Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 2/24/1978

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Die Sitzung ist eröffnet. Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft hat mit Schreiben vom 9. Februar 1978 einen Bericht über Ergebnisse der 8. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes übersandt. Dieser Bericht erscheint nicht als Bundestagsdrucksache. Er wird dem Ausschuß für Bildung und Wissenschaft als Informationsmaterial zugeleitet. Der Präsident des Deutschen Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember 1977 die in der Zeit vom 15. bis 21. Februar 1978 eingegangenen EG-Vorlagen an die aus Drucksache 8/1552 ersichtlichen Ausschüsse überwiesen. Die in Drucksache 8/1552 unter Nr. 6 aufgeführte EG-Vorlage Beschluß des Rates ({0}) zur Ermächtigung der Kommission, Anleihen zur Investitionsförderung in der Gemeinschaft aufzunehmen ist als Drucksache 8/1524 verteilt. Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung: Beratung des Agrarberichts 1978 der Bundesregierung - Drucksachen 8/1500, 8/1501 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({1}) Haushaltsausschuß und Punkt 22 der Tagesordnung: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({2}) zum Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU zur Beratung des Agrarberichts 1977 der Bundesregierung - Drucksachen 8/189, 8/1434 - Berichterstatter: Abgeordneter Müller ({3}) Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? - Er verzichtet. Ich eröffnete die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Ritz.

Dr. Burkhard Ritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001859, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich die Aussprache zum Agrarbericht 1978 beginnen mit einem Wort des Dankes an die Bäuerinnen und Bauern, die ihre Betriebsergebnisse zur Verfügung gestellt, und an die Beamten und Angestellten, die diese Ergebnisse zusammengestellt und ausgewertet haben. ({0}) Beim näheren Nachsehen im Agrarbericht fallen einem allerdings nicht sehr viel mehr Gründe zum Danken ein. Denn der Agrarbericht 1978 zeichnet sich durch einen traurigen Nachkriegsrekord aus. Noch nie seit Erscheinen der Agrarberichte im Jahr 1956 hatte die Landwirtschaft einen so starken Einkommensrückgang zu verzeichnen wie im Wirtschaftsjahr 1976/77, nämlich um 13,8 %. Dies ist ein trauriger Nachkriegsrekord. In unserer schon im vorigen Jahr zum Ausdruck gebrachten Befürchtung, daß der damals geschätzte Einkommensrückgang von nur 6 °/o reines Wunschdenken sei, sehen wir uns leider voll bestätigt. Ich kann mich auch nicht des Eindrucks erwehren, daß die diesjährige Vorausschau, die von einem Einkommenswachstum von 8 % ausgeht, im Grund nur den überstarken Einkommensrückgang überspielen und abschwächen soll. Aber auch wenn man an Hand des Agrarberichts die Einkommensentwicklung der Landwirtschaft und die der übrigen Wirtschaft über Jahre vergleicht, ist unübersehbar, daß die Landwirtschaft in der Einkommensentwicklung nach wie vor beachtlich hinterherhinkt, und zwar auch dann, wenn man unterstellt, daß die Einkommen im laufenden Jahr tatsächlich um 8 % wachsen. Daß die Landwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland diesen Einkommensrückgang relativ gelassen getragen hat - hier bestätigen wir durchaus das, was Herr Bundesminister Ertl dazu gesagt hat -, hat nach unserer Meinung objektive und subjektive Gründe. Objektiv ist sicher nicht zu übersehen, daß die schweren Einkommenseinbrüche leichter verkraftet werden konnten, weil das Einkommen im Vorjahr günstig gewesen war und weil die Liquiditätslage auf Grund günstiger Kreditangebote der Banken und Genossenschaften erträglich blieb. Subjektiv aber - dies scheint uns genauso wichtig zu sein - hängt diese Gelassenheit der Landwirtschaft sicher auch damit zusammen, daß es in strukturell benachteiligten Gebieten oft 15 bis 20 % Arbeitslose gibt und angesichts dieser unübersehbaren Tatsache der Arbeitsplatz auf dem eigenen Hof als Eigenwert gewichtet wird. So gehören denn auch, wie wir meinen, zu den bemerkenswertesten Zahlen des Agrarberichtes die Angaben über die Zusammenhänge von Landwirtschaft und übriger Wirtschaft. Da sind zunächst die Zahlen über den Strukturwandel in der Landwirtschaft. Sie signalisieren überdeutlich Stagnation. Die ausgewiesene Abwanderungsrate von 0,8 °/o dürfte in etwa mit dem Ausscheiden aus Altersgründen identisch sein. Im Gegenteil: in vielen Bereichen können wir sogar eine Zunahme der in der Landwirtschaft Tätigen feststellen. Angesichts der gesamtwirtschaftlichen Instabilität und der hohen Arbeitslosigkeit ist diese Tatsache im Grunde nicht zu beklagen. Nur eines ist genauso sicher: ein Faktor, der die Einkommenssteigerung in den letzten Jahren mit bewirkt hat, entfällt damit für die Einkommensbildung in der Landwirtschaft. Die Wirkungen des Strukturwandels werden durch eine stagnierende oder nur noch ganz leicht steigende Nachfrage nach hoch veredelten Nahrungsmitteln verschärft. Dies muß auch auf dem Hintergrund der rückläufigen Bevölkerungsentwicklung in unserem Land gesehen werden. Dadurch werden aber auch - dies ist natürlich mittelfristig wichtig - die Wachstumsmöglichkeiten in den Betrieben beachtlich eingegrenzt. Die Ursachen dieser Lage der Landwirtschaft - eingebettet in die Gesamtwirtschaft -, die die mittelfristigen Chancen der Landwirtschaft nicht rosig erscheinen lassen, haben sicher nicht Sie, Herr Bundesminister, im engeren Sinne zu verantworten. Eine weithin gescheiterte Konjunktur- und Wirtschaftspolitik, eine erstarrte regionale Strukturpolitik und - lassen Sie mich auch dies hinzufügen - eine verfehlte und fehlende Familien- und Bevölkerungspolitik sind die eigentlichen Ursachen, die die äußeren Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft entscheidend verschlechtert haben. ({1}) Sie, Herr Bundesminister, können diese Rahmenbedingungen im Rahmen Ihrer Ressortzuständigkeit nicht verbessern. Sie können bestenfalls - ressortübergreifend - mit Ihren Kollegen auf eine Verbesserung hinwirken. Ob allerdings eine Bundesregierung, meine Damen und Herren, deren Hauptanstrengungen in der Selbsterhaltung liegt, noch die Kraft haben wird, diese Rahmenbedingungen überhaupt zu verändern, darf sehr bezweifelt werden. ({2}) Agrarpolitik im engeren Sinne hat auf dem Hintergrund dieser wirtschaftspolitisch verantworteten Problemlage sicher nur eine begrenzte Lösungskompetenz. Die Agrarpolitik ist, wenn Sie so wollen, im Rahmen dieser Zusammenhänge nur ein Hilfsaggregat der Politik, ich meine, es ist ein Hilfsaggregat, das sogar in einigen Gängen noch stottert, wie ich gleich auszuführen versuchen will. Die strukturelle Entwicklung der Landwirtschaft im Zeichen des konjunkturellen Abschwunges hat schon vor einigen Jahren unsere Auffassung bestätigt, daß die einzelbetriebliche Förderung auf dem Hintergrund der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung einer höheren Flexibilität und auch neuer Instrumente bedarf. Wir haben deshalb, Herr Bundesminister, die Einigung, die Sie mit allen Länderagrarministern im November vorigen Jahres in Bad Zwischenahn zur Einführung eines Agrarkreditprogrammes erzielt haben, bejaht. Dieser einstimmige Beschluß beinhaltete die Ausweitung des Angebotes der einzelbetrieblichen Förderung mit einem Zinsverbilligungsprogramm von 2 % und in den von der Natur benachteiligten Gebieten von 3 %. Dies war ganz zweifellos ein Schritt in eine richtige und notwendige Richtung. Als Sie dann von Bad Zwischenahn nach Bonn zurückkamen, setzten Ihnen die SPD und der Bundesfinanzminister allerdings ein hartes Nein entgegen. Sie wurden innerhalb der Koalition in dieser Sachfrage im Stich gelassen. ({3}) Nun, auch der gekonnte Salto mortale Ihres Pressesprechers, der meinte, daß Sie mit dem dann zustande gekommenen 6-%-Kreditprogramm über die Bank für Wiederaufbau Ihr eigentliches Ziel auf Umwegen erreicht hätten, und auch Ihre Verteidigungsrede zu diesem Programm vorgestern können in Wahrheit nicht darüber hinwegtäuschen, daß Sie in dieser Frage eine politische Niederlage hinnehmen mußten. ({4}) Denn, meine Damen und Herren, abgesehen davon, daß, wie wir erfahren haben, nicht einmal sicher ist, wie dieses Programm über das Jahr 1978 hinaus überhaupt weitergeführt wird, muß doch auch gesehen werden, daß dieses Programm angesichts der Tatsache, daß z. B. die Hausbanken den Landwirten zur Zeit Kredite zu 53/4 % anbieten, auf der Basis von 6 % einen Nullwert hat. ({5}) Es darf auch nicht übersehen werden, daß das Programm den besonderen Problemen der von der Natur benachteiligten Gebiete überhaupt nicht wird Rechnung tragen können. Es ist nicht zu übersehen, daß Bundesminister Ertl in dieser Frage innerhalb der Koalition isoliert dastand. Ich meine, dies gilt z. B. auch in anderen Fragen. Wenn ich etwa an Ihre Einlassung hier zur Witwenregelung denke, Herr Minister, dann habe ich den Eindruck, daß das, was Ihnen vorschwebt, mit den Vorstellungen, die wir in unserem Gesetzentwurf niedergelegt haben, tendenziell durchaus übereinstimmt. Dies ist allerdings etwas ganz anderes als das, was etwa Sprecher der SPD-Fraktion von diesem Platz aus als Möglichkeit angekündigt haben. ({6}) Das Agrarkreditprogramm muß, wie ich meine, auch auf dem Hintergrund der innerlandwirtschaftlichen Disparität gesehen werden. Es war gerade die SPD, die in früheren Jahren sehr häufig über die innere Disparität gesprochen hat und meinte, diese sei im Grunde ernster zu nehmen als die globale Disparität zwischen Industrie und Landwirtschaft. Nun, die einzelbetriebliche Förderung hat in den letzten Jahren nach unserer Meinung viel dazu beigetragen, die innerlandwirtschaftliche Disparität zu vertiefen. ({7}) In dieser Beziehung ist das Studium der Vergleichsrechnung im Agrarbericht von großem Interesse. Die Vergleichsrechnung gibt Auskunft darüber, wie sich die landwirtschaftliçhen Einkommen im Vergleich zu den übrigen Einkommen entwickelt haben. Sie besagt deutlich, daß Betriebe bis 20 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche eine Disparität von 56 % haben, daß Betriebe von 20 bis 50 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche eine Disparität von minus 31 % aufweisen und lediglich Betriebe über 50 ha um 9 % über der Vergleichsrechnung liegen. Um die Bedeutung dieser Zahlen zu ermessen, ist es gut, sich an Hand des Agrarberichts die Agrarstruktur der Landwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland in diesem Jahr zu vergegenwärtigen. Von den fast 900 000 Betrieben haben über 70 % bis zu 20 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche. Weit über 20 % liegen zwischen 20 und 50 ha, und nur ein kleiner Rest von 3,5 % aller Betriebe hat mehr als 50 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche. ({8}) Meine Damen und Herren, ein gestrenger Agrarökonom könnte eine solche Agrarstruktur vielleicht für einen Anachronismus halten. Nur, dies ist die Wirklichkeit der Landwirtschaft unseres Landes in diesem Jahr, und sie wird es mit Sicherheit auch lange bleiben. Natürlich ist nicht zu übersehen, daß unter diesem großen Block von Kleinstbetrieben eine große Zahl von Neben- und Zuerwerbsbetrieben sind, die wir übrigens im Hinblick auf die Lebensfähigkeit der ländlichen Räume für dringend notwendig halten. ({9}) Aber auch unter den mehr als 400 000 -Vollerwerbsbetrieben gibt es sicher viele, die der Betriebswirt als Grenzertragsbetriebe einstufen würde. Dies ist betriebswirtschaftlich sicher ein korrekter Begriff. Nur über die Lebenslage der Familie in diesem Betrieb sagt dieser Begriff überhaupt nichts aus. Er sagt z. B. nichts darüber aus, ob die Familie, die auf einem solchen Grenzertragsbetrieb arbeitet und lebt, diese Situation bejaht und annimmt oder aber ob diese Familie die Situation verändern will, aber gar nicht verändern kann, weil eben die beruflichen Alternativen fehlen. ({10}) Darum haben wir uns mit der Situation auseinanderzusetzen, wie sie ist, und nicht mit einer Situation, die wir uns vielleicht in irgendwelchen wissenschaftlichen Perspektiven für das Jahr 2000 wünschen; wir müssen von der Wirklichkeit heute ausgehen. Diese Wirklichkeit auf unseren Höfen draußen macht eben nach unserer Überzeugung eine höhere Flexibilität sowohl der einzelbetrieblichen Förderung als auch der regionalen Strukturpolitik dringend notwendig. Lassen Sie mich auf diesem Hintergrund auch ein Wort zur Steuerpolitik sagen. Ihre Aussagen, Herr Minister, bestehend aus zwei wohlformulierten Sätzen, waren ausgewogen, zurückhaltend und vorsichtig zugleich. Insoweit haben wir ihnen eigentlich nichts hinzuzufügen, außer daß nach unserer Überzeugung auch in Zukunft die Steuerpolitik ein Instrument der Agrarpolitik bleiben muß, ({11}) um die Ziele des Landwirtschaftsgesetzes zu erreichen. Auch die mittelfristigen Perspektiven der Landwirtschaft werden nicht günstiger, wenn wir die europäischen Aspekte mit einbeziehen. Da ist zunächst die Agrarpreisrunde 1978/79. Die Vorschläge, die die Kommission zur Anhebung der Agrarpreise vorgelegt hat, laufen unter Berücksichtigung des geplanten Abbaus des Grenzausgleichs auf eine Anhebung für die deutsche Landwirtschaft von 0,8 % bis 0,9 °/o hinaus. Dies ist indiskutabel. Wenn ich richtig zugehört habe und zwischen den Zeilen lesen kann, dann sind auch Sie, Herr Bundesminister, der Meinung, daß diese Vorschläge unzulänglich sind. Die EG-Kommission hat bisher immer gesagt, sie orientiert sich bei den Preisvorschlägen an der Lage rentabel wirtschaftender Betriebe. Davon können wir in diesen Vorschlägen nichts wiedererkennen. So wird denn auch argumentiert, daß man mit Rücksicht auf das Marktgleichgewicht so vorsichtig mit den Preisvorschlägen umgehen müsse. Das wäre natürlich in einem gewissen Maß verständlich. Nur, wie man dann die Preise für Roggen in dem Vorschlag absenkt, das zu erklären, bleibt der Weisheit der Kommission vorbehalten. Ich kann es jedenfalls nicht erklären. ({12}) Dabei wissen wir - das sagen wir auch als Opposition -, daß der Weg zu einem befriedigenden Preiskompromiß für die deutsche Landwirtschaft schwer ist und mühsam sein wird. Wir müssen doch in der Geschichte der geradezu zum Ritual entwikkelten jährlichen Preisverhandlungsrunde aus deutscher Sicht drei Phasen nachzeichnen. Von 1964 bis 1970 war es für die damaligen Landwirtschaftsminister, vor allem also für den Kollegen Höcherl, sehr schwer, bescheidene Preiserhöhungen - allerdings bei hoher Geldwertstabilität - durchzusetzen. Es war deshalb so schwer, weil Frankreich in diesen Jahren noch von der Getreidepreisangleichung zehrte. Dann kam die Phase von 1970 bis 1975. In dieser Zeit, Herr Minister Ertl, waren Sie der Begünstigte des Drucks der Franzosen, ({13}) - ja, im Ergebnis war er der Begünstigte, vorher war er manchmal auch der Bremser -, die jeweils höhere Preise durchsetzten, als sie die Kommission vorgeschlagen hatte. Ab 1976 erkennen wir die Entwicklung einer dritten Phase, nämlich die Phase, in der durch die Abwertung der grünen Währungen die Position für die deutsche Landwirtschaft immer schwieriger wird. Bezeichnend ist, daß sich jetzt vor Abschluß der Preisrunde immerhin drei Länder durch Zustimmung zur Abwertung ihrer grünen Währungen beachtliche . Preiserhöhungen bereits vorweg haben zugestehen lassen: Großbritannien durch die Abwertung des Grünen Pfundes von 7,5 °/o, Italien von 6 % und Frankreich von 2,5 %. Meine Damen und Herren, ich will jetzt nicht über dieses Verfahren rechten. Nur, Herr Minister, Sie sollten auch darauf hinarbeiten, daß solche Abwertungsbeschlüsse nicht vor der Preisverhandlungsrunde fallen und damit den Spielraum immer mehr einengen, sondern daß sie, wenn überhaupt, dann im Laufe des Jahres fallen. Natürlich ist jetzt Ihre Position im Rat der Neun der EG geradezu hoffnungslos geworden. Wir erwarten dennoch, daß es Ihnen gelingt, ein Ergebnis zu erzielen, das wenigstens sicherstellt, daß die deutsche Landwirtschaft nicht mit realen Einkommensrückschlägen rechnen muß. Dies scheint uns allerdings das Minimum zu sein. ({14}) - Herr Kollege Wehner, wir haben uns mit der Politik dieses Ministers und dieser Regierung auseinanderzusetzen. ({15}) Da haben wir, wie in der Vergangenheit auch, ebenfalls kritisch unseren Beitrag zu leisten, wenn es darum geht, für die Interessenlage der Landwirtschaft das Richtige zu tun. ({16}) - Aber Herr Wehner, das ist doch ein bißchen zu einfach, wie Sie es jetzt hier machen. ({17}) Ich habe den Eindruck, wenn Sie die Rede von Herrn Ertl richtig gelesen hätten ({18}) - oder gehört, verzeihen Sie -, dann wären Sie wahrscheinlich auch zu dem Ergebnis gekommen, daß er tendenziell sogar weitgehend unsere Meinung teilt. ({19}) Meine Damen und Herren, lassen Sie mich -ausdrücklich Ihnen, Herr Minister Ertl, ein Wort des Dankes sagen. ({20}) Sie haben in Ihrer Einbringungsrede, wie ich meine, eine wichtige Klarstellung in bezug auf die agrarische Überproduktion vorgenommen. Wir können nur dem Herrn Bundeskanzler und anderen Kabinettsmitgliedern diese Passage zur Lektüre wärmstens empfehlen. In der Tat haben Sie hier das sehr deutlich gemacht, was wir bereits im vorigen Jahr zum Ausdruck gebracht haben, daß nämlich ein Teil der Ursachen für die Ungleichgewichte am Markt damit zusammenhängt, daß manche Länder in der Gemeinschaft wegen ihrer spezifischen Außenhandels- und Devisenbilanz die Agrarproduktion ausweiten und damit natürlich insgesamt die Agrarmarktordnungen sehr stark belasten. Diese ihre Aussagen teilen wir voll. Ich füge heute allerdings hinzu, Herr Minister Ertl, dieser Zustand läßt sich nur ändern, wenn man entweder - ich weiß, was ich jetzt sage - den Grundsatz der finanziellen Solidarität aufheben würde - was ich für völlig ausgeschlossen halte und persönlich auch nicht wünsche und, ich bin sicher, Sie auch nicht - oder aber wenn wir Fortschritte im Bereich der Währungs- und Wirtschaftsunion erzielen. An dieser Nahtstelle wird doch sichtbar, daß es nicht Probleme der Marktordnungen sind, sondern Probleme der Währungs-, der Wirtschaftspolitik, die zu großem Teil diese Produktionsüberhänge verursachen. Ich bin Ihnen dankbar, daß Sie dies hier so klar gesagt haben. Meine Damen und Herren, wir müssen dann eben auch deutlich machen, daß wir bis zu Fortschritten im Bereich der Währungs- und Wirtschaftsunion auch mit Problemen werden leben müssen, die uns belasten, die aber interessanterweise in anderen Ländern der Gemeinschaft in der Diskussion kaum eine Rolle spielen. Auch das muß man einmal sehen. Wir sind alle miteinander erstaunt, daß etwa in den Niederlanden oder in Frankreich und auch in Großbritannien zu diesem Problem überhaupt keine Resonanz zu finden ist. Man sagt dort: „Was heißt hier Überschüsse? Das sind die gemeinsamen Marktordnungen. Wir müssen unsere Devisenpolster verbessern. Wir müssen unsere Außenhandelsbilanz verbessern." Hier liegen die eigentlichen Probleme. Im Jahr des Beginns der Verhandlungen über den Beitritt Griechenlands, Portugals und Spaniens sind die Konturen der Europäischen Gemeinschaft, wie wir meinen, verschwommener denn je. Dahin ist der Geist von Den Haag im Jahre 1969, der TindemansBericht als eine realistische Grundlage bescheidener Fortschritte auf dem Weg zur Europäischen Union verstaubt in den Schubladen der Regierungschefs. Ein Lichtblick bietet lediglich die Aussicht auf die ersten Direktwahlen zum Europäischen Parlament. Herr Minister Ertl, wir teilen Ihre Einschätzung, daß der Beitritt dieser Länder finanzielle Opfer erfordern wird. Es ist gut, wenn wir vorher darüber reden und uns nicht nachher darüber ärgern. Wir teilen auch Ihre Einschätzung, daß es wichtig ist, daß man, wenn diese finanziellen Opfer auf der Kontoseite Agrarpolitik abgebucht werden, sie der Landwirtschaft dann nicht ankreiden darf, sondern daß hier politische Leistungen zu erbringen sind. ({21}) Wir brauchen Klarheit in den Zielen der europäischen Politik. Natürlich, die harte Arbeit in den Details, das harte Ringen um Einzelentscheidungen, die Flickschusterei, die wir oft betreiben müssen, werden auch in Zukunft unseren Weg in Europa begleiten. Nur, wir werden den Menschen in Europa ohne klare Ziele die Flickschusterei nicht länger erklären können. Deshalb brauchen wir auf diesem Gesamtfeld der europäischen Politik Fortschritte. ({22}) Kurz- und mittelfristig sind die Aussichten der deutschen Landwirtschaft sicher nicht gut. Ehrlichkeit und Redlichkeit gegenüber einem Berufsstand, der auch in der Vergangenheit oft schwere Anpassungsprozesse vollzogen hat, gebieten es, das zu sagen. Es ist ein Berufsstand, der durch Fleiß - sehr oft gepaart mit Konsumverzicht - seine Probleme gemeistert hat. Die Bauern in unserem Land mit ihren rund 900 000 selbständigen Betrieben leisten unverzichtbare Beiträge nicht nur zur Nahrungsmittelsicherung, sondern auch zur Lebensfähigkeit ländlicher Räume und zur Erhaltung einer erholungswerten Landschaft. ({23}) Diese Bäuerinnen und Bauern anerkennen Sachzwänge. Sie erwarten aber zu Recht, daß wir die Spielräume nationaler und europäischer Agrarpolitik voll nutzen. Sie erwarten zu Recht, daß die Politik sie in ihrem oft schweren Existenzkampf und in ihrem Behauptungswillen unterstützt und nicht einengt; einengt etwa durch überzogene rechtliche Bestimmungen und gesetzliche Auflagen. Ich rege erneut an, daß wir im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten einmal beschlossene Gesetze auf ihre konkrete Auswirkung vor Ort überprüfen und auch bezüglich ihrer Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der EG. Dazu gehört etwa - ich will nur ein Beispiel herausgreifen - das Futtermittelrecht, von dem es im Agrarbericht heißt, es habe sich bewährt, und von dem wir meinen, daß das Gegenteil der Fall ist. ({24}) Das ist, wie ich meine, eine wichtige Aufgabe, die dieses Parlament hat, weil gerade durch Verordnungen, durch gesetzliche Auflagen der Entfaltungsspielraum der Betriebe nur allzu leicht und allzu stark eingeengt werden kann. Die Aufgaben und die Probleme, vor denen die Landwirtschaft und die Agrarpolitik stehen, wiegen schwer. Sie werden auch nicht nur mit agrarpolitischen Instrumenten allein zu lösen sein. Dort aber, wo Sie, Herr Minister, im Rahmen Ihrer Verantwortung richtig handeln, werden wir Sie wie in der Vergangenheit unterstützen. Dort, wo wir es für notwendig halten, werden wir, ebenfalls wie in der Vergangenheit, Alternativen im Interesse der Landwirtschaft vorlegen, die mit zum Gemeinwohl unseres Landes beiträgt. ({25})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Abgeordnete Müller ({0}).

