Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich möchte einige Mitteilungen bekanntgeben. Die Fraktion der CDU/CSU hat mit Schreiben vom 22. November 1977 die nachfolgenden Änderungsvorschläge zur Besetzung einiger Gremien gemacht. Zur Wahl in den Gemeinsamen Ausschuß wird für den aus dem Deutschen Bundestag ausgeschiedenen Abgeordneten Dr. Wallmann der Abgeordnete Dr. Möller als stellvertretendes Mitglied vorgeschlagen. Aus der Parlamentarischen Versammlung des Europarates scheidet Abgeordneter Dr. Kohl, bisher stellvertretendes Mitglied, aus. Abgeordneter Amrehn, bisher ordentliches Mitglied, wird als stellvertretendes Mitglied vorgeschlagen. Abgeordneter Dr. Pfennig wird als ordentliches Mitglied vorgeschlagen. Zur Wahl in den Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost als ordentliches Mitglied wird schließlich für den aus dem Deutschen Bundestag ausgeschiedenen Abgeordneten Leicht der Abgeordnete Windelen vorgeschlagen.
Ist das Haus mit diesen Vorschlägen einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch: Dann sind die vorgeschlagenen Mitglieder gewählt.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
a) Große Anfrage der Abgeordneten Dr. Waffenschmidt, Rawe, Dr. Schneider, Dr. Dregger, Braun, Schwarz, Sick, Hauser ({0}), Dr. Möller, Dr. Wallmann, Dr. Waigel, Dr. Jahn ({1}), Frau Dr. Neumeister, Spranger, Vogel ({2}), Dr. Dollinger, Dr. Häfele, Franke, Dr. Zeitel, Dr. Warnke, Dr. Schulte ({3}), Dr. Hoffacker, Dr. Köhler ({4}), Frau Hoffmann ({5}), Dr. van Aerssen, Dr. Nothhelfer, Krey, Köster, Weber ({6}), Tillmann, Dr. Jobst, Dr. Hüsch, Feinendegen, Vogt ({7}), Burger, Milz, Dr. Sprung, Dr. Hornhues, Helmrich, Dr. Hammans und der Fraktion der CDU/CSU
Lage der Städte, Gemeinden und Kreise - Drucksachen 8/244, 8/906 -
b) Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes ({8})
- Drucksache 8/923 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Finanzausschuß ({9})
Innenausschuß
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
c) Erste Beratung des von den Abgeordneten Lemmrich, Dr. Jobst, Dr. Waffenschmidt, Dr. Schneider, Dr. Möller, Dr. Schulte ({10}), Dr. Waigel, Kiechle, Glos, Spranger, Regenspurger, Biehle, Dr. Riedl ({11}), Weber ({12}), Hartmann, Dr. Voss, Dr. Wittmann ({13}), Niegel, Schwarz, Schartz ({14}), Hanz, Dr. George, Neuhaus, Dr. Laufs, Susset, Dr. Jenninger und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ande-rung des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes
- Drucksache 8/1147 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen ({15})
Finanzausschuß
Ausschuß für Wirtschaft
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
Zur Begründung der Großen Anfrage und gleichzeitig als erster Redner in der Aussprache hat der Abgeordnete Waffenschmidt das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Großen Anfrage zur Lage der Städte, Gemeinden und Kreise und mit dieser Debatte will die CDU/ CSU-Bundestagsfraktion eine Bilanz zur Lage der kommunalen Selbstverwaltung und neue Impulse für die Arbeit in der Demokratie vor Ort für die Bürger erreichen. Wir meinen, es ist mehr denn je notwendig, die kommunale Selbstverwaltung zu stärken. Wir wollen dies mit großem Nachdruck tun, denn Selbstverwaltung sichert Freiheit.
In diesem Zusammenhang möchte ich gleich an dieser Stelle all den Mitbürgern ein herzliches Wort des Dankes sagen, die sich in ehrenamtlicher Aufgabenerfüllung, aber auch im Hauptberuf in unse4412 Deutscher Bundestag - 8.. Wahlperiode Dr. Waffenschmidt
ren Städten, Gemeinden und Kreisen im unmittelbaren Dienst für die Mitbürger in ihrem örtlichen Lebensbereich um einen entscheidenden Beitrag für den Ausbau unseres freiheitlichen und sozialen Bundesstaates bemühen.
({0})
Alles das, was wir für die Gemeinden wollen, ist doch kein Selbstzweck für die Gemeinden, für Bürgermeister oder Landräte, sondern es soll helfen, dem Bürger, dem Mitbürger in unserem Land im örtlichen Bereich Möglichkeiten zu seiner Selbstverwirklichung zu geben. Wir als Union wollen nicht den total verwalteten Einwohner, sondern den mitgestaltenden Bürger. Darauf kommt es uns an.
({1})
Wir wollen mit unserer Anfrage und mit dieser Debatte folgendes erreichen.
Erstens. Eine aufgabengerechte Finanzausstattung der Gemeinden. Man muß hier in einer Debatte des Deutschen Bundestages gleich hinzufügen: Wenn auf Bundesebene Gesetze und Pläne gemacht werden, die die Gemeinden ausführen müssen, dann muß sich der Bund auch mit um die Finanzierung dieser Aufgaben kümmern. Das ist seine Mitverantwortung.
({2})
Zweitens. Der Handlungsspielraum der Gemeinden muß erweitert und gesichert werden. Die kommunale Selbstverwaltung darf nicht in einer Flut von Gesetzen, Verordnungen, Richtlinien und Plänen letztendlich erstickt werden..
({3})
Freie Träger und Selbsthilfegruppen, insbesondere im sozialen und kulturellen Bereich, sollen gefördert und müssen nach unserer Ansicht neu ermutigt werden. Wir stellen gleich am Beginn dieser Debatte fest: Nach unserer Meinung soll die öffentliche Hand nicht an sich ziehen, was Bürger besser unmittelbar miteinander füreinander tun können. Das soll man unterstützen.
({4})
Wir wollen auch mehr Chancengerechtigkeit in allen Teilen des Bundesgebietes. In strukturschwachen Gebieten, wo sich nach wie vor zahlreiche Probleme für die Bürger auftun, muß die Hilfe zur Selbsthilfe gesteigert werden. Bürger sollen sich in Stadt und Land in ihrer Heimat geborgen fühlen können. Wir stellen als Union mit Nachdruck fest: Der Bund ist mitverantwortlich für die Gewährleistung der Selbstverwaltung und der Selbstverantwortung, die den Gemeinden in Art. 28 des Grundgesetzes garantiert ist. Das muß auch die aktuelle Politik bestimmen.
({5})
Etwa 85 % aller Rechtsvorschriften, die der Bund erläßt, werden von den Gemeinden ausgeführt. Der Bund legt also in hohem Maße die Grundlagen für das Verwaltungshandeln unserer Städte, Gemeinden und Kreise. Ich meine, das ist sehr wichtig zu wissen; wenn einige Prominente dieser Regierung
in ergreifenden Reden jetzt mehr und mehr gegen die Bürokratie zu Felde ziehen, muß man sich das vor Augen halten. Die Grundlagen werden hier gelegt.
({6})
Der Bund hat mit seiner Steuerkompetenz auch eine gesetzgeberische Zuständigkeit für die Kommunalfinanzen. Diese Feststellung ist kein Phantasieprodukt der Opposition, das ist die Lage nach unserer Verfassung. Die Bundesregierung kann nicht so tun, als habe sie ihrerseits mit den Gemeindefinanzen nichts zu tun. Dafür trägt sie eine große Mitverantwortung.
({7})
- Ich bringe das noch einmal in Erinnerung, Herr Kollege, weil in den letzten Monaten immer wieder zu hören war, insbesondere vom Kanzler und vom Finanzminister: die Länder, die Länder, die Länder. Die Länder als erste Anlaufstelle auch, aber eben auch der Bund mit seiner Steuerkompetenz sehr entscheidend.
({8})
Leider ist die Beantwortung der Großen Anfrage eine große Enttäuschung, meine Herren Minister Maihofer und Apel. Es ist zwar eine große Zahl von Daten und Fakten zusammengetragen worden - dieser Fleiß ist zu loben -, aber es fehlt an den politischen Perspektiven für die kommunale Selbstverwaltung für die Zukunft. Keine Vorschläge für die Stärkung der Planungs- und Entscheidungskompetenz, keine Vorschläge für eine dauerhafte Verbesserung der kommunalen Finanzausstattung - nichts dergleichen ist zu lesen. Ich muß sagen: Die Bundesregierung hat in diesem wichtigen Bereich, wo man viel hätte tun können, um auch die Kräfte der kommunalen Selbstverwaltung neu zu ermutigen, leider abermals eine gute Chance vertan. Das muß man leider feststellen.
({9})
In einer Stellungnahme zur Antwort der Bundesregierung im offiziellen Organ des Deutschen Städtetags „Der Städtetag" Heft 11, 1977 heißt es ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten -:
Dann stellt man Tendenzen zu einer Überbewertung positiver Ansätze, zu einem Herabspielen von Gefahren für die Zukunft der Städte, zu einer Beruhigung und Beschwichtigung fest, obschon die Tatsachen wahrlich nicht dazu Anlaß geben.
Soweit das offizielle Organ des Deutschen Städtetages. Man kann nur hinzufügen: Der Städtetag hat mit dieser Bewertung den Nagel auf den Kopf getroffen.
({10})
Wie sieht gegenwärtig die Lage der komunalen Selbstverwaltung in unserem Lande aus? Wir müssen in dieser Debatte eine realistische Bestandsaufnahme machen. Dabei muß zunächst die Gemeindefinanzsituation angesprochen werden.
Sie ist leider - zum Nachteil vieler Mitbürger - durch eine Talfahrt gemeindlicher Investitionen geDr. Waffenschmidt
kennzeichnet. Die Ausgaben der Gemeinden sind seit 196g galoppierend gewachsen, vor allem bei der Ausführung von Gesetzen, Plänen und Richtlinien des Bundes. Jede Finanzstatistik beweist dies. Dies zeigt aber auch die Entwicklung insbesondere in folgenden Ausgabebereichen. Ich will drei exemplarisch nennen. Soziale Leistungen: 1969: 3,9 Milliarden DM, 1977: 13,8 Milliarden DM. Personalausgaben: 1969: 13,1 Milliarden DM, 1977: rund 35 Milliarden DM. Schuldendienst: 1969: 4,6 Milliarden DM, 1977: 11,8 Milliarden DM.
Meine Damen und Herren, die Schuldenlast der kommunalen Körperschaften - wenn man die kommunalen Betriebe mit dazu nimmt - beträgt bald rund 100 Milliarden DM. Die beiden Steuerpakete 1977 nehmen den Gemeinden Einnahmen in Milliardenhöhe weg, ohne daß bisher ein Ausgleich vorhanden wäre.
Es lohnt sich in diesem Zusammenhang, einmal einen Vergleich anzusehen, den der Deutsche Städtetag angestellt hat. Er hat untersucht, wie lange Bund, Länder und Gemeinden brauchten, wenn sie ihre gesamten Steuereinnahmen dazu nehmen würden, um die Schuldenberge zu tilgen, die sich inzwischen bei ihnen angesammelt haben. Mir scheint, Herr Minister Apel, dieser Vergleich ist sehr wichtig im Hinblick auf das, was Sie hier immer zur Lage der Gebietskörperschaften feststellen.
Der Bund brauchte für das Abtragen seiner Schulden zehn Monate, die Länder ebenfalls zehn Monate. Würden die Gemeinden selbst alle ihre Steuereinnahmen aufwenden, um ihre Schulden abzutragen, dann brauchten .sie inzwischen rund 29 Monate. Dies zeigt, wie alarmierend die Schuldenlast insbesondere seit 1969 gewachsen ist.
({11})
Die Investitionen der Gemeinden nehmen leider ab. Dies liegt nicht etwa daran, daß die Gemeinden nicht mehr investieren wollten; sie können es in vielen Bereichen nicht mehr. So sank der Anteil der kommunalen Investitionen an den kommunalen Gesamtausgaben von 36 % 1966 auf 27 % 1977. Im ersten Halbjahr hat sich - man muß sagen: leider -die schlechte Entwicklung fortgesetzt. Im Vergleich zum Jahr 1976 haben die Bauinvestitionen noch einmal um 9,7 % abgenommen.
Die Investitionen nehmen nicht deshalb ab, weil die Gemeinden plötzlich von einer unerklärlichen Investitionsunlust ergriffen wären, auch nicht deshalb, weil es etwa an Investitionsmöglichkeiten mangeln würde. Investitionen sind dringend erforderlich, z. B. in den Bereichen Stadtsanierung, Umweltschutz, Erschließung. Investitionen dort gelten ganz besonders auch als Voraussetzung für weitere private Investitionen. Sie könnten einen guten Beitrag für die Überwindung der Arbeitslosigkeit leisten.
Aber, meine Damen und Herren, die Verschuldungsfähigkeit der Gemeinden unterliegt eben anderen Gesetzmäßigkeiten als die von Bund und Ländern. Gemeinden können nicht einfach deficit spending machen. Deshalb ist eine größere Verschuldung auch nur möglich, wenn entsprechende Mehreinnahmen zur Finanzierung dieser Schulden zur
Verfügung stehen. Wenn der Bundeskanzler den Gemeinden in dieser Frage einfach zu höheren Schulden rät, ohne zu sagen, wie diese zurückgezahlt und finanziert werden sollen, dann rät der Kanzler hier zum finanziellen Abenteuer. Das können wir nicht mitmachen.
({12})
Meine Damen und Herren, der Appell von Bonn an die Gemeinden - das muß man ganz ruhig und realistisch sehen - muß eben von effektiver materieller Hilfe begleitet werden; sonst ist das ein Schlag ins Wasser.
Ich brauche hier nur darauf hinzuweisen, daß die drei kommunalen Spitzenverbände - Städtetag, Landkreistag und Städte- und Gemeindebund - in mehreren Stellungnahmen, an denen Politiker aller Fraktionen mitgewirkt haben, nachdrücklich darauf hingewiesen haben, daß sie gerne weitere Investitionen fordern wollten, sie aber durch laufende gesicherte Mehreinnahmen finanzierbar sein müßten.
Es muß hier klar festgestellt werden: Das letzte Entscheidende für die Verbesserung der Gemeindefinanzen geschah 1969 mit der Gemeindefinanzreform. Mit den Erfolgen für die Gemeinden aus dieser Maßnahme rühmt sich die heutige Bundesregierung. Das geht auch aus der Antwort auf die Große Anfrage hervor. Immer wieder wird auf die Gemeindefinanzreform 1969 abgehoben. Da scheint es mir wichtig, in Erinnerung zu bringen, meine Damen und Herren: Damals waren Kurt Georg Kiesinger Bundeskanzler und Franz Josef Strauß Finanzminister. Ihnen und den Politikern der Union, aber auch denen, die damals von der SPD mitgeholfen haben, sei noch heute Dank dafür, daß unter Führung einer von der CDU/CSU geleiteten Bundesregierung diese Finanzreform durchgesetzt werden konnte.
({13})
Die jetzige Regierung betreibt in entscheidenden Bereichen eine Politik zu Lasten der Gemeinden. - Jetzt sollten Sie von der SPD ruhig einmal zuhören; denn nun kommt eine ganz wichtige Aussage: Dies wurde jetzt von dem stellvertretenden Vorsitzenden der SPD, den Sie ja gerade in Hamburg wiedergewählt haben, von Herrn Koschnick, deutlich ausgesprochen. Die „Frankfurter Rundschau" berichtet darüber am 10. Oktober 1977 u. a. wie folgt - ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten -:
Der stellvertretende SPD-Vorsitzende und Bremer Bürgermeister Hans Koschnick ging am Wochenende auf einer kommunalpolitischen Fachkonferenz in Kassel mit der SPD-Bundestagsfraktion hart ins Gericht. Koschnick warf der Fraktion vor, kein Ohr und kein Gespür für die Wünsche und Nöte der sozialdemokratischen Kommunalpolitiker in den Städten und Gemeinden zu haben.
({14})
- Das kann ich nur bestätigen, Herr Kollege Jenninger.
Angesichts der Steuerpolitik des Bundes trockneten die Städte und Gemeinden finanziell zunehmend aus.
({15})
- Das wollen wir hier mit einbeziehen - das sage ich ausdrücklich -, daß eine ganze Reihe von Kollegen zur Beerdigung des früheren langjährigen Mitglieds der SPD-Fraktion dieses Hauses, des Kollegen Dröscher, sind.
({16})
Das ist völig klar. Meine Herren Kollegen, Sie brauchen sich deshalb nicht so aufzuregen. Ich glaube aber nicht - und das ist sicher realistisch -, daß alle die, die heute hier bei Ihnen fehlen, zur Beerdigung von Herrn Dröscher sind.
({17})
Nun, meine Damen und Herren, wollen wir uns wieder den Kommunalfinanzen zuwenden. Daß Sie jetzt ein bißchen aufgeregt werden, wo ich Herrn Koschnick zitiere, kann ich verstehen.
({18})
Herr Koschnick hat dann, an die SPD-Fraktion gerichtet, weiter ausgeführt, Hoffnungslosigkeit mache sieh breit bei den Kommunalpolitikern, und ein Ende der Kommunalpolitik sei in Sicht.
Koschnick legte ferner dar, die Aktivitäten in Sachen Kommunalpolitik kämen heute fast ausschließlich von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Die Kritik des stellvertretenden SPD-Vorsitzenden, gerade wiedergewählt, gipfelt in dem Satz, daß Bonn keine gemeindefreundliche Politik macht. Wir als Union stellen fest: Mit dieser Beurteilung hat Koschnick völlig recht, in diesem Punkt müssen wir ihm zustimmen.
({19})
Vor diesem Hintergrund - man sollte ja öfters auch einmal ein bißchen in der Geschichte zurückblättern - erinnere ich mich an eine Erklärung der SPD-Regierungsmannschaft von 1965. Man muß das hören. Dort wurde damals ausgeführt:
Die bessere gemeindefreundliche Haltung einer sozialdemokratischen Bundesregierung wird daher bis in die letzte ländliche Gemeinde ausstrahlen. Bund, Länder und Gemeinden werden dann eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten, sie werden als Partner die Probleme lösen, die das Wohl und Wehe unserer Gemeinden und ihrer Bürger betreffen.
({20})
Nach diesen euphoristischen Ankündigungen, Herr Kollege Schäfer, ist die Enttäuschung der Kommunalpolitiker über diese Regierung natürlich besonders groß. Die seit Jahren praktizierte Politik dieser Koalition - das muß man hier auch einmal sagen; das ist ja eine Bilanz, die nicht nur die Opposition, sondern sogar führende Politiker der SPD ziehen - muß man leider auch in das Kapitel von SPD-Regierungspolitik einordnen: versprochen und nicht gehalten.
({21})
Es ist auch ein Irrweg - das sollte man hier im Blick auf die Finanzen deutlich feststellen -, wenn man meint, über immer neue Konjunkturprogramme die konjunkturpolitisch wichtige Investitionskraft der Gemeinden stärken zu sollen.
({22})
Ich sage hier deutlich: Das Entscheidende für unsere Städte und Gemeinden und für ihre Bürger kann nicht durch eine Vielzahl von Konjunkturprogrammen geschehen, sondern nur durch eine langfristig angelegte Finanz- und Steuerpolitik von Bund und Ländern gegenüber den Gemeinden, damit sie auch wissen, auf welche Ausstattung sie vertrauen können.
({23})
Und ich füge bewußt hinzu, weil dieser Bereich ja ein wichtiges Element unserer gesamten wirtschaftlichen Entwicklung ist: Auch im Bereich der kommunalen Selbstverwaltung - genauso wie im Bereich des Mittelstandes, der Wirtschaft und der Arbeitnehmer - muß endlich wieder ein Klima des Vertrauens und der Zuverlässigkeit entstehen. Das ist die wichtigste Voraussetzung für alle Entwicklungen.
({24})
Außerdem ergibt sich die schwierige Finanzsituation der Gemeinden auch durch eine ständige Belastung der Bürger im Hinblick auf Gebühren und Entgelte für kommunale Leistungen. 1969 mußten die Bürger in den Gemeinden dafür rund 8,8 Milliarden DM aufbringen; 1977 werden es rund 20 Milliarden DM sein. Eine Verteuerung ergibt sich hier insbesondere dadurch, daß die Gemeinden kommunale Einrichtungen verstärkt mit Darlehen finanzieren müssen, weil Eigenmittel in ausreichendem Maße nicht zur Verfügung stehen.
Aus aktuellem Anlaß, weil sich nämlich auch hierzu der Regierungschef, der Bundeskanzler, in den letzten Monaten geäußert hat, möchte ich hier für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion deutlich erklären: Wir lehnen es ab, die Bürger in den Gemeinden mit immer höheren Gebühren, Beiträgen und Kommunalsteuern zur Kasse zu bitten, um auf diese Weise das Geld zu besorgen, das der Steuergesetzgeber des Bundes den Gemeinden nicht gibt, sondern das Schmidt und Apel für ihre Pläne haben wollen. Das wollen wir nicht in den Gemeinden besorgen müssen, meine Freunde.
({25})
- Ja, wir haben einen Antrag gestellt, den Gemeindeanteil an der Einkommensteuer zu erhöhen
Herr Kollege, stimmen Sie zu! Dann tun Sie ein gutes Werk für die Gemeinden.
({26})
Aus allen diesen Gründen, meine Freunde, der Gesetzentwurf der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zum Gemeindefinanzreformgesetz, den Gemeindeanteil an der Einkommensteuer von 14 auf 15 % anzuheben. Allein die Erwartung gesicherter Steuereinnahmen wird die Gemeinden zu weiteren Investitionen veranlassen. Die Gemeindefinanzreform von 1969 muß schrittweise fortgeführt werden. 18 % von der Einkommensteuer für die Gemeinden bleibt unser Ziel.
Wir sind der Auffassung, daß unser Gesetzentwurf, den wir heute vorgelegt haben, sehr realistisch ist. Bund und Länder müßten je zur Hälfte die rund 1,5 Milliarden DM aufbringen, die das zusätzliche Prozent der Einkommensteuer den Gemeinden bringen würde. Da die Regelung erst ab 1. Januar 1979 gelten soll, könnten sie sich in ihren finanziellen Dispositionen darauf auch gut einstellen. Außerdem fiele das Inkrafttreten mit einer abermaligen Neuverteilung der Umsatzsteuer zusammen, bei der sich Bund und Länder ohnehin erneut über die Verteilung der Finanzmassen einigen müssen. Für das Jahr 1978 - das sage ich hier auch ganz klar - ist bei der jetzt gegebenen Situation davon auszugehen, daß die Länder nach dem ausgehandelten Kompromiß über die Umsatzsteuerverteilung in ihren Finanzausgleichsgesetzen für eine angemessene kommunale Finanzausstattung der Gemeinden sorgen müssen. Wir von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion bitten auch hier im Deutschen Bundestag die Länder, das Ihre zu tun, um den Ausgleich im Jahre 1978 zu gewährleisten.
({27})
Aber einen echten Ausgleich kann es nur geben, wenn für weggenommene dauerhafte Steuerbeteiligung auch wieder Steuerbeteiligung gewährt wird. Dies ist für die Gemeiniden um so mehr notwendig, als ihr Anteil am Gesamtsteueraufkommen ohnehin gering ist. Und wenn die Koalition immer feststellt, es müsse gesichert werden, daß die Gemeinden das notwendige Geld auch wirklich erhalten, so muß doch deutlich gesagt werden: Der Weg, über unseren Gesetzentwurf unmittelbare Steuerbeteiligung zu schaffen, ist der beste und unmittelbarste.
Eigentlich müßte besonders der Finanzminister - hier muß ich mich an ihn wenden - der Regierung und auch der Koalition empfehlen, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen. Denn 1974, nach dem SPD-
Kommunalkongreß in Nürnberg, bezeichnete Finanzminister Apel die Anhebung des Anteils der Gemeinden an der Einkommensteuer von 14 auf mindestens 18 % als eine durchaus vernünftige Forderung für das Ende des achten Jahrzehnts. Herr Finanzminister, nach unserem Willen soll die Erhöhung auf 15 % ein Jahr vor dem Ende des achten Jahrzehnts in Kraft treten. Wir sagen hier im Rheinland oft: Butter bei die Fische! Nun bleiben Sie bei Ihrer Zusage und helfen Sie uns, daß wir vor Ende
des achten Jahrzehnts in dieser Sache ein Stück weiterkommen!
({28})
Ich will hier auch noch das zitieren, was der SPD-
Parteitag 1975 gerade in dieser Frage beschlossen hat. Da heißt es:
Der gemeindliche Anteil an der Lohn- und Einkommensteuer ist deshalb zu erhöhen. Der Anteilsatz muß mindestens 18 % betragen.
({29})
Bundeskanzler Schmidt und Minister Apel beschlossen auf diesem Parteitag - ich zitiere -:
Neue Aufgaben mit erheblichen finanziellen Auswirkungen dürfen den Gemeinden und Gemeindeverbänden nicht zugewiesen werden, wenn nicht gleichzeitig eine Regelung der Kosten erfolgt. Ein Verweis auf den Landesfinanzausgleich genügt nicht.
({30})
Soweit die Beschlüsse der SPD, meine Damen und Herren. Stehen Sie dazu und machen Sie es, wie wir es in diesem Hause vorschlagen!
({31})
- Ich denke, Sie gehören noch zur SPD. Oder sind Sie inzwischen ausgetreten?
Meine Damen und Herren, ich muß hier deutlich sagen - ich könnte jetzt auch entsprechende Beschlüsse der FDP zitieren, die sich auch immer wieder nachhaltig für eine Anhebung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer eingesetzt hat -: Bei der Abstimmung über den Gesetzentwurf der Union zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes, der einen kleinen Schritt weiterkommen will, der nämlich die Anhebung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer von 14 % auf 15 % fordert, gilt es die Nagelprobe zu bestehen, was von den einzelnen Forderungen von SPD und FDP zu halten ist, wie sie realisiert werden, meine Damen und Herren.
({32})
Lassen Sie mich nun einige kurze Ausführungen zur Gesamtsituation im Handlungsspielraum der Gemeinden machen. Am Ende der kommunalen Gebietsreform wird es in der Bundesrepublik noch 8 550 Gemeinden gegenüber etwa 23 000 Gemeinden noch zu Beginn dieses Jahrzehnts geben. Spiegelbild des Rückgangs der Zahl der Gemeinden ist ihre Vergrößerung. Aber ihre Leistungskraft - das muß man heute leider feststellen - ist noch nicht gestärkt worden. Diese Regierung trägt ein gerüttelt Maß an Mitverantwortung für diesen Zustand. Die sie tragenden Parteien haben seit 1969 immer neue Anlässe und auch immer neue Gründe für eine Ausweitung der Staatstätigkeit gefunden bzw. genannt. Der Zwillingsbruder von ständig mehr Staat ist aber immer mehr Bürokratie. Meine Damen und Herren, das muß man hier zum Grundsätzlichen ausführen: Bürokratie ist die Folge einer Politik, die alles vom Staat erwartet und die Eigen4416
initiativen dann letzlich einschnürt. Eine solche Politik wollen wir nicht.
({33})
Durch diese Politik hat auch die kommunale Selbstverwaltung sehr gelitten. Die Rathäuser unserer Gemeinden sind in vielen Bereichen auf dem Wege, zu weisungsabhängigen Außenstellen der Ministerien zu werden. Die Gemeinden degenerieren zu Nebenbetrieben des Staates. Kommunalpolitiker werden dabei zu Statisten bei politischen Entscheidungen erniedrigt. Dirigismus, Planung, Gleichmacherei feiern leider auch in diesem Bereich Triumph. Meine Damen und Herren, wir meinen, die heutige Debatte ist eine gute Chance, hier neue Orientierungspunkte zu geben. Wir sind der Meinung, hier steht eine wichtige Grundsatzentscheidung für unsere gesamte politische Situation an. Wir sind als Union der Auffassung, daß man den neuen Städten, Gemeinden und Kreisen so viel Freiheit, so viel Handlungsspielraum wie möglich geben sollte, weil der Bürger dort noch unmittelbar durchschauen kann, wie sich die Tätigkeit der öffentlichen Hand abspielt. Meine Damen und Herren, Staat sollte sich auf das beschränken, was von oberer Ebene wirklich zu machen ist, und nicht in alle Einzelbezüge des Bürgers, in den örtlichen Bereich hineinregieren.
({34})
- Meine Damen und Herren, Sie machen dazu so nette Zwischenrufe. Damit Sie es wissen: Wir sehen in diesem Bereich auch ein wesentliches Aufgabengebiet für die grundsätzliche Auseinandersetzung „Freiheit statt Sozialismus", meine Damen und Herren.
({35})
Es ist mehr als erstaunlich, daß heute auch diejenigen plötzlich die Notwendigkeit der Bekämpfung der Bürokratie entdecken, die bisher eifrig an der Ausdehnung der Staatstätigkeit mitgewirkt haben, ja, sie entscheidend zu verantworten haben. Ich muß hier insbesondere den Bundeskanzler ansprechen. Wenn er auch wegen seiner Auslandsreise persönlich nicht hier sein kann, so ist er ja durch Regierungsmitglieder und auch Parteifreunde vertreten.
Bundeskanzler Schmidt hat in den letzten Monaten ein neues Arbeitsfeld entdeckt. Er wendet sich gegen bürokratische Hemmnisse bei Investitionen. Er spricht zu Fragen der kommunalen Gebietsreform. Er fordert mehr Bürgernähe in Verwaltung und Gesetzgebung. Man muß einfach sagen: Manches davon klingt ganz gut. Aber des Kanzlers Einsatz muß angesichts dessen, was er selbst zu alledem, was er beklagt, beigetragen hat, nun doch als sehr unglaubwürdig angesehen werden. Das meiste nämlich, was er heute beklagt, kommt von einer Politik, die er als Mitglied und Chef der Bundesregierung und auch als stellvertretender Vorsitzender der SPD maßgeblich selbst gestaltet oder geduldet oder mit gefordert hat.
({36})
Meine Damen und Herren, bürokratische Hemmnisse und lange Verwaltungswege sind doch in vielen Bereichen Folgen des sozialistischen Aberglaubens, alles werde schöner, besser und gerechter, wenn erst einmal der Staat für die Erledigung der Aufgaben zuständig geworden sei. - Da brauchen Sie gar nicht abzuwinken. In Hamburg haben Sie doch wieder eine Menge Beschlüsse in dieser Richtung gefaßt. Sie kommen doch von diesem Weg gar nicht ab.
({37})
Wenn man so hört, wie durchs Land gegangen und Bürokratismus beklagt wird, muß man sich doch fragen, wer denn ständig nach der Ausweitung des „öffentlichen Korridors" gerufen, wer mehr Zuständigkeiten für Staat und Behörden verlangt hat. Es war doch die SPD, und die Regierungen unter Brandt und Schmidt haben die Dinge doch kräftig gefördert. Das muß man doch deutlich aussprechen.
({38})
Ich will noch ein paar Beispiele nennen, damit das deutlich wird. Von der Bundesregierung unter Führung von Helmut Schmidt kam z. B. der Entwurf für ein sogenanntes Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz. In ihm war ein Teil enthalten, der sich auf die Krankenhäuser bezog. Wenn das in der vorgesehenen Form Gesetz geworden wäre, hätte das doch - das haben Ihnen ja nicht nur die Abgeordneten der CDU/CSU bestätigt, sondern auch viele freie Träger draußen - für rund 50 % der Krankenhäuser in freier Trägerschaft den alsbaldigen finanziellen Tod bedeutet, wenn nicht die Union mit ihren Möglichkeiten in Bundestag und Bundesrat die Sache schnell verhindert hätte. Das war wieder ein Weg in mehr öffentliche Zuständigkeit hinein.
({39})
Meine Damen und Herren, wenn man anhören muß, was von seiten der Bundesregierung und auch von seiten des Kanzlers zur Gebietsreform gesagt wird, kann man sich nur wundern. Es wird gesagt, alles sei viel zu gigantisch und zu bürgerfern geworden. Dazu kann ich nur sagen: Hätte doch der Kanzler einmal in Zeiten dazu gesprochen, als gerade seine Parteifreunde in den einzelnen Ländern gigantische Kommunalgebilde geplant haben.
({40})
Es wäre große Klasse gewesen, wenn der Bundeskanzler Schmidt etwa einmal den hessischen Parteifreunden gesagt hätte: Nun laßt doch endlich ab, gegen alle guten Gründe solch ein Kommunalgebilde wie die Stadt Lahn zu schaffen. Da hätte sich der Kanzler Verdienste schaffen können.
({41})
Dinge aus Nordrhein-Westfalen habe ich zu einem guten Teil noch selbst in Erinnerung, weil die CDU hier Mitverantwortung getragen hat. Ich war ja bei vielen Besprechungen dabei. Die CDU mußte doch gerade die SPD und in manchen Bereichen leider auch die FDP von dem Weg wegbringen, gigantische Gebilde zu schaffen. Als ich aus dem Landtag ausschied, war die Koalition gerade dabei, im Ostwestfalen-Lipper Land einen Kreis mit rund
500 000 Einwohnern zu schaffen. Wir haben kräftig
mitgewirkt, damit das nichts wurde. Ich bin heute
noch stolz darauf, daß ich daran mitgewirkt habe.
({42})
Nun kommt der Chef der Bundesregierung und sagt, man müsse alles schneller erledigen, Investitionen müßten gefördert werden, Hemmnisse müßten weg. Ich finde das prima. Nur habe ich neulich schon dem Kanzler gesagt, als er dies vortrug, man solle in all den Bereichen, wo man selber das Bessere durchsetzen könne, dann auch das Bessere tun und nicht bei dem schlechten Verfahren bleiben. Z. B. wäre es eine gute Sache, wenn es statt der vielen Einzeldotations-Verfahren bei den Konjunkturprogrammen endlich von Bund und Ländern pauschale Zuweisungen für die Gemeinden geben würde und wenn man den Gemeinden sagen würde: Hier habt ihr soundso viele Millionen. Die müßt ihr allerdings für Investitionen ausgeben. Das müßt ihr nachher abrechnen. Aber wie sieht es denn aus? Nach wie vor müssen die meisten Projekte erst beim Bund im Ministerium gutgeheißen werden. Hier sitzt ja der Krefelder Oberbürgermeister. Der kann ein Lied davon singen. Da wird ein Berufsschulzentrum beantragt und ein Elefantenhaus im Zoo bewilligt. Das ist ein Beispiel für diese ganze falsche Dotationspolitik.
({43})
Ich muß noch etwas sagen und da sehe ich besonders die Kollegen von der FDP an. Der Kanzler war rührend bemüht, die Investitionshemmnisse abzubauen, und hat dazu Reden gehalten. Aber in seiner Regierungserklärung hat er die Frage aufgeworfen, ob man nicht eine Verbandsklage einführen solle. Er hatte da besonders atomrechtliche Dinge und Umweltschutzfragen vor Augen. Wenn wir neben all den Investitionshemmnissen, die wir schon haben, jetzt auch noch eine Verbandsklage für Bürgerinitiativen schaffen, wird in Deutschland überhaupt nicht mehr gebaut. Das sollte der Bundeskanzler also unterlassen.
({44})
Ich muß das an diesen Beispielen hier deutlich machen. Ich appelliere an Sie in den Koalitionsfraktionen, besonders in der SPD. Wenn wir glaubwürdig bleiben wollen, müssen wir alle miteinander ehrlich und offen und realistisch darum ringen - und dazu möchte ich Sie aufrufen - ({45})
- Wir haben gute Entschließungsanträge gemacht. Stimmen Sie denen zu! Dann gehen wir schon einen breiten Weg, um freier und mit mehr Selbstverantwortung in den Gemeinden arbeiten zu können. Stimmen Sie denen zu! Das ist ein guter Weg!
({46})
Es muß einfach einmal gesagt werden: Die Nebelwerferpolitik muß aufhören; es muß aufhören, daß man hier im Haus sagt: „Wir wollen Investitionshemmnisse abbauen", und daß man da, wo man
Regierungsverantwortung trägt, immer neue Investitionshemmnisse aufbaut.
({47})
Ich möchte Sie von der SPD und der FDP bitten: Legen Sie mit uns durch eine Bekämpfung der bürokratischen Vorschriften die schöpferischen Kräfte unseres Volkes frei. Denen dürfen wir viel zutrauen, auch in der kommunalen Selbstverwaltung: Diese schöpferischen Kräfte, dieses Eigenengagement und die spontane Mitwirkung brauchen wir doch, wenn wir die aktuellen Probleme bewältigen wollen, meine Freunde.
Ich möchte noch einen anderen Bereich ansprechen, weil Sie sich dazu in Ihrem SPD-Kommunalprogramm besonders geäußert haben. Der Handlungsspielraum der Gemeinden wird öfters und mancherorts durch ideologische Verklemmungen bei der SPD beeinträchtigt. Ich zitiere hier etwas, was in Ihrem SPD-Kommunalprogramm an hervorgehobener Stelle steht:
Die kapitalistischen Produktions- und Verwertungsbedingungen sind Ursachen für den steigenden Problemdruck in unseren Gemeinden.
({48})
Solche Aussagen, vom SPD-Parteitag beschlossen, ermuntern doch geradezu die Utopisten und linken Systemveränderer in den Gemeinden, auch dort ihren Tummelplatz für ihre unausgegorenen Ideen aufzumachen.
({49})
- Wenn Sie von der SPD dazu Fragen stellen, muß ich Ihnen sagen: Sehen Sie sich mal die Münchener Kommunalpolitik an! Die ist voll von Beispielen, wie diese Systemveränderer dort die Kommunalpolitik behindern.
({50})
Ich jedenfalls möchte für meine Freunde sagen: Klassenkampf hat in der Kommunalpolitik nichts zu suchen. Wer Klassenkampf ins Rathaus bringt, vernebelt nur die Blickweite für eine ordentliche realistische Kommunalpolitik.
({51})
- Das will ich Ihnen jetzt noch einmal sagen. Wir möchten mit einer Politik, die wir von der Union tragen, für die Selbstverwaltung erreichen, daß die Mitwirkungsmöglichkeiten des einzelnen Bürgers in der Gemeinde gestärkt werden. Wir wollen, daß die Zusammenarbeit der Gemeinden mit freien Trägern nachhaltig unterstützt wird, insbesondere zur Erfüllung sozialer und kultureller Aufgaben, z. B. in der Altenpflege, in der Kunst und beim Kulturangebot in der Gemeinde. Dies gilt aber besonders auch für den Bereich der Gesundheitspflege und der Krankenpflege, für viele Bereiche des sozialen und kulturellen Lebens.
Wir meinen: Wo immer es bei der Versorgung und der Betreuung der Bürger möglich ist, ist es besser, mit finanziellen Hilfen einen freien Träger oder
eine Bürgergemeinschaft zu unterstützen, als für alles eine öffentliche Zuständigkeit mit neuen Behörden und neuen Richtlinien zu schaffen.
({52})
Wir meinen auch, daß dieser Bundestag dazu eine Menge leisten kann, wenn er z. B. vor Erlaß neuer Gesetze praxisbezogene Planspiele macht. Beim Bundesbaugesetz haben wir einige gute Erfahrungen in dieser Hinsicht machen können. Wir haben dort Planspiele durchgeführt, insbesondere auf Initiative der kommunalen Spitzenverbände.
Wir sind jedenfalls der Auffassung: Bevor wir hier neue Gesetze machen, die gerade auch in den Städten und Gemeinden ausgeführt werden müssen, sollten wir alles daransetzen, zu prüfen, ob neue Gesetze so perfektionistisch sein müssen, daß sie dann wieder eine Flut von neuen Durchführungsbestimmungen, Richtlinien und Zusatzplänen nach sich ziehen. Das wollen wir eben mit unseren Initiativen hier und heute vermeiden.
Aber man muß die Kommunalpolitik mit in die Gesamtpolitik einbetten. Deshalb bin ich der Auffassung, daß auch hier noch einmal ausgesprochen werden muß: Auch in unseren Gemeinden wollen wir als Union die Grundsätze der Sozialen Marktwirtschaft mit Nachdruck unterstützen. Dazu können gerade auch die Gemeinden etwas tun. Wir wollen nämlich die Förderung und Erhaltung des vollen persönlichen Eigentums der Bürger. Das wollen wir für möglichst viele Bürger im örtlichen Bereich erreichen. Darum lehnen wir auch mit Nachdruck alle Vorschläge ab, die etwa auf eine Kommunalisierung von Grund und Boden in unseren Städten und Gemeinden abzielen.
({53})
Wir wenden uns auch mit Nachdruck gegen die von der SPD diskutierten Vorschläge zur Aufspaltung des Eigentums in ein zeitlich begrenztes Nutzungseigentum des einzelnen und ein Verfügungseigentum der Gemeinden. Das würde doch auf Dauer die private Eigentumssituation in unseren Städten und Gemeinden völlig aushöhlen.
Man muß hier offen feststellen: Unsere Städte und Gemeinden leben doch von der Investitionsbereitschaft und davon, daß sich Bürger engagieren wollen, um auch in ihrer Stadt und Gemeinde mit ihrem Eigentum und mit ihrem Einsatz etwas zu schaffen. Darauf setzen wir als Union.
({54})
Die entscheidende Voraussetzung für eine künftige gute Entwicklung in unseren Gemeinden ist ein dauerhafter wirtschaftlicher Aufschwung, um den wir uns alle bemühen müssen. Deshalb ist der nachhaltige Einsatz der Unionsparteien zur Sicherung eines dauerhaften wirtschaftlichen Aufschwungs eine der wichtigen Aufgaben gesamtpolitischer Art, die wir als Kommunalpolitiker der Union nachdrücklich unterstützen.
Wir sagen auch hier: Leistung muß sich wieder lohnen in unserem Lande. Wer mehr leistet, der soll auch ruhig etwas mehr verdienen dürfen in
unserem Lande. Das ist wichtig, um Leistung wieder lohnend zu machen.
({55})
- Hören Sie es sich einmal an. Vielerorts konnte die CDU inzwischen - das ist für Sie natürlich ärgerlich - mit ihrer guten Kommunalpolitik beste Erfolge erzielen. Die Namen Oberbürgermeister Walter Wallmann in Frankfurt und Manfred Rommel in Stuttgart sind markante Beispiele dafür, ebenso wie viele, viele Bürgermeister und Mehrheitsfraktionen der Union in den Städten und Gemeinden unseres Landes.
Damit Sie sich beruhigen: Wir sind guter Hoffnung, daß wir in München Erich Kiesl bald als Oberbürgermeister von der CSU begrüßen können, gerade bei der bisherigen Kommunalpolitik, die Sie dort zu vertreten haben.
({56})
Meine Damen und Herren, zum Schluß noch ein Wort zu den Bürgerinitiativen. Bürgerinitiativen haben uns in den letzten Wochen und Monaten sehr beschäftigt. Ich möchte hier sagen: Bürgerinitiativen sind auch der Union willkommen als Gesprächspartner für die Vorbereitung von politischen Entscheidungen. Aber eines muß deutlich bleiben: Die Entscheidungen in' den kommunalpolitisch wichtigen Fragen dürfen nicht von den Bürgerinitiativen getroffen werden, sondern die Entscheidungen müssen getroffen werden von den nach Gesetz und Verfassung dazu bestimmten und gewählten Organen der kommunalen Selbstverwaltung, von den Parlamenten, von den gewählten Verwaltungsstellen.
({57})
Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluß.
Meine Damen und Herren, die Bürgerinitiativen haben auch oft auf Mängelsituationen hingewiesen. Auch solche Hinweise wollen wir entgegennehmen. Aber wir wollen nach einer Phase des Gespräches die Phase der Entscheidung, und die Entscheidung muß bei den nach Gesetz und Verfassung dazu Berufenen bleiben.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat zu einer großen Zahl von Anliegen, die hier heute eine Rolle spielen, Anträge und Gesetzesinitiativen vorgelegt. Wir bitten um Zustimmung. Meine Kollegen aus der Fraktion werden die Anträge noch erläutern und andere Probleme vortragen.
Wir sind der Auffassung: Wir brauchen eine kraftvolle kommunale Selbstverwaltung zum Nutzen unseres gesamten Landes. Wir wollen sie auch im Blick auf Europa ausbauen; auch Europa braucht, wenn es auf den Wegen zu seiner politischen Vereinigung weiterkommen will, eine kraftvolle kommunale Selbstverwaltung.
Meine Freunde, meine Damen und Herren, wir werden alles tun, um dieses Vertrauen weiter auszuDr. Waffenschmidt
bauen. Meine Kollegen von der SPD, hören Sie doch einmal zu, da Sie so unruhig sind!
Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluß.
Wir werden alles tun, um diese kommunale Selbstverwaltung auszubauen. Wir tun es in dem Bewußtsein: Selbstverwaltung sichert Freiheit, und das ist der Einsatz der besten Kräfte wert.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, auch diese Debatte über die Lage der Städte, Gemeinden und Kreise wird zeigen, welch hohen Stellenwert die sozialdemokratische Fraktion und die sie tragenden Parteien der kommunalen Selbstverwaltung und unserer Kommunalpolitik zumessen.
({0})
Herr Kollege Kohl, vielleicht hätten Sie die Güte, wenigstens im Augenblick zuzuhören.
({1})
Namen wie Ulrich Klose - nach dem Zwischenruf muß ich sagen: Heute, wo Herr Dröscher, der 17 Jahre Amtsbürgermeister war, beerdigt wird, dem viele Kollegen das letzte Geleit geben wollen, war das vorhin außerordentlich peinlich -({2})
- Herr Schwarz, das sollten Sie besser lassen -,
({3})
Dietrich Stobbe, Günter Samtlebe, Heinz Winfried Sabais, Herbert Schmalstieg machen deutlich, daß eine weitere Generation von Sozialdemokraten heute praxisorientierte und bürgernahe Politik mit Erfolg betreibt.
({4})
Seit der letzten Kommunaldebatte am 7. November 1974 hier in diesem Hause hat sich nicht zuletzt dank unserer Arbeit und dem Engagement des Bundeskanzlers für die Belange der Kommunen das Klima für Selbstverwaltung und Gemeindefreiheit dynamisch und fortschrittlich weiterentwickelt.
({5})
Die Parteien, so scheint mir, haben sogar miteinander begriffen, daß der Abstand zwischen Wählern und Gewählten nicht vergrößert werden darf und daß Kommunalpolitik nicht nur im Schatten von Bundes- und Landespolitik steht. In diesem Sinne hoffe ich, daß diese Debatte weniger der Profilierung einzelner Mitglieder des Hauses oder einer Partei dienen soll, sondern daß sie unter dem Generalmotto steht: Wie können wir die kommunale Selbstverwaltung und damit auch das hohe ehrenamtliche Engagement vieler Männer und Frauen in unseren Städten und Gemeinden fördern und weiterentwickeln, damit uns dieses für die Entwicklung der Demokratie so entscheidende ehrenamtliche Engagement erhalten bleibt und für die Zukunft gesichert wird.
({6})
Was wir heute morgen hier gehört haben, war das übliche Schwarzweißgemälde, das die Opposition bei Großen Anfragen seit Jahr und Tag stets malt.
({7})
Da fehlt es an jeder anderen Farbe, da gibt es keine Zwischentöne. Was die Opposition sagt, ist das allein Richtige, und was die Regierungsparteien machen, ist falsch. Wer will denn ernsthaft glauben, daß das eine Grundlage für eine vernünftige Debatte sein soll?
({8})
Ich hätte mich gefreut, wenn in einem CDU-regierten Land seit 30 Jahren ein Modell entwickelt worden wäre, wo man sagen könnte: Dort ist für die Kommunen etwas völlig anderes als in den anderen Bundesländern geschehen. Dann hätten wir heute ein Diskussionsthema. Ich kann Ihnen aber ein Modell zum Finanzausgleich nennen: das Land NordrheinWestfalen. Sehen Sie sich einmal dessen Finanzausgleich, dessen Bemühungen an!
({9})
Da können Sie nachsehen, wie vom Land für die Kommunen gesorgt wird, damit sich die Selbstverwaltung entwickeln kann.
({10})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schneider?
Aber gern.
Verehrter Kollege Schmitt-Vockenhausen, nachdem Sie nach einem
Beispiel aus einem Bundesland gefragt haben, will ich Ihnen gern ein sehr überzeugendes aus Bayern geben.
Herr Abgeordneter, Sie müssen eine Frage stellen.
Ist Ihnen bekannt, daß der Freistaat Bayern als erstes Bundesland den Gemeinden voll, zu hundert Prozent, das Aufkommen aus der Kraftfahrzeugsteuer überlassen hat?
Herr Kollege Schneider, ich kann Sie hier nur auf die „Süddeutsche Zeitung" von gestern verweisen, in der Bürgermeister Leclaire, das Tutzinger Gemeindeoberhaupt, ({0}), zitiert wurde. Er hat dargestellt, wie die kommunale Selbstverwaltung in Bayern von der Regierung ausgehöhlt wird.
({1})
Das war dessen Ansicht. Setzen Sie sich damit einmal auseinander.
({2})
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Hauser, Herr Abgeordneter?
Aber bitte, Herr Kollege.
Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, wissen Sie, daß das von Ihnen hier apostrophierte Land Nordrhein-Westfalen durch seinen Finanzminister hat erklären lassen, die diesjährigen Zuweisungen an die Gemeinden könnten nur für dieses Jahr gegeben werden und dürften im nächsten Jahr nicht mehr erwartet werden?
({0})
Ist Ihnen bekannt, daß dadurch die Investitionsneigung der Gemeinden nicht gehoben, sondern bestenfalls abgesenkt wird?
({1})
Dr. Schmitt-Vockenhausen: Herr Kollege Hauser, das stimmt in der Form, wie Sie das sagen, nicht. Das wissen Sie ganz genau.
({2})
Meine Damen und Herren, der erste Debattenredner hat leider nicht untersucht, wie sich die finanzielle Lage der Städte, Gemeinden und Kreise von 1949 bis 1966 entwickelt hatte, als der Bund keine Schulden gemacht hatte und die Gemeinden sich bis über die Halskrause verschulden mußten. Das war doch die Ursache für die Finanzreform, die überhaupt erst durch unseren Antrag eingeleitet und dann 1969 abgeschlossen wurde.
({3})
- „Schulden gemacht" würde ich nicht so laut rufen. Es gibt Städte hier in der Umgebung, wo man genau untersuchen kann, wer Schulden gemacht hat.
({4})
- Fragen Sie mal den Kollegen Waffenschmidt; er ist Fachmann.
({5})
- Herr Kollege Waffenschmidt, ich richte konkret einen Appell an Sie und die Unionsparteien, jene Möglichkeiten der Mitwirkung, die für die kommunalen Spitzenverbände im Bereich des Bundestages bestehen, auch beim Bundesrat zu verwirklichen. Dort haben Sie die Mehrheit.
({6})
Ich meine, hier könnte Ihre Partei mit ihrer Mehrheit einen Schritt vollziehen, der im Bereich des Parlaments schon eine ganze Reihe positiver Auswirkungen auf die Kommunalpolitik gebracht hat und den wir dem Bundeskanzler mit seiner Initiative verdanken.
Daß die Gebiets- und Verwaltungsreform in den vergangenen Jahren manche Überspitzung erfahren hat und dem Bürger manche Wunde geschlagen wurde, bezweifelt heute niemand mehr.
({7})
Erfreulicherweise hat diese Entwicklung inzwischen zu einer Neubesinnung geführt. Am besten hat das der Bundeskanzler in seiner Rede vor der Mitgliederversammlung erläutert,
({8})
als er betonte: „Bei der kommunalen Gebietsreform ist in vielen Fällen in unendlicher Weise gegenüber dem Bürger gesündigt worden."
({9})
- Ich verstehe ja, daß es Ihnen wehtut, wenn der Bundeskanzler klar und deutlich das ausspricht, was jetzt ist, und damit Richtpunkte für die Zukunft gibt. Das ist doch das Entscheidende.
({10})
Der Bundeskanzler sagte weiter:
Vielfach sind ohne zwingende Not generationenalte Bindungen und historisch. gewachsene Gebilde zerstört worden.
({11})
Der Bundeskanzler erklärte weiter: Ich kann auch Ihnen den Vorwurf nicht ersparen,
daß auch in den Kommunen vielfältig die angeblich entstehende bessere Rationalität der Verwaltungsabläufe aus zum Teil mir sehr durchsichtigen Gründen viel zu optimistisch an die Wand gemalt worden ist.
({12})
- Nein, das sollten auch Sie selbst erkennen. Vielleicht sollte man die Lehre, die ich damals daraus gezogen habe, nicht verallgemeinern; aber verallgemeinern möchte ich die dringende Lehre, die wir alle notwendig haben, daß nämlich viele Gebietsreformen zur Befremdung und Entfremdung von Hunderttausenden, ja vielleicht von Millionen Menschen gegenüber ihrer Obrigkeit geführt haben;
({13})
und dies haben wir zu verantworten.
({14})
Ich meine, was ich sage . . .
