischer Auseinandersetzungen jetzt beim Thema des Sports beitragen würde.
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Als eine Gefahr würde ich es betrachten, wenn wir parteipolitische Streitigkeiten in die Organisationen des Sports hineintragen würden. Deswegen halte ich nichts davon, hier Briefe von einzelnen Mitgliedern von Sportorganisationen unter Anspielung auf ihre parteipolitische Zugehörigkeit zu zitieren. Das kann nur dazu führen, daß wir Meinungsverschiedenheiten, deren Darstellung hier im Parlament zu unserem Beruf, zu unserer Aufgabe gehört, in den Sport hineintragen; da gehören sie nicht hin. Dieser Gefahren sollten wir uns bewußt sein; sie müssen ausgeschlossen werden.
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In der Diskussion liegt eine Chance, die Chance nämlich, daß etwas, was sich im Laufe der Jahre nach Ansicht der Bundesregierung positiv entwikkelt hat, nämlich das System der Förderung unseres Hochleistungssports, wieder einmal diskutiert wird. Ich gebe Herrn Kollegen Spilker recht: Es gibt nichts auf der Welt, was per se perfekt sein muß; über alles kann man diskutieren. Wenn es um das Zusammenwirken von ehrenamtlichen Sportorgani5990
Parl. Staatssekretär von Schoeler
sationen und staatlichen Stellen auf den unterschiedlichen Ebenen - Gemeinden, Ländern und Bund - geht, dann gibt es natürlich immer wieder Möglichkeiten und die Notwendigkeit, sich zu überlegen: Kann man hier etwas besser machen? Für diese Diskussion ist auch die Bundesregierung offen, sind auch wie ich jedenfalls dieser Debatte entnehme, alle Fraktionen offen. Deshalb sollten wir die Risiken, die Gefahren, die in dieser Debatte liegen, vermeiden, die Chance aber im Interesse des deutschen Sports nutzen. Das ist, wie ich meine, die Aufgabe der Ausschußberatungen.
Wir können bei dieser Bilanzierung der bisherigen Politik, bei der Suche nach eventuell vorhandenen Verbesserungsmöglichkeiten von einer, wie ich meine, soliden Basis ausgehen. Denn die Sportförderungspolitik des Bundes im Bereich des Leistungssports kann sich sehen lassen. Von Leistungsverweigerung, Leistungsdiskriminierung ist bei dieser Bundesregierung und beim Bundesminister des Innern nichts zu spüren.
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Deswegen gehen wir bei der Suche nach besseren Lösungen, die nie schädlich sein kann, von einer positiven Bilanz aus. - Vielen Dank.
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Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird vorgeschlagen, den Antrag der Abgeordneten Schwarz, Dr. Schäuble, Tillmann und weiterer Abgeordneter sowie der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 9/1514 zur federführenden Beratung an den Sportausschuß und zur Mitberatung an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit sowie an den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft zu überweisen. Ist das Haus mit den vorgeschlagenen Überweisungen einverstanden? - Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist dies so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:
a) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Waigel, Kiep, Dr. Dollinger, Dr. Schwarz-Schilling, Wissmann, Dr. Riesenhuber, Dr. Sprung, Dr. Warnke, Dr. Probst, Lenzer, Röhner, Kiechle, Dr. Lammert, Lampersbach, Kraus, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Helmrich, Echternach, Kittelmann, Frau Geiger, Gerstein, Dr. van Aerssen, Spilker, Dr. Bugl, Dr. Schwörer, Dr. Jobst, Glos, Dr. Laufs, Dr. George, Frau Krone-Appuhn, Dr. Kunz ({0}), Linsmeier und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU
Internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft
- Drucksachen 9/904, 9/1133 -
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Schwörer, Dr. Schäuble, Dr. Waigel, Frau Dr. Hellwig, Dr. Unland, Dr. van Aerssen und der Fraktion der CDU/CSU
Durchsetzung eines mittelfristigen Programms der Wirtschaftspolitik der Gemeinschaft für die kommenden Jahre und Schaffung eines freien EG-Binnenmarktes
- Drucksache 9/1586 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft ({1}) Finanzausschuß
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit
Meine Damen und Herren, im Ältestenrat sind verbundene Debatte für die Tagesordnungspunkte 3 a und 3 b und eine Aussprache von vier Stunden Dauer vereinbart worden. Darf ich fragen, ob das Haus damit einverstanden ist. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist dies so beschlossen.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Dies ist nicht der Fall.
Wir treten damit in die Aussprache ein. Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Haussmann.
Meine Damen und Herren! Ich begrüße die Gelegenheit, daß hier einmal ein Abgeordneter der FDP starten darf. Ich bin sehr dankbar, Herr Waigel, daß Sie mir diese Chance einräumen, und möchte am Anfang sehr herzlich für diese gute Gelegenheit danken, daß ich einmal abseits der hektischen Haushaltsdiskussion über ein grundsätzliches Thema unserer deutschen Wirtschaftspolitik sprechen kann. Es ist äußerst verdienstvoll von der CDU/CSU, daß sie die zentrale Frage der internationalen Wettbewerbsfähigkeit zum Thema einer Großen Anfrage gemacht hat. Denn daran dürfte es wohl keine Zweifel geben: Nicht nur unsere Arbeitsplätze hängen davon ab - in den Schlüsselindustrien Automobil- und Maschinenbau werden über 50 % exportiert -, sondern auch ein großer Teil unseres Wohlstandes. Ja, ich möchte noch weitergehen: Diese internationale Wettbewerbsfähigkeit ist mit die Voraussetzung für unsere internationale Anerkennung nach dem Zweiten Weltkrieg gewesen. Es ist deshalb sehr zu begrüßen, daß der Außenminister als Abgeordneter Genscher hier diese Debatte verfolgt.
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Die zweite Vorbemerkung - auch sie sollte erlaubt sein -: Ich glaube, es gibt auch deshalb eine richtige Parlamentsdebatte, weil die ganz großen Stars auf unserem Felde - Herr Waigel, ich nehme Sie mal aus, aber Sie reden j a auch nicht - heute fehlen, so daß wir Handwerker auch mal zu Wort kommen, was ich sehr begrüße. Graf Lambsdorff - das ist bekannt - hat heute ein äußerst privates Ereignis, und ich möchte auch in seinem Namen der Opposition danken, daß sie Verständnis dafür hat, daß er die Debatte heute nicht verfolgt. Dann fehlt natürlich auch der Glanz, ja, ich möchte sagen, das internationale Flair, die Kosmopolität unseres geschätzten Kollegen Kiep, der es - wir sagten es daDr. Haussmann
mals schon voraus - auch hier im Bundestag nicht sehr lange ausgehalten hat
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und jetzt als Schatten-Außenminister in Hamburg seinem früheren Hobby nachgeht.
Und nachdem ich sehe, daß auch Herr Roth nicht hier ist
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- nicht redet -, sollte man auch ihn in der Galerie dieser Stars natürlich nicht vergessen, zumindest was den Wunsch nach Publizität angeht, wobei er sich - bitte, das ist meine persönliche Meinung, nicht die Meinung der FDP-Fraktion - in der letzten Zeit etwas von der konkreten und konstruktiven Wirtschaftspolitik der Koalition abgewandt und längerfristigen eigenen Zielen zugewandt hat. Aber diese Debatte dient j a auch dazu, das vielleicht wieder ins Lot zu bringen.
Dies, Herr Finanzminister, ist keinesfalls eine Abwertung Ihrer Person. Wir von der FDP-Fraktion begrüßen es sehr, daß Sie in dieser zentralen Debatte nachher das Wort nehmen wollen.
Zur Sache selbst ist zu sagen, daß die Opposition mit diesem wichtigen Thema auch wieder etwas spät kam. - Ich spreche jetzt nicht vom Redner, sondern vom Thema. Denn die Antwort fällt in eine Zeit, in der wir durch richtige wirtschaftspolitische Maßnahmen das Problem wieder beseitigt haben.
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Man könnte auch umgekehrt und äußerst positiv für die Opposition erwähnen, daß natürlich die Wirtschaftspolitik der Regierung und die deutsche Wirtschaft auf die Ankündigung der Großen Anfrage der Opposition sofort reagiert und entsprechende Anstrengungen unternommen haben, die zu dem Ergebnis führen, das wir heute begrüßen können.
Was nun die Daten angeht, so ist klargeworden, daß sowohl das vierte Quartal 1981 als auch das erste Quartal 1982 äußerst positive Ergebnisse aufweisen. Wir haben im März 1982 einen Rekordüberschuß in unserer Handelsbilanz von sage und schreibe 6,4 Milliarden DM erreicht. Die in dieser Woche vorgelegte Umfrage der DIHT-Kammern belegt dies, und die Aussage unseres Jahreswirtschaftsberichts ist noch sehr vorsichtig, wenn man die Voraussagen von OECD und IWF mit ihr vergleicht.
Ich glaube, entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft sind drei Daten. Das ist einmal die Verbesserung der sogenannten Terms of Trade, auch saisonbereinigt. Hier zeigt sich, daß wir im Inland wieder aufgeholt haben. Zweitens - und das halte ich ebenfalls für ein wichtiges Kriterium unserer Wettbewerbsfähigkeit - haben wir deutliche Marktanteilgewinne für die deutsche Wirtschaft erzielt. Drittens halten wir heute einen Anteil am Welthandel von sage und schreibe 11,5 %. Es könnte sogar eine Entwicklung in nicht zu ferner Zukunft geben, bei der wir nicht nur relativ das stärkste Exportland der Erde werden, also in bezug auf den Anteil am Bruttosozialprodukt, sondern vielleicht sogar in absoluten Zahlen, weil der Abstand zu den Vereinigten Staaten von Amerika nur noch sehr knapp ist.
Meine Damen und Herren, dies ist positiv. Ich finde, wir Wirtschafts- und Konjunkturpolitiker haben auch hier Anlaß, diesen Optimismus und diesen Stolz zu zeigen; denn in unserer depressiven Stimmungslage ist das wichtig. Wenn man einen Teil der Presse und der Verbände verfolgt, entsteht der Eindruck, als würden wir immer mehr zu einer frustrierten Wirtschaftsgesellschaft gemacht. Deshalb, glaube ich, ist es wichtig, auch den Mitarbeitern und den Unternehmern zu sagen, daß die amtliche Wirtschaftspolitik stolz ist, daß wir dieses Ergebnis erreicht haben. Dahinter stecken sicher Leistungswille, Anpassungsbereitschaft, Zurückhaltung - auch in der jüngsten Zeit - bei der Lohn- und Preispolitik, aber auch die Bereitschaft von Beschäftigten im privaten System, draußen vor Ort unter erschwerten Bedingungen tätig zu sein, eine Eigenschaft, meine Damen und Herren, die leider heute vielen Gruppen unserer Gesellschaft abhanden gekommen ist.
An dieser Stelle ist es, glaube ich, auch wichtig, unseren Kammern und Botschaften zu danken, die mit zu diesem Erfolg beigetragen haben.
Nicht zuletzt glaube ich, daß die Wirtschaftspolitik dieser Regierung, die ein solches Ergebnis erreicht hat, so falsch, wie von der Opposition behauptet, nicht sein kann.
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- Ich freue mich, daß die Opposition jetzt ganz langsam wieder reagiert.
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Entscheidend ist, meine Damen und Herren, daß wir, sowohl Wirtschaft, Gewerkschaften als auch Politik, den Schock des Leistungsbilanzdefizits der letzten Jahre verstanden haben. Falsch wäre es nach unserer Ansicht, sich zufriedenzugeben - im Gewerkschaftslager, bei den Arbeitgebern, in der Politik. Der sich anbahnende Ausgleich unserer Außenbeziehungen ist nur ein Ausgleich. Sicher ist ein Handelsbilanzüberschuß sehr positiv, aber wir müssen sehen, daß wir auf anderen Gebieten, Kapitalübertragungen, Dienstleistungen, Devisen, nach wie vor hohe Defizite haben.
Dieser sich anbahnende Ausgleich unserer Außenbeziehungen beruht nicht ausschließlich auf einer realen Verbesserung unserer Wettbewerbsfähigkeit. Es gibt Währungsvorteile, die nicht so bestehenbleiben müssen. Darauf wird mein Kollege Funke nachher eingehen. Es gibt nach wie vor Imagevorteile der deutschen Wirtschaft, die auch nicht immer so bestehenbleiben müssen. Und - das halte ich für entscheidend - es kommen immer stärkere Konkurrenten auf dem Weltmarkt auf uns zu, die sich mit uns nicht nur wie früher als Billiglohnlän5992
der vergleichen, sondern die neben einer günstigeren Lohnstückkostenstruktur - allein im Jahre 1981 waren die Japaner in dieser entscheidenden Größe, also Beziehung zwischen Lohnhöhe und Produktivität, um 18 % besser als wir Deutschen - auch über hervorragende Technologien verfügen und über ein hochmotiviertes Management und Mitarbeiter, die bereit sind, draußen, vor Ort, ihr Land zu vertreten - ich nenne Länder wie Japan, Taiwan, Korea und die USA. Das ist, glaube ich, für die zukünftige Exportwirtschaft sehr wichtig.
Ich sehe deshalb fünf zentrale Aufgaben zur Verbesserung unserer Wettbewerbsfähigkeit. In Stichworten: Die erste sehe ich in einem marktwirtschaftlichen System darin, daß wir die Priorität bei den Unternehmern selbst sehen. Mir gefällt an der Großen Anfrage der CDU/CSU-Fraktion nicht, daß sie fast ausschließlich auf staatliche Rahmenbedingungen, finanzielle Hilfen, Abschreibungserleichterungen, Forschungsförderung, Steuererleichterungen abstellt. Ich glaube, in erster Linie kommt es in einer Marktwirtschaft auf die Aktivitäten unserer Unternehmer selbst an.
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- Nein. Aber ich glaube, wenn es um die internationale Wettbewerbsfähigkeit geht, Herr Schwarz-Schilling, sollte man nicht nur die staatlichen finanziellen Aktivitäten in den Vordergrund stellen, sondern das Gleichgewicht.
Ich glaube, es ist wichtig, daß die Exporttugenden, die uns diesen Erfolg in der Vergangenheit beschert haben, weiter gepflegt werden. Das sind Leistungsbereitschaft, Mobilität, aber auch Erfindungsgeist. Ich glaube, als Baden-Württemberger, Herr Wissmann, ist man befugt, das hier auch im Deutschen Bundestag zu sagen,
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hält doch unser kleines Land fast 20 % aller Exporte der Bundesrepublik Deutschland.
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Zweitens halte ich es für ganz entscheidend - das wird auch noch heute mittag eine zentrale Rolle spielen -, daß wir sowohl von der staatlichen Politik als auch von den Unternehmen her unser hohes Lohnniveau in Einklang bringen mit einem sehr hohen technologischen Niveau, weil wir sonst mittelfristig Weltmarktanteile verlieren müssen. Das bedeutet zum einen den Anschluß bei Spitzentechnologien. Ob hier ein Programm, das unter einer Milliarde DM liegt, helfen kann, ist offen; zumindest geht es in die richtige Richtung. Das bedeutet aus der Sicht der FDP eine sehr viel breitere Innovationsförderung gerade kleiner und mittlerer Betriebe, weil das Branchen- und Strukturbild unserer Exportwirtschaft zeigt, daß viele Großbetriebe längst ihre Möglichkeiten ausgeschöpft haben. Es gibt heute eine ganze Anzahl von großen Unternehmen in der Bundesrepublik, die aus Gründen der Risikobeschränkung ihren Exportanteil nicht mehr stärker ausbauen wollen. Wenn dies so ist, dann ist es ganz entscheidend, daß die kleinen und mittleren Betriebe durch eine indirekte Innovationsförderung verstärkt in die Lage versetzt werden, trotz des hohen Lohnniveaus draußen mitzuhalten. Ich halte hier das von der FDP initiierte Personalkostenzuschußprogramm für ganz entscheidend. Ich hoffe, daß es uns mit Hilfe des neuen Finanzministers haushaltspolitisch gelingt, dieses Programm in seiner Höhe zu halten, so daß es nicht zu weiteren Einschränkungen des Berechtigtenkreises im nächsten Haushaltsjahr kommen muß.
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Die dritte Aufgabe muß sicher sein, daß wir uns von der Politik, den Verbänden und den Kammern her sehr viel stärker um bessere Rahmenbedingungen des Exports für mittelständische Firmen kümmern. Hier kann es nicht um Exportsubventionen gehen, sondern um Hilfe zur Selbsthilfe. Stichworte sind hier neben der besprochenen Forschungsförderung die verstärkte Bereitstellung von Risikokapital, vor allem das Abstellen der Außenhandelsinformationen unserer Kammern und insbesondere unserer Botschaften, unserer Wirtschaftsattaches, nicht nur auf das bequeme Begleiten von Managern der Großindustrie, sondern vielmehr auf das dornenreiche Geschäft der Anbahnung von Geschäftsbeziehungen für kleine und mittlere Unternehmer.
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- Dabei begrüße ich es sehr, daß dies nicht so sehr der Wirtschaftsminister aus Baden-Württemberg tut, der das eigentlich machen müßte, sondern daß es der Ministerpräsident selbst in die Hand nimmt. Ich war erfreut, in den USA feststellen zu können, daß in diesem Monat in Kalifornien ein Technologiesymposium mit höchstrangigen baden-württembergischen Vertretern durchgeführt wird. Das ist ein weiteres Indiz dafür, daß dieses an sich kleine Bundesland ohne Bodenschätze und ohne Küstenzugang in der Lage ist, weiterhin seinen hohen Anteil in den Länderfinanzausgleich einzubringen.
Meine Damen und Herren, die vierte Aufgabe muß ohne Zweifel sein, daß wir Mobilität, Anpassungsbereitschaft und Engagement draußen fördern. Ich glaube, zwei Beispiele aus jüngster Zeit sind eigentlich alarmierend. Es gab diese Woche in der Wirtschaftspresse eine Mitteilung, daß Facharbeiter und Ingenieure, deren Firmen sich an einem Produktionsstandort konzentrieren müssen, nicht bereit waren, von Augsburg nach München umzuziehen.
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Wir haben in Ulm das Problem, daß eine Reihe von Mitarbeitern und Facharbeitern kaum bereit sind, einen gleichwertigen Arbeitsplatz in Stuttgart anzunehmen. Wenn das schon im Inland nicht klappt zwischen zwei so schönen Städten wie Augsburg und München oder Ulm und Stuttgart, so wird es natürDr. Haussmann
lich schwierig sein, in Zukunft die Position des Exportlands Nummer eins zu halten.
Genauso alarmierend ist die Mitteilung von Professor Turner aus dieser Woche, daß heute von 1 Million Studenten in der Bundesrepublik lediglich noch 1,8 % also 18 000 bereit sind, außerhalb Deutschlands ihr Studium aufzunehmen. Lange Zeit hatten wir eine stabile Quote von zirka 6 %. Auch dieser Rückgang ist erschreckend und zeugt nicht gerade von Mobilitätsförderung in der Bildungspolitik unserer Bundesländer.
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Als eine Delegation des Wirtschaftsausschusses unter der Führung unseres verehrten Kollegen Dollinger in Japan war, haben wir erlebt, wie aktiv die Japaner in der Marktvorbereitung sowohl in der Bundesrepublik als auch in Japan sind. Wenn man dann noch weiß, daß das Verhältnis von Deutschen in Japan zu Japanern in Deutschland 1 : 6 oder 1 : 7 beträgt, so ist das meines Erachtens ein Alarmzeichen. In einem Exportland, das nicht nur relativ, sondern auch absolut auf dem Weg zur Nummer eins ist, muß diese Frage der Mobilität, der Anpassungsbereitschaft, des Engagements draußen eine verstärkte Rolle spielen.
Der fünfte zentrale und letzte Punkt ist aus meiner Sicht die Notwendigkeit einer offensiven Welthandelspolitik. Auch hier muß ich etwas Kritik an der Großen Anfrage der CDU/CSU anbringen, in der das nur am Schluß und nur sehr schwach angesprochen wird. Ich halte das für einen zentralen Bereich, der uns viele Möglichkeiten bietet.
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Wenn manchmal etwas geringschätzig von der Reiselust des Wirtschaftsgrafen geredet wird, so halte ich das für sehr bedenklich. Ich gebe zu bedenken, daß der Wirtschaftsminister der Bundesrepublik, des größten Exportlandes, vor Ort versucht, Protektionismus abzuwenden. Diese Reisen des Wirtschaftsministers sind für unsere Exportwirtschaft sehr wichtig, wie viele Diskussionen zeigen, die wir im Inland aufgeregt führen. Angesichts eines sich immer mehr ausbreitenden Protektionismus, angesichts einer außenpolitischen Landschaft, in der bei vielen regionalen Konflikten immer selbstverständlicher zuerst nach dem Handelsembargo gerufen wird, ist es ganz entscheidend, daß sich alle drei Fraktionen des Deutschen Bundestages gerade in der Frage einer offensiven Welthandelspolitik einig sind und Wirtschaftsminister Graf Lambsdorff nachhaltig unterstützten.
Ich begrüße, daß die Mitarbeiter des Wirtschaftsministeriums - ich möchte stellvertretend Frau Steeg nennen - im internationalen Bereich - in Japan und in den USA, auf GATT-Ebene - einen sehr guten Namen haben. Es ist j a entscheidend, daß wir Partner gewinnen. Viele ausländische Staaten sehen ja in den Exporterfolgen der Bundesrepublik nicht nur ein positives Zeichen.
Entscheidend ist auch, daß die deutschen Gewerkschaften bereit sind, anzuerkennen - sie müssen international gesehen insoweit führend sein -, daß die Absicherung von Exporterfolgen langfristig nur dann möglich ist, wenn man bereit ist, verstärkt Direktinvestitionen auch in anderen Ländern zu akzeptieren; denn die Zeit der Einbahnstraße, in der wir nur hier produzieren und von hier aus ausführen, ist sicher vorbei.
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Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Wir begrüßen die Große Anfrage der Union sehr. Sie gibt uns Gelegenheit, darauf hinzuweisen, daß wir einige Erfolge errungen, aber keinesfalls eine Situation erreicht haben, die es uns erlaubt, uns zufrieden zurückzulehnen.
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Nach wie vor ist die Unterstützung aller Fraktionen erforderlich. Wenn ich mich an die Diskussion um das Welttextilabkommen erinnere, so muß ich sagen, daß wir diese Unterstützung nicht immer gefunden haben. Wenn ich mich weiter daran erinnere, daß ein führender Vertreter der CSU vor kurzem vor Hauptgeschäftsführern des DIHT zu einer gewissen Politisierung des Osthandels aufgerufen, daß er die Frage der Lieferbindungen durchaus erwogen hat, so muß ich sagen: Ich war sehr dankbar, daß der Präsident der deutschen Handelskammern, Herr Wolff von Amerongen, klargestellt hat, daß wir ein liberales Welthandelsland bleiben müßten. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
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Ich erteile nunmehr dem Herrn Abgeordneten Dr. Warnke das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin sehr froh, daß ich Gelegenheit habe, beim Kollegen Haussmann einige, sagen wir einmal, Kurzschlüsse, die zwar verständlich sind, die ich aber bei ihm nicht erwartet habe, gleich zu Anfang einmal zurechtzurücken. Herr Kollege Haussmann, Sie haben aus der Tatsache eines erfreulichen Exportüberschusses und einer Aussicht auf ausgeglichene Leistungsbilanz in diesem Jahre den Schluß gezogen, nun sei die Gefährdung unserer internationalen Wettbewerbsfähigkeit nicht mehr gegeben. Ich glaube, Herr Kollege Haussmann, da sind Sie einem Kurzschluß unterlegen. Das ist ungefähr so, als wenn ein Autofahrer, der auf Reserve fährt, daraus, daß für einen Moment die Warnleuchten nicht mehr aufblinken, weil er sich etwas schneidig in die Kurve gelegt hat, den Schluß ziehen würde, daß der Tank nun wieder gefüllt sei. Davon kann keine Rede sein.
({0})
- In diesem Fall ist die Linkskurve ganz offensichtlich, und einer der für diese Linkskurve Verantwortlichen ist unser Kollege Roth, der beim SPD-Parteitag noch einiges dazu getan hat, auf das ich gleich zu sprechen kommen werde.
Meine Damen und Herren, wenn wir heute Exportüberschüsse und wenn wir die Aussicht auf eine
ausgeglichene Leistungsbilanz haben, dann handelt es sich um eine Momentaufnahme, weil Ölpreissenkung und Öleinsparung - beides ist in dieser Form nicht fortführbar - unsere Einfuhrbilanz entlastet haben. Die Nachfrageseite ist durch die Nachfragekraft der ölexportierenden Länder in einer Weise aktiviert worden, daß unsere Ausfuhren angestiegen sind, aber diese Nachfragekraft der Ölexportländer läßt nach, und einige OPEC-Staaten müssen heute schon selbst Auslandskredite aufnehmen, um ihre Zahlungsbilanz in Ordnung zu bringen. Den Staatshandelsländern steht die Verschuldung bis an den Hals, und von den Entwicklungsländern haben wir keine Impulse zu erwarten. Somit werden die Exportaussichten, wird die weitere Entwicklung von allen, die darüber ein Urteil haben, durchaus gedämpfter beurteilt, als das bisher der Fall gewesen ist.
Vor allen Dingen hat die Abwertung der Deutschen Mark in den vergangenen beiden Jahren zu der gegenwärtigen Entwicklung beigetragen. Sie hat uns einen Wettbewerbsvorteil gebracht, der nicht weiter bestehen wird - ich möchte sagen: der Gott sei Dank nicht weiter bestehen wird, denn wir haben kein Interesse an einer Ausfuhrförderung über eine weiche D-Mark. Die Verteuerung der Einfuhren, die mit diesen Abwertungserscheinungen und mit diesem Kursverfall verbunden war, frißt die Vorteile auf und führt in die Gefahr der Anpassungsinflation. Daß uns in der Bundesrepublik Deutschland trotz der Kursschwäche der D-Mark die Anpassungsinflation erspart geblieben ist, verdanken wir der Standhaftigkeit der Deutschen Bundesbank. Sie hat im vergangenen Jahr ein weiteres Absacken des DM- Kurses verhindert,
({1})
und die Unionsfraktionen dankt der Bundesbank dafür,
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daß sie den Zins erst jetzt gesenkt hat, als die Zeit reif war, und nicht zur Unzeit den Pressionen erlegen ist, die auch aus diesem Haus auf sie ausgeübt worden sind.
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Wenn der Herr Bundeskanzler z. B. sich zu einem solchen Wort des Dankes an den Herrn Pöhl und seine Mannschaft bereit finden und aufraffen könnte, dann entspräche das nicht nur einer menschlichen Anstandspflicht gegenüber Leuten, die ihm den Buckel freigehalten haben gegenüber den Radikalen in seiner eigenen Truppe, sondern es wäre auch ein vertrauenschaffendes Signal. Genau das brauchen wir heute.
Die Zunahme unserer Exporte im gegenwärtigen Zeitpunkt kann uns auch deshalb nicht über den Ernst der Lage hinwegtäuschen, weil die Leistungsbilanz nur eines von mehreren Kriterien der internationalen Wettbewerbsfähigkeit ist. Stabilität, Wachstum und insbesondere Beschäftigung sind im Gleichrang auch Wertmesser für unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit. Mit Blindheit müßten wir geschlagen sein, Kollege Haussmann, wollten wir die Verknüpfung von nahezu zwei Millionen Arbeitslosen in der Bundesrepublik Deutschland mit Schwachstellen in unserer Wettbewerbsfähigkeit gegenüber dem Ausland nicht zur Kenntnis nehmen.
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Sicher sind Hunderttausende von diesen Arbeitslosen auf Grund von Fehlern ohne Arbeit, die nichts mit der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber dem Ausland zu tun haben. Ich denke an die Kürzung der Haushaltsmittel des Bundes für die Baumaßnahmen und an die kontraproduktiven Rahmenbedingungen im Baubereich. Aber ebenso sicher geht ein großer Teil der Arbeitslosen von heute auf die zwei großen Fehlentscheidungen der 70er Jahre zurück: auf das Versagen bei der Bewältigung der ersten Ölkrise 1973 ff. und auf die regierungsamtlich gezüchtete Anspruchsmentalität mit der bekannten Folge des Überkonsums und der Investitionslücke von nahezu 200 Milliarden DM in den 70er Jahren.
({5})
Heute stellen wir die Weichen für die zweite Hälfte der 80er und für die 90er Jahre. Annähernd zwei Millionen Arbeitslose sind schlimm genug. Aber geburtenstarke Jahrgänge, Wachstumsraten unterhalb des Produktivitätsanstiegs und ein weiterer Zustrom von Ausländern werden bis Mitte dieses Jahrzehnts eine dritte Million Arbeitslose zu Folge haben, wenn die Entwicklung sich selber überlassen bleibt oder die Weichen falsch gestellt werden. Jeder vierte Arbeitsplatz in der Bundesrepublik Deutschland lebt unmittelbar vom Export. Indirekt sind es noch viel mehr.
Zusätzlicher Einfuhrdruck wegen mangelnder internationaler Wettbewerbsfähigkeit bedeutet zusätzliche Gefährdung von Arbeitsplätzen. Zu den hohen Reallohnsätzen in der Bundesrepublik Deutschland unsere Arbeitsplätze in den 80er und 90er Jahren international wettbewerbsfähig zu halten - dazu Wege zu finden, soll uns diese Aussprache helfen.
Die Ausgabenprogramme der 70er Jahre waren ungeeignet.
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Der Patient ist gegenüber dieser Art von Nachfragestimulierung durch Milliardenausgaben therapieresistent geworden.
({7})
Mit dem Sachverständigenrat, den wirtschaftswissenschaftlichen Instituten und der Bundesbank bekennt sich die Union dazu, daß es jetzt Zeit ist, die Angebotsbedingungen der deutschen Wirtschaft zu verbessern. Ich nenne insbesondere fünf Felder: den überzogenen Staatsanteil, die zu niedrigen Investitionen, die Arbeitskosten, die Energiekosten und die Entwicklung neuer Erzeugnisse.
Die Antworten der Bundesregierung auf diese Teile unserer Großen Anfrage lasen sich so übel
nicht. Das war im Dezember 1981. Inzwischen war Gelegenheit zur Verwirklichung von guten Vorsätzen gegeben, und zwar beim Haushalt 1982, beim Beschäftigungsprogramm und beim SPD-Parteitag. Heute, ein halbes Jahr nach der Beantwortung der Großen Anfrage, können wir feststellen: Es klafft zwischen Theorie und Praxis einiges auseinander. Der Staat mästet sich weiter am Bruttosozialprodukt.
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1979 betrug der Anteil, den der Staat am Bruttosozialprodukt der Bundesrepublik Deutschland hatte, 47 %. Daran dürfte sich bis heute nichts geändert haben.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Cronenberg?
Gerne.
Bitte, Herr Abgeordneter Cronenberg.
Herr Kollege, würden Sie mir darin zustimmen, daß Sie bei dieser Berechnung des sogenannten Staatsanteils auch alle Ausgaben für soziale Leistungen - Ausgaben also für die Versicherungssysteme der Renten-, der Kranken- und der Arbeitslosenversicherung - mitzählen
({0})
und daß man mit Recht die Frage stellen kann, ob Leistungen, die durch Versicherungen erbracht werden, dem Staatsanteil zugerechnet werden dürfen oder ob man nicht eher von der „Abgabenquote" o. ä. sprechen muß?
Herr Kollege, ich habe auch die Abgabenquote gemeint, und ich glaube, daß diese Abgabenquote bei uns in der Bundesrepublik Deutschland im Vergleich z. B. mit dem Wettbewerber Japan so unvertretbar hoch ist, daß wir uns darauf einrichten müssen, die Höhe dieser Abgabenquote genauso zu überprüfen wie die Höhe staatlicher Leistungen im allgemeinen.
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Das Frühjahrsgutachten der wirtschaftswissenschaftlichen Institute fordert nicht zu Unrecht die Kürzung von konsumtiven staatlichen Ausgaben, Übertragungen und Subventionen. Hierzu bedarf es politischer Entscheidungskraft.
({1})
Das gleiche gilt für die Entwicklung des öffentlichen Dienstes. Meine Damen und Herren, der öffentliche Dienst in der Bundesrepublik Deutschland - Verwaltungen, Schulen, Krankenhäuser, um nur diese Bereiche stellvertretend für alle anderen zu nennen - ist von einer Qualität, um die uns viele andere Länder beneiden.
({2})
Aber die Erkenntnis, daß die Kosten für diesen öffentlichen Dienst in einem vernünftigen Verhältnis zu dem Teil des Bruttosozialprodukts stehen müssen, der von Industrie, Landwirtschaft und gewerblichem Mittelstand erwirtschaftet werden muß, hat sich offensichtlich bei dieser Regierung noch nicht durchsetzen können. Minister Baum hat jedenfalls eine Sternstunde vertan, als er vom Parlament bereits beschlossene Kostensenkungen im öffentlichen Dienst in diesem Jahr verspielte.
Die für die internationale Wettbewerbsfähigkeit zweitens dringend notwendigen Investitionen setzen Investitionsfähigkeit und Investitionsneigung voraus. An beidem fehlt es, wenn, Herr Kollege Cronenberg, der Staat eine Abgabenquote von über 40 % des Bruttoinlandprodukts in Anspruch nimmt. In Japan sind es nur 24,7%. Herr Cronenberg, Sie sind ja selbst Unternehmer und wissen, daß die Eigenkapitalquote unserer Unternehmen infolge dieser Oberbesteuerung mittlerweile auf 20 % heruntergerutscht ist; und das Schlimme ist, daß sich diese Quote selbst in sogenannten guten Jahren nicht mehr erholt.
Eine „Steuersenkung" - jetzt zitiere ich wörtlich - „zur Förderung innovativen Verhaltens und der Leistungswilligkeit" hatte die Bundesregierung im Jahreswirtschaftsbericht angekündigt. In Kraft treten sollte sie erst 1984. Aber immerhin, man ist mittlerweile auch schon für Aussichten dankbar geworden. Inzwischen plakatierte der SPD-Parteitag in München: statt Steuersenkung die Ergänzungsabgabe und die Arbeitsmarktabgabe. Wörtlich heißt es in den Münchener Beschlüssen - ich raffe hier unter Weglassung von Zwischenforderungen -: „Als Schwerpunkt eines Investitionsprogramms fordern wir Maßnahmen zur Anhebung des Spitzensteuersatzes bei Einkommen- und Körperschaftsteuer."
({3}) - Sehr schön!
({4})
Wissen Sie, in Wahrheit ist das nur teilweise komisch, daß Sie, meine Damen und Herren, das Investitionsprogramm durch Steueranhebung finanzieren wollen. Was hier geschieht, ist, daß der Begriff der Marktwirtschaft zur Worthülse degradiert wird.
Ich nehme das politische Gewicht des Parteitags einer großen, traditionsreichen und mitgliederstarken Partei zu ernst, um den Zynikern zu glauben, die da behaupten, diese Beschlüsse von München seien nur zur Beruhigung irgendwelcher linker Mitglieder und als Beruhigungspille für den Deutschen Gewerkschaftsbund im Hinblick auf seinen demnächst stattfindenden Kongreß gefaßt worden, würden aber in den restlichen zweieinhalb Jahren dieser Koalition keinerlei politische Auswirkung haben.
Herr Bundesfinanzminister, Sie geben heute in diesem Hause Ihren parlamentarischen Einstand. Ich beglückwünsche Sie dazu.
({5})
Sie werden uns, die wir Ihrer Anwesenheit unsere Aufmerksamkeit geschenkt haben, hinterher sicher zu einem kleinen Umtrunk einladen.
({6})
- Aus der Privatschatulle, versteht sich; das muß bei einem Bundesfinanzminister ja noch drin sein.
({7})
Aber vorher haben Sie, Herr Bundesfinanzminister, Gelegenheit, hier Auskunft darüber zu geben, ob die Münchener Beschlüsse nach Ihrer Auffassung irgendwelche praktischen Auswirkungen - und wenn j a: welche - auf die Koalitionspolitik der nächsten zweieinhalb Jahre haben werden. Das Haus wird Ihrer Stellungnahme mit Interesse lauschen.
Eine Auswirkung - das möchte ich Ihnen gleich vorwegnehmen - werden die Münchener Beschlüsse bestimmt zeitigen: Sie werden das Vertrauen in die angekündigte Steuerpolitik weiter beeinträchtigen. Das kann den notwendigen Investitionen nicht gut bekommen; denn Investition heißt Vertrauen in die Zukunft haben.
Im übrigen gilt auch für die Verstärkung der Investitionen das alte englische Sprichwort: „Charity begins at home." Frei übersetzt: Der Staat sollte mit gutem Beispiel vorangehen. Genau das tut er nicht. Ein Investitionsanteil der Haushalte 1982 und 1981, der mit 13 % der niedrigste in den letzten zehn Jahren ist, versagt der Wirtschaft die notwendigen komplementären staatlichen Investitionen und macht seinerseits in Defätismus.
Meine Damen und Herren, bezüglich der Lohnentwicklung in diesem Jahr wird die Bundesregierung die Vorhersage im Jahreswirtschaftsbericht nach unten korrigieren müssen. Das ist nach meiner Kenntnis das erste Mal, daß eine solche Entwicklung eintritt. Mit Tarifabschlüssen von 4,2 % und darunter haben die Tarifpartner jetzt zum zweitenmal die Inflationsrate unterschritten. Sie haben real Einkommensminderungen in Kauf genommen.
({8})
Die Union dankt den Arbeitnehmern und den Gewerkschaften für den Stabilitätsbeitrag, der in diesem Reallohnverzicht liegt.
({9})
Durch diesen Beitrag zur Arbeitskostenstabilisierung hat die deutsche Arbeitnehmerschaft aber auch einen verstärkten Anspruch darauf, daß die Regierung eine Politik betreibt, die die neu gewonnenen Spielräume zur Neuschaffung von dauerhaft wettbewerbsfähigen Arbeitsplätzen nützt.
Die Beschäftigungsinitiative der Bundesregierung ist diesem Anspruch nicht gerecht geworden.
({10})
Anstatt durch Einsparungen dauerhafte Steuerverbesserungen zu ermöglichen - dauerhafte Steuerverbesserungen, nicht Eintagsfliegen und keine Strohfeuer -, hat sie versucht, mit Steuerhöhungen eine kurz befristete Investitionszulage zu finanzieren. Den Steuererhöhungen haben wir durch die Mehrheit der Union im Bundesrat einen Riegel vorgeschoben - Gott sei Dank.
({11})
Ob Sie aber die Kraft für die notwendigen Einsparungen aufbringen werden, werden wir im Nachtragshaushalt 1982 und im Haushalt 1983 sehen.
({12})
Aber die Zeichen stehen nicht gut.
Zu Recht hat das Frühjahrsgutachten der wirtschaftswissenschaftlichen Institute diese Gemeinschaftsinitiative als einen Rückschritt bezeichnet und hat aufgefordert, in Zukunft auch in sogenannte wohlerworbene Rechte einzugreifen. Darunter befindet sich im Frühjahrsgutachten auch der Hinweis darauf, daß die Anspruchsgrundlagen für das Arbeitslosengeld zu weit gefaßt seien. Frühere Hinweise der Union in diese Richtung sind von der SPD- Seite dieses Hauses abgelehnt und diffamiert worden. Nunmehr berichten die Gazetten, der Finanzminister denke in die gleiche Richtung. Wir sind gespannt auf Ihre Auffassung in dieser Debatte, Herr Minister.
Bei den Energiekosten, meine Damen und Herren, laufen uns die Strompreise aus dem Ruder. Die zukünftige Konkurrenzfähigkeit gegenüber Wettbewerbern wie Frankreich und Italien wird verspielt.
Die fehlende Durchsetzungskraft der Regierungskoalition und insbesondere des SPD-Teils bei der konsequenten Nutzung der Kernenergie hat sich auch wieder im Münchener Parteitagsbeschluß dokumentiert. An fünfter, an letzter Stelle der Eckwerte für die Energiepolitik wird - das muß man sich genau anhören - die begrenzte Nutzung der Kernenergie zu genau umrissenen Sicherheitsbedingungen subsidiär zur Kohle gefordert bei gleichzeitigem Versuch, Voraussetzungen dafür zu schaffen, langfristig auf Kernenergie verzichten zu können.
({13})
Das letztere scheint in der Tat zu gelingen. Die Vereinigten Staaten haben jetzt ein Projekt vorbereitet, mit dem sie in Kooperation mit Japan den Rückstand gegenüber Frankreich in der Reaktortechnologie auf dem Gebiet des Schnellen Brüters aufholen wollen. Sie erwägen, Großbritannien in diese internationale Kooperation einzubeziehen. Von Deutschland spricht in dieser entscheidenden Reaktortechnologie überhaupt niemand mehr, und gemessen am Kernenergiebeschluß des Münchener Parteitags mit
seinen Kautelen, Vorsichtsmaßnahmen, Einschränkungen und widersprüchlichen Zielsetzungen erscheint selbst die berühmt-berüchtigte Formel von Willy Brandt „entschieden sowohl als auch" noch als schierer Aktionismus. Was der Münchner Parteitag beschlossen hat, ist in der Konsequenz „weder noch". Damit wird die deutsche Volkswirtschaft in ihrer Wettbewerbsfähigkeit zugrunde gerichtet.
({14})
Meine Damen und Herren, auch in unserer Forschungspolitik, auch in unserer Lizenzbilanz sind wir zurückgefallen. Ich möchte Ihnen nur ein Beispiel aus den Untersuchungen einer westdeutschen Konsumgüterindustrie nennen. Heute bestehen folgende Arbeitskostengitter: Bundesrepublik 100 %, Japan 80 %, Korea 40 %, Philippinen 16 %, Sri Lanka 4 % der Arbeitskosten. Mit diesen 4 % der Arbeitskosten -150 DM brutto im Monat für die Arbeiterin ({15})
wird in Ceylon eine internationale Qualitätsware mit wettbewerbsfähigem Charakter produziert. - Herr Kollege Roth, wir können, werden und wollen nicht mit diesen Arbeitskosten konkurrieren, aber wir müssen unsere Wirtschaft in die Lage versetzen, daß sie durch moderne Technologie ihre Kreativität und ihre Stärken dort entfalten kann, wo sie sie hat.
({16})
Mir ist nicht bange um die Entfaltung dieser Wettbewerbskräfte, dieser Kreativität, dieser Selbstbehauptungskraft. Voraussetzung für die Wirksamkeit der Selbstheilungskräfte ist die Wiederherstellung politischer Rahmenbedingungen, die die Wirtschaft nicht etwa sich selber überlassen - das hat wohlverstandene Soziale Marktwirtschaft nie getan -, aber die ihr das Wichtigste wiedergeben, was heute fehlt: Vertrauen in die Zukunft.
({17})
Ich erteile dem Abgeordneten Dr. Jens das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer die Wirtschaftsseiten der Presse verfolgt, weiß, daß sich die Leistungsbilanz der Bundesrepublik Deutschland in den letzten Jahren verbessert hat und die Exportaussichten der deutschen Wirtschaft gut sind. Im gerade zitierten Gemeinschaftsgutachten für dieses Frühjahr kommen alle wirtschaftswissenschaftlichen Institute zu dem Ergebnis: Die deutsche Wirtschaft verfügt weiter über eine günstige preisliche Wettbewerbsposition und Angebotspalette, und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft bleibt groß.
Doch allein mit Hilfe des Außenhandels können wir unsere schwerwiegenden Probleme auf dem deutschen Arbeitsmarkt nicht lösen. Ich begrüße es deshalb außerordentlich, daß der Vermittlungsausschuß gestern das Beschäftigungsprogramm der deutschen Bundesregierung schließlich doch akzeptiert hat.
Ich habe mich in der zurückliegenden Zeit immer wieder darüber gewundert, daß die Investitionszulage, das Kernstück dieses Beschäftigungsprogramms, von Wirtschaftsverbänden, aber auch von der CDU/CSU verketzert worden ist. Die Investitionszulage, so hieß es, bringe nichts, sie sei bürokratisch, sie benachteilige kleinere Unternehmen. Aber jetzt hat die Mehrheit auch der CDU-Länder doch immerhin die Investitionszulage akzeptiert; das war dringend notwendig.
Wir wissen ganz genau, daß 85 % der Investitionen, die in diesem Lande getätigt werden, im Bereich der privaten Wirtschaft getätigt werden. Wir wissen auch ganz genau, daß die Investitionszulage insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen hilft, da sie wesentlich flexibler und anpassungsfähiger sind und diese Vergünstigung in diesem Jahr eher in Anspruch nehmen können.
({0})
- das werden wir am Ende sehen, Herr SchwarzSchilling. Ich bin davon fest überzeugt. - Sie hilft insbesondere jenen, die in diesem Jahr planen, eine neue Existenz zu gründen. Sie ist eine Förderungsmaßnahme zur Gründung neuer Existenzen. Auch dies haben wir gewollt, und wir begrüßen es ausdrücklich.
({1})
Es ist einfach falsch, wenn von der Opposition immer wieder gesagt wird, damit werde nur ein Strohfeuereffekt erzielt; dies sei nur kurzfristige Effekthascherei. - Nein, die Investitionszulage gehört zur „Operation '82". Mit der „Operation '82" - das muß man immer wieder betonen - hat die Bundesregierung insgesamt 27 Milliarden DM zur Verfügung gestellt, um die Angebotsbedingungen der deutschen Wirtschaft in diesem Lande zu verbessern. Abschreibungserleichterungen, Steuersenkungen, Krediterleichterungen, alle diese Maßnahmen haben dazu geführt, daß die Angebotsseite verteuert worden ist. Mit der Investitionszulage zusammen helfen diese Abschreibungserleichterungen über den Tag hinaus, die Investitionstätigkeit in diesem Land voranzutreiben.
Ich begrüße es außerordentlich, daß der Vermittlungsausschuß beschlossen hat, die Hilfen für das Schiffbauprogramm aufzustocken. Davon profitieren besonders Hamburg und auch Bremen. Wir Sozialdemokraten hatten im Wirtschaftsausschuß des Deutschen Bundestages dies ausdrücklich unterstützt. Wir finden es gut, daß dies durchgesetzt werden konnte.
({2})
Die von uns vorgeschlagene Finanzierung wurde von der Opposition abgelehnt, obgleich die Opposition eigentlich immer unserer Philosophie zugestimmt hatte, daß wir in unserer schwierigen Zeit versuchen müssen, den Konsum einzudämmen und
die Investitionen zu erhöhen. Unser Finanzierungsvorschlag zielte genau in diese Richtung. Aber wir werden auch damit fertig werden, daß durch die Investitionszulage etwa 4 Milliarden DM auf Bund, Länder und Gemeinden zukommen. Ich hoffe sogar sehr, daß es mindestens 4 Milliarden werden. Je mehr Mittel hierfür zur Verfügung gestellt werden müssen, desto mehr Investitionen werden getätigt. Und das ist j a das Ziel dieser Aktion.
Im übrigen bin ich der Ansicht, daß es sich hierbei um konjunkturbedingte Mehrausgaben handelt. Nach Ansicht der wirtschaftswissenschaftlichen Institute und auch des Bundesministeriums für Wirtschaft können derartige konjunkturbedingte Mehrausgaben durchaus auch durch Kredite finanziert werden.
({3})
- Der Kapitalmarkt läßt das zur Zeit durchaus zu, Herr Waigel.
Herr Abgeordneter Dr. Jens, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Schwarz-Schilling?
Bitte schön.
Bitte schön, Herr Abgeordneter Dr. Schwarz-Schilling.
Herr Kollege Jens, Sie haben gerade gesagt, Sie würden es begrüßen, wenn möglichst viele Mittel mit dieser Investitionszulage zur Anwendung kämen. Halten Sie es für eine ökonomisch sinnvolle Regelung, daß ausgerechnet jene Unternehmen, die in den letzten drei Jahren im Mut zur Entscheidung nicht nachgelassen, sondern kontinuierlich Investitionen vorgenommen haben, durch die von Ihnen herbeigeführte Regelung in der Bezuschussung der Investitionszulage praktisch benachteiligt, teilweise sogar gänzlich ausgeschlossen sind?
Herr Schwarz-Schilling, ich halte es für sinnvoll, daß wir versuchen, sogenannte Mitnehmereffekte auszuschließen, wo immer es geht. Deshalb beschränkt sich diese Investitionszulage auf zusätzliche Investitionen. Und das ist gut so. Denn wir wollen in unserer Situation die vorhandenen knappen Mittel möglichst optimal einsetzen. Das heißt, wir müssen alles tun, um zusätzliche Investitionen zu fördern.
({0})
Mit dem Ergebnis des Vermittlungsverfahrens hat die CDU/CSU aus meiner Sicht drei Dinge erreicht.
Sie hat zum einen erreicht, daß in Zukunft baureife, aber unbebaute Grundstücke nicht höher besteuert werden, was wir gern gewollt hätten. Ich frage mich: Welche Interessen vertritt die Opposition mit dieser Verhinderungspolitik? Das sind doch die Interessen des Besitzbürgertums oder die Interessen der Spekulanten.
({1})
Sie hat weiter erreicht, daß im Unternehmensbereich nicht etwa schneller Steuern gezahlt werden, was wir gern gewollt hätten. Wir haben beabsichtigt, daß die Steuern in etwa genauso schnell gezahlt werden wie von den deutschen Arbeitnehmern in unserem Land. Aber auch dies hat die CDU/CSU verhindert. Mit Gerechtigkeit hat das aus meiner Sicht sehr wenig zu tun.
({2})
Ferner, meine Damen und Herren, gibt es zunächst - das müssen wir wissen - keine Lohn- und Einkommensteuersenkung, da die Mehrwertsteuererhöhung von der CDU verhindert wurde. Ich registriere dies mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Auf alle Fälle: die Facharbeiter, die gerade in die Progression hineinrutschen, werden sich bei der Opposition dafür bedanken, daß es 1984 zunächst keine Lohn- und Einkommensteuersenkung gibt.
Die CDU/CSU hat wieder einmal nein gesagt und keine Alternativen auf den Tisch gelegt. Sie hat kein Konzept vorgelegt, wie wir die Arbeitslosigkeit bekämpfen können. Ich meine, es hätte ihr gut angestanden, hierzu, zu diesem schwerwiegenden Problem, auch einmal einige Sätze zu sagen.
({3})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die zweite Hälfte der 70er Jahre ist insgesamt durch zurückhaltende Lohnpolitik gekennzeichnet gewesen. Zu diesem Ergebnis kommt das Rheinisch-Westfälische Institut aus Essen, das sicherlich unverdächtig ist, etwa auf der Seite der Gewerkschaften zu stehen. Wenn wir den Bürgern nichts vorlügen wollen, dann müssen wir sogar feststellen, daß die deutschen Arbeitnehmer in diesem und im vorigen Jahr bereits reale Einkommenssenkungen akzeptieren mußten. Damit - das hat der Kollege Warnke auch herausgestellt - haben die Gewerkschaften und Arbeitnehmer einen sehr wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit geleistet. Das ist gewissermaßen der Beitrag der Gewerkschaften zur Gemeinschaftsinitiative. Ein wichtiges Gut unserer Gesellschaftsordnung ist nun einmal der soziale Konsens. Dieser Konsens wurde durch diese Gemeinschaftsinitiative gesichert. Es ist wichtig für uns, daß er erhalten bleibt.
({4})
Ich meine, es ist hier angebracht, den Gewerkschaften für diese vernünftige, zurückhaltende Lohnpolitik, die sie in den letzten beiden Jahren betrieben haben, auch einmal Dank zu sagen.
({5})
Wichtig erscheint mir, um auf das einzugehen, was der Kollege Warnke gesagt hat, daß es zur Zeit nicht darauf ankommt, einseitig angebotsorientierte Politik zu betreiben. Das Gebot der Stunde lautet: weder
einseitig angebotsorientierte Politik noch einseitig nachfrageorientierte Politik. Beide Seiten des wirtschaftspolitischen Spektrums müssen beackert werden. Denn was nützt eine Angebotspolitik, die zu höheren Gewinnen führt, die aber nicht dafür sorgt, daß die entsprechende Nachfrage vorhanden ist. Was nützt schließlich nur Nachfrage, wenn nicht auch entsprechende Gewinne in den Unternehmen anfallen, damit sie bereit sind, zu produzieren und zu investieren? Also, auf beides kommt es in unserer Zeit heute an.
Meine Damen und Herren, wir haben in der letzten Zeit zwar angebotsorientierte Politik in Hülle und in Fülle betrieben - ich darf an die Abschreibungserleichtungen, an die Steuersenkungen, an die Ausweitung des Carry back, an die Krediterleichterungen erinnern -, aber obwohl wir diese Politik seit etlichen Jahren intensiv betreiben, hat sie nicht zu einer Reduzierung der Arbeitslosigkeit geführt.
({6})
- Das ist sehr bedauerlich. Ich bin deshalb der Ansicht, daß wir uns, Herr Waigel, sehr wohl noch einmal überlegen müßten, ob wir nicht doch noch etwas tun können, um auch die öffentlichen Investitionen verstärkt anzuregen. Das schiene mir wenigstens sehr sinnvoll zu sein.
({7})
Erlauben Sie mir einige wenige Bemerkungen zu den Beschlüssen meiner Partei. Kritisiert worden sind insbesondere die Finanzierungsüberlegungen, um zusätzliche Mittel für beschäftigungspolitische Maßnahmen zu bekommen. Jeder, der hieran Kritik übte, konnte gewiß sein, breiten Raum in der Presse zu bekommen.
Zunächst ist einmal festzustellen, daß die SPD die Bundestagsfraktion um Prüfung bestimmter steuerpolitischer Maßnahmen gebeten hat. Das ist etwas anderes als die Forderung: So ist es zu machen und nicht etwa anders.
({8})
Schließlich darf ich hinzufügen - das ist in der Öffentlichkeit völlig übersehen worden - : Es gibt unter unseren steuerpolitischen Prüfungsvorschlägen auch Vorschläge, die mit unserem Koalitionspartner durchaus gemeinsam durchgesetzt werden können.
({9})
Zum Beispiel haben FDP-Politiker und auch wir immer wieder gefordert, daß die Windfall-Profits verstärkt abgeschöpft werden. Zum Beispiel haben FDP-Politiker und auch wir immer gefordert, daß der Vorteil beim Ehegatten-Splitting etwas eingeschränkt wird. Und zum Beispiel haben FDP-Politiker und auch wir gemeinsam immer gefordert, daß der Kinderbetreuungsfreibetrag nun wirklich bald abgeschafft wird. Das muß man doch mal deutlich sagen.
Herr Abgeordneter Dr. Jens, der Abgeordnete Dr. Lammert möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen. Sind Sie damit einverstanden?
Geht das denn von meiner Zeit ab?
Ein bißchen schon. Dr. Jens ({0}): Also die letzte, okay!
Herr Abgeordneter Dr. Lammert!
Herr Kollege Jens, würden Sie denn meiner Einschätzung zustimmen, daß die auch von Ihnen gerade gewürdigten sehr verantwortungsvollen Lohnabschlüsse der Tarifpartner für die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft allemal mehr beitragen als sämtliche Beschlüsse Ihres Münchener Parteitages?
({0})
Herr Lammert, das können Sie mir doch gern abnehmen: Wir haben Steuererhöhungsbeschlüsse nicht deshalb gefaßt, weil wir so gern die Steuern erhöhen. Das ist doch Quatsch. Wir haben sie aus der Verantwortung gefaßt, etwas gegen die Arbeitslosigkeit tun zu müssen. Dafür brauchen wir Geld. Wir haben die Beschlüsse gefaßt, um Geld zu bekommen, um die Arbeitslosigkeit besser bekämpfen zu können. Das ist der Sinn dieser Beschlüsse.
({0})
Ich möchte noch einmal kurz auf das eingehen, was Herr Warnke gesagt hat. Schließlich wissen wir natürlich genau, daß wir z. B. durch eine mögliche Anhebung des Spitzensteuersatzes der Einkommensteuer von 56 auf 60 % nur etwa 300 Millionen DM hereinbekommen. Das können wir nicht groß verwerten.
({1})
Aber diese Forderung hat natürlich den Sinn, den Bürgern zu zeigen, daß auch die Besserverdienenden in diesem Lande die Lasten der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit mittragen müssen.
({2})
Meine Damen und Herren, ich bin auch fest überzeugt davon, daß es dringend notwendig ist, der in unserer Bevölkerung weit verbreiteten Ansicht entgegenzutreten, daß immer nur die Kleinen zur Finanzierung herangezogen werden.
({3})
Wir Sozialdemokraten wollen jedenfalls, wann immer es nur geht, für ein Mindestmaß an sozialer Gerechtigkeit in diesem Lande kämpfen.
({4})
Ein Wort zu dem Vorwurf, wir wollten möglicherweise wieder Investitionslenkung einführen. Richtig ist - das weiß jeder in diesem Lande -: Wir wollen mehr Mitbestimmung und mehr Mitbeteiligung der deutschen Arbeitnehmer am Produktivvermögen. Das halte ich auch für dringend notwendig. Ich behaupte sogar: Hätten wir doch nur mehr Mitbestimmung und mehr Mitbeteiligung der deutschen Arbeitnehmer am Produktivvermögen, dann würden sich die deutschen Arbeitnehmer selbst wehren, wenn man ihnen möglicherweise das Recht auf Mitgestaltung der Investitionen durch eine zentrale Lenkungsstelle wieder wegnehmen wollte.
({5})
Wir wollen in den Betrieben den Arbeitnehmern mehr Rechte geben, auch bei den Investitionen mitzubestimmen, aber wir wollen nicht etwa einer zentralen Instanz derartige Rechte übereignen.
({6})
Zur aktiven Arbeitsmarktpolitik gehört ferner eine Arbeitszeitverkürzung, zunächst für besonders belastete Arbeitnehmer. Diese notwendige Arbeitszeitverkürzung darf man nicht tabuisieren, wie es die Arbeitgeberverbände leider immer wieder tun. Die Großunternehmen handeln j a im übrigen auch anders und ermöglichen es zum Teil den Arbeitnehmern, mit 50 oder 55 Jahren in den Ruhestand zu gehen. Wenn wir seit Jahren laufend mehr mit weniger Arbeitskräften produzieren, dann geht es nicht an, daß die Zahl der Arbeitslosen ständig steigt, während andere, Privilegierte 40 und mehr Stunden arbeiten dürfen. Das führt zwangsläufig zu sozialen Konflikten, zu neuen Klassen, die wir überwinden wollen. Die ökonomische Logik spricht einfach dafür, die Arbeitszeitverkürzung weiterhin im Auge zu behalten.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, zurück zur Grollen Anfrage der CDU/CSU. Es läßt sich ja teilweise schon aus den Fragen erkennen, wes Geistes Kind einer ist. Die Fragen zur Wettbewerbspolitik, von denen ich nun ein bißchen verstehe, hätten genau so und nicht anders vom Bundesverband der Deutschen Industrie formuliert werden können.
({7})
Dahinter steckt die alte Philosophie: Big business, Fusionskontrolle aufweichen, die deutschen Konzerne stärken, nach dem Motto „Was kümmern mich denn weltweite Kartelle, Hauptsache, es nützt der Bundesrepublik Deutschland".
({8})
Das mit der Opposition und mit dem Herrn Waigel
gemeinsam formulierte Kartellrecht lehnt Gott sei
Dank diese Grundhaltung ab. Und die Bundesregierung hat sie auch nicht akzeptiert.
Meine Damen und Herren, wir müssen langsam erkennen, daß uns die Großunternehmen heute im allgemeinen mehr Probleme als früher bescheren.
({9})
Wo kleine und mittlere Unternehmen vorherrschen, haben wir weniger Arbeitslosigkeit. Sie können sich schneller den neuen Herausforderungen auch auf dem Weltmarkt anpassen.
({10})
Daß den Großen nicht die Zukunft gehört, sieht man daran, daß Massenprodukte verstärkt im Ausland hergestellt werden. Viele Großkonzerne leben bereits heute von Subventionen. Andere sind dabei, Arbeitsplätze abzubauen. Auch aus dieser Erkenntnis heraus ist in den vergangenen Jahren viel für die kleinen und mittleren Unternehmen von der Bundesregierung getan worden. Das war richtig. Diese Politik wird von uns, gemeinsam mit unserem Koalitionspartner fortgeführt werden.
({11})
Ich gebe zu: Es gibt zwei strukturelle Probleme in den deutschen Unternehmen, die ich kurz noch anreißen möchte. Das eine ist die zu geringe Eigenkapitalquote.
({12})
Aber wir müssen erkennen, daß dies nicht der alleinige Grund dafür ist, daß es zu Konkursen kommt. Nachgewiesenermaßen führen Managementfehler, Fehlinvestitionen, Fehlfinanzierungen und dergleichen mehr viel häufiger zum Konkurs als eine zu geringe Eigenkapitalquote.
Und wir Sozialdemokraten haben auf unserem Münchener Parteitag gerne gefordert, daß die einbehaltenen Gewinne, die für arbeitsplatzschaffende Investitionen verwendet werden, niedriger besteuert werden sollen als die ausgeschütteten. Ich nehme an, daß wir über diese Forderung ebenfalls mit unserem Koalitionspartner reden können. Das liegt auch im Interesse der kleinen und mittleren Unternehmen in diesem Lande.
({13})
Einen zweiten Punkt will ich noch kurz ansprechen: Ich bin der Meinung, die Lohnstückkosten haben wirklich ein Ausmaß erreicht, so daß sie nicht weiter steigen dürfen.
({14})
Aber man muß auch hier, objektiverweise, hinzufügen: Nicht jeder Wirtschaftszweig steht im internationalen Wettbewerb.
({15})
Und nur für jene gilt das Argument, daß die Lohnstückkosten nicht weiter steigen dürfen.
({16})
Ich weise noch einmal darauf hin, daß die direkten Lohnkosten dank der vernünftigen Politik der Gewerkschaften in diesem Jahre überhaupt nicht gestiegen sind. Gestiegen sind in früheren Jahren nur die Lohnnebenkosten. Aber hier muß man fairerweise ebenfalls hinzufügen, daß sie in anderen Ländern deutlich stärker gestiegen sind als bei uns. Die OECD kommt in ihrem jüngsten Bericht zu dem Ergebnis, daß in Zukunft in vergleichbaren, mit uns konkurrierenden Industrieländern die Kosten und auch die Preise zwei- bis sechsmal stärker ansteigen werden als in der Bundesrepublik Deutschland.
