Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufnommen:
Überweisung von Zollvorlagen
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Aufhebbare verkündete Sechsundfünfzigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste - Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz - ({0})
Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig dem Plenum am 24. März 1977
Aufhebbare verkündete Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs ({1}) ({2})
Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig dem Plenum am 24. März 1977
Überweisung von EG-Vorlagen
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Verordnungen ({3}) des Rates
zur Festsetzung der Orientierungspreise für die in Anhang I Abschnitte A und C der Verordnung ({4}) Nr. 100/76 aufgeführten Fischereierzeugnisse für das Fischwirtschaftsjahr 1977
zur Festsetzung der Orientierungspreise für die in Anhang II der Verordnung ({5}) Nr. 100/76 aufgeführten Fischereierzeugnisse für das Fischwirtschaftsjahr 1977
zur Festsetzung des gemeinschaftlichen Produktionspreises für Thunfische, die für die Konservenindustrie bestimmt sind, für das Fischwirtschaftsjahr 1977
zur Festsetzung der Interventionspreise für frische oder gekühlte Sardinen und Sardellen für das Fischwirtschaftsjahr 1977 ({6})
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnungen ({7}) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung von Gemeinschaftszollkontingenten für
Grège, weder gedreht noch gezwirnt, der Tarifnummer 50.02 des gemeinsamen Zolltarifs, für 1977
Garne, ganz aus Seide, nicht in Aufmachungen für den Einzelverkauf, der Tarifnummer ex 50.04 des Gemeinsamen Zolltarifs, für 1977
Garne, ganz aus Schappeseide, nicht in Aufmachungen für den Einzelverkauf, der Tarifnummer ex 50.05 des Gemeinsamen Zolltarifs, für 1977 ({8})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({9}) des Rates über die Einfuhrregelung für bestimmte Textilerzeugnisse mit Ursprung in Macao ({10})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates zur Anpassung des auf die Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften in Italien anzuwendenden Berichtigungskoeffizienten ({11})
überwiesen an den Innenausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnungen ({12}) Nr. 787/69, ({13}) Nr. 2305/70 und ({14}) Nr. 2306/70 über die Finanzierung von Interventionsausgaben auf dem Binnenmarkt für Getreide und Reis, für Rindfleisch sowie für Milch und Milcherzeugnisse ({15})
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({16}) des Rates zur dritten Änderung der Verordnung ({17}) Nr. 1876/74 über den Zusatz von Alkohol zu Erzeugnissen des Weinsektors ({18})
überwiesen an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung ({19}) Nr. 2511/69 über Sondermaßnahmen zur Verbesserung der Erzeugung und Vermarktung von Zitrusfrüchten der Gemeinschaft ({20})
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({21}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({22}) Nr. 3330/75 zur Verlängerung der Verordnung ({23}) Nr. 1174/68 über die Einführung eines Margentarifsystems im Güterkraftverkehr zwischen den Mitgliedstaaten ({24})
überwiesen an den Ausschuß für Verkehr und für das Post-und Fernmeldewesen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({25}) des Rates über den Abschluß von Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und
- der Arabischen Republik Ägypten,
- dem Haschemitischen Königreich Jordanien,
- der Arabischen Republik Syrien
sowie für einen Beschluß des Rates, mit dem die Kommission ermächtigt wird, Verhandlungen mit Ägypten, Jordanien und Syrien zwecks Abschluß von Interimsabkommen zu eröffnen ({26})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Richtlinie des Rates
zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Scheibenwischer und Scheibenwascher von Kraftfahrzeugen
zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Entfrostungs- und Trocknungsanlagen von Kraftfahrzeugen
zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Innenausstattung der Kraftfahrzeuge ({27}) ({28})
überwiesen an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({29}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({30}) Nr. 103/76 des Rates über gemeinsame Vermarktungsnormen für bestimmte frische oder gekühlte Fische ({31})
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Gesund348
Präsident Carstens
heitsschutz von Arbeitnehmern, die beruflich Vinylchloridmonomer ausgesetzt sind ({32})
überwiesen an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({33}) des Rates über die gemeinsame Marktorganisation für Verarbeitungserzeugnisse aus Obst und Gemüse ({34})
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({35}), Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung ({36}) Nr. 2306/70 über die Finanzierung von Interventionsausgaben auf dem Binnenmarkt für Milch- und Milcherzeugnisse ({37})
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Mitteilung der Kommission an den Rat über die Verhandlungen zwischen der Gemeinschaft und Papua-Neuguinea im Hinblick auf deren Beitritt zum AKP-EWG-Abkommen von Lome und
Verordnung ({38}) des Rates über die vorzeitige Anwendung einiger den Warenhandel betreffender Bestimmungen des AKP-EWG-Abkommens von Lomé gegenüber einigen Staaten, die Abkommen über den Beitritt zum Lomé-Abkommen unterzeichnet haben ({39})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft ({40}), Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Mitteilung der Kommission an den Rat über die Verhandlungen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Staat Israel und
Empfehlung einer Verordnung ({41}) des Rates betreffend den Abschluß eines Zusatzprotokolls zum Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Staat Israel ({42})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({43}) des Rates Nr. 947/70 zur Festlegung der Grundregeln für die Festsetzung des Referenzpreises und die Erhebung der Ausgleichsabgabe für Wein ({44})
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitg vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({45}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({46}) Nr. 2632/76 vom 19. Oktober 1976 über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für bestimmte handgearbeitete Waren ({47})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({48}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({49}) Nr. 2633/76 vom 19. Oktober 1976 über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung der Gemeinschaftszollkontingente für bestimmte Gewebe und bestimmten Samt und Plüsch, der Tarifnummern ex 50.09, ex 50.10, ex 55.07, ex 55.09 und ex 58.04 des Gemeinsamen Zolltarifs ({50})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({51}) des Rates zur Änderung der Regelung der Bezüge und der sozialen Sicherheit der Atomanlagenbediensteten der Gemeinsamen Forschungsstelle, die in Geel-Mol ({52}) dienstlich verwendet werden ({53})
überwiesen an den Innenausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({54}) des Rates über die Beihilfe für Hartweizen ({55})
überwiesen an den Auschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({56}) des Rates zur Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnung ({57}) Nr. 3310/75 über die Landwirtschaft des Großherzogtums Luxemburg ({58})
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates über den Abschluß eines Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Volksrepublik Bangladesch über den Handel mit Juteerzeugnissen ({59})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Richtlinie 'des Rates zur Änderung der Richtlinie vom 20. Juli 1976 über die von den Mitgliedstaaten durchzuführenden statistischen Erhebungen zur Ermittlung des Produktionspotentials bestimmter Baumobstanlagen ({60})
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({61}) des Rates zum Abschluß des Abkommens in Form eines Briefwechsels betreffend Artikel 3 des Protokolls Nr. 8 des Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Portugiesischen Republik ({62})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({63}) des Rates zur Festsetzung der mengenmäßigen Ausfuhrkontingente der Gemeinschaft für bestmmte Aschen und Rückstände von Kupfer sowie für bestimmte Bearbeitungsabfälle und bestimmten Schrott aus Kupfer, Aluminium und Blei für das Jahr 1977 ({64})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({65}) des Rates zur Aufrechterhaltung der Genehmigungspflicht für die Einfuhr von Glühlampen mit Ursprung in verschiedenen europäischen Staatshandelsländern nach Italien ({66})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({67}) des Rates
über den Abschluß des Abkommens in Form eines Briefwechsels betreffend Artikel 20 des Kooperationsabkommens und Artikel 13 des Interimsabkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Marokko hinsichtlich der Einfuhr von Fruchtsalaten mit Ursprung in Marokko in die Gemeinschaft
über den Abschluß des Abkommens in Form eines Briefwechsels betreffend Artikel 19 des Kooperationsabkommens und Artikel 12 des Interimsabkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Demokratischen Volksrepublik Algerien hinsichtlich der Einfuhr von Fruchtsalaten mit Ursprung in Algerien in die Gemeinschaft
über den Abschluß des Abkommens in Form eines Briefwechsels betreffend Artikel 19 des Kooperationsabkommens und Artikel 12 des Interimsabkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Tunesischen Republik hinsichtlich der Einfuhr von Fruchtsalaten mit Ursprung in Tunesien in die Gemeinschaft
über den Abschluß des Abkommens in Form eines Briefwechsels betreffend Artikel 9 des Protokolls Nr. 1 des Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Staat Israel hinsichtlich der Einfuhr von Fruchtsalaten mit Ursprung in Israel in die Gemeinschaft
über den Abschluß des Abkommens in Form eines Briefwechsels betreffend Artikel 9 des Protokolls Nr. 1 des Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Staat Israel hinsichtlich der Einfuhr von Tomatenkonzentraten mit Ursprung in Israel in die Gemeinschaft
über den Abschluß des Abkommens in Form eines Briefwechsels zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Demokratischen Volksrepublik Algerien über die Einfuhr in die Gemeinschaft von Tomatenkonzentraten mit Ursprung in Algerien ({68})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({69}) des Rates zur Anwendung des Beschlusses Nr. 2/76 des Gemischten Ausschusses EWG-Israel über eine Änderung des Protokolls Nr. 3 zum Abkommen EWG-Israel hinsichtlich der Ursprungsregeln ({70})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({71}) des Rates zur vollständigen und zeitweiligen Aussetzung des autonomen Zollsatzes des Gemeinsamen Zolltarifs für getrocknete Zwiebeln der Tarifstelle 07.04 A ({72})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Richtlinie des Rates über eine Ausnahmeregelung für das Königreich Dänemark bei den im grenzüberschreitenden Reiseverkehr geltenden Vorschriften für die Umsatzsteuern und Sonderverbrauchsteuern ({73})
überwiesen an den Finanzausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Entscheidung des Rates zur Änderung der Entscheidung über die Harmonisierung bestimmter Vorschriften, die den Wettbewerb im Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehr beeinflussen ({74})
überwiesen an den Ausschuß für Verkehr und für das Postund Fernmeldewesen mit der Bitte um Vorlage des Berichts
rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Präsident Carstens
Verordnung des Rates zur Änderung der Haushaltsordnung vom 25. April 1973 für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften ({75})
überwiesen an den Haushaltsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Entschließung des Ministerrats über die gemeinschaftliche Abstimmung über Fragen der Standortwahl beim Bau von Kraftwerken und
Verordnung des Rates über die Einrichtung eines gemeinschaftlichen Konsultationsverfahrens für Kraftwerke, von denen Auswirkungen auf das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates ausgehen könnten ({76})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft ({77}), Innenausschuß, Ausschuß für Forschung und Technologie mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates über den Abschluß eines Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Arabischen Republik Ägypten über den Handel mit Textilerzeugnissen ({78})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({79}) Nr. 2994/76 des Rates vom 9. Dezember 1976 zur Aufstockung des durch die Verordnung ({80}) Nr. 2876/75 für das Jahr 1976 eröffneten Gemeinschaftszollkontingents für bestimmtes Sperrholz aus Nadelholz der Tarifnummer ex 44.15 des Gemeinsamen Zolltarifs
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Auf Wunsch der federführenden Ausschüsse hat der Präsident des Bundestages die nachstehenden EG-Vorlagen der 5. und 7. Wahlperiode erneut überwiesen:
Finanzausschuß
Erste Richtlinie des Rates zur Anpassung der nationalen Systeme der Steuern für Nutzfahrzeuge ({81})
Richtlinie des Rates über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen und die Einbringung von Unternehmensteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen ({82})
Verordnung ({83}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({84}) Nr. 907/73 des Rates vom 3. April 1973 zur Errichtung eines Europäischen Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit ({85})
Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Körperschaftsteuersysteme und der Regelungen der Quellensteuer auf Dividenden ({86})
Richtlinie des Rates über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern ({87})
Richtlinie des Rates über die indirekten Steuern auf Geschäfte mit Wertpapieren ({88})
Richtlinie des Rates zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend die Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren ({89})
Entschließung zur Verabschiedung des Vorschlags der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine sechste Richtlinie zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage - durch den Rat ({90})
Richtlinie des Rates ({91}) zur Änderung der Richtlinie 72/464/EWG betreffend die anderen Steuern auf den Verbrauch von Tabakwaren als die Umsatzsteuern ({92})
Verordnung des Rates zum Abschluß des Zollübereinkommens über den internationalen Warentransport mit Carnets TIR ({93}) vom 14. November 1975 in Genf
Verordnung des Rates zur vorzeitigen Anwendung der Bestimmungen der Technischen Anlagen sowie zur vorzeitigen Verwendung des Musters des Carnet TIR des Zollübereinkommens über den internationalen Warentransport mit Carnets TIR ({94}) vom 14. November 1975 in Genf ({95})
Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie des Rates vom 15. März 1976 über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen im Zusammenhang mit Maßnahmen, die Bestandteil des Finanzierungssystems des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft sind sowie von Abschöpfungen und Zöllen ({96})
Verordnung ({97}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({98}) Nr. 97/69 über die zur einheitlichen Anwendung des Schemas des gemeinsamen Zolltarifs erforderlichen Maßnahmen ({99})
Haushaltsausschuß
Verordnung ({100}) des Rates zur Anpassung bzw. Änderung der Verordnung 2/71 zur Durchführung des Beschlusses vom 21. April 1970 über die Ersetzung der Finanzbeiträge der Mitgliedschaften durch eigene Mittel der Gemeinschaften ({101})
Verordnung ({102}) des Rates zur Änderung der Haushaltsordnung vom 25. April 1973 für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften ({103})
Verordnung ({104}) des Rates über die Verwendung der Europäischen Rechnungseinheit ({105}) in den Rechtsakten der Organe der Europäischen Gemeinschaften ({106})
Verordnung ({107}) des Rates über die Verbuchung des Betrages, der aus der Anwendung unterschiedlicher Umrechnungskurse bei den Ausgaben der EAGFL, Abteilung Garantie, entsteht, im Haushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften ({108})
Wir kommen zur
Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Dregger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Innere Sicherheit und öffentlicher Dienst sollen Gegenstand meines Diskussionsbeitrags sein. Der Kanzler hat in seiner Regierungserklärung weder die anstehenden Fragen herausgearbeitet noch Lösungen angeboten. Seine Mitteilung, daß er mit seinen Gas- und Wasserrechnungen und seinen Diätenabrechnungen nicht klarkomme - es ist nach meinem Eindruck nicht das einzige, was ihn zur Zeit überfordert -, hat zwar unser Mitgefühl geweckt, als Beitrag der Regierung zur Aufgabe der Verwaltungsvereinfachung war es nicht ganz ausreichend.
({0})
Ich will versuchen nachzuholen, was Kanzler und Regierung versäumt haben. Um was geht es? Ein immer größerer Anteil der Steuereinnahmen und der öffentlichen Ausgaben werden benötigt, um Beamte, Angestellte und Arbeiter im öffentlichen Dienst angemessen zu besolden. Der Anteil der Personalkosten am Volumen aller öffentlichen Haushalte wuchs in 15 Jahren von einem Viertel auf ein Drittel und, gemessen am Steueraufkommen, sogar von einem Drittel auf nahezu die Hälfte. Die Folgen für die Investitionsfähigkeit der öffentlichen Haushalte und die Handlungsfähigkeit des Staates liegen auf der Hand; sie waren Gegenstand des Beitrages von Ministerpräsident Stoltenberg am gestrigen Tage.
Das lag nicht an überdurchschnittlichen Einkommensverbesserungen für den öffentlichen Dienst. Diese bewegten sich von 1961 bis 1975 sehr genau parallel zur allgemeinen Einkommensentwicklung, die der Beamten etwas darunter, die der Arbeiter im öffentlichen Dienst etwas darüber. Das statistische Material, das die Bundesregierung auf Anfrage der CDU/CSU vorlegen mußte, hat das vergiftende Wort des damaligen Bundesgeschäftsführers der SPD, Herrn Börner, vom Sommer 1975 über die angeblichen Privilegien im öffentlichen Dienst widerlegt.
Die Ursache der überdurchschnittlichen Personalkostenentwicklung war die sprunghafte Staatsdienervermehrung, und deren Ursache war die Massenproduktion an Gesetzen, Verordnungen und Erlassen. Beides fällt in die Verantwortung der Politik, nicht in die der Verwaltung.
Die ganze Misere wird am Bundesgesetzblatt deutlich. Es umfaßte in der ersten Legislaturperiode im
Teil I 4 300 Seiten. In der Legislaturperiode von 1965 bis 1969 - das war bisher die letzte, in der wir in Bonn die Verantwortung trugen - waren es 6 000 Seiten. In der letzten Legislaturperiode waren es 12 800 Seiten. Die Zahl der öffentlichen Bediensteten vermehrte sich entsprechend: im Jahresdurchschnitt von 1961 bis 1969 um jeweils 45 000, also um die Einwohnerzahl einer Mittelstadt, von 1969 bis 1975 um über 105 000, die Einwohnerzahl einer Großstadt. Was sich seit 1969 in der Vorschriftenproduktion und in der Personalentwicklung ereignete, kann nur als Dammbruch bezeichnet werden. Zwar hat sich während des Rezessionsjahres 1975 die Stellenvermehrung abgeschwächt und sich in Teilbereichen sogar in ihr Gegenteil verkehrt; aber das war während der sehr viel schwächeren Rezession 1967/68 in noch ausgeprägterem Maße der Fall, garantiert also für sich keine Wende.
Die gesetzgeberische Massenproduktion hat vier schlimme Folgen.
Erstens. Sie mindert die Qualität der Gesetze.
Zweitens. Sie bläht die Verwaltungen auf; durch Bundesgesetze auch bei den sie durchführenden Ländern und Gemeinden.
Drittens. Sie nimmt Staat und Gemeinden den Handlungsspielraum, den sie für Investitionen und andere gestaltende Aufgaben dringend benötigen.
Viertens. Die gesetzgeberische Massenproduktion macht schließlich - und das ist das Schlimmste - das Geflecht von Belastungen und Vergünstigungen so undurchsichtig, daß es nur noch Spezialisten übersehen können, Spezialisten, die sich der Staat in Enquete-Kommissionen beschafft - wir haben gestern darüber diskutiert -, Spezialisten, die sich in der Wirtschaft nur noch Großunternehmen halten können, während mittelständische Unternehmen - Professor Biedenkopf hat das gestern eindrucksvoll aufgezeigt - diesem Wirrwarr von Vorschriften hilflos gegenüberstehen.
({1})
Das mindert nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit der mittelständischen Wirtschaft; es stellt letztlich die Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz in Frage und damit die Rechtsstaatlichkeit unseres Gemeinwesens.
({2})
Welches sind die Konsequenzen, die Regierung und Parlament aus diesem Tatbestand und aus dieser Erkenntnis zu ziehen haben? Ich meine, gerade am Beginn einer Legislaturperiode sollten wir das bedenken.
Erstens. Wir müssen Schluß machen mit der ungehemmten Ausweitung der Staatstätigkeit. Stark ist nicht der Staat, der sich übernimmt und alles perfekt regelt, stark ist der Staat, der seine Grenzen erkennt und sich entsprechend auf das beschränkt, was wirklich getan werden muß und nicht ebenso gut von anderen getan werden kann.
({3})
Zweitens. Wir müssen Schluß machen mit unausgereiften „Reformen". Bewahren, was gut ist, und nur das verändern, was nachweislich verbessert werden kann, ist ein Grundsatz, der nicht nur im privaten Bereich gelten sollte - da wird er auch von den Systemveränderern zum eigenen Vorteil genau beachtet -, er sollte auch im öffentlichen Bereich gelten.
({4})
Die Beweislast, daß eine Veränderung eine Verbesserung bedeutet, muß bei demjenigen liegen, der sie will, und nicht bei demjenigen, der an ihrer Zweckmäßigkeit zweifelt. In den letzten Jahren war es unsinnigerweise umgekehrt.
({5})
Drittens. Größte Sorgfalt bei der Vorschriftenproduktion in Inhalt und Sprache. Novellen zur Abstellung von Mängeln und umfangreiche Erlasse zur Interpretation der Gesetze sind ein Zeichen gesetzgeberischen Versagens. Ein Facharbeiter in der freien Wirtschaft müßte mit seiner Kündigung rechnen, wenn er so versagen würde.
({6})
- Sie sind eben keine Facharbeiter. Das ist der Unterschied.
({7})
Anzustreben sind einfache Lösungen, abgestellt auf den geringstmöglichen Verwaltungsaufwand, der, wie wir es schon seit Jahren fordern, vorher zu berechnen, gegebenenfalls in Planspielen zu erproben und auf jeden Fall in der Gesetzesvorlage zu bezeichnen ist.
Um Versäumtes nachzuholen, fordern wir die Regierung auf, in allen Ressorts die Aufgaben und Vorschriften zusammenstellen zu lassen, die abgeschafft werden können, und daran zu arbeiten, die verbleibenden Vorschriften einfacher, durchschaubarer und weniger arbeitsaufwendig zu machen.
Viertens. Die Praktiker im öffentlichen Dienst sind an der Vereinfachung und Personalbegrenzung zu beteiligen, da von außen oder von oben niemand so treffsicher urteilen kann wie sie. Diese Erwartung der Politik an den öffentlichen Dienst setzt voraus, daß die Grundsätze des Berufsbeamtentums - ich scheue mich nicht, zu sagen: eine der größten Errungenschaften der deutschen Staats- und Verfassungsgeschichte - von der Politik nicht weiter untergraben, sondern gefestigt werden.
({8})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Sieglerschmidt?
Gern.
Herr Kollege Dregger, ist es nicht erstens richtig, daß Ihre Fraktion der weit überwiegenden Zahl von Gesetzen in dieser von Ihnen beklagten sogenannten Gesetzesflut - ich spreche hier nicht von bestimmten qualitativ wichtigen Gesetzen - zugestimmt hat? Können Sie mir zweitens ein Gesetz nennen, das mit der Begründung, es sei überflüssig und blähe die Bürokratie
Deutscher Bundestag - 8. Wahlperiode.Sieglerschmidt
auf, von Ihrer Fraktion abgelehnt worden ist? Hat nicht - drittens - die CDU/CSU-Fraktion eine Fülle zusätzlicher Gesetzesanträge eingebracht?
({0})
Wenn ich Ihre ersten Fragen als Aufforderung verstehen darf, daß die Opposition mehr als bisher die Vorlagen der Regierung ablehnen sollte, dann nehme ich sie gerne an.
({0})
Ich bitte Sie dann aber, nicht immer von der Neinsage-Opposition zu reden;
({1})
das steht doch in einem offenbaren Widerspruch dazu.
({2})
Meine Damen und Herren, „die Grundlagen des Berufsbeamtentums nicht weiter untergraben" heißt:
({3})
Regierung und Parlament haben die. Verwaltung als parteipolitisch unabhängigen und fachlich kompetenten Partner zu respektieren. Sie haben das Leistungsprinzip zu garantieren und Ämterpatronage zu beenden.
Wie sehr diese Grundsätze in den letzten Jahren mißachtet worden sind, zeigen folgende Beispiele: Die hessische FDP zwang ihren Innenminister zum Rücktritt, weil dieser sich personalpolitischen Zumutungen seiner Partei widersetzte. Der Bundesgeschäftsführer der SPD, Herr Börner, erklärte 1972 beim Rücktritt des aus seiner Partei ausgetretenen damaligen Staatssekretärs Wetzel, eines Berufsbeamten - ich zitiere -: „Er verdankt der Partei alles, was er bisher in seinem Leben geworden ist."
Meine Damen und Herren, in dieser Praxis und in dieser Aussage kommt eine Haltung zum Ausdruck, die ich nur als Korrumpierung des öffentlichen Dienstes von oben bezeichnen kann.
({4})
Ein leistungsfähiger, mit dem geringstmöglichen Aufwand arbeitender öffentlicher Dienst ist heute zu einer Frage des finanziellen und damit auch des politischen Uberlebens unserer Republik geworden. Ämterpatronage ist nicht nur verfassungswidrig, sondern, weil leistungsmindernd, auch teuer.
Eine letzte Bemerkung zu diesem Thema: Wir haben in der abgelaufenen Legislaturperiode mehrere Initiativen eingebracht, die die Leistung der Verwaltung erhöhen und vor allem überflüssigen Verwaltungsaufwand vermeiden sollten. Sie, meine Damen und Herren der SPD und der FDP, sind uns leider nicht gefolgt. Wir werden diese und andere Initiativen erneut einbringen, weil wir hoffen, daß Sie, wenn Ihnen schon die Voraussicht gefehlt hat, wenigstens durch leere Kassen zur Vernunft zu bringen sind.
({5})
Zur Sicherheitspolitik enthält die Regierungserklärung nur wenige Aussagen. Völlig ausgespart werden Fragen, die nicht aktuell scheinen, wie solche eines inneren oder äußeren Notstandes. Daß sie auch in unserem Lande nicht außerhalb der Realität liegen, mag die Aussage des Präsidenten des Hamburger Verfassungsschutzamtes aus den letzten Tagen illustrieren. Er sagte:
Sollten sie
- gemeint sind kommunistische Gruppierungen wie KB, KPD/ML und KBW zu unprovoziertem Terror übergehen, um ihre Ziele zu ereichen, dann könnten wir diese Aktivitäten mit unseren bisherigen Kräften nicht mehr in den Griff bekommen.
So Horchern, der meines Wissens immer noch Ihrer Partei angehört, meine Damen und Herren von der SPD:
Hier haben zehntausend Fanatiker ihr ganzes Vermögen und ihre ganze Arbeitskraft ihrer Partei zur Verfügung gestellt. Leute, die jahrelang davon reden, daß alle Macht aus den Gewehrläufen kommt, werden eines Tages auch zur Gewalt übergehen.
Wir, meine Damen und Herren, sollten uns den möglichen Gefahren in aller Nüchternheit zuwenden mit dem Ziel, das Menschenmögliche zu ihrer Abwendung zu tun.