Rudolf Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001565, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Ritz, Sie haben den Strukturwandel angesprochen, das einzelbetriebliche Förderungsprogramm, die innerlandwirtschaftliche Disparität, die selektive Förderung, den 20-ha-Betrieb, die Betriebe, die darüber oder darunter liegen. Über eins habe ich mich eigentlich gewundert: daß Sie die Förderschwelle nicht angesprochen haben. Sonst mußten wir immer hören, sie müsse weg, teile die Landwirtschaft in zwei Klassen, sei unsozial; es müsse dem Landwirt selbst überlassen bleiben, wofür er sich entscheide usw. ({0}) Das war doch bisher Ihre Politik, um den. Wählern zu suggerieren, Sie, die CDU/CSU, würden sich um die kleinen Betriebe kümmern, würden sie fördern, würden dafür etwas tun, ({1}) wogegen die „böse" SPD nichts täte. ({2}) In den Versammlungen bekamen Sie dafür sehr viel Beifall. ({3}) Ich hoffe nur, meine Damen und Herren von der Opposition, Sie werden mir, wenn ich am Schluß dieser Ausführungen zur Strukturpolitik komme, auch Beifall geben. Ich hoffe es. ({4}) Sie vergessen draußen natürlich auch, darauf hinzuweisen, daß es die Aufstiegshilfe gibt, die Regionalisierung der Förderschwelle, die Überbrükkungshilfe, das Nebenerwerbsprogramm usw. Das wird großzügig übergangen. Fest steht aber, daß das von der Opposition so heftig kritisierte einzelbetriebliche Förderungsprogramm doch Erfolg gehabt hat. Es wird von der Landwirtschaft nicht nur anerkannt, sondern es wird angenommen. Der Antragsüberhang beweist dies ganz eindeutig. ({5}) - Sie wissen, Herr Kollege Kunz, daß wir die Mittel erhöht haben. Ersparen Sie mir diese Einzelheiten. ({6}) Das heißt nicht, daß Verbesserungen nicht nötig wären. Wir sind weiter der Meinung, daß dieses Programm dauernd verändert und überprüft werden muß je nach der Situation und daß dann danach gehandelt werden muß. Für 1978 ist das übrigens geschehen; es wäre schön gewesen, Herr Kollege Dr. Ritz, wenn Sie auch darauf hingewiesen hätten. Sie beklagen auch, daß der Einkommensabstand zur gewerblichen Wirtschaft sich nicht verringert, sondern daß er eher größer wird. Übrigens hat darauf Ihr Kollege Bauknecht schon in den 60er Jahren hingewiesen. Vielleicht erinnern Sie sich Müller ({7}) auch daran. Damals stellten Sie die Bundesregierung und auch den Bundeslandwirtschaftsminister. ({8}) Sie beklagen darüber hinaus die innerlandwirtschaftliche Disparität, und hier hat nach Ihrer Meinung natürlich auch wieder die SPD versagt, und wieder gibt es den obligatorischen Beifall. ({9}) Ich kann schon verstehen, daß Sie draußen und auch hier z. B. nicht gern auf das Gefälle bei den Betriebsgrößen zwischen Nord und Süd hinweisen und dementsprechend auch auf das Einkommensgefälle zwischen Nord und Süd. Sie wissen doch natürlich genausogut wie ich, daß ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Betriebsgröße und Einkommen besteht. Das können Sie in jedem Agrarbericht nachlesen. ({10}) Der hohe Anteil kleiner Betriebe mit hohem Arbeitskräftebesatz drückt das Ergebnis in Süddeutschland nach unten. Während in Schleswig-Holstein ein Reineinkommen von 28 000 DM erzielt wird, ist es bei uns in Bayern 10 000 DM niedriger; es bleibt also zurück. Deshalb ist die Mittelverschiebung von Nord nach Süd von der Strukturpolitk her nur zu begrüßen. Ich habe hier einen Pressebericht vom Bayerischen Bauernverband vom 22. Dezember 1977. Ich erlaube mir, daraus zu zitieren: Das deutliche Nord-Süd-Gefälle, das im landwirtschaftlichen Einkommen seit Jahren regelmäßig festgestellt werde, dürfe nicht als unabwendbar hingenommen werden. Aus dieser Entwicklung müßten vielmehr agrarpolitische und wirtschaftspolitische Konsequenzen gezogen werden. So der Präsident, Herr Sühler. Es heißt weiter: Dabei sei man sich sowohl in Bayern als auch in Württemberg-Baden dessen bewußt, daß der erste Adressat für derartige Forderung die zuständige Landesregierung und die Landespolitik sein müsse. ({11}) Herr Kollege Ritz, sagen Sie das einmal in Niedersachsen; Herr Kiechle, sagen Sie das einmal in Bayern! ({12}) Es muß natürlich hinzugefügt werden, daß bei kleinen und mittleren Betrieben der Einkommensabstand zur gewerblichen Wirtschaft eher größer als kleiner wird. Wir müssen also hinzufügen: Wenn wir die sogenannten nicht entwicklungsfähigen Betriebe erhalten und fördern wollen, dann müssen wir den Mut haben, darauf hinzuweisen, daß auch die inner- und außerlandwirtschaftliche Disparität nicht zu vermeiden ist, daß sie auch bestehen bleibt. Erklären müssen wir dann auch, daß eine zusätzliche Förderung kleiner Betriebe den Strukturwandel eher erschwert, daß sie auch Auswirkungen auf Kauf- und Pachtpreise hat. Ich meine, die Landwirte haben einen Anspruch darauf, auch das zu hören. Herr Kollege Ritz, weil Sie so von den kleinen Betrieben gesprochen haben und ihnen helfen wollen, weil Sie vorhin auch das Agrarkreditprogramm angesprochen haben, ist es ganz interessant, einmal ein bißchen auf die Länder auszuweichen. Hochgelobt von der CDU und auch von Ihnen wird der sogenannte „bayerische Weg". ({13}) - Ist ja in Ordnung, hoffentlich sind Sie nachher auch noch der Meinung, Herr Kollege Glos. Dieser „bayerische Weg" will ein Nebeneinander von Voll-, Zu- und Nebenerwerbsbetrieben ermöglichen. Partnerschaft ist das große Schlagwort, zum Beispiel bei den Maschinenringen. ({14}) - Hoffentlich sind Sie nachher auch noch der Meinung, Herr Kollege Kiechle. Hoffentlich ist es auch noch die Meinung der bayerischen Regierung. Gefördert werden die kleinen Betriebe, um Fehlinvestitionen zu vermeiden, um sie vor zusätzlicher Verschuldung zu bewahren und unwirtschaftliche Maschineninvestitionen unnötig zu machen. Man will das Einkommen der Bauern indirekt dadurch erhöhen, daß die Ausgaben für Maschinen vermindert werden. Der Weg soll also zur Gemeinschaftsmaschine im Maschinenring gehen. ({15}) Das ist sehr vernünftig, dagegen wäre auch nichts einzuwenden; Herr Kollege Martin Schmidt ({16}) hat das übrigens schon in den 60er Jahren gefordert. Jetzt kommt aber der nächste Punkt, das berühmte bayerische Agrarkreditprogramm. Es wird als große Leistung hingestellt, die Vorbild für andere Länder sein soll. Aber was ist dieses Agrarkreditprogramm in Wirklichkeit? In Wirklichkeit ist es eine Drehung der bayerischen Agrarpolitik um 180 Grad, eine Kehrtwendung der bayerischen Regierung und des bayerischen Landwirtschaftsministers. ({17}) Jetzt werden Maschineninvestitionen aller Betriebe gefördert, auch der kleinen und kleinsten; was vorher der Kostensenkung dienen sollte, ergibt nun natürlich eine Kostenbelastung. Plötzlich spielen zusätzliche Verschuldung, zusätzliche Fehlinvestitionen keine Rolle mehr. ({18}) Das ist nichts anderes als eine stillschweigende Abkehr von bisherigen Grundsätzen, die Abkehr von Müller ({19}) der bayerischen Konzeption, und was bisher das Ei des Kolumbus war, wird jetzt zum Windei. ({20}) Ich frage mich, wann die nächste Kehrtwendung kommt. Bleibt das bayerische Programm bestehen? Man ging ja damals davon aus, daß es der Bund mit 60 % in der Gemeinschaftsaufgabe bezuschußt. Es ergeben sich weitere Fragen. Will die CSU und natürlich auch die CDU die kleinen Betriebe wirklich erhalten, will sie sie fördern, gilt noch das Goppel-Wort von 1962 „Wer Bauer bleiben will, kann Bauer bleiben" ? Ich sage das ohne Polemik, ohne Schadenfreude, aber ich habe meine Zweifel. ({21}) Ich habe Zweifel auch nicht nur bezüglich der CSU, sondern auch bezüglich der CDU. Ich brauche nur das bayerische Landesentwicklungsprogramm anzuschauen, in dem steht, daß bis 1990 Zigtausende aus der Landwirtschaft ausscheiden müssen. ({22})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Niegel?

Rudolf Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001565, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wird das auf die Zeit angerechnet, Herr Präsident?

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Wenn Zeitabsprachen getroffen worden sind wie heute, wird es angerechnet.

Rudolf Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001565, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Dann tut es mir leid. Wenn es angerechnet wird, kann ich keine Zwischenfrage zulassen. Es tut mir leid. ({0}) Sicher werden diese Landwirte nicht alle freiwillig ausscheiden; sicher sind viele Landwirte dabei, die Landwirt bleiben möchten. Ich frage mich nur, was passiert wäre, wenn die SPD das gesagt hätte. Uns hätte man gesteinigt, die SPD wäre wieder die „böse" SPD gewesen. Aber weil es von der CSU kommt weil es im Programm drinsteht, schweigen sogar die Standesvertreter, und deswegen kommen meine Fragen. ({1}) - Manche haben es sogar mit beschlossen, Herr Kollege Niegel. ({2}) Herr Kollege Ritz, Sie haben vorhin die allge meine Förderung betont; ich hoffe, daß Sie glauben, was Sie sagen. Ich habe nämlich hier einen Brief Ihres Landwirtschaftsministers aus Niedersachsen, von Herrn Glup, aus ,dem ich einige Worte zitieren darf. Da heißt es: Die gewonnenen Ergebnisse haben zur Entwicklung des allseits anerkannten niedersächsischen Weges - noch ein Weg bei der Vergabe einzelbetrieblicher Investitionshilfen geführt. Seine besonderen Kennzeichen bestehen heute in einer betont gezielten Förderung - Herr Ritz: gezielten Förderung! von langfristig existenzfähigen Betrieben, die mit Hilfe von Buchführung ihren Leistungsstand und ihre Entwicklungschancen zum Zeitpunkt der Antragstellung zu erkennen geben. Hier gibt es also auch zwei Klassen, den Betriebsentwicklungsplan und all das andere, was Sie kritisieren. Ich erwähne hier noch einen Satz, der vielleicht auch interessant ist. Da heißt es weiter: Die Probleme einer breitgestreuten Investitionsförderung in der Landwirtschaft sind anläßlich der öffentlichen Anhörung zur Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur von dem Ernährungsausschuß des Deutschen Bundestages eingehend dargestellt worden. Sie bestärken uns, den begonnenen Weg im Rahmen der einzelbetrieblichen Förderung fortzuentwickeln. ({3}) Herr Kollege Ritz, deswegen meine Frage: Was ist nun Ihre Meinung? Gilt sie, oder gilt sie nicht? Gilt Ihre Meinung in der Fraktion? Was gilt in der CDU/CSU, das, was Sie sagen, oder das, was z. B. Herr Kollege Dr. Strauß sagt? Strauß ist ja nicht irgendwer; er ist immerhin Vorsitzender der CSU. ({4}) Ich möchte zitieren, was er hier gesagt hat. ({5}) Er sagte am 24. Januar 1978 in der Haushaltsdebatte - ich darf zitieren, Herr Präsident - -({6})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter, man muß nur die Anführungs- und Schlußstriche erkennen können. Dann ist alles in Ordnung. ({0})

Rudolf Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001565, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich zitiere also aus der Haushaltsdebatte vom 24. Januar 1978. Vor vier Wochen sagte Herr Kollege Strauß hier von diesem Pult: Natürlich gab es die großen Strukturprobleme: Landwirtschaft, Handel, Handwerk. Die Müller ({0}) Zwerghöfe, der Tante-Emma-Laden, der Einmannbetrieb eines Schusters; das sind keine erhaltungsfähigen und erhaltungswürdigen Strukturen. ({1}) Das sagte Strauß hier von diesem Pult. „Zwerghöfe", damit sind doch nicht die sogenannten entwicklungsfähigen Betriebe gemeint. Das sind doch sicher diejenigen, die, was die Entwicklungsfähigkeit angeht, darunter liegen, also die kleineren Betriebe. ({2}) Sie sollen also. weder erhaltungsfähig noch erhaltungswürdig sein. ({3}) - Der Begriff „Hof" beinhaltet in Süddeutschland doch etwas ganz anderes. Das wissen Sie doch, Herr Kollege Dr. Kunz. Keiner von Ihnen hat dazu etwas gesagt. Keiner hat dies erklärt. Keiner hat sich davon distanziert. Deswegen heißt wiederum meine Frage: Was gilt nun in der CDU/CSU, (Zuruf von der CDU/CSU: Das sind doch Krücken, auf denen Sie sich bewegen! das, was Herr Strauß sagt, oder das, was Herr Ritz sagt? Ich habe erwähnt: Keiner hat wiedersprochen. ({4}) - Ich weiß, es ist Ihnen unangenehm, es ist Ihnen peinlich, wenn ich das sage. ({5}) Es ist nicht gut, wenn die Landwirte das hören. Ich habe Verständnis dafür. Das tut ein bißchen weh. Aber sehen Sie: Hier liegen Ihre Probleme, hier liegt Ihr Problem überhaupt. ({6}) Sie reden von „Erhalten" und „Fördern". Ihr großer Finanzsprecher, der, sollte die CDU/CSU irgendwann einmal die Regierung stellen, eventuell Finanzminister wird, hält diese Betriebe aber weder für erhaltungswürdig noch für erhaltungsfähig. ({7}) - Diese Zwerghöfe, Herr Kollege Dr. Kunz. Haben Sie nicht zugehört? ({8}) Was heißt denn „nicht erhaltungswürdig"? Das heißt doch: Es hat keinen Sinn, sie zu fördern. ({9}) Es hat keinen Sinn, Geld hineinzustecken. Was heißt „nicht erhaltungsfähig" ? Das heißt doch: Selbst wenn man förderte, selbst wenn man Geld hineinsteckte, wären die Betriebe nicht zu halten. So, wie das hier ausgedrückt wurde, meine Damen und Herren, ist das ein Todesurteil für viele kleine Betriebe. Keiner von Ihnen hat dem widersprochen. ({10}) Deswegen müssen wir fragen: Was gilt in der CDU/ CSU, das, was Herr Strauß sagt, das, was Herr Kiechle oder Herr Ritz sagen, oder das, was Herr Glup sagt? Da ist doch keine Einheitlichkeit in Ihren Aussagen. Das ist doch keine einheitliche Linie, von der wir ausgehen könnten. Das ist auch keine einheitliche Linie, von der die Landwirte ausgehen könnten. ({11}) Das ist doch keine Agrarpolitik, meine Damen und Herren. Das ist doch überhaupt keine Politik. Das ist ein Selbstbedienungsladen nach dem Motto „Für jeden etwas". Jeder kann sich da heraussuchen, was ihm gerade in den Kram paßt. ({12}) Das ist Bauernfängerei angesichts der Landtagswahlen, meine Damen und Herren. ({13}) Als nächstes haben Sie den Agrarkredit des Bundes angesprochen, Herr Dr. Ritz. Sie haben die 6 % erwähnt. Darüber kann man durchaus reden, aber Sie sollten hinzufügen, daß diese 6 % für zehn Jahre festgeschrieben sind. Ich will dazu nur ein paar Sätze sagen. Es ist wohl davon auszugehen, daß der allgemeine Zinssatz nicht immer so bleiben wird wie jetzt. ({14}) Aus diesem Grunde ist, sollte der allgemeine Zins steigen, die Festschreibung von 6 °/o sicherlich günstiger als eine Zinsverbilligung. ({15}) Sie haben auch die jungen Witwen erwähnt, Herr Kollege Ritz. Sie haben von Ihrem Gesetzentwurf gesprochen. Sie haben dann weiterhin von der gescheiterten Wirtschaftspolitik gesprochen. Herr Kollege Ritz, ich kann nicht viel zur Wirtschaftspolitik sagen - so viel Zeit habe ich nicht -, aber einen Punkt möchte ich anführen. ({16}) Wenn Sie diese Wirtschaftspolitik so kritisieren: In welchem Land möchten Sie denn leben? - Sagen Sie das doch einmal ganz deutlich! ({17}) Schauen Sie sich doch einmal die anderen Länder an! Schauen Sie sich doch dort einmal die Inflationsraten oder die Handelsbilanz, die Zahlungsbilanz, das Realeinkommen oder die Sparrate an. Schauen Müller ({18}) Sie sich einmal an was unsere Urlauber im Ausland ausgeben können. Im letzten Jahr waren es 25 Milliarden DM. Welches Land kann sich das leisten, Herr Kollege Ritz? ({19}) Nun komme ich auf die Witwenrente zu sprechen. Sie haben hier ja einige Punkte angeführt. Der Dekkungsvorschlag bezog sich aber nur auf das Jahr 1978. Das ist nicht gerade ein solider Finanzierungsvorschlag. Darin werden Sie mir doch wohl zustimmen. ({20}) Herr Kollege Ritz, ich möchte es nicht überbewerten - denn dies gehört ja zu Ihrer Taktik, zur Taktik der Opposition; wir haben das erst gestern in der Debatte wieder erlebt -, daß Sie mehr Geld für Gemeinden, für die Rüstung, für die Zonenrandförderung fordern. Sie fordern Steuererleichterung für das Zonenrandgebiet, Erleichterungen bei der Gewerbekapitalsteuer, bei der Lohnsummensteuer usw. Ich möchte hinzufügen: Man kann unter Umständen über die einzelnen Punkte reden; der eine oder andere Vorschlag kann sogar durchaus berechtigt sein. Aber zu welchem Ergebnis führt das alles? - Es führt auf der Einnahmenseite zu Verringungen und auf der Ausgabenseite zu Steigerungen. Der Saldo wird dadurch höher. Das ist doch ganz selbstverständlich. Dieser Saldo muß ausgeglichen werden; er muß durch Kredite, also durch zusätzliche Verschuldung, ausgeglichen werden. ({21}) Je mehr Ihrer Forderungen verwirklicht werden, desto höher wird natürlich die Verschuldung. Aber zusätzliche Verschuldung wollen Sie doch nicht, meine Damen und Herren. Nach Ihrer Meinung ist das doch Teufelswerk. ({22}) Sie werfen uns in dieser Frage ja sogar Verfassungsbruch vor. Sie fordern also höhere Ausgaben, Sie fordern Einnahmeverringerungen, verweigern aber die dazu notwendigen Kredite. Diese Ihre Logik mag verstehen, wer will. Mir ist es nur unverständlich, daß Sie dem Bürger zumuten - ja, von ihm erwarten -, daß er Ihr trübes Spiel nicht durchschaut. ({23}) Soviel zur Strukturpolitik, Herr Kollege Dr. Ritz. Nun noch einige Sätze zum Agrarbericht. Wir alle sind der Meinung, daß das Wirtschaftsjahr 1976/77 nicht so verlaufen ist, wie wir es uns alle gewünscht haben. Es besteht aber kein Zweifel daran, daß dieses schlechte Wirtschaftsergebnis auf die Abhängigkeit der Landwirtschaft vom Wetter zurückzuführen ist. Die Verluste durch Trockenheit des Sommers 1976 führen ja nicht nur zu direkten Einbußen bei den betroffenen Landwirten - etwa durch Ernteausfälle -, sondern verursachen natürlich - z. B. durch Futterzukauf - auch zusätzliche Kosten.. Solche Schwankungen im Reineinkommen werden immer wieder vorkommen. Sie werden von der Landwirtschaft auch verkraftet werden müssen, solange wir die Landwirte und solange sich die Landwirte selbst als freie Unternehmer und nicht als Versorgungsempfänger des Staates begreifen. ({24}) -Freies Unternehmertum heißt auch, daß man das Risiko des Marktes mit tragen muß. Der Staat hat lediglich die Aufgabe, in außergewöhnlichen Krisenfällen helfend und schützend einzugreifen. Dies hat die Bundesregierung dort, wo sich klimatische Ausnahmesituationen ergaben, dort, wo die Existenz gefährdet war, auch wirkungsvoll getan. Durch diese Hilfsmaßnahmen konnten die wirtschaftlichen Auswirkungen vermindert werden. Im kritischen Wirtschaftsjahr 1976/77 hat die deutsche Landwirtschaft aber nicht nur eine Krise mit Bravour gemeistert, sondern sie hat auch einen eindrucksvollen Beweis ihrer Leistungsfähigkeit erbracht. Trotz ungünstiger äußerer Bedingungen war die Versorgung der Bevölkerung mit einem vielfältigen Angebot gesundheitlich unbedenklicher, qualitativ hochwertiger Nahrungsmittel jederzeit sichergestellt. ({25}) Darüber hinaus hat die Landwirtschaft trotz schwierigster Verhältnisse ihren Beitrag zur Stabilität geleistet. ({26}) Der Preisindex für Nahrungsmittel beweist dies eindeutig. Er ist mit 3,8 % weniger gestiegen als der Index für die Lebenshaltungskosten. Allen dort Tätigen, den Landwirten, vor allem aber auch den Frauen, die eine Hauptlast zu tragen haben, gilt deswegen unser ganz besonderer Dank. ({27}) Durch eine Vielzahl von gesetzlichen Bestimmungen, aber auch durch das Verantwortungsbewußtsein aller Beteiligten ist die gesundheitliche Unbedenklichkeit deutscher Nahrungsmittel jederzeit gewährleistet. Die Landwirtschaft braucht daher den aufgeklärten Verbraucher nicht zu fürchten. Im Gegenteil, die verbesserte Verbraucheraufklärung und Verbraucherinformation dient sowohl den Erzeugern als auch den Verbrauchern. Die Zu- und Nebenerwerbsbetriebe hatten natürlich ebenso wie die Vollerwerbsbetriebe unter den Folgen der Dürre zu leiden. Daß sich bei den Nebenerwerbsbetrieben der Rückgang des Reineinkommens nicht so stark auswirkte und beim Gesamteinkommen sogar noch ein Plus von ungefähr 5 % erreicht werden konnte, liegt am Anstieg des außerbetrieblichen Erwerbseinkommens, aber auch an dem enormen Arbeitseinsatz, besonders der Landfrauen, der gerade in diesen Betrieben erbracht Müller ({28}) worden ist. Die mehrfache Belastung durch Haushaltsführung, Kindererziehung und Landwirtschaft führt, wie durch neuere Untersuchungen nachgewiesen worden ist, zu Streßsituationen, die häufig in Krankheit enden. Dieser Zustand - darin sind wir uns wohl alle einig - ist auf Dauer nicht tragbar. Auch aus eigener Initiative könnte die Lage verbessert werden, nämlich dann, wenn nicht nur 16 % der Landwirte einen Teil der Arbeiten durch Lohnunternehmer ausführen ließen, nicht nur 11% von der Nachbarschaftshilfe Gebrauch machten und nicht nur 4 °/o Maschinenringen angeschlossen wären. Aber auch der Bund leistet seinen Beitrag, um die Betriebe von Nebenerwerbslandwirten zu fördern, die oft vom Standort ihres Betriebes oder von ihrer Ausbildung her keine Möglichkeit haben, ihr außerlandwirtschaftliches Einkommen erheblich zu verbessern; denn die Wirtschaftlichkeit eines Betriebes - ob Voll- oder Nebenerwerbsbetrieb, spielt hier keine Rolle - hängt maßgeblich von der Qualifikation des Betriebsleiters ab. Dies wird bei der komplizierter werdenden Materie der modernen Landwirtschaft auch in Zukunft so bleiben. Deshalb gewinnt eine umfassende Ausbildung und Weiterbildung zunehmend an Bedeutung. Es ist zu wünschen, daß die Möglichkeiten, die hier angeboten werden, von den Landwirten verstärkt angenommen werden. Eigeninitiative reicht jedoch nicht aus, um die Landwirtschaft an die veränderten technischen, ökonomischen und sozialen Bedingungen anzupassen. Dies ist nur mit staatlicher Hilfe zu erreichen. Hier wird auch weiterhin der Schwerpunkt der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" liegen. Deswegen muß ich hier wiederum die CDU/CSU fragen: Will die CDU/CSU die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe erhöhen, oder will sie die Gemeinschaftsaufgabe überhaupt abschaffen? Das steht in Ihrer Kleinen Anfrage, die Sie am 16. Februar eingebracht haben. Sie wollen die Mittel erhöhen. Die CSU in Bayern will die Gemeinschaftsaufgabe aber abschaffen. ({29}) Ich gebe zu, man kann hier durchaus die eine oder die andere Meinung vertreten; aber es geht doch wohl nicht, Herr Kollege Dr. Ritz, daß ein und dieselbe Partei hier in Bonn so und in München anders spricht. ({30}) Das sind unter Umständen sogar die gleichen Abgeordneten. Das ist das Problem. Das ist wieder die alte Sowohl-Als-auch-Methode: für jeden etwas; jeder suche sich das heraus, was im gerade paßt. ({31}) Eine sinnvolle Ergänzung zu dieser Gemeinschaftsaufgabe wird der Agrarkredit bleiben. Ich will gar nichts mehr dazu sagen, denn ich habe es vorhin erwähnt. Ich habe die Gemeinschaftsaufgabe erwähnt. Ich gebe zu, daß sie sowohl aus der Sicht des Bundes als auch der Länder nicht frei von Problemen ist. Das hat das Hearing vor einigen Wochen gezeigt. Die Überlegungen drehen sich um mehr Mitwirkung der Parlamente, ein stärkeres Mitspracherecht des Bundes, der immerhin 60 %, beim Küstenschutz sogar 70 % der Mittel aufbringt, eine Durchforstung der Maßnahmen usw. Weiter möchte ich die Novellierung des Pachtrechtes anführen. Auch dies steht in einem engen Zusammenhang mit der Verbesserung der Agrarstruktur; denn die Größe eines landwirtschaftlichen Betriebes steht auch in unmittelbarem Zusammenhang mit der Wirtschaftlichkeit dieses Betriebes. Für viele Betriebe ist daher eine Aufstockung lebensnotwendig, zumal die Möglichkeiten für innenbetriebliche Aufstockung durch Ausweitung der Tierbestände aus marktpolitischer Sicht insgesamt beschränkt sind. Mit der Novellierung des Pachtrechtes suchen wir nach Möglichkeiten, regulierend einzugreifen und Auswüchse zu verhindern, die dazu führen, daß finanzstarke, oft außerlandwirtschaftliche Interessenten die entwicklungsfähigen Betriebe, die auf die Zupacht angewiesen sind, vom Markt verdrängen. Wie dies erreicht werden kann, ist zur Zeit noch Gegenstand der parlamentarischen Diskussion. ({32}) Auf jeden Fall liegt in diesem Gesetz eine Chance. zu wirkungsvoller Agrarstrukturpolitik, die wir alle zusammen nicht ungenutzt verstreichen lassen sollten. Wie jetzt und wie in der Vergangenheit wird sich die Sozialdemokratische Partei auch in der Zukunft für die Belange der Landwirtschaft einsetzen. ({33})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Paintner.