({17})
Selbst eine weitere Aufwertung der D-Mark kann nicht dazu führen, daß dieser Wettbewerbsvorteil der deutschen Wirtschaft wieder kaputtgemacht wird.
Im übrigen gibt es eine Fülle von Faktoren, die für die Wettbewerbsfähigkeit maßgebend sind. Dazu gehören z. B. gute und exakte Lieferbedingungen, für die unsere deutschen Unternehmen insbesondere bekannt sind. Dazu gehört z. B. eine hohe Qualität unserer Produkte, die wir unseren guten Ingenieuren und Facharbeitern zu verdanken haben. Und dazu gehört außerdem eine geringere Streikhäufigkeit und damit der anerkannt gute soziale Konsens zwischen den Trägern der Wirtschaftspolitik in diesem Lande.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Vertrauen der Wirtschaft in die Wirtschaftspolitik ist sicherlich eine ganz wichtige Sache. Das möchte ich hier noch einmal betonen.
({18})
Aber außer auf Vertrauen kommt es entscheidend darauf an, daß die Rentabilität der Investitionen stimmt.
({19})
Durch unsere Investitionszulage, die jetzt Wirklichkeit geworden ist, wird die Rentabilität der Investitionen in den deutschen Unternehmen in diesem Jahre deutlich verbessert, was ich ausdrücklich noch einmal begrüße.
({20})
Doch das Vertrauen der Wirtschaft in die Wirtschaftspolitik, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist ja nicht - das haben jüngste Untersuchungen des Ifo-Instituts gezeigt - in unserem Land besonders gering, sondern das Vertrauen der
Wirtschaft in die Wirtschaftspolitik ist zur Zeit vor allem in den Vereinigten Staaten äußerst gering.
({21})
Das liegt auf der Hand. Das Budgetdefizit ist drüben mittlerweile auf über 100 Milliarden Dollar angestiegen. Die jüngsten Haushaltsberatungen zwischen Regierung und Kongreß sind gescheitert. Die Stabilisierungslasten sind drüben einseitig der Federal Reserve Bank auf die Schultern gelegt worden.
Nein, unsere Wettbewerbsfähigkeit ist und bleibt gut. Das lassen wir uns von Ihnen auch nicht zerreden.
({22})
Einige besondere Aspekte aus der Großen Anfrage zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit werden meine Kollegen behandeln.
Wer nach der internationalen Wettbewerbsfähigkeit fragt, muß allerdings auch immer wieder bereit sein, sich die internationalen Ergebnisse anzusehen und anzuhören. Ein Vergleich für 1981 zwischen 15 vergleichbaren westlichen Ländern zeigt folgendes Bild. Preisentwicklung: Bundesrepublik Deutschland zweiter Platz hinter Japan; vorhandene Währungsreserven: Bundesrepublik Deutschland erster Platz; Zuwachs des Bruttosozialprodukts: Bundesrepublik Deutschland gutes Mittelfeld;
({23})
Arbeitslosigkeit: fünfter Platz, und nur Japan, die Schweiz, Schweden und Österreich haben geringere Arbeitslosenquoten. Dabei füge ich hinzu, daß 1,8 Millionen Arbeitslose im Durchschnitt 1982 für uns viel zu viel sind.
({24})
Die Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen haben dagegen etwas unternommen. Es bleibt dabei: In einer modernen Industriegesellschaft gibt es für uns Sozialdemokraten nicht den Hinweis „Soll doch jeder sehen, wie er selbst Arbeit bekommt!" In unserer hochindustrialisierten Welt ist der Staat aufgerufen, mit dafür zu sorgen, daß jeder Arbeitswillige einen Arbeitsplatz bekommt. Eine Regierung, die die Hände in den Schoß legt und nichts tut oder tun will, zerstört unser bewährtes soziales und marktwirtschaftliches System.
({25})
Ich komme zum Schluß.
({26})
Vor sieben, acht Jahren hat der sehr liberale Professor Daniel Bell in den Vereinigten Staaten ein hoch gelobtes Buch mit dem Titel „Die nachindustrielle Gesellschaft" geschrieben; aus meiner Sicht ein sehr empfehlenswertes und lesenswertes Buch. Darin heißt es:
Es wird darum gehen, das soziale Verantwortungsbewußtsein und Ethos der führenden Persönlichkeiten zu schärfen, den Wunsch nach
mehr Annehmlichkeiten zu befriedigen, in den Städten größere Schönheit und eine bessere Lebensqualität herbeizuführen, ein differenzierteres, geistig anspruchsvolleres Bildungssystem zu schaffen und das allgemeine kulturelle Niveau zu heben.
Wie diese Ziele erreicht werden können und wie die Kosten zu verteilen sind, darüber mögen unsere Ansichten auseinandergehen. Immerhin aber bringen uns solche Fragen, hinter denen eine bestimmte Konzeption des Gemeinwohls steht, zu den klassischen Fragen der Polis zurück, und genau das ist wünschenswert.
Ich kann mich hier nur noch einmal zu diesen Prognosen bekennen. Ich füge hinzu: wir Sozialdemokraten waren schon immer gute Liberale. - Schönen Dank.
({27})
Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen.
Lahnstein, Bundesminister der Finanzen ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist eine große Ehre für mich, zum ersten Mal hier an diesem Pult stehen zu dürfen. Das werden Sie verstehen. Deswegen darf ich mir vielleicht zwei, drei Vorbemerkungen erlauben, zumal als jemand, der Ihrem Hohen Haus nicht als Mitglied angehört.
Erstens. Als ein Nichtmitglied Ihres Hauses fühle ich die besondere Verpflichtung, die Politik der Bundesregierung und der Koalition und auch meine Beiträge zu dieser Politik gerade hier darzulegen. Ich freue mich auf diese erste Gelegenheit. Zweitens. Der Arbeitsbereich des Bundesministers der Finanzen zwingt zur Zusammenarbeit - auch über die Grenzen der Fraktionen und Parteien hinweg. Die institutionellen Verhältnisse und die Verfassung selbst wollen das. Das gestrige Vermittlungsverfahren war ein besonders anschauliches Beispiel dafür. Dieser Zwang wird durch den Umstand verstärkt, daß wir derzeit noch keine Mehrheit im Vermittlungsausschuß haben.
({1})
- Wir beide haben doch noch ein paar Jahre Politik vor uns; also ein bißchen Geduld.
Im Hinblick auf die Opposition heißt das für mich zweierlei.
({2})
Ich sage Ihnen zu, alle Ihre Anregungen sorgfältig zu prüfen; allerdings unter einer Bedingung, Herr Warnke: Sie müssen konkret und realistisch sein. Aber die Diskussion heute ist ja noch nicht zu Ende.
Zweitens heißt das aber wohl auch, daß sich die Union angesichts dieser Ausgangsposition - bis hin zum Vermittlungsverfahren - in einer besonderen Verantwortung befindet. Gerade diese besondere Verantwortung zwingt sie im Hinblick auf den Bürger draußen auch zu konkreten Alternativen. Darauf haben die Bürger einen Anspruch.
({3})
Ich komme ja auf München noch einmal zurück. Aber sich München sozusagen aus dem Mauseloch anzusehen in der Hoffnung, SPD und FDP würden sich schon gegenseitig zerreißen, ist erstens einer Opposition nicht voll würdig, die da in der Diskussion mehr beitragen muß. Zweitens geht die Rechnung nicht auf. Das wollte ich gleich zu Anfang sagen.
({4})
Nach diesen Vorbemerkungen will ich jetzt zur Großen Anfrage kommen. Seitdem Sie sie gestellt haben, also seit dem Oktober des vergangenen Jahres, hat sich die außenwirtschaftliche Situation der Bundesrepublik Deutschland erfreulicherweise deutlich verbessert. Ich habe etwas gegen Weltrekorde, aber im März hatten wir mit 6,4 Milliarden DM doch immerhin den größten Handelsbilanzüberschuß zu verzeichnen, den wir jedenfalls in der Nachkriegszeit jemals hatten. Auch der Passivsaldo der Leistungsbilanz - das ist ja ein noch wichtigerer Indikator - hat sich im ersten Quartal dieses Jahres ganz deutlich ermäßigt. Die Institute, die Sie immer wieder zu Recht zitiert haben, sagen uns für dieses Jahr einen Überschuß von 5 Milliarden DM voraus. Die meisten internationalen Einrichtungen gehen mit ihren Schätzungen, was den Überschuß der Leistungsbilanz angeht, sogar noch darüber hinaus. Auch der bereits zitierte DIHT kommt auf Grund seiner Umfrage zu dem klaren Ergebnis, daß die deutschen Exporte in diesem Jahr auf einen neuen Rekord zusteuern.
Das sind Gründe, sich der Frage nach unserer internationalen Wettbewerbsfähigkeit bei aller kritischen Objektivität auch mit Zuversicht und Selbstbewußtsein zu nähern. Allerdings haben wir auch gute Gründe, jeden Überschwang zu vermeiden und uns vor allen Dingen mit den längerfristigen Risiken auseinanderzusetzen.
Der Stabilitätsvorsprung der Deutschen Mark und der im Vergleich zu 1980 deutlich gestiegene Kurs des Dollar haben die preisliche Wettbewerbsfähigkeit unserer Produkte im Inland wie im Ausland sicherlich erheblich gestärkt. Käufer im In- und Ausland haben auf diese positiven Preissignale prompt reagiert.
Ich will feststellen, daß sich eine auf Preisstabilität gerichtete Wirtschaftspolitik nicht nur für die Preise selbst und damit für die Kaufkraft auszahlt, sondern eben auch für Wachstum und Beschäftigung.
({5})
In diesem Punkt sind wir nun wirklich erfolgreich gewesen.
Wir haben ja eine Art der Preismessung, die nicht überall auf der Welt angewendet wird. Wir messen die Preise im Vergleich zum Vorjahr. Wenn wir einBundesminister Lahnstein
mal die amerikanische Methode anwenden und die laufende Preisrate nehmen würden - also wie bewegen sich unsere Preise heute und nicht im Vergleich zum vergangenen Jahr? -, stellt sich heraus: Wenn man aus der laufenden Preisrate für die letzten drei Monate eine Jahreszahl machen würde - die Bundesbank rechnet z. B. intern so -, dann liegt diese Preisrate derzeit bei 1,6 %, was die Hoffnung zuläßt, daß wir im Jahresvergleich sehr bald eine Vier vor dem Komma schreiben werden, und was die Prognose vieler Experten stützt, das daraus gegen Jahresende sogar eine Drei vor dem Komma werden könnte. Angesichts der erheblichen Vorbelastung aus Ölkosten und anderen Einfuhrbelastungen ist die Festigung dieses Stabilitätsvorsprungs in der Tat eine große Leistung, die ohne die Preisdisziplin vieler Unternehmen, aber gerade auch ohne die verantwortungsbewußten Tarifabschlüsse der letzten beiden Jahre nicht möglich gewesen wäre.
({6})
Meine Damen und Herren, es hat sich wieder gezeigt, daß sozialer Frieden und soziale Stabilität auch sehr reale Faktoren unserer wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit sind. Diesen Gesichtspunkt müssen wir dann bitte auch immer bei allen Diskussionen und zum Teil polemischen Auseinandersetzungen über Kosten und Ausgestaltung der sozialen Sicherung berücksichtigen.
({7})
Wenn ich das als ehemaliger Gewerkschaftssekretär und alter Gewerkschaftler so sagen darf: An diesen Umstand sollten wir uns nicht nur am 1. Mai oder dann erinnern, wenn wir gerade dabei sind, Begrüßungsworte für Gewerkschaftstage zu formulieren.
({8})
Herr Warnke hat recht: Wir sind ein rohstoffarmes, hochentwickeltes Industrieland, und wir werden von daher immer auch ganz zwangsläufig ein Land mit vergleichsweise hohen Produktionskosten bleiben. Die Konsequenz liegt auf der Hand: Fleiß, Zuverlässigkeit, Erfindungsreichtum und in hohem Maße der Gesichtspunkt der Mobilität, auf den Herr Haussmann hingewiesen hat, bleiben das einzige Kapital, von dem wir dauerhaft zehren können.
Damit will ich den Preisfaktor nicht gering einschätzen. Wettbewerbsfähigkeit heißt auch in Zukunft immer preisliche Wettbewerbsfähigkeit. Es reicht nicht aus, zuverlässig und pünktlich zu sein, und beides, die Preis- und die Qualitätskonkurrenz nehmen zu. Hier ist bereits auf den Wettbewerbsdruck, der aus jüngeren Industriestaaten, Schwellenländern und einer wachsenden Zahl von Entwicklungsländern kommt, hingewiesen worden. Diese Länder sind heute in der Lage, auch technologisch weniger anspruchsvolle Investitionsgüter anzubieten und mit uns in Wettbewerb zu treten. Insofern bleibt - das gilt für die Bundesregierung nach ihrer Überzeugung ganz eindeutig - ein waches Kostenbewußtsein eine wesentliche Grundlage für unseren zukünftigen wirtschaftlichen Erfolg.
Gleichzeitig müssen wir feststellen, daß sich die Konkurrenz bei Spitzentechnologien erheblich verschärft hat. Hier sind Beispiele genannt worden; ich will die Liste nicht verlängern. Aber vor dem Hintergrund dieser Entwicklung in den letzten zehn Jahren wäre eine etwas weniger ideologische Auseinandersetzung und Sicht der staatlichen Forschungsförderung und der Zusammenarbeit von Staat und Wirtschaft durchaus und sicherlich angebracht.
({9})
Übrigens, Herr Warnke - man kann sich die Anträge aus einem großen Bukett nicht so einfach heraussuchen -, gerade auch zu dieser Frage hat sich der Parteitag meiner Partei sehr, sehr vernünftige und lesenswerte Gedanken gemacht. Damit bin ich dann auch beim Münchener Parteitag.
Was hier aus der Sicht der SPD-Fraktion zu sagen war, ist von Herrn Jens vorgetragen worden. Zunächst nehmen Sie bitte einmal zur Kenntnis, mit welchen Zielsetzungen und Motiven in München diskutiert worden ist! Ich will hier nur ein wesentliches Problem herausgreifen, ohne mich zu lange daran festzuhalten. Niemand hier - ganz gleich bei welcher Wirtschaftspolitik - wird die Demographie der nächsten sechs bis sieben Jahre verändern können. Niemand hier, gleich mit welcher Wirtschaftsoder Finanzpolitik, wird das Problem der starken Jahrgänge und auch der schwachen Abgänge in den hohen Altersgruppen verändern können. Hier müssen Lösungen gefunden werden, die dieses Übergangsproblem von vier bis fünf Jahren sozial erträglich und wirtschaftlich vernünftig lösen.
({10})
Jede Woche liegen auf den Tischen der Länderwirtschaftsministerien, des Bundeswirtschaftsministeriums, des -finanzministeriums, begründete Anträge, Unternehmen, die in Übergangsschwierigkeiten sind, über einen Zeitraum von drei bis vier Jahren zu helfen. Man kommt dann zu dem Schluß: Die Hilfe ist gerechtfertigt; denn am Ende steht der Erfolg. - Was für Unternehmen recht ist, sollte für junge Menschen nicht billig sein?
Hier ist der Denkansatz dieses Parteitages gewesen. Selbst wenn man der einen oder anderen praktischen Lösung skeptisch gegenübersteht - ich sage ganz offen, meine Freunde wissen das, ich tue das dem einen oder anderen Denkansatz gegenüber -, kommt es mir als Vertreter der Bundesregierung doch zunächst einmal darauf an, Anregungen zur Bewältigung dieses Problems zu erhalten. Ein paar Gedanken zuviel sind dann immer noch besser als so gut wie überhaupt keine. Das muß man dabei dann auch sehen.
({11})
Übrigens würde die Verlängerung dieser Liste aus den Reihen der Union - ({12})
- Der wird wohl seine sehr guten Gründe dafür gehabt haben.
({13})
Im übrigen war er bei der Debatte dabei, wie Sie genauso gut wissen wie ich.
({14})
Zusätzliche Anregungen gerade hier zur Überwindung dieses Problems aus den Reihen der Union würden dann auch die Diskussion nur zu versachlichen geeignet sein.
Ich will zur Leistungsbilanz zurückkommen. Herr Warnke, Sie haben nach meiner Überzeugung völlig recht, wenn Sie den Zusammenhang gerade auch zwischen Wechselkursen und Leistungsbilanzsituation darstellen. Aber dieser Zusammenhang gilt dann natürlich auch für die voraufgehende Phase unseres Leistungsbilanzdefizits,
({15})
das zum Teil eben auch die Konsequenz der vorhergegangenen, sehr starken Aufwertung der Deutschen Mark und der von daher etwas schwieriger gewordenen Wettbewerbssituation auf den Weltmärkten war. Das konnte nicht ohne Folge bleiben.
Gerade aus diesem Grund würde ich auch wie Sie nicht die gegenwärtig sehr erfreuliche Situation so ganz rasch in die Zukunft fortschreiben wollen. Hier können sich wieder gegenläufige Schwierigkeiten für die nächsten Jahre ergeben. Das einzig Dauerhafte in diesem Wechselspiel zwischen Wechselkurs und Leistungsbilanz ist in der Tat die Bewegung. Da kann man sich wohl nicht auf Momentaufnahmen verlassen. Vor allen Dingen darf man sich natürlich nicht zur Trägheit verführen lassen.
Deshalb gilt, was hier von Herrn Jens und von Herrn Haussmann zuvor bereits gesagt worden ist: keine Competitive devaluation oder ähnliche Tricks; die helfen dann überhaupt nicht weiter. Die Koalition bemüht sich, mit ihrer Politik auf Dauer die Marktkräfte und die Leistungsbereitschaft zu stärken und die zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und zur Schaffung von Arbeitsplätzen notwendige Umschichtung von konsumtiven zu investiven Verwendungen zu fördern. In diesen Zusammenhang gehören die Gemeinschaftsinititative und auch das gestrige Vermittlungsergebnis, auf die ich noch eingehen darf.
Zuvor aber ein Hinweis auf eine Kritik von Herrn Warnke, die ich nicht so recht verstehe, nämlich bezüglich des Verhältnisses zwischen Bundesregierung und Bundesbank. Erstens. Wir sind froh über die Unabhängigkeit unserer Bundesbank und denken nicht daran, daran irgend etwas zu ändern.
({16})
- Selbstverständlich gilt diese Unabhängigkeit aber auch anders herum: auch die Bundesregierung ist unabhängig von der Deutschen Bundesbank.
({17})
Und da beides richtig ist, ist es nicht so verwerflich, wenn beide Seiten sich gegenseitig ab und zu mal kritische Fragen stellen.
({18})
Was dem Jahresbericht der Deutschen Bundesbank zugestanden werden muß, muß dann wohl auch mal einem kritischen Fragesteller aus dem politischen Bereich an die Adresse Frankfurt zugestanden werden.
Aber, in der Tat, Dank gebührt der Bundesbank für die in der letzten Zeit eingeleitete Politik. Ich spreche diesen Dank hier um so lieber aus, als Herr Pöhl gerade gestern und vorgestern uns für die eingeleitete Finanzpolitik der letzten Zeit ausdrücklich gedankt hat. Vielleicht nehmen Sie den dann auch zur Kenntnis. Dann haben wir ein ganz komplettes Verhältnis.
({19})
Nun vielleicht ein Wort an, dieser Stelle zur Gemeinschaftsinitiative.
({20})
- Ja, Herr Pöhl und ich, wir kennen uns in der Tat sehr gut. Das soll einen ja wohl dann nicht an erfolgreicher Zusammenarbeit hindern, nicht?
({21})
Zumal Herr Pöhl, wie Sie ja wissen,
({22})
einer unter gleichberechtigten Mitgliedern des Zentralbankrates ist, und da wird man dann immer Kompromisse brauchen.
({23})
- Ach, Herr Waigel, Herr Pöhl ist noch nie im Kabinett gewesen. Ich weiß gar nicht, warum Sie ihn hier abqualifizieren. Er kann sich hier j a nicht einmal wehren.
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Und jetzt fangen Sie an, die Bundesbank zu kritisieren! Ich weiß nicht, was das soll.
({25})
Nun ein Wort zum Vermittlungsausschuß. Ich wiederhole das, was ich gestern gesagt habe: Für die Bundesregierung ist das ein akzeptables Ergebnis. Es hat positive Seiten, und es hat bedauerliche Seiten. Ich will zunächst zu den positiven Seiten kommen.
Ich sehe es als positiv an, daß im Vermittlungsausschuß eine rasche Verständigung aller Seiten möglich war. In der Tat hätte ein weiteres wochenlanges von Polemik begleitetes Gezerre niemandem geholfen. Die Wirtschaft braucht Klarheit. Sie hat durch
die gestrigen Empfehlungen des Vermittlungsausschusses diese Klarheit erhalten.
({26})
- Ich komme genau auf diesen Punkt sofort zurück.
Die Investitionszulage schafft klare und günstigere Rahmenbedingungen für Investoren. Diesen Faktor sollte man bitte - und ich denke, das gilt für uns alle - erstens mit Zuversicht sehen, und zweitens sollte man ihn mit dem Appell an die Investoren, von diesem Angebot Gebrauch zu machen, verbinden.
Hier ist auch heute morgen wieder darauf hingewiesen worden, wieviel Kritik an diesem Instrument geübt worden war. Dazu will ich nur zwei Dinge sagen. Erstens. Das Instrument hat sich in langen Jahren bewährt, z. B. in der Großen Koalition, als es eingeführt wurde, aber auch in den späteren Jahren, als Sie auch hier diesem Instrument immer zugestimmt haben.
Zweitens. Lassen Sie uns doch bitte ein paar Monate abwarten. Ich bin hinsichtlich der Inanspruchnahme dieses Instruments ganz zuversichtlich.
({27})
Wir werden dann mit den Zahlen in der Hand allen voreiligen Kritikern - auch aus der Industrie, auch aus den Reihen der Opposition, auch aus den Reihen des Bundesrates - entgegentreten können. Jetzt die Kritik, die Distanz und den Unmut weiter aufrechtzuerhalten, hilft der Operation psychologisch sehr wenig, wenn ich dies vielleicht an die Adresse von Herrn Stoltenberg sagen darf.
({28})
Positiv sind auch die Beschäftigungshilfen für junge Menschen; sie wurden auch von allen ohne Diskussion positiv gewürdigt.
Positiv ist das, was wir gestern in einer technisch sauberen und akzeptablen Form für Hamburg, für Bremen und für die anderen Küstenländer haben vereinbaren können.
({29})
- Wir hätten das vorher haben können? Jetzt wird im Hinblick auf ein bestimmtes Datum so getan, als hätte monatelang ein Wettrennen auf diese Lösung hin betrieben werden können. Herr Echternach, Sie wissen genausogut wie ich, daß ein entsprechender Antrag der Länder Hamburg und Bremen im Bundesrat von der dortigen Mehrheit abgelehnt worden war,
({30})
allerdings deshalb - ich sage das ohne jede Polemik -, weil es sich aus dem prozeduralen Zusammenhang mit der Investitionszulagenregelung insgesamt so ergab. Aber es macht keinen Sinn, hier
nun sozusagen durch die Hintertür Erstgeburtsrechte beanspruchen zu wollen.
({31})
Das werden die Reaktionen in der Öffentlichkeit dort oben dann schon zeigen.
Für positiv halte ich es übrigens auch, daß wir in der - zugegebenermaßen kniffligen - Frage eines Krankenversicherungsbeitrages der Rentner nunmehr eine breite Basis aller Parteien haben, was einem dann hoffentlich die unnötige polemische Auseinandersetzung unter dem Rubrum „soziale Demontage" für die Zukunft zumindest an diesem Punkt erspart.
Bedauerlich ist auch einiges, und zwar ganz besonders aus der Sicht des Finanzministers. Bedauerlich ist die Verweigerung der Union in allen Gremien - im Bundestag, im Bundesrat und auch gestern -, was die Finanzierung dieser Maßnahmen angeht. Was wir vorhatten, war doch um Himmels willen keine Mehrwertsteueranhebung sozusagen aus Jux und Tollerei. Was wir vorhatten und weiter beabsichtigen und weiter durchsetzen wollen, ist die Umschichtung im Steuersystem, die eben auch die Umschichtung von konsumtiven auf investive Verwendungszwecke des Sozialprodukts unterstützt. Es hat in allen Stadien des Verfahrens kein sachliches Gegenargument gegen diesen Denkansatz gegeben; von sehr vordergründigen Argumenten sehe ich dabei ab. Man muß sich dann darüber klar sein, was man will, ob man diese Umschichtung aus ökonomischer Einsicht fördern will oder populistisch auf Erfolge aus ist. Beides zusammen geht da nicht.
({32})
Herr Warnke, auch Sie haben den Punkt ja am Wickel gehabt. Sie haben mit einem gewissen Stolz darauf hingewiesen: Wir haben die Anhebung der Mehrwertsteuer verhindert. Diesen Prozeß der Umschichtung im Steuersystem hat gerade der Ministerpräsident des Freistaats Bayern in mehreren öffentlichen Äußerungen als einen möglichen, auf mittlere Sicht auch richtigen Weg bezeichnet. Wir befinden uns da in ganz guter Gesellschaft.
({33})
- Ich befinde mich da in ganz guter Gesellschaft.
({34})
Ob das aber die Kritik von Herrn Warnke rechtfertigt, da habe ich so meine Zweifel.
Erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Warnke?
Aber gern, Herr Präsident.
({0})
Herr Bundesminister, würden Sie mir zustimmen, daß die guten Absichten der Bundesregierung zur Umschichtung der Steuer6006
struktur erheblich mehr Aussicht auf Erfolg gehabt hätten, wenn sie in Form eines klar formulierten Gesetzentwurfs vorgelegt worden wären - meinetwegen mit späterem Inkrafttreten -, nicht aber in der Art und Weise, daß Koalitionspartner im massiven Widerstreit ihrer eigenen Parteien unverbindliche Wischiwaschi-Formulierungen in diese Beratungen hineintragen?
({0})
Herr Warnke, ich weiß nicht, wo Sie das mit dem Wischiwaschi gelesen haben. Jedenfalls treffen der Gesetzentwurf der Bundesregierung und auch der Gesetzesbeschluß des Bundestages hier ganz eindeutige Aussagen. Wenn Sie allerdings meinen sollten, man müßte sich dazu verstehen, im Frühjahr 1982 bis in die einzelne Kleinigkeit der Tarifgestaltung oder der Freibetragsregelung hinein Gesetze mit einem Inkrafttreten zum 1. Januar 1984 in die Welt zu setzen, dann fragen Sie doch einmal Ihre Kollegen aus dem Finanzausschuß und aus dem Haushaltsausschuß; da bekommen Sie noch viel klarere Antworten, als Sie sie jetzt von mir bekommen können.
({0}) Ich denke nicht daran.
Steuergesetze müssen solide gemacht werden, und sie müssen zu der Zeit gemacht werden, in der sie anstehen. Daß die politische Absicht, diesen Umschichtungsprozeß fortzuführen, bei uns weiterbesteht, daran sollten Sie nicht zweifeln. Aber ich muß doch erst einmal eine Geschäftsgrundlage dafür haben. Einen Teil der Geschäftsgrundlage haben Sie uns aber gestern unter den Füßen weggezogen; da müssen wir uns um eine neue bemühen.
({1})
Erlauben Sie eine zweite Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Warnke?
Herr Bundesminister, ich bin Ihnen dankbar, daß Sie mir eine zweite Zusatzfrage gestatten; Sie unterliegen ja auch nicht einer Redezeitbegrenzung. Würden Sie mir zustimmen, daß dies eine gute Gelegenheit wäre, meine Frage zu beantworten, ob die Anträge des SPD-Parteitags auf Einführung einer Ergänzungsabgabe und einer Arbeitsmarktabgabe sowie der Erhöhung der Höchststeuersätze bei der Körperschaft- und Einkommensteuer Aussicht auf Verwirklichung bis 1984 haben?
Wir werden unsere Vorschläge für 1984 dann machen, wenn es rechtlich und auch in Respekt vor den Institutionen geboten ist. Wir werden in unsere Vorschläge alle Anregungen zur Prüfung - mehr ist j a nicht verlangt - einbeziehen, die auf dem Tisch liegen. Die Vorschläge aus München kenne ich. Ich meine jetzt die aus der Münchener Olympiahalle; die von der Lazarettstraße kenne ich noch nicht.
({0})
Es wäre ganz gut, Herr Warnke - ich sage das ohne Polemik -, wenn die Vorschläge im Endeffekt nicht doch wieder eine verblüffende Ähnlichkeit mit anderen Anregungen hätten, die wir allerdings schon auf dem Tisch haben, z. B. mit Anregungen von DIHT und vom BDI. Aber auch die werden wir selbstverständlich in die Prüfung einbeziehen. Sie können uns dann kritisieren, wenn wir unsere Vorschläge machen. Sie werden es dem Finanzminister nachsehen, daß er die Katze hier nicht vor der Zeit aus dem Sack läßt. Er wird es auch auf die zweite Zwischenfrage hin nicht tun, Herr Warnke.
({1})
Ich wollte sagen: Diese Verweigerungshaltung, was die Finanzierung angeht, hat Konsequenzen. Ich denke, z. B. an die verweigerte vorzeitige Neubewertung unbebauter, aber baureifer Grundstücke. Hätte man die Neubewertung gestern durchbekommen können, dann hätte das für die kommunalen Finanzen eine Zahl bedeutet, die - ich will da vorsichtig sein - immerhin mehrere hundert Millionen betragen würde.
({2})
Das hätte den kommunalen Finanzen geholfen.
({3})
Schade, daß Herr Waffenschmidt jetzt nicht da ist; er war eben da und ist hinausgegangen. Ich würde ihn ganz gerne als Verbündeten sehen. Ich bin froh darüber, daß die Koalitionsfraktionen bereits gestern abend den gleichen Antrag wieder eingebracht haben. Wir sehen uns zum gleichen Thema Ende dieses Monats hier wieder.
({4})
Das ist der eigentlich bedauerliche Punkt, denn mit den Konsequenzen müssen wir jetzt alle fertig werden. Niemand soll so tun, als sei das nur ein Problem für den Bundesfinanzminister. Auf ihn kommen etwa 50 % der Belastung zu, verteilt über drei Jahre. Das ist schmerzlich, aber es ist beherrschbar. Wir werden im Zusammenhang mit der Vorlage des Haushaltsentwurfs 1983 hierfür eine Lösung anbieten. Soweit zu diesem internen Beitrag der letzten Tage, den ich für akzeptabel halte, auch was unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit angeht.
Wichtiger Grundsatz - damit bin ich auch bei der Antwort auf die Anfrage - bleibt für uns, daß wir die Vorteile internationaler Arbeitsteilung nicht nur beanspruchen dürfen; wir müssen auch die Lasten und Herausforderungen annehmen, die darin liegen. Ich glaube, hier besteht kein großer Unterschied zwischen den Fraktionen. Diese Herausforderung besteht in der permanenten Aufgabe der Umstrukturierung und der Anpassung unserer Produkte und Produktionsverfahren, weg von solchen Bereichen, wo andere besser dran sind und natürliche Vorteile haben, und hin zu solchen Bereichen, in denen sich ein nach wie vor höchst innovationsfreudiges, auch fleißiges und auch technologisch hochstehendes Industrieland wie die Bundesrepublik bewähren muß.
In diesem Prozeß ist auch in Zukunft immer mal wieder staatliche Hilfe notwendig.
Ich habe nur eines zu bemängeln, und das sage ich als persönliche Meinung freimütig: Ich halte von zwei Dingen nicht so sehr viel, ich halte nicht so sehr viel davon, in tagespolitischem Aktionismus immer wieder die eine oder andere steuerliche Erleichterung zu fordern, aber ich halte auch nicht sehr viel davon, im gleichen Aktionismus alle Tage mit einzelnen Abgaben zu drohen. Es müßte ein wenig mehr Konstanz in diese Rahmenbedingungen, aber bitte von beiden Seiten.
({5})
Wenn ich das in den letzten Jahren richtig verstanden habe, dann braucht der einzelne Unternehmer fast nichts mehr als Klarheit über die Ansprüche, die an ihn gestellt werden, aber auch Klarheit über die Hoffnungen, die er sich machen darf.
({6})
Wenn beides richtig ist, dann nehmen Sie die eine Hand zum Klatschen und packen sich mit der anderen Hand an die eigene Nase, wie man im Rheinland sagt.
({7})
In diesem Zusammenhang gilt konstitutiv weiter: Wir müssen unser Welthandelssystem offenhalten. Darauf wird Herr Grüner nachher eingehen. Ich will mir deshalb Darlegungen im einzelnen ersparen, aber darauf hinweisen, daß es von erheblicher Bedeutung war - und gerade hier bewährt sich erfahrene und maßvolle internationale Wirtschafts- und Währungspolitik, wie die Bundesregierung und der Bundeskanzler sie insbesondere betreiben -, daß die Staats- und Regierungschefs auf dem Gipfel von Ottawa im letzten Jahr feststellten, daß protektionistische Maßnahmen die Dynamik der Volkswirtschaften untergraben und Inflation und Arbeitslosigkeit verschärfen. Es ist zu begrüßen, daß wir die Aussicht haben, dieses auch auf dem bevorstehenden Weltwirtschaftsgipfel in Versailles wieder als herausragendes Thema zu haben.
Was diese Anpassungsprobleme angeht, die ich eben ansprach, so wiederhole ich: Der erfreuliche Umschwung in unserer außenwirtschaftlichen Situation hat uns Luft gegeben für eine bessere und auch etwas flexiblere Bewältigung dieser Probleme. Sie sind noch nicht alle mit Erfolg gelöst. Bei aller Entspannung auf dem Weltenergiemarkt, bei aller relativen Entspannung auch bei den Energiepreisen bei uns muß z. B. weitergelten, daß wir in unseren Anstrengungen für Energieeinsparungen nicht nachlassen dürfen. Das gilt für den einzelnen Verbraucher, das gilt für den Staat,
({8}) so erfreulich die Zahlen auch sind.
Ich will hier einmal eine der wenigen Zahlen nennen, die ich überhaupt in meinen Notizen habe - es galt fast als unumstößliches Gesetz, daß ein Zuwachs des Bruttosozialprodukts um 1 % nur mit einem mindestens 1 % höheren Energieverbrauch zu erreichen war. Wir haben diese Relation von 1 : 1 - hier in der Tat ganz entscheidend durch unsere Energiepolitik; das läßt sich dann sehr wohl im einzelnen nachweisen - auf eine Relation von etwa 1 : 0,6 abgesenkt. Das ist ein ganz gewaltiger Erfolg, der sowohl im Verhalten der Verbraucher als eben auch in der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung begründet ist.
Das ist nur ein Beispiel dafür, daß dieser Anpassungsprozeß weiterhin der Stützung bedarf, auch im Interesse unserer internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Hier nachzulassen wäre ebenso schädlich, wie Versuchungen zu erliegen, die in den letzten Wochen wieder von der internationalen Diskussion zu uns hineinspielen. Ich meine hier die sogenannte Lokomotivtheorie.
Nach der ersten Ölkrise hatte ja diese Lokomotivtheorie eine erhebliche Zahl von Anhängern. Sie hat in ihrer Konsequenz j a auch zu erheblichem Druck auf die deutsche Geld- und Finanzpolitik geführt. All diejenigen Länder, die unter der Überschrift „Lokomotivtheorie" damals zu stark nachgegeben haben, haben die schädlichen Folgen dieses Nachgebens sehr rasch bitter am eigenen Leibe in Form von höheren außenwirtschaftlichen Defiziten, höheren Inflationsraten und damit auch höherer Arbeitslosigkeit gespürt. Wir sind da einigermaßen gut durchgekommen. Deswegen sage ich hier für die Konferenzen dieses Sommers: Wir werden einer Neuauflage dieses Ladenhüters ganz entschieden widerstehen müssen.
Das schließt die Bereitschaft zur verstärkten internationalen Zusammenarbeit, insbesondere im Bereich der Währungspolitik, ein. Wir müssen nach wie vor übermäßige Wechselkursschwankungen ausschließen. Die große weltwirtschaftliche Aufgabe besteht vor allen Dingen darin, das nominale und reale Zinsniveau weltweit abzusenken. Eine Aussage der Opposition hierzu heute morgen wäre für mich besonders interessant gewesen; sie kam nicht.
Ich will bei dieser Gelegenheit sagen, daß diese Zusammenarbeit nach meiner Überzeugung die Vereinigten Staaten immer einschließen muß. Hier darf niemand mißverstanden werden. Wir können Währungspolitik nicht ohne die Vereinigten Staaten treiben.
({9})
Wenn wir sie denn aber mit den Vereinigten Staaten betreiben wollen, dann werden Sie unsere Insistenz verstehen, mit der wir immer wieder an die Adresse Washingtons appellieren, sich seiner besonders großen internationalen Verantwortung auch stets bewußt zu bleiben. Das darf hier keine Einbahnstraße sein.
({10})
Ich will - ebenfalls ganz kurz - einen letzten Punkt behandeln. Die Große Anfrage behandelt unter den verschiedensten Aspekten steuerliche Rahmenbedingungen, die sozusagen für die internationale Wettbewerbsfähigkeit von Relevanz sind. Es ist richtig: Als hochentwickeltes Industrieland mit ei6008
nem hohen Niveau kollektiven und individuellen Lebensstandards können wir selbstverständlich nicht zu den Niedrigsteuerstaaten gehören. Herr Warnke ist ein bißchen rasch zwischen Staats- und Abgabenquote hin- und hergesprungen. Eine ist dabei allerdings, glaube ich, unbestritten, nämlich die Steuerquote; sie ist seit den 50er Jahren konstant geblieben. Das muß hier einmal unterstrichen werden.
Wenn Sie sich aber den internationalen Vergleich der Steuerbelastungen ansehen, dann werden Sie an jedem relevanten Punkt feststellen, daß überhaupt keine Rede davon sein kann, daß wir in diesem Punkte sozusagen der Spitzenreiter seien. Deutsche Steuerbelastungen stehen im internationalen Vergleich keineswegs an der Spitze. Das gilt für die steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten, wobei man dann nicht nur die Normalabschreibungen sehen darf, sondern man muß dann eben auch Sonderregelungen sehen, die es sowohl bei uns als auch in den Nachbarstaaten gibt. Hier sind wir mit unseren Regelungen alles andere als schlecht dran.
Das gilt auch für den Bereich der ertragsunabhängigen Steuern. Mancher Betrachter tut ja so, als ob sozusagen rings um uns herum ertragsunabhängige Steuern wie Gewerbe- und Vermögensteuern gar nicht erhoben würden. Welch ein Irrtum! Die heißen in anderen Staaten meistens nur anders; sie werden dort in durchaus vergleichbaren Größenordnungen erhoben, in den Vereinigten Staaten, in Japan, in Frankreich. Es ist schwer, einen ganz handfesten und tragfähigen Vergleich anzustellen, weil man sich dann immer auf die Regelsätze beziehen muß. So kommt es dann zu der theoretisch ermittelten Gewinnbelastung der deutschen Unternehmen. Da muß man sehr aufpassen. Da darf man nicht nur die Tarifsätze zugrunde legen. Denn die nominalen tarifmäßigen Vergleiche sagen über die tatsächliche Steuerbelastung so gut wie nichts aus - aus Gründen, die wir hier alle kennen. Alle bislang veröffentlichten seriösen Untersuchungen, z. B. die der OECD, zeigen, daß wir auch über das Steuersystem durchaus in der Lage sind, unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit zu stützen und zu verbessern, und daß keine Rede davon sein kann, daß wir diese Wettbewerbsfähigkeit über das Steuersystem behindern.
Hinzu - aber den Punkt will ich hier nur sehr vorsichtig ansprechen - kommt unser Gewährleistungssystem, das gerade im internationalen Vergleich wertvolle Hinweise für die Frage gibt, wie Politik die Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Wirtschaft unterstützt. Ich sage dies deshalb so vorsichtig, weil wir sonst beim nächsten Besuch von Herrn Buckley aus Washington zusätzliche Schwierigkeiten in diesem Punkt bekommen könnten.
Alle dem - andere Elemente wird Herr Grüner hier erwähnen - ist die Notwendigkeit der Beharrlichkeit gemeinsam, die wir bei der Bewältigung der vor uns liegenden Probleme in den 80er Jahren noch mehr brauchen als in den hinter uns liegenden zehn Jahren: Beharrlichkeit für Investitionen, für Arbeitsplätze, für Wettbewerbsfähigkeit. Und das - ich wiederhole es - ist der Kern der Gemeinschaftsinitiative, die ja mehr ist als das, was gestern aus dem Vermittlungsausschuß herausgekommen ist, und die ja das einschließt, was wir per Nachtrag an zusätzlichen öffentlichen Investitionen dazugeben, und die bereits Leistungen anderer Gruppen in unserer Gesellschaft eingeschlossen hat: die Leistungen der Gewerkschaften und die Arbeit der Bundesbank und die Preisdisziplin der Unternehmen. Wir hatten hier vom Staat her Nachholbedarf. Wir haben ihn so einigermaßen befriedigt. Ich sagte: Da bleiben Punkte übrig, die man bedauern muß.
Aber dieses hier: Beharrlichkeit, um über eine stetige Politik zu Investitionen, Wachstum, Arbeitsplätzen zu kommen, ohne die Preisstabilität dabei aufzugeben, ist die beste Politik für eine weiterhin hohe Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft. Und die Bundesregierung ist und bleibt auf lange Zeit Garant dieser Politik. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
({11})
Das Wort hat der Abgeordnete Wissmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesfinanzminister hat heute seine Einstandsrede im Parlament gehalten. Ich möchte ihm namens der CDU/CSU-Fraktion im Interesse unseres Gemeinwesens für seine Amtszeit ein glückliche Hand wünschen.
({0})
Herr Minister, Sie haben, wie ich Zeitungen entnehmen konnte, sich selbst mit den drei Worten beschrieben: fröhlich, rheinisch, konservativ. An den beiden ersten Worten haben wir keinen Zweifel. Ob Sie die Voraussetzungen, die für das letzte gelten: konservativ im Sinn einer soliden Finanzpolitik, beweisen können, wird Ihre eigentliche Herausforderung sein.
({1})
Und da erhoffen wir die entscheidenden Beiträge.
Herr Minister, was Sie zu dem Thema, man solle nicht ständig mit neuen Abgaben drohen, gesagt haben, findet unseren Beifall. Ich wäre Ihnen nur dankbar, wenn Sie Ihrer Kabinettskollegin Frau Fuchs dieses Wort unmittelbar weitergeben könnten,
({2})
denn sie war ja gerade eines derjenigen Mitglieder der Regierung, die erst in den letzten Tagen von einer solchen neuen Abgabe gesprochen hat.
Um ein zweites bitte ich: Sie haben vor wenigen Tagen gesagt, man müsse den Unterschied zwischen konjunkturellen und strukturellen Defiziten im Grunde genommen aufheben. Ich möchte nur davor warnen, die Verwischung dieses Unterschieds sozusagen zum Einfallstor für die Begründung neuer Kreditnachfrage zu machen. Denn neue Kreditnachfrage der öffentlichen Hand würde genau die Wirkungen auf dem Kapitalmarkt zeitigen, die wir nicht haben wollen, und damit höhere Zinsbelastungen
auf Dauer bewirken. Höhere Zinsbelastungen allerdings würde die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft nicht begünstigen, sondern auf Dauer in Gefahr bringen. Bitte, überlegen Sie noch einmal, ob eine solche Aufhebung der Unterscheidung zwischen konjunkturellen und strukturellen Defiziten einer soliden und damit konservativen Finanzpolitik wirklich Nutzen bringen kann.
({3})
Lassen Sie mich ein weiteres sagen: Sie haben mit Recht von den auch für uns erfreulichen Entwicklungen in der Zahlungsbilanz gesprochen. Keiner von uns will hier Schwarzmalerei betreiben. Jeder von uns freut sich, wenn die Exportkonjunktur dazu beiträgt, die schlechten Verhältnisse auf dem Binnenmarkt wenigstens einigermaßen auszugleichen. Nur, lassen wir uns alle nicht von der gegenwärtigen Exportkonjunktur blenden und dabei die Gewitterwolken am Horizont so einfach übersehen. Ich möchte hier Professor Albach zitieren, Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, der mit Recht gesagt hat:
So weit sind wir gekommen: Wenn nach einer beispiellosen Abwertung der D-Mark von 30% gegenüber dem Dollar die Leistungsbilanz wieder erfreulicher aussieht, sind alle Sorgen von gestern um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft vergessen.
Lassen wir uns nicht täuschen: Es gibt nach wie vor ernstzunehmende Herausforderungen für die dauerhafte Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.
({4})
Meine Damen und Herren, die Tatsache, daß wir auf der Hannover-Messe über Parteigrenzen hinweg gesagt bekommen haben, daß es auch und gerade im Bereich der Elektrotechnik und des Maschinenbaus Firmen gibt, die Marktanteile verloren haben, weil sie im Unterschied zu anderen nicht zu einem günstigen Preis verkaufen konnten, nicht - wie andere - um jeden Weltmarktanteil mit günstigen Preisen kämpfen konnten, sondern mit einem großen technologischen Vorsprung zum Teil auch anderer konkurrieren mußten, sollte uns nachdenklich machen und zu der Erkenntnis bringen, daß wir ohne eine nachhaltige Förderung gerade von Spitzentechnologien, ohne eine Politik, die gerade auch kleinen und mittleren Betrieben auf dem Wege der Weltmarktkonkurrenzfähigkeit durch hochentwickelte technologische Produkte Unterstützung gibt, die gesamte Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft auf Dauer gefährden würden. Wenn das sogenannte FrühlingsGutachten der fünf wirtschaftswissenschaftlichen Institute konstatiert, daß die Schubkraft des Exports nachgelassen habe, so ist das auch eine der Gewitterwolken am Horizont, die man, wenn man Politik wirklich vorausschauend betreibt, nicht übersehen darf.
Der Kollege Haussmann hat mit beredten Worten
({5})
die Notwendigkeit der Technologieförderung unterschrieben und beschrieben. Herr Kollege Haussmann, die Frage ist natürlich, ob wir es bei allen Veränderungen, die sich abgezeichnet haben, wirklich verantworten können, daß 80 % der Mittel des Forschungsministers nach wie vor in die Unterstützung großer Unternehmen gehen, während mehr als 50 Vo der Patente aus kleinen und mittleren Betrieben kommen. Wir müssen weiterhin Weichen auf eine verstärkte Förderung der Forschung kleiner und mittlerer Betriebe stellen. Denn deren Wettbewerbsfähigkeit ist Voraussetzung dafür, daß wir uns als deutsche Wirtschaft insgesamt auf den Weltmärkten auf Dauer behaupten können.
({6})
Ich meine, daß wir gerade hier Zusätzliches tun sollten.
Ich möchte einen weiteren Aspekt hinzufügen.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Haussmann?
Lassen Sie mich diesen Satz vielleicht noch kurz zu Ende führen, Herr Präsident, um dann dem Kollegen Haussmann die Zwischenfrage zu ermöglichen. - Wir haben bei allen - auch erfreulichen - Entwicklungen Sorgen, daß sich der gesunkene Produktivitätszuwachs der letzten zehn Jahre auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft auf Dauer nachhaltig auswirkt. Wir hatten in den 60er Jahren einen Produktivitätszuwachs von ca. 5 % jährlich, in den frühen 70er Jahren von etwa 3,5% jährlich, in den späten 70er Jahren von rund 3 % jährlich. Wenn das so weitergeht, werden die Voraussetzungen für die Wettbewerbsfähigkeit auf den Weltmärkten, nämlich hohe Produktivität und Rentabilität, auf Dauer gefährdet. Wenn wir jetzt selbstgerecht die Arme verschränkten, würden wir genau an den Punkten vorbeigehen, die uns auf Dauer in Gefahr bringen können. Ich glaube, es gehört zu dieser Debatte, auch dies nachhaltig festzustellen.
({0})
Erlauben Sie jetzt eine Zwischenfrage?
Bitte sehr.
Hat sich überholt!
Keine Zwischenfrage mehr? - Danke schön.
Ich möchte einen weiteren Aspekt hinzufügen. Da, Herr Minister, können Sie sicher zur Klärung beitragen, wenn Sie in Zukunft deutlichere Antworten geben, als Sie das heute auf die Zwischenfragen des Kollegen Warnke getan haben. Wir werden die Wettbewerbsfähigkeit nur dann
behaupten und verstärkt entwickeln können, wenn die privatwirtschaftliche Investitionsfähigkeit in Deutschland nachhaltiger als bisher gefördert und entwickelt wird. Und wenn der SPD-Parteitag - und darin sehe ich die eigentliche Sorge, nicht in irgendeiner oberflächlichen Polemik - im Grunde genommen den Schwerpunkt nicht auf privatwirtschaftliche Investitionsfähigkeit setzt, sondern auf mehr staatliche Investitionen, dann, meine ich, ist das genau die Strategie, die in die falsche Richtung führt. Wir brauchen in einer Zeit, wo wir die Rekordmarke von 47 % Staatsanteil am Bruttosozialprodukt bereits erreicht haben, während in den USA die Zahl bei 37 %, in Japan bei 31 % liegt, doch nicht eine höhere staatliche Investitionsquote, sondern wir brauchen die Wiederbelebung privatwirtschaftlicher Investitionsfähigkeit.
({0})
Das sollten Sie erkennen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD. Hierin, glaube ich, besteht der Grundirrtum des Parteitags der SPD.
Erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Löffler?
Gern.
Sehr geehrter Herr Kollege Wissmann, würden Sie mir bestätigen, daß in den meisten Fällen private Investitionen ohne vorsorgliche, versorgende öffentliche Investitionen gar nicht möglich sind?
Herr Kollege Löffler, daß es einen Zusammenhang gibt zwischen privaten und öffentlichen Investitionen, wird niemand bestreiten wollen. Die Frage ist nur, ob wir beispielsweise den Mut haben, nach der Konsolidierung unserer Finanzen, die eigentlich die dringendste Aufgabe wäre, dann den Schwerpunkt auf eine steuerliche Ermutigung von kleinen und mittleren Betrieben zu setzen, oder ob wir den Schwerpunkt setzen auf einen höheren staatlichen Investitionsanteil und die Erhebung neuer Abgaben. Da sagen wir klar: Steuerliche Ermutigung ist wichtiger als weitere steuerliche Belastung. Da, glaube ich, liegt der Grundfehler Ihrer politischen Anlage auch beim Konzept des Münchener SPD-Parteitags.
({0})
Ich sage das, Herr Kollege Löffler, auch deswegen, weil in der Antwort der Bundesregierung auf unsere Anfrage gerade im Zusammenhang mit den Steuern eine, wie ich finde, fragwürdige Einschätzung zum Ausdruck kommt. Da wird nämlich gesagt, ertragsunabhängige Steuern hätten bei uns eine durchaus vergleichbare Größenordnung wie in anderen wichtigen Exportländern. Das ist so nicht richtig. Innerhalb der EG kennt nur Luxemburg eine Vermögen- und Gewerbekapitalsteuer. In Frankreich z. B. wird eine gewerbesteuerähnliche Abgabe bei Ertragsschwäche oder Ertraglosigkeit nicht erhoben; auch die dort demnächst vorgesehene Vermögensteuer trifft in ihrer Zielsetzung lediglich private Vermögen. Außerhalb der EG sind Steuern, die sich am Kapitalvermögen und damit an der Substanz der Unternehmen orientieren, in ihrer Belastungswirkung nicht zu vergleichen mit der deutschen Vermögensteuer.
Das heißt: Wenn wir auf diesem Wege weitergehen und nicht bereit sind, einen anderen Kurs gerade auch in diesem Bereich der Steuern einzuschlagen, werden wir in schwierigeren Zeiten, in denen wir nicht mit den Wechselkursvorteilen rechnen können, mit denen wir vor allem in den letzten Monaten rechnen konnten, die Wettbewerbsfähigkeit nicht behaupten können. Also nicht mehr Steuern, sondern steuerliche Ermutigung sind das Gebot der Stunde, meine Damen und Herren. Das sollten Sie in den sozialdemokratischen Reihen erkennen.
Lassen Sie mich noch eine Bemerkung machen zu einem Faktor der inneren wirtschaftlichen Entwicklung, der ebenfalls Auswirkungen auf unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit hat. Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf unsere Anfrage gesagt, die Wettbewerbsposition der deutschen Wirtschaft insgesamt werde „durch solche vernünftig gesetzten Rahmenbedingungen nicht oder jedenfalls nicht in zurechenbarer Weise beeinflußt". Gemeint waren bürokratische Belastungen, Reglementierungen unserer Wirtschaft. Ich halte diese Einschätzung für falsch.
Nach Berechnungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft haben sich die Gesamtkosten für die vom Staat abgewälzten Verwaltungsleistungen seit 1971 von 21,6 auf 42,8 Milliarden DM verdoppelt. Das zeigt eine ganz problematische Tendenz. Wir wissen, daß die Bürokratie vor allem kleine und mittlere Betriebe in besonderer Weise belastet. Eine Untersuchung des Instituts für Mittelstandsforschung weist aus, daß gerade in Betrieben mit einem Umsatz bis zu 5 Millionen DM der Anteil der Kosten der für den Staat erbrachten Leistungen um das Vielfache über dem liegt - prozentual gesehen -, was Unternehmen mit über 5 Millionen DM Umsatz zu erbringen haben.
Mir hat vor wenigen Tagen ein Unternehmer eines kleinen mittelständischen Betriebes aus meinem Wahlkreis glaubwürdig berichtet, daß in seinem Betrieb eine Kraft ausschließlich damit beschäftigt sei, Formulare auszufüllen, Statistiken zu erstellen und anderen bürokratischen Anforderungen nachzukommen.
Meine Damen und Herren, und gerade in dieser Zeit fällt dem SPD-Parteitag zum Thema Bürokratie nicht etwa ein Entlastungskonzept ein, sondern die Einführung einer Investitionsmeldepflicht, anderen die Einführung einer Ausbildungsplatzmeldepflicht, den nächsten die Einführung einer Meldepflicht für offene Stellen überhaupt, dann kommt das Rezept von Strukturräten, dann das Konzept von Bundesentwicklungsplänen. Meine Damen und Herren, wir brauchen keine neuen Meldepflichten, wir brauchen neue Arbeitsplätze.
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Das, finde ich, sollten Sie erkennen. Darauf sollten Sie mit dem, was Sie Wirtschaftspolitik nennen, in einer entsprechenden Weise reagieren. Die vorausschauende Strukturpolitik, wie sie vom SPD-ParteiWissmann
tag gefordert wurde - es wurde verlangt, aktiv in den Wirtschaftsprozeß einzugreifen; so steht es dort -, wird auf Dauer dem Ziel, neue Arbeitsplätze zu schaffen, die Betriebe von bürokratischen Erschwerungen zu entlasten, sie zu ermutigen zu neuen Investitionen, nicht dienen, sondern wird, wie wir alle fürchten müssen, das Gegenteil bewirken.
Meine Bitte an den neuen Finanzminister ist, daß er sich irgendwann über salomonische Formulierungen, so sympathisch sie auch klingen mögen, hinwegsetzt und zu klaren Erklärungen seiner eigenen Position und der der Bundesregierung zu diesen Parteitagsbeschlüssen kommt.
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Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß einen Aspekt erwähnen, der in der gesamten Debatte über die internationale Wettbewerbsfähigkeit eine geringe Rolle spielt, der aber, wie ich finde, für unsere langfristige Wettbewerbsfähigkeit von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist. Ich meine, die langfristige Sicherung läßt sich nicht auf einen Datenkranz wirtschaftspolitischer Richtwerte allein reduzieren. Der ordnungspolitische Rahmen muß seine Belebung und Entwicklung gerade auch dadurch finden, daß wir mehr als bisher vor allem junge Leute ermutigen, den Blick über die eigenen Grenzen hinaus gerade auch auf die Länder der Dritten und Vierten Welt, auch auf unsere Exportmärkte zu richten; denn ohne die Bereitschaft der Menschen in einem so vom Export abhängigen Land, ihren Beitrag zur Stabilisierung unserer eigenen ökonomischen Zukunft zu leisten, werden wir die Wettbewerbsfähigkeit dauerhaft nicht sichern.
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Es macht mich deswegen schon sehr nachdenklich, meine Damen und Herren, daß die Zahl der deutschen Studenten im Ausland bei rund 18 000 stagniert, was, gemessen an den insgesamt gestiegenen Studentenzahlen, einen relativen Rückgang bedeutet. Es macht mich nachdenklich, daß insgesamt die Auslandsmüdigkeit unter jungen Leuten zunimmt. Wir sollten es uns nicht so einfach machen, den Vorwurf an die Jugendlichen zurückzugeben. Wir alle müssen uns selbstkritisch fragen, ob es nicht allzuviele psychologische, bürokratische und andere Hemmnisse gibt, die für viele den Weg ins Ausland verstellen. Wir müssen uns fragen, was wir alle über den Bereich der Politik hinaus tun können, um stärker als bisher die Bereitschaft - und auch die Risikofähigkeit, die darin steckt -, sich im Ausland zu betätigen, zu fördern und damit den deutschen Export, das deutsche Ansehen mit zu stabilisieren.
Ich habe gerade vor kurzem in einer Diskussion mit Studenten wieder die Sorge spüren können, dann, wenn sie ins Ausland gehen, beim künftigen Arbeitgeber genausowenig honoriert zu werden wie vom Prüfungsamt. Ich habe den Eindruck, daß sowohl im öffentlichen Dienst als auch in der Privatindustrie die Examensnote allzu häufig das ausschlaggebende Indiz für eine erfolgreiche Anstellung ist, nicht so sehr auch die Bereitschaft, das Risiko auf sich zu nehmen, einmal ein Jahr oder zwei Jahre beim Studium oder danach im Ausland zu sein.
({4})
Wir sollten das alles sehr nachdenklich in unsere Überlegungen einbeziehen.
Wir sind stärker als andere auf den Export angewiesen. Wir müssen daher besondere Anstrengungen unternehmen, um unsere junge Generation in die Lage zu versetzen, den Anforderungen gerecht zu werden. Die wenigen Aktivitäten an einigen Hochschulen Baden-Württembergs zur Fortbildung von Exportfachleuten und zur Förderung der wissenschaftlichen und wirtschaftlich-technischen Auslandsbeziehungen sind trotz ihrer bisher unzureichenden Koordination ein vielversprechender Anfang, der uns alle zur Weiterentwicklung ermutigen sollte. Wir sollten überlegen, ob es nicht klug wäre, im Rahmen bestehender Einrichtungen oder durch Neugründung eine Exportakademie zu errichten, um die vorhandenen wissenschaftlichen Ressourcen in der Bundesrepublik Deutschland zusammenzufassen und um exportrelevante Kenntnisse stärker als bisher zu vermitteln.
Wenn beispielsweise, meine Damen und Herren, ein Absolvent der Europäischen Wirtschaftsschule in Düsseldorf seine Ausbildung in Frankreich, Großbritannien und Deutschland in einer Einzelanerkennung beim Land Nordrhein-Westfalen als wissenschaftlichen Abschluß bestätigen lassen muß, wenn gleichzeitig weitere Belastungen bürokratischer Art aufgebaut werden, um freie und private Träger, die so etwas schon tun, zu entmutigen, statt sie zu ermutigen, dann sage ich mir: Wir müssen den gegenteiligen Weg gehen. Wir müssen qualifizierte private Träger, die bereits auf diesem Gebiet tätig sind, exportrelevante Kenntnisse zu vermitteln, massiv unterstützen.
Wir müssen gleichzeitig überlegen, ob es nicht vielleicht klug wäre, die eine oder andere Pädagogische Hochschule in Deutschland zu schließen und statt dessen eine Exportakademie dort einzurichten, um jungen Leuten, Kaufleuten, Technikern, Ingenieuren die Chance zu geben, mehr als bisher über die Zusammenhänge zu lernen, die auf dem Weltmarkt vorliegen und die es gerade im Zusammenhang mit dem Export auf Dauer geben wird.
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Ich sage deswegen zum Schluß: Ruhen wir uns nicht auf den Stühlen aus, verschränken wir nicht selbstgerecht die Arme, lassen wir uns nicht von der Sonne der Exportkonjunktur blenden, sondern erkennen wir, daß die dauerhafte Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft - vor allem der kleinen und mittleren Betriebe - uns ständig zu neuen Anstrengungen herausfordern muß. Wenn die Debatte dazu beiträgt, dann, finde ich, hat sie einen guten Sinn gehabt.
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Als nächster Redner hat der Abgeordnete Dr. Mitzscherling das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Als die Opposition ihre Große Anfrage formulierte, hat sie offenbar ein größeres Leistungsbilanzdefizit erwartet als das, über das wir heute sprechen. Die Entwicklung der letzten Monate hat gezeigt, daß sich viele in der Einschätzung der Exporterfolge der deutschen Wirtschaft geirrt oder verschätzt haben. Wir können 1982 - darauf wurde mehrfach hingewiesen - nicht nur eine ausgeglichene Leistungsbilanz, sondern möglicherweise auch einen Überschuß erwarten.
Ausschlaggebend für den raschen Abbau des Defizits war - ich zitiere die heute schon so oft erwähnte Gemeinschaftsdiagnose der wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute - die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen sowohl auf den Inlands- als auch auf den Auslandsmärkten, die sich aus der Abwertung der D-Mark gegenüber dem Dollar sowie aus den im Vergleich zum Ausland niedrigeren Kosten- und Preissteigerungen in der Bundesrepublik ergeben hat. Zum selben Urteil kommen der Deutsche Industrie- und Handelstag und der Sparkassen- und Giroverband.
Sicherlich ist die gestiegene Wettbewerbsfähigkeit überwiegend wechselkursbedingt. Doch nach dem Urteil des DIHT ist sie auch auf eine hohe Produktqualität zurückzuführen, auf eine interessante Angebotspalette, auf die eingesetzte Technologie und das Produktdesign, auf Termintreue und Serviceleistungen, auf langjährige Auslandspräsenz und auf gute Beziehungen zu potentiellen Handelspartnern.
Ebenfalls zur Verbesserung der Leistungsbilanz haben aber auch die schlechte Binnennachfrage selbst und der dadurch entstandene Druck auf die Unternehmen beigetragen, auf Exportmärkte auszuweichen. Diese konjunkturelle Erklärung der Leistungsbilanzverbesserung wird künftig allerdings an Gewicht verlieren; denn die Voraussetzungen für eine Belebung der Binnennachfrage sind zunehmend günstiger geworden. Die Leistungsbilanzverbesserung und die trotz der D-Mark-Abwertung erreichten Fortschritte in der Inflationsbekämpfung haben also das Vertrauen in die D-Mark gestärkt.