Der erste Punkt, dem ich mich zuwenden möchte, sind Ausbildung und Ausrüstung der Polizei. Die gewalttätigen Demonstrationen in Frankfurt haben Mängel sichtbar gemacht, die auf unzureichender Ausbildung der Polizei für einen derartigen Einsatz beruhen. Die Folge war Kritik an der Polizei, vorsorglich auch vom eigenen Präsidenten geübt, aber keine Konsequenzen für eine verbesserte Ausbildung.
Auch die Ausrüstung der Polizei entspricht immer weniger den Bedürfnissen eines Notstandes. Maschinenpistolen oder gar Handgranaten und leichte Maschinengewehre werden mit gespielter oder echter Entrüstung abgelehnt. Daß sich aber Terroristen und andere Verbrecher immer mehr mit solchen Waffen ausrüsten, wird aus Torheit oder aus anderen Gründen übersehen.
1923 konnte noch ein Zug bayerischer Gendarmerie den Zug zur Feldherrnhalle stoppen - mit entsprechender Bewaffnung, versteht sich. In Preußen und in Bayern gab es voll einsatzbereite kasernierte Polizeitruppen. Heute gibt es nichts dergleichen. Die Bereitschaftspolizei der Länder ist Ausbildungsstation für den Einzeldienst. Auszubildende sind aber für den Einsatz in Krisensituationen denkbar ungeeignet.
Und der Bundesgrenzschutz? Auch er wird umgerüstet und abgerüstet. Ein großer Teil seiner Beamten ist für den Verbandseinsatz nicht verfügbar. Die Ausbildung ist immer weniger auf den Notfall, auf den Einsatz als Polizeitruppe ausgerichtet.
Unsere europäischen Nachbarländer sind da realistischer. In Italien stehen als Polizeitruppe in enger
Verbindung mit der Armee die Carabinieri zur Verfügung. Frankreich besitzt die hervorragend ausgebildete und ausgerüstete Gendarmerie mobile. Großbritannien setzt auch in inneren Krisensituationen gleich die Armee ein.
Das ist nicht unser Weg. Unsere Notstandsverfassung hat den Einsatz der Bundeswehr im Innern mit Recht von sehr engen Voraussetzungen abhängig gemacht. Wir könnten uns ihren Einsatz im Innern auch kaum leisten, da das die äußere Verteidigungskraft schwächen würde, auf die es gerade in inneren Krisensituationen ankäme.
So erfreulich und anerkennenswert die Leistungen der Bundeswehr bei der Waldbrandkatastrophe in Niedersachsen waren: Daß wir schon bei einer Waldbrandkatastrophe auf den Einsatz der Bundeswehr angewiesen waren und dadurch erhebliche militärische Kräfte gebunden wurden, ist besorgniserregend.
({6})
Ich frage: Ist die Bundesregierung bereit, den Bundesgrenzschutz in Bewaffnung, Ausbildung und Ausrüstung wieder mehr auf Krisensituationen vorzubereiten? Eine weitere Frage: Wie ist es um den Werkschutz bestellt? Genügen bei Kernkraftwerken bescheidene Auflagen? Was geschieht, wenn sich mehrere Brokdorfs gleichzeitig ereignen
({7})
und auch in Betrieb befindliche Kernkraftwerke in gewalttätige Demonstrationen einbezogen werden? Brokdorf hat einen beängstigenden Mangel an Solidarität unter Bund und Ländern offenbar gemacht. Das betrifft einmal das unglaubwürdige energiepolitische Verhalten der Bundesregierung, die zunächst ein Energieprogramm beschließt,
({8})
von den Ländern erwartet, daß diese die Voraussetzungen zu seiner Verwirklichung schaffen, um sie dann politisch im Stich zu lassen, wenn es kritisch wird. Das war Gegenstand der gestrigen Debatte. Nicht weniger schlimm, vielleicht schlimmer, ist die Aushöhlung des verfassungsmäßigen Prinzips der Amtshilfe durch den nordrhein-westfälischen Innenminister, der den Einsatz nordrhein-westfälischer Polizeikräfte in Brokdorf von seinem Urteil und nicht von dem Urteil des örtlich verantwortlichen Innenministers abhängig machen wollte und auf diesem Standpunkt heute noch verharrt.
({9})
- Sie sagen „zu Recht". Meine Damen und Herren, ich frage Sie und die Bundesregierung: Wie stehen Sie zu diesem Verhalten, das, wenn es von allen Innenministern übernommen werden sollte, die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland auf das schwerste gefährden würde?
({10})
Und wie steht es mit den Vorbereitungen auf den äußeren Verteidigungsfall, soweit es nicht die Bundeswehr angeht? Von einem Krieg wäre ja in unserem dichtbesiedelten Land in schrecklichster Weise
auch die Zivilbevölkerung betroffen. Sind wir darauf vorbereitet? Erstes Ziel unserer Sicherheitspolitik ist es gewiß nicht, einen Krieg zu gewinnen oder auch nur zu überleben, sondern ihn zu verhindern.
({11})
Aber, meine Damen und Herren, ich frage auch Sie: Was ist, wenn uns die Erreichung dieses Zieles nicht gelingt, zumal das ja nicht nur von uns abhängt? Sind wir, da wir den Frieden wollten, dann aller Verantwortung ledig? Brauchen wir daher im zivilen Bereich über die Grenze von Frieden und Krieg hinaus gar nicht zu denken? Die zivile Komponente der Gesamtverteidigung stand bei uns immer mit weitem Abstand an zweiter Stelle. Das mag zur Zeit der Aufstellung der Bundeswehr aus politisch-psychologischen Gründen geboten und auf Grund der sicherheitspolitischen Gesamtlage vertretbar erschienen sein. Aber haben sich seitdem die militärischen und politischen Rahmenbedingungen unserer Sicherheitspolitik nicht grundlegend verändert? Damals war unser Hauptverbündeter, die USA, dem möglichen Angreifer auch militärisch weit überlegen. In der NATO galt die Doktrin der massiven Abschreckung, d. h., bei einem Angriff auf unser Land mit nennenswerten Kräften konnte der Angreifer sicher sein, unmittelbar darauf vom amerikanischen Atomschwert getroffen zu werden.
Heute ist das anders. Von einer militärischen Überlegenheit unseres Hauptverbündeten kann nicht mehr die Rede sein. Die Doktrin der massiven Abschreckung ist seit Jahren durch die der abgestuften ersetzt. Unterstellen wir einmal, ein zum Angriff entschlossener Gegner würde sich auf diese westliche Theorie einlassen und sich mit dem Einsatz von Atomwaffen zunächst zurückhalten, so bedeutet doch diese Doktrin der abgestuften Abschreckung, daß das amerikanische Atomschwert zumindest die Unmittelbarkeit seiner Abschrekkungswirkung verloren hat mit der Folge, daß zumindest ein zeitlich und räumlich begrenzter Krieg in Europa wieder denkbarer geworden ist, als es vorher der Fall war. Für einen solchen Krieg wäre unser Land sowohl nach der Stoßrichtung eines möglichen Angreifers als auch nach der rein defensiven Verteidigungskonzeption der NATO das Hauptschlachtfeld. Können wir darauf verzichten, uns außerhalb des militärischen Bereichs darauf nennenswert vorzubereiten? Eine ernste Frage an die Verteidigungspolitik: Wäre die Bundeswehr, eine Wehrpflichtarmee, moralisch wie militärisch überhaupt in der Lage zu kämpfen, wenn Vorbereitungen für einen Schutz der Zivilbevölkerung fehlen?
({12})
Die Bundesregierung hat in der 100. Sitzung des Innenausschusses am 18. Februar 1976 lapidar mitgeteilt, das ganze Schutzraumprogramm, das sie noch am 26. März 1974 als „unerläßlich" bezeichnet hatte, werde eingestellt. Das Unerläßliche unterbleibt also. Oder ist es nicht mehr unerläßlich? Ist es entbehrlich geworden, weil der Frieden sicherer wurde? Oder ist nach jetziger Einschätzung der Bundesregierung ein solcher Schutz wirkungslos? Oder ist es nur zu teuer geworden, das Unerläßliche für den Schutz der Menschen zu tun?
Die Staaten des Westens verhalten sich in dieser Frage unterschiedlich. Einige haben Beachtliches geleistet, z. B. Norwegen und die Schweiz. China hat im Zuge seiner auf die Bedürfnisse und Möglichkeiten seines Landes zugeschnittenen Verteidigungskonzeption riesige Tunnelsysteme unter seinen Städten angelegt.
Auch die Sowjetunion unternimmt in der Zivilverteidigung zur Zeit enorme Anstrengungen. Die Zivilverteidigung hat dort - anders als bei uns - den Rang einer Teilstreitkraft der Armee und untersteht dem stellvertretenden Verteidigungsminister.
Im sowjetischen Standardwerk über Militärstrategie, das wir vielleicht einmal lesen sollten, herausgegeben im Jahre 1969 von Marschall Sokolowski im Militärverlag Moskau, heißt es - ich zitiere -:
Ein wichtiger Grundsatz der sowjetischen Militärdoktrin besteht darin, daß der Krieg zwangsläufig zu einem Raketen- und Kernwaffenkrieg wird, d. h. zu einer Auseinandersetzung, in der Kernwaffen das Hauptkampfmittel und Raketen das wichtigste Mittel für ihre Beförderung ins Ziel sind.
Wenn der Herr Präsident gestattet, zitiere ich noch aus dem sowjetischen Handbuch zur Zivilverteidigung. Dort heißt es wörtlich:
Obwohl die genannten Zerstörungsmittel Massenzerstörungsmittel heißen, kann man durch Kenntnis und Einsatz moderner Schutzmaßnahmen dafür sorgen, daß sie nicht Massen von Menschen vernichten, sondern lediglich diejenigen, die das Studium, die Beherrschung und den Gebrauch dieser Schutzmaßnahmen vernachlässigen.
Ich will hier nicht untersuchen, ob diese Aussage im sowjetischen Handbuch zur Zivilverteidigung zutreffend ist. Aber allein die Tatsache, daß eine solche Aussage gemacht wird, muß uns doch veranlassen, über alle militärischen und politischen Implikationen nachzudenken, die damit verbunden sind.
({13})
Wie man auch immer die Zivilverteidigung für die Wirksamkeit unserer Abschreckungspolitik und für den Schutz der Menschen einschätzen mag - ich will mich heute darauf beschränken, Fragen aufzuwerfen -: Man kann nicht wie die Regierungserklärung dazu einfach schweigen.
({14})
Die Regierung muß regieren, d. h. zumindest, sie muß die wichtigsten politischen Tatbestände bewerten, Zielvorstellungen entwickeln und sie im Rahmen des Möglichen verwirklichen. Sobald das geschieht, Herr Bundeskanzler und Herr Bundesinnenminister, werden wir als Opposition fair und verantwortungsbewußt dazu Stellung nehmen und werden uns nicht so verhalten, wie es die damalige SPD-Opposition getan hat, als die Entscheidung über die Aufstellung der Bundeswehr getroffen werden mußte.
({15})
Wir werden Stellung nehmen. Zu einem Nichts auf
seiten der Regierung ist das jedoch nicht möglich.
Daß sich die Regierung durch Schweigen ganz einfach ihrer Verantwortung entzieht, werden wir auf keinen Fall dulden.
({16})
Schweigen zur Vorbereitung auf künftige, leider nicht auszuschließende Gefahren und Dürftigkeit bei der Behandlung aktueller Fragen kennzeichnen den sicherheitspolitischen Teil der Regierungserklärung auch im übrigen.
Zur Bekämpfung des Terrorismus und der sich ausbreitenden brutalen Geiselverbrechen fehlt jede inhaltliche Aussage. Hingewiesen wird auf die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern und auf die Bemühungen um internationale Abkommen im Europarat und in der UNO. Den nicht gerade überzeugenden Kommentar dazu liefern die Vorgänge um den palästinensischen Gewaltverbrecher Abu Daud in Paris. Die deutsche Seite spricht von der Verletzung des Auslieferungsabkommens, die Presse von angeblichen politischen und ökonomischen Interessen der französischen Seite, die französische Regierung vom Zögern der Deutschen bei der diplomatischen Bestätigung des rechtzeitig gestellten Auslieferungsersuchens. Welche Version trifft zu? Hat das freie Europa - und ich spreche das ganze an, denn hier hat keine Regierung Anlaß, auf eine andere herabzusehen - nicht mehr die politische und die moralische Kraft, auf seinem eigenen Territorium der Gewalt zu begegnen und das Recht durchzusetzen? Das ist doch die Frage!
({17})
Zu politischen Geiselverbrechen sind in letzter Zeit zahlreiche in gelderpresserischer Absicht hinzugetreten. Man weiß nicht immer genau, ob nicht beide Motive zusammenwirken. Beiden gemeinsam ist jedenfalls die kaltschnäuzige Brutalität, mit der die Todesangst der Betroffenen und ihrer Angehörigen zum Mittel der Erpressung gemacht wird. Manche dieser Verbrechen wurden aufgeklärt, wozu in Einzelfällen die bewundernswerte Haltung der Opfer - ich denke zum Beispiel an meinen Mitbürger Wolfgang Gutberlet aus Fulda - beigetragen hat. Andere blieben unaufgeklärt.
Wie groß ist die Wiederholungsgefahr? Das neue schreckliche Verbrechen in Braunschweig wirft diese Frage auf. Sind die kriminologischen, die polizeilichen und die strafrechtlichen Mittel, die vorhanden sind, ausreichend? Können sie verbessert werden? Wenn ja: In welche Richtung zielen die Initiativen der Regierung? Hält die Regierung es wirklich für vertretbar, nach Abschaffung der Todesstrafe die lebenslängliche Freiheitsstrafe praktisch so einzuschränken, daß Geiselverbrechen zu einem begrenzten Risiko für den Täter werden
({18})
und den Genuß der Beute unter Umständen auch
dann ermöglichen, wenn der Täter gefaßt und verurteilt worden ist? Sie wissen, worauf ich anspiele.
Während die Regierungserklärung zu diesen brennenden Fragen schweigt, beschäftigt sie sich sehr detailliert mit der Frage, wie potentiellen Verfas354
sungsgegnern allzu große Unannehmlichkeiten beim
Eintritt in den Staatsdienst erspart bleiben können.
({19})
Sie versteigt sich dabei zu der absurden Behauptung, die Uberprüfungspraxis habe zu Leisetreterei und Furcht geführt, da sie Zweifel an der Liberalität in unserem Lande habe aufkommen lassen.
In Wahrheit ist es doch so, daß hier wie auf allen Feldern staatlicher Tätigkeit Fehler und Dummheiten passieren, die hier wie anderswo nach Möglichkeit abzustellen sind. Wir werden dazu Vorschläge unterbreiten. Wenn die Extremistenabwehr aber zum Thema einer grundsätzlichen politischen Auseinandersetzung geworden ist, dann liegt das doch nicht an diesen Mängeln, sondern daran, daß Teile von SPD und FDP sich die verlogene BerufsverbotsKampagne der Kommunisten zu eigen gemacht haben.
({20})
In einem Beschluß des Bundesparteitages der FDP vom 19. und 20. November 1976 heißt es: „Nur derjenige, der den Kernbestand unserer freiheitlichdemokratischen Grundordnung nachweislich bekämpft", dürfe nicht im Dienst unseres Staates stehen.
({21})
Diese Forderung des Parteitags der FDP, Herr Maihofer, ist nicht progressiv und liberal, wie Sie gemeint haben, sondern schlicht rechtswidrig und selbstzerstörerisch.
({22})
Das Bundesverfassungsgericht sagt demgegenüber in seinem Grundsatzbeschluß vom 22. Mai 1975
- ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten -:
Unverzichtbar ist, daß der Beamte den Staat ... und die geltende verfassungsrechtliche Ordnung, so wie sie in Kraft steht
- ich ergänze: also nicht nur ihren Kernbestand bejaht, sie als schützenswert anerkennt, in diesem Sinne sich zu ihr bekennt und aktiv für sie eintritt.
Ich ergänze: also nicht nur darauf verzichtet, sie zu bekämpfen.
Wir, die Unionsparteien, stehen zum geltenden Recht, wie das Bundesverfassungsgericht es bestätigt hat, und zum Beschluß der Regierungschefs des Bundes und aller Länder vom Januar 1972 über seine gleichmäßige Anwendung.
Nachdem der extremen Linken in der Einstellungspraxis für den öffentlichen Dienst ein Einbruch gelungen ist, wird jetzt versucht, den Verfassungsschutz funktionsunfähig zu machen. Die propagandistische Vorbereitung besteht in der Behauptung, der für den Erfolg der Nachrichtendienste unentbehrliche Geheimnisschutz sei illiberal, polizeistaatlich und sonstwie vom Teufel.
Natürlich müssen sich auch die Nachrichtendienste demokratischer Kontrolle stellen. Diese Kontrolle darf aber die Erfüllung der Aufgaben nicht unmöglich machen, für die die Nachrichtendienste geschaffen wurden. Es ist daher absurd,
ausgerechnet bei ihnen, die auf Geheimnisschutz angewiesen sind, die übliche Verantwortungsteilung zwischen Regierung und Parlament aufzugeben und sie unter parlamentarische Sonderkontrolle zu stellen. Der Gesetzentwurf der Hamburger SPD/FDPKoalition sieht eben das vor.
Würde dieser Gesetzentwurf in Hamburg Gesetz, hätte das Auswirkungen über Hamburg hinaus.
({23})
Eine Einschränkung der Zusammenarbeit der intakt gebliebenen Verfassungsschutzämter mit Hamburg wäre unvermeidlich. Ich frage die Bundesregierung, wie sie den Hamburger Gesetzentwurf im Hinblick auf die künftige Zusammenarbeit der Verfassungsschutzämter des Bundes und der Länder beurteilt.
({24})
Meine Damen und Herren, wichtiger als der abwehrende Verfassungsschutz ist der offensive, die geistige Auseinandersetzung. Sie ist vor allem an Schulen und Hochschulen zu führen. Was hier zur Zeit geschieht und zugelassen wird, ist weit schlimmer als alles, was im Bereich der inneren und äußeren Sicherheit sonst an Fehlern unterlaufen mag.
({25})
Dazu trägt eine geistige Haltung bei, wie sie Politiker und Intellektuelle in den westlichen Ländern nicht selten zeigen. Sie sind zwar schnell zu alarmieren - ich begrüße das -, wenn es gilt, rechtsextreme Parteien oder Regime in die Schranken zu weisen, auch wenn diese ihre Nachbarn oder den Westen nicht bedrohen. Die gleichen Politiker und Intellektuellen übersehen oder tolerieren dagegen bei den kommunistischen Parteien und den von ihnen beherrschten Ländern nahezu alles. Übersehen wird der Terror im Innern, wie die Einweisung von Dissidenten in Irrenanstalten und Gefängnisse. Übersehen oder vergessen wird die aggressive Politik nach außen, wie der Einmarsch in die Tschechoslowakei oder die Eroberung ganzer afrikanischer Länder mit Hilfe kommunistischer Bürgerkriegsarmeen aus Kuba. Übersehen wird die hemmungslose Aufrüstung, die das Gleichgewicht der Kräfte immer mehr erschüttert und dadurch den Frieden gefährdet. Übersehen wird das alles bei einem erklärt offensiven Ziel, nämlich dem Sieg des Kommunismus im Weltmaßstab.
Kommunisten, die überall dort, wo sie herrschen, die Menschenrechte unterdrücken, werden im Westen teilnahmsvoll angehört, wenn sie sich über angebliche Berufsverbote in der Bundesrepublik Deutschland erregen.
({26})
Herrn Berlinguer und Herrn Marchais wird geglaubt, wenn sie sich von innen- und außenpolitischen Praktiken ihrer Gesinnungsgenossen im Ostblock distanzieren. Nicht nur die Jusos fördern das, sondern neuerdings auch der Bundeskanzler - das überrascht mich -, wenn er z. B. nach Rückkehr von Spanien am 7. Januar 1977 im Deutschlandfunk erklärt, nach seiner Vorstellung gehöre „zu einem vollen demokratischen Spektrum zum Beispiel auch die Tatsache, daß es in unseren europäischen LänDr. Dregger
dern Kommunisten gibt". Zu einem vollen demokratischen Spektrum gehören also nach neuester Einschätzung des Herrn Bundeskanzlers Schmidt auch Kommunisten!
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Friedrich?
Gerne.
Herr Kollege Dregger, sollte Ihnen entgangen sein, daß sich Ihr Fraktionskollege von Hassel in der „Welt" für die Zulassung der Kommunisten bei den spanischen Wahlen eingesetzt hat?
Herr Kollege Friedrich, über die Zulassung oder das Verbot kommunistischer Parteien kann man durchaus unterschiedlicher Meinung sein.
({0})
Wir sind es hier ja auch. Aber Herr von Hassel hat niemals gesagt und wird auch niemals sagen, die Kommunisten gehörten zum demokratischen Spektrum. Das ist doch der Punkt.
({1})
Die Zahl der ausländischen Ratgeber nimmt zu, die den Italienern empfehlen, die Kommunistische Partei Italiens an der Regierung zu beteiligen, um sie zu bändigen oder zu verschleißen. Ähnlich kluge Ratschläge von außen gab es auch gegenüber dem Machtanspruch Hitlers
({2})
im Deutschland des Jahres 1932. Es spricht nichts dafür, daß die Folgen diesmal anders wären. Man kann rechte oder linke Faschisten - und Kommunisten sind linke Faschisten;
({3})
ich freue mich, daß wenigstens Herr Kollege Bangemann in dieser Einschätzung der sogenannten Eurokommunisten mit uns übereinstimmt - nicht dadurch bändigen, daß man ihrer ungeheuren Parteimacht als Kaderpartei und ihrer ungeheuren Gewerkschaftsmacht auch noch die Staatsmacht hinzufügt. Wenn das geschieht, ist die Sache unumkehrbar.
({4})
Ob wir in einer der italienischen ähnlichen Lage heute entschiedener gegen die Kommunisten Front machen würden? Ich zweifle daran. Die heutige Haltung von SPD und FDP spricht nicht dafür.
Daß sich die Frage einer kommunistischen Regierungsbeteiligung bei uns nicht stellt, verdanken wir außer den wirtschaftlichen und sozialen Erfolgen, die in den ersten Nachkriegsjahrzehnten unter unserer Verantwortung erzielt worden sind und die jetzt leider mehr und mehr verlorengehen, vor allem
der geschichtlichen Erfahrung. Die Teilung Deutschlands hat unserem Volk einen Erfahrungsschatz über kommunistische Praxis vermittelt, den z. B. die Italiener nicht haben und nicht haben können. Das hat bei uns zunächst zu einer Immunisierung geführt, die aber - wie die Lage an den Universitäten zeigt - nicht anhalten muß. Je mehr wir es in der Auseinandersetzung mit Kommunisten an Entschiedenheit fehlen lassen, um so mehr Chancen haben diese gerade auf Grund der Teilung in ganz Deutschland - Chancen, die es in Italien und in Frankreich für sie in dieser Weise nicht gibt.
Manche Politiker und Intellektuelle im Westen - bei uns wie anderswo - erwecken den Eindruck, daß sie politisch von einer Art Todessehnsucht befallen sind. Sie genießen unsere Freiheit, ignorieren die Gefahren, die ihr drohen, tun nichts zu ihrer Verteidigung und schmähen noch diejenigen, denen sie den Schutz ihrer Freiheit verdanken.
({5})
Dabei sind abwechselnd die Vereinigten Staaten von Amerika, die staatlichen Sicherheitsdienste oder die sogenannten Konservativen die Prügelknaben. Der von Golo Mann geteilte Pessimismus Kissingers über die Zukunft des freien Europas kann daher nicht überraschen.
Wir, die Unionsparteien, lassen uns nicht entmutigen. Wir werden das in unserer Kraft Stehende tun, um der zweiten deutschen Republik das Schicksal der ersten zu ersparen. Wir werden der Aushöhlung der Abwehrbereitschaft und der Abwehrfähigkeit unserer Republik entgegentreten, auch wenn das nicht den Beifall westlicher Marxisten und mancher Liberaler findet, die so liberal sind, daß sie es ablehnen, die liberale Ordnung zu verteidigen.
({6})
Wir wissen, daß in dieser Frage die ganz große Mehrheit unseres Volkes, unseres leidgeprüften Volkes - kein Volk hat so sehr unter den Auswirkungen des Extremismus leiden müssen wie das unsere -, bis weit in die Wählerschaft der Regierungsparteien hinein hinter uns, hinter der Union, steht. Ich möchte dieser großen Mehrheit unseres Volkes von diesem Pult aus versichern, daß sie sich in dieser Frage auf die Union, die stärkste politische Kraft Deutschlands, fest verlassen kann.
({7})
Das Wort hat der Abgeordnete Liedtke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will mich auf die beiden Themen innere Sicherheit und öffentlicher Dienst beschränken, die von Herrn Dregger angesprochen worden sind. Zuvor danke ich Herrn Dregger, daß er wieder einmal bekundet hat, daß die Opposition zur Mitarbeit bereit ist, sobald sie feststellt, daß in diesem Lande regiert wird.
({0})
Wir geben die Hoffnung nicht auf
({1})
- Sie sind ja neu hier -,
({2})
daß Ihre Kollegen, die dies von 1969 bis heute noch nicht begriffen haben, es in nächster Zukunft doch merken werden. Es besteht also die Aussicht, daß auch die Opposition in Zukunft ihren Anteil an der Politik leisten wird.
Meine Damen und Herren, einige Gedanken zur inneren Sicherheit. Lassen Sie mich einmal feststellen, daß ein noch so hoher Grad an innerer Sicherheit den Gipfel der Absolutheit nie erreichen wird, daß es also nicht möglich sein wird, den totalen Schutz des einzelnen staatlich uneingeschränkt zu garantieren.
