Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Aufhebbare Vierzigste Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung
- Drucksache 8/1641 Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts dem Plenum am 8. Juni 1978
Aufhebbare Vierundsechzigste Verordnung zur Änderung der
Einfuhrliste - Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz - Drucksache 8/1642 Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts dem Plenum am 8. Juni 1978
Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Wohnungsmodernisierungsgesetzes
- Drucksache 8/1692 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau ({0})
Finanzausschuß
Ausschuß für Wirtschaft
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
Wird das Wort zur Einbringung gewünscht? - Bitte schön, Herr Bundesminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Schwergewicht des Ihnen vorliegenden Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Modernisierung von Wohnungen und Maßnahmen zur Einsparung von Heizenergie liegt auf dem Gebiet der Energiepolitik entsprechend dem Energieprogramm der Bundesregierung, das in seiner zweiten Fortschreibung vom 14. Dezember 1977 weiterentwickelt worden ist.
Anlaß für das Energieprogramm der Bundesregierung war, wie Sie alle wissen, die Ölkrise des Jahres 1973. Sie hat uns gezeigt, daß vor allem die Energieträger 01 und Erdgas nur in beschränktem Umfang zur Verfügung stehen und es deshalb immer schwieriger werden wird, die Nachfrage der Industrieländer zu befriedigen. Die überwiegend
konjunkturell bedingte derzeitige Überschußsituation auf dem Weltenergiemarkt darf uns nicht davon ablenken, daß das zentrale Problem der deutschen Energiepolitik, die Sicherheit der Energieversorgung, fortbesteht. Wirtschaftliches Wachstum ist unerläßlich, wenn es uns gelingen soll, die dringenden wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Aufgaben, vor die wir gestellt sind, zu lösen. Dieses Wirtschaftswachstum ist aber undenkbar ohne Zunahme unseres Energieverbrauchs. Die längerfristigen Risiken am Weltenergiemarkt für die importabhängige deutsche Volkswirtschaft müssen in diesem Zusammenhang gesehen werden. Vor allem am Weltölmarkt, von dem die Ölversorgung der Bundesrepublik Deutschland zur Zeit schon zu 95 °/o abhängig ist, muß angesichts der steigenden Nachfrage ab Mitte der 80er Jahre mit zunehmenden Spannungen gerechnet werden. Der weitaus größte Teil unseres Primärenergiebedarfs wird aber noch auf lange Zeit durch Erdölimporte gedeckt werden müssen.
Unsere zunehmende Abhängigkeit von Ölimporten hat aber für die Bundesrepublik Deutschland als hochindustrialisiertes Land mit unzureichenden Primärenergiereserven nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Risiken, deren Konsequenzen uns alle noch in Erinnerung sind. Obwohl die Bundesrepublik Deutschland im internationalen Vergleich bereits einen hohen Ausnutzungsgrad der Energie erreicht hat, ist es deshalb unerläßlich, den Zuwachs des Energieverbrauchs so gering wie möglich zu halten und den Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch aufzulockern. Das Verhältnis von Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch ist aber vor allem durch rationellere Energieverwendung veränderbar. Unser Ziel muß es daher sein, eine möglichst konsequente Politik der Energieeinsparung zu betreiben, ohne daß daraus Gefahren für das wirtschaftliche Wachstum entstehen dürfen.
Deshalb sind Maßnahmen zur Energieeinsparung insbesondere dort sinnvoll und zweckmäßig, wo ein erhebliches Einsparpotential zur Verfügung steht und nicht nachteilige Strukturwirkungen entstehen. Dies ist gerade im Gebäudebereich der Fall. Rund 40 °/o des gesamten Energieverbrauchs der Bundesrepublik entfallen auf die Gebäudebeheizung. In der zweiten Fortschreibung des Energieprogramms hat daher die Bundesregierung die Not6620
Wendigkeit energiesparender Maßnahmen im Gebäudebereich besonders betont. Für neu zu errichtende Gebäude hat sie hieraus durch die von ihr erarbeiteten Verordnungen zum Energieeinsparungsgesetz, insbesondere durch die bereits in Kraft getretene Wärmeschutzverordnung, die erforderlichen Konsequenzen gezogen.
Energieeinsparung ist jedoch nicht nur durch reglementierende Gesetzgebung möglich. Gerade im Gebäudebestand, in dem häufig nur die Mindestanforderungen der Energieeinsparung erfüllt sind, sind die Möglichkeiten, Energieeinsparungen durch gesetzliche Vorschriften zu erreichen, schon aus verfassungsrechtlichen Gründen begrenzt. Dort, wo Gebote nicht greifen können, müssen daher zum Zwecke der Energieeinsparung Anreize geschaffen werden, um entsprechende Investitionen anzuregen. Hierzu sind finanzielle Hilfen unerläßlich. Nur wenige Verbraucher werden Anlagen und Einrichtungen, die in Zeiten des Energieüberflusses und damit niedriger Energiepreise entstanden sind, zur Energieeinsparung verbessern, wenn ihnen hierbei nicht durch staatliche Förderungsmaßnahmen in fühlbarer Weise geholfen wird.
Es ist ja allgemein bekannt, daß Aufwendungen für energieeinsparende Investitionen im Altbaubereich gegenwärtig noch nicht durch die geringeren Ausgaben für Heizenergie ausgeglichen werden können. Die Bundesregierung hat daher mit Kabinettsbeschluß vom September 1977 den Ländern angeboten, ein gemeinsam finanziertes Programm zur Förderung heizenergiesparender Investitionen in Höhe von 4,35 Milliarden DM durchzuführen mit dem Ziel, über einen Investitionskostenzuschuß von 25 % ein Gesamtinvestitionsvolumen in der Größenordnung von ca. 15 Milliarden DM mitzufinanzieren. Neben der Energieeinsparung wollte die Bundesregierung damit im Ausbaugewerbe und in der Zulieferindustrie mittel- und längerfristig zusätzliche Auftragsvolumina schaffen, die Tendenzen zu einer Konjunkturbelebung unterstützen und damit auch die Lage am Arbeitsmarkt nachhaltig entspannen.
Bedauerlicherweise war es nicht möglich, dieses Programm zur Förderung der Einsparung von Heizenergie rasch und ohne Verzögerung durch eine Verwaltungsvereinbarung mit den Ländern zu verwirklichen, um es dann im weiteren Verlauf gemäß den Zielsetzungen der 2. Fortschreibung des Energieprogramms durch Novellierung des Wohnungsmodernisierungsgesetzes in ein längerfristiges Energieeinsparkonzept einzubetten.
Wie Sie alle wissen, ist die Verwaltungsvereinbarung an den Einwänden zweier Länder gescheitert, die auf Grund der Mischfinanzierung einen unzulässig starken Einfluß des Bundes auf die politische Gestaltungsfreiheit der Länder befürchteten.
({0})
Diese Argumentation ist auch in einem Grundsatzartikel zu Fragen des Föderalismus und in diesem
Zusammenhang auch zu Fragen der Mischfinanzierung im „Rheinischen Merkur" in dieser Woche von Staatssekretär Herzog enthalten, der im Rahmen seiner kritischen Haltung zur Gemeinschaftsfinanzierung auf die Entstehungsgeschichte dieses Energieeinsparungsprogramms zu sprechen kommt und in diesem Zusammenhang ausführt:
Für die Länder bedeutete das Programm aber Kosten von über 2 Milliarden DM, die ihnen bei der Angespanntheit ihrer Haushalte an anderen Stellen gefehlt hätten. Vor allem wäre ihnen die politische Entscheidung darüber genommen worden, ob nicht vielleicht doch mit einem Teil des Geldes besser Krankenhäuser, Schulen oder Lehrstellen für arbeitslose Jugendliche geschaffen werden sollen. Scharf ausgedrückt: Bei dieser Art von Mischfinanzierung besteht immer die Gefahr, daß der Bund nur halb bezahlt, dafür ganz anschafft.
Der Begriff des Anschaffens ist mir in diesem Zusammenhang nicht erklärlich.
({1})
Hier geht es doch offensichtlich um eine gemeinsame Zielsetzung. Ich jedenfalls hatte die Energieeinsparung bisher als gemeinsame Zielsetzung verstanden.
Mir ist die Polemik aber auch deshalb nicht verständlich, weil ja jetzt gerade die von der CDU und der CSU regierten Bundesländer, Herr Kollege Kohl, Steuererleichterungen vorschlagen -
({2})
- Wir haben doch von vornherein dieses Programm gewollt; es ist doch zunächst einmal am Widerstand von CDU-Bundesländern gescheitert. Und jetzt werden Steuererleichterungen vorgeschlagen, die ja schließlich auch die Länderhaushalte belasten, allerdings auch noch die Gemeindehaushalte. Das ist auch insofern sehr beachtlich.
({3})
Meine Damen und Herren, ich bedaure diese unglaubwürdige Argumentation. Eine Verwaltungsvereinbarung wäre gerade im letzten Jahr besonders geeignet gewesen, für dringende Probleme kurzfristig Lösungen zu schaffen. Außerdem hätte ein frühzeitiges gemeinsames Handeln von Bund und Ländern unserer gemeinsamen Verantwortung in diesem Bereich entsprochen.
Unbestreitbar ist, daß Energieeinsparungen und konjunkturelle Anreize in der derzeitigen schwierigen volkswirtschaftlichen Lage von zentraler Bedeutung sind. Zur Lösung der hier anstehenden Probleme sind wir daher alle aufgerufen. Sie können nur in einer gemeinsamen Anstrengung aller Beteiligten erreicht werden. Sonderinteressen einzelner Bundesländer oder parteipolitische Erwägungen sollten in einem Bereich, der für unsere gesamte Volkswirtschaft von so großer Bedeutung ist, den Weg zu gemeinsamem Handeln nicht blockieren.
Nachdem der Abschluß einer Verwaltungsvereinbarung leider nicht möglich war, ist die Bundesregierung sofort in die nach der Fortschreibung des Energieprogramms ohnehin als zweite Phase geplante Novellierung des Wohnungsmodernisierungsgesetzes eingetreten. Sie hat sich dabei streng an das gehalten, was in Zusammenarbeit mit den Ländern bereits erarbeitet worden war. Dieses gemeinsame Konzept, zu dem bis dahin von niemandem eine Alternative formuliert worden war, sah eine reine Programmförderung für energieeinsparende Investitionen vor. Der Gesetzentwurf läßt den Ländern - um das auch noch einmal im Blick auf die Argumentation von Herrn Herzog zu sagen - gerade die Freiheit, nur im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten auf die bereitgestellten Bundesmittel zurückzugreifen. In den Beratungen im Bundesrat, im federführenden Wohnungsausschuß, aber auch im Wirtschaftsausschuß ist der Bundesrat zunächst weiterhin vom System einer reinen Programmförderung ausgegangen.
Im Finanzausschuß ist dann in der letzten Phase der Erörterungen eine Förderung primär über Steuererleichterungen gefordert worden. Diese Forderung hat sich der Bundesrat dann am 17. März beim ersten Durchgang in seiner Mehrheit zu eigen gemacht,
({4})
ohne jedoch auszuformulieren, in welchem Umfang und in welcher Form steuerliche Erleichterungen gewährt werden müssen. Die Bundesregierung konnte daher in ihre Gegenäußerung, die Ihnen in der Bundestagsdrucksache vorliegt, auch nur allgemein erklären, daß sie die Möglichkeit zusätzlicher steuerlicher Erleichterungen im weiteren Gesetzgebungsverfahren prüfen werde.
Neben der erstmals erhobenen Forderung nach steuerlichen Erleichterungen waren für die Bundesregierung jedoch zwei Punkte von zentraler Bedeutung. Auch der Bundesrat hält das von der Bundesregierung vorgeschlagene Fördervolumen von 4,35 Milliarden DM für angemessen. Die in früheren Verhandlungen zum Teil von Ländern erhobenen Bedenken, das Programmvolumen sei angesichts der verfügbaren Kapazitäten überhöht, werden offensichtlich nicht mehr aufrechterhalten. Damit haben wir für die kommenden Beratungen, wie mir scheint, eine gemeinsame Basis, von der wir ausgehen können.
Die Bundesländer halten unabhängig von der Frage der steuerlichen Förderung ein Programm auf gesetzlicher Grundlage für erforderlich, und zwar zumindest für den Bereich, in dem steuerliche Erleichterungen nicht oder nicht ausreichend wirken. Dies ist auf jeden Fall beim Bestand der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft mit 3,2 Millionen Wohnungen und beim Bestand der Hauseigentümer mit niedrigerem Einkommen, den man sicherlich mit weiteren 6 bis 8 Millionen Wohnungen angeben kann, der Fall. Daneben handelt es sich um Investitionen, die steuerlich als Erhaltungsaufwand gelten und für die es keine steuerliche Förderung gibt. Bedenkt man die Größenordnung dieser Investitionen, für die auch der Bundesrat nach wie vor eine Programmförderung für erforderlich hält, dann wird deutlich, daß für zusätzliche steuerliche Erleichterungen nur ein begrenztes Volumen zur Verfügung steht, weil sonst bestimmte Eigentümer und bestimmte Investitionsarten benachteiligt würden. Wir alle gehen ja bei Programmförderung und Steuererleichterungen von dem vorgegebenen Finanzvolumen in Höhe der genannten 4,35 Milliarden DM aus.
Unter den gegebenen Voraussetzungen konnte es also nur darum gehen, die bestehenden steuerlichen Erleichterungen dort zu ergänzen und auszuweiten, wo es unter energiepolitischen Gesichtspunkten dringlich oder vertretbar war.
Die inzwischen deutlich gewordenen Vorstellungen der CDU/CSU-Fraktion scheinen mir den vorgegebenen Rahmen zu erweitern. Die CDU/CSU schlägt vor - soweit es bisher aus einer Presseerklärung von Herrn Jahn sichtbar war -, den steuerlichen Abschreibungssatz der begünstigten Maßnahmen zu erhöhen, und sie befürwortet eine Einbeziehung aller zum Betriebsvermögen gehörenden Räume sowie eine zeitliche Ausweitung. Nach unseren Schätzungen würden die dadurch entstehenden Steuerausfälle weit mehr als die Hälfte des Programmvolumens ausmachen.
Auf Grund des nach der Gegenäußerung eingetretenen Klärungsprozesses auf seiten der CDU/CSU-Fraktion und auch der von CDU und CSU regierten Länder des Bundesrates hat die Bundesregierung durch Kabinettsentscheidung vom 12. April ihre Bereitschaft erklärt, Steuererleichterungen dort vorzuschlagen, wo die geltenden steuerrechtlichen Einzelregelungen nicht überzeugend oder ausreichend sind und Möglichkeiten zu einer sinnvollen Ergänzung bestehen. Den Bundestagsausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau habe ich sofort vorgestern, noch am gleichen Tag also, von dieser Entscheidung der Bundesregierung unterrichtet.
Im Eigenheimbereich können Energieeinsparinvestitionen grundsätzlich nur dann erhöht abgeschrieben werden, wenn es sich um Herstellungsaufwand handelt. Dem hat der Bundesminister der Finanzen bereits durch einen Erlaß vom 28. Februar 1978 Rechnung getragen, in dem den Finanzbehörden empfohlen wird, Energieeinsparinvestitionen im Eigenheimbereich ungeachtet ihres Charakters als Erhaltungs- oder Herstellungsaufwand grundsätzlich als Herstellungsaufwand und dadurch als steuerlich absetzbar zu behandeln. Dieser Empfehlung sind die Finanzminister und Senatoren der Länder durch entsprechende Erlasse gefolgt. Sie mögen daraus erkennen, daß die Bundesregierung bestehende Ungleichheiten in der steuerlichen Behandlung von Energieeinsparinvestitionen abgebaut hat.
Vor diesem Hintergrund hält die Bundesregierung in Übereinstimmung mit den Ländervorstellungen folgende ergänzende steuerliche Regelungen und Erleichterungen für möglich. Der Katalog der schon bisher als Energieeinsparinvestitionen besonders begünstigten Maßnahmen wird in Anlehnung an den Katalog unseres Gesetzentwurfs erweitert. Diese Erweiterung betrifft im wesentlichen den Einbau von Wärmepumpen und Solaranlagen und die Umstellung auf Fernwärmeversorgung.
Die Jahrgangsgrenze wird für erhöht absetzungsfähige Energieeinsparinvestitionen vom 1. Januar 1957 auf den 1. Januar 1978 verlegt. Mit der Verlegung der Jahrgangsgrenze wäre dann auch berücksichtigt, daß sich erst in den letzten Jahren energiesparende Bauweisen durchgesetzt haben und deshalb für die Jahrgangsgrenze 1957 bei Energiesparmaßnahmen keine überzeugende Begründung mehr gegeben werden kann.
Die Vergünstigung wird schließlich auf Wohngebäude, die zum Betriebsvermögen gehören, ausgedehnt, die damit hinsichtlich aller Aufwendungen für begünstigte Herstellungskosten den übrigen Wohngebäuden gleichgestellt werden. .
Meine Damen und Herren, wie Sie wissen, schaffen steuerliche Vergünstigungen Rechtsansprüche. Der Umfang der steuerlichen Mindereinnahmen hängt von der Inanspruchnahme der steuerlichen Vergünstigungen ab und läßt sich somit nicht wirksam begrenzen. Auch eine noch so gründliche Schätzung läßt deshalb ein gewisses Haushaltsrisiko offen. Steuerliche Erleichterungen und Programmförderung müssen deshalb in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden. Die Bundesregierung ist nicht der Ansicht, daß eine Kumulation von steuerlicher und Programmförderung der geeignete Weg wäre. Sie gibt vielmehr einer Optionslösung den Vorzug, wonach zwischen einer Programmförderung und steuerlicher Vergünstigung, soweit diese in Betracht kommt, frei gewählt werden kann. Diese Wahlmöglichkeit trägt gerade den individuellen Interessen der Eigentümer Rechnung. Die Option hat ferner den Vorzug, daß sie die im Einzelfall schwierige Prüfung der Einkommensverhältnisse vermeidet, wie sie etwa bei einer Einkommensbegrenzung erforderlich wäre. Sie schließt andererseits die Nachteile einer kumulativen Förderung aus. Denn ein Zusammentreffen von steuerlicher Vergünstigung und Programmförderung würde bei Eigentümern mit höheren Steuersätzen dazu führen, daß häufig mehr als 50% der Investitionskosten aus öffentlichen Mitteln gedeckt würden.
Die Option sollte nach Auffassung der Bundesregierung für den gesamten Anwendungsbereich des Gesetzes, also für allgemeine Modernisierungsmaßnahmen wie Energieeinsparinvestitionen, gelten, weil eine scharfe Trennung zwischen den Maßnahmen, die den Gebrauchswert erhöhen, und solchen, die Energie einsparen, vielfach nicht möglich ist. Ergebnis dieser Optionslösung würde es sein, daß sich die Programmförderung auf Modernisierungs- und Energieeinsparungsinvestitionen solcher Eigentümer konzentrieren wird, die keine oder nur geringe Steuerbelastungen haben, weil hier die erhöhten Absetzungen keine ausreichenden Anreize bewirken. Dies wären vor allem Eigentümer mit geringem Einkommen sowie juristische Personen, die nicht steuerpflichtig oder überhaupt steuerfrei sind. Zum Ausgleich der Mindereinnahmen aus den zusätzlichen Steuervergünstigungen muß natürlich das Programmvolumen entsprechend verringert werden.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung ist sich auch der Tatsache bewußt, daß ergänzende mietrechtliche Regelungen notwendig sind, um Hindernisse, die energieeinsparenden Investitionen des Vermieters entgegenstehen, abzubauen. Eine entsprechende Prüfung der bestehenden Vorschrift wurde bereits in der zweiten Fortschreibung des Energieprogramms für die erste Jahreshälfte 1978 angekündigt.
Nach monatelangen Beratungen und Verhandlungen haben sich damit, wie ich meine, die Positionen von Bund und Ländern zur Förderung energieeinsparender Investitionen im Gebäudebereich einander angenähert. Nunmehr sollte es bei der gegebenen Grundübereinstimmung möglich sein, zu einer für alle tragbaren Lösung der noch offenen Fragen zu kommen.
Energieeinsparung ist nicht nur eine Angelegenheit des Bundes, sondern auch eine Angelegenheit der Länder; diese sind aufgerufen, in bundespolitischen, aber gerade bei der Energieeinsparung auch in internationalen Bezügen zu denken und zu handeln.
Ich appelliere daher an die Länder und auch an die CDU/CSU-Fraktion dieses Hauses, sich dieser Verantwortung bewußt zu sein und nicht durch Maximalforderungen, die in der derzeitigen Situation haushaltsmäßig auch nicht zu verkraften wären, den sich abzeichnenden vernünftigen Kompromiß zu verzögern.
Die Bürger dieses Landes können nach dem Hickhack der letzten Monate meiner Auffassung nach erwarten, daß das weitere Gesetzgebungsverfahren nunmehr zügig vorankommt und noch vor der Sommerpause abgeschlossen wird.
({5})
Ich danke Ihnen, bitte Sie um zügige Beratung und biete die Hilfe der Bundesregierung dazu an.
({6})
Meine Damen und Herren, bevor ich das Wort weitergebe, möchte ich noch das Einverständnis des Hauses mit einer interfraktionellen Vereinbarung herbeiführen, wonach die heutige Tagesordnung um die Beratung des Antrages der Fraktionen der SPD, FDP betr. GATT-Verhandlungen - Drucksache 8/1699 - ergänzt werden soll. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch; dann ist diese Erweiterung der Tagesordnung beschlossen. Interfraktionell ist außerdem vereinbart worden, diesen Tagesordnungspunkt in der Aussprache mit Punkt 21 zu verbinden. - Ich stelle auch dazu das Einverständnis des Hauses fest.