Johann Paintner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001672, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Nach dem überdurchschnittlich guten Wirtschaftsjahr 1975/76 sind die Einkommen der Landwirte im zurückliegenden Wirtschaftsjahr fühlbar zurückgegangen. Mit diesem Ergebnis des Agrarberichts 1978 sind wir ebensowenig zufrieden wie die Opposition. Wir sind es den Landwirten schuldig, dies ehrlich einzugestehen. ({0}) Dieses Ergebnis erfüllt uns mit Sorge, und wir dürfen dieses keinesfalls auf die leichte Schulter nehmen. Auch die Opposition sollte sich endlich dazu durchringen, die Unbestechlichkeit des Agrarberichts anzuerkennen. Es ist halt schlecht, wenn man sagt: Wenn der Agrarbericht gut ist, dann stimmt er nicht; wenn er schlecht ist, dann stimmt er. ({1}) Es muß in guten wie in schlechten Jahren der gleiche Maßstab angelegt werden. Das sind wir nicht zuletzt den Beamten des Ministeriums schuldig, die nunmehr seit über 20 Jahren gewissenhaft ihre Pflicht tun. Ganz besonders sind wir dies der Landwirtschaft schuldig. Denn sie braucht unsere Unterstützung - schon um der Bevölkerung plausibel machen zu können, daß der verlustreiche Sommer 1976 seinen Niederschlag nicht bereits im Agrarbericht 1977, sondern erst im Agrarbericht 1978 gefunden hat. Bleiben wir bei den Tatsachen, so ist festzustellen, daß das Wirtschaftsjahr 1976/77 im wesentlichen unter zwei Vorzeichen stand. Erstens. Weite Gebiete unseres Landes sind von einer außergewöhnlichen Trockenheit heimgesucht worden. Viele Landwirte haben schmerzlich erfahren müssen, daß ihr Beruf nicht nur ein schöner Beruf ist, der Selbständigkeit, Freiheit und Zufriedenheit bietet. Der Landwirt hat auch dem Wettergott seinen Tribut zollen müssen, selbst in der heutigen, von der Technik und Automation beherrschten Zeit. Ich bin selber Landwirt. Das ist manchmal ein großer Vorteil. Ich brauche nicht die Bücherweisheit anderer, um zu wissen, wie die Dürre viele meiner Berufskollegen getroffen hat. Aber auch in dieser schwierigen Lage hat keiner von ihnen gefordert, daß ihnen das letzte Risiko abgenommen wird. Wohl aber haben sie erwartet, daß ihnen das Menschenmögliche an Hilfe zuteil wird. Und das ist geschehen: bei der Versorgung mit Rauhfutter, bei der Belieferung mit verbilligter Magermilch, beim vorgezogenen Ankauf von Schlachtvieh zur Zeit des Weideabtriebs, und zwar schnell, gezielt und unbürokratisch. ({2}) Der zweite wichtige Einflußfaktor ist die Verlangsamung des Strukturwandels. ({3}) Wir müssen klar sehen: Die Entwicklung des Einkommens der Landwirtschaft wurde und wird zu einem Gutteil vom Strukturwandel getragen. Wenn heute weniger Menschen aus der Landwirtschaft in andere Berufsbereiche wechseln, so bedeutet dies: Diejenigen, die in der Landwirtschaft bleiben, können ihre Einkommenserwartungen nicht mehr so hoch schrauben. ({4}) Aber dies ist keineswegs ein Phänomen nur der Landwirtschaft. Es kennzeichnet die Lage in letztlich allen Berufszweigen. Er ist auch kein spezifisch deutsches Phänomen. In der ganzen Welt können wir Ähnliches beobachten. Wenn wir aber die langjährige Einkommensentwicklung der Landwirtschaft - und hier lege ich die Betonung auf „langjährig" - vorurteilsfrei analysieren, können wir feststellen, daß die Landwirtschaft zur übrigen Wirtschaft aufgeschlossen hat. Sie ist heute sozial so abgesichert wie alle anderen Gruppen der Gesellschaft. ({5}) Wichtig bleibt, daß wir trotz aller Erschwernisse, die uns die Weltwirtschaft gebracht hat, auch in der Landwirtschaft nicht in unseren Anstrengungen nachlassen, Leistungen zu erbringen und die Produktivität zu steigern. Denn das Streben nach Leistung bleibt der Motor unserer marktwirtschaftlichen Ordnung und ein wesentlicher Ansporn in unserer freiheitlichen Gesellschaft. ({6}) Der verlangsamte Strukturwandel hat in der Landwirtschaft zugleich die Stabilität und den Wert von Einkommenskombinationen offenkundig gemacht. Denn die Zuerwerbsbetriebe haben ihr Einkommen gehalten, die Nebenerwerbsbetriebe haben es sogar verbessert. Dies ist der Erfolg einer Politik, die den ländlichen Raum funktionsfähig erhält und die Menschen auf dem Land nicht abschreibt oder ihrem Schicksal überläßt. Ich möchte die Analyse des Wirtschaftsjahres 1976/77 nicht abschließen, ohne ein Wort an die Verbraucher zu richten. Die Verbraucher haben die zwangsläufig höheren Preise in der Zeit der Dürre, vor allem bei Gemüse und Kartoffeln, getragen, ohne zu murren, ohne das der Landwirtschaft anzukreiden, aber letztlich nur deshalb, weil sie wissen, daß die Preissteigerungen bei Nahrungsmitteln langjährig unterhalb der Steigerungsrate bei den Lebenshaltungskosten geblieben sind, und weil sie alle miteinander gut damit gefahren sind. Aber auch die Landwirtschaft kann mit der langjährigen Entwicklung der Erzeugerpreise und damit zufrieden sein, wie die Bundesregierung die allgemeine Preissteigerung bekämpft hat. Wir liegen hier hinter der Schweiz am untersten Ende der weltweiten Skala. Wie ist es demgegenüber in den Ländern, die mit hohen Inflationsraten zu kämpfen haben, um die Landwirtschaft bestellt? Ich nenne hier nur Frankreich mit 91 %, Großbritannien mit 13 % und Italien mit 15 %. Hier müssen die Kostenfaktoren mit entsprechender Wucht mit allen Konsequenzen auf die Landwirtschaft zurückschlagen. Dies haben wir in einigen unserer Nachbarländer beobachten können. Meine Damen und Herren, ich möchte mich bemühen, in dieser Debatte auch weiterhin nicht auf den Pfad der Polemik abzugleiten, sondern sachlich zu bleiben. Dabei muß man sich schon sehr zusammenreißen, ganz besonders, wenn ich mir vor Augen führe, wie häufig doch vom hohen Roß aus unseren Landwirten Schauermärchen erzählt werden. Dies ist gar nicht so selten und geschieht meistens gegen besseres Wissen. Ein Beispiel dafür ist die Strukturpolitik. Eines dieser Märchen lautet: Die Förderschwelle ist ein Fallbeil, 85 % oder mehr aller landwirtschaftlichen Betriebe sind von der Förderung ausgeschlos6008 sen. Aber wie sieht die Wirklichkeit aus? Nach den Beschlüssen im Planungsausschuß der Gemeinschaftsaufgabe ist Ausgangsgröße das vergleichbare Arbeitseinkommen, im Jahre 1977 sind das 25 300 DM. Es ist eine Ausgangsgröße, mehr nicht. Je nach Region kann es 1978 bis auf 19 730 DM gesenkt werden, bei Anwendung des B-Grundsatzes sogar bis auf 17 760 DM. Durch Anrechnung eines außerlandwirtschaftlichen Einkommens sinkt es in Berggebieten auf überschlägig 13 550 DM. Hierin ist zudem schon eine durchschnittliche Ausgleichszulage von 2 000 DM enthalten. Diese Zahlen entziehen allen Behauptungen den Boden. Hier gibt es keine trennscharfe Grenze, sondern im Gegenteil eine große Spannweite und Möglichkeiten des Einstiegs in die Förderung für ein großes Spektrum von landwirtschaftlichen Betrieben. Das zweite Schauermärchen lautet: Die EG- Agrarstrukturpolitik führt in die Sackgasse, weil in Brüssel - und damit ist natürlich auch Bonn gemeint - Vorstellungen von Agrarfarmen und Tierfabriken vorherrschten. Wie sieht es in Wirklichkeit aus? Nehmen wir das Beispiel Bayern. Dort sind von 1973, dem Beginn der Gemeinschaftsaufgabe, bis 1976 über 7 000 Betriebe nach eben diesen Brüsseler Richtlinien gefördert worden. Der Freistaat Bayern war daran zu 40 % beteiligt. Dabei wird allerdings gern verschwiegen, daß der Bund mit 60 °/o die finanzielle Hauptlast trägt. ({7}) Aber nun zurück zur Sache, zurück zur Offenheit und Klarheit. Wir wissen doch alle miteinander, daß in Bayern nur bäuerliche Betriebe gefördert worden sind, keine Agrarfarmen und keine Tierfabriken. Es sollte Schluß mit solchen Unterstellungen sein. ({8}) Lassen Sie mich gerade vom Standpunkt der FDP aus hier, wie ich meine, versöhnliche Worte sagen. Keine Partei sollte von sich behaupten, in der Strukturpolitik den Stein der Weisen zu besitzen. ({9}) Am meisten schaden hier missionarischer Eifer und politische Rechthaberei. ({10}) Über eines sollte nach der Anhörung im Ernährungsausschuß kein Zweifel mehr bestehen können: daß - Gemeinschaftsaufgabe hin oder her - kein verantwortungsbewußter Politiker seine Hand dazu reichen wird, an der Grundrichtung der Strukturpolitik in unserem Land Wesentliches zu ändern. ({11}) Diese 'Politik wird von den Landwirten anerkannt, nicht von jedem und nicht in jedem Detail, aber doch in ihrer Substanz. Die Antragsüberhänge landauf, landab sprechen hier eine deutliche Sprache. Den neuen Agrarkredit kann man sicherlich sehr begrüßen. Denn die Landwirtschaft wird nunmehr auch förderungspolitisch endlich als Mittelstand anerkannt. Darüber hinaus wird dieses Programm eine Entspannung der Antragslage bringen. Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie können der Regierung vorwerfen, sie habe versagt. Aber belegen können Sie das nicht. Die Pakten sprechen dagegen. ({12})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Johann Paintner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001672, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich habe leider mit Zeitschwierigkeiten zu kämpfen. Ich bitte dafür um Verständnis. Ich könnte es mir an dieser Stelle leichtmachen und Ihnen die Situation Ihrer Schmalspuragrarpolitik der 50er und 60er Jahre in die Erinnerung zurückrufen. ({0}) Das werde ich nicht tun. In der Politik muß man auch die Größe haben zu vergessen. ({1}) Das wollen wir auch. Wir wollen auch dies einmal vergessen. ({2}) Aber gerade dann wird es wohl erlaubt sein, Tatsachen zu nennen, die den Erfolg dieser Regierung in der Agrarpolitik begründet haben. Von den Verbrauchern habe ich bereits gesprochen. Sie stehen der Ernährungspolitik wohlwollend gegenüber. Die Erzeuger sind von der Kostensituation her in einer guten Position gegenüber ihren Konkurrenten aus den anderen Mitgliedstaaten. Die Strukturpolitik habe ich in ihrem einzelbetrieblichen Aspekt bereits angesprochen. Sie ist ohne den Fächer überbetrieblicher Maßnahmen undenkbar. Ihm ist es letztlich zu verdanken, daß der ländliche Raum intakt ist, daß die soziale Erosion ländlicher Gebiete aus unserem Vokabular gestrichen wurde, daß uns Deutschland als eine schöne, lebenswerte Heimat erhalten geblieben ist. Dies sollten uns die 1,6 Milliarden DM wert sein, die über die Gemeinschaftsaufgabe und das Programm für Zukunftsinvestitionen in den ländlichen Raum fließen. Wir wissen, daß die Agrarmarktordnungen auch für die Einkommen in der Landwirtschaft wesentlich sind. Nach Brüsseler Vorschlägen sollen die bestehenden Marktordnungen um Regelungen für Schaffleisch, Kartoffeln und Agraralkohol ergänzt werden. Vor allem bezüglich der Agraralkoholmarktordnung möchte ich die Bundesregierung bitten, sich in Brüssel für die Erhaltung unserer selbständigen Existenzen unter den Brennereien einzuPaintner setzen, und zwar sowohl für die Verschluß- als auch für die Abschlußbrennereien, die in Süddeutschland besonders stark vertreten sind. ({3}) Sie wissen 'darüber hinaus, daß die Marktordnungen auch finanziert werden müssen. Hier sollten wir nicht verschweigen, daß der Bund direkt oder indirekt über Brüssel in diesem Jahr annähernd 4 Milliarden DM zu leisten hat. Dies sind nur vordergründig Leistungen für die Landwirtschaft. lm Grunde sind es Leistungen für die Gesamtgesellschaft. Sie sind ein Beitrag zur Stabilität in einem hochindustrialisierten und damit in seinen Strukturen hochempfindlichen Land, wie es das unsere ist. Dabei ist es richtig, daß Marktstützung nicht Stützung um jeden Preis bedeuten kann. Maßstab ist für uns, daß wir die Vielfalt der landwirtschaftlichen Strukturen erhalten. Aber andererseits müssen wir erwarten, daß das Einkommen auch am Markt erwirtschaftet wird. Richtschnur für die Marktpolitik bleibt, daß die Versorgungssicherheit gewährleistet ist. Dabei bleibt für uns selbstverständlich, daß auch unsere Handelspartner zu unserer Versorgung beitragen müssen, weil sonst unser Land als exportorientiertes Land in der Welt nicht bestehen kann. Bestehen kann die Landwirtschaft im Grunde eigentlich erst, seitdem in der sozialen Absicherung gegenüber den anderen Bevölkerungsgruppen aufgeholt werden konnte. Ich meine dies nicht nur im, Sinne der finanziellen Absicherung. Ich meine es ganz besonders im Sinne der rechtlichen Gleichstellung, der Anerkennung des einzelnen als gleichberechtigtes Mitglied in dieser Gesellschaft. Wer von Ihnen hat noch die Zeit vor Augen, als Krankheit eine unkalkulierbare Hypothek für die Betriebe darstellte, als Spannungen zwischen den Generationen herrschten, weil die Alten mit Recht ihren Anteil forderten, was die junge Generation häufig zwang, an die Substanz des Betriebes zu gehen. ({4}) Diese Zeit ist Gott sei Dank überwunden. ({5}) Ich meine, auch 3 Milliarden DM sind nicht zuviel für die Agrarsozialpolitik, wenn man bedenkt, daß . die Landwirtschaft von allen Berufsgruppen als erste Kostenbewußtsein gezeigt hat. Auch in Zukunft wird sie Kostenbewußtsein zeigen müssen, wenn die Eigenverantwortung im sozialen Bereich erhalten bleiben soll, immer als eine fundamentale Voraussetzung für eine leistungsfähige Sozialversorgung. Die Freien Demokraten lassen sich auch in der Frage der jüngeren Witwen nicht den Rang als Partei des sozialen Gewissens ablaufen, ({6}) schon gar nicht auf dem Wege unseriöser Vorschläge, ({7}) wie sie von der CDU/CSU am Ende gemacht worden sind. ({8}) Die FDP vertritt hier der Ehrlichkeit halber den Standpunkt, ({9}) daß die Witwenrente nicht aus dem Stand heraus realisiert werden kann, aber sie wird realisiert werden, und zwar unabhängig von dem großen Sozialreformwerk, das durchzuführen uns vom Verfassungsgericht auferlegt worden ist. ({10}) In der Steuerfrage gibt es keinen Grund, den zweiten Schritt vor dem ersten zu tun. Das Gutachten liegt nunmehr vor. Es ist zu prüfen unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit, aber auch der Praktikabilität für die Finanzverwaltungen und die landwirtschaftlichen Betriebe. Außerdem muß die Gleichbehandlung gegenüber den Partnern in der EG gewahrt bleiben. Die Besteuerung in der Landwirtschaft bleibt auch in Zukunft der Zielsetzung des Landwirtschaftsgesetzes verpflichtet. Lassen Sie mich mit einem Ausblick schließen. Es gehört leider zur Erfahrung in unserem Lande, daß erst ein Besuch im Ausland die Augen dafür öffnet, wie sehr bei uns der Versuch gelungen ist, Landwirtschaft und Gewerbe zu verzahnen, Gegensätze zwischen den gesellschaftlichen Gruppen einzuebnen, Stadt und Land miteinander zu versöhnen. Die Landwirtschaft hat ihren Beitrag für Staat, Wirtschaft und Gesellschaft geleistet, ({11}) als es darum ging, der rasch wachsenden Volkswirtschaft ohne große Erschütterungen Arbeitskräfte zuzuführen, und sie leistet auch heute ihren stabilisierenden Beitrag in einer Zeit, in der die weltweiten Strukturverwerfungen auch in unserem Land schmerzliche Anpassungsschritte in vielen Wirtschaftsbereichen verlangen. Zukunft hat letztlich nur eine Landwirtschaft, die in der Gesamtwirtschaft und in die Gesellschaft eingebettet ist, wirtschaftlich, politisch, sozial. Sie muß auch weiterhin Richtschnur unserer Politik bleiben. Deshalb die Förderung von Voll-, Zu- und Nebenerwerbslandwirten im Verbund und in Abstimmung mit Gewerbesiedlung, der Schaffung von Freizeit- und Erholungseinrichtungen und die Erhaltung unseres Landes als eines schönen Urlaubslandes. Eigentum zu erhalten, Eigentum zu schaffen bleibt fundamentales Anliegen unserer Politik. ({12}) Ohne Eigentum würden wir die Menschen auf dem Lande nicht halten. ({13}) Ohne Eigentum gäbe es keine ausgeglichene Siedlungsstruktur, ({14}) keinen Ausgleich gegenüber den Ballungszentren und keinen Schutz vor den Vermassungstendenzen unserer Zeit. „Unser Dorf soll schöner werden" ({15}) ist nicht nur ein Markenzeichen für einen der populärsten Wettbewerbe, die wir im ländlichen Raum kennen. Dorferneuerung an sich ist ein essentieller Auftrag der Agrarpolitik. Die FDP ist dankbar dafür, daß es Minister Josef Ertl gelungen ist, diese Maßnahme als Grundbestandteil der Förderung des ländlichen Raumes in der Politik der sozialliberalen Regierung zu verankern. ({16}) Der Erfolg gibt Minister Ertl recht. Es hat in der deutschen Nadikriegsgeschichte noch kein Förderungsprogramm für den ländlichen Raum gegeben, das in einem solchen Maße wie die Dorferneuerung auf ungeteilte Zustimmung in der Bevölkerung gestoßen ist. Die Mittel werden den mit der Durchführung beauftragten Behörden buchstäblich aus den Händen gerissen. Dies ist als ein Beweis für das Vertrauen zu werten, das die ländliche Bevölkerung in die Zukunft unseres Landes und damit auch in die Politik dieser Bundesregierung setzt. Die Vorschätzung des Agrarberichtes weist aus, daß es mit der Landwirtschaft weiterhin langfristig aufwärtsgeht. Man sollte auch hier wiederum einmal den Mut haben, unseren Landwirten und besonders den jungen Landwirten zu sagen, daß es wert ist, Landwirt zu werden, und daß es ein schöner Beruf ist. Ich möchte abschließend die Gelegenheit nützen, dieser Bundesregierung, an der Spitze Bundeskanzler Schmidt, und unserem verehrten Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Josef Ertl, dafür zu danken, was er für die Landwirtschaft getan hat. ({17}) Ich möchte Sie alle miteinander aufrufen, auch Sie von der Opposition: Helfen Sie mit, auch künftig in allen Sachfragen für unsere braven Bäuerinnen und Bauern, für unsere Bevölkerung im ländlichen Raum Fortschritte zu erzielen! Dies, meine ich, ist Politik. Wenn wir es so verstehen, dann haben wir dieser Landwirtschaft und der Bevölkerung im ländlichen Raum und dem Verbraucher gedient. ({18})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen.

Hans Matthöfer (Minister:in)

Politiker ID: 11001439

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da die Besteuerung der Landwirtschaft in den letzten Tagen nach der Vorlage des Gutachtens zur Einkommensbesteuerung in der Landwirtschaft in den Mittelpunkt der öffentlichen Berichterstattung, wohl auch des öffentlichen Interesses gerückt ist, gestatten Sie mir einige wenige Bemerkungen dazu. Herr Kollege Ertl und ich sind uns in der Behandlung dieses Gutachtens völlig einig. Zunächst möchte ich der Kommission unter ihrem Vorsitzenden Professor Littmann meinen Dank für ihre gründliche und auf hohem fachlichen Niveau stehende Analyse aussprechen sowie auch für die daraus abgeleiteten Vorschläge, was immer wir damit machen werden. In weniger als einem Jahr wurde ein Gutachten vorgelegt, das eine gute Grundlage für die kommenden Beratungen sein kann. Die Kommission wurde berufen - und zwar paritätisch, von Herrn Kollegen Ertl und meinem Vorgänger Apel -, um einmal einen' objektiven und von unmittelbaren Interessen unabhängigen Bericht über die Probleme der landwirtschaftlichen Einkommensbesteuerung zu erhalten. Die Mängel der derzeitigen Regelung, d. h. der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 13 a des Einkommensteuergesetzes, sind wohl immer deutlicher geworden, wie ich der Diskussion entnehmen mußte, an der ich seit einiger Zeit teilnehme. Probleme beginnen offenbar schon bei der Buchhaltung. Von etwa 1 Million landwirtschaftlichen Betrieben führen laut Gutachten der Kommission rund 5 % ordnungsgemäße, d. h. der gewerblichen Buchhaltung vergleichbare Bücher. Weitere 5 % wären zwar zur Buchführung verpflichtet, kommen dieser Verpflichtung aber nicht nach oder können ihr nicht nachkommen. Ihre Einkünfte müssen deshalb zum Zwecke der Besteuerung geschätzt werden. Die weit überwiegende Zahl . der Landwirte ermittelt ihren Gewinn nach Durchschnittssätzen, die sich aus dem Einheitswert des landwirtschaftlichen Betriebs, dem Wert der Arbeitsleistung und dem Nutzungswert der eigenen Wohnung ableiten. Diese Werte, vor allen Dingen der Wert der Arbeitsleistung, werden nach allgemeiner Meinung - auch nach Meinung der Kommission - zu niedrig angesetzt. Das führt - wiederum nach Auffassung der Kommission - dazu, daß die nach § 13 a des Einkommensteuergesetzes ermittelten Gewinne im Durchschnitt nur 20 bis 25 % der tatsächlichen Gewinne betragen. Die Landwirtschaft entrichtet, folgt man dieser Berechnung - was man nicht notwendigerweise muß -, insgesamt weniger als eine halbe Milliarde DM jährlich an Einkommensteuer. Um einen Vergleich zu geben: Das ist weniger, als die Beschäftigten des Volkswagenwerkes jährlich an Lohnsteuer zahlen. Ich bin mir der Fragwürdigkeit solcher Vergleiche durchaus bewußt. ({0}) - Ich will Ihnen einmal etwas sagen: Der Herr Kollege Ertl und ich haben seit 1961 eine Privatkoalition. Herr Dr. Ritz, Sie können das nicht wissen, weil Sie wie meine Frau aus Pommern sind. Aber die Kollegen Paintner und Ertl wissen sehr wohl, daß man bei jemandem, der so heißt wie ich, Sympathien für süddeutsche Bergbauern, insbesondere für die kleinen, unterstellen kann. Das hat uns immer miteinander verbunden. Aber dieses Beispiel zeigt wohl, daß wahrscheinlich der Grundsatz der Steuergerechtigkeit verletzt ist. Die Regelung führt übrigens auch auf nichtsteuerlichem Gebiet zu unerwünschten Ergebnissen. Da gibt es zahlreiche Fälle - das weiß ich nun aus Gesprächen mit Landwirten, Bauern aus meiner Fraktion, übrigens auch aus Ihrer Fraktion -, die zu Ungerechtigkeiten innerhalb der Landwirtschaft führen, gar nicht zu sprechen von dem Vergleich mit anderen Arbeitnehmern. Zum Beispiel erhalten gut verdienende Landwirte Ausbildungsplatzförderung nach BAföG oder sie nehmen die Vergünstigungen des Sparförderungsgesetzes in Anspruch, weil die Bemessungsgrundlage für diese Leistungen das zu versteuernde Einkommen ist, das zu niedrig angesetzt wird. Arbeitnehmer mit vergleichbarem Einkommen haben dagegen die maßgebenden Einkommensgrenzen schon überschritten und können diese Vergünstigungen nicht bekommen. Was viel wichtiger ist und was mich viel stärker stört, ist, daß die gegenwärtige Durchschnittssatzbesteuerung nach dem Gutachten der Kommission zu steuerlichen Ungleichheiten innerhalb der Landwirtschaft führt. Das ist für mich der wichtigste Aspekt. Je größer z. B. der Betrieb ist, desto höher ist der relative Vorteil aus der Anwendung des § 13 a. Es muß doch nach der Diskussion, so wie ich sie bisher verfolgt habe, auch Ihnen Sorge machen, daß die Großbetriebe in der Landwirtschaft nach Meinung der Kommission von der Anwendung des § 13 a besonders begünstigt werden. ({1}) - Ich bin mit Ihnen der Meinung: Wir wollen dies alles sehr vorsichtig prüfen. Dies ist immerhin eine einstimmige Empfehlung einer paritätisch zusammengesetzten Kommission aus unbestrittenen Fachleuten. Nun wollen wir dies sorgfältig diskutieren. Die Regelung verstößt nach Auffassung der Gutachter, da sie einen Steuervorteil - die haben das ausgerechnet, nicht ich - von 1,6 Milliarden DM pro Jahr für die Landwirte bewirkt, gegen fundamentale Grundsätze der Einkommenbesteuerung und insbesondere auch gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung. Bei der Neuregelung der Einkommenbesteuerung empfehlen die Sachverständigen, die Belastungsveränderungen, insbesondere die Freibeträge, zu mildern, um mittelständische Existenzen zu erhalten und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft zu sichern. In diesem Sinne wollen wir das Gutachten prüfen: Wie können wir die internationale Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit der Landwirtschaft sichern, Steuergerechtigkeit innerhalb der Landwirtschaft herstellen und dann noch etwas herausbekommen, Herr Kollege Ertl, was politisch durchsetzbar ist? ({2}) Das ist eine Sache, über die man sich einig werden muß. ({3}) - Herr Dr. Ritz, da habe ich überhaupt keine Probleme bezüglich meiner Einstellungen und auch meiner Absprachen mit Herrn Kollegen Ertl. Die Bundesregierung wird das Gutachten und alle Vorschläge sorgfältig prüfen. Dazu ist sie verpflichtet. Sie wird nach Prüfung dazu Stellung nehmen. Dabei geht es nicht um die Frage, welchen Rang die Landwirtschaft in unserer Volkswirtschaft hat und welche Aufwendungen aus öffentlichen Mitteln - sei es im Rahmen der EG, sei es im nationalen Rahmen - notwendig sind. Um diese Frage geht es nicht, ({4}) um der Landwirtschaft unter schwierigen Wettbewerbsverhältnissen eine wirtschaftliche Existenzmöglichkeit zu verschaffen. Der Rang der Landwirtschaft ist und bleibt unbestritten. ({5}) - Es geht darum - ich darf das noch einmal wiederholen -, die Steuern so zu gestalten, daß sie zur Erhöhung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft beitragen, daß Steuergerechtigkeit insbesondere innerhalb der Landwirtschaft durchgesetzt wird und daß wir dafür auch die entsprechenden Mehrheiten finden. Damit sollte doch wohl jeder hier in diesem Hause einverstanden sein können. ({6}) Die nach wie vor uneingeschränkte Fürsorge für die deutsche Landwirtschaft und die Sicherung ihrer Lebensfähigkeit darf uns nicht daran hindern, die Einkommen in der Landwirtschaft einer gerechten Besteuerung zu unterziehen. Die Öffentlichkeit würde genausowenig wie alle stärker belasteten Bauern, vermute ich, kein Verständnis dafür aufbringen können, daß Steueroasen für einzelne landwirtschaftliche Unternehmer entstehen und dauerhaft geschützt bleiben. Jetzt erwarten Sie bitte vom Bundesfinanzminister keine konkreten Aussagen darüber, welche Folgerungen aus dem Sachverständigengutachten zu ziehen sein werden. ({7}) - Das können Sie nach dem, was ich bisher gesagt habe, nicht tun. Das Gutachten liegt eine Woche auf dem Tisch; es ist sehr umfangreich. Ich habe mit dem Kollegen Ertl verabredet, daß es genauso sorgfältig geprüft wird, wie es erstellt ist. Darauf haben die Herren, die daran mitgearbeitet haben und denen ich noch einmal danke, einen Anspruch. Darauf hat auch die deutsche Landwirtschaft einen Anspruch. ({8}) Ich bitte aber alle Beteiligten, deutlich zu sehen, daß es auch nicht im wohlverstandenen Interesse der Landwirtschaft selbst liegen kann, wenn sich in der Öffentlichkeit ein Eindruck festsetzen könnte, ungerechte Privilegien könnten in unserem Staat nicht mehr auf das rechte Maß zurückgeschraubt werden. Ich sage noch einmal: Das gilt vor allen Dingen innerhalb des landwirtschaftlichen Bereichs selber. ({9}) - Sie wissen, ich bin erst einige Tage im Amt, aber ich habe diese wenigen Tage genutzt, um mit vielen Berufskollegen - ich weiß nicht, ob Sie Landwirt sind -, jedenfalls Berufskollegen des Herrn Kollegen Dr. Ritz und Kollegen von Herrn Paintner und von Herrn Ertl, zu sprechen. Die Meinung ist wirklich einheitlich, daß es Zustände gibt, die innerhalb der Landwirtschaft zu Unzuträglichkeiten führen, ({10}) und da muß man sehen, was man da tut. Wir müssen in der Lage sein, auch einmal Vorteile wegzunehmen, wenn sie sich als ungerechtfertigt erweisen, nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch im öffentlichen Dienst, im Gesundheitswesen und was weiß ich sonstwo noch. Dies muß der Staat können. Andernfalls würden schließlich Sozialleistungen und Subventionen über die Grenze des Finanzierbaren hinausstoßen, und das würde dann zu politischen Reaktionen führen, die wir im Interesse aller Bereiche uns nicht wünschen können. Dies, meine Damen und Herren, hatte ich Ihnen zum Gutachten sagen wollen. Ich bedanke mich sehr herzlich für die Freundlichkeit, mit der Sie mir zugehört haben. ({11})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Abgeordnete Kiechle.