Lassen Sie mich zweitens vorab feststellen, daß die innere Sicherheit nach der Struktur der Bundesrepublik eine gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern ist, daß sie in wesentlichen Teilen sogar bei den Ländern liegt. Lassen Sie mich die Feststellung treffen, daß die Zusammenarbeit in diesem Bereich zwischen Bund und Ländern funktioniert, unabhängig davon, wer jeweils in welchem Lande regiert.
Dieser Bereich ist aber wiederum so empfindlich, daß jeder Versuch, Konfliktstoffe, Konfrontationsstrategien oder parteipolitische Auseinandersetzungen im Bereich der inneren Sicherheit mutwillig auszutragen, ein Mißbrauch des politischen Mandats gegenüber dem Bürger ist, weil dadurch sein Anspruch auf Sicherheit durch Störfälle verzögert werden kann.
Wie sicher ist in diesem Lande eigentlich der Bürger? Lassen Sie mich in diesem Punkte einmal ganz nüchtern die unbestechlichen Zahlen, die Sie alle aus dem letzten Bericht vorliegen haben, zitieren. In allen westlichen Ländern der Welt ist in den letzten Jahren die Kriminalität in beunruhigender Weise angestiegen; das geben wir zu. Die Entwicklung in der Bundesrepublik sieht folgendermaßen aus. Im zweiten Halbjahr 1974 gab es eine Steigerungsrate von 8,7 %, im ersten Halbjahr 1975 von 7,7 %, im zweiten Halbjahr 1975 von 5,4 % und im ersten Halbjahr 1976 - das ist der letzte erfaßte Zeitraum - von 1,1 %. Der Trend ist mehr als ermutigend. Er geht zurück auf die gemeinsamen Anstrengungen von Bund und Ländern. Ich betone das immer wieder.
Das kostet natürlich Geld. Wir wissen - auch draußen sollte man es wissen -, daß das Bundeskriminalamt heute beispielsweise siebenmal mehr kostet als 1969 bei der Übernahme der Regierung durch die Koalition. Die Folge ist aber auch, daß die Aufklärungsquoten in diesem Lande hoch sind. Bei Mord und Totschlag kommen sie nah an die Grenze von 100 %. Die Chance, daß ein Verbrechen in diesem Lande nicht aufgeklärt wird, ist gering geworden, die Sicherheit der Menschen in einem hohen Maße erreicht.
({3})
Die innere Sicherheit hat aber auch eine andere Seite, vielleicht eine wichtigere: das gute innenpolitische Klima. Dazu gehört die Möglichkeit der Selbstbeantwortung der von Herrn Dregger gestellten Frage durch den Bürger, indem er unsere Politik verfolgt: Wie weit sind wir von einem nächsten Krieg entfernt, oder wie können wir einen nächsten Krieg verhindern? Im Rückgriff auf die Debatte vom Mittwoch darf ich sagen: Trotz aller Schwierigkeiten wissen die Bürger in diesem Lande, daß die Entspannungspolitik in der Kontinuität, wie sie in den letzten zehn Jahren geführt worden ist, den Frieden sicherer gemacht und das Zusammenleben der Menschen in Deutschland und Europa humaner gestaltet hat ({4})
ein wesentlicher Beitrag zur inneren Sicherheit.
Ich darf die Opposition an diesem Punkte daran erinnern, daß die Grundzüge dieser Entspannungspolitik in der Großen Koalition unter ihrer Mithilfe gelegt worden sind. Es muß Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, eigentlich ein bißchen wehmütig stimmen, daß Sie auf Grund der Kreuther Verhaltensnormen jetzt gezwungen sind, Ihre eigenen Kinder zu verleugnen und sich in dem Beharren des ständigen Nein zu den wesentlichen Fragen dieser Nation freiwillig in eine politische Unfruchtbarkeit hineinzugeben.
({5})
- Immer dann, wenn es in den Reihen der Opposition laut wird, merkt man hier oben, daß man getroffen hat.
({6})
Meine Damen und Herren, es gibt einen zweiten wesentlichen Punkt zur Stabilisierung der inneren Sicherheit. Das sind die soziale Sicherheit in diesem Lande - ich habe die Debatte von gestern sehr wohl im Kopf - und das Gefühl der Bürger, daß hier ständig mit großem Ernst an mehr sozialer Gerechtigkeit gearbeitet wird. Nur so gelingt es, in diesem Lande das Gefühl eines sozialen Wohlempfindens herzustellen.
({7})
Für Sozialdemokraten sind das wichtige Attribute für Freiheit und Sicherheit in diesem Lande.
Wer diese als Gratifikationen, als Abgleiten in den Wohlfahrtsstaat - ich nenne nur Formulierungen, deren Autoren hier im Saale sind - oder als
Beglückungssozialismus abqualifiziert und folgerichtig ein Gesellschaftsprogramm entwickelt, in dessen
Quintessenz es lautet „Bei steigendem Wohlstand sind diese Errungenschaften abzubauen", hat eine Grundvoraussetzung für die Sicherheit in diesem Lande noch nicht begriffen und wird sie nie begreifen: die Synthese zwischen demokratischem Sozialismus und Freiheit und Sicherheit.
({8})
Ein Wort zum Terrorismus. Er lebt - darüber gibt's keinen Zweifel - nach wie vor unter uns, aber sicher unter sehr viel schwierigeren Bedingungen als in vielen anderen Ländern der Welt. Ich formuliere die Zuversicht, daß es uns gelungen ist, in diesem Lande ein Klima zu schaffen, das die Gewalt weitgehend ins Abseits stellt und die ins Unrecht setzt, die die Gewalt predigen. Nur so, ausschließlich auf dem Boden dieses Verständnisses legitimiert sich auch staatliche Gewalt.
Das Ziel der Terroristen ist es zweifellos, durch Gewaltanwendung zu einer Eskalation der Gewalt in der Gesellschaft zu verführen und den Staat dazu zu bringen, Gleiches zur Abwehr zu tun, bis der Bürger das Gefühl hat: Statt mich zu schützen, bedroht der Staat in vielen Bereichen meine eigene persönliche Freiheit. - Wer auch nur gedanklich oder gar in formulierten Ansätzen auf diese Weise reagiert, handelt programmäßig im Sinne der Terroristen.
({9})
Meine Damen und Herren, ich will hier nicht übersteigern. Um der bildhaften Deutlichkeit willen will ich hier aber auch nichts unterschlagen. Wer als verantwortlicher Politiker einer erbitterten Bevölkerung gegenüber - ich denke jetzt an den Zeitpunkt der Geiselnahmen in der Botschaft von Stockholm - in den Medien öffentlich über die Wiedereinführung der Todesstrafe meditiert, handelt programmgemäß in dem Sinne, wie ich es vorhin dargelegt habe.
({10})
Meine Damen und Herren, nicht ungefährlicher, obwohl es weniger dramatisch klingt, handelt derjenige, der es zu seiner Leidenschaft werden läßt, im philosophischen Wortspiel Begriffe wie Terrorismus, Extremismus und Radikalismus durcheinanderzuwürfeln und dieses Gemisch, das im Nebel angesiedelt ist, beliebig auf unliebsame Menschen anzuwenden.
({11})
- Herr Dregger, Sie hätten die Klarheit vorhin heraushören können, aber Ihnen hat das, was ich gesagt habe, natürlich nicht gepaßt.
({12})
- Wer engagierten jungen Leuten die Berufsaussichten schmälert, weil sie sich auch einmal im Bereich des Wortradikalismus bewegen, weil sie vorübergehend auch einmal in eine falsche Gruppe hineingeraten, wer Jungsozialisten, Jungdemokraten und hin und wieder auch Mitgliedern der Jungen Union, dem politisch bewußtesten Teil unserer Jugend, der auch einmal radikale Denkmodelle in unsere Landschaft hineinstellt, die ihnen eigene Explosivität sehr schnell im Sinne einer antidemokratischen Verhaltensweise auslegt, sich selbst aber des gleichen Wortschatzes nicht schämt, ist gefährlicher, als er es sich selbst eingesteht.
Wir haben eine wehrhafte Demokratie. Sie ist schon in unserer Verfassung als solche angelegt. Es ist keine Frage, daß Verfassungsfeinde oder -gegner nicht in die öffentliche Verwaltung hineingehören. Wer aber das freie Wort auch in Randbereichen der Verfassung einengt und ihm die Luft nimmt, provoziert Gewalt oder, was auf Dauer noch schlimmer ist, sorgt dafür, daß das Angepaßtsein großer Teile der Bevölkerung diese Demokratie sehr schnell an den Rand ihrer Existenz bringen kann.
({13})
Kommen wir einmal auf die Extremisten im öffentlichen Dienst zu sprechen. Im öffentlichen Dienst gibt es 3,5 Millionen Beschäftigte, darunter - nach dem letzten Bericht des Verfassungsschutzamtes - knapp 300 sogenannte Rechtsextremisten und 1 700 sogenannte Linksextremisten. Das bedeutet: 0,05 % der Beschäftigten im öffentlichen Dienst werden als potentielle Gegner dieser Verfassung angesehen.
Die seit langem laufende Extremistendebatte im Bereich des öffentlichen Dienstes wird, wenn man sie auf diese Größenordnung zurückführt, langsam so etwas wie ein Dschungelkrieg in der Sahara. Sie ist eine gewollte Debatte ohne tatsächlichen Hintergrund. Meine Damen und Herren von der Opposition, es ist doch irre, dann, wenn Sie diese Zahlen zugrunde legen und in Betracht ziehen, daß die sozialliberale Koalition seit 1969 regiert, mit dem Blick auf die Zukunft zu sagen: Wir akzeptieren zwar diese Zahlen, aber wir mißtrauen allem, was Sie, diesen Bereich betreffend, für die Zukunft gedanklich im Hinterkopf haben und tun wollen.
({14})
Sie machen sich ja zum „Geister-Reiter" in diesem Lande.
Lassen Sie mich auch etwas zu der gedanklichen Folgerung sagen, die von Herrn Dregger heute sehr vorsichtig angeführt wurde: Es werden zu viele, es werden zu komplizierte Gesetze gemacht. Den Appell, Herr Dregger, daß wir uns gemeinsam ständig bemühen müssen, einfache, klare Gesetze zu machen, erkenne ich an und unterstütze ich. Ich darf aber auch sagen, daß von den 564 Gesetzen der letzten Legislaturperiode nur 6,4 % nicht einstimmig in diesem Hause gefaßt worden sind. Der sicher notwendige Appell geht also an die ganze Breite dieses Hauses; es waren 33 oder 34 Gesetze. Das ist die ganze Ausbeute. Wenn gesündigt worden ist - ich will das nicht ausschließen -, so sind wir hier ausnahmsweise einmal gemeinsam daran beteiligt und damit zu belasten.
({15})
Dann kommt die nächste Forderung, die Einschränkung der Personalausweitung im öffentlichen Dienst.
In Bad Kissingen hat Herr Dregger gesagt: Bis 1969 - bis zu diesem Zeitpunkt waren wir an der Regierung - betrugen die Personalausgaben im Haushalt ein Viertel, nach 1969 ein Drittel des gesamten Haushalts. Und dann kommen die entsprechenden Folgerungen. Hier hat der große Meister alles einmal wieder kräftig durcheinandergeschüttelt, Mischzahlen falsch interpretiert, das Mittel falsch gezogen. Ich nenne Ihnen den neuesten Stand, den ich gestern verbindlich abgerufen habe, Herr Dregger. Er lautet folgendermaßen - hören Sie genau zu! -: Im Jahre 1965 betrug der Anteil der Personalkosten beim Bund 14,2 % des Haushalts,
({16})
1969 - das ist der Zeitpunkt Ihrer Zäsur - waren es 15,6 %, 1975 waren es 16,1 %. Das ist Ihr „Drittel". Bei den Ländern sieht es anders aus: 1965 sind es 34,9 %, 1969 sind es 40,1 % und 1975 sind es 42,3 %.
({17})
Bei den Ländern liegt diese Steigerung im wesentlichen in der Bildungspolitik durch mehr Lehrer begründet. Wer das zurücknehmen will, muß das in diesem Hause sagen.
({18})
Beim Bund - das haben Sie schon anklingen lassen, Herr Dregger - ist seit 1974 der Personalbestand sogar rückläufig. Aber wem diese Information nicht reicht, der sollte das weiter untersuchen.
({19})
- Gnädige Frau, ich möchte Ihnen empfehlen, sich zu Wort zu melden, und Sie werden dann gleich ausreichend Gelegenheit haben, sich vor dem ganzen Hause zu artikulieren.
({20})
- Das ist immer die Begleitung zu dem, was ich sage; ich habe es nicht böse gemeint.
Es gibt eine zweite Möglichkeit - auch diese hat die CDU/CSU verkündet, und auch Herr Dregger hat das gesagt -: Das ist die Privatisierung weiter Teile des öffentlichen Dienstes. Da das, was Sie für Ihre Partei heute gesagt haben, nicht neu ist, bin ich der Sache nachgegangen. Dabei stieß ich auf folgende Ausführungen. Im Jahre 1975 forderte die CDU in ihrer Mannheimer Erklärung, das Gesundheitswesen, die Bildung - damit sind wir wieder bei den Lehrern -, den Umweltschutz, die Energieversorgung und sonstige Dienstleistungsbereiche zu privatisieren. Darauf aufbauend hat eine CDU/CSU-Fachkommission unter dem Vorsitz unseres Kollegen Vogel das Ganze noch mehr präzisiert. Da heißt es:
Nicht zu privatisieren sind hoheitliche Bereiche, Polizei, Justiz, Steuerverwaltung, dagegen aber Schulen, ..
({21})
- ja -:
... dagegen Bereiche wie Schulen, Daseinsvorsorge ({22}) ...
Herr Staatsminister Heubl, darauf aufbauend, hat am 19. März 1976 in einer Rede im Bayerischen Landtag das Ganze zusammengefaßt:
Der Gesamtstaat ohne Hoheitsbereich - wieder dasselbe ist zu privatisieren, insbesondere Bahn und Post.
Meine Damen und Herren, ich frage Sie, wer die Bahn mit ihrem Defizit privatisieren soll. Man muß Ihnen Ihre Ausführungen immer wieder vorhalten, damit Sie auch zu Ihren eigenen Äußerungen stehen.
({23})
- Herr Vogel, wir beide können zusammen singen, aber gemeinsam sprechen ist immer noch etwas schwierig.
({24})
- Ich glaube schon gern, daß Sie von mir lieber ein harmloses Volkslied als die Zitate aus Ihren eigenen Reihen hören würden.
Lassen Sie mich diesen Komplex abschließen. Ich zitiere die CDU-Kultusministerin Frau Laurien - vor dem Landkreistag 1976, also ganz frisch -:
Was halten wir davon, daß der Besuch eines Hallenbades die Gemeinde heute durchschnittlich 6 DM kostet, sie aber nur 1,50 DM an Eintrittsgeld kassiert und den Rest als Daseinsvorsorge verbucht? Damit wird nicht mehr Lebensqualität vermittelt, sondern im Grunde Anspruchsinflation gefördert an Leute, die mehr haben möchten, als sie sind ...
Dem ist kaum noch etwas hinzuzufügen.
Was also hinter Ihrer Privatisierung als Mittel, den öffentlichen Dienst finanziell sparsam zu gestalten, steht, ist nichts anderes als die Demontage des Sozialstaates.
({25})
Wir wollen uns nicht mißverstehen. Ich will nicht die Gegenposition aufbauen, daß im öffentlichen Dienst nicht gespart werden könnte. Aber diese Feststellung gab es vor hundert Jahren, sie wird es auch noch in hundert Jahren geben. Modernisierung, Rationalisierung, Begrenzung der öffentlichen Aufgaben - das sei Ihnen zugestanden - sind eine ständige Aufgabe und werden es auch bleiben.
Ich fasse zusammen: Mehr innere Sicherheit und mehr individuelle Freiheit haben in vielerlei Bereichen Voraussetzungen: in einer Friedenspolitik, in einem hohen Maß an sozialer Sicherheit in diesem
Lande und in einem hohen Effektivitätsgrad der Sicherheitsorgane. Erst dann - es kommen noch einige Faktoren hinzu - ist es möglich, daß in diesem Lande - wie in anderen auch - der Mensch seine eigene, unverwechselbare Persönlichkeit ausleben und zugleich als Mitmensch in einer sozialen Gemeinschaft fungieren kann. Dafür sind politisch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, innerhalb derer der einzelne Mensch seine Subjektivität und seine soziale Verantwortung in gleicher Weise entfalten kann. Dieses Ziel verfolgt seit mehr als hundert Jahren der demokratische Sozialismus.
({26})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wendig.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Zunächst ein Wort zu Ihnen, Herr Kollege Dregger. Man kann bei der Darstellung der innenpolitischen Lage in Deutschland die Dinge in entscheidenden Punkten so auf den Kopf stellen, wie Sie das eben gemacht haben. Das Bild stimmt dann aber nur insoweit, als sich auch die Betrachter auf den Kopf stellen oder sich auf den Kopf stellen lassen.
({0})
Die überwiegende Mehrheit dieses Hauses - da bin ich sicher - und auch die Mehrheit unseres Volkes tun das sicher nicht, Herr Dregger. Das Bild, das Sie hier zeichnen, stimmt also vorn und hinten nicht, und es wird auch nicht dadurch richtiger, daß Sie es immer wieder an die Wand malen.
({1})
Ich möchte mich auch mit den Dingen beschäftigen, die Sie - wie auch eben Herr Liedtke - angesprochen haben, im wesentlichen also mit innerer Sicherheit und öffentlichem Dienstrecht und einigen anderen Punkten mehr. Gestatten Sie aber vorab noch ein paar allgemeine Bemerkungen, die an das anknüpfen, was ich eben von diesem, wie ich meine - und diesen Vergleich werden Sie mir gestatten -, falschen oder auf den Kopf gestellten Bild sagte, Herr Dregger.
({2})
- Nun, dies ist Ihre und das ist meine Meinung, bitte!
Es ist dies schon eine schlimme Sache, und deswegen will ich einiges zur Begründung sagen. Es ist schon eine schlimme Sache, wenn über einen langen Zeitraum hinweg dem Bürger immer wieder ein verzerrtes Bild unserer politischen Wirklichkeit vorgezeichnet wird. Wenn man Ihnen manchmal zuhört, glaubt man bisweilen, Sie sprächen von einem anderen Staat, nur nicht von der Bundesrepublik Deutschland.
({3})
Ich sage das hier in allem Ernst: Man muß sich darum sorgen, daß hier notwendige Gemeinsamkeiten
- Gemeinsamkeiten, die unser aller Lebensgrundlage sind - einmal in die Brüche gehen könnten. Es nimmt die Züge einer gefährlichen Begriffsverwirrung an, wenn wir immer wieder hören müssen, die Freiheit in unserem Lande sei in ihrer Substanz bedroht.
Allerdings definiert die Opposition „Freiheit" in den verschiedenen Bereichen je nach eigenem Geschmack nach unterschiedlichen Maßstäben. In den Bereichen der Wirtschafts-, Gesellschafts- und Sozialpolitik - darüber haben wir gestern gesprochen - behaupten Sie, daß Zwänge auf uns zukommen oder auf uns zugebracht werden, die Freiheit bedrohen, wohl wissend, daß soziale Sicherheit auch ein Stück Freiheit ist. Worüber haben wir denn gestern diskutiert? Oder wie wird sonst bei Ihnen das Wort „Solidarität" buchstabiert?
In den Bereichen hingegen, in denen die unmittelbarste Freiheitssphäre des einzelnen Bürgers in Frage steht, in der Rechts- und Innenpolitik, haben Sie fast alle Vorstellungen der sozialliberalen Koalition als Ausdruck, nun, sagen wir, liberaler Schwäche oder als Ausdruck von etwas noch viel Schlimmerem abgelehnt. Ihre Einstellung zur Innen- und Rechtspolitik in den vergangenen vier Jahren - und auch in der Zeit davor - läßt sich, gerade was Ihre Vorstellung von Freiheit des einzelnen angeht, an vielen Einzelbeispielen erläutern; ich will dies jetzt nicht tun.
Aber Sie meinen dann auch manchmal weiter - ich gehe auf die Generaldebatte vom Dezember zurück -, dieser Staat vermittle keine ethischen Werte, wo es doch gemeinsame Meinung aller maßgeblichen Kräfte in unserem Lande war und ist, daß die Grundwerte in der Verfassung in einem pluralistischen Staat nur einen Rahmen darstellen, der von den politischen und geistigen Kräften in einem Volk, also vor allem auch vom Parlament, mit Leben erfüllt werden muß. Geschichtsbewußtsein, Nationalbewußtsein, bürgerliche Tugenden - und was Sie in diesem Zusammenhang im einzelnen nennen - werden nicht in Verfassungen und Gesetzen im Detail vorgeschrieben, sondern von denen entwickelt, ausgeformt und vorgelebt, die in diesem Staat Verantwortung tragen, und das ist nun einmal nicht Ihr Privileg, und Worte allein tun da nichts.
Sicher sind alle Demokraten dazu aufgerufen, sich um die Freiheit, um ihren Ausbau und ihre Sicherung zu sorgen. Aber, bitte schön, sagen wir dann doch genau, was wir darunter im einzelnen verstehen, und bestreiten wir dem anderen nicht das Bemühen, ebenso für die Freiheit zu streiten. Es nützt doch nichts, wenn in schönen Festreden manchmal gesagt wird, alle Kräfte in diesem Hause stehen für die Freiheit; und dann, wenn es zum Schwur kommt - meinetwegen hier oder sonstwo -, heißt es wieder anders.
({4})
Hören wir also auf mit einer Diskussion, die so, wie sie geführt wird, in der Bundesrepublik Deutschland absolut keinen Sinn hat und nur Schaden stiftet.
Die Fraktion der Freien Demokraten begrüßt es daher besonders, daß in der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers dem Ausbau und der Sicherung der Freiheit ein so hoher Stellenwert beigemessen worden ist. Sie werden keine Regierungserklärung der 50er oder 60er Jahre finden, in der so ausführlich und im Detail an den Schutz und den Ausbau der privaten Sphäre des einzelnen gedacht worden ist. Wir werden an der Ausformung dieser Grundsätze beharrlich weiterarbeiten. Die innere Sicherheit bleibt dabei eine wesentliche Aufgabe, die in diesem Bereich Vorrang hat.
Trotz der schrecklichen Ereignisse, die vorhin schon angesprochen worden sind, müssen wir relativierend dabei bleiben, daß die Situation in der Bundesrepublik zumindest im Vergleich zu anderen Rechtsstaaten der freien westlichen Welt nicht schlechter ist; eher trifft das Gegenteil zu. Wir haben in der Terrorismusszene in den vergangenen Jahren die notwendigen Maßnahmen bei der Novellierung des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts getroffen. Der weitere Ausbau des Bundeskriminalamts bleibt ein Schwerpunkt der Sicherheitspolitik. Trotz der bekannten Rückschläge in einem benachbarten Land - Herr Kollege Dregger, was können wir dafür? - in jüngster Zeit wird bei der internationalen Zusammenarbeit an der Bekämpfung des Terrorismus weitergearbeitet werden müssen. Wir dürfen uns hier nicht entmutigen lassen. Es ist aber das Verdienst der letzten Bundesregierung und ihrer Vorgängerin, für die Stärkung der inneren Sicherheit Voraussetzungen geschaffen zu haben, an die vor sieben Jahren in diesem Lande noch niemand gedacht hat. Dann sollte man aber nicht so tun, als hätte man ein Geheimrezept, in einem freiheitlichen Rechtsstaat eine absolute Sicherheit erreichen zu können, wo doch alle wissen, daß dieses in der Tat nicht geht.
Herr Kollege Dregger, Sie haben einiges zur Ausbildung der Polizei gesagt. Ich bin durchaus bereit, darüber zu diskutieren, ob und inwieweit, obwohl das Ländersache ist, die Ausbildung der Polizei - ich lasse den BGS einmal weg - der Bekämpfung moderner Formen des Verbrechens anzupassen ist. Nur, was Sie zum Jahre 1923 und zu München gesagt haben, das betraf bürgerkriegsähnliche Zustände, die Sie heraufbeschwören, die wir aber nicht haben und für die wir auch keine Vorkehrungen treffen müssen.
Das zweite war Ihr Hinweis auf die mangelnde oder, wie Sie meinen, nicht ausreichende Rüstungsanstrengungen der Vereinigten Staaten. Das ist ein Problem, über das man im Rahmen der Außenpolitik sprechen müßte, sicherlich nicht hier.
Ein verbesserter Schutzraumbau ist doch letztlich nicht eine Frage des guten Willens, den alle haben, sondern auch eine Frage der Finanzen. Das ist nicht nur heute so, das war auch in den Jahren so, in denen die CDU/CSU die Verantwortung getragen hat. Das muß man hier einmal sagen.
Mich schreckt - und damit möchte ich diesen Punkt abschließen - bisweilen die Reaktion, die nach Äußerungen der Opposition in diesen Fragen
bei dem einen oder anderen Bürger - und dann nicht nur am Biertisch - hervorgerufen wird. Ich weiß genau und gehe davon aus, meine Damen und Herren, daß Sie das nicht wollen. Bedenken Sie aber bitte einmal in aller Ruhe und in allem Ernst, welche Emotionen Sie mit Ihrer Strategie auslösen können und mit welchen Folgen.
Unser Staat kann sich auf einen öffentlichen Dienst stützen, der ein zuverlässiges Element in der verfassungsmäßigen Ordnung darstellt und auch weiter bleiben wird. Notwendige Schritte zu einer Reform des öffentlichen Dienstrechts werden dazu beitragen, den öffentlichen Dienst in der Hoheitswie in der Leistungsverwaltung noch besser den modernen Anforderungen anzupassen. Wir begrüßen ausdrücklich, daß auf einige der nächsten Schritte in der Regierungserklärung konkret Bezug genommen worden ist: Ausbau der Teilzeitbeschäftigung, Verbesserung des Laufbahnsystems und anderes mehr.