Nunmehr eröffne ich die allgemeine Aussprache zu Tagesordnungspunkt 19. Das Wort hat Herr Abgeordneter Francke ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits während der Diskussion über das Energieprogramm der Bundesregierung aus dem Jahre 1973 waren sich alle Fraktionen dieses Hauses darin einig, daß unabhängig
Francke ({0})
von den einzelnen konkreten Schritten insgesamt nach Möglichkeiten gesucht werden müsse, den Energieverbrauch einzuschränken, d. h., Energie zu sparen. An dieser Notwendigkeit ändert auch die Tatsache nichts, daß zwischenzeitlich die Schätzungen der Energiezuwachsraten, die von den maßgeblichen Instituten in der Bundesrepublik und von der Bundesregierung selbst angestellt werden, anders aussehen, als dies noch vor einiger Zeit der Fall gewesen ist. Mit anderen Worten, alle Fraktionen dieses Hauses waren und sind der Auffassung, daß durch gesetzliche und damit auch finanzielle Maßnahmen etwas getan werden muß, um die Voraussetzungen zu schaffen, auf Grund deren Energie eingespart werden kann. Daneben sollte allerdings, so meine ich, die Regierung nichts unversucht lassen, die Öffentlichkeit nachhaltig und umfassend auf die Notwendigkeiten und Möglichkeiten der Energieeinsparung aufmerksam zu machen; denn heutige Energieeinsparung ist auch eine Form von Zukunftsvorsorge.
Da der Anteil des Energieverbrauchs bei der Gebäudeheizung rund 40 °/o beträgt, ist es richtig, sich schwerpunktmäßig diesem Problemkreis zuzuwenden. Von der Erkenntnis bei der Bundesregierung bis zu den praktischen Schritten hat es, wie so oft, lange - ich meine, nach meiner Überzeugung sagen zu sollen: zu lange - gedauert. Dies hatte seinen Grund nicht nur im Mangel an einer Konzeption auf seiten der Regierung, sondern lag auch an den untauglichen Mitteln, mit denen die Regierung dann versuchte, ihre „Konzeption" durchzusetzen.
Herr Kollege Paterna hat gestern im Ausschuß wörtlich gesagt, das, was sich die Bundesregierung hierbei geleistet habe, „sei ein Trauerspiel". So seine Worte, und ich meine, er hatte völlig recht.
Bundesregierung und 'Koalition haben bis in die jüngste Zeit versucht, die bedauerlichen und völlig unnötigen Verzögerungen der politischen Tätigkeit und Einstellung der CDU/CSU-geführten Bundesländer bzw. der hiesigen Fraktion anzulasten. Diese Einlassungen waren und sind falsch. Da Sie jedoch insgesamt nicht nachlassen - Sie haben das eben nochmals versucht -, wider besseres Wissen derartige Behauptungen zu verbreiten, muß hier in aller Kürze, aber auch Deutlichkeit zur Entstehungsgeschichte folgendes nachgetragen werden.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Waltemathe?
Bitte schön.
Herr Kollege Francke, abgesehen davon, daß es nicht üblich ist, angebliche Wortzitate aus Ausschußsitzungen, die ja nicht öffentlich sind,
({0})
hier vorzutragen, darf ich Sie fragen, ob es zutrifft,
daß Herr Paterna im Zusammenhang mit dem Ausdruck „Trauerspiel" vom Bundesrat gesprochen hat.
Erstens ist Ihre Behauptung falsch;
({0})
er hat genau das Gegenteil gesagt. Zweitens kann ich verstehen, daß Bemerkungen aus Ausschußsitzungen Ihnen natürlich nur dann unangenehm auffallen, wenn sie sich gegen Sie richten.
Am 9. November 1977 hat die Bundesregierung erstmals in einer Referentenbesprechung ihre Absicht erklärt, eine weitere Verwaltungsvereinbarung nach Art. 104 a des Grundgesetzes über ein Programm zur Förderung heizenergiesparender Maßnahmen mit den Ländern abzuschließen. Zur Finanzierung des Bundesanteils sollte eine Erhöhung der Heizölsteuer dienen. Aber bereits am 14. September 1977 hat Herr Kollege Ravens den Ländern und der Öffentlichkeit - sprich: der Presse - seine Absichten kundgetan.
Ich habe damit im Grunde alle Elemente, die zwangsläufig zum Scheitern der Aktivität führen mußten, genannt, möchte dies aber in drei Punkten noch verdeutlichen.
Erstens. Nach dem Wortlaut und dem Verständnis unserer Verfassung sind Bund und Länder gleichberechtigte Partner. Dies bedingt - unabhängig von Stilfragen -, daß man erst seinen Partner informiert und befragt, statt ihn in der Öffentlichkeit vor vollendete Tatsachen zu stellen, ihm öffentlich dezidiert den Inhalt einer Verwaltungsvereinbarung vorzuhalten und im Kommentar sinngemäß nach dem Prinzip zu verfahren: Friß, Vogel, oder stirb! Dies hat nichts, aber auch gar nichts mit einer Partnerschaft, ja noch nicht einmal etwas mit einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern zu tun.
Zweitens. Sie waren in Ihrer Verwaltungsvereinbarung davon ausgegangen, daß das Gesamtprogramm je zur Hälfte vom Bund und von den Ländern finanziert werden sollte, und haben dabei listigerweise hinzugefügt, Ihren Anteil - den Bundesanteil - würden Sie durch eine Erhöhung der Heizölsteuer refinanzieren. Zum Zeitpunkt Ihrer Erklärung hatten alle Länder mindestens durch Kabinettsbeschluß, ganz zu schweigen von dem vorliegenden und durch die Landesparlamente beschlossenen mittelfristigen Finanzplan, ihren Aufgabenkatalog für das Jahr 1978 finanziell abgesichert und öffentlich bekanntgegeben. Änderungen wären also ohne zum Teil tiefgreifende Veränderungen in den sich aus der Landespolitik zwingend ergebenden politischen Prioritäten gar nicht möglich gewesen.
Damit bin ich beim dritten, dem verfassungspolitisch gewichtigsten Argument aller - ich betone: aller - Bundesländer gegen Ihr Vorgehen. Sie, Herr Dr. Haack, und die Regierung wollten die Durchführung und Finanzierung auf der Grundlage des Art. 104 a des Grundgesetzes vornehmen.
Für die Beurteilung dieser Frage ist nach meiner Auffassung der Absatz 4 maßgebend. Er wird in dem Kommentar von Maunz/Dürig/Herzog wie folgt interpretiert - und diese Interpretation haben Sie bislang nicht aus der Welt reden können -:
Francke ({1})
Art. 104 a ist keine Generalklausel für die Beteiligung des Bundes an besonders bedeutsamen Investitionen der Länder und Gemeinden. Vielmehr ist die Beteiligung nur in drei Fallgruppen möglich.
Diese drei Fallgruppen werden dann im einzelnen aufgezählt.
Keiner dieser Tatbestände, die die Voraussetzung für die Anwendung des Art. 104 a sind, liegen hier vor. Art. 104 a soll eine plötzlich erkennbare Notsituation erfassen und schnell lösen helfen. Er soll die Ausnahme von der Regel ermöglichen. Deshalb hat auch die Konferenz der Finanzminister und Finanzsenatoren am 10. November 1977 einstimmig - ich betone: einstimmig - in Berlin zu dem Vor- gehen der Regierung zu Recht erklärt:
Die Vorlage der Entwürfe des Bundes zu den Verwaltungsvereinbarungen auf dem Gebiet der Wohnungsbauförderung gibt Anlaß, zu der Praxis der Anwendung des Art. 104 a Abs. 4 Stellung zu nehmen. Die Finanzministerkonferenz beobachtet mit Besorgnis die zunehmende Inanspruchnahme des Instruments der Verwaltungsvereinbarung. Aus ihrer Sicht bestehen folgende Bedenken: Art. 104 GG könnte den ihm zugedachten Charakter einer Ausnahmeregelung verlieren. Durch die häufige Anwendung dieser Rechtsform besteht die Gefahr einer unzulässigen Einwirkung auf die Haushaltswirtschaft der Länder. Für längerfristig angelegte Programme sollte statt der Verwaltungsvereinbarung das nach Art. 104 GG ebenfalls mögliche Instrument des Förderungsgesetzes gewählt werden. Durch die insbesondere im Jahre 1977 'festzustellende vermehrte Inanspruchnahme des Art. 104 GG befürchtet die Finanzministerkonferenz, daß sich der Ausnahmecharakter dieser Regelung verliert, und zugleich wächst auch die Gefahr,
- sagen die Herren ferner daß die in Art. 109 GG festgelegte Selbständigkeit der Haushaltswirtschaft der Länder durch die von seiten des Bundes weitgehend vorgegebenen Investitionsbereiche in unzulässiger Weise berührt wird.
Das sind - um es zur Erläuterung zu sagen - nicht nur Befürchtungen der Herren; denn zur Zeit bestehen bereits sieben Verwaltungsvereinbarungen.
In diesem Zusammenhang haben die Finanzminister am gleichen Tage einstimmig gefordert: Die Förderungsregelung ist nicht durch Verwaltungsvereinbarung, sondern durch Gesetz zu treffen. Trotz dieser begründeten, klaren und alternativen Position hat die Bundesregierung sowohl am 15. November 1977 wie auch später immer wieder den untauglichen Versuch einer Verwaltungsvereinbarung unternommen und damit allein durch ihr Fehlverhalten eine weitere erhebliche Verzögerung der notwendigen und richtigen Maßnahme verursacht. Nicht die
CDU/CSU-regierten Länder tragen Schuld, sondern
allein die Bundesregierung und die sie tragende Koalition.
({2})
Heute liegt nun ein Gesetzentwurf vor, zu dem die Regierung gestern und heute morgen wesentliche Änderungsvorschläge mündlich unterbreitet hat. Herr Paterna, Sie haben gestern gesagt, das sei ein Trauerspiel, und beklagt, daß die SPD-Fraktion nunmehr nicht nur unter Zeitdruck gesetzt werde, sondern auch - ich komme darauf noch zurück - gegen ihre Überzeugungen handeln müßte, wenn sie die Regierungsäußerungen von gestern und auch von heute morgen akzeptieren sollte. Meine Damen und Herren, Sozialisten sind nun einmal Planungsfetischisten. Hauptsache, es besteht eine Absicht und ein Plan; ob er ordnungs-, Finanz- und konjunkturpolitisch ausgereift und vernünftig ist, spielt keine Rolle. Hauptsache, Herr Waltemathe, es gibt einen Plan. Genau nach diesem Muster ist der Gesetzentwurf gestrickt. Er kann deshalb in der vorliegenden Form von uns nicht akzeptiert werden.
Wir werden zu den Kernpunkten des Gesetzes Änderungsanträge stellen, die ich kurz begründen möchte. Die Regierung gibt dem Gesetzentwurf zwei Zielsetzungen.
Erstens. Die Energieeinsparung im Gebäudebestand trägt wesentlich zur langfristigen Sicherung des wirtschaftlichen Wachstums bei; sie erfordert entsprechende bauliche Maßnahmen.
Zweitens. Verstärkte Investitionen zur Energieeinsparung sind auch aus konjunkturellen Gründen erforderlich.
Zu diesen beiden Zielsetzungen ist folgendes zu sagen.
Erstens. Weder im Gesetz noch in seiner Begründung, noch in den gestrigen Ausschußberatungen war die Regierung in der Lage, eine Kosten-Nutzen-Analyse vorzulegen - oder sie wollte es nicht. Beweisen Sie uns im Ansatz, daß Ihre These richtig ist, mit den vorgesehenen Maßnahmen würde in einer bestimmbaren Größe Energie eingespart.
({3})
Solange Sie das nicht tun, müssen Sie sich den Vorwurf gefallen lassen, dem Gesetz eine zutreffende Überschrift, aber eine unbewiesene Behauptung in der Zielsetzung gegeben zu haben.
Zweitens. Konjunkturelle Anreize im Ausbaugewerbe sind nur sehr bedingt nötig; das sowohl nach den Äußerungen des Bundeswirtschaftsministeriums als auch des betroffenen Gewerbes. Als Ergebnis Ihrer Zielsetzung fürchte ich eher eine Verteuerung der Maßnahmen, da der Markt den Preis reguliert, maßgeblich dafür aber die vorhandene freie Kapazität im Verhältnis zur Nachfrage ist.
Nach meiner Auffassung ist es allein zulässig, zur Zielsetzung des Gesetzes folgendes zu sagen. Das bestehende Wohnungsmodernisierungsgesetz wird um einen neuen Tatbestand erweitert. Daraus folgt, daß sich der Rahmen der staatlichen Förderung sowohl gegenüber dem beschlossenen Haushaltsansatz für 1978 wie auch in den Vorgaben für die Jahre 1979 bis 1982 erhöhen muß. Daß dabei ein zusätzlicher Effekt in Form von eingesparter Energie eintritt, ist zu begrüßen.
Francke ({4})
Bei dieser Sachlage haben wir dafür Sorge getragen, daß sich die Bestimmungen dieses Änderungsgesetzes ordnungs-, finanz- und rechtssystematisch in das bestehende Gesetz eingliedern lassen bzw. daß da, wo bereits im bestehenden Gesetz Unklarheiten oder Ungereimtheiten bestehen, diese ausgeräumt werden.
Bevor ich zu den Details unserer Änderungs- bzw. Verbesserungsvorschläge komme, lassen Sie mich vier Vorbemerkungen machen.
Das bestehende Förderungssystem im Wohnungsbau besteht aus einer Mischung von direkter und indirekter, sprich steuerlicher Förderung. An diesem System soll zur Zeit festgehalten werden.
Der finanzielle Rahmen für Mindereinnahmen bzw. für die Gewährung von Zuschüssen soll in den kommenden fünf Jahren bis 1982 die 4,35-Milliarden-DMGrenze nicht überschreiten.
Die im Bundeshaushalt 1978 für die Zuschußgewährung vorgesehenen Mittel dürfen nicht reduziert werden, da sich die steuerlichen Maßnahmen erst im Haushaltsjahr 1979 auswirken.
Bei der Berechnung unserer Vorschläge sind die Folgerungen aus dem Erlaß vom 28. Februar 1978 des Bundes- und der Länderfinanzminister außer Ansatz geblieben, genauso wie das offensichtlich auch die Regierung zwischenzeitlich tut. Wir halten es allerdings für richtig, den Inhalt des Erlasses in das geltende Gesetz zu übernehmen.
Die CDU/CSU-Fraktion betrachtet die Aufgabe der Modernisierung auch im Rahmen der zusätzlichen Möglichkeiten, Energie einzusparen, als Daueraufgabe. Sie stellt daher dem Regierungsentwurf, der eine ausschließliche Subventionslösung vorsieht, eine gleichgewichtige Kombination von steuerlichen Erleichterungen und von Zuschußgewährung gegenüber. Mit dieser Alternative wird an das bestehende System zur Förderung wohnungswirtschaftlicher Maßnahmen angeknüpft.
Darüber hinaus haben steuerliche Lösungen insbesondere den Vorteil, daß sie zur Vermeidung eines bürokratischen Antragswesens beitragen und die notwendige schnelle Privatinitiative wesentlich rascher aktivieren können. Lassen Sie mich zum Beweis meiner These auch daran erinnern, daß die sehr schlechten Erfahrungen der Vergangenheit - als Stichwort nenne ich nur das „Windhundverfahren" - nur mit einer auch steuerlichen Lösung für die Zukunft gemindert bzw. vermieden werden können. Steuerliche Lösungen stellen für den Bürger einen Rechtsanspruch dar, auf den er sich langfristig einstellen kann und der ihn nicht zwingt, unnötige Hast an den Tag zu legen.
In diesem Zusammenhang muß die Frage gestellt werden - und ich will sie aus meiner Sicht gleichzeitig beantworten -: Soll ein Antragsberechtigter beides fordern können, soll also eine Kumulation stattfinden, oder soll sie nicht stattfinden? Hierzu vertreten wir eine klare Meinung: Nein; der Antragsteller soll und kann zwischen einer Bezuschussung und einer steuerlichen Hilfe wählen. Dabei will ich gerne hinzufügen, daß für einkommensschwache Bevölkerungskreise eine Möglichkeit zur
Doppelförderung aus sozialen Gründen geschaffen werden sollte.
Im einzelnen werden folgende Änderungen vorgeschlagen, wobei ich an dieser Stelle darauf verzichte, sie bis ins letzte Detail zu erläutern; dazu wird im Ausschuß ausreichend Zeit sein:
Erstens. Änderung des § 21 a des Einkommensteuergesetzes mit dem Ziel, eine steuerliche Begünstigung von eigengenutzten Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen durch eine Gleichbehandlung des Erhaltungsaufwandes wie bei Zwei- und Mehrfamilienhäusern zu erreichen. Dieser Vorschlag stellt den zentralen Punkt unserer Alternative dar.
Zweitens. Wir wollen die Einbeziehung von Gebäuden, die nach dem 31. Dezember 1956, jedoch vor dem 1. Januar 1978 hergestellt sind, in die ,Regelungen des § 82 a.
Drittens. Es geht um eine Harmonisierung des Maßnahmekatalogs der Anlage 7 zu § 82 a, also über den Wärmeschutz hinausgehend, mit dem § 4 Abs. 3 des Wohnungsmodernisierungsgesetzes in der Fassung des Regierungsentwurfs.
Viertens. Steuerlicher Anreiz bedeutet für uns auch, daß wir die Abschreibungssätze des § 82 a verdoppeln wollen auf 20 °/o im ersten Jahr, dem Jahr der Fertigstellung also, und in den folgenden vier Jahren.
Fünftens. In diesem Zusammenhang sind auch unsere Vorschläge zu sehen, dann eine erhöhte Absetzung bei Gebäuden vorzusehen, die nach dem 1. Januar 1978 fertiggestellt sind, wenn es sich um Aufwendungen handelt, die zum Anschluß an ein energiesparendes Fernwärmenetz, zum Einbau von Wärmepumpen, zum Einbau von Solarkollektoren und für Anlagen zur Zurückgewinnung und Speicherung von Wärme dienen.
Ferner soll eine Ausdehnung der erhöhten Absetzung auf Wohngebäude, die zum Betriebsvermögen gehören, vorgesehen werden sowie für sonstige Räume gelten, die nicht überwiegend Wohnzwecken dienen.
Nun habe ich gesagt: ein solches Gesetz muß systemgerecht sein und daher sich finanzpolitisch ausgewogen zwischen einer steuerlichen Lösung und einer Subventionslösung darstellen. Das heißt konkret: die CDU/CSU spricht sich dafür aus, daß die einkommensschwachen Bevölkerungskreise und die Wohnungsunternehmen, bei denen sich steuerliche Entlastungen nicht auswirken, eine äquivalente Förderung erfahren und entsprechende Zuschüsse erhalten.
Dabei soll folgender Personenkreis begünstigt werden:
1. Eigentümer von Familienheimen und eigengenutzten Eigentumswohnungen, wenn das Gesamteinkommen des Eigentümers und der zur Familie rechnenden Angehörigen im Sinne des § 25 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes die dort bezeichneten Grenzen nicht übersteigt,
2. Eigentümer von Mietwohnungsgebäuden unter denselben Voraussetzungen wie bei der Moderniesierung,
Francke ({5})
3. gemeinnützige Wohnungsunternehmen unter denselben Voraussetzungen wie bei der Modernisierung,
4. juristische Personen, die Eigentümer von sonstigen Räumen und von der Körperschaftsteuer befreit sind, d. h. Kirchen und Stiftungen. Hierbei soll es jedoch eine Beschränkung der Förderung auf Wohngebäude _geben.
In diesem Zusammenhang muß ich deutlich sagen, daß mich und uns die im Ausschuß vorgetragenen Argumente des Vertreters der kommunalen Spitzenverbände gegen eine steuerliche Lösung keinesfalls überzeugt haben. Dies konnte auch um so weniger der Fall sein, weil gleichzeitig die Vertreter des Deutschen Landkreistages und des Deutschen Städte- und Gemeindeverbundes in der gleichen Sitzung eine, um es sehr vorsichtig auszudrücken, differenzierte Ansicht dazu geäußert haben.
Lassen Sie mich zu zwei anderen wichtigen Themen überleiten. Ich hatte bereits darauf hingewiesen, daß wir das bestehende Modernisierungsgesetz und die zu beschließende Änderung ordnungs- und rechtspolitisch gleichbehandeln müssen und möglicherweise vorhandene Fehler ausbessern sollten. In der zweiten Fortschreibung des Energieprogramms hat die Bundesregierung erklärt - ich zitiere -:
Die Bundesregierung wird in der ersten Jahreshälfte 1978 Änderungen des Mietrechts vorschlagen, die bestehenden Hindernisse für energieeinsparende Investitionen des Vermieters abbauen und die Rechtsbeziehungen zum Mieter regeln. Zu diesem Zweck soll
- sagt die Regierung unter Wahrung der berechtigten Interessen des Mieters die Duldungspflicht des Mieters gegenüber energieeinsparenden Investitionen erweitert und eine Möglichkeit geschaffen werden, die Miete im Hinblick auf die energiesparenden und dadurch auch den Mieter begünstigenden Investitionen angemessen zu erhöhen.
Ich frage Sie, Herr Dr. Haack, wo bleiben Ihre konkreten Vorschläge? Spätestens, meine ich, hätten Sie sich mit der Vorlage dieses Gesetzentwurfs äußern müssen. Aber genauso ungenau, unkonzentriert und unüberlegt wie der ganze Entwurf haben Sie auch in diesen angesprochenen Fragen gearbeitet. Vor der Verabschiedung des Novellierungsgesetzes muß nach unserem Verständnis von Ihnen, von der Bundesregierung eine klare und präzise formulierte Vorlage zu diesem Themenkreis eingebracht sein.