Wir Deutschen haben offenbar die unausrottbare Neigung, vernünftige Prinzipien so zu überspitzen, daß zum Schluß das Gegenteil dessen hervorgehoben wird, wozu sie ursprünglich einmal gedacht waren.
({15})
Meine Damen und Herren, ich bitte um Ruhe und Aufmerksamkeit für den Redner.
Meine Damen und Herren, ich verstehe ja, daß die Kollegen der CDU, nachdem die Rede an die Freunde gerichtet und gewissermaßen doch im parteilichen Rahmen war, nun nicht gern das Allgemeine hören; aber ich muß es trotzdem sagen.
({0})
Um den Bundeskanzler noch einmal zu zitieren: In vielem haben die A- und B-Länder in gleicher Weise gesündigt. Wir sollten deshalb im Rahmen einer Neu- und Umbesinnung in den nächsten Jahren Mut und Zivilcourage finden, Überspitzungen zu korrigieren - und Herr Börner beginnt damit -, gleichgültig, welche parteipolitische Mehrheit nun dafür verantwortlich gezeichnet hat. Der Bürger braucht Gemeinden, die er als Heimat annehmen kann, und nicht Gebilde, die einer Retortenstadt ähneln.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter?
Nein, Herr Präsident, ich lasse keine weiteren Zwischenfragen zu, um meine Redezeit einzuhalten.
({0})
Ich meine auch, daß die Zeiten, in denen der eine oder andere Mitbürger meinte, Bürgerinitiativen seien mehr als die tägliche Pflichterfüllung in der Selbstverwaltung, zu Ende gehen. Ich sehe in Bürgerinitiativen schlicht und einfach eine Ergänzung unserer parlamentarischen Demokratie auf allen Ebenen, vor allem dann, wenn wir uns auf die repräsentative Demokratie beschränken wollen. Ich sage aber auch, wenn wir mehr unmittelbare Demokratie wollen, so wäre ich im Rahmen dieses Konzeptes für die Ausschöpfung aller Beteiligungsmöglichkeiten von den Urwahlen der Bürgermeister bis zum Begehren der Bürger.
({1})
Entscheidend ist letztlich, daß für die Gesamtheit ein positives Ergebnis erzielt wird. Wenn aber die Bürgerinitiativen über den Weg der Verbandsklage ihre Ziele gerichtlich verfolgen könnten, würden mit Sicherheit zahlreiche Entscheidungen in den Rechtsmitteln hängenbleiben. Die kommunalen Parlamente und die übrigen gewählten Organe besitzen die Legitimation, für die Bürgerschaft zu handeln und zu entscheiden. Die beste Politik für den Bürger und die objektiven Interessen der Gesamtgemeinde ist daher, die kommunale Selbstverwaltung zu stärken und zu sichern.
({2})
Zum Gesamtkomplex der Stellung der Gemeinden in unserer Verfassungsordnung und zu den Diskussionen über die Verbandsklage wird mein Kollege Penner noch ausführlich Stellung nehmen und auch auf die Einzelheiten zurückkommen.
Nicht nur als Kommunalpolitiker der Sozialdemokratischen Partei, sondern auch als Mitglied eines kommunalen Spitzenverbandes kann ich dem Aufruf des Bundeskanzlers, daß sich die Kommunen auch gegenüber dem Landes- und Bundesgesetzgeber und gegenüber dem Bundes- und Landesverordnungsgeber im konkreten Fall mit konkreten Belegen zur Wehr setzen sollen, nur beipflichten.
({3})
Ich bin sicher, daß wir dieser Aufforderung des Bundeskanzlers folgen werden.
({4})
Auf die Gefahr, daß die kommunale Selbstverwaltung in der Flut von Gesetzen erstickt, kann ich hier nur kurz eingehen. Das ist ein Problem, vor dem ich seit Jahren immer gewarnt habe. Ich darf darauf hinweisen, daß ich vor Jahren schon einen Aufsatz „Von der Vollzugskrise zum Vollzugsdefizit" geschrieben habe, auf den nirgends ein Echo zu hören war, weil das öffentliche Bewußtsein für diese Frage noch nicht so entwickelt war, wie das inzwischen der Fall ist.
({5})
Bei den bekannten und nicht zu unterschätzenden Problemen der Großstädte und Ballungsgebiete dürfen jedoch nicht die beispielsweise aus der Raumordnungsprognose 1990 ersichtlichen Konsequenzen auf Grund der veränderten demographischen Bedingungen für den ländlichen Raum vergessen werden. Auch müssen wir dafür sorgen, daß die in den ländlichen Bereichen in das erwerbsfähige Alter nachwachsenden Jahrgänge besser als bisher Ausbildungs- und Arbeitsplätze finden. Wir werden heute mittag darüber weitere Einzelheiten vortragen. Bis 1990 wird in diesen Gebieten mit einem Überschuß von 1,2 Millionen Erwerbspersonen zu rechnen sein. Wir müssen beachten, daß in den abwanderungsgefährdeten Gebieten das Angebot an Erwerbspersonen überproportional wächst, während sich gleichzeitig ein Rückgang der vorhandenen Arbeitsplätze voraussagen läßt, wenn für die abwanderungsgefährdeten Gebiete nicht mehr als bisher getan werden könnte.
Hinweisen, meine Damen und Herren, darf ich auch hier noch auf das Prinzip der Rechtssicherheit. Die Kontinuität der Rechtsanwendung in der Rechtssprechung der Verwaltungsgerichte ist für die Kommunen als Zukunftsaufgabe von erheblicher Bedeutung. Auch hier sollte, was die Grundeinstellung zu den anderen öffentlichen Gewalten angeht, zunächst davon ausgegangen werden, daß gesetzgeberische oder behördliche Entscheidungen rechtmäßig zustande gekommen sind und daß ihre Rechts- oder Verfassungswidrigkeit nachzuweisen ist, bevor eine Norm von den Gerichten verworfen wird. Diese Zurückhaltung bedeutet keinen Abbau gerichtlicher Kontrolle und keine Verweigerung des Rechtsschutzes, sondern berücksichtigt lediglich den Umstand, daß im demokratischen Rechtsstaat die politischen Entscheidungen regelmäßig durch dazu legitimierte Organe in einem vorgeschriebenen Verfahren unter Beachtung der Rechtspositionen der Betroffenen zustande kommen. Diese Legitimität der Entscheidungen von Gesetzgebung und Verwaltung darf auch im Bewußtsein der Öffentlichkeit nicht generell in Zweifel gezogen werden. Sie ist nur dann zu verneinen, wenn konkret eine Rechtsverletzung festgestellt werden kann. Schließlich darf ein Prozeß um einen Anliegerbeitrag nicht fast ein Jahrzehnt dauern. Das sind Probleme, die die Kommunen berühren. Über deren Lösung müssen wir reden, insoweit müssen wir überlegen, was wir tun können. Dagegen können wir uns nicht auf einen allgemeinen Warenhauskatalog verlassen.
({6})
Jede Freiheitsfrage ist auch eine Machtfrage. Und jede Machtfrage ist auch eine Finanzfrage. Für die Zukunftschancen der kommunalen Selbstverwaltung und der Gemeindefreiheit in unserem Land ist es deshalb ganz entscheidend, daß die Wirtschafts- und Finanzpolitik dieser Bundesregierung Erfolg hat. Deswegen unterstützen wir sie dabei mit Nachdruck.
({7})
Was nützen die besten Kommunalprogramme oder die Gefechte um Steuerverteilungen, wenn die Regierung nicht mit unser aller Unterstützung den erfolgreichen Kampf gegen Inflation und Arbeitslosigkeit und für Vollbeschäftigung auch in den nächsten Jahren weiterführen kann?
({8})
Daher haben die Gemeinden Verständnis für die Sorgen des Finanzministers, die hier noch im einzelnen erörtert werden.
Wenn heute überhaupt von einem Finanzverbund zwischen Bund, Ländern und Gemeinden gesprochen werden kann, so muß, Herr Kollege Waffenschmidt, in aller Bescheidenheit daran erinnert werden, daß die Einsetzung dieser Kommission auf einen Antrag der SPD zurückgeht, der dann zur großen Finanzreform von 1969 geführt hat.
({9})
- Herr Kollege Kohl, wir brauchen gar nicht so weit zurückzugehen. Wir wollen auf das zurückgehen, was in diesem Bundestag beschlossen worden ist. Das ist die Grundlage, und das ist auf unseren Antrag zurückgegangen.
({10})
Natürlich gilt, daß der, der investiert, auch Folgekosten auf sich nehmen muß. Erhebliche Folgekosten kann aber nur der auf sich nehmen, der mit festen Einnahmen rechnen kann. So gut die Verbesserung des Finanzausgleichs durch die Länder ist, so kommt es letztlich darauf an, daß bei der Mehrwertsteuer ein Kompromiß gefunden wird, bei dem die Länder dem Bund etwas zurückgeben, um die festen Einnahmen der Gemeinden zu sichern; denn bei einer Anhebung des Gemeindeanteils verringert sich der Länderanteil an der Lohn- und Einkommensteuer und damit die Verbundgrundlage für den kommunalen Finanzausgleich. Das ist bisher völlig übersehen worden. Diese Minderung der Verbundmasse in den Ländern ist mit rund 150 Millionen DM zu beziffern, so daß Einnahmeausfällen des Bundes in Höhe von 750 Millionen DM Einnahmeausfälle der Länder in Höhe von 600 Millionen DM gegenüberstehen.
Niemand kann die Verantwortung der Länder für eine ausreichende Finanzausstattung der Gemeinden bestreiten. Das muß mit aller Klarheit gesagt werden. Niemand wird aber auch den Bund aus seiner Mitverantwortung entlassen. Die Länder haben bei der Mehrwertsteuerneuverteilung in diesem Sommer den großen Schnitt gemacht und zugesagt, die Ausfälle der Gemeinden zu ersetzen. Es ist nicht zu übersehen, daß mehrere Länder entgegen den Vorstellungen des Bundes der Verpflichtung nur unzureichend nachgekommen sind, die Einnahmeausfälle der Gemeinden aus dem Steuerpaket auszugleichen. In Schleswig-Holstein hat sich Ministerpräsident Stoltenberg ausdrücklich geweigert, diesen Ausgleich zu leisten. Er ist nicht einmal bereit, die in den Rezessionsjahren 1975 und -1976 am Finanzausgleich vorgenommenen Kürzungen in Höhe von 80 Millionen DM wieder rückgängig zu machen.
({11})
den sind. Auch die natürlichen Leistungsgrenzen der gemeindlichen Verwaltung sind hierfür verantwortlich zu machen. Die Aktivierung der Vorratsplanung muß nun aber nicht heißen, daß die Leistungskapazität der öffentlichen Verwaltungen durch Personalvermehrungen gesteigert werden soll. Gerade für die Vorratsplanung - das möchte ich ganz deutlich sagen - bietet sich die Beauftragung freier Planer und freier Architekten an. Das wäre dann u. a. auch ein Beitrag zur Milderung der aktuellen Auftragsprobleme in diesen beiden genannten freien Berufen, und das wäre - erlauben Sie mir, dies etwas polemisch zu sagen - sicherlich sinnvoller, als durch eine extensive Genehmigungspraxis für Nebentätigkeiten öffentlicher Bediensteter in den Bauverwaltungen jenem Berufsstand auch noch private Aufträge wegzunehmen und im eigenen Bereich Leistungseinschränkungen durch Doppelbelastungen hinzunehmen.
({12})
Herr Schmitt-Vockenhausen hat auf die verfassungsrechtliche Verantwortlichkeit für die Finanzausstattung der Gemeinden bereits hingewiesen. Sie wissen, daß im Zuge des zweistufigen Aufbaus unseres föderativen Staatswesens Bund und Länder nach Art. 106 GG gleichmäßig Anspruch auf Deckung ihrer notwendigen Ausgaben aus den laufenden Einnahmen haben. Sie wissen auch, daß dabei die Einnahmen und Ausgaben der Gemeinden als Einnahmen und Ausgaben der Länder gelten. Sie wissen ferner, daß die Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer immer dann neu festzusetzen sind, wenn sich das Verhältnis verschoben hat. Damit ist aber von der Verfassung her die prinzipielle Verantwortlichkeit der Länder für die Finanzausstattung der Gemeinden klargestellt. Diese Klarstellung erscheint uns notwendig, weil bei der Lektüre eines Teils der in der Großen Anfrage vorgelegten Fragen der Eindruck entstehen könnte, es gebe hier eine unmittelbare Zuständigkeit des Bundes für die Finanzausstattung der Gemeinden. Meine Damen und Herren, nun leugnen wir selbstverständlich nicht, daß durch unsere Maßnahmen hier, durch unsere Gesetzgebung ganz direkte Auswirkungen auf die finanzielle Situation der Gemeinden verursacht werden. Es bleibt aber dabei: Der Anspruchspartner der Städte, Gemeinden und Kreise für ihre finanzielle Lage ist in erster Linie das jeweilige Land.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich aus dem großen Katalog der Fragen der Großen Anfrage einen Komplex unter dem Stichwort „aufgabengerechte und qualitativ verbesserte Finanzausstattung der Gemeinden" herausgreifen. Hier sind durch Ihre Fragen Sinn oder Unsinn von vor Ort abzuwickelnden Konjunkturprogrammen und Programmen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgaben angesprochen. Sie konstruieren hier einen Zusammenhang zwischen dem, was Sie Dotationssystem nennen, und der unmittelbaren eigenen Einnahmesituation der Gemeinden. Meine Damen und Herren, wir bestreiten, daß es hier einen grundsätzlichen Zusammenhang gibt. Es gibt Aufgaben und Aufgabenschwerpunkte, die nicht in alleiniger Kompetenz und Verantwortung der Gemeinden, sondern nur unter Wahrung gesamtstaatlicher Verantwortlichkeit in
Abstimmung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden optimal erfüllt werden können.
Im übrigen ist auch insoweit die Verfassungslage eindeutig: Nach Art. 104 a Abs. 1 GG darf der Bund allgemeine Aufgaben der Gemeinden nicht unmittelbar finanzieren. Nach Abs. 4 dieses Artikels sind Finanzhilfen des Bundes nur für besonders bedeutsame Investitionen zulässig. Allgemeine, pauschalierte Investitionshilfen sind also unzulässig.
({13})
- Damit, Herr Möller, komme ich zur Drucksache 8/1209. Denn in diese Richtung weist ja hier Ihr Entschließungsantrag. Ich kann es mir nicht versagen, anzumerken, daß dieser Entschließungsantrag offenbar mit einer ungewöhnlichen Leichtfertigkeit produziert worden ist.
({14})
Daß Sie mit der Forderung nach pauschalen Konjunkturmittelzuweisungen an die Gemeinden etwas Verfassungswidriges fordern - so jedenfalls hat es das Verfassungsgericht auf Wunsch des Landes Bayern entschieden -, mag als politische Willenskundgebung sozusagen de lege ferenda noch verzeihlich sein.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Waffenschmidt?
Ja, bitte, gern.
Herr Kollege Gattermann, ist Ihnen klar, daß über alle Investitionsmaßnahmen, auch über die Konjunkturprogramme, die zur Zeit laufen, öfentlich-rechtliche Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern abgeschlossen werden müssen, nicht zuletzt auch auf Grund des Urteils, das Sie gerade erwähnten, und sind Sie mit mir der Meinung, daß man bei solchen öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen ohne weiteres auch pauschale Zuweisungen verabreden könnte, da diese Vereinbarungen 'ja ohnehin im Rahmen der Verfassungswirklichkeit getroffen werden?
Herr Kollege Waffenschmidt, ich habe ehrlich verfassungsrechtliche Bedenken, daß man sich im Rahmen einer solchen Vereinbarung, die im übrigen nicht mit den Gemeinden, sondern nur mit den Ländern getroffen werden könnte, auf ein Pauschalsystem einigt. Das ist das eine. Das andere, das Politische aber, was hinzukommt, ist: Dies bedeutet Gießkannenprinzip.
({0})
- Natürlich! Entschuldigen Sie, Herr Möller: Wenn wir den Ländern eine ganz bestimmte Quote zuweisen, dann werden die Gemeinden ebenfalls ihre ganz bestimmten Anteile an diesem Kuchen fordern. Das Land wird dann überhaupt nicht in der Lage
Ich bin gespannt, wie am Jahresende die Bilanz zwischen den A-Ländern und den B-Ländern bei der Mehrwertsteuerzuweisung im Rahmen des Finanzausgleichs aussehen wird.
({1})
Für das Jahr 1979 steht wieder eine Neuverteilung der Umsatzsteuer zwischen Bund Ländern an. Dies ist, so meine ich, die Gelegenheit, negative Erfahrungen aus der letzten Umsatzsteuerverteilung im Hinblick auf die kommunale Finanzsituation zu korrigieren. Das bedeutet, daß in Abkehr von den bisherigen Überlegungen die Gemeinden nicht auf die Finanzausgleichsgesetze der Länder angewiesen sein sollten, sondern daß wir den Bund unterstützen sollten, damit dieser für unmittelbare Einnahmen der Gemeinden kämpft und das Geld nicht über die Finanzausgleichsgesetze vertröpfelt wird. Das ist der entschiedende politische Punkt.
({2})
Es erscheint deshalb zweckmäßig, die Erhöhung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer mit der nächsten Umsatzsteuerneuverteilung zu koppeln. Meine Kollegin Brigitte Traupe wird sich im Laufe des Vormittags noch eingehend mit diesen Fragen beschäftigen. Das wäre eine Möglichkeit, die beruhigend wirken und die Kommunalpolitiker veranlassen könnte, nicht jedesmal, wenn sie das Wort ergreifen, gewissermmaßen eine „kommunale Zulage" zu fordern.
Der Herr Kollege Waffenschmidt hat noch ein paar Bemerkungen zu den Entschließungsanträgen gemacht. Ich kann nur sagen: Das sind alles Fragen, die die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien entweder längst in Angriff genommen haben oder die in der Prüfung sind. Sie sind hier auf einen fahrenden Zug aufgesprungen, in der Hoffnung, daß man draußen nicht bemerkt, daß Sie auf Ideen der Koalition bauen. Mehr ist das nicht, was Sie hier geboten haben.
({3})
Ein Gedanke, der in der Großen Anfrage nicht aufgegriffen wurde - es wurden viele Fragen nicht aufgegriffen -, sollte aber in diese Debatte noch eingeführt werden. Die Kommunalpolitiker sind in den letzten 30 Jahren vor allem der Europapolitik treu geblieben, auch als andere Politiker auf Tauchstation gegangen waren. Sie werden sich auch bei den Wahlen zum Europäischen Parlament engagieren und durch die Weiterführung der Partnerschaften und des Austausches entscheidend für eine gesunde Basis in einem vereinten Europa sorgen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Bilanz der sozialliberalen Koalition, die in der Antwort der Bundesregierung in ihren vielfältigen Bemühungen deutlich geworden ist, zeigt, daß sie auf dem besten Wege ist, in entscheidender Weise die deutschen Städte, Gemeinden und Kreise fortschrittlich und gut weiterzuentwickeln.
({4})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gattermann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Herr Kollege Waffenschmidt, ich habe nicht die Absicht, hier heute eine Debatte über „Freiheit oder Sozialismus" zu führen.
({0})
- So ist es. Vor allen Dingen gehört es nicht zu unserem Thema. Ideologisches Schattenboxen ist bei der Aussprache über die Lage der Gemeinden in diesem Lande fehl am Platze.
({1})
Herr Waffenschmidt, es ist Ihnen nicht gelungen, dieses Haus in eine gemeindefreundliche und eine gemeindefeindliche Seite zu dividieren. Alle Fraktionen dieses Hauses ha ben ihre kommunale Basis, und so wird es bleiben,
({2})
nicht zuletzt - lassen Sie mich das betonen - wegen der Intelligenz unserer Kommunalpolitiker.
Wenn der Rauch denn verzogen ist und wenn bei dieser Debatte etwas für unsere Erkenntnis und für die Erkenntnis der Kommunalpolitiker herauskommen soll, dann, meine ich, sollten wir versuchen, mit zwei Schwerpunkten zu diskutieren. Der eine sollte die finanzielle Situation der Gemeinden und ihre Stellung und Bedeutung in der Gesamtwirtschaft dieses Landes sein, der zweite die verfassungsrechtliche Bedeutung und die Möglichkeiten und Chancen einer optimalen Funktionsverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Ich habe es für meine Fraktion übernommen, zu dem ersten Themenschwerpunkt Stellung zu nehmen. Zu dem zweiten wird mein Freund Dr. Wendig gleich Ausführungen machen.
Als erstes sollte die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Gemeinden, Städte und Kreise durchleuchtet werden. Wenn der Bund nur über knapp die Hälfte der öffentlichen Finanzmasse verfügt, wenn folglich die andere Hälfte - und mehr - den Ländern und den Gemeinden für die Erfüllung ihrer Aufgaben zur Verfügung steht und wenn die Gemeinden zwei Drittel der öffentlichen Investitionen tätigen, dann folgt daraus zunächst mindestens quantitativ die besondere volkswirtschaftliche Bedeutung der Gemeinden.
Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht ist aber für die kommunale Finanzpolitik eine Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit festzustellen. Nach dem kommunalen Haushaltsrecht sind die Gemeinden gehalten, bei ihrer Haushaltswirtschaft den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen. Tatsächlich entwickeln sich jedoch die kommunalen Investitionsausgaben - wie die Kürzungen in den Haushalten der Gemeinden in den Jahren 1975 bis 1977 ganz allgemein ausweisen, und das trotz der Konjunkturprogramme 1974
und 1975 - nach wie vor prozyklisch. Daraus leitet sich für uns die Frage ab, ob der gesamtwirtschaftliche Anspruch an die Gemeinden aufzugeben ist, weil er nicht realisierbar ist; ist den Gemeinden ein antizyklisches Finanzverhalten in der Rezession auf Grund ihrer Finanzausstattung überhaupt möglich?
Es läßt sich nicht leugnen, daß es verschiedene Gesichtspunkte gibt, die einer gesamtwirtschaftlich verantwortlichen Investitionspolitik der Gemeinden zuwiderlaufen. Ich will hier beispielhaft nur folgende Punkte anführen: Die Einnahmeentwicklung ist unstetig. Das rührt dann zu einer zyklischen Entwicklung der Überschüsse, die die Verwaltungshaushalte an die Vermögenshaushalte abführen können. Diese Überschüsse aber bestimmen nach Abzug der Schuldentilgung ganz maßgeblich die gemeindeeigene Investitionskraft. 1975 war mit 5,3 % ein Tiefpunkt der Selbstfinanzierungsquote erreicht, nachdem diese Quote 1973 noch 36,7 % betragen hatte. Allerdings bleibt positiv anzumerken, daß sie 1976 wieder auf 16,4 % gestiegen ist.
Ferner begrenzt das kommunale Haushaltsrecht den Spielraum für die Verschuldung der Gemeinden. Gerade auch daraus, daß die Prüfung der Schuldendienstleistungsfähigkeit in jedem Jahr obligatorisch ist und daß die kommunalen Aufsichtsbehörden gerade diese Bestimmungen häufig mehr als restriktiv anwenden, ergibt sich ein Hindernis.
Ein weiterer Punkt: Wegen des Fehlens bzw. der späten Vorlage von Orientierungsdaten gibt es gewisse Koordinationsmängel im Finanzplanungsrat.
In bestimmten Infrastrukturbereichen wie dem Bau von Schulen, Kindergärten und Krankenhäusern ist darüber hinaus der Investitionsbedarf stark rückläufig. Das Umschalten auf neue Investitionsbereiche z. B. im Umweltschutz, bei der Stadtsanierung und der Stadtentwicklung bereitet bei den Gemeinden hier und da gewisse Schwierigkeiten.
Der nächste Punkt: Der Einblick in gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge ist auf Gemeindeebene zwangsläufig etwas weniger stark ausgeprägt. So ist auch ganz allgemein für das Jahr 1977 noch ein absoluter Vorrang der Haushaltssanierung festzustellen, obwohl gesamtwirtschaftlich genau die gegenteilige Haushaltspolitik geboten gewesen wäre. Und es gab auch aus dem politischen Bereich gegen diese nicht gebotene Sparpoiltik kaum Widerstände, was nach unserer Auffassung an dem bereits erreichten infrastrukturellen Versorgungsgrad liegt.
Was folgern wir daraus? Wir meinen, daß antizyklische Finanzpolitik auf Gemeindeebene ganz sicher nicht in der Form des „stop and go" betrieben werden kann, was wir auch - und dies auch aus gesamtwirtschaftlicher Sicht - überhaupt nicht für wünschenswert hielten. Dennoch ist ein gewisser antizyklischer Handlungsspielraum vorhanden, der - insbesondere über Variationen bei der Finanzzuweisung durch die Länder - ausgenutzt werden muß.
Ich will aber ganz deutlich sagen: In der Zukunft muß eine Verstetigung der kommunalen Investitionsausgaben Vorrang haben. So hat es meine Partei übrigens auf dem Kieler Parteitag in der
fünften These des Abschnitts „Konjunkturpolitik durch Globalsteuerung" in ihrem Wirtschaftspapier gefordert, wo es wörtlich heißt - Herr Präsident, ich bitte um die Genehmigung, dies zitieren zu dürfen -:
Die Liberalen fordern einen konjunkturunabhängigen Einnahmestrom für die Gemeindesteuern. Dadurch sollen die Gemeinden zu einer langfristig stetigen Ausgestaltung ihrer Ausgaben veranlaßt werden, um konjunkturpolitisch nicht prozyklisch, sondern zumindest stabilisierend zu wirken, da offensichtlich ein antizyklisches Verhalten der Gemeinden nicht zu verwirklichen ist. Dadurch wird auch eine kontinuierliche Erfüllung ihrer Aufgaben ermöglicht.
Meine Damen und Herren, wir ziehen daraus den Schluß: Wir entlassen die Gemeinden nicht aus ihrer gesamtwirtschaftlichen Verantwortung. Dazu ist die Bedeutung der kommunalen Ausgaben für Wachstum und Beschäftigung viel zu groß.
({3})
Da sich auch eine strukturelle Sanierung der Gemeindehaushalte abzeichnet - nach Abflachung des Zuwachses bei den Personalausgaben verlangsamt sich nun auch die überdurchschnittlich starke Dynamik bei den Sozialausgaben -, ist es erforderlich und möglich, daß die Gemeinden durch Verstetigung ihrer Ausgabenpolitik, die gelegentliche zusätzliche antizyklische Investitionsmaßnahmen einschließt, ihrer gesamtwirtschaftlichen Verantwortung gerecht werden.
Von unserer Seite ist dazu erforderlich, daß der Finanzplanungsrat seine koordinierende Tätigkeit intensiviert, indem für die Haushalte und die Finanzplanungen der Gemeinden aussagekräftige Orientierungsdaten erarbeitet werden. Dazu ist erderlich, daß die Einnahmeplanung der Gemeinden verbessert werden kann, was Verbesserungen sowohl bei der Steuerschätzung als auch bei der rechtzeitigen Bekanntgabe der Finanzzuweisungen durch die Länder voraussetzt, und daß schließlich gerade im kommunalen Bereich sich auswirkende Investitionshemmnisse durch Rechtsvorschriften und Genehmigungsverfahren abgebaut werden.
An dieser Stelle muß ich für die Koalitionsfraktionen anmerken, daß wir den hier einschlägigen Entschließungsantrag, der Ihnen in Drucksache 8/1226 vorliegt, werden ablehnen müssen, weil nämlich der dort geforderte Bericht durch die praktische Tätigkeit der Bundesregierung und auch dieses Hauses im Baubereich längst obsolet ist. Im übrigen raten wir den Gemeinden, ihre Vorratsplanungen auf der Grundlage mehrjähriger Investitionsprogramme zu aktivieren.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang ein Stichwort aus der allgemeinen Diskussion über die Kapazitätsgrenzen der Gemeindeverwaltungen aufgreifen. Jeder Kommunalpolitiker weiß, daß es nicht nur Finanzierungsprobleme sind, daß es nicht nur Verzögerungen im Bewilligungsverfahren sind, die als Ursache dafür in Frage kommen, daß Vermögenshaushalte kaum jemals voll ausgefahren wor4426
Dz. Schmitt-Vockenhausen
- Und bei der Opposition auch nicht. Auch Sie haben stolz die Zahl der von Ihnen eingebrachten Gesetze genannt, statt darüber nachzudenken, wie der Wald von Gesetzen gerodet werden kann.
({4})
Das ist die Tatsache, meine Damen und Herren. Hier hat sich ein Unbehagen eingestellt, das allen zu denken gegeben hat. Jedenfalls ist es an der Zeit, daß wir den Geißlerschen Gesetzen, Spielplatzgesetzen mit Angaben der Neigungswinkel für Bahnen und Sportplatzgesetzen, endlich abschwören. Das war doch das Ende der Selbstverwaltung, den Bürgermeistern, der Selbstverwaltung bis ins letzte alles vorzuschreiben.
({5})
Unabhängig davon macht es die Verdichtung staatlicher Planung in Bund und Ländern dringend notwendig,
({6})
die Städte, Gemeinden und Kreise frühzeitig an den zu treffenden Planungsentscheidungen zu beteiligen, um sicherzustellen, daß auch die Belange der betroffenen Bürger ausreichend berücksichtigt werden.
({7})
Der Deutsche Bundestag begrüßt deshalb die Bereitschaft der Bundesregierung, entsprechenden Wünschen der kommunalen Spitzenverbände zu entsprechen. Die Bundesregierung sollte darüber hinaus eine generelle Lösung der Probleme anstreben, wie sie dankenswerterweise von der Enquete-Kommission Verfassungsreform für eine gemeinsame Rahmenplanung von Bund und Ländern empfohlen wurde und wie sie weiterentwickelt werden muß. Meine Damen und Herren, das sind die Themen, die auf der Tagesordnung stehen. Da können wir etwas für die Gemeinden leisten, nicht aber mit allgemeinen Reden. Hier kommt es darauf an.
({8})
Auch die Landesregierungen werden gebeten, den Städten, Gemeinden und Kreisen ihres Bereiches angemessene Rechte zur Mitwirkung an der Landesplanung einzuräumen.
({9})
Das Umdenken, das begonnen hat, ist nicht zuletzt durch die Initiative des Bundeskanzlers und der Bundesregierung unterstützt worden. Die Chance, die jetzt besteht, muß die Kommunalpolitik nutzen. In diesem Zusammenhang kann ich nur bedauern, daß die Länder das Angebot, das der Bundeskanzler dem bayerischen Ministerpräsidenten Goppel als dem damaligen Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz unterbreitet hat, nämlich noch im Laufe dieses Jahres in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe aus Vertretern des Bundes, der Länder und der Gemeinden den Fragen nachzugehen, die zu der unbefriedigenden Entwicklung der kommunalen Finanzen geführt haben, abgelehnt haben.
({10}) : Das ist doch gar nicht
wahr!)
- Doch! Ich bin der Meinung, daß nur eine gemeinsame Arbeitsgruppe von Bund, Ländern und Gemeinden Wege und Lösungen aufzeigen kann, wie eine Belebung der kommunalen Investitionstätigkeit erreicht und vorhandene Investitionshemmnisse beseitigt werden können. Schließlich haben wir bei dem Gespräch zwischen dem Bundeskanzler und den kommunalen Spitzenverbänden am 26. September festgestellt, wie wichtig es wäre, wenn Bund, Länder und Gemeinden gemeinsam auch die in der Großen Anfrage angesprochenen Fragen behandeln und beraten würden. Leider, meine Damen und Herren, erscheinen mir die Aussichten hierfür sehr gering. Auch hier sind Sie am Zug, denn Sie haben im Bundesrat und in der Ministerpräsidentenkonferenz dazu die Möglichkeit.
Es darf auch hier nicht unerwähnt bleiben, daß die Opposition in einigen Sektoren kaum zur Klimaverbesserung für die Selbstverwaltung beigetragen hat. Dazu gehört nicht nur der Pyrrhussieg, den die bayerische Landesregierung vor dem Bundesverfassungsgericht erstritten hat. Dazu gehört vor allem auch die entfachte unfruchtbare Diskussion über die sogenannte Privatisierung, die ja inzwischen auch zu Ihrer eigenen Freude in der Form, in der sie von Ihnen ursprünglich angelegt war, eingeschlafen ist. Zu jenen Initiativen von Ihnen, die sich durch auffällige Kurzatmigkeit ausgezeichnet haben, zählt auch der Vorschlag über den Personalabbau im öffentlichen Dienst, den vor allem Ihr Kollege Narjes mit dem Vorschlag, 700 000 Mitarbeiter im öffentlichen Dienst abzubauen, bereichert hatte.
({11})
Schließlich haben wir das Großkrankenhaus als Krankenhaus der Zukunft ja nicht begraben, um es durch ein Großkrankenhaus oppositioneller Vorschläge neu zu beleben. Doch ich will gern zugestehen, daß die Herbstoffensive der Opposition vielleicht noch bevorsteht und daß den Worten vielleicht auch noch Taten folgen. Bisher war die Offensive im wesentlichen auf Südafrika und Chile beschränkt.
({12})
Meine Damen und Herren, Taten hat die Bundesregierung auch im Bereich des Städte- und Wohnungsbaus und der regionalen Wirtschaftsstruktur vorzuweisen.
({13})
Die Erhaltung und Erneuerung der Innenbereiche unserer Städte und Gemeinden gehört zu den wichtigen kommunalpolitischen Aufgaben dieser Legislaturperiode. Die vielfältigen Bemühungen, die beispielsweise im Investitionsprogramm, im Bund-Länder-Modernisierungsprogramm und im angekündigten Programm zur Förderung heizenergiesparender Investitionen in bestehenden Gebäuden zu sehen sind, werden von den Kommunen dankbar begrüßt.
sein, hier besondere Schwerpunkte zu setzen. Das wird dann für die Länder politisch überhaupt nicht anders zu machen sein. Und das wollen wir politisch nicht.
Meine Damen und Herren, ich habe angemerkt, das - deswegen brauchen wir das mit der Verfassungswidrigkeit nicht zu vertiefen - sei möglicherweise noch verzeihlich.
({14})
Was dann aber nicht mehr verzeihlich ist, ist, daß Sie in Ihrem Antrag etwas tatsächlich wie rechtlich völlig Unmögliches fordern. Es ist Ihnen da wahrscheinlich ein Fehler unterlaufen. Das meinte ich eben mit der „Leichtfertigkeit" und der „heißen Nadel". Sie fordern nämlich von der Bundesregierung, sie solle an Stelle einzelprojektbezogener Konjunkturprogramme der Gemeinden eben diesen Gemeinden pauschale Mittel zur eigenverantwortlichen Verwendung zur Verfügung stellen. Dennoch werden wir der Überweisung dieses Entschließungsantrags an den Ausschuß zustimmen, um zu erfahren, was Sie denn nun eigentlich wirklich meinen.
({15})
Meine Damen und Herren, die Kritik der Gemeinden an der sogenannten Politik des „goldenen Zügels" kann, so glauben wir, nicht pauschal zurückgewiesen werden. Auch hier ist allerdings wieder darauf hinzuweisen, daß für das die Struktur der Gemeindefinanzen maßgeblich beeinflußende Verhältnis von Zweckzuweisungen und Schlüsselzuweisungen zunächst die Länder zuständig sind. Hier bleibt positiv anzumerken, daß nach unserem Erkenntnisstand - Sie mögen uns korrigieren - der Erkenntnisprozeß bei den Ländern offenbar fortschreitet, daß wirklich nur in den unerläßlichsten Fällen über Zweckzuweisungen finanziert wird, wobei dann das Volumen der Schlüsselzuweisungen steigen kann. Lassen Sie mich als positives Beispiel
- Herr Schmitt-Vockenhausen hat es schon erwähnt
- den Entwurf des Finanzausgleichsgesetzes 1978 des Landes Nordrhein-Westfalen anführen und wegen der unverfänglichen Autorenschaft aus einer Erklärung eines Ratsvertreters einer nordrhein-westfälischen Großstadt zitieren. Es handelt sich um die Grundsatzerklärung zum Haushaltsentwurf 1978. Es heißt dort:
Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang der von der Landesregierung vorgelegte Éntwurf zum Finanzausgleich 1978, der bei einem gleichbleibenden Verbundsatz von 28,5 % das traditionelle Verhältnis der allgemeinen Finanzzuweisungen zu den zweckgebundenen Zuweisungen von bisher 3 : 1 auf 4 : 1 verbessert.
Hier ist, was die Länder betrifft, an einem - zugegeben - sozialliberal regierten Beispiel - ({16})
- Sicherlich, aber es ist nicht so, wie Herr Kollege Hauser eben in einer Frage sagte, daß Herr Halstenberg das ausdrücklich und so präzise gesagt habe. Es ist lediglich gesagt worden - das ist auch durchaus vernünftig -, wir können nicht hundertprozentig garantieren, daß es in dieser vollen Höhe weiterläuft. Das ist ein kleiner Unterschied in der Diktion.
({17})
Hier ist also ein Beispiel für einen fortschreitenden Erkenntnisprozeß. Wir können nur an alle Bundesländer appellieren und, wenn Sie so wollen, Herr Kollege Möller, auch an das Land Nordrhein-Westfalen appellieren, was das Jahr 1979 betrifft, daß sie auf diesem Wege fortschreiten. Aber auch was uns selbst betrifft - da schließen wir uns gar nicht aus -, ist zu prüfen, inwieweit bei künftigen Förderungsprogrammen die Vorstellungen des Bundes besser mit den Prioritäten, die in den Gemeinden gesehen werden, in Einklang gebracht werden können.
Bei dem Programm für Zukunftsinvestitionen, so meinen wir, ist hier bereits ein positiver Ansatz festzustellen. Wir folgern das trotz aller hierzu öffentlich erklärten Kritik daraus, daß sich nämlich zur Zeit eine sehr zügige Umsetzung dieses Programms durch die Gemeinden abzeichnet.
({18})
Das scheint uns im übrigen auch kein Wunder zu sein, da nämlich die Förderungsgegenstände genau den sich abzeichnenden neuen Schwerpunkten des kommunalen Infrastrukturbedarfs entsprechen.
Als Grundsatzerklärung sozusagen möchten wir zu diesem Punkt festhalten: Wesentlicher Bestandteil der gemeindlichen Selbstverwaltung ist die wirklich freie Entscheidungskompetenz der Räte in der Ausgabenpolitik, sofern dies nicht mit unverzichtbaren, raumübergreifenden und gesamtstaatlichen Kriterien kollidiert. Die Politik des „goldenen Zügels" muß deshalb im Bereich der Länder, aber auch in den vom Bund mitfinanzierten Bereichen so weit wie möglich zurückgefahren werden.
Wenn weitgehende Selbständigkeit der Gemeinden in ihrer Ausgabenpolitik zu fordern ist, so drängt sich für uns, wenn man das Ganze systematisch zu durchdenken versucht, die Frage auf, inwieweit die gemeindliche Selbständigkeit auch das Recht der Bestimmung über die Höhe der Einnahmen fordert. Hier ist in der Tat festzustellen, daß - abgesehen von Gebühren und Beiträgen, deren Höhe ohnehin durch die anfallenden Kosten limitiert ist - es nur noch Rudimente eines Steuererhebungsrechts der Gemeinden gibt. Das sind im wesentlichen die Hebesätze bei der Gewerbesteuer und die auch in der Großen Anfrage angesprochene Lohnsummensteuer.
Lassen Sie uns hier ganz unzweideutig erklären, daß wir das originäre Recht der Gemeinden zur Bestimmung der Höhe ihrer Einnahmen aus Steuern nicht zu den wesentlichen Bestandteilen der gemeindlichen Selbstverwaltung zählen. Deshalb kol4428
lidiert auch unsere langfristige Forderung nach völliger Abschaffung der Gewerbesteuer und völliger Abschaffung der Lohnsummensteuer nicht mit dem Prinzip der gemeindlichen Selbstverwaltung.
({19})
Angesichts des Volumens dieser Steuereinnahmen für die Gemeinden, für die natürlich ein vollwertiger Ausgleich geschaffen werden müßte, kommt allerdings eine kurzfristige Realisierung dieses politischen Ziels nicht in Betracht. Dies wird sich wohl nur im Zuge der EG-Steuerharmonisierung verwirklichen lassen. Dazu wiederum muß ich anmerken: Das bedeutet keine Vertagung auf den Sankt-Nimmerleins-Tag. Die unlängst beschlossenen Anhebungen der Freibetragsgrenzen in diesem Zusammenhang beweisen es. Diese Steuern - auch das will ich mit Nachdruck sagen - sind nach unserer Auffassung mobilitäts- und investitionshemmend.
Noch etwas hierzu. Bei der zukünftigen Ersatzlösung muß ein die Einnahmehöhe beeinflussendes Instrumentarium geschaffen werden, das eine industrie- und gewerbefeindliche Ansiedlungspolitik der Gemeinden verhindert.
In Ihrer Großen Anfrage sprechen Sie auch das nicht mehr so ganz aktuelle Thema der Privatisierung an. Auch Herr Dr. Schmitt-Vockenhausen hat hierzu etwas gesagt. Ich will mich dieser Frage ebenfalls nicht entziehen.
Zunächst sollte man anmerken, daß solche Entscheidungen im Gemeindebereich natürlich nahezu uneingeschränkt in die Kompetenz der Gemeinden gehören und daß die Bundesregierung und auch der Bundestag es tunlichst unterlassen sollten, hier den Gemeinden direkt oder indirekt Vorschriften machen zu wollen.
({20})
Wir haben deshalb Ihre wiederholten Fragen in dieser Richtung nie so recht verstanden. Denn Sie legen doch sonst so besonders gesteigerten Wert auf die Selb- und Eigenständigkeit der Gemeinden.
Lassen Sie mich auch auf eine gewisse Ungereimtheit hinweisen. Wenn Sie nach diesen Privatisierungen in der Großen Anfrage fragen, dann lese ich in dieser Frage, daß Sie davon ausgehen, über Privatisierung seien noch Spareffekte für die Gemeinden drin. Das kollidiert allerdings mit der Feststellung in einer anderen Frage, trotz aller Anstrengung sei es nicht möglich gewesen, zu verhindern, daß die Ausgaben der Verwaltungshaushalte ständig schneller als die Einnahmen gestiegen seien.
Ich will hier anmerken, daß wir trotzdem in der Tat glauben, daß es in der einen oder anderen Gemeinde noch die eine oder andere Aufgabe geben könnte, für die eine Privatisierung gewisse Spareffekte brächte.
Lassen Sie mich dafür ein Beispiel aus meiner eigenen Heimatstadt anführen, und zwar deshalb, weil es mich ärgert, daß dort nicht privatisiert wird. Herr Möller, daran sind nicht Sie von der
CDU schuld, sondern daran ist unser Koalitionspartner in dieser Stadt schuld.
({21})
- Schuld an meinem Ärger, Herr Wolfram. Das ist der subjektive Bereich; dahin gehört der Begriff „Schuld".
Da gibt es in dieser Stadt eine Stadtgärtnerei nebst Dekorationsabteilung, die 1976 den Verwaltungshaushalt noch mit rund einer Viertelmillion DM Zuschußbedarf belastete. Da gibt es betriebswirtschaftliche Gutachten, die die Einstellung der städtischen Bewirtschaftung und die Verpachtung des Geländes und der Gewächshäuser vorschlagen. Es gibt ein ehemals einstimmiges Votum einer „Aufgabenkritikkommission" des Rates, die von allen Fraktionen besetzt war, und es gibt einen einschlägigen Vorschlag der Verwaltung zur Schließung und Verpachtung. Es gibt allerdings leider auch einen mehrheitlichen Ratsbeschluß, der die unveränderte Fortsetzung und Fortführung dieser Luxuseinrichtung fordert.
({22})
In Klammern gesagt: Für alle Beschäftigten waren freie Umsetzungspositionen vorhanden.
Sehen Sie, meine Damen und Herren, das ist nach unserer Auffassung - das kann man ja wohl nur am Einzelfall demonstrieren - ein Beispiel für gebotene, aber nicht durchgeführte Privatisierung.
({23})
Im übrigen aber teilen wir zu diesem Thema die Auffassung der Bundesregierung, daß die private Versorgung der Bevölkerung langfristig sicher und zu angemessenen Preisen gewährleistet sein muß, wenn privatisiert werden soll.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wolfram?
Ich gestatte.
Verehrter Herr Kollege Gattermann, haben Sie einmal alternativ ausrechnen lassen, was es wohl kosten würde, wenn die schöne, grüne Stadt Dortmund ihre ganzen öffentlichen Grünanlagen, die vielen Blumen usw. privat bezahlen lassen müßte? Haben Sie einmal ausrechnen lassen, was das alternativ kosten würde bzw. wie dann das Stadtbild wohl ausschauen würde?
Herr Wolfram, ich bin Ihnen für diese Frage sehr dankbar. Ich habe vorhin von persönlichem Ärger gesprochen. Diese Stadtgärtnerei war, als ich noch Fraktionsvorsitzender im Rat dieser Stadt war, sozusagen mein Hobby; es war sozusagen mein Hobby, dieses Thema zu bearbeiten. Es führte jetzt aber wirklich zu weit, hier im Detail darüber zu diskutieren. Ich habe eben von betriebswirtschaftlichen Gutachten gesprochen. Die kann
ich Ihnen gerne zuschicken. Sie enthalten die exakten Ausrechnungen. Die Zahlen, die ich hier genannt habe, habe ich sehr sorgfältig überprüft, damit man mir hinterher nicht vorwerfen kann, sie seien vielleicht unkorrekt.
Um es an dieser Stelle zu vervollständigen: Aus diesen 750 000 DM könnte man noch, wenn man gutwillig ist, rund 100 000 DM für Allgemeinkosten der Verwaltung - Oberstadtdirektor, Rat etc. - her-ausrechnen, die anteilmäßig dort mit enthalten sind.
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wolfram?
Wenn das nicht auf meine Zeit angerechnet wird, gestatte ich die Zwischenfrage noch.
Diese Zusage kann ich Ihnen nicht geben, Herr Abgeordneter.
Dann kann ich im Interesse der Vollständigkeit der Meinungsdarstellung meiner Fraktion keine weiteren Zwischenfragen mehr zulassen.
({0})
Meine Damen und Herren, dies muß und kann natürlich immer nur eine Einzelfallentscheidung der Gemeinde sein, nach den Kriterien, wie sie von der Bundesregierung in der Antwort auf die Große Anfrage dargelegt worden sind.
Nun noch einige Gründe dafür, warum wir es nicht für vertretbar halten, den Anteil der Gemeinden an der Einkommen- und Lohnsteuer zur Zeit - ich betone: zur Zeit - von 14 % auf 15 % zu erhöhen. Nach Abzug der Tilgungen blieben den Gemeinden 1976 mit 4,8 Milliarden DM ebensoviel Eigenmittel zur Finanzierung von Investitionen bzw. für Rücklagen wie im Jahre 1974. Die Gesamtzuführungen vom Verwaltungs- an den Vermögenshaushalt 1976 sind gegenüber 1975 um knapp 62% auf 9,4 Milliarden DM angewachsen. Die sich hieraus ergebende Selbstfinanzierungsquote - ich habe in anderem Zusammenhang schon davon gesprochen - ist wieder auf 16,4 % angestiegen und hat damit das Niveau von 1974 wieder erreicht. Für die Gesamtinvestitionen des Jahres 1976 von 32,6 Milliarden DM war nur eine Nettokreditaufnahme von 5,6 Milliarden DM notwendig. Das entspricht dann einer Quote von knapp 17 %. In den kostenintensiven Ausgabenbereichen Personalkosten und Sozialaufwendungen war eine deutliche Abflachung festzustellen. Im Sozialbereich belief sich die Steigerungsrate 1976 immerhin noch auf stolze 12,4 %, betrug aber im Durchschnitt der Jahre 1971 bis 1975 20,1 %.
Die Gemeinden partizipieren auch an der unlängst ausgehandelten höheren Umsatzsteuerbeteiligung der Länder. Wir hoffen jedenfalls, daß dies durchgängig für alle Bundesländer gelten wird.
Die Gemeinden machen von der Möglichkeit des Kommunalabgabengesetzes, Gebühren und Entgelte nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu ermitteln, weidlich Gebrauch. Ich glaube, es war Herr Kollege Waffenschmidt, der hier beklagt hat, daß wir die Gemeinden zwängen, sich über Gebühren und Beiträge zu finanzieren.
({1})
Hier gibt es klare gesetzliche Vorschriften darüber, daß und wie Gebühren und Beiträge bei kostenrechnenden Einrichtungen zu erheben sind. Man kann die Gebühren nicht höher festsetzen und man sollte sie auch nicht niederiger festsetzen,
({2})
selbst wenn man politisch und finanziell die. Möglichkeit dazu hätte. Das ist eine gesetzliche Regelung. Das bedeutet also auf gar keinen Fall, daß wir durch unsere Finanzpolitik gegenüber den Gemeinden die Gemeinden zwingen, unsere Bürger mit erhöhten Gebühren zu belasten.
({3})
Die Wachstumsraten sind in diesen Bereichen allerdings beachtlich - darin bin ich mit Ihnen einer Meinung -; aber bei der Untersuchung der Einnahmesituation der Gemeinden ist das ein anderer Ansatzpunkt der Bewertung. Diese Steigerungsraten beliefen sich nämlich auf 18,4 % bei den Beiträgen und auf 16,3 % bei den Gebühren 1976 gegenüber 1975. Auch das Finanzierungsdefizit der Gemeinden sank 1976 auf ein Drittel des Vorjahresbetrages, nämlich von 10,9 auf 3,9 Milliarden DM.
Was die Gesamtbewertung dieser Einnahmesituation betrifft, so lassen Sie mich um der Unverfänglichkeit willen noch einmal aus jener Grundsatzerklärung des von mir soeben genannten Ratsvertreters zitieren. - Ich finde allerdings im Augenblick das Zitat nicht; ich bitte eine Sekunde um Geduld. ({4})
- Wenn Sie mir nicht erlauben wollen, das Zitat aus den Papieren herauszuholen, werde ich inhaltlich das wiedergeben, was der Ratskollege zu diesem Thema gesagt hat.
Herr Abgeordneter, fühlen Sie sich völlig frei, in Ihren Unterlagen so lange zu suchen, wie Ihnen das nützlich erscheint.
({0})
Herr Präsident, ich danke Ihnen; aber es wird wohl auch aus dem Kopf gehen.
({0})
Es wird dort erklärt, daß einem bei einem Blick auf die Einnahmeseite des Haushaltsentwurfs 1978 die Augen übergehen. Es wird auf die gleiche Wertung durch Kämmerer und Oberstadtdirektor Bezug genommen, und es wird dann auf die erhöhte Verbundmasse des Landes Nordrhein-Westfalen, auf
jene 25 % hingewiesen, die eine Einnahmesteigerung bei den Schlüsselzuweisungen von 21 % ergibt.
Auch hinsichtlich der Ausgabeseite der Gemeinden gibt es deutliche Anzeichen der Verbesserung. Bei den Personalkosten und Sozialaufwendungen habe ich bereits darauf hingewiesen, daß sich die Kurve abflacht.
In einem der kostenträchtigsten Investitionsbereiche der Gemeinden, für Schulen und Kindergärten, geht der Finanzbedarf als Folge sinkender Einwohnerzahlen zurück. So gab es 1975 im Bundesgebiet noch 8,6 Millionen schulpflichtige Kinder, 1980 werden es nur noch 7,2 Millionen und 1985 gar nur noch 5 Millionen sein.
Bei den sich abzeichnenden neuen Schwerpunkten für Investitionen, für infrastrukturelle Verbesserungen - ich nenne hier nur beispielhaft die wasserwirtschaftlichen Einrichtungen und Maßnahmen der Stadtsanierung - gibt es über unsere Konjunkturprogramme zusätzliche Hilfen des Bundes und der Länder.
Was auf der anderen Seite - die muß man in diesem Zusammenhang ja wohl auch sehen - die Situation des Bundes betrifft, so will ich nur darauf hinweisen, daß die hier viel zitierten und besprochenen Konjunkturprogramme natürlich Geld kosten, daß die Bereiche Verteidigung, Entwicklungshilfe, innere Sicherheit, europäische Integration höhere Aufwendungen erfordern. Es nimmt deshalb nicht wunder, daß die Nettokreditaufnahme, die noch 1973 nur etwa 50 % jener der Gemeinden betrug, inzwischen auf das Vierfache der Kreditaufnahmen der Gemeinden gestiegen ist. 1976 betrug der Schuldenstand schon 114 Milliarden DM.
Herr Kollege Waffenschmidt, eine Anmerkung zu jenem vom Gemeindebund übernommenen Zahlenspiel, daß, würde man alle seine Einnahmen zur Verfügung stellen und damit die Schulden tilgen, die Gemeinden 29 Monate, der Bund und die Länder allerdings nur 10 Monate brauchen würden.
({1})
- Ja, das ist richtig. Aber die Herren, die natürlich Verbandspolitik betreiben, haben sinnvollerweise nur die Steuereinnahmen, nicht jedoch die Gesamteinnahmen verglichen. Sie kamen also auf Vergleichszahlen für 1976 von 130,9 Milliarden DM beim Bund und zu 34,2 Milliarden DM bei den Gemeinden. Das erfordert natürlich bei einem um 100 Milliarden DM liegenden Schuldenstand eine längere Tilgungszeit.