In diesem Zusammenhang einige Worte zur Extremistenfrage. Ich halte eine Argumentation, meine Damen und Herren, insbesondere von der Opposition, für unredlich, diese Regierung und die sie tragenden Parteien wollten mehr oder weniger bewußt Extremisten den Zutritt zum öffentlichen Dienst eröffnen.
({5})
Man hört dies immer wieder. Redlicher und der Sache dienlicher wäre es, man beschränkte sich darauf, darzulegen, warum denn die Vorstellungen der Bundesregierung und der Koalition nach Auffassung der Opposition nicht ausreichen. Dann ließe sich über diese Frage sachlich streiten. Eine solche sachliche Diskussion ist aber schon im Ansatz zerstört, wenn Sie dem anderen immer wieder von vornherein bösen Willen unterstellen.
Wir meinen allerdings - und hier ein Wort zur Sache -, das Verfahren muß so gestaltet sein, daß es Gefahren für die berufliche Zukunft ausscheidet, die dem einzelnen jungen Staatsbürger aus der Wahrnehmung von Grundrechten entstehen können. Dies ist in der Tat ein Beitrag zur Liberalität in unserem Staat, zu dem wir uns bekennen. Man kann sicher nicht behaupten, das Verfahren in unserem Lande sei überall so, daß es solche Gefahren nicht begründen könnte. Nicht so sehr Bedenken aus dem Ausland, von denen wir immer sprechen, sondern unser eigenes Verständnis von der Stärke der Demokratie in unserem Lande zwingt uns zu einer gründlichen Überlegung. Das, meine Damen und Herren, was Sie in der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers dazu vorfinden, steht voll im Einklang mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und der Entscheidung einiger oberer Bundesgerichte. Es wäre ein Segen für unseren Staat, wenn die Erörterung dieser Frage so, wie sie bisher von der Opposition geführt wird, nicht die Innenpolitik in unserem Lande auf weitere Jahre vergiftet.
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Im Sektor Personalpolitik, Amterpatronage, Herr Dregger, haben Sie auch einige sehr starke Worte gefunden. Ich will eines zugeben; aber ich bitte auch,
dabei genau meine Ausformulierung zu hören. Es mag wirklich sein, daß in unserer Bundesrepublik manchmal personelle Entscheidungen im öffentlichen Dienst zu sehr parteipolitisch motiviert erscheinen. Darüber muß man reden können; aber wir alle. Sie sollten jedoch den Eindruck vermeiden, die Union sei dort, wo sie regiert oder regiert hat, frei von solchen Motiven gewesen. Lassen Sie doch bitte diese Einseitigkeit!
({7})
Mit äußerster Sachlichkeit und ohne jede Polemik, die mir gar nicht liegt, sollte man auch der Frage begegnen, ob der Staat durch eine unangemessene Vermehrung seiner Aufgaben nicht die Leistungsfähigkeit unserer öffentlichen Haushalte überfordert und Freiheitsraum abbaut. Es ist unbestritten, daß die Personalkosten von Jahr zu Jahr zum Teil erheblich gestiegen sind. Ich spreche hier zunächst einmal nur von der Stellenvermehrung. Sie betreffen Bund, Länder und Gemeinden gemeinsam. Sicher liegt dies zu einem Teil - das ist gar keine Frage, Herr Kollege Dregger - an den Gesetzen, die dieses Haus erlassen hat, aber nicht nur daran. Es ist sicher nützlich, auch hier einmal ein paar Zahlen zu nennen.
Von dem Personal bei Bund, Ländern und Gemeinden entfielen nach dem Stand vom 30. Juni 1975 - hier hat sich nicht viel geändert - 40,5 % auf das Bildungswesen, 10,7 % auf die innere Sicherheit, 10,4 % auf die Verteidigung, je 6,9 % auf die Justiz und das Sozial- und Gesundheitswesen und lediglich 16 % auf die zentrale Verwaltung in Bund, Ländern und Gemeinden einschließlich des Auswärtigen Dienstes, natürlich auch einschließlich der Steuerverwaltung beispielsweise, deren Schwierigkeiten, die gestern hier einmal angesprochen worden sind, ich mit dem Präsidenten des Bundes der Steuerbeamten durchaus sehe. Aber wenn man diese Zahlen sieht und hört, dann muß man sich schon sehr konkret überlegen - Herr Kollege Liedtke hat davon gesprochen -, in welchen Bereichen ein Abbau von Staatsaufgaben stattfinden kann. Es zeigt sich aber auch, daß bestimmte Sachzwänge auf allen Ebenen der staatlichen Verwaltung zu bestimmten personellen Konsequenzen geführt haben, ohne daß sie durch Bundesgesetze ausgelöst worden waren.
Im übrigen bringt es uns nicht weiter, wenn, Herr Kollege Dregger, vordergründig eindrucksvoll mit der Seitenzahl von Bundesgesetzblättern oder mit der sprachlich sicherlich verunglückten Formulierung von „Rechtsvorschriften" operiert wird. Der Herr Kollege Strauß hat dem in seinem Debattenbeitrag vom 17. Dezember einige Beispiele aus der alten deutschen Rechtssprache entgegengestellt. Auch dies war in einem gewissen Sinne eindrucksvoll. Nur, die Umständlichkeit und sprachliche Blässe der modernen Rechts- und Verwaltungssprache, die sicher zu beklagen ist, ist nun wirklich keine Erfindung dieser Bundesregierung und dieser Koalition. Ich könnte mit gleichen Beispielen aus den 50er und 60er Jahren aufwarten. In der Sache selbst beweisen diese Vergleiche doch im Grunde genommen gar nichts.
Ich will hier gleichwohl nicht einer unkontrollierten Aufwertung und Ausweitung der Staatsaufgaben das Wort reden, um das hier auch einmal ganz klar und deutlich zu sagen. Nur genügt es nicht, wenn man pauschal den Zuwachs staatlicher Aufgaben beklagt, ohne gleichzeitig hier und draußen dem Bürger konkret zu sagen, in welchen Bereichen man staatliche Aufgaben abbauen oder verkürzen will. Und das tun Sie.
({8})
Nur wenn man so sachbezogen mit den Tatsachen umgeht, hat eine Debatte über den Umfang staatlicher Aufgaben und das Volumen der Personalkosten einen Sinn. Auf dieser Grundlage allerdings sind die Freien Demokraten zu einer offen Aussprache jederzeit bereit. Generalismus und Generalisten haben nicht einmal im Wahlkampf Erfolg, auf keinen Fall bei einer so sachbezogenen Debatte in dieser Frage hier.
({9})
Ich möchte abschließend noch einiges zum BundLänder-Verhältnis sagen. Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung vom 16. Dezember einige sehr abgewogene Sätze zur Machtbalance in einem Bundesstaat gesagt. Ich zitiere hier nur den einen Satz:
Alle haben die Pflicht, die vom Grundgesetz gewollte Machtbalance in Rechnung zu stellen und sie vor institutionellem Mißbrauch, aber auch vor parteipolitischen Verwerfungen zu bewahren.
Ich kann nur sagen: Wie wahr! Daran kann doch eigentlich niemand etwas auszusetzen haben.
Dennoch warf der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Herr Kollege Kohl, in seiner Erwiderung dem Bundeskanzler vor, er solle doch bitte die dauernde Schelte des Bundesrats sein lassen. Das ist in bezug auf die Ausführungen des Bundeskanzlers nun wirklich überhaupt nicht zu verstehen. Es ist aber noch viel weniger zu verstehen, wenn zu der gleichen Zeit von maßgeblichen Vertretern der CDU und der CSU erklärt wird, die Einheitlichkeit der Unionspolitik im Bundesrat müsse auf jeden Fall erhalten bleiben. Das soll doch wohl heißen: Bundesratsmehrheit als politisches Instrument der Union. Oder was sonst?
Ich komme, meine Damen und Herren, aus Niedersachsen und habe deshalb besonders genau hingehört. So kann doch wohl die Funktion der Länder im Bundesrat nicht verstanden werden. Da drängt sich für jeden die Frage auf, auf welcher Seite ein falsches Verständnis von der Funktion des Bundesrats liegt. Ich glaube, diese Frage ist da nicht sehr schwer zu beantworten.
({10})
Noch ein letztes. Herr Kollege Marx hat vorgestern von einem drohenden Vertrauensverlust des Parlaments und von der Fragwürdigkeit der praktisch geübten Gewaltenteilung in unserem Staat gesprochen. Ich stimme ihm darin zu, daß wir alle über die Position des Parlaments und seine GlaubDr. Wendig
würdigkeit nicht nur nachdenken, sondern auch hier einmal grundsätzlich sprechen und danach handeln sollten. Was Sie dagegen, Herr Marx, über die angeblich fehlende Kontrollfunktion der Koalitionsfraktionen gesagt haben, ist falsch. Die Behauptung ist einfach nicht richtig, die Fraktionen der SPD und der FDP beschränkten sich auf die Absicherung von Regierungsvorlagen. Es gibt aus der letzten Legislaturperiode sehr viele Beispiele - Sie wissen es alle sehr genau -, in denen das Parlament in allen Fraktionen Regierungsvorlagen geändert hat. Ich nenne nur einige wenige Beispiele. Nehmen wir das Haushaltsstrukturgesetz! Nehmen wir die Gesetze zur Bekämpfung des Terrorismus! Das kennen wir doch alle. Es stimmt also nicht, wenn Sie behaupten, nur die Opposition übe die dem Parlament obliegende Wächterfunktion aus.
Wir werden auch in Zukunft unsere unabhängige und kritische Stellung uneingeschränkt beibehalten und bedürfen dazu keines Zuspruchs.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Diese Feststellung ändert nichts daran, daß wir in der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers auch im Bereich der Innenpolitik eine zuverlässige Grundlage unserer künftigen Arbeit erblicken. Die Fraktion der Freien Demokraten wird diese Politik nach ihren besten Kräften unterstützen.
({11})
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Reihen des Bundestages haben sich am vierten Tag der Debatte ein bißchen gelichtet. Der erste war im Dezember und jetzt haben wir schon den dritten Tag der Debatte im Januar. Vielleicht ist das Debattebedürfnis doch ein wenig überschätzt worden.
Ich will das aber nicht im Unterton des Vorwurfs bemerken, sondern muß gleich einräumen, daß z. B. der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion wie andere Kollegen und auch ich die Absicht haben und uns verpflichtet fühlen, zum Abschiedsempfang, der zugleich ein Geburtstagsempfang ist, zu Bischof Kunst zu gehen, der seinen 70. Geburtstag feiert.
Vielleicht darf ich die Gelegenheit nutzen, etwas zu sagen, wovon ich glaube, daß es auf allen Seiten ähnlich empfunden wird. Ich bin zufällig derjenige, der heute morgen darauf zu sprechen kommen darf.
Bischof Kunst hat fast seit der Geburtsstunde der Bundesrepublik Deutschland das politische Geschehen hier in Bonn als Vertreter seiner Kirche begleitet. Er ist in diesen 27 Jahren all denen, die politische Verantwortung getragen haben, gleich, welcher parteilichen Zugehörigkeit, ein stets vertrauensvoller Partner gewesen. Ich denke, wir alle haben Anlaß, ihm heute angesichts des bevorstehenden Ausscheidens aus seinem Amt sehr herzlich zu danken und ihm fürderhin Glück zu wünschen.
({0})
Ich bin dankbar, daß einige Kollegen mir ermöglicht haben, in diesem Augenblick der Debatte zu sprechen, was dem Oppositionsführer die Möglichkeit läßt, zu replizieren, bevor auch er das Haus verlassen muß. Ich habe mich zu Wort gemeldet, um auf einige Bemerkungen der gestrigen und der heutigen Debatte einzugehen.
Heute morgen hat sich Herr Abgeordneter Dregger mit einer Bemerkung beschäftigt, die ich nach meinem Besuch in Spanien gemacht habe und in der ich davon sprach, daß die KP in Spanien Bestandteil des politischen Spektrums sei.
({1})
- Nein. Des „demokratischen" Spektrums habe ich nicht gemeint. Falls da ein Sprechfehler vorgelegen haben sollte, täte es mir leid. Ich kann das im Augenblick nicht kontrollieren. Was ich meine - Herr Dregger, damit wir uns richtig verstehen -, ist dies: Sie ist ein Bestandteil des politischen Spektrums. Ich bin allerdings der Meinung - nicht nur für Spanien -, daß es viel besser ist, solche Parteien zählbar durch die Zahl der Wählerstimmen und der Abgeordnetenmandate, die sie erringen, im Parlament zu haben denn als angeblich gewaltige Gruppe im Untergrund, die sich zugleich als Märtyrer und als Anwalt wahrer Demokratie gebärdet. Das ist meine Meinung.
({2})
Falls es irgendwo ein sprachliches Mißverständnis oder einen Übermittlungsfehler gegeben haben sollte, tut es mir leid. Dies ist das, was ich meine.
Ich möchte nun einige Worte zu Themen sagen, die der Abgeordnete Biedenkopf berührt hat. Herr Kollege Friderichs ist gestern schon darauf eingegangen. Es bleibt noch einiges zu sagen übrig. Zunächst - vielleicht kann man das Herrn Professor Biedenkopf übermitteln - herzlichen Glückwunsch zu einer sehr wirksamen Jungfernrede hier im Bungestage. Herr Biedenkopf ist nun seit zwei Tagen kein Generalsekretär mehr. Er ist bloß noch - ({3})
- Wie? Ah, ich sehe, Sie freuen sich darüber, daß er es noch acht Wochen ist. Also gut. Er will es nicht - ({4})
- Vier Jahre.
({5})
- Ich will mich korrigieren und sagen: Seit zwei Tagen wissen wir, daß Herr Biedenkopf kein Generalsekretär mehr sein will. Er ist im Augenblick nur noch General, d. h. ein General, der um die Truppen erst noch ringt, die sich hinter ihm scharen sollen. Das kann ja dem General durchaus gelingen. Andere
Generale und Generalisten müssen aufpassen, daß ihnen die Truppen nicht abgezogen werden.
({6})
Mir liegen ein paar Punkte am Herzen, die Herr Biedenkopf hier aufgebracht hat. Herr Biedenkopf hat sich - worüber sich schon Herr Friderichs mit Recht mokiert hat - über eine Passage [Ziffer 36] der Regierungserklärung hinsichtlich der Transfereinkommen lustig gemacht. Er hat - und das ist bei der intellektuellen Brillanz, die diesem Kollegen eignet, besonders schwer anzukreiden - an dieser Stelle zwei entscheidende operative Bestandteile der Regierungserklärung beim Zitieren fortgelassen, nämlich daß die Regierungserklärung sagt, es müßten die unkoordinierten Einkommensgrenzen bei einer Reihe von Gesetzen, die ja die Transfereinkommen regeln, geprüft werden. Diese Aussage ist ja wohl wahr: In den vielen Gesetzen über Sozialhilfe, Wohngeld, Kindergeld, BAföG - und wie das alles heißt - die im Laufe der Jahre und Jahrzehnte entstanden sind, sind alle Einkommensgrenzen jeweils so festgelegt, wie es in dem Augenblick, als das betreffende Gesetz gemacht wurde, vernünftig erschien; sie stimmen hinten und vorn nicht miteinander überein und führen zu verzerrenden und verzerrten Ergebnissen im Einzelfall, wenn man die eine Familie mit der anderen vergleicht, die im Grunde in vergleichbaren Lebensumständen lebt, aber ganz verschieden behandelt wird. Das ist einer der Punkte, die in der Regierungserklärung stehen. Herr Biedenkopf hat ihn beim Zitieren verschwiegen und sich im übrigen darüber lustig gemacht.
({7})
- Nein, nein. Sie wissen schon, daß ich in diesem Punkte recht habe, Herr Vogel. So was darf man hier nicht durchgehen lassen.
Er hat dann an anderer Stelle die erstaunliche Behauptung aufgestellt, wir hätten systematisch alles getan, um dem Mittelstand die Altersvorsorge zu erschweren. In Wirklichkeit ist es doch so, daß diese Koalition z. B. für den bäuerlichen Mittelstand die ganze Agrarsozialpolitik überhaupt erst geschaffen hat.
({8})
Es ist doch unerhört, so etwas zu sagen. Es war diese Koalition, die die staatliche Sozialversicherung, die Rentenversicherung, für den Mittelstand geöffnet hat. Wie viele Hunderttausende machen davon Gebrauch!
({9})
- Ja, Herr Franke, Sie haben mitgewirkt. Das will ich ja nicht leugnen.
({10})
- Nun lassen Sie mich einmal reden. Herr Biedenkopf muß bei aller Brillanz der Diktion dann aber noch dieselbe Redlichkeit aufbringen, die ein anderer Ihrer Redner gestern aufbrachte. Auf den komme ich ausführlich zurück, weil er mich durch seinen zwar sehr polemischen, aber in der Substanz interessanten Vortrag beeindruckt hat. Das war Herr Katzer. Herr Biedenkopf muß die Mitwirkung aller drei Seiten richtig einstufen. Es ist doch in Wirklichseit so, daß die Öffnung der Sozialversicherung für mittelständische und freie Berufe uns nun in der Sozialversicherung und speziell in der Krankenversicherung alter Menschen erhebliche Sorgen macht. Andere müssen doch nun für sie die Lasten mittragen, die ihrerseits viele Jahre und Jahrzehnte Beiträge zur Renten- und Krankenversicherung gezahlt haben.
({11})
Herr Bundeskanzler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Geisenhofer?
Wenn der Kollege so liebenswürdig ist, seine Frage noch ein bißchen aufzusparen! Ich will mich nicht entziehen. Ich möchte aber gerne noch etwas ein bißchen ausführen dürfen. Ich will auch nicht zu lange sprechen. Ich sehe gerade, daß der Kollege Katzer kommt. Ich wäre Ihnen daher dankbar, wenn Sie sich dazu noch ein bißchen später durch Zwischenfrage äußerten.
Ich muß auch sagen, Herr Professor Biedenkopf ist schlecht beraten, wenn er sich hier im Bundestag über die Funktionäre lustig macht. Das war in gewerkschaftlicher Richtung gezielt, vielleicht auch in Richtung auf parteiliche Funktionäre und Vertrauensleute. Erstmal war Herr Biedenkopf nicht nur bis vorgestern, sondern er ist, wie mir Herr Abgeordneter Kohl eben zurief, noch für die nächsten acht Wochen selber ein Funktionär. Vorher war er ein Funktionär eines großen Wirtschaftsunternehmens. Man soll sich hier nicht so aufspielen, als ob jemand, der für andere in einer Organisation Arbeit leistet, deswegen als Bürger oder als moralische Qualität geringer zu achten sei als jemand, der mit professoraler Würde zu sprechen vermag.
({0})
Vielleicht kann dem Herrn Professor Biedenkopf bestellt werden - nach meiner Meinung ist es so -: Wer ein bißchen z. B. von der Arbeit von Gewerkschaftsfunktionären im Betrieb und in der Gewerkschaft weiß - ehrenamtliche gibt es zu Hunderttausenden, hauptamtliche zu Tausenden -, der weiß dann auch, daß ohne diese Funktionäre eine freiheitliche Gesellschaft in diesem Lande gar nicht möglich wäre.
({1})
,Auch wenn es in den Kreisen von Herrn Professor Biedenkopf schick sein mag, sich über Funktionäre öffentlich lächerlich zu machen, so sollte er es sich abschminken, der er selber noch vor wenigen Monaten öffentlich das Ahlener Programm hinsichtlich seiner fortwirkenden politischen Bedeutung gelobt hat. Dies beides paßt doch nicht zusammen!
({2})
In dem Zusammenhang ist mir besonders die Behauptung aufgestoßen, die Bundesregierung schiebe Verantwortung auf die gesellschaftlichen Kräfte ab, und sie würde auf diese Weise ihrer eigenen Verantwortung entfliehen wollen. Dies alles geschah natürlich immer in der Absicht, die Herr Biedenkopf seit Beginn oder seit dem Frühjahr des Jahres 1976 verfolgt hat, dann, wenn ihm oder seiner Partei zur Substanz, zur Sache sonst nichts zu Gebote steht oder nicht zugewachsen oder eingefallen ist, statt dessen mit dem fixierten Feindbild, das er benutzt und dem er auch sehr viel semantische Bemühung zugewendet hat, zu arbeiten.
Herr Abgeordneter Kohl, wenn ich Sie an Stelle von Herrn Biedenkopf, dessen Abwesenheit ich nicht beklage - das kann durchaus seine guten Gründe haben -, ansprechen darf, es ist doch so: Wenn immer eine Regierung oder Sie als Partei oder wenn ein einzelner Abgeordneter, ein Politiker oder wenn die Regierungserklärung an die Verantwortung von Gewerkschaften und Tarifparteien insgesamt appelliert, an die Verantwortung von Unternehmen und Unternehmensleitungen, von Verbänden, von Kirchen oder auch schlicht der einzelnen Bürgerin und des einzelnen Bürgers, so geschieht dies doch im Sinne der freiheitswahrenden Balance zwischen Personalität auf der einen und Solidarität auf der anderen Seite oder, wenn Sie so wollen, Person und Staat.
({3})
Wie kann sich denn - ordnungspolitisch gebärdet er sich ja als Neoliberaler, der Herr Biedenkopf - ein solcher Neoliberaler, der zugleich das Ahlener Programm innerlich bejaht, dazu verleiten lassen, hier glauben machen zu wollen, die Regierung schiebe Verantwortung auf andere ab, wenn sie die anderen an ihre Verantwortung gemahnt, an ihre eigenständige Verantwortung! Wie soll denn z. B. - das sage ich an den katholischen Teil in diesem Hause - das Prinzip der Subsidiarität überhaupt Sinn machen, wenn nicht zunächst an die Verantwortung des einzelnen und seiner Gruppe appelliert wird?
({4})
Herr Biedenkopf hat sich auch, mehr en passant und mehr rhetorisch, floskelhaft, mit dem Orientierungsrahmen beschäftigt, den die Sozialdemokratische Partei zu ihrer eigenen geistigen Klärung - nicht als Regierungsprogramm hier im Bundestag - sich selbst vorgelegt hat. Ich darf ihn darauf hinweisen, daß er dort z. B. - ich könnte auch die Textziffer benennen - findet, daß und wie sowohl die Verstaatlichung der Gesellschaft als auch etwa die Vergesellschaftung des Staates von Übel und zu verhindern und zu vermeiden sei. Das heißt einerseits - und so steht es dort -: Ohne die Fähigkeit und ohne die Bereitschaft der Gesellschaft zur Selbstregulierung, zur Selbsthilfe müßte der Staat bürokratisch erstarren und in seiner Leistungsfähigkeit Schaden nehmen; dasselbe gelte, wenn das Versorgungsdenken zunähme. Andererseits ist dort auch die Rede davon, der Staat dürfe nicht in Abhängigkeit von den gesellschaftlichen Gruppen geraten. Zum dritten werden dann die Kriterien vernünftiger Zusammenarbeit von Staat und Gesellschaft, von Staat und Bürger, aufgezeigt. Von nichts anderem - das muß Herr Biedenkopf zur Kenntnis nehmen - ist in der Regierungserklärung an der Stelle, über die er sich so lustig gemacht hat, die Rede. Vielleicht sollte er noch einmal prüfen, ob das, was er hier gestern nachmittag gesagt hat, wirklich redlich war, ob es in Ordnung war. Vielleicht wird er dann betroffen feststellen, daß die von seinem fixierten Feindbild ausgehenden Zwänge bereits die Vorurteilslosigkeit seines eigenen Lesens und Hörens beeinträchtigen.
({5})
Das mit dem ökonomischen Positivisten, der ich angeblich sein soll - was mich nicht weiter berührt, eher amüsiert -, gehört in Wirklichkeit in die gleiche Rubrik.
Nun weiß ich ja nicht genau, welche Bedeutung der wirtschaftspolitische Sprecher Biedenkopf in Zukunft im Deutschen Bundestag haben wird. Das wird sich herausstellen. Ich weiß auch nicht genau, für wen er spricht. Auch das wird sich herausstellen.
({6})
- Wissen Sie, wenn jemand eine brillante Rede hält, sollten Sie sich doch freuen, wenn man darauf eingeht. Auf die Rede von Herrn Franke kann man hier nicht eingehen; das muß nun wirklich festgestellt werden.
({7})
- Ich gehe statt dessen nachher auf Herrn Katzer ein; der hatte mehr Substanz als Herr Franke.
({8})
- Das war bei Herrn Katzer zwar auch polemisch verpackt, aber man muß zwischen den Zeilen herausholen, was er gesagt hat. Das tue ich gleich. Er ist ja auch schon gekommen und kann dann leugnen oder zustimmen, je nachdem.
({9})
Ich lese heute morgen im „Handelsblatt" - das geht noch auf die Rede von Herrn Biedenkopf -:
Den wirtschaftspolitischen Kurs der Union kann letztlich nur einer festlegen.
Dies ist nicht Herr Kohl, wie man denken könnte.
Dies ist der CSU-Chef. Bis dahin bleibt für Biedenkopf nur die Rolle eines Kartell- und Mittelstandsspezialisten.
({10})
Ich habe ja etwas mehr Hoffnung für den Herrn Biedenkopf;
({11})
denn es steht ja dauernd in den Zeitungen - heute
morgen wiederum -, daß Herr Strauß - wo ist
er? - nach München gehe - zur Erleichterung des Herrn Kohl und des Herrn Biedenkopf. Da sind sie beide dann in einem Boot.