Ignaz Kiechle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001091, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte als erstes den Mitarbeitern und Beamten des Hauses für die sorgfältige Erstellung des Agrarberichts danken. Er vermittelt eine Fülle von Informationen. Ich bin nicht der Meinung etwa der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände, die in einer Stellungnahme dazu festgestellt hat, es würden viele entscheidende Fragen nicht oder nur unvollständig beantwortet. Natürlich kann man alles noch besser machen. Nach meiner Meinung wäre es am einfachsten, wenn z. B. die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände ihre „Verbraucherpolitische Korrespondenz" verbessern würde. ({0}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, jedes Jahr gipfelt der Agrarbericht, jedenfalls was sein äußeres Bild angeht, in den Zahlen der Einkommensentwicklung der Landwirtschaft, und jedes Jahr prägt sozusagen diese Zahl am Beginn des Jahres das agrarische Pressebild. Vor einem Jahr hießen die Schlagzeilen, die Landwirtschaft oder die Bauern hätten über 20 % mehr verdient. Heuer nun sagt der Bericht selbst aus, sie hätten fast 14 0/0 weniger verdient. Aber siehe da, die Schlagzeilen nach der Pressekonferenz des Herrn Ministers haben gelautet: Es geht ihnen wieder besser, sie dürfen wieder mit 8 % Zuwachs rechnen! Und die 24 % Einkommensrückgang sind mehr oder weniger untergegangen. Herr Minister, man mußte im heurigen Bericht schon das Kleingedruckte lesen, um überhaupt zu erfahren, wie die Zahlen sich wirklich entwickelt haben. Nachdem wir voriges Jahr schon darüber diskutiert haben, meine ich, daß die Darstellung durch Sie Ursache dieser Wirkung sein muß. Sie hätten vom vergangenen Jahr her gewarnt sein können, wie diese Zahlen von der Presseöffentlichkeit jeweils aufgenommen werden, zumal wir Sie darauf aufmerksam gemacht haben. Daß die 8 % nur eine Prognose der Bundesregierung darstellen, ist mehr oder weniger auch nicht zum Ausdruck gekommen. Wenn man den Wahrscheinlichkeitsgehalt aller Prognosen dieser Bundesregierung in den letzten Jahren - im meine die Prognosen zu Wirtschaftswachstum, Aufschwung, Rentensicherheit und Beschäftigungslage ({1}) als Gradmesser für den Wahrscheinlichkeitsgehalt dieser 8 °/o heranzieht, dann dürften auch diese 8 % kaum stimmen. ({2}) Der Agrarbericht, Herr Minister, unterstreicht die Befürchtung der CDU/CSU, daß die negativ veränderten Rahmendaten unserer allgemeinen Wirtschaftsentwicklung in den kommenden Jahren die Agrarpolitik sehr belasten werden. ({3}) Konnte man noch davon ausgehen - der Bericht weist es in Zahlen aus -, daß in den letzten zehn Jahren jeweils über 4 % landwirtschaftliche Arbeitskräfte in außerlandwirtschaftliche Einkommensbereiche abgewandert sind, die natürlich die jeweilige Erfolgsrechnung, ohne daß Sie dazu viel tun mußten und getan haben, nachhaltig beeinflußt haben, ({4}) so haben Sie in den vergangenen zwei Jahren nur noch 0,8 °/o Abwanderung. Und siehe da, schon werden die Erfolgsrechnungen entsprechend geringer. Geringer wird leider nicht nur das Ergebnis der Erfolgsrechnung, sondern auch die Chance, zu einem reibungslosen Strukturwandel in der Landwirtschaft zu kommen. Geringer wird auch die Möglichkeit einer Einkommenssteigerung für viele kleine und mittlere Betriebe und auch viele junge Bauern. Das Reineinkommen spielt bei der Berichterstattung immer eine große Rolle. Es sank - ich zitiere den Bericht - je Arbeitskraft bei allen Vollerwerbsbetrieben um 13,8 °/o auf knapp 22 000 DM. Nun betrug aber schon 1974/75 dieses nach den gleichen Kriterien errechnete Reineinkommen für diesen Kreis von Landwirten durchschnittlich rund 21 200 DM. Wir haben also erlebt, daß die Landwirte im Jahre 1976/77 gerade ein paar hundert DM Reineinkommen mehr hatten als im Jahre 1974/ 75. Wenn man das umrechnet, bedeutet das, daß sich das Jahreseinkommen im 'Berichtsjahr, verglichen mit dem Jahr zuvor, um 3 500 DM vermindert hat. Den Aufschrei anderer Berufsgruppen hätte ich einmal erleben mögen. ({5}) Daß die Bauern still sind, daß sie das nicht so laut in die Welt hinausposaunen und daß sie auch nicht demonstrieren, hängt damit zusammen, daß sie nicht immer sofort in Demonstrationen ihre Meinung äußern. Das hängt auch damit zusammen, daß sie natürlich Beobachter ihrer sozialen und wirtschaftlichen Umwelt sind und auch sehen, das andere Berufsschichten und Bevölkerungskreise - auch eine Million Arbeitslose lassen Bauern nicht kalt, sondern berühren sie durchaus in ihrem wirtschaftlichen Denken - Opfer auf sich haben nehmen müssen. Aber das hat nichts mit einer Zufriedenheit der Bauern zu tun, so, wie das hier oft dargestellt wird. Nun steht im Agrarbericht, dieser Vollerwerbsbetrieb, von dem wir hier sprechen, habe im Durchschnitt 1,3 Arbeitskräfte. Wenn man nun das Einkommen von 21 969 DM mal 1,3 nimmt, dann ergibt sich daraus ein Familieneinkommen von 27 500 DM. Dieses Betriebsreineinkommen wird in der Öffentlichkeit immer falsch dargestellt. Darin sind nämlich noch - das steht auch im Agrarbericht - die persönlichen Steuern enthalten - wie bei jedem -, aber auch die Sozialabgaben, die Altenteilerlasten und die Nettoinvestitionen der Landwirtschaft, ({6}) ein Faktum, das Sie, Herr Minister, bei Ihrer Pressekonferenz ruhig besser hätten herausstellen können, damit diese falschen Eindrücke hinsichtlich des Nettoeinkommens, die draußen immer publiziert werden, weil sie so entstanden sind, hätten aus der Welt geschafft werden können. Wir haben schon voriges Jahr darüber diskutiert. Ich habe nicht feststellen können, daß Sie diese Diskussion zu einer besseren Darstellung genutzt haben. ({7}) Meine Damen und Herren, die richtige Rechnung - und ich habe nur die Zahlen des neuesten Agrarberichts genommen -sieht dann folgendermaßen aus: Im Durchschnitt aller Vollerwerbsbetriebe wurden von diesem Familiendurchschnittseinkommen aller Vollerwerbsbetriebe 5 867 DM Sozialabgaben bezahlt und 9 825 DM Nettoinvestitionen getätigt. Das ergibt zusammen 15 692 DM. Da das Familienreineinkommen rund 27 500 DM beträgt, verbleibt ein sogenanntes konsumfähiges Nettoeinkommen - im Gewerbe würde man sagen: Privatentnahme - von knapp 12 000 DM. Das sind für eine ganze Fa-malie im Durchschnitt aller Vollerwerbsbetriebe in der Bundesrepublik Deutschland während des vergangenen Berichtsjahres 1 000 DM monatlich gewesen. Darin ist alles enthalten, Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Einkommen aus Sonn- und Feiertagsarbeit sowie Überstunden usw. Die eingangs von mir schon erwähnte Arbeitsgemeinschaft der Verbraucher hat nun fälschlicherweise in ihrem Kommentar zum Agrarbericht behauptet - und mich hat das echt geärgert -, man setze nach wie vor die landwirtschaftlichen Reineinkommen, die weitgehend Nettoeinkommen seien - was überhaupt nicht stimmt; das steht auch im Agrarbericht -, zu den Bruttoeinkommen außerhalb der Landwirtschaft in Beziehung. Vielleicht kann - ich weiß nicht, ob dieser Verein dazu noch in der Lage ist - das kleine Einmaleins diese Kommentatoren einmal überzeugen, wenn sie schon selbst den Bericht nicht lesen, bevor sie dazu Kommentare schreiben. ({8}) Die Bundesregierung stellt im übrigen fest, daß im Durchschnitt von neun Jahren die landwirtschaftlichen Reineinkommen - wohlgemerkt: einschließlich all dieser darin enthaltenen Dinge! - um 7,7 % gestiegen sind. Die Zahl ist sicherlich korrekt, aber daneben muß dann stehen - das steht zwar auch drin, aber auf einer anderen Seite -, daß die Einkommen im außerlandwirtschaftlichen und gewerblichen Arbeitnehmerbereich in dem gleichen Zeitraum um 10 % gestiegen sind. Ich sage das der Ordnung halber, weil das natürlich - auf diese neun oder zehn Jahre gerechnet - den Abstand der Einkommen noch einmal vergrößert hat. Künftig - so stellt die Bundesregierung in ihrem Agrarbericht dar - hätten wir eine sehr bescheidene weitere wirtschaftliche Entwicklung zu erwarten. Dazu steht in dem Agrarbericht: Niedrigere Zuwachsraten bem Einkommen. Man verweist dazu . allerdings auf die Sicherheit landwirtschaftlicher Arbeitsplätze, was die Bauern natürlich auch ungeheuer beeindrucken wird, denn an Arbeit hat es ihnen sicherlich noch nie gemangelt. Man stellt fest, daß vermindertes Wirtschaftswachstum vorhanden sei, daß eine relativ ungünstige außerlandwirtschaftliche Beschäftigungslage herrsche; weiter stellt man verringerte Zuerwerbschancen, knapper werdendes Pachtlandangebot, geringere Möglichkeiten zur Flächenaufstockung und kaum mehr Ausweitungsmöglichkeiten der Tierbestände in dem Bericht fest. Den Abschluß dieser Zukunftsdarstellungen bildet dann der Satz: „Dem preispolitischen Spielraum sind auf wichtigen Agrarmärkten Grenzen gesetzt." Angesichts dieser Tatsachen - so glaube ich - wird den deutschen Bauern langsam, aber sicher klar werden, warum der Herr Minister Ertl und der Herr Staatssekretär Gallus in der letzten Zeit immer öfter von der in Zukunft notwendigen Bescheidenheit reden. ({9}) Daß unsere Bauern allerdings angesichts der vorerwähnten amtlichen Prognosen allein durch den Aufruf des Herrn Bundeskanzlers zu mehr Fröhlichkeit in Begeisterung versetzt werden, möchte ich doch ein wenig bezweifeln ({10}) sozusagen Helmuts, Josefs, Hänschens fröhlicher Bescheidenheitsappell! ({11}) Im übrigen steht im Agrarbericht noch ein sehr interessanter Satz; damit komme ich auf Sie, Herr Müller, zurück, der Sie heute eine Rede gehalten haben, die eigentlich teilweise Ihrem sonstigen Diskussionsstil nicht entspricht. ({12}) In diesem Agrarbericht steht nämlich, die Nebenerwerbslandwirte hätten den Rückgang ihres landwirtschaftlichen Einkommens durch die Zunahme des außerlandwirtschaftlichen Erwerbseinkommens ausgleichen und wenn es ein bißchen größere Nebenerwerbszweige waren - sogar erhöhen können; hier stehen 5 % in dem Bericht. Wenn das nicht - sozusagen im nachhinein - ein Erfolgsausweis des von der SPD so lange bekämpften „bayerischen Weges" ist, dann frage ich mich, was das denn dann ist! ({13}) Wer hat denn die Partnerschaft kreiert, wer hat denn den Mansholtplan damit bekämpft, daß er gesagt hat, nicht nur große, sondern auch die kleinen und mittleren Betriebe müssen - in eigenen Förderungskonzepten - am Weiterleben teilhaben? Wir haben doch nicht ein Programm erfunden, das auf Wachsen oder Weichen ausgelegt war und in weiten Bereichen auch heute noch ausgelegt ist. Hierzu haben Sie dann noch etwas getan, Herr Müller, indem Sie sich unter dem Stichwort „Bauernfängerei" lange über Zwerghöfe ausgelassen haben. In Bayern werden sich nur wenige Bauern als auf Zwerghöfen sitzend empfinden; insofern brauchen Sie sich hiervon gar nichts zu versprechen. ({14}) Dann haben Sie auch über das bayerische Agrarkreditprogramm geredet und gefragt, warum man es in Form eines Konzeptes verabschiedet habe, das sozusagen alle gleich bedenke, indem man von der Verschiedenartigkeit der Förderung abgegangen ist. Sie haben nicht verstanden, warum die bayerische Staatsregierung dieses Programm gemacht hat. Sie hat es erstens gemacht, weil sie es satt hatte, zu warten, bis die ewigen Streitereien in Bonn zu einer Einigung führen. Das war der erste Grund. ({15}) Sie hat es zweitens getan, weil sie der Meinung ist, daß auch die kleinen und mittleren Betriebe eine Möglichkeit haben sollen, staatlich gefördert zu werden, ohne deswegen einen Riesenstoß von Papier ausfüllen zu müssen ({16}) und am Ende dann verurteilt zu werden, 150 000 DM investieren zu müssen, um überhaupt gefördert werden zu können, obwohl sie das gar nicht wollen. Sie wollen sich meistens in kleinerer Form weiterentwickeln. Bei dieser „Bauernfängerei" - Bauernfängerei haben Sie gesagt - lautete dann Ihre rhetorische Frage: Was für ein Wort gilt in der CDU/ CSU, das von jenem oder diesem Kollegen, von Herrn Strauß oder sonst irgend jemand? Wer hat die Entscheidung? - Ich will Ihnen einmal etwas sagen: Wenn Ihre innerparteilichen Diskussionen nicht über die bei uns hinausgingen, würde Ihr Fraktionsvorsitzender Gott danken - das wäre sicher ein Ausnahmefall, aber er würde es tun -, ({17}) denn er hat wahrhaftig mit Ihren innerparteilichen Diskussionen Last genug. ({18}) Nach außen, lieber Herr Müller, und de facto lassen wir in unserer Politik das letzte Wort und die Entscheidung nicht den Selektionsbeamten, die das gar nicht gerne tun, ({19}) wer da will und darf oder auch nicht kann oder wer da fehlinvestiert oder auch nicht, sondern wir lassen sie letztlich unseren Bauern. Die sind nicht so ungeschickt, daß sie mehr investieren, als sein muß. Wir wissen ganz genau, daß sie nur so viel Geld in die Betriebe stecken, als sie a) glauben abdecken zu können und als b) absolut erforderlich ist. ({20}) Übrigens kommt aus Brüssel neue frohe Botschaft. Mein Kollege Ritz hat es schon gesagt. Ich will es noch einmal wiederholen: 0,86 % Preisanhebung ist vorgesehen. Das sollen sich einmal diejenigen, die von 7 % träumen oder sie schon durchgesetzt haben oder mindestens 5 1/2 % wollen, auch einmal vor Augen halten. Das ist dann die Leistung der Preispolitik. Alles andere sollen die Bauern zur Erfüllung ihrer Einkommenserwartungen über mehr Arbeit, über mehr Leistung und ähnliches erbringen. ({21}) Wenn man bedenkt, daß dann noch alle Milchproduzenten 1 1/2 % des Richtpreises als Zwangsabgabe abliefern müssen, entsteht für die ein glattes Minusgeschäft. Nun wissen wir sehr wohl, Herr Bundesminister, um die Schwierigkeiten des Milchmarktes. Da gibt es Überschüsse, die in der öffentlichen Diskussion fast im Vordergrund stehen, oft auch überbewertet werden, aber immerhin eine Rolle spielen. Wir wissen, daß diese Überschüsse zu hohen Kosten und übrigens auch zu sozialen Problemen führen, wenn man an die benachteiligten Gebiete denkt, die gar nichts anderes tun können, als eben Milch zu produzieren. ({22}) Da wäre es z. B. gut, Herr Minister, wenn Ihr Haus darüber nachdenken würde, in welcher Form 1979 z. B. das Bergbauernprogramm fortgeschrieben werden soll und fortgeschrieben werden kann. Es steht schließlich an, daß dies geschieht. Wir haben allerdings kein Verständnis für die Unfähigkeit der EG, zu einheitlichen Beschlüssen für den EG-Markt zu gelangen, wir haben auch kein Verständnis für die .Produktionsschlachten in anderen Partnerländern - wie England, Irland, z. B., Dänemark und Holland - und haben vor allem keines dafür - leider hat das der Herr Bundesminister Apel indirekt des öfteren getan -, wenn man die aus politischen Gründen laufend notwenKiechle dige Einfuhr von jährlich 130 000 Tonnen Neuseeland-Butter sozusagen auf das Konto Überproduktion unserer Bauern bucht. Hier ist schon ein Wort zum neuen Futtermittelgesetzt gesagt worden. Herr Bundesminister, ich habe mir diesen Absatz durchgelesen. Er ist es wert, daß er hier auszugsweise zitiert wird. Der erste Satz heißt: „Das neue Recht hat sich bewährt." Im nächsten Absatz heißt es dann, bessere Informationen seien notwendig, die Mischfutterbetriebe sollten diese Informationen freiwillig liefern, wegen einer zu erwartenden EG-Richtlinie müsse man prüfen, welche Rechtsänderungen erforderlich seien, damit die ausreichende Kennzeichnung der Futtermittel sichergestellt werden könne, und wegen des Inkrafttretens der EG-Bestimmungen müßten die national geltenden Kennzeichnungsregelungen überprüft werden. Da möchte ich wissen, wieso sich das bewährt haben soll. Was soll der erste Satz, wenn fünf Sätze sagen, es habe sich nicht bewährt?! Da wundert sich dann die Regierung, wenn bei den Betroffenen Unsicherheit und Ungläubigkeit gegenüber dem Staat um sich greifen. ({23}) - Das macht nichts, aber wir haben uns dafür eingesetzt - Sie wissen das ganz genau -, daß die Kennzeichnungspflicht in der alten Form bleiben soll. Das haben Sie mit Ihrer Mehrheit leider Gottes verhindert. ({24}) - Es waren drei. Wenn sich die FDP dafür eingesetzt hätte, hätte es auch geklappt. ({25}) Im übrigen möchte ich noch auf zwei Dinge hinweisen. Herr Bundesminister, es sind wieder zwei neue Verordnungen geplant, mit denen man den Landwirten wieder neue Schwierigkeiten machen will. Das eine ist eine Verordnung zur Milchqualität, auf Grund deren dann gewissermaßen mehr oder weniger kontrolliert werden soll, ob die Bauern die Kuheuter auch täglich richtig reinigen, und das zweite ist eine Verordnung, die zur Zeit in den betreffenden Häusern als Ergebnis einer Gesetzgebung zustande kommt, die sich als schlecht erweist. Sie wissen selbst, daß das Lebensmittelgesetz vor zwei Jahren verabschiedet worden ist. Nachdem es am 1. Januar dieses Jahres in Kraft getreten ist, kommen zwei Verordnungen, in denen sinngemäß etwa folgendes bestimmt wird: Pflanzenschutzmittelrückstände, die in Deutschland in dem Gesetz verboten wurden, werden bei allen importierten Lebensmitteln zu Hunderten wieder zugelassen. ({26}) Damit sollen wir leben, damit will man die deutsche Landwirtschaft konfrontieren. Ich frage mich nur, was dieser Sinn oder - besser - Unsinn der Gesetzgebung soll. Es ist jedenfalls ein charakteristisches Beispiel für die überzogene Perfektion unserer Gesetzgebung. ({27}) Vieles wird heute in Vorschriften so geregelt, als ob man für eine Sahara-Expedition die Mitnahme eines Regenschirms verlangte. Man will .gewissermaßen an jeden Kuhschwanz einen Paragraphen binden. Ich muß zum Schluß kommen. Herr Bundesminister, kümmern Sie sich bitte um die geplante Wegeabgabe auf den Straßen Osterreichs; denn diese würde die deutsche Landwirtschaft pro Liter exportierter Milch mit 2,75 Pfennig belasten. Ich glaube nicht, daß das der Sinn einer modernen Zusammenarbeit zwischen Nachbarn sein kann. Ich glaube, es ist Ihre Aufgabe, darauf zu achten, daß eine solche Mehrbelastung nicht kommen wird. Das Institut der Deutschen Wirtschaft hat vor wenigen Wochen eine vergleichende Untersuchung veröffentlicht. Das Ergebnis hat interessante Aspekte: Seit 1970 sind die vom Staat direkt beeinflußten Preise um 52,8 %, die indirekt oder teilweise beeinflußten Preise um 56 % und die administrierten Preise um 51 °/o gestiegen. Die den Marktordnungen unterliegenden Lebensmittelpreise sind dagegen lediglich um 41,6 % gestiegen. Wenn man sich das vor Augen hält, dann steht fest, daß die Preise der Landwirtschaft die Inflation nicht anheizen, sondern bremsen. Ich meine, dies hätte auch einmal ein Wort der Anerkennung verdient, und insbesondere jenes Verbraucherinstitut sollte sich solche Zahlen zu Herzen nehmen und bei den Veröffentlichungen berücksichtigen. ({28}) Ich komme damit zum Schluß. Der Agrarbericht zeigt deutlich, daß der agrarpolitische Wind in den kommenden Jahren kälter und stürmischer wehen wird. Die Probleme werden zahlreicher und komplizierter - das alles steht darin -, die schlechte Finanz- und Wirtschaftspolitik unserer Regierung mit ihren negativen Auswirkungen greift nun auch auf die Agrarpolitik über, wie ich sage. Es steht im Agrarbericht, daß sie Spielräume einengt, den Strukturwandel behindert und die Investitionsfähigkeit der Landwirtschaft offensichtlich verlangsamt. Wie man unter diesem Aspekt - damit möchte ich besonders Sie, Herr Minister, ansprechen - sagen kann, die Bundesregierung werde die erfolgreiche Agrar- und Ernährungspolitik der vergangenen Jahre fortsetzen und ausbauen, verstehe ich nicht. Die Behauptung entbehrt jeder Grundlage. Sie wirkt höchstens noch komisch. ({29})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Oostergetelo.