Das führt zu Aufwertungserwartungen und schafft damit Spielraum für Zinssenkungen. Die Bundesbank ist aufgefordert, diesen Spielraum weiter zu nutzen. Das wird die Investitionstätigkeit zusätzlich fördern.
Investitionsfördernd wirken auch - das ist mehrfach erwähnt worden - die niedrigen Tarifabschlüsse und die verbesserten Terms of trade. Sie stärken die Investitionskraft der Unternehmen.
Gleichzeitig können wir hoffen, daß die notwendige Wiederaufstockung der abgebauten Lager und Vorräte die Nachfrage kräftigt und damit die Absatzerwartungen der Unternehmen verbessert. Bessere Absatzerwartungen sind ebenfalls Investitionsimpulse.
Weitere Investitionsanreize haben wir mit der „Operation '82" und mit der von uns vorgeschlagenen und gestern auch von Ihnen akzeptierten Investitionszulage geschaffen. Sie werden mit Sicherheit ebenfalls Wirkung zeigen. Auch die so viel zitierten Institute weisen ausdrücklich auf die zu erwartenden positiven Wirkungen der Investitionszulage für unsere Investitionstätigkeit der nächsten Zeit hin.
Unsere Hoffnung auf eine wirtschaftliche Belebung in der zweiten Hälfte dieses Jahres ist also begründet. Höhere Erträge und bessere Absatzerwartungen müssen nun in Investitionen umgesetzt werden; denn ohne private Investitionen - da stimmen wir überein - wird es eine Modernisierung unserer Volkswirtschaft nicht geben können, ist langfristig die Wettbewerbsfähigkeit nicht gewährleistet und Herr Wissmann wird es auch nicht zu einer Steigerung der Produktivität kommen, die wir zur langfristigen Sicherung auch zukunftsträchtiger Arbeitsplätze brauchen.
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- Herr Kollege Lammert, in München ist durchaus auch auf die Wichtigkeit von Zukunftsinvestitionen privater Art hingewiesen worden. Es ist darauf hingewiesen worden, daß private Investitionen Voraussetzung für eine Modernisierung unserer Wirtschaft sind. Ich empfehle Ihnen: Lesen Sie sich die Beschlüsse des Parteitages auch wirklich einmal durch!
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Eine Bewältigung des Strukturwandels verlangt selbstverständlich Anstrengungen aller Beteiligten, von Unternehmen und Arbeitnehmern; von den Unternehmen vor allem Bereitschaft zum Risiko, von den Arbeitnehmern vor allem Bereitschaft zur beruflichen Weiterbildung und zur beruflichen Mobilität. Nun, das ist leicht gesagt. Wer einmal mit 40 Jahren abends einen Umschulungskursus absolviert hat, weiß, was das für den einzelnen bedeutet und welche Konsequenzen eine solche Aktion für die Familie hat.
Die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit ist zuallererst Aufgabe der Unternehmen. Produkt- und Verfahrensinnovationen sind ihre ureigensten Aufgaben. Sie spüren die Änderungen von Angebot und Nachfrage frühzeitig. Sie haben Ihr Ohr direkt am Markt, sie kennen die technische Entwicklung, und es liegt in Ihrem eigenen Interesse, die Nase vorn zu haben. Wir brauchen uns hier keine unnötigen Sorgen zu machen: Unser technischer Leistungsstand und die Qualifikation unserer Ingenieure und Facharbeiter sind hoch genug, um bei dieser Herausforderung zu bestehen.
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- Zur Innovation, Herr Kittelmann, gehört natürlich nicht nur ein ausgebautes System der dualen Berufsbildung und eine ausreichende Anzahl von Fachhochschulen, zu einer Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit und zur Innovation gehört auch die Erschließung neuer Märkte. Gerade hier zeigt die DIHT-Umfrage, daß ausländische Wettbewerber bereits jetzt vielfach intensiver und erfolgreicher um chancenreiche Auslandsmärkte bemüht sind als deutsche Unternehmen. Hier sind größere Anstrengungen erforderlich. Das ist heute mit Hinweis auf den Besuch des Wirtschaftsausschusses in Japan bereits erwähnt worden.
Ein noch stärkeres Engagement der deutschen Wirtschaft ist auch im Bereich der Qualifizierung der Arbeitnehmer geboten. Notwendig ist vor allem die Bereitstellung einer ausreichenden Zahl von Ausbildungsplätzen. Wir Sozialdemokraten haben es schon mehrfach gesagt, und wir wiederholen es immer wieder: Ein ausreichendes Ausbildungsplatzangebot bereitzuhalten ist in unserer Wirtschaftsordnung eine gesellschaftliche Verpflichtung der Unternehmen.
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Klar ist aber auch, daß dies in ihrem ureigensten Interesse liegt; denn qualifizierte Arbeitnehmer sind auch die beste Garantie dafür, daß künftiger Strukturwandel möglichst reibungslos bewältigt wird; denn Qualifikation erleichtert auch die Mobilität.
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Die Gewerkschaften werden sich diesem Strukturwandel nicht verschließen. Bisher haben sie es nicht getan, und sie werden es auch zukünftig nicht tun; denn sie kennen die Bedeutung von Innovation und technischem Fortschritt für unseren Lebensstandard. Diese Einstellung, diese aufgeschlossene Haltung der Gewerkschaften ist nicht hoch genug einzuschätzen. Besonders deutlich wird dies, wenn man sich das Beharren mancher Einzelgewerkschaft in anderen Ländern auf der Beibehaltung veralteter Produktionsmethoden und auch auf überzogenen Lohnforderungen vor Augen führt.
Lassen Sie mich deshalb folgendes sagen. Wenn der soziale Frieden in unserem Land trotz der schwierigen Lage, die von den Arbeitnehmern viele Opfer verlangt, bisher gewahrt werden konnte, so ist dies ein entscheidendes Verdienst unserer Gewerkschaften.
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Die Gewerkschaften als die Vertretungen der Arbeitnehmer tragen ihre Verantwortung - darauf habe ich hingewiesen - in den Lohnverhandlungen. Natürlich tragen sie sie im Interesse der Arbeitnehmer und sind sich ihrer Pflicht auch durchaus bewußt, Herr Warnke.
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- Das sagen Sie einmal Ihren eigenen Verbänden.
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- Das ist ein großes Wort. Auch die Politik der Opposition sollte sich dessen stets bewußt sein, daß an erster Stelle der Mensch kommt,
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und dann erst die Unternehmen kommen. Wachstum ist für uns Sozialdemokraten keine Eigenschaft um ihrer selbst willen, sondern eine, die dazu dient, den Lebensstandard der arbeitenden Menschen zu erhöhen.
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- Lieber Herr Kittelmann, an dieser Stelle ist sicherlich ein geeigneter Platz, sich über Wachstum zu streiten, vor allem wenn wir uns die Wachstumsunterschiede in den um uns liegenden Industrieländern und das ansehen, was wir in der gegenwärtigen Situation - die Daten sind Ihnen schon mehrfach vorgeblättert worden - behalten haben. Das können Sie doch nicht einfach ignorieren.
Die Aufgabe des Staates bei der Sicherung unserer internationalen Wettbewerbsfähigkeit liegt vor allem darin, daß wir strukturelle Anpassungsprozesse erleichtern müssen und daß wir die Innovationsfähigkeit zu fördern haben. Das bezieht sich also auf die Flankierung und die Rahmenbedingungen.
Daß der Staat bei der Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit im wesentlichen flankierende Aufgaben hat, heißt nicht, daß er für andere Bereiche nicht durchaus auch als Hauptverantwortlicher zählen kann. Ich meine hier insbesondere die Sicherung eines möglichst freien Welthandels und die Sicherung stabiler Entwicklungen in den Währungsbeziehungen.
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Beides erfordert eine enge internationale Kooperation.
Daß mit der weltweit hohen Arbeitslosigkeit der innenpolitische Druck auf die jeweiligen Regierungen gewachsen ist, zu offenen oder versteckten protektionistischen Maßnahmen Zuflucht zu nehmen, ist bekannt. Ebenso bekannt ist, daß sich viele Regierungen diesem Druck gebeugt haben, auch innerhalb der EG. Ihnen, meine Damen und Herren in der Opposition, müßte aber auch bekannt sein, daß es die Bundesregierung ist, die sich bei den Verhandlungen in Brüssel am vehementesten für die Aufrechterhaltung liberaler Handelsbeziehungen stark macht. Wir werden diesen Kurs fortsetzen. Denn wir
wissen, daß die Hinnahme von Protektionismus auf Dauer uns selber am härtesten treffen würde.
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Das wissen auch die deutschen Gewerkschaften. Ich betone dies ausdrücklich. Denn man sollte doch einmal zur Kenntnis nehmen, daß die Unternehmen der von Auslandskonkurrenz bedrängten Branchen oftmals weit unnachgiebiger protektionistische Forderungen stellen als die Vertreter der von Arbeitsplatzverlusten bedrohten Arbeitnehmer.
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- Herr Waigel, das mag Ihre Erfahrung sein.
In dem Antrag der Opposition zu einem mittelfristigen Programm der Wirtschaftspolitik der EG heißt es, es müsse endlich ein echter gemeinsamer Binnenmarkt für die rund 270 Millionen Verbraucher verwirklicht werden. Das ist natürlich auch unser Ziel. Nur fürchte ich, wir müssen schon froh sein, wenn es uns in der nächsten Zeit gelingt, den bisher erreichten Liberalisierungsgrad überhaupt zu erhalten.
Von einer Harmonisierung der EG-Wirtschaftspolitiken, wie sie der CDU-Antrag fordert, sind wir noch weit entfernt. Der Bundesregierung ist daraus kein Vorwurf zu machen. Erstens bedarf es zur Harmonisierung der Mitwirkung aller Beteiligten. Zweitens wollen wir keine Harmonisierung um jeden Preis, beispielsweise eine Harmonisierung der Inflationsrate von vielleicht 8 %. Wir haben strengere Stabilitätsvorstellungen, und solange sich unsere Partner diesen Vorstellungen nicht anschließen, muß eben von dem Korrekturmechanismus im Europäischen Währungssystem Gebrauch gemacht werden, von der Möglichkeit zu Wechselkursänderungen. Je schneller, je häufiger - und dann auch in kleinen Schritten - wir solche Wechselkursanpassungen vornehmen, desto geringer ist die Gefahr, daß die Wettbewerbsverhältnisse in der EG so verzerrt werden, daß protektionistische Maßnahmen als der Weisheit letzter Schluß gelten und der EG-Binnenmarkt gefährdet wird.
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- Natürlich, das wissen auch Sie, Herr Lampersbach: Wechselkursänderungen sind nur die zweitbeste Lösung. Besser wäre eine Harmonisierung der Wirtschaftspolitiken.
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- Ich bemühe mich. Ich versuche die Impulse zu setzen, Herr Lampersbach, greifen Sie sie auf! Das gilt übrigens auch für unsere Beziehungen zu Drittländern, und es gilt besonders natürlich auch in den Beziehungen zu den Vereinigten Staaten.
So günstig die Abwertung der D-Mark seit 1979 für die deutsche Wettbewerbsposition war, weniger starke Wechselkursbewegungen in den letzten Jahren wären per saldo sicher vorteilhafter gewesen. Mehr internationale Abstimmung beim Einsatz der wirtschaftspolitischen Instrumente hätte hierzu einen Beitrag geleistet. Im Klartext: würden die Vereinigten Staaten die Last der Inflationsbekämpfung nicht ausschließlich der Geldpolitik auferlegen und gleichzeitig noch eine expansive Finanzpolitik betreiben, wäre auch unsere Situation einfacher. Wir sollten uns nämlich darüber im klaren sein: Ein Abkoppeln von der US-Hochzinspolitik war bislang nur in Grenzen möglich und wird auch künftig nur in Grenzen möglich sein. Denn ein völliges Abkoppeln erhöht die Gefahr dirigistischer Eingriffe in den internationalen Kapitalverkehr, die uns auf Dauer eher schaden; und Kapitalverkehrskontrollen passen nicht zu unserer Rolle, zur Rolle der zweitgrößten Handelsnation der Welt und zur Rolle der D- Mark als einer Reservewährung.
({15})
Das bedeutet, daß wir unsere Anstrengungen noch verstärken müssen, um zu mehr internationaler Abstimmung beim Einsatz wirtschaftspolitischer Instrumente zu kommen. Der nächste Weltwirtschaftsgipfel muß für eine erneute intensive Diskussion dieser Probleme genutzt werden; Minister Lahnstein hat das bereits als seine Aufgabe angekündigt.
Es geht dabei nicht nur um hohe Zinsen; es geht auch darum, durch mehr internationale Abstimmung wieder mehr Stabilität in das Weltwährungssystem hineinzubringen. Das heißt nicht etwa: Rückkehr zu einem System fester Wechselkurse; auf der anderen Seite aber kann es auch nicht so weitergehen, daß innerhalb relativ kurzer Zeit, ohne daß jemand das Warum recht erklären könnte, enorme Wechselkursschwankungen auftreten, die die internationale Wettbewerbsfähigkeit eines ganzen Landes zur Disposition stellen können. Wir brauchen hier mehr Kontinuität, wir brauchen stabilere Entwicklungen; denn Instabilität verunsichert, erhöht das Risiko, verhindert Investitionen und wird damit zur Bremse für die Umstrukturierung der Volkswirtschaften und für den Ausbau der internationalen Arbeitsteilung.
Ich weiß, es gibt keine einfachen Lösungen für mehr Währungsstabilität, aber wir müssen dieses Problem anpacken, wir müssen ihm begegnen; denn die derzeitigen Unsicherheiten darüber, was man morgen im Ausland noch verkaufen kann, sind das größere Investitions- und Wachstumshemmnis im Vergleich zu den vermeintlichen wirtschaftpolitischen Sünden, die Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, der Bundesregierung ständig vorwerfen.
({16})
Lassen Sie mich abschließen. Stabilere Erwartungen und Entwicklungen im Währungsbereich zu schaffen, erfordert permanente Anstrengungen. Die Zeiten, in denen gleichsam alles praktisch von selbst lief, sind vorbei. Die Probleme sind größer geworden
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und die möglichen Lösungen schwieriger. Aber, meine Damen und Herren, wir bleiben dran, oder besser: die sozialliberale Koalition bleibt dran. - Ich danke Ihnen.
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Das Wort hat der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ähnliche Aufregung herrschte, als ich als Bundesfinanzminister - ich glaube, als erster - einmal in einer Landwirtschaftsdebatte sprach.
({0})
- Doch, die Besteuerung der Landwirtschaft ist dann ja, wie Sie wissen, gerechter gestaltet worden, übrigens mit Ihrer Zustimmung.
({1})
Ich möchte hier als Praktiker sprechen, ich möchte in dieser makroökonomischen Debatte - das wird sicher auch Herr Dollinger zu schätzen wissen - als jemand sprechen, der immerhin das größte deutsche Unternehmen führt und der für eine effiziente Telekommunikationsinfrastruktur, die in zunehmendem Maße für die Leistungsfähigkeit einer Wirtschaft wichtig ist, im allgemeinen und dann natürlich - wegen der Bedeutung des Unternehmens Deutsche Bundespost - für die deutsche Fernmeldeindustrie im besonderen verantwortlich ist.
In die Infrastruktur hat die Bundespost in den Jahren von 1970 bis 1981 immerhin über 90 Milliarden DM investiert, davon weit über 90 % in den Telekommunikationsbereich. Im Jahre 1981 sind es 13 Milliarden. Es sind 1981 und dann auch wieder 1982 weit über 20 % der gesamten deutschen Industrieinvestitionen, die hier durch ein einziges Unternehmen vorgenommen werden. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.
Zur Verstärkung der Wettbewerbschancen der deutschen Industrie beschafft die Deutsche Bundespost nur Weltmarktprodukte. Das heißt: sie will keine für das deutsche System maßgeschneiderten Produkte einsetzen, sondern solche, die von den Fernmeldeproduzenten für den Weltmarkt entwikkelt werden und bei uns dann gegebenenfalls nur angepaßt werden müssen. Diese Beschaffungspolitik hat zusammen mit der Risikobereitschaft des größten deutschen Unternehmens, das Versuchseinsatzfeld der deutschen Fernmeldeindustrie für eine Reihe modernster, noch nicht erprobter Techniken zu sein, dazu geführt, daß die deutschen Fernmeldefirmen heute hervorragende Exportchancen haben. Dazu kommt, daß die Bundespost mit einem jährlichen Beschaffungsvolumen von 9 Milliarden DM den „home-market" darstellt, der vor allem für die amerikanischen Firmen wichtig und der auch notwendig ist, damit die Fernmeldeindustrie die Risiken der Entwicklung modernster Technologien übernehmen kann.
Die Deutsche Bundespost hat als erstes Fernmeldeunternehmen auf der ganzen Welt gegenüber der Industrie eine verbindliche Absichtserklärung abgegeben, das digitale Fernsprechnetz bereits ab 1985 zu einem integrierten Netz weiterzuentwickeln, und sie hat entsprechende Versuchsvermittlungsstellen in Auftrag gegeben. Dies eröffnet eine Chance, auf dem Weltmarkt diese Systeme, die die Vermittlungssysteme der Zukunft sein werden, als erste Industrie anzubieten.
Nicht zuletzt im Hinblick auf die Wichtigkeit der im Zusammenhang mit dem Einsatz der Satellitentechnik erforderlichen Kenntnisse - ob das nun Raumfahrttechnik oder Bodenstellentechnik oder Antennentechnik ist - hat die Deutsche Bundespost ein Konsortium der deutschen Fernmeldeindustrie beauftragt, ein Angebot für einen deutschen Fernmeldesatelliten auszuarbeiten. Kommt es zu diesem Auftrag, was ich hoffe, so eröffnen sich Chancen, auf dem Weltmarkt der Satellitensysteme als Wettbewerber aufzutreten.
Die Deutsche Bundespost hat gemeinsam mit der deutschen Industrie bei uns als erstem Land der ganzen Welt Teletex-Einrichtungen eingeführt. Inzwischen wurden Teletex-Einrichtungen von deutschen Unternehmen bereits an mehrere FernmeldeCarrier in den USA verkauft. Auch bei den TeletexEndgeräten eröffnen sich große Exportchancen auf Grund des zeitlichen Vorsprungs, der durch die Entscheidungen der Bundespost in Deutschland geschaffen worden ist.
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- Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, wenn ich Sie aus Ihren großen abstrakten Zusammenhängen einmal in konkrete Unternehmenszusammenhänge zurückführe; denn nur an solchen Zusammenhängen läßt sich konkret zeigen, was gemacht werden muß.
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- Lieber Herr Schwarz-Schilling, nachdem ich heute in der Presse gelesen habe, was Sie über meinen geistigen Zustand vermuten und was ich eigentlich sonst noch alles denken müßte, will ich nicht ausschließen, daß bei näherer Bekanntschaft und Zusammenarbeit auch bei Ihnen noch ein Lernprozeß eintritt.
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Durch die mit 150 Millionen DM geförderten Glasfaserversuche gibt die Deutsche Bundespost sechs deutschen Firmen die Chance, den Einsatz von Glasfaser im Ortsnetz in einem breitbandigen dienstin6016
tegrierten Netz zu erproben, in dem alle Arten von Fernmeldediensten abgewickelt werden können.
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- Herr Abgeordneter, wenn Sie sich in der Vergangenheit um diese Dinge mehr gekümmert hätten, dann wäre Ihnen das Verständnis dafür bei der heute notwendigerweise konzentrierten Rede nicht abgegangen.
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Selbstverständlich wird die Glasfaser von der Deutschen Bundespost auch im Fernnetz verstärkt eingesetzt werden.
Noch eine Bemerkung zur Betriebsgrößenstrukturpolitik der Bundespost. Die Bundespost stellt ja eine die gesamte Fläche der Bundesrepublik abdekkende Vertriebs- und Serviceorganisation zur Verfügung. Da sie in ihrer Beschaffungspolitik kleinere und mittlere Unternehmen immer im Auge behält, sichert sie auf diese Art und Weise, indem sie das tut, was kleinere und mittlere Unternehmen nicht könnten, nämlich gerade auf dem Lande flächendeckend zu vertreiben und Serviceleistungen zu erbringen, das Überleben dieser kleinen und mittleren Unternehmen, was übrigens auch von den Unternehmern anerkannt wird; ich habe schon mit einigen gesprochen. Die Bundespost fügt sich also in die Größenstrukturpolitik, der Bundesregierung ein. Wir haben es dem kapitalistischen Konzentrationsprozeß eben nicht erlaubt, zu Größenstrukturen zu führen, die die Leistungs-, Anpassungs- und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft stark behindert hätten.
Aus diesen Beispielen wird deutlich, daß die Deutsche Bundespost bei ihrer Unternehmenspolitik nicht nur die Deckung des eigenen Bedarfs, sondern auch in hohem Maße die Exportchancen der deutschen Wirtschaft im Auge hat. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Funke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei den wirklich sehr interessanten Ausführungen des Bundespostministers
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- doch, ich kann soweit folgen; ich glaube schon, daß mein Intellekt so weit reicht, Herr Kollege Kittelmann - war für mich insbesondere interessant, in welchem Umfang die Bundespost tatsächlich zur Infrastruktur der deutschen Wirtschaft beiträgt. Diese Infrastruktur, Herr Kollege Kittelmann, ist ja in der Tat die Voraussetzung für ein Funktionieren einer modernen Wirtschaft.
Meine Damen und Herren, vorhin ist von dem Vorredner das Leistungsbilanzdefizit in den Jahren 1979, 1980 und 1981 erwähnt worden. Diese erheblichen Leistungsbilanzdefizite bedeuten nichts anderes, als daß wir in diesen drei Jahren ganz erheblich über unsere Verhältnisse gelebt haben. Diese Leistungsbilanzdefizite sollen im Jahre 1982, wenn die Prognosen zutreffen, voraussichtlich eingeebnet werden können. So betrug das Defizit innerhalb des ersten Quartals 1982 lediglich 1,7 Milliarden DM, während wir im vergleichbaren Quartal 1981 immerhin noch 9,1 Milliarden DM Defizit hatten.
Dabei entwickelte sich auch die Handelsbilanz besonders positiv und schloß im ersten Quartal bereits mit einem Überschuß von 11,2 Milliarden DM ab. Auf die einzelnen Probleme, die damit unter Umständen auch zusammenhängen können, werde ich nachher noch kurz eingehen.
Der deutsche Export - das macht ja auch die Anfrage der CDU deutlich - ist auch im Jahre 1981 die wesentliche Stütze der deutschen Binnenkonjunktur gewesen und hat dazu geführt, daß das Bruttosozialprodukt im Jahre 1981 praktisch nicht abgesunken ist. Aber daraus kann nicht der Schluß gezogen werden, daß wir generell mit unserer Wirtschaft und mit unserem Export über den Berg sind. Noch vor einem Jahr wurde in fast allen wirtschaftspolitischen Diskussionen hier im Deutschen Bundestag, aber auch in der Öffentlichkeit, zu Recht davon ausgegangen, daß strukturelle Verbesserungen durchgeführt, verbesserte Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen, um die deutsche Wirtschaft auf die veränderten weltwirtschaftlichen Gegebenheiten einzustellen. Ich glaube, daß die damaligen Aussagen nach wie vor richtig sind, auch wenn wir damit rechnen können, daß die Leistungsbilanzdefizite, die wir in den Jahren 1979 bis 1981 gehabt haben, in diesem Maß nicht zurückkehren werden. Darauf haben die Kollegen Dr. Mitzscherling und Wissmann zu Recht hingewiesen.
Es ist schon hinreichend darauf hingewiesen worden, daß unsere verbesserten Terms of Trade, daß die verbesserten Handelsbilanzen mit daher rühren, daß die D-Mark, die ja immerhin im Verhältnis zum Dollar einmal einen Kurs von 1,70 DM gehabt hat, abgewertet und damit der Dollar aufgewertet wurde, unsere Waren mithin auf dem Weltmarkt konkurrenzfähiger wurden und vor allem in den Ländern konkurrenzfähiger wurden, wo wir in Dollar fakturieren.
Gleichzeitig verringerte sich die Wareneinfuhr im Jahre 1981 um 3,5 %. Dies liegt auch an den stark gesunkenen Rohstoffpreisen. Ich will hier nur einige wenige Zahlen nennen. So sanken im März 1982 gegenüber dem Monat März 1981 - um eine Größenordnung zu haben - die Nahrungs- und Genußmittelpreise um 20,2 %, die Preise für Industrierohstoffe um insgesamt 12,9 % und die Preise für Energierohstoffe um 1,6%, jeweils auf Dollarbasis berechnet. Aber, meine Damen und Herren, diese Situation kann sich natürlich sehr schnell ins Gegenteil verkehren. Wenn sich die weltwirtschaftliche Konjunkturlage verbessert, werden auch wieder die Rohstoffpreise anziehen. Das ist ein ganz natürlicher Vorgang, der sich aus Angebot und Nachfrage ergibt.
Nun zu einem Problem, auf das man besonders hinweisen sollte. Die Handelsbilanzüberschüsse, die wir verzeichnen können - ich habe sie vorhin für
das erste Quartal bereits erwähnt -, führen natürlich auch bei unseren Partnerländern zu einer gewissen Unruhe. Nicht zu Unrecht werden wir manchmal bei denen schon als die „europäischen Japaner" bezeichnet. Auf der anderen Seite benötigen wir diese erheblichen Handelsbilanzüberschüsse, um unseren Negativsaldo in der Dienstleistungsbilanz in der Höhe von voraussichtlich rund 23 Milliarden DM und in Höhe von 29 Milliarden DM in der Übertragungsbilanz ausgleichen zu können.
Ich glaube, daß es nicht nur Aufgabe der Bundesregierung, sondern auch der Kollegen hier im Bundestag sein wird, unseren Partnerländern diese besondere Situation - auf der einen Seite Handelsbilanzüberschüsse, auf der anderen Seite Defizit in der Übertragungsbilanz und Dienstleistungsbilanz - stärker als bisher deutlich zu machen, um nämlich in diesen Partnerländern möglichen negativen Kampagnen begegnen zu können. Wir müssen uns auch vor Augen führen, daß trotz der positiven Entwicklung unserer Exporte die Bäume nicht in den Himmel wachsen werden und eine Reihe von Belastungen auf die Exportwirtschaft zukommen können.
Ich möchte fünf Faktoren nennen, die mir besonders wichtig sind:
Erstens. Die deutschen Exportchancen hängen im wesentlichen von den Entwicklungen in unseren westlichen Partnerländern ab. Diese Entwicklungen sind insbesondere in den USA sehr bedenklich. Wir haben dort im ersten Quartal 1982 immerhin ein Absinken des Bruttosozialprodukts um 4,3 % zu verzeichnen. Die Arbeitslosenzahl schnellte auf 10,3 Millionen Arbeitnehmer empor. Das ist die höchste Zahl von Arbeitslosen seit 1941.
Die Ausfuhr in die europäischen Länder, insbesondere in die der Europäischen Gemeinschaft, stagniert, wenn auch auf hohem Niveau. Die OPEC- Länder werden in Zukunft sicherlich nicht mehr so viel ordern können, wie sie es bislang getan haben. Diese weltwirtschaftlichen Verflechtungen hat ja Herr Bundesminister Lahnstein schon deutlich gemacht. Wir von der FDP-Fraktion teilen zweifellos seine Auffassung, daß es nicht angehen kann, daß wir hier wieder dieser „Lokomotivfunktion" hinterherrennen, daß wir hier wieder eine „Lokomotivfunktion" übernehmen.
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Ich warne jedoch davor, an den Weltwirtschaftsgipfel allzugroße Hoffnungen im Zusammenhang mit der Zinsentwicklung in den USA zu knüpfen. Wir haben noch vor wenigen Jahren im Bundestag gefordert, daß die USA etwas gegen die Inflation tun. Dies haben die USA nun getan. Nun werden sie aus anderen Gründen gescholten. Die nationalen Interessen auch der USA müssen natürlich in einem bestimmten Umfang berücksichtigt werden. Wir haben bereits im EWS-System in der Europäischen Gemeinschaft versucht, eine gemeinsame Wirtschaftspolitik im Hinblick auf eine gemeinsame Währungspolitik zu betreiben. Wir haben gesehen, wie schwierig das ist. Und daß es nicht einfach sein wird, die Amerikaner hier zu überzeugen, scheint mir evident zu sein.
Das zweite sind die Zahlungsprobleme einer Reihe von Ostblockländern, Entwicklungsländern, aber auch Schwellenländern. Die deutsche Wirtschaft muß stärker als bisher auf die Länderrisiken achten, genauso wie dies bereits die international tätigen Banken tun. Der Staat wird über HermesBürgschaften nur eine sehr eingeschränkte Hilfe gewähren können. Das Schuldnerrisiko kann und darf die Bundesregierung den deutschen Exporteuren nicht abnehmen. Jeder Exporteur muß sich über seine eigenen Risiken im klaren sein.
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Der dritte Punkt. Ich habe bereits darauf aufmerksam gemacht - das haben auch andere getan -, daß die Handelsbilanzüberschüsse auf die Kursentwicklung des Dollar wenigstens zum überwiegenden Teil zurückzuführen sind. Je mehr wir uns wieder einer ausgeglichenen Leistungsbilanz nähern und je mehr in einzelnen Ländern die rezessiven Wirtschaftsentwicklungen anhalten, desto mehr wird aller Voraussicht nach die DM erstarken. Wir haben dies in den letzten zwei, drei Wochen feststellen können. Der Kurs hat sich immerhin von 2,42 auf 2,28 zurückgebildet.
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- Das ist keine Frage der Regierung, Herr Kittelmann; das wissen Sie ganz genau; sondern das ist am Devisenmarkt ja nun wirklich mal eine Frage von Angebot und Nachfrage.
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- Doch, doch! Ich unterstelle, daß der Kollege Kittelmann das weiß.
Ich will hier nicht einer Beeinflussung der Devisenkurse durch nationale Währungs- und Zinspolitik das Wort reden, sondern lediglich darauf aufmerksam machen, daß durch die verbesserten Leistungsbilanzverhältnisse die strukturellen Probleme unserer Exportwirtschaft bei weitem noch nicht behoben sind und wir da noch einiges tun müssen. Diese Rahmenbedingungen werden wir auch in den nächsten Jahren mit dieser Regierung verbessern. Es ist ganz natürlich, daß diese Rahmenbedingungen hier immer wieder an die weltwirtschaftlichen Entwicklungen angeglichen werden müssen. Es ist nämlich nicht zu leugnen, daß andere Länder auf Drittmärkten verstärkt vordringen und daß die ausländische Konkurrenz auf unserem heimischen Markt mit Fertigwaren, unserer früheren Domäne, konkurrenzfähiger geworden ist. Dies liegt zum einen daran, daß die Lohnstückkosten in der Bundesrepublik höher liegen als beispielsweise in den USA, in Frankreich und in Japan. Ich nenne wesentliche Konkurrenzländer und nehme nicht gerade Sri Lanka.
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Denn wir können uns ja nur mit den weltwirtschaftlichen Konkurrenten vergleichen.
({6})
Zum andern liegt es aber wohl auch daran, daß Produkte, die ein höheres technisches Know-how erforderlich machen, heute nicht mehr nur von den führenden Industrienationen, sondern auch von zahlreichen Schwellenländern hergestellt werden. Das gilt besonders für den asiatischen Bereich. Von dort haben wir natürlich die größten Schwierigkeiten auf den Drittmärkten.
Der vierte Punkt: Der Protektionismus und die staatlichen Hemmnisse fallen im Außenhandel immer stärker ins Gewicht. Der Kollege Haussmann hat auf den Protektionismus in klassischer Ausprägung, also in Form der Zölle, und die nichttarifären Handelshemmnisse hingewiesen.
Ich möchte auf einen zusätzlichen Punkt hinweisen: Es ist zunehmend üblich geworden, den Außenhandel als verlängerten Arm der Außenpolitik oder - lassen Sie es mich anders sagen - als Außenpolitik mit anderen Mitteln zu betrachten. Ich meine damit die Sanktionen, die wir auf Grund des Außenwirtschaftsgesetzes bzw. der Außenwirtschaftsverordnung gelegentlich verhängen. Ich halte sie nicht für ein geeignetes Mittel, um das betreffende Land zu politischem Wohlverhalten zu zwingen. Wir haben in den Fällen Rhodesien und Iran gesehen - ich will diese Beispiele nur antippen -, daß diese Wirtschaftssanktionen überhaupt nicht das gebracht haben, was man mit ihnen politisch bezweckt hatte. Wir sollten, und zwar alle Fraktionen des Deutschen Bundestages, stärker als bisher darauf hinwirken, daß Protektionimus und auch Sanktionen stärker gegeißelt werden. Wir sollten mit Sanktionen sehr, sehr vorsichtig sein.
({7})
Der fünfte Punkt: Die deutsche Exportwirtschaft wird nur dann wettbewerbsfähig sein können, wenn sie nicht nur in technischer Hinsicht und auf dem Gebiet der Zuverlässigkeit von Lieferung und Leistung, sondern auch in gleichem Maße hinsichtlich konkurrenzfähiger Preise führend ist. Ich habe vorhin - dies ist auch von anderen bereits getan worden - auf die hohen Lohnkosten hingewiesen. Wir werden unser Augenmerk noch stärker als bisher auf Rationalisierung, Steigerung der Produktivität und auch auf konjunkturgerechte Lohnabschlüsse richten müssen, um hier die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen. Wir haben hier in den letzten zwei Jahren sehr gute Schritte unternommen; dieser Weg muß weiter begangen werden.
Wir müssen daran denken, daß fast ein Drittel unseres Bruttosozialprodukts durch unseren Export erwirtschaftet wird. Kein Land ist vom Export so abhängig wie wir. Ich habe den Eindruck, daß nicht nur die Arbeitnehmerschaft, sondern auch die Gewerkschaften sehr genau wissen, wie stark wir vom Export abhängig sind. Sie haben mit dazu beigetragen, daß die deutsche Wirtschaft auch von den Kosten her wieder konkurrenzfähiger geworden ist.
Lassen Sie mich zum Abschluß noch einige wenige Worte zu der Europäischen Gemeinschaft sagen. Wir sehen mit großer Sorge, daß einzelne Länder - dies gilt insbesondere für den uns hier betreffenden Stahlbereich - Protektionismus, eine Subventionspolitik betreiben, die wir in dieser Form nicht mehr verantworten können.
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Hier fordern wir die Bundesregierung auf, alles zu tun, damit die deutsche Stahlindustrie keinen Nachteil erleidet.
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Insbesondere müssen wir daran denken, daß hier ja auch deutsche Arbeitsplätze in erheblichem Umfang gefährdet sind.
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Trotz der Bedenken, die ich soeben hinsichtlich dieser fünf Punkte erwähnt habe, bin ich optimistisch, daß sich die deutsche Exportwirtschaft in der Welt behaupten kann. Nicht zuletzt der soziale Konsens, so meine ich, den wir in der Bundesrepublik haben, ist die Grundvoraussetzung dafür, daß wir konkurrenzfähig sind.
({11})
Der soziale Konsens ist nicht nur ein wichtiger gesellschaftspolitischer, sondern vor allem auch - das sehen wir an der internationalen Konkurrenzsituation - ein wichtiger wirtschaftspolitischer Faktor.
- Ich danke Ihnen.
({12})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schwarz-Schilling.
({0})
- Ich höre, es soll eine kurze Intervention sein. Danach treten wir in die Mittagspause ein, Herr Kollege Löffler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war sehr erfreulich, daß der neue Postminister hier heute seinen Einstand gegeben hat. Es wäre allerdings besser gewesen, wenn er der Debatte dann auch weiter gefolgt wäre
({0})
und nicht anschließend zu einer offensichtlich notwendigen Mittagspause geht. Er sollte sich auch nicht über die Kommentierungen seiner Berufung beklagen. Wenn vom Bundeskanzleramt entsprechende Bemerkungen gemacht werden, aus welchen Gründen man den früheren Finanzminister Matthöfer zum Postminister gemacht hat, dann darf man sich nicht beklagen, wenn es in entsprechender Weise wieder zurückschallt.
({1})
Meine Damen und Herren, ich begrüße es, daß der Postminister sich über die Rolle der Bundespost im
klaren ist mit einem Investitionsvolumen von über 20 % der gesamten deutschen Wirtschaft. Das zeigt natürlich, welche riesige Einflußmöglichkeit diese Institution hat und daß sich insbesondere auch der Postminister darüber im klaren sein muß, daß seine Doppelrolle als Zulassungsbehörde und Wettbewerber, vor allem im Endgerätebereich, gerade das nicht herbeigeführt hat, wovon er sprach, nämlich eine entsprechend große Exportfähigkeit der deutschen Industrie hervorzurufen.
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Denn gerade durch Einschränkungen im Sinne der Einheitstechnik der Bundespost gibt es ganze Bereiche von Endgeräten, die in Deutschland nicht verkauft werden können, aber sehr wohl im internationalen Bereich. Es ist für die deutsche Industrie sehr schwer, den Leuten draußen klarzumachen, daß sie etwas Gutes exportiert, was die Deutsche Bundespost nicht akzeptiert.
({3}) Das ist ein ganz wichtiger Punkt.
Zweiter Punkt. Der Postminister sprach von den großen Vorlaufmöglichkeiten in der Satellitentechnik im Sinne deutscher Spitzentechnologie. Ich kann nur sagen: Wir haben hier einen ganz großen Nachholbedarf. Der Postminister sollte sich da sehr schnell sachkundig machen in den Vereinigten Staaten oder in Kanada, wo er die Satellitentechnik nicht nur auf dem Reißbrett, sondern längst am Himmel sehen kann und wo das Zusammenwirken von verkabelten Städten und Satellitentechnik den großen Boom der Telekommunikation schon seit zwei, drei Jahren hervorgerufen hat, während wir in der Planungsphase sind und etwa in der zweiten Hälfte der 80er Jahre mit einem oder zwei Satelliten und kaum verkabelten Städten in entsprechenden Schwierigkeiten sein werden, diesen Boom wenigsten nachzuholen.
Lassen Sie mich einen dritten Punkt ansprechen: Glasfaser ist für uns eine außerordentlich interessante Technologie. Wir unterstützen alle Versuche, die die Deutsche Bundespost in diesem Bereich macht. Aber sie muß einmal Entwicklung und betriebssichere Technik unterscheiden. Das ist eine Entwicklung, die erst Mitte bis Ende der 80er Jahre einführungsreif ist und dann Jahrzehnte dauern wird. Was wir jetzt brauchen, ist eine gute Übergangskonzeption, nicht aber einschränkende Maßnahmen in der traditionellen Koax-Technik, die gerade den Mittelstand, die Bauindustrie, das Elektrohandwerk, in ihrer Existenz berühren und zu Recht aufs tiefste mißtrauisch machen. Hier handelt die Deutsche Bundespost bis heute in wesentlichen Punkten einer positiven Konjunkturentwicklung entgegengesetzt. Hier muß sie richtig handeln, um eine entsprechende Beschäftigung zu forcieren, sie muß den Übergang zu einer Glasfasertechnik möglichst reibungslos vollziehen und dazu das Fernmeldeanlagengesetz liberal und extensiv ausnutzen. - Ich danke Ihnen.
({4})
Meine Damen und Herren, nach einer Vereinbarung im Ältestenrat wird eine Mittagspause eingelegt. Der Bundestag tritt um 14 Uhr wieder zusammen.
Ich unterbreche die Sitzung.
({0})
Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
- Drucksachen 9/1631, 9/1641 Ich rufe die Dringlichen Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie auf. Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Stahl zur Verfügung.
Ich rufe die Dringliche Frage 1 des Abgeordneten Gerstein auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, den im Bundeshaushalt 1982 abgesicherten Bewilligungsbescheid für den THTR 300 in Höhe von 297,5 Millionen DM noch vor der Rückkehr des Bundesministers für Forschung und Technologie von seiner USA-Reise zu erteilen?
Herr Präsident, bevor ich die gestellten Fragen der Kollegen Gerstein, Bugl, Prangenberg und Lenzer beantworte, möchte ich gerne den Gesamtzusammenhang des Problems kurz beleuchten, weil das, glaube ich, wichtig für die dann zu beantwortenden Fragen ist.
Am 23. März 1982 sind, für den Bund und das Land Nordrhein-Westfalen unerwartet, vom Hersteller des THTR 300 zusätzliche Kosten in Höhe von rund 1 Milliarde DM über die bisherigen Gesamtkosten von 3 Milliarden DM hinaus angemeldet worden. Diese Mehrkosten werden auf erst jetzt quantifizierbare und bewertbare Auflagen aus der Abwicklung des bisherigen Genehmigungsverfahrens zurückgeführt. Risiken aus dem weiteren Genehmigungsverfahren und der Inbetriebnahme sind in dieser 1 Milliarde DM nicht enthalten. Der momentane weitere Terminvollzug soll 13 Monate betragen. Die Bauzeit beträgt also insgesamt 164 Monate. Die Übergabe erfolgt somit erst am 1. Oktober 1985.
Mit der Anmeldung dieser Mehrkosten und der Betonung des offenen Endes ist das bisherige Finanzierungskonzept für 3 Milliarden DM hinfällig geworden. Die Voraussetzungen für staatlich verbürgte Darlehen in Höhe von 510 Millionen DM sind damit nicht mehr gegeben. Die so entstandene Finanzierungslücke von ca. 1,5 Milliarden DM wird das Projekt des THTR 300 vor die bisher wohl ernsteste Belastungsprobe in seiner langen Geschichte stellen.
Mit Fernschreiben vom 25. März 1982 hat der Bundesminister für Forschung und Technologie den Vorstandsvorsitzenden der VEW aufgefordert, im Rahmen seiner Gesamtverantwortung für das Projekt dem Bundesminister für Forschung und Technologie Vorstellungen über Realisierungsmöglich6020
keiten der Gesamtfinanzierung mitzuteilen. Auf diese Anforderung ist die beteiligte Wirtschaft bis heute nur in völlig unzureichender Weise und mit einem nicht realistischen Finanzierungskonzept eingegangen.
Dies deutet - lassen Sie mich dies als private Wertung hinzufügen - für mich darauf hin, daß das Interesse der am THTR 300 unmittelbar Beteiligten begrenzt ist.
Ich weise die Versuche mit Entschiedenheit zurück, der Bundesregierung für das mögliche Scheitern des Projekts den Schwarzen Peter zuzuschieben.
Richtig ist, daß zur Zeit die Finanzierung des Projekts nicht gesichert ist. Ehe sich nicht Perspektiven für eine neue Sicherung der Gesamtfinanzierung mit einer größeren Industriebeteiligung abzeichnen, wird der Bundesminister für Forschung und Technologie keine weiteren Mittel des Bundes bereitstellen. Der BMFT kann daher die bisher in der inzwischen überholten 3-Milliarden-DM-Finanzierung vorgesehene Schlußbewilligung in Höhe von 297,5 Millionen DM nicht freigeben.
Der Bundesminister für Forschung und Technologie, Andreas von Bülow, hat vor diesem Hause am 29. April 1982 gesagt - ich zitiere -:
Nach einem ersten Gespräch mit meinem Kollegen Jochimsen als Vertreter des an der Finanzierung beteiligten Landes Nordrhein-Westfalen werden wir in den nächsten Wochen nochmals Verhandlungen mit Industrie und Wirtschaft über die nur gemeinsam mögliche Finanzierung aufnehmen. Ich habe heute VEW aufgefordert, zunächst im Vorgriff auf eine umfassende Finanzierungsregelung selbst bisher bereits in Aussicht genommene Beiträge zum THTR 300, die im Rahmen der SNR-Finanzierung angeboten gewesen sind, jetzt einzusetzen. Damit könnte die Finanzierungssituation für den Verhandlungszeitraum entspannt werden.
So die Rede des Ministers vor dem Deutschen Bundestag.
In diesem Licht erscheint es mir als eine nicht verantwortbare Dramatisierung der Situation durch Betreiber und Hersteller, wenn sie das Projekt schon vor den eigentlichen Verhandlungsrunden am 18. und 21. Mai mit der Bundes- und Landesregierung dadurch gefährden, daß sie einen Vergabestopp verfügt haben. Die dadurch drohende Einschränkung der Montagearbeiten geht unter den gegebenen Umständen dann voll zu Lasten des Betreibers und des Herstellers.
Lassen Sie mich folgendes hinzufügen - dies ist eine erfreuliche Nachricht, die mich um 13.10 Uhr erreicht hat -: Der Vorstandsvorsitzende der BBC, Dr. Gassert, teilt mir mit, daß entgegen der bisherigen Annahme vom Hersteller im Einvernehmen mit dem Betreiber durch Umdisponierung, aber ohne weitere Gefährdung des Fertigstellungstermins bis zum 30. Juni 1982 ein Baustellenleerlauf verhindert wird. Daraus entsteht keine weitere Kostenerhöhung.
So der Vorstandsvorsitzende von BBC. Dies ist, glaube ich, eine erfreuliche Nachricht.
Ich komme jetzt zu der Antwort auf die Frage des Kollegen Gerstein. Der Bundesminister für Forschung und Technologie wird in etwa einer Stunde von seiner Amerikareise zurückkehren. Ich sehe beim gegenwärtigen Sachstand und vor Klärung weiterer Fragen mit der Wirtschaft keine Notwendigkeit und keine Möglichkeit, die Entscheidung über die letzte THTR-Bewilligung zu revidieren.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Gerstein.
Herr Staatssekretär, würden Sie nicht gerade die Mitteilung, die Sie vorhin gemacht haben, nämlich, daß es dem Betreiber und dem Hersteller durch Umdisponierung gelungen ist, die drohende Stillegung der Baustelle und den Abzug von Personal ab Montag zu verhindern, als einen sehr deutlichen Beweis dafür ansehen, wie ernst es der beteiligten Industrie mit der Weiterführung des Projekts und der Fertigstellung des Hochtemperaturreaktors ist, und legt nicht dies gerade nahe, den Bewilligungsbescheid möglichst schnell zu erteilen?
Herr Kollege Gerstein, ich stimme Ihnen in dem ersten Punkt zu, daß dies sicherlich zur Entspannung der Gesamtsituation führt und wir die Möglichkeit haben, mit allen Beteiligten bis zu dem hier in Rede stehenden Termin ernsthafte Gespräche über eine verstärkte Mitfinanzierung der Wirtschaft zu führen. Ob dies schon in dieser Form, wie Sie es dargestellt haben, als eine sehr positive Bewertung des gesamten Konzepts gelten kann, dies möchte ich mit aller Vorsicht etwas zurückhaltender formulieren.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Gerstein.
Herr Staatssekretär, würden Sie denn, wenn Ihnen noch etwas fehlt, um die Notwendigkeit der Weiterführung des HTR und die Ernsthaftigkeit aller daran Beteiligten sicherzustellen, die Vorschläge, die Anfang Mai von seiten der Industrie und der Betreibergesellschaft im Hinblick auf eine anteilmäßige Übernahme der zusätzlichen Kosten gemacht worden sind - diese Vorschläge dürften Ihnen bekannt sein -, und die letzten Endes dazu führen, daß von den Zusatzkosten, die über 3 Milliarden DM hinausgehen, auf die Bundesregierung bzw. das Bundesforschungsministerium nur noch etwa 367 Millionen DM in fünf Jahresraten entfallen, nicht doch als realistische Vorschläge für eine neue Gesamtfinanzierung ansehen und aus dieser Tatsache schlußfolgern können, daß es wenig hilfreich ist und im Grunde die Situation nur erschwert, wenn der Bewilligungsbescheid, der ja im Haushalt 1982 vorgesehen ist - von daher gesehen gibt es keine Schwierigkeiten -, weiterhin nicht erteilt wird?
Herr Kollege Gerstein, ich glaube, ich habe die Position des Bundesforschungsministers zu dem von Ihnen angesprocheParl. Staatssekretär Stahl
nen Thema nochmals unmißverständlich verdeutlicht. Er hat diese Position ja vor dem Deutschen Bundestag und vor dem Ausschuß für Forschung und Technologie dargelegt.
Ich kann Ihnen nicht zustimmen, wenn Sie sagen, daß 300 Millionen DM
({0})
- Entschuldigung, 367 Millionen DM -, die Sie genannt haben, als notwendiger Anteil an der Gesamtfinanzierung angesehen werden können. Ich glaube, daß es notwendig ist, Hersteller, vor allen Dingen künftige Betreiber und die an einer künftigen Hochtemperaturreaktorlinie interessierte Wirtschaft mit allem Ernst nochmals in Obligo zu nehmen und ihnen vor Augen zu führen, daß eine realistische Beteiligung der Industrie an den Mehrkosten erwartet wird.
Einzelsummen, Herr Kollege Gerstein, möchte ich hier nicht bewerten. Ich bin aber der Meinung, daß der von Ihnen genannte Betrag angesichts der Gesamthöhe, die zur Disposition steht, sicherlich nicht ausreicht.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Steger.
Herr Staatssekretär, können Sie mit Bezug auf Ihre Eingangsbemerkung dem Hause einmal darlegen, wie Termine und Kosten, die beim Betreiber entstehen, durch Ihr Haus kontrolliert werden, und können Sie insbesondere schildern, warum der von Ihnen am 12. Dezember 1979 eingesetzte unabhängige Projektbegleiter Ihr Haus nicht eher über die anstehenden Kostensteigerungen beim THTR unterrichtet hat?
Herr Kollege Steger, im Oktober hat in der Kernforschungsanlage Jülich ein Symposium stattgefunden, auf dem über die Thematik und über die Kostenentwicklung des Hochtemperaturreaktors gesprochen wurde. Sicherlich wurden begleitend auch Gespräche von dem von Ihnen angesprochenen Mitarbeiter meines Hauses geführt.
Ich darf Ihnen sagen, der Vorstandsvorsitzende von BBC hat auf diesem Symposium erklärt, daß es bei diesem Projekt keinerlei Schwierigkeiten gebe, da es zum größten Teil schon fertiggestellt sei. Zum damaligen Zeitpunkt war eine wesentliche Kostenerhöhung kaum vorauszusehen und demgemäß von ihr auch nicht die Rede.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Börnsen.
Herr Staatssekretär, bezogen auf die Vermutung des Kollegen Gerstein, daß die beteiligte Industrie, die Hersteller ein ernsthaftes Interesse an der Fertigstellung und dann auch Verwendung des THTR hätten, darf ich Sie fragen: Wie hoch ist bisher die Beteiligung der Herstellerindustrie und des Betreibers an den Kosten des THTR, und was wurde hiervon bisher bezahlt?
Herr Kollege Börnsen, ich kann Ihnen die Zahlen nennen. An den Gesamtkosten von 3 Milliarden DM - das ist die Ausgangsposition, als die Finanzierung voll gesichert war, bevor also diese neue Situation entstanden ist - waren die Hersteller mit insgesamt 133 Millionen DM gleich 4,4 % - davon sind 60 Millionen DM gleich 2 % bezahlt - und der Betreiber mit insgesamt 90 Millionen DM gleich 3 % - davon sind 1,7 % bezahlt - beteiligt.
Lassen Sie mich hinzufügen: Ich zähle die bisher geplante Fremdmittelaufnahme in Höhe von 500 Millionen DM bewußt nicht zu den Eigenleistungen des Betreibers, da dieser Betrag voll vom Staat verbürgt werden soll und deshalb das Risiko für den Betreiber gleich Null ist.
Der Bund hat sich etwa im gleichen Zeitraum an den Kosten mit über 1 Milliarde DM beteiligt.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Laufs.
Herr Staatssekretär, darf ich hinsichtlich Ihrer Bemerkung über die im März bekanntgewordenen unerwarteten Mehrkosten fragen: Trifft es zu, daß Beamte Ihres Hauses auf die frühzeitig vorgebrachten konkreten Hinweise, es sei beim THTR 300 zu Kostenerhöhungen gekommen, erwidert haben, daß es in der derzeitigen Situation besser sei, hierzu keine Aussagen zu machen?
Herr Kollege Laufs, ich kann nicht bestätigen, was Sie darstellen. Ich möchte nochmals auf das verweisen, was der Bundesminister für Forschung und Technologie vor dem Ausschuß für Forschung und Technologie des Deutschen Bundestages zu diesem Problem insgesamt gesagt hat, und was er dann vor dem Deutschen Bundestag nochmals präzisiert hat.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Kübler.
Herr Staatssekretär, ist die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen an den Überlegungen der Bundesregierung zur Lösung der Finanzprobleme beteiligt, und würde die Bundesregierung eine Unterstützung des Landes BadenWürttemberg, wo die Herstellerfirma sitzt, in der Weise begrüßen, daß diese Firma auf Energieversorgungsunternehmen dahin gehend Einfluß nehmen solle, sich an der Finanzierung zu beteiligen?
Herr Kollege Kübler, wenn das Land Baden-Württemberg bereit wäre, sich an der Finanzierung zu beteiligen, wäre dies sicherlich eine sehr freundliche Geste. Im Zuge der Gespräche über eine Gesamtfinanzierung wird es notwendig sein, nochmals zu prüfen, ob das, was Sie hier vorgeschlagen haben, tatsächlich möglich ist. Sie wissen, daß die Länder bei der Finanzierung des Schnellen Brutreaktors, als wir einen Beitrag in Höhe von etwa einer Milliarde DM aus der Privatwirtschaft erhalten haben, keine unwesentliche Rolle gespielt haben.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Lenzer.
Herr Staatssekretär, ich darf mich auf Ihre Antwort auf die Zusatzfrage des Kollegen Dr. Laufs beziehen und Sie fragen, ob es zutrifft, daß der Vertreter des BMFT auf der Wirtschaftsministerkonferenz am 7. September 1981 auf die Frage, ob man hinsichtlich des THTR 300 zusätzliche Überlegungen in bezug auf dessen Finanzierung anstellen müsse, festgestellt hat, daß die Gesamtfinanzierung des THTR 300 sichergestellt sei und daß deswegen nicht auf ein stärkeres Engagement der Versorgungswirtschaft zurückgegriffen werden müsse.
Herr Kollege Lenzer, ich weiß nicht, welches Gespräch Sie hier im einzelnen ansprechen. Mit Sicherheit war aber zu dem genannten Zeitpunkt, im September 1981, beim THTR 300 keine Rede von einer Kostenerhöhung, als wir das Gesamtpaket der Brüterfinanzierung geschnürt haben. Wir sind damals davon ausgegangen, daß diese 3 Milliarden DM eine feste Summe seien, für die man den Reaktor erstellen könne. Es war sicherlich so - dies muß wohl einschränkend gesagt werden -, daß Preiserhöhungen nicht auszuschließen waren.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Catenhusen.
Herr Staatssekretär, Sie haben soeben das Problem der Brüterfinanzierung mit angesprochen. Deshalb meine Zusatzfrage: Wie will die Bundesregierung im weiteren Verfahren hinsichtlich der Finanzierungsprobleme sicherstellen, daß eine politische Entscheidung über die Zukunft beider Reaktorlinien - Hochtemperaturreaktor und Schneller Brüter - ermöglicht wird, und wie gedenkt die Bundesregierung, dabei auch sicherzustellen, daß durch geschaffene Fakten eine politische Bewertung der Chancen und Risiken beider Reaktorlinien durch den Deutschen Bundestag, die durch die Enquete-Kommission „Zukünftige KernenergiePolitik" vorbereitet werden soll, nicht dadurch unterlaufen wird, daß in der Zwischenzeit eine Reaktorlinie aus Finanzgründen stirbt?
Herr Kollege Catenhusen, die Bundesregierung geht davon aus - dies hat sie auch in der entsprechenden Kabinettsvorlage dargestellt und dies hat auch der Forschungsminister vor dem Ausschuß und vor dem Deutschen Bundestag dargestellt -, daß die beiden fortgeschrittenen Reaktorlinien fertiggestellt werden sollen. Der Bundesforschungsminister hat hinzugefügt, daß durch die jetzt in Aussicht genommene oder uns angemeldete Preissteigerung das Konzept der Finanzierung des THTR 300 natürlich in Frage gestellt ist. Dies habe ich eingangs auch für die Bundesregierung erklärt. Ich sehe derzeit keinen Zusammenhang zwischen der abschließenden Berichterstattung der Enquete-Kommission zum SNR 300 und der Finanzierung des THTR 300.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Bugl.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß das Projekt THTR 300 seit dem 12. Dezember 1979 von einem unabhängigen Projektbegleiter - ich meine damit die KFA Jülich - kontrolliert wird, und können Sie mir bestätigen, daß dieser Projektbegleiter an allen wesentlichen Projektgesprächen mit dem Betreiber, mit dem Hersteller und den Gutachtern teilgenommen hat und somit voll über die terminlichen Planungen und damit natürlich auch über den Kostenstand informiert war?
Herr Kollege Bugl, ich kann Ihnen das bestätigen, was ich auf die Frage eines Ihrer Vorredner, bezogen auf den Zeitpunkt September 1981, gesagt habe.
Ich kann weiterhin bestätigen, daß Mitarbeiter unseres Hauses, die ein großes Interesse an diesem Projekt haben, an den entscheidenden Beratungen über dieses Projekt teilnehmen. Ich kann, was die Kostenentwicklung insgesamt betrifft, natürlich auch bestätigen, daß diese bei uns im Hause sehr verantwortlich verfolgt wird.
Herr Kollege Bugl, eines kann ich Ihnen allerdings natürlich nicht bestätigen: wenn Sie damit verbinden, daß es unserem Hause bekannt war, daß Mehrkosten in Höhe von etwa 1,5 Milliarden DM im Raum stehen. Das kann ich Ihnen beim besten Willen nicht bestätigen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Maaß.
Herr Staatssekretär, wann hat der Projektbegleiter den Bundesminister für Forschung und Technologie das erste Mal über die drohenden Terminverzögerungen und Kostenerhöhungen unterrichtet, und warum hat der Bundesminister für Forschung und Technologie daraus keine Konsequenzen gezogen?
Herr Kollege Maaß, ich verweise nochmals auf das Protokoll. über die Sitzung des Ausschusses für Forschung und Technologie und auf die Rede des Bundesministers. Ich glaube, ich brauche mich hier in dieser Frage nicht zu wiederholen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Neuhaus. Ich glaube, meine Damen und Herren, dann sollten wir es mit Zusatzfragen bewenden lassen.
Bitte, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, darf auch ich unter Bezugnahme auf Ihre Antwort an den Kollegen Dr. Laufs Sie noch einmal fragen, ob nicht zumindest Mitte Oktober 1981 Ihrem Hause Mehrkosten - wenn auch nicht in der heutigen Höhe - bekannt waren und es damals Beamten Ihres Hauses inopportun schien, diese Tatsache im Hinblick auf die gerade laufenden Finanzierungsverhandlungen zum SNR 300 zur Sprache zu bringen?
Herr Kollege Neuhaus, es ist richtig, daß mit einem Mitarbeiter unseres Hauses etwa zu dem Zeitpunkt, den Sie angesproPari. Staatssekretär Stahl
chen haben, darüber gesprochen wurde oder ihm zumindest in Aussicht gestellt wurde, daß Kostenerhöhungen von etwa 200 bis 300 Millionen DM für das gesamte Projekt anstehen. Von mehr, Herr Kollege Neuhaus, war nie die Rede. Aber diese Kosten wurden auch nicht begründet. Ich bitte um Verständnis, daß der Bundesminister für Forschung und Technologie nur dann über zusätzliche Kosten reden kann, wenn ihm diese Kosten vom Betreiber wirklich angemeldet werden. Auf einer solchen Grundlage Spekulationen über die Finanzierung anzustellen oder Finanzierungsfragen dem Bundestag zur Beratung vorzulegen, scheint mit nicht der richtige Weg zu sein.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Vosen.
Herr Staatssekretär, es gibt böse Zungen, die sagen, der Hochtemperaturreaktor in Schmehausen werde niemals einen Nachfolger erhalten; er sei dann, wenn er in Betrieb gehe, schon ein Museumsstück, um elektrischen Strom zu erzeugen.
Herr Abgeordneter, darf ich bitten, eine Frage zu stellen!
Meine Frage: Ist es unter diesem Aspekt, wenn dies stimmen sollte, überhaupt noch sinnvoll, rund 1,5 bis 2 Milliarden in dieses Projekt zu stecken? Damit auch die konkrete Frage: Ist es dann überhaupt noch sinnvoll, 297,5 Millionen DM, die jetzt gesperrt worden sind, freizugeben?
Herr Kollege Vosen, der Bundesminister hat hier vor dem Deutschen Bundestag - bitte haben Sie Verständnis dafür, daß ich mich auf diese, glaube ich, sehr offene Rede beziehe, die die ganze Problematik auch des THTR 300 dargelegt hat - zu diesem Punkt ausgeführt, daß wir natürlich davon ausgehen müssen und auch davon ausgehen, daß das Interesse der einschlägigen Wirtschaft an einer derartigen Reaktorlinie vorhanden sein muß. Es ist Ihnen bekannt, daß der Bundesminister für Forschung und Technologie gemeinsam mit dem Minister für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf ein Symposium zur gesamten Hochtemperaturreaktortechnik durchgeführt hat. Es gibt sicherlich Interessenten, die - bei allen Einschränkungen - der Meinung sind, daß eine derartige Reaktorlinie künftig am Markt bestehen kann.
Ich bin der Meinung, daß man diese schwierige Frage noch sehr eingehend prüfen muß, um zu einem abschließenden Ergebnis zu kommen. Eines aber, Herr Kollege Vosen, darf ich hier vor dem Deutschen Bundestag erklären: Es ist natürlich notwendig, daß die an dieser Reaktorlinie interessierte einschlägige Industrie jetzt endlich einmal sagt, in welcher Form, mit welcher Beteiligung und in welchen Sparten der Wirtschaft eine derartige Reaktorlinie nach ihrer Einschätzung einsetzbar ist.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Dringliche Frage 2 des Abgeordneten Dr. Bugl auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß als Folge der Nichterteilung des Bewilligungsbescheids mehrere hundert Beschäftigte bereits ab Montag, dem 17. Mai 1982, von der Baustelle abgezogen werden?
Herr Kollege Bugl, es ist der Bundesregierung bekannt, daß nach Angaben des Herstellers ein Abzug von mehreren hundert Beschäftigten von der Baustelle ab Montag, dem 17. Mai 1982, drohte. Der Bundesminister für Forschung und Technologie hat deshalb die HKG aufgefordert, im Rahmen der SNR-300-Finanzierung bereits zugesagte Beiträge in Höhe von 135 Millionen DM jetzt einzusetzen, um diese Folgen abzuwenden. Die HKG ist hierauf bisher nicht eingegangen.