({12})
Zum Ernst zurück. Herr Biedenkopf hat gefragt, warum wir den Tarifparteien, den gesellschaftlichen Gruppen keine Orientierung zur Lösung ihrer verteilungspolitischen Konflikte gegeben hätten. Dies ist nun allerdings wiederum unsauber. Herr Biedenkopf weiß, daß das Gesetz über Stabilität und Wachstum vorschreibt, daß jedes Jahr ein Jahreswirtschaftsbericht gegeben werde. Herr Biedenkopf weiß, daß dieser Bericht auch jedes Jahr bisher regelmäßig und pünktlich gegeben worden ist - das geschieht auch in diesem Jahr - und daß es dort eine wirtschaftliche Orientierung für die erwartete Entwicklung der ganzen Volkswirtschaft gibt, daß in der Konzertierten Aktion darüber geredet wird. Die Kritik war sehr billig in diesem Punkte; dies kann man überhaupt nicht entschuldigen.
({13})
Dann gab es noch einen Punkt bei diesem wirtschaftspolitischen Sprecher. Er hat von der Nichtvoraussehbarkeit konkreten Regierungshandelns oder der Folgen konkreten Regierungshandelns gesprochen; ganz genau habe ich es nicht mehr im Ohr. Er und Ihre ganze Fraktion, Herr Abgeordneter Kohl, können doch nicht daran vorbeisehen - Sie wollen das nicht wahrhaben; na schön, das habe ich jetzt verstanden -, Sie können doch nicht in Ihrem eigenen Urteil daran vorbeisehen, wie groß die weltweite Interdependenz inzwischen geworden ist und daß das Schicksal unserer Wirtschaft genau wie das der Italiener, der Engländer, der Franzosen und vieler, vieler anderer Staaten der Welt in dieser Interdependenz hängt und daß sich das bei uns nicht wesentlich anders vollziehen kann, als es sich aus den Gesamtzusammenhängen heraus vollzieht. Darüber kann man doch nicht, wenn man hier eine Stunde redet, überhaupt hinweggehen.
({14})
Das ist wirklich unter dem intellektuellen Niveau, das ich, ohne daß ich es einschränken will, Herrn Biedenkopf zubillige. Jemand mit diesem Einsichtsvermögen und mit dieser Formulierungskunst darf es sich und seinen Zuhörern nicht leisten, Tatsachen zu verfälschen und Tatsachen zu verschweigen. Das ist unzulässig.
({15})
- So ist es. Wenn er es dennoch tut - wie gestern nachmittag -, dann gehen eben seine schicken Pointen haarscharf an dem wirklichen Problem vorbei. Das galt für vieles, was er gestern gesagt hat.
({16})
Vor wenigen Tagen ist jemand in ähnlich polemischer Weise, wie gestern Herr Biedenkopf sprach, vorgegangen.
({17})
- Wissen Sie, ich fange nie an, aber ich kann antworten. Das wird auch für Sie gelten, falls Sie hier einmal so eine Rede halten wie Biedenkopf gestern. Ich kann antworten; das wird auch heute so bleiben.
({18})
Sie werden mir zubilligen, daß die Regierungserklärung von einer hervorragenden Sachlichkeit im Inhalt und im Ton gekennzeichnet war.
({19})
Sie enthielt kein einziges polemisches Wort, kein einziges.
({20})
Da hat jemand wie der Herr Professor Biedenkopf vor ein paar Tagen gefragt - ich zitiere -:
Die Politiker scheinen ohnmächtig, der wirtschaftlichen Probleme Herr zu werden, vor allem die Arbeitslosigkeit zu beseitigen. Ist die Marktwirtschaft etwa überfordert?
Die Antwort, die dann gegeben wurde, lautete so:
Warum so apokalyptische Worte? Der Zustand der deutschen Wirtschaft ist nicht schlecht. International gesehen ist er sogar sehr gut. Die Volkswirtschaft hat Jahre eines schmerzhaften Stabilisierungsprozesses hinter sich, der zudem unter ungünstigen außenwirtschaftlichen Bedingungen bewältigt werden mußte: Erdölkrise, Weltrezession. Aber er ist aufs Ganze gesehen doch erfolgreich verlaufen.
Der diese Antwort gab, war auch ein Professor, nämlich der Vorsitzende des unabhängigen Sachverständigenrates, Professor Sievert. Aber das sind Tatsachen, die Herr Biedenkopf dann lieber nicht zur Kenntnis nehmen möchte. Vielleicht sollte man sich überlegen, ob man den Professor Biedenkopf nicht in den Sachverständigenrat beruft, damit sein Blick etwas ausgeweitet wird.
({21})
Da wird uns in allem Ernst erzählt, es gehe der deutschen Wirtschaft schlecht wegen zu vieler staatlicher Eingriffe und weil die Steuererklärungen zu schwierig abzufassen seien. Das letztere ist wirklich wahr. Gleichzeitig machte sich dann ein anderer Sprecher vor Ihnen darüber lustig, daß ich gesagt habe: Das mit den Formularen muß ein bißchen einfacher werden. Einer der Kollegen aus diesem Haus hat mir vor ein paar Tagen eine Lohnabrechnung für einen Facharbeiter aus seiner Firma mitgebracht. Sie werden es nicht glauben, aber ich könnte sie
produzieren. Eine Lohnabrechnung von mehr als fünf Meter Länge, vom Computer ausgedruckt, hat man dem Mann in die Hand gedrückt. Und damit soll der fertig werden!
({22})
- Das ist in der Tat wahr. Ich bringe den Punkt hier vor, weil ich damit an alle Firmen, z. B. auch an Ihre Überlandzentrale, Herr Kollege Dregger, appellieren will, ihre Abrechnungen übersichtlich zu machen.
({23})
Wenn wir uns bemühen, Bürokratie und Formelkram im Umgang mit dem Bürger zurückzudrängen,
({24})
dann kann sich doch der Professor Biedenkopf nicht darüber lustig machen.
({25})
Jetzt möchte ich gern auf die Tatsachen zu sprechen kommen, zu denen weder Herr Professor Biedenkopf noch - bisher - sonst ein Sprecher der Union ein Wort gesagt hat, die in Ihrem Weltbild fehlen, obwohl Sie es aus einer Zeitung - wenigstens zum großen Teil - beziehen, die sich „Die Welt" nennt. Diese Zeitung „Die Welt" hat am 10. Januar - natürlich nicht auf der Seite eins oder der Meinungsseite, sondern hinten im Wirtschaftsteil - eine interessante Statistik gebracht, die dann anschließend auch in anderen deutschen Tageszeitungen abgedruckt worden ist. Die Überschrift lautete: „Europa im Examen". In dieser Statistik wird - graphisch schön aufbereitet - dargestellt, wie es mit dem Wirtschaftswachstum der zehn wichtigsten europäischen Staaten aussieht. Da stehen wir an erster Stelle. Weiter wird dargestellt, wie es mit der Arbeitslosigkeit in den zehn wichtigsten europäischen Staaten aussieht. Da stehen wir an vierter Stellen, von dem Günstigsten aus gerechnet. Am günstigsten stehen die drei Länder da, die nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehören: Schweiz, Schweden und Osterreich; das hat auch seine Gründe. Ferner wird dargestellt, wie es mit dem Preisanstieg der zehn wichtigsten europäischen Staaten aussieht. Da stehen wir an zweiter Stelle, vom Günstigsten aus gerechnet; nur die Schweiz steht noch besser da. In der Gesamtwertung bescheinigen uns „Die Welt" und übrigens genauso die „Süddeutsche Zeitung" eine Woche später, daß wir unter diesen zehn Staaten an erster Stelle stünden. Und dies ist ja nicht von selbst gekommen.
An dem, was Herr Biedenkopf vorträgt, was hier schlecht sei, mag etwas Richtiges sein. Es mag zutreffen, daß hier vieles verbesserungswürdig ist, aber Deutschland schwarz in schwarz zu malen, Herr Abgeordneter Kohl, und sich dann gleichzeitig hier hinzustellen und zu bedauern, daß nicht überall
genug Vertrauen in die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands verbreitet sei, dies geht nicht zusammen. Dies ist verantwortungslos!
({26})
Die Deutsche Mark ist im Laufe der letzten 365 Tage gegenüber allen Währungen der Welt im gewogenen Durchschnitt um 14 °/o im Wert gestiegen. Das ist also eine 14 %ige Aufwertung. Denken Sie einmal darüber nach, was das wohl bedeutet. Währungen und Währungskurse drücken doch den inneren Wert und das Vertrauen aus, das der Markt in den zukünftigen Wert der Volkswirtschaften hat. Um 14 °/o im gewogenen Durchschnitt gegenüber allen Währungen der Welt sind unsere Währung und das Vertrauen in unsere wirtschaftliche Zukunft gestiegen. Und weil dieses Vertrauen in unsere Zukunft begründet ist, weil wir ja auch wirklich Möglichkeiten haben, haben wir anderen mit unserer währungspolitischen Reserve auf vielfältige Weise geholfen, auf vielfältigste Weise, innerhalb wie außerhalb der EG.
Ich denke, es war wichtig und bleibt wichtig, daß wir die Weltwirtschaftskrise der Jahre 1974/75, die nicht völlig überwunden ist und die nach wie vor Sorgen machen muß, in ihren Entstehungsursachen von der Krise der Jahre 1930, 1931, 1932 sorgfältig unterschieden haben. Damals hat es sich um eine weltweite Deflationskrise gehandelt. Damals wäre es richtig gewesen, mit Keynesianischen Instrumenten zu antworten. Damals gab es sinkende Preise, sinkende Löhne, sinkende Beschäftigung, sinkende Produktion, sinkende Kapazitätsausnutzung und naturgemäß auch sinkende Einnahmen der Steuerkassen in allen Staaten der Welt und sinkende Einnahmen der Sozialversicherungskassen in aller Welt. Diesmal haben wir es dagegen mit einer Weltinflation zu tun, deren Ausmaß bei aller Unterschiedlichkeit des Tempos in den einzelnen Staaten und Wirtschaftsräumen in einer Weise gesteigert worden ist, wie es vorher nur einmal in der Weltwirtschaftsgeschichte geschah, nämlich durch die inflationierende Finanzierung der kriegführenden Staaten gegen Ende des zweiten Weltkriegs.
Sicherlich, die gegenwärtige Inflation hat vielfältige Gründe. An ihr ist auch Deutschland nicht etwa unschuldig. Es war deshalb richtig, als erstes die Inflationsmentalität zu ersticken und uns selbst, aber auch den übrigen Staaten - jedenfalls den Regierungen der einflußreichen Staaten der Welt - die erfolgreiche Bekämpfung ihrer Inflationen als notwendige Voraussetzungen für den gemeinsamen wirtschaftlichen Aufschwung plausibel zu machen. Nicht nur die nationalen Quellen der Inflation müssen verstopft oder unter Kontrolle gebracht werden, sondern darüber hinaus müssen auch die internationalen Quellen eingedämmt werden, z. B. der in den letzten Jahren fast zerstörerische Einfluß der Ölpreise auf die Zahlungsbilanzen fast aller Staaten der Welt. Seit unserer Debatte im Dezember - also in allerjüngster Zeit - sind auf dem Felde der Ölpreise einige hoffnungsvolle Entwicklungen deutlich geworden.
Wir dürfen darüber hinaus auch keine neuen internationalen Preisinflationsmechanismen in Gang
setzen, denn sonst wäre auf die Dauer eine Konsolidierung des Gefüges von 120 oder 130 Zahlungsbilanzen über die ganze Welt und damit eine Konsolidierung der Währungsbeziehungen der Staaten der Welt untereinander nicht möglich. Sonst wäre auch eine Wiederherstellung des Vertrauens jener Menschen, die in den Unternehmensleitungen oder in den Aufsichtsräten - auch in den mitbestimmten Aufsichtsräten - tätig sind, nicht möglich.
Ich möchte einmal wissen, was die süffisanten Bemerkungen des Herrn Professors gestern über die mitbestimmten Unternehmungen eigentlich bedeuten sollten.
({27})
Ich wäre dankbar, wenn sich Herr Kollege Katzer hierzu einmal äußern würde, damit wir klar erkennen können, was es in dieser Hinsicht an innerer Übereinstimmung gibt.
({28})
Weder in den Vorständen der Gesellschaften und Unternehmen in der ganzen Welt noch in den Aufsichtsräten - einschließlich der mitbestimmten Aufsichtsräte - kann das notwendige Maß an Vertrauen in die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung einziehen, wenn wir nicht zu einer Konsolidierung der weltweiten Währungs- und Wirtschaftsbeziehungen kommen.
'Vor ein paar Tagen habe ich in der „New York Times" eine sehr interessante Analyse der wirtschaftlichen Entwicklung in den einzelnen Regionen der Welt und in den einzelnen Staaten gelesen. Ich will Ihnen zwei Gedanken daraus anbieten. Zum einen wird gesagt: Die wirtschaftlich starken Länder bemühen sich, ihre Investitionen heraufzutreiben. Dies träfe z. B. für uns und auch für Japan und Amerika zu. Sie hätten auch die Fähigkeit, dies ohne Verschärfung ihrer Inflation zu tun. Die schwächeren Länder - sie wurden dort beim Namen genannt; ich verzichte darauf, sie hier zu nennen - seien in einer viel schwierigeren Lage. Ihre Hauptaufgabe sei es, zunächst einmal ihre Inflation herunterzubringen, die drei- bis viermal so hoch sind wie die in den zuerst genannten Ländern. Es wurde dann weiter gesagt: Infolgedessen müssen die starken Länder im Laufe dieses Frühlings einen zusätzlichen Stimulus geben, damit die Weltwirtschaft insgesamt nach oben gezogen wird. Hier ist allerdings ein Punkt der Übereinstimmung mit Präsident Carter, der gestern sein neues Amt angetreten hat, zu dem wir ihm alle Glück wünschen,
({29})
auch ein Punkt der inneren Übereinstimmung mit dem japanischen Premierminister Fukuda, mit dem französischen Staatspräsidenten Giscard d'Estaing, mit anderen europäischen Regierungschefs, mit all denen wir - insbesondere mit denen, die ich soeben namentlich genannt habe - in den letzten Wochen und insbesondere in den letzten Tagen in enger Verbindung hinsichtlich der Koordinierung der Anstrengungen gestanden haben, die wir unternehmen müssen, um die weltwirtschaftliche Lage zu stabilisieren oder zu konsolidieren. Wir sind uns auch darüber klar - das sage ich nur, damit später nicht Mißverständnisse entstehen können -, daß die Finanzierung zusätzlicher Programme nicht - jedenfalls nicht in den währungs- und wirtschaftspolitisch starken Staaten - über die Notenbanken, sondern über die Kapitalmärkte geschehen muß, wenn man neue Inflationsimpulse vermeiden will.
Wir haben vor fünf Wochen schon in der Regierungserklärung ausgeführt, daß wir - zu diesem internationalen gemeinsamen Zweck und innerhalb Deutschlands gemeinsam mit Ländern und Gemeinden - ein mehrjähriges Infrastrukturprogramm, Herr Kollege Friderichs hat gestern erneut darüber gesprochen, im Gesamtumfang einer zweistelligen Milliardengrößenordnung an öffentlichen Investitionen verwirklichen wollen. Wir beabsichtigen, dieses, ich möchte es einmal so nennen: Programm für Zukunftsinvestitionen so zu dosieren - das hängt ein wenig von der internationalen Konzertierung mit den soeben genannten großen Industriestaaten der Welt ab, das hängt auch von unseren eigenen Kapitalmarkt-Finanzierungsmöglichkeiten, von der Einschätzung des Investitionsvolumens und des daran hängenden Beschäftigungsvolumens ab, daß wir meinen stimulieren zu sollen -, daß von ihm noch in diesem Jahr Auswirkungen auf die Beschäftigungssituation und erhebliche Wirkungen für die Auftragsbücher ausgehen.
({30})
Deshalb arbeiten wir schnell an dieser Sache und (1 streben eine schnelle Verabschiedung an. Ich denke, daß das Bundeskabinett, nachdem die prinzipielle Absicht in der Regierungserklärung enthalten war, etwa ein Vierteljahr später, etwa im März, zur Verabschiedung dieses Programms kommen kann, das für die nächsten Jahre natürlich flexibel gehalten sein muß, je nach den Notwendigkeiten, die dann erkennbar sein sollten. Wir werden alsbald Kontakt mit den Ländern aufnehmen, um Projekte und Durchführung abzusprechen. Aber ich will das noch einmal deutlich sagen: Über die Beschäftigungs- und über die internationale Wirkung hinaus, die davon ausgehen werden, soll dieses Programm vor allem die Chancen des mittel- und längerfristigen Wachstums unserer Volkswirtschaft verbessern helfen, und es wird auch dazu beitragen, die Investitionen im Rahmen der öffentlichen Ausgaben zu stärken.
Ich denke, es wird hier niemand daran zweifeln, daß die Bundesrepublik auf diesem Felde internationale Verantwortung trägt. Wenn Sie gelesen haben, was Präsident Carter an wirtschaftspolitischen Absichten im Augenblick dabei ist zu formulieren und zum Teil schon veröffentlichen läßt und was gestern der japanische Premierminister zu dieser Notwendigkeit in Tokio erklärt hat, der insbesondere auch auf die Notwendigkeit der Koordination zwischen Japan, den europäischen Industriestaaten und Amerika hingewiesen hat, dann werden Sie auch aus dem Inhalt der Haushaltsentscheidungen, die gestern früh in Tokio getroffen worden
sind, daß unser Programm für Zukunftsinvestitionen in einem politisch-ökonomischen internationalen Gesamtzusammenhang steht und daß die eigentliche Wirkung von ihm auch nur ausgehen kann, wenn ähnliche Wirkungen in den anderen Ländern, von denen ich sprach, gesetzt werden, wobei natürlich je nach der national etwas verschiedenen Lage die einzelnen Instrumente verschieden sein können, verschieden sein müssen. Diese Operation ist auf das gleiche Ziel gerichtet.
Wir stimmen mit dem französischen Staatspräsidenten darin überein, daß zur Vertiefung dieser Operation im Laufe des Frühjahrs oder Frühsommers ein dritter Weltwirtschaftsgipfel stattfinden sollte, wobei eine persönliche Kontaktaufnahme, wie ich zuversichtlich hoffe, erneut dazu beitragen wird, daß keine wirtschaftspolitischen Alleingänge in den großen Ländern mehr gemacht werden. Natürlich muß der Weltwirtschaftsgipfel außerdem erneut die Nord-Süd-Probleme, über die ich heute morgen nicht noch einmal sprechen will, in gleichem Range behandeln. Aber es muß eben auch klar sein - jedenfalls für die Regierungen der wirtschaftsstarken, der währungsstarken Länder; darunter sind wir -, daß zusätzliche Geldschöpfung zu vermeiden ist; denn die Welt leidet ja in Wirklichkeit nicht an zuwenig Geld, sondern sie leidet an zuviel Geld. Es ist nur falsch verteilt, und es findet sich an den falschen Stellen.
Es sind nicht so sehr die Notenbanken, es sind vielmehr die Kapitalmärkte, die zur Finanzierung großer regierungsseitig eingeleiteter oder geförderter Investitionsprogramme in den wirtschaftsstarken Ländern gebraucht werden. In einigen Ländern mag auch der internationale Kapitalmarkt dafür gebraucht werden. Schließlich und endlich müssen ja die enormen Zahlungsbilanzüberschüsse, die in den Ölländern nach wie vor entstehen, auch vernünftig eingesetzt werden, zur Erzielung einer weltwirtschaftlich vernünftigen Nachfrage am anderen Ort verwandt werden, wenn die Welt nicht eines Tages zusammenbrechen soll an dem Übermaß kurzfristiger internationaler Verschuldung, das wir in diesem Ausmaß bisher nicht erlebt haben.
Auch Herr Kollege Dollinger hat zur Wirtschaftspolitik gesprochen. Leider hat ihm der Zeitplan einen Strich durch die Rechnung gemacht. Er hatte sicherlich umfangreichere Ausführungen beabsichtigt, und das, was er sagte, mag daher ohne seine Schuld etwas verkürzt gewesen sein. Aber einen Satz muß ich doch auf Sie verwenden, Herr Kollege Dollinger. Sie haben sich darüber mokiert, daß ich an anderer Stelle einmal gesagt habe, Marktwirtschaft sei von sich aus niemals sozial. Vielleicht haben Sie meinen Satz aus dem Zusammenhang gerissen serviert bekommen. Ich muß das doch einmal sagen dürfen, und ich hoffe, daß dies dann nicht wieder vorkommt - es war nicht das erste Mal, daß mir das von seiten eines CDU-Sprechers in so verkürzter Weise entgegengehalten worden ist -: In jeder Marktwirtschaft der Welt muß Sozialpolitik von Staats wegen durch Gesetzgebung veranstaltet werden,
({31})
ob es Sozialhilfe ist, ob es Kindergeld ist, Wohngeld, die ganze Sozialversicherung. Alles das entsteht niemals durch die selbsttätigen Kräfte des Marktes - das hat schon Bismarck gewußt -, das muß der Staat veranstalten.
({32})
Das muß sogar ein Neoliberaler wissen, der Herr Dollinger gar nicht ist. Jeder Neoliberale und jeder Altliberale würde das auch ganz genauso sehen.
Allerdings, gegen die Kollegen mit der Einstellung des Kollegen Dollinger, wie sie gestern abend hörbar wurde, hat sich vor hundert Jahren schon Bismarck wehren müssen, als ihm das von den damaligen Konservativen im damaligen Deutschen Reichstag vorgehalten wurde. Jawohl - hat er gesagt -, als das mit der Eisenbahn und mit der Sozialversicherung, mit der Sozialpolitik des Staats losging, Sie können das Sozialismus nennen; aber ein Stück Sozialismus ist in unserem Staat verdammt notwendig. Bismarck! So hat er damals gesprochen.
({33})
- Ich habe das nicht ganz wörtlich zitieren können. Ich hätte sonst erst nachsehen müssen.
({34})
- Herr Kohl, ich liefere Ihnen das Zitat in einem privaten Brief korrekt nach. Ich habe es gerade erst vor wenigen Wochen gelesen. Richtig ist: So wie wir heute staatliche Sozialpolitik gegen den Vorwurf verteidigen müssen, eigentlich ergebe sie sich schon aus dem Markt von selber, so ähnlich, wenngleich aus ganz anderem Geiste gewachsen, hat Bismarck das auch schon gegen die damaligen Konservativen verteidigen müssen.
({35})
In Wirklichkeit hat Herr Dollinger ja nicht gegen uns gesprochen, sondern er hat, genau wie Herr Biedenkopf, gegen den Arbeitnehmerflügel Ihrer eigenen Partei, Herr Kohl, gesprochen.
({36})
Jetzt möchte ich noch einmal auf die Rentendebatte des gestrigen Vormittags zurückkommen. Sie wurde ja am gestrigen Tage wie auch in den letzten Monaten teilweise ein bißchen hitzig geführt. Die Hitzigkeit der Debatte hat einige wichtige Erkenntnisse und Ansätze, die ich glaube herausgehört zu haben, verdeckt, und manche zusätzliche Polemik hat zusätzliche Wirrnis geschaffen. Ich will hier deutlich sagen, daß wir - die Koalition insgesamt und die Angehörigen der Koalition, zu denen ich auch zähle - in den letzten Monaten weiß Gott auch Mitschuld an der Wirrnis der öffentlichen Debatte haben.
({37})
Aber es ist nicht so, wie Herr Kollege Katzer
meinte, daß nämlich die Regierung dauernd ihre
Meinung geändert habe. So ist es nicht, Herr Katzer.
({38})
Vielmehr haben in einem schwierigen Prozeß, der zunächst unter Politikern außerhalb der Regierung stattgefunden hat und in den Details noch nicht ganz beendet ist - ich gebe Ihnen mit Ihrem Zwischenruf recht, Herr Katzer -, einige nicht ganz zweckmäßigerweise einzelne Teile dieses Vorgangs jeweils in die Öffentlichkeit kommen lassen, und dadurch ist dieser Eindruck sehr verstärkt worden. Ich räume das ein.
Aber die Regierung hat sich nun in der Regierungserklärung erklärt, und sie ist dabei, diese Erklärung in Gesetzentwürfe und Rentenanpassungsbericht umzusetzen. Herr Katzer, Sie haben nach dem Datum gefragt.
({39})
Ich nehme an, daß wir den Bericht im Februar im Kabinett haben werden und verabschieden können.
({40}) Dann kriegen Sie auch den Gesetzentwurf.
({41})
- Ich bitte Sie, meine verehrten Kollegen! Diese Regierung ist mit der größten von der Verfassung her möglichen Beschleunigung gebildet worden und hat sich zwei Tage nach der Regierungsbildung hier im Bundestag erklärt. Sie haben fünf Wochen gebraucht, um die Erklärung zu debattieren, meine Damen und Herren!
({42})
Herr
Bundeskanzler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Mertes?
Ja, bitte.
Herr Bundeskanzler, sind Sie bereit, in diesem Zusammenhang in aller Form Ihre Behauptung zurückzunehmen, daß die CDU/CSU in der Rentenfrage falsches Zeugnis wider den Nächsten gegeben habe?
({0})
Ich bin nicht bereit, das zurückzunehmen, auch nicht in aller Form, Herr Kollege Mertes,
({0})
und ich werde mir erlauben, jetzt ein bißchen näher darauf einzugehen.
Zunächst einmal gebe ich Ihnen ein erstes Beispiel für falsches Zeugnis, aber ich meine es nicht so böse, wie es jetzt vielleicht bei Herrn Katzer
ankommen könnte. Herr Katzer hat gestern den Eindruck zu erwecken versucht - und vielleicht hat er es sogar selbst geglaubt - ({1})
- Ja, vor der Wahl genauso wie gestern. Vor der Wahl haben Sie eine Sozialgarantie abgegeben. Warum hat Herr Katzer gestern hier nicht erklärt, alles bleibe so, weil Sie es garantierten?