({2})
Vergleicht man aber die Gesamteinnahmen von 135,8 Milliarden DM mit 101,9 Milliarden DM, dann kommt man zu dem Ergebnis, daß es bei den Gemeinden noch etwas schneller ginge als beim Bund, nämlich in 91/2 Monaten. Ich meine, das sollte hier richtiggestellt werden.
({3})
Ich sehe das Lämpchen aufleuchten und muß deshalb zum Schluß kommen.
({4})
Meine Damen und Herren, ich wollte Ihnen noch darlegen, daß nach unserer Überzeugung die Steuerausfälle der Gemeinden durch die Steuermaßnahmen dieses Jahres etwa 2,3 Milliarden DM betragen. Hinzu kommen noch etwa 300 Millionen DM aus den ersten Maßnahmen dieses Jahres. Wenn man das Gesetz über die Erhaltung kulturhistorisch wertvoller Gebäude hinzunimmt, kommen noch einmal ein paar Millionen hinzu, so daß sie bei rund 2,65 oder 2,7 Milliarden DM liegen. Ich habe vorhin auf die verfassungsmäßige Verantwortlichkeit der Länder hingewiesen. Wir haben beim Finanzausgleich in diesem Jahr einiges getan, um die Länder in den Stand zu versetzen, hier einen Ausgleich zu schaffen.
Nun sage ich ganz ungeniert folgendes: Wir haben überhaupt nichts dagegen, daß der Anteil der Gemeinden an der Lohn- und Einkommensteuer in der Zukunft erhöht wird, wenn das, Herr Möller, korrespondierend Auswirkungen auf die Ausgleichsverhandlungen mit den Ländern hat.
({5})
- Nein, Herr Möller. Was wir nicht machen können, ist eine solche Scheibchenpolitik, indem wir hier erst einmal ja sagen, hinterher vom Bundesrat blockiert werden, zweimal zur Kasse gebeten werden und dadurch auf der Bundesseite in eine finanziell überhaupt nicht zu verantwortende Situation hineinkommen.
({6})
Diese Dinge müssen in einem Zusammenhang gesehen werden.
Herr Abgeordneter, wollen Sie bitte zum Schluß kommen.
Ich komme zum Schluß, Herr Präsident.
Wenn wir die Erhöhung des Steueranteils für die Gemeinden jetzt ablehnen,
({0})
dann heißt dies nicht, daß wir die fundamentale Bedeutung der Gemeinden als bürgernahe Entscheidungs- und Ausführungsinstanzen im Rahmen unseres föderativen Staatsaufbaus nicht anerkennen würden.
({1})
Ganz im Gegenteil, finanziell starke Gemeinden mit Entscheidungskompetenz, wo immer dies von der Sache her möglich ist, sind uns Garant der Demokratie. Wir haben aber auch auf das ausgewogene VerGattermann
hältnis der finanziellen Leistungskraft aller drei Ebenen zu achten, denn erst in dem Zusammenwirken der drei Ebenen verwirklicht sich freiheitliche Demokratie.
({2})
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Rede des Kollegen Waffenschmidt
({0})
war nicht neu. Es war die Rede, die er in Berlin gehalten hat. Er hat aus seinem Text nicht einmal die Anrede „liebe Freunde" gestrichen.
({1})
- Nein, es war mehrfach, aber wenn ich dann ihr „lieber Freund" bin, Herr Kollege Waffenschmidt, soll es mir auch recht sein.
Nun aber zur Sache. Ich glaube, in Ihrer Rede - eigentlich müßten Sie es ja besser wissen - liegt ein ganz fundamentaler Fehler. Er liegt in der Vorstellung, die Sie hier vermitteln wollen, als gebe es eine Omnipotenz, eine umfassende Zuständigkeit des Bundes für die Gemeinden, für die Städte und für die Kreise. Dies ist tatsächlich grundgesetzlich falsch.
({2})
Sie haben z. B. gesagt - ich habe mir das wörtlich mitgeschrieben -: „Es gibt die Steuerkompetenz des Bundes."
({3})
- Nein, dies ist falsch. Es gibt auf Grund der Tatsache, daß wir, abgesehen von der Mineralölsteuer und eingen Verbrauchsteuern, nur Verbundsteuern haben, eine verbundene Zuständigkeit von Bundesrat, d. h. CDU/CSU-Mehrheit und sozialliberaler Minderheit, und Bundestag, d. h. sozialliberaler Mehrheit und CDU/CSU-Minderheit.
({4})
Es hat doch überhaupt keinen Zweck, dies verwischen zu wollen. .
Ein zweites.
({5})
- Ich darf das zweite noch hinzufügen, ehe Sie sich unnötig erregen. - Wenn es diese Omnipotenz, diese Zuständigkeit des Bundes für die Gemeinden gäbe - und manches wäre ja dann durchaus einfacher -, dann wollen Sie mir vielleicht jetzt in ihrer Zwischenfrage erklären, wie Sie denn eigentlich in diese von Ihnen behauptete Omnipotenz das Urteil des Bundesverfassungsgerichts einordnen, das auf Grund einer Beschwerde des Freistaates Bayern ergangen ist, als wir beim ersten Konjunkturprogramm wegen der Schnelligkeit, auch wegen der Gemeindefreundlichkeit und wegen der Rücksichtnahme auf Projekte der Gemeinden und der gemeindlichen Selbstverwaltung versucht haben, den Umweg über die Landesregierungen möglichst zu vermeiden. Wenn Sie mir dies bitte erklären wollen, dann will ich gern anschließend weiter mit Ihnen debattieren.
Gestatten Sie jetzt eine Zwischenfrage, Herr Bundesminister? - Bitte schön.
Herr Bundesminister, sind Sie bereit, zuzugeben, daß ich von der Steuerkompetenz des Bundes gesprochen habe und daß zu den Organen des Bundes sowohl der Bundestag wie der Bundesrat gehören und daß man beide als die verfassungsmäßigen Organe der Gesamteinheit Bund verstehen muß?
({0})
Sie werden doch eines nicht bestreiten können, hochverehrter Herr Waffenschmidt, daß es der Bundesrat ist, der erstens einen Steuerkompromiß so verändert hat, wie wir ihn jetzt haben
({0})
- Gott sei Dank sagen Sie -, und der zweitens in Richtung Gemeinden nicht bereit ist, die Mittel weiterzugeben. Ich bitte Sie, mit welcher Doppelzüngigkeit wird denn hier eigentlich argumentiert!
({1})
An unsere Adresse wenden Sie sich und sagen: Gib uns mal einen Punkt Einkommen- und Lohnsteuer mehr! Sie wenden sich nicht an Schleswig-Holstein, nicht an das Saarland, nicht an andere unionsregierte Länder und fragen: Bitte schön, wo sind die Mehrerträge, die uns versprochen wurden? Ich bitte Sie, halten Sie diese Reden anderswo und nicht hier!
({2})
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage, Herr Bundesminister?
Ja, noch eine.
Herr Bundesminister, nur damit wir es klarstellen: Sind Sie bereit, zuzugeben, nachdem Sie vorgetragen haben, Sie hätten meine Reden so gut studiert, daß ich in meiner Rede sowohl in Berlin wie auch in einer neuen Rede hier vor dem Deutschen Bundestag,
({0})
die allerdings einige gute Argumente der Berliner Rede aufgenommen hat, erklärt habe, daß wir uns an die Länder richten, wenn es darum geht, einen Finanzausgleich im Jahre 1978 zu bringen, der bei den Gemeinden Einnahmeausfälle auffangen soll?
Sind Sie bereit, zuzugeben, daß das hier mehrfach deutlich erklärt wurde?
Ja, aber dann bin ich dafür, daß Sie noch deutlicher werden - aber nun bitte nicht noch in einer dritten Zwischenfrage ({0})
und die Länder nennen, Herr Kollege Waffenschmidt, bei denen dieser Ausgleich funktioniert, in denen etwas zugunsten der Gemeinden getan wird, und zugleich bei Ihrem Auftritt hier die Länder Saarland und Schleswig-Holstein und vielleicht noch andere heftig kritisieren. Sie sind ja, wie Sie eben festgestellt haben, über den Bundesrat Organe des Bundes. Dann ist hier auch der Platz dafür, daß der nächste CDU-Redner eine solche Darstellung gibt.
({1})
Der Bund hat seine Pflichten zugunsten der Gemeinden in den letzten Jahren dagegen in einer ungleich besseren Weise wahrgenommen, weil wir in der Tat mit allen Debattenrednern der Meinung sind, daß die Gemeinden das föderale Fundament unseres Staates, das direkte Element unseres Staates sind, wo es darauf ankommt, Politik zu machen.
Ich will Ihnen nun einfach einmal Zahlen vorführen. Wir haben unsere Hilfen von 1970 bis 1976 von 760 Millionen DM auf 3,6 Milliarden DM gesteigert. Dies sind rund 500 % mehr, die den Gemeinden in diesem Zeitraum der sozialliberalen Koalition aus Bundesmitteln - im wesentlichen über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, aber auch über die Krankenhausfinanzierung - zugeflossen sind. Wir haben in diesem Zeitraum den Anteil des Bundeshaushalts, den wir den Gemeinden direkt. - ohne Konjunkturprogramme - zuweisen, von 1 % auf 2,4 % gesteigert. Nun kommt das Problem. Was haben die Länder in diesem Zeitraum getan? Im Jahre 1970 haben sie 18,7 % und im Jahre 1976 16,8 % ihrer gesamten Ausgaben den Gemeinden zugewiesen. Das heißt, während wir unseren Anteil absolut und auch prozentual, bezogen auf un- sere Haushaltsvolumen, von 1 % auf 2,4 % - in absoluten Werten: um 500 % - gesteigert haben, haben die Länder die Anteile der Mittel, die sie den Gemeinden aus ihren Ausgaben zuweisen, um 10 % reduziert. Ich meine, hier muß nun wirklich um mit Ihnen zu sprechen - Butter bei die Fische.
({2})
Hier müssen Sie sich Ihre Adressaten suchen. Hier müssen Sie mit den Landesregierungen debattieren. Hier müssen Sie die grundgesetzliche Ordnung ernst nehmen,
({3})
da Länder und Gemeinden finanzwirtschaftlich eine Einheit sind und der Bund eine andere Einheit ist.
Nun haben Sie sich hier - dies ist der nächste Punkt, auf den ich eingehe - sehr kräftig für einen Antrag ausgesprochen, der uns vorliegt und der auf' Pauschalbeträge bei der Investitionsförderung hinausläuft. Herr Gattermann als mein Vorredner hat dazu einige Bemerkungen gemacht. Er hat gesagt, er bezweifle, daß dies überhaupt mit unserer Verfassungswirklichkeit in Einklang zu bringen ist. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ich das Grundgesetz richtig verstehe, kann man nicht darüber zweifeln, ob dieses zulässig ist, sondern dann ist dies nicht zulässig. Es ginge ja wohl nur über Art. 104 a des Grundgesetzes. Oder sehen Sie eine andere gesetzliche Grundlage, Herr Waffenschmidt? Gibt es eine andere Grundlage als Art. 104 a Abs. 4?
({4})
Es gibt keine andere Grundlage als Art. 104 a Abs. 4 des Grundgesetzes.
Ich will Ihnen sagen, unter welchen Kautelen sich der Bund an Investitionen anderer Gebietskörperschaften beteiligen kann. In Art. 104 a Abs. 4 des Grundgesetzes heißt es: „Finanzhilfen für besonders bedeutsame Investitionen der Länder und Gemeinden . . . zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts oder-zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft . . . oder zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums". Es ist also ganz genau spezifiziert, wann solche Finanzhilfen möglich sind. Pauschal geht es eben nicht.
({5})
Es geht im übrigen auch nur entweder durch Bundesgesetz oder durch eine Verwaltungsvereinbarung mit den Ländern.
({6})
Ich füge hinzu: Welche Garantie haben Sie eigentlich, meine Damen und Herren von der Union, daß eine solche globale Investitionszuweisung bei den Gemeinden, insbesondere in den Ländern, die ich genannt habe - Saarland und Schleswig-Holstein -, selbst wenn es verfassungsrechtlich ginge, was ich bezweifle, am Ende auch ankommt? Oder steht nicht zu befürchten, daß genau das passiert, was wir doch in den letzten Konjunkturprogrammen immer wieder erlebt haben, daß diese Mittel des Bundes - der Bund trägt ja über 60 % der Ausgaben dieser Konjunkturprogramme - auf der anderen Seite durch Kürzung der Zuweisungen an die Gemeinden, um den Länderanteil zu finanzieren, wieder hereingeholt werden? Ich halte das in der Tat für einen Kriegsschauplatz, der nichts bringt, weil er nicht verfassungsfest ist.
Im übrigen kann ich mich nur auf das stützen, was Herr Kollege Dr. Schmitt-Vockenhausen, aber auch Herr Gattermann von der FDP gesagt haben: Wollen wir denn eigentlich die Gießkanne? Wollen wir denn nicht zur Kenntnis nehmen, daß es arme und reiche Gemeinden gibt? Soll jeder Gemeinde das gleiche zugeteilt werden? Gibt es nicht auch den Auftrag des Grundgesetzes, der die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik postuliert? Verstoßen wir mit einem derartigen Gießkannenprinzip nicht dagegen? Ich bin der Meinung, wir tun es. Wir leisten der gleichgewichtigen Entwicklung in unserem Land damit kein gutes Werk.
Nun greife ich ein Argument von Ihnen auf. Sowohl in Ihrer Rede in Berlin wie auch hier haben Sie gesagt, Sie wollten insbesondere die strukturschwachen Gebiete entwickeln. So haben Sie sich ausgedrückt. Wie können Sie sich dann eigentlich zu einem derartig verfassungsfragwürdigen Gießkannenprinzip durchringen, Herr Kollege Waffenschmidt? Ich bitte doch um Konsistenz und Logik in der Argumentation der Opposition. Es muß einheitlich und sichtbar bleiben, was Sie wollen. Das darf nicht durchsichtig sein, das darf kein Manöver sein.
({7})
Lassen Sie mich zu einem weiteren Punkt kommen. Sie haben im Zusammenhang mit der Gemeindefinanzreform gesagt - ich glaube, das begrüßen alle Seiten des Hauses, alle reklamieren das für sich; warum soll das nicht so sein, da gute Seiten grundsätzlich von allen reklamiert werden; ich bitte Sie, warum sollten wir Sie davon ausschließen -, es ginge doch wohl nicht an, wenn man bei der dynamischsten Steuer - der Lohn- und Einkommensteuer - senkt, daß dann nicht die Ausfälle bei den Gemeinden ausgeglichen werden. Ich denke, ich habe Sie so richtig interpretiert. Da muß ich Sie aber doch wohl auf folgendes aufmerksam machen. Die Gemeinden haben in den hinter uns liegenden Jahren in einer ungleich stärkeren Weise, und zwar doppelt so stark wie der Bund, Zuwachsraten bei ihrem Steueraufkommen gehabt; im wesentlichen natürlich deswegen, weil sie an dieser dynamischen Steuer so beteiligt sind. Wenn das aber so ist, müssen sich die Gemeinden natürlich auch, wenn wir die Steuern absenken, aus konjunktur- und gesellschaftspolitischen Gründen absenken müssen - wir sind uns ja wohl einig darin, daß wir den Marsch in den Lohnsteuerstaat nicht wollen -, an den Konsequenzen dieser Steuersenkung beteiligen lassen.
({8})
- Sofort, aber ich darf vorher noch einen Satz dazu sagen. Ich will nämlich hinzufügen,. damit Sie, Herr Kollege Dr. Waffenschmidt, Ihre Frage arrondieren können, damit Sie alles einbeziehen können, was Sie selber und die CDU/CSU-Fraktion in den letzten Wochen gesagt haben: Wie können Sie sich eigentlich über das Ergebnis des Steuerpakets beklagen - 10 Milliarden DM Ausfall -, wenn Sie im Deutschen Bundestag damals über eine 10 %ige Senkung nach dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz
({9})
und mit der Forderung, die degressive AfA noch obendrein zu packen, ein Vielfaches mehr an Steuerausfall auch für die Gemeinden produzieren wollten? Ist das nicht doppelzüngig?
({10})
Eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Waffenschmidt.
({0})
Zu den Äußerungen, die Sie gerade vorgenommen haben, Herr Minister, möchte ich Sie fragen: Ist Ihnen entgangen, daß die Gemeinden nicht nur über die Senkung der Einkommensteuer, sondern in einem ganz wesentlichen Bereich bei den erhöhten Freibeträgen über die Gewerbesteuer und bei den anderen Steuerbereichen von den beiden Steuerpaketen betroffen sind, und wollen Sie mit Ihren Äußerungen eigentlich alle die Fachleute, die aus allen Parteien kommen und die z. B. in den kommunalen Spitzenverbänden, aber auch in den Innenministerien als den Kommunalministerien deutlich nachgewiesen haben, daß die Gemeinden überproportional belastet sind, als Ignoranten auf diesem Gebiet darstellen?
Das ist aber doch völlig falsch, was die sagen. Ich muß das jetzt an Sie zurückgeben. So war die Ausgangsargumentation im Mai.
({0})
- Versuchen Sie doch nicht, dem Herrn Waffenschmidt dadurch zu helfen, daß Sie plötzlich über andere Dinge reden.
({1})
Er kann sich selber helfen - hoffe ich wenigstens.
({2})
Also, Herr Waffenschmidt, so war die Position im Mai/Juni. Dann sind die vereinigten Streitkräfte der Bundesländer angetreten und haben mit dem Hinweis auf die Gemeinden und ihre Belastung eine günstigere Umsatzsteuerneuverteilung durchgesetzt, als sie sich von den Zahlen her ergab. Sie haben uns in die Hand versprochen, dieses Geld an ihre Gemeinden weiterzugeben, weil wir gemeinsam der Meinung waren, dieses sei notwendig, um die Finanzkraft und Investitionskraft der Gemeinden zu stärken.
Nun stellen wir fest, daß ein Ministerpräsident - der hier schon zitierte - sagt, das käme für ihn nicht in Frage. Andere tun ähnliches, ohne es zu sagen. Und nun stellen Sie sich hier her und wollen wiederum der Bundesregierung den Schwarzen Peter zuschieben. Dieses ist doch nicht vernünftig. Dieses ist doch wiederum doppelzüngig in der Argumentation und damit durchsichtig.
Bitte schön, jetzt haben Sie Ihre Frage.
Herr Minister, sind Sie bereit, zuzugeben, wenn Ihre Pläne zur Erhöhung der Mehrwertsteuer um 2 % zum Zuge gekommen wären, die Gemeinden zusätzlich mit 1 Milliarde DM belastet worden wären?
Ich kann Ihnen nur eines sagen, hochverehrter Herr Kollege Dr. Waffenschmidt: Innerhalb unserer Fraktion war klar - diesen einen Punkt haben wir aus konjunkturpolitischen Überlegungen zurücknehmen müssen -, daß es steuersystematisch dringend notwendig ist, die indirekte Besteuerung zu erhöhen, um die leistungsfeindlichen Besteuerungen abbauen zu können.
({0})
Wären wir bei diesem Plan geblieben, dann wäre mit diesem Paket selbstverständlich eine Anhebung von 14 auf 15 % verbunden gewesen, weil das dann aus der Bundeskasse finanzierbar gewesen wäre. So ist es richtig.
({1})
Jetzt komme ich zum nächsten Punkt. Wir haben hier interessante Bemerkungen von Herrn Waffenschmidt über Gebühren gehört.
({2})
Herr Kollege Waffenschmidt, das war ein Salto mortale, den Sie hier geschlagen haben. Ich will Ihnen gerne sagen, wieso.
({3})
Wenn ich es richtig begriffen habe, haben Sie hier gesagt, es sei unglaublich, daß der Bundeskanzler gesagt habe, man solle dort, wo es sozial- und gesellschaftspolitisch vernünftig sei - das ist die wichtige Einschränkung - die Gebühren so setzen, daß sie den Kosten entsprächen. Dieses finden Sie unglaublich? Dieses finden Sie in jedem Falle nicht gut?
({4})
- Okay, dem stimmen Sie zu. Nun wollen wir einmal sehen, wie das ansonsten in die Generallinie der CDU/CSU hineinpaßt.
Da lesen wir doch, daß der CDU-Fachausschuß Innenpolitik in 1976 festgestellt hat, daß kosten- deckende Preise zu fordern seien.
({5})
Nun frage ich Sie, Herr Dr. Waffenschmidt: Wieso können Sie eigentlich hier doppelgleisig argumentieren. Den Gemeinden sagen Sie: Ich, Waffenschmidt, als Verbandsvertreter
({6})
- ich nehme das zurück -, als Abgeordneter will die Gebührenhaushalte nicht weiter strapazieren. Andererseits sagt Herr Vogel im Auftrage eines Fachausschusses: Wir wollen kostendeckende Preise und wollen privatisieren. Da gibt es eine ganze Liste mit Schulen, Wissenschaft, Forschung, Gesundheit, Sport, Krankenhäusern, Anstalten für Nervenkranke, Badeanstalten - bereits von Herrn Wolfram eingeführt. Sollen die denn alle unter Kosten arbeiten, oder sollen die kostendeckend arbeiten? Wie wollen Sie dann eigentlich die hier angebrachte Polemik noch vertreten?
Ich sage Ihnen ganz offen: Ich verstehe Sie hier nicht. Sie müßten nun einmal endlich klar sagen, was Sie wollen. Wollen Sie das Kostendeckungsprinzip bei den Gebühren, dort,' wo es gesellschafts-
und sozialpolitisch verantwortbar ist und wo es im übrigen gesetzlich vorgeschrieben ist?
({7})
Oder wollen Sie hier nur in Polemik ausweichen und sich von früher bezogenen Positionen absetzen? Das sind doch Fragen, die hier beantwortet werden müssen.
({8})
Nun möchte ich ein kritisches Wort an Herrn Gattermann richten. Zur Privatisierung sagen wir kein grundsätzliches Nein. Aber, ich bitte Sie, folgendes zu beachten. Wie sehen denn diese Art von Privatisierungen oft aus? Nehmen wir den Reinigungsbetrieb; wir können auch die Gärtnerei nehmen. Das geht doch nach folgender Melodie. Erst einmal werden an die Stelle der Arbeitnehmer, die bisher dort beschäftigt waren, oft Frauen gesetzt. Die werden dann teilzeit beschäftigt. Nach Möglichkeit wird es so gemacht, daß sie weniger als 20 Stunden in der Woche arbeiten, damit die Sozialversicherungsbeiträge, die Beiträge für die Rentenversicherung, für die Krankenversicherung und für die Arbeitslosenversicherung, gespart werden und diese Arbeitnehmer später wieder bei der Sozialhilfe - sprich: den Gemeindekassen - landen. Das Ganze kann man auch noch so organisieren, daß man die Frauen weniger als 20 Stunden arbeiten läßt, so daß sie weniger als 120 DM in der Woche bekommen; dann braucht man auch keine Lohnsteuer zu bezahlen, sondern kann sie mit 10 % pauschalieren. Na, ich bitte Sie, dann in der Tat!
({9})
- Na gut, dann eben nicht 20 Stunden. Der Stundenlohn kann ja bis zu 12 DM betragen. Das alles kann man so organisieren, daß es auf dem Buckel der Schwächeren, am Ende auf dem Buckel der Solidargemeinschaft, der Sozialversicherung, abgeladen wird. Daß es dann billiger wird, na schön, das will ich Ihnen gern konzedieren.
({10})
Wenn Sie das aber plakativ als einen Fortschritt darstellen wollen, kann ich Ihnen nur sagen: ohne uns!
({11})
Solidarität und Einsparungen auf dem Buckel der Schwächsten, dies bitte nicht!
({12})
Ich bin sehr dafür, daß Sie sich einmal darüber klarwerden, was Sie wollen. Wollen Sie Kostendeckung in den kommunalen Einrichtungen,
({13})
wie Sie es bisher gesagt haben, oder wollen Sie das nicht? Wenn Sie dies nicht wollen, dann lösen Sie sich von Ihrer bisherigen Position, dann geben Sie gesetzliche Aufträge auf! Wie stehen Sie zu Privatisierung und dazu, daß dann die Unterprivilegierten die Benachteiligten sind? Diese Antworten wollen wir hier gern hören. Wir wollen wissen, was Sie dazu zu sagen haben.
({14})
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Zeitel?
Herr Finanzminister, wären Sie bereit zuzugeben, daß der von Ihnen gemachte Vorschlag einer Erhöhung der Mehrwertsteuer um 2 °/o alles übersteigt, was die Belastung im Bereich der kleinen und kleinsten Einkommen angeht?
({0})
Entschuldigen Sie, im Gegensatz zur CDU/CSU - ich verstehe, daß Sie von der Vergangenheit leben müssen, weil die Zukunft Ihnen so wenig verspricht ({0})
schlage ich grundsätzlich nicht die Schlachten, die vergangen sind. Es hat keine 2 %ige Mehrwertsteuererhöhung gegeben. Sie sollten das wissen.
({1})
- Ich bitte Sie. Ich debattiere doch hier nicht über die Schlachten der letzten Jahre. Das überlasse ich gern Ihnen. Was soll denn das?
({2})
- Wenn ich Herr Strauß wäre, würde ich eine entsprechende Bemerkung zu Ihrer Unruhe machen. Aber ich will ihn auch in diesem Punkt nicht kopieren. Das muß ich ganz offen sagen.
({3})
Das ist ja eigentlich auch nicht angemessen und nicht empfehlenswert.
Ich möchte zum nächsten Punkt kommen. Herr Waffenschmidt hat hier mit bewegten Worten davon geredet, was diese sozialliberale Koalition hier in Bonn alles tue, um die gemeindliche Selbstverwaltung einzuschränken.
({4})
- Den kenne ich. Aber ich kenne auch die Süddeutsche Zeitung vom 22. November - sie ist ja von Hermann Schmitt-Vockenhausen bereits in die Debatte eingeführt worden -: An der Spitze dieser Bewegung in Bayern, Protest gegen die Aushöhlung der kommunalen Selbstverwaltung, stehen nur CSU-Bürgermeister. Sozialdemokraten sind ja da sehr viel vornehmer.
({5})
- Oh doch, da irren Sie sich gewaltig. Es gibt dort eine ganze Reihe. Sie sind da nicht ganz im Bilde, aber das kann ich von Ihnen auch nicht verlangen.
Lesen Sie mit uns einmal genau durch, was dort gesagt wird. Dort wird gesagt, was in Bayern geschehe, nämlich Zuständigkeitsübernahme auf andere Ebenen - bei der Polizei, bei den Berufsschulen, bei der Wohlfahrtspflege, bei der Müllbeseitigung, bei der Denkmalpflege -, widerspreche dem eindeutigen Willen des Verfassungsgesetzgebers. Nun kehren Sie doch bitte vor Ihrer eigenen Tür; der nächste Debattenredner ist ja ein Abgeordneter der CSU.
({6})
- Ja, nur so kommt doch Debatte zustande. Sagen Sie doch einmal, wie es in Bayern ist! Hören wir doch einmal auf mit diesen pauschalen Verdächtigungen!
({7})
- Ich sage das, was Sozialdemokraten dazu sagen.
({8})
- Herr Koschnick ist heute nachmittag hier; er wird Ihnen dann Rede und Antwort stehen.
({9})
Ich habe nicht die Aufgabe, für Herrn Koschnick zu sprechen.
Aber nun schauen Sie sich bitte das an, was Sozialdemokraten sagen. Unsere Grundwerte-Kommission hat dazu Dinge festgestellt, die, glaube ich, bemerkenswert sind und die Sie, denke ich, mit unterschreiben können. Ich zitiere, Herr Präsident, aus dem Dokument „Grundwerte in einer gefährdeten Welt", was Sozialdemokraten dazu sagen:
Deshalb brauchen wir eine Dezentralisierung
der Entscheidungsstrukturen und, wo dies sach4436
lich gerechtfertigt und möglich erscheint, auch eine Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung.
Das bezieht sich übrigens auf unseren „Orientierungsrahmen '85", der ja schon etwas älter ist und den Sie kennen könnten. Dort wird gesagt:
Die Bereitschaft des Bürgers, getroffene Entscheidungen solidarisch zu tragen, wird um so größer sein, je durchsichtiger die Prozesse der Willensbildung und der Entscheidung für ihn sind und je mehr Möglichkeiten der Mitwirkung er am Zustandekommen der Entscheidungen hat.
Hochverehrte Damen und Herren von der CDU/ CSU, regeln Sie also bitte Ihr bayerisches Problem, und lassen Sie ansonsten Ihre pauschalen Verdächtigungen sich anderswo ausbreiten, meinetwegen in Wahlreden, meinetwegen auf Parteikongressen, aber nicht im Deutschen Bundestag; reden Sie hier bitte zur Sache
({10})
und über das, was Sozialdemokraten zu diesem Thema offiziell in ihren Stellungnahmen sagen, über nichts weiter.
({11})
Ich komme damit zum nächsten Punkt, zur Gesetzesflut und zum durch sie erzeugten Ausgabendruck. Ich habe eben deutlich gemacht, daß es Einschränkungen der kommunalen Selbstverwaltung nicht zuletzt und im wesentlichen im Freistaat Bayern gibt.
({12})
Im übrigen will ich darüber hinaus gern sagen, daß die größte Zahl von Gesetzen, Verordnungen, Richtlinien und Erlassen von den Ländern ausgeht. Hier sollten Sie, lieber Herr Kollege Dr. Waffenschmidt, wiederum die richtige Adresse suchen.
({13})
Wir haben wenigstens - hier kann ich mich auf das beziehen, was der Herr Bundeskanzler in diesen Jahren immer wieder gesagt hat - 1975 zum erstenmal etwas erreicht und durchgesetzt, was es bis dahin nicht gegeben hatte, nämlich die Mitsprache der kommunalen Spitzenorganisationen hier in Bonn
({14})
bei allen maßgeblichen Schritten der Verwaltung und der Gesetzgebung.
({15})
Dies hat der Bundeskanzler Helmut Schmidt nach vielen Mühen und vielen Schwierigkeiten durchgesetzt.
({16})
Uns brauchen Sie hier also überhaupt keine Lektionen zu erteilen.
({17})
- Wir haben das durchgesetzt!
({18})
Sie haben bis 1969 20 Jahre lang nicht im entfernstesten daran gedacht, dies zu tun,
({19})
nicht zuletzt deswegen, weil Sie natürlich um die Stärke der Sozialdemokraten in der Kommunalpolitik wußten und uns hier keine Einflußmöglichkeiten geben wollten.
({20})
Lassen Sie mich zum letzten Punkt kommen, zu den Gemeindefinanzen. In einem sollten wir uns einig sein - ich denke darin können wir uns auch einig sein, ob wir nun die eine Rechnung nehmen, die Sie aufgemacht haben, oder die andere Rechnung, die Herr Gattermann Ihnen dann entgegengehalten hat, die deutlich gemacht hat, wie „tricky" Sie gerechnet haben -:
({21})
Die Finanzdecke ist überall - beim Bund, bei den Ländern, bei den Gemeinden - zu kurz. Dies ist, glaube ich, der gemeinsame Ausgangspunkt, den wir einfach zur Kenntnis zu nehmen haben. Nicht umsonst sind ja Finanzminister von Bund und Ländern sowie Gemeindekämmerer Leute, die besondere Sorgen haben.
Aber wenn wir dies einmal zum Ausgangspunkt nehmen und uns dann auf Art. 106 GG abstützen, der sagt, daß alle Gebietskörperschaften - Bund, Länder und Gemeinden - gleichermaßen Anspruch auf einen gleichmäßigen Anteil der Staatseinnahmen zur Deckung ihrer notwendigen Ausgaben haben, dann wird deutlich, wer am schwierigsten dran ist, nämlich der Bund. Der Bund hatte im Haushaltsjahr 1976 eine Deckungsquote von 82,6 %. Das heißt, wir decken rund 17 % unserer Ausgaben über NeuverSchuldung. Die Länder haben eine Deckungsquote von 90 %. Die Deckungsquote der Gemeinden ist sogar angestiegen. Sie belief sich 1970 auf 89 %. Sie betrug im Jahre 1976 96,3 % - Erfolg und Ergebnis unserer gemeindefreundlichen Finanzpolitik.
({22})
- Aber natürlich! Woher kommt denn diese hohe Fehlquote im Bundeshaushalt? Woher kommt sie denn?
({23})
Wollen Sie bestreiten, daß sie davon kommt, daß
der Bund von den 30 Milliarden DM öffentlicher
Investitions- und Konjunkturprogramme 60 % zu finanzieren hat,
({24})
obwohl es im wesentlichen Investitionsaufgaben und -ausgaben bei anderen Gebietskörperschaften, im wesentlichen bei den Gemeinden, sind? Bestreiten Sie eigentlich, daß wir mit der Übernahme des Kindergeldes aus den öffentlichen Haushalten von Ländern und Gemeinden erneut eine milliardeschwere Last auf den Bundeshaushalt übernommen haben?
({25})
Bestreiten Sie eigentlich, daß eine ganze Reihe von Gesetzen, etwa das Krankenhausfinanzierungsgesetz, das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, den Gemeinden Lasten abgenommen oder sie zumindest gemildert und auf den Bundeshaushalt übertragen haben? Bestreiten Sie dies eigentlich? Wollen Sie dies bestreiten? Haben Sie dies nicht alles mitgefordert und mitbeschlossen? Was soll denn das, sich dann erneut von eigenen Taten zu distanzieren,
({26})
wenn es gerade paßt, um in eine gewisse Richtung Gesten zu machen?
({27}) Ich kann dies wirklich nicht verstehen.
({28}).
Ich kann auch nicht verstehen, wieso hier immer mit falschen Zahlen operiert werden muß.
({29})
Sie haben Herrn Kohl, denke ich, aufgeschrieben, daß die Gemeinden in 1976 mit einer Selbstfinanzierungsquote von 10 % leben mußten. Schon diese Zahlen stimmen nicht, wie mein Kollege Gattermann deutlich gemacht hat.
({30})
In diesem Jahre wird die Deckungsquote 25 % betragen. Damit es nun draußen niemand falsch versteht: Deckungsquote bei kommunalen Finanzen heißt ja nicht, daß, wenn es 25 % sind, 75 % fremdfinanziert werden müssen. Dazu kommen die Zuschüsse, dazu kommen Entnahmen aus den Rücklagen, dazu kommen Erschließungsbeiträge. Wir stellen fest, daß im Jahre 1977 - das können wir übersehen, das ist fast zu Ende - bei 30 Milliarden DM kommunaler Investitionen gerade 3 Milliarden DM auf den Kapitalmärkten fremdfinanziert werden müssen.
({31})
Ich weiß überhaupt nicht, warum dieses große Krisengeschrei kommen muß.
Wenn dies alles als Beweis nicht reicht, dann bitte ich darum, Frau Präsidentin, doch einige Quellen zitieren zu dürfen, die aus Ihrer Sicht sicherlich unverdächtiger sind als die unbestreitbaren Zahlen des Bundesfinanzministers. Der baden-württembergische Finanzminister Gleichauf hat in der Einbringungsrede seines Nachtragshaushaltes am 19. Oktober
1977 festgestellt:
Es besteht aus der Sicht der Landesregierung kein Anlaß, daß die Gemeinden und Gemeindeverbände, wie es gelegentlich geschieht, wegen ihrer Finanzlage ein Klagelied anstimmen.
({32})
Der saarländische Finanzminister Behles erklärte in seiner Haushaltsrede, daß - und das ist nun das umgekehrte - auf Grund der geänderten finanz-
und steuerpolitischen Verhältnisse auch für das Saarland die Einlösung der in der Regierungserklärung angekündigten Bereitschaft einer Erhöhung des Anteils von 14 % auf 15 % Einkommensteueranteil immer problematischer wird.
({33})
Der schleswig-holsteinische Finanzminister Lausen hat sich ähnlich geäußert.
Vertreter der kommunalen Spitzenverbände sagten am 10. Oktober 1977 - ich denke, Herr Dr. Waffenschmidt, Sie haben an dieser Sitzung teilgenommen -, daß es - ich zitiere wörtlich - „eine relativ günstige Entwicklung der effektiven Steuereinnahmen seit 1976 gegeben hat und daß das den Konsolidierungsprozeß unterstützt hat".
({34})
Die Vertreter des baden-württembergischen Städtetages sagten vor wenigen Tagen, daß die Finanzlage der Städte im Augenblick nicht allzu schlecht sei.
Wenn Kämmerer und Finanzminister sagen, die Finanzlage sei nicht allzu schlecht, dann können Sie davon ausgehen, daß. sie ganz dicke Taschen haben. Das sind ja Stöhner von Natur aus.
({35})
- Wie bei mir, das gebe ich ohne weiteres zu. Dafür werde ich auch bezahlt. Ich bin ja nicht der Mann mit den Spendierhosen, sondern der, der die öffentlichen Finanzen in Ordnung zu halten hat. Das ist ja wohl klar.
({36})
Ich meine also, wir haben hier drei Probleme. Problem Nr. 1: arme und reiche Gemeinden. Ich bin sehr dafür, daß wir stärker als bisher auch auf die Länder einwirken, um dieses Problem zu lösen. Im. übrigen sind von den 30 Milliarden DM Zuschüssen, die die Länder 1976 an die Gemeinden gegeben haben, fünf Milliarden DM aus 'Bundesmitteln. Ich bin zweitens sehr dafür, daß wir uns alle ernsthaft dar4438
über unterhalten, ob nicht die Finanzdecke zu knapp ist. Und ich bin drittens sehr dafür, daß wir zu einem späteren Zeitpunkt, dann, wenn der Bund wieder in eine Finanzsituation eingerückt ist, die es für ihn erträglich macht, den Gemeindesteueranteil zu erhöhen, diese Frage ernsthaft debattieren.
({37})
- Ich muß Ihnen sagen, Herr Kollege Dr. Waffenschmidt, Propagandaanträge, die zu düster malen, die die Lage der Gemeinden unnötig dramatisieren,
({38})
die an den Realitäten vorbeigehen, nämlich daß das Jahr 1977 ein ertragreiches Jahr für die Gemeinden war, helfen uns nicht weiter. Wir werden weiterhin die Gemeinden unterstützen.
({39})
Wir werden weiterhin die kommunale Selbstverwaltung stärken. Wir sind dafür, daß mehr Rationalität in die Beziehungen zwischen den Gebietskörperschaften einzieht. Aber wir sind ganz entschieden dagegen, daß Polemik, Demagogie, unsolide Anträge an die Stelle von Rationalität, Verantwortungsbewußtsein und Leistungsbereitschaft zugunsten der Gemeinden, der Städte und der Kreise treten.
({40})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schneider.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Finanzminister hat eine lange erwartete, aber überaus enttäuschende Rede gehalten. Ich habe dafür Verständnis. Die Lage der SPD in den Städten, Gemeinden und Kreisen hat sich derart verschlimmert und verschlechtert, daß es mir durchaus verständlich erscheint, daß sie ihr kommunalpolitisches Versagen neben ihrem bundespolitischen Versagen verschleiern und verharmlosen möchte.
({0})
In der deutschen Kommunalpolitik haben die Unionsparteien seit langem die Führung übernommen.
({1})
- Lachen Sie nicht. Ihnen ist das Lachen in Frankfurt und in Stuttgart bereits vergangen. Dort regieren ja bekanntlich CDU-Oberbürgermeister.
({2})
In zwei Dritteln der kommunalen Körperschaften stellen die Unionsparteien die stärkste Fraktion. Ich glaube, mit diesen Bemerkungen ist meine These begründet, bewiesen.
Herr Finanzminister, Sie haben die Finanzminister Gleichauf und Behles unzutreffend zitiert. Herr
Gleichauf hat im August erklärt, und zwar wörtlich:
Auch ich bin der Meinung, daß den Gemeinden für die auf sie zukommenden Mehrbelastungen ein angemessener Ersatz verschafft werden muß. Das Land Baden-Württemberg ist grundsätzlich bereit, die Verluste seiner Kommunen sachgerecht zu Lasten des Landeshaushalts auszugleichen.
Er sagt freilich - und da stimmen wir ihm zu; deswegen auch unser Antrag -:
Eine entsprechende Erhöhung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer wäre allerdings aus der Sicht des Landes der bessere Weg, weil dann auch der Bund zum Verlustausgleich beitragen müßte.
({3})
Um auch dem Finanzminister des Saarlandes, Herrn Behles, Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, möchte ich auch ihn zitieren. Er hat nämlich öffentlich erklärt, er teile die Sorge, daß im Hinblick auf die angespannte Finanzlage bei unseren Kommunen die Erfüllung der diesen obliegenden wichtigen und notwendigen Aufgaben immer schwerer wird.
Ein Ausweg 'aus dieser bedrohlichen Situation ist meines Erachtens in einer Reform der Gemeindefinanzen zu sehen, und zwar im Sinn des Unionsantrags.
Nun zu meinen Ausführungen, die ich mir zur Antwort der Bundesregierung vorgenommen habe. Mehrmals wurde heute schon die Verfassung strapaziert, zum Teil zutreffend, zum Teil auch bedenklich, gewagt und schief.
({4})
- Ich werde das, was der Kollege Waffenschmidt gesagt hat, in einigen Punkten nachhaltig unterstützen und unterstreichen.
({5})
Die Antwort der Bundesregierung liest sich streckenweise wie ein regierungsamtlicher Kommentar zur Finanzverfassung des Grundgesetzes. Freilich, etwas Neues, für unser Thema Hilfreiches oder Anregendes findet man nicht.
({6})
Wohl trifft es durchaus zu, daß ein isolierter Ausgleich von finanziellen Belastungen der Kommunen auf Grund einzelner gesetzlicher Regelungen nicht den Grundsätzen unserer Finanzverfassung entspricht. Das hat niemand bestritten, Herr Bundesfinanzminister. Doch es hat allen Anschein, als verstecke sich die Bundesregierung hinter einem Wall verfassungsrechtlicher Bestimmungen, weil sie in politischer Untätigkeit verharren und sich auf die bequemste Art und Weise ihrer staatspolitischen Verantwortung für die Gemeinden entziehen will.
Ihre Antwort ist deshalb um so weniger überzeugend und zufriedenstellend, als sie selbst zugeben muß, und zwar wörtlich, daß sie die finanziellen
Auswirkungen von Bundesgesetzen und Rechtsverordnungen auf die Gemeinden gar nicht kenne. Das steht im Punkt 1 der Beantwortung der Anfrage. Diese Antwort der Bundesregierung gewinnt erst dann ihre volle politische Dimension, wenn man sich gleichzeitig die Tatsache ins Bewußtsein ruft, daß sich der Umfang des Bundesgesetzblatts in der 7. Wahlperiode im Verhältnis zur 6. Wahlperiode mehr als verdoppelt hat.
Mir scheint es deshalb im Rahmen dieser Aussprache geboten zu sein, die Finanzverfassung des Grundgesetzes nicht nur einer verfassungsrechtlichen, sondern in erster Linie einer verfassungspolitischen Würdigung zu unterziehen. Dabei sehe ich mich durch die jüngste Verfassungsgebung und durch die Ergebnisse der Enquete-Kommission Verfassungsreform ermächtigt und in meiner politischen Absicht vielfach gestützt und bestätigt.
Auch darauf darf ich verweisen: Das Grundgesetz, am 23. Mai 1949 in Kraft getreten, berücksichtigte die Gemeinden nur im Art. 28 und gewährte lediglich eine Bestandsgarantie. Man sah bald, daß diese Verankerung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts in unserer Verfassung nicht ausreichend ist. Und nun muß ich Sie erinnern: Im Gegensatz zur heutigen Bundesregierung und zur heutigen Koalition hat die zweite Regierung Konrad Adenauers mit dem damaligen Finanzminister Fritz Schäffer eine Finanzverfassungsreform durchgeführt, die das Datum vom 24. Dezember 1956 trägt. Durch diese Finanzverfassungsreform wurde den Gemeinden das Aufkommen der Realsteuern als originäre Steuerquelle zuerkannt. Diese wichtige Finanzverfassungsreform zugunsten der Gemeinden ist aus dem politischen Bewußtsein leider entschwunden.
Ein weiteres. Es war wiederum ein Finanzminister der CDU/CSU, in diesem Fall Franz Josef Strauß, der die Verantwortung für die Finanzverfassungsreform vom 12. Mai 1969 trägt. Durch sie erhielten die Gemeinden einen Anteil am Aufkommen der Einkommensteuer, der von den Ländern ihren Gemeinden auf der Grundlage der Einkommensteuerleistungen ihrer Einwohner weiterzuleiten ist. Wenn die SPD sagt, sie habe dazu den Antrag gestellt, so will ich das gar nicht bestreiten. Aber damals hat eine Koalitionsmehrheit ja gesagt zu einem vernünftigen Antrag, während Sie heute zu vernünftigen Anträgen zugunsten der Gemeinden eben nein sagen. Das ist der Unterschied.
({7})
Auch die Rechtsschutzgewährleistung der Gemeinden nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 b des Grundgesetzes hat das Selbstverwaltungsrecht weiter gestärkt.
Ich darf also feststellen: In den Jahren 1949 bis 1969 war der Bundesgesetzgeber immer bereit, verfassungspolitisch zu handeln. Die ursprüngliche Eingliederung der Gemeinden und Gemeindeverbände in unseren Staatsaufbau ist niemals ein verfassungspolitisches Tabu für CDU und CSU gewesen.
Inzwischen hat der Bundesgesetzgeber den Gemeinden neue und erweiterte gesetzliche Zuständigkeiten und Verpflichtungen aufgebürdet, die erhebliche zusätzliche finanzielle Belastungen zur Folge haben. Das Bundesverfassungsgericht hat sich wiederholt mit den Kompetenzen und der Aufgabenverteilung der Gemeinden zu befassen gehabt.
Unbestreitbar erscheint mir die Erkenntnis, daß die angemessene Finanzausstattung der Gemeinden und Gemeindeverbände in der konkreten justiziablen Durchsetzungsfähigkeit höchst fragwürdig erscheint. Hier sehe ich die eigentliche und politisch wichtigste Problematik der finanzpolitischen Sicherung des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts.
Die Gemeinden und Gemeindeverbände sind rechtlich den Ländern zugeordnet. An der föderalistischen Zweiteilung der Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland soll und darf nicht gerüttelt werden. Aber unbeschadet dieser Erkenntnis und prinzipiellen Festlegung darf nicht verkannt werden, daß der kommunale Bereich politisch wie rechtlich einen bundesstaatlichen Bezug hat. Durch Art. 109 des Grundgesetzes in der Neufassung vom 8. Juni 1967 und 30. August 1971 in Verbindung mit dem Stabilitätsgesetz sind die Gemeinden und Gemeindeverbände in die mittelfristige Finanzplanung und in die staatliche Konjunkturpolitik einbezogen, Nach §§ 19 und 20 des Stabilitätsgesetzes kann die Kreditaufnahme der Gemeinden und Gemeindeverbände durch Rechtsverordnung beschränkt werden.
({8})
Nach Art. 104 a Abs. 4 des Grundgesetzes kann der Bund unter bestimmten Voraussetzungen den Ländern für besonders bedeutsame Investitionen der Gemeinden Finanzhilfen gewähren, ferner den Gemeinden Bundeszuschüsse nach dem Städtebauförderungsgesetz und dem Krankenhausfinanzierungsgesetz vom 29. Juni 1972 geben. In entscheidendem Maße sind die Gemeinden und Gemeindeverbände allerdings auf Dotationen durch die Länder im Rahmen der Finanzausgleichsgesetze angewiesen.
Mit Erlaubnis der Frau Präsidentin darf ich eine Stelle aus dem Bericht der Enquete-Kommission Verfassungsreform zitieren, der mir hier besonders wesentlich erscheint:
Der in der Verfassungswirklichkeit sichtbare Bedeutungswandel in den Beziehungen zwischen Staatsverwaltung und Kommunalverwaltung, der auf eine stärkere Verzahnung der öffentlichen Verwaltung mit überregionalen Entscheidungsträgern dringt, sowie die stärkere Steuerung der kommunalen Selbstverwaltung durch Bundes- und Landesgesetze und durch zentrale Entwicklungs- und Fachplanungen, die Zunahme finanzieller Abhängigkeiten vom Staat bei steigendem kommunalen Investitionsbedürfnis für Infrastrukturaufgaben sind offenkundig. Die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im gesamten Bundesgebiet und der gesteigerte Anspruch des Bürgers auf öffentli4440
che Daseinsvorsorge sind die bestimmenden Einflußgrößen dieser Entwicklung.
Soweit die Enquete-Kommission „Verfassungsreform".
Meine Damen und Herren, es wurde bei der Aussprache heute mehrfach auf die Befugnisse der Gemeinden und Gemeindeverbände zur Mitwirkung an den Entscheidungsprozessen des Staates hingewiesen. Ich darf Ihnen sagen: Natürlich wissen wir, daß die Gemeinden in einer Reihe von Gremien vertreten sind. Ich möchte nur die wichtigsten nennen: den Konjunkturrat, den Finanzplanungsrat und die Konzertierte Aktion. Aber, Herr Bundesfinanzminister, ich frage Sie: Wer hat denn eigentlich bei diesen Beratungen auf die Gemeinden auch gehört? Ich muß sagen: Man sollte die Gemeinden nicht nur loben und das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden beschwören, sondern man sollte auf die Gemeinden mehr hören. Das scheint mir das Entscheidende zu sein.
({9})
Der materielle Erfolg dieser Beteiligungsrechte bzw. Mitgestaltungsmöglichkeiten bleibt offen. Jedenfalls konnte dadurch nicht verhindert werden, daß sich die Schere zwischen Aufgabenlast der Gemeinden und ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit immer bedrohlicher öffnet.
Der Bund kann sich deswegen nicht hinter einer Verfassungsmauer verschanzen, weil die kommunale Selbstverwaltung schön mit Rücksicht auf den materiellen Inhalt von Bundesgesetzen keineswegs frei von Determinierungen durch den Bund ist. Gewiß - wer möchte es bestreiten - übt der Bundesrat über Art. 84 Abs. 1 und Art. 85 Abs. 1 des Grundgesetzes Einfluß aus, soweit die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren betroffen sind. Entscheidend ist folgendes: Im materiellen Recht ist es der Bund, der weitgehend steuernd mitwirkt.
({10})
Diese These kann ernsthaft nicht bestritten werden, sie ist wissenschaftlich erhärtet, sie entspricht der unleugbaren Erfahrung, die jeder Kommunalpolitiker in seiner täglichen Praxis machen muß. Die Bundesregierung selbst räumt ein, daß die Fülle der von den Gemeinden zu beachtenden Bundes- und Landesvorschriften als Einschränkung der Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit der kommunalen Selbstverwaltung empfunden werden muß und daß diese Einschränkung auch tatsächlich entstanden ist. Trotzdem will die Bundesregierung nicht von einem Übermaß von Gesetzen und Verordnungen sprechen. Sie verharmlost und beschönigt auch hier und setzt sich in offenen Widerspruch zu .dem, was Bundeskanzler Schmidt in seiner vielzitierten Rede vom 27. Oktober 1977 vor dem Deutschen Städte-
und Gemeindebund in Bad Godesberg auf das lebhafteste beklagt hat. Er hat hier etwas kritisiert, für das er selbst verantwortlich ist. Kollege Schmitt-Vockenhausen hat sich heute lebhaft dafür ausgesprochen, den Wald - besser gesagt: die Wildnis - der Gesetze und Verordnungen zu durchforsten; aber er sagt dies zu einem Zeitpunkt, zu dem in einer einzigen Wahlperiode die Summe der Gesetze und Verordnungen, im Bundesgesetzblatt veröffentlicht, mehr als das Doppelte dessen ausmacht, was in der vorangegangenen Legislaturperiode verabschiedet wurde.
({11})
Ich denke - um ein Problem aufzugreifen - nur an die Umweltschutzgesetzgebung und an eine Reihe von Fach- und Sachplanungen, die den kommunalen Bereich unmittelbar berühren. Die SPD will den Bürger immer enger und fester nicht an dem goldenen Zügel führen, sondern an das rote Gängelband heften. Die Subsidiarität ist ein Freiheitsrecht, ein Ordnungsprinzip in unserer Verfassungs-
und Gesellschaftswirklichkeit, die häufig gegen die Sozialdemokraten erheblich erkämpft werden muß.
({12})
Ich denke nur an den Prozeß, den das Land Hessen damals gegen das Bundessozialhilfegesetz angestrengt hat, weil dort nach dem Subsidiaritätsprinzip zunächst der Vorrang der freien Verbände gesetzlich institutionalisiert worden war. Ich erinnere an die zentralen Entwicklungs- und Fachplanungen, die direkte Beeinflussung der kommunalen Investitionsentscheidungen durch die Konjunkturprogramme des Bundes, die direkte und indirekte Auswirkung der Finanz- und Steuerpolitik des Bundes. Man denke vor allem auch daran, daß die Gemeinden mehr als Bund und Länder zusammen Träger der öffentlichen Investitionen sind. Bedenken Sie nur einmal die Auswirkungen von. Bundesgesetzen im Zusammenhang mit dem Bundesbaugesetz, dem Städtebauförderungsgesetz, dem Raumordnungsgesetz, dem Sozialhilfegesetz, dem Jugendwohlfahrtsgesetz und vor allen Dingen mit dem weiten Kreis der Umweltschutzgesetze.