Hierzu hat sich im übrigen auch schon der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 17. März geäußert und Sie in gleicher Richtung aufgefordert.
Damit komme ich zum Schluß. Nach unserer Auffassung ist eine vernünftige Maßnahme von der Regierung falsch im Ansatz und in der Methode behandelt worden, was zu einer nicht notwendigen Verzögerung geführt hat. Der Gesetzentwurf ist ordnungspolitisch sowie finanz- und rechtspolitisch schlecht. Er bedarf zu seiner Anwendung einer
gründlichen Überarbeitung. Dies wird durch unsere Änderungsanträge ermöglicht werden.
An diesen Feststellungen ändert auch nichts die Tatsache, daß Sie, Herr Dr. Haack, sowohl gestern als auch heute Änderungen mündlich angekündigt haben. Im Gegenteil, es bestärkt nur unsere Argumentation. Ihre Fraktion hat doch gestern im Ausschuß klipp und klar erklärt, sie würde den von uns vorgeschlagenen Änderungen nur zustimmen, weil anders keine Mehrheiten zu erzielen wären. Mit anderen Worten: Nicht aus Überzeugung wird das Gesetz durch Sie mit verbessert werden, sondern ausschließlich, weil Sie sich gegen die CDU/CSU-Mehrheit im Bundesrat nicht durchsetzen können. Wir begrüßen dies sehr, weil dadurch ein weiterer Beweis für die Notwendigkeit geliefert wurde, schlechte Regierungsvorlagen durch sachlich überzeugendere Lösungen der CDU/CSU-Fraktion zu ersetzen.
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Von dieser Bemerkung mache ich auch deshalb keine Abstriche, weil die Änderungsvorschläge, die die Bundesregierung gestern und heute hat vortragen lassen, materiell nicht den Notwendigkeiten entsprechen, wie wir und eine Vielzahl von Bürgern in ihren Einwendungen gegen die Regierungsvorlage sie sehen und fordern.
Wie hatte doch der Kollege Paterna gestern gesagt: Es ist ein Trauerspiel. Ich habe dem in bezug auf die Regierungsvorlage nichts hinzuzufügen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Krockert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch den Regierungsentwurf, der uns heute vorgelegt wird, werden zusätzliche Mittel in Milliardenhöhe in das Modernisierungsförderungsgesetz einbezogen. Wir halten die Verbindung von heizenergieeinsparenden Maßnahmen und Modernisierungsmaßnahmen, die dadurch hergestellt wird, für sachgerecht. Schließlich geht es in beiden Fällen darum, daß der vorhandene Bestand an Wohnraum heutigen Erfordernissen angepaßt wird. Deshalb wird eine Reihe von Bestimmungen des Modernisierungsgesetzes künftig auch für die Förderung energieeinsparender Maßnahmen gelten.
Es muß beispielsweise der Verbesserungseffekt wesentlich sein. Es wird eine angemessene Eigenleistung vorausgesetzt. Instandsetzungsmaßnahmen können unter bestimmten Umständen mitgefördert werden. Die kostensparende Gemeinsamkeit mehrerer Eigentümer wird bevorzugt behandelt. Wenn es sich um Mietwohnungen handelt, ist die Mieterhöhung per Gesetz begrenzt. Ein auf Grund des Gesetzes gewährter Zuschuß muß bei der Umlage der Kosten auf die Mieter wieder abgezogen werden. Im übrigen ist überhaupt die Interessenlage des Mieters durch gesetzliche Vorgaben schon bei den Voraussetzungen für eine Förderung besonders berücksichtigt.
Allerdings steht diesen Gemeinsamkeiten zwischen Modernisierungs- und energieeinsparenden Maßnahmen eine Reihe von Unterschieden gegenüber, die es unmöglich machen, daß einfach das ganze Gesetz auf die energieeinsparenden Maßnahmen angewendet wird. Es sind besondere Bestimmungen erforderlich, die die spezielle Zweckbestimmung der Energieeinsparung sichern sollen. Da bauliche Maßnahmen zur Energieeinsparung ganz sicher nicht nur in älteren Gebäuden notwendig werden, die auch in ihrer übrigen Substanz überholungsbedürftig sind, wird 'auch beim Neubau der Solarkollektoren- und Wärmepumpeneinbau begünstigt. Das ist ein Unterschied zu der bisherigen Modernisierungsregelung im Rahmen dieses Gesetzes.
Schließlich ist Energieeinsparung nicht nur in Wohnungen wichtig, sondern auch in anderen Räumen, weshalb es erforderlich war, auch hierfür Bestimmungen in dieses Gesetz mit aufzunehmen.
Mit der Vorlage dieses Regierungsentwurfs haben wir eine erneute Anstrengung der Bundesregierung erlebt, ein Milliardenprogramm zugunsten der Bürger zu retten, ein Milliardenprogramm, das 4,35 Milliarden DM des Bundes und der Länder zur Verfügung stellen sollte, um zu einer Zeit, in der es wirklich als dringlich erkannt wurde, zu helfen, daß künftiger Energieverbrauch eingeschränkt wird. Ich sage: eine erneute Anstrengung der Bundesregierung, und wie sich gezeigt hat, war das noch nicht die letzte.
Ich möchte an dieser Stelle der Regierung unsere ausdrückliche Anerkennung dafür aussprechen, wie beharrlich sie bei der Sache geblieben ist, ohne sich durch Sie von der Opposition und auch durch Ihre Kollegen im Bundesrat entmutigen zu lassen.
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Dies ist ein wichtiges und dringendes Programm. Die Bundesregierung bleibt ganz offensichtlich bemüht, es nicht am mangelnden Kooperationswillen einiger Unionspolitiker scheitern zu lassen. Das ist zu begrüßen, und dafür bedanken wir uns.
({1})
Ich muß die Darstellung des Kollegen Franke in dieser Hinsicht zurückweisen. Die Verantwortung für das Scheitern liegt bei CDU/CSU-geführten Bundesländern,
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insbesondere bei Herrn Filbinger, CDU. Was interessieren uns jetzt noch Kataloge der damals in einem bunten Strauß vorgetragenen vermeintlichen Gründe, wenn jedenfalls gesagt werden kann: Die heute vorgetragene steuerliche Konzeption gehörte nicht zu diesen Gründen. Das ist wohl eindeutig, das hat auch Herr Kollege Franke nicht behaupten können. Ihre „steuerliche Lösung", wie Sie das heute häufiger nennen, war nicht dabei.
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Um so überraschender ist sie heute gekommen. Wir haben jetzt den nächsten Akt. Er wurde deshalb erforderlich, weil unter der alleinigen Verantwortung der CDU die erste Bemühung der Bundesregierung scheitern mußte. Wir haben nunmehr eine gesetzliche Grundlage, die in der Verfahrensweise den Ländern die volle Mitwirkung im Verfahren sichert. Ich möchte bei dieser Gelegenheit ausdrücklich darauf hinweisen: Die Koalitionsfraktionen haben trotz der von allen anerkannten Eilbedürftigkeit der Sache darauf verzichtet, in Form der parlamentarischen Initiative diese Vorlage selber auf den Tisch zu bringen, damit die Länder von Anfang an im Verfahren voll einbezogen sind.
Aber was ist nun daraus geworden? Kaum liegt der Entwurf so vor, wie Sie ihn in der Drucksache heute sehen, erfahren wir erneut den massiven Widerspruch der CDU/CSU-Mehrheit der Länder, und zwar unartikuliert, nur mit dem Hinweis: Uns paßt die ganze Richtung nicht; wir bevorzugen eine steuerliche Lösung. Nun ist sie also da. Zunächst ist da nur der Begriff; aber als Begriff genügt er, um die Bemühungen der Bundesregierung erneut zu behindern. Daraufhin muß die Bundesregierung einen weiteren Schritt auf die Länder zugehen. Das ist erfolgt. Sie haben von dem Beschluß gehört, der vorgestern im Kabinett gefaßt wurde. Er wurde uns im Ausschuß vorgetragen: Es handelt sich um ergänzende steuerliche Regelungen, die nach Vorstellungen der Bundesregierung in Höhe von 1,5 Milliarden DM nun natürlich von dem Zuschußprogramm abzuziehen sind.
({4})
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion bedauert diese Entwicklung zutiefst.
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Sie erklärt trotz beträchtlicher Bedenken zugleich ihre Bereitschaft, im übergeordneten Interesse der Sache, der Bürger und im Bewußtsein ihrer Verantwortung - also nicht in Ihrem Interesse, meine Damen und Herren von der Opposition -, auch diesen Schritt noch mit zu gehen.
({6})
Wir erklären uns bereit, die erforderlichen Änderungsanträge zusammen mit unserem Koalitionspartner, der FDP, selber zu stellen und zwar - das haben Sie vorhin ganz richtig gesehen - selbst für Dinge, die uns nicht liegen und die wir nicht gewollt haben.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jahn?
Bitte, Herr Kollege.
Herr Kollege Krockert, nach diesen Ausführungen habe ich die Frage: Weicht die Bundestagsfraktion der SPD von
Dr. Jahn ({0})
der ursprünglich ausschließlichen Subventionslösung ab, weil sie von der Gleichgewichtigkeit steuerlicher Erleichterungen und Subventionslösungen überzeugt ist, oder tut sie das nur angesichts der parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat?
Herr Kollege Dr. Jahn, ich habe mit meinen Worten, die dafür, wie ich meine, besser geeignet sind, ausgeführt, warum wir darauf eingehen: weil die Bundesregierung im vollen Bewußtsein der Verantwortung gegenüber den Bürgern keinen anderen Weg sieht, machen wir dies mit. Das ist der Grund. Ihre Worte lasse ich mir dafür nicht gerne unterschieben.
Meine Damen und Herren, ich muß bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen, welche Nachteile dabei nach unserer Auffassung von uns wissentlich in Kauf genommen werden.
Erstens. Ich spreche zuerst von dem haushaltspolitischen Rahmen. Haushaltspolitisch gesehen hat ein Zuschußprogramm in Höhe von 4,35 Milliarden DM, was diesen finanziellen Rahmen betrifft, Sicherheit zur Folge. Jede steuerliche Regelung birgt in dieser Hinsicht eine große Zahl von Unsicherheiten in sich, über die auch Sie, was die Entwicklung und den Umfang betrifft, keine Auskunft geben können. Dadurch wird ein Teil des Programms in einen unkontrollierbaren Rahmen mit Rechtsanspruch und - das ist ganz sicher eine weitere Fol' ge - einem beträchtlichen Mitnehmereffekt übertragen.
Zweitens. Mit 1,5 Milliarden DM an Zuschüssen, die 25% der Investitionsaufwendungen ausmachen, können Sie nach einfacher Rechnung 6 Milliarden DM Investitionsaufwendungen auslösen, 6 Milliarden DM Investitionsaufwendungen zugunsten energieeinsparender Maßnahmen. Dieselben 1,5 Milliarden DM, die nun vom Zuschußprogramm abzuziehen sind, müssen nunmehr an öffentlichen Mitteln aufgebracht werden, um lediglich 3 bis 4 Milliarden DM an Investitionen für energieeinsparende Maßnahmen zu honorieren.
({0})
Das ergibt eine einfache Rechnung unter Berücksichtigung des Progressionseffektes, der doch, so nehme ich an, nicht ohne Absicht auch von Ihnen noch mehr einbezogen werden soll, als es hier vorgetragen wird.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
Nein, Herr Kollege Kolb, ich bitte uni Entschuldigung. Denn wir wollen uns an unseren Zeitrahmen halten, den wir uns abgesteckt haben. Das bedeutet für mich, daß ich mich auch an den meinen halten muß. - Dies ist präzise errechenbar; im Ausschuß werde ich Ihnen das gern genau vorrechnen.
({0})
Drittens. Für alle Empfänger sind Zuschüsse gleich; sie haben den gleichen Effekt. Mark ist gleich Mark, egal, ob der Empfänger zu den Wohlhabenderen oder zu den weniger Gutgestellten gehört. Dagegen werden Sie mit jeder steuerlichen Regelung - wieder einmal - eine progressionsbedingte Bevorzugung des jeweils Bessergestellten bewirken.
Viertens. Beim Antragsweg, bei der Zuschußvergabe können Sie - das ist im Gesetz zum Glück vorgesehen - bestimmte Vorgaben an Förderungsvoraussetzungen mit auf den Weg geben, die der Effektivitätssicherung im Sinne der Erfindung dienen: Energieeinsparung. Sie können dies sogar, wenn Sie so wollen, unter Berücksichtigung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses tun, was z. B. die Lebensdauer des Gebäudes und anderes betrifft. Auf steuerlicher Seite dagegen können Sie im Grunde nur mit einem Maßnahmenkatalog arbeiten, der dies nicht gewährleistet Ich bin mir einfach nicht im klaren darüber, wie die Befürworter von noch mehr Steuererleichterungen auf diesem Gebiet diese ihre Forderung mit der ebenfalls von ihnen vorgetragenen Forderung in Einklang bringen, es müsse aber Klarheit über das Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen herrschen. Das läßt sich doch gerade auf dem steuerlichen Wege am wenigsten erreichen.
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Fünftens. Jede Million, die dem Zuschußprogramm entzogen werden muß, um voraussichtliche Steuerausfälle auszugleichen, erhöht den Windhundeffekt, der da heißt: Wer zu spät kommt, kriegt nichts mehr. Wir lassen es uns nicht gefallen, daß die CDU/CSU auf allen möglichen Wegen Zuschußprogramme auf ein Minimum zu beschränken versucht und dann sagt: Aber die Regierung ist verantwortlich dafür, daß da ein Windhundeffekt entsteht. Im Gegenteil: Sie sind dafür wieder einmal verantwortlich.
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Und schließlich sechstens: Wenn es sich um Mietwohnungen handelt, dann kommt eine Zuschußbegünstigung auch dem Mieter zugute; denn Zuschüsse sind von der allfälligen Mieterhöhung abzuziehen. Bei jeder steuerlichen Regelung und insbesondere dann, wenn so, wie Sie es wollen, diese noch über das hinaus ausgeweitet wird, was die Regierung vorschlägt, muß doch gesehen werden, daß der Mieter in jedem Falle voll zur Kasse gebeten wird, was die Mieterhöhungen betrifft.
Das sind die sechs Punkte, die ich uns allen bei dieser Gelegenheit nicht ersparen konnte. Ich habe geschildert, meine Damen und Herren, wie weit wir Sozialdemokraten entgegenkommen werden, um den Bürgern die Einsparung an Energie, die von der Regierung beabsichtigt ist, zu ermöglichen, um Arbeitsplätze langfristig zu sichern und zu erhalten. Wir tun dies, weil Eile geboten ist. Energieeinsparung ist nicht etwas, was man heute tun oder auch vielleicht morgen oder übermorgen noch nachholen kann. Es ist auch nichts, was man überhaupt tun oder
lassen kann. Deshalb stehen wir in der Tat nicht anders als übrigens auch Sie unter Zeitdruck. Es ist der Zeitdruck der Sache und nicht einer, der von irgend jemandem auf irgend jemand anders ausgeübt wird.
Ich möchte aber, nachdem ich das geschildert habe, gleich auf eines aufmerksam machen: Sie müssen natürlich, wenn ich von unserem Entgegenkommen gesprochen und es beschrieben habe, auch mit Grenzen unserer Fähigkeit zum Entgegenkommen rechnen.
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Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion muß Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, vor der Vorstellung warnen, wenn denn schon einmal so eine Tür aufgemacht sei, sei das vielleicht als Einladung zu verstehen, daß da ruhig noch mehr hindurchgeschoben werden könnte. Wir sind offen - das haben wir gezeigt -, aber wir sind es nicht nach allen Seiten. Wir zahlen einen Preis, aber wir zahlen nicht jeden Preis. Das muß an dieser Stelle deutlich sein. Wir wollen, daß die Zuschußbegünstigung in diesem Programm den Vorrang behält.
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Wir fordern die Opposition auf, nunmehr zu zeigen, daß sie nicht bloß blockieren kann, sondern zugunsten der Bürger kooperationsbereit ist.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schneider.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In einem stimmen wir wohl alle überein: Die langfristige Sicherung der Energieversorgung ist Grundvoraussetzung für das wirtschaftliche Wachstum und die Erhaltung des Lebensstandards. Wir wissen auch, die Bundesrepublik Deutschland darf sich aus dem weltweiten Bemühen der Industriestaaten um verstärkte Energieeinsparung und rationellere Energienutzung nicht ausschließen.
Mit diesem Gesetz werden Bund, Länder, Gemeinden, Vermieter und Mieter unterschiedlich gefordert. Doch steht fest: Nur wenn alle zu einer Zusammenarbeit bereit sind, können mittels der vorgesehenen Steuererleichterungen und direkten Zuschüsse die drei angestrebten Ziele erreicht werden, nämlich Energieeinsparung, konjunkturelle Impulse und Sicherung eines langfristigen Wirtschaftswachstums. Nur unter diesem Aspekt werden die einzelnen Maßnahmen in ihrer sozialen und ökonomischen Maßstäblichkeit sichtbar.
Meine Damen und Herren, auch die CDU/CSU hält es für notwendig und richtig, in diesem Bereich verstärkt durch Förderungsmaßnahmen auf eine möglichst sparsame und effektive Energienutzung hinzuwirken. Dagegen hält sie den von der Bundesregierung in diesem Zusammenhang gleichfalls beschrittenen Weg, die Bevölkerung über die Verteuerung der Energie zur Energieeinsparung zu zwingen, für falsch und schädlich. Die Bundesregierung sieht gleichzeitig eine Verdoppelung der Heizölsteuer vor und will sich auf diese Weise eine Haushaltserleichterung verschaffen, die den Ländern nicht möglich ist. Das muß man gelten lassen. Ich sehe die Länder oder Herrn Filbinger, der ja hier apostrophiert worden ist, in der Rolle des Hans Sachs in den „Meistersingern von Nürnberg", wo er sagt: „Ihr macht's euch leicht, mir macht ihr's schwer."
Das von der Bundesregierung zunächst gewählte Verfahren, Energiesparmaßnahmen allein durch direkte Subventionen aus dem Haushalt zu fördern, war von vornherein zu einseitig angelegt. Das wissen alle, die sich mit diesen Problemen befaßt haben. Es hätte der Bundesregierung von vornherein klar sein müssen, daß auch steuerliche Hilfen nötig sind, um alle Einsparungsmöglichkeiten optimal zu nutzen und in allen Bereichen eine möglichst breite Wirkung zu erzielen.
Umgekehrt ist freilich auch einzuräumen, daß ein allein auf steuerliche Maßnahmen begrenztes Programm ebenfalls nicht voll die gewünschten Wirkungen erzielen kann. In bestimmten Bereichen - das wurde von meinem Kollegen Francke bereits dargetan und von anderer Seite auch bestätigt -, für die gemeinnützige Wohnungswirtschaft und die einkommenschwächeren Eigentümer von Einfamilienhäusern und Miethäusern, die in besonderem Maße auf öffentliche Hilfen angewiesen sind, sind steuerliche Vergünstigungen wirkungslos, weil es eben bei diesen Bürgern nichts abzuschreiben gibt.
Die CDU/CSU-Fraktion hat zur Förderung heizenergiesparender Investitionen stets auch steuerliche Erleichterungen gefordert. Mit der Forderung nach einer Verbindung von steuerlichen Erleichterungen und direkten Förderungsmaßnahmen wird an das bestehende und, wie ich meine, bewährte Förderungssystem im gesamten Wohnungsbereich, beim Neubau, der Modernisierung und der Sanierung angeknüpft. Für steuerliche Maßnahmen, zumindest in Kombination mit offenen Zuschüssen, spricht, daß auf die steuerlichen Erleichterungen ein Rechtsanspruch besteht. Eine steuerliche Lösung fügt sich systemgerechter in unsere marktwirtschaftliche Ordnung. Sie paßt besser. Auch ist sie weitaus unbürokratischer, einfacher und schneller umzusetzen als direkte Zuschüsse.
Es wird zwar eingewandt, bei steuerlichen Maßnahmen habe der Staat auf die Ausführung im Detail nicht dieselben guten Einflußmöglichkeiten wie bei offenen Zuschüssen. Aber wir wollen ja gerade diese Einflußnahme des Staates im Detail nicht. Wir wollen für die Eigentümer, die das Ganze ja bezahlen müssen, auch hier einen gewissen Freiraum für Eigeninitiative lassen. Im übrigen ist die Einflußnahme und spätere Kontrolle auch bei der direkten Förderung nur begrenzt möglich. Denn für die Bewilligung und spätere Abrechnung der Zuschüsse können ebenso wie bei der Inanspruchnahme der steuerlichen Begünstigung ohnehin nur die jeweiligen Abrechnungen vorgelegt werden. Die prüfungsfähigen Unterlagen sind in beiden Bereichen im wesentlichen die gleichen.
Das weitere Argument, die steuerliche Lösung führe bei einzelnen Steuerpflichtigen zu einer höheren Subventionierung als 25 °/o, erscheint mir ebenfalls nicht stichhaltig. Selbst wenn man von einer Vollabschreibung in zehn Jahren und einem Steuersatz von 56 % ausgeht, ergibt sich ein Subventionswert, auf zehn Jahre kumuliert, von 56 %. Um die beiden Förderungsmethoden vergleichen zu können, müßte man zumindest eine Abzinsung vornehmen und käme dann ebenfalls in einen tatsächlichen Begünstigungsbereich von zwischen 20 und 30 %. Außerdem muß berücksichtigt werden, daß ja in jedem Fall die Normalabschreibungen vorgenommen werden müssen.