Nach der eingangs erwähnten jüngsten Erklärung des BBC-Vorstandsvorsitzenden - die wohl in Absprache mit dem Vorstandsvorsitzenden von VEW abgegeben worden ist - hat sich die Situation auf der Baustelle aber entspannt.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Bugl, bitte.
Herr Staatssekretär, heißt das, daß die Herstellerfirma das Bestellrisiko jetzt zumindest für einen bestimmten Zeitraum übernimmt und daß die Betreibergesellschaft die laufenden Verpflichtungen übernimmt? Denn es geht hier ja einmal um das Bestellrisiko, dann aber auch um die laufenden Verpflichtungen, die offen sind.
Herr Kollege Bugl, wenn ich die Aussage des Herrn Dr. Gassert richtig verstanden habe, ist es so, daß es durch Umdisponierung, aber ohne Gefährdung des Endtermins und ohne Kostensteigerung möglich ist, dieses Problem bis zum 30. Juni offenzulassen, um bis dahin eine dementsprechende einvernehmliche finanzielle Regelung zu treffen.
Herr Kollege Bugl, in der Frage, wie dies im einzelnen innerhalb der hier in Rede stehenden Unternehmen erfolgt, bin ich - dafür bitte ich Sie um Verständnis - im Moment überfragt.
Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Bugl.
Herr Staatssekretär, wie lange gedenkt denn die Bundesregierung den Bewilligungsbescheid zurückzuhalten?
Herr Kollege Bugl, ich beziehe mich auf das vorher zu diesem Punkt Gesagte; ich möchte mich nicht wiederholen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Laufs.
Herr Staatssekretär, welche Bemühungen oder Zusagen hat die Bundesregierung hinsichtlich der Genehmigung und auch der staatlichen Finanzierung gegenüber der Industrie in Aussicht gestellt, bevor Hersteller und Betreiber be6024
schlossen, die Bauarbeiten auf jeden Fall bis zum 30. Juni fortzusetzen?
Herr Kollege Laufs, wir haben keine Zugeständnisse gemacht, sondern es haben Gespräche stattgefunden. Auch ich selber habe ein Gespräch geführt. Darin habe ich sehr ernsthaft darauf aufmerksam gemacht, daß bei einem so großen Projekt und bei für Neubestellungen geltenden Vorlaufzeiten von zwei Jahren und mehr eine derart kurz andauernde Situation eigentlich nicht dazu führen kann, die Mitarbeiter auf der Baustelle abzuziehen. Denn man kann j a auch erwarten, daß Hersteller und Betreiber hierbei ein gewisses Risiko übernehmen. Dies ist geschehen, was ich gern als positiv bewerte.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Steger.
Herr Staatssekretär, ist Ihrem Hause bekannt, wieviel Genehmigungen und Auflagen noch ausstehen und ob von daher überhaupt ein zügiger Weiterbau des Hochtemperaturreaktors gewährleistet ist?
Herr Kollege Steger, mir wird hier von meinen Mitarbeitern soeben zugeflüstert: Zwei TEGs und sieben Ergänzungen stehen noch aus.
Ist damit ein Weiterbau gewährleistet, oder ergeben sich allein aus der Genehmigungssituation Verzögerungen?
Herr Kollege Steger, aus der Genehmigungssituation ergibt sich, wenn ich es richtig sehe, für den speziellen Bereich keine weitere Verzögerung. Es ist aber, wie ich glaube, unbestritten - Sie kennen j a das Papier, das die Hersteller und Betreiber dem Ausschuß für Forschung und Technologie und damit auch Ihnen vorgelegt haben -, daß hier natürlich auf den Punkt des Genehmigungsverfahrens im besonderen abgehoben wird.
Es wird notwendig sein, dieses Thema einmal ernsthaft unter allen Beteiligten zu erörtern und vielleicht auch zu prüfen, in welcher Form man eventuell eine Beschleunigung vornehmen kann, ohne daß in irgendeiner Form Sicherheitseinbußen zu erwarten wären.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Kübler.
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung meine Auffassung, daß durch die jetzige Situation Arbeitsplätze bei der Herstellerfirma HRB nicht gefährdet sind?
Herr Kollege Kübler, ich kann das nicht mit Ja oder Nein beantworten. Ich kann nur sagen, daß die Arbeiten dort bis zum 30. Juni fortgesetzt werden. Ich gehe davon aus, daß bis zu diesem Zeitpunkt bezüglich der Gesamtfinanzierung ein sehr befriedigendes Ergebnis vorliegt. Wenn das nicht der Fall ist, Herr Kollege Kübler, dann kann ich das, was Sie hier angesprochen haben, nicht mehr ausschließen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Leuschner.
Herr Staatssekretär, bei beiden fortgeschrittenen Reaktorlinien sind Finanzierungsschwierigkeiten eingetreten. Gibt es nicht doch eklatante Unterschiede bei der Behandlung dieser beiden Reaktorlinien seitens der Bundesregierung, und worauf sind diese eventuell zurückzuführen?
Herr Kollege Leuschner, es gibt keine eklatanten Unterschiede bezüglich der Beachtung oder der Befürwortung dieser Reaktorlinien. Aber es gibt unter den Sachverständigen aus dem Bereich der Wirtschaft und aus anderen Bereichen natürlich durchaus differenzierte Meinungen. Ich möchte hier nochmals mit allem Ernst auf die Aussage des Bundesforschungsministers in der letzten Debatte des Deutschen Bundestages zu diesem Tagesordnungspunkt verweisen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Lenzer.
Herr Staatssekretär, können Sie zum besseren Verständnis einmal sagen, wieviel Prozent der gesamten Bauaktivitäten bis zur Fertigstellung noch ausstehen, wenn, wie Sie gesagt haben, noch zwei Teilerrichtungsgenehmigungen und sieben Ergänzungsgenehmigungen zu erwarten sind?
Herr Kollege Lenzer, bisher ist ein Auftragsvolumen von etwa 2 030 Millionen DM verfügt worden. Es hängt jetzt natürlich davon ab, wie sich die Kosten insgesamt entwickeln. Ich glaube, man kann das hier jetzt nicht ganz klar darstellen.
Meine Damen und Herren, ich glaube, ich habe die Geschäftsordnung, was die Fragestellungen anbelangt, sehr großzügig gehandhabt. Ich bitte, sich bei Ihren Zusatzfragen auf die ursprünglich gestellte Frage zu konzentrieren.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Catenhusen.
Herr Staatssekretär, wie will die Bundesregierung den Vorwurf einer gewissen Bevorzugung des Schnellen Brüters entkräften, der dadurch aufkommen muß, daß sie beim Schnellen Brüter in Kalkar alles unternommen hat - ich betone: alles -, um bei der damaligen ungeklärten Finanzierungssituation einen Baustopp zu verhindern, während sie in den letzten Wochen zumindest die Möglichkeit eines Baustopps in Schmehausen in Kauf nimmt?
Herr Kollege Catenhusen, ich verstehe Ihre Frage nicht richtig. Sie haben von „alles" gesprochen. Dem muß ich widersprechen. Sie wissen, daß die Bundesregierung in der damaligen Situation der Privatwirtschaft eine Kostenbeteiligung von über einer Milliarde DM abgefordert hat.
Dem hat die Energiewirtschaft entsprochen. Es kann also keine Rede davon sein, daß, wie Sie es hier angesprochen haben, die Bundesregierung eine der Reaktorlinien stiefmütterlicher behandelt hätte als die andere. Dem muß ich mit allem Ernst widersprechen. Sie entsinnen sich sicherlich noch der Gespräche im Ausschuß für Forschung und Technologie und der Berichte der Bundesregierung zu diesem Punkt, die die von Ihnen jetzt gemachte Aussage nicht bestätigen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Neuhaus.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß mit dem Wort „Umdisposition" nur finanzielle Umdispositionen gemeint sind, und besteht dann nicht die Gefahr, daß, nachdem offensichtlich seitens der Industrie Mittel für den SNR 300 zugesagt sind, diese jetzt zur Überbrückung verwendet werden und dadurch nachträglich, falls Ihr Haus den letzten Bewilligungsbescheid nicht erteilt, dort ein neues Loch aufgerissen wird?
Herr Kollege Neuhaus, zu diesem Punkt hat der Herr Bundesminister unmißverständlich in Ihrer Gegenwart vor dem Ausschuß für Forschung und Technologie Rede und Antwort gestanden. Ich bitte Sie, das Protokoll noch einmal nachzulesen. Ich glaube, es hat keinen Zweck, daß ich mich hier laufend wiederhole. Ich möchte die Position des Bundesministers für Forschung und Technologie, wie er sie damals vor dem Ausschuß und auch im Plenum unmißverständlich dargestellt hat, hier nicht laufend wiederholen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Börnsen.
Herr Staatssekretär, angesichts einer Kostensteigerung von 1 Milliarde DM - nach oben offen - frage ich Sie: Halten Sie auf Grund der bisherigen Kostenanteile, die auf den Bundeshaushalt zukommen würden, die Annahme für realistisch, diese Kosten aus dem Haushalt decken zu können, oder ist es unabdingbar, daß sich die Wirtschaft und die interessierten Betreiber in einem erheblich größeren Umfange an den Mehrkosten beteiligen, als das bisher der Fall war?
Herr Kollege Börnsen, ich habe Ihre Zusatzfrage eigentlich schon beantwortet. Ich will aber noch einmal hinzufügen, daß wir davon ausgehen und die Erwartung aussprechen, daß sich die deutsche Energiewirtschaft, die Gaswirtschaft und alle an einer THTR-Linie interessierten Industriezweige endlich erklären und ihre Verantwortung für eine derartige Reaktorlinie in unserem Lande mittragen, um das Projekt nicht zu gefährden.
Keine weiteren Zusatzfragen mehr.
Ich rufe die Dringliche Frage 3 des Abgeordneten Prangenberg auf:
Ist sich die Bundesregierung bewußt, daß diese Zurückhaltung des Bewilligungsbescheids zu einem Vergabestopp und zur Stillegung der Baustelle bereits in den nächsten Wochen führen wird?
Bitte, Herr Staatssekretär.
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Herr Kollege Prangenberg, die Bundesregierung ist sich bewußt, daß ohne die Freigabe zusätzlicher Mittel an BBC/HRB teilweise Arbeitseinschränkungen eintreten können. Das Problem ist aber im Moment, wie eben schon sehr deutlich dargestellt, nicht akut.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Prangenberg.
Herr Staatssekretär, auf dem Hintergrund dieser Aussage möchte ich Sie doch einmal fragen: Wieso hat die Bundesregierung eigentlich ihren Bewilligungsbescheid zurückgehalten, wenn das Land Nordrhein-Westfalen bei gleicher Ausgangslage - auch diese Daten waren ja dem Land Nordrhein-Westfalen bekannt - seine finanziellen Verpflichtungen zu erfüllen bereit ist, und wäre es nicht sinnvoller gewesen, wenn die Bundesregierung vor der Rücknahme des Bewilligungsbescheides ein Einvernehmen mit dem besonders an dieser Linie interessierten Lande Nordrhein-Westfalen herbeigeführt hätte?
Herr Kollege Prangenberg, zwischen der Bundesregierung und dem Land Nordrhein-Westfalen gibt es bei diesem Projekt schon seit vielen Jahren eine einvernehmliche Zusammenarbeit und eine Abstimmung. Aber wenn Sie darauf anspielen, daß der Bundesforschungsminister bei dieser exorbitanten Preissteigerung von über einer Milliarde DM, die ihm ins Haus geschickt wurde, die Summe letztlich freigeben sollte, ohne damit das Problem der Gesamtfinanzierung nochmals anzusprechen und ernsthaft zu diskutieren sowie zu versuchen, eine höhere Mitbeteiligung zu erreichen, dann sage ich: Letzteres war wohl notwendig, denn der Forschungsminister kann eine Summe in der hier vorgetragenen Höhe unmöglich aus seinem Haushalt in den nächsten Jahren allein finanzieren. Sie wissen - lassen Sie mich das salopp hinzufügen -, es ist oftmals sehr schwierig auch für nichtige Dinge, an anderer Leute Geld zu kommen. Das wissen wir auch aus dem privaten Bereich.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte, Herr Abgeordneter Prangenberg.
Herr Staatssekretär, würden Sie in diesem Zusammenhang der Aussage des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Rau zustimmen, der j a in mehreren Stellungnahmen deutlich gemacht hat, er vermute, das BMFT habe auf Grund dieser Haltung der Bundesregierung hinsichtlich der Förderung der fortgeschrittenen Reaktorlinien offenbar nur für den SNR 300 eine besondere Präferenz?
Herr Kollege Prangenberg, ich weiß nicht, ob Sie den Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen richtig zitieren. Mit liegt hier der Kabinettsbeschluß vor, den ich Ihnen gerne vorlesen würde. Er ist aber verhältnismäßig lang; er umfaßt vier Punkte. Aus diesem Kabinettsbeschluß, der veröffentlicht wurde, ist ersichtlich, daß der Ministerpräsident den Landes Nordrhein-Westfalen und die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen mit der Bundesregierung einhellig der Meinung sind, daß sich die Privatwirtschaft stärker bei der Finanzierung derartiger Reaktorlinien, also auch dieser Reaktorlinie engagieren sollte.
Ich darf ohne Kritik hinzufügen, daß der Oppositionsführer im Landtag Ausführungen gemacht hat, die ich hier nicht nachvollziehen kann, indem er sagte, auch Milliarden an Mehrkosten mußten durch die öffentliche Hand finanziert werden, wenn ich das richtig verstanden habe. Dem kann ich nicht zustimmen, Herr Kollege Prangenberg. Ich darf nochmals hinzufügen: Es gibt keine Meinungsverschiedenheiten oder unterschiedliche Einschätzungen in dieser Sache.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Kübler.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß unmittelbar nach Bekanntwerden der Dimension der Finanzierungslücke engste Kontakte mit der nordrhein-westfälischen Landesregierung stattgefunden haben, daß Sie diese fortsetzen werden und daß Sie davon ausgehen, gemeinsam mit dem Land Nordrhein-Westfalen eine Lösung zu finden?
Herr Kollege Kübler, Bundesminister von Bülow hat bereits am 28. April ein Gespräch mit seinem Kollegen Jochimsen geführt. Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat ihrerseits auch wieder inzwischen alle künftigen Nutzer des THTR aufgefordert, sich rasch und unmißverständlich zum Stellenwert des HTR und zu ihrem Engagement hierfür zu äußern. Es werden auch weiterhin Gespräche mit Nordrhein-Westfalen geführt. Ich sage aber offen: Jetzt ist vor allen Dingen die Wirtschaft gefordert.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Gerstein.
Herr Staatssekretär, sind Ihre Bemerkungen und Ihre Wünsche betreffend eine höhere Beteiligung der Wirtschaft und auch von Unternehmen, die bisher nicht an dem Bau des HTR beteiligt waren, so zu verstehen, daß Sie jetzt ein Junktim zwischen der Erteilung des Bewilligungsbescheides und der Beteiligung von Unternehmen konstruieren, die bisher eben nicht an dieser Angelegenheit beteiligt waren?
Herr Kollege Gerstein, Sie können das so sehen. Aber die Bundesregierung geht davon aus und erklärt, daß eine höhere Beteiligung der Energiewirtschaft und der interessierten Industrie notwendig ist, um dieses große Finanzvolumen, das hier neu auf den Bund, die öffentliche
Hand zukommt und das nicht nur von einer Seite getragen werden kann, aufzubringen. Dies, glaube ich, muß unmißverständlich Herstellern und Betreibern und auch künftigen Interessenten gesagt werden: daß sie sich jetzt endlich erklären müssen. Dies scheint mir notwendig.
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- Das habe ich nicht bestätigt. Aber es gibt natürlich Zusammenhänge, Herr Kollege Gerstein.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Steger.
Herr Staatssekretär, mit Bezug auf Ihre Antwort auf die zweite Zusatzfrage des Kollegen Prangenberg frage ich Sie: Können Sie dem Hause darlegen, was der Unterschied zwischen der Finanzierungslücke beim Schnellen Brüter und beim Hochtemperaturreaktor war - was ja im einen Fall, nämlich beim Brüter, dazu geführt hat, daß Sie durch Zwischenfinanzierung eine Stillegung der Baustelle oder einen Vergabestopp vermieden haben, während sich beim Hochtemperaturreaktor Ihr Haus dazu nicht in der Lage sieht? Es geht also um diesen Unterschied in der Behandlung von Brüter und Hochtemperaturreaktor.
Herr Kollege Steger, ich glaube, daß Sie in Ihrer Einschätzung einer Fehlinterpretation unterliegen. Wenn Sie den Vorgang der zusätzlichen Finanzierung durch die Wirtschaft beim Brüter und beim Hochtemperaturreaktor verfolgen, werden Sie gewisse Parallelen feststellen. Ich glaube, bei den Zahlen, die uns j a vorliegen und die ich nicht noch mal aufführen will - sie sind Ihnen j a bekannt -, ist es notwendig, daß die einschlägige Wirtschaft jetzt unmißverständlich erklärt, daß sie sich an dieser Kostensteigerung beteiligt; lassen Sie micht hinzufügen: verstärkt beteiligt.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Bugl.
Herr Staatssekretär, ist sich die Bundesregierung darüber im klaren, daß die Art, wie der BMFT in den letzten Wochen und Monaten den Fall THTR behandelt hat, Einfluß auf die Personaldisposition des Herstellers und seiner Unterlieferanten haben muß und daß damit über viele Jahre erworbenes Know-how verlorengehen könnte?
Herr Kollege Bugl, ich muß es zurückweisen, wenn Sie dem Bundesforschungsminister hier im Plenum unterstellen, er sei an dieser Entwicklung schuld.
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Da muß ich offen widersprechen. Der Sachverhalt ist Ihnen bekannt. Wir haben im Ausschuß für Forschung und Technologie und im Plenum des Deutschen Bundestages von seiten der Bundesregierung die Position unmißverständlich dargestellt. Ich glaube, daß bei derartigen Dispositionen die einschlägige
Wirtschaft nicht aus der Verantwortung entlassen werden kann.
Lassen Sie mich hinzufügen: Bei einem derartigen Auftragsvolumen von über 3 Milliarden DM muß es möglich sein, im organisatorischen Bereich einiges zu bewegen, wenn ein Bewilligungsbescheid nicht auf den Tag, den man sich wünscht, genau eintrifft. Herr Bugl, bevor ich Abgeordneter des Bundestages wurde und im Ministerium tätig wurde, war ich in der Privatindustrie. Ich kann Ihnen sagen: In meinem Geschäftsbereich, den ich kenne, war dies allgemein üblich. Nur über den Zeitraum insgesamt könnte man sich sicher streiten.
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Ich weise also eine Unterstellung, der Forschungsminister sei hier an allem schuld, zurück.
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Letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Laufs.
Herr Staatssekretär, was tut die Bundesregierung, um der möglichen öffentlichen Fehlinterpretation der Zurückhaltung des Bewilligungsbescheides als eines Ausstiegs aus der THTR 300-Entwicklung und damit einer Verschlechterung der Aussicht auf eine weitere Finanzierung durch die Industrie entgegenzutreten?
Herr Kollege Laufs, ich verweise auf die Ausführungen, die ich soeben gemacht habe. Ich habe hier im übrigen einen Zettel vor mir liegen, in dem der Präsident darum gebeten hat, Fragen kürzer zu beantworten. Ich möchte mich nicht wiederholen.
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Keine weiteren Zusatzfragen mehr.
Ich rufe die Dringlichkeitsfrage 4 des Herrn Abgeordneten Lenzer auf:
Unter welchen Bedingungen gedenkt die Bundesregierung, die im Bundeshaushalt 1982 verfügbaren Mittel in Höhe von 297,5 Millionen DM unverzüglich freizugeben, um die drohende Schließung der Baustelle des THTR 300 zu verhindern?
Herr Kollege Lenzer, Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Die Bundesregierung kann die restliche Bewilligung in Höhe von 297,5 Millionen DM im Rahmen der bisher angegebenen Gesamtkosten von 3 Milliarden DM erst freigeben, wenn sich die weitere Kostenentwicklung des Projekts THTR 300 genauer abschätzen läßt und sich auf dieser Basis die konkrete Möglichkeit einer neuen Gesamtfinanzierung abzeichnet. Dies bedeutet, daß sich die beteiligte und am HTR interessierte Wirtschaft an den Kosten stärker beteiligt. Beide Aufgaben werden zur Zeit intensiv bearbeitet und verhandelt.
Zusatzfrage des Abgeordneten Lenzer.
Herr Staatssekretär, wäre es in der augenblicklichen Situation nicht wesentlich günstiger, wenn durch die sofortige Freigabe des Bewilligungsbescheides wieder Verhandlungsspielraum gewonnen werden könnte, zumal die Tranche in der Haushaltsplanung des Jahres 1982 ja durchaus abgesichert ist?
Ich bin nicht Ihrer Einschätzung, daß das günstiger sei. Ich bin vielmehr der Meinung, daß der Weg, den die Bundesregierung hier durch den Forschungsminister beschritten hat, die einzig realistische Chance ist, das Ziel tatsächlich zu erreichen.
Zweite Zusatzfrage, bitte, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, würden Sie angesichts der Bedingungen, unter denen eine solche große kerntechnische Anlage nur errichtet werden kann, auch dafür Sorge tragen, daß weitere Hemmnisse durch eine Straffung des atomrechtlichen Genehmigungsverfahrens, das insbesondere auch den neuen Charakter des Prototyps berücksichtigt, beseitigt werden können?
Herr Kollege Lenzer, Sie sprechen, glaube ich, ein wichtiges Problem an. Dies ist ja in der Darstellung, der Dokumentation der Hersteller und Betreiber im besonderen aufgeführt. Ich sehe mich aber nicht in der Lage, hier ja oder nein zu sagen. Vielmehr wird die Bundesregierung über diesen Punkt ernsthafte Gespräche mit allen Beteiligten führen. Ich will aber hinzufügen, daß ich nicht der Meinung bin, daß das Atomgesetz deshalb in irgendeiner Art geändert werden müßte. Vielmehr kommt es hier auch auf den Mut, die Durchsetzungskraft und die Gesprächsfähigkeit der Hersteller an, das eine oder andere in dem oder in dem Sinne zu bewegen.
({0}) Dies scheint mir ein wichtiger Punkt zu sein.
Weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Vosen.
Herr Staatssekretär, wenn es zu einer Schließung der Baustelle kommt, wenn es nicht gelingt, die Industrie zur Zahlung oder zur Mitbeteiligung an den Mehrkosten zu bewegen: Was hat Ihr Haus denn dann mit diesen 297,5 Millionen DM vor? Ist beabsichtigt, diese in den Schnellen Brüter zu stecken, oder ist beabsichtigt, die Reaktorlinie HTR damit weiterzuentwickeln?
Herr Kollege Vosen, die derzeitige Sitiation ist bis zum 30. Juni entspannt; dies habe ich dem Deutschen Bundestag soeben dargelegt. Es wird notwendig sein, in dieser Zeit sämtliche Chancen auszuloten, diese Reaktorlinie zum Erfolg zu führen. Dies ist, glaube ich, notwendig. Dies wird der Bundesforschungsminister gemeinsam mit der Landesregierung tun. Hier eine Prognose zu wagen oder Spekulationen auszusprechen - dem kann ich nicht folgen.
Weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Gerstein.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mit der Auffassung der Landesregierung Nordrhein-Westfalens, insbesondere des Wirtschaftsministers, überein, daß die Maßnahmen des Bundesforschungsministers, die Sie in der abgelaufenen Stunde hier vorgetragen haben, zu weiteren Mehrkosten für den THTR 300 führen werden?
Herr Kollege Gerstein, seien Sie mir nicht böse: Ich habe die Frage nicht verstanden.
Ich kann sie gern wiederholen.
({0})
- Mit Erlaubnis des Präsident wiederhole ich die Frage gern. Meine Frage war, ob Sie mit der Feststellung und Befürchtung der Landesregierung Nordrhein-Westfalens,
({1})
insbesondere der vom Wirtschaftsminister, Herrn Jochimsen, in den Verhandlungen mit Herrn von Bülow
({2})
getroffenen Feststellung übereinstimmen, wonach die Maßnahmen, die Sie hier geschildert haben, dazu führen werden, daß der THTR 300 sich noch über die bereits jetzt feststehenden Kosten hinaus verteuern kann.
Herr Kollege Gerstein, es ist Ihnen bekannt, daß selbst bei der uns von den Betreibern und Herstellern avisierten Kostenrechnung oder Kostenhochrechnung bei 4 Milliarden DM das Ende noch offen ist. Ich kann also heute nicht übersehen, wie teuer er wirklich wird. Eines kann ich Ihnen bestätigen: daß es ernsthafte Gespräche zwischen dem Minister für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr, Herrn Professor Jochimsen, und dem Bundesforschungsminister gibt und daß es in der Gesamtbetrachtung keine Differenzen gibt.
Meine Damen und Herren, ich lasse nur noch eine Zusatzfrage zu, und zwar die Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Laufs. Ich glaube, dann ist der Fragenkomplex hinlänglich behandelt.
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Bitte, Herr Abgeordneter!
Herr Staatssekretär, habe ich Ihre Antwort auf eine Zusatzfrage des Kollegen Lenzer richtig dahin gehend verstanden, daß die Bundesregierung im Hinblick auf eine Straffung des atomrechtlichen Genehmigungsverfahrens die Notwendigkeit der Novellierung des Atomgesetzes nicht ausschließt?
Herr Kollege Laufs, ich verweise auf die Aussage der Bundesregierung, speziell des federführenden Innenministers, zu diesem Thema hier vor dem Deutschen Bundestag.
Ich bedanke mich, Herr Staatssekretär.
({0})
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Grüner zur Verfügung. Die Frage 71 des Abgeordneten Hansen wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 72 des Abgeordneten Peter auf:
Ist es zutreffend, daß die Bundesregierung beabsichtigt, für Kriegswaffenexporte nach Malaysia und Indien Hermes-Bürgschaften zu erteilen?
Die Bundesregierung behandelt in Übereinstimmung mit der Praxis anderer Exportländer ihre Verbürgungspolitik gegenüber einzelnen Ländern im allgemeinen vertraulich. Ich kann Ihnen deshalb lediglich mitteilen, daß Malaysia und Indien für die Lieferung von jeweils zwei Kriegsschiffen Bundesbürgschaften gewährt worden sind. Für diese Entscheidungen waren in erster Linie risikopolitische und haushaltsrechtliche Gründe maßgebend. Angesichts der Wirtschafts- und Transferkraft beider Länder erschien die Indeckungnahme der Schiffslieferungen vertretbar, zumal für diese Geschäfte Barzahlungsbedingungen vereinbart sind. Bei der Entscheidung wurde zudem die außerordentliche Bedeutung der Vorhaben für die Beschäftigungs- und Auftragslage der deutschen Werftindustrie berücksichtigt.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Peter.
Herr Staatssekretär, können Sie noch einmal knapp sagen, welches Risiko aus welchen Gründen bei dem angesprochenen Exportproblem in bezug auf Malaysia abgesichert werden sollte.
Wie bei allen großen Anlagegeschäften: das Risiko, daß sich in der Zeit des Baus einer solchen Anlage - z. B. eines Schiffes - bis zur Lieferung die Verhältnisse in einem solchen Land ändern. Ich betone noch einmal: Es handelt sich um ein Barzahlungsgeschäft.
Zweite Zusatzfrage? - Bitte, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, gibt es irgendwelche Grundsätze für die Absicherung über die Gewährung von Hermes-Bürgschaften bei Kriegswaffenexporten?
Alle derartigen Anträge werden im Einzelfall unter Berücksichtigung der finanziellen Situation des Bestellerlandes im dafür zuständigen Ausschuß behandelt. Es ist häufig
so, daß bei Barzahlungsgeschäften die Firmen auf Hermes-Deckung verzichten, weil dafür ja entsprechende Gebühren zu bezahlen sind.
Zusatzfrage des Abgeordneten Conradi.
Herr Staatssekretär, werden bei Kriegswaffenexporten dieselben Grundsätze für Hermes-Bürgschaften angewendet wie bei anderen Exporten?
Nein, nicht dieselben. Es wird grundsätzlich nur dann in die Frage eingetreten, ob Hermes-Deckung gegeben werden soll, wenn Barzahlung vereinbart ist.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Lambinus.
Herr Staatssekretär, gibt es Fälle, in denen Hermes-Bürgschaften für zivile Projekte in Indien nicht gewährt wurden?
Herr Kollege, ich kann keinen Zusammenhang mit der Ursprungsfrage erkennen, bin auch auf diese Frage nicht vorbereitet.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Jungmann.
Herr Staatssekretär, können Sie sich erinnern, daß Sie, als im Jahre 1977 oder 1978 die Bundesregierung das erstemal Hermes-Bürgschaften für Waffenexporte genehmigt hat, hier in diesem Hause auf Fragen von mir und meinen Kollegen geantwortet haben, dies seien Ausnahmefälle, die sich in Zukunft nicht wiederholen sollten, und sind Sie mit mir der Auffassung, daß Ihre Aussage heute hier beweist, daß die Bundesregierung entgegen Ihrer damaligen Aussage ihre Praxis, HermesBürgschaften für Kriegswaffenexporte zu geben, nicht geändert hat?
Es hat sich damals wie heute um Ausnahmeverhältnisse gehandelt. Ich habe auf die Bedeutung für die Auftragslage der deutschen Werftindustrie hingewiesen, und ich habe betont, daß es sich um ein Barzahlungsgeschäft handelt, was bei den übrigen hermes-gedeckten Ausfuhrgeschäften im zivilen Bereich im allgemeinen ja nicht der Fall zu sein pflegt.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Sielaff.
Herr Staatssekretär, können Sie mir noch einmal sagen, nach welchen Kriterien grundsätzlich Hermes-Bürgschaften erteilt werden.
Es wird auf die Bonität des Landes abgestellt, in das die Lieferungen erfolgen sollen.
({0})
Keine Zusatzfragen mehr.
Ich rufe die Frage 73 des Abgeordneten Peter auf:
Welche vitalen außen- und sicherheitspolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland haben, unter Berücksichtigung des Bündnisinteresses, zur Genehmigung dieser Waffenexporte geführt?
Die von Ihnen genannten Kriterien des vitalen Interesses der Bundesrepublik Deutschland - vitale Interessen sind außen- und sicherheitspolitische Interessen unter Berücksichtigung der Bündnisinteressen - werden künftig bei Entscheidungen über Waffenexportvorhaben in Ländern außerhalb des Atlantischen Verteidigungsbündnisses zugrunde gelegt. Die Schiffsvorhaben Malaysia und Indien wurden nach den bisherigen politischen Grundsätzen für den Rüstungsexport auf dem Jahre 1971 genehmigt. Danach sind Ausnahmegenehmigungen für Lieferungen außerhalb der NATO auf Grund besonderer politischer Erwägungen möglich. Diese Erwägungen - vor allem außenpolitischer Art - waren in den genannten Fällen gegeben.
Zusatzfrage des Abgeordneten Peter.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß in Zukunft nach den neuen Richtlinien verfahren wird und daß bei der Definition von vitalen Interessen der Bundesrepublik Deutschland sichergestellt werden muß, daß es eine Ausnahmesituation ist?
Herr Kollege, ich habe zunächst darauf aufmerksam gemacht, daß auf Grund der alten Richtlinien entschieden worden ist. Ich habe keine Aussage zu der Frage gemacht, wie auf Grund der neuen Richtlinien zu entscheiden wäre. In jedem Fall entscheidet der Bundessicherheitsrat in jedem Einzelfall auf der Grundlage der geltenden Richtlinien.
Zusatzfrage des Abgeordneten Jungmann.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Auffassung, daß die neuen Richtlinien, wenn sie in diesen Fällen und auch bei der Lieferung von U-Booten nach Chile angewandt worden wären, eine Genehmigung nicht ermöglicht hätten? Trifft es zu, was man heute in der Presse lesen kann, daß diese in der letzten Woche in der „Frankfurter Rundschau" veröffentlichten Richtlinien noch keine Richtlinien des Bundeskabinetts sind, sondern des Bundessicherheitsrats, weil das Bundeskabinett diese Richtlinien in der Gänze noch gar nicht behandelt hat?
({0})
Herr Kollege, ich weise noch einmal darauf hin, daß allein die Einzelfallentscheidung des Bundessicherheitsrats jetzt und in der Zukunft ausschlaggebend dafür sein wird, wie die Ermessensentscheidung im Rahmen der
Richtlinien im Einzelfall aussieht. Die Richtlinien können, für sich allein genommen, keinen Aufschluß über die im konkreten Einzelfall zu erwartende Ermessensentscheidung geben, die der Bundessicherheitsrat zu treffen hat.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Bindig.
Herr Staatssekretär, gilt das Kriterium, daß vitale Interessen der Bundesrepublik Deutschland für eine Ausnahmegenehmigung sprechen müssen, nur für Fälle, die im Einzelfall zu entscheiden sind, oder gilt dieses Kriterium auch für die Ausnahmen „allgemeiner Art" die in Zukunft möglich sein sollen?
Es ist eine allgemeine Richtlinie, die sich der Bundessicherheitsrat für die Entscheidungspraxis auf der Grundlage des Kriegswaffenkontrollgesetzes gegeben hat. Das gilt nach dem Willen des Bundessicherheitsrats und nach der Meinung des Bundeskabinetts selbstverständlich für alle Bereiche.
Zusatzfrage des Abgeordneten Thüsing.
Herr Staatssekretär, sind Sie in der Lage, die von Ihnen angesprochenen Interessen zu nennen, die in dem konkreten Fall zu der Entscheidung geführt haben?
Nein, Herr Kollege. Aus gutem Grund werden diese Fragen unter Wahrung strengster Vertraulichkeit im Bundessicherheitsrat entschieden. Ich bin deshalb nicht in der Lage, darüber zu sprechen.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Conradi.
Herr Staatssekretär, da die Frage vorhin etwas lang war, möchte ich noch einmal nachfragen. Werden die neuen Richtlinien, die im Entwurf in der „Frankfurter Rundschau" veröffentlich worden sind, noch einmal im Kabinett behandelt, oder sind sie bereits Grundlage der Arbeit des Bundessicherheitsrats?
Herr Kollege, ich bin im Augenblick überfragt, ob die Notwendigkeit besteht, sie noch im Kabinett zu behandeln. Ich werde Ihnen das gern schriftlich beantworten.
Keine weiteren Zusatzfragen mehr.
Die Fragen 74 und 75 des Abgeordneten Gansel werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 76 des Abgeordneten Jungmann auf:
Was beabsichtigt die Bundesregierung zur Sicherung der durch den Lieferstopp für Kriegswaffen nach Argentinien gefährrung bisher vor der Genehmigung von Waffenexporten zur Sicherung von Arbeitsplätzen durch nichtmilitärische Produkte getan?
Ob und in welchem Umfang der Lieferstopp nach Argentinien Arbeitsplätze tatsächlich in ihrem Bestand gefährdet, hängt zunächst einmal von der Dauer des Embargos ab, sodann von den Möglichkeiten, die die betroffenen Unternehmen zur Umstellung ihrer Produktion oder zum Abschluß von Ersatzaufträgen finden. Bisher ist noch keine Gefährdung sichtbar geworden.
Im übrigen hat die Bundesregierung schon bei früheren Anfragen darauf hingewiesen, daß für den Bereich der Rüstungsgüter wie für die anderen Wirtschaftsbereiche der Grundsatz gilt, daß die Entscheidung über Produktion und Export der unternehmerischen Verantwortung überlassen bleibt.
Zusatzfrage des Abgeordneten Jungmann.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, wenn ich Sie so interpretiere, daß dieser Lieferstopp für Kriegswaffen nach Argentinien nur begrenzt ist und daß, falls am Montag die EG das Embargo gegenüber Argentinien aufheben sollte, unabhängig davon, wie die Krisenlösung im Bereich der Falkland-Inseln abläuft, geliefert wird?
Nein, dann haben Sie mich nicht richtig verstanden. Selbstverständlich wird die Entscheidung nur vor dem Hintergrund der konkreten Situation um die Faikland-Inseln getroffen werden können, dann sicher auch in engster Abstimmung mit unseren Verbündeten und in der Bindung an das Kriegswaffenkontrollgesetz.
Weitere Zusatzfrage, bitte, Herr Abgeordneter Jungmann.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht auch mit mir der Auffassung, daß ein Lieferstopp nicht dem Buchstaben des Kriegswaffenkontrollgesetzes entspricht, sondern daß, wenn dieses konsequent angewandt worden wäre, dem Auftragnehmer Argentinien eine Frist zur Beendigung des Konflikts gesetzt werden müßte und sich dann aus der Entscheidung über die Beendigung des Konflikts eine Liefergenehmigung oder ein Lieferverbot ergäbe?
Nein, Herr Kollege, ich würde das so nicht auslegen. Es liegt auf der Hand, daß eine solche Fristsetzung gegenüber Argentinien keinerlei Wirkung hätte, im Augenblick jedenfalls nicht. Wir halten uns an das Kriegswaffenkontrollgesetz.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Conradi.
Herr Staatssekretär, welche Genehmigungen für Produktion, Beförderung oder Export nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz oder dem Außenwirtschaftsgesetz für Waffen und Rüstungen nach Argentinien sind zur Zeit noch gültig? Zur Vereinfachung: Die bei Ihnen in der Mappe liegende Antwort auf die Frage 75 würde Ihnen die Antwort erleichtern.
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Trotzdem möchte ich diese Antwort öffentlich nicht geben, Herr Kollege. Im Auswärtigen Ausschuß ist detailliert darüber berichtet worden. Es hat gute Gründe, daß wir darüber öffentlich nicht sprechen.
Eine weitere Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Schmidt ({0}).
Herr Staatssekretär, wann wird die Bundesregierung in bezug auf die Waffenlieferung für Argentinien die zur Einhaltung des Kriegswaffenkontrollgesetzes notwendigen Maßnahmen beschließen, oder sind anderweitige Änderungen oder rückwirkende Änderungen des Gesetzes beabsichtigt?
Frau Kollegin, die Bundesregierung hat in vollem Einklang mit dem Kriegswaffenkontrollgesetz gehandelt.
Eine weitere Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Blunck.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung noch immer der in ihrer Antwort auf die Großen Anfragen der SPD und FDP sowie der CDU/CSU zur Politik der Friedenssicherung vom 16. Februar 1979 geäußerten Auffassung, die deutsche Wirtschaft werde - ich zitiere - „künftig etwa notwendige Umstellungen von Rüstungskapazität in zivile Produktionskapazität aus eigener Kraft ebenso bewältigen ..., wie sie Anpassungsprobleme anderer Art in der Vergangenheit bewältigt hat"?
Ja, Frau Kollegin, dieser Meinung ist die Bundesregierung. Das heißt aber nicht, daß nicht ganz schwerwiegende, vorübergehende Folgen solcher Ereignisse auch für die Arbeitsplätze eintreten könnten.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Peter.
Herr Staatssekretär, Sie haben vorher auf die Frage des Abgeordneten Conradi geantwortet, es gebe gute Gründe, die im Auswärtigen Ausschuß behandelt worden seien. Liegen diese Gründe jenseits der im Kriegswaffenkontrollgesetz angesprochenen Bestimmungen?
Ja, die Gründe für die Nichtveröffentlichung liegen in unseren allgemeinen außenpolitischen Interessen - unter verschiedenen Gesichtspunkten.
({0})
Keine weiteren Zusatzfragen?
Ich rufe die Frage 77 des Abgeordneten Jungmann auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß - wie der „Spiegel" vom 1. März 1982 auf den Seiten 33 und 34 unter dem Titel „Für den Sieg" berichtete - sich deutsche Firmen an der Errichtung eines militärischen Erprobungsgeländes für die Erprobung von Raketen, Artilleriewaffen, Panzern, Unterwasserwaffen und einer Zentrale für die Gesamtanlage in Argentinien beteiligen wollen, und, wenn ja, liegt der Bundesregierung ein Antrag nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz bzw. nach der Außenwirtschaftsverordnung vor?
Der Bundesregierung ist bekanntgeworden, daß sich an einer argentinischen Ausschreibung zum Bau eines Testgeländes für Waffensysteme unter anderem auch ein deutsches Unternehmen beteiligt hat. Über eine Auftragsvergabe liegen hier jedoch noch keine Meldungen vor.
Planung und Bau einer solchen Anlage unterliegen nicht der Genehmigungspflicht nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz oder dem Außenwirtschaftsgesetz. Erst die Ausfuhr einzelner Ausrüstungen - z. B. von Raketenabschußrampen, Radaranlagen oder Computern - würde Genehmigungen erforderlich machen. Anträge auf Erteilung solcher Genehmigungen liegen nicht vor.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Jungmann.
Herr Staatssekretär, sind denn schon Voranfragen für die Ausfuhr solcher genehmigungspflichtigen Rüstungsgüter gestellt worden, und wie wird sich die Bundesregierung gegebenenfalls bei derartigen Voranfragen bzw. Anträgen entscheiden?
Herr Kollege, wie ich gesagt habe, liegen keine Anfragen vor. Damit habe ich auch Voranfragen eingeschlossen. In der augenblicklichen Situation ist mit solchen Anfragen auch nicht zu rechnen. Im übrigen werden wir eingehende Anträge nach der dann gegebenen Situation behandeln. Wir werden jetzt keine hypothetischen Erwägungen anstellen können.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können deutsche Firmen, ohne daß die Regierung davon in irgendeiner Weise Kenntnis erhält oder konsultiert wird, in der ganzen Welt solche Geschäfte - jetzt sage ich einmal: Kriegswaffenexporte und auch sonstige Rüstungsgüter - akquirieren oder unterliegt auch das Akquirieren solcher Geschäfte nach unseren Rechtsgrundsätzen irgendwelchen Absprachen mit der Regierung?
Alle Exporte - ich habe darauf hingewiesen - bedürfen der Genehmigung, d. h. es kann nichts ohne Genehmigung geschehen, soweit es sich um Ausfuhren aus der Bundesrepublik Deutschland handelt. Das gilt übrigens
auch für den Transfer von Lizenzen, was wir ausdrücklich noch zusätzlich in das Außenwirtschaftsgesetz aufgenommen haben, was aber schon bisheriger Praxis entsprach.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Conradi.
Habe ich Sie richtig verstanden, Herr Staatssekretär, daß Sie es für möglich halten, daß eine deutsche Firma die Produktion, die Planung einer solchen Anlage betreibt und sich finanziell erheblich engagiert, ohne vorher den Versuch zu machen festzustellen, ob am Ende des Verfahrens der Export auch genehmigt wird, d. h. daß eine Firma das Risiko einer solchen Produktion ohne eine Vorklärung der späteren Exportgenehmigung auf sich nimmt? Halten Sie das für möglich?
Ja, Herr Kollege, das halte ich für möglich.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Czaja.
Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin darauf hingewiesen, daß auch für die Ausfuhr von Computern nach dem Außenwirtschaftsgesetz eine Genehmigung erforderlich sei. Trifft es zu, Herr Staatssekretär, daß die Verordnung zur Durchführung des Außenwirtschaftsgesetzes aus dem Jahre 1961 fünfzigmal geändert worden ist, so daß - wie das ein erstklassiger Fachmann, Wolfgang Grosse in der „Welt" vom, glaube ich, 30. April 1982 geschrieben hat - dadurch ein „konzeptionsloser Wirrwarr amtlicher Verlautbarungen" entstanden ist?
Herr Kollege, ich kann nicht bestätigen, daß hier ein konzeptionsloser Wirrwarr besteht. Es ist allerdings richtig, daß diese Liste laufend ergänzt wird und auch den ständig wechselnden neuen Erkenntnissen angepaßt werden muß. Somit ist es durchaus richtig, daß es für den Außenstehenden nicht ganz einfach ist, den Überblick zu behalten.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Schmidt ({0}).
Herr Staatssekretär, halten Sie die in der Antwort auf die Frage von Herrn Conradi erwähnten erheblichen Vorleistungen deutscher Firmen vielleicht deshalb für möglich, weil diese Firmen erhebliche Subventionen erhalten?
Nein, Frau Kollegin, ich glaube nicht, daß hier ein Zusammenhang besteht. Es gibt auch keine Subventionen für diese Firmen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 78 des Herrn Abgeordneten Thüsing auf:
Welche Kriegswaffen, Rüstungsgüter und Ersatzteile sind zwischen dem 1. Januar und 7. April 1982 aus der Bundesrepublik Deutschland nach Argentinien geliefert worden?
Herr Kollege, die Bundesregierung weiß nicht im einzelnen, ob, in welchem Umfang und zu welchem Zeitpunkt die Firmen die ihnen erteilten Genehmigungen für den Export von Rüstungsgütern nach Argentinien ausgenutzt haben. Dies könnte nur durch umfangreiche Recherchen festgestellt werden. Unabhängig davon bestünden auch außenpolitische und rechtliche Bedenken, die Lieferungen im einzelnen offenzulegen. Ich kann Ihnen jedoch sagen, daß nach Argentinien in dem von Ihnen genannten Zeitraum komplette Kriegswaffen nicht geliefert wurden. Hinzufügen möchte ich, daß eine im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes kritische Lage erst mit der Besetzung der Falkland-Inseln am 2. April 1982 entstanden ist.
Eine erste Zusatzfrage, bitte, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie nicht meiner Auffassung zu, daß darin insbesondere auch vor dem Hintergrund konkreter Geschehnisse, Argentinien-Falkland-Konflikt, ein erheblicher Mangel bestehen kann, weil Ankündigungen oder mindestens Drohungen monatelang vorhanden waren, so daß hier in Waffenlieferungen hätte korrigierend eingegriffen werden können?
Nein, Herr Kollege. Wir sind von der Zuspitzung des Falkland-Konflikts ebenso wie die gesamte übrige Weltöffentlichkeit überrascht worden, und ich kenne niemanden, der eine solche Entwicklung vorausgesehen hätte.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jungmann.
Herr Staatssekretär, Sie haben auf die Frage des Abgeordneten Thüsing geantwortet, daß sich erste Fragen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz und nach den Richtlinien von 1971 auf Grund der Spannungen, die um die Falkland-Inseln entstanden sind, gestellt haben. Wie hat die Bundesregierung denn die drohenden militärischen Auseinandersetzungen um die Inseln im Beagle-Kanal zwischen Chile und Argentinien beurteilt, wo es auch nicht absehbar war und bis heute auch noch nicht absehbar ist, ob sich aus diesem Konflikt ein militärischer Konflikt entwickeln kann?
Herr Kollege, die Bundesregierung hat in den entsprechenden Entscheidungen des Bundessicherheitsrates sehr eingehend die dort gegebene Situation erörtert und ist zu dem Ergebnis gekommen, daß eine kriegerische Auseinandersetzung nicht zu befürchten ist. Eine solche Ermessensentscheidung kann, wie der Konflikt um die Falkland-Inseln beispielhaft zeigt, auch falsch sein.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Sielaff.
Herr Staatssekretär, können Sie die Antwort, die Sie soeben gegeben haben, daß keine kompletten Kriegswaffen geliefert worden seien, näher erläutern und sagen, was darunter zu verstehen ist?
Damit ist gemeint, daß wir unverzüglich gehandelt haben und bei allen Genehmigungen, die zur Ausfuhr nach dem Entstehen des Konfliktes hätten führen können, z. B. durch Anweisung an die Zollbehörden sichergestellt haben, daß nichts mehr ausgeführt wird.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Conradi.
Herr Staatssekretär, Sie haben soeben gesagt, eine solche Ermessensentscheidung könne auch falsch sein. Nachdem sich herausgestellt hat, daß die Ermessensentscheidung in bezug auf die Möglichkeit eines Konflikts zwischen Großbritannien und Argentinien hinsichtlich der FalklandInseln falsch war, frage ich: Hat die Bundesregierung nicht Anlaß, zu prüfen, ob ihre Ermessensentscheidung hinsichtlich eines Konflikts zwischen Argentinien und Chile falsch sein könnte?
Herr Kollege, ich bin sicher, daß die Situation in diesem Raum bei entsprechenden Anträgen im Bundessicherheitsrat sehr eingehend erörtert werden wird.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Bindig.
Herr Staatssekretär, nach den neuen Richtlinien soll es auch zu einer Versagung kommen, wenn die innere Lage des betreffenden Landes dem entgegensteht. Ist dieses Kriterium denn früher überhaupt nicht berücksichtigt worden angesichts der Tatsache, daß Zehntausende von Menschen in Argentinien verschwinden, ermordet werden und auch sonst eine erhebliche Unterdrükkung in diesem Lande praktiziert wird?
Herr Kollege, dieses Kriterium hat bei den Entscheidungen des Sicherheitsrates immer eine Rolle gespielt, ohne daß das in den Richtlinien bisher festgehalten war. Diese Praxis ist durch die Richtlinien jetzt ausdrücklich verstärkt und unterstrichen worden.
Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Blunck.
Herr Staatssekretär, Sie haben dem Abgeordneten Thüsing geantwortet, es seien keine kompletten Kriegswaffen geliefert worden. Darf ich jetzt einmal konkret nachfragen: Könnte es angehen, daß zuerst die Außenhaut des Panzers geliefert worden ist und danach dann in 14 Tagen Abstand oder in vier Wochen Abstand das Zielrohr und danach dann die Ketten geliefert worden sind? Ist dies möglich?
Nein. Seit dem 8. April ist nichts mehr möglich.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Lambinus.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen, ob wir Deutschen mit dem Bewußtsein leben müssen, daß unter Umständen im Konflikt im südlichen Atlantik derzeit britische Soldaten, unsere Bündnispartner, mit deutschen Waffen umgebracht werden?
Herr Kollege, ja, diese Frage muß ich bejahen, so wie die Engländer damit leben müssen, daß sie etwa zehn Tage vor dem Ausbruch des Konflikts noch Waffen geliefert haben.
Zusatzfrage des Abgeordneten Jansen.
Ist es möglich, daß die Teillieferungen für Waffensysteme vor dem 2. April so erfolgt sind, wie hier bereits gefragt wurde: daß sich aus den Einzellieferungen Angriffswaffen zusammenbauen lassen?
Ja, Herr Kollege, vor dem 8. April, also vor dem Stopp, waren die Genehmigungen erteilt und konnten Teillieferungen auf Grund der erteilten Genehmigungen erfolgen.
Keine Zusatzfrage mehr.
In den Fragen 80 und 81 des Abgeordneten Meinike hat der Fragesteller um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 82 des Abgeordneten Lambinus auf:
Für welche Kriegswaffen- und Rüstungsgüterexporte und in welcher Höhe sind in den vergangenen drei Jahren Hermes-Bürgschaften erteilt worden?
Ich bitte Sie um Verständnis, Herr Kollege, daß ich Ihnen aus Gründen der Vertraulichkeit keine Angaben über die Verbürgung von Kriegswaffen- und Rüstungsgüterexporten und deren Höhe machen kann. Ich bin aber gerne bereit, Ihnen die gewünschten Globalangaben persönlich zur Verfügung zu stellen und sie auch mündlich zu erläutern.
Zusatzfrage des Abgeordneten Lambinus.
Herr Staatssekretär, können Sie mir die Gründe für die Vertraulichkeit in diesem Fall etwas näher erläutern?
Herr Kollege, ganz generell legen wir allergrößten Wert darauf, in der Öffentlichkeit nicht über die finanzielle Situation einzelner Bestellerländer und nicht über Details von solchen Lieferungen - die Gründe, die zur Versagung einer Deckung geführt haben oder die zur Genehmigung einer Bürgschaft geführt haben - Erörterungen anzustellen. Das würde unseren außenpo6034
litischen und wirtschaftlichen Interessen abträglich sein.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Jungmann.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß die deutsche Öffentlichkeit einen Anspruch darauf hat, zu erfahren, wie die Bundesregierung eklatante deutsche Interessen definiert? Stellen Sie sich einmal vor, diese Staatsbürger haben auch Kontakt mit den Bürgern des anderen Landes und wissen nicht, welche eklatanten Interessen die Bundesregierung meint, die uns dazu führen, mit diesem Land Kriegswaffen zu handeln?
Herr Kollege, ich bin der Meinung, daß die Abgeordneten des Deutschen Bundestages einen Anspruch darauf haben, informiert zu werden. Dazu ist die Bundesregierung nicht nur verpflichtet, sondern auch bereit, allerdings in entsprechenden Ausschüssen mit entsprechender Vertraulichkeit, zu der die Abgeordneten dann ja auch verpflichtet sind.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Catenhusen.
Herr Staatssekretär, sehen Sie nicht ein Problem auch für die Glaubwürdigkeit der parlamentarischen Demokratie in unserem Lande darin, daß derartige Informationen, die Sie als vertraulich einstufen, in der Regel aus den Lieferländern selber an uns gelangen und daß im Grunde genommen wir Abgeordneten und die demokratische Öffentlichkeit diesen Informationen immer hinterherlaufen müssen?
Herr Kollege, ich möchte betonen, daß Sie alle Informationen in diesem Bereich von der Bundesregierung in vertraulicher Sitzung zu jeder Zeit bekommen können. Ich selber habe von dieser Stelle aus immer wieder dieses Angebot gemacht. Wenn Informationen aus anderen Quellen kommen, dann ist es nicht die Verantwortung der Bundesregierung, und damit kann es auch nicht uns zur Last gelegt werden. Unsere Interessen sind deshalb in anderer Weise geschädigt, als wenn solche Informationen etwa von uns selbst preisgegeben würden.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Schmidt ({0}).
Herr Staatssekretär, für die Vertraulichkeit der Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Länder, in die wir exportieren, habe ich großes Verständnis. Aber würden Sie nicht, auch was die Informationen an die deutsche Bevölkerung betrifft, unterschiedliche Kriterien anwenden, je nachdem, ob es um normale, übliche Wirtschaftsgüter oder aber um Rüstungsexporte geht?
Gerade bei Rüstungsexporten besteht eine besondere Notwendigkeit zur
Vertraulichkeit, Frau Kollegin, und zwar u. a. deshalb, weil unsere restriktive Rüstungsexportpolitik bei Bekanntgabe von Rüstungslieferungen zu Berufungsfällen führt und wir dann immer wieder mit der Frage konfrontiert werden: Warum liefert ihr denn uns nicht, wo ihr doch anderen Ländern liefert? Auch aus diesem Grunde besteht also gerade im Rüstungsbereich Anlaß zu größtmöglicher Zurückhaltung.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Czaja.
Herr Staatssekretär, die Frage bezieht sich ebenfalls auf Hermes-Bürgschaften: Ist es nicht absurd, daß Verzeichnisse über die Höhe der Hermes-Bürgschaften der Bundesrepublik Deutschland der gesamten ausländischen Fachpresse bekannt und dort - und zum Teil auch in der deutschen Wirtschaftspresse - veröffentlicht sind, die Informationen aber in öffentlichen Sitzungen des Bundestages den Abgeordneten verweigert werden?
({0})
Welche objektiven Sicherheitsgründe sprechen für diese Verweigerung?
({1})
Herr Kollege, die Frage ist sicher berechtigt. Nur, wenn wir aus der Tatsache, daß in der Vergangenheit vertrauliche Papiere unter Verletzung von Dienstpflichten veröffentlicht worden sind, die Schlußfolgerung zögen, daß wir in Zukunft alles Geheimhaltungsbedürftige auf den offenen Markt tragen, könnten wir aufhören, Politik zu machen. Ich bin nicht der Auffassung, daß unter Verletzung von Pflichten veröffentlichte Informationen es etwa rechtfertigen würden, von der Geheimhaltung abzuweichen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Thüsing.
Herr Staatssekretär, ist es nicht angesichts der Umstrittenheit solcher Waffenlieferungen und auch angesichts der Frage nach der moralischen Berechtigung solcher Waffenlieferungen an Nicht-Bündnispartner außerordentlich zweifelhaft, diese Waffenlieferungen überhaupt durch Hermes-Bürgschaften, d. h. durch öffentliche Bürgschaften, abzusichern?
Diese Hermes-Bürgschaften werden im Einzelfall im Interesse der Beschäftigten des Unternehmens gegeben, weil das Risiko bei den langen Zeiträumen im Anlagengeschäft außerordentlich groß ist, da sich die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Landes, die im Augenblick als günstig angesehen werden, trotz Barzahlungsbedingungen etwa im Verlauf von vier Jahren grundlegend ändern können. Deshalb ist es im Ausnahmefall durchaus gerechtfertigt, solche Hermes-Deckungen zu geben, die j a von den Firmen mit entsprechenden Gebühren zu bezahlen sind.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Lambinus.
Herr Staatssekretär, Sie haben eben die Interessen der Beschäftigten in der deutschen Rüstungsindustrie angesprochen. Darf ich Ihnen die Frage stellen, wieviel Prozent der bundesdeutschen Arbeitnehmer in Rüstungsbetrieben arbeiten und wieviel Prozent davon wiederum für den Export von Kriegswaffen arbeiten?
Herr Kollege, ich habe diese Zahlen nicht parat. Aber nachdem der Deutsche Bundestag nicht nur die Entscheidung getroffen hat, das Kriegswaffenkontrollgesetz so, wie es heute besteht, zu fassen, sondern auch über viele Jahre hinweg und in vielen Legislaturperioden davon ausgegangen ist, daß unseren Verpflichtungen, uns mit Milliarden an unserer Verteidigung zu beteiligen, dadurch Rechnung zu tragen ist, daß auch im eigenen Lande Rüstung produziert wird - und ich sehe niemanden, der diese Entscheidung im Augenblick ändern wollte -, bleibt natürlich der Tatbestand, daß Schwierigkeiten für die Arbeitsplätze in einem Augenblick entstehen, in dem solche legal eingegangenen Verpflichtungen zur Lieferung von Rüstungsgütern aus Gründen wegfallen, die aus unserer restriktiven Rüstungsexportpolitik - sprich, aus den Einschränkungen, die wir uns im Kriegswaffenkontrollgesetz auferlegt haben - entstehen können.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Müller.
Herr Staatssekretär, könnten Sie dem Bundestag vielleicht mitteilen, ob Sie persönlich bereit wären, bei Neuberatung der Frage der Geheimhaltung von Hermes-Bürgschaften dafür einzutreten, im Interesse auch dieses Hauses mehr Demokratie zu wagen?
Herr Kollege, ich glaube, es gibt gute Gründe, diese Geheimhaltung zu praktizieren. Da wir aber in den Ausschüssen des Deutschen Bundestages unserer Informationspflicht ohne jede Einschränkung nachkommen, kann ich nicht erkennen, daß es eine Notwendigkeit gibt, von der bisherigen Praxis abzugehen.
Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt.
Die Fragen 86 und 87 des Abgeordneten Berschkeit sowie die Frage 99 der Abgeordneten Frau Geiger sind zurückgezogen.
Die übrigen nicht aufgerufenen Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Damit sind wir am Ende der Fragestunde.
Wir fahren in der Beratung des Tagesordnungspunkts 3 fort: Internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft sowie Durchsetzung eines mittelfristigen Programms der Wirtschaftspolitik der Gemeinschaft für die kommenden Jahre und Schaffung eines freien EG-Binnenmarktes. Das Wort hat Herr Abgeordneter Echternach.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Mitzscherling hat heute vormittag gemeint, wir hätten unsere Anfrage vor dem Hintergrund einer ganz anderen außenwirtschaftlichen und Leistungsbilanzsituation gestellt, unsere Anfrage sei also offenbar überholt. Ich freue mich, daß die meisten Sprecher der Koalition der Versuchung widerstanden haben, sich so einfach von dem Thema davonzumachen und die Situation zu verharmlosen und zu bagatellisieren.
Denn die erfreuliche Entwicklung der Leistungsbilanz beruht nicht auf der gestiegenen Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft, sondern auf Sonderfaktoren, auf deren Bestand wir nicht bauen können. Der entscheidende Grund für den Exportaufschwung ist heute vormittag schon genannt worden: die reale Veränderung des Außenwerts der Mark.
Es kommt folgendes hinzu. Unsere Unternehmen haben versucht, den preisbedingten Wettbewerbsvorteil zu nutzen. Sie haben wegen der schlechten Binnenkonjunktur mit allen Mitteln versucht, den Absatz im Ausland zu steigern. Der Abwertungsvorteil reichte aber nicht aus, auch durch eine Anhebung der Exportpreise die Rentabilität unserer Unternehmen zu verstärken, sondern ermöglichte es nur, die schlechte Auslastung der Produktionskapazitäten aufzubessern. Daher hat der Exportaufschwung auch keine Investitions- und Beschäftigungsimpulse größeren Ausmaßes ausgelöst.
Hauptsächlich stiegen dabei die Exporte in die OPEC-Länder, und zwar allein im letzten Jahr um die Hälfte, weil der Wert der D-Mark insbesondere gegenüber dem Dollar gesunken ist. Der Importboom der Ölländer aber hat sich inzwischen angesichtgs der sinkenden Rohölerlöse deutlich abgeschwächt.
Hinzu kommt unsere eigene Konjunkturlage, die zu einem realen Rückgang der Importe geführt hat, wozu natürlich auch die Verteuerung der Importe durch die Abwertung der D-Mark beigetragen hat.
Währungsrelationen aber sind, wie die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, einem ständigen Auf und Ab unterworfen. Sobald die Inlandskonjunktur anzieht und sich die Mark wieder festigt, was ja nicht zuletzt wegen des Stabilitätsgefälles zu erwarten ist, stehen wir wieder vor demselben Problem. Deshalb wäre es mehr als leichtfertig, nun die Sorge um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen als erledigt anzusehen.
Der internationale Wettbewerbsdruck auf unsere Wirtschaft hat sich in den letzten Jahren ganz im Gegenteil verstärkt. Unsere Unternehmen spüren diesen Druck nicht nur im Kampf um die Drittmärkte, sondern auch auf dem eigenen Markt. Vor allem die Schwellenländer haben in den letzten Jahren systematisch Exportindustrien für den Weltmarkt aufgebaut und dabei in den 70er Jahren ihre Ausfuhren in die Bundesrepublik um das Vierfache steigern können. Inzwischen stellen die Schwellenländer ihre Exportproduktion immer stärker von einfachen, lohnintensiven Verbrauchsgütern um auf Investitions- und höherwertige Konsumgüter und werden dort wegen niedrigerer Lohnkosten zu immer stärkeren Konkurrenten der deutschen Industrie.