Die Gemeinden teilen grundsätzlich das finanzpolitische Schicksal der Länder. Zu den Aufgaben in eigener Zuständigkeit der Länder zählt vor allem, die ihren Gemeinden vom Grundgesetz eingeräumte Ausstattung mit Steuern durch einen Finanzausgleich zu ergänzen, damit alle Gemeinden in gleicher Weise zur Bewältigung ihrer Aufgaben, einschließlich der ihnen vom Bund oder Land übertragenen Aufgaben, befähigt werden.
Die Vollzugskosten haben nach deutscher Verfassungsrechtstradition die Länder ohne Anspruch auf Erstattung durch den Bund zu tragen. Häufig verpflichten jedoch Bundesgesetze die Länder auch zu Ausgaben, die neben dem erforderlichen Vollzugsaufwand geleistet werden müssen, um den Zweck des Gesetzes zu erfüllen. Im Hinblick auf diese Tatsache habe ich als Mitglied der Enquete-Kommission Verfassungsreform ein Sondervotum unterstützt, das das Erfordernis der Zustimmung des Bundesrates für Bundesgesetze vorsah, durch die die Länder zur Übernahme von Aufgaben verpflichtet werden, die der Zweck des Gesetzes bedingt, wo es also um Zweckausgaben geht. Die Länder und mit ihnen die Gemeinden sollten vor finanziellen Überforderungen durch den Bundesgesetzgeber geschützt werden, um ihre eigenstaatliche und selbstDr. Schneider
verwaltungsrechtliche Substanz aufrechtzuerhalten. Ein bloßes Einspruchsrecht des Bundesrates, das von der Mehrheit des Bundestages ausgeräumt werden kann, bietet den Ländern und mit ihnen den Gemeinden keinen ausreichenden verfassungsrechtlichen Schutz.
Die Enquete-Kommission hat den zitierten Antrag mehrheitlich abgelehnt. Im Interesse der Städte, Gemeinden und Kreise rufe ich diesen Antrag in das Bewußtsein des Deutschen Bundestages zurück und empfehle ihn seiner ausdrücklichen Aufmerksamkeit, wenn es demnächst darum geht, über die Ergebnisse der Enquete-Kommission Verfassungsreform zu befinden.
Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen.
Erstens. Unbeschadet der Tatsache, daß die Gemeinden den Ländern zugeordnet sind, hat der kommunale Bereich politisch wie rechtlich einen bundesstaatlichen Bezug.
Zweitens. In der Verfassungswirklichkeit sind eine stärkere Steuerung der kommunalen Selbstverwaltung durch Bundes- und Landesgesetze und eine Zunahme finanzieller Abhängigkeiten vom Staat bei steigendem kommunalen Investitionsbedürfnis für Infrastrukturaufgaben offenkundig.
Drittens. Die Gemeinden teilen grundsätzlich das finanzpolitische Schicksal der Länder. Deshalb sollten auch aus kommunaler Sicht Bundesgesetze, welche die Länder zur Übernahme von Aufgaben verpflichten, die der Zweck des Gesetzes erfordert, der Zustimmung des Bundesrates bedürfen.
Viertens. Die staatliche Organisationsstruktur der Bundesrepublik Deutschland muß als eine gegliederte organische Einheit gesehen werden. Eine streng formalistische Betrachtungsweise ist außerstande, die gemeindliche Abhängigkeit von staatlichen Entscheidungen angemessen zu berücksichtigen.
Fünftens. Nur wenn wir das föderalistische Ganze unseres staatlichen Gemeinwesens in seinen wechselseitigen Bezügen und Abhängigkeiten ins Auge fassen, wird unsere Arbeit als Bundesgesetzgeber kommunalpolitisch schlüssig und im Ergebnis bürgernah, aber auch gemeindefreundlich sein.
Die kommunalpolitische Entwicklung seit 1969 zeichnet sich durch einen wachsenden Verlust an Handlungsfreiheit der Gemeinden aus. Darüber könnte man sich vielleicht noch hinwegsetzen. Aber in dem Maße, in dem die Selbstverwaltungsrechte der Gemeinden eingeschränkt werden, werden auch die Rechte der einzelnen Bürger betroffen.
({13})
Wir haben unsere Große Anfrage nicht deshalb eingebracht, weil wir zunächst die Gebietskörperschaft, die juristische Person, im Auge haben, sondern uns geht es primär um den Bürger; denn jeder Bürger ist zunächst Bürger seiner Gemeinde. Die Gemeinde tritt ihm als erstes Hoheitsorgan in unserer Verfassungswirklichkeit gegenüber. Es geht also heute nicht nur um die Lage der Städte, Gemeinden und Kreise, sondern es geht primär darum,
ob wir in unserem Lande durch eine stärkere kommunale Selbstverwaltungspolitik dem Bürger in den Gemeinden als Staatsbürger mehr Rechte und Freiheiten einräumen wollen.
({14})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Traupe.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Sicherlich, sehr verehrter Herr Kollege Waffenschmidt, ist es sehr schön, eine Anhäufung von Schlagworten hier anzubringen und ein fast furioses Bild von Sozialismus, Verstaatlichung, Bürokratie und Verschuldung der SPD insgesamt zu zeichnen.
({0})
Nur, eine sinnvolle Politik ersetzt das nicht.
({1})
Wir alle - ich sah das ein wenig in dem Beitrag vom Kollegen Schneider wiedergegeben - wollen eine kraftvolle kommunale Selbstverwaltung.
({2})
Daran wollen wir auch weiterhin festhalten. Da ich Sie normalerweise als engagierten Kommunalpolitiker kenne, ist der andere Eindruck hier wohl dem politischen Kampf zuzuschreiben.
Meine Damen und Herren, es ist meine Aufgabe, mich heute dem Bereich der Finanzen zuzuwenden. Ich habe mich gefragt, als ich die im März 1976 gestellte Große Anfrage noch einmal genau las, woher Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU-Fraktion, die Berechtigung für Behauptungen, wie sie im Vorspann Ihrer Anfrage stehen, ableiten. Sie sagen da - ich darf zitieren -:
Städte, Gemeinden und Kreise in der Bundesrepublik befinden sich in einer schwierigen Finanzsituation.
Es heißt weiter:
Außerdem beeinflussen eine große Zahl von Gesetzen, Verordnungen und Plänen des Bundes den Handlungsspielraum der Kommunalen Selbstverwaltung. Ein dritter Satz:
Ferner muß die Bundesregierung angesichts der angespannten Finanzsituation der Gemeinden . . Aussagen darüber machen, wie sie konkret ihrer gesamtstaatlichen Verantwortung für eine aufgabengerechte Finanzausstattung der Gemeinden ... gerecht werden will.
({3})
Ihre 47 dazu gestellten Fragen sind sicherlich mit
sehr viel Eifer zusammengestellt, aber sie kommen
uns doch ein bißchen zu selbstgestrickt vor, zu schnell gestrickt und vor allen Dingen zuwenig ausgewogen.
({4})
Es war die Aufgabe der Bundesregierung, Ihnen umfassend zu antworten. Dies hat sie in der Drucksache 8/906 vom 15. September 1977 getan. Wir möchten Ihnen als SPD-Fraktion zu den drei zitierten Sätzen, zu dem Gesetzentwurf zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes und. zu Ihrem Entschließungsantrag auf Drucksache 8/1209 einige Anmerkungen machen.
Lassen Sie mich zuerst einmal die pauschale Behauptung aufgreifen, Städte, Gemeinden und Kreise in der Bundesrepublik befänden sich in einer schwierigen Finanzsituation. Als Sie diese Behauptung aufstellten, mußten Sie ja wohl vorher Ver- gleiche angestellt haben über die finanzwirtschaftliche Situation der Gemeinden und Gemeindeverbände untereinander und auch gegenüber den Ländern und dem Bund. Bei aller Manipulierbarkeit von Zahlen - und ich halte niemanden von uns ganz frei davon - hält eine so pauschale Behauptung keinem kritischen Vergleich stand. Das Jahr 1976 war für die Gemeinden nach der Rezession ein Jahr der Konsolidierung. Die bisher vorliegenden statistischen Daten weisen dies auch für 1977 aus; man kann davon ausgehen, daß die Kommunen auch in diesem Jahr weitere Fortschritte in der Konsolidierung der Haushalte erzielen werden. Für 1978 gibt es bereits eine Reihe von Berichten über ausgeglichene Etats, erhöhte Zuschüsse aus dem Verwaltungs- in den Vermögenshaushalt und damit erfreulicherweise höhere Investitionen in vielen kommunalen Aufgabenbereichen.
Ich will nicht verschweigen, daß die Zurückhaltung der Gemeinden 1975/76 in ihrer Haushaltsgestaltung aus der Unsicherheit über die künftige wirtschaftliche und besonders finanzielle Entwicklung herrührte. Als dann aber die Steuereinnahmen 1976 und 1977 auch für die Gemeinden verstärkt anstiegen, haben viele Kämmerer dies zur Konsolidierung ihrer Haushalte genutzt und nicht, wie es konjunkturgerecht gewesen wäre, zur Tätigung neuer Investitionen genommen.
Vergleicht man die Finanzsituation von Bund, Ländern und Gemeinden von 1970 bis 1976, so stiegen die Ausgaben auf allen drei Ebenen relativ gleichmäßig, beim Bund um 84 %, bei den Ländern um 99,2 % und bei den Gemeinden um 86,5 %. Die Einnahmen stiegen aber in diesem Zeitraum sehr unterschiedlich, nämlich die des Bundes um 53,8 %
- das wäre eine durchschnittliche jährliche Steigerungsrate von 7,4 % -, die der Länder um 86,9 %,
- das ist eine durchschnittliche Steigerungsrate von 11 % - und die der Gemeinden, man höre, um 100,5 %, was einer durchschnittlichen Steigerungsrate von jährlich 12,3 % entspricht. Die Einnahmen der Gemeinden stiegen dank der Gemeindefinanzreform von 1969/70 fast doppelt so schnell wie die des Bundes.
({5})
Sie können zwar sagen, daß ein CDU-Abgeordneter Kanzler und ein anderer Finanzminister war. Nur, das waren sie bereits 20 Jahre lang. Insoweit frage ich mich, warum Sie ausgerechnet erst die Sozialdemokraten dazu brauchten, um diese Kommunalfinanzreform durchzuführen.
({6})
Herr Waffenschmidt, Sie haben selbst das 1965 von der SPD aufgestellte Wahlprogramm zitiert, in dem eine bessere, gemeindefreundlichere Politik bei einer von Sozialdemokraten mitbestimmten Bundesregierung schon angekündigt wurde,
({7})
und sie kam ja auch, erfreulicherweise übrigens für die Kommunen.
Unser Finanzminister hat einige Beispiele genannt, wie es um die Situation der Gemeinden und der Gemeindeverbände steht. Ich will nur erwähnen, daß mir gestern ein Mitarbeiter aus dem bayerischen Finanzministerium auf die Frage, wie er denn nun die kommunalen Finanzen sehe, sagte: sehr gut; beispielsweise sei der Landkreis München in der Lage, seine Kreisumlage zu senken. - Die Finanzsituation der Gemeinden Nordrhein-Westfalens ist hier mehrfach als besonders gut dargestellt worden.
({8})
Die Finanzsituation der zehn Kommunen in meinem eigenen Wahlkreis muß man einfach differenziert sehen. Sie ist insgesamt aber alles andere als schlecht. So muß z. B. die größte Gemeinde in meinem Landkreis - sie hat rund 60 000 Einwohner - wegen ihrer gesunden Finanzlage auf Schlüsselzuweisungen des Landes verzichten. Sie kann bei dem Etat des Jahres 1978 in Höhe von immerhin 167 Millionen DM aus dem Verwaltungshaushalt, der 109 Millionen DM umfaßt, noch 9,4 Millionen DM in den Vermögenshaushalt abfließen lassen, der ein Volumen von 58 Millionen DM hat. Nach zwei Jahren relativer Zurückhaltung und Hilfen durch Bund und Land investiert diese Kommune im Jahre 1978 erfreulich viel aus eigener Kraft. Die Tageszeitung sprach von „blendenden Zahlen". Sie können sich vorstellen, daß der Haushaltsplan des Jahres 1978 einstimmig vom Rat angenommen wurde.
Zu ihrer pauschalen Behauptung von der schwierigen Finanzsituation der Gemeinden lassen Sie mich auch noch einmal auf den schon zweimal zitierten Minister Gleichauf aus Baden-Württemberg Bezug nehmen. Minister Apel hat einen Teil dessen, was am 19. Oktober 1977 im Landtag bei der Einbringung des Doppelhaushalts 1977/78 gesagt wurde, zitiert:
({9})
Es besteht aus der Sicht der Landesregierung kein Anlaß, daß die Gemeinden und Gemeindeverbände, wie es gelegentlich geschieht, wegen ihrer Finanzlage ein Klagelied gegenüber dem Land anstimmen.
Das hat Minister Apel zitiert.
({10})
Es geht aber noch weiter - und das, meine ich, ist wichtig -:
Nach dem Jahresbericht der Landeszentralbank lagen die Steuereinnahmen der baden-württembergischen Gemeinden im Jahre 1976 um 17,3 % höher als im Vorjahr.
({11})
Das Land mußte sich im gleichen Zeitraum mit nur 14,5 % begnügen.
({12})
Der Anteil der Gemeinden an den Schulden der Gebietskörperschaften hat sich im Bundesgebiet von insgesamt 39,2 % im Jahre 1970 auf 28 % im Jahre 1976 verringert.
Hier war nicht nur yon Baden-Württemberg, sondern vom ganzen Bundesgebiet die Rede. Ich glaube, man könnte noch eine ganze Reihe von Zitaten von Leuten aus Ihrer Partei hinzufügen, die belegen, daß es um die Konsolidierung der kommunalen Haushalte heute recht gut bestellt ist.
Lassen Sie mich abschließend nur noch eines sagen. Im Vorspann zu Ihrer Großen Anfrage sagen Sie:
Außerdem beeinflussen eine große Zahl von Gesetzen, Verordnungen und Plänen des Bundes den Handlungsspielraum der kommunalen Selbstverwaltung.
Es ist fast merkwürdig, daß in Frage 7 dann von ständig steigenden, großen finanziellen Belastungen der Gemeinden durch die Sozialhilfe geredet wird. Richtig ist, daß die Sozialhilfeleistungen zwischen 1971 und 1975 beträchtlich gestiegen sind. Inzwischen sind die Zuwachsraten jedoch von 24,7 % im Jahre 1974 über 12 % im Jahre 1976 auf - geschätzt - 9 % im Jahre 1977 gesunken. Ich habe einen etwas schalen Geschmack, wenn Sie ausgerechnet wieder die Sozialleistungen ansprechen und ich gleichzeitig an Ausführungen von Strauß und neuerdings auch von Stoltenberg denke.
({13})
Außerdem hat der Bund durch die sozialpolitische Gesetzgebung - etwa durch die Neuregelung im Bereich der beruflichen Rehabilitation und des Berufsausbildungsgesetzes und durch die Dynamisierung und Verbesserung der Kriegsopferleistungen - Länder und Gemeinden ganz beträchtlich von Kosten entlastet.
({14})
Ich könnte auch noch das Krankenhausfinanzierungsgesetz, das Konkursausfallgesetz und andere
Dinge nennen, mit denen die Gemeinden finanziell
entlastet worden sind. Alle diese Gesetze haben dazu geführt, daß Länder und Gemeinden in mehr oder weniger großem Umfang finanzwirksame sozialpolitische Aufgaben an den Bund oder an die Sozialversicherungsträger abgegeben haben.
Sicherlich könnten bei einer anhaltenden Arbeitslosigkeit, die wir uns alle nicht wünschen, die Sozialhilfeausgaben bei den Gemeinden in den nächsten Jahren auch wieder steigen. Aber dann müßte zunächst die Verteilung der Lasten zwischen Gemeinden und Ländern geprüft werden. Die Länder könnten beispielsweise durch einen - von Hessen angeregten - Sozialhilfelastenausgleich einen größeren Teil der Sozialhilfekosten übernehmen und die. von den Gemeinden zu tragenden Aufwendungen gerechter ausgleichen. Eine Beteiligung des Bundes an den Sozialhilfekosten ist aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht akzeptabel, auch nicht in Anbetracht der Neuregelung zur Umsatzsteuerverteilung zwischen Bund und Ländern. Eine Leistungsverschlechterung im Sozialhilfebereich kommt für uns Sozialdemokraten nicht in Frage.
({15})
Über Kostendämpfungsmaßnahmen in der Sozialhilfe muß im Rahmen der Pflegekosten vielleicht noch intensiver nachgedacht werden.
({16})
Den dritten Satz im Vorspann Ihrer Anfrage - ich zitiere auch hier -:
Ferner muß die Bundesregierung angesichts der angespannten Finanzsituation der Gemeinden . . . Aussagen darüber machen, wie sie konkret ihrer gesamtstaatlichen Verantwortung für eine aufgabengerechte Finanzausstattung der Gemeinden . . . gerecht werden will.
kann man vielleicht als einen Versuch ansehen, den Streit zwischen Ländern und Bund über ihre Zuständigkeit gegenüber den Kommunen erneut zu beginnen. Aber das wollen Sie doch hoffentlich nicht.
Der Bund besitzt - auch wenn das vielleicht wünschenswert wäre - nach der Verfassung keine allumfassende Zuständigkeit für die Gemeindebelange. Nach dem Grundgesetz gehören die Gemeinden, wie das auch der Kollege Schneider ausgeführt hat, zum Zuständigkeitsbereich der Länder. Zu Recht erwähnt die Bundesregierung bei der Beantwortung der Frage 22 deshalb, daß die Zuständigkeit des Bundes für die Kommunalfinanzen auf globale gesetzgeberische Maßnahmen beschränkt ist. Eine qualitative Verbesserung der Gemeindefinanzen etwa im Sinne eines Ausgleichs zwischen finanzstarken und finanzschwachen Gemeinden steht nur den Ländern über den kommunalen Finanzausgleich zu. Aber es ist doch unleugbar, daß sich die jährlichen Leistungen des Bundes seit 1970 an die Gemeinden und Gemeindeverbände mehr als vervierfacht haben. Sie wuchsen von 1,97 Milliarden DM im Jahre 1970 auf 8,3 Milliarden DM im Jahre 1976 an.
Ohne Zweifel war die Finanzsituation der Kommunen vor der Gemeindefinanzreform 1969/70 ex4444
trem ungesund. Daher, lieber Kollege Waffenschmidt, kam auch die hohe Verschuldungsquote der Kommunen.
({17})
Das hat dann dazu geführt, daß die Bundesregierung der Großen Koalition damals das Reformgesetz verabschiedet hat. Aber Bund und Länder haben damals bei den Kreditiaufnahmen noch nicht so sehr darauf zurückgreifen müssen. Es waren gerade wir Sozialdemokraten, die sich für eine direkte Beteiligung der Gemeinden an der Einkommensteuer im Tausch gegen die Beteiligung des Bundes an der Gewerbesteuer einsetzten und damit die nachhaltige Gesundung der Gemeindefinanzen einleiteten. Aber die die Bundesregierung heute tragenden Parteien können in ihrer Verantwortung für die finanzielle Situation des Gesamtstaates nun nicht zulassen, daß für die ab 1977/78 gültigen Steuerentlastungsgesetze vorrangig und fast ausschließlich der Bund zahlt. Der Herr Bundeskanzler hat am 27. Oktober vor dem Städte- und Gemeindebund folgendes gesagt - ich zitiere -:
Es kann nicht angehen, daß der Bundeshaushalt und die Bundesregierung der Atlas sind oder der Sisyphos - um ein anderes Bild zu gebrauchen -, die die Last der fiskalischen Konjunktursteuerung allein zu tragen haben. Das kann nicht zum Erfolg führen, denn dazu ist die Finanzmasse des Bundes viel zu klein, kleiner als die Hälfte der öffentlichen Finanzen.
Deshalb kommt der Gesetzentwurf der CDU/CSU zur Anhebung des Gemeindeanteils an der Lohn-
und Einkommensteuer von 14 auf 15 % zur falschen Zeit. Sicherlich kann es sich die Opposition im Bundestag leicht machen und sich wenig um solide Bundesfinanzen kümmern.
({18})
Doch schon die Ministerpräsidenten der von CDU und CSU geführten Bundesländer konnten keine Sympathie für den sie in gleicher Weise treffenden Verlust von rund 740 Millionen DM' bei der Lohn-
und Einkommensteuer entwickeln.
({19})
Am 1. Juli 1977 einigten sich der Herr Bundeskanzler und die Ministerpräsidenten auf die Neufestsetzung der Umsatzsteueranteile für 1977 und 1978. Der Bund verzichtete auf seine ursprüngliche Forderung nach Erhöhung des Anteils am Umsatzsteueraufkommen. Dieser Verzicht bedeutete für die Länder konkret folgende Verbesserung: 1977 bleiben den 'Ländern die vom Bund geforderten 8 Milliarden DM. 1978 bekommen sie eine Milliarde DM zusätzlich. Mit der Einigung der Regierungschefs werden die Länder in die Lage versetzt, ihre Leistungen an die Gemeinden wesentlich zu verstärken arid für die Steuerausfälle einen entsprechenden Ausgleich vorzunehmen.
Der von der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände noch vor Abschluß der Verhandlungen über die Umsatzsteuerneuverteilung vorgelegte Vorschlag für einen Gesetzentwurf zur Erhöhung des Gemeindeanteils an der Lohn- und Einkommensteuer von 14 auf 14,8 % wurde von den Ländern nicht aufgegriffen, sondern die Regelung der Einnahmeausfälle für die Kommunen wurde allein der Neuverteilung der Umsatzsteuer überlassen. Dies war auch im Sinne Ihrer Finanzminister, wenn man die Äußerung von Gaddum sieht.
Der Bund kann gegenwärtig weitere Maßnahmen zu einer stärkeren Finanzausstattung der Gemeinden nicht unterstützen. Dies bedeutet freilich nicht, daß er nicht Verständnis für die Forderung der Kommunen nach einer Verstetigung ihrer Einnahmen hat.
Es wird zunächst abzuwarten sein, wie 1978 die Länder ihren erhöhten Umsatzsteueranteil an die Gemeinden weitergeben werden. Ob es freilich in diesem Zeitpunkt hilfreich für die Gemeinden sein kann, wenn Finanzpolitiker wie Franz Josef Strauß jetzt von einem völligen Abbau der Gewerbesteuer sprechen, der umfangreichsten Steuerquelle der Kommunen, deren Hebesatz sie außerdem weitgehend selbst bestimmen, mag dahingestellt bleiben.
Auch dem von Ihnen am 21. November 1977 eingebrachten Entschließungsantrag 8/1209 mit der Forderung nach pauschalen Mitteln zur eigenverantwortlichen Verwendung für Investitionen der Kommunen statt einzelprojektbezogener Konjunkturprogramme von Bund, Ländern und Gemeinden stehen wir mit großer Skepsis gegenüber. Daß durch eine pauschale Überweisung der Mittel an die Gemeinden wirklich Fehler vermieden werden, wagen wir zu bezweifeln.
Wir sind jedoch der Meinung, daß wir einer sachlichen Auseinandersetzung über dieses Thema mit Ländern und kommunalen Spitzenverbänden nicht aus dem Weg gehen sollten, zumal Nordrhein-Westfalen so etwas schon 1967 erprobt hat. Wir wollen daher diesen Antrag nicht ablehnen, sondern zur Überweisung empfehlen.
Zudem hat der Herr Bundeskanzler eine Prüfung der Forderungen nach einer Investitionspauschale in der interfraktionellen Arbeitsgruppe von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden zugesagt. Wir sind sehr skeptisch, ob das aus verfassungsrechtlichen Gründen überhaupt geht.
Lassen Sie mich abschließend sagen: Das Horrorgemälde von der Finanznot der Gemeinden findet heute keinen Platz in einer sachlichen Gewichtung.
({20})
Längerfristig geordnete Finanzen in Bund, Ländern und Gemeinden zu wahren ist für uns Sozialdemokraten eine Frage der politischen Glaubwürdigkeit.
({21})
Dazu gehört auch der Mut, unbequem zu sein.
({22})
Das Wort hat der Abgeordnete Wendig.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die Lage der Städte, Gemeinden und Kreise in der Bundesrepublik Deutschland ist eigentlich kein Thema, das sich für einen polemisch aufgezäumten Parteienstreit eignet. Alle demokratischen Parteien tragen auf allen Ebenen der Politik und der öffentlichen Verwaltung im Grundsatz gleiche Verantwortung. Dies zwingt dazu, keines der angeschnittenen Themen oder Probleme isoliert auf einen Teilbereich zu betrachten. So ist auch die Lage der Städte und Gemeinden nur auf der Grundlage unserer Verfassung und der sich daraus ergebenden finanziellen Zuständigkeiten und Verpflichtungen z.} sehen.
Wir begrüßen es, daß die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Große Anfrage der Opposition die Lage der Städte und Gemeinden in dem richtigen gesamtstaatlichen Zusammenhang dargestellt hat. Auf einige besondere Einzelheiten komme ich noch.
Gestatten Sie zunächst eine grundsätzliche Äußerung zu diesem gesamten Fragenkomplex für mich und meine Fraktion: Wir, die Freien Demokraten, bekräftigen auch für uns, daß die in Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes niedergelegte Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung ein Kernstück unserer Verfassung ist. Wir sehen in dieser Erklärung zugleich den Ausdruck unseres politischen Willens, der sich nicht in wohltönenden Formeln bei irgendwelchen kommunalpolitischen Veranstaltungen erschöpft. Hier, wo der mündige Bürger am unmittelbarsten an der Gestaltung der öffentlichen Belange mitwirken kann, entwickelt sich am besten jener demokratische Bürgersinn, ohne den auch in den staatlichen Bereichen des Bundes und der Länder Demokratie nicht gedeihen kann. Zudem haben die kommunalen Selbstverwaltungen bei uns in Deutschland eine jahrhundertealte, bewährte Tradition, die zu der Entwicklung der heutigen parlamentarischen Demokratie maßgeblich beigetragen hat. Dies sind, wie ich meine, Tatsachen, die bei keiner der maßgeblichen politischen Kräfte in unserem Lande in Zweifel stehen.
Wenn man auf die Fragen, die die Opposition in ihrer Großen Anfrage gestellt hat, näher eingehen will, darf man dennoch einige Grundtatbestände nicht außer Betracht lassen. Ich will sie kurz nennen.
Die Fragen, die die Opposition in ihrer Großen Anfrage aufwirft, sind im Grund nicht neu. Wir haben vor drei Jahren, etwa um die gleiche Jahreszeit, über fast die gleichen Themen hier debattiert. Gewiß bleiben die Dinge im Fluß und bedürfen von Zeit zu Zeit einer kritischen Durchleuchtung, vielleicht auch Aufmunterung. Eines aber hat sich seit der Debatte vor drei Jahren u. a. geändert: Inzwischen liegt der Bericht der Enquete-Kommission Verfassungsreform vor, den wir im Deutschen Bundestag leider noch nicht haben beraten können. Ich will auch heute eine solche Debatte nicht vorwegnehmen. Wir wissen aber aus dem Bericht der Enquete-Kommission u. a., wie man dort die Stellung der kommunalen Selbstverwaltung im Rahmen des Gesamtstaates gesehen hat. Vieles davon ist
nicht neu, aber wir erkennen besonders im Hinblick auf die Finanzverfassung sehr klar, wo die Grenzen des heute verfassungsrechtlich Machbaren liegen.
Als Persepktive für die Zukunft wird auch deutlich, daß man von den drei Ebenen- Bund, Ländern und Gemeinden eigentlich nur unter gewissen Einschränkungen sprechen kann. Der Verfassung entspricht vielmehr ein Ordnungssystem, das den Staat der kommunalen Selbstverwaltung gegenüberstellt. Im Grunde geht es also um zwei Ebenen: die des Staates - in einem föderativen Staat gegliedert in Bund und Ländern - und die der kommunalen Selbstverwaltung.
In diesem Ordnungssystem - und da komme ich auf einiges, was meine Vorredner vorgetragen haben - sind die Gemeinden primär eindeutig den Ländern zugeordnet. Dies gilt nicht nur für die Finanzausstattung, zu der Art. 106 Abs. 9 bestimmt, daß als Einnahmen und Ausgaben der Länder auch die Einnahmen und Ausgaben der Gemeinden und Gemeindeverbände zu gelten haben. Den Ländern obliegt es, den Ausgleich im Steuerkraftgefälle zwischen den kommunalen Körperschaften herzustellen. Sie, die Länder, sind es, die die Kommunalaufsicht, die Staatsaufsicht über die Gemeinden führen. Die Länder sind es schließlich, die Verbesserungen des eigenen Aufkommens im Steuerverbund, beispielsweise bei der Umsatzsteuer, in einem bestimmten Rahmen an die Gemeinden weiterzugeben haben; davon war schon mehrfach die Rede. Länder und Gemeinden sind also insoweit eine finanzpolitische Einheit, und das bedeutet, daß die Gemeinden an der Finanzausstattung des Landes teilzunehmen haben.
({0})
Zu Recht verweist die Bundesregierung in ihrer Antwort auf den Kompromiß zur Umsatzsteuerneuverteilung vom 1. Juli 1977, der hier schon mehrfach angesprochen wurde, und sie verweist auf die Aufgabe der Länder, einen auf die Finanzsituation der Gemeinden Rücksicht nehmenden finanziellen Ausgleich vorzunehmen.
Ein weiterer Gesichtspunkt ist zu beachten, wenn man von der Lage der Städte und Gemeinden hier im Deutschen Bundestag, also unter bundespolitischen Aspekten, spricht: Die verfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung in Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes steht in einem Spannungsverhältnis zu dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse in unserem Lande, die von den Gemeinden- allein nicht hergestellt wer- den kann. Die sich hieraus ergebenden Probleme sind also nicht isoliert nur von der Seite einer Ebene, hier der Gemeinden oder der Kreise, zu diskutieren oder gar zu lösen. Die Mobilität der Bevölkerung, die zunehmende Technisierung und Industrialisierung unseres Landes, die regionalen Unterschiede in der Wirtschaftsstruktur, Belange der Raumordnung und der Landesplanung und vieles andere mehr zwingen zur Einordnung der kommunalen Belange in das gesamtstaatliche System. Die- ser Notwendigkeit entspricht die grundgesetzliche Kompetenzverteilung; ihr entsprechen insbesondere die Vorschriften der Art. 104 a ff. des Grundgeset4446
zes, ohne daß ich hiermit schon sagen wollte, daß Einzelheiten dieses Systems immer die letzte Vollkommenheit darstellten.
Diesen Tatsachen entsprechen aber auch alle Maßnahmen, die der Bund in Wahrnehmung seiner Ausgleichsfunktion die ich hier besonders hervorheben möchte, den Gemeinden in Form unmittelbarer Hilfen zukommen läßt. Diese Finanzhilfen sind beträchtlich. Ich will mit diesem Hinweis keineswegs gleich die Forderung der Gemeinden beiseite schieben, über stärkere originäre Quellen zur Finanzierung ihrer Aufgaben verfügen zu können; davon wird gleich noch zu sprechen sein. Auch die Bundesleistungen für Investitionsmaßnahmen, von denen schon die Rede war, sind nicht neu; sie haben sich jedoch, wie die Kollegin Traupe eben gesagt hat, seit 1970 mehr als vervierfacht. Mit besonderer Priorität nenne ich die Gemeindeverkehrsfinanzierung und die Krankenhausfinanzierung. Auch das mehrjährige Programm für Zukunftsinvestitionen schließlich berücksichtigt ebenso wie frühere Konjunkturprogramme ganz gewichtige Gebiete aus den kommunalen Aufgabenbereichen, die der Bund im Rahmen seiner Ausgleichsfunktion zur vollen Zufriedenheit wahrnimmt.
Meine Damen und Herren, richtig ist sicher, daß alle Struktur- und Konjunkturprogramme des Bundes nicht voll als echter Einnahmeersatz für die Gemeinden zu betrachten sind; das wollte ich mit diesen Ausführungen auch keineswegs zum Ausdruck bringen. Deswegen bleibt natürlich gleichwohl die Frage bestehen, ob den Grundsätzen des Art. 28 Abs. 2 nicht durch die Eröffnung zusätzlicher originärer Finanzquellen für die Gemeinden stärker Rechnung getragen werden muß. Dies schließt dann natürlich insbesondere die Frage nach einer Erhöhung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer ein, wie das in dem Vorschlag der Opposition niedergelegt ist.
Ich will in meinem Beitrag auf die finanz- und steuerpolitischen Aspekte der Großen Anfrage nicht näher eingehen; das haben die Herren Vorredner - für meine Fraktion der Kollege Gattermann - bereits getan. In diesem Zusammenhang nur soviel: Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort dargelegt und begründet, daß die finanzielle Enge des Bundeshaushalts gegenwärtig eine Erhöhung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer nicht gestattet. Dies mag man mittelfristig bezweifeln; ich will das nicht zu Ende diskutieren. Fragen muß man aber jetzt auch, ob man eine solche Maßnahme mittel und langfristig innerhalb der bestehenden Aufgaben- und Finanzstruktur für Bund, Länder und Gemeinden isoliert betrachten und lösen kann.
Schon die Reform der Finanzverfassung im Jahre 1969 ging von der Erkenntnis aus, daß die Finanzstruktur, mit der der Verfassunggeber von 1949 der Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden entsprechen zu können meinte, nicht mehr stimmte. Aber auch seit 1969 ist die Entwicklung weitergegangen, und diese Entwicklung ist nicht nur durch einen steigenden Aufgabenzuwachs bei den Gemeinden gekennzeichnet. Ebenso haben sich im staatlichen Bereich Aufgaben von den Ländern weg zum Bund hin verschoben. Eine verfassungspolitische Debatte, etwa auf Grund des Berichts der Enquete-Kommission, würde also zu behandeln haben, ob die Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden so bestehenbleibt oder ob und in welche Richtung sie fortentwickelt wird. Dann erst kann endgültig bestimmt werden, wie auch die Finanzverfassung der vorgegeben Aufgabenstruktur anzupassen ist.
Die Frage für uns lautet heute daher wie folgt: Wie sieht das Aufgabengefüge der drei Ebenen letztendlich aus? Wie wird danach die Finanzausstattung für jede dieser Ebenen geregelt? Diese grundsätzliche Frage mag sich vielleicht noch nicht
das will ich einräumen - bei der Erhöhung um einen Punkt ergeben. Aber sie steckt in einer mittel-
und langfristigen Planung sicherlich drin. Zu Recht verweist der Bericht der Enquete-Kommission Verfassungsreform darauf, daß über die Höhe eines Gemeindeanteils nur im Gesamtrahmen und unter Berücksichtigung der Finanzierungsmöglichkeiten und -verpflichtungen von Bund und Ländern entschieden werden kann. Zu bedenken ist schließlich auch, daß die Erhöhung des Gemeindeanteils einen Ausgleich des Steuerkraftgefälles zwischen einzelnen Gemeinden sicher nicht bewirken kann.
Ein letzter Gesichtspunkt: Wie sähe es für die Gemeinden aus, wenn die Verbundmasse der Länder für den kommunalen Finanzausgleich beträchtlich verringert würde? Auch hiervon war schon die Rede. Das, meine Damen und Herren, sind Fragen, die wir stellen müssen, wenn man über eine Erhöhung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer jetzt spricht. Auf jeden Fall sind das Fragen, die gestellt werden müssen, wenn man - ich sagte es schon - mittel- oder langfristig einen Anteil anstrebt, der über 15 °/o hinausgeht. Im gegenwärtigen Zeitpunkt kann es meines Erachtens in dieser Frage nur darum gehen, daß wir die Entwicklung der Umsatzsteuerverhandlungen für 1979 abwarten. In diesem Rahmen würde dann diese Frage, die den Gesetzentwurf der CDU/CSU von heute betrifft, möglicherweise anders zu entscheiden sein.
Meine Damen und Herren, ich möchte nun noch einige Ausführungen mehr zum verwaltungspolitischen Teil der Großen Anfrage machen. Ein Kernproblem für die Bundesregierung und den Bundesgesetzgeber besteht ohne Zweifel darin, daß den Gemeinden durch den Gesetzgeber nicht erhebliche zusätzliche finanzielle Belastungen ohne entsprechenden Ausgleich erwachsen dürfen. Das ist ja Gegenstand einer Ihrer Fragen, meine Damen und Herren von der Opposition. Konkret ist dies aber auch nur mit dem Blick auf die Be- und Entlastungen aller Gebietskörperschaften zu beurteilen. Darauf hat vorhin der Herr Bundesminister der Finanzen sehr ausführlich und durch Zahlen abgestützt hingewiesen. Die Kostenermittlung, meine Damen und Herren, steht bei diesen Erwägungen sicher an erster Stelle. Hierbei ist die Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände sichergestellt.
Auch auf das durch die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien vorgesehene Anhörungs- und Informationsrecht der kommunalen Spitzenverbände legen wir Freie Demokraten besonDr. Wendig
deren Wert. Mit Genugtuung nehmen wir davon Kenntnis, daß sich die Mitwirkung der kommunalen Spitzenverbände seit 1975, seitdem dieses Instrument besteht, positiv entwickelt hat. Die Bundesregierung meint nun allerdings, daß zuverlässige Informationen über die finanziellen Auswirkungen auf Vorhaben der Kommunen noch nicht überall hätten gewonnen werden können. Ich verkenne die Schwierigkeiten, die hier bestehen mögen, sicher nicht. Aber gerade in diesem Bereich ist ein umfassender Informationsstand von Bundesregierung und Bundestag von besonderem Gewicht. Ohne auf Einzelheiten einzugehen, sollten wir alle Beteiligten dringend darum bitten, das Äußerste zu tun, damit etwaige Mängel im Interesse einer guten Gesetzgebungspraxis baldmöglichst behoben werden.
Die Bundesregierung hat ein Forschungsinstitut der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer mit der Ausarbeitung eines Modells für eine zuverlässige Kostenschätzung beauftragt. Dieses Modell liegt seit Mai dieses Jahres vor. Ich meine, daß wir zunächst einmal die Erprobung dieses Modells abwarten sollten. Die von der Opposition in der Drucksache 8/1208 ins Spiel gebrachte Forderung nach Planspielen erübrigt sich vielleicht, ist im übrigen aber auch in der bisherigen Praxis bei geeigneten Gesetzgebungsmaßnahmen bereits erprobt worden. Das ist also nichts Neues.
Wichtig ist weiter die Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände in den Planungsgremien des Bundes und an der Vorbereitung der Bundesgesetze und Rechtsverordnungen. Über die Mitwirkung in diesen Gremien ist ja eine ausführliche Übersicht in der Antwort der Bundesregierung enthalten. Schon daraus können wir entnehmen, daß hier in einem sehr großen Umfang eine Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände stattfindet.
Weiterhin müssen wir darum bemüht sein - das ist eine andere Frage der Großen Anfrage -, die kommunale Selbstverwaltung nicht durch ein Übermal] oft komplizierter Gesetze zu beeinträchtigen. Aber dies ist nicht nur ein Problem der kommunalen Ebene; das gilt für alle staatlichen Ebenen in Bund und Ländern ganz genauso. Wir müssen sicherlich dafür sorgen, daß der gesamte öffentliche Bereich nicht durch Überbürokratisierung zu schwerfällig und damit handlungsunfähig wird. Diese Frage müssen wir alle als an uns selbst gerichtet ansehen, und aus dieser Verantwortung kann sich auch hier in diesem Hause keiner und auch keine Fraktion entlassen. Es geht also nicht an, hier nur mit einer Steigerung des Volumens des Bundesgesetzblattes zu argumentieren. Man muß doch berücksichtigen - das wissen wir alle -, daß am Zustandekommen der meisten Gesetze die Oppositon genauso teilgenommen hat wie wir auch.
({1})
Im übrigen möchte ich an das anknüpfen, was die Kollegin Traupe gesagt hat. Wenn man schon von einem Abbau staatlicher Leistungen spricht, dann bitte aber auch präzise: wo, in welchem Umfang und mit welchen Konsequenzen. Wir müssen weiterhin danach trachten, daß auch die Regelungen des Gesetzgebers bezüglich ihrer Ausführung
in der Verwaltung, also die Zuständigkeitsregelungen, dem Gebot der Orts- und Bürgernähe Rechnung tragen. Darum sollten wir alle bemüht sein.
Ich möchte noch einmal unterstreichen, daß der Bund schon nach dem jetzigen Verfahren den kommunalen Spitzenverbänden ein hohes Maß an Einflußnahme auf die Gesetzgebung einräumt. Wir werden uns für die Verwirklichung von Verbesserungsvorschlägen gegenüber dem jetzigen System einsetzen, soweit sie uns begründet vorgetragen werden. Die Sorgen und Nöte der kommunalen Selbstverwaltung müssen auch die Sorgen und Nöte des Gesamtstaates sein. Oft ist es ja so, daß Bewegungen und Strömungen in unserer Bevölkerung im positiven wie im negativen Sinne am ehesten auf der kommunalen Ebene deutlich werden. Dies zwingt Bund und Länder, stets die Auswirkungen staatlichen Handelns oder auch staatlicher Unterlassung in ihrer Auswirkung auf das Bürgerverhalten in den Gemeinden sorgfältig zu beobachten.
Eine dieser Erscheinungen ist das Auftreten von Bürgerinitiativen, die vor allem im kommunalen Bereich breiten Raum gewonnen haben. Das verstärkte politische Engagement, das in diesen Bürgerinitiativen zum Ausdruck kommt, wird auch von uns uneingeschränkt begrüßt. Dieses Bürgerverhalten muß aber allen politischen Kräften in Bund, Ländern und Gemeinden Anlaß zu der selbstkritischen Frage sein, wo Fehler gemacht sind, wo notwendige Maßnahmen versäumt worden sind oder wo man möglicherweise am Bürger vorbeigeplant hat. Daß das Engagement der Bürger in den Gemeinden oft am stärksten ist, liegt auf der Hand. Alle politischen Kräfte müssen sich aber auch in der Erkenntnis einig sein, daß die letzten Entscheidungen allein in den Händen der politischen Vertretungen liegen müssen. Im Gegensatz zu den speziellen Interessen des einzelnen oder einzelner Bürgergruppen an einem besonderen Problem sind die politischen Vertretungen in Bund, Ländern und Gemeinden aus- schließlich am Gesamtwohl orientiert. Dieser Beurteilung der Bürgerinitiativen durch die Bundesregierung ist im Prinzip nichts hinzuzufügen.
Im Hinblick allerdings - das ist ein letzter Gedanke - auf die kommunale Selbstverwaltung möchten wir in diesem Zusammenhang den Landesgesetzgebern zu bedenken geben, ob nicht eine bessere Bürgerbeteiligung dadurch erreicht werden kann, daß man in den kommunalen Verfassungsgesetzen ein Bürgerbegehren als besondere Institution gesetzlich verankert. Das Bürgerbegehren schafft für die Bürgerbeteiligung einen gesetzlichen Rahmen. Es führt zu einem stärkeren Engagement des Bürgers in seiner Gemeinde und bringt im Gegensatz zu der Tätigkeit der Bürgerinitiativen hier nicht nur die Auffassung einer oft kleinen Minderheit zum Ausdruck, sondern gestattet einen Einblick in die Meinung der Gesamtbevölkerung oder eines großen Teiles der Gesamtbevölkerung zu einem wichtigen Problem.
In diesem Zusammenhang ist auch ganz kurz auf das Problem der sogenannten Verbandsklage einzugehen. Meine Damen und Herren, als ein stabilisierendes Element in unserer parlamentarischen
Verfassungsstruktur halten wir sie im Denkansatz für erwägenswert. Ich verkenne allerdings nicht - das sage ich ganz ausdrücklich -, daß es eine Reihe gewichtiger Bedenken aus dem rechts- und verfassungspolitischen Raum gibt. Auch dies möchte ich hierzu sagen.
({2})
Nach der Regierungserklärung vom 16. Dezember 1976 will die Bundesregierung prüfen, ob eine praktikable Form der Verbandsklage eingeführt werden kann.
({3})
Das Ergebnis dieses Prüfungsverfahrens sollten wir einfach abwarten, bevor wir über die Frage der Einführung oder auch Nichteinführung der Verbandsklage entscheiden.
Aus diesen von mir genannten Gründen bitte ich, den Entschließungsantrag 8/1211 der Opposition abzulehnen.
Die Fraktion der Freien Demokraten will eine leistungsfähige und finanzstarke Gemeinde im Interesse unserer gesamtstaatlichen Ordnung. Sie will die kommunale Selbstverwaltung um keinen Preis als eine drittrangige Außenstelle staatlicher Verwaltung verstanden wissen. Wir sehen allerdings im Gegensatz zur Opposition einen solchen Zustand nicht als gegeben an.
Diese Feststellung schließt unsere Bereitschaft ein, die Entwicklung der Städte und Gemeinden in all ihren Bereichen weiter mit kritischer Anteilnahme zu verfolgen. Staat und Gemeinde sind nach Auffassung meiner Fraktion einander zugeordnete Größen von grundsätzlich gleich hohem Rang. Beiden wird auch in Zukunft unsere ungeteilte Aufmerksamkeit gehören.
({4})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hauser ({0}).
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! In der vorigen Wahlperiode haben wir hier schon einmal eine Debatte über die Lage der Städte, Gemeinden und Kreise geführt. Auch damals war die Antwort der Bundesregierung sehr unbefriedigend, weil die Bundesregierung sich die Beantwortung zu einfach machte, auf die konkreten Probleme nicht einging und versuchte, mit Zahlenspielen über die wahren Sachverhalte hinwegzutäuschen.
Zur Frage - die natürlich nicht nur kommunalpolitisch, sondern auch konjunktur- und wirtschaftspolitisch eine große Rolle spielt -, warum die Investitionskraft der Städte und Gemeinden abgesunken ist, wird nur gesagt, ein Indiz dafür sei eine gewisse Sättigung in bestimmten Investitionsbereichen. Die finanzielle Misere und die Frage, wer an dieser Entwicklung schuld ist, werden in dieser Antwort überhaupt nicht berührt.
Man macht es sich zu einfach, wenn man sagt, es gebe in den Krankenhäusern einen Bettenüberhang - das wissen wir alle -, und das sei einer der Gründe, warum die Gemeinden heute nicht mehr so sehr investieren. Auch die Bundesregierung wird ja nicht bestreiten können, daß nach wie vor in den klassischen Investitionsbereichen der Gemeinden noch ein erheblicher Nachholbedarf besteht. Ich darf daran erinnern, daß gerade der Herr Bundesbildungsminister in einer der letzten Wochen hier beklagt hat, daß bei den Berufsschulbauten noch ein sehr hoher Nachholbedarf bestehe. Warum wird hier denn nicht investiert? Warum können die Gemeinden denn hier nicht investieren? Warum bekommen sie dafür das Geld nicht? Ich will nicht wieder von dem Elefantenhaus reden. Aber das ist genau die Schizophronie, die in dieser Geschichte für uns immer wieder erkennbar wird.
({0})
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kühbacher?
Ja, gern.
Herr Kollege Hauser, haben Sie ein Elefantenhaus beantragt oder nicht?
Wir haben schwerpunktmäßig das Berufsschulzentrum beantragt. Das Elefantenhaus haben wir in der Liste als eine der Maßnahmen aufgeführt, die für uns unter Umständen auch noch eine interessante Sache sein könnten.
({0})
Aber, Herr Kollege, wenn gerade Sie in ihrer Fraktion immer den Eindruck erwecken, als sei für Sie der Schulbau und besonders der Berufsschulbau die Priorität Nr. 1, dann muß ich sagen: wir sind davon ausgegangen, daß der zuständige Ressortminister der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen bei der Auswahl zwischen diesen beiden Investitionsvorhaben die Entscheidung sicher zugunsten der Berufsschule treffen werde.
({1})
Den wahren Grund für den Rückgang der Investitionen nennt die Bundesregierung in ihrer Antwort nicht. Sie verweist vielmehr auf die Finanzhilfen des Bundes und die Finanzausgleichsgesetze der Länder, die angeblich zu einer Befriedigung des kommunalen Bedarfs in wesentlichen Bereichen führen.
Und nun lassen Sie mich aus der Etatrede des Oberstadtdirektors von Wuppertal zitieren, den Sie, meine Kollegen von der SPD, ja sicher besonders gut kennen. Er hat am 10. Oktober 1977 gesagt:
Dieser Rückgang der kommunalen Investitionen überrascht nicht. Er hängt einmal mit unserer Finanzausstattung zusammen. Zum anderen ist zu berücksichtigen, daß wir seit Jahren auf die hohen Personalfolgekosten nahezu aller Sachinvestitionen hinweisen. Wer also die PersonalHauser ({2})
kosten begrenzen will oder muß, ist verständlicherweise auch in den Investitionen zurückhaltend, die Folgekosten auslösen.
Sehen Sie, meine Kollegen von den Koalitionsfraktionen, das ist einer der Gründe, die von Ihnen einfach so an die Seite geschoben werden.
({3})
Frau Kollegin Traupe hat eben überhaupt in Zweifel gezogen, daß die Finanzlage der Gemeinden schwierig ist. Sie hat ein paar Beispiele dafür aufgeführt, daß es den Gemeinden doch so gut ginge, daß sie aus dem Verwaltungshaushalt noch Anteilsbeträge an den Vermögenshaushalt überführen könnten.
Meine Damen und Herren, was ist denn überhaupt das Element einer vernünftigen und soliden Haushaltsführung? Doch die Forderung, daß man aus dem Verwaltungshaushalt noch soviel Geld übrig hat, daß man einen Teil der Schulden, die man macht, damit finanzieren kann, damit man nicht zur Schuldendeckung auch noch neue Kredite aufnehmen muß, wie das heute in vielen Gemeinden der Fall ist.
Lassen Sie mich etwas zu der Behauptung sagen, daß die Finanzausgleichsgesetze der Länder die Dinge in einer befriedigenden Weise regeln. Für einen qualifizierten Finanzausgleich wird ja immer das Land Nordrhein-Westfalen als das große Musterbeispiel angeführt.
({4})
- Herr Kollege Wolfram, ich werde Ihnen gleich ein paar Zahlen dazu nennen; vielleicht denken Sie einmal darüber nach. Zunächst einmal hat der Herr Finanzminister, auch wenn Sie das noch so bestreiten, erklärt, die eine Milliarde mehr in diesem Jahr sei eine einmalige Angelegenheit, und damit könnten die Gemeinden im nächsten Jahr nicht mehr rechnen. Diese eine Milliarde mehr im Finanzausgleich von Nordrhein-Westfalen ist aber belastet zum einen durch 450 Millionen DM negativer Abrechnung aus den Vorjahren, die nach dem Gesetz in diesem Jahr berücksichtigt werden müssen, zum anderen durch 482 Millionen DM durch die Hereinnahme von Maßnahmen aus dem normalen Landeshaushalt, die früher nicht im Finanzausgleich finanziert wurden, z. B. die Abfallbeseitigungsanlagen, Wasserversorgungs- und Abwassermaßnahmen, kommunale Sportanlagen und die Planung von Straßen.
Das wird in den Finanzausgleich mit hineingepackt; es wird aus der Masse mitfinanziert. Dann sagt man: Seht mal, was wir für tüchtige Kerle sind, wir geben euch eine Milliarde DM mehr! - Aber auf der anderen Seite werden 482 Millionen DM für andere Gebiete wieder abgezweigt. So sieht das in der Praxis aus.
(Dr. Waffenschmidt ({5})
Der springende Punkt gerade bei den Finanzhilfen des Bundes, die sich meistens als Investitionsprogramme darstellen, wird 'aber in der Antwort der
Regierung überhaupt nicht erwähnt. Er besteht darin, daß diese Zuweisungen in unregelmäßigen Fristen beschlossen werden und sich ihre Zielsetzung ständig ändert. Die Schwerpunkte dieser Programme ändern sich bei jeder Neuauflage, so daß auch jedesmal wieder andere Planungsvorhaben der Gemeinde eingereicht werden müssen. Das, was wir beim letzten Investitionsprogramm an Anträgen bringen konnten, ist bei diesem neuen Investitionsprogramm schon gar nicht mehr möglich, weil nämlich die Schwerpunkte wiederum verändert worden sind. Das bedeutet, daß eine Reihe von Vorhaben, die nach einem zurückliegenden Investitionsprogramm hätten gefördert werden können, bei einer Neuauflage nicht mehr zum Zuge kommen.