Jan Oostergetelo (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001650, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich, feststellen zu können, daß in diesem Jahr alle richtig gerechnet haben. Der Taschenrechner des Herrn Kollegen Bayha nennt wohl dieselben Zahlen, die auch der amtliche Agrarbericht ausweist. Hierfür verdienen alle, die an diesem umfangreichen Zahlenwerk beteiligt waren, unseren Dank. Daß Sie, Herr Kiechle und Herr Ritz und meine Damen und Herren von der Union, die Analyse und die Wertung des Zahlenwerks durch die Bundesregierung nicht teilen und nörglerisch sogar die vor allem witterungsbedingten Einkommensminderungen auf allen möglichen Wegen der Bundesregierung anlasten ({0}) oder anzulasten versuchen, ist Ihr gutes Recht oder halten Sie für Ihr gutes Recht. ({1}) Nur, meine Damen und Herren von den Unionsparteien, Sie gehen dabei das Risiko ein, mit Ihrer Jammerhaltung ({2}) weder von der Öffentlichkeit noch von den Bauern selbst ernstgenommen zu werden. Ich bin gern bereit, mit Ihnen in Versammlungen zu gehen. ({3}) Von München bis Hamburg, von Freiburg bis Kiel: Sie werden überall in den Dörfern zufriedene Bauern finden, ({4}) die nicht auf die Straße gehen. Unser Beruf ist wieder attraktiv geworden. Darüber sollten wir uns besonders im Hinblick auf unsere junge Generation freuen. ({5}) Was uns Landwirte bedrückt, ist nicht unsere Einkommenssituation, die sich nur in statistischen Zahlen ausdrückt, sondern die Streuung des Einkommens, die sogenannte Einkommensdisparität. Ohne Detailuntersuchungen anstellen zu wollen, muß man zugeben, daß der Einkommensunterschied mit 1 : 8,7 entschieden zu hoch ist. ({6}) Agrarpolitik bedeutet Politik für den ländlichen Raum und für alle Menschen. 1976 haben Sozialdemokraten in Dortmund gesagt: Die Sicherung der Lebensfähigkeit des ländlichen Raums bleibt fortdauernde Aufgabe unserer Politik. ({7}) Wir alle wollen eine leistungsstarke und anpassungsfähige Landwirtschaft - ich sage: wir alle -, weil sie die wichtigste Voraussetzung für eine sichere Versorgung der Verbraucher mit qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln zu angemessenen Preisen ist. Ein nur agrarisch strukturierter Raum ist von der Wirtschaftskraft her nicht lebensfähig und kann seine wichtigen gesellschaftlichen Funktionen nicht erfüllen. ({8}) Ich appelliere deshalb an die Regierungen von Bund und Ländern, ({9}) weiterhin ihre besondere Aufmerksamkeit dem ländlichen Raum zu widmen. Wir müssen einer Entleerung des ländlichen Raums durch die Schaffung möglichst gleichwertiger Lebensbedingungen entgegenwirken. ({10}) - Die alte CDU-These, Herr Kollege, lautete: Wer Bauer bleiben will, kann Bauer bleiben. Hier ist erstens die Verbesserung der sozialen Infrastruktur - ärztliche Versorgung, Sozialstationen usw. - zu nennen. Zweitens geht es um die Verbesserung der regionalen Wirtschafts- bzw. Erwerbsstruktur. Hier handelt es sich um den Abbau extremer regionaler Standortnachteile für Gewerbe- und Industriebetriebe durch Ausbau einer angemessenen technischen Infrastruktur. Ich nenne nur Wasser, Energie, Verkehrserschließung. Drittens kommt es auf die Anhebung des Ausbildungsangebots an, z. B. durch Schaffung überbetrieblicher Ausbildungsstätten. ({11}) Hier ist schon sehr viel Positives im Hinblick auf die Chancengleichheit unserer Kinder im ländlichen Raum geschehen. ({12}) Ein gesunder ländlicher Raum ist in seiner Sozialfunktion auch für Ballungsgebiete unentbehrlich. So gesehen ist unsere Agrarpolitik tatsächlich umfassender als die berufsständisch ausgerichtete der Opposition. ({13}) In der Agrarpolitik im engeren Sinne geht es zunächst um drei Problembereiche oder, wenn man so will, um drei Möglichkeiten: die Preispolitik, die Kulturpolitik, die Sozialpolitik; das gehört zusammen. ({14}) Die nationalen Regierungen haben in der Preispolitik nur begrenzten Einfluß. Aber, meine Damen und Herren, als Praktiker sage ich, daß es eine Einkommensgarantie nicht geben kann und nicht geben darf. ({15}) In einem auf Freiheit und Selbstverantwortung gegründeten System wie dem unseren - und das wollen wir doch wohl alle - führen Garantien für Wohlstand und Einkommen schließlich und endlich zur Unselbständigkeit. Das ist doch die zwangsweise Folge. ({16}) Das kann unsere Agrarpolitik nicht zulassen. Zu schlecht sind die Erfahrungen der Landwirtschaften im sogenannten Ostblock. Im übrigen, meine Damen und Herren, bin ich der Meinung, wir sollten nicht nur über Marktwirtschaft reden, sondern wir sollten auch bereit sein, Marktwirtschaft zu wagen. ({17}) In der Strukturpolitik wäre die Wiedereinführung des früheren Gießkannensystems ein Selbstbetrug. Das einzelbetriebliche Förderungsprogramm ist von der Anlage her redlich. Aber wir wollen und müssen gemeinsam darüber nachdenken, um noch bessere Aufstiegschancen für junge dynamische Landwirte zu erwirken. Besonders sollte den Betrieben geholfen werden, die nachweislich ohne Förderung einen rationellen Einsatz von Arbeit und Kapital nicht erzielen können. Damit wäre zu erreichen, daß die Wettbewerbskraft der einkommensschwächeren existenzfähigen Betriebe gegenüber einkommensstärkeren erhöht wird. Mit der Unterstützung der Nebenerwerbslandwirtschaft ist der Bedeutung auch dieser Betriebsform für die Entwicklung des ländlichen Raumes Rechnung getragen worden. Zur Sicherung und Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der landwirtschaftlichen Bevölkerung in den Berggebieten und in sonstig benachteiligten Gebieten kann auf eine direkte Einkommensübertragung oder auch auf eine Ausgleichszulage nicht verzichtet werden. Allerdings, so finde ich, wäre hier eine bessere Abgrenzung dringend vonnöten. Meine Damen und Herren, die Agrarsozialpolitik, die von der sozialliberalen Koalition erfolgreich vorangebracht worden ist, hat ein wirkungsvolles Auffangnetz für diejenigen geschaffen, die aus Alters- oder anderen Gründen aus der Landwirtschaft ausscheiden. ({18}) Sie hat eine Bereinigung überkommener Strukturen möglich und für die betroffenen Menschen tragbar gemacht. Das System der sozialen Sicherung hat die Bauern von der Angst vor Krankheit und vor dem Altwerden - jedenfalls aus materieller Sicht - befreit. ({19}) Ich gehe davon aus, daß man diese Freiheit nicht mit Sozialismus verwechselt. Wenn sie das ist, dann meinetwegen. Das berufsständische Sondersystem der sozialen Sicherung für Landwirte hat sich bewährt. Die hierfür verwendeten drei Milliarden DM sprechen eine eigene Sprache. Man kann die Segnungen in diesem Bereich gar nicht hoch genug einschätzen. Viele haben das am eigenen Leibe erfahren und sind dafür auch sehr dankbar. Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie können die Erfolge im ländlichen Bereich nicht wegdiskutieren. ({20}) Die Leistungen der sozialliberalen Regierung und die Leistungen von Minister Ertl sind allgemein anerkannt. Von 1969 bis 1978 ist im landwirtschaftlichen Bereich mehr getan worden als in jedem anderen Zeitraum, in dem Sie die Verantwortung trugen. ({21}) Das müssen Sie doch zugeben. Ich will das auch anders sagen, um mit Ihrem Vokabular zu sprechen: Es ist uns Bauern nie so wenig schlecht gegangen wie in den letzten Jahren, wenn Sie das lieber hören. ({22}) Unser aller Ziel sind, so hoffe ich, ein breit gestreutes Eigentum und eine leistungsfähige, sich selbst behauptende Landwirtschaft bäuerlicher Prägung. Wenn wir aber den Landwirten gerechtere Chancen für die Entwicklung ihrer Betriebe ermöglichen wollen, halten wir eine Reform des Pachtrechts sowie des landwirtschaftlichen Steuerrechts für dringend erforderlich. Bei dem krassen Unterschied zwischen Angebot und Nachfrage nach Aufstockungsflächen haben oft genug die kleineren und entwicklungsbedürftigen Betriebe das Nachsehen. Das derzeitige Grundstücksverkehrsrecht wird dieser Entwicklung nicht gerecht. ({23}) Das Einkommen' der Landwirtschaft - ({24}) -- Wir sind gern bereit zu diskutieren. ({25}) Aber wir brauchen doch nicht wieder durchzukauen, was wir im Ausschuß gemeinsam diskutiert haben. ({26}) Das Einkommen der Bandwirte muß nach gleichen Maßstäben festgestellt werden. Gerechtere Besteuerung bedeutet nicht, alle über einen Kamm zu scheren. ({27}) Es geht vielmehr um eine gleichmäßige Besteuerung gleicher landwirtschaftlicher Einkommenssituationen. Der Grundsatz einer möglichst gerechten Besteuerung läßt sich mit der bisherigen Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen einfach nicht verwirklichen. Das hat jedenfalls das Gutachten der unabhängigen Sachverständigenkommission überzeugend dargetan. Dabei. bin ich mir bewußt, daß die Note „gerecht" wie immer im Bereich menschlichen Lebens nur sehr relativ gesehen werden darf. Wir Agrarpolitiker sollten gemeinsam mit der Bundesregierung auf der Basis des Steuergutachtens nach Lösungen suchen, um in der Landwirtschaft mehr Gerechtigkeit zu schaffen. ({28}) - Hier gilt es, keine Verzögerungstaktik zu betreiben und nicht auszuweichen, sondern hier muß gehandelt werden. ({29}) Das sind wir unserer Gesellschaft, unseren Bauern und unserer Verfassung schuldig. Dies habe ich mir heute bei der Grünen Debatte zu erwähnen erlaubt, weil ich der Meinung bin, daß es unsere Pflicht ist, untereinander und mit anderen Berufsgruppen Solidarität zu üben, und .weil es uns guttut, über unseren eigenen Kuhstall hinauszuschauen. ({30})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat Herr Abgeordneter Susset.

Egon Susset (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister Matthöfer hat sich zur Besteuerung der Landwirtschaft geäußert. Herr Kollege Oostergetelo hat gerade ebenfalls etwas dazu gesagt. Ich freue mich, Herr Minister Matthöfer, daß Sie sich mit Herrn Minister Ertl geeinigt haben oder einigen werden. Ich möchte jedoch vorschlagen, daß diese Einigung als Basis die seitherige Meinung des Herrn Ministers Ertl nimmt. Das heißt für Sie, Herr Minister Matthöfer, daß Sie von der seitherigen Meinung Ihres Amtsvorgängers Apel abgehen müssen; sonst ist die Einigung nicht möglich. ({0}) Von den Kollegen Müller, Paintner und jetzt auch von Herrn Kollegen Oostergetelo, also seitens der Koalitionsfraktionen, sind heute Ausführungen zur Strukturpolitik gemacht worden. Für uns alle ist klar, daß bezüglich der Strukturpolitik das Ausscheiden aus der Landwirtschaft auch für jene, die es wollen. einfach unmöglich ist. Aus diesem Grund müssen wir natürlich die Agrarpolitik auf Grund der veränderten Rahmenbedingungen in der Zukunft anders sehen. ({1}) Sie haben einen Entschließungsantrag meiner Fraktion vor sich liegen, den wir zum Schluß der Debatte zur Abstimmung stellen. ({2}) -- Über eine Überweisung wird doch auch abgestimmt. - In dem Antrag ist zunächst einmal davon die Rede, daß die Preisanhebungen, wie sie in Brüssel vorgesehen sind, für die deutsche Landwirtschaft unzumutbar sind, weil sie nicht einmal eine Anhebung der Preise, wie sie die Inflationsrate notwendig machen würde, vorsehen. Wir bitten in dem Entschließungsantrag auch darum, daß die im. Zuge der Preisverhandlungen vorgesehene Abbauautomatik des Grenzausgleichs nicht beschlossen wird. Wir sind der Meinung, daß der Grenzausgleich als währungspolitisches Ausgleichsinstrument auch in der Zukunft erforderlich ist, solange es keine gemeinsame Währungs- und Wirtschaftspolitik gibt. Vor allen Dingen sollte in der Öffentlichkeit der Eindruck verwischt werden, als ob die Agrarpolitik ständig neue Probleme schaffe. Nicht die Agrarpolitik schafft neue Probleme, sondern die Nichtharmonisierung der Währungen schafft immer neue Probleme für die Agrarwirtschaft. ({3}) Deshalb kann hier das, was vorgesehen ist, nicht durchgesetzt werden. Wir sind uns mit Ihnen, Herr Minister Ertl, darin einig, daß der Verordnungsperfektionismus in Brüssel nicht so weitergehen darf. Lassen Sie mich eine Anmerkung zu einer EG-Verordnung machen, die das Weinrecht anlangt. Ich möchte bitten, daß der Streit zwischen BML und Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit bezüglich der EG-Verordnung 2133, was die bezeichnungsrechtlichen Richtlinien des Weinrechts anlangt, doch einmal ausgetragen wird. In unserer Entschließung nehmen wir auch zu den Problemen des Milchmarktes Stellung. Wir bitten die Bundesregierung, dafür einzutreten, daß die Prämienregelung zur Verringerung des Milchviehbestandes über den 31. März 1978 hinaus durchgesetzt wird, weil sie bisher keine Erfolge zeitigte. Wir möchten, daß die Bundesregierung dafür eintritt, daß eine zweite Buttersorte kontinuierlich zur Verfügung steht. Die Weihnachtsbutter-Aktion hat bewiesen, -daß hierfür ein Markt vorhanden ist. Das wäre auch eine Maßnahme, für die der Steuerzahler und der Verbraucher zu Recht mehr Verständnis aufbringen würden, als für Buttergeschäfte mit der Sowjetunion und anderen Ostblock-Staaten, wie im Verlauf der letzten Jahre immer wieder praktiziert. In unserem Entschließungsantrag fordern wir weiterhin, das Verfahren zur Verbilligung von Magermilchpulver und flüssiger Magermilch so zu vereinfachen, daß die Verwendung dieser Futtermittel nicht an bürokratischen Hemmnissen scheitert. Schon seit 1977 wird die Mitverantwortungsabgabe für die abgelieferte Milch zu Lasten der Landwirtschaft erhoben. Dieser Beitrag wurde eingeführt, um Erzeugung und Verbrauch einander schrittweise anzupassen. In dem Entschließungsantrag fordern wir die Bundesregierung auch auf, dafür einzutreten, daß diese Mittel in voller Höhe zur Förderung von Absatzmaßnahmen und zur Erforschung neuer Absatzmöglichkeiten für Milchprodukte eingesetzt werden. Ein weiterer Punkt unserer Entschließung befaßt sich mit dem Problem der Einführung einer Hinterbliebenenrente für Witwen landwirtschaftlicher Unternehmer. Wir sind der Meinung, daß es das Ziel der modernen Sozialpolitik ist, eine möglichst umfassende Vorsorge zu treffen. Dies muß dann natürlich auch für den agrarsozialen Bereich gelten. Meine Fraktion hat deswegen einen Gesetzentwurf eingebracht, in dem vorgesehen ist, daß Witwen landwirtschaftlicher Unternehmer mit mindestens einem Kind oder nach Vollendung des 45. Lebensjahres vom Januar 1978 an ein Witwengeld von 265 DM monatlich erhalten sollten. Diese Initiative, die wir im Ernährungsausschuß angekündigt haben, wurde im Ausschuß - zunächst einmal am 9. November 1977 - von den Koalitionsfraktionen abgelehnt. Deshalb fordern wir nun, daß im Haushalt 1979 entsprechende Mittel für diese Maßnahme eingesetzt werden. ({4}) Seitens der Koalitionsfraktionen wurde ein Prüfungsauftrag an die Regierung gegeben. Wir sind der Meinung, daß schon viel zu lange geprüft wurde. Die Zeit der Prüfung müßte vorbei sein. Wir haben schon seit Jahren in unseren Entschließungsanträgen auf dieses Problem hingewiesen. ({5}) Wir haben jedoch kein Verständnis dafür, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn die Einführung der Witwenrente in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Bundesverfassungsgerichtsurteil zur Reform der Alterssicherung der Frau, die bis zum Jahre 1984 notwendig wird, gebracht wird, was Herr Minister Ehrenberg und auch der Abgeordnete Wimmer am 15. Dezember bei der Einbringung unseres Gesetzentwurfes hier getan haben. Wir meinen, wenn hier die Regierungskoalition nicht will, kann nicht das Bundesverfassungsgericht dafür schuldig gesprochen werden, wenn diese Regelung nicht kommt. ({6}) Ich bin Ihnen dankbar, Herr Minister Ertl, daß Sie bei der Einbringung des Agrarberichts doch zum Ausdruck gebracht haben, daß die Witwenrente früher als im Jahre 1984 eingeführt werden müsse. ({7}) Deshalb unsere Bitte: Einigen Sie sich in den Koalitionsfraktionen. Wenn es diese Möglichkeit nicht gibt, gibt es doch auch noch andere Mehrheitsmöglichkeiten in diesem Hause. ({8}) Wir fordern in unserem Entschließungsantrag weiter, daß das zwischen Bundesminister Ertl und den Länderagrarministern in Bad Zwischenahn vereinbarte Agrarkreditprogramm eingeführt wird. Herr Kollege Müller hat gefragt, warum Bayern und Baden-Württemberg ein eigenes Programm eingeführt haben. Sie haben gehandelt, weil die Regierung und die Koalitionsfraktionen in dieser Frage handlungsunfähig waren. ({9}) Herr Minister Ertl wurde doch von Herrn Minister Apel und auch von den Koalitionsfraktionen in dieser Frage im Haushaltsausschuß hängengelassen. ({10}) Das ist doch die Wahrheit. Das hat mit dem jetzt nichts zu tun. Das muß hier deutlich gesagt werden. Dieses Agrarkreditprogramm muß kommen. Nun zur Förderschwelle, Herr Kollege Müller. Wie unsinnig die Förderschwelle ist, macht doch der Agrarbericht mit den eigenen Zahlen der Bundesregierung deutlich. Der Agrarbericht der Bundesregierung weist nach, daß das Durchschnittseinkommen im abgelaufenen Wirtschaftsjahr im Vergleich zum Vorjahr von 25 488 DM auf 21 969 DM zurückging, ein Einkommensrückgang um 3 915 DM. Die Förderschwelle, die für eine Förderung erreicht werden muß, wurde jedoch für das Jahr 1978 von 24 000 DM auf 25 300 DM angehoben. ({11}) Das ist doch Unsinn, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das heißt doch, daß die seither praktizierte einzelbetriebliche Förderung nicht einmal in dem Maße in der Zukunft weitergeführt werden kann, wie es in der Vergangenheit der Fall war. Wir, die CDU/CSU-Fraktion, machen durch den Entschließungsantrag deutlich, daß für uns Agrarpolitik keine Politik für eine Minderheit in unserer Gesellschaft, sondern Politik für die Gesamtgesellschaft ist. ({12}) Sie haben die Möglichkeit, bei den Beratungen in den Ausschüssen mit dem, was wir in unserem Entschließungsantrag vorgelegt haben, die Möglichkeit für eine bessere Agrarpolitik in der Zukunft einzuleiten. ({13})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Abgeordnete Bayha.

Richard Bayha (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000120, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gehe davon aus, daß Sie den Agrar6020 bericht 1978, aber auch die vergangenen Agrarberichte, insbesondere den letzten, sehr sorgfältig gelesen und studiert haben. Stellen Sie sich einmal vor, wenn beispielsweise - Herr Oostergetelo hat darauf hingewiesen - mein Taschenrechner im letzten Jahr genauso gut funktioniert hätte wie der Computer des Ministeriums, wäre im letzten Jahr wahrscheinlich unwidersprochen das Gesamteinkommen der deutschen Landwirtschaft um über 1 Milliarde DM - gleich 6 % - zu hoch ausgewiesen worden. Es war ein ziemlich blamabler Vorgang für dieses Ministerium, daß dieses berichtigt werden mußte. ({0}) - Ja, ich meine doch, daß darauf hingewiesen werden muß; denn wir kommen noch zu einer anderen Sache, die auch auf Fehler des Grünen Berichts zurückzuführen ist. Damit wären wir z. B. schon bei der Steuer. Es gab im letzten Jahr noch einen zweiten gravierenden Fehler im Grünen Bericht, nämlich die falsche Ausweisung der steuerlichen Leistungen der deutschen Landwirtschaft. Hier wurden z. B. in manchen Betriebszweigen die steuerlichen Leistungen bis zu 800 % zu niedrig ausgewiesen. Erst dadurch kam die Steuerdiskussion im Zusammenhang mit den Landwirten überhaupt in Gang. ({1}) In diesem Jahr sind, so hoffe ich, solche Fehler im Agrarbericht nicht enthalten. Was mir aber besonders auffiel, ist die nüchterne, nach meiner Auffassung auch zutreffende Analyse, die der Bundesernährungsminister in dem Agrarbericht auf Seite 4 selbst gegeben hat. Sie enthüllt nämlich in erschreckender Weise - das muß man schon sagen - die wirtschaftliche Situation in der Bundesrepublik Deutschland. Ich möchte einmal zitieren, was ganz zu Beginn dieses Berichts steht: Bedingt durch das verminderte Wirtschaftswachstum und die relativ ungünstige außerlandwirtschaftliche Beschäftigungslage haben sich für die landwirtschaftlichen Arbeitskräfte die Chancen verringert, in einen nichtlandwirtschaftlichen Beruf abzuwandern oder das landwirtschaftliche Einkommen im Zuerwerb zu ergänzen. Dadurch ist insbesondere in den dünnbesiedelten, peripheren ländlichen Räumen die Anpassung der Landwirtschaft an veränderte technische, ökonomische und soziale Bedingungen erschwert. Auf Grund des knapper werdenden Pachtlandangebots können im Gegensatz zu früheren Jahren nur noch in geringerem Umfang durch Flächenaufstockung Einkommensverbesserungen erzielt werden. Darüber hinaus sind die Möglichkeiten für innerbetriebliche Aufstockungen durch die Ausweitung der Tierbestände aus marktpolitischer Sicht insgesamt beschränkt. Dem preispolitischen Spielraum sind auf Grund der Ungleichgewichte auf einzelnen wichtigen Agrarmärkten Grenzen gesetzt. Dieser Abschnitt auf einer der vordersten Seiten des Agrarberichtes ist doch in Wirklichkeit eine vernichtende Kritik des Bundeslandwirtschaftsministers Ertl an der eigenen Regierung. Mit anderen Worten: Er gibt ganz offen und direkt zu, daß wirtschaftlich. der Karren so tief im Dreck steckt, daß man gar nicht mehr recht weiß, wie er eigentlich wieder herausgeholt werden kann. ({2}) Hohe Inflationsraten zu Beginn der 70er Jahre; geringes volkswirtschaftliches Wachstum, nachlassendes reales Einkommen breiter Bevölkerungsschichten - das sind doch die Negativposten, die die Agrarpolitik heute vor schier unlösbare Probleme stellen. 1971 betrug die reale Zuwachsrate des Masseneinkommens noch 9,5 °/o; 1977 ist sie auf 2,6 % abgesunken. Im letzten Jahr hatten wir einen Tiefstand; da ist das Masseneinkommen nur noch um 0,3 % gestiegen. Für die Landwirtschaft ist diese Entwicklung von außerordentlich großer Bedeutung. Einer großen Zahl privater Haushalte stehen geringe Zuwächse an Einkommen zur Verfügung. Als Folge hiervon verschärft sich die Konkurrenz der verschiedensten Güter und Dienstleistungen, nämlich im Hinblick auf die schwachen Zuwachsraten. Mit anderen Worten: Butter und Fleisch konkurrieren verschärft mit dem Absatz von Fernsehapparaten, Reisen und ähnlichen Dingen. Die Zuwachsraten im Pro-Kopf-Verbrauch an veredelten Nahrungsmitteln sind nur noch sehr gering gestiegen bzw. sie stagnieren. Wie gefährlich eine solche sich anbahnende Entwicklung ist, läßt sich an der Tatsache ablesen, daß von 1974 bis 1977 das Volumen der Verkäufe der deutschen Landwirtschaft fast stagnierte. Im Zeitraum von 1970 bis 1975 hingegen hat die jährliche durchschnittliche Zuwachsrate des Verkaufvolumens bei rund 6,8 % gelegen. Ich meine, daß es auch im Interesse der Landwirtschaft liegt, die gesamtwirtschaftliche Entwicklung endlich wieder zum besseren zu kehren. Die Politik muß endlich dafür sorgen, daß wir wieder ein angemessenes Wachstum haben, ({3}) daß die Arbeitslosenzahl verringert wird, daß die Wirtschaft wieder investiert und daß Arbeitsplätze geschaffen werden. Das ist eine Aufgabe der Gesamtpolitik, und ich sage freimütig: Kein noch so guter Landwirtschaftsminister wird mit Mitteln der Agrarpolitik allein in der Lage sein, diese aufgezeigten Strömungen, die ich ja nur ganz kurz skizzieren konnte, im Gesamtgefüge der Volkswirtschaft so zu beeinflussen, daß dabei für die Landwirtschaft etwas Positives herauskommt. ({4}) Dies gilt auch für die Strukturpolitik. Ziel der Agrarstrukturpolitik war es bisher vor allem, den entwicklungsfähigen Betrieb innerhalb der sogenannten Förderschwelle zu unterstützen. Im Zusammenhang mit der veränderten Gesamtwirtschaftslage muß die Agrarstrukturpolitik - so meine ich, und so meinen wir jedenfalls - nunmehr einer ordentlichen Überprüfung unterzogen werden. Die schlechte Arbeitsmarktlage in unserem Land als Ergebnis geringen Wirtschaftswachstums, als Späterscheinung der hohen Inflationsraten vergangener Jahre, hat zu einem erheblichen Nachlassen des Strukturwandels in der Landwirtschaft geführt. Das kann man überhaupt nicht bestreiten, auch Sie nicht, Herr Kollege Müller. Die Abwanderungsraten aus der Landwirtschaft von früher 4 °/o sind in den letzten zwei Jahren auf unter 1 °/o gesunken, und sie tendieren zur Zeit gen Null. Es mangelt an außerlandwirtschaftlichen Beschäftigungsalternativen. Die Folge dieser Stagnation im Strukturwandel der Landwirtschaft ist eine äußerst geringe Zunahme der Arbeitsproduktivität in den letzten Jahren, und in diesem Jahr haben wir sogar einen Rückgang zu verzeichnen. Einer der wichtigsten Motoren landwirtschaftlichen Einkommens ist damit zum Stillstand gekommen. Die Konsequenz ist: Das einzelbetriebliche Förderungsprogramm muß dahin gehend geändert werden, daß auch kleinere landwirtschaftliche Betriebe die Möglichkeit erhalten, staatliche Förderungsmittel wie z. B. öffentliche Darlehen in Anspruch zu nehmen. Es kann einfach nicht als vernünftig angesehen werden, kleineren landwirtschaftlichen Betrieben die einzelbetriebliche Förderung vorzuenthalten, wenn andererseits keine Beschäftigungsalternative zur Verfügung steht. ({5}) Meine Damen und Herren, der Weg, den Herr Bundesernährungsminister Ertl zugelassen hat, indem er die Förderungsschwelle von 24 000 DM auf 25 300 DM anheben ließ, geht genau in die falsche Richtung. Bedenken Sie doch einmal: Das Durchschnittseinkommen wird im diesjährigen Grünen Bericht mit 21 969 DM ausgewiesen, und die Förderschwelle für einen landwirtschaftlichen Betrieb liegt bei 25 300 DM. Das heißt also, rund 3 300 DM darüber. Die Konsequenz lautet: Der durchschnittliche landwirtschaftliche Betrieb in der Bundesrepublik Deutschland kann nach den derzeit geltenden Richtlinien bei uns überhaupt nicht mehr gefördert werden. Ich frage Sie, meine Herren von der SPD: Wo ist denn da eigentlich noch die soziale Gerechtigkeit zu sehen? ({6}) Ich sehe es als höchst bedenklich an, daß der zwischen dem Bundeslandwirtschaftsminister und den Agrarministern bereits vereinbarte Agrarkredit zugunsten kleinerer landwirtschaftlicher Betriebe gescheitert ist. ({7})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Ich möchte die Damen und Herren bitten, sich so zu unterhalten, daß der Redner verständlich bleibt.

Richard Bayha (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000120, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, es bleibt dabei, daß weiterhin die kleinen Betriebe von der Investitionsförderung ausgeschlossen sind. Die kleinen landwirtschaftlichen Betriebe können nicht mithalten. Der von der Kreditanstalt für Wiederaufbau angebotene Kredit mit einem Zinssatz von 6 % ist doch keine Alternative, Herr Bundesminister Ertl, für den gescheiterten Agrarkredit, sondern doch eher eine etwas blamable Verlegenheitslösung. Ihre eigene Hausbank bietet doch die Kredite bereits günstiger an. Gestern wurde uns von der Landwirtschaftlichen Rentenbank ein Prospekt zugestellt, in dem Kredite zu 5,5 % angeboten werden. Was sollen wir da mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau? Herr Minister Ertl, ich meine, in dem von uns aufgezeigten Sinn und in die Volkswirtschaft insgesamt hineingestellt sollte künftig Agrarpolitik betrieben werden. Dabei werden wir Sie unterstützen. ({0})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Peters.