Das ist für viele betroffene Branchen schmerzlich, auch für uns; denn wir wissen, daß viele betroffene Unternehmen in strukturschwachen Regionen liegen und die dort beschäftigten Arbeitnehmer nur begrenzt mobil sind. Dennoch ist diese Entwicklung im gesamtwirtschaftlichen Interesse unvermeidbar. Denn nur durch eine Öffnung unserer Märkte für die Produkte dieser Länder geben wir auch diesen Ländern eine Chance zur eigenen Entwicklung, auch dazu, die Devisen zu erwerben, mit denen sie unsere Waren, z. B. höherwertige Investitionsgüter, bezahlen können.
({0})
Nur müssen auch die Schwellenländer wissen: Die Öffnung der Märkte kann auf die Dauer keine Einbahnstraße sein,
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denn der Schutz der dort tätigen heimischen Industrie durch hohe Schutzmauern mag am Anfang, in der Aufbauphase noch gerechtfertigt erscheinen, diese sogenannte handelspolitische Entwicklungshilfe kann aber keine Dauerrechtsstellung sein, sondern muß mit Fortschreiten der eigenen Entwicklung abgebaut werden, indem auch die Schwellenländer die GATT-Regeln und den Grundsatz der Gegenseitigkeit akzeptieren. Dies liegt nicht zuletzt im Interesse der Schwellenländer und der Entwicklung ihrer Produktivität selbst.
Gerade wenn unsere Wirtschaft bei Produkten mit weniger entwickelter Technologie im Zuge der internationalen Arbeitsteilung Markteinbußen hinnehmen muß, kommt dem Markt mit höherwertiger Technologie eine um so größere Bedeutung zu, auf dem ja die deutsche Industrie traditionell eine starke Stellung hat. Aber auch hier, bei den Erzeugnissen mit gehobener und Spitzentechnologie hat die deutsche Wirtschaft in den letzten Jahren Marktanteile verloren, wie das Hamburgische Welt-Wirtschafts-Archiv im Strukturbericht an die Bundesregierung im einzelnen nachgewiesen hat. Während der Anteil der Einfuhr dieser Güter an der Gesamteinfuhr von 1964 bis 1978 sich verdoppelte, blieb unser Anteil beim Export unverändert. Noch alarmierender wird dieses Bild im Verhältnis zu unseren beiden wichtigsten Weltmarktkonkurrenten, den USA und Japan. Ich bitte Sie um Nachsicht, daß ich Sie dabei mit einigen Zahlen strapazieren muß. Die Einfuhr von Produkten mit hoher Technologieintensität aus den USA verdoppelte sich in diesem Zeitraum auf über 31 %, während der Export dieser Güter aus der Bundesrepublik sich von 49 % auf 43% verringerte. Die Einfuhr von technologischen Spitzenerzeugnissen aus den USA hat sich sogar auf über 20 % vervierfacht, während unsere Ausfuhr bei ganzen 2 % stagnierte. Auch gegenüber Japan hat sich der Importanteil der technologieintensiven Erzeugnisse von knapp 10 % auf rund 40 % vervierfacht, während unser Exportanteil bei knapp einem Drittel stagnierte. Bei der Spitzentechnologie steht einer gestiegenen Einfuhr aus Japan von 8 % ein deutscher Export von weniger als 4 % gegenüber. Dual und Videocolor, Rollei und Lumoprint stehen stellvertretend für viele, viele andere Firmennamen als Opfer dieser Entwicklung.
Das Hamburgische Welt-Wirtschafts-Archiv schließt aus dieser Entwicklung, daß die ausländische Konkurrenz in diesen Länder rascher auf die technologische Entwicklung reagiert habe und eher zu Innovationen bereit gewesen sei. Insofern unterstreicht diese Untersuchung einmal mehr, daß nur über die Stärkung der Investitions- und Innovationskraft unserer Unternehmen und damit über die Stärkung der Gewinne und über die Stärkung der Eigenkapitalbasis die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen auf die Dauer verteidigt werden kann.
Besonderes Gewicht hat dabei die Entwicklung der Energiekosten. Experten weisen uns heute darauf hin, daß Frankreich in den 90er Jahren uns gegenüber einen Strompreisvorsprung von 50 % haben wird, und das nicht nur deswegen, weil Frankreich dann einen Kernenergieanteil von 70 % und wir von 30 % haben werden, sondern auch weil die Kilowattstunde im Kernkraftwerk wegen der rationelleren Genehmigungspraxis dort spürbar billiger sein wird als bei uns. Wenn wir nicht heute Vorsorge dafür treffen, daß unser Land in den 90er Jahren wettbewerbsfähige Strompreise hat, untergraben wir heute die Wettbewerbsfähigkeit unserer energieabhängigen Industrie.
({2})
Wenn wir in Deutschland nicht endlich Vorsorge dafür treffen, daß die Kernkraft vernünftig ausgebaut wird, erschweren wir auch den wichtigen Kernenergietechnologieexport; denn bisher galt die deutsche Technologie im Ausland als die sicherste und beste.
({3})
- Wenn die Entwicklung so weiter geht, wird dieser Industriezweig immer mehr an Bedeutung verlieren. - Erkundigen Sie sich einmal auf verschiedenen Märkten. Erkundigen Sie sich z. B. einmal bei Ihrem Kollegen Funke, was wir in einem Schwellenland über die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Kernenergie im Vergleich zu französischen Angeboten gehört haben, und weswegen wir z. B. in diesem Schwellenland nicht zum Zuge kommen werden.
Aber solange sich der Bundeskanzler, solange sich die Bundesregierung hier in diesem Hause verbal zum Ausbau der Kernenergie bekennen, auf ihren Parteitagen das aber alles zur bloßen Option herunterstufen und versuchen, sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner mit den Linksaußen ihrer Partei zu einigen, und solange sich der Bundeskanzler dann vor Ort hinstellt und erklärt, ob und wo ein Kraftwerk gebaut wird und ob es ein Kohle- oder Kernkraftwerk sei, das sei nicht Sache der Bundesregierung, das sei Sache der Länder, so lange werden wir auf dem Wege zu konkurrenzfähigen Energiepreisen eben keinen Schritt vorankommen.
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- Herr Kollege Eigen, wir werden es erleben, daß die SPD-Verantwortlichen weiter Eiertänze vollführen, nicht nur wie auf dem Münchner Parteitag, sondern wie auch in Hessen mit Biblis C durch Herrn
Börner oder gerade in Hamburg mit dem Trauerspiel um Brokdorf, dem Schildbürgerstreich, in dem der Herr von Dohnanyi versucht, es beiden über Kohle oder Kraftwerk zerstrittenen SPD-Flügeln recht zu machen und nun beides bauen will: Kohlekraftwerke und Kernkraftwerke. Anschließend, wenn beides fertig ist, will er aus dem Kernkraftwerk wieder aussteigen und die Stromleitung zwischen Hamburg und Brokdorf kappen. So töricht kann man offensichtlich nur sein, wenn man in einer solchen zerrissenen sozialdemokratischen Partei Verantwortung trägt, wie das der Herr von Dohnanyi in Hamburg tut.
({5})
Wir können den Gefahren für unsere Wettbewerbsfähigkeit auch nicht durch Abschottung und offene oder versteckte Importbeschränkung ausweichen. Im Gegenteil, wir müssen diese Herausforderung offensiv annehmen. Unsere Wirtschaft ist auch stark genug dazu, wenn ihr die Politik dabei nicht in den Rücken fällt.
({6})
Gerade weil wir exportabhängiger sind als jedes andere Industrieland, müssen wir zugleich alles tun, um der weltweiten Versuchung des Protektionismus entgegenzutreten und den freien Welthandel mit Zähnen und Klauen zu verteidigen. Dabei geht es ja dem freien Welthandel nicht anders als der Marktwirtschaft. Auf Konferenzen werden sie immer mit schönen Worten beschworen, aber wenn es konkret wird, sieht es leider anders aus.
Der um sich greifende Protektionismus mit seinen unterschiedlichsten Erscheinungsformen ist inzwischen zur Gefahr Nummer 1 für unseren Welthandel geworden. Steigende Arbeitslosigkeit, steigender internationaler Konkurrenzdruck und nicht zuletzt die Schwierigkeit vieler Wirtschaften, sich auf die veränderten weltwirtschaftlichen Strukturbedingungen einzustellen, lassen immer mehr Regierungen vor dem Druck von Gewerkschaften und betroffener Industrie schwach werden, dem sie sich im Innern gegenübersehen.
({7})
- Es gibt viele Gründe. - Zwar scheuen die Staaten dann die offene Abschottung aus Angst vor Vergeltung, aber es ist einfach unglaublich, wie kreativ Bürokratien sein können, wenn es um das Erfinden von immer neuen und immer subtileren Handelsschikanen geht. Die heimlichen und offenen Praktiken reichen von überzogenen technischen Normen oder unverständlichen Versandformalitäten über gezielte Exportsubventionen oder Selbstbeschränkungsabkommen bis hin zum Aufruf, nur eigene, nationale Produkte zu kaufen. Immer geht es aber dabei um das Gleiche, nämlich lästige Konkurrenten im Interesse der eigenen Wirtschaft vom eigenen Markt fernzuhalten.
Gerade unter dem Einfluß der neuen französischen Regierung droht nun auch die Außenwirtschaftspolitik der Europäischen Gemeinschaft immer protektionistischer zu werden. Erst vor zwei Wochen hat die französische Regierung dem EG-Ministerrat ein neues Memorandum zur EG-Außenhandelspolitik zugeleitet, wonach sich die Außenwirtschaftspolitik der Europäischen Gemeinschaft noch stärker nach außen hin abschotten soll. Insofern würde ich es begrüßen, wenn der Bundeskanzler und die Sozialdemokraten ihre kritischen Blicke nicht immer nur nach Washington oder London schweifen ließen, sondern mit der gleichen kritischen Elle auch die Wirtschafts- und Außenhandelspolitik der Franzosen messen würden und dem unerträglichen französischen Protektionsdruck deutlicher als bisher widersprechen würden.
({8})
- Ich habe davon heute nichts gehört; ich habe heute viel von Reagan und von den Amerikanern gehört, aber nichts von dem protektionistischen Druck unseres Nachbarn.
Aber wir brauchen den Blick j a nicht nur über die Ländergrenzen hinweg schweifen zu lassen. Auch bei uns im Lande wird der Ruf nach heimlichem Protektionismus immer stärker, vom Besuch der vielen Branchen und Verbände hier bei uns in Bonn bis zum Ausspruch eines Gewerkschaftsführers, die Bundesrepublik sei nicht der Abladeplatz für japanische Fernseher oder Autos, oder gar jener schlimmen Werbung, die gerade in den letzten Wochen das Landgericht Frankfurt verbieten mußte, nämlich der Werbung: Ich fahre ein deutsches Auto wegen unserer Arbeitsplätze.
Protektionismus mag kurzfristig bedrängten Regierungen eine Atempause verschaffen, mittelfristig führt er unweigerlich zur Gegenreaktion und schadet am Ende allen. Leider aber scheinen die schlimmen Erfahrungen mit der Weltwirtschaftskrise vor 50 Jahren vielfach schon in Vergessenheit geraten zu sein. Dabei muß jeder wissen: Protektionismus schadet vor allem dem Verbraucher, denn das Warenangebot wird teurer und schlechter.
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Protektionismus schadet der Exportwirtschaft und den dort Beschäftigten, denn er verhindert, daß andere Devisen erwerben können, urn bei uns einkaufen zu können. Protektionismus verhindert die Schaffung neuer, höherwertiger Arbeitsplätze, indem er unwirtschaftliche Strukturen erhält. Protektionismus schadet den Industriebetrieben, weil er ihnen den Zugang zu Rohstoffen und preiswerten Zulieferungen verstellt. Protektionismus verhindert nachhaltiges Wirtschaftswachstum, weil er den Wettbewerb ausschaltet und den Zwang zur Anpassung und Innovation aufhebt. Und schließlich: Protektionismus schadet den Entwicklungsländern, denn er nimmt ihnen die Chance, sich arbeitsteilig in die Weltwirtschaft einzugliedern.
Deshalb ist es die Aufgabe gerade unseres so exportabhängigen Landes, sich mit aller Kraft gegen diese Entwicklung zu stemmen und einen protektionistischen Flächenbrand zu verhindern. Wir erwarten deshalb von der Bundesregierung, daß sie sich bei dem bevorstehenden Weltwirtschaftsgipfel und bei den Konferenzen des GATT jetzt und im Novem6038
ber ebenfalls dafür einsetzt, diesen Flächenbrand nicht nur zu stoppen, sondern die eingerissenen Protektionspraktiken wirksamer als bisher zu bekämpfen.
Zum Schluß einige Sätze zu einem anderen schlimmen ordnungspolitischen Sündenfall, dessen Bedeutung weit über die betroffene deutsche Meereswirtschaft hinausragt, nämlich zum Abschluß der Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen.
So sehr ich mich als Hamburger über die Wahl meiner Stadt als Sitz des Seegerichtshofs gefreut habe, so ist doch der Standort Hamburg natürlich kein Linsengericht, das schlechte Konferenzergebnisse aufwiegen könnte. Dafür steht zu viel auf dem Spiel. Was vor vielen Jahren mit dem Ziel der Wahrung des gemeinsamen Erbes der Menschheit begann, endete mit der Aufteilung des Erbes, immerhin 70 % der Erdoberfläche. Das schönste Drittel, die rohstoffreichen, flachen Küstengebiete, wurden den zufälligen Anrainerstaaten zugewiesen, unter ihnen unseren Hauptkonkurrenten auf dem Weltmarkt, während die Bundesrepublik so gut wie leer ausging und in der Reihenfolge der Gewinner an 110. Stelle rangiert.
Auch das jahrelang hier gemeinsam verfolgte Ziel eines freien Zugangs zu den Rohstoffen der Meere wurde nicht erreicht. Gesorgt wurde vielmehr für jene, die ohnehin reichlich mit Rohstoffen gesegnet sind. Von gerechter Verteilung kann also überhaupt keine Rede sein.
({10})
Unsere meerestechnische Industrie, die mit ihrer Technologie eine Spitzenposition innehat, eine besonders zukunftsträchtige Technologie und Industrie, steht heute vor einem ungewissen Schicksal. Wie protektionistisch die Politik der neuen Herren der Küstenmeere ausfallen wird, ist offen. Auch die Enteignung und Kollektivierung unserer eigenen Technologie durch das Meeresbodenregime im Tiefseebergbau ist wahrlich keine verlockende Perspektive.
Auch kann niemand übersehen, daß diese Konvention mit zwangsweisem Technologietransfer zu nichtkommerziellen Bedingungen und gewaltigen Finanzlasten ohne Rücksicht auf den wirtschaftlichen Nutzen für die Industrieländer erklärter Wegbereiter einer neuen dirigistischen Weltwirtschaftsordnung sein soll.
Die Bundesregierung hat leider die Bedeutung dieser Konferenz für unser Land von Anfang an unterschätzt. Sie hat mit ihrer nachlässigen Verhandlungsführung die Interessen unseres Landes nicht sehr wirkungsvoll vertreten und am Ende nicht einmal gewußt, ob sie gemeinsam mit den Vereinigten Staaten nein sagen oder aber trotz aller Bedenken ja sagen soll. Sie hat sich am Ende überhaupt nicht entschieden, sondern sich der Stimme enthalten.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Funke?
Gern. '
Bitte.
Herr Kollege Echternach, ist Ihnen bekannt, daß in der Seerechtskonvention, über die ja jetzt in der UNO abgestimmt worden ist, außer dem Tiefseebergbau in der Abteilung XI des Vertrags weitere Fragen geregelt sind, u. a. solche, die für die deutsche Seeschiffahrt vorteilhaft sind, beispielsweise dadurch, daß die Durchfahrtsrechte international geregelt sind?
Herr Kollege Funke, dies wußten wir seit langem. Dennoch haben wir, seit sich dieses Ergebnis, daß Sie als positiv angesprochen haben, abgezeichnet hat, uns in unserer Sorge vor den anderen Ergebnissen, die sich abgezeichnet haben, mehrfach gemeinsame Beschlüsse gefaßt. Es ist leider nicht gelungen, auch nicht in der letzten Session, irgendwelche substantiellen Verbesserungen zu erzielen. Ich würde es bedauern, wenn Ihre Einlassung so zu verstehen wäre, daß Sie nun diese gemeinsamen Bedenken aufgeben und sich aus vordergründigen Überlegungen für eine Unterzeichnung dieser Konvention aussprechen.
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Jens?
Ja.
Herr Echternach, Sie wissen doch genausogut wie ich, daß Hamburg nicht Sitz des Seegerichtshofs wird, wenn die Konvention nicht unterzeichnet wird. Mich würde interessieren: Sind Sie persönlich als Hamburger denn nun dafür, daß die Bundesregierung unterzeichnet, oder nicht?
Ich meine, ich habe soeben deutlich gemacht, daß aller lokalpatriotischer Stolz über diesen Sitz einer neuen UNO-Behörde in unserer Stadt im Vergleich zu den großen Problemen, um die es hier für unser Land, für die Zukunft eines wichtigen Zweiges unserer Volkswirtschaft geht, überhaupt nichts zählt und daß die Konferenzergebnisse einen wesentlich höheren Rang haben müssen als die Frage des bloßen Sitzes jenes UNO-Instituts, daß Sie soeben angesprochen haben.
({0})
Meine Damen und Herren, gerade weil sich die Bundesregierung nicht entscheiden konnte, ist es, meine ich, um so notwendiger, daß sich der Deutsche Bundestag jetzt eingehend mit dieser Frage und den Konferenzergebnissen befaßt. Denn es geht eben bei der künftigen Meerespolitik nicht nur um ein Stück Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft, sondern um Grundentscheidungen mit Auswirkungen auf nachfolgende Generationen. Ich hoffe, daß die Gemeinsamkeit, die wir bei der Diskussion über die Verhandlungsziele bisher gezeigt haben, auch am Ende der Beratungen des Bundestages stehen wird. - Ich bedanke mich.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wieczorek.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Schwierigkeiten in der Leistungsbilanz seit etwa 1979 haben zu der Vermutung Anlaß gegeben, daß die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft nachhaltig gelitten habe; das ist ja wohl auch der Ausgangspunkt Ihrer Anfrage gewesen. Wenn man sich einmal die Hauptargumente auf der Kostenseite ansieht, die Lohnkostenentwicklung und die Energiekostenentwicklung, dann stellt man fest, daß es nicht nur auf der Basis der tatsächlich eingetretenen Entwicklung der Leistungsbilanz zweifelhaft ist, ob diese Argumentation stimmt.
Schaut man sich nämlich die Energiekosten in einer tiefergehenden Analyse an, so stellt man fest, daß die Energiekosten auch für unsere wichtigsten Handelspartner gestiegen sind, zum Teil sogar erheblich stärker als bei uns in der Bundesrepublik. Ich darf auf die USA verweisen, wo in weiten Bereichen durch die Aufhebung der Regulierung der Ölpreise ein sehr viel stärkerer Anstieg erfolgt ist.
({0})
Auf der anderen Seite zeigt das Beispiel Frankreich - Herr Echternach, Sie haben es angeführt -, unabhängig von den Problemen der französischen Atompolitik, auf die Sie nicht eingegangen sind, daß es am Strompreis allein wohl nicht liegen kann, wie wettbewerbsfähig eine Wirtschaft ist. Das deckt sich im übrigen mit der sehr sorgfältigen Studie der Fraunhofer-Gesellschaft, die gerade veröffentlicht wurde, die zu dem Ergebnis kommt, daß die Energiekosten für die Wettbewerbsfähigkeit einer Wirtschaft eine relativ geringe Bedeutung haben.
Ähnlich wie für die Energiekosten gilt das auch für die Lohnkosten, wenngleich das Institut der Deutschen Wirtschaft - wenn auch inzwischen sehr gedämpft - Klage auf der Basis der absoluten Stundenlöhne führt. Betrachten wir dagegen die Entwicklung der aussagekräftigeren, viel aussagekräftigeren Lohnstückkosten, dann zeigt sich, daß die Bundesrepublik ihre Wettbewerbsposition in den letzten Jahren nicht nur gehalten, sondern eher sogar verbessert hat, selbst wenn man Wechselkursentwicklungen berücksichtigt. Ich darf hier auf die entsprechenden Untersuchungen des Ifo, des DIW und neuerdings auch des Rheinisch-Westfälischen Instituts verweisen, das ja in der Lohnsenkungsfrage sonst zu den Spitzensprachrohren gehört hat.
Wenn aber trotzdem Unsicherheit besteht - ich meine, darüber sollten wir uns hier unterhalten -, wie es mit dem Export nun künftig aussehen wird, dann ist diese Unsicherheit in anderen Bereichen begründet. Als solche Bereiche sehe ich zum einen die Währungs- und Kreditprobleme, zum anderen den Protektionismus.
Im Währungs- und Kreditbereich sind drei Stichworte zu nennen: Wechselkurse, Zinslasten und Kreditversorgung.
Nach der rund zehnjährigen Erfahrung mit dem System floatender Wechselkurse wächst die Erkenntnis - ich verweise hier auf die letzte Stellungnahme der Group of Thirty -, daß dieses System nicht die erwartete dauerhafte Beruhigung der Wechselkurse, ausgerichtet an der tatsächlichen relativen Entwicklung der Grunddaten der Volkswirtschaften der einzelnen Länder, gebracht hat. Ohne hier die Gründe dafür zu diskutieren, bleibt festzuhalten, daß durch die Verzerrung der Wechselkurse und die zum Teil sehr starken Wechselkursschwankungen - erinnern Sie sich an die Überbewertung der D-Mark vor einigen Jahren und an die gegenwärtige Unterbewertung der D-Mark - gerade für ein Exportland wie die Bundesrepublik mit langen Laufzeiten gerade auch bei den Exportorders erhebliche Probleme entstehen. Es wäre daher durchaus im deutschen Interesse, nicht nur die USA von ihrem, wie ich es ausdrücklich nenne, non-benign neglect der Dollarkursentwicklung abzubringen, sondern die insgesamt durchaus positiven Erfahrungen mit dem EWS als einem System mit relativ stabileren Wechselkursen zum Ausgangspunkt einer Überprüfung zu machen, die zu einem allgemeinen System relativ stabilerer Wechselkurse führen könnte. Dabei kann natürlich nicht an eine Rückkehr zu einem starren System à la Bretton Woods gedacht werden. Aber es gibt Zwischenmöglichkeiten. Eine solche Überprüfung sollte auch nicht an der abwehrenden Meinung der Bundesbank scheitern. Hier könnte sonst leicht der Eindruck entstehen, die Bundesbank fürchte um den Teil ihrer Autonomie, den sie nur durch die Freigabe der Wechselkurse gegenüber der Bundesregierung, die ja früher die Wechselkurspolitik bestimmte, gewonnen hat.
Die Zinslasten - als zweites Argument - wirken sich selbstverständlich negativ auf den Außenhandel aus. Ich darf ein Beispiel nennen, und zwar das der am wenigsten entwickelten Länder, deren Zinslast allein für Bankkredite - ohne öffentliche Kredite - von 1975 2,3 Milliarden Dollar auf 1981 32,6 Milliarden Dollar, was etwa 19 % ihrer Exporterlöse entspricht, angestiegen ist. Die gleiche Entwicklung ist im übrigen auch bei den reicheren Entwicklungsländern und bei den Schwellenländern festzustellen.
Dabei ist dieses Zinsproblem nur eine Seite der Medaille. Zunehmend breitet sich auch die Sorge hinsichtlich der Kreditwürdigkeit vieler Länder aus. Für die LDCs gilt zum Beispiel, daß der gesamte Schuldendienst von 1977 32 % auf 1981 50 % der Exporterlöse stieg. Hier wird auch auf die laufende Verkürzung der Laufzeiten deutlich. Solange die Prolongation dieser Kredite gesichert erschien, war dies kein entscheidendes Problem. Gerade die Unsicherheit in bezug auf die Fähigkeit einzelner Länder oder auch großer Privatkonzerne - ich darf an einen Fall in Mexiko erinnern, der aktuell ist - läßt jedoch Sorge auftreten, ob denn diese Kredite auch ordnungsgemäß bedient werden. Hinzu kommt die Sorge um die Einlagenstruktur des internationalen Banksystems. Diese Sorge führt zu Gefahren für die Liquidität dieser Länder, damit natürlich für die Kauffähigkeit dieser Länder und damit für unseren Export. Im Interesse der deutschen Exportwirtschaft wäre es daher nicht nur, wenn etwa die AKA- Instrumente weiter ausgebaut oder die internationalen Entwicklungsbanken sowie der IWF gestärkt werden würden, sondern auch wenn durch die Zu6040
sammenarbeit von Notenbanken und Regierungen mehr Stabilität und Sicherheit in das internationale Finanzsystem gebracht werden könnte.
Besondere Sorge bereitet hier die Frage, ob das Federal Reserve System mit der gleichen Sicherheit und Selbstverständlichkeit die Rolle eines lenders of last ressort für den Dollarbereich übernehmen könnte und würde wie die Bundesbank für den D-
Mark-Bereich.
Während das Kreditproblem die Fähigkeit der Länder zu importieren in Frage stellt, stellt der Protektionismus ihre Willigkeit zum Import in Frage. Hier gibt es keineswegs nur in den Entwicklungsländern Sorgen, sondern gerade auch in den Industrieländern. Ich möchte mich hier auf unseren wichtigsten Absatzmarkt, die EG, beschränken.
Nur, auch wenn wir alle für freien Handel sind: es genügt nicht, daß wir das Prinzip des freien Handels einfach nur wie ein Banner vor uns hertragen. Denn nicht nur daß wir selber sündigen: es besteht auch die Gefahr, daß dieses Prinzip mißbraucht wird als Tarnung für eine kurzsichtige beggar-my-neighbour-Politik. Wenn wir ernsthaft den Tendenzen zum Protektionismus entgegentreten wollen, werden wir nicht umhin können, die Ansätze einer sektoralen und regionalen Strukturpolitik in Europa auszubauen. Denn wenn es nicht gelingt, eine am Arbeitsplatzinteresse ganzer Branchen und Regionen ausgerichtete Umstrukturierungspolitik sowohl im Industrie- wie im Agrarsektor zu entwickeln, werden konservierende Tendenzen wie z. B. in der belgischen Stahlindustrie und in bestimmten Bereichen des französischen Weinbaus - um nur zwei Beispiele zu nennen - sich eher noch verstärken und den protektionistischen Trend wirksamer machen. Ich glaube, hier sind wir aufgefordert, auch in unserer Europapolitik nicht nur ein Prinzip zu haben, sondern auch die notwendigen Umstrukturierungen mitzufinanzieren und mitzugestalten - auch bei uns, in unserer Industrie.
Eine Betrachtung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie kann sich jedoch - und damit komme ich zum Schluß - nicht nur auf die internationalen Fragen beschränken. Wichtig erscheint mir gerade auch für die langfristige Exportfähigkeit der deutschen Wirtschaft die Entwicklung der Binnenkonjunktur.
Nur wenn es gelingt - und das Beschäftigungsprogramm der Bundesregierung, das ja jetzt realisiert werden kann, ist dahin sicherlich ein erster guter Schritt -, die Auslastung der vorhandenen Kapazitäten insgesamt zu steigern - Herr Kollege Wissmann, den ich jetzt nicht mehr sehe, hat das heute morgen angesprochen; dazu zählt natürlich auch die öffentliche Nachfrage, die öffentliche Investitionsnachfrage; auch sie bringt Auslastung von Kapazitäten -, wird es zu weiteren Stückkostendegressionen kommen, nur dann kann die Investitionstätigkeit und die Modernisierung des Produktionsapparates, die damit verbunden ist, gesichert werden, nur dann wird es in Verbindung mit der Forschungspolitik der Bundesregierung möglich sein, die Forschungs- und Entwicklungsansätze weiterzutreiben, und nur dann können - und das halte ich für das Wichtigste - das hohe Ausbildungsniveau der deutschen Arbeitnehmer, aber auch der hohe Stand des sozialen Systems und der soziale Friede, der damit einhergeht - Herr Kollege Funke hat das am Schluß seiner Rede dankenswerterweise angesprochen -, erhalten bleiben. - Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen.
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Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich darüber, daß diese wirtschaftspolitische Debatte über die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft in einer entspannten Atmosphäre, wie mein Gefühl ist, stattfindet. Sicher ist dafür mit ausschlaggebend, daß wir alle unter dem Eindruck stehen, daß der Rückgang unseres Leistungsbilanzdefizits und die Aussicht, im Jahre 1982 möglicherweise sogar einen Ausgleich zu erreichen, durchaus positive Ausblicke ermöglichen, die sicher bei der Formulierung der Anfrage der CDU/CSU - es ist erwähnt worden - so noch nicht gesehen worden sind.
Und ein zweites - ich möchte das sagen -: Die Tatsache, daß die beschäftigungspolitische Initiative der Bundesregierung verabschiedet worden ist, daß es zu einem Konsens gekommen ist, ist sicher ein Beitrag, weil eine lange und andauernde Diskussion um die Frage Investitionszulage oder nicht sicher keine Förderung unserer wirtschaftlichen Chancen gewesen wäre.
Ich freue mich auch über die Übereinstimmung, die hier erzielt worden ist. Ich möchte das Ergebnis dieser Debatte einmal so zusammenfassen: Alle wirtschafts- und finanzpolitischen Entscheidungen müssen zu der mittel- und längerfristig unerläßlichen Umstrukturierung des Sozialprodukts von konsumtiven zu mehr investiven Verwendungen beitragen. Das ist hier allgemein betont worden, obwohl hinter einer solchen Aussage, wie wir alle wissen, sehr viel Sprengstoff steckt. Ich werde darauf noch zurückkommen.
Wesentlicher Bestandteil dieser Strategie muß es sein, dem eingeleiteten Abbau des Leistungsbilanzdefizits, der Milderung der internationalen Zinsabhängigkeit und der Schaffung eines weiteren Spielraums für Zinssenkungen Vorrang einzuräumen. Das war die erklärte Politik der Bundesregierung, und das war und ist die erklärte Zielsetzung der Deutschen Bundesbank, die sich ja in ersten sehr fühlbaren Ansätzen schon verwirklicht.
Die mit der finanzpolitischen „Operation '82" eingeleitete Umschichtung des Sozialprodukts zu mehr Investitionen und zur Reduzierung der Kreditfinanzierung des Bundeshaushalts muß mittelfristig fortgesetzt werden. Die damit verbundene Entspannung an den Kapitalmärkten muß dauerhaft abgesichert werden.
Soweit besteht Übereinstimmung. Es besteht Übereinstimmung auch mit den wirtschaftswissenParl. Staatssekretär Grüner
schaftlichen Instituten und dem Frühjahrsgutachten dieser Institute. Allerdings, meine Damen und Herren: Die Institute haben Kritik an der beschäftigungspolitischen Initiative geübt, an der Finanzpolitik der Bundesregierung. Zwar haben sie die „Operation '82" für richtig gehalten, aber daran Anstoß genommen, daß die Investitionszulage zu kurz gedacht sei. Sie haben dabei völlig verkannt, daß sich diese Initiative in einen Gesamtrahmen einfügt, der insbesondere gekennzeichnet ist durch eine Erhöhung der degressiven Abschreibungssätze unserer Wirtschaft, wie wir sie in der Nachkriegssteuergeschichte in dieser Höhe noch nie gehabt haben, und durch eine Inkaufnahme von Steuerausfällen, die wir, wenn Sie so wollen, zugunsten der Wirtschaft in Kauf genommen haben, wenn dadurch Investitionen gefördert werden. Deshalb die Abschreibungsverbesserungen, deshalb die Investitionszulage, weil wir ja in den Gesprächen mit den Gewerkschaften - Sie kennen diese einmalige Aktion des Deutschen Gewerkschaftsbundes, alle Parteien, alle Spitzenverbände und die Regierung aufzufordern, angesichts von nahezu 2 Millionen Arbeitslosen zusätzlich etwas zu tun - den Zusammenhang betont haben, daß mehr Investitionen auch mehr Arbeitsplätze bedeuten. Deshalb haben wir nicht dem Wunsch der Industrie Rechnung tragen können, in dieser Phase etwa durch Steuersenkungen die Ertragslage zu verbessern, sondern wir haben den Versuch gemacht, die Steuerausfälle des Staates mit der Chance auf mehr Investitionen zu koppeln. Nur der also erhält eine Investitionszulage, eine steuerfreie Zulage von 10 %, der in der Lage ist, 1982 mehr zu investieren als in den letzten drei Jahren.
Meine Damen und Herren, ich bedaure es sehr, daß sich die Institute bei ihrer Kritik nicht mit der Frage auseinandergesetzt haben, warum wir eine Mehrwertsteuererhöhung vorgeschlagen haben. Wir haben dies doch in erster Linie getan, um sie zur Senkung der direkten Steuern zu verwenden, weil die Höhe der direkten Steuern eine außerordentliche Beeinträchtigung der Leistungsbereitschaft darstellt und sie sich in den letzten Jahren sehr stark nach oben entwickelt haben. Der Anteil der direkten Steuern am gesamten Steueraufkommen betrugen 1960 53,9 %, 1969 55,1 %, 1975 58,9 % und 1981 57,3 %. Hier ist schon ein gewisser Rückgang zu verzeichnen, weil die von der Opposition mitgetragene Umstrukturierung durch die Steuerreform 1977 erfolgt ist. Damals haben wir nämlich überproportional direkte Steuern gesenkt, u. a. unter Inkaufnahme einer Mehrwertsteuererhöhung.
Unser Vorschlag war also eine konsequente Fortsetzung der Umstrukturierung unseres Steuersystems, auch unter Inkaufnahme höherer indirekter Belastung. Das ist besonders bedeutsam, weil wir gleichzeitig eine außerordentliche Explosion der Sozialabgabenbelastung haben. Gerade für die kleinen Einkommensempfänger stellt die Kombination von Steuerbelastung und Sozialabgabenbelastung ein besonderes Leistungshemmnis dar.
Damit bin ich an dem kritischen Punkt, meine Damen und Herren: Es ist entscheidend, daß diese beschäftigungspolitische Initiative von den deutschen Gewerkschaften als eine positive Antwort der Bundesregierung auf die Forderung der Gewerkschaften empfunden und dargestellt wurde,
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obwohl die Maßnahmen, die wir ergriffen haben, nicht den vorgeschlagenen Maßnahmen der deutschen Gewerkschaften entsprechen.
Ich habe mit großer Anteilnahme gestern abend Herrn Vetter, den scheidenden DGB-Vorsitzenden, im Fernsehen gesehen, wie er betont hat, welche Kraft die Gewerkschaft in diesen Versuch investiert hat, in Gesprächen mit allen Fraktionen, mit den Spitzenverbänden deutlich zu machen, daß verantwortungsbewußtes Verhalten der Gewerkschaften aus der Sicht der Gewerkschaft auch voraussetzt, daß dieser Forderung, mehr zu tun, entsprochen wird.
Ich verstehe nicht, daß dieser Zusammenhang nicht auch von den Instituten gesehen wird und daß er in der politischen Diskussion so untergeht, obwohl wir uns darüber im klaren sind, daß der soziale Konsens ein Wirtschaftsfaktor allererster Ordnung ist, auch wenn er sich nicht auf Heller und Pfennig nachrechnen und nachmessen läßt.
Herr Warnke, Sie haben im Zusammenhang mit der Staatsquote davon gesprochen, daß Vorschläge und Anregungen von Ihnen nicht aufgegriffen worden seien, etwa bei der Arbeitslosenversicherung. Ich meine, wenn wir über die Fragen der Wettbewerbsfähigkeit sprechen, sind wir alle in einer außerordentlich schwierigen Lage, weil wir uns nämlich mit der Frage beschäftigen müssen: Können wir die Vorschläge, die der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung gemacht hat, können wir die Vorschläge, die die wirtschaftswissenschaftlichen Institute zur Einschränkung konsumtiver Ausgaben vorgetragen haben, politisch durchsetzen? Können wir uns darauf verständigen? Wir müssen uns aber auch mit der Frage beschäftigen: Welche Folgen hätte das für den sozialen Konsens?
Ich nehme es sehr ernst, wenn darüber gesprochen wird, daß etwa die Fragen der Steuerpolitik und der Beschäftigungspolitik auch unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten gesehen werden müssen.
Ich sage ebenso klar, daß das, was ökonomisch falsch ist, auch nicht zu einer höheren Gerechtigkeit führen kann und daß ich deshalb der ökonomischen Richtigkeit die Priorität einräume,
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ohne zu bestreiten, daß der soziale Konsens und das Gefühl, man werde hier anständig behandelt, ebenfalls zu einem ökonomischen Faktor von außerordentlicher Bedeutung werden kann.
Aber ich möchte doch nicht verschweigen, was das Frühjahrsgutachten zum Thema „konsumtive Ausgaben" sagt. Ich zitiere wörtlich:
Eine wachstumsfördernde Finanzpolitik erfordert in der gegenwärtigen Situation auch die Beschneidung „wohlerworbener" Ansprüche. Sie wird deshalb den Protest der betroffenen
Gruppen nach sich ziehen. Mutet man ihnen heute keine Härten zu, so verschiebt und vergrößert man damit die Probleme und macht noch härtere Eingriffe in der Zukunft notwendig. Deshalb sollten die wirtschaftspolitisch Verantwortlichen nicht zögern, jene Einnahmen und Ausgaben zu korrigieren, bei denen in der Vergangenheit zu großzügig verfügt wurde. Zu solchen Regelungen zählen die bruttolohnbezogene Anpassung der Renten, die weit gefaßten Anspruchsgrundlagen für das Arbeitslosengeld, das Fehlen der Eigenverantwortlichkeit im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung, die Finanzierung von Umschulung und Ausbildung einschließlich der akademischen, die Subventionen im Agrar-, Stahl-, Kohle- und Werftbereich, aber auch Sondervergünstigungen im öffentlichen Dienst.
Ich halte das, was hier gefordert wird, für ökonomisch richtig. Wer aber von sich sagen kann, daß er diesen Ansprüchen politisch gerecht werde, sollte sich bitte melden. Und wer etwa das Rezept auf den Tisch legen kann, diese Forderungen ohne schwerwiegende soziale Auseinandersetzungen durchzustzen, sollte sich ebenfalls melden.
Meine Damen und Herren, das ist die Herausforderung für dieses Parlament. Hier sind wir gefordert, wenn wir die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft von der Kostenseite her herstellen und wenn wir die Zukunft wirklich dadurch sichern wollen, daß wir eine stärkere Hinwendung von den konsumtiven zu den investiven Ausgaben bewirken. Ich finde, daß wir über diese Fragen miteinander reden müssen, auch miteinander reden müssen angesichts einer schon dramatisch zu nennenden Entwicklung beispielsweise der Anteile unserer Sozialabgaben am Bruttosozialprodukt.
Die Steuerlastquote, die ein Teil der Abgabenquote ist, hat sich - anders, als immer wieder dargestellt wird, wenn von der Staatsquote die Rede ist - nicht erhöht. Was sich erhöht hat, sind die Sozialbeiträge, ist die Sozialabgabenquote. Ich nenne etwa den Anteil der Sozialbeitrage am Bruttosozialprodukt: 1970 10,4 %, 1981 14,7 %. Oder bei den Krankenversicherungsbeiträgen: 1960 8,4 % Beitragssatz, während die Durchschnittssätze heute bei 11,8% liegen, obwohl 1969 die arbeitsrechtliche Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle, eingeführt wurde und die Entgeltfortzahlung für Arbeiter während der Krankheit - schon wieder Beiträge - vom Arbeitgeber übernommen worden ist.
Ich meine, daß wir bei der Diskussion über die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft auch diese Frage unserer Belastungen im Sozialbereich im Auge behalten müssen. Wir müssen uns darauf konzentrieren, daß diejenigen, die die Leistung erbringen, nicht über Gebühr belastet werden. Das gehört mit zu den Zukunftsaufgaben, die wir zu lösen haben.
Auch wenn unsere Energiekosten in ähnlicher Weise wie in anderen Ländern gestiegen sind, Herr Kollege Wieczorek, so dürfen wir doch nicht übersehen, daß eine grundlegende Verschlechterung unserer Wettbewerbsfähigkeit auch gegenüber wichtigen industriellen Konkurrenten dadurch eingetreten ist, daß etwa die Amerikaner, die Engländer, die Holländer, die Norweger, die Australier, die Kanadier riesige Beiträge zu ihrem Volksvermögen aus - wenn Sie so wollen - „arbeitslosem Einkommen" beziehen, weil sie über große, im Wert steigende Energiereserven verfügen, während unser wertvollster Energieträger, die Kohle, wie wir alle wissen, auch heute noch mit staatlichen Subventionen unterstützt werden muß; nur so kann dieser wertvolle Rohstoff zutage gefördert werden.
Diese Zusammehänge, auch das Vordringen von Entwicklungs- und Schwellenländern, die japanische Konkurrenz, ohne Zweifel auch das Zurückbleiben der deutschen Wirtschaft in Schlüsselbereichen technologischer Entwicklung - ich nenne etwa das Stichwort Mikroelektronik - sollten uns in der heutigen Lage trotz einer günstigen Entwicklung unserer Leistungsbilanz nicht dazu verführen, anzunehmen, die Probleme seien gelöst. Deshalb müssen wir uns darüber unterhalten, was wir zur Stabilisierung dieser Lage beitragen können.
Deshalb auch meine herzliche Bitte, nicht allgemein von der Staatsquote zu sprechen, sondern dem Bürger draußen im Lande zu sagen, was sich in der Vergangenheit nach oben entwickelt hat. Wir müssen in allen Einrichtungen, auch in den Selbstverwaltungseinrichtungen, mehr an den Beitragszahler denken, an den, der die Abgaben zu entrichten hat, an den, der über die Lohnnebenkosten seine Unkosten erhöht sieht - den Unternehmer -, und nicht nur an den, der diese - ihm zuerkannten - Leistungen tatsächlich in Anspruch nimmt. Wenn wir diese Diskussion dazu benutzen, auch in diesem Bereich an die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit zu denken, wenn wir es ernst nehmen, wenn wir sagen: mehr investive Ausgaben, um die Zukunft zu sichern, und weniger konsumtive Ausgaben, weil wir eine Mark nur einmal ausgeben können, dann wird in diesem Parlament zwangsläufig auch darüber gesprochen werden müssen, wie das konkret erfolgen soll. Ich betone noch einmal mit großem Nachdruck - Graf Lambsdorff hat es hier bei der beschäftigungspolitischen Debatte getan -: Dazu gehört die Möglichkeit, sich über diese Fragen im Konsens zu einigen, dazu gehört die Bereitschaft, alle Gruppen unserer Bevölkerung zu diesen Themen zu hören, und dazu gehört der Versuch, auch etwa mit den Gewerkschaften in einen intensiven Gesprächskontakt einzutreten, wenn wir erreichen wollen, daß wir in diesem Felde einen Beitrag zur Stärkung unserer Wettbewerbsfähigkeit leisten und damit eine größere Sicherheit haben können, daß wir etwaige Rückschläge und Einbrüche auch in der wirtschaftlichen Entwicklung, die wir nicht ausschließen können - heute sind hier viele Risiken und Gefahren dargestellt worden -, auffangen können, ohne zu dramatischen Konsequenzen gezwungen zu sein.
Ich meine auch, wir haben allen Anlaß, an die Gutachter, an die wirtschaftswissenschaftlichen Institute, an alle Kritiker die Frage zu richten, warum sie in ihren Stellungnahmen dieser Frage des sozialen Konsenses eigentlich so wenig Bedeutung beimessen und warum sie es sich verhältnismäßig einfach
machen, mit globalen Forderungen ohne Berücksichtigung dieser Frage den Eindruck zu erwecken, als ob es hier nur um den guten Willen ginge, eine Politik durchzusetzen, von der wir hier in diesem Hause jedenfalls wissen, mit welchen Risiken und Gefahren sie verbunden sein wird, wenn wir sie gemeinsam angehen wollen, was ich hoffe.
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Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Dr. Waigel das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren. Die CDU/CSU hat durch diese Große Anfrage, wie ich meine, ein entscheidendes Thema aufgegriffen, das nicht davon abhängig ist, ob die Leistungsbilanz im dramatischen Defizit ist oder sich, wie jetzt Gott sei Dank, bessert. Das Thema ist auf Grund unserer Intervention dann auch vom Sachverständigenrat aufgegriffen worden. Es hat sich im Jahreswirtschaftsbericht wiedergefunden, und auch die wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute haben sich in ihrem Frühlingsgutachten damit beschäftigt. Dieses Thema bleibt Bestimmungsfaktor für die deutsche Wirtschaftspolitik, für Wachstum, für Beschäftigung, für Wohlstand.
Lassen Sie mich ganz kurz nur auf einige Bemerkungen eingehen, die am heutigen Vormittag und auch vorher gefallen sind. Herr Kollege Roth, bei aller Freundschaft, Sie haben beim Kollegen Warnke, als er auf ein anderes Lohnniveau in einem anderen Land hingewiesen hat, den Zwischenruf gemacht: Dies - nämlich 150 Mark Monatsgehalt - ist wohl Ihr Ziel!
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- Sie sagen, Herr Kollege Löffler, daß es nicht Herr Roth war, sondern Sie es waren?
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- Weil ich Sie anschaue? Nein, ich habe schief an Ihnen vorbeigesehen. Ich bitte um Entschuldigung. - Ich weise eine solche Unterstellung mit aller Entschiedenheit als bösartig zurück. Wir lassen uns so etwas nicht bieten.
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Ein Wort zum Kollegen Dr. Jens. Die Operation '82, die mehrfach angesprochen wurde, hat auch nach dem Urteil der Wissenschaftler nicht das gebracht, was sie bringen sollte. Sie war widersprüchlich: Auf der einen Seite ist etwas gegeben worden, und auf der anderen Seite ist mit der Kappung der Pensionsrückstellungen wieder ein Stück Eigenkapital von den Unternehmen weggenommen worden. Auf folgendes ist heute vielleicht noch zu wenig hingewiesen worden. Wenn in den letzten zehn Jahren die Eigenkapitalbasis der deutschen Wirtschaft von etwa 30 % auf etwa 20 % zurückgegangen ist, dann ist das doch eine Hauptursache dafür, daß die Investitionsschwäche heute besteht und Wachstum und
Vollbeschäftigung nicht in dem Maße gegeben sind, wie wir uns das alle wünschen.
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Der Kollege Dr. Jens hat auch vom konjunkturbedingten Defizit gesprochen. Der neue Bundesfinanzminister hat in den letzten Tagen darauf hingewiesen, daß er eigentlich mit diesem unscharfen Begriff nicht arbeiten wolle. Denn manches von dem, was Sie jetzt als konjunkturbedingt ausgeben, ist schon strukturbedingt geworden und bedurfte einer weit stärkeren Anstrengung, es zu überwinden; nur durch eine höhere Nettokreditfinanzierung ist es auf die Dauer nicht zu bewältigen.
Nun haben Sie, Herr Kollege Jens, gemeint, die CDU/CSU habe kein Konzept. Ich empfehle Ihnen die Lektüre des Sieben-Punkte-Programms der CDU/CSU.
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Im übrigen sollten Sie mit Ihrer „Gemeinschaftsinitiative", die weder den Namen, noch die Kennzeichnung, noch den Anspruch verdient, nicht so hausieren gehen. Diese „Gemeinschaftsinitiative" ist eine Woche, bevor sie geboren wurde, vom Bundeskanzler, vom damaligen Finanzminister, vom Bundeswirtschaftsminister als nicht sinnvoll abgelehnt worden und nur unter Druck zustande gekommen. Was ökonomisch nicht sinnvoll ist, das kann auch in der politischen Praxis nicht zum Ziele führen. Sie ist von Ihnen zwischenzeitlich zu einem Wahlkampfinstrument - allerdings untauglichen, wie Niedersachsen gezeigt hat - gemacht worden. Sie ist ein Ablenkungsmanöver für eine verfehlte Finanz-, Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik in den letzten zehn Jahren.
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Herr Bundesfinanzminister, Sie haben heute einen moderaten Einstieg in die Diskussion dieses Hohen Hauses gewählt - mit vorsichtigen, aber, wie ich meine, durchaus erkennbaren Absetzbewegungen gegenüber einer sozialistischen Wirtschaftspolitik. Bleiben Sie diesem Kurs treu! Sie werden dann zwar nicht lange Finanzminister sein und mutmaßlich der letzte sozialdemokratische, aber Sie bleiben dann wenigstens sich selber treu, und das ist wichtiger.
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Unüberhörbar war j a die Skepsis gegenüber den wirtschaftspolitischen Darlegungen früherer Art des Kollegen Roth. Wenn man schon einmal all das, was in München beschlossen worden ist, mit in Betracht zieht: Der Kanzler hatte in München keine Zeit, daran teilzunehmen, sondern zog sich in die vornehmen Räume des Bayerischen Hofes zurück - eine, wie ich meine, gute Unterkunft für sozialdemokratische Delegierte. Er hatte offensichtlich kein sehr großes Interesse, daran teilzunehmen, obwohl es doch wichtig gewesen wäre, daß ein Weltökonom seinen Sachverstand auch der eigenen Partei zur Verfügung stellt.
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Das ist leider nicht passiert. Sie haben das heute bereits in die Klassifizierung der Prüfungsanträge gestellt. Mein alter Freund Hermann Höcherl würde sagen: Eine Beerdigung siebter Klasse; die Leiche trägt die Kerze selber.
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Nun zur Verantwortung der Union, Herr Bundesfinanzminister, die Sie beschworen haben. Im Gegensatz zur früheren Oppositionsstrategie eines Abgeordneten Helmut Schmidt sind wir uns unserer Verantwortung stets bewußt gewesen und haben in den letzten zehn Jahren schwierigste Entscheidungen mitverantwortet. Sie könnten doch überhaupt keine Energiepolitik durchführen, wenn Sie hier nicht seitens der CDU/CSU die entscheidende Unterstützung hätten.
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Wir haben sehr unpopuläre Dinge in den letzten Jahren mitgetragen und mußten uns dann als „soziale Demonteure" beschimpfen lassen. Nein, Ihr Vorwurf mangelnder Verantwortung trifft nicht uns, der trifft Sie, der geht an Sie zurück. Sie haben nicht den Mut gehabt, das ökonomisch Notwendige und Sinnvolle zu tun. Wir denken und wir handeln hier im Einklang mit den meisten Sachverständigen, mit den wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstituten. Was fehlt, das ist der Mut zur richtigen Politik. Daran gebricht es Ihnen.
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Herr Staatssekretär Grüner, Sie werden Gelegenheit bekommen, Ihre Forderung nach Umstrukturierung der Haushalte, nach Umstrukturierung der Ausgaben, des Sozialprodukts viel mehr zum investiven Bereich hin heuer noch unter Beweis zu stellen. Wir werden sehen, was beim Sommertheater 1983 herauskommt.
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- Wir sind gespannt, Herr Löffler. Bereits der Terminkalender ist der eingebaute Konflikt. Wir werden uns später darüber nochmals unterhalten.
Es ist natürlich schon ein gewagtes Lob, das die FDP - jedenfalls teilweise - dem Frühlingsgutachten der Forschungsinstitute zuteil werden läßt, wenn genau diese Institute eigentlich eine verheerende und vernichtende Kritik an Ihrer Finanz- und Wirtschaftspolitik zum Ausdruck bringen.
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Meine Damen und Herren, nun zum DGB. Mir scheint es an der Zeit zu sein, für die Bereitschaft, Opfer auf sich zu nehmen, nicht nur Institutionen, sondern auch und vor allen Dingen den Menschen draußen zu danken, nicht immer nur von Institutionen zu reden, sondern auch von den Arbeitnehmern. Wir in diesem Hause sind, so meine ich, weder Befehlsempfänger des BDI oder der Industrieverbände noch Befehlsempfänger des DGB, sondern sind frei gewählte Parlamentarier und müssen notfalls auch einmal gegen beide entscheiden; wir müssen sie beide zu Rate ziehen und versuchen, einen sozialen Konsens zu erzielen, aber auch den Mut zur Politik haben. Nur Befehlsempfänger von anderen Institutionen oder Verbänden kann dieses Parlament und sollte die Politik jedenfalls nicht sein.
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Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie hätten dem DGB weit mehr Freude gemacht und wären seinen Forderungen weit mehr entgegengekommen, wenn Sie nicht die öffentlichen Investitionen in unvertretbarer Weise gekürzt hätten, wenn Sie wenigstens in der Baubranche - einer Schlüsselindustrie auch für andere Branchen - etwas vorangebracht hätten. Das ist doch auch ein Teil der Ursachen der Arbeitslosigkeit in manchen Bereichen!
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Wenn Sie hier die öffentlichen Investitionen weiterhin durchgeführt und den Mut gehabt hätten, entsprechende Umschichtungen in den Haushalten vorzunehmen, hätten Sie dieses merkwürdige, widersprüchliche und nicht weiterführende Programm, das Sie „Gemeinschaftsinitiative" nennen und von dem Ihre Spitzenpolitiker nichts halten, überhaupt nicht gebraucht.
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Eine zweite Bemerkung: Wenn Sie etwas mehr Einfallsreichtum und etwas mehr Mut auch beim Thema „Vermögensbildung" gehabt hätten, wäre heute vielleicht auch der Umgang mit den Gewerkschaften bei den Tarifverhandlungen leichter, als er gegenwärtig ist.
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Zur Bedeutung der Wechselkursentwicklung für den Export ist heute manches in weitgehender Übereinstimmung gesagt worden. Erst wenn sich der Wechselkurs wieder ändert - und er kann sich ändern; das wissen wir -, wird sich zeigen, inwieweit die binnenwirtschaftlichen Angebotsbedingungen ausreichen, um auch in den kommenden Jahren unsere Positition auf den Weltmärkten zu erhalten.
Die beträchtliche Abwertung der D-Mark gegenüber dem Dollar hat jedenfalls - das war im letzten Jahr nachteilig - den Inflationsprozeß im Inland beschleunigt. Erst wenn eine echt fundierte Anpassung - nicht eine Anpassung über den Wechselkurs, nicht eine Anpassung über mehr Inflation - stattfindet, zeigt sich, ob jener Fortschritt in der internationalen Wettbewerbsfähigkeit auf die Dauer gegeben ist.
Zu den Exportrisiken hat der Kollege Funke einiges gesagt; ich kann mich weitgehend darauf beziehen.
Nun noch eine Bemerkung zur Gemeinschaftsinitiative und auch zu dem, was der Finanzminister und Staatssekretär Grüner dazu gesagt haben. Die Institute, von denen Sie, Herr Grüner, gesprochen
haben, beurteilen ja die Gemeinschaftsinitiative als einen Rückschritt, und zwar nicht nur vom Inhalt her, sondern auch und vor allem hinsichtlich der Art und Weise, auf die Sie das Ganze betrieben haben, auch hinsichtlich der Art und Weise, auf die Sie als Koalition das Ganze betrieben haben; denn es war j a noch kaum gedruckt, da haben sich eigene Minister davon schon wieder abgesetzt. Wie glauben Sie denn Vertrauen, eine langfristige Linie und eine mittelfristige Perspektive, aufbauen zu können, wenn Sie selber an die Wirksamkeit Ihres Programms überhaupt nicht glauben?
Ich zitiere wörtlich, was das Frühjahrsgutachten dazu gesagt hat:
Eine Erhöhung der Steuer- und Abgabenbelastung erscheint nicht angebracht, weil damit die private Initiative, der Motor für eine dynamische Wirtschaftsentwicklung, behindert oder aber in die Schattenwirtschaft abgedrängt wird.
Was wir zu diesem Thema betrieben haben, ist keine Blockade gewesen, sondern eine verantwortungsvolle Politik, die vom ökonomischen Sachverstand in der Bundesrepublik Deutschland geteilt wird. Die wachstumspolitischen Wirkungen der Investitionszulage sind wenig erfolgversprechend. Deswegen wäre eine Finanzierung über die Mehrwertsteuer der falsche Weg gewesen.
Herr Staatssekretär Grüner, sagen Sie uns doch endlich, wie der in die Koalition eingebaute Dissens über die Steuerpolitik für 1984 beseitigt werden soll! Was gilt denn jetzt eigentlich? Wollen Sie die heimlichen Steuererhöhungen aus sich selbst heraus abbauen? Was wollen Sie dazunehmen? In welcher Größenordnung?
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Hier stimmen doch Ihre Äußerungen und die des Bundeswirtschaftsministers mit denen des Bundeskanzlers und denen des neuen Bundesfinanzministers, ganz abgesehen von denen des nordrheinwestfälischen Finanzministers, in keiner Weise überein.
Wir können Ihnen angesichts der desolaten Haushaltsentwicklung, der Löcher, die heuer anstehen, und der Defizite, die für das nächste Jahr anstehen, doch nicht glauben, daß Sie in der Lage sein werden, hier im nächsten Jahr ein Steuerentlastungspaket in der Größenordnung von 10 bis 16 Milliarden DM irgendwie auf die Beine zu bringen. Sie haben dazu doch nicht mehr die Kraft.
Darum geben wir Ihnen nicht den Blankoscheck, die Mehrwertsteuer Punkt für Punkt für ihre sonstigen Haushaltslöcher zu verfrühstücken und damit zu verschleudern, nur weil Sie nicht in der Lage sind, ein umfassendes, vernünftiges, leistungsgerechtes, investitionsfreundliches Steuerrecht zu gestalten.
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Das einzige, was Sie bringen, Herr Kollege Roth, ist die Ergänzungsabgabe. Auch dazu sagen die Wissenschaftler: Wie kann man auf die Idee kommen, ausgerechnet jene, deren Erträge in den letzten zwei Jahren um 25 % zurückgegangen sind, mit höheren Steuern zu bedenken, und dann von ihnen erwarten, daß sie ihr Geld in Investitionen und als Risikokapital für die Wirtschaft zur Verfügung stellen?
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Hierfür gilt wirklich, was Graf Lambsdorff zu diesem Thema gesagt hat.
Im übrigen treffen Sie mit einer Ergänzungsabgabe in erster Linie die Mittelständler, während diejenigen, die eine Ergänzungsabgabe aus Gründen der sozialen Symmetrie leicht verkraften könnten, wahrscheinlich nicht getroffen werden, weil sie ihre Ersparnisse längst steuerbegünstigt in Berlin oder sonstwo angelegt haben.
Sie haben heute natürlich auch der Versuchung nicht widerstehen können, auf Amerika und England hinzuweisen. Herr Kollege Echternach hat Ihnen schon gesagt, Sie sollten sich auch einmal mit Frankreich beschäftigen. Sie suchen Sündenböcke: Einmal ist es die Bundesbank, einmal ist es die amerikanische Politik, einmal ist es Frau Thatcher. Sie beklagen sich über das wirklich beklagenswerte Budgetdefizit in den Vereinigten Staaten, aber Sie selber halten ein möglichst hohes Defizit für den Inbegriff ökonomischer Politik. Herr Kollege Roth, Sie dürften die Amerikaner eigentlich nicht kritisieren. Die tun das, was Sie anstreben, nämlich ein hohes Defizit, das dann leider ökonomisch sehr ungünstige Folgen hat.
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Ich habe auch den Eindruck, daß der neue Bundesfinanzminister, obwohl er sich heute nicht hat ausfragen lassen, weiterhin der Strategie frönt: Mach dich fit durch Defizit! Meine Damen und Herren, diese Strategie trägt nicht mehr.
Was wir in der Wirtschaftspolitik brauchen, ist Vertrauen. Dieses Vertrauen können Sie der Wirtschaft nicht mehr geben. Die Operation '82 war widersprüchlich. Es gab ein Durcheinander um die Investitionszulage. Die Diskussion um Ergänzungs-
und Arbeitsmarktabgabe stellte ein Wechselbad dar, das der Wirtschaft nur schadet.
Sie sagen nicht, wie es langfristig weitergeht. Sie können uns heute nicht einmal sagen, wie die Steuerentlastung 1984 aussieht. Wie soll in dieser Situation der Investitionsmotor anspringen?
Lassen Sie mich am Schluß folgendes zum Ausdruck bringen. Wir haben der deutschen Exportwirtschaft, den Unternehmern, den Ingenieuren, den Facharbeitern mit hohem Respekt zu danken, die durch ihren Einsatz in aller Welt dazu beigetragen haben, daß die deutsche Wirtschaft vor einem noch größeren Einbruch bewahrt blieb und damit Arbeitsplätze mit hoher Arbeitsleistung im Inland erhalten werden konnten. Dieser Exporterfolg ist nicht wegen, sondern trotz dieser Bundesregierung erfolgt.
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Die internationale Wettbewerbsfähigkeit ist ein zentrales Thema. Es gilt, rechtzeitig die Weichen zu stellen. Dazu gehören eine stabilitätsorientierte
Geld- und Kreditpolitik und eine vernünftige Tarifpolitik. Dazu gehört Investitions- und Exportdynamik statt Konsumdynamik wie in den letzten zehn Jahren. Dazu gehört ein Abbau der Investitionshemmnisse; darüber sagt die Regierung überhaupt nichts mehr. Dazu gehören ein investitionsfreundliches Steuersystem und die Ausschöpfung des Innovationspotentials. Dazu gehört eine Energievorsorge zu wettbewerbsfähigen Preisen, und dazu gehört der Kampf gegen den Protektionismus. - Ich danke Ihnen.
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Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Schwörer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, den Antrag der CDU/CSU-Fraktion auf Drucksache 9/1586 zu begründen.
Ich hätte mir gewünscht, daß für die dort angesprochene Verwirklichung einer gemeinsamen europäischen Wirtschaftspolitik und des Binnenmarktes eine eigene Debatte geführt worden wäre. Durch die große Weisheit des Ältestenrats ist die Beratung dieses Antrags an die Debatte über die Anfrage zur Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft angehängt worden.
Nun gut, der Zusammenhang ist gegeben. Die Europäische Gemeinschaft ist ja schließlich nicht zuletzt auch deshalb gegründet worden, um den großen Markt und das Industriepotential von heute 270 Millionen Menschen zusammenzufassen und im weltweiten Konkurrenzkampf einzusetzen. Die EG- Kommission hat dies in ihrem fünften Programm für die mittelfristige Wirtschaftspolitik, das zur Zeit vom Rat behandelt wird, so ausgedrückt:
Die Gemeinschaft muß mit Hilfe einer engen Koordinierung der Wirtschaftspolitik, mit dem Einsatz gemeinsamer Instrumente und mit der Auswirkung des großräumigen Marktes zusätzliche Wachstums- und damit Beschäftigungsmöglichkeiten bieten und eine Verhandlungsposition ausnützen, die die Mitgliedstaaten einzeln niemals haben würden.