Nicht stichhaltig ist auch das Argument, die steuerliche Förderung würde insgesamt ein geringeres Gesamtinvestitionsvolumen bewirken als die direkte Förderung und hätte demgemäß eine geringere konjunkturelle Wirkung. Meine Damen und Herren, genau das Gegenteil ist der Fall. Durch die steuerliche Lösung können Förderungsgegenstände von weitaus größerem Volumen in Angriff genommen werden, weil es eben hier die zahlenmäßige Begrenzung auf 12 000 DM nicht gibt.
Ich bin also der Meinung, daß gerade derjenige, der das Ziel der Energieeinsparung in den Vordergrund rückt, zunächst und zumeist und mit großem Nachdruck für eine steuerliche Lösung sein muß.
({0})
Wir sind mit der Bundesregierung der Meinung, daß jede Mark aus öffentlichen Kassen mit der höchstmöglichen Gesamtwirkung eingesetzt werden sollte. Bei der steuerlichen Förderung werden, abgesehen davon, daß sie schneller und unmittelbarer wirkt, nicht unerhebliche Verwaltungskosten gespart.
CDU und CSU gehen daher mit den unionsregierten Ländern insgesamt davon aus, daß das Schwergewicht der Förderung auf den steuerlichen Maßnahmen liegen sollte, daß aber zumindest ein Gleichgewicht zwischen den steuerlichen Maßnahmen und der direkten Förderung bestehen sollte. Sie gehen weiter mit der Bundesregierung davon aus, daß der Gesamtförderungsrahmen des Programms von 4,35 Milliarden DM durch beide Förderungsarten nicht überschritten werden soll.
Im einzelnen hält die Fraktion der CDU/CSU die folgenden steuerlichen Erleichterungen für energiesparende Maßnahmen für notwendig.
Erstens. Steuerliche Begünstigung von eigengenutzten Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen durch gleiche Behandlung des Erhaltungsaufwandes wie bei Zwei- und Mehrfamilienhäusern. Diese Regelung soll in § 21 a des Einkommensteuergesetzes getroffen werden.
Zweitens. Einbeziehung von Gebäuden, die nach dem 31. Dezember 1956, jedoch vor dem 1. Januar 1978 hergestellt sind, in die Regelung des § 82 a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung. Hier wird endlich das nachgeholt, was wir bereits bei der Beratung des Modernisierungsgesetzes gewollt und beantragt haben. Wir konnten uns damals nicht durchsetzen.
Drittens. Harmonisierung des Maßnahmekatalogs der Anlage 7 zu § 82 a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung - betroffen ist Ziffer 11 - mit den in § 4 Abs. 3 des Wohnungsmodernisierungsgesetzes in der Fassung des Entwurfs der Bundesregierung zur Änderung des Wohnungsmodernisierungsgesetzes genannten energiesparenden Maßnahmen.
Viertens. Entscheidend ist die Verdoppelung des in § 82 a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung festgelegten Prozentsatzes für die erhöhte Absetzung auf 20 v. H. im Jahr der Fertigstellung und in den folgenden vier Jahren.
Fünftens schließlich: Ausdehnung der erhöhten Absetzungen auf Wohngebäude, die zu einem Betriebsvermögen gehören, und auf sonstige Räume, die nicht überwiegend Wohnzwecken dienen.
Meine Damen und Herren, erfreulicherweise hat die Bundesregierung inzwischen die Notwendigkeit ergänzender steuerlicher Maßnahmen eingesehen. Bereits mit Schreiben vom 28. Februar 1978 hat der Bundesfinanzminister u. a. die steuerliche Begünstigung von Heizungsumstellungsmaßnahmen und von Maßnahmen des Wärme- und des Lärmschutzes auch bei Einfamilienhäusern, bei denen ein Teil dieser Kosten sonst mit dem Einsatz des Grundbetrages abgegolten wäre, ermöglicht. Vom Ergebnis her ist dieser Erlaß zwar zu begrüßen, doch wurde damit ein weiteres Mal die Systematik der Einfamilienhausbesteuerung durchbrochen.
Die Bundesregierung hat nunmehr mit Kabinettsbeschluß vom 12. April 1978 weitere ergänzende steuerliche Erleichterungen vorgéschlagen, die Herr Bundesminister Dr. Haack soeben im einzelnen vorgetragen und erläutert hat. Sie ist damit erfreulicherweise auf die Linie der CDU/CSU-Fraktion eingeschwenkt.
Die sich aus den Steuerbeschlüssen der Bundesregierung ergebenden Steuermindereinnahmen werden mit 1,5 Milliarden DM angenommen, um die das Programmvolumen reduziert wird, das dann also noch einen Förderungsrahmen von 2,85 Milliarden DM hätte. Auch wenn damit noch nicht die von der CDU/CSU geforderte mindestens gleichwertige Förderung durch direkte und steuerliche Maßnahmen erreicht ist, so ist damit für die Ausschußberatungen doch die Chance gegeben, insgesamt zu einem tragfähigen Kompromiß zu kommen.
Die steuerlichen Ergänzungsvorschläge der Bundesregierung berücksichtigen nicht die Forderungen der CDU/CSU nach Verbesserung der Abschreibungssätze, nach Ausdehnung der erhöhten Absetzungen auf sonstige Räume, die nicht überwiegend Wohnzwecken dienen, sowie nach Zulassung von Sonderabschreibungen für bestimmte Maßnahmen zur Energieeinsparung an Gebäuden, die nach dem 31. Dezember 1977 hergestellt wurden. Zudem ist fraglich, ob und inwieweit das erwähnte Schreiben des BMF vom 28. Februar 1978 der weiteren Forderung der CDU/CSU-Fraktion Rechnung trägt, den durch Energieeinsparungs- und Modernisierungsmaßnahmen entstehenden Erhaltungsaufwand in eigengenutzten Einfamilienhäusern grundsätzlich
mit entsprechenden Aufwendungen bei Mehrfamilienhäusern gleichzubehandeln.
Bei den Ausschußberatungen wird im einzelnen zu prüfen sein, ob und inwieweit diesen Forderungen innerhalb des' vorgegebenen Finanzrahmens noch wird Rechnung getragen werden können. Dies ist nicht zuletzt auch eine Frage der Schätzung der zu erwartenden Steuermindereinnahmen. In jedem Fall muß indessen gewährleistet sein, daß die Eigentümer von Einfamilienhäusern nicht schlechtergestellt werden als die Eigentümer von Mehrfamilienhäusern.
In den Ausschußberatungen wird darüber hinaus noch im einzelnen zu klären sein, wie Schwierigkeiten und Probleme aus den einzelnen Förderungsarten selbst sowie aus dem Verhältnis und der Kombination beider Förderungsarten zueinander ausgeglichen werden können. So schlägt die Bundesregierung zur Vermeidung der auch von der CDU/CSU grundsätzlich nicht gewünschten Doppelförderung eine Optionsregelung vor. Die CDU/CSU-Fraktion will ihrerseits den Ausgleich über eine Einkommensbegrenzung herbeiführen. Über die Optionsregelung wird man sich unterhalten müssen. Es muß aber geklärt werden, ob diese Optionsregelung auf Energiesparmaßnahmen begrenzt ist oder ob davon auch alle übrigen begünstigten Modernisierungsmaßnahmen betroffen sind. Dies würde nämlich eine Verschlechterung der gegenwärtigen Rechtslage bedeuten. Gerade von der Kumulation der direkten und der steuerlichen Förderung gehen für die Wohnungsmodernisierung nicht zu unterschätzende Impulse aus.
Die kommunalen Spitzenverbände haben bei ihrer Anhörung durch den Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau am 12. April 1978 zur vorgesehenen Ergänzung des Energiesparprogramms durch steuerliche Erleichterungen darauf hingewiesen, daß dadurch die Gemeinden nicht unerheblich belastet würden. Die Steuermindereinnahmen der Gemeinden allein aus den von der Bundesregierung beschlossenen Steuererleichterungen machen 210 Millionen DM aus. Ich halte zusammen mit meinen Freunden in der Fraktion das Verlangen der kommunalen Spitzenverbände, die unter Berufung auf eine Erklärung des Bundeskanzlers auf einem finanziellen Ausgleich der Steuermindereinnahmen bestehen, für gerechtfertigt.
({1})
Eine weitere klärungsbedürftige Frage ist das Problem der Weitergabe des Subventionsvorteils bei den Förderungsarten an die Mieter. Dazu ist zu bemerken, daß dem sachlichen Anliegen nur sehr wenig gedient wird, wenn jede Förderungsmaßnahme und ihre konkurrierenden oder kumulierenden Wirkungen mit der Elle des ideologischen Neides gesehen und gemessen werden. Niemand soll sich mittels dieses Gesetzes bereichern. Eine solche Gefahr besteht weithin schon deshalb nicht, weil die Wohnungswirtschaft unter den vorherrschenden gesetzlichen und ökonomischen Verhältnissen ohnedies kaum in der Lage ist, auf einen kostendeckenden Interessenausgleich zwischen Mieter
und Vermieter zu kommen. Alle Überlegungen der Opposition sind marktwirtschaftlich orientiert und zielen auf eine liberale, die Eigeninitiative der Eigentümer anreizende Lösung.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß bemerken, daß die Kollegen von der CDU/ CSU-Fraktion im 15. Ausschuß bereit und entschlossen sind, die Beratungen zügig und sachgerecht durchzuführen, und daß sie der Bitte des Ministers gern entsprechen wollen, alles zu tun, um einen raschen Abschluß der Beratungen zu gewährleisten, damit die zweite und dritte Lesung im Deutschen Bundestag so rechtzeitig erfolgen kann, daß mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes mit Eintritt in die Sommerpause gerechnet werden darf.
({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gattermann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Francke, Sie haben das Verhalten der Bundesregierung, des früheren Bundesministers und des jetzigen Bundesministers, als „Trauerspiel" bezeichnet.
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- Sie haben diesen Begriff verwendet und ihn sich zu eigen gemacht; folglich kann ich Ihnen darauf etwas antworten. Wenn ich es richtig sehe, dann ist dieser aus der Literatur und Dichtung stammende Begriff sicherlich fehl am Platze. Ich will Ihnen zwei Punkte aus Ihrer Rede vorhalten, und dann dürfen Sie sich hernach aus dem weiten Bereich der Gattungen der Literatur und der Dichtung die entsprechende Wertung dafür selbst heraussuchen.
Sie haben Herrn Minister Dr. Haack vorgeworfen, daß er nichts zu einer Kosten-Nutzen-Analyse habe sagen können. Bitte, bleiben Sie fair: Die CDU/CSU-Fraktion hatte dies im Ausschuß Ende der Sitzung gegen 16 Uhr gewünscht. Der Herr Minister hat angeboten, daß in der nächsten Sitzung die Herren aus den zuständigen Häusern zu dem Thema Kosten-Nutzen-Analyse alles Notwendige sagen würden. Dann die Behauptung aufzustellen, es könne hierzu nichts gesagt werden, ist unfair.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Francke ({0}) ?
Ich gestatte.
Herr Kollege Gattermann, darf ich in Ihr Gedächtnis zurückrufen, und würden Sie mir darin zustimmen, wenn ich sage, daß der Vertreter des Ministeriums, Herr Pfeiffer, auf dezidierte mehrfache Befragung hin geäußert hat, eine Kosten-Nutzen-Analyse sei nicht vorhanden?
Herr Pfeiffer hat erklärt, wenn ich es recht in Erinnerung habe, daß es natürlich außerordentlich schwierig sei, exakte Werte zu diesem Bereich anzugeben, da hier ganz einfach empirisches Wissen, Erfahrungswissen, fehlt. Das bedeutet aber nicht, daß die Herren im Finanzministerium und die Herren Techniker in diesen Bereichen nicht sehr genaue - allerdings auf Schätzungen beruhende - Überlegungen und Berechnungen angestellt hätten, und es ist unwidersprochen ange- kündigt worden, daß dies in der nächsten Ausschußsitzung vorgetragen werden soll.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kolb?
Man sollte nie Vorbemerkungen machen; dann gibt es so viele Zwischenfragen, daß man gar nicht mehr zu seinen eigenen Ausführungen kommt.
Sie sind noch bei der Beantwortung der vorigen Zwischenfrage? Dann bitte ich um Entschuldigung.
Ich gestatte aber gern auch die Frage von Herrn Kolb.
Bitte sehr.
Herr Kollege Gattermann, wenn wir Heizenergie sparen wollen,' liegt doch die einzige Chance in der Einführung neuer Technologien. Sie wissen, was dies kostet. Das geht über 12 000 DM hinaus. Aber dort können wir tatsächlich nachrechnen, was wir sparen, während wir bei neuen Fenstern und ähnlichen Dingen nie eine KostenNutzen-Rechnung aufstellen können. Ich frage Sie: Stimmen Sie hier also Heizenergiesparmaßnahmen durch Einführung neuer Techniken zu, oder wollen Sie ein Gipserprogramm?
Ich stimme der Förderung von Heizenergieeinsparungen durch moderne Techniken selbstverständlich zu, Herr Kollege Kolb; ich komme darauf später noch zu sprechen.
Ein zweiter Punkt, Herr Kollege Francke: Sie polemisieren unter Hinweis auf Art. 104 a Abs. 4 des Grundgesetzes gegen das Instrument der BundLänder-Vereinbarungen, ohne zu überlegen, daß sich die Kritik, die vom Bundesrat insoweit vorgebracht worden ist, letztendlich auch gegen die gesetzliche Regelung von Mischfinanzierungen richtet. Denn der Kritikpunkt ist, daß das föderative System zunehmend durch diese Mischfinanzierungen gefährdet werde, weil der eigene finanzielle Handlungsspielraum der Länder durch die gesetzliche oder vertragliche Bindung von Komplementärmitteln ungebührlich eingeschränkt werde. Dies ist ein verfassungsrechtliches Problem, das man nicht leugnen kann, das man auch nicht wegschieben kann, für das man eine Lösung wird finden müssen. - Aber dies,
meine Damen und Herren, mögen der Vorbemerkungen genug sein.
Ich möchte an die Geburtsstunde dieses Ersten Gesetzes zur Änderung des Wohnungsmodernisierungsgesetzes erinnern. Das war, wenn ich mich recht entsinne, der 15. September 1977, als die Bundesregierung den Ländern das Angebot unterbreitete, im Rahmen einer Bund-Länder-Vereinbarung dieses Energiesparprogramm im Volumen von 4,35 Milliarden DM bei gemeinsamer Finanzierung aufzulegen. Erinnern Sie sich bitte an die Diskussionen der damaligen Monate darüber, welche konjunkturpolitischen Maßnahmen ergriffen werden müßten, nachdem sich abgezeichnet hatte, daß weder die Wachstumsprognosen für das Jahr 1977 aufgehen noch die Arbeitslosigkeit den prognostizierten Verlauf nehmen würden. Konjunkturpolitische Überlegungen waren also zum damaligen Zeitpunkt maßgeblich für den Entschluß, das Programm zur Förderung heizenergiesparender Baumaßnahmen zu jenem
Zeitpunkt und schnell aufzulegen.
Daran ändert natürlich die Tatsache nichts, daß es sich nicht um ein ausschließlich konjunkturpolitisch orientiertes Programm gehandelt hat, sondern die Bundesregierung hier - wie auch schon bei dem Programm zur Förderung von Zukunftsinvestitionen - den bewährten und richtigen Weg weiterging, Konjunkturprogramme zugleich mit dem nach anderen politischen Zielsetzungen Notwendigen und Richtigen zu verbinden, und das waren und sind hier die unleugbaren energiepolitischen Notwendigkeiten.
Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, die konjunkturpolitische Landschaft exakt sieben Monate später sieht nicht sehr viel günstiger aus,
({0})
selbst wenn wir erfreut anmerken können, daß das Tief in der Auftragslage in der Bauindustrie überwunden zu sein scheint; wir wissen allerdings nicht, ob dies auf die Dauer so sein wird. Jedenfalls ist auch die konjunkturpolitisch relevante Seite dieses Gesetzes nach wie vor aktuell, und das sollten wir bei der Zeit, die wir uns für die Beratung dieses Gesetzes nehmen, bedenk-en.
Herr Kollege Francke, ich will hier trotz Ihrer Ausführungen zu der gescheiterten Bund-LänderVereinbarung keine Vergangenheitsbewältigung betreiben. Ich will nicht darüber rechten, ob die seit langem bekannte verfassungsrechtliche Problematik der Mischfinanzierungen nun ausgerechnet bei diesem Konjunkturprogramm zum die Maßnahme blokkierenden Streitgegenstand erhoben werden mußte,
({1})
zumal diese Bund-Länder-Vereinbarung nur auf ein Jahr konzipiert war, damit wir während der Laufzeit der Vereinbarung jenes Mischfinanzierungsprogramm in Ruhe auf eine gesetzliche Grundlage stellen könnten.
Wir haben jedenfalls - und dies war der Sinn meiner Ausführungen - nicht sehr viel Zeit, dieses Gesetz zu beraten. Die Bundesregierung will es noch
vor der Sommerpause in Kraft setzen, und die FDP-Fraktion wird alles tun, um die Bundesregierung bei dieser Absicht zu unterstützen.
Sie wissen, daß wir die erforderlichen Mittel im Bundeshaushalt 1978 eingestellt haben. Sie wissen, daß verschiedene Länder das gleichfalls getan haben. Wir müssen diese Sache jetzt in Gang bringen, selbst wenn die eine oder die andere flankierende Maßnahme nachgeschoben werden muß. Wir haben seit nunmehr sieben Monaten einen nahezu kompletten Attentismus der Investoren für heizenergiesparende Baumaßnahmen zu konstatieren. Wer sich diesen Schuh anziehen muß, will ich auch wiederum nicht noch einmal expressis verbis sagen, weil ich keine Vergangenheitsbewältigung betreiben will. Aber die Betroffenen draußen im Lande wissen es.
Es geht ja nun so weiter. Sie wissen, wir haben lange überlegt, ob der vorliegende Gesetzentwurf wegen der Eilbedürftigkeit von den Koalitionsfraktionen oder von der Bundesregierung eingebracht werden soll. Man hat sich schließlich für die vorherige Anhörung des Bundesrates entschieden. Dabei leitete uns die optimistische Annahme, daß überschaubare Kritikpunkte und Anregungen des Bundesrates im Beratungsgang des Bundestages hätten gebührend und zufriedenstellend berücksichtigt werden können, so daß ein Vermittlungsverfahren überflüssig geworden wäre. Das war unsere optimistische Annahme, nachdem im Rahmen der letztlich gescheiterten Verhandlungen über die Bund-LänderVereinbarung jedenfalls keine prinzipielle Kritik an dem vorgesehenen direkten Zuschußsystem vorgebracht worden war. Aber auch hier haben wir uns natürlich getäuscht; 'denn wenn ich die Kritik des Bundesrates werte, kommen mir persönlich ernsthafte Zweifel, ob trotz allen Bekenntnisses für die energiepolitisch richtige Zielsetzung wirklich ernsthaft die Bereitschaft besteht, an diesem Gesetz konstruktiv mitzuarbeiten, damit es noch vor der Sommerpause kurzfristig in Kraft gesetzt werden kann.
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- Ich komme darauf zu sprechen und werde das mit der von Ihnen gewünschten Deutlichkeit zum Ausdruck bringen, Herr Kollege Jahn.
Die Bundesratskritik enthält drei Gesichtspunkte grundsätzlicher Art, die meine Skepsis begründen. Da ist nach wie vor das Verfassungsargument der Gefährdung des Föderalismus, hinter dem sich die Furcht verbirgt, den eigenen finanziellen Handlungsspielraum durch gesetzliche Bindung von Komplementärmitteln zu sehr einzuengen. Bitte glauben Sie nicht, daß die FDP-Fraktion für diese Überlegungen kein Verständnis hätte. Man sollte aber die uns aus konjunkturpolitischen und energiepolitischen Gründen auferlegte Pflichterfüllung nicht mit diesem grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Problem belasten, das allgemein erkannt ist und das wir losgelöst vom Einzelfall sicherlich auch einer angemessenen und richtigen Lösung zuführen werden.
Das zweite ist, daß vom Grundsatz her die Unlust sichtbar wird, den notwendigen Finanzierungsbeitrag für dieses Gesetz zu leisten. Als es hieß, der Bund wolle die Einnahmen aus der beabsichtigten, gleichfalls energiepolitisch motivierten Anhebung der Heizölsteuer zur Finanzierung des Anteils an den Kosten dieses Gesetzes einsetzen, da sagte man - durchaus noch verständlich, Herr Kollege Schneider -, die Länder könnten das Gesetz so nicht mittragen, weil es nicht angehe, daß sich der Bund für seinen Finanzierungsanteil Mehreinnahmen verschaffe, die Länder aber ihren Beitrag zu Lasten anderer Länderaufgaben erbringen müßten. Als dann aber dieser Irrtum ausgeräumt worden war - weil eventuelle Mehreinnahmen aus der Heizölsteuererhöhung weder der Höhe nach ausreichend sind noch überhaupt für diesen Zweck zur Verfügung stehen -, da hieß es, das gehe nun auch wiederum nicht; denn jetzt würde der Bund seine Aufwendungen zur Finanzierung des Gesetzes ja voll in die Verhandlungen über die Verteilung der Umsatzsteuer einbringen. Für den unbefangenen Betrachter ergibt sich daraus der Verdacht, daß man trotz aller Lippenbekenntnisse im Grundsatz jedenfalls noch nicht voll bereit ist, den erforderlichen Finanzierungsbeitrag zu leisten.