({2})
Warum haben Sie gestern nicht gesagt - ({3})
- Also, was die Rücktritte angeht: Einstweilen genügt uns der Rücktritt von Herrn Biedenkopf, um die Zeitungen zu füllen.
({4})
Was unseren Rücktritt angeht: Den wird es nicht geben; den müssen Sie erarbeiten - durch eigene bessere Politik.
({5})
Man kann sicher bessere Politik machen, als sie die Bundesregierung und die Koalition gemacht haben; bloß ob Sie das können, das ist die Frage.
({6})
Davon müssen Sie nicht sich selbst überzeugen; davon müssen Sie die Wählerinnen und Wähler überzeugen, wenn es soweit ist.
({7})
Aber nun zu dem „Zeugnis reden" - oder wie immer das heißen soll.
({8})
Herr Kollege Katzer, Sie haben gestern den Eindruck erweckt, als ob die Regierung nicht willens sei, die Schulden, die die Bundesrepublik Deutschland bei der Sozialversicherung habe, zurückzuzahlen. Wir sind uns sicher darin einig, daß das Schulden sind, die zum Teil aus ganz alten Zeiten stammen, zum Teil aus Ihrer Zeit als Arbeitsminister, zum Teil aus der Zeit des Finanzministers Strauß,
({9})
- ja, zum Teil auch aus unserer Zeit, zum Teil aus der Zeit der Großen Koalition, zum Teil aus der Zeit der sozialliberalen Koalition.
Wir sind uns sicherlich auch einig, daß einmal nicht nur Schulden gemacht worden sind, sondern sogar Zuschüsse endgültig gestrichen wurden. Wissen Sie, in welcher Zeit das war? Ich will es jetzt nicht verschärfen.
({10})
- Ich mußte das mitvertreten, ich war in der Großen Koalition, aber Sie und Strauß haben das miteinander verabredet, Herr Katzer. Ich mußte das vertreten.
({11})
- Ich will mich auch nicht herausschwindeln, ich gebe es ja zu. Es kommt doch hier aber darauf an, daß Sie inzwischen wissen - und das sollten Sie dann auch durch Kopfnicken bestätigen - ({12})
- Er kann es ja auch ausdrücklich bestätigen.
({13}),
- Na, gut, dann fordere ich Sie lieber nicht auf.
({14})
Es wäre nett, Herr Katzer, wenn Sie bestätigten, was wir ja nun seit einer Reihe von. Wochen sagen und was gestern hier noch einmal von Herrn Ehrenberg gesagt worden ist, von Herrn Apel, was viele Male an anderer Stelle gesagt wurde: Wir werden die Schulden zurückzahlen. Wir haben damit schon angefangen. Wir haben im Jahre 1976 zum erstenmal voll gezahlt; und wir werden die Schulden so rechtzeitig zurückzahlen - Schulden, die auch von Ihnen gemacht worden sind -, wie die Gelder dort gebraucht werden. Im Augenblick ist dort noch ein so großes, in diesem Ausmaß gegenwärtig nicht benötigtes Versicherungsvermögen vorhanden, daß das Geld auch von der Liquidität her noch nicht benötigt wird. Aber wir sind entschlossen, und wir haben diese Absicht, und Sie sollten es nicht bezweifeln, Sie sollten es glauben. - Bitte sehr!
({15})
Herr Bundeskanzler, Sie gestatten die Zwischenfrage? - Bitte sehr!
Herr Bundeskanzler, Sie sagen, Sie werden die Schulden zurückzahlen. Das höre ich sehr gerne. Ich habe aber gestern etwas ganz anderes gesagt. Ich habe Ihre Rede zitiert, die Sie vor den Opel-Arbeitern gehalten haben und wo Sie gesagt haben, es gebe überhaupt keine Probleme, und wenn das Geld nötig sei, würden Sie es morgen bar zurückzahlen. Dies können Sie nicht, und das habe ich gestern gesagt.
({0})
, Schmidt, Bundeskanzler: Herr Katzer, damit wir uns richtig verstehen: In dem Augenblick, wo es nötig ist, werden wir es bar zurückzahlen. Es ist doch morgen nicht notwendig.
({1})
Da sind doch noch 35 Milliarden DM Vermögen, davon ein erheblicher Teil liquide. Das ist doch Unsinn.
({2})
- Aber ich sehe jetzt, es ist offenbar ein sachlicher Dissens, nicht ein polemischer.
({3})
Nun möchte ich zu den Punkten kommen, die mir bemerkenswert erschienen. Herr Strauß hat am 17. Dezember gesagt, Sozialgarantie schließe Beitragserhöhungen nicht aus. Wir haben das im Augenblick nicht vor, wie Herr Katzer weiß.
({4})
- Bei der Krankenversicherung ist es sowieso im Gange, da ist aber auch ein bestimmter Druck zur Dämpfung der Krankheitskosten erwünscht. Das muß ja doch geschehen, und da sind wir uns doch einig. Das muß doch gedämpft werden.
({5})
Aber außerdem in der Rentenversicherung die Beiträge erhöhen möchten wir nicht. Das haben wir Ihnen gesagt.
Herr Katzer hat - und das fand ich sehr interessant - von der Lohnersatzfunktion gesprochen in seiner Rede. Das kann vielerlei heißen. Es kann heißen, daß Herr Katzer gemeint hat oder hat andeuten wollen - vielleicht nur für seine Person, vielleicht für die ganze Fraktion : Wenn die Rente dieselbe Rolle spielen soll wie für den Aktiven der Lohn, dann fragt man, wie das ist, da der Lohn sich Abzüge und Steuern gefallen lassen muß. Ich sehe, daß Herr Katzer in diese Richtung denkt. Später, spätestens gegen die Mitte der 80er Jahre, wenn uns das Verfassungsgerichtsurteil endlich zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Hinterbliebenenversorgung bei der Rente führen wird, dann muß man die vorsichtigen Andeutungen, die Herr Katzer in einer im übrigen rhetorisch großartigen Rede versteckt hatte, herausholen. Ich habe diesen Punkt mit Interesse konstatiert.
Ich habe es bei den Gedanken, die hinter diesen Ihren Andeutungen steckten, auch logisch gefunden, daß Sie die von uns erstrebte Verlagerung von Rentenversicherungsbeiträgen für Arbeitslose - ebenso wie schon bisher für Kurzarbeiter - auf die Bundesanstalt für Arbeit nicht kritisiert haben, wenn ich richtig zugehört habe. Ich fand das logisch, daß Sie dies nicht kritisiert haben.
Sie haben ja auch, wenn ich richtig mitgekommen bin, die beabsichtigte sechsmonatige Verschiebung innerhalb des Jahres 1978 nicht kritisiert.
Ich fand es bei der aufgeregten Debatte des gestrigen Vormittags doch wert, diese Punkte herauszuarbeiten. Es kann ja auch nicht anders sein. Denn da Sie die Renten „garantieren", „ihre Finanzierung wieder in Ordnung bringen" wollen, wie Sie vor der Wahl gesagt haben und im Grunde doch auch heute dabei bleiben, genauso wie wir bei dem bleiben, was wir uns vorgenommen haben, müssen Sie ja solche Gedanken, wie sie Herr Katzer in seiner Rede - verpackt, wie ich zugebe - dargeboten hat, anstellen. Das Gesamtkonzept wurde allerdings nicht angedeutet. Das will ich Herrn Katzer nicht vorwerfen. Er ist der einzige Sprecher der Opposition in drei Tagen gewesen, der wenigstens eigene Vorschläge erkennbar gemacht hat,
({6}) nicht Sie, Herr Dregger,
({7})
nicht Herr Kohl, nicht Herr Biedenkopf, nicht Herr Stoltenberg,
({8})
aber Herr Katzer schon; darüber kann man reden.
({9})
Nur muß man, wenn Sozialpolitiker aller Parteien miteinander reden, dann auch aufpassen. Sie neigen natürlich immer dazu, die Beiträge zu erhöhen.
({10})
- Die Krankenversicherungsbeiträge sind in den letzten Jahren dauernd erhöht worden.
({11})
- Ja, sicher! Sie werden nicht durch Gesetz erhöht.
({12})
Aber Sie neigen dazu, Herr Kollege Katzer, die gesetzlichen Rentenversicherungsbeiträge zu erhöhen.
({13})
- Ich polemisiere wirklich nicht; aber es war ja doch zu Ihrer Zeit, als wir bei den Rentenversicherungsbeiträgen von 14 auf 18 % gegangen sind.
({14})
Deswegen war es - erlauben Sie mir nach den sachlichen Ausführungen, die ich auf Ihre Bemerkungen hin gemacht habe, auch eine kleine zugespitzte Bemerkung - nicht gut - ich fand es jedenfalls nicht ganz gut -, daß Sie diesen Kreislauf vorgeführt und gesagt haben, wir griffen anderen Leuten in die Taschen. Das haben die Sozialpolitiker immer, zu jeder Zeit, nötig gehabt. Es geht gar nicht anders. Sozialpolitik ist nicht anders möglich, als in
die Taschen der einen zu greifen, um den anderen etwas zu geben.
({15})
Das haben Sie als Arbeitsminister gemacht, und das wird auch in Zukunft so sein.
({16})
Die Bundesregierung, die Vertreter der Regierungsparteien haben vor dem 3. Oktober, vor der Wahl, Zusagen gemacht, was geschehen soll und was nicht geschehen soll. Dazwischen blieb im Detail noch einiges offen, das gebe ich zu. Es blieb auch bei Ihnen damals offen und ist bei Ihnen auch gestern noch offengeblieben. Aber mir liegt daran, hier festzustellen, daß das, was die Regierung erklärt hat, keines dieser Prinzipien verletzt, und mir liegt auch daran festzustellen, daß das, was ich in der Regierungserklärung hier vorgetragen habe, nicht durch die Ausfüllung im Detail wieder aufgehoben werden wird.
In diesem Zusammenhang eine Bemerkung zu Herrn Abgeordneten Franke, der hier auf vielfältige Zwischenfragen von seiten eines Kollegen von der Freien Demokratischen Partei dabei geblieben ist, das seien Rentenkürzungen. Nun hören Sie mal, die Festsetzung der Neurenten haben Sie ja wohl nicht gemeint, sondern Sie haben wohl von den Bestandsrenten geredet. Die Bestandsrenten werden beim nächsten Mal, also am 1. Juli dieses Jahres, um knapp 10 % erhöht. Das ist weit oberhalb des Inflationsausgleichs. Einer hier hat sich so weit vergaloppiert, zu sagen, die Rentner würden - siehe Inflation - hinterher real weniger haben als heute. Die Erhöhung liegt weit oberhalb des Inflationsausgleichs; sie beträgt mehr als das Zweieinhalbfache, was den Preisanstieg angeht. Die Bestandsrenten werden dann beim übernächsten Mal Ende 1978, genauer zum 1. Januar 1979, und dann erneut zum 1. Januar 1980 erhöht werden, und zwar entsprechend der heute vorhersehbaren wirtschaftlichen Entwicklung um gut 6 %. Wer will aber heute die wirtschaftliche Entwicklung genau voraus wissen? Deswegen sind doch diese Berechnungen alle so unsicher! Herr Katzer hat dieselben Unterlagen wie wir, was die Zahlen angeht, nämlich den letzten Rentenanpassungsbericht. Was in der Zwischenzeit jetzt im Augenblick gemacht wird, ändert sich, wie er selber weiß, noch alle paar Wochen, z. B. deshalb, weil die wirtschaftlichen Prognosen ja nie wirklich zutreffen. Aber nach dem, was man heute vorhersagen kann, werden die Rentenerhöhungen 1979 und 1980, also beim übernächsten und überübernächsten Mal, bei über 6 % liegen. Das ist nun wirklich, Kollege Franke, keine Kürzung, sondern 6 % sind eine beachtliche Erhöhung.
Herr Bundeskanzler, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Herr Bundeskanzler, darf ich Sie fragen, ob Ihnen bekannt ist, daß zumindest seit gestern auch in Ihrer Fraktion über die Frage Netto372
lohnanpassung oder Bruttolohnanpassung nachgedacht wird und Ihr sozialpolitischer Sprecher Glombig heute morgen in einem Rundfunkgespräch gesagt hat, man müsse darüber noch einmal nachdenken?
Also, was Herr Glombig heute morgen gesagt hat, habe ich nicht gehört. Im übrigen will ich Ihre Frage mit Ja beantworten. Aber nicht erst seit gestern, sondern schon seit langer Zeit, Herr Kollege Franke, ist das so. Natürlich muß darüber nachgedacht werden. Und natürlich hat jeder Abgeordnete des Deutschen Bundestages nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht nachzudenken und hat auch die Pflicht, das Ergebnis seines Nachdenkens öffentlich bekanntzumachen.
Ich darf noch eines hinzufügen. Herr Kollege Ehrenberg, Herr Kollege Friderichs oder ich hier sprechen für die Bundesregierung, für das, was die Bundesregierung beabsichtigt. Wenn ich Ihnen vorhalte, daß Sie von Rentenkürzungen reden, während es in Wirklichkeit Erhöhungen sind, dürfen Sie nicht versuchen, dadurch auszuweichen, daß Sie sagen: Es gibt aber Abgeordnete, die über die Frage Nettoanpassung oder Bruttoanpassung nachdenken. Das ist doch keine Antwort. Geben Sie lieber zu, daß Sie unrecht hatten, als Sie gestern viele Male ausführten und insistierten, die Renten würden gekürzt. Dies war eine Unwahrheit - um das geringstmögliche Wort zu gebrauchen.
({0})
Herr Bundeskanzler, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
Herr Bundeskanzler, sind Sie bereit, zuzugeben, daß Sie, wenn Sie netto anpassen und die Verschiebung des Termins um ein halbes Jahr vorsehen, das Einkommen der Rentner kürzen und ihnen damit weniger für den persönlichen Gebrauch geben?
({0})
Es ist ganz klar, daß die Frage schon vom Ansatz her mit einer verfälschenden Fragestellung unzulässig ist.
({0})
Wir haben niemals erklärt, daß wir von Gesetzes wegen oder durch tatsächliches Handeln auf Nettolohnanpassung umstellen wollten.
({1})
Das ist Ihre Interpretation, Herr Abgeordneter Franke.
({2})
Was wir gesagt haben, ist vielmehr, daß bei der
übernächsten und der überübernächsten Anpassung
die Renten mindestens so erhöht werden sollen, daß
die Erhöhung dem realen Zuwachs des verfügbaren Einkommens der aktiven Arbeitnehmer entspricht.
({3})
Mindestens!
({4})
- Selbst wenn wir einmal unterstellen, Herr Kollege Katzer, das Wort „mindestens" würde in Anspruch genommen werden müssen - ich unterstelle das in Wirklichkeit nicht - und es bliebe wirklich bei dem, was Sie mir zurufen, bei netto, selbst dann bedeutet das, daß das Rentenniveau von heute bis dann, gemessen am Niveau der Nettoarbeitsverdienste, nicht gekürzt würde, sondern gleichbliebe. Aber ich sagte, daß Sie diese Voraussetzung gar nicht zu machen brauchen.
Ich will es noch einmal ganz genau sagen: Gemessen an dem verfügbaren Einkommen der Arbeitnehmer, an ihrem Nettoeinkommen, ist das heutige Rentenniveau das höchste, das wir seit Beginn der Bundesrepublik Deutschland haben.
({5}) Darauf sind wir stolz.
Herr Bundeskanzler, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage das Abgeordneten Glombig?
Einen Augenblick bitte!
Wir wissen ja auch - und Sie spüren es auch -, daß es bei der Zerklüftetheit unseres sozialpolitischen Gesamtsystems durchaus Fälle gibt, wo einige nicht nur 66 % der Nettoeinkommen vergleichbarer aktiver Arbeitnehmer haben, sondern sehr viel mehr. Es gibt sogar Fälle - über die man nachdenken muß -, in denen es sehr viel höher liegt. Ich benenne sie hier nicht. Ich will auch niemand draußen bei den Tarifparteien, die sich in der Auseinandersetzung befinden, reizen.
Aber daß es Gründe gibt, darüber nachzudenken, wie Herr Glombig, der vorhin von Herrn Franke zitiert worden ist, für die Zukunft darüber nachdenkt, das, glaube ich, sehen wir beide. Ich sehe ja auch Sie darüber nachdenken, wenn Sie über die Lohnersatzfunktion der Rente nachdenken.
({0})
Herr Franke sollte das verstehen, was Sie andeuten; er versteht es nur nicht.
({1})
Bitte, Herr Kollege Glombig.
Herr Bundeskanzler, können Sie sich vorstellen, daß es der Herr Kollege Franke in diesem Punkt mit der Wahrheitsliebe nicht so genau nimmt und daß ich in Wahrheit gesagt habe, daß wir von folgendem Sachverhalt ausgehen: von der bruttolohnbezogenen Erstfestsetzung und von der quasi nettolohnbezogenen Anpassung für die Jahre 1979 und 1980, die mindestens nettolohnbezogen
sein wird, aber darüber hinausgeht, ,wenn es die Finanzen der Rentenversicherung zulassen, und daß wir alles daransetzen werden, um den Zustand der bruttolohnbezogenen Anpassung nach dieser Interimszeit wiederherzustellen, allerdings unter Beachtung aller Probleme, die bei der Diskussion über die bruttolohnbezogene Anpassung zu berücksichtigen sind?
({0})
Herr Kollege Glombig, Sie wissen, daß ich Ihrer Meinung bin. Aber ich möchte ausdrücklich hinzufügen: Ich kann mir insbesondere auch vorstellen, daß der Kollege Franke nicht die Wahrheit spricht. Das hat er gestern auch nicht getan.
({0})
Herr
Bundeskanzler, würden Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen Geisenhofer zulassen?
Gern.
Herr Bundeskanzler, Sie stehen mir im Wort. Es ist gerade von Unwahrheit gesprochen worden. Darf ich Sie nun wegen einer anderen Unwahrheit fragen? Sie haben zu Beginn Ihrer Ausführungen erklärt, daß während Ihrer Regierungszeit alle sozialpolitischen Maßnahmen für die Landwirtschaft durchgeführt wurden. Darf ich Sie fragen, Herr Bundeskanzler: Wollen Sie dem Hohen Hause um der Wahrheit willen klarstellen, daß die Einführung der landwirtschaftlichen Alterskasse, von der Sie ja gesprochen haben, eine fundamentale soziale Großtat für die Landwirtschaft war, die nicht während Ihrer Regierungszeit, sondern durch eine Unionsregierung eingeführt worden ist?
({0})
Ich habe mich über diese Unwahrheit und Verdrehung sehr geärgert, Herr Bundeskanzler!
({1})
Schmidt, Bundeskanzler, Herr Kollege, ich will sofort einräumen, daß ich mich möglicherweise - ich erinnere mich nicht mehr genau an meinen Wortlaut - nicht deutlich genug ausgedrückt habe. Was ich meine, ist dies - und das werden Sie mir einräumen -: Vom Anfang der Agrarsozialpolitik bis zu der enormen Ausweitung, die wir im Laufe der letzten sieben Jahre vorgenommen haben, ist ein kategorischer, ein Quantensprung geschehen. Das werden Sie mir zugeben. Und den haben wir zustande gebracht, wir gemeinsam.
({2})
Der Kollege Franke hat gestern Äußerungen von mir zitiert, die ich in der Sitzung am 8. April 1976 auf eine Zwischenfrage von ihm gemacht habe. Ich bitte ihn, das, was er gestern zitiert hat, und das, was im Protokoll jener Aprilsitzung steht, zu vergleichen und sich zu fragen, ob das eine richtige Zitierweise ist. Ich gehe nicht noch einmal darauf ein, Herr Kollege Franke. Es lohnt sich nicht, Ihnen gegenüber noch etwas klarzustellen.
Herr Kollege Stoltenberg ist nicht nur mit seiner gestrigen Rede hervorgetreten, sondern einen Tag vorher auch mit einem großen Interview in der Zeitung „Die Welt". Ich finde, eines - und das gilt auch für die Exponenten in den Ländern, die für Ihre Fraktion in den Debatten verstärkend mitreden - muß innerhalb der beiden Parteien der Union und ihrer gemeinsamen Bundestagsfraktion geklärt werden. Ich verstehe, daß Herr Stoltenberg für eine deutliche Verringerung der gefährlichen Verschuldung der Staatshaushalte, wie er das nennt, eintritt, also - auf deutsch gesagt - für die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte. Das ist im Prinzip richtig. Aber wenn er gleichzeitig sagt, die öffentlichen Investitionen müßten gesteigert und die Investitionen der Wirtschaft sollten von Staats wegen gestärkt werden, dann ergibt sich die Frage: Wo soll das Geld dafür herkommen? Denn nach seinem ersten Punkt will er ja weniger Geld ausgeben. Gleichzeitig werden Steuererhöhungen abgelehnt. Man fragt sich doch nun wirklich, wie finanziert werden soll, wenn man die Staatshaushalte einschränken und zugleich deren Investitionsausgaben ausdehnen und außerdem der Wirtschaft Geld zusätzlich belassen soll, damit sie investieren kann? Wo soll denn das Geld herkommen? Diese Rechnung wird nicht aufgemacht.
Sie müssen diese Rechnung untereinander aufmachen. Da kommt der Herr Gaddum aus Mainz und sagt, er ist gegen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. Herr Stoltenberg sagt, unter bestimmten Voraussetzungen sei das möglich, freilich nur „als letzter Schritt" - nach Ausschöpfung aller Sparmaßnahmen. Herr Häfele sagt, diesen „Schacher mit der Mehrwertsteuer" werde die CDU nicht mitmachen. Herr Strauß hat unter Voraussetzungen, die ich gut im Ohr habe, etwas wieder anders gesagt. Viele dieser Reden waren rhetorisch glänzend, nur stimmen sie alle nicht zusammen. Das kann ja auch nicht sein, weil Sie kein Konzept haben, meine Damen und Herren. Jeder sagt etwas anderes.
({3})
Herr Biedenkopf hat sich gestern vorsichtigerweise zu dem Thema nicht geäußert, weil er nicht wollte, daß der Vorwurf der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" auch auf ihn bezogen wird, daß Politiker da sein müssen, die sich zu einer Politik entschließen, und - gemünzt auf die Opposition -, ein Entschluß setze voraus, daß man überhaupt Politik machen will, und daran fehle es bei der Opposition. Das ist bei den Finanzen und bei den Steuern doch dasselbe.
Ich weiß nicht, ob Herr Apel gestern Gelegenheit hatte, darauf hinzuweisen. Aber mit einem kleinen Unterton von Befriedigung möchte ich es heute tun: Wir haben im Haushaltsjahr 1976 eine Kreditermächtigung von beinahe 33 Milliarden DM gehabt und tatsächlich netto nur 26 Milliarden DM aufzunehmen brauchen.
({4})
- Ja, hören Sie einmal zu, welche Ratschläge Herr Carter, Herr Callaghan und andere uns geben.
({5})
Diese Regierungen sagen uns, wir sollten viel mehr Kredite aufnehmen, um der Weltwirtschaft einen Impetus zu geben. Sie hören doch bloß bei Ihren eigenen Leuten zu, statt in die Welt zu hören. Ihre Welt ist beschränkt!
({6})
Wir stehen unter einem erheblichen internationalen Druck, das Defizit der Bundesrepublik Deutschland zu vermehren. So sagen uns die OECD und andere Regierungen in der Welt.
({7})
- Ich bitte Sie, Sie können doch nicht ernsthaft
meinen, Herr Kollege, daß wir deutsche Politik ohne Rücksicht auf die Verantwortung in der Europäischen Gemeinschaft machen sollen. Das wäre das krasse Gegenteil dessen, was Herr von Weizsäcker im Tone moralischer Empörung vorgestern verlangt hat.
({8})
Herr Bundeskanzler, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein! Das ist es doch, Herr Kollege Kohl: Auf vielen Feldern haben Sie gerechtfertigten Anlaß zur Kritik. Aber wenn Sie dann anfangen, durchscheinen lassen zu wollen, was Sie anders machen würden, dann kriegen wir hier vier oder fünf Meinungen. Was ich eben gehört habe: daß der Kollege Lenz sagte, wir sollten nicht auf die internationale Welt Rücksicht nehmen, sondern wir sollten deutsche Politik machen - ({0})
Wir haben die Debatte bisher ohne Ordnungsrufe überstanden. Ich bitte Sie doch, sich zu mäßigen.
Herr Präsident, ich bitte Sie, sich nach Schluß der Sitzung davon zu überzeugen, welcher Art und Qualität der Zwischenruf war, den mir der Kollege Lenz eben gemacht hat.
({0})
Ich will Ihnen eines sagen, Herr Kollege Lenz. Nicht nur das Schicksal unserer Wirtschaft und unserer wirtschaftlichen Stabilität, sondern auch das Schicksal unserer sozialen und innenpolitischen Stabilität und auch unser außenpolitisches Schicksal hängen davon ab, daß wir so eng, wie es nur geht, auch wirtschaftlich, auch währungspolitisch, auch finanziell, mit den Staaten in der Europäischen Gemeinschaft und darüber hinaus international kooperieren.
({1})
Wenn ich Ihnen darlege, daß wir von diesen anderen Partnern unter dem Druck stehen, mehr Kredite aufnehmen zu sollen, um mehr Geld von Staats wegen ausgeben zu können, und wir uns bis zu einem erheblichen Maße gegen diesen Druck gewehrt haben und weiterhin wehren müssen, dann ist Ihr Zwischenruf „Machen Sie gefälligst deutsche Politik" - ({2})
- Ich will Ihnen das Wort nicht verdrehen, aber ich will Ihnen sagen: Denken Sie über Ihre Zwischenrufe nach, ehe Sie sie machen, Herr Kollege.