Was ist der Inhalt dieser gemeinsamen Wirtschaftspolitik? Hauptziel ist natürlich heute die Beseitigung der Arbeitslosigkeit. Die Mittel, die für alle Partner vorgeschlagen werden, heißen:
Erstens. Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit besonders durch Steigerung der Investitionen, die ermöglicht werden sollen durch eine Stärkung der Ertragskraft der Unternehmen, durch steuerliche Anreize, durch Reduzierung der Abgabenlast und der bürokratischen Hemmnisse. Dazu gehören Verbesserungen bei den Möglichkeiten, neue Produkte, neue Verfahren, neue Märkte zu schaffen. Hier sollen sich die Europäer besonders auf die Spitzentechnologien konzentrieren.
Das zweite ist die Bekämpfung der Inflation. Heute ist viel darüber gesprochen worden. Besonders durch die Politik der Bundesbank sind wir in der Bundesrepublik ein Stück vorangekommen.
Trotzdem sind uns die 5 % Preissteigerungsrate noch zu viel. Auch andere Staaten haben Erfolge erzielt. Hoffen wir, daß auch die beiden großen Partner Italien und Frankreich endlich der Inflationsbekämpfung das nötige Gewicht geben.
Der dritte Punkt ist die Intensivierung des Dialogs der Sozialpartner. Hier hat die deutsche Konzertierte Aktion Pate gestanden. Es wäre gut, wenn diese gute Einrichtung, die wir einmal hatten, bald wieder zum Leben erweckt würde.
Viertens. Die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Der europäische Sozialfonds sollte sich in nächster Zeit voll auf dieses Problem konzentrieren und nicht andere Dinge machen, die heute von dort auch finanziert werden, damit dieses wohl größte Ärgernis unserer Zeit beseitigt wird, daß nämlich junge Menschen, wenn sie nach einer guten Ausbildung und abgeschlosser Lehre bzw. nach einem Studium einen Beruf ergreifen wollen, vor verschlossenen Türen stehen.
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Ich glaube, es gibt nichts Wichtigeres, als dieses Thema ernsthaft auch von der europäischen Ebene her anzupacken.
Fünftens. Diese Maßnahmen müssen durch eine Verbesserung der Zusammenarbeit auf währungspolitischem Gebiet abgestützt werden. Der Herr Bundesfinanzminister hat dazu heute morgen Ausführungen gemacht, die ich unterstreichen kann. Das Europäische Währungssystem hat offensichtlich Mängel, nicht nur weil nicht alle Mitglieder der Gemeinschaft dabei sind. Vor allem die Tatsache, daß die Wirtschaftspolitik nicht koordiniert ist, schafft ständig neue Spannungen. Es ist auch völlig richtig, daß das EWS sich auch um die Zusammenarbeit mit den außereuropäischen Partnern bemühen muß. Da gibt es Themen wie Zinspolitik, Kapitalrückführung, wobei wir die Rolle, die wir hier spielen können, ganz sicherlich nicht überbewerten sollten. Ich glaube, wir sollten dies nicht durch eine große Darstellung in der Öffentlichkeit tun, sondern geräuschlos und in den Gremien, die dafür vorhanden sind.
Der zweite Teil unseres Antrags umfaßt unsere Bemühungen, den Protektionismus innerhalb der Gemeinschaft zu bekämpfen. Herr Kollege Echternach hat dazu sehr gute Ausführungen gemacht; diesen kann ich mich anschließen. Der Protektionismus mag augenblickliche Vorteile bringen, aber langfristig ist eine solche Politik verhängnisvoll, und zwar aus vielen Gründen, die Sie, Herr Kollege, sehr gut dargestellt haben.
Leider sind dem Erfindungsreichtum der Partner in der Gemeinschaft offensichtlich keine Grenzen gesetzt, wenn es darum geht, Importe innerhalb der Gemeinschaft zu behindern. Die Bundesregierung und die Europäische Kommission leisten dagegen Widerstand. Beide sind auch bereit, vor dem Europäischen Gerichtshof zu klagen, aber ich finde es gar nicht gut, wenn die Zahl der Prozesse in Luxemburg ständig steigt. Gewiß, man braucht die letzte Bereitschaft, den Richter zu bemühen, aber wie es auch im Privatleben nicht gut ist, wenn man ständig ProDr. Schwörer
zesse führt, so ist es auch im Zusammenleben der Völker und vor allem in der Gemeinschaft. Es müßte so sein, daß der Geist der Römischen Verträge verhindert, daß die Partner dieser Gemeinschaft immer wieder ihre Zuflucht zu vertragswidrigen Praktiken nehmen.
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- Herr Kollege Löffler, das ist aus gesundheitlichen Gründen besonders wichtig.
({2})
- Das steht in unserem Antrag; das müssen Sie einmal nachlesen. - Ich möchte einige Fälle aufzählen, die ich meine. Herr Löffler, Sie werden hier sicherlich einiges finden, was Sie auch bejahen können.
Ich nenne z. B. die sektoralen Beihilfen. Wir kennen diese Erhaltungssubventionen - Sie als Haushaltspolitiker wissen das j a - aus der Stahlpolitik. Dabei wissen wir doch, daß es trotz geradezu astronomischer Höhen der gewährten Subventionen in der Stahlindustrie Europas wirklich bitterböse aussieht, denn die Überkapazitäten sind ständig gewachsen und die Strukturprobleme sind völlig ungelöst. Das ist ein Fall einer Erhaltenssubvention, die wir nicht mehr wollen.
Schauen Sie sich den Claes-Plan an, den belgischen Plan für die Textilindustrie. Er führt doch genau das weiter, was auf dem Stahlsektor begonnen worden ist. Die Bundesregierung hat, wie ich weiß, dagegen eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof erhoben. Aber wir kennen gleiche Fälle aus der Textilindustrie Italiens und Frankreichs. Gerade in Frankreich sind unsere Sorgen heute besonders groß. Die angekündigte Rückeroberung des französischen Marktes soll offensichtlich mit Mitteln erreicht werden, die dem Geist und dem Buchstaben der Römischen Verträge widersprechen. Ich denke hier an versteckte Finanzhilfen von verstaatlichten Banken, die Verpflichtung zum Kauf französischer Waren durch staatliche Einkaufsfirmen oder die Übernahme von Soziallasten durch den Staatshaushalt. Hier gibt es eine ganz breite Palette von Möglichkeiten, die eine Konkurrenzfirma in der Bundesrepublik eben nicht hat.
({3})
- Das ist ein Sonderfall. Darüber können wir ein anderes Mal wieder diskutieren.
({4})
Wir hören zwar beruhigende Erklärungen. Aber immerhin war es der französische Staatspräsident Mitterrand selbst, der in einer Pressekonferenz am 24. September 1981 gesagt hat: „Die Verstaatlichung ist für uns auch ein Instrument der Verteidigung der französischen Produktion, um Frankreich nicht dem Diktat einer anderswo entschiedenen internationalen Arbeitsteilung zu unterwerfen." Das muß uns zu denken geben.
Weiter erleben wir hier: verschärfte Überwachungs- und Schutzmaßnahmen gemäß Artikel 115 EWG-Vertrag, die Forderung nach Vorlage von Ursprungszeugnissen, schleppende Grenzabfertigung, Vorlage einer Vielzahl von Dokumenten, Abfertigung nur an bestimmten Orten für bestimmte Produkte.
Hierher gehören die nationalen Kampagnen zum Kauf der eigenen Produkte. Auch darüber hat der Kollege Echternach gesprochen. Auch Gesundheits-, Veterinär- und Umweltschutzbestimmungen dienen diesem Zweck, nämlich die anderen vom eigenen Gebiet fernzuhalten.
({5})
Das ist noch keine vollständige Liste dieser Möglichkeiten. In Brüssel werden zur Zeit 400 Möglichkeiten von Beschränkungen behandelt. Das ist das Vierfache der Zahl von Vertragsverstößen, die 1978 bekannt waren.
Ich bitte in diesem Zusammenhang die Bundesregierung, dem einstimmigen Votum des Wirtschaftsausschusses zu folgen, die Verordnung der EG-Kommission über obligatorische Ursprungszeugnisse in Brüssel abzulehnen und sich nicht auf einen faulen Kompromiß einzulassen, wie er zur Zeit befürchtet wird. Diese Ursprungskennzeichnungen sind eine Diskriminierung und dienen nur der Abschirmung. Deshalb sollten wir sie vermeiden.
({6})
Herr Kollege Löffler, jeder Kundige weiß, daß es für die EG keinen Ersatz gibt.
({7})
Seit 1958 hat sich der Binnenmarkt innerhalb der EG um das 20fache vergrößert, also weit mehr als der Welthandel, der nur um das Sechsfache gestiegen ist. Die wichtigste Konjunkturstütze, von der heute dauernd gesprochen wurde, nämlich der Außenhandel, bestünde nicht, wenn die Europäische Gemeinschaft uns nicht alle Exporte in die EG-Staaten erlauben würde. Ich glaube, darüber gibt es keinen Zweifel.
Darüber hinaus ist der EG-Markt ein Beispiel für den Weltmarkt. Ohne die Offenheit dieses Marktes in Europa wäre der gegenwärtige Grad der Offenheit des Weltmarkts wahrscheinlich nicht denkbar.
Zum dritten Teil unseres Antrags - zu den Ziffern 4 bis 8 -: Er will erreichen, daß im Grenzverkehr das vereinigte Europa Vereinfachungen und Verbilligungen bringt, und zwar vor allem für die exportierende und die importierende Wirtschaft.
Erstens. Der große Vorteil des Zollabbaus innerhalb der EG wird heute aufgewogen, wenn nicht sogar ins Gegenteil verkehrt durch eine Vielzahl sogenannter nichttarifärer Handelshemmnisse innerhalb der Gemeinschaft, die die Waren unnötig verteuern und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft beeinträchtigen. Nach Schätzung des Wirtschaftsministeriums betragen allein die typischen Kosten des grenzüberschreitenden Warenverkehrs mehr als 7,5 % des Warenwerts. Damit wird offenkundig, daß die nichttarifären Handelshemm6048
nisse praktisch die Wirkung früherer Zölle übernehmen. Das kann doch nicht der Sinn dieses Zusammenschlusses sein.
({8})
Eine ganz wesentliche Rolle spielen hierbei die technischen Handelshemmnisse. Nach den vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Grundsätzen muß jedes Erzeugnis, das auf rechtmäßige Weise in einem Mitgliedstaat in den Verkehr gebracht wird, grundsätzlich auch auf dem Markt jedes anderen Mitgliedstaates zugelassen werden, und zwar ohne große Harmonisierung usw. Abweichende Regelungen sind nur unter ganz bestimmten Erfordernissen möglich. Daraus müßte die Bundesregierung endlich die Konsequenz ziehen. Sie würde dann eine Fülle unnötiger Harmonisierungsrichtlinien in der EG vermeiden und den damit verbundenen bürokratischen Aufwand einschränken.
({9})
Zweitens. Die im Warenverkehr geltenden Verfahrensvorschriften sind im wesentlichen die gleichen wie früher und so geblieben, wie sie auch im Handel mit Drittländern gefordert werden. Alle Einfuhr- und Ausfuhrverfahren sind heute noch Zollverfahren, für die schon rein begrifflich innerhalb der EG kein Raum mehr ist.
({10})
Warum ist es nicht möglich, diese Vielzahl geforderter Dokumente durch ein einziges Verwaltungsdokument zu ersetzen, das den unterschiedlichen Anforderungen gerecht wird? Man sollte gegen diesen Vorschlag nicht deshalb von vornherein sein, bloß weil er eine große Umstellung erfordert.
Drittens. Aus den gleichen Erwägungen sollte man sich dem Vorschlag der Kommission gegenüber aufgeschlossen zeigen, die Einfuhrumsatzsteuer nicht mehr bei der Einfuhr besonders zu erheben, sondern in das inländische Erklärungsverfahren für die allgemeine Umsatzsteuer einzubeziehen. Dieser Vorschlag wird bereits in den Benelux-Staaten, aber auch in England und Irland praktiziert. Die Zurückverlagerung der Einfuhrumsatzsteuer auf das inländische Erklärungsfinanzamt würde zu einer Verringerung der Formalitäten und zu großen Kosteneinsparungen führen.
Viertens. Eine weitere Vereinfachung ließe sich erzielen, wenn man die statistische Erfassung des innergemeinschaftlichen Warenverkehrs auch für die Grenzverkehre im Rahmen normaler periodischer Meldungen vornehmen würde. Die befürchtete Verringerung des Aussagewerts der Statistik tritt bestimmt nicht ein. Im übrigen bin ich dafür, Statistiken auf das unbedingt notwendige Maß zu begrenzen.
({11})
Mindestens sollte bei uns in der Bundesrepublik nicht mehr verlangt werden als in den Partnerländern. Und wir haben das größte Interesse daran, die Idee des Gemeinsamen Marktes auch dadurch zu stärken, daß der einzelne Bürger davon einen Vorteil hat, daß er den Gemeinsamen Markt auch spürt.
Hierzu würde erstens die Anhebung der Reisefreibeträge dienen, die für die Reisenden seit Jahren - trotz fortschreitender Inflation - unverändert geblieben sind; es liegen Anträge des Europäischen Parlaments dazu vor.
Zweitens. Die Realisierung des Vorschlags der Kommission zur vorübergehenden Verwendung von Gemeinschaftsgut wäre auch ein Fortschritt in diesem Sinne. Hier handelt es sich um den Abbau von Grenzformalitäten, die kein Mensch mehr versteht. Gewerbetreibende wie Handwerker und Mechaniker, aber auch Künstler und Journalisten, die in anderen EG-Staaten vorübergehend tätig werden, sollten doch ihre Geräte und Waren, die sie für diese Tätigkeit brauchen, nicht mehr einem Zollverfahren unterwerfen müssen, so wie es jetzt noch der Fall ist. Eine Sicherheitsleistung kann doch da nicht gefordert werden; das ist j a wirklich anachronistisch. Auch sollten für die Beteiligten keine Kosten entstehen; ich glaube, da sind wir uns alle einig.
({12})
Drittens. Es ist auch nicht einzusehen, warum Personalkontrollen an den Innengrenzen der EG auf ewige Zeiten stattfinden sollen.
({13})
Zwischen den drei Benelux-Staaten gibt es diese schon seit Jahrzehnten nicht mehr, ohne daß daraus Nachteile entstanden sind.
Viertens. Hierher gehört auch die Schaffung eines einheitlichen Zollrechts, das die komplizierten einzelstaatlichen Zollbestimmungen ersetzen soll.
Fünftens. Ferner gehört hierher der Vorschlag, der vor allem aus dem Transportgewerbe kommt, eine Freimenge an Dieselöl in Lastwagen mindestens in der Höhe der französischen Freimengen von 200 Litern zuzulassen. Ich glaube, wir müssen den Fahrern, die diese schweren Autos fahren müssen, den komplizierten und zeitraubenden Meßvorgang an der Grenze ersparen.
({14})
Dies, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist alles ohne Vertragsänderung, ohne komplizierte neue Gesetze und auch ohne Kosten zu machen.
({15})
- Ja, deshalb habe ich es auch gesagt. - Es ist unverständlich, daß es auf diesem Gebiet nicht weitergeht.
({16})
Die Einstellung mancher Ressorts, für Vereinfachung zu sein, aber nur dann, wenn sich nichts ändert, darf, glaube ich, nicht weiter die Richtung bestimmen.
({17})
Ich weiß, daß die Bundesregierung - vor allem aber auch der Bundeswirtschaftsminister - auf diesen Antrag sicherlich positiv reagieren wird. Doch nützen Lippenbekenntnisse wenig, wenn sie sich nur in Reden im Bundestag oder in Kommuniques der Europäischen Gemeinschaft, besonders auch des Europäischen Rats finden. Gerade der Europäische Rat ist ja dafür bekannt, daß er zu keiner Entscheidung fähig ist. Ich frage mich: Bleiben die Gespräche bei Konferenzen der Spitzenpolitiker zu sehr im Unverbindlichen? Haben die Beamten, die diese Konferenzen vorbereiten, zu wenig Antrieb von ihrer Zentrale? Hat man zwischen den Konferenzen zu wenig Kontakt, oder fehlt es einfach am Willen, die praktischen Probleme zu lösen?
Die Pläne des Herrn Bundesaußenministers zur Stärkung der Gemeinschaft hin zur Europäischen Union, die er am 25. Geburtstag der Gemeinschaft vorgelegt hat, in allen Ehren! Aber was ist die Praxis? Was folgt daraus? Er weiß doch auch, daß dazu Vertragsänderungen nötig sind, die nicht zu bekommen sind, jedenfalls in diesem Jahrzehnt nicht mehr. Ich frage mich, warum die Dinge in den 50er und 60er Jahren besser gelaufen sind, obwohl die Schwierigkeiten damals größer waren als heute. Aber damals gab es eben noch einen europäischen Geist, einen europäischen Willen; dieser fehlt heute.
({18})
Ich bin der Überzeugung, daß die Bundesregierung mehr tun könnte,
({19})
um diese heute besprochene gemeinsame Wirtschaftspolitik zu erreichen, um den Protektionismus zu bekämpfen und um die Handelshemmnisse langfristig zu beseitigen. Ihr Gewicht als größter Nettozahler sollte sie diskret - diskret, sage ich - stärker in die Waagschale werfen.
Die Europäische Kommission hat recht, wenn sie sagt: In den nächsten Jahren muß Europa, wenn nicht ein Verfallprozeß einsetzen soll, seine Ungleichgewichte beseitigen, seine Produktionsstrukturen modernisieren und die Tendenz auf dem Arbeitsmarkt umkehren. Ein Fehlschlag würde alle Mitgliedsstaaten treffen. Diese Bemühungen, diese wirklich berechtigen Bemühungen der Europäischen Kommission nicht durch Lippenbekenntnisse, sondern durch praktische Maßnahmen zu unterstützen, ist der Sinn unseres Antrags. Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung.
({20})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über Punkt 3 b der Tagesordnung. Der Ältestenrat schlägt vor, den Antrag der Abgeordneten Dr. Schwörer, Dr. Schäuble, Dr. Waigel, Frau Dr. Hellwig, Dr. Unland, Dr. van Aerssen und der Fraktion der CDU/CSU auf der Drucksache 9/1586 zu überweisen, und zwar zur federführenden Beratung an den Ausschuß für Wirtschaft und zur Mitberatung an den Finanzausschuß, den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung, den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft und den Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Ist das Haus mit den vorgeschlagenen Überweisungen einverstanden? - Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist dies so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich weiche jetzt von der Tagesordnung ab und mache Ihnen folgende Mitteilung. Auf Grund einer Vereinbarung im Ältestenrat soll die heutige Tagesordnung um den Zusatzpunkt erweitert werden, nämlich um die erste Beratung des Teilhauptfeststellungsgesetzes 1983. Ich gehe davon aus, daß mit der Aufsetzung dieses Tagesordnungspunktes gleichzeitig von der Frist für den Beginn der Beratung abgewichen wird. Darf ich das Haus fragen, ob es damit einverstanden ist? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist diese Abweichung mit der dafür erforderlichen Mehrheit so beschlossen worden.
Ich rufe jetzt diesen Zusatzpunkt auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neubewertung unbebauter baureifer Grundstücke ({0})
- Drucksache 9/1648 Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zur Aussprache gewünscht? - Auch dies ist nicht der Fall.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und der FDP auf Drucksache 9/1648 zu überweisen, und zwar zur federführenden Beratung an den Finanzausschuß und zur Mitberatung an den Ausschuß für Raumordung, Bauwesen und Städtebau sowie zur Mitberatung und zur Beratung gemäß § 96 unserer Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß. Ist das Haus mit den vorgeschlagenen Überweisungen einverstanden? - Dem wird nicht widersprochen. Dann ist dies so beschlossen.
Meine Damen und Herren, wir hatten bereits einvernehmlich beschlossen, daß der Tagesordnungspunkt 4 abgesetzt wird. Darüber hinaus wurde Einvernehmen darüber erzielt, daß nunmehr der Tagesordnungspunkt 8 behandelt wird.
Ich rufe also Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({1}) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Hennig, Jäger ({2}), Lorenz, Baron von Wrangel, Dallmeyer, Gerster ({3}), Dr. Kunz ({4}), Dr. Marx, Eigen, Dr. Meyer zu Bentrup, Werner, Schulze ({5}), Graf Huyn, Sauer ({6}), Clemens, Lowack, Dr. Hüsch, Lamers, Dr.-Ing. Oldenstädt, Frau Geier, Berger ({7}), Dr. Köhler ({8}), Dr. Todenhöfer, Dr. Hupka, Repnik, Rühe, Böhm ({9}), Dr. Arnold, Dr. Mertes ({10}), Straßmeir, Würzbach,
Vizepräsident Windelen
Lintner, Dr. Abelein und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU
Reiseverkehr in den nördlichen Teil Ostpreußens
- Drucksachen 9/925, 9/1451 Berichterstatter: Abgeordneter Schlaga
Im Ältestenrat ist für die Aussprache ein Beitrag von bis zu zehn Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. Darf ich fragen, ob das Haus mit diesem Vorschlag einverstanden ist? - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist dies so beschlossen.
Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hupka.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion, zwischen uns und den Russen, befinden sich drei Problemkreise. Einen werden wir nachher etwas ausführlicher behandeln, aber alle drei seien gleich zu Beginn beim Namen genannt. Es sind dies: erstens die Situation der Deutschen in der Sowjetunion, zweitens die Sorge um die Kriegsgräber aus dem Zweiten Weltkrieg und drittens die Verweigerung einer Besuchsmöglichkeit im Norden von Ostpreußen.
Von den Deutschen in der Sowjetunion wissen wir, daß ihre Zahl 2 Millionen beträgt, daß etwa 200 000 ausreisen wollen und daß die Ausreisemöglichkeiten immer schwieriger werden. Für das erste Quartal dieses Jahres ist festgehalten worden, daß im Monatsdurchschnitt nur noch 200 Menschen als Deutsche die Sowjetunion verlassen können. Im vorigen Jahr, das ohnehin ein schlechtes Jahr war, kamen noch 300 Deutsche im Monatsdurchschnitt zu uns. Man sollte diese Zahlen einmal mit denen des Jahres 1976 vergleichen. Damals haben weit über 9 000 Menschen als Deutsche die Ausreiseerlaubnis erhalten.
In der Sorge um die Kriegsgräber haben wir in diesen Tagen zum erstenmal erfahren dürfen, daß seitens der Regierung der Sowjetunion erste Kontakte mit dem Volksbund für deutsche Kriegsgräberfürsorge aufgenommen worden sind und es den Anschein hat, daß es möglich sein wird, zunächst einige wenige Friedhöfe mit Kriegsgräbern zu betreuen. Dies muß, wie das in der vorigen Sitzungswoche auch geschehen ist, von uns allen als ein Fortschritt registriert werden.
Die Erlaubnis aber, als Tourist in den Norden Ostpreußens zu fahren, wird nach wie vor hartnäckig verweigert. Es handelt sich um ein Gebiet etwa in der Größe von Schleswig-Holstein. Fast wie mit dem Lineal ist Ostpreußen zwischen einer polnischen und einer sowjetischen Verwaltung aufgeteilt worden. Man wird unwillkürlich an die Grenzziehungen der ehemaligen Kolonialherren in Afrika erinnert. 200 km ist diese Grenze lang. Sie reicht von der Samlandküste nördlich von Braunsberg und Goldap bis zur litauisch-polnischen Grenze südlich von Rominten. Drei Fünftel von Ostpreußen - das ist das polnisch verwaltete Ostpreußen - dürfen besucht werden. Zwei Fünftel von Ostpreußen - das ist das sowjetisch verwaltete Ostpreußen - sind eine einzige Sperrzone. Es sind die Städte Königsberg mit Pillau, Ostpreußens Hauptstadt, Tapiau, Insterburg, Gumbinnen, Tilsit, Memel, um nur einige Städte und Kreise zu nennen. Es ist die Bernsteinküste und das Kurische Haff. Es ist die Heimat von Immanuel Kant, Käthe Kollwitz, Agnes Miegel, Lovis Corinth, Simon Dach. Und bekanntlich ist in Insterburg unser gegenwärtiger Bundesjustizminister geboren.
Mehrmals hat die Bundesregierung versucht, in Gesprächen auf diesen Mißstand der Besuchsverweigerung hinzuweisen. Dies geschah beim Besuch von Breschnew im Mai 1978 hier in Bonn. Aber die im August 1978 erfolgte Antwort war eine Ablehnung jeder Besuchsmöglichkeit. Es hat dann noch weitere Ablehnungen nach entsprechenden Vorsprachen über eine Besuchserlaubnis im Norden Ostpreußens im Dezember 1978 und im April 1979 gegeben.
Während der Debatte am 10. Dezember 1981 in diesem Hohen Hause wurde aus gutem Grund auf das Gespräch verwiesen, das in verdienstvoller Weise der Bundespräsident, Professor Carstens, anläßlich des jüngsten Besuchs von Breschnew in Bonn mit dem Generalsekretär der KPdSU geführt hat. Es ist berichtet worden, daß der Moskauer Gast bis zu dieser Begegnung in der Villa Hammer-schmidt von dem Besuchsverbot für den Norden Ostpreußens nichts gewußt habe und er sich erst durch seinen Außenminister kundig machen lassen mußte. Dieser habe ihm dann geantwortet, daß es um ein geschlossenes Gebiet gehe, nämlich um dem Norden Ostpreußens. Zwar habe jedes Land seine internen Regelungen - so hat nachher Breschnew abschließend gemeint -, aber die Angelegenheit sollte doch überprüft werden. Jedenfalls dauert die Überprüfung bis heute, denn wir haben seitdem nichts vernommen. Es ist nämlich gar nichts geschehen.
Zum Schlechteren, wie etwa bei der Ausreise der Deutschen aus der Sowjetunion, konnte es sich nach Breschnews Besuch überhaupt nicht entwickeln, denn es ist schon schlimm genug, daß es nicht möglich ist, als Tourist, als Besucher in den Norden Ostpreußens zu reisen.
In der Schlußakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa gibt es ein eigenes Kapitel über den Tourismus. Darin heißt es wörtlich:
Die Teilnehmerstaaten geben ihrer Absicht
Ausdruck, verstärkten Tourismus sowohl für
Einzel- als auch für Gruppenreisen zu fördern.
Übrigens steht in dieser Schlußakte über den Tourismus kein Wort über einen Zwangsumtausch als Voraussetzung für den Tourismus, wie dieser Zwangsumtausch von der DDR und auch von der Volksrepublik Polen bei der Einreise in die OderNeisse-Gebiete praktiziert wird. Die Sowjetunion ist zwar eine der 35 Signatarmächte dieser politischen Deklaration, aber in der Praxis werden von den Sowjets die Souveränität über das eigene Territorium
und die Nichteinmischung in innere Angelegenheiten vorgeschoben und zur Barriere aufgebaut.
Auf Konferenzen der Interparlamentarischen Union zur Thematik der KSZE hat zwar der Vertreter der Sowjetunion die Erklärungen zum freien Reiseverkehr und zur Erschließung weiterer Gebiete für den Tourismus unterschrieben, aber den Unterschriften ist nichts gefolgt. Die Sowjetunion ist bei ihrem grausamen harten Njet geblieben.
Während des Madrider Nachfolgetreffens der KSZE hat im November vorigen Jahres der deutsche Vertreter erneut auf dieses Problem des verweigerten Besuchsverkehrs und Tourismus in das nördliche Ostpreußen verwiesen. Am 27. November vorigen Jahres führte der Leiter unserer Delegation in Madrid aus:
So warten viele Menschen in der Bundesrepublik Deutschland darauf, Gebiete in der Sowjetunion besuchen zu können, die, wie das nördliche Ostpreußen, noch für Ausländer gesperrt sind. Meine Regierung würde es begrüßen, wenn die sowjetische Regierung, der Entschließung der Interparlamentarischen Konferenz folgend, Reisen auch in diese Gebiete zulassen würde.
Zuvor schon hatte sich der Bundeskanzler während des Besuchs von Breschnew auf die Entschließung dieser 4. Interparlamentarischen Konferenz im Mai 1980 in Brüssel bezüglich der Touristenreisen bezogen - nein, nur beziehen wollen. Die uns nämlich während der ersten Debatte über den Antrag der CDU/CSU vom SPD-Kollegen Schlaga vorgelesene Tischrede des Bundeskanzlers vom 23. November 1981 ist - das ist ein sehr bemerkenswertes Ereignis! - überhaupt nicht gehalten worden.
({0})
Wäre sie gehalten worden, hätte man diesen Ausführungen, wie sie am 10. Dezember aus der nicht gehaltenen Rede zitiert worden sind, nur zustimmen können. Es wurde zitiert:
So warten viele Menschen in der Bundesrepublik Deutschland darauf, Gebiete in der Sowjetunion besuchen zu können, die, wie das nördliche Ostpreußen, noch für Ausländer gesperrt sind. Meine Regierung würde es begrüßen, wenn die sowjetische Regierung, der Entschließung der Interparlamentarischen Konferenz folgend, Reisen auch in diese Gebiete zulassen würde.
Eine gute, aber leider nicht gehaltene Rede des Bundeskanzlers. Aber wir müssen nachträglich dem SPD-Kollegen Schlaga dafür dankbar sein, daß er uns davon unterrichtet hat, was in Anwesenheit von Breschnew hätte gesagt werden müssen und nicht gesagt worden ist.
Es braucht hier jetzt gar nicht ausführlich erläutert zu werden, welche Bedeutung in unserer Zeit der Tourismus hat und daß es überhaupt nicht zu begreifen ist, wenn bestimmte Bezirke von jeglichem
Besuchsverkehr hermetisch abgeschlossen werden.
({1})
Die Frage muß aber immer wieder gestellt werden, warum es den Deutschen im allgemeinen und den Ostpreußen im besonderen verwehrt wird, ihre Heimat wiederzusehen und zu besuchen. Die Sowjetunion, die auf gute Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland durchaus zu Recht Wert legt - wie auch wir umgekehrt -, sollte diese guten Beziehungen nicht nur mit dem Blick auf die Wirtschaft und das Erdgas-Röhrengeschäft oder die Verhandlungen über die Abrüstung herbeiführen wollen, sondern und erst recht mit dem Blick auf bessere menschliche Kontakte und Verbindungen.
({2})
Es ist gar nicht einzusehen, daß die Sowjetunion in ihrer Größe gerade in einem so kleinen Teil ihres gegenwärtigen Imperiums im wahren Wortsinn mauert.
Die vorliegende Beschlußempfehlung auf Drucksache 9/1451 ist im Auswärtigen Ausschuß einstimmig angenommen worden. Die Bundesregierung wird gebeten, ihre Bemühungen um Erleichterungen für den Reiseverkehr in den nördlichen Teil Ostpreußens, seit 1945 unter sowjetischer Verwaltung, fortzusetzen.
Während der Beratungen im Auswärtigen Ausschuß ist ausdrücklich auf die ergänzende Formulierung „beharrlich" Wert gelegt worden. Das besagt, daß die vielen Gelegenheiten der ständigen Gespräche und Konsultationen dazu benutzt werden sollten, um beharrlich auf unser berechtigtes Verlangen hinzuweisen, doch endlich den Tourismus in das nördliche Ostpreußen freizugeben.
Wie gut die Beziehungen zur Sowjetunion tatsächlich sind, läßt sich daran ablesen, wie es um die Lösung der bereits zu Beginn genannten drei Problemfelder bestellt ist: erstens das Los der Deutschen, vor allem derer, die ausreisen wollen, zweitens die Fürsorge für die Kriegsgräber und drittens der Reiseverkehr in das nördliche Ostpreußen.
Als Deutsche und unter Berufung auf die KSZE- Schlußakte dürfen wir nicht nur nicht schweigen, sondern sollten gemeinsam, wofür auch diese Beschlußempfehlung spricht, Stellung nehmen und unsere berechtigten Vorstellungen, Wünsche, Bitten und Forderungen gerade auch gegenüber der Sowjetunion vortragen. Wer miteinander auskommen will, wer aufeinander zugehen will, darf nicht unüberwindliche Hindernisse errichten und Reisesperren verhängen.
Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion bitte ich um Annahme der vorliegenden Beschlußempfehlung.
({3})
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Schlaga.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erstens möchte ich darauf verweisen, daß die angesprochene Frage um das Zitat inzwischen längst geklärt ist; sowohl mündlich wie auch durch einen Briefwechsel zwischen Herrn Staatsminister Corterier und Herrn Hennig. Ich habe natürlich Verständnis, wenn Sie das trotzdem noch einmal genüßlich aufgreifen.
({0})
- Es ist geklärt, auf welche Weise das zustande gekommen ist. Ich kann Ihnen den Briefwechsel vorlegen. Das müßte doch genügen.
Zweitens möchte ich mich natürlich zur Sache äußern und das Rankenwerk, das mein Vorredner ausgebreitet hat, vermeiden. Mir geht es um den sachlichen Gehalt des Antrags, dem die im Bundestag vertretenen Parteien schon bei der Einbringung im Dezember 1981 zugestimmt haben. Dagegen konnten wir nicht übereinstimmen mit Teilen der Formulierung und mit der mündlich gegebenen Begründung des Sprechers der Opposition, der seinerzeit den Vorwurf erhoben hat, die Bundesregierung habe keinerlei oder nur unzureichende Initiativen ergriffen, Reise- und Touristikgenehmigungen für Bundesbürger in den nördlichen Teil Ostpreußens zu erwirken.
Sowohl der Herr Kollege Feldmann von der FDP wie auch ich waren seinerzeit in der Debattenrunde schon in der Lage, eine Liste von Vorgängen, Terminen und Initiativen vorzulegen, aus der ersichtlich war, daß und wie die Bundesregierung und andere Vertreter der Bundesrepublik Deutschland tätig geworden waren. Aber wie das manchmal eben so ist mit anderen, mit Partnern, von denen man etwas möchte: Die Sowjetunion hat reagiert, wie man im Hessischen sagen würde - ich erlaube mir im hehren außenpolitischen Bereich einmal diese saloppe Formulierung -, wie ein Ochse, dem man ins Horn petzt. Sie reagierte nämlich nicht darauf.
In der Zwischenzeit hat sich der Auswärtige Ausschuß auf Grund von Vorschlägen der FDP und SPD auf einen gemeinsamen Text geeinigt.
({1})
- Habe ich das getan? Am Anfang meiner Ausführungen habe ich bereits von dem Antrag der CDU/
CSU gesprochen. Sie haben nicht genau hingehört.
Die Regierung wird wieder einmal mehr - das hätte sie ohnehin getan - die Sowjetunion auffordern, entsprechend dem Antrag zu verfahren. Ich kann nur wünschen und hoffen, daß sich die Regierung mit ihrem Petitum durchzusetzen vermag.
Darüber hinaus achten selbstverständlich die Regierung und auch wir als Vertreter der SPD-Fraktion im Auswärtigen Ausschuß darauf, daß die Absichtserklärungen, die in der KSZE-Schlußakte niedergelegt worden sind - für Sie ist das ja etwas komplizierter - im Laufe der Zeit auch verwirklicht werden. Ich hielte es schon für gut, wenn man den KSZE-Text der Öffentlichkeit erneut zur Kenntnis gibt. Über Tourismus und Besuche heißt es in der
KSZE-Schlußakte unter der Überschrift „Verbesserung der Bedingungen für den Tourismus auf individueller oder kollektiver Grundlage":
Die Teilnehmerstaaten sind der Auffassung, daß der Tourismus zu einer vollständigeren Kenntnis des Lebens, der Kultur und der Geschichte anderer Länder, zu wachsendem Verständnis zwischen den Völkern, zur Verbesserung der Kontakte und zur umfassenderen Freizeitgestaltung beiträgt. Sie beabsichtigen, die Entwicklung des Tourismus auf individueller oder kollektiver Grundlage zu fördern; insbesondere beabsichtigen sie:
Reisen in ihre Länder zu fördern, indem sie zu geeigneten Erleichterungen, zur Vereinfachung und Beschleunigung der für solche Reisen erforderlichen Formalitäten ermutigen;
auf der Grundlage geeigneter, gegebenenfalls erforderlicher Abkommen oder Vereinbarungen die Zusammenarbeit bei der Entwicklung des Tourismus zu verstärken, indem sie insbesondere bilateral Möglichkeiten zur Erweiterung der Information über Reisen in andere Länder, über die Aufnahme von und den Service für Touristen sowie andere diesbezügliche Fragen gegenseitigen Interesses prüfen.
Das ist ein sehr umständlicher und sehr blumiger Text, der dem selbstverständlichen Anliegen des Inhaltes in dieser barocken Form nicht gerecht wird, es eigentlich verschleiert. Man sollte endlich tatsächlich zur Verwirklichung schreiten. Ich sage das an die Adresse der Sowjetunion gerichtet.
Es ist auch einfach unwürdig, solche Selbstverständlichkeiten wie die Erwirkung von Reisegenehmigungen sich regelrecht herausfeilschen zu lassen. Allerdings waren auch die Absagen, soweit sie auf die Initiativen der Bundesregierung überhaupt gegeben worden sind, nicht übermäßig originell. Es wurde mit Sperrgebieten, mit militärischer Geheimhaltung oder auch mit noch vorhandenen Empfindsamkeiten operiert. Für Letzteres hätte ich Verständnis. Alles andere sind sicher Allerweltsbehauptungen, mit denen man alles blockieren kann. Wir möchten, daß die Bundesbürger in dieser Welt reisen können, wohin sie möchten, und daß unsere Bürger Besuche machen dürfen, weil Besuche - das weiß nun einmal jeder - nicht nur bildend sind, sondern auch Freude vermitteln können und weil Begegnungen mit den Menschen der Gegenwart aufschlußreich sind, während Begegnungen mit der Vergangenheit, um die es auch gehen wird, auch Trauer, Schmerz und Enttäuschung zur Folge haben könnten. Begegnungen, wie wir sie sehen, beseitigen sicher auf Dauer Vorurteile, Irrtümer, ebenfalls so manche ideologische Schieflage, Unkenntnisse und natürlich Spannungen. Das wollen wir doch, und das will die Sowjetunion doch wohl auch. Je mehr Begegnungen stattfinden, desto mehr wird Vertrauen produziert. Wir brauchen dieses Vertrauen dringend, um weiter und vertieft im Frieden miteinander leben zu können. Ich bitte daher darum, diesem neu gefaßten Antrag die Zustimmung zu geben.
({2})
Ich gebe dem Herrn Abgeordneten Dr. Feldmann das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch die FDP-Fraktion stimmt diesem Antrag zu. Es ist sehr schön, hier zu einem Antrag sprechen zu können, der von allen Fraktionen des Deutschen Bundestages gemeinsam getragen wird. Bereits bei der vorangegangenen Lesung habe ich hier für die FDP-Fraktion erklärt, daß wir die Ziele der Antragsteller begrüßen; denn wir alle würden es begrüßen, wenn die Sowjetunion den nördlichen Teil Ostpreußens für den Reiseverkehr endlich öffnen würde. Ich bin in der vorangegangenen Lesung ebenfalls ausführlich darauf eingegangen, daß die Bundesregierung nichts unversucht gelassen hat, um diesem Ziel näherzukommen. Sie hat dieses Thema in bilateralen direkten Gesprächen mit der Sowjetunion und im internationalen Rahmen der KSZE-Folgekonferenz in Madrid angesprochen. Herr Kollege Hupka, Sie wissen dies; Sie haben dies zum großen Teil bei Ihren Ausführungen soeben selbst vorgetragen.
Die Bundesregierung hat somit im Rahmen ihrer Möglichkeiten nichts unversucht gelassen, um die Realisierung eines - der wesentlichen Punkte des Korbes III der Schlußakte von Helsinki - Reisen und Tourismus - auch für den nördlichen Teil Ostpreußens zu erreichen.
({0})
Zu diesem Ergebnis sind wir auch in der ausführlichen Debatte und Aussprache im Auswärtigen Ausschuß gekommen. Dieses gemeinsame Ergebnis findet sich auch in den Formulierungen des heute zur Verabschiedung vorliegenden Antrags wieder, in dem die Bundesregierung gebeten wird, im Rahmen ihrer ständigen politischen Konsultationen mit der Sowjetunion die Gespräche zu diesem Punkt beharrlich fortzusetzen.
Herr Kollege Hupka, wir begrüßen es ausdrücklich, daß die CDU/CSU-Fraktion mit diesen gemeinsam getragenen Formulierungen anerkennt, daß sich die Bundesregierung bisher intensiv um diesen Punkt bemüht hat, auch wenn die Überprüfungen der Sowjetunion, wie Sie ausgeführt haben, jetzt noch immer andauern.
Gestatten Sie mir einige Bemerkungen zur KSZE- Schlußakte. Sie wissen genauso gut wie ich: Die Umsetzung völkerrechtlicher Vereinbarungen kann nicht erzwungen werden. Sie ist immer ein Akt der Freiwilligkeit. Das gilt auch für die KSZE-Schlußakte. Die Erfüllung dieser völkerrechtlichen Abmachungen kann nur durch ständiges Erinnern an die Vereinbarungen und durch ständiges Wiederholen der Vereinbarungen erreicht werden. Es ist daher sicher richtig, daß wir gerade die Sowjetunion immer wieder an das erinnern, was sie in Helsinki unterschrieben hat.
Wir wissen sehr wohl, daß die Sowjetunion nicht gleich morgen das nördliche Ostpreußen für den Reiseverkehr freigeben wird. Aber wir halten es trotzdem für bedeutsam, wenn die Bundesregierung heute von allen drei Fraktionen des Deutschen Bundestages aufgefordert wird, ihre beharrlichen Bemühungen zur Freigabe des nördlichen Ostpreußens für den Reiseverkehr fortzusetzen. Wir halten es darüber hinaus für ausgesprochen wichtig, durch eine gemeinsame Entschließung insbesondere unseren ostpreußischen Landsleuten zu verdeutlichen, daß sie in ihrem natürlichen Verlangen, ihre frühere Heimat wiederzusehen, die einmütige Unterstützung aller hier im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen haben.
({1})
Die Bedenken der Sowjetunion gegen eine Öffnung des nördlichen Teiles Ostpreußens für den Reiseverkehr sind nicht gerechtfertigt. Wir können hier auf die guten Erfahrungen verweisen, die zwischen Polen und Deutschen sowie zwischen Tschechen und Deutschen beim Besuch ihrer früheren Heimat gemacht wurden. Die Besuche der West- und Ostpreußen und der Sudetendeutschen in ihrer früheren Heimat haben Einsichten in Realitäten ermöglicht und damit einen Beitrag zur Völkerverständigung geleistet. Auch für die deutsch-sowjetische Völkerverständigung wäre ein gegenseitiger, geographisch nicht eingeschränkter Reiseverkehr förderlich. Denn - wie Sie bereits ausgeführt haben - Tourismus fördert die Völkerverständigung, und Völkerverständigung - das darf ich noch hinzufügen - macht den Frieden sicherer.
Da wir alle dem gemeinsamen Antrag zustimmen wollen, möchte ich mich kurz fassen. Ich darf mit einem Appell an die Sowjetunion schließen, indem ich zitiere, was der Leiter unserer Delegation auf der KSZE-Folgekonferenz in der Plenardebatte im November 1981 in Madrid ausgeführt hat. Ob dies der Bundeskanzler auch bei einer Tischrede ausgeführt hat, Herr Kollege, vermag ich nicht zu sagen.
({2})
Ich war nicht dabei. Im übrigen hat Herr Kollege Schlaga dazu ausreichend und aufklärend Stellung genommen.
({3})
- Ausreichend und aufklärend hat der Herr Kollge Schlaga - ich möchte das wiederholen - dazu Stellung genommen. Ich darf zitieren:
So warten viele Menschen in der Bundesrepublik Deutschland darauf, Gebiete in der Sowjetunion besuchen zu können, die, wie das nördliche Ostpreußen, noch für Ausländer gesperrt sind. Meine Regierung würde es begrüßen, wenn die sowjetische Regierung, der Entschließung der Interparlamentarischen Konferenz folgend, Reisen auch in diese Gebiete zulassen würde.
Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
({4})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 9/1451 die Annahme einer Entschließung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe. - Wer enthält sich der Stimme? - Die Entschließung ist damit einstimmig angenommen.
Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 5 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit
- Drucksache 9/1574 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Innenausschuß ({0})
Rechtsausschuß
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat soll die Aussprache eine Stunde dauern. Darf ich das Haus fragen, ob es mit diesem Vorschlag einverstanden ist? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.
Wird das Wort zur Einbringung gewünscht? - Das ist offenbar nicht der Fall.
Dann eröffne ich die allgemeine Aussprache. - Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Jentsch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In unserem Lande wohnen 4,6 Millionen Ausländer; etwa 1,5 Millionen von ihnen sind Türken. 28 % dieser Ausländer sind unter 18 Jahre; bei den Türken liegt dieser Prozentsatz gar bei 41.
Die Bundesregierung will mit dem Gesetzentwurf, der hier zur Beratung ansteht, denjenigen dieser ausländischen Mitbürger, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und sich mindestens acht Jahre in unserem Lande aufhalten, einen Einbürgerungsanspruch zubilligen.
Diese Mitbürger, die aus dem Ausland kommen und hier leben, befinden sich, obwohl sie häufig schon lange hier sind, in einem Zustand der Unentschlossenheit, in einem Zustand der Unentschiedenheit. Sie wissen nicht, ob sie zurückgehen sollen, sie wissen nicht, ob sie hierbleiben sollen, sie wissen nicht, ob sie ihre Position als eine Position des Gastrechts lange Zeit aufrechterhalten sollen.
In der gerade bekanntgewordenen Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktionen der SPD und der FDP ist etwas zu den Gründen dargelegt. Es ist dargelegt, daß diese Ausländer von einem ausgeprägten Nationalbewußtsein bestimmt sind, daß sie eine starke gefühlsmäßige Bindung an ihr Herkunftsland haben - ich möchte hinzufügen, daß diese Bindung auch an ihre Kinder weitergegeben wird - und daß sie weiterhin auch bei langer Verweildauer eine immer wachbleibende Rückkehrvorstellung pflegen. Sie sind also in unserem Lande weitgehend heimatlos geblieben; Isolation und Spannungen mit der deutschen Bevölkerung sind die zwangsläufige Folge dieser ungeklärten Situation.
Wir als Union haben häufig darauf aufmerksam gemacht, daß wir Maßnahmen entweder zur Förderung der Rückkehrbereitschaft oder zur Förderung der Integration dieser Menschen in unsere Bevölkerung brauchen. Außer vielen wohlklingenden Worten ist nicht viel geschehen; im Gegenteil, derjenige, der darauf hingewiesen hat, ist häufig der Ausländerfeindlichkeit verdächtigt worden. Nun stehen wir - auch das kommt in der Antwort der Bundesregierung zum Ausdruck - vor einem gefährlichen Sprengsatz, der sich gebildet hat, und auch die Bundesregierung überlegt endlich, ob nicht Maßnahmen angebracht sind, mit denen hier etwas getan werden kann.
Eine dieser Maßnahmen ist offensichtlich dieser Gesetzentwurf, der das Ziel hat, einem Teil dieser Ausländer einen Einbürgerungsanspruch zuzubilligen. Dahinter steht augenscheinlich der Gedanke, möglichst vielen Ausländern das Etikett „Deutscher" zu verpassen. Es stellt sich aber doch die Frage: Löst diese Umetikettierung die Probleme?
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Was ist gewonnen, wenn ein Ausländer, der bisher keinen Arbeitsplatz hatte und nicht in unsere Bevölkerung integriert war, nun ein Deutscher geworden ist? Welches Problem wird damit gelöst - außer daß aus dem Ausländerproblem nun ein deutsches Sozialproblem geworden ist?
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Wir bedauern sehr, daß sich die Bundesregierung zu diesem Schritt entschlossen hat, weil wir meinen, daß wir in der Zielsetzung, in der Aufgabenstellung gar nicht weit auseinander sind. Wir wollen, daß die Ausländer nicht ihr Leben lang auf gepackten Koffern in unserem Lande sitzen, unentschlossen, ob sie wieder in die alte Heimat zurückkehren sollen oder bei uns ihre neue Heimat finden sollen.
Das gilt in modifizierter Form auch für die hier geborenen zweiten und dritten Ausländergenerationen. Auch für sie stellt sich die Frage, ob sie zurück ins Land der Eltern gehen sollen oder hierbleiben und hier eine neue Heimat finden sollen.
Ich meine zwar, daß wir der Bereitschaft der Zuwanderer zur Rückkehr, der Bereitschaft der hier Geborenen, sich in das Land der Väter aufzumachen, Vorrang geben sollten, weil es nach meiner Meinung eine besonders effektive Entwicklungspolitik ist, wenn Menschen, die hier etwas gelernt haben, in ihre Heimat zurückgehen und dort etwas für die Heimat oder die Heimat der Eltern tun.
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Aber damit kein Zweifel entsteht: Wer hier seine Heimat sucht und finden will, muß dafür auch eine Chance bekommen. In dieser Zielrichtung sind wir uns offensichtlich völlig einig.
Wenn wir aber die Entscheidung zwischen Rückkehr und Hierbleiben erwarten, so stellt sich die Frage: Sind formale Kriterien wie Dauer des AufentDr. Jentsch ({3})
halts - 8 Jahre - und Alter -18 Jahre -, wie es im Gesetzentwurf vorgesehen wird, wirklich ein ausreichender Ausdruck dafür, daß die Ausländer die Entscheidung getroffen haben, hierzubleiben? Ich meine, nicht einmal das Merkmal der hiesigen Geburt ist solch ein Beweis, obwohl es viel stärker wirkt als diese äußeren Kriterien, die in dem Gesetzentwurf vorgesehen sind.
Es ist doch möglich, daß ein 18jähriger, der mit 10 Jahren hierhergekommen ist, dessen Eltern 40 Jahre alt sind, allein oder mit seinen Eltern zurückkehren wird. Warum wollen Sie einem solchen Ausländer einen Einbürgerungsanspruch geben? Warum soll er eine günstigere Position haben, nur weil er vom 10. bis 18. Lebensjahr hier gelebt hat, während seine Eltern, die hier vom 32. bis 40. Lebensjahr gelebt haben, einen solchen Einbürgerungsanspruch nicht bekommen sollen? Aus welchen Gründen soll diese Unterscheidung gemacht werden?
Der Versuch, einen Einbürgerungsanspruch an formale Kriterien wie Aufenthaltsdauer und Alter zwingend zu binden, ist ein falscher Weg. So wird Heimatrecht nicht verwirklicht, sondern so wird Staatsbürgerschaft durch Postkarte beziehbar gemacht. Darum aber geht es hier meines Erachtens nicht.
Der in dem Entwurf vorgeschlagene Weg verkennt die Bedeutung der Staatsbürgerschaft. Nach dem Bundesverfassungsgericht ist das Wesen der Staatsbürgerschaft darin zu sehen, daß der Staatsangehörige die staatliche Gemeinschaft mitbildet und mitträgt. Deshalb ist von einem Einbürgerungsbewerber - so das Bundesverfassungsgericht - eine Zuordnung zum deutschen Volk zu fordern. Eine bestimmte Aufenthaltsdauer kann Hinweis für eine solche Zuordnung sein, muß es aber nicht sein. Hinweis - ja, Beweis - noch lange nicht.
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Der Einbürgerung muß die Zuordnung, die Integration vorausgehen. Diese muß festgestellt werden. Wir meinen, daß das geltende Gesetz und die Richtlinien über die Einbürgerung sachgerechte Entscheidungen ermöglichen. Sie ermöglichen insbesondere auch, die Interessen unseres Volkes, unseres Staates wahrzunehmen. Sollten diese Richtlinien nicht ausreichen, so müssen wir über sie reden. Aber es ist nicht notwendig, hier ein neues Gesetz zu machen.
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In diesem Entwurf ist die Absicht unübersehbar, durch Einbürgerung die Integration zu fördern. Die Einbürgerung wird in diesem Entwurf zum Mittel der Integration gemacht. Richtigerweise muß aber die Einbürgerung die Folge der Integration sein.
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Die Einbürgerung ist das Ergebnis der Integration, der Schlußpunkt des Integrationsprozesses. Bei der Integration, bei der Entscheidung, ob Rückkehr oder Hierbleiben, liegen aber die wirklichen Probleme, nicht bei der Frage einer formalen Einbürgerung.
Ich fürchte, daß es auch eine Absicht dieses Entwurfes ist, von den wirklichen Problemen, nämlich der Integration der Integrationswilligen, also derjenigen, die zur Entscheidung für diese Gemeinschaft hier bereit sind, abzulenken. Denn im Augenblick haben wir festzustellen, daß sich im Jahre 1980 0,9% - 0,9 %, weniger als 1 %! - der Ausländer mit 10 oder mehr Jahren Inlandsaufenthalt haben einbürgern lassen, obwohl viel mehr die Voraussetzungen einer Einbürgerung erfüllen und die Chance zur Einbürgerung haben. Sie nutzen sie aber nicht. Also ist doch nicht der formale Akt das Entscheidende, sondern das Entscheidende ist, daß offenbar die Bereitschaft, der Wille zum Bekenntnis zu dieser Gemeinschaft hier nicht vorhanden ist.
Deshalb meinen wir, meine Damen und Herren, daß hier angesetzt werden muß, daß nicht formale Kriterien festgelegt werden dürfen - mit Ansprüchen, die auch dann, wenn sie unseres Erachtens nicht zu einem richtigen Ergebnis führen, angewandt werden müssen. Wichtiger als formale Voraussetzungen ist eine Integrationspolitik, eine Ausländerpolitik, die die Menschen in ihrer Bereitschaft fördert, entweder zurückzukehren oder hierzubleiben, und die ihnen, wenn sie hierbleiben, den Weg erleichtert, gleichberechtigte, vollwertige Menschen dieser Gemeinschaft zu bleiben. Dann kann am Schluß die Einbürgerung erfolgen. Sie ist aber kein Mittel, um diese Integration zu fördern. - Ich danke Ihnen.
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Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Bühling.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Auffassung der SPD-Fraktion ist derjenigen, die der Herr Kollege Jentsch eben für die CDU/CSU vorgetragen hat, genau entgegensetzt. Ich darf das im einzelnen wie folgt begründen.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist ein wesentlicher Bestandteil der Ausländerpolitik. Es ist der erste gesetzgeberische Vorschlag auf diesem Gebiet. Gerade deshalb sollte er im Gesamtzusammenhang der Ausländerfrage gesehen werden. Grundsätzlich gibt es wohl keine Meinungsverschiedenheit, daß diese Problematik von verschiedenen Seiten angegangen werden muß. Problemlösungen, die freilich alle nur langfristig und nur Schritt für Schritt erreichbar sind, sind nur durch die gleichzeitige Umsetzung dreier Strategien möglich:
Zum ersten bedarf es einer starken Begrenzung der Zuwanderung, die vielleicht zunächst Härten mit sich bringen mag, damit aber die ungleich schwereren späteren Folgewirkungen für den einzelnen und für die Allgemeinheit - sowohl für Deutsche als auch für die hier schon ansässigen Ausländer - von vornherein vermeidet.
Zum zweiten ist eine Förderung der Rückkehr in die Heimatländer notwendig, der allerdings schon aus finanziellen Gründen gewisse Grenzen gezogen sind.
Schließlich muß zum dritten mit allen geeigneten Mitteln die Integration der Ausländer gefördert wer6056
den, deren endgültigen Abschluß die Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft bildet.
Die öffentliche Diskussion tut sicher gut daran, sich mit allen drei Gesichtspunkten zu beschäftigen. Es scheint mir aber, daß in letzter Zeit zu oft ausschließlich von der Drosselung der Zuwanderung und der Rückkehr oder gar der Rücksendung der Ausländer gesprochen wird. Die Erörterung, wie man die Integration unserer ausländischen Mitbürger voranbringen kann, tritt demgegenüber vielfach in den Hintergrund. Dieses Ungleichgewicht in der öffentlichen Debatte sollte schon deshalb geradegerückt werden, weil nach menschlichem Ermessen die Mehrzahl der 4 630 000 Ausländer in der Bundesrepublik nicht in ihr Heimatland zurückkehren will oder nicht zurückkehren kann. Deshalb gilt es, alle nur denkbaren Möglichkeiten zur Eingliederung derjenigen Ausländer, die in der Bundesrepublik bleiben werden, auszuschöpfen.
Es bedarf keiner besonderen Begründung, daß die Integrationspolitik im wesentlichen bei der zweiten und dritten Ausländergeneration ansetzen muß. Das sind im wesentlichen die Personen, die bereits in Deutschland geboren sind oder die größte Zeit ihrer Jugend hier verbracht haben. Sie haben demgemäß auch alle die deutsche Schule besucht. Sie sind zum Teil ganz unter Deutschen aufgewachsen. Zu einem leider großen anderen Teil sind sie zwar in die Ballungsgebiete der ausländischen Bevölkerung hineingeboren worden, aber auch in diesem Fall sind sie in die deutsche Schule gegangen. Die meisten dieser jungen Ausländer sprechen ebenso gut, in vielen Fällen sogar besser Deutsch als die von ihren Eltern übernommene Muttersprache.
Die Zahl der minderjährigen Ausländer beträgt zur Zeit ungefähr 1,3 Millionen. Dies zeigt die Größenordnung des Problems.
Es wird noch dadurch verschärft, daß die Anzahl der jungen Ausländer immer noch kontinuierlich ansteigt. Das geschieht einmal durch den Nachzug ausländischer Kinder zu ihren Eltern, die bisher bis zum 16. Lebensjahr allgemein zulässig ist. Auch eine Herabsetzung dieses „Nachzugsalters", die wahrscheinlich demnächst in diesem Haus debattiert werden wird, wird die Zusammenführung von Kindern mit ihren Eltern nur vermindern, aber wohl kaum gänzlich untersagen können. Die Eingliederung der ausländischen Kinder und Jugendlichen ist somit nicht nur eine bleibende, sondern in ihrer Bedeutung immer noch wachsende Aufgabe. Das gilt um so mehr, als die ausländische Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland einen relativ starken Geburtenüberschuß aufweist. Dieser geht zwar in Anpassung an die deutsche Bevölkerung langsam zurück, wird aber sicherlich in überschaubarer Zeit bestehen bleiben.
Ich brauche nicht im einzelnen auszuführen, daß es viele Möglichkeiten zur Förderung des Integrationsprozesses gibt. Wie immer dieser auch im Einzelfall verlaufen mag: Endgültig abgeschlossen ist die Eingliederung eines Ausländers erst dann, wenn die junge Frau oder der junge Mann die deutsche Staatsbürgerschaft erwirbt. Bis zu dieser Schlußfolgerung besteht offensichtlich Einvernehmen mit dem Bundesrat. Auch der Bundesrat ist der Meinung - so wörtlich -, „daß die Einbürgerung der zweiten Ausländergeneration erleichtert werden muß". Aber er meint, für ein Gesetz bestehe kein Bedürfnis; es genügten Verwaltungsvorschriften. Hier irrt der Bundesrat.
Zunächst folgt aus dem Begriff des Rechtsstaats, daß so wichtige Gesetze wie z. B. diejenigen über Staatsbürgerschaft von dieser gesetzgebenden Körperschaft beschlossen werden müssen. Wir leben in einer Zeit, in der oft ganz triviale Fragen durch Gesetze geregelt werden. Es gibt ja Glossen genug über die Flut der Rechtsvorschriften auf den verschiedensten Lebensgebieten. Demgegenüber ist es ein schreiender Gegensatz, daß ein einschneidender Schritt für das gesamte Leben wie der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nicht wenigstens in seinen wesentlichen Grundsätzen geregelt wird. Das gilt um so mehr, als sehr viele Menschen betroffen sind.
Im vorliegenden Fall kommt hinzu, daß sich in den Verwaltungsvorschriften auch ein rechtskundiger Deutscher nicht mehr auskennen kann. Sie sind sehr umfangreich und - wie ich in einem anderen Zusammenhang schon einmal festgestellt habe - zum großen Teil nicht einmal veröffentlich. Wer z. B. die Einbürgerungsrichtlinien liest, kann gar nicht ahnen, in wie vielen Punkte der Bund oder die Länder diese Richtlinien durch interne Erlasse verändert oder durchbrochen haben. Wie will man denn von einem Ausländer, der ohnehin verhältnismäßig hilflos der Vielfalt von deutschen Behörden und Zuständigkeiten gegenübersteht, verlangen, sich durch den Berg von Verwaltungsvorschriften hindurchzuwühlen?
Das vorliegende Gesetz ist dagegen von vorbildlicher Einfachheit und Kürze; man würde sich das öfter wünschen. Sein Inhalt wird sich bei den Beteiligten sicher bald herumsprechen.
Es kommt hinzu, daß nur eine gesetzliche Regelung die Gewähr gibt, daß die richtigen und vernünftigen Absichten der Bundesregierung, die dem Gesetzentwurf zugrunde liegen, auch wirklich in die Tat umgesetzt werden. Wollte man sich nur auf Verwaltungsvorschriften verlassen, könnte sich sehr schnell herausstellen, daß die Länder entweder verschieden schnell arbeiten oder daß gar zwischen ihnen oder einzelnen Ländern und dem Bund ein Dissens besteht. Dies sind keine theoretischen Erwägungen. Ich erinnere an den praktischen Fall, daß z. B. der Senator für Inneres in Berlin durch Erlasse zum Ausländergesetz eigenes Recht gesetzt hat, Rechtsungleichheit zwischen den Ländern hervorgerufen und dann seine Erlasse durch weitere Erlasse in einer Weise interpretiert hat, die wieder neues Recht gesetzt hat.
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So etwas kann jederzeit und in mehreren Bundesländern vorkommen, wenn die Materie nicht durch Bundesgesetz klar geregelt wird und die Länder den freien Raum dann mit schwer auffindbaren Erlassen ausfüllen.
Im übrigen gehört es unseres Erachtens zum Selbstverständnis des Deutschen Bundestages, daß er die politischen Grundentscheidungen selbst trifft. Wir wollen doch nicht etwa den Eindruck erwecken, als ob wir in schwierigen Fragen wie der Frage der Integration der Ausländer die Verantwortung scheuen und sie deshalb anderen Staatsorganen überlassen wollen.