Wenn man etwas polemisch sein wollte, könnte man die Frage stellen, ob den Bundesrat bei dem Vorschlag der überwiegegnden steuerlichen Lösung nicht vielleicht auch der Gedanke leitet, auf diese Art und Weise die Gemeinden mit 14 % an der Finanzierung zu beteiligen. Zwar ist eben von Herrn Kollegen Schneider schon gesagt worden, daß hier natürlich wieder ein Ausgleich geschaffen werden müsse. Aber darüber haben wir gestern ja lange und ausführlich diskutiert, daß man das nicht einseitig und isoliert sehen kann, sondern daß hier das Gesamtfinanzierungskorsett von Bund, Ländern und Gemeinden berücksichtigt werden muß. Ich hoffe, ich täusche mich bei dieser skeptischen Beurteilung.
Der dritte Punkt, der meine Skepsis begründet, ist, daß eventuell - von welcher Seite auch immer - der unheilvolle ideologische Streit darüber wieder aufgewärmt werden könnte, ob Anreize für notwendige Investitionen durch Abschreibungserleichterungen oder durch direkte Investitionszuschüsse geschaffen werden sollen. Sie wissen - jedenfalls erkennt man es, wenn man sich von Ideologie löst -, es gibt mehr oder minder gute Argumente für und gegen den einen oder anderen Standpunkt, je nachdem, welche Investitionen angereizt werden sollen, welcher Kreis von Investoren in Betracht kommt und welches Gesamtinvestitionsvolumen man mit welchem Mitteleinsatz anstrebt. Ich will diesen Problemkreis hier nicht weiter erörtern; dazu ist nicht Zeit und Gelegenheit. Wir wollen lediglich an alle Seiten appellieren, hier keine Grundsatzpositionen aufzubauen.
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Die Bundesregierung jedenfalls hält keine Grundsatzpositionen besetzt. Der derzeitige Abschreibungskatalog des § 82 a der EinkommensteuerDurchführungsverordnung, der Erlaß des Bundes6634
finanzministers vom 28. Februar 1978 zur Behandlung von Erhaltungsaufwand bei Eigenheimern, insbesondere aber die Kabinettsbeschlüsse vom vergangenen Mittwoch, belegen dies zweifelsfrei.
Aber lassen Sie mich zum eigentlichen Gesetzentwurf kommen. Die FDP-Fraktion unterstützt nachhaltig die energiepolitische Zielsetzung, aber auch die konjunkturpolitischen Absichten des Entwurfs. Eine vernünftige, die vorhandenen Ressourcen berücksichtigende, Abhängigkeiten minimierende Energiepolitik erfordert unabweisbar konsequente Energieeinsparungen. Daß dabei die Gebäudeheizung mit einem Anteil von nahezu 40 % der geeignete Ansatzpunkt, ein wesentlicher Ansatzpunkt ist, liegt auf der Hand. Wenn wir berücksichtigen, daß mindestens bis 1973, letztlich aber bis in das Jahr 1977 hinein, Energieeinsparungsüberlegungen bei der Errichtung und Unterhaltung unserer Gebäude kaum eine Rolle gespielt haben, wird offenkundig, daß energiesparende Baumaßnahmen selbst dann eine Daueraufgabe sind, wenn bei der Neu- und Ersatzproduktion von Gebäuden jetzt von vornherein optimal energiesparend gebaut wird. Es ist auch offenkundig, daß eine Aufgabe dieser Größenordnung ohne durchgängige private Investitionsbereitschaft aller Gebäudeeigentümer auf absehbare Zeit nicht gemeistert werden kann.
Und es ist schließlich eine Tatsache, daß die Bereitschaft der Eigentümer zur Durchführung nachträglicher heizenergiesparender Baumaßnahmen an sich noch nicht sonderlich weit verbreitet ist. Dafür gibt es mehrere Gründe, nämlich, weil sich angesichts der Energiepreissituation solche Bauinvestitionen durch Einsparungen an Heizkosten allein nicht in interessanter Zeit amortisieren; ferner, weil die Abschätzung des Zeitpunktes von Ressourcenerschöpfung selbst beim 01 Zeiträume umfaßt, die der einzelne noch nicht unbedingt für sich als bedrohlich empfindet und gern von sich wegschiebt, und schließlich, weil das sich aus internationalen Abhängigkeiten ergebende Risiko dank des Erfahrungswissens der letzten 30 Jahre vom einzelnen nicht sehr hoch eingeschätzt wird, wenn man sich dieses Risikos überhaupt bewußt ist. Wir haben den Eindruck, daß der Ölpreisschock mit autolosen Sonntagen fast schon vergessen ist.
Es ist deshalb die Aufgabe einer verantwortungsbewußten Regierung, es ist Aufgabe des Staates, so interessante ökonomische Anreize für solche Investitionen zu schaffen, daß sie breit in Angriff genommen werden. Unter dieser Zielsetzung läßt der derzeitige Wortlaut des Entwurfs in der Tat noch einige Fragen offen, die auch wir gern beantwortet sähen. Wir können nach den Kabinettsbeschlüssen vom Mittwoch mit Befriedigung feststellen, daß die Bundesregierung mit ihrer Entscheidung den Weg zur Beantwortung solcher Fragen aufgezeigt hat.
Ich will hier nur drei Bereiche ganz kurz ansprechen. Da ist erstens im steuerlichen Bereich die Frage, warum für zum Betriebsvermögen gehörende Wohnungen die Abschreibungsvergünstigungen aus § 82 a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung nicht zur Verfügung stehen sollen, warum sie für eigengenutzte Eigentumswohnungen und Eigenheime nur auf der vergleichsweise unsicheren Grundlage des Erlasses vom 28. Februar 1978 zur Verfügung stehen, warum solche Abschreibungserleichterungen insgesamt nur für vor dem 1. Januar 1957 fertiggestellte Gebäude in Frage kommen und warum, moderne alternative Heizsysteme nicht sonder-abschreibungsfähig sind, obwohl doch durch alle diese Dinge in erheblichem Umfang Heizenergie gespart werden könnte.
Im Mietpreisrecht ist es die Frage, warum der Vermieter frei finanzierter Wohnungen und von Althauswohnungen den Mieter, dem die Vorteile der Heizenergieeinsparung zufließen, nur eingeschränkt und bedingt über die Miete zur Mitfinanzierung heranziehen kann.
Da ist drittens im allgemeinen Mietrecht die Frage, warum es unterschiedliche gesetzliche Regelungen über die Duldungspflicht gibt - je nachdem, ob die heizenergiesparenden Maßnahmen öffentlich gefördert sind oder nicht.
Mit der angebotenen Hilfe der Bundesregierung werden wir im Gesetzgebungsverfahren versuchen, auf diese Fragen die richtigen Antworten zu finden. Wir sind allerdings angesichts der von der Bundesregierung genanten Eckwerte der Meinung und der Hoffnung, daß es nicht notwendig werden wird, einzelne Bereiche nachzuschieben.
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist an sich schon abgelaufen. Aber ich frage Sie trotzdem, ob Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Jahn zulassen wollen.
Ich bin zwar gleich am Schluß, aber bitte!
Herr Kollege Gattermann, nachdem der Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Herr Hirsch, sich gestern gegen weitere steuerliche Erleichterungen ausgesprochen hat, habe ich die verständliche Frage an Sie, ob Sie ihm in dieser Hinsicht folgen oder ob Sie sich auf den Boden dessen stellen, was der zuständige Minister heute vorgetragen hat.
Herr Kollege Jahn, selbstverständlich stehe ich hinter dem, was diese Bundesregierung beschlossen hat, und das steht auch voll mit meiner persönlichen Überzeugung in Einklang. Nur müssen wir dabei folgendes sehen. Sie sprechen z. B. immer von „gleichgewichtiger Lösung". Ich meine, daß der jetzt vorgesehene Rahmen von 1,5 Milliarden DM auf keinen Fall überschritten werden sollte. Denn Sie müssen ja sehen, daß es bereits eine Reihe steuerlicher Maßnahmen zugunsten heizenergiesparender Baumaßnahmen gibt: das, was jetzt schon nach § 82 a gefördert wird, das, was über den Erlaß vom 28. Februar gefördert wird. Das alles sind ja doch schon bei den Steuermindereinnahmen ganz beachtliche Brocken. Wenn Sie zusätzlich noch die Möglichkeit einbeziehen, bei heizenergiesparenden Baumaßnahmen - was dort oft vorkommt - den größten Teil der Investitionen über Erhaltungsaufwand sofort im ersten Jahr
abzuschreiben, dann kommen Sie in der Addition da allein schon auf Werte, die unseren ganzen Programmrahmen ausfüllen würden. Wenn da nun noch 1,5 Milliarden aufgesattelt werden, dann haben Sie nicht nur eine gleichgewichtige Lösung, sondern bereits eine Überparität zugunsten von steuerlichen Maßnahmen.
({0})
- Ich stehe zu dem, was Herr Haack hier gesagt hat. Ich kenne die Worte von Burkhard Hirsch nicht. Aber wenn er dies so gesagt hat, werde ich bei der nächsten Gelegenheit dies mit ihm diskutieren.
Die FDP goutiert die Modifizierung und Ergänzung des vorliegenden Entwurfs im Sinne einer sorgfältig aufeinander abgestimmten alternativen Förderung durch Direktzuschüsse und Abschreibungserleichterungen. Dies nicht nur, weil etwas anderes bei den gegebenen Mehrheitsverhältnissen gar nicht möglich wäre. Der steuerliche Teil des Programmes, der den Rahmen von 1,5 Milliarden DM auf keinen Fall überschreiten sollte, wird, wenn auch etwas weniger feinstrukturiert, unbürokratisch und schnell greifen. Die FDP wird alles tun, damit nach der Phase des Redens über Heizenergieeinsparung nun auch gehandelt wird. Fürwahr, die Aufgabe ist ernst und groß genug.
({1})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, den Gesetzentwurf auf Drucksache 8/1692 an den Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau - federführend -, an den Finanzausschuß und den Ausschuß für Wirtschaft - mitberatend - und gemäß § 96 unserer Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe nunmehr Punkt 20 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Dr. Neumeister, Immer ({0}), Spitzmüller und Genossen
Rheumabekämpfung
- Drucksache 8/1542 Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Zur Begründung Frau Abgeordnete Dr. Neumeister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach einer Pause von fast zwei Jahren beschäftigt sich das Parlament wieder mit dem Problem einer wirkungsvollen Rheumabekämpfung. Bereits vor etwa zwei Jahren hatte die CDU/CSU-Fraktion die Bundesregierung in einem Entschließungsantrag aufgefordert, eine Sachverständigenkommission, bestehend aus Vertretern von aktiv an der Rheumabekämpfung beteiligten Verbänden sowie Vertretern von Kranken-und Rentenversicherung, einzusetzen, deren Aufgabe es sein sollte, Untersuchungen durchzuführen und Vorschläge zu erarbeiten, um eine gezielte Rheumabekämpfung zu erreichen. Dieser Antrag ist wegen Beendigung der Legislaturperiode leider nicht mehr in die parlamentarische Beratung gegangen.
({0})
- Das stimmt.
Heute nun kommt die Initiative wieder - wie vor dreieinviertel Jahren, damals mit einer interfraktionellen Kleinen Anfrage - aus allen drei Fraktionen. Dies zeigt, wie wichtig es den Politikern aus allen drei Parteien ist, das Problem der Rheumabekämpfung endlich in den Griff zu bekommen.
Seit der interfraktionellen Kleinen Anfrage vom November 1974, die im März 1975 beantwortet wurde, hat sich an den Problemen, die einer wirksamen Rheumabekämpfung entgegenstehen, kaum etwas geändert. Noch immer fehlt es an einer aussagefähigen Statistik über die Häufigkeit der einzelnen rheumatischen Erkrankungen und die Kosten der Renten- sowie der Krankenversicherungsträger. So verfügen wir heute lediglich über statistische Materialien aus dem Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung und der Allgemeinen Ortskrankenkassen. Diese Statistiken aber sind - wie die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage aus dem Jahre 1975 bereits selbst feststellte - lediglich Geschäftsstatistiken.
Aus den Erhebungen der Ortskrankenkassen ergeben sich für 1976 mehr als ca. 600 000 Arbeitsunfähigkeitsfälle infolge rheumatischer Erkrankungen und über 12 Millionen Arbeitsunfähigkeitstage. Im Vergleich zum Jahre 1975 bedeutet dies eine Steigerung von 50 000 Arbeitsunfähigkeitsfällen und von 1 Million Arbeitsunfähigkeitstagen - und dies, obwohl die Anzahl der erfaßten Versicherten 1976 im Vergleich zu 1975 geringer war. Fachleute rechnen sogar mit jährlich mindestens 800 000 Erkrankungsfällen und ca. 15 Millionen Arbeitsunfähigkeitstagen.
Hierbei muß man aber wieder berücksichtigen, daß dies lediglich Zahlen der Ortskrankenkassen sind. Die Gesamtzahl der Arbeitsunfähigkeitstage liegt wesentlich höher. Bereits 1971 sind 32,35 Millionen Arbeitsunfähigkeitstage durch rheumatische Erkrankungen angefallen, wodurch ein Gesamtverlust am Bruttosozialprodukt in Höhe von 12,9 Milliarden DM entstanden ist. Diese Zahlen dürften heute jedoch wesentlich höher liegen
Etwas schwieriger ist es, Zahlenangaben, die den rheumatischen Formenkreis betreffen, aus der Statistik der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zu entnehmen, weil dort die Gesamtgruppe der Erkrankungen der Bewegungsorgane aufgeführt ist. Allerdings ist davon auszugehen, daß etwa 90 % der erfaßten Fälle auf Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises entfallen.
Mit diesen Informationen, meine Damen und Herren, läßt sich feststellen, daß im Jahre 1976 bei
30,7 % männlichen und 35,1 %weiblichen Arbeitern sowie bei 25,4 0/o männlichen und 36,1 % weiblichen Angestellten stationäre Heilbehandlungen durch Erkrankungen der Bewegungsorgane notwendig wurden.
Bei den Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrentenzugängen stehen Erkrankungen der Bewegungsorgane nach Herz- und Kreislauferkrankungen an zweiter Stelle. Für das Jahr 1976 läßt sich eine solche frühzeitige Berentung bei 12,5 %der Männer und 15,8 % der Frauen feststellen. Generell kann man aber sagen, daß das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben infolge rheumatischer Erkrankungen etwa 7 bis 10 Jahre vor Erreichen der Altersgrenze erfolgt. Berücksichtigt man weiter, daß durch rheumatische Erkrankungen im allgemeinen keine wesentliche Verkürzung der allgemeinen Lebenserwartung bedingt ist, so bedeutet das, daß Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises durch die daraus resultierende Länge der Rentenzahlungen für die Rentenversicherer eine größere Bedeutung gegenüber den Krankheiten zukommt, die in der Arbeitsunfähigkeitsstatistik und in der Zahl der Rentenzugänge vor den rheumatischen Krankheiten liegen, also Erkrankungen der Herz- und Kreislauforgane.
({1})
Diese Daten lassen erkennen, daß durch rheumatische Erkrankungen nicht nur die wirtschaftliche Lage der Betroffenen, sondern auch das gesamte Volksvermögen erheblich belastet wird. Sie verursachen durch Behandlung, Wiederherstellung, Arbeitsausfall und Frühinvalidität weit höhere Kosten als irgendeine andere Krankheit.
Will man dem Problem rheumatischer Erkrankungen mit ihren Folgen konsequent zu Leibe rücken, so ist zunächst als Grundlage für eine umfassende sozialmedizinische und ökonomische Beurteilung der Volkskrankheit Rheuma eine aussagefähige Statistik über die Häufigkeit der einzelnen rheumatischen Erkrankungen und die Kosten der Krankensowie der Rentenversicherungsträger notwendig. Die Bundesregierung wird daher aufgefordert, für die Erstellung einer solchen Statistik Sorge zu tragen, nachdem sie bereits 1975, also vor über drei Jahren, in ihrer Antwort auf die interfraktionelle Kleine Anfrage mangels einer solchen Statistik nicht alle Fragen beantworten konnte.
Die Zunahme von rheumatischen Erkrankungen kann nur dann wirklich eingedämmt werden, wenn von verantwortlicher Seite - damit sind nicht zuletzt die Politiker gemeint - die klinische Forschung über Ursachen, Art und Verlauf der Krankheiten des rheumatischen Formenkreises vorangetrieben werden und endlich eingesehen wird, daß die Rheumatherapie eine Langzeittherapie ist, bei der eine der wichtigsten Maßnahmen darin besteht, den Patienten als aktiven und verantwortungsbewußten Partner zu gewinnen, der Verständnis für die Krankheit, aber auch für die Therapie aufbringt. Dies ist jedoch nur durch eine verbesserte Gesundheitserziehung und -aufklärung sowohl von Rheumapatienten als auch der gesamten übrigen Öffentlichkeit möglich.
Die heutige Situation ist dadurch gekennzeichnet, daß häufig das einzig Gemeinsame aller Rheumakranken eine nicht unbegründete Skepsis gegenüber der therapeutischen Beeinflußbarkeit ihrer Krankheit ist. An die Öffentlichkeit wagen sich Rheumatiker selten; viele schämen sich ihrer Behinderung, was daher kommen mag, daß die Gesellschaft nicht verständnisvoll und hilfsbereit reagiert. Schließlich wirkt die Tatsache, daß im weitesten Sinne jeder dritte Einwohner der Bundesrepublik Deutschland unter rheumatischen Beschwerden leidet, auf die Öffentlichkeit offenbar beruhigend; etwas so Häufiges ist eigentlich schon wieder normal: fast jeder leidet darunter, und Verschleiß ist ja ohnehin bekanntermaßen unvermeidlich.
Für die Zukunft ist es somit unbedingt erforderlich, daß erstens die Öffentlichkeit mehr als bisher über die Probleme der Rheumakranken informiert wird, um durch diese Aufklärungsarbeit den rheumatischen Formenkreis vom Makel der unbeeinflußbaren Krankheit zu befreien. Zweitens müssen die Rheumakranken selbst zu vermehrter Mithilfe und Eigenverantwortung angeregt werden. Die Bundesregierung ist daher aufgefordert, eine gezielte und umfassende Information der Öffentlichkeit und der betroffenen Menschen über die Bedeutsamkeit der Rheumaerkrankungen sowie die therapeutischen und versicherungsrechtlichen Möglichkeiten zu veranlassen.
In diesem Zusammenhang wäre es interessant, zu erfahren, wie weit die von der Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage aus dem Jahre 1975 angekündigten Versuche gediehen sind, zusammen mit der Deutschen Rheumaliga - ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten wörtlich - „neue Ansätze für die gesundheitliche Aufklärung" zu erschließen und „unter Berücksichtigung von Erfahrungen des Auslandes über die all-. gemeine Information hinaus eine zielgruppenorientierte Unterrichtung von Risikopatienten zu erreichen".
({2})
Ein weiterer in seiner Bedeutung heute noch weit unterschätzter wichtiger Punkt ist die Einsicht, daß eine fachlich qualifizierte Präventivbehandlung vor die bislang dominierende Rehabilitation gesetzt werden muß; dies wird auch durch die so oft angesprochene Kostenexpansion unseres Gesundheitswesens immer notwendiger. Eine solche Prioritätenverschiebung ist aber mit einer grundlegenden Umstrukturierung oder sogar Neuordnung der Erfassung und Behandlung der Rheumaerkrankungen gleichbedeutend. Sinnvolle präventive Maßnahmen lassen sich nämlich nur dann wirkungsvoll durchführen, wenn Möglichkeiten geschaffen werden, um eine tägliche, gezielte, vor allem physikalische Therapie zu gewährleisten. Außer leistungsfähigen Rheumakliniken sind damit insbesondere auch Rheumaabteilungen an kleineren Krankenhäusern in der Nähe des Wohnorts der Patienten erforderlich, wobei die Notwendigkeit besteht, .daß in stärkerem Maße als bisher eine ausreichende Zahl von rheumatologischen Betten und entsprechenden Abteilungen in die einzelnen Krankenhausbedarfspläne
aufgenommen werden. Für eine früh einsetzende, kontinuierlich durchgeführte Therapie sind außerdem ambulante Betreuungs- und Beratungsmöglichkeiten durch niedergelassene Ärzte, die sich über den Problemkreis einer gezielten Rheumabekämplung selbstverständlich fortbilden müssen, unerläßlich. Hierbei ist nicht nur der Grundsatz der Neuorientierung, sondern vor allem der einer Koordinierung und Erweiterung des Vorhandenen zu beachten, d. h. des nahtlosen Ubergangs von klinischer Behandlung in die ambulante Behandlung durch niedergelassene Ärzte. Ebenso ist eine enge Zusammenarbeit mit Krankengymnastikern, Beschäftigungstherapeuten und Masseuren anzustreben.
In diesem Zusammenhang wäre es sicherlich sinnvoll, das von führenden deutschen Rheumatologen vorgeschlagene Organisationsmodell eines RheumaZentrums, z. B. in Hannover, durch das eine Koordination von Patientenberatung, physikalischer und medikamentöser Behandlungsmethoden, orthopädischer und chirurgischer Maßnahmen erreicht werden soll, auf seine Verwendungsmöglichkeit in der Rheumatikerbetreuung in der Bundesrepublik Deutschland zu überprüfen und seine Verwirklichung - unter Auswertung von Erfahrungen des Auslandes - tatkräftig zu unterstützen.
Bei all diesen Vorschlägen ist jedoch zu berücksichtigen, daß in der Bundesrepublik Deutschland das für eine optimale Versorgung der Rheumakranken erforderliche Fachpersonal in der benötigten Anzahl bisher nicht vorhanden ist. Es besteht daher die vordringliche Notwendigkeit der Aus-, Weiter- und Fortbildung solcher Fachkräfte.