Walter Peters (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001697, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Trotz der Klagelieder, die hier von der Union angestimmt werden, ist es so, wenn man es real betrachtet: Die Lage der Landwirtschaft war noch nie so günstig wie in den letzten Jahren. ({0}) Das beweisen die starken Investitionen in der Landwirtschaft. ({1}) - Herr Kollege, vielleicht lassen Sie mich die zehn Minuten, die ich habe, ausreden. Ich würde sonst gerne auf Ihre Zwischenrufe eingehen, aber das ist bei dieser Zeiteinteilung, wie gesagt, nicht möglich. Das, glaube ich, muß man einsehen. - Das beweisen auch die allgemeine Zufriedenheit in der Landwirtschaft und der nicht unerhebliche Zugang junger Menschen in den landwirtschaftlichen Beruf. Unbestritten ist die schwierige Lage derjenigen Betriebe, die im Sommer 1976 von der Dürre stark betroffen wurden. Die Landwirtschaft weiß, daß ihre Erzeugerpreise in Zukunft nur langsam steigen werden. Bei geringer Kostensteigerung, bei einer Inflationsrate von 3 0/o ist das - ich will es aussprechen - tragbar. ({2}) Außerdem ist es so, daß weder in den EG-Agrarpreisverhandlungen noch über den Markt beim Verbraucher, zumindest nicht bei Veredelungsprodukten, höhere Preise durchsetzbar sind. Das, glaube ich, sollten wir hier einmal bekennen. Der Deutsche Bauernverband erhebt die maßvolle Forderung, die EG-Preise in der Höhe der Inflationsrate anzuheben. Daneben strebt der Verband an, daß die Marktordnungen nicht ausgehöhlt werden und der Grenzausgleich erhalten bleibt. Peters ({3}) Die FDP unterstützt sachliche Forderungen, gibt aber zu bedenken, wie sich diese Stellungnahme des Verbands zum Währungsausgleich und zum Komplex der Marktordnungen mit der Entschließung der COPA vom 13. Januar 1977 auf einen Nenner bringen läßt, die lautet: COPA akzeptiert das Prinzip, daß die zum Zeitpunkt der Einführung des Vorschlags bestehenden Währungsausgleichsbeträge schrittweise auf Jahresbasis über einen Zeitraum von sieben Jahren abgebaut werden sollten, sofern dieser Abbau sich nicht in einem nominellen Rückgang der Agrarpreise niederschlägt und keine negativen Auswirkungen auf das landwirtschaftliche Einkommen hat. Wenn der Nebensatz zutreffen würde, könnte also abgebaut werden. Ich bin aber der Meinung, daß nicht abgebaut werden kann. Es ist wohl auch nicht ganz sachlich, meine sehr verehrten Damen und Herren, ({4}) wenn der Bauernverband von der Regierung verlangt, den systematischen Abbau zu verhindern, während COPA einem solchen System zustimmt. ({5}) - Darüber hätte ich gern eine Auskunft von dem nächsten Redner gehabt. Das ist zeitlich günstiger, als wenn Sie einen Zwischenruf machen. ({6}) Wir haben immer den Standpunkt vertreten, daß es unumgänglich ist, daß Partnerländer mit starker Preissteigerungsrate eine stärkere Erhöhung der Agrarpreise benötigen als Länder mit stabilen Währungen. Das sollte über Veränderungen der grünen Währung in Inflationsländern und über leichte Preiserhöhungsabschläge bei Ländern mit stabiler Währung in den Preisverhandlungen erfolgen, jedoch nicht über einen systematischen Abbau des Grenzausgleichs. Die CDU/CSU geht, wie wir vernommen haben, bei dem Problem der Novellierung der Einkommensbesteuerung der Landwirtschaft wie die Katze um den heißen Brei herum. Alle politischen Kräfte sollten sich dazu bekennen, daß in der Landwirtschaft Steuergerechtigkeit angestrebt wird, wie es auch der Bauernverband verlangt. Außerdem sollten Politiker anstreben, daß auch die steuerliche Gleichstellung im Verhältnis zum Lohnsteuerzahler erreicht wird. ({7}) Ich habe diese Forderung schon anläßlich des vorjährigen Agrarberichts erhoben. Es ist gewiß noch zu früh, kurz nach Vorliegen des Gutachtens der Professoren, heute mit einem kompletten Steueränderungsvorschlag zu kommen. Klar sollte jedoch sein, daß Betriebe, die heute nahe unterhalb der Buchführungspflicht liegen und nach Durchschnittssätzen, also nach § 13 a Einkommensteuergesetz, besteuert werden, künftig normal besteuert werden. Für die große Zahl der Neben-, Zuerwerbs- und der kleineren Haupterwerbsbetriebe wird wegen der Praktikabilität nach meiner Auffassung nur ein verändertes System der Durchschnittsbesteuerung anwendbar sein. ({8}) Damit würden dann auch die Ungerechtigkeiten zwischen einzelnen Landwirten und anderen Berufsgruppen bei Transferleistungen, wie den Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz und dem Wohngeld, beseitigt werden. ({9}) Die Landwirtschaft hat selber das größte Interesse daran, daß dieses Problem im Zusammenleben in den Dörfern geregelt wird. ({10}) Die deutsche Landwirtschaft ist mit den Hilfen zur Verbesserung der Agrarstruktur, dem Dorferneuerungsprogramm und mit dem vierjährigen 16- Milliarden-Programm gut gefahren. Sie hat diese Hilfen angenommen. Sie wird durch das 400-Millionen-Programm aus ERP-Mitteln weitere Investitionsmöglichkeiten erhalten. Bedeutsam ist, daß die Landwirtschaft durch dieses Programm generell in die Mittelstandsförderung einbezogen wird, selbstverständlich immer nur für ein Jahr, wie es auch im gewerblichen Bereich üblich ist. Herr Schmitz, das ist an Ihre Adresse gerichtet, wegen Ihrer - so möchte ich es einmal sagen - leicht irreführenden Erklärung. ({11}) Daneben bleiben Aufstiegshilfen, Überbrückungshilfe und Wohnhausbauprogramm in der Gemeinschaftsaufgabe des Bundes und der Länder erhalten. Diese ERP-Kredite in Höhe von 400 Millionen DM sind also eine zusätzliche Maßnahme. Eine bedeutende Leistung dieser Koalition war und ist die starke Mittelaufstockung in der Agrarsozialpolitik in den Jahren von 1969 bis 1979 von 900 Millionen DM auf über 3 Milliarden DM. In dieser Wahlperiode wird eine Rente für jüngere Witwen gesetzlich verankert werden. Zusammenfassend stelle ich fest, daß die Landwirtschaft mit der Arbeit dieser Koalition aus SPD und FDP und mit dem Bundesernährungsminister Ertl gut gefahren ist. ({12})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rainer.

Alois Rainer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001769, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich in dieser Agrardebatte einem Thema zuwenden, das die Bauern mit Recht mit Zorn und Sorge erfüllt. Ich treffe gleich eine Feststellung: Wir von der CDU/CSU singen keine Klagelieder, ({0}) sondern unsere Reden, die bisher gehalten worden sind, gründen auf Feststellungen. Ich möchte auch nicht über Einkommensfragen sprechen, sondern ein Thema behandeln, worüber heute noch nicht gesprochen worden ist. ({1}) Fast täglich müssen wir es erleben, daß die Landwirte auf den Gebieten des Umweltschutzes, des Naturschutzes und des Tierschutzes heftigen Angriffen ausgesetzt sind. ({2}) Ich werde das gleich beweisen. Solange die Erörterungen zu Fragen der Ökologie im Zusammenhang mit der Landbewirtschaftung sachlich geführt werden, wird kein Bauer auch nur das geringste dagegen einzuwenden haben. ({3}) Die Diskussionen in der Öffentlichkeit werden aber vielfach nicht mit der genügenden Sorgfalt und Objektivität angelegt. ({4}) Vielmehr müssen wir feststellen, ({5}) daß sensationelle Schlagzeilen über die angeblich schädliche Rolle der Landwirtschaft im Zusammenhang mit der Ökologie mehr Beachtung finden als die große Bedeutung der Land- und Forstwirtschaft für die Erhaltung einer gesunden Umwelt. ({6}) Bedauerlich ist, daß in der Öffentlichkeit häufig die unqualifizierten Ansichten einiger - ich drücke mich als Niederbayer sehr vorsichtig aus - Halbgebildeter, Halbgelernter ({7}) - andere sagen sogar: Spinner ({8}) weite Verbreitung finden. Ich will Ihnen hierzu nur ein Beispiel nennen und Ihnen von etwas berichten, was in der letzten Zeit unter dem Titel „Krebsgefährdung durch unsere Nahrungsmittel" veröffentlicht worden ist. Der Inhalt dieser Veröffentlichung hat vom wissenschaftlichen Gehalt her überhaupt keine Bedeutung. Der Artikel ist aber dazu geeignet, die Bevölkerung in die Irre zu führen und Haßgefühle gegen die Landwirtschaft zu wecken. ({9}) Einer solchen Diskriminierung der Bauern und Landwirte und einer solchen Verunsicherung der Verbraucher muß energisch widersprochen werden. ({10}) Dann gibt es noch eine Reihe von sonstigen Weltverbesserern, die glauben gegen die Anwendung von Mineraldüngern und Pflanzenschutzmitteln mit gehässigen, unhaltbaren Behauptungen vorgehen zu müssen. In Bayern hat sich vor noch nicht so langer Zeit ein namhafter Vertreter des biologisch-dynamischen Landbaus zu der Ansicht verstiegen, daß die Landwirtschaft einen katastrophalen Giftkampf betreibe. Solche Äußerungen sind von Haus aus absurd; dazu brauche ich keinen Beleg anzuführen. Ich meine, solchen Sektierern muß entgegengetreten werden. Würde sich die Landwirtschaft nicht den wirtschaftlichen und technischen Fortschritt zunutze machen, müßten wir sicherlich unseren Lebensstandard nicht nach oben, sondern nach unten ändern. ({11}) Ich persönlich habe nichts dagegen, wenn es Menschen gibt, die beim Mondschein ihre Kartoffeln pflanzten ({12}) und auf die Anwendung von Mineraldünger verzichteten und glaubten, damit eine gute Ernte zu erzielen. ({13}) Nur kann und darf diese Verhaltensweise nicht Richtschnur für alle sein. Jetzt kommt folgendes. Dem Agrarbericht ist zu entnehmen, daß die Bundesregierung - Herr Bundesminister Ertl - eine Überdüngungsverordnung - damit ist das Bundesinnenministerium beauftragt worden ({14}) sowie eine Ausbringungsverordnung plant. Ich muß schon fragen: Was wird es in der Zukunft noch alles für die Bauern geben? ({15}) Ich persönlich habe Verständnis dafür, daß ein Bundesminister mit dem Grundgesetz unter dem Arm durch die Lande zieht, weil er das braucht. Wenn aber ein Bauer mit einem Paragraphenschmöker unter dem Arm seinen Dung ausbringen muß, dann habe ich dafür kein Verständnis. ({16}) Darüber hinaus gibt es noch eine ganze Reihe von Anforderungen. Ich habe hier z. B. den grünen Prospekt des Deutschen Alpenvereins bei mir, aus dem hervorgeht, was er mit seinen Grünlandplänen noch alles erreichen will. Ich sage Ihnen: Es wird am Ende so weit kommen, daß jemand, der einen Fußtritt wagt, eine Verordnung bei sich haben muß, aus der hervorgeht, ob er das darf. Und am Ende wird es mit einer freien Landwirtschaft aus sein. Das muß dazu gesagt werden. ({17}) Unerträglich sind auch die Forderungen einiger Bürger auf dem Gebiet des Tierschutzes. Diese Zeitgenossen ({18}) tun bewußt so, als seien die Landwirte lediglich darauf aus, ihre Tiere, die ihr eigen sind, ihr Besitz sind, zu quälen. Ein Hamburger Rechtsanwalt tut sich da meiner Meinung nach bei der Verunglimpfung der Landwirtschaft, der Landwirte, der Bauern besonders hervor. Die Bauern, die sich bisher eine vernünftige Einstellung zum Tier erhalten haben, wissen doch sehr gut und genau, was man für Tiere zu tun hat, wenn man sie halten will; selbstverständlich füttert und pflegt man sie. Das tut jeder Landwirt im ureigensten Interesse. ({19}) Wie sonst wären die Erfolge bei Zucht und Mast bei uns vorhanden? ({20}) Wenn es wirklich Auswüchse geben sollte, wie es sie unter Menschen immer geben kann, dann bietet das Tierschutzgesetz eine wirklich ausreichende Handhabe. Ich möchte noch einen Punkt ansprechen, die bau rechtlichen Bestimmungen im Zusammenhang mit der Immissionsschutzgesetzgebung. Wenn ein Bauer heutzutage einen Stall bauen will oder bauen muß, weil der alte zusammenfällt, hat er nicht bloß die Landbauordnung zu beachten, sondern eine Reihe von vielfältigen Auflagen und Bedingungen aus der Umweltgesetzgebung. Das tun die Bauern auch. Was hier aber getrieben wird, ist nicht bloß ein kleiner Perfektionismus, das ist schon ein erheblicher Überperfektionismus. ({21}) Nachdem der Bauer über 100 Einzelbestimmungen von der Abwasserbeseitigung bis zur Luftreinhaltung beachtet und viele Dinge erledigt hat, der Stall auch inzwischen errichtet worden ist, besteht immer noch die Gefahr, daß er vor den Kadi geschleppt wird, denn nicht immer gelingt es bei einem noch so modernen Schweinestall, den Geruch in so aromatische Wohlgerüche zu verwandeln, ({22}) daß er von der Masse angenommen wird, und es bleibt wieder jemand übrig, der sich beschwert, weil er sich von der Landwirtschaft belästigt fühlt. Ich meine, die Diskussion über das Verhältnis der Landwirtschaft zur Umwelt - wenn sie sich in den von mir vorerwähnten Formen abspielt - hat aus unserer Sicht auch einen starken gesellschaftspolitischen Bezug. Meine Freunde, ich will dabei niemand treffen. Man sagt „Ökologie" und meint Gesellschaftsveränderung, meint Systemveränderung. Dahinter ist auch etwas versteckt. ({23}) In den letzten Wochen hat der Innenausschuß des Deutschen Bundestages in einer Diskussion festgestellt, daß die von mir angesprochenen Sachverhalte so bestehen. Im Innenausschuß ist festgestellt worden, daß 150 gesetzliche Bestimmungen, 120 Verordnungen den Bürger einfach überfordern. ({24}) - Das hat der Innenausschuß in den vergangenen Wochen festgestellt, und er hat das Bundeskabinett beauftragt, nach der Sommerpause hier nach dem Rechten zu sehen. Über diese Sache ist im Agrarbericht sehr wenig zu lesen. Von seiten der CDU/ CSU wie auch von mir persönlich wird dies als sehr bedauerlich empfunden. ({25})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Noch bevor wir über den Weinbau gesprochen haben, sind wir schon in eine bessere Stimmung gekommen. Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Riede.

Dr. Paula Riede (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001838, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß zuerst den Herrn Präsidenten enttäuschen; denn ich werde heute nicht über den Wein, sondern über Verbraucherpolitik sprechen. ({0}) - Auch das gehört dazu. Eine wichtige Aufgabe der Verbraucherpolitik ist es, die Versorgung der Bevölkerung mit einem vielfältigen Angebot gesundheitlich unbedenklich und qualitativ hochwertiger Nahrungsgüter zu angemessenen Preisen zu sichern. Dabei wird vom Verbraucher ganz besonders die gesundheitliche Unbedenklichkeit gefordert. Der Apfelsinenskandal vor 14 Tagen hat gezeigt, wie schnell der Verbraucher reagiert, wenn angeblich gesundheitsschädliche Substanzen in Lebensmitteln festgestellt werden. ({1}) Nach Auskunft des Bundesgesundheitsministeriums wurden in der ganzen Bundesrepublik nur elf Fälle von mit Quecksilber versehenen Apfelsinen bekannt, und schon bricht der Apfelsinenhandel zusammen. Der Händler bleibt vielfach auf den Apfelsinen sitzen, und selbst Billigstangebote fanden kaum Käufer. Bei einer Umfrage über die erstrebenswerten Ziele des Menschen hat die Gesundheit den ersten Stellenwert erreicht. Dies muß auch in der Verbraucherpolitik weiterhin ernst genommen werden. Die Aussage im Agrarbericht, daß der gesundheitliche Wert der Nahrungsmittel heute in der Bundesrepublik durch umfangreiche Schutzbestimmungen wie kaum in einem anderen Land gesichert ist, ist nur glaubwürdig, wenn die Kontrollen so durchgeführt werden, daß die Verbraucher tatsächlich vor gesundheitsschädlichen Nahrungsmitteln geschützt sind. Sicherlich ist die Frage berechtigt - ich schließe hier an die Ausführungen von Herrn Kollegen Rainer an -, ob Pflanzenschutzmittel bei der Erzeugung von Obst und Gemüse nicht grundsätzlich verboten werden sollten. Beim jetzigen Stand der Forschung muß aber ganz deutlich festgestellt werden, daß Pflanzenschutz notwendig ist, um Qualität und Quantität der Nahrungsmittel zu steigern. Andernfalls wären erhebliche Produktionseinbußen und vor allem Preissteigerungen vom Verbraucher hinzunehmen. Geringfügige Rückstände von Pflanzenschutzmitteln auf Obst und Gemüse sind für den Verbraucher Frau Dr. Riede ({2}) ungefährlich; denn nach dem deutschen Lebensmittelgesetz darf nur ein Hundertstel der Menge von Pflanzenschutzmitteln .auf Nahrungsmitteln enthalten sein, die sich in langjährigen Tierversuchen als unschädlich erwiesen haben. Selbst beim Überschreiten von Toleranzen wird nie die Wirkung von Gift erreicht. Es soll auch nicht unerwähnt bleiben, daß 80 °/o aller in der Bundesrepublik erzeugten Nahrungsmittel völlig rückstandsfrei sind. ({3}) Nur 20 % enthalten meßbare Rückstände, und nur 1,5 % der erzeugten bundesdeutschen Nahrungsmittel kommen an die Toleranzgrenze heran bzw. überschreiten sie. Das bedeutet, daß von den einheimischen Erzeugnissen an Nahrungsmitteln keine Gefahr für die menschliche Gesundheit droht. ({4}) Anders ist die Situation bei Nahrungsmittelimporten. Im Ausland ist die Lebensmittelkontrolle nicht in jedem Fall so konsequent wie in der Bundesrepublik. Stichproben, die beim Überschreiten der deutschen Grenze gezogen werden, können keinen hundertprozentigen Schutz darstellen; aber aus personellen und deshalb finanziellen Gründen ist eine durchgängige Kontrolle nicht möglich. Wichtig ist jedoch die Art der Durchführung der Kontrolle. In Baden-Württemberg werden z. B. die an der deutsch-französischen Grenze gezogenen Proben schnellstens zur nahegelegenen Untersuchungsanstalt gebracht, um dort rasch analysiert zu werden. Ein perfekt aufeinander abgestimmtes Team steht bereit, das mit Hilfe modernster Geräte und Analysenmethoden in der Lage ist, innerhalb von vier bis viereinhalb Stunden 90 bis 95 verschiedene Wirkstoffe zu erkennen und quantitativ zu erfassen. Bei Feststellung der Überschreitung der zulässigen Höchstmenge wird die gesamte Ladung zurückgewiesen. Erst nach Vorliegen des Untersuchungsergebnisses wird nicht beanstandete Ware zum Verkauf freigegeben. Leider gibt es aber auch Bundesländer, die kein so hervorragend arbeitendes Untersuchungslabor an der Grenze haben. Dort dauert es wesentlich länger, bis Analysen vorliegen. So lange kann wegen der Leichtverderblichkeit Obst und Gemüse in der Regel nicht aufgehalten werden. Die Ware kommt dort vor Vorliegen der Analyse in den Handel und kann, sollten zu hohe Mengen an Rückständen festgestellt worden sein, nur schwer wieder aus dem Handel gezogen werden. Dem zuständigen Landesministerium bleibt nur die Möglichkeit, dem exportierenden Land die Untersuchungsergebnisse mit der Androhung mitzuteilen, im Wiederholungsfall die Ware zurückzuweisen. Ich bin deshalb sehr froh, daß im Agrarbericht 1978 zu lesen ist: Es wird angestrebt, die Überwachung insbesondere auch der importierten Nahrungsmittel zu verstärken. ({5}) - Aber hoheitlich vom Bund her. Das steht ja im Agrarbericht. ({6}) - Die Rahmenbedingungen kommen vom Bund. Auch die Ostblockländer, aus denen die Bundesrepublik große Mengen von Obst und Gemüse bezieht, haben Vorschriften, die in etwa der Höchstmengen-Verordnung im EG-Raum entsprechen. Allerdings sind die Toleranzwerte z. B. für die DDR und für die EG nicht deckungsgleich, sondern sie sind in der DDR teilweise erheblich höher als bei uns. ({7}) So darf in der DDR Obst und Gemüse noch in den Handel gebracht werden, wenn zehnmal so viel DDT-Rückstände nachgewiesen werden, als seither bei uns zulässig waren. ({8}) Nach dem Pflanzenschutzrecht - einer EG-Richtlinie vom 31 Januar 1977 - ist die Anwendung dieses Wirkstoffs in der Gemeinschaft sogar verboten. Trotz intensiver Bemühungen ist es mir nicht gelungen, Zahlen über Zurückweisungen von aus dem Ostblock importiertem Obst und Gemüse zu bekommen. Ich empfehle deshalb dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, auf die Kontrolle von Ostblockware ganz besonders zu achten. Der Verbraucher erwartet dies. ({9}) Der Verbraucher ist dank der Arbeit der verschiedenen Institutionen in der Verbraucheraufklärung mündiger geworden. Am 1. Januar 1978 wurden die vorhandenen Informationsdienste zusammengelegt und finanziell besser ausgestattet. Ich gehe davon aus, daß diese neue Organisation, die den Namen „AID" - Auswertungs- und Informationsdienst - trägt, den Verbrauchern und den Erzeugern noch effektiver dienen kann. Ich habe jedoch kein Verständnis dafür, daß ausgerechnet jetzt, nachdem die schwierige Prozedur der Zusammenlegung der Verbraucheranstalten, die zuvor selbständig gearbeitet hatten, vollzogen ist, eine neue Institution geschaffen werden soll: die Stiftung Verbraucherinstitut. In der Endausbaustufe sollen dort 18 bis 20 Planstellen für jährlich 3 Millionen DM besetzt werden. Mit diesem Institut soll keine neue Verbraucherorganisation geschaffen werden, sondern es soll von den bereits bestehenden Organisationen getragen werden. Warum überträgt man die Aufgaben, die dieses Institut wahrnehmen soll, nicht den bereits vorhandenen Organisationen, die sicher kostengünstiger arbeiten könnten? Die Stiftung Warentest in Berlin könnte diese neuen Aufgaben sicher bei weniger finanziellem Aufwand mit übernehmen, und am Standort Berlin würde sich nichts ändern. Ein Letztes. Sie rufen, Herr Bundesminister, die Bevölkerung auf, einen Vorrat geeigneter Lebensmittel für zwei bis drei Wochen anzulegen, damit in etwaigen Krisenzeiten die Ernährung der Bevölkerung wenigstens kurzfristig sichergestellt ist. Wir Frau Dr. Riede ({10}) sollten jedoch nicht außer acht lassen, daß es in der Bundesrepublik bereits einen Versorgungsnotstand anderer Art gibt: Vor allem im ländlichen Raum sind weite Gebiete ohne Lebensmittelgeschäft am Ort. Viele der sogenannten Tante-Emma-Läden sind dem Konkurrenzdruck zum Opfer gefallen. Leidtragende sind die alten Menschen und die sozial Schwachen, die nicht die Möglichkeit haben, im kilometerweit entfernten Supermarkt einzukaufen. Die rollenden Lebensmittelgeschäfte sind nur ein unzureichender Ersatz. Ihr Angebot ist verhältnismäßig schmal, und ihre Preise sind hoch. Wir sollten uns dringend einmal Gedanken darüber machen, wie dem Sterben der Einzelhandelsgeschäfte im ländlichen Raum Einhalt geboten werden kann. ({11}) Denn - und nun komme ich wieder zum ersten Satz meiner kurzen Ausführungen - eine wichtige Aufgabe der Verbraucherpolitik ist es, die Bevölkerung mit gesundheitlich unbedenklichen und qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln zu angemessenen Preisen zu versorgen. Ich bin bereit, bei der Lösung dieses schwierigen Problems mitzuwirken. ({12})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Herr Abgeordnete von Geldern.