Bei der Beantwortung der Großen Anfrage hat sich niemand Gedanken darüber gemacht, welche ungeheuren Kosten den Gemeinden dadurch entstehen, daß sie jeweils für diese Investitionsprogramme eine Reihe baureifer Planungen fertigmachen und nachweisen müssen, obwohl sie wissen, daß der größte Teil dieser Aufwendungen überhaupt nicht honoriert wird, weil nämlich aus den Investitionsprogrammen die Finanzierung nicht gesichert ist.
Es wäre wirklich interessant gewesen, einmal etwas über die Höhe der aus dieser unglücklichen Regelung entstehenden Kosten zu erfahren. Ich glaube, es ist nicht zu weit gegangen, wenn ich hier behaupte, daß es sich bei diesen Kosten um einen bislang noch gar nicht erkannten Bereich der Verschwendung öffentlicher Gelder handelt. Auch dies ist ein Grund für die Verunsicherung der Gemeinden im Hinblick auf ihre Investitionsbereitschaft.
Es mutet etwas merkwürdig an, wenn der Bundeskanzler die Gemeinden zu erhöhter Investitionstätigkeit durch erhöhte Verschuldung auffordert. Er muß doch genau wissen, daß sowohl die erhöhte Schuldenaufnahme als auch die in der Antwort kaum erwähnte Deckung der Folgekosten von den Gemeinden nicht sicher vorherzuplanen sind, weil nämlich die Grundlage der Investitionsprogramme und die Grundlage der kommunalen Finanzausstattung sich 'alljährlich ändern und deswegen eine vernünftige langfristige Planung über mehrere Jahre hinaus überhaupt nicht erreicht werden kann. Jeder vernünftige Kaufmann und Geschäftsmann weiß, daß man nur bei einer mehrjährigen Kostengewißheit eine solide Planung und Durchführung von Investitionen ermöglichen kann, und dieser Gesichtspunkt sollte auch nach wie vor im kommunalen Bereich gelten.
({6})
Den zweiten Grund für den Rückgang der Investitionstätigkeit habe ich bereits kurz erwähnt. Es handelt sich um die Folgekosten der öffentlichen Investitionen. Schon 1975 hatte der Finanzminister von Rheinland-Pfalz, Kollege Gaddum, einen Informationsdienst herausgegeben, auf diese Problematik aufmerksam gemacht und gesagt, wieviel Prozent der Investitionskosten jährlich durch Folgekosten entstehen. Auch darauf vermissen wir eine Antwort in der Antwort der Bundesregierung.
Die Städte und Gemeinden sind sich ihrer gesamtwirtschaftlichen Mitverantwortung sehr bewußt, und
Hauser ({7})
die kommunalen Spitzenverbände haben dies gemeinschaftlich hier in Bonn noch vor wenigen Wochen unterstrichen und deutlich gemacht. Auch in der Vergangenheit haben wir in unseren Kommunen bewiesen, daß wir uns um eine zügige Umsetzung der Konjunkturprogramme von Bund und Ländern bemühen. Aber es muß hier erlaubt sein, darauf hinzuweisen, daß immer komplizierter werdende Gesetze und Vorschriften und besonders schwerfällige Antrags- und Bewilligungsverfahren die notwendige beschleunigte Auftragsvergabe erschweren. Deshalb ist es einfach sinnvoller im Wege pauschalierter Investitionszuweisungen die Kommunen besser in die Lage zu versetzen, mit Aufträgen zur Konjunkturbelebung beizutragen. Herr Bundesfinanzminister, Sie haben heute morgen gesagt, nach dem Grundgesetz sei dies nicht möglich, und Sie haben anschließend selbst zitiert, daß dies zur Belebung des wirtschaftlichen Wachstums sehr wohl möglich sei. Ich meine, man muß darüber nachdenken, ob es hier nicht Wege gibt, wobei man dann auch Schwerpunkte bilden kann, die mit den Ländern abgestimmt sind. Aber ich halte gar nichts davon, daß man hier irgendwelche Investitionsprogramme in die Welt setzt, alle möglichen Hoffnungen erweckt, erhebliche öffentliche Kosten verursacht, und hinterher ist niemand in der Lage, das nachzuvollziehen, und die Enttäuschung ist größer als vorher.
Lassen Sie mich zum Abschluß noch folgendes sagen. Es hat mich eigentlich gefreut, daß bisher alle Redner heute morgen die Schwierigkeiten der kommunalen Finanzen überhaupt nicht in Frage gestellt haben. Herr Gattermann hat gesagt: Das scheitert daran, daß wir mit der Lohnsummensteuer nicht klarkommen. Frau Traupe hat einige andere Gründe dafür genannt, weshalb wir eine vernünftige Regelung der kommunalen Finanzen nicht erreichen können.
(Zuruf des Abg. Dr. Möller [CDU/CSU]
Warum ist eine solche Debatte nicht der Aufhänger dafür, daß alle diejenigen, die in ihren kommunalen Spitzenverbänden, in ihren Kreistagen, Stadträten und Gemeindeparlamenten ständig das große Wort von der Finanzsorge der Gemeinde führen und dazu markige Beschlüsse fassen, auf diese Dinge hingewiesen werden. Diese Leute stellen auf Parteitagen Anträge, die Anteile der Gemeinden auf 18 O/o zu erhöhen. Wenn wir hier im Bundestag über dieses Thema reden, werden von den gleichen Leuten tausend Einwände gebracht, daß man jetzt und in diesem Augenblick dieser Frage nicht nähertreten könne. Es nützt uns überhaupt nichts, daß Sie in den kommunalen Spitzenverbänden mit uns gemeinsam das große Klagelied für die Gemeinden singen, wenn Sie hier, wenn es darauf ankommt, tausend Gründe finden, aus denen Sie jetzt im Moment nicht in der Lage sind, eine solche politische Entscheidung mit uns nachzuvollziehen.
({8})
Deswegen meine ich, daß diese Debatte Anlaß dafür
sein sollte, daß alle darüber nachdenken, wie man
einen gemeinsamen Weg findet, der eine Lösung
der Probleme bietet. Wir sollten uns nicht gegenseitig vorwerfen, was .wir tun oder nicht tun wollen.
({9})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Möller.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bundespräsident Scheel hat am 3. Juni des vergangenen Jahres auf dem Deutschen Landkreistag gesagt ich darf mit Ihrer Genehmigung zitieren, Frau Präsident -, „daß das Wohl des Gesamtstaates von dem Wohl der einzelnen staatlichen Untergliederungen abhängt". Er hat seinen Satz weiter fortgeführt: „Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht gesund, wenn die Gemeinden nicht gesund sind; die Bundesrepublik ist nicht gesund, wenn die Kreise nicht gesund sind." Wir können dem Herrn Bundespräsidenten für diesen klaren und richtigen Satz nur dankbar sein, denn er zeigt die große Bedeutung der Städte, Gemeinden und Kreise für die Bundesrepublik Deutschland.
Trotz aller gegenteiligen Bekundungen - auch heute in der Antwort auf die Große Anfrage - hat die Bundesregierung kein Konzept, das dieser Bedeutung der Gemeinden und Städte gerecht wird. Daß die SPD-Bundestagsfraktion dafür kein Ohr und kein Gespür hat, das haben wir heute hier schon erwähnt, das hat der Bundestagskollege Dr. Waffenschmidt bereits gesagt.
({0})
Bundeskanzler Schmidt lenkt durch seine Angriffe auf die Gemeinden und Städte von den selbstverschuldeten Schwierigkeiten der Bundespolitik ab.
({1})
Nicht die Gemeinden sind schuld an Konjunktur-
und Arbeitsplatzmisere; vielmehr hat die Bundesregierung durch verfehlte Konjunktur- und Wirtschaftspolitik, durch immer neue Aufgaben- und Ausgabenbelastungen, durch immer neue staatliche Eingriffe den Gemeinden so geschadet, daß sie ernsthaft krank geworden sind.
({2})
Sie können den Bund nicht heilen.
Die Lage der Städte, Gemeinden und Kreise, insbesondere der kommunalen Finanzen, hat sich trotz der Gemeindefinanzreform von 1969 ständig und nachhaltig verschlechtert. Das Steuerpaket 1977 belastet die Gemeinden und Kreise mit jährlich 1,7 Milliarden DM. Die neuen Steuergesetze bringen den Gemeinden weitere Einnahmeeinbußen in Milliardenhöhe. Die Personalausgaben stiegen von 13,1 Milliarden im Jahr 1969 auf 34,5 Milliarden DM im Jahre 1977. Für den Schuldendienst müssen die Kommunen 1977 11,8 Milliarden DM gegenüber 4,6 Milliarden DM im Jahre 1969 aufbringen.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kühbacher?
Bitte, wenn mir das nicht auf meine Redezeit angerechnet wird, Frau Präsident.
Herr Kollege Möller, sind Sie bereit zuzugeben, daß der Wunsch der CDU nach einem 10 %igen Steuerabschlag die Gemeinde- und Kreisfinanzen noch erheblich mehr belastet hätte, wenn der Bundestag diesem Wunsch gefolgt wäre, und haben Sie das auch in Ihrer Fraktion so deutlich gemacht, wie Sie es jetzt hier darzustellen versuchen?
({0})
Herr Kollege, wenn wir das getan hätten, was die Bundesregierung vorgeschlagen hat, nämlich die Mehrwertsteuer um 2 % anzuheben,
({0})
dann wären die Gemeinden noch mehr, mit vielen Milliarden, belastet worden.
({1})
Die Gesamtverschuldung der kommunalen Körperschaften nähert sich beängstigend der 100-Milliarden-Grenze. Sie ist von 1966 bis 1976 um 200 % gestiegen.
Wenn man diese Zahlen sieht, muß man mit Entsetzen die Worte des Kanzlers vernehmen, der die Gemeinden zu mehr und höherer Verschuldung auffordert und sich über die „Trägheit der Gemeinden" beklagt, weil sie sein sogenanntes Zukunftsinvestitionsprogramm gefährden.
Diese Suche - die Hatz - nach Sündenböcken nimmt mittlerweile neurotische Formen an. Als Ihre miserable Gesundheitspolitik scheiterte, waren die Ärzte schuld. Wenn Ihre Konjunkturprogramme nicht zünden, dann ist die Wirtschaft und dann sind neuerdings die Gemeinden schuld. Offensichtlich suchen Sozialisten immer zunächst bei anderen die Schuld, ohne vor der eigenen Tür zu kehren.
({2})
Mit oberlehrerhafter Schelte und Publikumsbeschimpfung kann man sich aber nicht aus der Verantwortung stehlen, meine Damen und Herren.
({3})
Wenn die Bundesrepublik Deutschland wieder in Ordnung gebracht werden soll, dann muß die Bundesregierung dafür sorgen, daß die Gemeinden wieder gesunden. Einen ersten Schritt könnten Sie, meine Damen und Herren von der Regierung und von der Koalition, dadurch tun,
({4})
daß Sie unseren Gesetzentwurf über die Anhebung des gemeindlichen Anteils an der Einkommensteuer unterstützen.
({5})
Ich meine auch, Frau Traupe, Sie täten gut daran, das zu wiederholen, was Sie beim Deutschen Städte-
und Gemeindebund gefordert haben.
({6})
Meine Damen und Herren, die Große Anfrage der CDU bezieht sich nicht nur auf die Lage der Städte und Gemeinden, sondern auch auf die Lage der Kreise. Deshalb lassen Sie mich noch einige Worte zu der Bedeutung und der Situation der Kreise sagen. Ich möchte auch hier an die Feststellungen des Herrn Bundespräsidenten anknüpfen, die er 1976 getroffen hat. Ich darf, Frau Präsidentin, zitieren:
Die Probleme der Landkreise sind nicht irgendwelche lokalen, provinziellen Schwierigkeiten; es sind Probleme des Gesamtstaates. Und deswegen verdienen sie auch die höchste Aufmerksamkeit der Vertreter des Gesamtstaates. Die Probleme der Landkreise sind keine Nebensache, sie sind eine Hauptsache.
Soweit das Zitat des Herrn Bundespräsidenten.
Meine Damen und Herren, die Landkreise nehmen 95 % der Fläche der Bundesrepublik Deutschland ein; etwa 65 % der Bevölkerung leben in den Landkreisen. Die Bedeutung der Kreise ist in den letzten Jahren immer größer geworden. Die Ursachen dafür liegen im Aufgabentrend. Die Sachzwänge der technischen und gesellschaftlichen Entwicklung sowie das Gebot einer gleichmäßigen Versorgung der Bevölkerung in allen Teilen des Landes führen zu einer stetigen Ausweitung der Kreisaufgaben. Ich möchte hier nur stichwortweise einiges anfügen: Umweltschutz, insbesondere Abfallbeseitigung, Strukturpolitik, Krankenhausbau und vor allem Rettungswesen, Erwachsenenbildung, weiterführende Schulen und insbesondere das Berufsschulwesen. Mit den Berufsschulen ist gerade den Kreisen ein wichtiger Teil der Ausbildung unserer Jugend übertragen worden, deren Bedeutung durch die bedrückende Jugendarbeitslosigkeit noch wächst. Überall dort, wo ein breites Berufsschulnetz entwickelt und aufgebaut worden ist, wirkt die Arbeitslosigkeit junger Menschen nicht so drückend.
Die Kreise erfüllen mit der Sozialhilfe und der Jugendhilfe darüber hinaus kraft bundesgesetzlicher Zuweisung Aufgaben von hohem staatspolitischem und gesellschaftspolitischem Rang. Aber gerade die Sozialhilfe hat den Kreisen nicht nur große Aufgaben, sondern auch große finanzielle Sorgen gebracht. Das zeigt sich in der Kostenentwicklung gerade in diesem Bereich. Wie groß das Gewicht dieser Aufgaben und der dadurch gegebenen Belastungen bei den Kreisen ist, zeigt sich in dem außer4452
ordentlich starken Anstieg der ungedeckten Ausgaben der Kreise etwa in Baden-Württemberg. Sie stiegen von 1963 bis 1976 auf rund 668 %, während die Einnahmen im Jahre 1976 nur auf rund 296 % angestiegen sind. Deshalb mußten die Kreise in Baden-Württemberg im Jahre 1976 über 61 % ihrer allgemeinen Deckungsmittel für den sozialen Zuschußbedarf bereitstellen. 1963 reichten hierfür noch etwas mehr als 27 % aus.
Meine Damen und Herren, neben den Aufgaben zur Daseinsvorsorge erfüllen die Kreise sehr wichtige Funktionen im Gesetzesvollzug. Die Antwort der Bundesregierung nimmt davon überhaupt keine Notiz, obwohl der Bund allen Anlaß hätte, gerade auch diesem Aspekt seine volle Aufmerksamkeit zuzuwenden. Bund und Länder haben den Kreisen und den kreisfreien Städten immer wieder und immer neue Aufgaben zugewiesen, offenbar weil die Kreise nach der Kreisreform ausnahmslos den erforderlichen hohen Verwaltungsstandard für den Vollzug fachlich anspruchsvoller und schwieriger Gesetze bieten. Durch sie ist bundesweit ein gleichmäßig fachkundiger und rationeller Verwaltungsvollzug garantiert. Das Verfassungsprinzip wertgleicher Lebensverhältnisse für alle Bürger in Stadt und Land ist durch die Kreise der Verwirklichung ein wenig nähergekommen.
Meine Damen und Herren, die Antwort der Bundesregierung wird dieser Bedeutung der Kreise in keiner Weise gerecht. Sie bietet keinerlei Ansatz zur Lösung der finanziellen Schwierigkeiten. Trotz der vielfältigen eigenständigen und überörtlichen Aufgaben ist die Finanzstruktur der Kreise nicht an die gewandelte Aufgabenstruktur angepaßt worden. Deshalb sollten bei den Überlegungen zur Verbesserung der Finanzausstattung und der Finanzsituation der Gemeinden die Kreise nicht vergessen werden.
Meine Damen und Herren, zum Schluß: Die Antwort der Bundesregierung auf unsere Große Anfrage hat das wahre Bild der Gemeinden, Kreise und Städte unseres Landes zu verschleiern versucht. Sie zeigt mit erschreckender Deutlichkeit, daß weder der Kanzler noch seine verantwortlichen Minister die Nöte und Sorgen der kommunalen Selbstverwaltung begriffen haben.
({7})
Kommunalpolitik ist offenbar für den Bundesfinanzminister ein Buch mit sieben Siegeln. Während der Kanzler belehrend und schimpfend durch die Lande zieht, reiht der Finanzminister Zahlen und Haushaltsstellen aneinander und meint, das sei Politik für die Kommunen.
({8})
In die Lage eines Kämmerers oder eines Kommunalpolitikers, der seinen Haushalt schon lange nicht mehr ausgleichen kann und bangt, ob er noch die Genehmigung der Aufsichtsbehörde bekommt, hat er sich nie versetzen können. Der Finanzminister wäre gut beraten, wenn er einmal bei einem Kämmerer
in die Lehre ginge. Es muß nicht gerade der Duisburger sein, meine Damen und Herren.
({9})
Wenn diese Lehre immer noch nicht ausreichen sollte, möchte ich ihm empfehlen, ein kommunalpolitisches Grundsatzseminar bei der Konrad-Adenauer-Stiftung in St. Augustin zu besuchen, um endlich das kommunalpolitische Einmaleins zu lernen. Es wäre nicht nur zu seinem Nutzen.
({10})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Zeitel.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich mich angesichts der fortgeschrittenen Zeit auf wenige Punkte konzentriere.
Von allen Seiten ist - dies festzuhalten ist wohl wichtig - der hohe Rang der kommunalen Selbstverantwortung betont worden. Kommunale Selbstverwaltung und Finanzautonomie bzw. hinreichender finanzieller Spielraum sind untrennbar miteinander verbunden.
Es ist heute vormittag ebenso unbestritten geblieben, daß das Mißverhältnis zwischen den kommunalen Einnahmen und dem Finanzbedarf nicht abgebaut worden ist, wie es der eigentliche Sinn der Finanzreform von 1969 war, sondern eher größer geworden ist. Ich hätte mir in dieser Debatte eigentlich gewünscht, daß der Finanzminister sich nicht in kleinkrämerischen Rechnereien, die einen anderen Eindruck erwecken sollen, ergangen hätte, sondern daß diese Position klarer herausgestellt worden wäre.
({0})
- Ich komme gleich noch auf seine Ausführungen und, Herr Wolfram, auch auf das schlechte Debattenniveau zu sprechen, das von diesem Finanzminister in diesem Hause nicht zum erstenmal vorgeführt wird.
({1})
Ich will anerkennen, daß wir im Laufe der letzten Jahre eine erfreuliche Steigerung der Steuereinnahmen bei den Gemeinden zu verzeichnen hatten. Es sollte hier auch festgehalten und anerkannt werden, daß sich die Gemeinden durch eine sparsame Haushaltsführung darum bemüht haben, mit der schwierigen Finanzsituation fertig zu werden, in die sie hineingedrängt worden sind.
Die Lage wäre noch viel schlimmer, wenn die Kommunaleinnahmen nicht durch Zweckzuweisungen entsprechend aufgestockt worden wären. Hier sind indessen die Perspektiven für die kommunale Finanzpolitik fragwürdig. Der Anteil der Zweckzuweisungen, der in keiner Weise verringert worden ist, ist nicht nur ein Element zunehmender AbhänDr. Zeitel
gigkeit der Kommunnen von den übergeordneten Verbänden, sondern Zweckzuweisungen werden immer mehr auch ein Instrument der Fehlorientierung der kommunalen Willensbildung. Diese orientiert sich eben primär an der möglichen Zuschußerlangung, aber nicht mehr primär an kommunalen Belangen.
({2})
Infolgedessen sollte der Finanzminister nicht so tun, als wenn die Aufrechterhaltung der Zweckzuweisungen etwa eine Konsolidierung der kommunalen Finanzen auf längere Sicht beinhaltete.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kühbacher?
Aber gerne.
Herr Professor Zeitel, stimmen Sie mir denn zu, daß, wenn wir diesen goldenen Zügel so nicht haben wollen, dann zumindest die kommunale Gewerbesteuer mit ihren verschiedenen Erhebungsformen eine selbstverständliche Garantie der gemeindlichen Autonomie auch für die Zukunft darstellt?
Nein. Darauf komme ich noch zu sprechen. Ich möchte von dieser Regierung eigentlich irgendwann und irgendwo einmal wissen, welche neuen kommunalpolitischen Perspektiven sie einbringt, die uns finanzpolitisch in den nächsten Jahrzehnten weiterführen und nicht an paläontologischen Vorstellungen klebenbleiben.
({0})
Es ist - entgegen den von allen Seiten bekundeten Absichten - seit der Finanzreform 1969 nicht gelungen, in diesem Bereich voranzuschreiten. Eher ist die finanzielle Abhängigkeit der Gemeinden verstärkt worden.
Deshalb müßten wir - ich kann nur einige Bemerkungen dazu machen - in dieser Debatte eigentlich fragen: Wie kommen wir in diesem Bereich ein Stück weiter? Eine Antwort auf diese Frage hätte ich von der Regierung und vorn Finanzminister erwartet. Ich hätte nicht erwartet, daß die Opposition bei Aussagen darüber nachhelfen muß, in welcher Richtung mögliche Zukunftsentwicklungen gehen müssen.
({1})
- Herr Wolfram, drücken Sie sich deutlich aus! Gehen Sie ans Mikrophon, damit wir uns unterhalten können. Nicht immer so dazwischenreden!
Gestatten Sie mir sodann einen Hinweis auf die Investitionssituation. Meine Damen und Herren, wenn die kommunale Finanzmisere an einem einzigen Punkt deutlich wird - diesbezüglich brauche ich gar keine Rechenkunststücke vorzuführen -, dann an der Entwicklung der Investitionsquote.
({2})
Mit diesem Kernproblem der unzulänglichen Investitionsquote setzte sich der Finanzminister gar nicht auseinander. Er führte hier vielmehr zehn Seiten Rechenkunststücke vor, die auch den einfachsten Bürger nicht informieren, sondern verwirren.
Die rückläufige Investitionsquote der Gemeinden beträgt nach dem Höhepunkt von 36 nunmehr 27 %. Im Klartext: Diese Differenz macht 9 Milliarden DM aus, die wir heute als „Investitionslücke" bei den Kommunen feststellen können. Das ist doppelt soviel wie das gesamte Regierungsprogramm für Zukunftsinvestitionen in einem Jahr. Man hat leider den Eindruck, daß wir nach einer Phase der Reformhuberei in eine Phase der Programmhuberei eingetreten sind. Statt dort voranzugehen, wo es wirklich um zentrale Fragen der Finanzpolitik geht, nämlich die Investitionsfähigkeit der Gemeinden zu stärken, werden Notprogramme am laufenden Band produziert. Davon hängt auch die Dynamik der gesamten Wirtschaftsentwicklung und Beschäftigung ab. Das ist der zentrale Zusammenhang.
({3})
Was Sie tun, ist, Krisensituationen, die Sie selbst schaffen, bewältigen, aber Sie haben keine Perspektive in der Politik, die zu einer dauernden Konsolidierung führt. Daran kranken wir doch.
Die 9 Milliarden DM fehlen den Gemeinden. Und sie fehlen nicht nur den Gemeinden, sie fehlen auch beim wirtschaftlichen Wachstum. Ohne eine zukunftweisende Infrastrukturpolitik im Bereich der Kommunen kann auch das Wachstum in der Industrie, im Gewerbe nicht vorangetrieben werden. Hier besteht nun einmal ein enger Zusammenhang. Wir hatten ihn über zwei Jahrzehnte beachtet und realisiert, als eine hohe kommunale Investitionstätigkeit mit einer hohen Investitionstätigkeit im privaten Wirtschaftsbereich einherging. Dann sind Arbeitsplätze sicher. Mit Ihrem Beitrag zur kommunalen Finanzpolitik leisten Sie, Herr Wolfram, einen Beitrag zur Arbeitslosigkeit und zu nichts anderem.
({4})
Mehrfach ist angesprochen worden - das beklagt heute zunehmend jeder Bürgermeister -, daß die Bürokratisierung im Zusammenhang mit der Programm- und Planvergabe von Ihrer Seite immer weiter ausufert. Die Kommunen werden damit genausowenig fertig wie unsere Witrschaft. Dann sollte sich der Finanzminister - er ist leider nicht da - nicht hinstellen und in diesem Zusammenhang vom Gießkannenprinzip reden. Wem fließen denn die von Ihnen inaugurierten Programme in erster Linie zu? Wollen Sie denn im Ernst behaupten, daß auf diesem Wege ein Beitrag zur Verminderung der Finanzkraftunterschiede geleistet wird? Ich rechne Ihnen vor, daß die Steuerkraftunterschiede damit erneut vergrößert und nicht abgebaut werden, wie es eigentlich erwünscht wäre. Die Vorschläge, die aus dem kommunalen Bereich mit Pauschalzuweisungen kommen, sind sehr erwägenswert und sollten nicht einfach mit einer leichten Verdrehung, zu der sie immer fähig sind, als Gießkannenprinzip abgetan werden.
({5})
Das Schlimme hier ist doch, daß Sie Wahrheit mit Unwahrheit mischen und daß für den Bürger schwer erkennbar ist, was wirklich vor sich geht. Wir drücken uns klar aus.
({6})
- Herr Wolfram, ich will Ihnen in der Frage der Zukunftsorientierung helfen.
({7})
In bezug auf die Gewerbesteuer sind sich eigentlich alle Sachkundigen einig - das will ich auf Ihre Fragen jetzt etwas ausführlicher dartun -, daß sie ein paläontologisches Fossil ist, das ins Museum gehört und in einem modernen Steuersystem keinen Platz haben sollte. Nur, welchen Beitrag haben Sie in den letzten Jahren zu diesem Fragenkreis geleistet?
({8})
Sie haben die Freibeträge ein bißchen erhöht, damit der Eindruck entsteht - und Sie in einem Programm etwas auflisten und abhaken können -, daß Sie in diesem Bereich Bedeutendes getan hätten. Das ist keine zukunftweisende Lösung; denn in der Zwischenzeit - das erklärt auch die höheren Steuereinnahmen der Kommunen -, sind die Hebesätze erheblich angehoben worden. Rund ein Fünftel der Mehreinnahmen entfällt allein auf die Anhebung der Hebesätze und auf eine Ausdehnung der Lohnsummensteuer. Glauben Sie denn im Ernst, daß Sie die Beschäftigungslage in unserem Land wieder in Ordnung bekommen, wenn diese Arbeitsplatzverhinderungssteuer noch weiter erhöht wird, weil den Kommunen nichts anderes übrigbleibt, um ihren Haushalt auszugleichen?
({9})
Auf diesem Wege werden Sie die Krise, die Sie produziert haben, verschärfen und nicht abbauen.
Infolgedessen wäre es ein erster Schritt, der weiterführt und um den Sie nicht soviel herumreden sollten, den Anteil der Kommunen im Bereich der Einkommensteuer zu erhöhen. Ich will aber hinzufügen, weil es gar keinen Zweck hat, etwa die Probleme zu verdecken: Eine zunehmende Beteiligung der Gemeinden an der Einkommensteuer ist auf die Dauer auch keine Lösung der hier anstehenden Probleme, weil die Einkommensteuer nun einmal stark konjunkturabhängig ist, weil sie in besonderem Maße Anlaß zu laufenden Revisionen in der Tarifgestaltung, in der Gestaltung von Freibeträgen und ähnlichen Abzügen gibt. Insoweit bleibt die kommunale Finanzpolitik mit einem Element der Unsicherheit behaftet.
Daher - und dies mag ein Vorschlag zur Weiterführung der Debatte sein - müßte eigentlich geprüft werden, ob die finanzielle Situation der Kommunen nicht dauerhaft durch eine Beteiligung an der Umsatzsteuer gestärkt werden kann. Ich halte das für den einzigen Weg, auf dem wir auf längere Sicht die Gewerbesteuer abbauen können. Die Gewerbesteuer würde durch eine Abgabe ersetzt werden, die einen modernen Typ darstellt und zugleich die finanziellen Bedürfnisse der Gemeinden zu befriedigen geeignet ist. Darüber hätten wir eigentlich im Detail diskutieren können. Aber dazu kommt von Ihrer Seite und vom Finanzminister überhaupt nichts, sondern billigste Polemik und ein wenig Herumreden mit Zahlenspielereien.
Die Verschuldung der Gemeinden kann natürlich nicht ausgedehnt werden, weil diese bereits seit zwei Jahrzehnten mit einer wesentlich höheren Kreditaufnahme als der Bund operieren müssen. Früher hatte der Bund nach Überschüsse. Die hohe Bundesverschuldung in den letzten Jahren vergleichsweise herauszustreichen ist wiederum ein Stück Irreführung.
({10})
Die Kommunen können sich nicht weiter verschulden, weil sie vielfach die Verschuldungsgrenze erreicht haben. Man sollte unserem Oberökonomen, dem Herrn Bundeskanzler, auch Nachhilfeunterricht geben, wenn er die Kommunen in der Situation zu mehr Verschuldung auffordert.
Die Grenzen der Verschuldung der Kommunen sind nun einmal fundamental andere als die der Länder und des Bundes. Das ist gar nicht so schwer zu erklären. Deshalb will ich es wenigstens hier deutlich machen. Die Kommunen haben zum Unterschied von Bund und Ländern keinen unmittelbar gleichartigen Zugang zum Kapitalmarkt und zur Notenbank. Sie können wegen der begrenzten Steuerautonomie nicht - wie der Bund das immer tut - die Steuerschraube dann andrehen, wenn sie in Finanzierungsschwierigkeiten sind. Deshalb ist die Grenze der Verschuldung der Gemeinden anders bestimmt. So wie die faktischen Verhältnisse liegen, ist die Mehrheit der Gemeinden an der Verschuldungsgrenze angelangt, nicht wenige, vielfach sozialdemokratisch regierte, sind über die Verschuldungsgrenze hinausgegangen.
({11})
Deshalb sollte man nicht so tun, als wenn auch da die Kommunen Unterlasser seien. Die Gemeinden haben einen hinreichenden Bedarf. Sie würden investieren. Sie würden sich auch verschulden, wenn das nur im Einklang mit ihrer dauerhaften Leistungskraft aus laufenden Einnahmen stünde. Die stimmt nicht mehr. Das sollte hier in einer solchen Debatte ausgesprochen werden. Wir müßten die Kommunen auch an der Umsatzsteuer beteiligen, weil es sich um eine Abgabe handelt, die dem Wachstum und der allgemeinen Entwicklung des Finanzbedarfs der Kommunen besser folgt als die Einkommensteuer.
Das wollte ich Ihnen auch noch sagen, weil Sie immer behaupten, wir hätten keine Alternative, wir seien nicht konstruktiv. Diese Märchen und diese Strickschablonen sollten Sie nicht immer wieder auftischen.
({12})
Sie bekommen von uns immer Vorschläge, die Sie nicht fähig sind zu erbringen. Das wollte ich hier einmal deutlich machen. Es ist auch im Bereich der kommunalen Finanzpolitik überfällig, aus der
pragmatisch angelegten Kurzatmigkeit Ihrer Politik herauszukommen und zu einer. Perspektive zu gelangen, die den Kommunen finanzpolitisch eine Entwicklungschance auf zwei Jahrzehnte bietet. Sie sind unfähig, eine solche Perspektive zu liefern; Sie machen pragmatische Wurstelei.
({13})
Meine Damen und Herren, wir treten jetzt in die Mittagspause ein. Wir setzen die Sitzung um 14 Uhr mit der Fragestunde fort.
({0})
Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
- Drucksache 8/1200 Wir kommen zuerst zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Zu den Fragen 43, 44 und 45 bitten die Fragesteller, die Abgeordneten Dr. Jobst und Gerstein um schriftliche Beantwortung. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 46 des Abgeordneten Hasinger auf :
Gedenkt die Bundesregierung, eine Gesetzesinitiative zu ergreifen, die klarstellt, daß auch die Hersteller von Typen- und Fertighäusern einer Erlaubnis als Bauträger ({0}) bedürfen, wenn sie Bauvorhaben vorbereiten oder durchführen und dabei Vermögenswerte der Auftraggeber verwenden?
Zur Beantwortung der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft.
Grüner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft: Die Bundesregierung hat nicht die Absicht, Herr Kollege, eine Initiative zur Änderung des § 34 c Gewerbeordnung - das sogenannte Maklergesetz - zu ergreifen, da diese Vorschrift eine rechtlich einwandfreie Einordnung der Hersteller von Typen- und Fertighäusern ermöglicht. Nach § 34 c Gewerbeordnung bedarf u. a. derjenige einer Erlaubnis, der als Bauherr in eigenem Namen für eigene oder fremde Rechnung Bauvorhaben vorbereiten oder durchführen und dazu Vermögensweite, u. a. vom Erwerber, verwenden will. Bauherr im Sinne dieser Bestimmung ist der Herr des gesamten Baugeschehens. Er übt, einen bestimmenden Einfluß auf dessen Planung und Ablauf aus, ist Vertragspartner der Bauhandwerker und der Verantwortliche für das gesamte Baugeschehen, insbesondere auch gegenüber der Bauaufsichtsbehörde. Er ist in der Regel auch der Eigentümer des Grundstücks.
Die Hersteller von Typen- und Fertighäusern dürften diese Voraussetzungen, sofern sie die Häuser auf dem Grundstück ihres Vertragspartners errichten, nur in den seltensten Fällen erfüllen. Sie stehen im allgemeinen den Bauhandwerkern gleich, die auch keine Bauherren sind, wobei sie sich von
ihnen nur dadurch unterscheiden, daß sie nicht nur eine Bauleistung, sondern eine Vielzahl oder alle erbringen. Diese Personen bedürfen daher, auch wenn sie Abschlagzahlungen entgegennehmen, keiner Erlaubnis nach § 34c Gewerbeordnung; ihre Kunden sind insoweit nicht schutzbedürftig.
Anders ist die Rechtslage nur, wenn ein Hersteller von Typen- oder Fertighäusern beabsichtigt, auf zumeist ihm gehörenden Grundstücken derartige Häuser zu errichten, auf die Planung und den Ablauf des Bauvorhabens bestimmenden Einfluß ausübt, als Bauherr gegenüber dem Bauamt auftritt und nunmehr für die Grundstücke und Häuser Käufer sucht, die ihm dem Baufortschritt entsprechende Abschlagzahlungen leisten sollen. Dem ist es gleichzustellen, wenn ein Bauträger unter denselben Bedingungen Typen- oder Fertighäuser errichtet oder verkauft. Diese Gewerbetreibenden unterliegen § 34 c der Gewerbeordnung und damit auch den dazu ergangenen Vorschriften der Makler- und Bauträgerverordnung, die der Sicherung der Vermögenswerte der Kunden dienen. Beide Fallgruppen sind zufriedenstellend geregelt. Es bedarf daher keiner Änderung des § 34 c der Gewerbeordnung.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Hasinger.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, würden Sie diese Auffassung auch unter Berücksichtigung der Tatsache aufrechterhalten, daß in der Kommentarliteratur zu § 34 c der Gewerbeordnung pauschal die Lieferanten von Fertighäusern ausgenommen werden - also ohne die Differenzierung, die Sie in Ihrer Antwort vorgenommen haben?
Ich kann mich mit derartigen Kommentarstellen mangels Beschäftigung mit ihnen nicht auseinandersetzen, sondern berufe mich auf die hier dargelegte Rechtslage, die zweifelsfrei ist.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hasinger.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, würden Sie nicht doch eine Lücke in der Schutzgesetzgebung des Maklergesetzes und der Makler- und Bauträgerverordnung sehen, wenn die Hersteller und Erwerber von Fertighäusern in dieser Weise aus der Schutzgesetzgebung ausgenommen werden, insbesondere im Hinblick darauf, daß in dieser Schutzgesetzgebung ganz bestimmte Sicherstellungsvorschriften für die Entgegennahme von Anzahlungen vorgesehen sind?
Ich habe dargelegt, daß die Fertighaushersteller bei einem Verhalten, das dem normalen Verhalten von Bauträgern entspricht, ebenfalls von § 34 c der Gewerbeordnung erfaßt werden. Das heißt, bei gleichem Verhalten, bei gleichen wirtschaftlichen Tatbeständen gibt es für Fertighaushersteller keinen Unterschied gegen4456
über anderen Bauherren. Insofern sehe ich in dieser gesetzlichen Bestimmung keine Lücke.
Wir kommen zur Frage 47 des Abgeordneten Becker ({0}) :
Hält die Bundesregierung die genehmigten Standorte für Kohlekraftwerke in Ibbenbüren und Bergkamen im Rahmen der zukünftigen Energieversorgung für notwendig, und wie unterstützt sie diese Planungen?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.
Herr Kollege, wie Sie aus meinem Brief vom 12. August 1977 wissen, bin auch ich der Meinung, daß der Bau eines Kohlekraftwerks in Ibbenbüren für den dortigen Raum nicht nur regionalwirtschaftliche und arbeitsmarktpolitische Impulse auslösen wird, sondern längerfristig auch in Teilbereichen zu einer gewissen Entspannung der künftigen Energieversorgung beitragen könnte. Dies gilt letztlich für alle geplanten und genehmigten Kohlekraftwerke, so auch für das Projekt Bergkamen.
In meinem Schreiben habe ich darauf hingewiesen, daß in der inzwischen vom Bundestag verabschiedeten Novelle zum Dritten Verstromungsgesetz Sondermaßnahmen im Hinblick auf bestimmte Kostennachteile der Ibbenbüren-Kohle beim Kraftwerkseinsatz vorgesehen sind. So kann u. a. für den Bau eines speziellen Kraftwerkes für den Einsatz niederflüchtiger Kohle ein Sonderzuschuß bis zur Höhe der zusätzlichen Investitionskosten gegeben werden.
Nach hier vorliegenden Informationen hat das in Frage kommende EVU, die Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke, auf der Ibbenbüren-Konferenz bei Herrn Minister Riemer die prinzipielle Bereitschaft erklärt, den Strom aus einem neuen Ibbenbüren-Block abzunehmen, wobei über noch offene technisch-wirtschaftliche Fragen weitere Fortschritte erzielt werden konnten.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Becker.
Herr Staatssekretär, teilen Sie die Auffassung der Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke, daß der Kohlestrom aus Ibbenbüren erst im Jahre 1986 für die Energieversorgung benötigt werde?
Da der Zuwachs des Strombedarfs während der letzten Jahre hinter den langfristigen Erwartungen zurückgeblieben ist, besteht derzeit auch im Mittellastbereich ein Leistungsüberhang, der erst in einigen Jahren abgebaut sein wird. Das RWE hat im Rahmen des 6 000-
MW-Zubauprogramms schon Stromabnahmeverpflichtungen für eine Steinkohle-Zubauleistung von rund 2 800 MW übernommen. Darüber hinaus ist die Elektrizitätswirtschaft nach eigenen Angaben in der Lage, die eingegangenen Abnahmeverpflichtungen, im Durchschnitt der nächsten zehn Jahre jährlich 33 Millionen Tonnen Steinkohle zu verstromen, mit den bestehenden, den im Bau befindlichen und den geplanten Kraftwerken zu erfüllen. Unter diesen Gesichtspunkten erscheint die Aussage des RWE, daß für den neuen Ibbenbüren-Block ein Leistungsbedarf im Mittellastbereich erst Mitte der 80er Jahre besteht, plausibel.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Becker.
Herr Staatssekretär, da die Eisenbahnstrecke Rheine-Emden elektrifiziert wird, frage ich Sie: Wäre es möglich, bei dieser Elektrifizierung auf eine 110-KV-Zuleitung aus dem Raum Haltern in dieses Gebiet zu verzichten und auch für dieses Projekt Kohlestrom aus Ibbenbüren zu verwenden?
Nach meinen Informationen sind die Planungen für die Bahnstromversorgung mit einem Vorlauf von fünf bis acht Jahren versehen. Demzufolge beinhaltet die derzeit installierte Bahnstromleitung bereits den Bedarf für die neu elektrifizierte Strecke Rheine-Norddeich. Außerdem überlagern sich die langfristigen Planungen der Deutschen Bundesbahn derzeit mit einem Rückgang in der Verkehrsentwicklung. Der neue Block Ibbenbüren kann daher zur Abdeckung eines Strombedarfs für die Strecke Rheine-Norddeich nicht herangezogen werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneten Rawe.
Herr Staatssekretär, beurteilen Sie den Sachverhalt nicht doch etwas anders, wenn Sie bedenken, daß in der Zwischenzeit auf Grund von Gerichtsurteilen Kohlekraftwerke nicht fertiggestellt werden können, und wird deswegen der Strom im Mittellastbereich nicht vielleicht doch früher gebraucht, als es uns von den RWE zum besten gegeben wird?
Herr Kollege, alle Prognosen hinsichtlich des Strombedarfs sind natürlich auch entscheidend vom weiteren wirtschaftlichen Wachstum abhängig. Hier sind sicher Unsicherheitsfaktoren gegeben. Aber unter den derzeit erkennbaren Bedingungen ist die Aussage des RWE auch nach Meinung unabhängiger Sachverständiger durchaus plausibel. Es bleibt allerdings bei den Bemühungen aller Beteiligten, trotzdem einen vorzeitigen Bau des Kohlekraftwerks Ibbenbüren zu ermöglichen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Rawe.
Herr Staatssekretär, wann rechnen Sie mit der Möglichkeit eines solchen vorzeitigen Baus? Ich frage das deshalb, weil Ihnen sicherlich bekannt ist, daß die jetzt für den Standort erteilte Baugenehmigung nur bis zum Jahre 1978 gilt. Besteht für uns nicht die große Gefahr, daß sie verfällt und daß dann in einem neuen Verfahren weRawe
sentlich mehr Schwierigkeiten auftreten könnten, die wir vermeiden sollten?
Es ist so, daß sich alle Beteiligten intensiv um eine Lösung der mit dem vorzeitigen Bau verbundenen Probleme bemühen. Ich bin durchaus hoffnungsvoll, daß eine solche Einigung in Kürze erzielt wird. Ich kann allerdings, da ich nicht Verhandlungsbeteiligter bin, darüber hinausgehende Aussagen nicht machen.
Herr Abgeordneter Rawe, ich habe Ihnen - abweichend von der Übung - eine zweite Zusatzfrage bewilligt. Ich werde das auf Wunsch selbstverständlich auch gegenüber der anderen Seite des Hauses tun.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Simonis.
Herr Staatssekretär, sind Sie in der Lage, die arbeitsmarktpolitischen Auswirkungen bei der Realisierung der beiden genannten Kohlekraftwerke in etwa zu quantifizieren?
Ich bin dazu im Augenblick leider nicht in der Lage, werde das aber schriftlich gern nachholen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wolfram.
Herr Staatssekretär, wird sich Ihr Haus dafür einsetzen, daß möglichst 1978 mit dem Bau der beiden Kraftwerke begonnen wird und daß der dort dann nach Fertigstellung zù erzeugende Strom möglichst schnell in das Versorgungsnetz eingespeist wird?
Das ist, soweit wir an den Verhandlungen beteiligt sind, das Ziel unserer Bemühungen. Es war ja insbesondere auch das Ziel der Bemühungen des Hauses, im Verstromungsgesetz eine entsprechende Grundlage für diese Zielsetzung zu erarbeiten.
Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt.
Ich rufe jetzt die Frage 48 des Abgeordneten Becker auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, den Baubeginn für die Kohlekraftwerke noch im Jahr 1977 oder Anfang 1978 zu realisieren?
Die Vorarbeiten für den Bau des Kraftwerkes Bergkamen - u. a. Straßen und Baustelleneinrichtungen - sind in Angriff genommen worden, so daß mit der Errichtung nach Beendigung der Winterperiode im Frühjahr 1978 begonnen werden kann.
Nach Aussage des RWE wird die Kraftwerksleistung des Ibbenbüren-Blocks erst Mitte der 80er Jahre benötigt, so daß bei einer Bauzeit von vier Jahren ein Baubeginn um die Jahreswende 1977/78
um einige Jahre zu früh erfolgt, was entsprechende Mehrkosten verursachen würde. Die an der Ibbenbüren-Konferenz Beteiligten sind bemüht, entsprechende Lösungsvorschläge für einen früheren Baubeginn zu finden. Ich habe in den Antworten auf die Zusatzfragen darauf schon hingewiesen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgegeordneter Rawe.
Herr Staatssekretär, sehen Sie Möglichkeiten auch darin, daß die Bundesregierung bzw. die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen mit weiteren Finanzierungshilfen nachkommt, damit man tatsächlich einen möglichst frühzeitigen Baubeginn erreicht?
Es ist so, daß über diese Frage zwischen dem Betreiber, dem Abnehmer und dem Land Nordrhein-Westfalen verhandelt wird.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wolfram.
Herr Staatssekretär, können Sie uns sagen, wie viele Kohlekraftwerke - außer den beiden genannten - in der Bundesrepublik zur Zeit in Planung sind und wann das seit Jahren angekündigte 6 000-MW-Neubauprogramm realisiert wird?
Ich werde Ihnen darüber gern eine schriftliche Aufstellung zuleiten.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Simonis.
Herr Staatssekretär, könnten Sie jetzt vielleicht sozusagen aus der Hand heraus sagen, wie groß in etwa die Nachfrage sein wird, die bei rechtzeitigem Baubeginn - 1977 oder auch 1978 - zusätzlich auf den Markt kommen würde?
Dazu bin ich leider nicht in der Lage, Frau Kollegin.
Jetzt möchte ich gerne von dem vom Präsidenten in Aussicht gestellten Recht Gebrauch machen, eine zweite Zusatzfrage zu stellen. Wären Sie in der Lage, dies schriftlich zu beantworten.
Ja, natürlich.
Die Frage 49 wird auf Wunsch der Fragestellerin, der Abgeordneten Frau Dr. Däubler-Gmelin, schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe dann die Frage 50 des Abgeordneten Walther auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß in einer sogenannten Ausschließlichkeitszone längs der Grenze zur DDR
Präsident Carstens
die Brennstoffhändler dazu verpflichtet werden, auf Grund einer Vereinbarung zwischen der Rheinischen BraunkohlenbrikettVerkauf-GmbH und der staatlichen Braunkohlen-Handelsgesellschaft der DDR nur noch Braunkohle aus der DDR anzubieten?
Ich würde gern beide Fragen, Herr Präsident, im Zusammenhang beantworten.
Ist der Fragesteller einverstanden? - Ich rufe dann auch die Frage 51 des Abgeordneten Walther auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß derartige Bezugsverpflichtungen für den Braunkohleneinzelhandel, ausgesprochen durch die Rheinische Braunkohlenbrikett-Verkauf-GmbH, den Vorwurf des monopolistischen Marktmißbrauchs durch diese Firma rechtfertigen?
Die Braunkohlenbrikettbezüge aus der DDR bilden einen nicht unbedeutenden Bestandteil des innerdeutschen Handels. Bereits seit 1950 liegen der Bezug und der Vertrieb der sogenannten Rekord-Briketts mit Billigung des Bundeswirtschaftsministeriums allein bei der Rheinischen Braunkohlenbrikett-Verkauf GmbH. Diese Firma schließt über die Rekord-Brikett-Lieferungen Verträge mit dem DDR-Vertragspartner ab, der staatlichen Bergbau-Handel GmbH. Nur durch dieses Verfahren ist gewährleistet, daß der Absatz von Rekord-Briketts in Abstimmung mit der heimischen Produktion erfolgt und die für den innerdeutschen Handel wichtige Position nicht verlorengeht. Daher ist der Vorwurf des monopolistischen Marktmißbrauchs nicht gerechtfertigt.
Im einzelnen: In den Verträgen zwischen Bergbau-Handel GmbH und RBV - der zur Zeit gültige Vertrag läuft von 1976 bis 1980 - mußte der RBV garantierte Abnahmemengen und frachtgünstigste Auslieferung zusagen. Bis Mitte 1976 wurden die Rekord-Briketts in den vor der Teilung Deutschlands im heutigen Bundesgebiet liegenden traditionellen Einzugsgebieten abgesetzt. In diesen Gebieten ist 1976 ein nicht eindeutig erklärbarer Nachfragerückgang eingetreten, der über dem Absatzverlust des allgemeinen Festbrennstoffmarktes liegt. Um einen weiteren Rückgang des Absatzes von Rekord-Briketts zu vermeiden, sah sich der RBV veranlaßt, das bisherige Absatzgebiet für Rekord-Briketts auf weitere an der Grenze zur DDR liegende Gebiete auszuweiten. Dieses Vorgehen ist bei einem Teil des betroffenen Handels auf Widerstand gestoßen. RBV und Handel haben sich nach meiner Unterrichtung jedoch in den letzten Wochen darüber geeinigt, daß zunächst bis zum 31. Dezember dieses Jahres die vorrangige Belieferung mit Rekord-Briketts in den genannten Gebieten durchgeführt wird.
Die Bundesregierung hofft, daß auf Grund der zunächst praktizierten Regelung auch nach dem 31. Dezember dieses Jahres ein Arrangement gefunden wird, das beiden Seiten gerecht wird, vor allem aber weiterhin die reibungslose und volle Versorgung der Verbraucher gewährleistet.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Walther.
Herr Staatssekretär, Sie haben meine Frage nach einem möglichen monopolistischen Marktmißbrauch verneint. Können Sie diese Verneinung aufrechterhalten, wenn die genannte Firma ihre Kohlenhändler zwingt, nur solche Kohle und nicht andere zu verkaufen? Ich möchte auch fragen, ob Sie dies aus ordnungspolitischen Gründen für richtig halten?
Herr Kollege, aus ordnungspolitischen Gründen sind natürlich die Beziehungen, die wir zwischen der Bundesrepublik Deutschland und etwa der DDR haben, unter vielen Gesichtspunkten, wenn wir unser marktwirtschaftliches System zugrunde legen, mit einem Fragezeichen zu beurteilen. Ich habe versucht, die politischen Gründe und die Gründe, die den innerdeutschen Handel berühren, darzulegen, die zu dieser Vereinbarung geführt haben und die damit natürlich auch zwangsläufig zu der Notwendigkeit führen, den Absatz dieser aus der DDR bezogenen Braunkohlenbriketts auf unserem Gebiet sicherzustellen, was mindestens in der Vergangenheit auch sehr stark im Interesse der Verbraucher der Briketts bei uns gelegen hat, was aber sicher im Einzelfall mit Friktionen verbunden sein kann, wie sie gerade hier in der Beziehung zwischen Handel und dem Lieferanten der Briketts aufgetreten sind.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Walther.
Herr Staatssekretär, könnten Sie sich nicht vorstellen, daß eine marktgerechte Lösung gefunden werden könnte, daß also beispielsweise die Rheinbraun solche Kohle billiger anbietet? Dann wäre ja auch ein erhöhter Anreiz dafür vorhanden, solche Kohle abzunehmen und weiterzuverkaufen.
Es lassen sich durchaus solche Regelungen vorstellen. Das würde eine Aufkündigung der vertraglichen Beziehungen mit der DDR in diesem Punkte voraussetzen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Walther.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß in dem Vertrag, von dem Sie reden, auch die Weiterverkaufspreise in der Bundesrepublik geregelt worden sind?
Das ist insofern richtig: Auf unserer Seite bestand ein Interesse daran, die Lieferungen der DDR auf den alleinigen Hersteller von Braunkohlenbriketts in der Bundesrepublik zu konzentrieren, um größere Preisunterschiede in verschiedenen Absatzkanälen zu vermeiden.
Eine letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Walther.
Herr Staatssekretär, in der Nähe des Zonenrandgebiets, im nordhessischen Borken, muß demnächst ein Braunkohlenkraftwerk stillgelegt werden, weil die Braunkohle dort ausgegangen ist. Besteht nicht die Möglichkeit, daß die Rheinbraun dort ihre Braunkohle verkauft? Dann wäre nämlich der Absatz langfristig gesichert.
Es ist sicher denkbar, ohne daß ich hier abschließend Stellung nehmen möchte. Auf langjährige vereinbarte Bezüge von Braunkohlenbriketts aus der DDR oder anderen Ländern bei uns zu verzichten hätte natürlich Konsequenzen z. B. für den innerdeutschen Handel, weil die Möglichkeit seiner Ausweitung auf diese Art und Weise beschränkt würde.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Die Fragen 52 und 53 sind vom Fragesteller zurückgezogen.
Ich rufe die Frage 103 des Herrn Abgeordneten Wolfram ({0}) auf:
Sind die Anträge für den Kraftwerkbau trotz der Investitionshilfen des Bundes so zurückgegangen, daß die BBC Mannheim 400 Arbeitnehmer mit der Begründung fehlender Aufträge entlassen mußte und auch für Mitte 1978 mit einer Verschärfung der Beschäftigungslage rechnen muß, und wenn ja, was wird die Bundesregierung tun, um den Kraftwerkbau voranzutreiben?
Die Firma BBC Mannheim hat Presseberichte bestätigt, daß sich als Folge des Auftragsmangels im Kraftwerkbau die Entlassung von 290 Beschäftigten im Geschäftsbereich Großmaschinenbau und von 110 Beschäftigten im Geschäftsbereich Kraftwerke abzeichne. Sie weist ferner darauf hin, daß ab der zweiten Hälfte des Jahres 1978 die Entlassung weiterer 160 Beschäftigten im Planungs- und Projektierungsbereich sowie Kurzarbeit für ca. 3 300 Personen nicht auszuschließen seien, wenn nicht in Kürze Aufträge für mindestens ein Kernkraftwerk und ein Kohlekraftwerk hereingenommen werden könnten.