Erfreulich ist, daß bei den Ärzten der Bann gebrochen zu sein scheint und die Bereitschaft, eine Teilgebietsbezeichnung „Rheumatologie" einzuführen, zu erkennen ist. Eine größere Zahl von Ärzten mit dieser speziellen fachlichen Qualifikation ist die beste Gewähr dafür, daß einerseits die Erforschung der Rheumaerkrankungen intensiviert, zugleich aber eine bessere Berücksichtigung des rheumatischen Formenkreises bei der Aus-, Fort- und Weiterbildung der praktischen Ärzte erfolgen kann.
Von der Bundesregierung wird erwartet, daß sie in größerem Umfang Mittel insbesondere für die klinische Forschung über Ursachen, Art und Verlauf der Krankheiten des rheumatischen Formenkreises einsetzt und Modelle für ambulante und klinische Behandlungen sowie Maßnahmen der Beratung und Betreuung zu unterstützen bereit ist, um so eine frühzeitige Krankheitserkennung, rechtzeitige Behandlung und wohnortnahe Durchführung der notwendigen Rehabilitationsmaßnahmen in Arztpraxen und geeigneten Krankenhäusern zu ermöglichen.
Schließlich sollte die Rheumatologie an den deutschen Hochschulen im Bereich von Forschung und Lehre - der Bedeutung der rheumatischen Erkrankungen entsprechend - vertreten sein.
Ein weiterer Problempunkt, meine Damen und Herren, ist der Umstand, daß eine Langzeitrehabilitation von Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises durch den Dualismus der Zuständigkeiten der Kranken- und Rentenversicherung erschwert wird. Ein nahtloser Übergang zwischen den Zuständigkeiten der einzelnen Versicherungsträger ist nicht gewährleistet, so daß die kontinuierliche Behandlung des chronisch Kranken in vielen Fällen nicht erfolgen kann..
Nicht zuletzt muß aber hier die Versorgung der Rheumakranken ohne ausreichenden Versicherungsschutz angesprochen werden: Der Rheumakranke, insbesondere der an einer progressiven chronischen Polyarthritis Leidende, hat durch Länge und Schwere der Erkrankung sehr oft keinen versicherungsrechtlichen Anspruch mehr gegen eine Krankenkasse oder einen anderen Versicherungsträger. Viele können sogar wegen des Beginns der Erkrankung in der Jugend nie einen solchen Anspruch erwerben. Für alle diese Kranken treten dann nach dem Bundessozialhilfegesetz die Sozialhilfeträger ein. Diese aber sind wegen der Vielzahl der ihnen sonst übertragenen Aufgaben gar nicht in der Lage, auch diesen großen Personenkreis ausreichend mit zu betreuen.
Die Bundesregierung ist daher aufgefordert, die Erfahrungen anderer Staaten - z. B. die der Schweiz und der USA - nicht nur im Hinblick auf spezielle gesetzliche Regelungen im medizinischen, sondern auch im versicherungsrechtlichen Bereich auszuwerten und für die Praxis der Bundesrepublik nutzbar zu machen, um für die Zukunft eine komplikationslose Abgrenzung der Zuständigkeiten unterschiedlicher Versicherungsträger zu erreichen.
Führend auf dem Gebiet der Rheumabekämpfung ist die Schweiz. Dort setzte die Rheumabekämpfung unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg ein, nachdem 1933 in einer sehr umfassenden Statistik der Nachweis erbracht worden war, daß der Rheumatismus die Tuberkulose hinsichtlich Morbidität, Behandlungskosten und Invalidisierung weit in den Schatten stellte.
Auch in den USA sind mehr als 20 Millionen Amerikaner von rheumatischen Erkrankungen betroffen und stellen das Hauptgesundheitsproblem der USA dar. Aus diesem Grunde wurde 1974 das „nationale Arthritis-Gesetz" erlassen.
Gesetzliche Regelungen zur Rheumabekämpfung gibt es ebenfalls in Bulgarien, Dänemark, der DDR, Irland, UdSSR und Ungarn.
Zieht man alle bisher aus dem In- und Ausland vorliegenden Erfahrungen in Betracht, so würden wir auf dem Wege einer wirkungsvollen Rheumabekämpfung sicherlich schneller weiterkommen, wenn die Bundesregierung, wie im Entschließungsantrag der CDU/CSU 1976 gefordert, eine Sachverständigenkommission, bestehend aus Vertretern von aktiv an der Rheumabekämpfung beteiligten Verbänden sowie Vertretern von Kranken- und Rentenversicherung, einsetzen würde. Eine solche Kommission sollte unter anderem Vorschläge zur Verbesserung der Rheumaforschung, zu verbesserter Prävention und wirkungsvoller Rehabilitation, zur Ausbildung von Fachpersonal wie auch zur Verbesserung von Gesundheitserziehung und Aufklärung erarbeiten. In ihren Aufgabenbereich würde außerdem die Erarbeitung von Vorschlägen für Legislative und Exe6638
kutive im Hinblick auf flankierende Maßnahmen in der Gesetzgebung und Verwaltung fallen. Eine Aktivität der Bundesregierung in dieser Richtung wäre sehr begrüßenswert.
Da die Probleme der Rheumabekämpfung in den letzten Jahren eher zugenommen als abgenommen haben, ist die Bundesregierung weiter aufgefordert, über das Ergebnis ihrer Bemühungen bis zum 31. Dezember 1979 dem Deutschen Bundestag zu berichten.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Immer.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Eigentlich müßte ich ja bei Ausführungen über diesen Gruppenantrag im wesentlichen sagen, daß ich mich den grundsätzlichen Ausführungen meiner Vorrednerin anschließe. Wir könnten dann zur Tagesordnung übergehen. Es fällt natürlich schwer, in einer solchen Ausführung noch Besonderheiten herauszugreifen. Das wäre in einer kontroversen Debatte einfacher.
Ich glaube, wir sollten begrüßen, daß es hier eine Initiative aus den drei Bundestagsfraktionen gegeben hat, daß man hier also einmal das politische Wollen zusammengefaßt hat. Es wird sich vielleicht erst im Detail der Beratungen herausstellen, wo die einzelnen Nuancen verschiedener Lösungen liegen. Zumindest für das Problem der Rheumabekämpfung ist es schon ein wichtiges Signal, daß alle erkannt haben: Hier muß etwas getan werden.
Die SPD-Bundestagsfraktion steht hinter diesen Bemühungen, weil sie weiß, daß die Summe der rheumatischen Erkrankungen ein soziales Problem ersten Ranges darstellt. Es geht dabei nicht nur um die unübersehbare Kostenseite, es geht nicht nur um Frühinvalidität, den Arbeitsausfall, es geht nicht nur um die volkswirtschaftlichen Kosten, sondern es geht zuerst um ein Stück Lebensqualität; denn Rheuma ist in der Regel keine Krankheit, die zum Tode führt, Rheuma läßt viele Menschen lebenslang leiden.
Ich möchte die Zahlen von Frau Dr. Neumeister nicht wiederholen, sondern faktisch als Grundlage nehmen, denn es sind dieselben Statistiken, die auch mir zur Verfügung stehen würden. Wir wissen aber, daß es nicht nur ein Problem unseres Staates ist, sondern vieler Staaten, eigentlich der ganzen Welt. Die WHO etwa sagt, daß 4 % der Weltbevölkerung unter Rheuma leiden, was immer das qualitativ heißen mag. Immerhin kann man feststellen, daß Rheuma die Volkskrankheit Nr. 1 ist oder, anders ausgedrückt, die teuerste Krankheit der Weh.
Nach Auffassung der Initiatoren, also derer, die das eingebracht und unterschrieben haben, durfte das Internationale Rheumajahr 1977 nicht ohne eine Reaktion im politischen Raum vorübergehen. Dabei ist klarzustellen, daß mit einer solchen Initiative die Erwartungen der Patienten, der Ärzte, auch der Pharmaindustrie, nicht zu hoch geschraubt werden sollten. Es kann nicht nach der Devise gehen: Der
Staat soll alle Versäumnisse der Vergangenheit ausbügeln.
Gerade der Vorsprung anderer Staaten - Frau Neumeister hat einige genannt, auch mit staatlichem Gesundheitswesen - sollte all denen zu denken geben, die auf unser freiheitliches Gesundheitssystem schwören, ihren Nutzen aus ihm ziehen und stets vor der Gefahr der Gleichmacherei, der Verstaatlichung einer Sozialisierung warnen. Dann allerdings müßte dieses System mit allen freien Kräften aus sich heraus in der Lage sein, die drängenden Probleme anzupacken. Warum ist z. B. die Deutsche Rheuma-Liga aus ihrem Schattendasein bisher nicht herausgekommen? Doch wohl, weil aus dem privaten Bereich nicht genügend Initiative und Bereitschaft geweckt werden konnten.
Die heute hier zur Debatte stehende Initiative soll dazu beitragen, auch in der Bundesrepublik Deutschland die Rheumaforschung und die Bekämpfung von Rheuma aller Spielarten dem internationalen Standard anzupassen. Deutschland war ja einmal in der Rheumabekämpfung führend. Das sollte man sich noch einmal vergegenwärtigen. Immerhin hat der amerikanische Satiriker Mark Twain bereits in seinem „Europabummel" 1880 aus Baden-Baden berichtet:
Ein großer Teil dieser Leute ist aus einem triftigen Grund da: Sie werden von Rheumatismus geplagt und sind hier, um ihn in den heißen Bädern auszuschwitzen. Diese Invaliden sehen recht melancholisch aus, wie sie auf ihren Stöcken und Krücken herumhinken. Es heißt, Deutschland mit seinen feuchten Steinhäusern sei die Heimat des Rheumatismus.
Nun, er selbst blickt auf Teilerfolge zurück. Er schreibt:
Ich glaube fest daran, daß ich meinen Rheumatismus in Baden-Baden gelassen habe.
Und er fügt hinzu:
Ich hätte gerne eine ansteckende Krankheit dort gelassen.
Er hat sich dort offenbar nicht ganz wohl gefühlt.
Aber darüber wollen wir jetzt nicht weiter reden.
Mittlerweile ist sehr viel geschehen in der rheumatologischen Forschung und Therapie. Ich erinnere nur daran, daß bereits vor 70 Jahren die erste europäische Kurklinik in Deutschland, in Bad Aachen, gegründet wurde. Aber dann ist es um die Rheumabekämpfung ein wenig still geworden trotz aller guten Leistungen, die von Fachleuten und von Kliniken erbracht worden sind. Jedoch sind die ambulante Erfassung der Kranken, die Beratung, die Dauerbehandlung im Wohnbereich in den anderen vergleichbaren Staaten wie den USA, der Schweiz - mit einer speziellen Rheuma-Gesetzgebung -, den Niederlanden und der DDR, um nur einige zu nennen, schneller und wirkungsvoller weiterentwickelt worden.
Worum geht es bei dieser Initiative? Wir haben einige Punkte, eine Mischung aus KompetenzmögImmer ({0})
lichkeiten für Bund und Länder, angesprochen. Das macht die Sache natürlich schwierig. Dennoch glaube ich, daß diese Anregungen wichtig sind. Es geht um ein besseres statistisches Material, um eine Verbesserung der Früherkennung und Frühbehandlung. Es geht darum, die Kostenübernahme durch die Versicherungsträger zu klären und notfalls zu vereinheitlichen. Es geht darum, Gesetzgebung und Praxis anderer Länder für unsere Belange zu nutzen und das herauszuziehen, was in unserem Gesundheitssystem, ohne es insgesamt in Frage zu stellen, verwertet werden kann. Es geht um die Verstärkung der Forschung.
An dieser Stelle ist anzumerken, daß die Bundesregierung durch die drei Ministerien für Arbeit und Sozialordnung, für Jugend, Familie und Gesundheit und für Forschung und Technologie zwar in dieser Weise tätig ist und ein Programm ausgearbeitet hat, aber es ist vielleicht der Hinweis gestattet, daß man auch den Bereich der Arbeitsmedizin stärker in die Forschung einbeziehen müßte, weil hier ja auch die Arbeitsplätze oder die Ursachenforschung in bezug auf die Arbeitsplätze eine Rolle spielen.
Schließlich sollten wir auch einmal überlegen, ob wir nicht Verbundmodelle fördern können. Ich wähle bewußt einen anderen Begriff als „Rheuma-Zentrum", weil man ja in den Interessenkonflikten mit der deutschen Sprache etwas vorsichtig umgehen muß. Wenn jemand etwas von „Zentrum" hört, meint er schon, daß ihm das Wasser abgegraben wird. Es geht um Verbunde. Es geht darum, daß in einem Guß versucht wird, von den verschiedenen Disziplinen her horizontal, aber auch vertikal Möglichkeiten der Diagnose und Therapie, der Beratung und Betreuung zu entwickeln, ohne unbedingt neue Einrichtungen schaffen zu müssen. Also abgestufte, sinnvolle Zusammenarbeit, Kooperativmodelle.
In diesem Zusammenhang ist natürlich hinzuzufügen, daß auch eine Verbesserung der Information notwendig ist und gefördert werden muß, wiewohl man auch hier sagen darf, daß das nur ein gemeinsames Bemühen sein kann zwischen staatlichen Behörden und privaten Einrichtungen, daß man nicht einfach sagen kann: das ist allein Sache des Staates; dafür tun wir nichts. Wichtiger aber noch als diese Bemerkung ist es, daß die Information so fachgerecht und sachgerecht ausgelegt wird, daß nicht gegengearbeitet wird, da Falschinformationen, die nur zu Verschleierungen, zu falschen Selbsthilfemaßnahmen und ähnlichem führen, die Beschwerden praktisch noch verstärken.
Ich habe schon gesagt, daß in diesem Antrag natürlich auch andere Kompetenzen angesprochen sind. Bei der Formulierung dieses Antrags waren sich die Initiatoren darüber im klaren, daß der Bund in diesen Fragen nur eine sehr begrenzte Kompetenz besitzt. Man soll ruhig darüber sprechen, daß es deshalb auch entsprechende Probleme gab. Einmal muß man verstehen, daß die Bundesregierung mit Recht nicht darauf festgelegt werden wollte, gleichsam über den Kopf der Länderfachminister hinweg Initiativen zu entwickeln, die möglicherweise das gute Verhältnis zwischen den Beteiligten stören könnten. Zum anderen zeigte sich auch in diesem Hause eine gewisse
Empfindlichkeit einiger Kollegen, die nicht einsehen wollten, daß ein solches Länderthema zur Bundessache gemacht werden sollte. Es soll nicht polemisch klingen, aber es ist natürlich doch bezeichnend, daß sich leider kein Kollege der CSU bereit erklären konnte, diesen Antrag zu unterschreiben. Da wird eben sehr viel föderatives Mißtrauen gehegt, was, so glaube ich, in diesem Zusammenhang nicht begründet erscheint. Es ging uns darum, anzuregen, es ging uns nicht darum, zentrale Kompetenzen auszudrücken.
Ich nenne dennoch einige Punkte. Die Länder müssen schon mitmachen, wenn es um die Bereitstellung von Krankenhausbetten geht, wenn es um die Einrichtung von Abteilungen geht, um diese Kombination im Verbund überhaupt durchzuführen. Es geht natürlich um Länderkompetenzen, wenn rheumatologische Lehrstühle eingerichtet werden sollen, die wiederum die Voraussetzung für eine Verbesserung der Forschung, der Lehre, der Weiter- und Fortbildung 'sein können. Wir haben hier einen Nachholbedarf.
Es nützt nichts, obwohl wir das sehr begrüßen - ich komme gleich noch kurz darauf zurück -, daß die Bundesärztekammer auf Beschluß des 81. Deutschen Ärztetages die Teilgebietsbezeichnungen beschließt, wenn Fachleute fehlen, die lehren und die weiterbilden. Wenn sie nicht da sind, steht alles nur auf dem Papier.
Es ist in diesem Antrag trotz einiger kritischer Bemerkungen aus bestimmten Kreisen niemals von der Einrichtung von Ambulatorien die Rede gewesen. Man muß eben sehr genau hinschauen, wenn man einen Antrag liest. Es ging uns nicht darum, jetzt an dieser Stelle einen Grundsatzstreit zu führen, sondern es ging darum, die Therapie auf der zentralen Ebene möglichst sinnvoll mit der örtlichen Ebene zu verbinden, also nicht Ambulatorien, sondern Möglichkeiten ambulanter Behandlung zu schaffen.
Natürlich ist eine Kooperation der Ärzte untereinander nötig. Ich möchte an dieser Stelle betonen: Wenn sich Politiker verschiedener Richtungen einig werden, dieses Problem anzugehen, dann kann es natürlich wohl kaum verstanden werden, das sich gewisse Ärzte in ihrer jeweiligen Disziplin - um das etwas polemisch zu sagen - weiterhin einen Verteilungskampf um Patientenquoten leisten. Das darf ja wohl nicht sein. Es ist schon eine Genugtuung, wenn wir feststellen können, daß die Teilgebietsbezeichnung, die von der Bundesärztekammer vorgelegt wird, nun wahrscheinlich auf dem Deutschen Ärztetag beschlossen wird. Mögen dann die Empfindlichkeiten zwischen den Gruppen endlich einer sachlichen Zusammenarbeit weichen. Hierzu sollte unser Antrag - ohne daß es ausgesprochen war - auch eine Initiative geben. Wir wollten da nicht eingreifen, wir können und wir sollten es auch nicht. Aber das gehört dazu, wenn das alles übereinstimmen soll.
Ich möchte am Schluß meiner Ausführungen auch den Gesellschaften danken, die uns mit Rat und Tat zur Seite gestanden haben und sicherlich auch in den Beratungen dabeisein werden. Ich nenne nur
Immer ({1})
stellvertretend für viele andere die schon erwähnte Deutsche Rheuma-Liga, die Deutsche Gesellschaft für Rheumatalogie, den Berufsverband der Rheumatologen aber nicht zuletzt und ganz besonders die Rheumatologische Arbeitsgruppe Bonn, eine kleine, informelle, aber fachlich qualifizierte Gruppe, die uns geholfen hat und weiter helfen wird, diese Probleme anzugehen. Wir sind weiterhin auf Initiativen angewiesen.
Schlußbemerkung: Wir hoffen, daß mit diesen Antirag und seiner Folgewirkung das Thema Rheuma in der Öffentlichkeit, in Forschung und Lehre., aber auch in der Sozial- und Gesundheitspolitik von Bund und Ländern nicht mehr von der Tagesordnung verschwindet und daß Lösungen gefunden werden damit wir die Volkskrankheit Nummer eins zum Nutzen der Leidenden besser in den Griff bekommen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Spitzmüller.
Spitzmüller ({0}) Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! In der Öffentlichkeit hört man oft die scheinbar beruhigende Parole: An Rheuma stirbt man nicht, mit Rheuma kann man 90 Jahre werden.. Diese Aussage ist zwar nicht unrichtig; aber sie ist in ihrer Einseitigkeit eine typische Halbwahrheit. Die vielfältigen Leiden und Ausfallserscheinungen des sogenannten rheumatischen Formenkreises in allen Schichten und Altersstufen der Bevölkerung, also nicht etwa nur bei alten oder sehr alten Menschen, stellen vielmehr menschlich, medizinisch und finanziell eine gesundheitspolitische Aufgabe erster Ordnung dar. Millionen von 'Bürgern sind von solchen Leiden meist über lange Jahre hinweg betroffen. Hunderttausende davon leiden an schweren rheumatischen Erscheinungen. Wir sollten statt dessen besser und richtiger sagen: Mit Rheuma leben heißt, mit Schmerzen leben.
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Menschlich im Vordergrund steht bei den meisten Rheumaerkrankungen daher der schleichende Verlust an Lebensqualität, eines Gutes, das zu Recht in den letzten Jahren immer mehr Beachtung findet. Es wäre eine freudlose Lebensphilosophie, vom Leben in erster Linie zu verlangen, daß es lange dauert. Es kommt vielmehr darauf an, das Leben lebenswert zu machen und zu erhalten. Der bekannte südafrikanische 'Chirurg Professor Barnard, der selbst seit einigen Jahren an Arthritis leidet, hat einmal darauf hingewiesen, die moderne Medizin stelle fälschlicherweise zu sehr auf die Lebenslänge statt auf die Lebensqualität ab. Daher mache sie audi den Fehler, den Rheumatismus „als letzte ihrer Prioritäten abzutun".
Ich möchte daher die heutige Debatte über diesen Antrag .zur Rheuma-Bekämpfung dazu benutzen, die medizinische Fachwelt und die entsprechenden Fachgesellschaften zu verstärkten Anstrengungen aufzurufen, den vielfältigen Erscheinungen des rheumatischen Formenkreises dringlicher als bisher
nachzugehen. Gegenseitige Konkurrenz sollte es hierbei nur im positiven Sinne im Interesse des Patienten geben dürfen. Eigentliche Fortschritte in der Rheuma-Bekämpfung können nur von den forschenden und behandelnden Ärzten ausgehen. Die Bundesregierung und andere staatliche Stellen können nicht viel mehr tun, als rechtlich gewisse Wege zu ebnen, bestimmte Aktivitäten zu fördern und Maßnahmen zu koordinieren. Die Aufgabe des Deutschen Bundestages sehe ich hierbei vor allem darin, gegenüber der Ärzteschaft und den staatlichen Stellen einen Anstoß dazu zu geben, dem Rheumatismus als Volkskrankheit und der Behandlung all der vielen Rheuma-Kranken in unserer Bevölkerung einen anderen, höheren Stellenwert einzuräumen ais bisher.