Dr. Wolfgang Geldern (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000656, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Präsident, wenn Sie schon den Wein heute mittag nicht bekommen haben, so steht doch jetzt das Fisch-Gericht auf der Tagesordnung. Noch im Herbst 1975 hat die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion hinsichtlich der damals noch von Regierung wie Opposition als völkerrechtswidrig bezeichneten Ausdehnung der isländischen Fischereizone von zwölf auf fünfzig Seemeilen behauptet, sie habe eine umfassende Konzeption für die Fischwirtschaftspolitik ausgearbeitet, sie schenke der jüngsten Entwicklung der nationalen und internationalen Probleme der deutschen Seefischerei höchste Aufmerksamkeit. Angeregt durch die Dritte Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen ist aus der noch vor zweieinhalb Jahren für völkerrechtswidrig gehaltenen isländischen 50-Seemeilen-Zone eine weltweite Einführung von inzwischen völkerrechtlich hingenommenen 200-Seemeilen-Wirtschaftszonen mit ausschließlich nationaler Verfügung über Fischereirechte entstanden. Die Bundesregierung hat dieser Entwicklung nicht, wie sie behauptete, eine umfassende Konzeption für die Fischwirtschaftspolitik entgegengestellt, sondern ist von ihr - lavierend und reagierend - überrollt worden. Ich habe deshalb vor zehn Monaten von dieser Stelle aus Sie, Herr Minister Ertl, kritisiert, daß Sie angesichts der immer bedrohlicher werdenden Situation in Ihrer Einbringungsrede zum Agrarbericht 1977 nur vier allzu knappe und an den Problemen vorbeigehende Sätze zur Lage der Fischwirtschaft gesagt haben. Ich erkenne auch als eine Frucht dieser Kritik gerne an, daß Sie diesem für viele Tausende von Arbeitsplätzen, für die Verbraucher in der Bundesrepublik und damit für uns alle so wichtigen Bereich, der aus politischen Gründen in Not geraten ist, jetzt mehr Aufmerksamkeit zugewandt haben. Mir liegt gar nichts an einem Blick zurück im Zorn auf Versäumnisse und Konzeptionslosigkeit; mir liegt vielmehr daran, gemeinsam mit Ihnen Lösungen zu finden, die aus den Schwierigkeiten herausführen. Mit der Deutschen Angestelltengewerkschaft und dem Deutschen Gewerkschaftsbund und vor allem auch mit den unmittelbar für die Betroffenen sprechenden Land- und Seebetriebsräten bin ich darin einig, daß es an der deutschen Küste alternative Beschäftigungsmöglichkeiten nicht gibt. ({0}) Im wirtschaftsschwachen Küstenraum sind Arbeitsplätze nicht substituierbar. Es kommt hinzu, daß ein einmal eingeleiteter Kapazitätsabbau zu irreparablen Schäden führen muß. Die Fang-, Anlandungs-, Verarbeitungs- und Vermarktungskapazitäten, von denen eine ganze Region lebt, lassen sich, wenn sie einmal abgebaut sind, nicht wieder errichten. Wir unterstützen deshalb das Hilfsprogramm des Bundesmarktverbandes der Fischwirtschaft, das auf der Bereitschaft, den eigenen Beitrag der Wirtschaft zur Verbesserung der Marktsituation zu erhöhen, beruht, aber auch auf Stützungsmaßnahmen des Bundes abzielt. Ein wichtiges Hilfsmittel zur Einstellung des Marktes auf die Situation ist die Verbraucheraufklärung über neue Produkte. Der Etat der FIMA wird bisher ausschließlich von der Fischwirtschaft aufgebracht. Auch wenn dieser aus eigenen Mitteln der Wirtschaft vergrößert werden wird, kann daraus doch die jetzt notwendige Umstellung des Marktes nicht geleistet werden. Um den neuen Heringsfisch, der den wohlvertrauten Hering jedenfalls teilweise ersetzen soll, solange dieser sich in der Schonzeit des EG-Fangverbotes in der Nordsee befindet bzw. soweit er unerreichbar geworden ist, und andere neue Fischsorten den Verbrauchern nahezubringen, ist eine gezielte Aufklärungsarbeit erforderlich. Diese muß noch in diesem Jahr ganz unverzüglich begonnen werden und sich mindestens über einen Zeitraum von drei Jahren erstrecken. Die Fischereiforschung muß praxisnäher, gezielter und koordinierter Hilfestellung leisten. Es ist z. B. notwendig, die Verbesserung der Verarbeitungstechnologie zu fördern. Hier sollte es das ständige Gespräch zwischen der Wissenschaft und der Wirtschaft geben. Ganz besonders möchte ich die Bundesregierung bitten, sich der Kutterfischerei anzunehmen. Ich verweise namens der CDU/CSU-Bundestagsfraktion auf die vorliegenden Hilfsprogramme für die Kutterfischerei. Der Bundesrat hat sich einmütig dafür eingesetzt. Eine ganz besonders bedenkliche Entwicklung hat sich für die deutsche Kutterfischerei in der Ostsee vollzogen. Schweden, Polen und die DDR haben zum 1. Januar 1978 Fischereigrenzen eingeführt. Auch die Sowjetunion wird dies in Kürze tun. Die erst im Herbst 1977 erreichte Einigung der OstseeDr. von Geldern staaten über Fangquoten für die hauptsächlichen Fischarten ist damit hinfällig geworden. Dies trifft nicht nur die in der Ostsee sondern auch die in der Nordsee beheimateten Kutterfischer, die regelmäßig in der Ostsee gefischt haben. Dabei handelt es sich um Familienbetriebe, die weder das Kapital noch die Arbeitskräfte zur Verfügung haben, um auf die veränderte Lage flexibel reagieren zu können. ({1}) Diesen Familien die Lebensgrundlage zu erhalten muß oberstes Ziel sein. ({2}) Die verlorengegangenen Fanggebiete in der Ostsee müssen unseren Fischern wieder zugänglich gemacht werden. Wir brauchen ein Abkommen zwischen den Ostseeanrainern und der Europäischen Gemeinschaft. Damit bin ich bei dem leidigen Thema der europäischen Fischereipolitik. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung faßte das vor drei Tagen in die Schlagzeile „Europa - fischvergiftet". Die Folgen der britischen Forderung nach Sonderrechten in der 12- und darüber hinaus in einer 50-Seemeilen-Zone haben Sie, Herr Minister Ertl, als eine tiefe Krise bezeichnet, die auch auf den Gesamtzustand der Gemeinschaft nicht ohne Auswirkungen bleiben wird. Wir hoffen alle, daß die Gemeinschaft keinen Schaden nimmt. Wir haben aber auch keine Veranlassung, die egoistischen britischen Motive, so begründet diese aus einseitiger Sicht sein mögen, hinzunehmen. In Ihrer Einbringungsrede zum Agrarbericht 1978 haben Sie richtig ausgeführt, daß Gemeinschaft Geben und Nehmen bedeutet. Noch deutlicher haben es unsere Abgeordneten im Europäischen Parlament in Straßburg gesagt. Unsere Kollegen Klinker, Müller-Hermann und Jahn haben den Eindruck beschrieben, daß es Großbritannien mit Europa nicht ernst sei. Der holländische Regierungschef hat gesagt, England benehme sich nicht wie ein Mitgliedsland der Europäischen Gemeinschaft, sondern wie ein Land, das mit der EG erst noch verhandle. Entscheidend scheint mir der Satz des Kollegen Dr. Müller-Hermann zu sein: Was wir zu beklagen haben, ist der andauernde Zustand der Ungewißheit und die Blockierung aller Verhandlungen mit dritten Ländern. Am Beispiel der Entwicklung in der Ostsee habe ich das aufgezeigt. Die jetzt angelaufenen Drittlandsverhandlungen, ,die mit den Färöern und Norwegen bereits abgeschlossen sind, hätten viel früher erfolgen müssen. Ich habe die Bundesregierung zu fragen, ob sie wirklich alles getan hat, um auch aus nicht fischereigebundenen Bereichen der Wirtschaft und der Politik Druck zugunsten einer frühzeitigen, klaren und Großbritannien einschließenden Regelung der EG-Fangquoten und damit auch der Verhandlungsmöglichkeiten mit Drittländern auszuüben. Ich verhehle nicht, daß ich daran Zweifel hege. Wir haben erlebt, daß das für die technologische Zukunft so wichtige JET-Projekt nach Großbritannien gegangen ist. Wir haben Konzessionen bei der Neueinschätzung des Grünen Pfundes gemacht. Beide Gelegenheiten sind nicht genutzt worden, ein Entgegenkommen der Briten auf der Basis geltenden europäischen Rechts und des EG-Vertrags in den Fischereifragen zu erzwingen. ({3}) Dabei liegen nach wie vor vor den Küsten der Länder, die auch am EG-Meer interessiert sind, mit denen wir also in Verhandlungen treten mußten und müssen, im Nordatlantik unsere wirklichen Chancen für die Zukunft. Die Fernfischerei ist eine Möglichkeit, Fischfangkapazitäten der Hochseefischerei zu nutzen. Ob sie eine Möglichkeit zur Erhaltung von Arbeitsplätzen ist, erscheint mir dagegen mehr als fraglich. Die Abkommen mit fernen Ländern - das ArgentinienAbkommen ist ja vorgestern unterzeichnet worden - gestalten sich, wie gerade das Beispiel Argentinien zeigt, immer schwieriger. Wir müssen also unsere Chancen in Europa und von Europa ausgehend nicht nur deshalb nutzen, weil sie näherliegen, sondern vor allem deshalb, weil sie die besseren Chancen sind. In den europäischen Unterlagen ist nun sehr viel auch von den durch das EG-Meer aufgeworfenen technischen Fragen, vor allem von der Überwachung der Fänge, die Rede. Die wird sich schwierig gestalten. Aus diesem Grunde halte ich es für verfehlt - und ich möchte Sie, Herr Minister Ertl, besonders auffordern, diesen Punkt in Brüssel anzusprechen -, daß die biologisch destruktiven Fangmethoden der Dänen, denen immer noch zugestanden wird, daß 10 % ihres Beifangs aus dem wertvollen Hering bestehen, gestoppt werden. Es läßt sich schlechterdings nicht kontrollieren, ob der Fang um 10, 20 oder mehr Prozent aus Hering besteht, und diesen zu Fischmehl zu verarbeiten, ist rohstoffpolitisch nicht vertretbar. Ich unterstütze Ihre Aussage zur Förderung der Aquakultur. Über die Chancen, die uns die Antarktis bietet, habe ich hier vor einer Woche gesprochen. Ich fasse meine kurze Darstellung eines Bündels von Problemen dahin zusammen, daß ich Ihnen unsere Unterstützung anbiete. Was wir jetzt brauchen, ist der Blick nach vorne, mit Phantasie, Ideen und dem Willen, der deutschen Küste und einer Wirtschaft zu helfen, die ohne eigene Schuld auf Grund politischer und auch biologischer Entwicklungen in die schwerste Krise seit über 30 Jahren geraten ist. ({4})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Eickmeyer.

Karl Arnold Eickmeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000453, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wohl kaum ein Teil des vorliegenden Agrarberichtes ist im Vergleich zum Bericht des Vorjahres derart von den Ereignissen überrollt worden, wie der Teil, der die Fischerei betrifft. Dazu nur ein paar Stichworte: Island, nationale Ausdehnung der Wirtschaftszonen, Verhandlungen im EG-Bereich. Wie ist es zu der heutigen Situation gekommen? Man darf die Entwicklung nicht auf den Berichtszeitraum des Agrarberichts, auf ein Jahr also, beschränken. Der grundlegende Strukturwandel in der deutschen und europäischen Fischerei, ja, der Weltfischerei war schon vor Jahren erkennbar. Überblickt man den Gesamtkomplex und will man ihn auf wenige Punkte zusammenreißen - das muß ich unter dem Zeitdruck hier tun -, so läßt sich folgendes feststellen. Erstens: Die Zeiten, in denen man genügend Fisch, wo immer man wollte, fischen konnte, sind endgültig vorüber. Zweitens: Die Konsequenzen aus diesem Sachverhalt berühren uns alle. Mit „uns alle" meine ich zunächst einmal alle die, die mittelbar oder unmittelbar mit der Fischwirtschaft zu tun haben. Ich erinnere in diesem Zusammenhang daran, daß auf jeden der fast 6 000 aktiven Fischer in der Bundesrepublik etwa sieben Arbeitnehmer kommen, die über Fischverarbeitung, Handel und Zulieferbetriebe betroffen sind. Mit anderen Worten: Es sind sehr viele Arbeitsplätze gefährdet, und zwar vornehmlich an der Küste. Daneben ist der Verbraucher stark betroffen, und zwar im ganzen Lande. Sollte nämlich die Zufuhr von Frisch- und Räucherfisch sowie Fischkonserven stagnieren oder gar abbrechen, besteht die Gefahr, daß das Verkaufsnetz zusammenbricht - zum Schaden des Verbrauchers und der Volksgesundheit; denn Fisch ist bekanntlich ein hochwertiger und auch immer noch verhältnismäßig preiswerter Eiweißträger. Noch eine Gefahr muß man im Zusammenhang mit dem Verbraucher sehen. Wird Fisch zu teuer, dann steigt der Konsument auf andere Produkte um. Im Agrarbericht 1978 heißt es, daß der Fischverbrauch in der Bundesrepublik Deutschland 1974 10,4 kg und 1976 nur noch 9,5 kg betrug. Das signalisiert, daß hier Gefahr im Verzuge ist. Dieser Gefahr gilt es zu begegnen. Auf noch etwas darf ich hinweisen. Betroffen durch die entstandene Lage sind auch die Kommunen an der Küste. 60 °/o der Wirtschaftskraft Cuxhavens z. B. hängen vom Fisch ab. Nimmt man alles in allem, die direkt und indirekt gefährdeten Arbeitsplätze, die preiswerte kontinuierliche Versorgung der Verbraucher und die öffentlichen Haushalte der Städte und Gemeinden, dann darf man sicher vor diesem Hohen Hause feststellen, daß das Problem nicht nur ein regionales, sondern ein Problem ist, das die gesamte Volkswirtschaft betrifft. ({0}) Die entstandene Lage muß gemeistert werden, und zwar von der Bundesregierung, von der Fischwirtschaft und letztendlich auch vom Verbraucher. Jedem, der im Markt Verantwortung trägt, kommt dabei eine besondere Aufgabe zu. Ich darf darauf kurz eingehen. Zunächst zur Bundesregierung. Durch Veränderungen im Seerecht und durch Fangbeschränkungen zum Schutze der Fischbestände ist eine Situation entstanden, in der die Bundesregierung handeln mußte und auch gehandelt hat. Sie hat dabei zu Recht, wie wir heute wissen, auf die Europäische Gemeinschaft gesetzt. Nun ist in den letzten Wochen Großbritannien in die Schlagzeilen der Medien geraten. Ich brauche darauf nicht einzugehen. Die Haltung der Briten wird zu Recht auch von uns kritisiert; denn die EG ist kein Selbstbedienungsladen. Man stelle sich aber einmal vor, meine sehr verehrten Damen und Herren, England gehörte nicht zur EG und würde national von der 200-SeemeilenZone Gebrauch machen. Die deutsche Fischwirtschaft wäre ruiniert. Ich möchte den Kollegen, der hier vorher gesprochen hat, daran erinnern, daß nach Art. 235 des EWG-Vertrages diesbezügliche Entscheidungen des Ministerrates einstimmig gefällt werden müssen. Jetzt, da die Verhandlungen über das EG-Meer vor dem Abschluß stehen bzw. ein vorläufiges Ende erreicht haben, muß ich unserem Ernährungsminister Ertl ein großes Lob aussprechen. ({1}) Mit großer Tatkraft, dem nötigen Standvermögen, der erforderlichen Umsicht sowie seinem bekannten Verhandlungsgeschick ist es ihm gelungen, acht EG-Staaten zu gemeinsamem Handeln zu bewegen, so daß Großbritannien heute sehr isoliert ist. ({2}) Auf die Dauer kommt es gar nicht darum herum, auf die gemeinsame europäische Linie einzuschwenken. Daß nach Lage der Dinge in diesen Tagen die so wichtigen Drittlandsverhandlungen so gut wie abgeschlossen werden konnten, zeigt, wie hoch der Erfolg der Bundesregierung einzuschätzen ist. Mit der Bescheidenheit, die mir als Parteifreund zusteht, möchte ich hier anmerken, daß sich auch der Bundeskanzler auf verschiedenen Wegen eingeschaltet hat. Wenn ein Mitglied dieses Hauses - ich hätte das nicht gesagt, wenn nicht dauernd die Zwischenrufe von dieser Seite kämen -, genauer: ein Mitglied der Opposition die Tatsache des erfolgreichen Einsatzes unseres Bundeskanzlers und des Ministers Ertl in Fischereifragen nicht zu würdigen weiß, dann mag das noch hingehen ({3}) bzw. von der Oppositionsrolle her verständlich sein. Wenn der Abgeordnete aber sowohl in Bonn als auch in unserem gemeinsamen Wahlkreis diesen Einsatz mit hämischen und polemischen Bemerkungen versieht, dann kann ich mit Eugen Roth nur sagen: Ein Mensch, das trifft man gar nicht selten, der selbst nichts gilt, läßt auch nichts geldern. Ich bitte um Verzeihung, „läßt auch nichts gelten", muß es selbstverständlich heißen. ({4}) Ich jedenfalls ({5}) bedanke mich in diesem Augenblick im Namen der Verbraucher, der Arbeitnehmer in der Fischwirtschaft und der betroffenen Küstenregion für das bisher Erreichte. Zugleich bitte ich die Bundesregierung, auch weiterhin das zu tun, was zu tun ist, um der Fischwirtschaft über diese Durststrecke hinwegzuhelfen. Ein Wort noch zur Fischwirtschaft. Sie erwartet keine Almosen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege, ich weiß, daß Ihre Redezeit durch die interfraktionelle Vereinbarung kurzfristig sehr stark verkürzt wurde. Ich wäre Ihnen aber dankbar, wenn Sie jetzt zum Ende kämen. ({0}) - Kollege Jaeger, diese Tugend wird auf allen Seiten des Hauses gepflegt, zumal wenn es sich wie hier um ein Anliegen des Agrarberichts handelt. ({1})

Karl Arnold Eickmeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000453, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Die Fischwirtschaft erwartet keine Almosen. Sie erwartet vernünftige Rahmenbedingungen sowie Beihilfen zu Investitionen und Umstellungen. Meine Damen und Herren, nun noch ein Satz - ich komme gleich zum Schluß - zum Verbraucher. Die traditonellen Fischsorten stehen ihm vorübergehend nur noch zu überhöhten Preisen zur Verfügung. Da müssen wir helfen. Nötig sein wird eine Aufklärungskampagne. Ich schätze, sie wird etwa 30 Millionen DM kosten.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege, ich bitte Sie nunmehr, zu Ende zu kommen.

Karl Arnold Eickmeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000453, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

An der Küste sagt man: Wi stoht dor vör, wi möt dor dör. Die Probleme sind erkannt. ({0}) Ich wünsche unseren Fischern bei ihrer schweren Arbeit immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel sowie genügend Fang im Netz zum Nutzen der Küste, zum Nutzen der Verbraucher und damit zum Nutzen auch unserer gesamten Volkswirtschaft. ({1})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Sauter.

Franz Sauter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001926, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am Ende dieser Debatte kann man, glaube ich, die Feststellung treffen, daß sie sich durch ein beachtliches Maß an Sachlichkeit ausgezeichnet hat, die übrigens auch ein Symptom für die Arbeit in unserem Ausschuß ist ({0}) - ja, darauf komme ich gleich zurück - und die den Betroffenen, den Landwirten und Verbrauchern, insgesamt zugute kommt. ({1}) Die CDU/CSU-Fraktion hat auch als erste die Aufforderung des Bundeskanzlers beherzigt, etwas mehr Fröhlichkeit in dieses Parlament hineinzubringen. Ich glaube, Fröhlichkeit kann diese Debatte nur beleben. Allerdings bin ich der Meinung, daß von den Koalitionspartnern ein bißchen überzogen und übertrieben worden ist, wenn darauf verwiesen worden ist, wie gut die Situation der Landwirtschaft insgesamt sei. Da ist etwas rosarot gezeichnet worden. ({2}) - Das hat die Koalition im Augenblick nötig; das ist gar keine Frage. ({3}) Wenn beispielsweise, lieber Herr Immer, der Kollege Peters von der FDP darauf hinweist, daß junge Menschen in zunehmendem Maße wieder den landwirtschaftlichen Beruf ergreifen bzw. sich dort ausbilden lassen, und dies noch als Erfolg gefeiert wird, so muß doch in aller Bescheidenheit darauf hingewiesen werden, daß das letzten Endes darauf zurückzuführen ist, daß die jungen Menschen auf Grund der Politik dieser Bundesregierung vor verschlossenen Türen stehen und keine Alternativen mehr haben. ({4}) Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch eine zweite kurze Bemerkung anfügen. In der heutigen Diskussion ist schon darauf hingewiesen worden, daß die Tatsache, daß keine Möglichkeiten mehr bestehen, aus der Landwirtschaft in andere Berufe überzuwechseln, dadurch bedingt ist, daß keine Arbeitsplätze in hinreichender Zahl im ländlichen Raum zur Verfügung stehen. Bundesminister Ertl hat in früheren Jahren Sondermeldungen ausgegeben und davon gesprochen, daß 600 000 neue Arbeitsplätze geschaffen worden seien. Auch in diesem Agrarbericht lesen wir wieder einen ähnlichen Hinweis. Ich möchte, Herr Minister, die Zahlen gar nicht unbedingt bestreiten, obwohl man um Zahlen und Statistiken trefflich streiten kann. Aber es muß in diesem Zusammenhang doch darauf hingewiesen werden, daß das nur die halbe Wahrheit ist. Die volle Wahrheit ist die, daß zahlreiche Arbeitsplätze - wesentlich mehr, als neue geschaffen worden sind - vernichtet worden sind, und Sauter ({5}) zwar gerade im ländlichen Raum. Das ist das Ergebnis der Politik dieser Bundesregierung. ({6}) - Sie können darauf ja nachher antworten, Herr Minister. Sollten wir je wieder eine Aufschwungphase erleben, dann werden wir feststellen müssen, daß die Sogwirkung der Ballungsgebiete größer geworden ist, weil in diesen Ballungsgebieten die Geburten zurückgegangen sind, weil Abwanderungen aus diesen Ballungsgebieten stattfinden, weil dort freie Wohnungen vorhanden sind, so daß auch bei einem wirtschaftlichen Aufschwung der ländliche Raum zusätzlich ausgelaugt wird. Ich glaube, das ist eine ausgesprochen bedenkliche Entwicklung. Der Bundespräsident - lassen Sie mich das geschwind sagen - hat unlängst vor dem Deutschen Landkreistag darauf hingewiesen, daß die junge arbeitsfähige Generation verstärkt in die Ballungsräume abwandern werde. Ich meine, wir sollten alles daransetzen, diesen Tendenzen entgegenzutreten. ({7}) Es gibt noch eine andere Aussage - vorher ist von dem Optimismus in den Dörfern gesprochen worden -, die wie folgt lautet: Viele Dörfer werden veröden oder nur noch in Ferienhäusern für Liebhaber des Landlebens zeitweise bevölkert sein. ({8}) - Diese Feststellung vom Oktober 1977, Herr Gallus, stammt von der Kammer für soziale Ordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland. Ich bitte Sie, das einmal nachzulesen. ({9}) - Sie haben eher einen Draht dorthin; Sie können das dort dann vortragen. Das ist eine objektive Feststellung, die die Kammer für soziale Ordnung getroffen hat. Ich empfehle Ihnen dringend, Herr Staatssekretär Gallus, das einmal genau nachzulesen. Lassen Sie mich in der gebotenen Kürze noch folgendes zur Situation in unseren Dörfern sagen. Herr Minister Ertl hat früher einmal gesagt, daß wir keine sozialen Unruhen auf dem Lande haben. Das stimmt. Aber wenn wir uns in den letzten Jahren in unseren Dörfern umgesehen haben, dann stellen wir fest, daß es dort mehr Unsicherheit, mehr Unzufriedenheit und mehr Unruhe gibt, daß Friede, Ruhe und Gelassenheit dort verlorengegangen sind. ({10}) - Herr Gallus, wenn Sie von der Gebietsreform anfangen, darf ich dazu folgendes zwischendurch sagen: Sie von der baden-württembergischen FDP haben zwar immer die damalige Koalition und Regierung aufgefordert, etwas zu unternehmen, aber Sie haben bis zum heutigen Tage noch nicht gesagt, wie man eine Gebietsreform machen soll. Das ist Ihre Position gewesen. ({11}) Lassen Sie mich ein Wort zu dieser Entwicklung sagen, die meines Erachtens vor allen Dingen bedingt ist durch die bedenkliche Entwicklung des einzelbetrieblichen Förderprogramms. Das Ergebnis dieser Politik war letzten Endes, daß wir zwei Klassen von Landwirten haben: die einen, die gefördert werden, und die anderen, die nicht gefördert werden. ({12}) Wenn wir dies so weiterlaufen lassen, bekommen wir eine Entwicklung in Richtung einer ungesunden Verteilung des Bodens. Wenn das nicht revidiert wird, werden wir eine Entwicklung bekommen, wie wir sie vor Jahrhunderten gehabt haben, nämlich daß der Boden in wenige Hände gerät. Der soziale Zündstoff, der darin steckt, ist Ihnen, glaube ich, allen bekannt. Herr Minister Ertl, bei allem schuldigen Respekt: Ich glaube, das, was Sie hier gemacht haben mit dem einzelbetrieblichen Förderprogramm, war in Ihrer Amtszeit wohl der schwerste Fehler. ({13}) Hier hilft auch wenig der berechtigte Appell von Präsident Heereman an die Solidarität der Landwirte, solange sie durch diese Politik gezwungen sind, immer mehr zu erzeugen oder immer mehr Hektar zu bewirtschaften. Lassen Sie mich im Anschluß an das, was Präsident Heereman gesagt hat, noch folgende kurze Bemerkung anfügen. Wir haben auf dem flachen Lande zur Zeit einen, wie ich finde, mörderischen Existenzkampf zwischen den nachgelagerten Betrieben der Ernährungswirtschaft. Ich habe die Sorge, daß es eben nicht in erster Linie die ehrenamtlich Tätigen sind, die hier das Sagen haben, sondern daß es die Manager und die Technokraten der Macht sind, die die Diskussion und die Entscheidungen bestimmen. Hier geht es nicht darum, die Existenz der einzelnen Unternehmen zu sichern, sondern hier geht es um mehr Marktanteile, um mehr Prozente, um Steigerung der Umsätze. Auch diese Konzentration führt zu einer Auslaugung des ländlichen Raumes. In der gebotenen Kürze nur stichwortartig noch ein Hinweis zur baulichen Entwicklung im ländichen Raum. Herr Minister, Sie haben sich im letzten Jahr dessen gerühmt, daß Sie wesentlich dazu beigetragen haben, das Bundesbaugesetz zu ändern. Wir haben das gemeinsam mitvollzogen in der Erwartung, daß es mehr Bewegungsspielraum gibt für das Bauen im ländlichen Bereich. ({14}) Die Ergebnisse sind meines Erachtens letzten Endes irgendwie unbefriedigend. Ich habe den Eindruck, daß manche Baugenehmigungsbehörde deswegen ein schlechtes Gewissen bekommen hat, weil sie es im Verlauf der letzten Jahre und Jahrzehnte zugelassen hat, daß Betonklötze nicht nur in historisch gewachsenen Städten, sondern auch draußen in der freien Sauter ({15}) Landschaft errichtet wurden. Jetzt wollen sie in ihrer Haltung ins Gegenteil verfallen und das Bauen möglichst insgesamt verbieten. Wir brauchen aber eine vernünftige bauliche Entwicklung, wenn wir die junge Generation draußen auf dem Lande erhalten wollen. Das muß natürlich unter Berücksichtigung der Aspekte des Naturschutzes und der Landschaftspflege geschehen. Unsere Fraktion wehrt sich dagegen, daß unnötigerweise Land verbraucht oder mißbraucht wird. Ich glaube aber, dies muß geschehen, wenn wir draußen auf dem Lande wieder vernünftige Verhältnisse bekommen wollen. Wenn Sie heute hinausgehen in die Dörfer und sich untertags dort bewegen, müssen Sie feststellen, daß dort allmählich eine Friedhofsruhe einzuziehen beginnt: Die Kinder, wenn sie noch nicht einmal zur Schule gehen, werden auf Achse gebracht, die Schüler werden zu Pendlern gemacht, ({16}) die Arbeitnehmer müssen nach auswärts gehen, die Frauen müssen in die Geschäfte in die Stadt gehen; das Pfarrhaus, das Rathaus und das Schulhaus stehen leer. Das sind Dinge, die wir sehen müssen und wo wir gegensteuern müssen, damit es auch in zehn und 20 Jahren noch möglich ist, zu sagen: Draußen auf dem Dorf lohnt es sich zu leben. Wir haben mit der Gemeinschaftsaufgabe ein Instrument geschaffen, das da mithelfen kann. ({17}) - Herr Präsident, ich werde in Kürze zum Schluß kommen. Lassen Sie mich noch zwei, drei Bemerkungen machen. Sie müssen die Konzilianz, die Sie den anderen gegenüber geübt haben -

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege, Sie wissen doch genau, daß ich bei der Bemessung Ihrer Redezeit schon sehr konziliant gewesen bin.

Franz Sauter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001926, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich möchte nur noch ein ganz kurzes Wort des Dankes an die Landfrauen sagen, vor denen der Grüne Bericht zum erstenmal eine Verneigung macht. Aber das reicht nicht aus. Sie haben ihre Pflicht in der Vergangenheit treu und gewissenhaft erfüllt. Wir sind überzeugt, daß sie das auch in der Zukunft tun werden. Einen letzten Hinweis, meine Damen und Herren! Der Wiederaufbau der Bundesrepublik Deutschland in den letzten 20 Jahren ist auch und gerade dadurch bewirkt worden, Herr Kollege Dr. Schmidt, daß Millionen aus der Landwirtschaft ausgeschieden sind und treu und brav ihre Pflicht in der Wirtschaft erfüllt haben. Ihnen sind wir genauso zu Dank verpflichtet wie jenen, die ihre Pflicht draußen auf ihren Höfen tun. ({0})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Ertl.