Generell ist festzustellen, daß sowohl die derzeit geringen Zuwachsraten des Stromverbrauchs und damit der geringere Anstieg des Kraftwerksleistungsbedarfs als auch einige gerichtlich verfügte Baustopps auf die Auftragslage zurückwirken. Zur Lösung des Zielkonflikts zwischen Umweltschutzanforderungen und energiepolitischen Notwendigkeiten und damit zur Beseitigung der Unsicherheit bei der Planung von Steinkohlenkraftwerken hat die Bundesregierung am 11. November 1977 beschlossen, die höchstzulässigen Schadstoffbelastungen der Luft, die bisher lediglich in einer Anweisung an die Genehmigungsbehörden festgelegt sind, entweder durch eine gesetzliche Vermutungsklausel oder durch ihre Übernahme in entsprechende alternative Vorschläge werden bis Ende März 1978 erarbeitet und nach Entscheidung durch das Kabinett dem Bundestag zugeleitet.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wolfram.
Herr Staatssekretär, welche personellen Auswirkungen hat die jüngste Auftragserteilung des Iran für den Bau von vier Kernkraftwerken?
Mir liegen darüber keine Zahlen vor. Ich werde mich aber darum bemühen.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wolfram.
Herr Staatssekretär, wie wird sich der Bau eines Kohlekraftwerks an Stelle eines Kernkraftwerks beschäftigungspolitisch auswirken?
Hier sehe ich keinen gravierenden beschäftigungspolitischen Unterschied.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich danke dem Herrn Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen aus seinem Geschäftsbereich.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf. Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Gallus zur Verfügung.
Zunächst rufe ich die Frage 56 des Herrn Abgeordneten Spöri auf:
Treffen Pressemitteilungen zu, wonach das Bundesernährungsministerium die Buchführungsgewinne von 6 223 Testbetrieben den Durchschnittsatzgewinnen gegenübergestellt hat, die sich bei Anwendung des § 13 a EStG ergeben, und welche steuerpolitischen Konsequenzen sind hieraus für die Bundesregierung denkbar?
Herr Kollege Dr. Spöri, im Agrarbericht der Bundesregierung wird die Lage der Landwirtschaft nach dem Landwirtschaftsgesetz auf Grund von Buchführungsergebnissen ausgewiesen, die nach den Grundsätzen der Betriebswirtschaft zusammengestellt werden. Von diesen betriebswirtschaftlichen Ergebnissen können die steuerlichen Gewinne, die der Bundesregierung nicht bekannt sind, abweichen. Zur näherungsweisen Ableitung der steuerlichen Gewinne aus den betriebswirtschaftlichen Ergebnissen, die mehrfach in der Literatur und auch in meinem Haus versucht worden ist, bedarf es deshalb einer Reihe von Annahmen und Schätzungen. Alle Schätzungen kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Daraus muß der Schluß gezogen werden, daß es kein Verfahren gibt, das eine gesicherte Erkenntnis über einen globalen Vergleich zwischen Buchführungsgewinn und steuerlichem Gewinn nach § 13 a EStG vermittelt.
Die Bundesregierung hat eine Kommission von acht unabhängigen Wissenschaftlern mit einer Untersuchung über die Besteuerung der Landwirtschaft beauftragt. Es ist zu erwarten, daß das Ergebnis in Kürze vorliegt. Die Bundesregierung wird sodann entscheiden, ob und gegebenenfalls welche steuerlichen Konsequenzen daraus zu ziehen sind.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Spöri.
Herr Staatssekretär, liegt Ihnen auf der gegenwärtigen Untersuchungsstufe schon ein Bild darüber vor, in ungefähr wieviel Fällen die Gewinnermittlung nach der Buchführung von der Gewinnermittlung nach § 13 a EStG nach oben abweicht?
Nein, bis jetzt nicht. Wir müssen das Gutachten der Herren Professoren abwarten.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Spöri.
Herr Staatssekretär, Sie haben im März dieses Jahres in der Fragestunde angekündigt, daß der Bericht der von Ihnen zitierten entsprechenden Expertenkommission im Herbst dieses Jahres vorliegen werde. Welche Gründe haben dazu geführt, daß die Vorlage dieses Berichts verzögert worden ist?
Herr Kollege, es handelt sich um eine freie und unabhängige Kommission von Professoren, die wir nicht dahin gehend unter Druck setzen können, wann sie den Bericht abliefert. Die Materie ist nicht einfach, so daß sich die Ablieferung dieses Gutachtens um einige Monate verzögert. Ich gehe davon aus, daß der Bericht im Januar oder Februar vorgelegt werden wird.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Meine Damen und Herren, dann rufe ich die Frage 57 des Herrn Abgeordneten Dr. Spöri auf:
Hat der Bundesernährungsminister Anhaltspunkte dafür, daß die im Fünften Subventionsbericht für 1976 mit 750 Millionen DM ausgewiesene, auf der Subventionswirkung des § 13 a EStG beruhende Steuermindereinnahme zu niedrig angesetzt ist, und wird die Bundesregierung in dem nächsten Subventionsbericht gegebenenfalls eine entsprechend nach oben korrigierte Schätzung dieser Mindereinnahmen vornehmen?
Herr Kollege, das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat keine auf gesicherten Erkenntnismethoden basierenden Anhaltspunkte dafür, daß die im Fünften Subventionsbericht ausgewiesenen, auf § 13 a EStG beruhenden Steuermindereinnahmen zu niedrig angesetzt sind. Exakte statistische Unterlagen, die solche Anhaltspunkte stützen könnten, liegen nicht vor. Modellrechnungen, die auf zahlreichen Annahmen, Unterstellungen und Schätzungen beruhen, bleiben dabei außer Betracht.
Der als Regierungsentwurf vorliegende Sechste Subventionsbericht verzichtet auf eine Quantifizierung der mit § 13 a EStG verbundenen Steuermindereinnahmen, um dem Ergebnis der Gutachterkommission nicht vorzugreifen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Spöri.
Herr Staatssekretär, ist die Gewinnermittlung nach § 13 a des Einkommensteuergesetzes, also die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen, eine Methode, die primär auf das Ziel der Verwaltungsvereinfachung ausgerichtet ist, oder ist sie primär auf das Ziel der Subventionierung von landwirtschaftlichen Betrieben ausgerichtet?
Herr Kollege, die Durchschnittsbesteuerung der Landwirtschaft nach § 13 a des Einkommensteuergesetzes dient nach meiner Auffassung beiden Zielen: 1. der Verwaltungsvereinfachung für die Dienststellen der. Finanzverwaltung bei vielen kleinen und mittleren landwirtschaftlichen Betrieben; 2. trägt § 13 a auch dem Landwirtschaftsgesetz des Jahres 1955 insofern Rechnung, als die Bundesregierung auch mit den Mitteln der Steuerpolitik die Nachteile der Landwirtschaft gegenüber den anderen Wirtschaftsbereichen auszugleichen bestrebt ist.
Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Simonis.
Herr Staatssekretär, treffen Berichte zu, daß die in der Frage des Herrn Abgeordneten Spöri genannte Zahl von 750 Millionen DM eigentlich 2 Milliarden DM heißen müßte?
Frau Kollegin, ich habe in meiner Antwort darauf hingewiesen, daß Modellrechnungen, die auf zahlreichen Annahmen, Unterstellungen und Schätzungen beruhen, bei unserer Berechnung außer Betracht bleiben. Unsere Berechnungen im Subventionsbericht belaufen sich auf 750 Millionen DM. In der Presse sind - auch von Wissenschaftlern - andere Zahlen genannt worden, die mir sehr wohl bekannt-sind.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Oostergetelo.
Herr Staatssekretär, Sie haben mit Recht darauf hingewiesen, daß gemäß dem Landwirtschaftsgesetz auch die Steuerpolitik als ein Mittel der Einkommenspolitik anzusehen ist. Gehe ich recht in der Annahme, daß es, wenn man dem folgt, zwingend notwendig ist, daß wir zu einer einigermaßen gerechteren Besteuerung kommen und die Kommission eingesetzt wurde, um dies zu ermitteln?
Herr Kollege, dies ist die Auffassung der Bundesregierung.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ey, bitte schön.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung mit mir der Meinung, daß das GDL-
Besteuerungsverfahren für die Landwirtschaft in keinerlei Zusammenhang mit irgendeinem Verfahren der Subventionspolitik steht?
Ich glaube, so kann man das nicht sagen. Diese 750 Millionen DM, die im Subventionsbericht ausgewiesen sind, sind eine vom Gesetzgeber gewollte steuerliche Vergünstigung für die Landwirtschaft. Dafür gibt es eine gesetzliche Grundlage. Man kann die Subventionierung über die Steuer in bezug auf die Landwirtschaft nicht leugnen.
({0})
Keine weitere Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 58 des Abgeordneten Ey auf:
Hält die Bundesregierung die Vorratshaltung an Lebensmitteln im bisherigen Umfang für erforderlich, oder sind im Rahmen der Brüsseler Beschlüsse Veränderungen geplant?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.
Herr Präsident, gestatten Sie, daß ich die Fragen 58 und 59 gemeinsam beantworte?
Wenn der Fragesteller einverstanden ist. - Er ist einverstanden. Daher rufe ich auch die Frage 59 des Abgeordneten Ey auf:
Ist die Bundesregierung mit mir der Meinung, daß die Bedarfsbeurteilung der Lebensmittelbevorratung für die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland unter besonderen Aspekten der Sicherheit innerhalb der Europäischen Gemeinschaft zu sehen ist, und wenn ja, welche Folgerungen zieht sie daraus?
Herr Kollege Ey, wie im Gemeinsamen Ausschuß des Deutschen Bundestages schon mehrfach ausgeführt worden ist, hält die Bundesregierung die laufende Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln auch im Falle einer Krise für ausreichend gesichert. Zum Zwecke der Sicherung der Versorgung ist deshalb eine zusätzliche Vorratshaltung an Lebensmitteln im Rahmen der EG-Agrarpolitik nicht erforderlich. Unabhängig davon ist die Frage der Sicherstellung der Versorgung für besondere Lagen zu sehen, die innerhalb einer Krisensituation, etwa durch eine zeitweilige Unterbrechung der üblichen Versorgungskanäle, vorstellbar sein können.
Etwaige notwendige Vorsorgemaßnahmen für solche außergewöhnliche Notstandslagen zu treffen ist nicht Aufgabe der Gemeinsamen Agrarpolitik, sondern der allgemeinen Sicherheitspolitik, da sich die Anlegung und Lagerung solcher Vorräte nicht nach marktwirtschaftlichen, sondern nach verteidigungspolitischen Gesichtspunkten zu richten haben.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ey.
Herr Staatssekretär, sind Sie in der Lage, die Höhe der Kosten zu beziffern, die durch die gebotene - so haben Sie es sehr richtig betont - Vorratshaltung entstehen?
Herr Kollege, ich will Ihnen das gern mitteilen. Im Augenblick bin ich dazu nicht in der Lage. Wenn Sie die Vorratshaltung in bezug auf die Sicherheitsreserve meinen, so ist
dies aus dem Haushaltsplan zu entnehmen. Ich werde Ihnen die Kostenangabe schriftlich zukommen lassen.
Eine weitere Zusatzfrage, Abgeordneter Ey.
Herr Staatssekretär, besteht in der Öffentlichkeit nicht die Gefahr, daß die hierfür aufgewandten Kosten zu den angeblichen Subventionen, die verschleudert sind, für die Landwirtschaft gerechnet werden?
Herr Kollege Ey, hier muß ich Ihnen der Ehrlichkeit halber sagen, daß die Kosten für die Sicherheitsreserve in der Bundesrepublik Deutschland in keinem Verhältnis dazu stehen, was für Überschüsse in der EG geleistet werden muß.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ey.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir auch der Meinung, daß die Vorratshaltung und ihre Kosten durch die Grenznähe und Grenzsituation der Bundesrepublik hier in unserem Lande, verglichen mit anderen europäischen Ländern, besonders hoch sein muß?
Herr Kollege Ey, die Bundesregierung hat nie einen Zweifel daran gelassen, daß wir aus Sicherheitsgründen eine Vorratspolitik zu betreiben haben. Dem werden wir in jeder Hinsicht gerecht, und Sie können davon ausgehen, daß wir genügend Reserven haben.
Eine weitere Zusatzfrage wünscht der Herr Abgeordnete Ey nicht.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stutzer.
Herr Staatssekretär, hat die Buttervorratshaltung etwas mit der Sicherheitsreserve zu tun?
Da im Katastrophenfall auch Fett dringend notwendig ist, meine ich, daß das insoweit der Fall ist.
Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt. Ich danke dem Herrn Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen aus seinem Geschäftsbereich.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Buschfort zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 60 des Herrn Abgeordneten Dr. Enders auf:
Kann die Bundesregierung bereits Ergebnisse über die Auswirkungen des Gesetzes zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen vorlegen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Enders, die Bundesregierung verfügt bislang noch nicht über die von Ihnen erfragten Ergebnisse. Erste Hinweise werden sich aus den Rechnungsergebnissen des dritten Quartals 1977 ergeben, bei dessen Beginn das Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz in Kraft getreten ist. Diese Rechnungsergebnisse sind den Spitzenverbänden der gesetzlichen Krankenversicherung, die als Datenerfassungsstellen fungieren, bis Mitte November 1977 zuzuleiten. Nach den bisherigen Erfahrungen dürften auf einzelne Kassenarten beschränkte Zahlen bis Mitte Dezember 1977 vorliegen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Enders.
Herr Staatssekretär, sind die Befürchtungen eingetroffen, die von verschiedenen Seiten vor dem Zustandekommen des Gesetzes geäußert wurden?
Herr Kollege, bevor wir endgültige Zahlen haben, kann ich nicht ja oder nein sagen. Ich weiß aber, daß die Ergebnisse vom ersten Halbjahr erfreulich sind.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Enders.
Herr Staatssekretär, zeichnen sich schon Ergebnisse ab, die für oder gegen eine Erhöhung der Beitragssätze der Krankenkassen sprechen?
Herr Kollege Enders, ich kann diese Frage, bezogen auf das Kostendämpfungsgesetz, noch nicht beantworten. Ich kann nur Hinweise für das erste Halbjahr geben. Das erste Halbjahr 1977 ist ermutigend. Denn viele Krankenkassen halten eine Beitragserhöhung nicht für nötig, ja, einige Kassen haben sogar Reserven bilden können. Wenn sich die Entwicklung aus dem ersten Halbjahr auch im zweiten Halbjahr fortsetzt, können wir - das darf ich wiederholen - am Ende des Jahres ein erfreuliches Ergebnis feststellen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie daran erinnern, daß Sie mir in der letzten Fragestunde selbst zugestanden haben, die Ausgabenzuwachsraten seien nicht mehr so hoch gewesen wie 1976, sie seien also nicht auf das Kostendämpfungsgesetz zurückzuführen?
Herr Staatssekretär, zur Beantwortung, bitte schön.
Herr Kollege Müller, deshalb habe ich gerade gesagt: Bezogen auf das Kostendämpfungsgesetz kann ich heute noch keine
Antwort geben. Bezogen auf das Rechnungsergebnis vom ersten Halbjahr, das aber sicherlich in beachtlicher Weise von psychologischen Faktoren beeinflußt worden ist, kann ich sagen: Wenn sich diese Entwicklung fortsetzt, werden wir am Ende des Jahres eine erfreuliche Bilanz vorlegen können.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stutzer.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß in der zweiten Jahreshälfte verschiedene Krankenkassen, u. a. die Ortskrankenkasse Rendsburg-Eckernförde, die Beiträge erhöhen mußten?
Herr Kollege Stutzer, mir ist bekannt, daß einige Krankenkassen ihre Beiträge erhöhen müssen. Wir haben auch immer deutlich gesagt, daß es unterschiedliche Auswirkungen des Gesetzes gibt und daß insbesondere manche Krankenkassen, die bisher am Rande ihrer finanziellen Möglichkeiten Beiträge erhoben haben, Veranlassung dazu haben. Richtig ist aber auch, daß es Krankenkassen gibt, die ihre Beiträge auf Grund der guten Ergebnisse senken könnten.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Becker.
Herr Staatssekretär, gehen Sie davon aus, daß die Überwälzungen der Kosten von der Rentenversicherung auf die Krankenversicherung im zweiten Halbjahr nicht zur Auswirkung kommen?
Herr Kollege Becker, diese Veränderung - ich würde hier nicht von „Überwälzung" sprechen - muß sich bei den Krankenkassen auswirken. Das haben wir auch immer sehr deutlich gesagt. Wir hoffen nur, daß die Einsparungen durch das Kostendämpfungsgesetz und die Einsparungen durch ein kostenbewußtes Verhalten aller Beteiligten dazu führen werden, daß eine Beitragserhöhung nicht notwendig ist.
Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt.
Ich rufe die Frage 61 des Abgeordneten Schedl auf. - Der Fragesteller ist nicht im Saal. Ich bitte, die Frage schriftlich zu beantworten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 62 des Herrn Abgeordneten Dr. Becker ({0}) auf:
Ist die Bundesregierung bereit, ihre am 2. März 1977 in der Antwort auf die mündlichen Anfragen Nummern 26 und 27 gegebenen Auskünfte bezüglich der Ärzteeinkommen auf Grund der inzwischen bekanntgewordenen höheren Praxisunkostensätze ({1}) zu revidieren?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Becker, zunächst einmal möchte ich auf die in der Fragestunde vom 9./10. November 1977 erteilte
ausführliche Antwort auf die Fragen Nr. B 64, B 65 des Kollegen Dr. Franz Möller hinweisen. Zusammenfassend möchte ich folgendes ausführen:
Die Bundesregierung hat bei ihren Angaben zum durchschnittlichen Bruttoeinkommen der Ärzte und Zahnärzte vor der Auswertung der Kostenstrukturerhebung 1975 stets ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die in der Kostenstrukturerhebung 1971 ermittelten Praxiskostenanteile den Berechnungen zugrunde gelegt worden sind. Sie hat sich darüber hinaus, um den bestehenden methodischen Fragen Rechnung zu tragen und deutlich zu machen, daß es sich um Schätzwerte handelt, bei ihren Angaben zum Durchschnittseinkommen der Ärzte darauf beschränkt, eine bestimmte Bandbreite anzugeben.
Die Bundesregierung hat ferner darauf hingewiesen, daß eine Überprüfung der auf der Grundlage der Kostenstrukturerhebung 1971 basierenden und entsprechend der Aufwandsentwicklung in der gesetzlichen Krankenversicherung sowie der Entwicklung der Bevölkerungs- und Arztzahlen fortgeschriebenen Angaben zum Bruttoeinkommen der niedergelassenen Ärzte an Hand der Kostenstrukturerhebung 1975 möglich und beabsichtigt ist.
Der nach der Kostenstrukturstatistik 1971 errechnete durchschnittliche Praxiskostenanteil mußte zugrunde gelegt werden, weil aktuellere Angaben nicht verfügbar waren und die Entwicklung in den vergangenen Jahren nicht einheitlich war. So betrugen die Kostenanteile bei den niedergelassenen Ärzten 1963 35,1, 1967 33,7 und 1971 35,3 %. Legt man den aus der Kostenstrukturstatistik 1975 errechneten durchschnittlichen Praxiskostenanteil von 42,7 v. H. zugrunde, ergibt sich für die niedergelassenen Ärzte ein durchschnittliches Bruttoeinkommen von 150 000 bis 160 000 DM im Jahre 1975.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Becker.
Sie erkennen damit an, daß das damals angegebene Durchschnittseinkommen von 180 000 bis 190 000 DM zu hoch war?
Herr Kollege Becker, ich erkenne das wegen der Verschiedenheit der gefragten Zeiträume nicht an. Die Zahlen, die ich vorhin erwähnte, bezogen sich auf das Jahr 1975. Ich habe aber in der früheren Antwort gesagt, .daß im Jahre 1976 schätzungsweise ein Brutto-Einkommen von 180 000 bis 190 000 DM zugrunde gelegt werden müsse unter Berücksichtigung der uns damals bekannten Praxisunkosten. Diese wurden damals mit ca. 35 % veranschlagt. Andere Ergebnisse waren uns zu dem Zeitpunkt nicht bekannt. Unter Berücksichtigung dieser Vorbehalte waren die damaligen Angaben ziemlich genau.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Becker.
Wird, nachdem jetzt die inzwischen erhöhten Praxisunkosten bekannt sind, dieses Ergebnis von damals auf 150 000 DM richtiggestellt?
Auf 150 000 bis 160 000 DM für das Jahr 1975. Dies wäre allerdings inzwischen für die folgenden Jahre wieder hochzurechnen. Ich möchte aber jetzt nicht noch einmal, auf vorläufige Werte berechnet, neue Zahlen angeben.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jaunich.
Herr Staatssekretär, ist die von Ihnen eben genannte Zahl von 42,7 % als absoluter Wert zu sehen, oder ist auch hier eine Bandbreite einzuräumen?
Herr Kollege, diese Zahl ist uns vom Statistischen Bundesamt genannt worden. Sicherlich wird es keine auf alle Praxen beziehbare Zahl sein. Ich gehe aber davon aus, daß die Stichprobenerhebung, die man in solchen Fällen wohl zu machen pflegt, einigermaßen genau ist.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller.
Herr Staatssekretär, können Sie mir die Untersuchung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung bestätigen, wonach die durchschnittlichen jährlichen Kosten der ärztlichen Praxen von 1974 auf 1975 um 14 % und auf 1976 um 15 % gestiegen sind?
Herr Kollege Müller, wenn ich die Zahl 35 % in ein Verhältnis zu 42,7 % setze, so dürften die von Ihnen genannten Werte einigermaßen richtig sein. Von daher stimmen beide Angaben sicherlich überein. Ich bin allerdings gern bereit, Ihnen dieses Zahlenmaterial noch einmal überprüft zur Verfügung zu stellen.
Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt.
Ich rufe die Frage 63 des Abgeordneten Dr. Becker ({0}) auf:
Ist die Bundesregierung bereit, auch die damals gemachte Aussage dahin gehend zu revidieren, daß die jahresdurchschnittliche Zunahme des Reinertrags vor Steuern je Praxisinhaber geringer anstieg als die Einkommen der durchschnittlich beschäftigten Arbeitnehmer?
Zur Beantwortung wiederum der Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Becker, auf der Grundlage der Kostenstrukturermittlung ergibt sich für den Zeitraum von 1963 bis 1975 ein durchschnittlicher Anstieg des Bruttoeinkommens der niedergelassenen Ärzte von 9,9 %, für die Zahnärzte von 14,6 % pro Jahr. Das Bruttoeinkommen je Arbeitnehmer ist in diesem Zeitraum um jahresdurchschnittlich 9,6 v. H. gestiegen. Bei einer Ge4464
genüberstellung der Einkommensentwicklung der niedergelassenen Ärzte bzw. Zahnärzte und der Arbeitnehmer ist auch das unterschiedliche Einkommensniveau dieser Gruppen zu berücksichtigen. Im Jahre 1975 war das Durchschnittseinkommen der niedergelassenen Ärzte etwa 5,7mal und das Durchschnittseinkommen der Zahnärzte etwa 7,3mal so hoch wie das Durchschnittseinkommen der Arbeitnehmer.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Becker.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, die vom Statistischen Bundesamt gegebenen Zahlen für die Jahresgruppen 1971 bis 1975, die wesentlich niedrigere Steigerungen des Reinertrags um 7,1 % gegenüber 8,6 % bei den durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommen aufweisen, anzuerkennen?
Herr Kollege Becker, ich kann diese Zahlen für die niedergelassenen Ärzte in etwa bestätigen, obwohl kleine Differenzen bestehen. Es gibt also bei den Zuwachsraten in diesem Zeitraum keinen beachtlichen Unterschied.
In diesem Zusammenhang möchte ich aber doch noch einmal darauf hinweisen, daß man auch das Niveau zu berücksichtigen hat, von dem man ausgeht. Danach hat sich das Einkommen der niedergelassenen Ärzte in diesem Zeitraum um 39 000 DM erhöht, das der niedergelassenen Zahnärzte um 76 500 DM und das der Arbeitnehmer um rd. 9 000 DM.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Becker.
Herr Staatssekretär, glauben Sie, daß zwischen den Gruppierungen, von denen Sie ausgehen - durchschnittliche Arbeitnehmer und Ärzte bzw. Zahnärzte -, ein Leistungsunterschied besteht?
Herr Kollege, das ist relativ. Auch Arbeitnehmer, selbst der Mann von der Müllabfuhr, empfinden ihre Arbeit oft als sehr schwer.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ey.
Herr Staatssekretär, ist bei den von Ihnen genannten vergleichenden Zahlen für Ärzte und Arbeitnehmer berücksichtigt, daß Ärzte - schon aus Gründen der Ausbildungszeit - in der Regel in ihrer Berufsausübung nicht eine Tätigkeitszeit in dem Umfang wahrnehmen können, wie es in den übrigen Arbeitnehmerberufen der Fall ist?
Herr Kollege, ich finde, diese Frage ist berechtigt. Ich bin mit Ihnen der Auffassung, daß die Ausbildungszeit mit der Einkommenserwartung in Verbindung gesetzt werden muß. Es wäre allerdings noch interessanter, hier auch die Einkommensverhältnisse der Akademiker zu betrachten, die eine vergleichbare Ausbildung haben. Es wäre interessant zu wissen, ob das Einkommen dieser Akademiker mit dem der Ärzte Schritt hält. Es ist aber falsch, hier nur zugunsten einer bestimmten Berufsgruppe leistungsbezogen zu argumentieren. Ich weiß auch, daß es Arbeiter gibt, die sehr fleißig sind, und daß es ebenso Ärzte gibt, die sehr fleißig sind.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller.
Herr Staatssekretär, ich muß Sie noch einmal darauf aufmerksam machen, daß Sie mir in der letzten Fragestunde erwidert haben, daß die Ausgaben der Krankenkassen für ambulante Behandlungen bei Ärzten im Jahre 1976 gegenüber 1975 um 5,6 v. H. gestiegen sind. Ich hatte damals allerdings nach etwas anderem gefragt. Haben Sie dabei berücksichtigt, daß die Einnahmen je Arztpraxis nur um 2,5 v. H. gestiegen sind, daß es also auf die vermehrten Arztpraxen zurückzuführen ist, wenn die Kosten hier gestiegen sind?
Herr Kollege Müller, wenn sich diese beiden Werte nicht decken, so hängt das im wesentlichen damit zusammen, daß auch die Zahl der Ärzte Berücksichtigung finden muß. Von daher ist der Unterschied der Zahlen in Ihrer Rechnung selbstverständlich.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Simonis.
Herr Staatssekretär, können Sie mir bestätigen, daß Arbeitnehmer, die eine sehr kurze Ausbildungszeit haben und damit im Umkehrschluß zu dem, was zu der vorherigen Frage gesagt wurde, ja wohl die Chance gehabt hätten, im Laufe
eines längeren Berufslebens sehr viel mehr Geld als andere zu verdienen, dieses Geld am Ende ihres Berufslebens nicht verdient haben?
Frau Kollegin Simonis, es ist klar, daß der Ungelernte und der gelernte Arbeitnehmer schon durch die vertraglichen Regelungen ein geringeres Einkommen und bestimmt nicht die Chance haben, ein gleiches Einkommen wie z. B. Ärzte zu erzielen. Ich weiß auch, daß das nicht beabsichtigt ist. Für mich stellt sich - wenn ich es hier einmal so bewerten darf - nur die Frage, ob die Unterschiede gerechtfertigt sind. Was dies angeht, habe auch ich meine Zweifel.
({0})
Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt.
Die Frage 64 ist von dem Fragesteller, dem Herrn Abgeordneten Stutzer, zurückgezogen worden.
Ich rufe die Frage 65 des Herrn Abgeordneten Stutzer auf:
Präsident Carstens
Wieviel freiwillige und angeordnete Überstunden haben in den Jahren 1974, 1975, 1976 und 1977 ({0}) die Bediensteten aller Dienststellen der Bundesanstalt für Arbeit geleistet?
Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär.
Herr Kollege Stutzer, nach Auskunft der Bundesanstalt für Arbeit werden regelmäßige Aufzeichnungen über die von den Bediensteten geleisteten freiwilligen und angeordneten Überstunden nicht geführt. Die Bundesanstalt hat jedoch einmalig für die Monate Januar bis November 1976 durch eine Sondererhebung bei den nachgeordneten Dienststellen das Ausmaß der auf Anordnung geleisteten Überstunden feststellen lassen. Nach dem Ergebnis dieser Erhebung wurden in den elf Monaten über 135 000 Überstunden geleistet. Bei 45 000 Beamten und Angestellten waren das im rechnerischen Durchschnitt für den gesamten Zeitraum insgesamt drei Stunden für jede Kraft. Dabei ist natürlich zu berücksichtigen, daß es eine solche gleichmäßige Verteilung der Überstunden auf alle Bediensteten der Bundesanstalt sicher nicht gegeben hat. Über freiwillig geleistete Überstunden gibt es keine Aufzeichnungen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stutzer.
Herr Staatssekretär, was geschieht mit den Aufzeichnungen der Bediensteten der Bundesanstalt über die geleisteten Überstunden, zu deren Erstellung sie nach Weisung der Verwaltung verpflichtet sind, wenn es keine Aufzeichnungen in der Verwaltung darüber gibt?
Herr Kollege, ich weiß nicht, ob ich Ihre Frage akustisch richtig verstanden habe.
Bitte wiederholen Sie die Frage noch einmal, Herr Abgeordneter.
Die Bediensteten der Arbeitsämter sind auf Weisung der Verwaltung verpflichtet, alle geleisteten Überstunden festzuhalten. Was geschieht mit diesen Aufzeichnungen?
Herr Kollege Stutzer, ich nehme an, daß sich das, was Sie gerade ausführten, auf den Elfmonatszeitraum aus dem Vorjahr bezieht. Wie mir die Bundesanstalt mitgeteilt hat, hat es nur diese einmalige Erhebung von Überstunden gegeben. Diese Erhebung hat auch dazu geführt, daß der Druck auf Neueinstellungen zugenommen hat. Wie Sie wissen, haben wir im Rahmen des Haushaltsjahres 1978 dafür Sorge getragen, daß 1 600 Stellen zusätzlich bewilligt wurden.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stutzer.
Herr Staatssekretär, sah die Bundesregierung trotz der großen Zahl von Überstunden und angesichts der Tatsache, daß Verwaltung und Personalvertretung der Bundesanstalt für Arbeit laufend auf die Überlastung hingewiesen haben, keinen Anlaß, die Arbeitsämter personell schon früher und nicht erst zum 1. Januar 1979 zu verstärken?
Herr Kollege Stutzer, ich will einmal ganz vorsichtig sagen: Ich weiß nicht, auf wie viele Personen sich diese Überstunden genau erstrecken. Wenn es richtig wäre, daß davon z. B. 25 000 Personen betroffen waren, und zwar insbesondere solche, die im Vermittlungs- und Beratungsdienst beschäftigt sind, und sich dann ein Durchschnittswert von 5,5 Überstunden ergibt, dann muß ich sagen, daß man über eine solche Größenordnung im Verlauf von elf Monaten eigentlich gar nicht sprechen sollte. Ich befürchte. nur, daß sich die Gesamtzahl der Überstunden auf wesentlich weniger Personen bezieht. Dann allerdings muß man sich intensiv darüber Gedanken machen, inwieweit man diese Bereiche verstärken muß. Aber genau aus diesem Grund haben wir ja eine Vermehrung um 1 600 Stellen.
Ich will auch noch ein Weiteres hinzufügen: Die Bundesanstalt hat in beachtlichem Umfange neue und wichtige Aufgaben übernehmen müssen, so auch wieder mit der vierten AFG-Novelle. Richtig ist aber auch - das ergibt sich aus der Statistik, die mir vorliegt -, daß die Bundesanstalt im Jahre 1965 über 28 800 Bedienstete und im Jahre 1977 bereits über 51 000 Bedienstete verfügte.
Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Simonis.
Herr Staatssekretär, können Sie dem Parlament mitteilen, ob die insgesamt bzw. pro Kopf geleisteten Überstunden der Bediensteten der Bundesanstalt für Arbeit im Vergleich zu den Überstunden, die andere Bedienstete des öffentlichen Dienstes, z. B. Polizisten, Bundeswehrangehörige oder Mitarbeiter in sozialen Diensten oder dergleichen, zu leisten haben, die Bezeichnung besonders viel, normal oder besonders wenig verdienen?
Frau Kollegin Simonis, das ist alles relativ. Wenn ich die geleisteten Überstunden in der Bundesrepublik insgesamt heranziehe und von einem durchschnittlichen Wert von zirka zwei Stunden pro Woche und Arbeitnehmer ausgehe, so ist die Überstundenzahl bei der Bundesanstalt für Arbeit, bezogen auf alle Arbeitnehmer der Bundesanstalt, nicht vergleichbar. Aber ich sagte bereits, ich weiß ja nicht, ob die geleisteten Überstunden nicht nur von wenigen Bediensteten der Bundesanstalt für Arbeit erbracht worden sind. In diesem Fall kann das eine beachtliche Belastung von Arbeitnehmern der Bundesanstalt bedeuten. Es wäre sicherlich gut, wenn man die Entwicklung ein wenig genauer verfolgen könnte und eine solche Personalpolitik betriebe, die es erlauben würde, den Personalbestand insbesondere dort zu verstärken, wo sehr viele Überstunden geleistet wer4466
den müssen. Ich hoffe, daß die zusätzlichen 1 600 Stellen für den Vermittlungs- und Beratungsdienst ein Schritt in diese Richtung sind.
Keine weiteren Zusatzfragen?
({0})
- Frau Kollegin Simonis, zu dieser Feststellung sind Sie selbstverständlich berechtigt, nur nicht zu einer weiteren Frage.
({1})
Die Fragen 66 und 67 des Abgeordneten Weiskirch ({2}) sollen auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Das gleiche gilt für die Fragen 68 und 69 der Abgeordneten Frau Hoffmann ({3}). Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 70 des Abgeordneten Schedl auf. - Der Fragesteller ist nicht anwesend. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich Ihres Ministeriums abgehandelt. Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Staatssekretär des Ministeriums zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 71 der Frau Abgeordneten Simonis auf:
Welche Schritte hat die Bundesregierung unternommen, um die 1975 in der sogenannten Psychiatrie-Enquete festgestellte Unterversorgung von psychisch Kranken und Behinderten zu beseitigen, und treffen Berichte zu, daß ein Gesetz zur Regelung der Zulassung anderer als ärztlich arbeitender Therapeuten deshalb nicht verabschiedet werden kann, weil im psychiatrischpsychotherapeutischen Bereich tätige Nicht-Ärzte kein Zeugnisverweigerungsrecht hätten?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Präsident, Frau Abgeordnete Simonis, die Versorgung psychisch Kranker und Behinderter gehört fast ausschließlich in den Zuständigkeitsbereich der Länder. Diese haben im stationären, aber auch im komplementären Bereich zum Teil direkt, zum Teil indirekt über Träger und Verbände bereits eine erhebliche Verbesserung der Versorgungssituation erreichen können.
Nach Kenntnis der Bundesregierung sind die Länder und Träger unter Berücksichtigung ihrer finanziellen und personellen Ressourcen auch weiter intensiv um den Auf- und Ausbau der einzelnen Dienste bemüht. Die Bundesregierung trägt durch Modellvorhaben zur Verbesserung der Versorgung psychisch Kranker und Behinderter bei.
Durch das Gesetz zur Weiterentwicklung des Kassenarztrechts hat die Bundesregierung die Voraussetzungen geschaffen, daß im Sinne der Psychiatrie-Enquete psychiatrische Krankenhäuser an der ambulanten Versorgung der Bevölkerung teilhaben können. Die Bundesregierung geht davon aus, daß dadurch insbesondere die Nachsorge, die Vorbeugung von Rückfällen und die Verhütung von stationären Aufnahmen psychisch Kranker und Behinderter verbessert wird.
Die Bundesregierung wird in ihrer Stellungnahme zur Lage der psychiatrischen und psychotherapeutisch/psychosomatischen Versorgung der Bevölkerung, die im Sommer 1978 zu erwarten ist, in Verbindung mit der Psychiatrie-Enquete und der diese Enquete ergänzenden Planungsstudie eingehend über die Situation der psychisch Kranken und Behinderten berichten.
Was den Beruf eines nichtärztlichen Therapeuten angeht, treffen die von Ihnen erwähnten Berichte nicht zu. Im Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit wird der Entwurf eines Gesetzes über den Beruf des nichtärztlichen Psychotherapeuten vorbereitet. Es handelt sich bei diesem Gesetzgebungsvorhaben um die Regelung eines umfassenden und vielschichtigen Berufsbildes, das deshalb längerer Vorarbeiten bedarf.
Zwischen dem Stand des Gesetzgebungsvorhabens und der Frage eines Zeugnisverweigerungsrechts für nichtärztliche Psychotherapeuten besteht kein unmittelbarer Zusammenhang.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Simonis.
Herr Staatssekretär, sind Sie schon in der Lage, anzugeben, wie viele der psychisch Kranken bei uns in der Bundesrepublik dann von solchen Nichtärzten untersucht werden könnten, um unter Umständen die Warteschlangen bei ärztlich vorgebildeten Psychologen und Psychotherapeuten abzubauen?
Nein, eine solche' Angabe kann man deswegen nicht machen, weil der Anteil der Patienten, der den nichtärztlichen Psychotherapeuten zugeführt werden kann, wesentlich davon abhängen wird, wie man die Aufgabenverteilung zwischen Arzt und nichtärztlichem Psychotherapeuten rechtlich ausgestaltet.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Simonis.
Herr Staatssekretär, sind Sie denn in der Lage, anzugeben, um wieviel die Kosten im Gesundheitswesen eventuell sinken könnten, wenn mehr Menschen als bisher psychotherapeutisch behandelt werden könnten?
Nein, es ist nahezu ausgeschlossen, daß man eine solche Quantifizierung vornehmen kann - wie in anderen Bereichen des Gesundheitswesens auch -, schon deswegen, weil uns eine Morbiditätsstatistik fehlt. Zum andeStaatssekretär Dr. Wolters
ren muß man aber in Betracht ziehen, daß neben einer zweifellos zu erwartenden Kostensenkung, die dadurch entstehen kann, daß auf diese Weise Krankheit längerfristig unter Umständen vermieden wird, auch eine Kostenzunahme auftreten könnte, weil neue Berufsbilder oder eine Zunahme der Anzahl von Angehörigen eines Berufes des Gesundheitswesens erfahrungsgemäß auch zu einer vermehrten Inanspruchnahme führt, die medizinisch nicht immer zwingend sein muß.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stutzer.
Herr Staatssekretär, muß ich aus dem Wort „fast" in Ihrer ersten Antwort schließen, daß das auch in den Zuständigkeitsbereich des Bundes fällt?
Ich weiß nicht, worauf Sie sich jetzt beziehen.
({0})
- Ich weiß nicht, in welchem Zusammenhang ich „fast" gesagt habe.
Sie sagten auf die Frage von Frau Simonis, daß fast immer der Zuständigkeitsbereich der Länder berührt sei!
In allen wesentlichen Fragen der Versorgung psychisch Kranker sind die Länder zuständig.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Becker.
Wann rechnen Sie mit der Vorlage des Referentenentwurfs eines Gesetzes über das Berufsbild des nichtärztlichen Psychotherapeuten?
Wir werden am Anfang des nächsten Jahres in der Lage sein, einen ersten Referentenentwurf auch gegenüber den Verbänden, mit denen es eine Vielzahl von Vorgesprächen schon gegeben hat, zur Diskussion stellen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Bei der Frage 72, Herr Staatssekretär, hat der Fragesteller um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zur Frage 73 des Abgeordneten Frau Will-Feld:
Wie gedenkt die Bundesregierung zu sichern, daß die nahezu 50 DIN A 4 Druckseiten umfassenden EWG-Verordnungen des neuen Weinrechts mit den vielfältigen Verweisungen, einer Fülle zusätzlicher Rechtsbegriffe - wie Begleitdokumente, den übrigen von den Gemeinschaftsbestimmungen vorgeschriebenen Dokumenten - vom Winzer erfaßt und ohne Rechtsverstöße angewendet werden können?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.
Herr Präsident! Frau Abgeordnete Will-Feld, die Gemeinschaftsverordnungen über die Bezeichnung und Aufmachung der Weine und Traubenmoste enthalten nicht nur Vorschriften für deutsche, sondern für die in allen Mitgliedstaaten und Drittländern erzeugten Weine. Einen großen Teil ihres Umfanges nehmen Listen ein, in denen besondere Weinbezeichnungen, Qualitätsangaben, Rebsortennamen und deren Synonyme sowie die für Drittlandsweine zulässigen geographischen Bezeichnungen festgelegt worden sind. Nach Abzug der nur für ausländische Weine geltenden Bestimmungen reduziert sich der Umfang der Gemeinschaftsvorschriften, die sich an den deutschen Winzer richten, ganz erheblich.
Die Bundesregierung verkennt dennoch nicht, daß es in den der Weinwirtschaft Tätigen gleichwohl Anstrengung abverlangt, sich den erforderlichen Überblick auch über die für deutsche Weine geltenden Vorschriften zu verschaffen. Hier haben jedoch die Verbände der Weinwirtschaft in dankenswerter Weise den verbleibenden Rechtsstoff in erläuternden Schriften, die in großen Auflagen erschienen sind, in allgemein verständlicher Weise so aufbereitet, daß der Winzer die für ihn wichtigen Vorschriften ohne größere Schwierigkeiten erkennen und Rechtsverstöße vermeiden kann. Darüber hinaus beraten die Etikettendruckereien wie auch schon in der Vergangenheit ihre Kunden über die vorgeschriebenen und zulässigen Bezeichnungen und Aufmachungen, in verbleibenden Zweifelsfällen auch die Weinkontrolle.
Begleitdokumente waren schon in dem vom Deutschen Bundestag einstimmig beschlossenen Weingesetz von 1970 vorgesehen. Es muß auch bezweifelt werden, daß die Erfassung dieses Begriffs den Winzern Schwierigkeiten bereiten könnte. Andere Gemeinschaftsdokumente sind bisher für den deutschen Winzer noch nicht vorgeschrieben.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Will-Feld.
Herr Staatssekretär, sind Sie demnach mit mir der Meinung, daß sich ein schlichter Moselwinzer beispielsweise unter Art. 4 Ziffer 1 der Durchführungsbestimmungen nichts vorstellen kann - ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten -:
Die Angabe des Namens oder des Firmennamens nach Art. 2 Abs. 1 Buchst c, Art. 12 Abs. 1 Buchst. d, Art. 22 Abs. 1 Buchst. d, Art. 27 Abs. 1 Buchst. c und Art. 28 Abs. 1 Buchst. c VO ({0}) Nr. 2133/74 ist durch die Begriffe . . . zu ergänzen.
({1})
Frau Abgeordnete, ich stimme Ihnen uneingeschränkt zu, daß das für einen Winzer natürlich eine nicht in eigenes Handeln umsetzbare Rechtsmaterie ist.
({0})
Genau aus diesem Grunde haben sich ja auch die Verbände darum bemüht, dieses Rechtsdeutsch in ein dem Winzer verständliches Deutsch zu übersetzen.
Eine zweite Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Will-Feld.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß Weine des Jahrgangs 1976 und älterer Jahrgänge nur dann nach dem alten Recht bezeichnet und etikettiert in den Verkehr gebracht werden dürfen, wenn diese Weine zuvor den zuständigen chemischen Untersuchungsämtern, getrennt nach Faß- und Flaschenweinen, zusätzlich vorgelegt und katalogisiert worden sind?
Ich kann die Frage aus dem Handgelenk nicht beantworten. Es besteht kein unmittelbarer Zusammenhang mit der Problematik, die wir vorher diskutiert haben. Ich will Ihnen die Antwort gern schriftlich zugehen lassen.
Dann rufe ich die Frage 74 der Frau Abgeordneten Will-Feld auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die Texte des neuen Weinbezeichnungsrechts VO ({0}) Nr. 2133/74 bzw. VO ({1}) Nr. 1608/76, die am 1. September d. J. in Kraft getreten sind, für den Erzeuger von Wein - also für den Winzer - schon jetzt umfangreich und unübersichtlich sind und daß weitere zusätzliche ergänzende und interpretierende Rechtsverordnungen erforderlich werden, und wenn ja, welche Folgerungen zieht sie daraus?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.
Frau Abgeordnete, mit dem Erlaß der beiden seit dem 1. September geltenden Gemeinschaftsverordnungen ist die Übersichtlichkeit des Weinrechts zweifellos beeinträchtigt worden. Die Entscheidung, das Weinrecht durch Gemeinschaftsverordnungen zu harmonisieren, die in jedem Mitgliedstaat unmittelbar gelten, ist jedoch bereits bei der Verabschiedung der auch von der deutschen Weinwirtschaft gewünschten Gemeinsamen Marktorganisation für Wein im Jahr 1970 gefallen und muß nun eingehalten werden.
Die Bundesregierung ist überzeugt, daß die deutsche Weinwirtschaft nach der auch bei neuen nationalen Rechtsvorschriften notwendigen Einarbeitung das gemeinschaftliche Bezeichnungsrecht überschauen und anwenden wird. Sie wird dann auch die Vorteile erkennen, die ihr der dadurch erzielte Schutz vor dem Mißbrauch deutscher Weinbezeichnungen im Ausland bringt.
Sicherlich werden die Gemeinschaftsverordnungen auf Grund der Erfahrungen bei ihrer Anwendung noch geändert werden müssen; auch von der deutschen Weinwirtschaft sind übrigens schon Änderungswünsche an die Bundesregierung herangetragen worden. Die Bundesregierung ist sich jedoch mit der Kommission der Europäischen Gemeinschaften darin einig, daß im Interesse der Rechtssicherheit grundlegende und zu häufige Änderungen vermieden werden sollten.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Will-Feld.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, ob ergänzende Rechtsverordnungen hinsichtlich der Firmenbezeichnungen und der Namen „Weingut", „Weingutsbesitzer" und „Winzer" in der Form vorgesehen sind, daß es erlaubt wird, daß Bezeichnungen wie „Weingut Burg" oder „Weingut Wehrhof" oder „Weingut Landhof" o. ä. auf dem Etikett aufgeführt werden?
Es gibt im Moment eine Diskussion über die Eingrenzung bzw. Erweiterung der Lagenbezeichnungen, in der die Interessenlagen in den einzelnen deutschen Anbaugebieten sehr unterschiedlich sind, je nachdem nämlich, ob sich die Winzer dort zu Genossenschaften zusammengeschlossen haben oder nicht. Bei dieser Diskussion geht es um solche Bezeichnungen, wie Sie sie gerade beispielhaft angeführt haben.
Prinzipiell geht es in erster Linie darum, daß man eine Auslegung findet, die auf der einen Seite den bei diesen Bezeichnungen unterschiedlichen Interessen der deutschen Winzer Rechnung trägt, auf der anderen Seite aber gemeinschaftsverordnungskonform ist, weil, wie ich vorher ausgeführt habe, diese Gemeinschaftsverordnungen unmittelbar geltendes Recht sind.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Will-Feld.
Herr Staatssekretär, sind noch Rechtsverordnungen oder ergänzende Anweisungen vorgesehen, die die Beschriftung mit Orts- bzw. Gemeindenamen betreffen?
Es sind keine ergänzenden nationalen Rechtsverordnungen vorgesehen, sondern es ist beabsichtigt, darüber nach der Diskussion mit den Weinbauverbänden noch einmal in Unterhaltungen mit der Europäischen Kommission einzutreten.
Keine weiteren Zusatzfragen. Dann rufe ich Frage 75 der Frau Abgeordneten Krone-Appuhn auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Zigarettenfirmen in Gaststätten kostenlos Zigaretten u. a. auch an Jugendliche verteilen, ohne nach deren Alter zu fragen, und Jugendliche auf diese Weise zum Rauchen verführt werden, und was gedenkt die Bundesregierung dagegen zu tun?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.
Herr Präsident! Frau Abgeordnete Krone-Appuhn, die Bundesregierung ist verschiedentlich durch Eingaben aus der Bevölkerung darauf aufmerksam gemacht worden, daß bei der Verteilung von Gratis-Rauchproben auch an Jugendliche Zigaretten abgegeben worden sind. Es liegen ihr jedoch keine Informationen darüber vor, ob dies auch in Gaststätten geschehen ist.
Zu der Frage, ob Jugendliche zum Rauchen verführt werden, wenn Gratis-Rauchproben an sie abStaatssekretär Dr. Wolters
gegeben werden, liegen unter Berücksichtigung der bisherigen Untersuchungen keine gesicherten Erkenntnisse vor. Man wird aber in der Regel davon ausgehen können, daß die Gelegenheit zum Rauchen ergriffen wird. Eine andere Frage ist, ob die Jugendlichen erst dadurch dazu verleitet werden, mit dem regelmäßigen Rauchen zu beginnen. Dies wird wohl im allgemeinen zu verneinen sein, zumal derartige Verführungssituationen über Angebote im Freundeskreis oder auch innerhalb der Familie ja häufig vorkommen.
Zu .letzten Teil Ihrer Frage ist darauf aufmerksam zu machen, daß die Verteilung von Gratis-Rauchproben an Personen unter 18 Jahren nach den freiwilligen Vereinbarungen der Zigarettenindustrie über die Beschränkung der Werbung auf dem deutschen Zigarettenmarkt unzulässig ist. Die Bundesregierung beobachtet sehr genau die Durchführung dieser Vereinbarungen und steht deshalb auch in Kontakt mit dem Verband der Cigarettenindustrie. Ich habe erst kürzlich mit den Vertretern dieses Verbandes eine längere Diskussion über einschlägige Fragen, insbesondere über die Auslegung dieser freiwilligen Vereinbarung, geführt. Die Bundesregierung ist auch weiterhin bemüht, auf die strikte Einhaltung der freiwilligen Vereinbarungen insgesamt hinzuwirken. Sie hat auch die Länder gebeten, die gesamte Entwicklung der Werbung für Zigaretten aufmerksam zu beobachten.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Krone-Appuhn.
Herr Staatssekretär, was würde die Bundesregierung tun, wenn man ihr nachweisen könnte, daß z. B. hier in NordrheinWestfalen, genauer gesagt: in der Bundeshauptstadt, an Minderjährige Zigaretten verteilt werden?
Frau Abgeordnete, wir wären sehr dankbar, wenn uns solche Beispiele genannt würden. Unterhaltungen mit dem Verband der Cigarettenindustrie, der, wie dieses kürzliche Gespräch mir sehr deutlich gezeigt hat, selbst ein Interesse daran hat, solchen Verstößen gegen die freiwillige Vereinbarung nachzugehen, leiden in aller Regel gerade darunter, daß man nicht genügend beweiskräftige Einzelbeispiele aufzeigen kann.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Krone-Appuhn.
Gäbe es unter Umständen die Möglichkeit, gegen Zigarettenfirmen, die sich in dieser Form verhalten, auch polizeilich vorzugehen?
Ich sehe jedenfalls ohne eine nähere Prüfung - mit dieser Einschränkung gebe ich Ihnen die Antwort - keine Rechtsgrundlage für ein solches Vorgehen. Im übrigen würde ich zunächst einmal auch den Weg vorziehen, solche Fälle gegenüber dem Verband namhaft
zu machen und die Schiedsgerichtsbarkeit, die der Verband gegenüber solchen Werbeverstößen installiert hat, wirksam werden zu lassen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kunz ({0}).
Herr Staatssekretär, gibt es Untersuchungen, aus denen hervorgeht, welchen Einfluß die Zigarettenwerbung gerade auf Minderjährige hat? Wenn ja: Welches Ergebnis haben diese Untersuchungen? Wenn nein: Ist die Bundesregierung bereit, eine solche Untersuchung in die Wege zu leiten?
Herr Abgeordneter, es gibt eine Reihe von Untersuchungen, in denen versucht worden ist, die komplexe Motivation zum Rauchen, zum Beginnen mit dem Rauchen und zum regelmäßigen Rauchen - auch bei Jugendlichen - zu untersuchen. Kurz zusammengefaßt kann man sagen, daß diese Untersuchungen weder schlagend bewiesen haben, daß Werbung dabei eine entscheidende oder gar eine alleinige Rolle spielt, noch haben diese Untersuchungen - es gibt auch Interessenten, die das gerne herausfinden möchten - widerlegen können, daß Werbung dafür überhaupt keine Rolle spielt. Das Problem liegt ganz einfach darin, daß es sehr schwierig ist, bei mehrdimensionalen Motivationen eine monokausale Kette aufzubauen oder zu beweisen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger ({0}).