Gemessen an der Vielzahl von Erkrankten und an der enormen Dauer dieser Erkrankung handelt es sich in der Tat bei dem großen Komplex der Erkrankungen und Leiden des rheumatischen Formenkreises um eine Volksseuche. Die Antwort der Bundesregierung auf die letzte interfraktionelle Anfrage, die wir 1975 eingebracht hatten, ergab für wichtige Teilbereiche verläßliche Angaben über die Zahl der Heilbehandlungen, deren Dauer und deren Kosten. Weitere:, genauere und umfassendere Zahlenangaben sind dringend erforderlich. Eine bessere Statistik kann hier viel helfen. Von daher ist es in erster Linie Aufgabe der Bundesregierung, die Erstellung einer aussagefähigeren Statistik über die Häufigkeit der Erkrankungen und die Kosten der Leistungsträger zu veranlassen. Es Ist dringend erforderlich, auf Grund solcher genaueren Angaben, insbesondere über die Zahl der Fälle von Arbeits- oder Berufsunfähigkeit, die Zahl der Jährlich ausfallenden Arbeitstage und die nicht nur den Sozialversicherungsträgern entstehenden Kosten für Behandlung., Rehabilitation und Rente, letztendlich die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten dieser Krankheit zu erfassen.
Ich möchte mit diesen Hinweisen nur andeuten, daß die Aufgabe einer Bekämpfung der RheumaErkrankungen außer der menschlichen und der medizinischen Seite auch noch einen geradezu bestürzend wichtigen volkswirtschaftlichen Aspekt besitzt.
Von den medizinischen Maxirasen, unter die eine moderne Rheuma-Behandlung gestellt wird, möchte ich an erster Stelle die Notwendigkeit der Früherkennung und Frühbehandlung rheumatischer Erscheinungen nennen. Vielen Gesprächen mit Rheumatologen und einer Reihe von medizinischen Unterlagen mußte ich entnehmen, daß die meisten Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises mit Hilfe der heute zur Verfügung stehenden diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten viel früher als bisher allgemein üblich wirksam bekämpft werden können. Der Gedanke einer wirksamen Rheuma-Prävention muß daher auch oberster gesundheitspolitischer Grundsatz auf diesem Gebiet für uns sein. Mit Recht fragt unser Antrag nach den Möglichkeiten der Bundesregierung„ in diese Richtung zu wirken. Wirksame Früherkennung rheumatischer Erscheinungen ist allerdings nur möglich, wenn die Bevölkerung viel mehr als bisher
Spitzmüller
gerade über die Anfangserscheinungen rheumatischer Erkrankungen informiert wird. Hier stellen sich nicht nur den staatlichen Behörden, sondern auch privaten Institutionen große Aufgaben im Sinne einer entscheidenden Aufklärungsarbeit.
Die beste Früherkennung nützt natürlich wenig, wenn sich an sie nicht unmittelbar eine adäquate wirksame Frühbehandlung anschließt. Meist wird es allerdings auch bei einer frühen Diagnose nicht mit einer kurzen Behandlung getan sein. Rheumabehandlungen zeichnen sich ja grundsätzlich - nicht nur im fortgeschrittenen, bereits verschleppten Stadium - durch lange Dauer aus. Der Früherkennungsgedanke sollte daher durch die Möglichkeit ausreichender Dauerbehandlungen ergänzt werden; ich denke hier an die vielfältigen Formen der sogenannten physikalischen Therapie.
Eine Dauerbehandlung ist allerdings in den meisten Fällen nur dann sinnvoll durchzuführen, wenn sie den betroffenen Patienten auch ambulant und ortsnah angeboten werden kann. So wichtig stationäre Kuren und Heilbehandlungen mit ihren großen Möglichkeiten sind, noch wichtiger und entscheidend für eine ausreichende frühzeitige Dauerbehandlung zur Vermeidung schwerer Dauerschäden ist das Angebot einer Vielzahl von Behandlungsmöglichkeiten durch die niedergelassenen Allgemein-und Fachärzte sowie durch gesundheitspflegerische Dienste wie etwa Sozialstationen. Selbstverständlich müssen hier auch die allgemeinen Krankenhäuser mit ihren stationären und ihren ambulanten Möglichkeiten einer ortsnahen Betreuung in den Kreis der Betrachtung einbezogen werden.
Meine Damen und Herren, werte Kollegen, entscheidend ist noch ein weiteres: Eine wirksame Früherkennung und Frühbehandlung rheumatischer Erscheinungen ist selbstverständlich nur dann möglich, wenn eine ausreichende entsprechende Ausbildung, Weiterbildung und Fortbildung der Mediziner gewährleistet ist. Ich weiß, daß sich mein Appell hier in erster Linie nicht an die Bundesregierung richten kann, die hierzu allenfalls durch eine Novellierung der Ausbildungsordnung für Ärzte beitragen könnte, sondern an die medizinischen Fakultäten, die Landesärztekammern und die Kassenärztlichen Vereinigungen richten muß, kurz: an die Ärzteschaft. Von ihr sollte auch geprüft werden, ob nicht doch eine entsprechende Neuregelung der Facharztgebiete und die Einführung einer Zusatzbezeichnung „Rheumatologie" der Sache dienlich wären. Nach meiner Auffassung könnte den Rheuma-Patienten ein entscheidender Dienst erwiesen werden, wenn man ihnen speziell weitergebildete und als Rheumatologen ausgewiesene Ärzte anbieten könnte.
Noch ein paar Worte zum Problem der RheumaForschung: Diagnose, Behandlung und Rehabilitation bei rheumatischen Erkrankungen sind in vielen Fällen Aufgaben, die nur im Zusammenwirken zwischen verschiedenen Fachärzten, zwischen niedergelassenen Ärzten und Kliniken, zwischen Ärzten und Vertretern anderer Gesundheitsberufe wie etwa Krankengymnasten oder Masseuren gelöst werden können. Mit anderen Worten, es handelt sich - das spreche ich etwas vorsichtiger als der
Kollege Immer an - um eine interdisziplinäre Aufgabe.
Deshalb sollte die rheumatologische Forschung - die wir nicht von ungefähr in unserem Antrag angesprochen haben - in interdisziplinären Arbeitsgemeinschaften vorangebracht werden. Dies ist unser Wunsch, unser Anruf an die deutsche Ärzteschaft. Bund und Länder haben hier die Möglichkeit und die Aufgabe, entsprechende Modelle durch Zuschüsse zu fördern. Die Auswahl und die Förderung solcher Modellvorhaben sollten allerdings von den staatlichen Stellen nach einem wohldurchdachten, mit den Fachkreisen abgestimmten Konzept erfolgen; deshalb nenne ich keine Bezeichnungen von Orten, in denen solche Modelleinrichtungen günstigerweise angesiedelt werden könnten.
Lassen Sie mich nun zum Schluß auf den letzten Punkt unseres Antrages kommen, der jedoch keineswegs der am wenigsten wichtige ist: die Aufforderung an die Regierung, bis Ende 1979 dem Deutschen Bundestag über das Ergebnis ihrer Bemühungen zu berichten. Ich halte die Erstellung eines solchen Rheuma-Berichts für besonders wichtig, trotz der vielen Berichte, die wir hier oft debattieren müssen. Zumindest erhält nämlich die Bundesregierung damit die Möglichkeit und den Anlaß, nach sorgfältiger Vorbereitung und Abstimmung mit den Landesbehörden sowie mit Sachverständigen und Gesellschaften der Rheumatologie ein umfassendes, in sich stimmiges Konzept zur Förderung der Diagnose, der Behandlung und der Rehabilitation von Rheumakrankheiten in der Bundesrepublik vorzulegen.
Um anzudeuten, welche Chance in einem solchen Bericht liegt, möchte ich auf das nationale Arthritis-Gesetz der Vereinigten Staaten von 1974 hinweisen. Ich bin überzeugt, daß der Auftrag, wenn er vom Deutschen Bundestag ausgesprochen wird, der Bundesregierung auch die Möglichkeit eröffnet, Kontakte mit den amerikanischen Stellen aufzunehmen, und daß diese Kontaktaufnahme die Möglichkeit eröffnen wird, die vielfältigen Erfahrungen der amerikanischen und der Schweizer Rheumatologie in den Bericht einzubringen. Nicht zuletzt im Hinblick auf die Erfahrungen in anderen Staaten haben wir in unserem Antrag auf diesen internationalen Aspekt der Rheumabekämpfung hingewiesen.
Meine Damen und Herren, ich bitte um Überweisung des Antrages an die vom Ältestenrat vorgeschlagenen Bundestagsausschüsse.
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Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor.
Der Ältestenrat hat vorgeschlagen, den Antrag an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung - federführend - sowie an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit und an den Haushaltsausschuß - mitberatend - zu überweisen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist so beschlossen.
Vizepräsident Frau Funcke
Ich rufe Punkt 21 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. van Aerssen, Dr. Narjes, Dr. Hoffacker, Dr. Hüsch, Sick und der Fraktion der CDU/CSU GATT-Verhandlungen
- Drucksache 8/1547 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Wirtschaft ({0}) Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Auswärtiger Ausschuß
Finanzausschuß
Gleichzeitig damit rufe ich den Zusatzpunkt der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD, FDP
GATT-Verhandlungen
- Drucksache 8/1699 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft ({1}) Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Auswärtiger Ausschuß
Finanzausschauß
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Bitte schön, Herr Abgeordneter van Aerssen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die CDU/CSU verfolgt mit ihrem Antrag ein doppeltes Ziel, nämlich einmal die großen Fragen, die derzeit im GATT entschieden werden müssen, über dieses Hohe Haus einem breiteren Publikum deutlich zu machen und das Problembewußtsein dafür zu schärfen, und zum anderen sind wir der Meinung, daß solche schwierigen Fragen nicht allein von der Regierung und der Exekutive entschieden werden können, sondern nach unserem Verfassungsverständnis dieses Haus aufgerufen ist, durch eindeutige Stellungnahme kundzutun, wie es sich den weiteren Gang mit dem GATT und seinem Regelwerk vorstellt. Wir glauben, daß die Koalitionsparteien eine ähnliche Einstellung vertreten; das ist ja durch die Vorlage Ihres Antrages zum Ausdruck gekommen.
An drei wichtigen Beispielen haben wir in unserem Antrag deutlich zu machen versucht, wie entscheidend die Verhandlungen des GATT für die Zukunft unserer Weltmarktwirtschaft sein werden. Ich glaube, jeder spürt, daß wir uns auf einer sehr schmalen Gratwanderung befinden. Der Liberalisierungsgrad ist in den letzten Jahren in der Weltwirtschaft ständig zurückgegangen. Waren noch 1970, also nach Vollendung der Europäischen Gemeinschaft, nach Vollendung der EFTA und vor allen Dingen nach Abschluß der früheren GATT-Konferenzen, rund 55 °/o des Welthandels nach klaren vertraglichen und damit kalkulierbaren Abmachungen geregelt, so ist diese Zahl - die Aufschluß über den „marktwirtschaftlichen" Bereich gibt, wie oft etwas oberflächlich gesagt wird - inzwischen auf 50 % gesunken, was rund 1 Billion Dollar im Jahre 1977 ausmacht.
Dieser gefährlichen Rückentwicklung zum Protektionismus, zur Einschränkung der internationalen Arbeitsteilung muß mit aller Entschiedenheit entgegengewirkt werden. Wenn wir heute über die GATT-Verhandlungen diskutieren und diese Beratungen demnächst im Ausschuß intensivieren werden, muß der Ausgangspunkt aller Überlegungen die Tatsache sein, daß der weltweite wirtschaftliche Aufschwung der vergangenen 30 Jahre in allererster Linie auf den Abbau der Zwangswirtschaft und die Einführung des freien Handels zurückzuführen ist. Das erst hat die Durchsetzung der internationalen Arbeitsteilung ermöglicht.
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Niemand wird auch allen Ernstes bestreiten können, daß sich die gegenwärtige Renaissance des Protektionismus, der Ruf „Laßt uns die Schotten dichtmachen", wenn man mit seinen eigenen Schwierigkeiten nicht fertig wird, langfristig auf jeden Fall wohlstandsmindernd auswirken wird.. Das ist eben die süße Droge, zu der manche Regierungen in einer schwierigen Situation greifen, um ihre aktuellen wirtschaftspolitischen Schmerzen zu lindern, die aber dazu führen wird, daß der Weltwirtschaftskörper immer weiter ruiniert wird. Jeder Bundesrepublikaner wird sich sicherlich darüber im klaren sein, daß die soziale Marktwirtschaft nicht zu halten, zu retten ist, wenn es nicht auch gleichzeitig gelingt, sie sozusagen in eine freie Weltmarktwirtschaft einzubetten.
Von daher fordern meine Freunde und ich dieses Hohe Haus auf, mit uns zusammen eine Offensive einzuleiten, um das internationale Regelwerk des GATT fortzuentwickeln, damit die jetzige Verhandlungsrunde des GATT als eine Liberalisierungsrunde und nicht bloß als eine Konsolidierungsrunde in einer protektionistischen Zeit in die Geschichte die- ses großen Vertragswerkes eingeht.
Wir sagen ganz deutlich, daß wir uns vor drei große Herausforderungen gestellt sehen.
Die erste ist die Herausforderung durch die Entwicklungsländer, die grundsätzlich tiefgreifende Veränderungen der bisher liberal orientierten Ordnung dieser Weltwirtschaft anstreben bzw. verlangen. Es reicht eben nicht, wenn sich die beiden größten Handelsmächte der Welt, die Europäische Gemeinschaft mit rund 40 °/o und Amerika mit rund 20 % des Welthandels, nur auf die Verteidigung ihres Status quo gegenüber den Entwicklungsländern beschränken. Man kann auch nicht das Modell des marktwirtschaftlichen Freihandels fordern und gleichzeitig innerhalb der eigenen Volkswirtschaften durch die Hintertür immer neue protektionistische Praktiken einführen. Eine solche wirtschaftspolitische Schizophrenie wird uns in der internationalen Wirtschaftsdiplomatie niemand abnehmen. Daher muß die Antwort auf diese Herausforderung ganz klar sein: Solange den Vorstellungen der Entwicklungsländer von der neuen Weltwirtschaftsordnung nicht ein überzeugendes gemeinsames Programm der Europäischen Gemeinschaft und der USA zur Durchsetzung einer freien Weltmarktwirtschaftsordnung gegenübergestellt wird, werden die
Entwicklungsländer die Schwächen der westlichen Position durch Einführung neuer Dirigismen und Protektionismen auf allen möglichen Gebieten ausnutzen und damit den Teufelskreis nur zu ihrem eigenen Nachteil verschärfen.
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Die zweite Herausforderung: Allenthalben erschallt - von bestimmten Kräften auch in einigen Ländern der Europäischen Gemeinschaft - der Ruf nach einer Organisation des internationalen Handels, nach dem sogenannten organisierten Liberalismus. Ich meine, wir müssen mit aller Entschiedenheit deutlich machen, daß hinter einer solchen Verbrämung die Auffassung steht, das heutige System, wie es in den GATT-Regeln verankert ist, werde sozusagen von einer vernunftswidrigen Verehrung für die Liberalisierung der Handelsbeziehungen getragen; es sei sozusagen das System des wilden Freihandels: GATT als eine Ausgeburt eines wilden Liberalismus.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, einer solchen wirtschaftspolitischen Brunnenvergiftung in der Sprachregelung muß von verantwortlichen Politikern mit aller Entschiedenheit entgegengewirkt werden. Das GATT, das sich in diesen 30 Jahren seit seiner Existenz bewährt hat, ist eben ein sehr komplexes Instrument, das gerade aber auch regulierende Mechanismen und Schutzverfahren enthält, die man flexibel nach Bedarf einsetzen kann, um Auflösungstendenzen und ein Durcheinander auf den Handelsmärkten zu verhindern.
Eine dritte Herausforderung: Es ist nicht mehr zu verantworten, das Triebwerk der internationalen Handelsbeziehungen sozusagen ohne Überwachung und regelmäßige Kontrolle, regelmäßige Prüfung seiner entscheidenden Voraussetzungen laufen zu lassen. Der Mechanismus der internationalen Handelsbeziehungen muß neu gestaltet werden. Die internationalen Handelsbeziehungen sind heute ein großes, ein riesiges wirtschaftliches Unternehmen. Ein solches Unternehmen bedarf eben eines ständigen und überzeugenden, schlagkräftigen Managements, damit man langfristige Entwicklungen rechtzeitig steuern kann und gefährliche Klippen erkennt und umschifft. Das heißt, wir müssen fort von sporadischen Beratungen, von sporadischen Konferenzen. Wir brauchen eine ständige Beratung und Zusammenarbeit zwischen den Regierungen. Wir brauchen die Durchsetzung der Idee eines überzeugenden Managements in den internationalen Handelsbeziehungen. Meine Fraktion ist gewillt, dies mit aller Entschiedenheit bei allen Gelegenheiten vorzubringen und sich dafür einzusetzen. Wir erwarten auch von der Bundesregierung, daß sie sich in ihren Verhandlungen - vor allem auf dem Boden der Europäischen Gemeinschaft - für ein solches Management einsetzt. Als erster Ausdruck eines solchen Managements könnte eine Konsultativgruppe von hohen Regierungsbeamten beim GATT eingerichtet werden.
Letztlich werden alle Bemühungen im GATT zu Fortschritten, zur Durchsetzung einer weltweiten Arbeitsteilung scheitern müssen, wenn es uns nicht gelingt, auch das Thema der Schaffung eines internationalen Währungssystems mit neuem Elan und neuen Ideen anzugehen. Zwar regelt das GATT solche Fragen nicht, und es besteht auch nicht die Möglichkeit, solche Fragen über das GATT zu regeln; aber der mittelbare Zusammenhang mit den jetzt zu entscheidenden Fragen im GATT ist so groß, daß man sich an dieser Frage nicht vorbeidrücken kann und vorbeidrücken darf, es sei denn, man stellt die gesamten Ergebnisse des GATT in Frage.
Und noch ein weiteres, was hier von uns vorgetragen wird: Wenn auch der Grundsatz im GATT gelten muß, daß alle auf Grund der wirtschaftspolitischen Tatbestände gleichzubehandeln sind, so muß doch eine Ausnahme gemacht werden, nämlich die, daß Entwicklungsländern, die besonders arm sind und besonders schwierige Situationen haben, auch mit einer besonderen Großzügigkeit geholfen wird, nicht allen Entwicklungsländern, nicht solchen, die schon einen höheren Entwicklungsgrad erreicht haben. Die Parole muß heißen, „den ärmsten mehr zu helfen". Dafür müssen klare Kriterien entwikkelt werden, z. B. die Ausarbeitung von Merkmalskatalogen, Pro-Kopf-Einkommen, Bruttosozialprodukt, jeweilige Exportstärke dieser einzelnen Entwicklungsländer.
Diese drei Herausforderungen, von denen ich soeben gesprochen habe, müssen uns zu der Überlegung führen, daß das GATT in einigen wenigen großen Bereichen ergänzt werden muß, daß das Regelwerk des GATT einer Erweiterung bedarf.
Der erste Bereich sind die Direktinvestitionen, die in unserem Antrag auch an erster Stelle mit besonderer Priorität angesprochen worden sind. Hier müssen wir - vor allen Dingen in der Europäischen Gemeinschaft - den enormen Rückgang von Direktinvestitionen in den Entwicklungsländern bedauern. Die Investitionen sind von 1,678 Milliarden US-Dollar im Jahre 1972 kontinuierlich auf 1,232 Milliarden US-Dollar im Jahre 1976 zurückgegangen. Dabei weiß doch jeder, so daß es hier nicht vertieft zu werden braucht, was Direktinvestitionen für eine verbesserte Wirtschaftsstruktur in den Entwicklungsländern, aber auch für die Stärkung unserer eigenen Position in der Rohstoffversorgung bedeuten. Die Vorteile für die Industrienationen liegen auf der Hand. Wir werden diese Direktinvestitionen in einem günstigen Klima nur bekommen, wenn es gelingt, über das GATT in einem multilateralen Ansatz dafür zu sorgen, daß die Sicherung des Eigentums erfolgt, daß der Gewinntransfer in geregelte Bahnen gelenkt wird und daß besondere Normen zur Beschäftigung der einheimischen Bevölkerung in den Entwicklungsländern durchgesetzt werden.
Der zweite Bereich! Wir müssen dafür sorgen, daß die Regierungskäufe, die einen immer größeren Anteil am internationalen Handel annehmen, in geordnete Bahnen gelenkt werden. Behörden dürfen nicht nur Güter und Waren nationaler Herkunft kaufen, also die internationale Arbeitsteilung schlichtweg ignorieren, sondern sie müssen in- und ausländische Lieferanten gleichbehandeln. Nur Preis und Qualität sollen ausschlaggebend sein, wenn man
auf dem Boden einer Weltmarktwirtschaft steht. Das GATT bedarf daher eines Instrumentariums, um solche Regeln und Grundsätze durchzusetzen.
Der dritte Bereich ist der Bereich der Schutzklauseln. Das GATT sieht ein besonderes internationales Schutzsystem vor. Dieses Schutzsystem befindet sich derzeit in einer Krise, weil manche Staaten, die mit ihren wirtschaftlichen Schwierigkeiten kämpfen, versuchen, sich unter Berufung auf das Schutzsystem gegen bestimmte Praktiken zu wehren. Dieses Schutzsystem des GATT ist reformbedürftig. Es ist auch ein schwerfälliges Instrument, weil es generalisierend wirkt und es nicht ermöglicht, selektiv den eigentlichen Verschulder, denjenigen, der das Regelwerk des GATT verletzt, herauszupicken und mit spezifischen Retorsionsmaßnahmen zu bekämpfen. Von daher meinen wir, daß einer selektiven Anwendung der Schutzmaßnahmen des GATT das Wort geredet werden kann.