({3})
Ich will, damit nun der Herr Kollege Kohl, der zweifellos nach mir sprechen möchte - ({4})
- Wird!
({5})
Ich habe mir ja auch Mühe gegeben, Herr Kohl, Ihnen ein paar Stichworte zu geben.
({6})
- Es wird dazwischen gerufen, Sie müßten reden. Das will ich mir nicht zu eigen machen. Das müssen Sie selbst wissen. Aber ich möchte Ihnen noch ein letztes Stichwort geben.
Die von mir persönlich sehr geschätzte Leiterin eines nicht nur für die Bundesrepublik, sondern auch insbesondere für Ihre Partei arbeitenden Meinungsforschungsinstituts, Frau Noelle-Neumann, hat Ihnen einen Glückwunsch zu Neujahr geschickt, einen gedruckten - sie hat noch ein paar Zeilen draufgeschrieben, nehme ich an -, wie vielen hier, mir auch. Nun gucken Sie sich mal diesen Glückwunsch an! Das ist eine solche wunderhübsche Breitbandpostkarte. Mit Vögelchen, die nach oben oder nach unten fliegen, ist dort dargestellt, wie am Ende jedes Jahres die Menschen Hoffnungen oder Befürchtungen hatten - nach der Meinungsumfrage dieses Instituts. Wenn Sie sich da die letzten drei Jahre angucken, können Sie sehen, daß in der Bundesrepublik Deutschland von Jahr zu Jahr die Hoffnungen der Menschen gegenüber dem Vorjahr
zugenommen haben. Dies ist auch meine Hoffnung, und es ist Ihre Sorge, Herr Kohl. - Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
({7})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Kohl.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf zunächst mit dem beginnen, was hier ganz unbestritten ist. Herr Bundeskanzler, Sie hatten die Freundlichkeit, auch im Namen von CDU und CSU - ich darf das noch unterstreichen - dem Geburtstagskind von heute, Bischof Kunst, von dieser Stelle den herzlichen Glückwunsch und den Dank für seine Arbeit für unser Vaterland auszusprechen.
({0})
Erlauben Sie mir einige Schlußbemerkungen zu dem, was der Bundeskanzler jetzt zum Kehraus der Debatte zu sagen für notwendig hielt. Wer ihn in diesen drei Tagen beobachtet hat, konnte ja eigentlich schon voraussagen - nach dem Eindruck seiner Reaktionen zu urteilen -, zu welchen Passagen er hier ganz besonders sprechen werde.
Ich bin eigentlich sehr zufrieden, daß Sie sich so breit mit den Ausführungen meines Freundes und Kollegen Kurt Biedenkopf beschäftigt haben.
({1})
Denn meine Damen und Herren, ich verstehe ja, daß das für Sie ein schwieriges Kapitel ist.
({2})
Für uns ist es die normalste Sache von der Welt, daß ein Mann, der von der Partei ein Amt auf Zeit verliehen bekommt, sich vor der erneuten Nominierung überlegt, was er tut. Ich respektiere die Entscheidung eines Mannes in dieser Lage.
({3})
Die Angelegenheit selbst, Herr Bundeskanzler, eignet sich halt gar nicht dazu, die personellen Blößen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands zuzudecken. Denn darüber gibt es gar keinen Zweifel: Sie sind - ich wiederhole es noch einmal - in diesem Hause ja überhaupt nur deswegen mit den notwendigen Stimmen Ihrer eigenen Fraktion gewählt worden, weil Sie vor der Wahl den Rücktritt des Bundesarbeitsministers Arendt verschwiegen haben.
({4})
Nur, Herr Bundeskanzler, lassen Sie doch bitte die Attitüde, anderen immer intellektuelle Unredlichkeit, Täuschung und Verdrehung vorzuhalten. Wer beobachtet, wie Sie von diesem Pult immer wieder mit den Zitaten von Kollegen umgehen, der weiß, daß Sie der Meister der Verdrehung im Deutschen Bundestag sind.
({5})
Es ist auch ganz interessant, daß Sie sich um jegliche Aussage herumgedrückt haben, was das Kernstück der Rede Kurt Biedenkopfs betrifft. Denn, Herr Bundeskanzler, was soll es eigentlich, wenn Sie jetzt hier die Debatte um das Ahlener Programm, das sich in wenigen Tagen zum 30. Male jährt, einführen? Für uns ist doch die Debatte um Ahlen kein Problem. Wir stehen zu der Geschichte unserer Partei. Da gibt es keinen Teil, den wir unter den Tisch wischen oder verschweigen müssen. Ahlen ist ein Stück der Kontinuität und der Geschichte der Union in Deutschland. Nur, meine Damen und Herren, und das ist der entscheidende Unterschied: Die Männer und Frauen, die das Ahlener Programm für die damalige britische Besatzungszone formulierten, haben sich weiterentwickelt. Es waren gerade die von Ihnen apostrophierten Sozialausschüsse, es war Anton Storch, es war Jakob Kaiser, es war Theo Blank, die gegen den erbitterten Widerstand Ihrer politischen Freunde die Idee der sozialen Marktwirtschaft in diesem Land zum Sieg geführt haben.
({6})
Herr Bundeskanzler, weil Sie ja nun parteipolitische Argumentation aus der Programmatik eingeführt haben, spreche ich Sie jetzt einmal als den stellvertretenden Vorsitzenden der SPD an; das sind Sie ja auch noch, obwohl es zunehmend von beiden Seiten in der SPD verheimlicht wird.
({7})
Herr Bundeskanzler, wir haben uns in den 30 Jahren weiterentwickelt. Sie sind jetzt in den 70er Jahren in den Staub marxistischer Ideologie des 19. Jahrhunderts zurückgekehrt! Das ist doch der entscheidende Unterschied.
({8})
Ich will die Redezeit jetzt nicht für Diskussionen nutzen, die ich gern einmal in einem anderen Gremium mit Ihnen führen möchte. Nur, Herr Bundeskanzler: Warum haben Sie eigentlich zu der zentralen These, die die Sprecher der Union zum Thema Wirtschaft und Finanzen immer wieder vorgetragen haben - im Dezember Franz Josef Strauß, gestern unser Freund Dollinger und unser Freund Kurt Biedenkopf -, daß die Voraussetzung jeglicher wirtschaftlichen Gesundung das Bremsen, das Stoppen des laufenden Vertrauensschwunds in der Wirtschaft ist, warum haben Sie eigentlich zu dieser entscheidenden Voraussetzung jeder wirtschaftlichen Neuorientierung und Verbesserung unserer Lage kein Wort gesagt?
Meine Damen und Herren, warum wohl hat er kein Wort gesagt? In dieser Frage, daß die Wirtschaft Vertrauen braucht, sind Sie mit Ihrem Koalitionspartner, der FDP, sind Sie mit uns ja weitgehend in Übereinstimmung. Ihr Problem ist doch, daß Sie Kanzlerkandidat waren und gewählter Kanzler einer Partei sind, die in dieser Frage in ihrer Mehrheit heute bereits ganz anders denkt, als Sie es hier immer wieder darzustellen belieben.
({9})
Meine Damen und Herren, wenn w i r das sagen, bezeichnen Sie das als Schwarzmalerei. Sie kommen
ja immer mit einem prallen Zitatenschatz; warum soll man von Ihnen an diesem Punkt nicht lernen? Ich habe nur zwei, drei Zitate mitgebracht. Ein so intimer Kenner der SPD-Führung, Mitglied der SPD-Fraktion des Deutschen Bundestages, wie Conny Ahlers schrieb schon vor zwei Jahren - dazu gibt es aber auch noch ganz neue Zitate -:
Hinzu kommt die eklatante Wirtschaftsfeindlichkeit der meisten führenden Sozialdemokraten.
({10})
Wer sich antiunternehmerisch gebärdet, kann in der SPD von heute des Beifalls gewiß sein,
({11})
und eine große Zahl opportunistischer Politiker in der ersten Reihe hat sich dies seit langem zu eigen gemacht.
({12})
Meine Damen und Herren, Conny Ahlers ist ein erstklassiger Kenner der Szenerie der deutschen Sozialdemokraten. Seinen Ausführungen ist überhaupt nichts hinzuzufügen. Wer so denkt und so handelt - oder noch besser gesagt: in vielen Fällen handeln möchte -, wie Sie dies in der SPD tun wollen, darf sich doch nicht wundern, wenn das Vertrauen verlorengeht, wenn im Mittelstand die Menschen Ihren Äußerungen einfach nicht mehr glauben.
Herr Bundeskanzler, Sie haben so beiläufig abwertend gesagt „Der Kollege Biedenkopf redet dann über den Mittelstand" . Der Mittelstand dieser Bundesrepublik Deutschland ist die tragende Säule - dies muß deutlich gesagt werden - der wirtschaftlichen Entwicklung und der Innovationsfähigkeit unserer Gesellschaft und unseres Staates, und zwar allen voran.
({13})
Sie haben Ihre Ausflucht gesucht - einer meiner Kollegen hat Sie mit einer Zwischenfrage entlarvt, ich kann es nicht anders sagen - in einem Beispiel, das weit hergeholt ist. Ich hätte von Ihnen lieber eine Auskunft zu den aktuellen Zahlen gehabt. Diese Zahlen sprechen für die Ära der SPD/FDPKoalition doch eine beredte Sprache. Ich rede von den Konkursen und Vergleichsverfahren. Ich nehme zwei Zahlen heraus, die von 1969 und die von 1975. Im Jahre 1969 waren es insgesamt 3 809, im Jahre 1975 9 195. Das, meine Damen und Herren, ist das Ergebnis der „mittelstandsfreundlichen" Politik dieser Bundesregierung.
({14})
Herr Bundeskanzler, da Sie heute so viel aus den Tageszeitungen zitiert haben, möchte ich Sie fragen: Warum haben Sie nicht aus der neuen Studie der Jusos zitiert? Und dann sprechen Sie von Täuschung! Herr Bahr und andere haben doch in den letzten 24 Stunden alle Hände voll zu tun gehabt, um zu verhindern, daß diese Studie, die vom Bundesvorstand der Jusos bereits beschlossen ist, vor dem Ende dieser Debatte das Licht der Welt erblickt. Das liest sich dann beinahe so wie bei Conny Ahlers, womit ja auch die These bestätigt ist: Das sind nicht die Jusos, meine Damen und Herren, das sind viele in der deutschen Sozialdemokratie, die längst empfunden haben, daß es so nicht weitergehen kann - mit einer Regierung und einem Kanzler, die in die Schleuderzone geraten und der Probleme nicht mehr mächtig sind.
({15})
Das sind doch alles nicht Äußerungen von uns, meine Damen und Herren, die in der neuesten Studie der Jusos stehen, Äußerungen etwa wie: die Regierung betreibe eine unredliche Politik, die Regierung sei unglaubwürdig und in der Regierungserklärung vermisse man jede Perspektive. Meine Damen und Herren, wenn w i r das sagen, ist das Ihrer Meinung nach Schwarzmalerei. Wenn die Jusos das sagen, ist das zumindest die Kenntnis von Insidern. Und ich tue dem Kollegen Conny Ahlers natürlich gern noch einmal die Ehre an, ihn zu zitieren. Er schrieb - meine Damen und Herren, nicht im Bayernkurier, sondern in der SPD-eigenen „Hamburger Morgenpost" - vor weniger als zehn Tagen, also nicht in der grauen Vorzeit:
Seit die letzte Runde des Bundestagswahlkampfes im Sommer eingeläutet wurde, wird Deutschland nicht mehr ordentlich regiert ... Der Bürger fängt jetzt verständlicherweise schon an, sich zu fragen, ob diejenigen, denen er am 3. Oktober, wenn auch nur mit knapper Mehrheit, noch einmal sein Vertrauen ausgesprochen hat, auch wirklich regierungsfähig sind ...
Meine Damen und Herren, auch diesem Satz eines
klugen Zeitgenossen habe ich nichts hinzuzufügen.
({16})
Ihre jetzige Replik, Herr Bundeskanzler, hat noch weitere erstaunliche Dinge aufgewiesen. Da greifen Sie den Kollegen Biedenkopf an, seine Äußerungen seien ein Verstoß gegen den Gedanken der Subsidiarität. Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube! Wenn hier der stellvertretende Vorsitzende der SPD - und das ist ja unser Bundeskanzler auch, ich sage es noch einmal - von Subsidiarität spricht, dann würden wir von der CDU und CSU uns wünschen, daß er so auch auf dem nächsten SPD-Parteitag spricht, wenn es darum geht, den alten Gemeindesozialismus, wo noch immer der Marxismus fröhliche Urständ feiert, immer wieder aufs neue zu befestigen.
({17})
Dann, Herr Bundeskanzler, unterhalten Sie sich einmal mit Ihrem Mitstellvertreter im Vorstand der SPD, Hans Koschnick, über sozialdemokratisch-sozialistische Gemeindepolitik, über manche Äußerungen SPD-geführter Landesregierungen zu freien gemeinnützigen Trägern! Reden sie einmal mit den Verantwortlichen von Bürgerinitiativen, die draußen im Lande Kindergärten unterhalten und freie gemeinnützige Krankenhäuser betreiben! Die werden Ihnen Aufschluß darüber geben, wie es mit der Subsidiarität in jenen Städten und Ländern der BundesrepuDr. Kohl
blik bestellt ist, in denen die SPD die Mehrheit hat. Was Sie hier machen, ist doch eine politische, programmatische Kosmetik, die mit der Wirklichkeit der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und Ihrer Politik überhaupt nichts zu tun hat.
({18})
Sehr interessant fand ich Ihre Ausführungen zum Thema Renten. Wir sind ja - frei nach Eppler - allesamt lernfähig und natürlich auch belastbar. Gestern wurde mir, dem Kollegen Katzer und anderen von Sprechern der SPD der Vorwurf gemacht: Wo ist denn eigentlich eure Alternative? Sie zitieren gerne Leitartikel, in denen nach der Alternative der Union gefragt wird. Diese Alternative werden Sie zum gegebenen Zeitpunkt, vor der Beratung des Gesetzes, dessen Vorlage Sie angekündigt haben, dargestellt bekommen. Was soll ich denn von einer Aussage des Herrn Bundeskanzlers halten, in der uns im ersten Satz der Vorwurf gemacht wird: Wo ist denn eure Alternative? und dann in einem Halbsatz - in diesem Hause offensichtlich wenig beachtet; deswegen wiederhole ich es hier - lapidar gesagt wird - ich habe mir diesen Halbsatz notiert -: Die Überlegungen der Regierung sind noch nicht abgeschlossen. Herr Bundeskanzler, wir sind doch keine Hellseher. Ihres Amtes ist es doch, diesem Haus Vorlagen der Regierung zu unterbreiten, die wir dann hier zu behandeln und zu verabschieden haben.
({19})
Herr Abgeordneter Kohl, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein, lassen Sie mich erst diesen Gedankengang zu Ende führen.
Damit es ganz deutlich im Protokoll steht und auch jedem Bürger draußen noch deutlicher wird, möchte ich sagen, daß diese Ankündigung von eben im Klartext heißt: Sie fangen jetzt wieder ganz von vorne an.
({0})
Herr Bundeskanzler, lassen Sie uns bitte mit der Ausrede - sie stellt eine schwere Zumutung dar - in Frieden, Sie hätten im Rahmen der Verfassungsordnung die Termine eingehalten. Sie sind doch im Amt geblieben! Sie befinden sich doch nicht in der Lage des amerikanischen Präsidenten, der heute mit einer neuen Administration seine Amtsgeschäfte aufnimmt. Was haben Sie denn vor der Wahl, als Sie schon wußten, wie sich das Dilemma der Renten darstellt, getan, und was haben Sie eigentlich zwischen dem 3. Oktober und dem 14. Dezember 1976 in dieser Frage getan?
({1})
Herr Bundeskanzler, ich kann doch nicht davon ausgehen, daß Sie die ganze Zeit dazu benutzt haben,
den Kollegen Arendt zu veranlassen, im Amt zu
bleiben oder aus dem Amt auszuscheiden. Das kann doch nicht alles gewesen sein!
({2})
Kommen Sie jetzt gegenüber dem deutschen Volk bitte nicht mit der Ausrede eines Zeitplans. Wenn jemand Zeit gehabt hat, in diesen Monaten zu handeln, so waren Sie es. Sie waren aber unfähig zum Handeln, weil Ihre eigene Partei zerstritten ist und weil in dieser Frage keine Gemeinsamkeit in der Koalition herzustellen war.
({3})
Herr Abgeordneter Glombig, wollen Sie die Möglichkeit nehmen,. jetzt Ihre Zwischenfrage zu stellen? Der Herr Abgeordnete Dr. Kohl läßt Ihre Zwischenfrage jetzt zu.
Herr Kollege Kohl, herzlichen Dank dafür, daß ich Ihnen diese Frage nach dem dritten vergeblichen Versuch nunmehr stellen kann. Ich möchte Ihnen eine Frage zur Subsidiarität stellen; Sie sind in Ihren Ausführungen mittlerweile allerdings schon weitergegangen. Wissen Sie wirklich nicht, daß sich die freigemeinnützigen Einrichtungen vor allem in den sozialdemokratisch regierten Großstädten und nicht zuletzt auch in den Stadtstaaten einer Förderung erfreuen, die sich im Vergleich zu der Förderung vor allem in den CDUregierten Flächenländern durchaus sehen lassen kann?
({0})
Verehrter Herr Kollege Glombig, wie können Sie mir diese Frage stellen? Ich war viele Jahre Ministerpräsident eines deutschen Bundeslandes, das auf diesem Gebiet sicherlich einiges geleistet hat. Ich kann wirklich den Vergleich mit Stadtstaaten, die übrigens finanzstärker als das Bundesland Rheinland-Pfalz sind, anstellen.
({0})
- Das Prinzip ist in der Frage angeklungen. Der entscheidende Unterschied ist, ob man in der Frage der Behandlung der frei-gemeinnützigen Träger so genügsam ist wie offensichtlich der Herr Kollege Glombig oder ob man sie wirklich als Partner des Staates versteht.
({1})
Herr Bundeskanzler, so wie bisher kann es ja nicht weitergehen. Wenn Sie bis Mitte des Jahres das Gesetz haben wollen, müssen Sie - wenn ich noch rechnen kann - im Bundesrat den Termin des 4. März wahrnehmen. Es ist also zu hoffen, daß es den Emissären der Koalition in Tag- und Nachtarbeit gelingt, bis zu diesem Tage eine Vorlage zuwege zu bringen. Wir werden dann dazu unsere klare Einlassung machen.
Wer gestern den Kollegen Katzer und den Kollegen Franke gehört hat, weiß ganz genau, welches unsere Intentionen und Überlegungen sind. Aber es
ist überhaupt nicht die Aufgabe der Opposition, bevor die verfassungsmäßig berufene Regierung ihre Meinung vorgelegt hat, eine Regierungsmeinung, die offensichtlich noch gar nicht existiert oder die 'sich täglich in den Zahlen ändert, jetzt zu kommentieren. Das kann niemand von uns erwarten.
({2})
Ich kann mich eigentlich nur dem anschließen, was in der neuen Nummer der „Welt der Arbeit" vom 21. Januar der stellvertretende Vorsitzende des DGB Gerd Muhr schreibt - man braucht den Artikel gar nicht mehr zu lesen, die Überschrift spricht für sich -: „Die Renten im totalen Irrgarten".
({3})
Das ist das Ergebnis sozialdemokratischer Politik in Deutschland, das ist ein Skandal an den Rentnern in diesem Land.
({4})
Herr Bundeskanzler, in solchen Fällen sind Sie immer schnell dabei, starke Worte zu gebrauchen; man kann es beinahe aufzählen.
({5})
- Das ist eine Preisfrage, Herr Kollege Strauß. Ich weiß nicht, ob er noch der Sozialdemokratischen Partei angehört, früher war meine Information, daß er zum Gewerkschaftskreis der SPD gehört.
Man kann fast sagen: Je härter die Formulierungen beim Herrn Bundeskanzler hier an diesem Platze werden, um so schwächer ist die Position. Er hat auch heute wieder zur Aussprache über die Regierungserklärung im Rückfall in Wahlkampfthemen vor allem über Täuschungen und Verdrehungen gesprochen. Sie, die Kollegen von der SPD und die Bundesregierung, wissen doch ganz genau, daß Sie ohne eklatante Wählertäuschung schon seit Jahren nicht mehr auf der Regierungsbank sitzen würden.
({6})
Sie haben sich doch ausschließlich mit dieser Methode der Täuschung mühsam in Nordrhein-Westfalen an der Macht gehalten: Der Aufschwung kommt bestimmt. Das haben Sie den Leuten vorgeredet, obwohl Sie es natürlich selbst überhaupt nicht geglaubt haben; denn niemand unterstellt Ihnen, daß Sie das nicht selbst alles so wie wir gesehen haben. Aber dies war die Methode. Sie haben vor der Wahl das ganze Dilemma mit den Renten in dieser Form dargestellt. Herr Bundeskanzler, Sie können Dutzende von Zitaten von Kollegen aus der Union, hier aus dem Bundestag, von mir und von anderen finden, in denen wir vor der Wahl gesagt haben: Laßt uns doch dieses Thema nicht zum zentralen Thema des Wahlkampfs machen, sondern gehen wir diese zugegebenermaßen schwierige Problematik gemeinsam an! Nun sind Sie mit der Attitüde des Propheten mit einem beinahe alttestamentarischen Auftreten in den Wahlkampf gezogen und haben gesagt: Das ist Panikmache. Dann haben Sie die 10 Gebote bemüht. Mir liegt das nicht, hier so fortzufahren. Nur: wer andere des Verstoßes gegen
die Gebote zeiht, soll sich den Spiegel vorhalten und fragen, wieweit er sich selbst an solchem Tun beteiligt hat!
({7})
Warum reden Sie dauernd von der Täuschung des Wählers? Ihr zentrales Thema sind natürlich, weil Sie über die Vorgänge bei Ihnen nicht reden wollen, die Schwierigkeiten zwischen CDU und CSU, die es zugegebenermaßen gab. Aber in der ganzen Parlamentsgeschichte gibt es keinen eklatanteren Fall von Wählertäuschung als den Rücktritt des hessischen Ministerpräsidenten Osswald, der drei Minuten, nachdem die Wahllokale am 3. Oktober geschlossen hatten, zurücktrat.
({8})
Ich habe die Sache mit Herrn Arendt ja erwähnt. Stellen Sie sich einmal vor, ein von der CDU/CSU getragener Bundeskanzler wäre mit solchen Methoden Kanzler der Bundesrepublik Deutschland geworden! Diesen Aspekt möchte ich nur einmal aufwerfen.
Ich komme zum Thema Konzeptionslosigkeit. Es war ein Mittelding zwischen Erheiterung und Resignation, als gestern der Kollege Schmidt ({9}) von der FDP das Wort „Flickschusterei" über die Rentenfrage hier erläutert hat. Halb gab er zu, daß er es gesagt hat, halb hat er es interpretiert; aber der Mann hat recht. Ich weiß nicht, warum er nicht zu seinem Wort steht. Es ist eine so glückliche Wortschöpfung für eine so unglückliche Sache, daß er stolz darauf sein sollte, daß er den Mut gehabt hat, hier einmal die Wahrheit zu sagen.
({10})
Herr Bundeskanzler, Sie sprechen mit Recht von der Notwendigkeit der Opfer für alle Bürger. Wir haben uns auch als Opposition nie aus der Verantwortung herausgeschlichen, weil das nicht unserem Politikverständnis entspricht und weil es wider die Vernunft der Verfassungsordnung unserer Bundesrepublik wäre.
Gott sei Dank haben wir auf Grund der Entwicklung der bundesstaatlichen Ordnung - Bundestag, Bundesrat - ein Stück Machtdezentralisation. Wir haben die Mehrheit im Bundesrat. Das ist eine Mehrheit, die natürlich auch ein Mehr an Verantwortung jedem aufbürdet, der dort sitzt, jedem in unserer Gemeinschaft CDU/CSU. Aber Opfer kann man doch nur verlangen, wenn auch die Glaubwürdigkeit in die Politik, die Opfer verlangt, ganz selbstverständlich ist. Nehmen Sie beispielsweise die Rentenfrage. Hans Katzer hat das drastisch, aber völlig zutreffend charakterisiert, als er davon sprach, welche Taschen alle geplündert werden, wenn Ihr Ergebnis, wenn das Wirrwarr Ihrer Vorlage Wirklichkeit werden soll.
Die ungedeckten Wechsel auf die Zukunft: Niemand weiß doch, ob die Kassen der Bundesanstalt für Arbeit das Geld zur Verfügung haben werden, das Sie jetzt als verfügbar unterstellen.
({11})
Und das will ich doch den Kollegen von der FDP
sagen: Ich bin auch ganz sicher, daß die Ausrede
jetzt schon präpariert ist; denn die Ausrede des Herrn Minister Ehrenberg wird dann sein, er habe sich auf die Angaben des Herrn Minister Friderichs verlassen. So kommt man dann auch innerhalb der Koalition zu einem internen Lastenausgleich. Das ist doch mit Händen zu greifen.
Was wir brauchen, ist ein geschlossenes Konzept für Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik. Das ist die Chance, Staatsverdrossenheit abzubauen. Staatsverdrossenheit entsteht doch nicht, weil die Bürger böswillig sind; das sind die Bürger dieser Bundesrepublik überhaupt nicht. Sie setzen ihre Hoffnung und ihr Vertrauen in die verfassungsmäßigen Institutionen. Warum sind wir denn mit Recht so stolz darauf, daß wir bei der Bundestagswahl am 3. Oktober 1976 als eines der wenigen Länder der Welt erneut bewiesen haben, daß Rechts- und Linksradikale bei demokratischen Wahlen in diesem Lande überhaupt keine Chance haben? Das ist doch das Zeichen für demokratische Mündigkeit in unserem Land.