Herr Staatssekretär, könnten Sie sich vorstellen, daß es eine geeignete Maßnahme der Bundesregierung zur Bekämpfung des Rauchens bei Jugendlichen wäre, wenn ihre Mitglieder dadurch ein gutes Beispiel gäben, daß sie in der (Öffentlichkeit - bei Fernsehsendungen und ähnlichem - selber das Rauchen einstellen?
({0})
Herr Abgeordneter, ich kann mir eine ganze Reihe von guten Beispielen vorstellen, mit denen man dazu beitragen kann, Jugendliche vom Rauchen abzuhalten.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Becker.
Herr Staatssekretär, würden Sie annehmen, daß die für Jugendliche ohnehin weit verbreitete Möglichkeit, in einem schädlichen Maße von der Möglichkeit des Rauchens Gebrauch zu machen, noch dadurch gefördert wird, daß in den Schulen Raucherzimmer eingerichtet werden, und wären Sie bereit, auf die Kultusminister entsprechend einzuwirken?
Ich glaube, Herr Abgeordneter, daß man zwar grundsätzlich der Aussage zustimmen kann, daß auch hier Gelegenheit Diebe macht, wenn ich diese sprichwörtliche Ausdrucksweise einmal gebrauchen darf, daß aber ein eindeutiger Beweis dafür, daß Raucherzimmer kausal für das Beginnen mit dem Rauchen sind, wohl nicht herzustellen sein wird. Die Kultusminister zerbrechen sich nach meinen Kenntnissen ohnehin den Kopf darüber, ob das, was sie mit den Raucherzimmern erreichen wollen, nämlich das Rauchen einigermaßen unter Kontrolle zu halten - es gibt ja auch Gründe dafür, warum sie eingerichtet worden sind -, auch tatsächlich erreicht wird. Das von den Kultusministern angestrebte Ziel muß gegen die von Ihnen angedeutete Möglichkeit, nach der man sie natürlich abschaffen müßte, neu abgewogen werden.
Weitere Fragen hierzu liegen nicht vor.
Die Frage 76 wird auf Wunsch der Fragestellerin, der Abgeordneten Frau Pack, schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Der Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit ist damit abgeschlossen. Ich danke dem Herrn Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Wir kommen nunmehr zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Wrede zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 77 des Herrn Abgeordneten Dr. Enders auf:
Ist die Bundesregierung bereit, dazu beizutragen, den Beginn' der Sommerferien in den Bundesländern mit den benachbarten Staaten so abzustimmen, daß. der Urlaubsverkehr nicht am gleichen Wochenende beginnt und auf unseren Durchgangsstraßen ein Verkehrschaos mit zahlreichen Unfällen hervorruft?
Herr Präsident! Herr Kollege Enders! Die Aufstellung der Ferienordnung fällt in die ausschließliche Zuständigkeit der Bundesländer. Die Kultusministerkonferenz hat bei der Vorbereitung der langfristigen Ferienordnung für die Jahre 1972 bis 1978 und für die Jahre 1979 bis 1986 jeweils Vertreter der Niederlande beteiligt und die übrigen Nachbarstaaten frühzeitig informiert. Unbeschadet dessen hat sich die Bundesregierung kürzlich noch einmal um eine Entzerrung des gleichzeitigen Ferienbeginns in Nordrhein-Westfalen sowie in Belgien und in den Niederlanden mit Nachdruck bemüht. Darüber hinaus haben die Niederländer anläßlich einer Sondersitzung der OECD-Arbeitsgruppe „Fremdenverkehr" mitgeteilt, daß sie ab 1978 von dem festgelegten Ferienbeginn am letzten Freitag im Juni 1978 abgehen und eine Ferienteilung in drei Blöcke, nämlich 1. Juli, 8. Juli, 15. Juli 1978 vorsehen werden. Die befürchtete Verkehrsmassierung wird daher geringer ausfallen als erwartet.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Enders.
Herr Staatssekretär, kann davon ausgegangen werden, daß auch für künftige Jahre derartige Absprachen getroffen werden, damit nicht, wie es ursprünglich für das Jahr 1978 aussah, in unserem bevölkerungsstärksten Land und in den Nachbarländern der Ferienbeginn auf e i n Wochenende fällt?
Herr Kollege, Sie können davon ausgehen, daß sich die Bundesregierung immer bemüht, zu einer Regelung zu kommen, in der der Ferienbeginn der verschiedenen Bundesländer und der Nachbarländer, von denen aus viele Reisende durch die Bundesrepublik über unsere Straßen fahren, so weit entzerrt wird, wie das möglich ist. Ich möchte nur noch einmal darauf hinweisen, daß der Bund hier keine Kompetenzen hat. Er ist auf das gute Zusammenwirken aller beteiligten deutschen und internationalen Stellen angewiesen.
Eine weitere Zusatzfrage wird nicht gestellt.
Dann rufe ich die Frage 78 des Herrn Abgeordneten Dr. Laufs auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, das Anliegen der Lärmsanierung an bestehenden Bundesfernstraßen mit weiteren Sonderprogrammen ähnlich dem Bund-Länder-Programm für Zukunftsinvestitionen aufzugreifen, oder wird sie die Schaffung besonderer Rechtsgrundlagen etwa im Rahmen eines Verkehrslärmschutzgesetzes anstreben?
Herr Kollege, die Bundesregierung hat im Entwurf des Bundeshaushalts 1978 Mittel für Schallschutzmaßnahmen an bestehenden Bundesfernstraßen sowie für Schallschutz an Gebäuden im Bereich von Bundesfernstraßen in Form von Entschädigungsleistungen vorgesehen. Die Bundesregierung hat deshalb davon abgesehen, ein weiteres Sonderprogramm für die Lärmsanierung an bestehenden Bundesfernstraßen zu schaffen. Die Überlegungen, ob besondere Rechtsgrundlagen im Rahmen eines Verkehrslärmschutzgesetzes geschaffen werden sollen, sind noch nicht abgeschlossen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Laufs.
Herr Staatssekretär, welchen Zusammenhang sieht die Bundesregierung zwischen der gegenwärtig diskutierten Festsetzung von Immissionshöchstwerten für neue Bundesfernstraßen und dem Erfordernis der Lärmsanierung an bereits bestehenden Bundesstraßen?
Der Zusammenhang zwischen den von Ihnen angesprochenen verschiedenen Kategorien ist nicht gesetzlich zu fixieren. Ich verweise auf das Bundesimmissionsschutzgesetz, das uns für den Neubau von Straßen eine besondere Verpflichtung zum Lärmschutz auferlegt. Natürlich
gibt es einen Zusammenhang, weil es langfristig niemandem begreiflich zu machen ist, daß Bürger, die an Straßen wohnen, die neu gebaut werden, gegen unzumutbaren Lärm geschützt werden sollen, während Bürger, die an schon bestehenden Straßen wohnen, diesen Lärm ertragen müssen. Dieser Zusammenhang ist also nicht zu übersehen. Deswegen bemüht sich die Bundesregierung im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten, durch Bereitstellung von Haushaltsmitteln Lärmschutz auch an schon vorhandenen Straßen anzubringen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Laufs.
Herr Staatssekretär, geht die Bundesregierung davon aus, daß sich die schon in der Vergangenheit belasteten Bürger an den Lärm gewöhnt haben und nicht im gleichen Umfang des Schallschutzes bedürfen wie die Bürger, die entlang der neuen Bundesfernstraßen wohnen?
Nein, Herr Kollege, davon geht die Bundesregierung nicht aus. Ich habe vorhin die rechtlichen Zusammenhänge erläutert. Das Bundesimmissionsschutzgesetz verpflichtet uns zu Lärmschutzregelungen bei Neubau von Bundesfernstraßen. Die Bundesregierung ist darüber hinaus der Auffassung - ich habe es dargelegt -, daß langfristig natürlich auch Lärmschutz an schon vorhandenen Straßen angebracht werden muß. Nur ist dies ein finanzielles Problem in einer Größenordnung, die niemand übersehen sollte. Deswegen kann das nicht innerhalb eines kurzen Zeitraumes realisiert werden. Wir werden viele Jahre benötigen, um dieses Problem in den Griff zu bekommen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jäger ({0}).
Herr Staatssekretär, wie will die Bundesregierung ihr Ziel erreichen, das sie im Frühjahr dieses Jahres in einer Antwort auf eine Frage von mir mitgeteilt hat, daß die Lärmschutzwerte noch im Verlauf des Jahres 1977 festgelegt werden, wenn Sie uns eben erklärt haben, daß sie sich noch nicht einmal darüber endgültig im klaren sei, ob dies durch ein Gesetz oder auf Grund einer Verordnung erfolgen solle, wie sie nach dem bisherigen Immissionsschutzgesetz vorgesehen war?
Herr Kollege Jäger, ich habe das zwar eben nicht erklärt, aber Sie wissen das, ohne daß ich Ihnen das gesagt habe. Deswegen darf ich davon ausgehen, daß Ihnen die Zusammenhänge bekannt sind. Es handelt sich um eine sehr komplizierte Materie, bei der verschiedene Bundesressorts und besonders die Bundesländer und die Gemeinden zumindest in der Anhörung zu beteiligen sind. Es ist völlig klar, daß bei der gesetzlichen oder verordnungsmäßigen Regelung einer Frage, die nachher ganz enorme finanzielle Auswirkungen hat, alle, die dann zur Kasse gebeten werden - und das sind auch die Länder und die Gemeinden - im Rahmen der ihnen gebotenen Einwirkungsmöglichkeiten mitarbeiten möchten. Darum ist das so kompliziert. Deswegen hat sich dies leider in der Realisierung etwas verzögert. Ich gehe dennoch davon aus, daß die Entscheidung, was den Bund angeht, noch in diesem Jahr fällt.
Meine Damen und Herren, es werden keine weiteren Fragen hierzu gestellt.
Die Fragesteller der Fragen 79, 80, 81 und 82 bitten um schriftliche Beantwortung. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 83 des Herrn Abgeordneten Dr. Kunz ({0}) auf:
Ist die Bundesregierung bereit, dem zweibahnigen Ausbau von neuen Autobahnen mit Erschließungsfunktion in den marktfernen Lagen Vorrang einzuräumen vor der Verwendung von Haushaltsmitteln zur nachträglichen Durchführung von Lärmbekämpfungsmaßnahmen bei schon bestehenden Autobahnen?
Zur Beantwortung hat der Herr Parlamentarischer Staatssekretär das Wort.
Herr Kollege, die Bundesregierung ist nicht bereit, Haushaltsmittel, die für den Lärmschutz an bestehenden Autobahnen vorgesehen sind, zugunsten der Entschließung von marktfernen Gebieten umzuschichten. Der Lärmschutz an Straßen - ich beziehe mich auf das, was ich eben erläutert habe - hat eine derartige Bedeutung, daß keine Neubaumaßnahmen zu Lasten der hierfür bereitgestellten Haushaltsmittel durchgeführt werden können.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Kunz ({0}).
Herr Staatssekretär, wie verhält es sich mit meiner Forderung nach dem Vorrang des Ausbaues zweispuriger Autobahnen vor nachträglichen Lärmbekämpfungsmaßnahmen an bestehenden Autobahnen, und zwar in die Zukunft gerichtet - nicht, wovon Sie ausgegangen sind, auf die zur Zeit vorgesehenen Haushaltsmittel bezogen?
Es gibt zwischen diesen zwei Punkten überhaupt keinen sachlichen Zusammenhang. Der Ausbau der Bundesfernstraßen vollzieht sich auf der Grundlage des Gesetzes zum Ausbau der Bundesfernstraßen und der Anlage zu diesem Gesetz, nämlich des Bedarfsplans über den Ausbau der Bundesfernstraßen. Hier ist durch einen Beschluß des Deutschen Bundestags - der, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, einstimmig gefaßt wurde - genau festgelegt worden, welche Straßen in welcher Ausbaubreite - zweispurig oder vierspurig - im Zeitraum der Gültigkeit dieses Gesetzes, der bis zum Jahr 1980 reicht, ausgebaut werden können. Straßen, die in diesem Gesetz nicht für den Ausbau vorgesehen sind, können also nicht ausgebaut werden, weil das Gesetz es nicht vorsieht. Die Anbringung von Lärmschutz an vorhandenen Autobahnen wird anders finanziert. Dafür gibt es gesonderte Haushaltsmittel. Sie können nicht zur Fi4472
nanzierung von Straßenbaumaßnahmen in Anspruch genommen werden, die nach dem Gesetz nicht finanziert werden dürfen.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Kunz ({0}).
Herr Staatssekretär, da die Ausbaugeschwindigkeit von der Bereitstellung entsprechender Haushaltsmittel abhängt und diese nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen, frage ich Sie, ob die Bundesregierung bereit ist, die notwendigen Haushaltsmittel zur Verfügung zu stellen, um den Ausbau von zweispurigen Autobahnen in den marktfernen Gebieten im vorgesehenen Zeitraum durchzuführen.
Herr Kollege, ich verweise noch einmal auf folgendes: Der Ausbau der Bundesfernstraßen vollzieht sich auf Grund des Gesetzes, das der Bundestag beschlossen hat. Straßen, die in diesem Gesetz nicht zum Ausbau vorgesehen sind, können nicht gebaut werden. Sie können bei der Fortschreibung dieses Gesetzes, die für das Jahr 1980 vorgesehen ist, in die Überprüfung einbezogen und dann unter Umständen ausgebaut werden. Das ist das eine.
Das andere ist: Der Vollzug des Ausbaus von Bundesfernstraßen leidet nicht so sehr darunter, daß nicht genügend Geld zur Verfügung steht. Wir haben in einigen Bundesländern sogar eine völlig gegenteilige Entwicklung. Er leidet viel mehr darunter, daß wir im Planverfahren durch Einwände von Bürgern - von einzelnen oder Gruppen oder Bürgerinitiativen - gehindert werden, die Straßen in dem vorgesehenen Zeitraum auszubauen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Der Fragesteller der Frage .84 bittet um schriftliche Beantwortung. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zur Frage 85 des Herrn Abgeordneten Horstmeier.
Hält die Bundesregierung es bei der heutigen Arbeitsmarktlage der Fahrlehrer noch für zulässig, daß sich Fahrlehrer der Bundeswehr nebenher als Fahrlehrer im zivilen Bereich betätigen, und wenn ja, wie begründet sie das?
Zur Beantwortung hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär das Wort.
Herr Kollege, die Möglichkeit für Bundeswehrfahrlehrer, nebenberufliche Tätigkeiten in zivilen Fahrschulen auszuüben, ergibt sich aus der Verordnung über die Nebentätigkeit der Bundesbeamten, Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit vom 28. August 1974. Diese Verordnung gestattet generell, Tätigkeiten außerhalb der Bundeswehr auszuüben, wenn dienstliche Gründe dem nicht entgegenstehen. Die Bundesregierung sieht keinen Anlaß, die Beschäftigung in zivilen Fahrschulen hiervon auszuschließen. Nach den Informationen der Bundesregierung besteht gegenwärtig ein zusätzlicher Bedarf an Fahrlehrern in zivilen
Fahrschulen, der nicht allein mit den neu zugelassenen zivilen Fahrlehrern gedeckt werden kann.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Horstmeier.
Herr Staatssekretär, hält es die Bundesregierung mit den Regeln des Wettbewerbs für vereinbar, wenn Beamte, Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit durch eine nebenberufliche Tätigkeit eine Verzerrung des Fahrlehrerangebots hervorrufen?
Herr Kollege, ich habe in meiner ersten Antwort darauf verwiesen, daß die Möglichkeit dieser Nebentätigkeit gesehen werden muß im Zusammenhang mit den gesetzlichen Bestimmungen, die auch andere Nebentätigkeiten regeln. Die Bundesregierung sieht keine Veranlassung, für einen ganz bestimmten Berufszweig hiervon eine Ausnahme zu machen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Horstmeier.
Sieht die Bundesregierung nur diese Regelung und nicht den Arbeitsmarkt?
Herr Kollege, die Bundesregierung sieht natürlich auch den Arbeitsmarkt. Aber hier liegt eine gesetzliche Regelung vor, die geändert werden müßte. Die Bundesregierung sieht nicht die Notwendigkeit, für einen ganz bestimmten Berufszweig eine Änderung vorzunehmen. Wer hier etwas ändern will, müßte dann den Gesamtkomplex der Nebentätigkeit ins Auge fassen. Dafür sieht die Bundesregierung keine Veranlassung.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller.
Würden Sie einmal neue Überlegungen anstellen, wenn dies aus arbeitsmarktpolitischen Gründen erforderlich wäre?
Herr Kollege, die Bundesregierung ist immer verpflichtet, im Zusammenhang mit der arbeitsmarktpolitischen Situation Überlegungen anzustellen. Sie können davon ausgehen, daß sie auch in diesen Fällen Überlegungen anstellt.
Ich rufe die Frage 86 des Herrn Abgeordneten Horstmeier auf:
Hält die Bundesregierung es für angebracht, zum Fahrlehrergesetz eine Gebührenordnung zu erlassen und somit den § 19 dieses Gesetzes zu ändern?
Herr Kollege, die Antwort auf Ihre Frage lautet: Nein.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? - Da dies nicht der Fall ist, rufe ich die Frage 87 des Herrn Abgeordneten Conradi auf:
Deutscher Bundestag - 8. Wahlperiode -.
Präsident Carstens
Trifft es zu, daß die Bundesregierung die Ausbaustandards für Bundesfernstraßen auch auf innerörtliche Strecken ausdehnt, und ist die Bundesregierung sich darüber im klaren, daß dies nicht nur erheblich höhere finanzielle Aufwendungen, sondern auch Verluste an baulicher und sozialer Stadtsubstanz nach sich ziehen muß?
Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär.
Herr Kollege Conradi, die Bundesregierung beabsichtigt nicht, die bisher angewandten Ausbaustandards für innerörtliche Strecken der Bundesfernstraßen zu ändern.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgegeordneter Conradi.
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung meine Auffassung, daß die Bedürfnisse des Individualverkehrs in der Stadtplanung nicht Vorrang vor anderen Bedürfnissen haben können, sondern mit anderen Bedürfnissen der Planung abzustimmen sind?
Herr Kollege Conradi, die Bundesregierung teilt diese Auffassung. Sie verfährt aber auch so.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Conradi.
Herr Staatssekretär, sehen Sie den Verlust an gemeindlicher Entscheidungsfreiheit und damit kommunaler Selbstverwaltung, der entsteht, wenn die Richtlinien für Straßenbaustandards der Planung vorgegeben werden und damit die Entscheidung des Gemeinderats ersetzt wird durch die Richtlinienentscheidung der vorgesetzten Behörden?
Herr Kollege, ich muß zunächst darauf verweisen, daß der Bund die Baulast für Straßen nur in Städten unter 80 000 Einwohnern hat. Dies ist Ihnen bekannt. Ich muß weiter unterstellen, daß es richtig ist, daß sich der Ausbau der Straßen in diesen Städten, wo der Bund die Zuständigkeit hat, nach bestimmten einheitlichen Standards vollziehen muß.
Ich rufe die Frage 88 des Herrn Abgeordneten Conradi auf:
Trifft es zu, daß kommunale Investitionsvorhaben im Tiefbau zurückgestellt werden müssen, weil die überhöhten Ausbaustandards die Planung und Realisierung vorgesehener Straßenbaumaßnahmen in den Gemeinden verzögern, zum Teil unmöglich machen?
Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär.
Herr Kollege, von einer Zurückstellung kommunaler Investitionsvorhaben im Tiefbau wegen überhöhter Ausbaustandards von Straßenbaumaßnahmen ist der Bundesregierung nichts bekannt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Conradi.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie die Tatsache, daß eine Stadt einen seit langem notwendigen zweispurigen Tunnel für eine Straße nicht genehmigt bekommt mit der Begründung, die Standards verlangten einen vierspurigen Ausbau, so daß dieses Investitionsprojekt unterbleibt, weil die Stadt nicht willens bzw. nicht in der Lage ist, den Ausbau nach den Richtlinien zu betreiben?
Herr Kollege, ich kann diesen Fall nicht beurteilen, weil es ein Einzelfall ist, der noch nicht an mich herangetragen worden ist. Im übrigen sehe ich nicht den Zusammenhang zu den Ausbaustandards, ob das zwei- oder vierspurig ausgebaut werden soll. Diese Entscheidung richtet sich danach, ob das prognostizierte Verkehrsaufkommen die Notwendigkeit eines solchen Straßenbaus begründet. Aber, wie gesagt, es handelt sich um einen Einzelfall, zu dem ich nicht konkret Stellung nehmen kann.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Conradi.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir darin zustimmen, daß die Anwendung von Richtlinien und Standards im Straßenbau die Aussage mancher Stadtplaner rechtfertigt, die sagen: Stadtplanung ist das, was übrigbleibt, wenn die Verkehrsplaner festgelegt haben, welche Flächen sie für den Verkehr brauchen?
Nein, dieser Aussage kann ficht nicht zustimmen.
Die Fragen 89 des Abgeordneten Reddemann, 90 und 91 des Abgeordneten Dr. Reimers und 92 der Abgeordneten Frau Dr. Däubler-Gmelin sollen nach dem Verlangen der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir haben damit den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr abgehandelt. Ich danke dem Herrn Parlamentarischen Staatssekretär und schließe die Fragestunde.
Wir fahren in der Aussprache zu Punkt 2 der Tagesordnung, der Großen Anfrage hinsichtlich der Lage der Städte, Gemeinden und Kreise fort. Das Wort hat der Herr Innenminister des Landes Schleswig-Holstein.
Minister Titzck ({0}) : Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die Kommunaldebatte hier heute im Deutschen Bundestag gibt Anlaß, daß auch Vertreter der Bundesländer, denen die kommunalen Gebietskörperschaften räumlich und auch aus anderen Gründen etwas näher als dem Bunde stehen, das Wort nehmen.
Die kommunale Selbstverwaltung in Deutschland und ihre ehrenamtlichen und hauptberuflichen Repräsentanten haben es verdient, heute im Mittelpunkt einer Aussprache im Deutschen Bundestag zu
Minister Titzck
stehen. Diese Aussprache ist notwendig. In jedem Fall ist sie geeignet, den hohen Rang der kommunalen Selbstverwaltung in unserem Staatsaufbau in das Bewußtsein einer breiteren Öffentlichkeit zu rücken. Die erfolgreiche orts-, problem- und bürgernahe Arbeit Zehntausender von Mitbürgern als Gemeindevertreter, als Kreistagsabgeordnete oder in vielen anderen Ämtern der kommunalen Selbstverwaltung und das rege kommunalpolitische Leben draußen in unseren Städten, in unseren Kreisen, Am-tern und in unseren Dörfern beweisen, daß die kommunale Selbstverwaltung auf einer breiten Grundlage in unserer Bevölkerung ruht und im Bewußtsein der Bevölkerung einen festen Platz hat. Wir wissen, daß sich in dieser täglichen praktischen Arbeit die freiheitliche Verfassung unseres Staates verwirklicht.
Die Kommunen sind nach dem Willen des Grundgesetzes und in der politischen Wirklichkeit der Bundesrepublik Deutschland die demokratischen Bausteine eines demokratischen Staates. Die kommunale Selbstverwaltung ist deshalb Ausdruck einer großen, die gesamte staatliche Existenz tragenden Idee. Aber: Diese Idee muß die Menschen auch erreichen. Die kommunale Selbstverwaltung lebt von der aktiven Teilnahme der Bürger an der Gestaltung ihrer örtlichen Gemeinschaft. Sie kann ihre beiden wichtigsten Funktionen, die Legitimation öffentlicher Gewalt zu verstärken und die Menschen in das Gemeinwesen zu integrieren, nur dann erfüllen, wenn es gelingt, auch in Zukunft eine möglichst große Zahl von Menschen an die kommunale Selbstverwaltung heranzuführen.
Ich sehe jedoch Entwicklungen, die die kommunale Selbstverwaltung in ihrer Substanz gefährden. Erstens: Sie droht in einer Gesetzesflut zu ersticken. Davon war heute morgen schon die Rede; ich werde darauf noch eingehen. Zweitens: Sie wird durch sogenannte Bürgerinitiativen zunehmend unterlaufen. Drittens: Ihr wird durch den Bund eine aufgabengerechte Steuerausstattung vorenthalten. Viertens: Sie ist durch sogenannte Gebietsreformen, die zum Teil jedes Augenmaß vermissen lassen, und durch andere Zentralisierungstendenzen ins Mark getroffen.
Zur Gebietsreform hat der Herr Bundeskanzler in seiner unnachahmlichen Rede vor der Mitgliederversammlung des Deutschen Städte- und Gemeindebundes am 27. Oktober das Notwendige gesagt. Ich kann das nur unterstreichen. Geschichtliche Zusammenhänge, örtliche Verbundenheit, Überschaubarkeit, Bewahrung demokratischer Substanz und Erhaltung dörflicher, klein- und mittelstädtischer Individualität sind für mich manchmal wichtiger als Verwaltungsrationalität. Ich sehe mit Interesse, wie die Faszination der großen Zahl heute, in unseren Tagen, von Ernüchterung abgelöst wird. Diejenigen Bundesländer, die wie Schleswig-Holstein, an notwendige gebietliche Neuordnungen mit Zurückhaltung und Augenmaß herangegangen sind, könnten sich durch diese Entwicklung und durch den Herrn Bundeskanzler nur bestätigt fühlen. Aber der anderswo eingetretene Schaden für die kommunale Selbstverwaltung ist ebenso groß wie die Unfähigkeit zur Umkehr.
In zunehmendem Maße werden immer weitere Lebensbereiche vom Staat reglementiert. Viele Gesetzesinitiativen folgen dabei perfektionistischen Vorstellungen, alle Zuständigkeiten in die öffentliche Hand zu legen. Die Gemeinden sehen sich einer Flut von Gesetzen, Verordnungen, Richtlinien, Programmen und Plänen gegenüber, die ihnen dann in weiten Teilen zur Ausführung übertragen werden. Diese Ubersteigerung der Gesetzgebung hat der Selbstverwaltung Lasten und Sorgen aufgebürdet, die an die Grenzen der Funktionsfähigkeit und an die Grenzen der Funktionstüchtigkeit führen müssen. Eine umfassende Reglementierung engt auch den Freiheitsraum der Bürger ein. Sie lähmt die Entscheidungsfreudigkeit der Verwaltung.
Wir alle sollten uns deshalb entsprechend den kommunalpolitischen Vorstellungen der Unionsparteien und entsprechend den Vorstellungen der schleswig-holsteinischen Landesregierung zu gemeinsamer Anstrengung verbinden, den kommunalen Gebietskörperschaften durch eine Begrenzung staatlichen Handelns den erforderlichen Freiraum zu erhalten oder ihn wiederherzustellen.
({1})
Das setzt allerdings, meine Damen und Herren von der SPD, eine Korrektur Ihres Kommunalprogramms voraus.
Eine gewisse Zurückhaltung bei der Übernahme neuer Aufgaben sollte auch die Kommunen leiten. Der schleswig-holsteinische Landtag hat dazu mit Mehrheit ein Signal gesetzt. Er hat sich bei der Novellierung des kommunalen Verfassungsrechts ausdrücklich zur Privatisierung bekannt, zum einen bei der Beschreibung der öffentlichen kommunalen Aufgaben und zum anderen beim Recht der wirtschaftlichen Betätigung. Das Recht der Kommunen, sich wirtschaftlich zu betätigen, folgt zwar grundsätzlich aus ihrem Recht zur Selbstverwaltung. Die wirtschaftliche Betätigung muß aber dort eine Grenze haben, wo sie wirtschaftlicher und besser durch Private ausgeführt werden kann.
Es liegt im Interesse der Gemeinden, aber auch im Interesse einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung, privatwirtschaftlichen Initiativen insoweit den Vorrang einzuräumen.
({2})
- Ich komme darauf.
({3})
Im Bereich der öffentlichen Aufgaben muß das Verhältnis von öffentlicher und privater Aufgabenerfüllung differenzierter gesehen werden. Gleichwohl ist auch hier die freie Initiative der Bürger häufig die beste Form, dem Gemeinwohl zu dienen. Ich denke an das weite Feld der sozialen Dienste und der kulturellen Arbeit.
({4})
An dieser Stelle ein Wort zu den Bürgerinitiativen, die heute morgen in der Erörterung hier bereits einen großen Raum eingenommen haben. Die
Minister Titzck
Bürger nehmen heute in viel stärkerem Maße als noch vor einigen Jahren daran Anteil, welche .Aufgaben in ihrer örtlichen Gemeinschaft zur Lösung anstehen und wie sie bewältigt werden sollen. Hieraus ergeben sich enge Wechselbeziehungen zwischen den kommunalen Mandatsträgern und den Bürgern, die sie repräsentieren. Ich halte diese Wechselbeziehungen für gut. Ich begrüße auch ausdrücklich das Selbstbewußtsein, mit dem der mündige Bürger in unserer Demokratie seine Interessen vertritt. Ich würde es allerdings lieber sehen, wenn entsprechend dem Willen und den Vorstellungen des Grundgesetzes unsere Mitbürger dies innerhalb der staatstragenden Parteien täten. Aufgeschlossenheit, Interesse und Zivilcourage sind die Tugenden, die in der Beteiligung der Bürgerschaft an öffentlichen Angelegenheiten wieder zutage treten. Aus diesen Quellen wird die kommunale Selbstverwaltung seit jeher gespeist.
Wir treten ein für den mündigen Bürger, der seine und seiner Mitbürger Interessen vertritt und mit seiner Meinung das politische Leben in seiner Gemeinde bereichert. Wir begrüßen den Gedankenaustausch und die enge Zusammenarbeit mit den Bürgern. Verantwortung und Entscheidungsfreiheit müssen aber bei den demokratisch gewählten Volksvertretern bleiben.
({5})
Der Staat - und dazu gehören untrennbar unsere Gemeinden - muß handlungsfähig bleiben.
({6})
Keine Bürgerinitiative, kein organisiertes Verbandsinteresse kann für sich in Anspruch nehmen, das letzte, das entscheidende Wort zu sprechen. Wer, wie in Teilen die SPD und die FDP, die repräsentative Demokratie auch nur andeutungsweise in Frage stellt - auch das klang heute morgen bei der Frage des Bürgerbegehrens an -, der erweist der kommunalen Selbstverwaltung und dem Gemeinwohl einen schlechten Dienst.
({7})
Diese Politik würde nicht zu größerer Bürgernähe führen, sondern nur dazu, daß sich einige wenige in den Vordergrund spielen und ihre egoistischen Sonderinteressen gegen das Gemeinwohl durchzusetzen versuchen. Nur der gewählte Vertreter ist dem Gemeinwohl verpflichtet und der Gesamtheit verantwortlich.
Die Antwort der Bundesregierung auf die Frage nach den Ursachen der in den letzten Jahren sprunghaft gestiegenen Anzahl von Bürgerinitiativen ist für mich unbefriedigend. Die Bundesregierung sieht als Ursache nur das „gestiegene Engagement der Bürger zum aktiven Mitwirken bei der Regelung öffentlicher Angelegenheiten". Ist das wirklich so, Herr Kollege Maihofer? Haben Sie dabei auch an die Bürgerinitiative von Bergkamen gedacht, die ihre Umweltschutzbedenken gegen hohe Schweigegelder zurückzustellen bereit war, oder an die Auseinandersetzung von Brokdorf und Grohnde, in denen unter der Tarnkappe von Bürgerinitiativen in Wahrheit unser Staat bekämpft wurde?
Meine Damen und Herren, ich sehe aus der praktischen Erfahrung vor Ort ganz andere Ursachen als die Bundesregierung. Die Reformeuphorie, mit der diese Regierungskoalition angetreten ist, hat eine Inflation von Ansprüchen an die öffentlichen Hände produziert.
({8})
Organisierte Gruppen haben sie sich zunehmend zu eigen gemacht. Dadurch ist die Bereitschaft, eigene Interessen, wenn auch nur zeitweilig, gegenüber den Interessen des Gemeinwohls zurückzustellen, weitgehend verkümmert. Immer weitere Lebensbereiche werden vom Staat - insbesondere durch die Bundesgesetzgebung - in seine Planung einbezogen. Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten des Bürgers werden immer mehr begrenzt. Auch macht es dieser Regelungsperfektionismus in der Gesetzgebung dem Bürger oft unmöglich, die parlamentarisch getroffenen Entscheidungen noch als sinnvoll zu erkennen. Das Gesetz wird dann zur Plage, und man könnte sagen, wenn man aus einem von Bonn sehr entfernten Bundesland kommt: Bonner Theorie ist, wenn man alles weiß und in der Praxis nichts läuft; kommunale Praxis ist, wenn man nichts weiß und alles läuft.
({9})
Der Spielraum der kommunalen Selbstverwaltung ist durch eine ständig wachsende Einbindung in staatliche Gesetze, Pläne und Haushalte immer mehr eingeengt worden. Dadurch - und das halte ich für besorgniserregend - wird die Anziehungskraft der kommunalen Selbstverwaltung für den Bürger, gerade an der nach unserem Verfassungssystem prädestinierten Stelle an der Regelung öffentlicher Angelegenheiten mitzuwirken, gemindert. Zusätzlich zwingen staatliche Förderungsprogramme die Kommunen häufig, die ursprünglichen eigenen Planungen und Prioritäten zu vernachlässigen. Das ist uns heute morgen sehr anschaulich vor Augen geführt worden. Auch dieses trägt nicht dazu bei, die kommunale Selbstverwaltung für den Bürger attraktiv zu erhalten.
In diesem Zusammenhang ist auch auf die Diskussion um die sogenannte Verbandsklage aus der Sicht des Bundeslandes Schleswig-Holstein einzugehen, die von Mitgliedern dieser Bundesregierung gelegentlich als Hilfsmittel zur Erreichung größerer Bürgernähe in unseren Entscheidungen angepriesen wird. Die von der Bundesregierung ins Auge gefaßte eigenständige Beteiligung von Verbänden an verwaltungsgerichtlichen Verfahren käme auch Bürgerinitiativen zugute, die Verbandscharakter haben. Das würde aber gerade diejenigen stärken, die sich ohne demokratische Legitimation anmaßen, allein Hüter des öffentlichen Gemeinwohls gegenüber den gewählten demokratischen Institutionen zu sein. Eine solche Klagebefugnis widerspricht dem Prinzip unserer Rechtssystematik insbesondere im verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Ein Klagerecht wird danach nur demjenigen zuerkannt, der in sei4476
Minister Titzck
nen eigenen Rechten verletzt ist, also dem unmittelbar Betroffenen.
({10})
Schwerwiegender sind aber noch die verfassungspolitischen Bedenken. Zur Wahrung öffentlicher Interessen und damit des Gemeinwohls sind allein die gewählten kommunalen Vertretungskörperschaften, die Parlamente und Regierungen, berufen. Herr Kollege Maihofer, ich bitte Sie ebenso dringend wie herzlich: Lassen Sie die Finger von der Verbandsklage! Sie machen der kommunalen Selbstverwaltung das Leben sonst nur noch schwerer.
({11})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine angemessene, d. h. aufgabengerechte Steuer- und Finanzausstattung ist unentbehrliche Grundlage für eine lebendige kommunale Selbstverwaltung. Auch wenn die juristische Konstruktion unseres Verfassungsrechts auf einen zweistufigen Staatsaufbau hin angelegt ist, stehen Bund, Länder und Gemeinden in ihrer verfassungspolitischen Wertigkeit doch gleichrangig nebeneinander. Deshalb müssen die Gemeinden auch finanziell gleichwertig wie Bund und Länder ausgestattet sein, um als bürgernächste Ebene -dies ist für mich der entscheidende Punkt - eigenverantwortlich ihre vielfältigen Aufgaben erfüllen zu können.
Die Bundesregierung macht es sich daher zu leicht und reagiert in der Sache unangemessen, wenn sie in der Antwort auf die Große Anfrage sagt: Die Länder sind verantwortlich für die Finanzausstattung ihrer Gemeinden. - Die Bundesregierung macht damit zugleich deutlich, daß die Finanzausstattung der Kommunen in ihren Augen offenbar lediglich ein quantitatives und weniger ein qualitatives Problem ist.
Hier ist heute morgen auch Schleswig-Holstein angesprochen worden. Der Herr Bundesfinanzminister, der im Augenblick leider nicht da ist, hat „liebevoll" von uns in Schleswig-Holstein gesprochen. Wir scheuen diese Auseinandersetzung nicht, weder hier noch in Kiel. Das finanzschwache Bundesland Schleswig-Holstein leistet für seine kommunalen Gebietskörperschaften das ihm Mögliche und noch mehr. Schleswig-Holstein hat sich selbst stärker verschuldet, als es dies seinen Kommunen zugemutet hat. Unter den Flächenländern hat Schleswig-Holstein die höchste Verschuldung je Einwohner, während seine Kommunen die vergleichsweise geringste Verschuldung aufweisen. Die kommunale Finanzausgleichsmasse 1978 wird bei uns gegenüber dem laufenden Haushaltsjahr um 10,6 % steigen, die Schlüselmasse um fast 12 %. Über den Finanzausgleich hinaus stellt Schleswig-Holstein zur Stärkung der kommunalen Investitionskraft und damit zur Belebung von Wirtschaft und Konjunktur Finanzierungsmittel zur Verfügung, die im Jahre 1978 um 24 % höher sein werden als im Jahre 1977. Kurzum, Schleswig-Holstein weiß, was es der kommunalen Selbstverwaltung schuldig ist. Einer Ermahnung seitens der Bundesregierung bedurfte es also heute morgen nicht.
Die Kommunen brauchen jedoch einen aufgabengerechten Anteil am Gesamtsteueraufkommen. Nur der Bundesgesetzgeber kann diesen Anteil gewähren. Er ist nach Lage der Dinge allein durch eine Fortführung der 1969 durch die Regierung Kiesinger mit großen Hoffnungen eingeleiteten Gemeindefinanzreform des Bundes zu erreichen. Die Verwirklichung des von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erhöhung des gemeindlichen Anteils an der Einkommensteuer von 14 auf 15 % könnte dazu ein erster wirksamer Schritt sein, und zwar deshalb ein erster Schritt, weil mit ihm lediglich der Zustand, d. h. der kommunale Anteil am Steueraufkommen, wiederhergestellt würde, der ohne die steuerlichen Auswirkungen der Bundessteuergesetzgebung dieses Jahres bestände.
Meine Damen und Herren, ihrer Verpflichtung kann sich die Bundesregierung auch nicht mit dem unseriösen Verlangen nach mehr „Mut zur Verschuldung" entziehen. Wer nicht zugleich aufweist, wie die laufenden Zins- und Tilgungsleistungen aufzubringen sind, rät zum finanziellen Abenteuer. Wir lehnen das in Schleswig-Holstein ab. Unsere Gemeinden haben überwiegend die Grenze der Verschuldungsfähigkeit erreicht, zum Teil überschritten. Höhere Schulden also lösen die Probleme nicht. Die Kommunen brauchen mehr, sie brauchen besseres Geld.
Die Bundesregierung und die Mehrheit in diesem Hohen Hause bleiben deshalb aufgefordert: Lassen Sie die Kommunen nicht im Stich, sichern und erhöhen Sie die gefährdete, für die Gesamtentwicklung notwendige Investitionskraft der Kommunen! Sorgen Sie aus Ihrer Gesamtverantwortung für die Bundesrepublik Deutschland gemeinsam mit uns Ländern dafür, daß die kommunale Selbstverwaltung in Deutschland handlungsfähig bleibt!
({12})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Penner.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unsere Städte haben viel von ihrer ehemaligen geschichtlichen und heimatlichen Eigenart verloren.
({0})
Industrialisierung und Mobilität der Bevölkerung lassen Lokalpatriotismus nur in Resten übrig. Eine Motivation zur Kommunalpolitik ist daraus kaum noch zu gewinnen. Dabei ist es doch überaus wichtig, Interesse und Engagement des Bürgers für die Verwaltung seiner Angelegenheiten weiterhin wachzuhalten.
({1})
Wer mit dem Haushalt einer Stadt in der Hand Schwerpunkte setzen will, muß sich aber genauso einarbeiten über einige Zeit wie andere Politiker auch. Die besondere Nähe als eine Art des Impulses zur Politik kann das nicht überdecken. Das Erfordernis konstruktiver, rationaler Diskussion, der Kontrolle über eine Verwaltung mit einem ungeheuren
Vorsprung an Sachwissen - darüber weiß jeder Stadtverordnete sicherlich ein Lied zu singen -, die zeitliche Inanspruchnahme von Stadtverordneten für Sitzungen und allein das Lesen der Vorlagen -das alles ist letztlich Ursache für eine bedenkliche Entwicklung. Tendenziell scheinen nur noch Angehörige des öffentlichen Dienstes zu diesem Dienst am Bürger bereit und in der Lage zu sein.
Es ist jedoch Aufgabe der Parteien, möglichst viele Gruppen unseres Volkes an der politischen Willensbildung teilhaben zu lassen. Ich meine, wir sollten das alle einmal sehr ernst bedenken.
Kommunalpolitik lebt vom Einsatz ehrenamtlich tätiger Mandatsträger.
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Die Chance, über ein Ratsmitglied individuelle Kontakte an das politische System und an Entscheidungsgremien heranzutragen, kann einen wesentlichen Teil latent immer vorhandenen Protestpotentials kanalisieren und damit weitgehend anonymen und undurchschaubaren Verwaltungsapparaturen sowie den Parteien selbst notwendige Massenloyalität sichern. Protest wird durch Gespräch abgefangen. Das ist die Quintessenz daraus.
Allerdings, kommunale Gebietsreformen haben vielen Stadtverordneten den Platz in der lokalen Politik genommen. Das wäre nur für sie beklagenswert, wenn nicht zugleich eine Menge demokratischer Kraft verlorenginge. Die nachträgliche Schaffung von Bezirks- und Stadtteilausschüssen hat zwar einiges wieder ins Lot gebracht, aber längst nicht alles. Vom Gesichtspunkt des Bürgers sind Ratsmitglieder, sofern sie allzu viele Wähler in ihrem Wahlkreis zu betreuen haben und sich letztlich wegen der ohnehin großen Belastungen aus dieser Teilfunktion zurückziehen, viel zu fern und viel zu unbekannt. Wer also nur an Verwaltungsvereinfachung denkt, an Ersparnis durch Rationalisierung und durch größere Organisationen, opfert ehrenamtliches politisches Potential, macht die Wege für den Bürger länger, die Verwaltung noch undurchschaubarer und komplizierter. Er verursacht dem Bürger höheren Aufwand und letztlich dem politischen Ordnungssystem Kosten nicht nur finanzieller Art.
Bürgerzorn regt sich, wo man einfach nur zwei Städte aneinanderklebt und einen neuen Namen erfindet. Da ist von Bundesländern einiger Schaden angerichtet worden. Bürgerinitiativen entstehen, selbstverständlich nicht nur aus dem Grund, daß die Parteien und ihre Mandatsträger in der Bevölkerung nicht fest genug verwurzelt sind. Sie entstehen auch, weil die Bereitschaft, Nachteile zu tragen, enorm gesunken ist.
Bürgerinitiativen können die Demokratie beleben. Das ist wahr. Aber viel zu oft sind sie nur Tarnfirma für eine Interessenvertretung der wenigen, die das gemeine Wohl, das öffentliche Interesse nur sehr distanziert sehen oder auf Vordringlichkeit ihrer je besonderen Bedürfnisse pochen. Das ist eine Herausforderung an Parteien einerseits, an Gemeinden und Städte andererseits.
Bürgerinitiativen zielen durchweg nur auf einen Zweck. Ihre Zahl nimmt zu. Manche verstehen sich schon fast als Partei, ohne deren Ordnung und Maßstäbe zu übernehmen. Sie tragen Verantwortung manchmal überhaupt nicht und auch sonst nur sektoral. Sie erwachsen aus Unsicherheit und Mißtrauen und massiven Eigeninteressen.
In letzter Zeit mehren sich die Stimmen, ihnen Teilhabe an Verwaltungsgerichtsverfahren zu gewähren. Solche Klagebefugnis setzt gegenwärtig noch die Verletzung eigener Rechte voraus.
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Bei aller Sachkenntnis und einem anerkannten Einsatz ideeller Bürgervereinigungen muß diese Art der rechtlichen Wahrnehmung von Konflikten sehr sorgfältig geprüft und abgewogen werden. Würde den Initiativen Klagebefugnis und damit generelle Rechtskontrolle eingeräumt, könnte ihre Zahl extrem emporschnellen. Dabei könnte die Durchsetzung eines wohlverstandenen öffentlichen Interesses wahrscheinlich Schaden erleiden.
Diese Privilegierung wäre besonders auch im Hinblick auf eine mögliche Aufweichung materieller Gestaltungskraft politischer Verantwortung z. B. der Parteien und Regierungen nicht bedenkenfrei. Es kann nicht innerhalb unseres Verfassungsverständnisses liegen, daß der Rechtsstaat zum Rechtswegstaat degeneriert.
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Sozialdemokratischer Praxis entspricht es zudem, dafür Sorge zu tragen, daß jene Gruppen unserer Bevölkerung mehr als bisher berücksichtigt werden, die sich selbst nicht genügend äußern und ihre Probleme darlegen können. Das bedeutet konkret, daß die Lokalpolitik dem Begehren einer Bürgerinitiative widerstehen muß, wenn überwiegende Interessen anderer an den Rand gedrängt werden.
Trotzdem sollte man die Bürgerinitiativen nicht nur kritisch sehen. Das Wohl und Wehe des Staates hängt von der Mitwirkung seiner Bürger ab. Apathie der Bürger im Verhältnis zum Staat ist schädlich. Deshalb: Bürgerinitiativen verdienen Aufmerksamkeit und Beachtung. Aber ihre Ziele und auch ihre Zusammensetzung sind von Fall zu Fall sorgfältig zu prüfen. Verantwortung und Entscheidung müssen bei den Parlamenten bleiben. Das durch Wahl zustande gekommene politische Mandat besitzt in Anspruch und Wirklichkeit einen höheren Rang. Das bedeutet keine Aufforderung, sich hinter dem repräsentativen Mandat quasi zu verschanzen; aber es bedeutet eine eindeutige Abgrenzung zwischen Bürgerinitiativen und dem Prinzip der repräsentativen Demokratie.
Sofern sich überhaupt eine Verstärkung der plebiszitären Elemente unserer Verfassung anbietet, dann zuvörderst auf der kommunalen Ebene. So kann der Bürgerentscheid trotz aller Bedenken eine vernünftige Sache werden; denn der Bürger soll nicht nur Gegenstand von Entscheidungen sein, nein, er muß als Betroffener auch am kommunalen Planungs- und Entscheidungsprozeß teilhaben können. Gleichwohl dürfen schwierige Fragen nicht uner4478
wähnt bleiben. Man kann das demokratische Prinzip auch zu Tode reiten. Zur Wahrnehmung des Volksentscheides gehören Augenmaß und Zurückhaltung.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, Kommunalpolitik ist nicht unpolitisch, wie man es verschiedentlich hört. Eine handgreiflichere Verwirklichung von politischem Handeln ist auf keinem anderen politischen Feld so spürbar und hautnah. Andere Formen der Aussprache, andere Probleme als hier in Bonn dürfen darüber nicht hinwegtäuschen.
Die politische Dimension wird im übrigen auch bei dem inzwischen merklich abgeflachten Streit um die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen deutlich. Der Privatisierung sind enge Grenzen gesetzt. Die Bundesregierung hat sie aufgezeigt.
Erstens. Die Entlastung der öffentlichen Hand allein ist kein Argument, wenn die entsprechenden Leistungen für den Bürger teurer kommen.
Zweitens. Manche Leistungen müssen unter den eigentlichen Kosten angeboten werden, damit alle Bürger chancengleichen Zugang erhalten. Dabei ist das Stichwort Eintrittspreise für Bäder beispielsweise zu flennen.
Drittens. Die Auswirkungen auf die Beschäftigungslage sind sorgfältig zu prüfen. Wer als Stadt Putzfrauen entläßt, um sie über einen privaten Unternehmer billiger wieder anzumieten, macht sich des unsozialen Verhaltens schuldig.
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Viertens. Bei Privatisierungen ist auch das Risiko privater Monopolbildungen abzuwägen.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie noch eine Bemerkung, die über den Fragenkatalog der Opposition hinausgeht. Typischerweise ist ein ganz wesentliches politisches Problem der Gemeinden und Städte unerwähnt. Wir wissen doch alle: Der grundgesetzliche Auftrag, Informations- und Meinungsfreiheit zu gewährleisten, stößt im Bereich der privatwirtschaftlich organisierten Lokalpresse auf fast unüberwindbare Schwierigkeiten. Die für den einzelnen Betrieb richtige Rechnung, da und dort aus Kostengründen kein konkurrierendes Informationsangebot aufrechtzuerhalten, geht voll zu Lasten der Meinungsvielfalt. Die Pressekonzentration hat viele Ursachen, letztlich aber ein schlimme Wirkung: Die Information über Kommunalpolitik wird schwieriger und ist sogar, überspitzt gesagt, dem Wohlwollen einzelner ausgeliefert. Der Markt besitzt hier keine Kontrollfunktion mehr, weil es einen Markt in vielen Gemeinden längst nicht mehr gibt. Dies führt zum Verlust von Informationschancen der Bürger und schwächt oder lähmt damit demokratisches Leben in der Gemeinde. Aber es ist wohl nicht nur Vergeßlichkeit, daß die Opposition diesen Aspekt nicht erwähnt hat.
Eine Debatte über die Lage der Gemeinden, Kreise und Städte kann nie umfassend genug die gegenwärtigen Probleme und die zu nutzenden Möglichkeiten dieser politischen Ebene zur Sprache bringen. Wenngleich sich der Deutsche Bundestag hüten muß, aus einer falsch verstandenen Suche nach
Einmütigkeit nur die Idealfunktionen lokaler Politik und nicht die Schwierigkeiten anzusprechen, so bleibt nach einer solchen Debatte dennoch die Einsicht: Wir alle sind bereit, der Kommunalpolitik zu helfen. Die Sozialdemokratie jedenfalls wird die Gemeinden, Kreise und Städte bei ihrer Arbeit unterstützen und nicht im Stich lassen.
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Probleme gibt es mehr, als der Fragenkatalog der Opposition bedacht hat. Wer mehr tun will, als sich ab und zu für eine Gedenkminute für Lob und Ehrfurcht zugunsten der Kommunen zu erheben, sollte die Bereitschaft erkennen lassen, offen und ehrlich ihre wirkliche Lage zu schildern.
({7})
Die Problemlagen von gestern sind nur Scheingefechte, mehr nicht.
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Meine
Damen und Herren, wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat der Abgeordnete schwarz.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf mit Freude feststellen, daß es zu einem Punkt dieser Kommunaldebatte offensichtlich übereinstimmende Meinungen gibt. Das, was Herr Minister Titzck, den ich, wenn es um die Bürgerinitiativen geht, als den Sprecher der Länder ansehen darf, und auch das, was Herr Kollege Dr. Penner hier im Ansatz und im Grundsatz zu den Bürgerinitiativen gesagt haben, trifft das, was wir als Opposition im Kern zu dieser Frage zu sagen haben.
Ich bin sicher, daß wir uns aber auch in der Unterscheidung von Bürgerinitiativen einig sind. Es gibt eine ganze Fülle von Bürgerinitiativen, von Bürgerwünschen, die lokal vorgebracht werden, sei es, um einen Kindergarten zu errichten, sei es, um diese oder jene Einrichtung unterstützend zu tragen. Aber das ist nicht das Problem, über das wir uns zu unterhalten haben. Das Problem Bürgerinitiativen ist für uns das, was sich dort konkret und fest organisiert und das eigene Anliegen so hochstilisiert, als gäbe es in der Gemeinde oder der Region nur dieses Problem zu lösen. Das ist das Problem der Bürgerinitiativen, mit dem wir uns zu beschäftigen haben.
Wir müssen feststellen, daß ein Investitionsvolumen von 16 bis 20 Milliarden DM - sagen wir ruhig, 16 Milliarden - heute nicht zum Zuge kommen kann, weil Bürgerinitiativen die Durchführung der entsprechenden Maßnahmen - beginnend beim Straßenbau und bis hin zu Kernkraftwerken - blockieren.
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Ich meine, daß dies für uns ein Problem ist, das wir nicht einfach zur Kenntnis nehmen dürfen; wir müssen uns mit ihm vielmehr auseinandersetzen. Auseinandersetzen müssen wir uns auch mit der EntSchwarz
wicklung und der, Entstehung der Bürgerinitiativen in diesem extremen Sinne der absoluten Verfolgung der Eigeninteressen zu Lasten der Interessen der Allgemeinheit. Vielleicht sind wir uns in der Analyse der Entstehung der Bürgerinitiativen wiederum nicht so einig wie in der Bewertung des konkreten Vorgangs.