Dabei geht es aber nicht darum, das nun generell einzuführen, sozusagen Schutzmaßnahmen generell selektionsmäßig einsetzen zu dürfen. Nein, sie müssen auf ein unerläßliches Maß beschränkt werden, damit hier nicht wieder ein neues Trojanisches Pferd entsteht, mit dem Protektionismus, nun aber formal auf die Regeln des GATT gestützt, in das internationale Handelsleben Eingang findet. Diese gewisse, von uns tolerierte „Aufweichung" des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung, die damit verbunden ist, muß durch ein klares Instrumentarium abgefangen werden, das diese mißbräuchlichen Anwendungen verhindert. Wir brauchen ein ständiges Überwachungsorgan im GATT, das die richtige Anwendung solcher selektiver Schutzklauseln und die Einhaltung ihrer zeitlichen Begrenzung überprüft.
Der vierte Bereich, in dem das GATT ergänzt werden muß, ergibt sich daraus, daß eine Reihe von Staatshandelsländern inzwischen an der internationalen Arbeitsteilung als Mitglieder des GATT teilnehmen und sich auch als Mitglieder des GATT an den Verhandlungstisch setzen. Diese Länder können aber auf Grund ihres völlig andersgearteten Wirtschaftssystems derzeit nicht richtig in das GATT eingefügt werden, weil die Regeln des GATT gerade auf marktwirtschaftlich orientierte Länder zugeschnitten sind. Das heißt, wir brauchen neue Instrumente, um den Staatshandel und möglicherweise Diskriminierungen zu verhindern, die darauf beruhen, daß das System ganz anders arbeitet als unseres. Die Einräumung der Meistbegünstigung an marktwirtschaftlich orientierten Staaten durch Staatshandelsländer ist ein „Nullum", ist ein Nichts, bringt im Grunde gar nichts. Man kann den Grundsatz der Gegenseitigkeit in diesem Verhältnis zwischen Staatshandelsländern und marktwirtschaftlichen Ländern nur durchhalten, wenn die Staatshandelsländer neben dem Versprechen, nicht zu diskriminieren, z. B. jährlich Zuwachsraten in ihren Außenhandelsplandaten vertraglich versprechen, und zwar als Gegenleistung für die Einräumung von Meistbegünstigung.
Oder nehmen Sie das Beispiel Dumping! Dumping ist eine typisch marktwirtschaftliche Einrichtung, eine negative marktwirtschaftliche Einrichtung. Staatshandelsländer können schon nach den Begriffsbestimmungen gar kein Dumping machen, obwohl das immer behauptet wird. Daher brauchen wir im GATT klare Regelungen, die auf dem Begriff der Marktstörung, der Marktzerrüttung aufbauen. Von dorther müssen die Instrumente zur Verfügung gestellt werden, um diese Praktiken in den Griff zu nehmen.
Der letzte Bereich, in dem das GATT erweitert werden muß! Je mehr die internationale Handelsfamilie wächst, größer wird, desto mehr verstärken sich die Konfliktfälle. Die Prozeduren des GATT zur Schlichtung solcher Konfliktfälle sind nicht mehr ausreichend. Wir brauchen überzeugende neue wirkungsvolle Prozeduren zur Lösung solcher Probleme. Das heißt, das GATT müßte quasi durch gerichtsähnliche Einrichtungen, durch schiedsgerichtsähnliche Einrichtungen erweitert und verstärkt werden, um das in den Griff zu nehmen.
Lassen Sie mich zum Schluß in ganz wenigen Worten aktuell sagen, was wir auch zu Ihrem Antrag fordern, den Sie uns vorgelegt haben, welches unsere Prioritäten sind und was wir von der Bundesregierung erwarten, die jetzt in diesen schwierigen Verhandlungen beim GATT über die Europäische Gemeinschaft beteiligt ist.
Erstens zu den Zöllen. Wir erwarten die konsequente Durchsetzung der sogenannten Schweizer Zollsenkungsformel über einen Zeitraum von acht Jahren, mit der Möglichkeit, nach fünf Jahren die Wirkung dieser Zollsenkungsformel zu überprüfen. Ausnahmen von dieser Formel dürfen nicht gemacht werden. Gleiche Regeln für alle! Es dürfen auch keine entsprechenden Kompensationsmöglichkeiten zugelassen werden.
Zweitens. Wir brauchen ein verbessertes Zollwertsystem. Die unterschiedlichen Zollwertbestimmungen sind heute ein ganz erhebliches Handelshemmnis. Von daher unterstützt meine Fraktion den von der Europäischen Gemeinschaft vorgelegten Zollwertkodex, der dazu führt, daß eben nicht mehr die Brüsseler Zollwertnorm als eine theoretische Norm mit allen ihren Schwierigkeiten und Möglichkeiten, sie zu unterlaufen, für die Berechnung des Zollwerts gilt, sondern daß der jeweilige Rechnungspreis der Ausgangspunkt für die Berechnung des Zollwerts ist.
Drittens zu den Subventionen und Ausgleichszöllen. Hier müssen wir, meine sehr verehrten Damen und Herren, mit aller Entschiedenheit mit unseren amerikanischen Freunden reden und ihnen klarmachen, daß sie nicht damit rechnen dürfen, daß ihre Sonderrechte, sozusagen, ohne Schadensnachweis Ausgleichszölle einführen zu können, aufrechterhalten werden. Wir müssen mit aller Entschiedenheit dafür sorgen, daß dieser Subventionspraxis, die sich inzwischen wie ein Flächenbrand weltweit - teilweise auch in der Europäischen Gemeinschaft - ausbereitet, jetzt endgültig Einhalt geboten wird. Von daher muß die Forderung lauten: Kampf allen Subventionen, welcher Art auch immer! Keine Sonderrechte für irgendein Land - und seien es die Vereinigten Staaten -, von wem das auch gefordert wird!
Viertens die technischen Handelshemmnisse. Ich glaube, wir brauchen es uns hier nicht zu bestätigen, daß es auch eine wichtige Aufgabe der Bundesregierung ist, die die Regierung eines föderativen Staates ist, daß sie durch ihr positives Verhalten bei den GATT-Verhandlungen deutlich macht, daß föderative Staaten einen besonders hohen Verbindlichkeitsgrad eingehen, wenn es um die Beseitigung dieser technischen Handelshemmnisse geht. Solche Regierungen sind verpflichtet, nicht nur für sich, sondern auch für alle untergeordneten Verwaltungsstellen und Einrichtungen entsprechende Regelungen zu treffen, wenn technische Handelshemmnisse auf lange Sicht bekämpft werden sollen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das waren aus unserer Sicht die „essentials". Wir hoffen, daß die Bundesregierung auf Grund des Votums des Deutschen Bundestages auch bereit ist, sich entschlossen für diese Positionen einzusetzen.
Wir sind der Meinung, daß der SPD/FDP-Antrag in vielen Punkten mit unserer Linie durchaus vergleichbar ist, während er uns aber nicht vollständig zu sein scheint. Noch einmal: Es gibt hier die drei großen Herausforderungen und verschiedene andere Fragen, die mit aller Deutlichkeit gesehen werden müssen und die ich angesprochen habe.
Ich hoffe, daß alle politischen Kräfte dieses Hauses dafür sorgen, daß diese GATT-Runde eine definitive Liberalisierungsrunde wird und daß sich auf Grund dieses Impulses des Deutschen Bundestages die Möglichkeit ergibt, einen neuen Durchbruch für eine freie Weltmarktwirtschaftsordnung zu erzielen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Grunenberg.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist durchaus zu begrüßen, wenn durch Anträge oder Anfragen an die Bundesregierung das Thema GATT-Verhandlungen zum Gegenstand parlamentarischer Befassung wird. Ich könnte mir vorstellen, daß die Bundesregierung künftig selbst das Bedürfnis hat, das Parlament über den Fortgang und die Perspektiven einer solchen Mammutkonferenz periodisch zu unterrichten. Bezüglich der internationalen Währungspolitik, der Seerechtskonferenz oder des Nord-Süd-Dialogs wird seit langem schon so verfahren. Die GATT-Verhandlungen - ebenfalls der Sache nach in der Zuständigkeit der Exekutive - sind, was die Tragweite der zu lösenden Probleme anbelangt, durchaus von gleichem Rang wie die erwähnten anderen internationalen Verhandlungsmaterien.
Nochmals: Es ist gut und wird auch von uns begrüßt, daß die Opposition mit Ihrem Antrag den Anstoß zu einer parlamentarischen Behandlung dieser Frage gegeben hat.
In der Sache selbst allerdings - inhaltlich also - führt der Antrag der CDU/CSU nicht nach vorn, sondern eher in eine Sackgasse. Wenn die Opposition fordert, daß GATT mit der zusätzlichen Aufgabe zu befrachten, Regeln für Privatinvestitionen in Entwicklungsländern zu erarbeiten, dann hat sie wirklichkeitsfremde Vorstellungen vom GATT, oder sie würde die Aufgaben des GATT - fürchte ich - wesentlich verändern.
Das GATT ist seiner ganzen Zielsetzung und Struktur nach ein völlig ungeeignetes, ja geradezu das falscheste Instrument, das für die Regelung internationaler Investitionsfragen zur Verfügung steht. Die Regelung der Modalitäten von Privatinvestitionen in Entwicklungsländern ist hier nicht mein Thema. Ich habe nur festzuhalten, daß man nach unserer Auffassung unter keinen Umständen das GATT damit befassen sollte. Das GATT kann dies nicht leisten. Eine solche neue Aufgabe würde seine ohnehin schwere Arbeit entscheidend beeinträchtigen. Im übrigen sind wir der Meinung, daß man von jeder Multilateralisierung der rechtlichen Gestaltung von Kapitalschutzabkommen nur Verschlechterungen zu erwarten hat.
Die Koalitionsfraktionen haben sich deshalb gezwungen gesehen, einen eigenen Antrag vorzulegen, und zwar auch abgesehen von dem, was ich zu den Regelungen über Privatinvestitionen in Entwicklungsländern gesagt habe, während Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, wohl kaum in Abrede stellen können, daß unser Antrag mehr Substanz hat. Alle wichtigen Verhandlungsgegenstände sind genannt. Zu den Problemen, die zu lösen sind, wird die anzustrebende Richtung der Problemlösung aufgewiesen. Auf dieser Grundlage wird es möglich sein, der Bundesregierung nach Beratung in den Ausschüssen eine Meinungsäußerung des Deutschen Bundestages an die Hand zu geben, die unserer Verhandlungsdelegation in Genf eine wertvolle Stütze sein wird.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Angermeyer.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Entschließungsantrag der Opposition zum derzeitigen Stand der GATT-Verhandlungen richtet sich in erster Linie und im wesentlichen auf die Sicherung von Privatinvestitionen in Entwicklungsländern. Diese Absicht ist von den Vorrednern begrüßt worden, und ich begrüße dies auch für meine Fraktion ausdrücklich.
Ich darf in diesem Zusammenhang einige wenige Zahlen zu den Direktinvestitionen deutscher Firmen im Ausland nennen. Von Ende 1976 bis Ende 1977 ist die Summe der gesamten privaten Investitionen im Ausland von ca. 47 Milliarden DM auf etwas über 52 Milliarden DM gestiegen. Das ist also eine Steigerung von 5 Milliarden DM. Hier ist aber wichtig, festzustellen, daß von diesen 5 Milliarden DM nur etwa 1,5 Milliarden DM oder 30 0/o in Entwicklungsländern investiert worden sind. Dieser Anteil von 30 % an den Gesamtinvestitionen pro Jahr entspricht aber durchaus den Anstiegsquoten der Investitionen. Man muß allerdings auch einmal die Gesamtsumme der im Bereich der Entwicklungsländer eingesetzten Investitionen privater Investoren aus
der Bundesrepublik sehen. Von 1952 bis 1977 wurden von solchen Investoren in Entwicklungsländern über 15 Milliarden DM investiert.
Sie sehen also, mein Damen und Herren von der Opposition, daß die Koalition sehr wohl weiß, welche wirtschaftlichen Kräfte für die Arbeit in den Entwicklungsländern eingesetzt worden sind. Es ist unser vordringliches Anliegen, diese Investitionen zu schützen. Wir sind nur anderer Meinung als Sie, wenn wir meinen, daß das GATT nicht die richtige Instanz ist, Schutzmaßnahmen festzuschreiben.
Wir müssen uns alle darüber im klaren sein, daß bei der derzeitigen Diskussion um die neue Weltwirtschaftsordnung eine für uns befriedigende, nämlich dem Stand der derzeitigen Schutzvereinbarungen entsprechende internationale Vereinbarung auf dem Wege des Konsensusprinzips im GATT gar nicht zu erreichen ist. Wir würden also auf der Verliererseite sein, was auch dadurch bewiesen ist, daß der OECD-Entwurf, die Vorstellungen der Konferenz für Internationale Wirtschaftliche Zusammenarbeit, der europäisch-arabische Dialog und die Vorstellung der EG-Kommission für Investitionsschutzregelungen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und den AKP-Ländern durch deutliche Interessengegensätze innerhalb der beteiligten Gruppen gekennzeichnet sind. Damit ist allenfalls eine Einigung auf niedrigster Basis möglich.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind wir sicher gut beraten, wenn wir an der bewährten Politik der bilateralen Verträge festhalten, solange nicht auf weltweiter Basis eine Vereinbarung zustande kommt, die, für sich selbst stehend, den Schutz von Investitionen in fremden Ländern regelt.
Lassen Sie mich an dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen, daß wir trotz 30jährigen Bemühens um das Zustandekommen einer Investitionsschutzregelung, die global gültig sein soll, bisher nur die Weltbank-Schiedsordnung von 1965 haben. Wir sollten dabei wissen, daß seit der Havanna-Charta 1947 und dem OECD-Entwurf 1967 nichts umfassend Befriedigendes herausgekommen ist. Auch der an sich sehr lobenswerte Versuch eines deutschen Initiators, der sogenannte Abs-Shawcross-Entwurf von 1959, hat leider nicht zu einer allgemeinen Annahme geführt. Wie bereits gesagt, ist das einzige vorhandene Übereinkommen, das weltweit Gültigkeit hat, die Weltbank-Schiedskonvention von 1965. Hier ist aber darauf hinzuweisen, daß die WeltbankKonvention kein materielles Recht über den Schutz von Auslandskapital - z. B. zur Regelung eines Enteignungsfalles -, sondern ausschließlich Verfahrensrecht für das Beilegen von Investitionsstreitigkeiten enthält.
Wir alle wissen, meine Damen und Herren, daß im Zuge des immer stärker werdenden Nord-Süd-Dialogs, der hoffentlich nicht zu einem unüberbrückbaren Nord-Süd-Gegensatz wird, die unterschiedlichen Verhandlungspositionen und Interessengebiete der Industrieländer und der Entwicklungsländer abgesteckt werden. Die unterschiedlichen Interessen sind naturgemäß der Grund für das geringe Maß an einverständlichen Konventionen. Es bleibt
zu hoffen, daß das einigermaßen - mit allen Vorbehalten gesagt - funktionierende GATT eine Möglichkeit des Verständnisses mit sich bringt. Es wäre verfehlt, durch erneuten Zündstoff, wie die Absicherung von Privatinvestitionen, in diesem Abkommen entstehende Dialoge zu unterbrechen. Die Fraktion der FDP sieht in dem Antrag der Koalitionsfraktionen die bessere Lösung.
Dazu im einzelnen noch einige Ausführungen. Ich habe in meinen vorangegangenen Darlegungen auf die Unterschiede in den Zielrichtungen der Entschließungsanträge der Fraktionen der SPD und FDP und der CDU/CSU hingewiesen. Mir erscheint aber auch wichtig, darüber nicht die Gemeinsamkeiten zu vergessen, und ich kann Ihnen versichern, daß die materiellen Zielvorstellungen, die die CDU/CSU-Fraktion mit ihrem Antrag in bezug auf die Förderung und den Schutz von Auslandsinvestitionen verfolgt, dem entsprechen, was die Bundesregierung seit langem als erklärtes Ziel ihrer Politik verfolgt. Die Bundesregierung fördert im Interesse der deutschen Wirtschaft und zum Nutzen der Entwicklungsländer Privatinvestitionen in der Dritten Welt durch die Übernahme von Bundesgarantien und durch die Gewährung steuerlicher Vorteile im Rahmen des Entwicklungsländer-Steuergesetzes. Mittelständische Unternehmen können darüber hinaus die Dienste der DEG in Anspruch nehmen und zinsgünstige Darlehen aus dem ERP-Niederlassungsprogramm erhalten.
Parallel zum Einsatz dieses Förderungsinstrumentariums hat die Bundesregierung die Verbesserung des Schutzes deutscher Privatinvestitionen in Entwicklungsländern mit großem Nachdruck verfolgt. Wie ich schon sagte, hat sie über 40 Investitionsförderungsverträge abgeschlossen; Verhandlungen über den Abschluß weiterer Verträge werden zur Zeit geführt.
Die EG-Kommission hat dementsprechend in ihrer Mitteilung an den Rat über die „Notwendigkeit und Orientierungsrichtlinien für Gemeinschaftsmaßnahmen zur Förderung europäischer Investitionen in den Entwicklungsländern", ein Dokument, das dem Bundestag zugeleitet wurde, festgestellt, daß die Bundesrepublik Deutschland als einziger EG-Staat auf eine befriedigende Zahl von Investitionsschutzabkommen blicken kann.
Demgegenüber sind die bisherigen Versuche, insbesondere in der OECD und bei der Weltbank, zu multilateralen Investitionsschutzkonventionen zu kommen, gescheitert, weil die Interessengegensätze zwischen Industrie- und Entwicklungsländern, aber auch innerhalb dieser Gruppen zu stark waren. Da eine Einigung selbst unter den Industriestaaten immer nur auf dem niedrigsten gemeinsamen Nenner erfolgen kann, besteht die Gefahr, daß multilaterale Vereinbarungen weit unter dem Schutzstandard der deutschen Investitionsschutzverträge liegen.
Wir begrüßen, daß sich die Bundesregierung gleichwohl weiterhin mit uns an allen Versuchen beteiligen wird, die auf Verbreiterung und Verbesserung des Schutzes deutscher Privatinvestitionen in Entwicklungsländern abzielen. Das bestehende Netz bilateraler Verträge darf dadurch jedoch nicht geAngermeyer
fährdet, sondern sollte eher noch ausgedehnt werden.
Auf jeden Fall verfehlt wäre der Versuch, im GATT eine Initiative der Verbesserung des Schutzes von Privatinvestitionen zu ergreifen. Das GATT und die laufenden GATT-Verhandlungen betreffen ausschließlich den Warenverkehr. Eine Befassung des GATT mit Investitionsschutzfragen würde dieses bewährte Instrument handelspolitischer Zusammenarbeit überfordern und die Ansätze zu einer wirtschaftlich sinnvollen GATT-Reform behindern. Aus guten Gründen hat daher bisher keine der über 90 Regierungen, die an den. laufenden GATT-Verhandlungen teilnehmen, vorgeschlagen, auch Regelungen über den Investitionsschutz in das GATT aufzunehmen. Ein derartiger Vorschlag von deutscher Seite würde schon auf EG-Ebene Erstaunen hervorrufen und mit Sicherheit keine Unterstützung finden. Gerade im Hinblick auf die nunmehr eingeleitete entscheidende Abschlußphase der GATT-Verhandlungen müßte eine solche sachlich nicht weiterführende Initiative zusätzlichen Schaden durch die konkrete Gefahr der Behinderung von Verhandlungsfortschritten in den spezifisch handelspolitischen Bereichen anrichten, auf die diese Verhandlungen zum Nutzen aller Welthandelspartner abzielen.
Ich leite damit zu dem zweiten Teil meiner Ausführungen, den handelspolitischen Zielsetzungen im Rahmen der EG in den GATT-Verhandlungen, über. Wie die Bundesregierung messen auch wir einem baldigen positiven Abschluß der derzeitigen GATT-Runde gerade in der gegenwärtigen weltwirtschaftlichen Situation besondere Bedeutung bei. Wir sehen darin insbesondere die Möglichkeit, ein sichtbares Signal gegen zunehmende protektionistische Tendenzen zu setzen, einen Beitrag zur Wiedergewinnung des Marktvertrauens durch Verbesserung der Rahmenbedingungen des Welthandels zu leisten und
die Förderung der Integration der Entwicklungsländer in die Weltwirtschaft durch sachgerechte Sonderlösungen zu ihren Gunsten aktiv zu unterstützen.
Wir begrüßen es, daß nach mehrjähriger analytischer Aufbereitung des umfangreichen, zum erstenmal auch den nichttarifären Bereich einbeziehenden Verhandlungsstoffes nunmehr seit Januar 1978 die Verhandlungen in ihre konkrete Entscheidungsphase getreten sind. Die Bundesregierung wird sich, und darin werden wir sie unterstützen, in der nunmehr eingeleiteten Schlußphase der Verhandlungen für die Realisierung möglichst weltoffener Lösungen im Zollbereich, im nichttarifären Sektor und im Agrarbereich als den drei Hauptbereichen der Verhandlungen einsetzen. Sie hat diese Zielrichtungen auch in den jüngsten Beschlußfassungen des Europäischen Ministerrates zur Geltung gebracht.
Wir begrüßen dies und unterstützen den Antrag der Koalitionsfraktionen.
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Meine Damen und Herren, wird das Wort noch gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache.
Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung der beiden Anträge an den Ausschuß für Wirtschaft - federführend - sowie zur Mitberatung an den Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit, den Auswärtigen Ausschuß und den Finanzausschuß. Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Wir sind am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe das Haus auf Mittwoch, den 19. April 1978, 13 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.