({12})
Hier geht es doch darum - so wie Conny Ahlers es beschrieben hat; ich brauche es ja nur zu wiederholen -, daß die Führungskraft dieser Regierung und des Kanzlers immer mehr schwindet, daß er in den eigenen Reihen immer umstrittener ist - darüber gibt es doch gar keinen Zweifel -, daß viele, ob junge oder alte, altgewordene Jusos oder Jusos von heute, in diese Richtung tendieren. Das ist genau das, was wir nicht brauchen können.
Die Bundesrepublik - in diesem Punkte stimme ich Ihnen völlig zu - braucht in einer schwieriger gewordenen Weltlage eine stabile Regierung. Sie braucht Kontinuität. Sie ist jetzt nicht in einer Phase, in der schwierige Experimente gemacht werden können, sondern jetzt müssen dem Bürger Ruhe, Vertrauen und Zuversicht vermittelt werden. Jetzt ist nicht die Stunde der Resignation, wie sie diese Regierung praktiziert, jetzt ist eigentlich die Stunde für einen vernünftigen Aufbruch. Dazu gehört auch ein Stück vernünftiger Gemeinsamkeit.
Was wir brauchen, ist eine solide Politik ohne Tricks, eine für den Bürger durchschaubare Politik, eine Politik, die den Bürger, dessen Mündigkeit Sie ständig zitieren, fähig und bereit macht, notwendige Opfer zu bringen. Aber der Bürger, wir alle, wollen wissen, was für Opfer das sind und welchem Zweck diese Opfer dienen sollen. Wir dürfen darauf bauen, daß die riesige Mehrheit der Bevölkerung unseres Landes bereit ist, den Weg vernünftiger Politik mitzugehen. Sie, Herr Bundeskanzler - ich sage es am Ende dieser Debatte noch einmal -, können darauf setzen, daß wir uns vernünftigen Vorschlägen nicht in den Weg stellen werden. Aber wenn wir Verantwortung übernehmen, wollen wir wissen, wohin die Reise geht. Die Reise dieser Regierung geht ins Ungewisse. Das ist eine bittere Erkenntnis am Ende dieser Debatte.
({13})
Nachdem der Zuruf des Abgeordneten Dr. Lenz ({0})
an den Herrn Bundeskanzler dem Präsidium schriftlich vorliegt und bestätigt worden ist, erteile ich Ihnen, Herr Abgeordneter Dr. Lenz, einen Ordnungsruf.
Das Wort hat der Herr Bundesinnenminister Professor Dr. Maihofer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Leider bleibt am Ende dieser Parlamentsdebatte nur noch eine kleine Zeitspanne, um wenigstens einige der gröbsten Unrichtigkeiten, die Herr Dregger in seiner Rede vorgetragen hat, zurechtzurücken. Wir werden andere Gelegenheit suchen müssen - etwa im Rahmen der Haushaltsdebatte -, um noch sehr viel grundsätzlicher auf das einzugehen, was Sie hier vorgetragen haben. So bedauerlich dies ist - ich muß mich also darauf beschränken, hier einige der Punkte herauszugreifen, die vorzutragen Sie für gut befanden.
Ich glaube, Herr Dregger, daß Sie sich mit Ihrer Rede heute wirklich selbst übertroffen haben,
({0})
und ich weiß nicht, worüber ich am meisten staunen soll, vielleicht über die Unbedenklichkeit, mit der Sie fast beiläufig in einem Nebensatz dieses schreckliche Verbrechen, das soeben in Braunschweig geschehen ist, und zwar im Bereich der vermutlich nicht politisch motivierten Gewaltverbrechen, in eine Parlamentsdebatte über innere Sicherheit im Verantwortungsbereich des Bundes hineinziehen.
({1})
Dabei wissen Sie doch ganz genau, daß unsere Bundeskriminalpolizei nach dem Gesetz über das Bundeskriminalamt außer bei bestimmten Staatsschutzdelikten nur ganz enge eigene Zuständigkeiten hat: im Bereich des international organisierten Rauschgifthandels, des Waffenhandels, des Falschgeldhandels.
({2})
- Ich komme gleich darauf. - Und selbst in diesem originären Zuständigkeitsbereich - und auch das wissen Sie ganz genau, und deshalb erregen Sie wider besseren Wissens einen falschen öffentlichen Anschein - ist dem Bundeskriminalamt jede präventive Verbrechensbekämpfung, jede Verbrechensvorbeugung also ausdrücklich gesetzlich untersagt. Wir könnten heute noch nicht einmal eine eigene Aufklärungskampagne über Schutz vor und Verhalten bei solchen nicht politisch motivierten Gewaltverbrechen unternehmen, ohne mit dem Gesetz in Konflikt zu kommen.
Ich hätte deshalb von Ihnen, wenn Sie schon diese Frage ansprechen, doch der Redlichkeit halber erwartet, daß Sie mit mir zusammen in ein öffentliches Nachdenken darüber eintreten, wie wir dem Bundeskriminalamt - wenn Sie doch offenkundig der Meinung sind, daß alles, was jetzt gesetzlich möglich ist, nicht zureicht - nicht nur
die politische Verantwortlichkeit, die Sie ihm offenbar auferlegen wollen, sondern auch die juristischen Zuständigkeiten dafür geben, daß es diese Verantwortung mittragen kann.
Herr Bundesinnenminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Althammer?
Schauen Sie, ich habe eine Viertelstunde Redezeit. Ich gehe sonst und bei nächster Gelegenheit gern ausgiebig auf Fragen ein, aber es ist völlig ausgeschlossen, daß Sie mir die Redezeit, auf die wir uns nun verständigt haben, noch verkürzen.
Ich glaube, daß wir nach dieser Serie von Kidnapping, das wir seit Jahr und Tag nicht nur in unserem Lande erleben, wirklich darüber nachdenken müssen, ob das Bundeskriminalamt, sei es durch Änderung des Bundeskriminalamtsgesetzes oder durch Vereinbarung nach dem Modell der für die politisch motivierten Gewaltverbrechen zwischen den Innenministern getroffenen Absprachen, in den Stand gesetzt werden sollte, gemeinsam mit den Ländern die Mitverantwortung bei der Kriminalitätsbekämpfung zu übernehmen, um so sein hochqualifiziertes kriminalpolizeiliches Potential auch bei solchen schwersten, nicht politisch motivierten Gewaltverbrechen einzubringen. Ich hätte, wenn Sie schon diese Frage ansprechen, eigentlich erwartet, daß Sie dazu konstruktive Vorschläge machen. Aber Sie haben sich auch hier mit bloßen pauschalen Hinweisen begnügt.
Und genauso steht es - ich muß jetzt leider all das überschlagen, was sonst noch zu sagen ich mir vorgenommen hatte - auch mit dem, was Sie zum leidigen Thema des politischen Extremismus sagen. Ich war erschrocken darüber, wie wenig aus Ihrer Äußerung auch nur ein Gefühl dafür hervorscheint, daß diese schwierige Frage ja nicht nur die Seite hat, in der wir einig sind, daß wir nämlich Extremisten vom öffentlichen Dienst fernhalten, sondern auch die Seite, daß wir mit solcher Gewährleistung der Sicherheit eine entsprechende Verbürgung auch der Freiheiten in unserem Lande verbinden. Hier liegen die eigentlichen Probleme, zu denen in Ihrem Redebeitrag nicht eine Andeutung zu finden war.
Ich möchte Ihnen, um das anschaulich zu machen, empfehlen, wie ich es häufig getan habe, sich einmal mit einem größeren Kreise junger Demokraten oder auch ausländischer Journalisten zusammenzusetzen und denen klarzumachen versuchen, daß in unserem Lande ein Lokomotivführer, wenn er Extremist ist, nicht in den öffentlichen Dienst gelangen oder in ihm bleiben kann. Das werden Sie selbst wohlmeinenden Beurteilern aus dem befreundeten Ausland - und nur die allein zählen für mich - mit keinem Mittel und auf keinem Wege verdeutlichen können.
({0})
- Nein, es tut mir leid. Später, bei der nächsten Debatte mit größtem Vergnügen.
Genausowenig werden Sie einem solchen kritischen Publikum verdeutlichen können, daß in unserem Lande, wie in den letzten Jahren mehrfach geschehen, Leute, die gerade das Alter des Jugendlichen überschritten haben, vom staatlichen Vorbereitungsdienst in Monopolausbildungsverhältnissen ferngehalten worden sind, und zwar wegen ihrer in der Studentenzeit liegenden Zugehörigkeit etwa zum Sozialistischen Hochschulbund oder wegen ihrer gegebenen Mitgliedschaft in der Vereinigung Demokratischer Juristen usw. Wo doch auch durch Gerichtsurteile inzwischen immer wieder festgestellt worden ist, daß in solchen Organisationen ebenso eindeutige Extremisten, aber auch unumstrittene Demokraten tätig sind, und man deshalb pauschal aus der Zugehörigkeit zu einer solchen Organisation niemals zu einem Ausschluß und schon gar nicht vom Vorbereitungsdienst in unseren staatlichen Bereichen kommen kann. Auch dies werden Sie schlechterdings niemandem, auch nicht dem wohlmeinendsten Beurteiler im Ausland, und zwar im befreundeten Ausland, klarmachen können.
({1})
Ich bedaure zutiefst, Herr Dregger, daß Sie dies nicht sehen, daß wir in der Tat in einen wie ich durchaus sagen möchte, falschen Schein eines Mangels oder Zweifels an Liberalität in unserem Lande und auch in der Weltöffentlichkeit geraten sind. Deshalb müssen wir alle - und da sind Sie wohl mit mir einig - wollen, daß dieses unser Land nicht mit solchen Zweifeln an seiner Freiheit behaftet bleibt, sondern daß wir gemeinsam dazu beitragen, diese „Zweifel an der Liberalität in Staat und Gesellschaft" - so spricht sich ja auch die Regierungserklärung aus - aus unserer staatspolitischen Verantwortung, und sie ist ja eine gemeinsame Verantwortung, zu beseitigen. Aber davon ist keine Silbe in Ihrem Redebeitrag zu finden gewesen.
({2})
- Unser Verfassungsgericht hat sich hierzu klipp und klar geäußert, nicht nur zur Einzelfallprüfung, sondern auch zum Verbot der Einbeziehung von Jugendsünden, zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in allen Verfahren, was etwa auch die Anfragen beim Verfassungsschutz angeht, was die Weitergabe von Erkenntnissen anbelangt. Es gibt hier überhaupt keine Zweifel darüber, was die buchstäbliche Ausführung von Verfassung und Gesetz verlangt.
Genau zu dieser zweiten Seite der Sache haben Sie, Herr Dregger, überhaupt nichts beigetragen, ganz im Gegenteil. Ich sage Ihnen in allem Ernst - und das dürfen auch Sie nicht wollen -: Der Ungeist, der aus manchen der Bemerkungen gesprochen hat, die Sie hier gemacht haben, mußte uns zwangsläufig früher oder später in die Ecke eines deutschen McCarthyismus führen,
({3})
und das ist etwas, was uns allen schon als falscher Schein unerträglich sein muß, denn es widerspricht der wahren Freiheit in unserem Lande.
Nun zu Ihren Bemerkungen zum öffentlichen Dienst; ich mache es verabredungsgemäß so kurz, wie es eben angeht. Schon Herr Liedtke hat hierzu einiges Entscheidende gesagt. Auch hier machen Sie es sich viel zu leicht, Herr Dregger, und Sie tun das ja nicht zum erstenmal. Sie stimmen in eine undifferenzierte, in eine pauschale Bürokratiekritik aus welcher wie immer -überlegten politischen Opportunität ein, lassen aber jede differenzierte Analyse der wahren Sachlage vermissen. Was Sie hier zur Personalstellenmehrung, was Sie hier auch zum Personalabbau sagen, läßt jede Einsicht in die wirklichen Zusammenhänge vermissen.
({4})
Denn Sie müßten genauso wie ich wissen - ich lege Ihnen die Zahlen auf den Tisch - ({5})
- Entschuldigen Sie! ({6})
- Das weiß ich genauso. Wenn Sie sich nur einmal die Mühe machten, sich die Zahlen anzusehen, die es in amtlichen Statistiken gibt, dann müßten Sie diese Ihre Polemik gegen einen ganz anderen Adressaten als den Bund richten. Herr Liedtke hat schon einige Zahlen genannt. Ich nenne Ihnen andere, die Ihre Äußerungen grundsätzlich widerlegen, weil es hier eben nicht in erster Linie um übertriebene Gesetzesmacherei geht, in deren Kritik wir mit Ihnen übereinstimmen, zu deren Reduzierung die Opposition in der vergangenen Legislaturperiode nur nicht den geringsten Beitrag geleistet hat.
({7})
Die wahren Ursachen liegen ganz woanders. Denn immerhin ist es der Bundesregierung gelungen, im Jahre 1974 den Personalstand um 0,2 %
({8})
und im Jahre 1976 um 0,7 % zu verringern und selbst den Anstieg 1975 auf 0,4 % zu begrenzen.
Demgegenüber - ich sage das mit vollem Bedacht - hat der Personalstand in Ländern und Gemeinden in den Jahren 1974 und 1975 um fast 3 % zugenommen. In der Zeit von 1961 bis 1969 - ({9})
- Entschuldigen Sie, das sind keine Bundesgesetze; denn es handelt sich im wesentlichen um die Lehrberufe und den Polizeiberuf. Das hat mit Gesetzesmacherei absolut nichts zu tun.
({10})
- Das ist einfach unwahrhaftig, was Sie hier sagen, und Sie wissen es.
({11})
Schauen Sie sich einmal die Zahlen an.
({12})
- Wir wollen uns nicht über das Wort „Gentleman" streiten. Ich sage Ihnen genauso ungeschminkt, wie Sie sich äußern, meine Meinung. Das müssen Sie genauso ertragen,
({13})
wie ich das hier auf der Regierungsbank ertrage. ({14})
In der Zeit von 1961 bis 1969 ist der Personalstand des Bundes um noch nicht einmal 30 % gestiegen, in den Ländern Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz um weit mehr als 30 %. Von 1969 bis 1975 - das ist die entscheidende Zeit, für die wir politisch Verantwortung tragen - betrug die Personalmehrung auf Bundesseite 6,1 %, während in der gleichen Zeit der Personalstand etwa in Rheinland-Pfalz um fast 23 % und in Baden-Württemberg um fast 34 % zugenommen hat,
({15})
und zwar hauptsächlich - ich sage es Ihnen noch einmal; Sie können es ja nachlesen - im Lehrerbereich - das hat überhaupt nichts mit Bundesgesetzen zu tun -, im Hochschulbereich - das hatte damals jedenfalls überhaupt nichts mit Bundesgesetzen zu tun - und im Polizeibereich, und das hat ebenfalls nichts mit irgendeinem Bundesgesetz zu tun, sondern mit dem gemeinsam verabredeten Sicherheitsprogramm von Bund und Ländern.
Noch eine allerletzte Bemerkung; denn das kann ich nun wirklich nicht auch nur 14 Tage auf meiner Seele sitzen lassen. Geradezu beleidigend ist das, was sie über den Bundesgrenzschutz sagen.
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Ich finde es unerhört, wenn Sie vom Grenzschutz als von einem „abgerüsteten Bundesgrenzschutz" - so haben Sie es gesagt - sprechen, obwohl Sie wissen müßten, daß der Bundesgrenzschutz heute erstmals in seiner Geschichte überhaupt - als ich meine Verantwortung hier antrat, hatten wir noch 6 500 Fehlstellen - einen Personalstand von über 21 000 Mann hat und die Ausbildung dieses Personals - jetzt nicht mehr kurzdienende Wehrpflichtige, sondern längerdienende Polizeivollzugsbeamte - eine Qualität hat, wie wir sie sowohl im Einzeldienst als auch im Verbandsdienst so noch nie vorher erreicht hatten. Um es noch klarer zu sagen: So wie die Ausbildung ist auch die Ausrüstung des Bundesgrenzschutzes in allen Einzelheiten buchstäblich so entwickelt worden, wie es durch die gemeinsam verabschiedeten Gesetze, das gemeinsam beschlossene Sicherheitsprogramm zwischen Bund und Ländern und die gemeinsamen Beschlüsse über den Bundesgrenzschutz in diesem Hause mit den Stimmen nicht nur der Regierung, sondern auch der Oppositionsparteien festgelegt worden ist.
Wenn Sie etwa den Anschein erwecken wollen, als ob der Bundesgrenzschutz im Verteidigungsfall plötzlich zu einer Aufgabenerfüllung nicht mehr im Stande wäre, dann sage ich: Auch an seinem Kombattantenstatus ist, wie Sie genau wissen, nach dem
gründlichen Gutachten einer Sachverständigenkommission nicht um ein Jota gerüttelt worden.
Deshalb hat mich das, was Sie hier an unseriöser Argumentation vortragen - ich kann es nicht anders nennen -, zutiefst erschreckt. Ich appelliere auch in diesem kurzen Beitrag wirklich an die Opposition, daß sie auf einen Weg bei der Behandlung dieser Fragen zurückfindet, wie er für die Innenministerkonferenz seit Jahren selbstverständlich ist. Wir sollten auch hier alle unsere parteipolitischen Profilierungssüchte im Bereich der inneren Sicherheit und des öffentlichen Dienstes beiseite lassen. Hier haben sie nichts zu suchen. Wir müssen uns auf unsere gemeinsame staatspolitische Verantwortung besinnen und nicht nur in Sonntagsreden vom Konsens der Demokraten reden, der hier tatsächlich die entscheidende Grundlage ist, sondern damit im Allltag wirklich ernst machen. Dazu möchte ich Sie herzlich aufrufen.
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Das Wort hat Herr Dr. Hirsch, Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen.
Minister Dr. Hirsch ({0}) : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bestehe nur deswegen auf meiner Wortmeldung, weil mich Herr Abgeordneter Dregger auf das besondere Schmuckblatt der schleswig-holsteinischen Landespolitik, Brokdorf, angesprochen hat.
Das Land Schleswig-Holstein hat das Land Nordrhein-Westfalen um Amtshilfe unter Berufung auf Art. 35 Abs. 1 des Grundgesetzes ersucht, ohne daß vorher eine Kontaktaufnahme stattgefunden hätte, die uns die Möglichkeit gegeben hätte, uns auf ein solches Amtshilfeersuchen einzustellen. Ich habe Verständnis dafür, daß sich das Land SchleswigHolstein nicht auf Art. 91 berufen und damit den innenpolitischen Offenbarungseid leisten wollte, sondern daß es sich um ein Amtshilfeersuchen nach Art. 35 Abs. 1 handelte.
Die Amtshilfepflicht nach dieser Vorschrift, Herr Abgeordneter Dregger, besteht, soweit sie bejaht wird, so weit, wie die eigene Sicherheitslage des aufgerufenen Landes eine Amtshilfe ermöglicht. Ich bin nicht bereit, die Verantwortung für die Sicherheit in dem Bundesland Nordrhein-Westfalen der schleswig-holsteinischen Landesregierung zu übertragen, sondern ich nehme mir in der Tat das Recht, die eigene Sicherheitslage zu prüfen und danach zu entscheiden, in welchem Umfang ich bei einem Ersuchen nach Art. 35 Amtshilfe leisten kann. Dies ist meine verfassungsmäßige Pflicht.
In diesem Rahmen hat das Land NodrheinWestfalen personell und materiell Amtshilfe geleistet. Ich kann Ihnen das Dankschreiben des von mir verehrten Kollegen Titzck selbstverständlich zur Verfügung stellen, wenn Sie daran zweifeln sollten.
Es gibt keinen Zweifel und darf keinen Zweifel daran geben, daß Gewalt in einem Rechtsstaat keine Chance haben darf. In dieser Frage ist die Solidarität der Länder untereinander unangetastet. Es darf
kein Zweifel daran sein, daß rechtmäßige Entscheidungen in einem Rechtsstaat durchsetzbar sein müssen. Auch diese Position ist zwischen den Ländern unantastbar und unberührt. Ich habe diese Erklärung in der Innenministerkonferenz, wie Sie wissen oder wissen könnten, Herr Abgeordneter Dregger, ausdrücklich abgegeben.
Aber nun möchte ich eine Bemerkung machen, die sich nicht auf den verehrten Kollegen Titzck, sondern auf den Ministerpräsidenten des Landes Schleswig-Holstein bezieht: Die Tatsache, daß es eine Feuerwehr gibt, berechtigt nicht zu Pyromanie.
({1})
Der Ministerpräsident dieses Bundeslandes ist in meinen Augen mit einer für mich unbegreiflichen Ungeschicklichkeit oder Gedankenlosigkeit über die Sorgen, die Bedenken und die Furcht der Bürger seines Bundeslandes hinweggegangen und hat dadurch überhaupt erst den anarchistischen Gruppen eine Möglichkeit eröffnet, im Bereich der Bürgerinitiativen tätig zu werden und dort Einfluß zu erlangen.
({2})
Er hat allerdings ein unbestreitbares Verdienst.
({3})
- Bitte, lassen Sie mich meine Ausführungen im Zusammenhang machen. Ich bin gebeten worden, mich so kurz wie möglich zu fassen.
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- Um dieses Vertrauen kümmern wir uns, und zwar erfolgreich, wie Sie an den Wahlen erkennen können.
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Eines hat der Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein allerdings erreicht. Er hat wie kein anderer dafür gesorgt, daß die überfällige Debatte um die Sicherheit der Energieversorgung und um die Sicherheit der Atomenergie in diesem Land nunmehr mit allem Ernst geführt wird, und zwar von den Politikern und nicht von der Polizei; denn es ist nicht Aufgabe der Polizei, diese Debatte mit polizeilichen Mitteln zu führen.
({6})
Das aber ist auch der Grund, warum die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen selbstverständlich mit Bürgerinitiativen spricht, warum sie - zweitens - nicht vollendete Tatsachen schafft, solange ein Rechtsmittel über die vorläufige Vollziehbarkeit anhängig ist, und - drittens - warum wir endgültige Klarheit über die Entsorgungsproblematik haben wollen.
Die Solidarität der Länder wird auf eine besonders harte Probe gestellt, wenn Hilfe geleistet werden muß, weil die staatliche Autorität durch politische Fehlentscheidungen in Gefahr gebracht wird.
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Minister Dr. Hirsch
Aber Sie können sicher sein - und ich sage das hier noch einmal -, daß die Solidarität der Länder gegen jede rechtswidrigen Angriffe und gegen jede Gewalt im Rahmen von Recht und Verfassung unverbrüchlich ist.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schwarz.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will zu zwei Bemerkungen hier etwas sagen.
Zunächst zu einer Bemerkung des Herrn Bundesinnenministers. Herr Minister Maihofer, wir sind uns sicher einig - und das ist auch von meinem Kollegen Dregger nicht kritisiert worden -, daß im BGS einiges Positives geschehen ist. Andererseits verkennen wir nicht, daß im Zug der Umrüstung einiges - ich denke an gepanzerte Spähwagen usw. - an der Grenze zurückgenommen worden ist. Das ist eine Frage, über die wir uns sicher werden unterhalten müssen. Sie hatten heute wenig Zeit. Es ist für Sie heute sicher nicht möglich gewesen, auf die Einzelheiten einzugehen, warum das eine und das andere geschehen ist.
Das. Eigentliche, warum ich zum Rednerpult gegangen bin, sind die Ausführungen von Minister Hirsch. Gestern wurde hier gesagt, Ministerpräsident Stoltenberg dürfe als Gast vor dem Deutschen Bundestag reden. Im Gegensatz dazu finde ich, daß Herr Minister Hirsch hier nicht eine Gastrolle spielt. Es ist das Recht eines Landesministers, hier zu reden, und es ist eine sehr gute Sache, daß der Landesminister hier Stellung genommen hat.
Herr Minister Hirsch, Sie haben eigentlich mit Ihrer Einleitung über das „Schmuckblatt Brokdorf" und Ihren Schlußbemerkungen den Beweis dafür geliefert, daß das, was der Abgeordnete Kollege Dregger hier gesagt hat, in der Tendenz richtig war. Das ist das Entscheidende, Herr Kollege Hirsch.
({0})
Natürlich haben Sie, wie das unter den Ländern immer üblich war, die Polizei von Nordrhein-Westfalen nach Zögern nach Schleswig-Holstein geschickt. Das war sehr spät, weil Sie lange Zeit zum Überlegen brauchten. Daß der Kollege Titzck Ihnen gedankt hat, war immer üblich. Das Entscheidende ist - und das, Herr Kollege Hirsch, ist Ihr Verdienst daß Sie in die Amtshilfe der deutschen Landesinnenminister zu einem bestimmten Zeitpunkt und zu einem bestimmten Thema eigene politische Überlegungen eingebracht haben. Das war bisher ungewöhnlich. Hier geht es um die Ernsthaftigkeit. Es ist unbestritten, daß das Ihr Recht ist. Deshalb wird die Auseinandersetzung ja auch politisch geführt.
Ich weiß nicht, ob Sie gestern den Ministerpräsidenten des Landes Schleswig-Holstein hier gehört haben. Wenn Sie ihn gehört hätten, hätten Sie heute nicht so reden können, wie Sie das soeben hier getan haben.
({1})
Das, was Herr Stoltenberg gestern hier gesagt hat, hat diese Frage klargestellt.
({2})
Ich wünsche und hoffe, daß ein Innenminister eines deutschen Bundeslandes, wenn der Bundesinnenminister oder ein Landesinnenminister um Amtshilfe nachsucht, nicht sein eigenes politisches Süppchen kocht, bevor er Amtshilfe leistet. Das ist der entscheidende Punkt.
({3})
Meine Damen und Herren! Wir stehen am Ende der insgesamt viertägigen Debatte über die Regierungserklärung.
Ich berufe die nächste Sitzung auf Mittwoch, den 2. Februar, 13 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.