Schließlich darf nicht übersehen werden, daß nach den hergebrachten Verwaltungsrichtlinien Gebühren in oft erheblicher Höhe entstehen. Der Antragsteller kann sie im voraus nicht einmal mit Sicherheit kalkulieren. Der Gesetzentwurf bestimmt dagegen in bündiger Kürze, daß Gebühren und Auslagen nicht zu erheben sind. Das ist wichtig und richtig, weil dieser Umstand dem Antragsteller die vielzitierte Schwellenangst nimmt und weil die Einbürgerung junger Ausländer im Interesse der Bundesrepublik selbst liegt.
Wir müssen uns immer wieder vor Augen führen, daß wir nicht eine Wohltat über fremde Bürger ausschütten wollen, die ausschließlich oder überwiegend diesen selbst nützt. Natürlich wird der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit in der ganzen Welt als Vorteil angesehen, solange die Bundesrepublik im Weltvergleich einen hohen Lebensstandard bietet. Diese Tatsache brauchen wir nicht zu verschweigen, zumal da sie uns trotz aller Wirkungen der Weltrezession auch im eigenen Land nur mit Genugtuung erfüllen kann.
Ebenso wichtig ist aber in einer Welt, in der die Menschenrechte mehr und mehr gefährdet oder eingeschränkt werden, der Umfang der staatsbürgerlichen Freiheiten und die gesicherte Rechtsordnung, die mit der deutschen Staatsangehörigkeit untrennbar verbunden sind. Es sind keineswegs nur die wirtschaftlichen Aspekte, sondern auch hohe ideelle Werte, die mit der Einbürgerung in unseren Staat verbunden sind.
Gleichzeitig aber tritt mit der individuellen Änderung des Rechtsstatus der Integrationserfolg ein, auf den die Allgemeinheit so großen Wert legen muß. Dieses öffentliche Interesse findet im geltenden Recht nicht den geringsten Niederschlag. Gerade weil es sich um neue Gesichtspunkte handelt, die das hergebrachte uralte Recht nicht kennt, müssen sie besonders hervorgehoben werden.
Wer dies bezweifelt, sollte nur einen Blick auf vergleichbare Staaten werfen. Sie alle sind mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft seit jeher wesentlich großzügiger als wir. Sehr viele Staaten in aller Welt gewähren sogar jedem Kind, das auf ihrem Boden oder auf einem ihrer Schiffe geboren wird, ihre Staatsangehörigkeit. Diese Tatsache soll nur des Zusammenhanges wegen erwähnt werden, ohne daß ich ein so weitgehendes Recht für uns empfehlen möchte.
Aber auch bei der Einbürgerung von Zuwanderern sind die benachbarten EG-Staaten großzügiger als wir. Während die Bundesrepublik immer noch eine grundsätzliche Aufenthaltsdauer von mindestens zehn Jahren verlangt, begnügen sich Frankreich, Irland, Italien, die Niederlande und Großbritannien schon mit einem Aufenthalt von fünf Jahren. Die Franzosen sind also hinsichtlich der Eingewöhnungszeit doppelt so großzügig wie wir, obwohl der Anteil der Ausländer an der Bevölkerung in Frankreich über dem der Bundesrepublik liegt. Die Dänen und Belgier haben ebenfalls liberalere Vorschriften. Auf ihre Einzelheiten brauche ich wohl nicht einzugehen.
Demnach ist das vorliegende Gesetz auch ein doppelter Schritt zugunsten eines stärkeren Zusammenwachsens der europäischen Völker. Einmal passen wir uns mit unseren Rechtsansichten über die Einbürgerung in gewissem Maße den Partnern in der EG an. Zum zweiten werden überwiegend Angehörige europäischer Nationen die Nutznießer dieses Gesetzes sein.
Die materielle Regelung des Gesetzes ist in erfreulicher Kürze und Klarheit in seinem ersten Paragraphen wiedergegeben. Diese Regelung ist abgewogen und sachdienlich. Im Anschluß an die grundsätzliche Regelung wird versucht, einerseits Personen mit einer ins Gewicht fallenden kriminellen Vergangenheit von den Vergünstigungen des Gesetzes auszuschalten, andererseits aber das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten und auch fahrlässige Taten und kleinere Verfehlungen mit unverhältnismäßigen und unwiderruflichen Sanktionen zu belegen, wie das im Ausländerrecht heute noch häufig der Fall ist. Auch dieser Versuch der Abwägung erscheint uns gelungen.
Allerdings ist nicht zu verkennen, daß das Gesetz einen Passus enthält, der nach herkömmlicher Auffassung einen gewissen Schönheitsfehler darstellt: nämlich die Entstehung einer doppelten Staatsangehörigkeit für die Bürger bestimmter Staaten, u. a. für die Türken, die das größte Ausländerkontingent in der Bundesrepublik stellen. Dasselbe gilt übrigens auch für die Griechen.
Aber das wichtige Ziel, durch den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit die endgültige Integration junger Ausländer zu ermöglichen, macht es notwendig, unkonventionelle Wege zu gehen. Außerdem kann man davon ausgehen, daß der Entschließung eines Ausländers, die deutsche Staatsangehörigkeit zu beantragen, ihn so prägt und auch bindet, daß das Weiterbestehen der fremden Staatsangehörigkeit in den Hintergrund tritt. Das gilt gerade angesichts des völkerrechtlichen Grundsatzes, daß die betreffenden Personen ja ihren Lebensmittelpunkt in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin ({1}) haben und im Geltungsbereich des deutschen Rechts ausschließlich als Deutsche mit allen Rechten und Pflichten behandelt werden.
Dies alles schließt nicht aus, schon jetzt die Bundesregierung zu bitten, in internationalen Verhandlungen darauf hinzuwirken, die entstehende Doppelstaatigkeit möglichst einzuschränken und, wenn es geht, schließlich ganz zu beseitigen. Die Bemühungen zur Eindämmung der doppelten Staatsbürgerschaft sind j a schließlich die ständige mühsame Pflicht jeder Bundesregierung gewesen und werden es bleiben.
Es erscheint müßig, im einzelnen zu spekulieren, wie viele Anspruchsberechtigte auf Grund des
neuen Gesetzes einen entsprechenden Antrag stellen werden. Auch wenn es zunächst nur relativ wenige sind, ist das nicht negativ zu werten. Schließlich kommt es auf die ersten guten Beispiele an, die ihre Wirkung auf die jeweiligen Landsleute nicht verfehlen werden. Wir sind realistisch genug, dabei mit längeren Zeiträumen zu rechnen.
Die Ermittlung des Einbürgerungswillens bei der zweiten Ausländergeneration zum jetzigen Zeitpunkt ist daher nur bedingt aussagekräftig. Zur Zeit möchten sich nach entsprechenden Umfragen 6,6 der Betroffenen einbürgern lassen. Das erscheint auf den ersten Blick nicht viel. In absoluten Zahlen ausgedrückt wären das jedoch fast 90 000 Personen. Auch wenn diese ihren Antrag sicher nicht alle gleich im Anschluß an die Verkündung des Gesetzes stellen werden, ist aus diesen zahlenmäßigen Anhaltspunkten zu sehen, daß auf jeden Fall eine meßbare Pilotwirkung zu erwarten ist. Sie wird von einer hinreichend großen Anzahl von Personen getragen, die von dem neuen Rechtsanspruch auf Einbürgerung Gebrauch machen werden.
Schließlich müssen wir ehrlich genug sein, uns darüber Rechenschaft zu geben, daß der Erfolg des Gesetzes über die erleichterte Einbürgerung nicht nur von den Ausländern, sondern auch von uns abhängt, d. h. all denjenigen, die nicht auf Grund eigener freier Entscheidung Deutsche geworden, sondern bereits als Deutsche geboren sind. Wer sich häufiger mit Ausländern, die schon lange in Deutschland sind, über die Frage der Einbürgerung unterhält, bekommt manchmal leider eine sehr betrübliche Antwort. Sie geht dahin: Man würde ja ganz gerne Deutscher werden und wisse auch, daß man die rechtlichen Voraussetzungen erfülle, aber man sei nicht sicher, ob man nach der Einbürgerung auch in allen Aspekten des täglichen privaten und öffentlichen Lebens von seiner Umwelt als Deutscher akzeptiert werde. Diese Unsicherheit mag manchmal übertrieben wirken, ganz unberechtigt ist sie nicht. Deshalb hängt der Erfolg des heute vorliegenden Gesetzes nicht nur davon ab, daß seine rechtlichen Konstruktionen in das Gesetzblatt geschrieben werden. Die Integrationswirkung wird vielmehr entscheidend auch davon abhängig sein, daß jeder eingebürgerte Deutsche immer und überall als solcher behandelt wird.
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Jedem Versuch der Diskriminierung muß schon im Ansatz entgegengetreten werden. Wer einen Deutschen herabsetzt, weil er früher einmal einer anderen Nation angehört hat oder weil er auf Grund seiner Geburt in Südeuropa oder auf einem anderen Kontinent etwas anders aussieht, handelt unverantwortlich und muß entsprechend zurechtgewiesen werden. Wenn wir uns diesen Grundsatz zu eigen machen, handeln wir nicht nur aus Gerechtigkeitsgefühl gegenüber neuen Bürgern unseres Staates, sondern auch im Gesamtinteresse der Bundesrepublik und ihres inneren Friedens.
Damit komme ich wieder auf meine Anfangsbemerkung über den Gesamtzusammenhang unserer Ausländerpolitik zurück. Sie kann insgesamt nur erfolgreich sein, wenn sie von Vernunft und Gerechtigkeit gegenüber den von uns selbst nach Deutschland geholten ausländischen Mitbürgern getragen wird. Sie muß genauso entschieden von der kompromißlosen Ablehnung jeder offenen oder verdeckten rassistischen Anwandlung geleitet werden.
In diesem Sinn und in diesem Rahmen verdient der Gesetzentwurf der Bundesregierung eine positive Würdigung.
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Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Hirsch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich, zu diesem Gesetzentwurf sprechen zu können, der ja leider seit Jahren in ähnlicher Form im Bundesrat liegengeblieben war. Herr Kollege Jentsch, diesem Entwurf liegen überhaupt keine verborgenen Motive zugrunde, wie Sie vermuten, sondern ihm liegt dasselbe Ziel zugrunde, wie es der Bundesrat in seiner Stellungnahme für sich auch bestätigt, nämlich die Einbürgerung der Ausländer der zweiten Generation zu erleichtern, was der Bundesrat, wie er sagt, für notwendig hält. Ich habe Ihre Ausführungen nicht verstanden. Ich habe nicht verstanden, daß sie sich auf der einen Seite auf die Position, diese Grundposition des Bundesrates stellen, auf der anderen Seite aber alle Argumente hervorkramen, die man irgendwie bringen kann, um dann die Einbürgerung in der Welt der Tatsachen als nicht sinnvoll zu bezeichnen.
Ich finde, daß es unstreitig ist und bleibt, daß die Bundesrepublik kein Einwanderungsland ist. Man muß angesichts der Vielzahl der ausländischen Arbeitnehmer, die wir j a selber angeworben haben und die sich zu einem ganz erheblichen Teil in einem ganz allmählichen Meinungs- und Entscheidungsprozeß entschlossen haben, auf längere Zeit oder eben überhaupt in der Bundesrepublik zu bleiben, genauer sagen: kein Einwanderungsland mehr ist.
Wir stehen vor der Frage, wie wir uns dieser Entwicklung gegenüber einstellen. Ich glaube, daß es in unserem eigenen Interesse liegt, es denjenigen unter den ausländischen Mitbürgern, die in der Bundesrepublik bleiben wollen, zu erleichtern, sich zu integrieren, und nicht etwa einen Prozeß zu fördern, der - im Gegenteil - zu einer dauerhaften, wachsenden Abgrenzung und schließlich zu einer sozialen Deklassierung, insbesondere der Kinder dieser Ausländer, führen würde.
Der Gesetzentwurf ist ein Schritt hin auf dieses Ziel zugunsten der zweiten Generation. Er will einen Rechtsanspruch einräumen, einen Rechtsanspruch auf Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit, eine Option, um ihnen wenigstens einmal in ihrem Leben eine sichere Lebensplanung zu ermöglichen, die von nicht voraussehbaren Ermessensentscheidungen der Verwaltung unabhängig sein soll und unabhängig sein muß. Darum ist der Vorschlag des Bundesrates, zu sagen: das machen wir über Richtlinien, nicht in Ordnung und nicht ausreichend, weil dieser Vorschlag keine Rechtsicherheit schafft für
Entscheidungen, die der einzelne junge Mensch auf sehr lange Zeit, nämlich für seine Lebenszeit, treffen muß.
Es ist vor Jahren - das ist hier erwähnt worden - auf ein Memorandum des früheren Ministerpräsidenten Kühn hin das Schlagwort von der „Einbürgerung per Postkarte" geprägt worden. Ich habe diese Formulierung nie für sehr hilfreich gehalten, weil sie eben den irrigen Eindruck erweckt, als ob die Staatsangehörigkeit ohne jede weitere Voraussetzung an jeden vergeben würde, der sie haben möchte.
Das ist nicht der Punkt, sondern der Punkt ist, daß der Rechtsanspruch auf Einbürgerung an ganz wenige, aber klare, objektiv feststellbare Kriterien gebunden wird, wie sie hier j a schon vorgetragen worden sind: ein achtjähriger Aufenthalt vor Erreichung des 18. Lebensjahres, die Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit, keine strafbare Handlung von irgendeiner Bedeutung - alles Kriterien, die man äußerlich messen und erkennen kann. Das ist das Entscheidende für den Betroffenen, daß er weiß: wenn er diese Voraussetzungen erfüllt, kann er, wenn er es selber will, als Deutscher in der Bundesrepublik bleiben - mit allen Rechten und Pflichten und nicht etwa als ein Mitmensch minderen Rechtes, der in seinen beruflichen und wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten beschränkt ist, der sich in einer ständigen Unsicherheit befindet, ob er tatsächlich auf Dauer hier bleiben kann oder nicht.
Dieser Rechtsanspruch auf Einbürgerung ist für das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht in der Tat neu. Er ist in vielen anderen Rechten - das hat Herr Bühling vorgetragen - seit langem verwirklicht - aus der Erfahrung heraus, daß es nicht gut ist, eine zahlenmäßig relativ große Ausländergruppe anderen Rechtes in einer Gesellschaft sich isolieren zu lassen. Solche Optionen gibt es in Großbritannien, Frankreich, Italien, Belgien, Luxemburg, Dänemark, um nur die europäischen Rechte zu nennen. Sie gehen in der Tat zum Teil weit über die hier gemachten Vorschläge hinaus. Auch die Beratende Versammlung des Europarates hat den Mitgliedstaaten ja empfohlen, die Erlangung der Staatsangehörigkeit für Ausländer, die im Inland geboren sind oder überwiegend hier beschult wurden, zu erleichtern.
Nun muß man sagen, daß dafür in der Tat eine dringende Veranlassung besteht. Von 1974 bis 1981 hat sich die Zahl der bei uns lebenden jugendlichen Ausländer unter 16 Jahren um 400 000 auf über 1 Million erhöht. Dabei ist es zu einer beachtlichen Verschiebung der Bevölkerungsgruppen gekommen. Heute sind nahezu 50 % aller Ausländerkinder in der Bundesrepublik Türken mit besonders hohen Integrationsbarrieren. Das bedeutet eine besondere Belastung unseres Schulsystems, das zur Zeit von rund 640 000 ausländischen Kindern besucht wird und dabei versagt.
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- Nein. Ich möchte - wenn Sie einen Augenblick
zuhören -, darstellen, welche Folgen sich ergeben,
wenn wir die Integration der ausländischen Kinder nicht drastisch verbessern. Das hängt damit zusammen, daß das Bildungsniveau, auch die Bereitschaft, schulische Bildung zu akzeptieren, bei weitem zu gering ist. Es gibt Nationalitäten, deren Schulabschlußquote über der deutscher Kinder liegt. Trotzdem sind 50 % aller Ausländerkinder ohne Hauptschulabschluß, und 70 % haben nicht einmal eine minimale berufliche Qualifizierung.
Ich bin der Überzeugung, daß in diesem Fall die Länder zuwenig tun, um die Erfüllung insbesondere der Berufsschulpflicht durchzusetzen. Es gehört wenig Phantasie dazu, vorauszusagen, welche verheerenden sozialen Konflikte zu unseren eigenen Lasten hier angelegt sind, wenn wir nicht entschlossen die Lebenschancen und auch den Leistungswillen dieser jungen Menschen verbessern, indem wir ihnen eine Perspektive eröffnen, die sie zur Zeit nicht haben. Dieser Gesetzentwurf ist dazu ein kleiner, aber ein wichtiger Schritt.
Er sieht übrigens auch die Gebührenfreiheit für die Einbürgerung vor; das ist schon vorgetragen worden. Das geht zu Lasten der Länder, hält sich aber nach allen verantwortlichen Schätzungen in sehr engen Grenzen. Dieser Gesichtspunkt sollte für die Behandlung des Entwurfs keine ausschlaggebende Rolle spielen. Wir sind jedenfalls bereit, diese Bestimmung abzukoppeln, wenn dadurch die Annahme des Gesamtentwurfs erleichtert wird.
Wir hoffen auf eine zügige Beratung und werden der Überweisung des Entwurfs zur federführenden Beratung an den Innenausschuß zustimmen.
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Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Olderog.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Von dem Kollegen Bühling haben wir gehört, daß es ein rechtsstaatlicher Skandal ist, daß die Ausländer bisher keinen Anspruch gehabt haben, deutsche Staatsbürger zu werden.
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- So habe ich es jedenfalls verstanden. Auch daß es an den schwierigen, komplizierten und die Einbürgerung hemmenden Vorschriften liegt, daß wir mit der Integration der Ausländer in der Bundesrepublik nicht so vorangekommen sind.
Meine Damen und Herren, ich möchte das entschieden bestreiten. Ich möchte überhaupt bestreiten, daß es in diesem Bereich ein wirkliches Problem gibt. Nach meiner festen Überzeugung ist das nicht der Fall. Nach all dem, was wir an Zahlenmaterial, auch heute hier, gehört haben, kann man das überhaupt nicht sagen.
Von Herrn Jentsch ist gesagt worden, daß von hundert Ausländern, die durch Dauer des Aufenthalts die Voraussetzungen für eine Einbürgerung erfüllt haben, nur ein einziger die Staatsbürgerschaft beantragt hat. Ich füge hinzu, daß von 130 000 türki6060
schen Mitbewohnern nur 0,3 % - 0,3 % - die Einbürgerung beantragt haben.
Ich kann dem, was Herr Hirsch gesagt hat, überhaupt nicht zustimmen - ich habe mich auch sachkundig gemacht und mit den Verantwortlichen gesprochen, die diese Verwaltungsvorschriften und das geltende Recht in Schleswig-Holstein anwenden - nämlich, daß es dort große Probleme und Schwierigkeiten gibt. Nein, meine Damen und Herren, hier wird etwas zum Problem heraufgeredet, was in Wirklichkeit den damit befaßten Behörden in der Vergangenheit überhaupt keine Schwierigkeiten gemacht hat.
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Warum wollen so wenige Ausländer eingebürgert werden? Die Antwort ist viel einfacher, als Herr Kühn und andere meinen. Ich jedenfalls glaube: Es liegt einmal daran, daß sie durch die Einbürgerung wirtschaftlich und sozial nichts gewinnen. Sie sind insoweit gleichgestellt und gleichberechtigt. Auch der Erwerb staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten - Wahlrecht, Wehrpflicht - ist für sie nicht attraktiv. Vor allem aber liegt es daran, weil unsere ausländischen Mitbewohner eben nicht Deutsche werden wollen, weil sie Jugoslawen, weil sie Griechen, weil sie Türken bleiben wollen.
Ich frage mich: Glauben wir wirklich, daß wir durch eine gesetzliche Regelung diese innere Einstellung maßgeblich beeinflussen können? Durch viele Dinge kann man das; aber, wie ich glaube, durch die Änderung dieses Gesetzes kaum.
Wir müssen uns auch einmal fragen: Sollten wir nicht auch ein bißchen Respekt haben vor dieser inneren Einstellung? Ist es nicht vielleicht auch ein Gebot der Fairneß gegenüber den Entsenderländern, daß wir nun nicht versuchen, mit aller Kraft auf diese innere Einstellung einzuwirken?
Meine Damen und Herren, der Rechtsanspruch soll jetzt also das Entscheidende sein. Die Einbürgerung soll erleichtert und verbessert werden; die Möglichkeiten sollen ausgeweitet werden.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Brandt?
Ja, bitte schön.
Herr Kollege, würden Sie bei Ihren Überlegungen bitte berücksichtigen, daß dieses Gesetz keinen Einbürgerungszwang auslöst?
Ich habe nicht gesagt, daß dadurch ein Zwang ausgelöst wird. Aber Ihre Vorstellung ist doch, daß man mit diesem Instrumentarium die Integration ein wesentliches Stück voranbringen sollte, daß Sie sich abkehren von der bisherigen tragenden Haltung, daß die Staatsbürgerschaft am Ende nach vollendeter Integration verliehen wird, nicht aber am Anfang.
Ich warne davor, daß wir uns als Deutsche dieser Entscheidung, wer in die Gemeinschaft der deutschen Staatsbürger aufgenommen werden soll, begeben. Daß sich ein Ausländer die Mitgliedschaft in dieser Gemeinschaft soll erklagen können, das halte ich für eine nach der deutschen Rechtstradition ungewöhnliche und auch etwas gefährliche Sache.
Stimmt denn die Vermutung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, daß diejenigen, die in einem bestimmten Alter acht Jahre lang hier in der Bundesrepublik gelebt haben, schon weitgehend integriert sind, daß man sozusagen nur noch den Schlußpunkt setzen müsse? Wer als türkisches Kind mit elf oder zwölf Jahren mit seinen Eltern oder zu seinen Eltern nach Berlin-Kreuzberg zieht, dort acht Jahre in der, wie man schon sagen muß, viertgrößten türkischen Stadt lebt, unter Türken, in einem türkischen Milieu, der bleibt doch innerlich ein Türke. Er ist doch nicht nur deshalb integriert, weil er acht Jahre in Berlin gelebt hat. Er wird doch mehr von Koran-schulen und der Kultur des Islam geprägt als von deutschen Institutionen. Kreuzberg ist - das müssen wir doch wahrhaben - heute schon die viertgrößte türkische Stadt in der Welt.
Viele dieser mohammedanischen Türken können sich nicht auf deutsch verständigen; das ist ja die andere Seite. Es gibt viele, die gut deutsch sprechen. Wer wollte das bestreiten? Es ist ja unsere Position, daß wir nicht generalisieren, sondern auf den Einzelfall abstellen. Aber es gibt eben auch viele, die sich nicht auf deutsch verständigen können. Sollen wir ihnen die Staatsangehörigkeit, wie das ein bißchen so durchklang, aufdrängen, nicht aufzwingen, aber sozusagen immer wieder anbieten, ihnen einen Stoß geben, daß sie nun deutsche Staatsangehörige werden?
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Wollen wir wirklich, meine verehrten Kollegen, fremdsprachige Minderheiten mit deutscher Staatsangehörigkeit, Deutsche, die nur gebrochen deutsch sprechen können?
({1})
Ich habe da meine tiefen Zweifel. Ich glaube, diese Zweifel werden von einer ganz großen Mehrheit derjenigen Bürger in unserem Volk geteilt, die sich nicht von einer Ausländerfeindlichkeit leiten lassen, sondern die über diese Frage sehr ernst und verantwortungsbewußt nachdenken.
Was geschieht denn, wenn Bundesregierung und Koalition und alle, die das wollen, erreichen, daß diese Gruppen in einem großen Umfang deutsche Staatsbürger mit allen Rechten und Pflichten werden, obwohl sie nicht integriert und assimiliert sind? Das muß doch neue politische Zwänge und Konflikte schaffen. Es wäre doch naiv zu glauben, daß sich diese Gruppen politisch allein an den Interessen unseres Landes orientierten. Ihre Loyalität, ihr Fühlen, ihr Denken ist doch gespalten zwischen Deutschland und Griechenland, zwischen Deutschland und Jugoslawien, zwischen Deutschland und der Türkei, zwischen Deutschland und den vielen anderen Herkunftsländern.
Ich möchte Sie bitten, meine Damen und Herren: Werfen Sie einmal einen Blick auf die Vereinigten Staaten von Amerika. Da gibt es die Philosophie des
melting pot, daß man in diesen Schmelztiegel jedermann hineinnimmt, und er werde dann schon irgendwie integriert und assimiliert. Das ist ein großes und weites Land mit ganz anderen geopolitischen Voraussetzungen. Hier bei uns drängen sich 60 Millionen Menschen. Alle Konflikte und Probleme konzentrieren sich auf einen kleinen geographischen Raum.
Wenn wir in die USA blicken, stellen wir fest, daß auch dort große Gruppen nicht integriert worden sind, obwohl die Verfassungstradition und manches andere dort viel günstiger ist. Die US-Bürger aus süd- und osteuropäischen Ländern, aus mittel- und südamerikanischen Ländern, eben Menschen, die nicht „White-Anglo-Saxon-Protestants" sind, die diese Eigenschaften nicht vorweisen können, sind häufig nicht integriert. Da mögen die Touristen von malerischen Chinatowns schwärmen, aber die Politiker und die Verwaltungspraktiker registrieren in diesen Elendsvierteln der ethnischen Minderheiten Subkulturen und Krebsgeschwüre wie die Mafia, gegen die seit Jahrzehnten Politik und Verwaltung kämpfen - bisher leider meist vergeblich.
Gewiß, die USA sind daran nicht zerbrochen; das will ja niemand behaupten. Es ist, wie gesagt, ein weites Land mit anderen Traditionen. Aber selbst in diesem großen Land gibt es politische Zwänge, die man nicht gut finden kann. Die Griechen-Lobby blockierte ein Hilfsprogramm des Präsidenten für die Türkei. Die Politik der Vereinigten Staaten im Nahen Osten, gegenüber Polen sähe möglicherweise etwas anders aus, gäbe es nicht diesen ganz starken Druck der jüdischen US-Bürger bzw. der polnischen US-Bürger.
Die deutsche Staatsangehörigkeit bedeutet ein ausschließliches Treueverhältnis zwischen Staat und Staatsbürgern, eine ungeteilte Loyalität zum eigenen Staat. So war es bisher, und wir sollten diesen bewährten Grundsatz nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.
Meine Damen und Herren, ein letztes Wort: Es ist so viel von Lebensplanung die Rede. Die Ausländer sollten eine Entscheidung treffen. Ich finde das gut. Aber wie soll das denn geschehen? Zwischen welchen Alternativen und Perspektiven sollen denn die Ausländer in Deutschland wählen? Diese Regierung hat ihnen doch gar nicht gesagt, welche Perspektiven ihnen offenstehen. Trotz aller brennenden Aktualität fehlt es doch an einem Gesamtkonzept für die Ausländer. Deswegen glaube ich, daß man die Ausländer im Grunde überfordert, wenn man sagt, sie sollten jetzt wählen müssen.
Ich möchte sagen: Es ist wichtig, daß wir über diese Themen weiter diskutieren. Wir müssen endlich eine Gesamtkonzeption im Hinblick auf die Ausländer in der Bundesrepublik entwickeln, damit sie sich wirklich klar entscheiden können, verantwortungsbewußt, weil sie klare Alternativen haben. - Herzlichen Dank.
({2})
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär von Schoeler.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Nach der Rede des Kollegen Olderog habe ich den Eindruck, man muß den Versuch machen, das Thema wieder auf das zu reduzieren, worum es eigentlich geht.
({0})
Mir scheint - entschuldigen Sie, Herr Kollege, wenn ich das so sage -, daß Sie den Gesetzentwurf nicht gelesen haben. Wir reden nicht darüber, wie viele Menschen in diesem Lande eingebürgert werden, sondern wir reden darüber, wie wir den Ausländern der zweiten und dritten Generation entgegentreten, die sich einbürgern lassen wollen:
({1})
ob die Behörden Ermessensentscheidungen treffen oder ob die Betroffenen die Sicherheit haben sollen, deutsche Staatsbürger werden zu können, wenn sie hier aufgewachsen sind, wenn sie hier die Schule besucht haben, wenn sie hier ihre Lehre gemacht haben, wenn sie also lange Zeit in der Bundesrepublik gewesen sind. Wer sich für die Bundesrepublik entscheidet, soll sich für die Bundesrepublik entscheiden.
({2})
Hier werden Ängste geweckt, Herr Kollege, die mit dem Inhalt des Gesetzentwurfes nichts zu tun haben. Was soll ich etwa von der Frage halten: Soll ein Ausländer auf Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft klagen können? Das wird dann noch mit der Behauptung versehen, das sei gänzlich neu. Natürlich können Ausländer in der Bundesrepublik klagen. Bei der Bundesrepublik Deutschland handelt es sich nämlich um einen Rechtsstaat.
({3})
Es ist das Recht auch eines Ausländers, ein Recht einzuklagen. Das wollen wir doch wohl nicht ändern. Auch heute kann schon auf Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft geklagt werden.
Eines ist richtig: Wir wollen den Ausländern der zweiten und dritten Generation Sicherheit geben. Wir reden nicht über Chinatown oder sonst etwas, sondern wir reden über Jugendliche, die hier in die Schule gegangen sind und hier ihre Lehre gemacht haben, die sich entscheiden, und zwar freiwillig, ihre eigene Staatsangehörigkeit aufzugeben und die deutsche anzunehmen.
Damit tun diese jungen Ausländer etwas, was Herr Jentsch, wie ich finde, zu Recht gefordert hat. In Ihrer Rede, Herr Jentsch, war ein wichtiger Gedankengang enthalten, und insofern stimme ich mit Ihnen völlig überein. Sie sagen, wir müßten in Zukunft von dem einzelnen Ausländer verstärkt eine persönliche Entscheidung im Hinblick auf seine weitere Lebensplanung verlangen. Was ist denn mit dem Ausländer, der sich für die Einbürgerung entscheidet? Hat er sich nicht entschlossen, sich für die Bundesrepublik, für den Aufenthalt hier, für die Integration zu entscheiden? Ist er denn nicht bereit, auch Pflichten zu übernehmen wie etwa die Wehrpflicht? Es ist ja nicht - wie das in der Debatte bisher angeklungen ist -, als ob nur ein Geschenk ver6062
Parl. Staatssekretär von Schoeler
teilt würde. Vielmehr werden mit der Entscheidung für die deutsche Staatsbürgerschaft auch die damit verbundenen Pflichten übernommen. Sollten wir nicht in dem Fall, in dem der junge Ausländer, der hier aufgewachsen ist, dazu bereit ist, diese Pflichten auf sich zu nehmen, den Weg zurück abzuschneiden, seine eigene Staatsangehörigkeit aufzugeben, sich also wirklich endgültig für die Bundesrepublik entscheidet, nicht froh sein, weil er gerade diese Entscheidung, die Sie von ihm fordern, zu treffen bereit ist? Oder sollten wir dann sagen, daß da ein Beamter auf irgendeiner Ausländerbehörde sagen kann: Du willst zwar, du bist auch bereit, die Pflichten zu übernehmen, aber wir wollen dich nicht, aus welchen Gründen auch immer? Soll diese Ermessensentscheidung wirklich in den Fällen noch offenbleiben? Es sind in der Tat wenige - das ist richtig -, leider sind es viel zu wenige, die bereit sind, diese Entscheidung zugunsten der Einbürgerung für sich persönlich zu treffen. Daß es noch wenige sind, ist doch kein Grund, zu sagen: Es müssen auch immer wenige bleiben. Das ist keine Lösung des Problems.
Gott sei Dank steigt die Einbürgerungsbereitschaft langsam, ganz langsam. Wenn sich nur 1 % derjenigen, die sich nach geltendem Recht einbürgern lassen könnten, einbürgern lassen, dann ist das wenig. Wir wissen aber, daß die Einbürgerungsbereitschaft bei der zweiten Generation höher als bei der ersten ist, und das wird sich so fortsetzen. Ich meine, wir hätten es in der Hand, mit diesem Gesetz ein Signal an die Adresse junger Ausländer zu senden und zu sagen: Wer sich für uns entscheidet, wer sich dafür entscheidet, auf Dauer in der Bundesrepublik Deutschland zu bleiben, der ist willkommen, das ist gewünscht, und wir begrüßen einen solchen Schritt und wollen ihn unterstützen, soweit wir es können. Wir können niemanden verpflichten, wir wollen niemanden verpflichten. Wir können und wollen niemanden zwingen, aber der, der selbst dazu bereit ist, diese Entscheidung zu treffen, der sollte uns sehr willkommen sein.
Deswegen stimmt die These auch nicht, Herr Kollege Jentsch, die Sie aufgestellt haben, die schon in der Debatte des Bundesrates eine Rolle gespielt hat und die sehr eingängig klingt, Einbürgerung könne niemals Mittel zur Integration, sondern allenfalls Ergebnis der Integration sein. Was will ich denn von einem Menschen noch mehr verlangen, als daß er bereit ist, den Weg in die Heimat abzuschneiden, die alte Staatsbürgerschaft aufzugeben und eine neue anzunehmen? Gibt es denn eine deutlichere Bereitschaftserklärung zur Integration als diese? Und wie sind denn die Wirkungen auf die Kinder? Natürlich ist es für die Kinder ein entscheidender Unterschied, ob sie als Deutsche oder als Ausländer aufwachsen.
({4})
- Herr Kollege Vogel, das trifft deshalb nicht zu, weil wir hier nicht über alle Ausländer reden. Ich meine, das ist bei dem, was Sie sagen, das entscheidende Versäumnis. Wir reden vielmehr über bestimmte Ausländer, nämlich über die Gruppe derjenigen, die zwischen 18 und 21 Jahre alt sind und sich acht Jahre lang in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Für die Integration dieses Personenkreises gibt es ja beeindruckende Zahlen. Je länger der Schulaufenthalt ausländischer Kinder ist, desto stärker ist die Sprachkenntnis ausgeprägt, desto erfolgreicher wird der Hauptschulabschluß erreicht. Gott sei Dank ist es so, daß die Ausländerkinder, die in der Bundesrepublik Deutschland die ganze Zeit die Schule besuchen, weil sie früh von ihren Eltern in die Bundesrepublik gebracht worden sind, einen genauso großen Hauptschulabschlußerfolg wie die deutschen Kinder haben. Über diesen Personenkreis reden wir. Deswegen glaube ich, daß die Voraussetzungen, die in dem Gesetzentwurf formuliert worden sind, den Personenkreis beschreiben, bei dem die Integrationsbereitschaft vorausgesetzt werden kann. Das ist das Ziel der gesetzlichen Formulierung der Anspruchsvoraussetzungen.
Herr Kollege Jentsch hat in einer Formulierung davon gesprochen, daß die Staatsbürgerschaft durch Postkarte beziehbar gemacht würde. Ich habe mich über diese oder eine ähnliche Formulierung schon mit dem Berliner Senator für Bundesangelegenheiten, Herrn Blüm, im Bundesrat auseinandergesetzt. Herr Kollege Jentsch, gestatten Sie mir eine persönliche Bemerkung. Ich kenne und schätze Sie als einen sachlichen Kollegen. Ich wäre Ihnen wirklich dankbar, wenn Sie noch einmal überlegen würden, ob Sie eine solche Formulierung weiter aufrechterhalten wollen. Es gibt in unserer Rechtsordnung viele Bereiche, wo wir gesetzliche Ansprüche formulieren. In keinem dieser Bereiche diskriminieren wir eine solche gesetzliche Regelung dadurch, daß wir davon reden, hier werde etwas per Postkarte beziehbar gemacht. Sie kämen nie auf die Idee, bei der Investitionszulage, die wir als Ergebnis des Vermittlungsausschusses beschließen werden, zu sagen: Hier werden Investitionshilfen per Postkarte beziehbar gemacht, weil ein gesetzlicher Anspruch eingeräumt wird.
({5})
Warum dann, bitte, bei diesem Thema? Wird da nicht auf Emotionalisierung in der Öffentlichkeit angespielt?
({6})
Sollten wir nicht alle die gemeinsame Verantwortung spüren, so etwas zu unterlassen? Ich kann nicht mehr tun, als Sie darum zu bitten, Herr Jentsch, das zu unterlassen.
Ich finde aber eines ganz schlimm: wenn wir in der Bundesrepublik dazu kämen, daß das Thema Ausländerpolitik, das natürlich von der Suche nach richtigen Lösungen, nach Verbesserungen beherrscht sein muß - und da sind wir im Augenblick alle dabei -, zu einem Tummelplatz emotionaler Auseinandersetzungen zwischen den Parteien würde. Denn dafür ist die Verantwortung, die wir alle zusammen haben, zu groß, die Verantwortung auch für das Verhältnis zwischen Deutschen und Ausländern zu groß, und die geschichtliche Verantwortung, die wir, alle Parteien gemeinsam, tragen, auch.
Parl. Staatssekretär von Schoeler
Es ist ja nicht so, daß in der Vergangenheit in der Ausländerpolitik massive Differenzen zwischen der Opposition und der Koalition gewesen wären. Die Ausländerpolitik wird länger betrieben, als diese sozialliberale Koalition an der Regierung ist. Sie ist immer gemeinsam von Bund und Ländern betrieben worden. Alle haben gemeinsam die Entscheidung getroffen. Die Anwerbemaßnahmen sind in den 60er Jahren eingeleitet worden. Der einmillionste Ausländer, der in die Bundesrepublik Deutschland kam, ist von allen gemeinsam gefeiert und begrüßt worden. Die Abkehr vom Rotationsgedanken, der Obergang zur Integration ist von allen gemeinsam getragen worden, nicht nur von den politischen Parteien, sondern auch von den Gewerkschaften und den Arbeitgebern. Das Abkommen mit der Türkei, das jetzt zu Recht in der ganzen Debatte eine große Rolle spielt, ist von einer CDU-geführten Bundesregierung geschlossen worden.
Ich sage das alles nur, um an Sie eindringlich zu appellieren: Erwecken Sie nicht den Eindruck, hier gäbe es keine Verantwortung aller Parteien, sondern nur eine Verantwortung von zwei Parteien. Sie leisten damit einer emotionalisierenden parteipolitischen Diskussion auf dem Gebiet der Ausländerpolitik Vorschub. Das ist etwas, wovor auch Sie bei etwas längerem Nachdenken und bei etwas längerer und nicht nur kurzfristiger Sicht Angst haben müßten.
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Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Olderog?
Herr Staatssekretär, darf ich Sie dann noch einmal fragen: haben Sie tatsächliche Anhaltspunkte dafür, daß die bisherige Rechtslage, die ja den staatlichen Behörden einen Ermessensspielraum eingeräumt hat, wirklich zu Mißständen und Mißbräuchen geführt hat? Haben Sie Anhaltspunkte dafür, daß die geltende Rechtsregelung tatsächlich integrationswillige und an der Einbürgerung interessierte Ausländer davon abgehalten hat, diesen Weg zu gehen? Oder sind es nur Vermutungen, oder ist das nur so ein Gesetz, weil man halt mal etwas tun will?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege, ich verstehe in Ihrer Argumentation eines nicht. Sie argumentieren zweigleisig. Sie verbinden auf der einen Seite mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzentwurfs schlimme Befürchtungen von fremdsprachigen Deutschen. Auf der anderen Seite sagen Sie: Alles, was da notwendig ist, geht doch schon nach geltendem Recht; der Gesetzentwurf würde also nichts ändern. Es kann doch nur eines von beidem stimmen.
({0})
Sie können doch nicht sagen: Es geht nach geltendem Recht schon alles, deswegen brauchen wir das Gesetz nicht, und auf der anderen Seite: Um Gottes willen, das Gesetz darf nicht in Kraft treten, sonst treten fürchterliche Zustände ein, - die Sie hier in einer Farbigkeit beschrieben haben, die mich sehr beeindruckt hat.
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Urbaniak?
Herr Staatssekretär, können Sie mir bestätigen, das viele Ausländer, die sehr lange bei uns sind und sich sehr gern Einbürgern lassen möchten, davor zurückschrecken, weil vor allen Dingen das Verfahren sehr langfristig und mit erheblichen Gebühren, also finanziellen Belastungen verbunden ist, so daß man gerade darum eine solche Rechts- und Gesetzesregelung wünscht, wie wir sie in Vorbereitung haben?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Urbaniak, aus meiner täglichen Erfahrung, in der sich viele Ausländer brieflich an den Bundesminister des Innern wenden, kann man das nur bestätigen. Natürlich sind die Gebühren für jeden Ausländer eine Sache der Überlegung. Wenn Dreiviertel eines Monatsgehalts als Gebühr verlangt werden kann, dann ist das nicht etwas, was jemand unberücksichtigt ließe. Das gleiche gilt auch häufig für die Unsicherheit über die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen oder Einbürgerungsvoraussetzungen, die bei vielen Ausländern vorhanden ist.
Ich glaube persönlich nicht, daß mit der Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs eine radikale Veränderung von eben auf jetzt eintreten wird. Aber ich sehe in dem Gesetzentwurf einen kleinen Schritt in die richtige Richtung und ein Signal des Gesetzgebers der Bundesrepublik Deutschland an die Ausländer: Wer sich einbürgern lassen will, ist willkommen. Das halte ich im Sinne des Klimas, im Sinne der Rechtssicherheit für die Betroffenen und im Sinne der Transparenz für einen wichtigen Schritt, nicht für die Lösung des Ausländerproblems, aber für einen kleinen, jedoch wichtigen Schritt zur Lösung des Ausländerproblems.
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Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Urbaniak?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Gerne.
Herr Staatssekretär, können Sie mir bestätigen, daß, wenn wir dieses Gesetz haben werden, alles ausdrücklich auf freiwilliger Grundlage beruht, daß keiner gezwungen wird, sondern sich jeder frei entscheiden muß, ob er sich einbürgern lassen will oder nicht?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ja.
Lassen Sie mich noch etwas zu einem Argument sagen, das hier in der Debatte und auch schon in der ersten Lesung im Bundesrat eine Rolle gespielt hat. Es geht um die Frage, wo das alles geregelt werden sollte. Da gibt es die Meinung, ein eigenes Gesetz sei falsch; man solle eine Regelung über die Einbürgerungsrichtlinien anstreben. Ich frage diejenigen, die diese Position die ganzen letzten Jahre vertreten haben - der Herr Kollege Hirsch hat ja, damals noch Innenminister Nordrhein-Westfalens, einen solchen
Parl. Staatssekretär von Schoeler
Gesetzentwurf bereits vor langer Zeit im Bundesrat eingebracht -, ich frage diejenigen, die sagen, das müsse in den Einbürgerungsrichtlinien geregelt werden, warum sie nicht einen Anlauf unternommen haben, um diese Einbürgerungsrichtlinien zu ändern. Ich frage mich: Ist denn nicht ein Gesetz wirklich transparenter für den Betroffenen, schafft nicht es nicht mehr Rechtssicherheit? Da kann ich mich auf das beziehen, was der Kollege Hirsch gesagt hat.
Darüber hinaus muß ich im Deutschen Bundestag und als Parlamentarier auch fragen: Wäre es nicht ein Armutszeugnis für das Parlament, wenn es sagte, dies sollten einmal die Exekutiven des Bundes und der Länder regeln,
({0})
dies sie eine Frage, die uns nichts angeht oder mit der wir nicht zu tun haben wollen? Es handelt sich doch ganz offensichtlich um eine wichtige Frage; sonst hätten wir darüber keine Debatte. Wenn es sich aber um eine wichtige Frage handelt, sollten wir alle als Parlamentarier, finde ich, Wert darauf legen, daß die politische Frage durch das Parlament und nicht durch die Exekutive entschieden wird.
({1})
Herr Staatssekretär, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Olderog?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege, ich würde gerne zum Ende kommen.
Sie haben vorhin meine Frage leider nicht beantwortet! Ich hatte gefragt, ob Sie nachgeprüft haben, ob es tatsächlich Mißstände gegeben hat, die Sie veranlassen, von der Ermessensregelung wegzukommen und zu diesen zwingenden Voraussetzungen zu gelangen.
Zweitens frage ich Sie, ob Sie mir bestätigen können, daß die von Ihnen angestrebte Regelung auch dazu führen kann, daß nicht integrationswillige und nicht integrationsfähige Persönlichkeiten die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben, aus welchen Gründen auch immer sie sie erwerben wollen, daß also nicht mehr gewährleistet ist, daß ungeeignete Persönlichkeiten ferngehalten werden.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege, ich möchte jetzt eigentlich nicht in eine Ausschußberatung eintreten, will aber die Frage wenigstens kurz beantworten.
Meine erste Antwort lautet: Ich halte es für einen Mißstand, daß ein junger Ausländer, der sich dafür entscheidet, seine alte Staatsbürgerschaft aufzugeben und die deutsche anzunehmen, dafür Geld zahlen muß, daß wir ihn also nicht so - froh darüber, daß er die Entscheidung, die Herr Jentsch zu Recht von ihm gefordert hat, getroffen hat - aufnehmen, daß er dafür keine Gebühr zahlen muß. Ich halte schon das für eine Mißstand.
Ich halte es auch für einen Mißstand, daß die Antworten auf die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eingebürgert wird, letztlich Ermessensentscheidungen sind, die nicht einmal gesetzlich fixiert sind, wo das Parlament gesagt hat, es soll eine Ermessensentscheidung unter bestimmten Vorgaben sein. Es ist ein Mißstand, daß es sich hier um Regelungen in Verwaltungsrichtlinien handelt. - Dies nur, um einmal zwei Mißstände aufzuzeigen.
Meine zweite Antwort lautet: Wenn es Ihnen wirklich nur darum geht, zu sagen, alles, was an Einbürgerungen notwendig ist, könne schon nach geltendem Recht stattfinden, kann das Gesetz ja nicht so schlimm sein. Dann sollten sie ihm eigentlich zustimmen, weil es nur das, was auch nach Ihrer Meinung richtig ist, auf eine gesetzliche Basis stellt.
Es ermöglicht
Richtiges und Falsches!)
Mit der Zustimmung des Parlaments werden die
Ausländerbehörden allerdings auf einer sicheren
Rechtsgrundlage arbeiten, als es sonst der Fall ist.
Meine Damen und Herren, mein Appell zum Schluß: Das Gesetz enthält ein Angebot an die Ausländer, es enthält sicherlich auch ein Signal an die Ausländer der zweiten und der dritten Generation, um die es hier geht. Meine Bitte ist: Es wäre sinnvoll und wichtig, wenn wir in den Ausschußberatungen dazu kommen könnten, eine einvernehmliche Lösung zu finden, denn es handelt sich um eine Frage, von der ich glaube, sie sollte außerhalb des parteipolitischen emotionalen Streits bleiben, sie sollte von allen Vertretern des deutschen Volkes gemeinsam gefunden werden können. - Vielen Dank.
({0})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, den Entwurf an den Innenausschuß - federführend - und zur Mitberatung an den Rechtsausschuß und an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung zu überweisen. - Erhebt sich dagegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall; dann ist es so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 6 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Vogel ({0}), Dr. Dregger, Spranger, Dr. Mertes ({1}), Erhard ({2}), Dr. Miltner, Dr. Wittmann, Broll, Dr. Jentsch ({3}), Dr. Laufs, Regenspurger und der Fraktion der CDU/CSU
Anschläge auf Jugoslawen in der Bundesrepublik Deutschland
- Drucksache 9/1334 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Innenausschuß ({4})
Auswärtiger Ausschuß
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort zur Begründung und in der Aussprache hat Herr Abgeordneter Vogel ({5}).
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir zu diesem Tagesordnungspunkt eine Vorbemerkung. Der
Vogel ({0})
Antrag, den ich heute begründen soll, stammt vom 8. Februar 1982. Er war damals aktuell ausgelöst durch den im Januar dieses Jahres erfolgten Mordanschlag in der Nähe von Heilbronn auf drei aus der Provinz Kosovo stammende Exiljugoslawen albanischer Volkszugehörigkeit.
Es gehört für mich nach den langen Jahren der Zugehörigkeit zu diesem Hohen Hause zu den unergründlichen Geheimnissen der Arbeit in diesem Parlament, daß es offenbar unmöglich ist, solche Anträge in zeitlicher Nähe zu den sie auslösenden Ereignissen zu debattieren. Ich will mich jetzt nicht über die Frage auslassen, warum das so ist. Ich spreche es nur deshalb an, weil ich meine, wir sollten uns mit diesem Zustand unserer Arbeit trotz aller gegenteiligen Erfahrungen nicht abfinden.
({1})
Unser Antrag verfolgt nicht das Ziel - das möchte ich gleich zu Beginn betonen - die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zur Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien zu verschlechtern. Im Gegenteil, wir von der CDU/CSU legen großen Wert auf die Förderung guter Beziehungen zu Jugoslawien. Daran möchte ich keinen Zweifel aufkommen lassen.
({2})
Aber der Wunsch nach guten Beziehungen muß auf beiden Seiten von einem Verhalten und von Bemühungen begleitet sein, die die Entwicklung guter Beziehungen möglich machen.
({3})
Wir in der Bundesrepublik Deutschland haben dazu in der Vergangenheit unseren Beitrag geleistet. Als wir im Jahr 1972 die rechtlichen Grundlagen der Arbeit unseres Verfassungsschutzes neu regelten, haben wir dem Verfassungsschutz auch die Aufgabe zugewiesen, Unterlagen für Zwecke des Schutzes gegen Bestrebungen im Bundesgebiet zu sammeln, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Insbesondere in bezug auf die Kroatischen Exilorganisationen sind die deutschen Sicherheitsbehörden sorgsam bemüht gewesen, auf Gewaltanwendung abzielende Aktivitäten zu erkennen und zu verhindern.
Am 22. September 1978 hat das Bundesministerium der Justiz eine Zusammenstellung der Verurteilungen von Gewalttätern jugoslawischer Volkszugehörigkeit durch deutsche Gerichte, zurückgehend bis zum Jahr 1964, vorgelegt und dabei darauf hingewiesen, daß in der Bundesrepublik Deutschland jugoslawische Volkszugehörige wegen Straftaten, die gegen die Volksrepublik Jugoslawien gerichtet waren, stets zu schweren Strafen verurteilt worden sind.
Vor bald sechs Jahren hat der damalige Bundesinnenminister Maihofer zwei exilkroatische Organisationen verboten, Organisationen, die in kriminelle Handlungen gegen Jugoslawien und gegen Bürger dieses Landes - Jugoslawiens - verwickelt waren.
Wir von der CDU/CSU haben dieses Verbot damals begrüßt, aber gleichzeitig erklärt, daß es überzeugender gewirkt hätte, wenn die Bundesregierung gleichzeitig ein deutliches Wort zu den zahlreichen Terrorakten auf bei uns lebende Exilkroaten, Exilserben und Exilslowenen gesagt hätte. Terror, der sich gegen solche Emigrantengruppen richtet, ist in gleicher Weise verabscheuungswürdig wie Terror, der von bestimmten extremen Emigrantengruppen ausgeht.
Damals haben wir in sehr verhaltener Weise auf eine sich über viele Jahre hinziehende, niemals abreißende Kette meist unaufgeklärt gebliebener Mordanschläge, besonders auf Exilkroaten, in unserem Land hingewiesen. Für kundige Fachleute stand eigentlich immer fest, daß diese Mordanschläge von der Polizei und von den Nachrichtendiensten in Jugoslawien organisiert werden. Sie sind Teil innenpolitischer Auseinandersetzungen in Jugoslawien, die hier auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland ausgetragen werden.
Bewirkt hat unser Hinweis leider nichts. Bewirkt haben auch die diskreten Demarchen der Bundesregierung nichts. Nach außen, meinen wir, hat die Bundesregierung sogar exzessiv geschwiegen. Ein Beleg dafür ist die Kleine Anfrage meiner Fraktion aus dem Jahre 1978, die auf eine Initiative unseres Kollegen Dr. Miltner zurückging und mit der die Bundesregierung nach ihren Erkenntnissen über politisch motivierte Gewalttaten jugoslawischer Staatsangehöriger auf dem Boden der Bundesrepublik gefragt worden ist. Diese Kleine Anfrage hat die Bundesregierung niemals beantwortet. Spätestens nach der Verweigerung der Auslieferung in Jugoslawien festgehaltener Terroristen - es handelte sich um Brigitte Mohnhaupt, Sieglinde Hofmann, Rolf-Clemens Wagner und Peter Boock - und nach ihrer Freilassung durch die jugoslawischen Behörden bestand überhaupt kein Grund mehr, die Kleine Anfrage nicht zu beantworten. Schon damals, 1978, hätte es Grund genug gegeben, ein deutliches Wort in Richtung Jugoslawien zu sagen.
Vielleicht darf ich einen Vorgang aus dem Winter 1977/78 in das Gedächtnis zurückrufen. Damals war ein jugoslawischer Agent festgenommen worden, bei dem der substantiierte Verdacht bestand, mit der Vorbereitung eines Anschlages auf einen oder zwei bei uns lebende Emigranten befaßt gewesen zu sein. Es bestand weiter der gravierende Verdacht, daß an dieser Angelegenheit amtliche jugoslawische Stellen beteiligt wesen waren. Zu einem den Hergang klärenden Gerichtsverfahren ist es nicht gekommen, weil die jugoslawische Seite rechtzeitig einen Mitarbeiter der Arbeiterwohlfahrt als Geisel genommen hatte, den sie nur gegen Zulieferung ihres Agenten freigab.
Es ist nach den Mordanschlägen von Heilbronn an der Zeit, daß dieses Parlament ein deutliches Wort zu der fortgesetzten Verletzung der Souveränität der Bundesrepublik Deutschland durch amtliche jugoslawische Stellen sagt. Mir ist kein Land bekannt, das so unverfroren über Jahrzehnte hinweg durch amtliche Stellen auf dem Boden eines anderen Staates immer wieder innenpolitische Gegner umbringen
Vogel ({4})
oder - wie etwa im Fall Ciček vor fünf Jahren - entführen läßt. Wir müssen der jugoslawischen Regierung klarmachen, daß wir ein solches Verhalten nicht länger hinzunehmen bereit sind.
({5})
Ein solches Verhalten ist für die Entwicklung der Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern schlechthin unerträglich.
In der Beantwortung unserer Kleinen Anfrage vom 8. Februar dieses Jahres hat die Bundesregierung am 23. Februar mitgeteilt - ich verweise auf die Drucksache 9/1378 -, daß seit dem 1. Januar 1970, also im Verlauf von zehn Jahren, bei 14 Anschlägen gegen bei uns lebende Exilkroaten, Exilserben und sonstige Exiljugoslawen 18 Personen getötet worden sind. Nur bei drei Vorfällen konnten Täter ermittelt werden. Bei dem einzigen Fall, der bislang zu einer gerichtlichen Verurteilung geführt hat - es handelt sich um das Urteil des Schwurgerichts Saarbrücken im Prozeß gegen die Beteiligten des Attentats auf den Exilkroaten Franjo Goreta -, ist vom Gericht die Tatbeteiligung amtlicher jugoslawischer Stellen festgestellt worden. Der Vorsitzende des Schwurgerichts hat bei seiner mündlichen Urteilsbegründung im Sommer vorigen Jahres hierzu ausgeführt:
Es kann nicht hingenommen werden, daß auf unserem Boden Killeraufträge ausgeführt werden, die von fremden Staaten zur Lösung ihrer innerstaatlichen Probleme veranlaßt werden.
Leider müssen wir davon ausgehen, daß bei allen 14 Anschlägen seit dem 1. Januar 1970 amtliche jugoslawische Stellen ihre Hand im Spiel gehabt haben.
Aus den Erfahrungen unserer eigenen Geschichte heraus haben wir jeden Grund zu besonderer Sensibilität gegenüber staatlich angeordnetem und politisch motiviertem Mord oder zu entsprechenden Fällen der Entführung.
Wir haben auch jeden Grund, für die Freiheit und Sicherheit derer einzustehen, die bei uns politisches Asyl gesucht und gefunden haben. Es darf keine Gruppe politischer Asylanten in unserem Lande geben, die von anderen Staaten wie vogelfrei behandelt wird.
Ich will an einen besonders krassen Fall erinnern. Am 13. Januar 1980 wurde der Exilkroate Nikola Milicevic in Frankfurt vor seiner Haustür erschossen. Anderthalb Jahre zuvor war seine Auslieferung an Jugoslawien abgelehnt worden, zu Recht abgelehnt worden, denn Milicevic genoß in unserem Land politisches Asyl. Die Tatwaffe, die man damals festgestellt hat, war genau von der Art, die unsere Polizei bei Anschlägen gegen Emigranten aus Jugoslawien immer wieder antrifft.
Tötung von Menschen auf deutschem Boden, die sich dem Schutz unseres Landes anvertraut haben, können wir nicht dulden. Ausübung von Staatsterrorismus in einem Nachbarland verstößt eindeutig auch gegen die KSZE-Schlußakte von Helsinki, die Jugoslawien mitunterzeichnet hat.
Meine Damen und Herren, wir bitten alle Fraktionen des Deutschen Bundestages, unseren Antrag zu unterstützen, damit die Bundesregierung auf der Grundlage eines einmütigen Votums des Parlaments die notwendigen Schritte tun kann, um die jugoslawische Seite endlich zur Einstellung ihres menschenverachtenden Tuns zu veranlassen.
({6})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Tietjen.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Vogel, ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie dieses sensible Thema, das auf Grund Ihres Antrags hier nun leider - sage ich vorweg - in aller Öffentlichkeit zu bereden ist, in solcher Sachlichkeit dargestellt haben. Das ist bei Kolleginnen und Kollegen Ihrer Fraktion in bezug auf andere Punkte ja nicht unbedingt selbstverständlich. In den meisten Fällen werden sogar sehr unsachliche Wortbeiträge geliefert. Ich bin Ihnen ausgesprochen dankbar für Ihre Art der Sachlichkeit.
({0})
Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion erklärt - sie hat nie etwas anderes gesagt -: Das Recht der Bundesrepublik Deutschland gilt für jeden Bürger in diesem Staat und für jeden Bürger, der sich in diesem Staat aufhalten will.
({1})
- Sie sind aber ein schrecklicher Demokrat, wenn Sie darüber lachen.
({2})
- Sie sind aber ein schlechter Demokrat, wenn Sie darüber lachen.
({3})
Das Recht der Bundesrepublik Deutschland gilt für jeden Bürger dieser Bundesrepublik wie auch für jeden Gast, der sich hier aufhält.
Ich darf auch sagen: Wir Sozialdemokraten lehnen jede Gewalt in diesem Lande ab und fordern die dafür zuständigen Sicherheitsbehörden auf, alle möglichen Anstrengungen zu unternehmen, um ein optimales Ergebnis bei der Verfolgung leider nicht zu verhindernder Straftaten zu erreichen. Das ist gelungen, und dafür sagen wir den Sicherheitsbehörden auch Dank.
Allerdings darf ich zu diesem Thema auch sagen, daß man sich im gesamten Bereich der inneren Sicherheit davor hüten sollte - ich tue das grundsätzlich -, den Bund als alleinzuständigen hinzustellen, wie Sie das sehr oft tun, man sollte vielmehr deutlich machen, daß auch die Länder in ähnlichem Maße Verantwortung bei der Verfolgung solcher strafbaren Handlungen tragen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine parlamentarische Beratung zu dem Thema Mord und Totschlag gegen Jugoslawen in der BundesreTietjen
publik Deutschland findet heute nicht zum erstenmal statt. Die Debatte über dieses Thema wird schon seit 1966 geführt. Wir müssen jedoch als Ergebnis feststellen, daß ein Teil derjenigen Straftäter, von denen hier die Rede ist, festgenommen werden konnte; ein Teil der schon überführten Täter konnte fliehen, und es befinden sich immer noch einige auf freiem Fuß. Das ist aber nicht ungewöhnlich. Leider ist es so, sage ich. Das Ergebnis dieser Beratung durch Fragen in der Fragestunde und durch Kleine Anfragen, die Sie immer wieder gestellt haben, hat also die Sache eigentlich überhaupt nicht verändert und auch nicht verändern können. Darum habe ich die große Sorge: Wenn wir dieses - wie ich zu Anfang gesagt habe - sensible Thema weiter in aller Öffentlichkeit behandeln, ändern wir überhaupt nichts an dem Sachstand, daß weiterhin Terroristen auf deutschem Boden jugoslawische Mitbürger umbringen.
({4})
Mit der öffentlichen Erörterung - ({5})
- Sie können sich ja melden.
Dann stellen Sie bitte eine Zwischenfrage.
Das können Sie ja machen. Dagegen habe ich nichts.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege Tietjen?
Ja, bitte.
Ja. Bitte, Herr Abgeordneter Vogel.
Herr Kollege, würden Sie so freundlich sein, zu erläutern, was Sie in diesem Fall unter „Terroristen" verstehen? Wir müssen j a davon ausgehen, daß es Täter sind, die im Auftrag amtlicher Stellen Jugoslawiens handeln.
Herr Kollege Vogel, davon kann ich nicht ausgehen, weil gesicherte Erkenntnisse darüber fehlen, daß sie im Auftrag jugoslawischer Dienststellen handeln. Es tut mir leid. Sie haben vorhin in Ihrem Beitrag mehrmals gesagt: Wir schließen nicht aus oder ich schließe nicht aus, daß Regierungsstellen beteiligt sein können.
({0})
Es ist nirgendwo vollinhaltlich begründbar oder beweisbar - ich habe mir das auf einem Blatt aufgeschrieben -, daß jugoslawische Dienststellen an diesen Mordanschlägen beteiligt sind oder daß von ihnen die Aufträge kommen.
({1})
- Meine Zeit läßt das nicht zu, Herr Kollege Vogel. Ich bitte um Verständnis.
({2})
Ich will jetzt mit wenigen Worten zu dem Antrag kommen, der im Innenausschuß zu beraten sein wird. An Sie ist zu gegebener Zeit und Stunde die Frage zu richten - und das werden wir tun -, welche Maßnahmen Sie denn meinen, die von der Bundesregierung ausgehen könnten, wenn Jugoslawien nicht entsprechende Schritte einleitet, wie Sie sie sich vorstellen. Welche Schritte das sind, weiß ich nicht. Welche Maßnahmen? Gehen Sie vielleicht so weit - diese Frage muß erlaubt sein -, die diplomatischen Beziehungen mit Jugoslawien auf Grund von Vermutungen abbrechen zu wollen? In der Mitte der Begründung Ihres Antrags erwähnen Sie auf der zweiten Seite die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Die beanspruchen Sie immer dann, wenn es Ihnen paßt, meine Damen und Herren. Die haben Sie damals im Bundestag hier in der Bundesrepublik Deutschland nicht mittragen wollen. Ich finde es sehr erstaunlich, daß Sie dann und wann darauf zurückgreifen.