Josef Ertl (Minister:in)

Politiker ID: 11000493

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Alle drängen mich, nur einige Bemerkungen zu machen, aber einiges muß ich sagen, es tut mir furchtbar leid. Zunächst möchte ich mich bei allen sehr herzlich bedanken, die vor mir gesprochen haben. Das gilt auch für die Opposition. Ich habe festgestellt, daß sie, wenn auch schweren Herzens, nicht umhin kann, weitgehend meiner Politik zuzustimmen. Das freut mich und dafür bedanke ich mich. ({0}) Daß es dabei einige Scharmützel gibt, ist klar. Das gilt z. B. für den Kollegen Sauter. Er muß offensichtlich von einem Dorf in Afrika gesprochen haben, ({1}) das ist zwar auch schwarz; aber von einem deutschen Dorf kann er nicht gesprochen haben. Herr Sauter, ich wäre Ihnen wirklich dankbar, wenn Sie mir Ihr Friedhofdorf zeigen würden. Das möchte ich selber gerne sehen, bitte sehr, das zeigen Sie mir. Ich dagegen zeige Ihnen dann die lebende deutsche Landschaft, die Sie offensichtlich nicht kennen. ({2}) - Nein, ich möchte dieses Dorf sehen mit der Friedhofsruhe; das haben Sie eben gesagt. ({3}) Sie haben hier etwas behauptet, was Sie schlichtweg nicht behaupten können, weil es falsch ist. ({4}) Im übrigen sollte der Bundestag nur die Debatten des Deutschen Bundestages führen und nicht Ersatzdebatten wegen fehlendem oder falschen Handelns von eigenen Regierungen in den Ländern. ({5}) Das möchte ich in aller Deutlichkeit sagen. Es betrifft den großen Komplex, wo ich vieler Kritik, auch von Ihnen, zustimme, z. B. Bauordnung. Aber da gehen Sie bitte zur baden-württembergischen Regierung und sagen ihr, was sie da bisher getan hat bei Baugenehmigungsverfahren, sind Perfektionismus und Bürokratismus, die sie abbauen soll. Das ist die richtige Adresse. Das geht von der Frau Dr. Riede - sie hat Baden-Württemberg sehr gelobt, hat aber selber gesagt, andere Länder machen es nicht - bis hin zur Kontrolle von Einfuhren auf Grund der Pflanzenschutzgesetzgebung. Bitte sehr, diskutieren wir im Bundestag über das, wofür der Bundestag zuständig ist, und nicht über das, wofür die Länder zuständig sind, ({6}) und lassen Sie vor allem nicht gegenüber einem Bundesminister, weil er einer anderen Partei ange6032 hört, den Dampf ab, weil Sie gegen Ihre eigene Partei und ihre eigene Regierung im Lande wegen Ihres Fehlverhaltens und Ihrer Fehlgriffe nichts sagen dürfen. Das mag ich nicht. ({7}) Meine Damen und Herren, Herr Sauter hat etwas aufgegriffen. Damit will ich fortfahren. Wir wollen dabei trotzdem fröhlich sein ({8}) und auch fröhlich bleiben. ({9}) - Sie sind offensichtlich nicht sehr fröhlich im Moment, aber das tut mir leid, Herr Sauter, das haben Sie sich selber eingebrockt mit Ihrer Friedhofsruhe. ({10}) Das haben Sie sich selber eingebrockt, das muß man sich früher überlegen. ({11}) - Man darf doch nicht mit Mondlandschaften arbeiten. Sonst müßte man selber zum Mond fahren. Hier sollte man nicht so skurril diskutieren. Aber ich empfehle Ihnen ein Buch, meine verehrten Kollegen von der Opposition, das Sie einmal lesen sollten. Ich sage Ihnen jetzt nicht den Titel. Da lese ich auf Seite 104: ... insbesondere bei Milch und Zucker ... Ich greife das heraus. Aber ich könnte auch von vorne anfangen. Ich wollte es nur kurz machen - wenn ich zitieren darf, Herr Präsident -:

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Bitte!

Josef Ertl (Minister:in)

Politiker ID: 11000493

Fangen wir von vorne an, sonst sagt noch einer, ich wolle mogeln. Das mag ich nicht. Es heißt also hier in diesem Buch: Auf der anderen Seite wird bei Überschußprodukten, insbesondere bei Milch und Zucker, eine Erhöhung der Preise nicht für vertretbar gehalten, weil angesichts der Überschußlage auf den Märkten das nicht möglich ist. Sie sollen mir nun sagen, wo das steht. ({0}) Ich sage Ihnen: Wenn ich eine solche Agrarpolitik betrieben hätte, dann wäre die Ertragslage der Landwirtschaft in der Tat sehr schlecht. Das Buch ist im Jahre 1969 erschienen. Jetzt lese ich etwas weiteres vor. ({1}) Das ist sehr interessant, vor allem auch für den Kollegen Bayha, der gerade so fröhlich ist. ({2}) - Ich lese doch jetzt aus einem Buch über die Agrarpolitik vor. ({3}) - Nein, er hat dazu Stellung genommen. Das ist der große Unterschied. Hier ist nämlich von einer „neuen Konzeption der einzelbetrieblichen Investitionsförderung" die Rede. Nur ein Passus, meine Freunde: Die Förderungsmittel werden erst von einer bestimmten Eingangsschwelle an gewährt, die in einer bestimmten Einkommenshöhe ({4}) auszudrücken ist. Ich bitte das nachzulesen. Dies war die Konzeption einer Agrarpolitik, der Sie Ihre Zustimmung gegeben haben. Da muß ich Ihnen sagen, finde ich das, was hier - ({5}) - Ich bitte Sie vielmals, Sie desavouieren jetzt Ihren früheren Minister Hermann Höcherl. Das könnte natürlich auch sein. Das ist eine originelle Vergangenheitsbewältigung. ({6})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Bundesminister, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen zulassen?

Josef Ertl (Minister:in)

Politiker ID: 11000493

Bitte sehr, wenn ich dann zeitlich nicht noch mehr bedrängt werde.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Nein, Herr Minister, ich glaube, das wird nicht der Fall sein. ({0})

Josef Ertl (Minister:in)

Politiker ID: 11000493

Ich kann darauf sehr viel antworten. Man sollte nicht feige sein, sich nicht drükken, sondern zu dem stehen, was man früher einmal gesagt hat. Das gehört auch zur Lauterkeit einer Politik. ({0}) Herr Kollege Kiechle, ich schicke das in Zukunft allen Bauern, damit sie wissen, wie Sie, je nachdem, ob Sie in der Regierung oder in der Opposition sind, anders zu reden verstehen. ({1})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Bundesminister, würden Sie jetzt die Zwischenfrage zulassen?

Josef Ertl (Minister:in)

Politiker ID: 11000493

Bitte.

Günther Schartz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, halten Sie es für ein entscheidendes Moment einer konstruktiven, auf die Zukunft gerichteten Agrarpolitik, sich hier im Deutschen Bundestag nur nach hinten blickend auf ein Buch aus dem Jahre 1969 zu beziehen? ({0})

Josef Ertl (Minister:in)

Politiker ID: 11000493

Herr Kollege Schartz, ich wollte das eigentlich nicht machen. Deshalb konzediere ich Ihnen auch die Frage. Mein Zitat hier diente keiner Rückbetrachtung, sondern ich habe nur gesagt: Das war die Grundkonzeption im Jahre 1969. Diese Grundkonzeption - und deshalb sagte ich Ihnen das - hat der vor Ihnen stehende Minister in Brüssel grundlegend anders durchgesetzt. Das möchte ich aber auch einmal von der Opposition anerkannt haben. ({0}) Ein zweiter Punkt: Mir wurde gesagt - das habe ich auch in meiner Rede gesagt -, daß ich die Auffassung vertreten habe, der Preisspielraum sei enger geworden und ähnliches mehr. ({1}) - Dazu bekenne ich mich auch voll - im Gegensatz zu Ihnen, die Sie immer versuchen, sich nicht zu bekennen. Ich erinnere mich sehr genau, Herr Schartz, und deshalb will ich noch einmal das Jahr 1969 ansprechen. Als ich damals in die schwierigen Verhandlungen ging, lagen Preissenkungsvorschläge auf dem Tisch. ({2}) - Ich sage das nicht zum eigenen Ruhme, zu solchen Leuten zähle ich mich nicht. Ich hätte es nur gern, daß man diese Dinge loyal und fair miteinander diskutierte. Ich räume selber ein: Ich habe Fehler gemacht und werde vielleicht auch in Zukunft Fehler machen. Ich bitte allerdings auch die Opposition, zu sagen: Dies war einmal unser Weg. Sie sollten wenigstens sagen: Diesem Weg haben wir inzwischen abgeschworen. Aber machen Sie doch nun nicht dauernd demjenigen Vorwürfe, der eine Politik auf dem von Ihnen vorgeschlagenen Weg in Brüssel verhindert hat. ({3}) Auch der Herr Bayha hat wissentlich etwas Falsches gesagt. Ich komme darauf gleich zurück, Herr Bayha!

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Jaeger?

Josef Ertl (Minister:in)

Politiker ID: 11000493

Jetzt will der frühere Vizepräsident Jaeger eine Frage stellen. Bitte!

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001006, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke schön, Herr Bundesminister! Würden Sie mir bestätigen, daß während der Zeit, in der Herr Höcherl Landwirtschaftsminister war, jeweils eine der beiden heutigen Koalitionsparteien mit in der Verantwortung gestanden hat?

Josef Ertl (Minister:in)

Politiker ID: 11000493

Das bestätige ich Ihnen gern. Ihre Frage freut mich sehr. Nur müssen Ihre Parteifreunde in Bayern damit aufhören, daß der, der mit Sozialdemokraten koaliert, bereits als Staatsfeind deklariert wird. Sie haben das auch schon einmal getan. Sie haben das voll bejaht. ({0}) Ich bedanke mich sehr dafür, daß Sie mir zu dieser Feststellung Gelegenheit gegeben haben; denn ich bin der Meinung, daß demokratische Parteien miteinander voll koalitionsfähig sind und sein müssen. Ich bedaure zutiefst, daß man hier mit Emotionen zum Teil auch Verteufelungen betreibt - insbesondere in dem von uns beiden so sehr geliebten Land Bayern. Ich hoffe jedoch, daß ich trotzdem dort auch weiterhin Staatsbürger bleiben kann. ({1}) Herr Kollege Bayha, Sie haben z. B. bezüglich der Festsetzung der Förderungsschwelle gesagt - ich kann wegen der Kürze der Zeit nur auf ein paar Punkte eingehen -, die Tatsache, daß sie auf 25 300 DM/AK festgelegt ist, zeige, daß Sie niemand erreichen könne. Das ist objektiv falsch. Denn erstens wissen Sie, daß die Förderungsschwelle erst in einem Anpassungszeitraum von vier Jahren erreicht werden muß. Zweitens wissen Sie genau, daß die Förderungsschwelle sehr regionalisiert werden kann, wobei ich sagen muß, daß z. B. Bayern hiervon viel mehr Gebrauch macht als Baden-Württemberg. Aber das ist Sache von Baden-Württemberg. Das ist nicht mein Bier, Herr Kollege Sauter! Darüber müssen Sie sich einmal mit Ihrem Ministerium unterhalten. Schauen Sie sich einmal an, wie regional differenziert Bayern das macht und wie wenig regional differenziert Baden-Württemberg vorgeht! Ich kann zu der Schwankungsbreite sagen: Wenn Sie die B-Grundsätze berücksichtigen, geht es runter bis 13 550 DM je Arbeitskraft im Berggebiet. Das ist die Tatsache. Deshalb habe ich sie auch gesagt. ({2}) - Nein, das ist nicht die Ausnahme, sondern das ist die Möglichkeit, die dieses Konzept einräumt. Daß dieses Konzept, Herr Kollege Bayha, insgesamt vom Strukturwandel her doch einen erfreulich positiven Trend ausgelöst hat, will ich Ihnen im Zahlenvergleich zeigen, nämlich an Hand der Entwicklung des Erwerbscharakters der landwirtschaftlichen Betriebe, und zwar immer von 1967 bis 1977-dargestellt: Anteil der Vollerwerbsbetriebe 1967 = 40,8 %, 1977 = 47,1 0/o; Nebenerwerbsbetriebe 1967 = 33,3 %, 1977 = 39,4 %. Jetzt kommt der auch heute noch schwierige Teil der Landwirtschaft: Zuerwerbsbetriebe 1967 = 25,9 %, 1977 = 13,5 %. Ich sage Ihnen: Darin zeichnet sich die Konsolidierung der ländlichen Struktur ab. ({3}) Es ist gelungen, diesen Problemteil zu verringern. Das ist nur durch solch eine gezielte Konzeption möglich gewesen. Dabei sage ich durchaus, daß das auch kein Patentrezept ist. Aber es ist eine Möglichkeit. ({4}) - Es ist sehr wesentlich, daß die Problembetriebe in diesen zehn Jahren weniger geworden sind. Das ist lebensentscheidend. ({5}) Denn dahinter versteckt sich auch einiges vom Einkommen her. - Ich muß leider immer auf die Uhr schauen; es tut mir furchtbar leid. Ich möchte über diese Dinge gern einmal länger diskutieren, weil es auch für die Öffentlichkeit von großer Bedeutung ist, diese Differenzierungen zur Kenntnis zu nehmen. Das bedeutet ja auch, daß sich die soziale Lage bei den Menschen auf dem Lande nicht nur dort gefestigt hat, wo man ausschließlich von der Landwirtschaft lebt - nur knapp 50 °/o der Landwirte sind Vollerwerbslandwirte, die aber ein voll befriedigendes Einkommen haben -, sondern daß auch die übrigen rund 40 % Nebenerwerbsbetriebe inzwischen einen sozial befriedigenden Status haben, zumindest zum größten Teil. Sicherlich wird das nicht bei jedem der Fall sein. Das ist das, was unsere Struktur auf dem Lande so grundsolide macht. ({6}) - Nein! In diesem bayerischen Weg, Herr Kollege Kiechle, steckt ja mehr Wind als alles andere. Wenn der bayerische Weg so gut ist, kann ich nur noch einmal fragen: Warum braucht Bayern dann so viele Bundesmittel, um die bayerische Landwirtschaft zu fördern? ({7}) - Doch, das ist sehr logisch, ich überzeuge Sie gleich, Herr Dr. Kunz. Ich will das mit zwei Sätzen sagen: Der bayerische Weg ist nur dadurch möglich, daß über den Bund der investive Teil zu 60 % mitgefördert wird, dazu der Nebenerwerb. Es steckt eine Unwahrheit dahinter. Ich muß das sagen; ich behaupte, es ist die Unwahrheit. Es wird nämlich schlichtweg behauptet, durch das Förderungskonzept des Bundes würden Nebenerwerbslandwirte nicht gefördert. Dies lese ich immer wieder in Presseberichten, und das ist schlichtweg eine Unwahrheit. ({8}) - Herr Sauter, ich habe bei Ihnen auch sehr gerne zugehört. Ich gebe Ihnen aber auch gerne einmal ein Kolleg darüber. Lassen Sie mich zuerst einmal ausreden, wenn ich darum bitten darf, höflich und nett. Ich will Ihnen einmal sagen: Erstens nehmen sie eo ipso an allen -Globalförderungen teil bis hin zur Ausgleichszulage für Bergbauern. Zweitens nehmen sie bei allen Förderungsmaßnahmen im Wohnhaussektor teil, was arbeitswirtschaftliche Vereinfachungen betrifft. Ich gebe zu, das war nicht von Anfang an so. Wir haben da ein klein wenig das Programm fortentwickelt. Wir haben die Umstellungshilfe eingeführt. So wird z. B. auf ein förderungsfähiges Investitionsvolumen von 25 000 DM ein Zuschuß von 15 °/o gewährt. Das sind 3 750 DM. Es gibt die Anpassungshilfe für alle GAL-Landwirte. Das förderungsfähige Investitionsvolumen beträgt hier wiederum 25 000 DM; gewährt wird ein Zuschuß von 3 750 DM. Ich wollte das nur vorlesen. Ich muß sagen, ich finde das im Interesse der betroffenen Bürger nicht gut; denn dadurch, daß dies von Leuten selbst in Wahlversammlungen behauptet wird - ich habe Zeitungsberichte darüber -, wagt es ein Nebenerwerbslandwirt nicht mehr, zum Landwirtschaftsamt zu gehen und zu fragen, ob er überhaupt gefördert werden kann, weil er in der Versammlung gehört hat: Ich werde nicht gefördert. Dies ist gegenüber dem Bürger nicht verantwortlich. ({9}) Nun noch eine Bemerkung zu der Frage nach dem Agrarkredit. Auch das würde an sich mehr Zeit erfordern. Verehrte Freunde, ich muß noch einmal auf das hinweisen, was ich im Juni 1977 gesagt habe: Es gibt keine Gießkanne. Aber, Herr Simpfendörfer, das will ich nur mit einem Satz sagen: Ich wäre sehr glücklich, wenn ich in Form des Agrarkredits ein ähnliches Instrument hätte, wie der ERP-Kredit eines für die übrige mittelständische Wirtschaft ist. Dies war meine Äußerung, die in dieser Form auch realisiert worden ist. Ich schließe nicht aus, daß man auch die andere Form hätte wählen können. ({10}) - Sie müssen immer aufpassen, Herr Sauter, sonst rutschen Sie immer weiter in die Friedhofsruhe zurück. Sie müssen aufpassen. Ich habe inzwischen erreicht, daß die Förderung der Nebenerwerbslandwirtschaft im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe unverändert erhalten bleibt bzw. verbessert wird und zudem der Agrarkredit über die Kreditanstalt für Wiederaufbau zusätzlich läuft. Ich will mich jetzt gar nicht auf die Diskussion einlassen, ob das alles optimal ist. Wir werden sehen, wie dieses Kreditprogramm in Anspruch genommen wird. Nur, eines müssen Sie wissen: Zwei Jahre zinslos und zehn Jahre zu 6 % garantiert bei Einrechnung der Bankenprovision, was bei den anderen Krediten, die Sie zitiert haben, Herr Kollege Ritz, nicht der Fall ist - da wird die Provision aufgeschlagen, hier ist sie eingerechnet -, ist ein Angebot, das sicherlich im Moment nicht die Wucht ist. Aber wenn es vor 15 Jahren einen solchen Kredit gegeben hätte, wären viele Landwirte nicht in eine so mißliche Lage geraten, wie es inzwischen zum Teil der Fall ist. Dies kann ich heute mit Sicherheit sagen. Dies höre ich auch aus den Diskussionen. Ich möchte aber nicht sagen, daß damit alle Probleme gelöst sind. Eine vorletzte Bemerkung zur EG. Ich kann wegen der Zeit nicht mehr Punkte aufgreifen. Natürlich, meine verehrten Kollegen, befindet sich die Gemeinschaft ökonomisch unverändert in keiner guten Situation, aber doch in einer Situation, in der ich zumindest auf dem ökonomischen Feld, wenn ich den Zeitraum bis heute ins Auge fasse, davon ausgehen kann, daß sich manches zum Besseren gewendet hat. Die Gemeinschaft ist im Moment insgesamt bei einer Inflationsrate von 10 %. Ich kann nicht garantieren, daß es dabei bleibt. Das weiß niemand; denn dafür sind sehr viele Verhaltensweisen nötig, und es sind da und dort sicherlich sehr viele Schwierigkeiten gegeben. Aber das ist doch ein Schritt in die richtige Richtung. ({11}) Wir können auch nicht sagen, wie sich die innenpolitische Situation in der Gemeinschaft entwickelt, in Italien, nach den Wahlen in Frankreich. Das weiß ich nicht. Das wird aber sicherlich nicht ohne Folgen bleiben. Nur, wenn man heute sagt, diese Bundesregierung sei an diesen Verhältnissen schuld, so ist das eine kühne Behauptung. Wenn diese Bundesregierung nicht diese konsequente Stabilitätspolitik - das wird niemand bestreiten können - gemacht hätte, wären die ökonomischen Schwierigkeiten in Europa noch viel größer geworden. ({12}) Ich gehöre nicht zu den Leuten, die beschönigen, daß es auch bei uns konjunkturelle, ökonomische Probleme und Arbeitslose gibt. Nur dürfen Sie mir glauben - das sage ich nicht als Angehöriger der Bundesregierung -: Oft denke ich, ich bin schizophren. Denn wenn ich im Ausland, z. B. in Brüssel, bin, so höre ich nur die Frage: Wie habt Ihr Deutschen das geschafft? Wenn ich nach Hause komme, höre ich nur noch von Friedhofsruhe, von Untergang und von Schlechtigkeit. Dabei meint die ganze Welt, daß wir das reichste Land seien, so reich, daß manchmal sogar die Amerikaner meinen, wir könnten auch sie noch kreditieren. ({13}) Das ist der entscheidende Punkt. Ich räume ein, verehrter Herr Kollege Kunz, daß eine Opposition Scharmützel führen muß, daß sie auch kritisieren und alles schlechtmachen muß. Dafür bin ich auch. Nur darf man das nicht so weit treiben, daß man am Schluß in der Welt unglaubwürdig wird. Was Sie hier in diesem Land über unsere eigene stabile ökonomische Position hören - und die ist für die Landwirtschaft sehr wichtig -, glaubt Ihnen in der ganzen Welt niemand. Diese Position haben wir bei einem Optimum an Freiheit und Marktwirtschaft. Dies nehme ich in Anspruch, und das ist auch für die Landwirtschaft sehr entscheidend. Daher muß es zu differenzierten Preisverhandlungen kommen. Natürlich ist die Kostensituation in einem Land mit einer Preissteigerungsrate von 3,2 % anders als in einem Land mit einer Preissteigerungsrate von 10 % und mehr. Ich glaube, darin sind wir uns inzwischen einig. Dies gilt wohl auch für den Kollegen Dr. Ritz; ich sehe auch aus Ihrem Entschließungsantrag, daß wir uns inzwischen ziemlich nahe gekommen sind. Ich möchte noch hinzufügen, daß ich mir dessen voll bewußt bin, daß diese ökonomische Kluft in Europa, die noch durch den Beitritt von drei ökonomisch schwachen Ländern verschärft wird, dazu führt, daß es immer schwieriger wird, die Agrarpolitik konstruktiv zu gestalten. Darüber gibt es keinen Zweifel, und damit müssen wir leben. Ich komme zu einer letzten Bemerkung zu den Fischen, Herr von Geldern. Sie sagen, wir hätten kein Konzept. Sie sollten einmal lesen, was alles an Mitteln für Modernisierungshilfen und ähnliches für Hochseefischerei und Kutterfischerei eingesetzt worden ist. Ich kann mich darauf berufen, daß diese Frage im Ernährungsausschuß behandelt wurde, und zwar, wie mir gesagt wurde, zur vollsten Zufriedenheit in allen drei Fraktionen. ({14}) - Vielleicht waren Sie nicht dabei, aber dafür kann ich nichts. ({15}) Ich bitte um Entschuldigung, aber das haben meine Mitarbeiter berichtet. - Zweitens beträgt die Quote, die wir in Brüssel inzwischen notifiziert haben, 430 000 Tonnen. Ich darf über solche Dinge nicht sehr viel reden, weil ich meine Position in Brüssel damit nur schwäche, aber ich appelliere an die Opposition, in einer solchen Frage den Minister nicht zu zwingen, mehr zu sagen. Es gäbe hier heute einige Punkte, zu denen ich mehr sagen müßte; aber ich schweige im Interesse meiner Position in Brüssel, weil es natürlich nicht gut ist, wenn ich hier über deutsche Fischereiquoten spreche und Zahlen nenne. Das muß man schon fair akzeptieren; denn sonst wird es für einen Minister unerträglich. Das sage ich im Hinblick auf die europäische Diskussion mit allem Nachdruck. - Ich bitte noch um etwas Geduld, Herr Präsident. - Ich sage Ihnen: Es ist für einen Minister auf die Dauer unerträglich, daß er in Europa im Interesse des politisch Notwendigen Kompromisse schließen soll, aber zu Hause nur nach nationalen Maßstäben gemessen wird. ({16}) Das muß ein Ende haben. Oder wir müssen den Mut haben, zu sagen: Wir wollen aus Egoismus diese Form von Europa nicht, sondern nur eine lose Kooperation. Nur eines von beiden ist möglich. Das ist ein unerträglicher Zustand. Ich sage das, meine Freunde, auch an die Adresse Großbritanniens - Herr von Geldern, machen Sie sich keine Illusionen. Ich sage das zwar enga6036 giert, aber nicht mit anklagendem Ton, sondern ganz nüchtern. Wie Sie wissen, billige ich diese Haltung der Briten nicht, sondern habe meinen Teil dazu beigetragen, damit sie bis heute nicht wirksam wurde. ({17}) - Ich bedanke mich dafür sehr! Diese Haltung der Briten wird in Großbritannien von allen politischen Gruppierungen getragen. ({18}) Da gibt es keine Differenz zwischen Opposition und Regierung. ({19}) Auch das kleine Häuflein Liberaler nehme ich nicht aus. Dies ist eine grundsätzliche Position. Ich sage Ihnen zum Schluß noch einmal: Entweder wir bekennen uns dazu, daß wir im Interesse Europas eine Position des Gebens und Nehmens für alle einnehmen müssen, und wir messen den Minister nach diesem Geben und Nehmen. Oder wir messen ihn nur nach dem, was er für die eigene Nation tut; dann müssen wir allerdings sagen: Diese Form von Europa wollen wir nicht. Das ist eine ganz entscheidende politische Frage. Ich bitte um Nachsicht, daß ich nicht mehr sagen kann. ({20}) Aber Sie können sich darauf verlassen: Wir werden das Unsere tun, dieses Europa in dem Sinn aufzubauen, daß am Ende das freie Europa der bestimmende Faktor in der Welt wird, der es sein muß, um im Interesse seiner eigenen Bürger bestehen zu können. ({21})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir sind am Ende der Aussprache. Ich schlage Ihnen vor, den Agrarbericht 1978 der Bundesregierung - Drucksachen 8/1500, 8/1501 - dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - federführend - und dem Haushaltsausschuß - mitberatend - zu überweisen. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen. Wir müssen noch den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur Beratung des Agrarberichts 1978 der Bundesregierung - Drucksache 8/1562 - bescheiden. Soll er zur Abstimmung gestellt werden? ({0}) - Er wird im gleichen Sinn wie der Agrarbericht überwiesen. Wir haben noch die Beschlußempfehlung und den Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zum Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur Beratung des Agrarberichts 1977 der Bundesregierung - Drucksache 8/1434 - zu bescheiden. Ich darf Sie darauf hinweisen, daß die Beschlußempfehlung schriftlich vorliegt, so daß wir darüber abstimmen können. - Das Wort dazu wird nicht gewünscht. Wer dem Vorschlag des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um ein Zeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle einstimmige Beschlußfassung fest. Damit sind wir am Ende der heutigen Beratung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages für Mittwoch, den 8. März 1978, 13 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.