Es gibt nach meiner und unserer Kenntnis überhaupt keine gesicherten - ich betone: gesicherten
- Erkenntnisse, daß Anhaltspunkte vorliegen, die die Beteiligung regierungsamtlicher Stellen Jugoslawiens an diesen Attentaten belegen.
({3})
- Es liegt ein Urteil vor. In der Urteilsbegründung gibt es einen Satz, einen einzigen Satz dazu.
({4}) Sie wissen das doch genauso wie ich.
Entscheidend ist für mich die außenpolitische Wirkung, die entsteht, wenn wir uns an der öffentlichen Beratung weiterhin beteiligen.
Herr Kollege Vogel, Sie haben auf Ihre Kleine Anfrage aus dem Jahr 1978 Bezug genommen. Die ist nicht beantwortet worden. Ich meine, sie ist damals von der Bundesregierung mit Recht nicht beantwortet worden. Aber Sie haben doch Gelgenheit im Innenausschuß gehabt. Da gibt es eine Tafel mit der Aufschrift: „Streng geheim - Geheim - VS-Vertraulich". Sie haben Gelegenheit gehabt, all diese Fragen, die Sie bewegen, im Innenausschuß in vertraulichem Kreis in diesem Teil des Parlaments zu erfragen. Sie haben die Möglichkeit von 1978 bis zum heutigen Tag nie genutzt.
Darum muß ich davon ausgehen, daß Sie diesen sensiblen Punkt auch als eine Möglichkeit der politischen Show betrachten.
({5})
Ich will auch aufzeigen, was die Bundesregierung in dieser Frage, die uns alle belastet, in den vergangenen Jahren gemacht hat. Sie wissen das auch. Sie wissen, daß es ein Protokoll gibt, das zwischen dem
jugoslawischen Innenminister und dem Bundesinnenminister, Herrn Baum, besprochen und letztlich auch verabschiedet worden ist. Nach sehr sorgfältiger, 1977 begonnener Ausarbeitung durch Fachleute ist das Papier 1980 endlich verabschiedet worden. In dieser Erklärung beider Länder und beider Regierungen heißt es, daß „beide Seiten entschieden alle kriminellen Handlungen und Gewalttaten verurteilen, die gegen die guten Beziehungen zwischen den beiden Ländern gerichtet sind". Sie sind u. a. auch der Auffassung, daß „der Gewalt und dem Terror von Einzelpersonen, Gruppen, Vereinigungen oder Organisationen mit allen zur Verfügung stehenden und zulässigen Mitteln im Einklang mit den geltenden gesetzlichen Bestimmungen beider Länder entgegengetreten werden soll". - Das ist in diesem Papier so festgeschrieben, in einem vereinbarten Papier. Darüber hinaus wissen Sie ja auch, daß der Bundeskanzler dieser Bundesrepublik diese Frage in seinen Begegnungen mit dem jugoslawischen Ministerpräsidenten immer wieder angesprochen hat und daß es darüber auch einen Vermerk gibt, einen zwar nicht bindenden, aber immerhin einen Vermerk. Sie wissen genauso wie ich, daß es ständige, ganz fest vereinbarte Begegnungen zwicken Sicherheitsbehörden der Bundesrepublik Deutschlands und Jugoslawiens gibt. Die letzte Begegnung war die einer Delegation des Bundeskriminalamtes mit jugoslawischen Sicherheitsbehörden Anfang dieses Jahres.
({6})
- Fragen Sie mich doch nicht, welche Themen da behandelt werden; das ist doch ganz klar: u. a. auch dieses Thema - das ist der entscheidende Punkt, Herr Broll - es ist dort behandelt worden und wird auch künftig behandelt werden. Sie können also nicht so tun - den Eindruck möchte ich aus außenpolitischen Gründen nicht stehenlassen -, als ob all das, was vereinbart ist, einseitig nicht gehalten wird. Dazu, dies zu tun, haben Sie nach meiner Auffassung keinen Anlaß.
({7})
Dieses Verhalten, dieser Hinweis auf nicht ganz erkennbares Vertrauen in die Regierung Jugoslawiens kann natürlich zu einer Belastung der Beziehungen zu diesem Staat Jugoslawien führen; das müssen Sie bekennen.
Ich habe, wie gesagt, davon gesprochen, daß dies ein sensibles Thema sei. Ich meine, daß wir im Innenausschuß, der ja nach der Empfehlung des Ältestenrates federführend sein soll, die Möglichkeit haben, an die Regierung alle damit zusammenhängenden Fragen - wie gesagt, unter Einschaltung dieser Tafel, die dort im Saale ist: „Streng geheim", „Geheim" und „VS-Vertraulich" - zu stellen. Allerdings bin ich hier schon der Meinung, daß dies ein Thema ist, das in der Presse, in der Öffentlichkeit nicht breitgetreten werden darf, meine Damen und Herren. Darum stimmen wir zwar dem Überweisungsvorschlag zu, ermuntern Sie, alle Ihre Fragen im Innenausschuß zu stellen, aber ich habe die Bitte an
Sie, Vernunft zu zeigen und die Öffentlichkeit aus diesem Thema herauszulassen. - Ich danke für Ihre Geduld.
({8})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Hirsch.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Vogel, da Sie den vorliegenden Antrag als erster unterschrieben haben, fällt es mir schwer - aber es muß sein bei aller gebotenen Zurückhaltung -, den Antrag als nicht sehr überlegt zu bezeichnen.
Sie verlangen die Verurteilung des jugoslawischen Staates. Da wird man die Frage stellen können, was mit einer solchen Verurteilung erreicht wäre und ob sie mehr schadet als nutzt. Auf jeden Fall kann man zu ihr ja wirklich nur dann kommen, wenn man im Besitz eindeutiger, belegter oder, wie wir manchmal sagen, gerichtsfester Erkenntnisse wäre.
Nun ist es zutreffend und völlig unbestreitbar, daß es auf deutschem Boden zahlreiche Delikte gegen jugoslawische Emigranten, aber auch gegen Angehörige jugoslawischer Konsulate gegeben hat. Mir liegt eine Zusammenstellung aus den Jahren 1969 bis 1978 vor. In diesen neun Jahren - wie gesagt, die Zusammenstellung ist nicht vollständig; sie reicht nur bis 1978 - wurden elf vollendete und 19 versuchte Tötungsdelikte, 15 Sprengstoffanschläge, elf Brandstiftungen und 14 Anstiftungen oder Verabredungen zu Tötungsdelikten gezählt. Dabei müssen politische Motive angenommen werden, weil sich diese Delikte gegen Personen oder Personengruppen richten, die in zum Teil äußerst scharfer Weise gegen den jugoslawischen Staat und seinen Bestand agitieren, und zwar nicht nur in der Bundesrepublik, sondern auch mit Kontakten zu Emigrantenorganisationen in anderen europäischen und außereuropäischen Ländern. Auch bei den Anschlägen gegen konsularisches Personal dürften kaum individuelle, sondern politische Motive vorgelegen haben. Es handelt sich bei den aufgezählten Delikten mit großer Wahrscheinlichkeit um Straftaten aus politischen Motiven.
Es besteht - wie hier ja auch zum Ausdruck gekommen ist - zwischen allen Fraktionen völlige Einigkeit darüber, daß es nicht hingenommen werden kann, wenn Ausländer auf dem Boden der Bundesrepublik mit dem Mittel der Gewalt ihre politischen Auseinandersetzungen fortführen. Dieser Grundsatz gilt unabhängig davon, ob der jeweilige Heimatstaat von Ausländern - welcher auch immer das sein mag - sich an solchen Taten beteiligt, sie fördert, sie begünstigt, sie anregt, sie duldet, sie nicht verhindert. Wir können und wollen keine Privatkriege und keine Selbstjustiz dulden.
Es besteht auch völlige Einigkeit darüber, daß durch solche politischen Auseinandersetzungen die Ausländerfeindlichkeit geschürt wird und daß damit die Integrationsprobleme, denen wir uns gegenüber
sehen, durch politischen Extremismus nachteilig vergrößert und erschwert werden. Es gibt solche Vorgänge zwischen Jugoslawen, Serben und Kroaten, unter Türken und, wie in den letzten Tagen, unter Iranern. Ein Ausländer, der bei solchen Auseinandersetzungen das Gastrecht durch die Anwendung von Gewalt mißbraucht, sollte unser Land verlassen müssen.
Dem Antrag der Opposition geht es aber nicht um die Ausweisung einzelner Ausländer, sondern um die politische Verurteilung der Republik Jugoslawien. Sie ist nur dann möglich, wenn ein eindeutiger Beweis dafür vorliegt, daß eine nachrichtendienstliche Tätigkeit auf deutschem Boden zu den dargestellten Straftaten genutzt worden ist. Die in Ihrem Antrag dazu benutzte Formel, das sei „allgemein bekannt", reicht dafür nicht aus. Auch der Hinweis auf das Oberlandesgericht Saarbrücken führt nicht weiter, weil es erstens nicht das Oberlandesgericht, sondern das Landgericht war und weil zweitens das Landgericht sein Urteil auf die Aussage des Angeklagten stützt, bei der ich jedenfalls nicht bewerten kann, ob es sich um eine Schutzbehauptung handelt, um den eigenen subjektiven Tatanteil zu verringern. Auch das ist jedenfalls nicht auszuschließen.
({0})
Wir denken, daß uns eine solche Argumentation nicht nützt, sondern uns schadet. Unser Ziel muß es sein, Straftaten politischer Extremisten nicht nur zu verhindern, sondern eine möglichst lückenlose internationale Zusammenarbeit zur Bekämpfung von Straftaten politischer Extremisten zu erreichen. Dazu ist auch die Mitarbeit des jugoslawischen Staates notwendig, wie es ja gerade die von Ihnen zitierten Erfahrungen bei der Inhaftierung deutscher Terroristen in Belgrad und deren - bedauerliche - Entlassung gezeigt haben.
Die Verhandlungen, die der Bundesinnenminister in den letzten Jahren mit Jugoslawien geführt hat, begründen unsere Hoffnung, daß diese Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Terrorismus wesentlich verbessert worden ist, und zwar unbeschadet der unterschiedlichen politischen Strukturen unserer Länder und unbeschadet des in unserer Verfassung garantierten Grundrechts auf Asyl, das wir nicht verletzen wollen und nicht verletzen werden. Ihre Aufforderung, dafür zu sorgen, daß wir allen, die bei uns Schutz gefunden haben, auch Schutz gewähren müssen, muß mit allen Kräften des Bundes und der Länder ohne Zaudern erfüllt werden.
Es scheint uns sinnvoll und notwendig zu sein, diese Verhandlungsergebnisse nicht zu gefährden, sondern sie sorgfältig zu wahren. Die Bundesregierung hat wiederholt eine vertrauliche Unterrichtung im Innenausschuß über die vorhandenen Erkenntnisse angeboten. Dieses Angebot scheint uns der einzige sinnvolle Weg zu sein, wie eine Angelegenheit dieser Art behandelt werden kann. Hier gibt es kein überwiegendes politisches Interesse von Koalition oder Opposition, sondern hier geht es darum, ein gemeinsames Interesse zu wahren und es nicht durch politischen Streit zu zerstören. Es geht mit anderen Worten darum, Verantwortung zu beweisen.
({1})
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär von Schoeler.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gab bei uns in den letzten Jahren eine Reihe von Anschlägen und anderen Gewaltaktionen gegen Ausländer oder gegen ausländische Einrichtungen. Von daher habe ich zunächst einmal durchaus Verständnis für das Anliegen der Opposition.
Die Bundesregierung hat nie einen Zweifel daran gelassen, daß sie terroristische Aktionen zur Durchsetzung politischer Ziele auf deutschem Boden mit Nachdruck verurteilt, ganz gleich, von welcher Seite der Terror ausgeht.
Die Bekämpfung terroristischer und anderer politisch motivierter Gewalttaten gehört zu den vordringlichen Aufgaben der zuständigen Organe im Bund und in den Ländern. Die Bundesregierung spricht dieses Thema dort, wo es begründet und zweckmäßig erscheint, bei jeder geeigneten Gelegenheit gegenüber ausländischen Regierungen an. Dies gilt sowohl für die Bekämpfung politisch motivierter Gewalttaten im allgemeinen wie auch für Einzelfälle, soweit dies begründet und zweckmäßig erscheint.
Die Bundesregierung wird auch weiterhin alles unternehmen, um einer Fortsetzung von Gewaltaktionen auf deutschem Boden entgegenzuwirken. Die Bundesregierung hält aber nach wie vor nichts davon, sich an einer öffentlichen Erörterung dieses Themas zu beteiligen. Eine öffentliche Äußerung der Bundesregierung zu den im Antrag der CDU/CSU angesprochenen Fragen würde auswärtige und sicherheitspolitische Belange der Bundesrepublik Deutschland berühren. Der richtige Weg, um dem Auskunftsinteresse und Informationsrecht des Parlaments gerecht zu werden, kann bei einem Thema dieser Art nur die vertrauliche Ausschußberatung sein.
Die Bundesregierung hält daher weiter an ihrem Vorschlag fest, die Angelegenheit in. vertraulicher Ausschußsitzung zu erörtern. Sie ist nach wie vor bereit, das Parlament auf diese Weise umfassend zu unterrichten. - Vielen Dank.
({0})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, den Antrag zur federführenden Beratung an den Innenausschuß und zur Mitberatung an den Auswärtigen Ausschuß zu überweisen. Erhebt sich dagegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich rufe jetzt Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr ({0}) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Jenninger, Dr. Abelein, Werner, Dr. Bötsch, Spranger, Lemmrich, Lintner, Dr. Jobst, Hinsken, Dr. Dollinger, Dr. Faltlhauser, Biehle, Regenspurger, Glos, Dr. Wörner, Susset, Dr. Laufs, Dr. Stark ({1}), Röhner, Dr. Schwörer, Sauer ({2}), Sauter ({3}), Dr. Schulte ({4}), Petersen, Hanz ({5}), Sick, Fischer ({6}), Straßmeir, Pfeffermann
Finanzierung der Autobahn Würzburg-Ulm ({7})
- Drucksachen 9/748, 9/1544 Berichterstatter: Abgeordneter Rösch Das Wort hat der Abgeordnete Bühler.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Um die noch offenen Teile der A 7 zwischen Würzburg und Ulm hat es im Verkehrsausschuß, zwischen Parlament und Bundesregierung, zwischen den Bundesländern, aber auch in der Öffentlichkeit ein heftiges Tauziehen gegeben. Das Plenum des Bundestages ist meines Erachtens nicht der Ort, um dieses Tauziehen noch einmal nachzukarten. Ich will mich deswegen bewußt auf die wenigen nachfolgenden Bemerkungen beschränken.
Die Antragsteller waren der Auffassung, daß die Länder Baden-Württemberg und Bayern die für die zügige Fertigstellung des restlichen Teilstücks der A 7 erforderlichen finanziellen Mittel von insgesamt 623 Millionen DM nicht selbst aufbringen sollten. Sie strebten daher an, daß dieser Finanzbedarf durch Vorwegabzug vom Gesamtplafond an Straßenbaumitteln außerhalb der Länderanteile finanziert werden sollte. Die Antragsteller meinten, daß ein solches Verfahren wegen der großen, Ihnen bekannten überregionalen Bedeutung der A 7 für den Durchgangsverkehr von Nord nach Süd gerechtfertigt sei. Für den Vorwegabzug in der Zeit von 1981 bis 1990 stehen jetzt bereits 1,45 Milliarden DM für Maßnahmen in Berlin, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz zur Verfügung. Baden-Württemberg und Bayern erhalten deswegen 235 Millionen DM bzw. 250 Millionen DM weniger, als ihnen nach dem Verteilungsschlüssel eigentlich zusteht.
Der Antrag umfaßt nur die Abschnitte der A 7, die 1978 wegen ihrer besonderen Dringlichkeit nachträglich in die Dringlichkeitsstufe I aufgenommen wurden. Bei der Überprüfung der Dringlichkeiten 1980 per 1981 wurde diese aber bei der Ermittlung der Länderquoten nicht berücksichtigt. Daher müssen die beiden Bundesländer Baden-Württemberg und Bayern die A 7 aus ihren bisherigen Quoten finanzieren - zu Lasten von Maßnahmen, auf Grund derer diese Quoten ermittelt wurden. Es ging den Antragstellern neben der zügigen Fertigstellung des restlichen Teilstücks der A 7 auch darum, einen Kahlschlag bei anderen notwendigen Straßenbaumaßnahmen in den betreffenden Ländern zu verhindern.
({0})
Das Ergebnis der Beratungen im Verkehrsausschuß entspricht dem Antrag der Antragsteller eindeutig nicht. Als baden-württembergischer Abgeordneter muß ich z. B. feststellen, daß von den allein in Baden-Württemberg benötigten 455 Millionen DM lediglich 20 Millionen DM vorweg finanziert werden sollten, die überdies auf den Landesanteil wieder verrechnet werden. Dies sind 4,3 % der benötigten Mittel auf Kredit.
Angesichts der Auswirkungen eines solchen Beschlusses auf den Straßenbau insgesamt kann ich der Beschlußempfehlung des Verkehrsausschusses nicht zustimmen.
Vielen Dank.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Topmann.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist in der Tat so, daß wir uns in den letzten Monaten im Verkehrsausschuß des Deutschen Bundestags mit diesem Thema einige Male befaßt haben. Herr Kollege Bühler, wir haben dort, meine ich, die Aufgabe wahrgenommen, in Gesamtverantwortung nach einer Lösung zu suchen, die zwei wesentliche Punkte zu enthalten hat.
Erstens. Es ist unbestritten, daß die A 7 nach ihrer Fertigstellung eine wesentliche Verkehrsverbindung zwischen dem Norden und dem Süden darstellen wird. Es ist unbestritten, daß der Bund und die beteiligten Länder alles unternehmen müssen, um eine zügige Fertigstellung zu erreichen.
Zweitens. Wir haben dabei darauf zu achten, daß die 1975 im Einvernehmen mit allen Bundesländern ausgehandelten Länderquoten nicht tangiert werden. Es macht keinen Sinn, meine Damen, meine Herren, wenn wir hier eine Doppelstrategie fahren, wenn Sie von der CDU/CSU so tun, als seien die von Ihnen regierten Länder bereit, über diese Länderquoten zugunsten der Länder Bayern und BadenWürttemberg mit sich reden zu lassen.
({0})
Die Konferenzen der Länderverkehrsminister haben zu allen Zeiten, wenn darüber gesprochen wurde - ich glaube, zuletzt am 1. Juni 1981-, deutlich werden lassen, daß Sie für diese Veränderungen keine Unterstützung aus allen anderen Bundesländern zu erwarten haben.
Deshalb haben wir im Verkehrsausschuß des Deutschen Bundestags nach der ersten Diskussion hier im Plenum auch Ihnen gegenüber deutlich werden lassen, daß wir unter Einbeziehung der Interessen der Länder alles zu tun gedenken, um einem zügigen Ausbau das Wort zu reden. Es geht nicht darum, Maximalforderungen aufzustellen, die mit den
Ländern nicht durchsetzbar sind. Es lohnt sich nicht, das zu tun. Deshalb bin ich auch den süddeutschen Abgeordneten der Koalitionsfraktionen, insonderheit den im Verkehrsausschuß mitarbeitenden, dankbar dafür, daß sie mitgeholfen haben, einen Weg zu finden, der uns in der Tat weitgehend von dieser Schwierigkeit befreit.
({1})
Wenn es richtig ist, daß es auch Ihnen im wesentlichen darum ging, den zügigen Ausbau sicherzustellen - unter Berücksichtigung der technischen Probleme, die wir ja mit Geld nicht ausräumen können -, dann ist akkurat der heute vorliegende Vorschlag der Koalitionsfraktionen geeignet, auch Ihre Zustimmung zu finden, weil wir, meine Herren von der Opposition, im Gegensatz zu der Diskussion vom 10. September 1981 - das war vor einigen Monaten
- heute den Nachweis erbringen, daß wir zu Beginn des Sommerreiseverkehrs 1988 die gesamte Strecke dem Verkehr übergeben können.
({2})
- Entschuldigung, dann müssen Ihre Länderministerien dafür sorgen, daß die Gelder so abfließen, wie sie vom Bundesverkehrsminister eingeplant sind, mit denen sichergestellt ist, daß bis zum Jahre 1988 die Fertigstellung erreicht werden kann.
({3})
Wenn sich bei Ihnen planungsmäßig weiterhin Schwierigkeiten ergeben, müssen Sie das in den von Ihrer Partei regierten Ländern vortragen und die Schuld dafür bitte schön nicht in Bonn beim Bundesverkehrsminister suchen. Eindeutig!
({4})
Wenn alle Fachleute mit uns der Meinung sind, daß vor Ablauf des Jahres 1987/88 eine Fertigstellung auch dann nicht zu erreichen wäre, wenn die Mittel aus Bonn großzügiger flössen, macht es auch keinen Sinn, wenn Herr Eberle heute herkommt und das bestreitet, gleichzeitig aber nicht bereit ist, eine klare Konzeption seines Hauses auf den Tisch zu legen. Das macht keinen Sinn. Dann müssen wir sagen: Verehrter Herr Minister Eberle, wenn Sie nicht in der Lage sind, uns zu erklären, unter Einsatz welcher Mittel ein früherer Termin möglich gewesen wäre, müssen wir überhaupt in Frage stellen, ob das den Tatsachen entspricht, was Sie dann und wann so zwischen den Zeilen geschrieben oder auch einmal gesagt haben. Wir können zum heutigen Zeitpunkt davon ausgehen, daß vor 1988 eine Fertigstellung nicht möglich ist.
Ich meine also, wir sollten die etwa 103 Millionen DM aus den nicht abfließenden Vorwegabzugsmitteln den beiden Ländern zur Verfügung stellen; allerdings mit der Maßgabe, daß diese Mittel bis zum Jahre 1990 zu Lasten der Länderquoten zurückfließen müssen - es ist kein Zuschuß, sondern ein Vorschuß -, damit die Bundesländer, die davon jetzt tangiert werden, nach 1990 für Ihre Vorwegabzugsmaßnahmen über diese Mittel wieder verfügen können.
Schauen Sie einmal in den Katalog der empfangenden Länder hinein! Sprechen Sie einmal mit Ihren Kollegen aus Rheinland-Pfalz, aus Berlin, aus Schleswig-Holstein, aus dem Saarland! Die werden Ihnen sagen, daß man sehr wohl auf das baut, was damals in voller Einmütigkeit so beschlossen worden ist. Herzliche Bitte also: Überlegen Sie das, seien Sie auch einmal bereit, den Weg eines Kompromisses zu gehen! Nur so ist am Schluß auch das Einvernehmen aller Länder möglich.
Ein Letztes: Wir Sozialdemokraten sind dem Bundesverkehrsminister sehr dankbar, daß er uns nach der Beschlußfassung im Verkehrsausschuß ein Konzept vorgelegt hat, das stimmig ist und das insonderheit auch in Einzelheiten ausweist, welche Mittel zu welchem Zeitpunkt in welche Länder als Vorschuß fließen und zu welchem Zeitpunkt sie aus diesen Ländern in die Gesamtkasse zurückfließen. Damit werden letzte Zweifel auch bei den CDU-regierten Ländern im Norden ausgeräumt, daß hier erneut - auf welchem Wege auch immer - beispielsweise Mittel nach Bayern fließen, die dort endgültig versickern. Das können wir den anderen Ländern schon deshalb nicht mehr zumuten, weil sie wie ich wissen, daß bis zum Jahre 1980 - ich glaube, das muß noch einmal erwähnt werden -1 Milliarde DM mehr nach Bayern geflossen ist, als Bayern damals nach seinen Quoten hätte bekommen dürfen; 1 Milliarde DM mehr. Diese Mittel sollen auch in Bayern verbleiben; darüber sind wir uns inzwischen einig geworden. Aber irgendwann müssen wir auch an die Solidarität mit den anderen Ländern denken.
Herzliche Bitte: Unterstützen Sie unseren Kompromißvorschlag, von dem wir wissen, daß mit ihm nicht nur die Zügigkeit des Ausbaus sichergestellt ist, sondern daß das auch im Einvernehmen mit allen Bundesländern erfolgen kann. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({5})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rösch.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Die verkehrspolitische Debatte über die Autobahn A 7 bzw. über den noch nicht fertiggestellten Streckenabschnitt zwischen Ulm und Würzburg zeigt, daß den Verkehrspolitikern im Land und im Bund nach der großen Planung bzw. nach der Verteilung der Mittel dieser Bau als eine gute, vorzuziehende Lösung erschienen ist. Zum Zeitpunkt der Festsetzung der Länderquote, zum Zeitpunkt politischer und fachlicher Planungen über die Autobahnstrecken haben die zur Entscheidung berechtigten sicherlich nicht die Bedeutung eines Ausbaus der A 7 deutlich vor Augen gehabt. Verehrte Kollegen, hinsichtlich der A 7 will ich Ihnen deutlich machen, daß die Bedeutung dieser Straße nicht ein spezielles Problem des Bundeslandes Baden-Württemberg oder der Infrastruktur, der Erschließung von Gebieten im Lande Bayern ist, sondern daß - das sei dem sehr geschätzten Kollegen Topmann und den sehr geschätzten Kollegen aus den Bundesländern Nord6072
rhein-Westfalen und Niedersachsen gesagt - der Nord-Süd-Verkehr, die Stauungen im Nord-SüdVerkehr, der Abfluß des Nord-Süd-Verkehrs, insbesondere Bürger der Länder Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen betrifft, denn diese fahren über diese Strecke in den Süden. Wenn man davon ausgeht, daß die Erschließungsfunktion von Autobahnen oft überschätzt wird, kann man sagen, daß ein zügiger Ausbau der A 7 im Prinzip eine Dienstleistung dieses Staates gegenüber den Bürgern aller Bundesländer, aber insbesondere der im Norden gelegenen Bundesländer ist. Ich sage das nur, weil oft die Optik in Hinblick darauf verzerrt wird, wem das alles nützt, wem man etwas gibt und wem man etwas nicht gibt.
Wenn Sie sich die geplante Strecke vorstellen, können Sie ermessen, daß es, wenn es gelingt, die Strecke zwischen Ulm und Würzburg durchgängig kurzfristig und so schnell wie möglich auszubauen, an den Staupunkten der bestehenden Autobahnen
- denken Sie z. B. an Nürnberg, an den Bereich Mannheim/Karlsruhe und insbesondere an den Aichelberg - zu wesentlichen Entlastungen kommen würde. Deswegen verwundert es Sie sicher nicht - dies sei insbesondere den Kollegen aus anderen Bundesländern gesagt -, daß dies das einzige Fernstraßenprojekt im Lande Baden-Württemberg ist, dessen Vollendung beispielsweise auch die Zustimmung des Bundes für Naturschutz gefunden hat, da auch dort erkannt worden ist, daß diese Autobahn eine wesentliche Entlastungsfunktion hat.
({0})
Natürlich gibt es bei dieser Länderquote problematische Punkte. Einer der problematischen Punkte ist, daß die Länderquote in keinem direkten oder elastischen Zusammenhang mit dem Finanzausgleich steht. Lassen Sie mich das mehr als Baden-Württemberger und weniger in meiner Eigenschaft als Sprecher der Fraktion sagen. Aber ganz generell und über die Parteiengrenzen hinweg gesagt: Es kann auf Dauer nicht so sein, daß Maßnahmen des Landes Baden-Württemberg hier immer unter den Mehrheitshammer der anderen fallen, während Baden-Württemberg zur Stunde der einzige Nettozahler ist. Das kann nicht so sein - das sei über Ländergrenzen hinweg gesagt -, weil der Finanzausgleich dann auf Dauer nicht mehr haltbar ist.
({1})
- Immer mit der Ruhe!
({2})
- Jawohl, Herr Kollege Jäger.
Herr Kollege Jäger, da Sie Beifall geklatscht haben, muß ich Ihnen noch folgendes sagen. Die Respektierung des Landes Baden-Württemberg ist nicht nur eine Frage zwischen der Bundesregierung und den Länderregierungen, sondern hinsichtlich der A 7 bitte ich zur Kenntnis zu nehmen, daß alle
CDU-regierten Länder den Antrag Baden-Württembergs auf Vorfinanzierung abgelehnt haben. Das waren also nicht nur die Länder, die von der Koalition regiert werden. Das ist also kein Problem, das man zwischen den Parteien aufteilen kann, sondern dieses Problem hat eine ganz andere Grundlage.
Ich komme zur Länderquote zurück. Die Länderquote hat den Nachteil des Mangels an Elastizität, wobei Sie am Beispiel der A 7 unschwer erkennen können, daß es doch gelungen ist - wenigstens in der Kolition; es wäre besser gewesen, wenn das im Verkehrsausschuß insgesamt der Fall gewesen wäre -, in die Länderquote eine Elastizität in der Durchführung von Maßnahmen einzubringen. Denn wenn wir uns verkehrspolitisch einig sind, eine Strecke so schnell wie möglich zu verwirklichen, dann sind wir uns auch einig darüber, daß wir das in dem Rahmen tun müssen, der uns zur Verfügung steht. Genau den Weg ist die Bundesregierung bzw. die Mehrheit im Ausschuß gegangen. Sie hat gesagt: wir wollen aus dem Vorwegabzug Mittel zur Verfügung stellen, mit denen eine schnelle Fertigstellung der A 7 ermöglicht wird - unter der Voraussetzung, daß die Länderquote nicht angegriffen wird, und mit der Folge, daß das verbaut wird, was verbaut werden kann. Das sage ich jetzt auch als Berichterstatter. Die Plafondierung ist keine Plafondierung, die daher rührt, wieviel zur Verfügung gestellt werden kann - so war das im Ausschuß nicht -, sondern es ist eine Plafondierung, die sich aus den bisher möglichen Baumaßnahmen ergibt. Das entspricht der Auffassung der Mehrheit im Ausschuß. Ich will auch, insbesondere als Baden-Württemberger, den Kollegen von der SPD in diesem Punkte für die Unterstützung des Vorhabens, das vorzuziehen, herzlich danken. Ich will aber ganz deutlich machen, daß diese Plafondierung davon abhängt, was baulich möglich ist. Das bedeutet, daß wir hier auch keinen Streit um des Kaisers Bart führen dürfen, nämlich darüber, ob man nun den Ländern so viel Milliarden oder so viel Milliarden zur Verfügung stellt. Vielmehr geht es darum, so viel zur Verfügung zu stellen, wie verbaut werden kann. Das ist nun passiert innerhalb der 100 Millionen. Leider hat es sich so ergeben, daß der größere Teil nach Bayern fließt, was natürlich gar keine Argumentation für diese Strecke ist. Denn es kommt j a darauf an, die Strecke insgesamt durchzuführen und möglichst schnell befahrbar zu machen.
Es ist also jetzt, nachdem die Koalition in der Lage war, eine Elastizität zu verwirklichen, Sache der betroffenen Bundesländer, die mit der Planung und Durchführung befaßt sind, erstens die Mittel, die jetzt zur Verfügung gestellt sind, zu verbauen, den Nachweis zu erbringen, daß das notwendig war, und zweitens weitere Bedarfspunkte, sollten sie sich ergeben, ganz konkret nachzuweisen, sei es durch Planfeststellungsverfahren, sei es durch die Fertigstellung der Planung und die Dokumentation derselben. Zur Stunde ist es so: die Koalition hat mit der Mehrheit im Verkehrsausschuß die Voraussetzungen dafür geschaffen, die A 7 so schnell fertigzubauen, wie es baulich geht.
({3})
Das ist unsere Position. Wenn mehr daran gemacht werden soll, dann müssen die, die mehr verbauen können, den Nachweis führen, daß sie dazu in der Lage sind. - Vielen Dank.
({4})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses auf Drucksache 9/1544. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Lorenz, Baron von Wrangel, Jäger ({0}), Graf Huyn, Lintner, Werner, Sauer ({1}), Böhm ({2}), Straßmeir, Schulze ({3}), Eymer ({4}), Dr. Hennig, Dr. Warnke, Buschbom, Lowack, Dr. Kunz ({5}), Clemens, Dr. Arnold, Dr. Mertes ({6}), Schmöle, Dr. Götz, Biehle, Kalisch, Dr. Schroeder ({7}), Weiß, Wissmann, Freiherr von Schorlemer, Dr. Jobst, Zierer, Dr. Olderog, Sauter ({8}), Dr. Voss, Dolata, Sauer ({9}), Niegel, Spilker, Schwarz, Bühler ({10}), Frau Karwatzki, Würzbach, Dr. Hüsch, Keller, Kroll-Schlüter, Breuer, Repnik, Kraus, Braun, Dr. Stark ({11}), Bohl, Frau Dr. Neumeister, Sauter ({12}) und der Fraktion der CDU/CSU
Innerdeutscher Jugendaustausch - Drucksache 9/1513 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen ({13}) Ausschuß für Jugend, Familien und Gesundheit
Es ist eine Aussprache mit Kurzbeiträgen vereinbart. - Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jäger ({14}).
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Zusammenhalt des deutschen Volkes - die wesentliche Voraussetzung für die Möglichkeit, die Frage der deutschen Einheit offenzuhalten - verlangt von allen, die an dieser großen Aufgabe mitarbeiten, daß die Bedeutung der Begegnung der Jugend im geteilten Deutschland gesehen, gefördert und, wie wir meinen, auch auf eine neue, qualitativ bessere Stufe als bisher gehoben wird.
Es gibt schon bisher - das wollen wir nicht übersehen - eine Reihe von Möglichkeiten der Jugendbegegnung, aber diese Jugendbegegnungsmöglichkeiten sind, wenn wir einmal vom innerdeutschen Sportverkehr mit seinem wahrhaftig bescheidenen Kalender absehen, im wesentlichen eine Einbahnstraße, d. h. junge Menschen von unserer Seite, aus der Bundesrepublik Deutschland, können in einem gewissen Umfange solche Begegnungen drüben in der DDR durchführen, aber in umgekehrter Richtung haben wir es leider mit einem reinen Funktionärsverkehr zu tun.
Dieser Umstand darf uns nicht ruhen lassen, und deswegen hat die Union mit ihrem Antrag, der heute zur ersten Beratung vorliegt, eine Initiative ergriffen, von der wir glauben, daß sie notwendig, ja, daß sie längst überfällig ist.
In seinem Buch „Menschenrechte - eine Utopie?" hat der DDR-Autor Professor Büchner-Uhder kürzlich erwähnt, daß ungefähr 200 000 junge Menschen in der DDR jährlich von Reisen - auch ins Ausland - über das Büro „Jugendtourist" Gebrauch machen, aber die Auslandsreisen beziehen sich - das müssen wir sehen - fast ausschließlich auf den Bereich der Ostblockstaaten, und eines der wichtigsten Anliegen junger Menschen, nämlich auch einmal in den Westen reisen zu können, bleibt für den großen Teil der Jugend drüben bis zum heutigen Tage ein unerfüllter Wunschtraum.
({0})
Jeder, der hinüberfährt - und auch wir, die wir immer wieder in die DDR reisen und dort persönliche Kontakte pflegen, erleben das ständig -, kann im Gespräch mit jungen Menschen erfahren, daß immer wieder gesagt wird: Wir wollen eigentlich diese unsere Heimat gar nicht verlassen, aber wir wollen einmal hinauskommen, wir wollen uns einmal den Wind der weiten Welt genau wie ihr und eure Jugend um die Nase wehen lassen können, und wir wollen nicht in diesen engen Käfig eingesperrt sein.
Meine Damen und Herren, wir haben den Eindruck, daß dies ein elementarer, wichtiger und für den Zusammenhalt des deutschen Volkes auch bedeutsamer Wunsch der Jugend drüben ist, den es mit aller Kraft zu unterstützen gilt.
({1})
Es ist eben leider nur ein frommer Wunsch, wenn derselbe Professor in seinem Buch schreibt: „Unser sozialistischer Staat schenkt der Jugend Vertrauen und Verantwortung". - Genau das Gegenteil tut er! Er sperrt sie ein, er läßt sie nicht ausreisen, er gewährt ihr diese einfachsten und schlichtesten Menschenrechte nicht.
Und die Folge davon? Die Jugend hat eben dieses Vertrauen zum Staat nicht. Der Staat hat diese Jugend nicht für sich gewinnen können. Diese Jugend steht - bei aller Resignation, die wir natürlich spüren - in einer zumindest inneren Emigration, in einer gewissen Resistance gegenüber diesem Staat, und das ist in unseren Augen ein Zeichen dafür, daß hier auf uns alle eine Aufgabe wartet, die zu lösen ist.
Nun hat ja vor jetzt mehr als sechs Jahren auch die DDR in der Schlußakte der KSZE von Helsinki unterschrieben, daß ein solcher Jugendaustausch gefördert werden soll.
({2})
Ich darf Ihnen mit Zustimmung der Frau Präsidentin einen Abschnitt daraus zitieren. Es heißt da unter Buchstabe f):
Jäger ({3})
Die Teilnehmerstaaten beabsichtigen, die Entwicklung von Kontakten und des Austausches unter der Jugend zu fördern, indem sie ermutigen zur Vermehrung des Austausches und der Kontakte auf kurz- oder langfristiger Grundlage unter der Jugend, die in der Arbeit, in der Ausbildung oder im Studium steht, durch bilaterale oder multilaterale Abkommen oder regelmäßige Programme, in allen Fällen, in denen es möglich erscheint;
Das heißt: in Helsinki ist vereinbart worden, daß speziell zu diesem Punkt auch bilaterale Abkommen zwischen den betroffenen Staaten - und dazu gehören einerseits drüben die DDR und andererseits wir, die Bundesrepublik Deutschland - geschlossen werden können, ja, geschlossen werden sollen.
Deswegen meinen wir, daß diese Aufgabe angepackt werden muß. Diese Zusage von Helsinki muß eingefordert werden. Diese Chance für die Jugend von Helsinki muß wahrgenommen werden.
Wir hören zwar da und dort, daß die Bundesregierung bereits Gespräche hierüber pflege. Aber dem Parlament und der deutschen Öffentlichkeit ist ein Konzept der Bundesregierung dazu bisher nicht bekannt geworden.
Der wichtigste Punkt eines solchen Konzepts - das ist ein entscheidendes Anliegen, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, das ich hier vortragen möchte - muß es doch wohl sein, daß der nichtorganisierten Jugend ein angemessener, ja, ein entscheidender Anteil an der Jugendbegegnung eingeräumt wird. Diese Jugendbegegnung darf sich, wenn es zu einer Übereinkunft kommen sollte, nicht auf einen reinen Funktionärsaustausch unter der Flagge einer gesamtdeutschen Jugendbegegnung beschränken.
({4})
Auch wir wissen, meine Damen und Herren, daß dies zweifellos der schwierigste Punkt der Vereinbarungen ist. Aber es bleibt gar nichts anderes übrig, als diesen schwierigen Punkt so lange zu verhandeln, bis er gelöst ist.
Lassen Sie mich noch etwas zum Verfahren sagen. Dieses Konzept der Bundesregierung sollte, so meinen wir, auch in den zuständigen Ausschüssen des Parlaments gründlich beraten werden. Wir sollten nicht vergessen, daß auch die Jugendorganisationen in der Bundesrepublik Deutschland, die nachher aufgerufen sind, dies mitzutragen und mitzuorganisieren, bei der Beratung dieses Konzepts herangezogen werden sollten, und daß ihre Argumente und Erfahrungen in dieses Konzept einfließen sollten. Wenn die Bundesregierung das tut - darum bitten wir sie -, dann wird sie da sicher unsere eindeutige Unterstützung finden.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich mit einem hochinteressanten Zitat des Bundeskanzlers abschließen. Der Bundeskanzler sagte nach der Konferenz von Helsinki zum Thema des Zusammenhalts unseres Volkes vor dem Deutschen Bundestag:
Viele Menschen - jedenfalls die Menschen in der DDR - setzen ihre Hoffnungen auf die Verwirklichung dessen, was z. B. in der Schlußakte von Helsinki geschrieben wurde. Sie wollen, daß die Menschenrechte und die Grundfreiheiten hergestellt und daß sie geachtet werden.
({5})
- Wir haben zwar aus Bedenken heraus, die Sie genauso gut kennen wir wir, zu der damaligen Abmachung, die im übrigen gar nicht der Zustimmung des Parlaments bedurfte, nein gesagt. Aber es kommt doch darauf nicht an. Wir haben uns seither mit Entschiedenheit für die Verwirklichung eingesetzt, seitdem die Abmachung in Kraft getreten ist. Das ist doch das Entscheidende, daß wir uns aktiv für die Verwirklichung des Beschlossenen einsetzen, und nicht die Frage, ob wir vorher Bedenken gehabt haben oder nicht.
Meine Damen und Herren, ich darf das Zitat abschließen. Der Bundeskanzler sagte:
Sie
- die Menschen im geteilten Deutschland wollen, daß die Bundesregierung darin fortfährt, mit der DDR ... Einigungen herbeizuführen, die zwar gewiß nichts von der Härte der ideologischen Gegensätze wegnehmen können, die aber das Leben der Menschen im geteilten Deutschland erleichtern werden. Die elementare Voraussetzung für den Bestand der Nation bleibt das Bewußtsein ihrer Bürger, zusammenzugehören.
Diesem Zitat können wir nur zustimmen.
Wir bitten die Bundesregierung herzlich, dafür zu sorgen, daß dies auch für die Jugend im geteilten Deutschland zu erlebbarer, zu erfahrbarer Wirklichkeit werden kann. - Vielen Dank.
({6})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Terborg.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Den ersten zwei Sätzen in der Begründung des vorliegenden Antrags ist unbedingt zuzustimmen. Dort heißt es:
Eine der wichtigsten Aufgaben zur Verwirklichung des Wiedervereinigungsauftrages des Grundgesetzes ist die Fortsetzung und Verstärkung des Zusammenhalts des deutschen Volkes. Entscheidend für diesen Zusammenhalt ist vor allem auch die Einstellung der jungen Generation hüben wie drüben zur deutschen Einheit.
Auch wir Sozialdemokraten sehen darin einen wichtigen Beitrag, redlich den Versuch zu machen, trotz der schwierigen internationalen Lage den mühevollen Prozeß der Verbesserung der Beziehungen zwischen unseren Staaten ein Stück voranzubringen und somit dem Auftrag des Grundgesetzes eine Chance zu geben.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion sieht mit großer Befriedigung, daß seit Beginn der
Vertragspolitik mit der DDR das Interesse der jungen Bürger, die DDR und ihre Lebensverhältnisse kennenzulernen, ständig gewachsen ist.
({0})
Die Bundesregierung hat diesem Interesse aktiv entsprochen und Begegnungs- und Besichtigungsreisen von Gruppen und Schulklassen gefördert. Schulklassenfahrten in die DDR haben in den letzten Jahren erfreulicherweise an Zahl ständig zugenommen. 1981 fuhren insgesamt 110 Schulklassen aus der Bundesrepublik Deutschland mit ca. 2 000 Teilnehmern in die DDR.
Der Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen, Egon Franke, hat unter anderem am 13. Dezember 1981 in der Jugendhochschule „Wilhelm Pieck" im Gespräch mit Minister Fischer das Thema von Begegnungsmöglichkeiten für junge Menschen angesprochen und den dringenden Wunsch geäußert, den Jugendaustausch auch für nichtorganisierte junge Menschen zu ermöglichen.
Die bisherige Politik der Bundesregierung begünstigt die Aufnahme von Kontakten zwischen den Mitgliedern des Deutschen Jugendringes und dem Zentralrat der FDJ. Förderlich waren auch Gespräche, die der Vorstand des Bundesjugendringes und der FDJ-Zentralrat gemeinsam 1978 mit dem Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit, Frau Antje Huber, und 1979 mit dem Minister für Volksbildung der DDR, Frau Margot Honecker, führte.
Zu einer Reihe von gegenseitigen Delegationsbesuchen und gemeinsamen Seminaren über die Jugendarbeit kam es auch nach den 10. Weltfestspielen der Jugend und Studenten im Sommer 1973 in Berlin ({1}). Diese und andere Kontakte weiter zu fördern und zu einem Jugendaustausch in beiden Richtungen auszubauen, ist uns Sozialdemokraten ein besonderes Bedürfnis.
({2})
Alles, was zu einer Verbesserung und Verbreiterung der gegenseitigen Jugendkontakte führt, ist zu begrüßen, auch wenn das zunächst nur eine Fortentwicklung der bisher bereits bestehenden Kontakte und Begegnungen bedeutet.
Unsere Jugendverbände haben den Wunsch, die bestehenden Kontakte auf Vorstandsebene auszuweiten auf die breite Mitgliedsebene. Ersten Initiativen der Jugendverbände ist es zu danken, daß sich der erste Sekretär des FDJ-Zentralrats, Egon Krenz, am 9. Februar 1982 zum Abschluß eines Besuches einer Delegation der Jungdemokraten dafür aussprach, „auch die Jugendtouristik zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland zu erweitern". Hier, meine ich, gilt es anzuknüpfen und unseren Jugendverbänden weiter Hilfestellung zu geben.
({3})
Wir meinen, daß die an der Verwirklichung eines deutsch-deutschen Jugendaustausches beteiligten Jugendverbände und Institutionen über Umfang und Ausgestaltung der Austauschprogramme selbständig entscheiden sollten.
({4})
Alle Beteiligten sollten darauf achten, daß dabei die Eigenständigkeit und Eigenverantwortung der Jugendorganisationen gewahrt bleiben. Analog könnten hier die bestehenden Regelungen des innerdeutschen Sportverkehrs hilfreich sein. Die Bundesregierung sollte dazu Hilfestellung für das Zustandekommen einer Vereinbarung der Verbände geben, z. B. auf dem Wege der Beratung der Verbände oder von Sondierungen bei der DDR-Regierung und Prüfung der Finanzierungsmöglichkeiten.
({5})
Unbestritten in diesem Hause ist sicher das gemeinsame Ziel - Herr Kollege, das ist das, was ich hiermit zum Ausdruck bringe -, den unveränderten Wunsch nach einer gemeinsamen Nation bei unseren jungen Deutschen lebendig zu erhalten.
Alle Unterzeichnerstaaten der Schlußakte von Helsinki, also auch die DDR und die Bundesrepublik Deutschland, haben sich die Aufgabe gestellt und damit auch verpflichtet, dieses Helsinki-Dokument in all seinen Teilen zur Richtschnur ihres eigenen Handelns zu machen. Es ist und bleibt für die kommende Zeit eine Herausforderung an die Regierungen der beiden deutschen Staaten, mehr und neue Gemeinsamkeiten, mehr Begegnungen der Jugendlichen zu ermöglichen.
Was können wir und was dürfen wir realistischerweise von einer Intensivierung des Jugendaustausches erwarten? Gewiß nicht, daß unsere jungen Menschen nur als Missionare unserer Gesellschaftsordnung im anderen Teil Deutschlands auftreten.
({6})
Aber es ist sicher, daß sie mit offenen Augen sehen lernen, hören lernen, was die Menschen im anderen Deutschland erleben und empfinden. Gewiß ist, daß sie Verbindung halten über ihre Vätergeneration hinaus, und gewiß ist auch, daß sie sich mit den jungen Menschen drüben in dem Versprechen wiederfinden, daß nie mehr wieder von deutschem Boden Krieg in die Welt getragen werden dürfe.
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Letztlich ist auch gewiß, daß sie Teil der lebendigen Brücke in dem gespaltenen Europa sind, daß das bessere Kennenlernen die Erziehung zum Haß unmöglich macht.
Man könnte einwenden, solche Erwartungen seien unrealistisch, naive weltverbesserische Gedanken. Ehe Sie darüber lächeln, möchte ich Ihnen warnend sagen, daß dann auch unsere Hoffnung auf eine Zeit des Miteinanders der Völker naiv und unrealistisch wäre, daß unser Glaube an ein einiges Deutschland ein frommer Wunschtraum bleiben müßte, daß die Hoffnung auf menschliche Einsicht und Vernunft ein Wahn sei. Wäre das dann vielleicht realistisch? Es wäre ein Realismus, der mich fröstelnd machte und der unseren jungen Menschen keine Perspektive ließe. Ich glaube daran, daß viele tausend Schritte über die Grenzen letztendlich die Grenzen einebnen, daß viele tausend Begegnungen zwischen den Menschen am Ende aus den Menschen Freunde machen und daß viele tausend Gespräche hinüber und herüber uns alle vor Selbst6076
überschätzung, vor Vorurteilen und vor der Isolation unseres Denkens bewahren.
({8})
Für beide Seiten Deutschlands sind solche Schritte, Begegnungen, Gespräche ein Abenteuer und sicher auch nicht ohne Risiko. Aber dieses Risiko wöge gering angesichts der Chance, die solche Kontakte eröffnen.
Meine Fraktion ist fest entschlossen, hier ihren Beitrag zu leisten und trotz der vielen Schwierigkeiten an dem gesteckten Ziel festzuhalten.
Im Namen der sozialdemokratischen Fraktion bitte ich den Antrag „Innerdeutscher Jugendaustausch" an den Innerdeutschen Ausschuß sowie an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit zur weiteren Beratung zu überweisen. Inhaltlich sollte der Fachausschuß die Einzelheiten beraten und die notwendigen Forderungen an die Bundesregierung formulieren. - Ich danke Ihnen.
({9})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ronneburger.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Debatte in der gestrigen Aktuellen Stunde hat gewiß an einigen Punkten Meinungsverschiedenheiten über den richtigen Weg zu einem gemeinsam für richtig erkannten Ziel erkennen lassen. Aber das, was heute bisher über diesen Antrag gesagt worden ist, zeigt, daß offenbar über den heute hier zu besprechenden Punkt keine Meinungsverschiedenheiten bestehen, nämlich über die Tatsache, daß der Zusammenhalt des deutschen Volkes über die deutsch-deutsche Grenze hinweg nur gesichert und gewahrt werden kann, wenn es wirklich eine Fülle von Begegnungen über diese Grenze hinweg gibt. Daß diese Fülle der Begegnungen gerade bei der jungen Generation von einer ganz besonderen Bedeutung ist, auch darüber, meine ich, besteht Einigkeit zwischen den Fraktionen des Hohen Hauses.
Die FDP-Fraktion begrüßt daher nachdrücklich den vorliegenden Antrag; sie begrüßt ihn um so mehr - wenn ich das, ohne den Antrag abwerten zu wollen, hinzufügen darf -, als er eine deutliche Unterstützung, Herr Kollege Jäger, jener Kontakte ist, die tatsächlich in diesem Bereich bereits bestehen. Diese Kontakte sind nicht nur am Rande gelaufen, sondern sie sind erkennbar.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang nur auf eines hinweisen: Herr Bundesminister Franke hat bei seinen Besprechnungen am Werbellinsee ausdrücklich auf diese Frage hingewiesen. Er hat in der Pressekonferenz selbst gesagt, er habe das Thema der Jugendarbeit angesprochen, das Thema, Begegnungsmöglichkeiten für junge Menschen zu schaffen, Begegnungen nichtorganisierter junger Menschen und auch sportliche Begegnungen, in besonderer Weise behandelt. Ich glaube, wir haben an diesem Punkte eine berechtigte Hoffnung, daß das, was am Werbellinsee auch von der anderen Seite dazu gesagt worden ist, in die Realität umgesetzt werden kann, jedenfalls dann, wenn wir uns gemeinsam dafür einsetzen, daß das geschieht.
({0})
In diesem Sinn ist die in dem Antrag vorgenommene Verweisung auf die Schlußakte von Helsinki eine richtige Aussage. Wir werden uns allerdings, Herr Kollege Jäger, die Frage stellen müssen, was im Augenblick erreichbar ist.
Ich verweise in diesem Zusammenhang darauf, daß nicht nur die Schlußakte von Helsinki, die Sie ja zitiert haben, mit ihrem Hinweis auf bilaterale und multilaterale Abkommen, sondern auch der Grundlagenvertrag uns in dieser Frage durchaus Handhaben geben. Ich erinnere daran, daß es dort in Art. 7 heißt:
Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik erklären ihre Bereitschaft, im Zuge der Normalisierung ihrer Beziehungen praktische und humanitäre Fragen zu regeln.
Dies wird weiter ausgeführt.
Es heißt aber in dem Zusatzprotokoll zu diesem Art. 7 zu einem Bereich, der zu der Jugendarbeit eine besondere Beziehung hat, nämlich zu dem Bereich des Sports, erläuternd:
Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik bekräftigen ihre Bereitschaft, nach Unterzeichnung des Vertrages die zuständigen Sportorganisationen bei den Absprachen zur Förderung der Sportbeziehungen zu unterstützen.
Das sind also die beiden Möglichkeiten, die wir vor uns haben: zum einen die bilateralen Abkommen zwischen den Regierungen und zum anderen Abkommen zwischen den Jugendverbänden selbst, gefördert durch die Regierungen.
({1})
Wir sollten beide Möglichkeiten im Auge haben und jedenfalls nach dem greifen, was wir zuerst zu fassen vermögen.
Als ich vorhin gesagt habe, es bestehe eine berechtigte Hoffnung, daß gerade dieser Punkt der Aussagen vom Werbellinsee in die Realität überführt werden könne, so habe ich mich auch auf einen Vorgang bezogen, den die Frau Kollegin Terborg soeben angesprochen hat. Eine Delegation einer Organisation, der eine übertriebene Nähe zur CDU/CSU sicher noch weniger nachgesagt werden kann als etwa eine solche zur FDP - in manchen Punkten -, nämlich die deutschen Jungdemokraten,
({2})
hat in Ost-Berlin mit dem Generalsekretär des Zentralrats der FDJ, Egon Krenz, gesprochen. Ich bitte, zu beachten: Krenz hat sich in diesem Gespräch mit den deutschen Jungdemokraten nicht nur dafür ausgesprochen - ich zitiere wörtlich - auch die Jugendtouristik zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland zu fördern, sondern er hat - so
wiederum wörtlich - einem „Reiseverkehr ohne jegliche Einschränkungen" für Jugendliche beider deutscher Staaten das Wort geredet, und er hat davon gesprochen, daß so etwas tatsächlich praktiziert werden könnte.
Ich bin zur Zeit bemüht, in Kontakt mit Krenz zu kommen, um zu erreichen, daß man ihn in diesem Punkt beim Wort nimmt und daß einer solchen Ankündigung Taten folgen. Denn - dies ist ja mit Recht in der heutigen Aussprache mehrmals betont worden - es kommt darauf an, daß nicht nur Funktionäre von Jugendverbänden in Kontakt miteinder geraten, sondern auch nichtorganisierte Jugendliche, auch Jugendliche, die nicht Mitglieder der FDJ sind.
({3})
Es kommt darauf an, daß hier das eintritt, was Krentz angekündigt hat: ohne jegliche Einschränkungen eine Begegnung der Jugendlichen der beiden deutschen Staaten. Wir können dabei feststellen, daß gerade in der jüngsten Zeit die Zahl dieser Kontakte junger Menschen erheblich zugenommen hat. Ich bin sehr froh darüber, daß auch das letzte Bundesland, dessen Namen ich hier aus Höflichkeit nicht nennen will, seine Bedenken z. B. gegen Klassenfahrten in die DDR aufgegeben hat.
({4})
- Die Eingeweihten wissen, um welches Land es sich handelt. Ich wäre dankbar, wenn sich diese Förderung von Klassenfahrten noch nachhaltig verstärken würde. Denn diese positive Tendenz der Zunahme der Kontakte, meine Damen und Herren, ist, glaube ich, etwas, was einer verbreiteten Resignation und manchmal leider auch Gleichgültigkeit gegenüber der deutschen Frage - nicht nur in der jungen Generation - am ehesten entgegenzuwirken vermag.
Ich möchte Ihnen deswegen im Namen der FDP- Fraktion auch vorschlagen: Wenn es in vermehrtem Maße zu solchen Kontakten auch nicht organisierter Jugendlicher kommen sollte, bieten wir doch diesen Gruppen, die aus der DDR zu uns kommen, hier in Bonn Gespräche, Informationsgespräche, Kontakte an, nicht - Sie haben recht, Frau Terborg - im Sinne einer Einflußnahme, aber in dem Sinne, daß wir ihnen zeigen, wie denn ein Staat wie die Bundesrepublik Deutschland aufgebaut ist, wie er funktioniert, und in dem Sinne, Vorurteile abzubauen, die auf der anderen Seite auch bei vielen Jugendlichen gegenüber unserem Staat gewiß vorhanden sind.
Ich bin deswegen bereit, im Namen der FDP-Fraktion sehr deutlich zu sagen: Wir unterstützen die Bundesregierung in ihrem Anliegen, dem Bundesjugendring und anderen Spitzenorganisationen der Jugend beim Abschluß einer solchen Vereinbarung behilflich zu sein. Wir wären darüber hinaus froh, wenn es auf der anderen Seite auch möglich wäre, im Sinne der Schlußakte von Helsinki bilaterale Abkommen über diese Fragen zu schließen. Dies gemeinsam zu verfolgen scheint mir auch nach einer so übereinstimmend geführten Debatte ein wirklich dringendes Anliegen unserer politischen Aufgabe in der Deutschlandpolitik zu sein.
Wir stimmen der Überweisung des Antrags zu. Wir hoffen, daß es uns in der gemeinsamen Arbeit des Ausschusses gelingt, dem heute so deutlich skizzierten Ziel in gemeinsamer Mühe auch näherzukommen. - Ich danke Ihnen.
({5})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird vorgeschlagen, den Antrag an den Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen - federführend - und an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit sowie - das ist noch hinzugekommen - an den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft - mitberatend - zu überweisen. - Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 152 der Internatinalen Arbeitsorganisation vom 25. Juni 1979 über den Arbeitsschutz bei der Hafenarbeit
- Drucksache 9/1227 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({0})
- Drucksache 9/1510 Berichterstatter: Abgeordneter Dreßler ({1})
Das Wort wird hierzu nicht gewünscht.
Wir kommen zur Einzelberatung und Schlußabstimmung. Ich rufe die Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift auf. Die Abstimmung wird mit der Schlußabstimmung verbunden. Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 27. Februar 1981 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Seschellen über den Fluglinienverkehr zwischen ihren Hoheitsgebieten und darüber hinaus
- Drucksache 9/1370 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr ({2})
- Drucksache 9/1609 Berichterstatter: Abgeordneter Merker ({3})
Auch hier wird das Wort nicht gewünscht.
Vizepräsident Frau Renger
Wir kommen zur Einzelberatung und Schlußabstimmung. Ich rufe die Art. 1 und 2, Einleitung und Überschrift auf. Die Abstimmung wird mit der Schlußabstimmung verbunden. Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 28. Januar 1977 zwischen der Bundesrepbulik Deutschland und der Italienischen Republik über den Luftverkehr
- Drucksache 9/1371 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr ({4})
- Drucksache 9/1610 Berichterstatter:
Abgeordneter Daubertshäuser
({5})
Auch hier wird das Wort nicht begehrt.
Wir kommen zur Einzelberatung und Schlußabstimmung. Ich rufe die Art. 1 und 2, Einleitung und Überschrift auf. Die Abstimmung wird mit der Schlußabstimmung verbunden. Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenstimme? - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 3. Oktober 1978 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Elfenbeinküste über den Luftverkehr
- Drucksache 9/1372 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr ({6})
- Drucksache 9/1611 Berichterstatter: Abgeordneter Tillmann ({7})
Auch hierzu wird das Wort nicht begehrt.
Wir kommen zur Einzelberatung und Schlußabstimmung. Ich rufe die Art. 1 und 2 sowie Einleitung und Überschrift auf. Die Abstimmung wird mit der Schlußabstimmung verbunden. Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 14 und 15 auf:
Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wohnungsbindungsgesetzes und des Wohnungsbaugesetzes für das Saarland
- Drucksache 9/1572 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Raumordnung,
Bauwesen und Städtebau
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Abschaffung des Zündwarenmonopols
- Drucksache 9/1518 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Finanzausschuß ({8})
Ausschuß für Wirtschaft
Auch hier wird das Wort nicht gewünscht.
Der Ältestenrat schlägt Überweisung der Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 9/1572 und 9/1518 an die entsprechenden Ausschüsse vor. Ist das Haus auch mit den vorliegenden Überweisungsvorschlägen einverstanden? - Da ich keinen Widerspruch höre, ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 16 der Tagesordnung auf:
Beratung der Sammelübersicht 35 des Petitionsausschusses ({9}) über Anträge zu Petitionen
- Drucksache 9/1509 Auch hierzu wird das Wort nicht gewünscht.
Wer der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses auf Drucksache 9/1509 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17 auf:
Beratung der Übersicht 8 des Rechtsausschusses ({10}) über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht
- Drucksache 9/1604 - Auch hierzu wird das Wort nicht gewünscht.
Wir müssen abstimmen. Der Rechtsausschuß empfiehlt auf Drucksache 9/1604, von einer Äußerung oder einem Verfahrensbeitritt zu den in der vorgenannten Drucksache aufgeführten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht abzusehen. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses ({11})zu dem Antrag des Bundesministers der Finanzen
Veräußerung der bundeseigenen Grundstücke im Ortskern von Altenrath an die Stadt Troisdorf
- Drucksachen 9/1358, 9/1605 Berichterstatter:
Abgeordnete Grobecker, Dr. Hackel
Vizepräsident Frau Renger
Hierzu wird das Wort nicht gewünscht.
({12})
- Der ist im Augenblick in dieser Sache nicht zuständig, glaube ich.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 19 bis 21 auf:
19. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({13}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften über eine Stromversorgung der Gemeinschaft und Verwendung von 01 zur Stromerzeugung
- Drucksachen 9/390, 9/1524 Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Riesenhuber
20. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({14}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften über eine Überprüfung der energiepolitischen Ziele für 1990 sowie der Investitionsprogramme der Mitgliedstaaten
- Drucksachen 9/391, 9/1525 Berichterstatter: Abgeordneter Beckmann
21. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr ({15}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag für eine Entscheidung des Rates zur Erfassung von Angaben über die Tätigkeiten von Güterkraftverkehrsunternehmen im Güterkraftverkehr mit bestimmten Drittländern
- Drucksachen 9/1349 Nr. 3, 9/1612 Berichterstatter: Abgeordneter Amling
Auch hierzu wird das Wort nicht gewünscht.
Ich lasse über die Vorlagen gemeinsam abstimmen. Wer den Beschlußempfehlungen der Ausschüsse auf den Drucksachen 9/1524, 9/1525 und 9/1612 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Plenarsitzung ein für Freitag, den 14. Mai, 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.