Eines müssen wir, glaube ich, festhalten: daß wir uns mindestens zwei Jahrzehnte lang in diesem Parlament und in den Parlamenten in Deutschland darüber einig waren, daß die repräsentative Demokratie unbestritten die Basis des gemeinsamen Handelns war, daß die repräsentative Demokratie für alle Bundestagsparteien - ich darf den Begriff hier einmal aufgreifen - die Grundlage war, von der aus wir politische Entscheidungen gefällt haben wollten. Aber heute haben wir festzustellen, daß es an den Rändern der Koalitionsparteien Gruppierungen gibt, die sich nicht mehr zu diesem Prinzip der repräsentativen Demokratie bekennen, zu dem sich Herr Dr. Penner soeben für die sozialdemokratische Fraktion in diesem Hause erneut bekannt hat.
({1})
- Ich habe nur fünf oder sechs Minuten Zeit und werde deshalb - ich bitte um Verständnis - keine Fragen beantworten können. Das ginge zu Lasten der Zeit; ich bitte, das bei der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit zu respektieren.
Ich meine, daß manche Diskussion - auch in der Sozialdemokratischen Partei - um das imperative Mandat und um die Frage der Basisdemokratie das geistige Vorfeld für manches an Bürgerinitiativen bereitet hat,
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das sich heute tut und mit dem wir uns heute gemeinsam auseinanderzusetzen haben.
({3})
Das ist das Entscheidende, das man hier mit sehen muß. Die Worte von „mehr Demokratie" und „Demokratisierung" waren natürlich geistig-politische Elemente, die manche dazu animiert haben, zu meinen, jetzt sei ihre Stunde gekommen, mit Bürgerinitiativen Aufgaben zu erfüllen, die die Parteien ihrerseits nicht erfüllen könnten.
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- Nein, ich meine nicht weniger Demokratie, sondern die Demokratie, die von den Sozialdemokraten seit dem Beginn ihrer Geschichte gewollt worden ist, nämlich die repräsentative Demokratie. Wir wollen nicht, daß Demokratie beseitigt wird, sondern daß sie im Verständnis des Grundgesetzes geübt wird;
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wir wollen nicht darüber hinausgehen und wollen keine andere Demokratie.
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Damit das hier einmal unmißverständlich und klar
gesagt wird: Das heißt nicht Demokratie zurücknehmen, sondern Demokratie im Sinne des Grundgesetzes, aber auch in den Grenzen des Grundgesetzes ausüben.
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Wenn wir uns mit den Bürgerinitiativen, wie ich sie eben beschrieben habe, auseinandersetzen wollen, ist es, meine ich, auch für Sie höchste Zeit, daß wir uns als Repräsentanten dieses parlamentarischen Systems,
({8})
als Abgeordnete des Deutschen Bundestages, als Abgeordnete der Landtage, als Vertreter der Regierung ganz konkret auf die Aufgaben besinnen, die wir zu erfüllen haben, uns zu den rechtlichen Möglichkeiten der Ausübung unserer Aufgaben bekennen und nicht vor jedem, was sich irgendwo rührt, kapitulieren und uns gleich zurückziehen.
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- Nein, Sie kapitulieren zum Teil vor ein paar Bürgerinitiativen, weil Sie in der Frage der Kernenergie keine Einigkeit haben.
({10})
Damit leisten Sie Beihilfe dazu, daß Kernkraftwerke nicht gebaut werden können. Wenn wir, die Union, nicht diesen harten, klaren, sauberen Kurs gesteuert hätten, dann hätten Sie doch auch in Hamburg vor Bürgerinitiativen und ähnlichem kapituliert.
({11})
Sie sind doch durch diese Entscheidung gezwungen worden, Ihre Positionen, Vorstandspositionen zurückzunehmen,
({12})
weil Sie einsehen mußten, daß der harte Kurs - ({13})
- Herr Präsident, ich weiß, daß ich nur fünf Minuten habe.
Nein, Sie haben sechs Minuten, und die sind um.
Ich habe das von mir aus angekündigt.
Nein, die sechs Minuten sind um.
({0})
Ich glaube, daß dies deutlich zeigt, daß wir als Abgeordnete und Vertreter der Regierung unsere Aufgabe pflichtgemäß zu erfüllen haben. Das ist ein wichtiger Beitrag zur Abwehr der Bürgerinitiativen, von denen wir hier gesagt haben, daß wir sie gemeinsam nicht wollen.
({0})
Meine Damen und Herren, einige Kollegen sind offensichtlich nicht informiert. Ich darf daher zur Klarstellung sagen: Eine große Fraktion will die Debatte in so kurzen Intervallen mit mehreren Rednern führen. Das ist kein Vorschlag des Präsidiums, Herr Kollege Lemmrich.
({0})
- Herr Kollege, wenn Sie der nächste Redner wären, der von seinen Kollegen die Minuten Redezeit braucht, würden Sie das auch etwas anders beurteilen. Aber bitte!
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wimmer.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! So sehr ich das begrüße, was Kollege Dr. Penner in weiten Teilen seiner Rede gesagt hat, so sehr bedauere ich doch den Eindruck, der hier von den Kollegen der Sozialdemokratischen und auch denen der Freien Demokratischen Partei erzeugt wird: daß sie in Fragen der kommunalen Neugliederung in den letzten zehn Jahren in diesem Lande im Grunde nicht präsent gewesen sind und überall dort, wo kommunal neu gegliedert wurde, und zwar initiiert durch die Sozialdemokraten, scheinbar in der Opposition gewesen sind. Ich glaube, das muß man hier an dieser Stelle einmal sehr deutlich festhalten. Wenn man, etwa im Stile des amtierenden Bundeskanzlers, auf Bundestagungen kommunaler Spitzenorganisationen Krokodilstränen über die kommunale Neugliederung vergießt, dann sollte man bei den Bürgern dieses Landes in gewisser Weise etwas Wiedergutmachung betreiben. Das könnte z. B. dadurch geschehen, daß man sich von seiten der Bundesregierung einmal Gedanken darüber macht, ob man die Folgen der kommunalen Neugliederung für den Bürger nicht dadurch etwas mildern könnte, daß man die Funktionalreform, die die zweite Stufe der kommunalen Neugliederung ist, auf Landesebene dadurch unterstützt, daß man auch die entsprechenden Behördenorganisationen des Bundes in diese Dispositionsmöglichkeit einbezieht. Das wäre dann die Konsequenz aus dem Lamento vor den kommunalen Spitzenverbänden.
({0})
Wir sollten an dieser Stelle auch noch ein weiteres sagen: Es geht ja nicht nur darum, daß wir hier die Probleme aus dem Bereich der Bürgerinitiativen aufzuzeigen haben. Wir müssen hier auch einmal davon ausgehen, daß es in Anbetracht der Situation in unseren Gemeinden zunehmend schwerer fällt, kommunale Mandatsträger zu finden, jemanden zu finden, der sich für ein solches Mandat zur Verfügung stellt. Weshalb? Das, was wir in den Räten unserer Städte entscheiden, das, was auch den Unmut unserer Bürger zur Folge hat, wird auf der Ebene der Regierungspräsidenten, nachdem die Räte entschieden haben, oftmals durch den Federstrich eines Beamten weggewischt. Wieweit das noch mit der parlamentarischen Ordnung dieses Landes zu vereinbaren ist, das ist, glaube ich, eine Frage, die wir uns vorlegen müssen. Die
Frage ist also, ob sich in der Zukunft in Anbetracht dieser Entscheidungsminimierung noch jemand für ein kommunales Mandat zur Verfügung stellt. Ich glaube, wir alle müssen dafür Sorge tragen, daß die kommunalen Vertreter zusammen mit den Bürgern in diesen Städten - das führt ja auch zu dem Unmut bei den Bürgerinitiativen - nicht immer nur den Blick zurück im Zorne wenden, wenn sie an die kommunalen Entscheidungsmöglichkeiten denken.
Hier ist bereits vom Kollegen Schwarz und vom Minister Titzck darauf hingewiesen worden, daß in diesem Zusammenhang auch die Frage der Verbandsklage zu sehen ist. Unbeschadet der unterschiedlichen Möglichkeiten, die sich hier auftun, müssen wir in der Frage der Verbandsklage im wesentlichen doch von einem Punkt ausgehen: Sie trägt nicht dazu bei, daß wir die Freiheitsrechte des Bürgers und vor allen Dingen auch seine Rechtsposition, die er in der Auseinandersetzung mit der Verwaltung haben muß, stärken, und zwar aus mehreren Gründen.
Zunächst einmal gehen wir im Verwaltungsprozeß davon aus, daß der Bürger als Betroffener agieren kann. Wenn wir uns Gedanken darüber machen, ob eine Waffengleichheit gegenüber dem Staat bestehen soll, dann müßten wir uns in erster Linie fragen, ob die Zeitdauer der Verfahren vor den Verwaltungsgerichten noch dem angemessen ist, was wir hier wollen. Der Kollege Schmitt-Vockenhausen hat heute morgen darauf hingewiesen, daß man zehn Jahre braucht, um die Entscheidung einer letzten Instanz zu bekommen. Wir sollter eher die Lösung dieses Problems angehen als versuchen, ominöse Verbände mit einer gewissen Klagebefugnis auszustatten.
({1})
Denn wozu führt das letztendlich? Das führt, wenn wir das eine Problem nicht lösen, zum Rechtsverweigerungsstaat. Wenn wir die Verbandsklage einführen, dann führt das dazu, daß z. B. einem Bürger - hier spreche ich auch einmal als Betroffener aus einer Kommune - nicht mehr die Möglichkeit gegeben wird, sich mit der Verwaltung anständig zu vergleichen, weil Verbandsinteressen eingeführt werden. Das ist ja auch etwas, was wir vor den Verwaltungsgerichten als Praxis sehen müssen.
Ein weiterer Gesichtspunkt ist hier doch mit aller Deutlichkeit anzusprechen. Wenn wir die Verbandsklage in dem Punkt einführen, daß wir hier auch Verbänden, die vorgeben, das allgemeine Wohl zu berücksichtigen, diese Klagemöglichkeit einräumen, dann führt das dazu, daß demnächst die Parlamente und die Verbände vor den Gerichten um die Gunst derselben buhlen. Es kann doch nicht der Sinn der parlamentarischen Demokratie und der verfassungsmäßigen Ordnung in diesem Lande sein, daß derartige Konsequenzen auf uns zukommen. Von daher, glaube ich, wäre die Bundesregierung, die zuletzt in der Beantwortung einer Kleinen Anfrage unserer Fraktion gesagt hat, sie wolle das Problem noch prüfen, sehr wohl beraten, wenn sie diese Prüfung unmittelbar abbrechen würde; denn dadurch, daß diese Möglichkeit offengehalten wird, weckt sie zuWimmer ({2})
mindest in den betroffenen Kreisen noch durchaus die Hoffnung, sich gegen unsere verfassungsmäßige Ordnung betätigen zu können.
({3})
Meine
Damen und Herren, das Wort hat der Herr Bundesinnenminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur selten bietet sich der Bundesregierung und dem Hohen Hause Gelegenheit, sich so ausführlich wie heute mit Grundsatzfragen der Kommunalpolitik zu beschäftigen. Das begrüße ich als Bundesinnenminister ausdrücklich. Nun hat Herr Kollege Waffenschmidt ja in seiner Rede, auf die ich noch einmal zurückkommen möchte und mit der ich in vielen einzelnen Hinsichten übereinstimme, doch insgesamt den falschen Schein zu erwecken versucht, als ob die Bundesregierung auf die Anklagebank der Gemeindeverächter gehöre. Herr Kollege Apel hat hierzu für den Bereich der Finanzverfassung bereits das Erforderliche gesagt. Sie werden es mir nicht verübeln, wenn ich dazu nun auch das Notwendige aus der Sicht des für die Gemeinden mit zuständigen Verfassungsministers sage.
Wenn auch der Bund nach der Verfassung, wie Sie wissen, keinen unmittelbaren Einfluß auf das Geschehen im kommunalen Bereich, etwa auf dem Felde des Kommunalrechts oder der Kommunalorganisation nehmen kann, so beobachtet er doch die Entwicklung im Kommunalbereich sorgfältig, in ständidem Bemühen, den Kontakt zwischen der Bundesregierung und der Kommunalebene zu intensivieren und die Belange unserer Städte, Gemeinden und Kreise bei der Bundesgesetzgebung zu berücksichtigen. Dies entspricht dem Verfassungsauftrag aus Art. 28 GG, der den Bund zum Garanten für die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern auch im Hinblick auf die Wahrung des Bestandes der kommunalen Selbstverwaltung macht.
({0})
Diesem Ziel dient das ständige Gespräch mit den kommunalen Spitzenverbänden auf Bundesebene, wozu auch, wie kürzlich geschehen, der mehrstündige Erfahrungsaustausch der Präsidenten der kommunalen Spitzenverbände mit dem Herrn Bundeskanzler und den an Kommunalfragen interessierten Bundesministern gehört. Ich selber habe es mir zur Regel gemacht, in jeder Legislaturperiode mehrfach mit Vertretern der kommunalen Spitzenverbände zu Grundsatzgesprächen zusammenzutreffen.
Seit Frühjahr 1975 hat, wie Sie wissen, die Bundesregierung darüber hinaus den kommunalen Spitzenverbänden durch eine auf meinen Antrag erfolgte Geschäftsordnungsregelung förmlich Mitwirkungsrechte bei der Vorbereitung von Gesetzesinitiativen sowie von Entwürfen zu Verordnungen und Verwaltungsvorschriften eingeräumt. Wesentlich abweichende Meinungen der kommunalen Spitzenverbände müssen jetzt in die Gesetzes- bzw. Verordnungsbegründungen aufgenommen werden, damit dieses Hohe Haus die Möglichkeit hat, die verschiedenen Standpunkte gegeneinander abzuwägen. Dementsprechend hat nun auch der Deutsche Bundestag - das begrüße ich heute ausdrücklich - durch eine Änderung seiner Geschäftsordnung den Spitzenverbänden die Gelegenheit zu förmlicher Stellungnahme in den Ausschußsitzungen gegeben. Ich meine - und Sie mögen mir es nicht verdenken, Herr Waffenschmidt, daß ich Sie dabei ansehe - ({1})
- Da Sie Ihr Petitum an den Bund als Adressaten gerichtet haben, darf ich Ihnen hierauf meinerseits in aller Bescheidenheit erwidern, daß diesem guten Beispiel der Gemeindefreundlichkeit nun endlich auch der Bundesrat
({2})
und endlich auch die Landesregierungen und die Landesparlamente folgen sollten.
({3})
So nämlich steht die Sache: daß wir hier noch immer einsam auf dem Vormarsch sind und die anderen bisher nicht nachfolgen.
({4})
- Einige wenige.
({5})
Wir begnügen uns nicht mit solcher gemeindefreundlichen Politik nach innen, sondern wir haben auch nach außen - und das wissen Sie ja genau, Herr Waffenschmidt - von seiten der Bundesregierung entscheidend dazu beigetragen, daß seit 1975 auf der Ebene der 19 Mitgliedstaaten des Europarats eine Konferenz für Kommunalfragen durch die dafür zuständigen europäischen Minister gebildet werden konnte.
Herr
Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Aber sicher, sehr gern.
Herr Bundesminister, da ich Ihren Worten entnehme, daß Sie den Bereich der Anhörungsrechte verlassen wollen, will ich zu diesem Bereich noch eine Frage stellen. Herr Bundesminister, sind Sie mit mir der Meinung, daß dieses Informations- und Mitwirkungsrecht nur dann in einer sachgerechten Weise von den kommunalen Spitzenverbänden ausgeübt werden kann, wenn sie genügend Zeit haben, um die Gesetzentwürfe, die ihnen zugeleitet werden, sachgerecht durcharbeiten zu können? Sind Sie mit mir der Meinung, daß es nicht besonders sachgerecht ist, wenn man den Spitzenverbänden praktisch nur etliche Stunden einräumt, wie es neulich bei einigen Sozialgesetzgebungsakten, die auf einmal sehr dringend waren, der Fall war?
Hier kann ich Ihnen grundsätzlich nur zustimmen. In dem Einzelfall vermag ich kein Urteil abzugeben, da ich nicht weiß, was Sie damit meinen.
({0})
Wahrscheinlich ist dies unter einem gemeinsamen Zeitdruck geschehen. Dann gelten andere Gebote.
({1})
Ich komme zurück auf das Zusammenwirken der europäischen Kommunalminister unter starker Beteiligung im übrigen auch unserer Länderkollegen bei diesen europäischen Ministerkonferenzen.
Ziel dieses weiteren Schrittes zu einer gemeinsamen europäischen Innenpolitik ist es, Maßnahmen zu stimulieren und zu koordinieren, die zu einer Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung in den einzelnen Mitgliedsländern führen sollen. Es ist dabei die Absicht der Bundesregierung, das Ihre dazu beizutragen, die kommunale Selbstverwaltung, die ein wesentliches Element europäischer Rechts- und Verwaltungstradition überhaupt ist, in allen europäischen Ländern zu stärken und den Prozeß der europäischen Einigung auch durch eine solche verstärkte Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Kommunalpolitik zu unterstützen.
Einen weitreichenden Schritt gerade auf diesem Weg bedeutet der von der europäischen Kommunalministerkonferenz verabschiedete Entwurf einer Rahmenkonvention zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit von Gebietskörperschaften, der gegenwärtig dem Ministerkomitee des Europarats zur Annahme vorliegt. Wenn Europa zusammenwachsen soll, dann muß man damit im kleinen Grenzverkehr der Gemeinden untereinander an den europäischen Landesgrenzen beginnen.
Noch ein letztes Beispiel aus dem internationalen Bereich: Auch in diesem Jahr hat die Bundesregierung erneut die deutschen Kommunen auch finan. ziell bei der Durchführung einer ihrer großen internationalen Veranstaltungen, nämlich des 23. Weltkongresses des internationalen Gemeindeverbands in Hamburg, unterstützt.
In all diesen Hinsichten sind wir aus unserer gesamtstaatlichen Verantwortung bestrebt, die Gemeinden nicht nur als eine der drei Seiten unserer Staatlichkeit - wie sich dies ja schon in der Finanzverfassung deutlich ausbildet - bei ihrem Streben nach kommunaler Selbstverwaltung im Innern zu unterstützen, sondern auch bei ihrem Zusammenwirken mit Trägern kommunaler Selbstverwaltung im europäischen und internationalen Bereich.
Die Bundesregierung hat - damit komme ich zu einem zweiten Punkt dieser Debatte, den ich ausdrücklich aufgreifen möchte - bereits in ihrer Antwort im Jahre 1974 auf die damalige Anfrage den hohen Rang betont, den die freie Selbstverwaltung durch die von der Bürgerschaft gewählten Organe im demokratischen System der Bundesrepublik einnimmt. Dazu bedarf es keiner weiteren Worte.
Dennoch glaube ich, daß wir Anlaß haben - und ich meine, dies ist die richtige Stunde dafür -, uns
im Bereich der kommunalen Reformen, über die Gebietsreform hinaus, die bisher unsere Energien beansprucht hat, auch in anderer Richtung fortführende Gedanken zu machen, wie wir manche Einbußen demokratischer Selbstverwaltung, die zwangsläufig mit der durch Verwaltungsrationalität bestimmten Gebietsreform verbunden waren, auszugleichen, ja möglicherweise zu überwinden vermögen.
({2})
- Nun, hier sind wir allzumal Sünder!
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Ich meine, wir sollten darüber nachdenken, ob nicht durch eine entsprechende Ausgestaltung des Kommunalwahlrechts dem Bürger allgemein eine breitere Palette von Möglichkeiten geboten werden könnte, den Kandidaten seiner Partei möglichst individuell zu bestimmen. Dazu gibt es - glücklicherweise - erprobte Vorbilder in verschiedenen Bundesländern. Wir sollten auch sonst darauf achten, daß gerade auf kommunaler Ebene personenbezogene Elemente des Wahlrechts noch stärker zur Geltung gebracht werden. Auf all diesen Wegen müßten wir die Möglichkeiten verbessern, den Bürger auch unmittelbar an den demokratischen Entscheidungen auf Gemeindeebene zu beteiligen. Auch hierzu gibt es Beispiele in den Kommunalverfassungen der Länder. Ich nenne den Bürgerantrag, das Bürgerbegehren und den Bürgerentscheid.
Diese Formen der Bürgerbeteiligung bieten sich besonders für kleinere Gemeinden an. Ich glaube, es wäre der Sache wert, einmal zu untersuchen, ob nicht auch und gerade dort, wo Orts- oder Bezirksverfassungen bestehen, die direkten Mitwirkungsrechte der Bürger auf der Ebene der Ortsgemeinde bzw. der Stadtbezirke erheblich ausgebaut werden sollten. Bürgernähe aller Verwaltungen war doch das gemeinsame Ziel, für das wir ausgezogen sind.
Das Letztgesagte steht in mittelbarem Zusammenhang auch zu dem Thema, das hier in der Debatte immer wieder aufkommt, nämlich dem der Bürgerinitiativen. Je mehr Bürgerinitiative wir innerhalb der Kommunalverwaltung, überhaupt der Gemeindeorganisation, zum Tragen bringen, desto mehr werden manche Arten von Bürgerinitiativen entbehrlich, die wir heute erleben und unter denen wir gelegentlich auch leiden.
Sie wissen, daß wir uns in unserer schriftlichen Antwort auf Ihre Anfrage ganz - das muß ich auch Herrn Kollegen Titzck sagen - auf die Bürgerinitiativen beschränkt haben, die sich im kommunalen Raum betätigen. Dennoch möchte ich ganz allgemein zu diesem Thema der Bürgerinitiativen und der zuletzt noch einmal angesprochenen Verbandsklage abschließend einige unmißverständliche Worte sagen.
Ich glaube, man kann nicht jahrelang den kritischen, den engagierten Bürger fordern, der sich für die Belange nicht nur seiner Person, sondern. auch für die Belange seiner Kommune, ja seines Landes und des Bundes einsetzen soll, um dann in Bausch
und Bogen in die Gefahr zu verfallen, die Bürgerinitiativen - wenn ich das schon höre: „die" Bürgerinitiativen - insgesamt mit einem negativen Verdikt zu versehen.
({4})
Das klingt leider da und dort heute in undifferenzierten Äußerungen an, wenn ich auch sagen muß, daß dies hier in der Debatte nicht der Fall war. Aber es ist doch gegenwärtig allgemein eine Malaise an diesen Initiativen verbreitet, die ich für ganz unberechtigt halte.
({5})
- Ich habe dies gerade ausdrücklich festgestellt.
Aber gerade wenn wir differenzieren, müssen wir meiner Meinung nach sehen, daß Bürgerinitiativen in einer repräsentativen Demokratie auf allen Seiten der Staatlichkeit: in Bund, Ländern und Gemeinden als ein komplementäres Element aufgefaßt und anerkannt werden müssen, eine plebiszitäre Komponente also innerhalb eines repräsentativen Systems. Die Frage ist nur: wieweit und wodurch? Hier bin ich völlig anderer Meinung, als das soeben im Debattenbeitrag des letzten Redners zum Ausdruck gekommen ist. Ich bin der Meinung, daß nicht nur Bürgerbeteiligungen, sondern auch Verbandsbeteiligungen eine gute Sache sind. Wir haben sie gegenwärtig auch bei der Vorbereitung einer fünften Novelle zum Atomgesetz im Auge. Streiten kann man heute eigentlich nur - vor allem auch nach den guten Erfahrungen selbst mit Verbandsklagen in ausländischen Rechten, etwa in der Schweiz - ({6})
- Das ist aber die gleiche Rechtsmentalität wie bei uns. Nur handelt es sich dort im Unterschied zu uns um den Bürgersinn einer Demokratie, der über Jahrhunderte gewachsen ist. Ich finde, dieser könnte auch bei uns ruhig nachwachsen.
Der Streit geht heute nicht so sehr um die Verbandsbeteiligung, die wir ja auch in unserem Recht schon kennen, sondern um die Verbandsklage; darüber also, ob man den Bürgerinitiativen auch im Verwaltungsstreitverfahren einen offiziellen Status geben soll. Es geht darum, ob man mit Tausenden, mit Zehntausenden von Individualeinsprüchen wie heute fortfahren will, hinter denen sich in vielen Fällen völlig diffus, informell, nichttransparent, die eine oder andere Bürgerinitiative verbirgt, die mit ihren Sachverständigen ja auch im Gerichtssaal aufmarschiert, oder ob man diese formell und transparent in das Streitverfahren einführt.
Die Bundesregierung hat vor einigen Tagen erneut erklärt, daß wir auch und gerade in Auswertung der ausländischen Erfahrungen sorgfältig prüfen wollen, auf welchem Gebiete man beispielhaft nicht nur eine Verbandsbeteiligung, die wir, etwa im Naturschutzgesetz, ja schon haben, sondern eine Verbandsklage vorsehen sollte. Wenn dem gegenüber hier soeben gefordert worden ist, daß wir schon diese Prüfungen einstellen, dann halte ich dies für kein empfehlenswertes Verfahren.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte, ja.
Herr Innenminister, abgesehen davon, daß Sie bisher noch keinen Lösungsvorschlag gemacht haben, wie man das Problem der Masseneinwendungen in den Griff bekommen kann, frage ich Sie, ob Sie dem Hohen Hause wenigstens detailliert mitteilen können, wie Sie bei den Verbandsklagen das Problem der Legitimation lösen wollen.
Sie wissen sicher - dazu hat es schon in der letzten Legislaturperiode Vorschläge gegeben -, daß, wenn man eine realistische Form solcher Verbandsbeteiligung oder gar Verbandsklage vorsieht, es sehr wohl Möglichkeiten gibt, solche Bürgerinitiativen von jenen diffusen Organisationen zu unterscheiden, die heute gelegentlich unter der Flagge der Bürgerinitiativen segeln, ohne daß sie eine wirkliche innere demokratische Struktur haben. Dies könnte gerade hier einen nützlichen Klärungsprozeß einleiten, wenn man diesen offiziellen Status der Bürgerinitiativen schon bei der Verbandsbeteiligung, aber auch der Verbandsklage, nur Initiativen mit einer Organisation einräumt, die transparent und demokratisch, also wirklich von den in diesem Verband Vertretenen getragen ist.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
Ja.
Indem ich auf die Bemerkung zurückkomme, die Sie, Herr Minister, soeben gemacht haben, möchte ich Sie fragen: Wollen Sie damit eine Gesetzesvorschrift verbinden, wonach diese Verbände die von Ihnen angesprochenen demokratische innere Ordnung haben sollten?
Wenn hier von demokratischer Legitimation die Rede ist, dann geht es darum, ob überhaupt eine Organisation in dieser Initiative besteht, die klarstellt, wer hier für wen spricht, wer hier wen bevollmächtigt, durch die Mitglieder des Verbandes demokratisch legitimiert, bestimmte Meinungsäußerungen und Willensbekundungen abzugeben. Darum geht es.
({0})
- Sie wissen doch ganz genau, daß dies sehr wohl möglich ist, hierfür formale Kriterien aufzustellen. Aber ich möchte jetzt nicht an diesem letzten Punkt noch einmal eine Generaldebatte entfachen, sondern zum Schluß kommen.
Ich möchte mich ganz einfach dagegen wenden, daß man hier kurzerhand eine solche Sache einfach vom Tisch wischt, obwohl etwa in unserem Schweizer Nachbarland - diesen Hinweis mögen Sie mir nicht verargen; ich bin an der Grenze dort großgeworden -, wo es eine lange demokratische Tradition gibt, erprobte Modelle nicht nur der Verbandsbeteiligung, sondern auch der Verbandsklage vorliegen. Ich glaube, es steht uns gut an, auch in unserem Land den ernsthaften Versuch zu machen, der Bürgerinitiative den bestmöglichen formellen Status zu geben, um ihre plebiszitäre Komponente innerhalb der repräsentativen Organisationen vor allem in den Gemeinden, aber auch in Bund und Ländern, mit einzubringen. Das nimmt den Parlamenten in Gemeinden, Ländern wie im Bund nicht das Geringste von ihrer demokratischen Verantwortung.
({1})
- Das ist Ihnen so klar wie mir. Aber es gibt uns eine Möglichkeit, manches von dem, was hier im außerparlamentarischen Raum wild wuchert, zu kanalisieren und im demokratischen Meinungs- und Willensbildungsprozeß zu aktivieren.
Ich bin der Meinung, daß nicht eine Maginotstrategie gegenüber solchen Erscheinungen die richtige Politik ist, sondern daß wir alles tun sollten, ihnen ihr gutes Recht verantwortlicher Mitwirkung im Vorfeld demokratischer Entscheidungsfindung zu geben. Ich meine auch, hier ist Offensive und nicht Defensive die beste Politik!
({2})
Meine
Damen und Herren, gemäß Art. 43 Abs. 2 des Grundgesetzes erteile ich dem Präsidenten des Senats und Bürgermeister der Freien Hansestadt Bremen Koschnick das Wort.
Präsident des Senats Koschnick ({0}) : Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Dies ist eine der seltenen Gelegenheiten, daß sich dieses Hohe Haus mit den Kommunen beschäftigt, die sich nach Auffassung der Herrn Ministerpräsidenten der Länder in der Obhut der Länder und nicht in der Obhut des Bundes befinden. Ich freue mich aber, daß der Bundesinnenminister mit mir der Meinung ist, daß wir auf allen drei Ebenen eine gemeinsame Verantwortung haben und daß sich Bund und Länder gemeinsam um die Gemeinden zu kümmern haben, wie wir andererseits erwarten, daß die Gemeinden ihrerseits einen Beitrag für die Fortentwicklung in den Ländern und im Bund leisten.
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Das bringt mich zu dem ersten Grundsatz, nämlich daß Selbstverwaltung, wie wir sie verstehen und wie sie meinetwegen im preußischen Teil vom Freiherrn vom Stein und von Hardenberg, in Bayern etwa durch die bayerische Kommunalreform oder in den Hansestädten aus Tradition und Überzeugung
der Patrizier entwickelt worden ist, auch bedeutet, daß wir Selbstbestimmung in den Gemeinden haben und daß die Bürokratien in Bund und Ländern den Gemeinden Luft genug lassen müssen, selbstverantwortlich und eigenständig zu entscheiden. Es geht nicht um die Klage der Gemeinden gegenüber den Regierenden in Bund und Ländern,
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es geht nicht um die Klage gegenüber den Parlamenten in Bund und Ländern, daß zuwenig für die Gemeinden getan werde, sondern das Problem ist, daß zuviel Bürokratie zwischen der Selbstverwaltung der Gemeinden und den staatlichen politischen Körperschaften liegt.
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Bürokratien - das sage ich freimütig - finden wir in Bonn bei den Bundesministerien genauso wie bei den Fachministerien der Länder, finden wir bei den Regierungspräsidenten und bei den Kreisen. Hier stellt sich die erste große Frage unseres Kommunalverständnisses. Wer Selbstverwaltung will, muß versuchen, die Entscheidungsfunktionen unmittelbar auf diejenigen zu delegieren, die unmittelbar vom Volk gewählt worden sind,
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natürlich in Bonn auf dieses Parlament und auf die Regierung, weniger auf den Bundesrat, in den Ländern auf Landtage und Landesregierungen, in den Kommunen auf die Stadträte, auf die Gemeinderäte und auch zum Kreistag. Leider müssen wir immer stärker feststellen, daß die unmittelbare Möglichkeit der kommunalen Gestaltung, die zumal durch Planungsrechte den Gemeinden vom Bund ausreichend geboten ist, durch Strukturreformen bei den Ländern eingeengt wurde und vielfältige Einschnitte in die Selbstverwaltungsrechte der Gemeinden hingenommen werden mußten. Häufig entscheiden doch Planungsverbände und nicht die Bürger in den Gemeinden, weil es die Landtage verhindert haben, den Gemeinden die notwendigen Planungsfreiheiten zu belassen.
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Was ist das schließlich für eine Argumentation, über die ich mich gelegentlich im Bundesrat und an anderen Stellen ärgere, wenn gesagt wird: „Wir Länder haben die Gemeinden in der Obhut; es ist unsere Aufgabe, nicht die des Bundes, ein Verhältnis zu den Gemeinden zu entwickeln, wenn es beispielsweise darum geht, wie schnell und zügig die Bundesprogramme die Landes- und Kommunalinstanzen durchlaufen sollen" und dann gesagt wird, es genüge, wenn sich die Länder verständigten; im Lande werde schon dafür gesorgt, daß die Gemeinden mitzögen? Wir haben im Finanzplanungsrat und in anderen Bundesgremien mit Länder-
und Kommunalbeteiligung hervorragende Arbeitsergebnisse aus einer guten Kooperation aller drei Ebenen bekommen. Ich bitte hier nun wirklich diejenigen, die die Große Anfrage gestellt haben, bei ihren Ministerpräsidenten und Länderregierungen
Senatspräsident Koschnick
dafür zu sorgen, daß endlich den Gemeinden auch in Bonn unmittelbar das Wort gegönnt wird.
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Die Geschäftsordnung der Bundesregierung - Sie sprachen davon, Herr Bundesinnenminister - ist ein Beispiel dafür, wie man das machen kann. Ich sage nicht nur der Bundesregierung Dank, ich sage auch diesem Hohen Hause, dem Präsidenten und allen drei Fraktionen Dank, daß Sie es in Ihrer Geschäftsordnung verankert haben, den kommunalen Spitzenverbänden einen legitimen Anspruch zu geben, ihre Anliegen vorzutragen. Die kommunalen Spitzenverbände haben keinen Anspruch, daß ihre Wünsche alle erfüllt werden; sie können aber zu Recht erwarten, daß die Abgeordneten diese Wünsche kennen, wenn sie ihre Entscheidung treffen. Wenn das in den Ländern auch möglich wäre, wären wir ein Stück weiter. Ich bitte hier die CDU/CSU wie auch meine sozialdemokratischen Freunde, in ihren Ländern dafür zu sorgen, daß das möglich wird. Hier haben wir einen gemeinsamen Auftrag.
Schließlich müssen wir gesellschaftliche Probleme erkennen. Ökonomische Strukturverwerfungen, sektorale Verwerfungen treffen ja nicht nur unsere Wirtschaft und die darin beschäftigten Arbeitnehmer, sie treffen gleichermaßen die Gemeinden, die von diesen Strukturen und mit diesen Strukturen leben. Viele dieser Schwierigkeiten sind kommunal vor Ort nicht mehr in Ordnung zu bringen. Da brauchen wir die Landeshilfe, da brauchen wir die Bundeshilfe, ja, in vielen Fällen brauchen wir Europa dazu.
Ich bin ein wenig stolz darauf, daß es uns in den letzten Jahren gelungen ist, eine bessere Koordinierung dieser schwierigen Fragen zu bekommen. Nur muß dieses Hohe Haus eines erkennen: Wenn es um die Auflösung der Probleme geht, um das Umsetzen der Schwierigkeiten, dann findet das allerdings nicht in den Gesetzgebungskörperschaften von Bund und Ländern statt, nicht einmal in den Stadträten, sondern auf den Straßen unserer Gemeinden. Wenn wir jugendliche Arbeitslose in Arbeit bringen wollen, dann wollen wir sie von den Straßen unserer Gemeinden wegholen. Wenn wir Schwierigkeiten mit Bürgerinitiativen haben, dann haben wir sie nicht in den Parlamenten, sondern haben uns draußen herumzuschlagen. Deswegen brauchen wir draußen vor Ort eine kooperative Unterstützung der Parlamentarier und der Bundesdienststellen, die hier in Bonn die globalen Aspekte erarbeiten. Wir werden dann mit ihnen gemeinsam versuchen, konkrete Lösungen vor Ort in die Tat umzusetzen. Das heißt natürlich, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß wir uns auch mit den Instrumenten, die wir in den Gemeinden in der Hand haben, auseinandersetzen müssen. Wit haben in den letzten Jahren eine Reihe von vernünftigen Kompetenzregelungen bekommen, insbesondere im Planungsrecht - wofür wir dem Bund, dem Bundestag insgesamt nur danken können -, so daß wir diese schwierigen Fragen vor Ort besser als noch vor Jahren bestehen können. Wir hatten hier im Bundestag Diskussionen darüber, ob den Gemeinden nicht noch mehr Planungsrechte gegeben werden
müssen, ja, es gab sogar Diskussionen im Hinblick auf die Einführung eines gemeindlichen Planungszwanges. Interessanterweise sind diese Forderungen allerdings nicht von den Koalitionsfraktionen erhoben worden, sondern von der CDU/CSU.
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Heute, nachdem wir erkennen, welche Schwierigkeiten wir in den Kommunen mit Planungszwängen haben, stehen wir natürlich vor der Frage: Haben wir nicht des Guten zuviel getan? Ich sage trotz der Erschwernis im Planungsablauf nein. Letztlich können wir nur so, wie es eben Innenminister Maihofer gesagt hat, an den Sachverstand, an die Vernunft und an das Engagement unserer Bürger appellieren, sich kooperativen Planungen zu stellen. Wir werden uns auch gelegentlich etwas mehr ärgern müssen. Letztlich führt diese Zusammenarbeit mit dem Bürger aber zu mehr Demokratie und nicht zu weniger Demokratie. Das ist die entscheidende Frage.
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Herr Präsident Koschnick, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jahn?
Präsident des Senats Koschnick ({0}) : Bitte sehr!
Herr Präsident des Senats, da Sie von der kommunalen Gestaltung der Gemeinden sprechen, habe ich die Frage, aus welchem Grunde Sie sich im Kommunalpolitischen Grundsatzprogramm Ihrer Partei für den Satz engagiert haben, der da lautet:
Jede Gemeinde muß die Entscheidung über die Nutzung ihres gesamten Bodens erhalten.
Präsident des Senats Koschnick ({0}) : Das will ich Ihnen gerne sagen. Ich bin nicht auf die Idee gekommen, daß Sie von mir heute noch ein Kolloquium zum Bodenrecht haben wollten. Ich gebe Ihnen das aber gerne; ich bin auf diesem Gebiet zu Hause.
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Erste Bemerkung: Ich glaube, daß die Gemeinden einen Anspruch darauf haben müssen, daß dort, wo gegen individuellen Übermut oder gegen Unvernunft keine Kooperation mit den Bürgern zu erreichen ist, durch Bundesrecht - einheitlich geregelt - den Selbstverwaltungskörperschaften Planungszuständigkeiten gegeben werden, und zwar nach zwei Richtungen hin.
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Zum einen sollen die vom Volk gewählten Parlamentarier auch vor Ort entscheiden, was in der Stadt gestaltet werden soll, und daneben sollen unabhängige Richter feststellen, wie die Entschädigungen auszusehen haben. Die Entscheidung über die Entschädigungen möchte ich nämlich nicht in die Hände der Parlamente geben, weil ich dort unter Umständen auch mit Willkür rechnen muß. Hier erwarte ich die Entscheidung der unabhängigen, der rechtsprechenden Gewalt. Das haben wir mit unse4486
Senatspräsident Koschnick
rem Kommunalpolitischen Programm gewollt. Wir haben nicht gesagt, daß ein Planungszwang vorgeschrieben wird, wohl aber, daß wir Planungsrechte brauchen. Diese Rechte möchten wir uns nicht von den Ländern kaputtmachen lassen.
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- Ja, für den gesamten Boden. Wir wollen Sie eigentlich planen können - verzeihen Sie, jetzt spreche ich gewissermaßen aus der kommunalen Ebene -, wenn Sie nicht in Stadtquartieren zunächst einmal über den gesamten Boden planen, dann allerdings mit den Eigentümern überprüfen, ob ihre Interessen und die Interessen der Stadt oder des Ortes nicht identisch sind? In 80 % der Fälle gibt es eine Interessenidentität; dann ist die Planung nur der Vollzug dessen, was die Bürger wollen. In 20 % der Fälle gibt es Streitfragen; in 15 % der Fälle einigt man sich, in 5 % der Fälle werden sie strittig ausgetragen. Das ist ein ganz normaler Vorgang. Es ist wie in der Ehe, Herr Jahn: Am Anfang bemühen Sie sich, vieles zu bekommen; am Ende reduzieren Sie alles auf das, was durchsetzbar ist. Ich mache es jedenfalls zu Hause auch so.
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- Sie können mich hier nicht ablenken.
Lassen Sie mich jetzt noch zwei schöne Bemerkungen machen. Der Kollege Horst Waffenschmidt hat heute morgen in seiner Rede etwas zitiert, was er der „Frankfurter Rundschau" entnommen hat. Die „Frankfurter Rundschau" ist eine ehrbare, gute Zeitung; ich lobe sie sehr.
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- Das brauchen Sie auch nicht, aber ich tue das. Gelegentlich schreibt aber auch diese Zeitung nicht die volle Wahrheit oder übernimmt etwas, was ich nicht gesagt habe.
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- Verzeichen Sie, nennen Sie mir eine Zeitung, die immer in der Lage war, alles aufzunehmen, was ich sage. Das ist sehr schwierig, da ich so schnell spreche.
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Erstens habe ich meinen Kollegen von der CDU/ CSU genauso wie meinen sozialdemokratischen Freunden gesagt: Die Rede wird gedruckt. Sie können sie nachlesen. Dann zerreißt mich oder gebt mir recht. Der Kollege Waffenschmidt, der gewohnt ist, viele meiner Reden hier vorzutragen; weil sie gut sind, hat hier die „Frankfurter Rundschau" zitiert. Das war nicht ganz so gut.
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Bleiben wir also bei der Sache. Es ging mir in Kassel
um eine Rückschau auf sechs Jahre Kommunalpolitik aus der Sicht von Jungsozialisten. Vor sechs Jahren - jetzt sind es bald sieben Jahre her - hat diese Jugendorganisation, die von einigen in diesem Hohen Hause nicht ganz so gern gesehen wird, in Mannheim nämlich zum erstenmal eine Konzeption für umfassende Kommunalpolitik erarbeitet, und zwar nicht allein, sondern mit einer Reihe „reaktionärer" Bürgermeister. Der eine war damals noch Oberbürgermeister in München und ist heute verantwortlich im Bund tätig. Der andere ist heute noch Oberbürgermeister in Mainz. Ein dritter ist heute noch Bürgermeister in Bremen. Wir haben uns damals gestritten und haben nach Lösungen gesucht. Wir haben nicht alles verhindern können, was wir verhindern wollten, aber wir haben zum erstenmal einen geschlossenen Entwurf bekommen, zu dem ich jetzt in Kassel rückschauend Stellung genommen habe. In diesem Entwurf ist damals manches gefordert worden, was die Zeitläufte überholt haben. Vor sieben Jahren haben wir uns gemeinsam - Herr Schneider war damals auch noch in Nürnberg ein ehrbarer Vorkämpfer für kommunale Baugestaltung - dagegen ausgesprochen, daß im Bürgermeisterwettbewerb zwischen den Gemeinden Industrie-und Gewerbeansiedlungen um des Steuerertrages willen erfolgt. Heute wissen wir, daß wir einen neuen Wettbewerb bekommen, nicht um des Steuerertrages willen, sondern um den Menschen in unseren Gemeinden Arbeit zu verschaffen. Auch hier kommt es darauf an, nicht abzuwerben, sondern Strukturlösungen anzubieten, die regional eingepaßt sind und die auch den Bedürfnissen des Bundes entsprechen. Darüber habe ich gesprochen. Sie werden, wenn Sie dies lesen, sich wundern, wieviel Vernünftiges ein Bremer Bürgermeister sagen kann und wie vernünftig Jungsozialisten sein können. Auch das wirkt in beiden Fällen bei manchen hier nicht ganz so glaubwürdig, bleibt aber dennoch wahr.
Zweitens habe ich mich zu der wichtigsten Frage von damals geäußert. Diese Frage scheint auch heute fast die wichtigste Frage zu sein. Ich meine die Frage der Steuern. Herr Präsident, ich werde es kurz machen, weil diese Frage heute morgen abgehandelt worden ist. Ich habe gesagt, das, was wir damals wollten, das Austrocknen der Kommunen zu verhindern, ist uns nicht gelungen. Wir haben einen großartigen Schritt mit der ersten Finanzreform damals in der Großen Koalition gemacht. Hier hat jemand Herrn Kiesinger deswegen gelobt, andere haben Herrn Strauß erwähnt. Ich sage Ihnen, Alex Möller ist das gewesen. Aber jeder hat seine Vorkämpfer; ich gönne sie Ihnen, wenn Sie andere haben.
Wir haben damals den ersten entscheidenden Durchbruch geschafft, haben einen Anteil an der Einkommensteuer bekommen und möchten jetzt den zweiten Schritt gehen. Ich habe in Kassel gesagt - dazu stehe ich -, wir waren auf dem besten Weg, diesen zweiten Schritt zu vollziehen. Der Bundesfinanzminister und ein Teil meiner Fraktion waren bereit, bei einer Mehrwertsteuererhöhung um 2 % einen wesentlichen Anteil an die Gemeinden abzugeben, wenn die Länder mitziehen würden. Es kam nicht zu der Erhöhung der Mehrwertsteuer um 2 °/o, sondern nur um 1 %. Dieses 1 % ging weg für die
Senatspräsident Koschnick
Vermögensteuer, das Kindergeld und - ein Anliegen der Freien Demokraten - für das mittelständische Gewerbe.
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Mit einem Satz: Es war nichts mehr zu verteilen. Aber diejenigen, die damals überhaupt keine Mehrwertsteuererhöhung haben wollten, setzen sich hier hin und fragen: Warum kriegen wir nicht mehr Geld?
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Ich habe mich doch draußen herumgeprügelt, auch gegen die Bundesregierung - Gott sei es geklagt -; ich wollte wirklich eine Mehrwertsteuererhöhung um 2 % und keine Steuerverminderung. Sie waren stärker, Sie haben mich überzeugt, mich zumindest überstimmt. Ich trage das jetzt in aller Form mit.
Herr Präsident, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schneider?
Präsident des Senats Koschnick ({0}) : Bitte schön.
Herr Bürgermeister, Sie sprachen eben davon, daß wir 1969 die erste Finanzverfassungsreform gehabt hätten.
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- Gemeindefinanzreform. Aber auch das stimmt nicht. Die erste wichtige, entscheidende Finanzreform zugunsten der Gemeinden erfolgte am 24. Dezember 1956. Damals wurde den Gemeinden als originäre Steuerquelle die Realsteuer, was ursprünglich im Grundgesetz nicht vorgesehen war, unter Bundesfinanzminister Fritz Schäffer zuerkannt, dessen Name man zugunsten der Gemeinden durchaus rühmlich erwähnen darf.
Präsident des Senats Koschnick ({1}) : Das war keine Frage, das war eine Aufklärung. Ich danke für jede sachdienliche Aufklärung. Ich bin auch bereit, zuzugestehen, daß den Gemeinden mit dieser Realsteuerentscheidung etwas zugeflossen ist, was ihnen schon seit Erzberger originär zugestanden hat und was 1914 und vorher selbstverständlich ihr eigenes Recht war. Gleichwohl lobe ich mit Ihnen Herrn Schäffer. So wie Sie Sozialdemokraten loben, lobe ich gelegentlich auch Christdemokraten und ihre Familien, soweit sie heute noch wirken. Einer von den Schäffers ist heute Stadtrat in Passau und klagt mit mir darüber, daß die CSU zuwenig für Passau tut.
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Machen wir es doch kurz: Wir stehen - ich hoffe, gemeinsam, auf jeden Fall aber mit dem Kollegen Waffenschmidt, wenn er es hier auch nicht so sagen darf - vor der Lösung einer sehr wesentlichen Frage. Prinzipiell kommt es jetzt doch darauf an: Was muß in den nächsten Jahren für die Kommunen gemacht werden? Dabei gibt es zwei Aspekte. Der eine, den ich akzeptiere, ist der globale Aspekt
einer nationalen Regierung, daß nämlich in den letzten Jahren auch bei den Gemeinden tatsächlich wesentliche Einnahmeverbesserungen eingetreten sind.
Aber - nun bitte ich, von dem Globalaspekt einmal wegzukommen - die Strukturverwerfungen unserer Wirtschaft haben zu regional unterschiedlichen Belastungen geführt, so daß sich das, was sich global sehr schön ausmacht, in vielen Gemeinden katastrophal auswirkt. Wer einmal auf das Ruhrgebiet schaut, wo es in einigen Städten eine Arbeitslosenquote von 11 und 12 % gibt, wer nach Ostfriesland oder nach Teilen von Bayern schaut, weiß, daß wir nicht jede Gemeinde gleich behandeln können. In Wolfsburg sieht es gut aus, in Rüsselsheim phantastisch, einiges ist auch in diesem rheinischen Raume gut. Andererseits leiden wir in Bremen im Augenblick gerade besonders an -der krisenhaften Anfälligkeit unserer Strukturen. Deswegen kommt es darauf an, die Gemeindefinanzpolitik nicht nur global, sondern auch sektoral und strukturell zu sehen; das allerdings nicht nur beim Bund, sondern in jedem Falle auch bei den Ländern, weil auch dort entschieden wird, wie die Landesfinanzmasse verteilt wird.
Da darf ich Ihnen sagen: Als es Ihnen im Bund und uns in den Ländern und Gemeinden einnahmemäßig schlechter ging, gab es einige Länder, die damit anfingen, die ersten Kürzungsmaßnahmen dort vorzusehen, wo ich das am meisten bedauert habe, nämlich beim kommunalen Finanzausgleich in den Ländern.
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Ich wäre meinem Kollegen Titzck, den ich aus alter bürgerschaftlicher Tätigkeit als Bürgermeister und später als Landesinnenminister gut kenne, sehr dankbar gewesen, wenn er deutlich gemacht hätte, warum gerade Schleswig-Holstein zuerst beim Finanzausgleich gekürzt hat.
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- Er kann für Baden-Württemberg nicht sprechen, sondern nur für Schleswig-Holstein. Ich würde es ihm nicht zumuten, auch noch für Stammheim einzutreten. Hier geht es mir nur um Kiel. Dort - das muß ich Ihnen sagen - haben Sie leider zuerst die Zuweisungen an die Gemeinden gekürzt; eine Sache, die doch auch einmal angesprochen werden muß. Es wäre ganz gut, wenn die CDU/CSU hier etwas weniger gegen die Bundesregierung trommeln, sich statt dessen einen Ruck geben und nach Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, ins Saarland, nach Niedersachsen und Schleswig-Holstein marschieren und dort alles das verwirklichen würde, was hier zum Teil gefordert wird. Ich helfe Ihnen gerne dabei.
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Meine Damen und Herren, wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lemmrich.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind alle gerne
bereit, zum Wohl der Kommunen unsere Kräfte überall im Lande einzusetzen. Ich hoffe, Herr Bürgermeister Koschnick, daß es Ihnen möglich sein wird, Ihre Gedanken auch bei Ihren Freunden durchzusetzen.
Sie sprachen davon, daß die Gemeinden die Hilfe des Bundes brauchten. Wo der Bund konkret etwas tun kann, darüber möchte ich jetzt sprechen, indem ich den Antrag zur Änderung des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes begründe. Eines unserer dringlichsten Probleme ist die Arbeitslosigkeit, die auch 1978 voraussichtlich eine Million Bürger unseres Landes quälen wird. Um dieses schwere Problem angehen zu können, das unsere gesellschaftliche und soziale Ordnung schwer bedrängt, sind eine Reihe von Vorschlägen gemacht und auch Maßnahmen ergriffen worden, wie das mit 16 Milliarden ausgestattete Programm für Zukunftsinvestitionen - wie der Name für das Konjunkturprogramm klangvoll lautet.
Sie werden fragen: Was hat das mit der Lage der Städte, Gemeinden und Landkreise in Deutschland zu tun? Die Gemeinden sind Hauptträger der öffentlichen Investitionen. Während die Sachinvestitionen des Bundes 1976 7 Milliarden DM und die der Länder 8 Milliarden DM ausmachten, beliefen sich die Sachinvestitionen der Kommunen auf 28,8 Milliarden DM. Diese Zahlen unterstreichen die große Bedeutung der kommunalen Investitionen für wirtschaftliches Wachstum und die Wirtschaft unseres Landes schlechthin.
80 % der Sachinvestitionen der Gemeinden sind Bauinvestitionen. Das seit 1974 feststellbare Fallen des Volumens der Sachinvestitionen der Gemeinden, das 1974 noch 30,4 Milliarden DM betrug, hatte seine Auswirkungen auf die Konjunktur und insbesondere auf den Baumarkt, der sich in einer außerordentlich schlechten Situation befindet. Dies hat Auswirkungen auf die Gesamtkonjunktur und auf die Arbeitslosigkeit. Seit 1973 sind im Bereich der deutschen Bauwirtschaft 400 000 Arbeitsplätze vernichtet worden.
In der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage meiner Fraktion ist davon die Rede, daß in einigen kommunalen Investitionsbereichen, wie dem Bau von Schulen, Kindergärten und Krankenhäusern, ein Nachlassen des Bedarfs zu verzeichnen sei. Diese Feststellung der Bundesregierung halte ich für durchaus zutreffend. Doch stellt sich die Frage, ob nicht in anderen Bereichen ein großer Bedarf vorhanden ist und ob es nicht auch aus Konjunkturgründen, aus der Verpflichtung zur Sicherung der Arbeitsplätze, geboten erscheint, dieser Entwicklung entgegenzusteuern durch einen Ausgleich in Bereichen, in denen noch ein großer Bedarf besteht.
Mit der Kürzung der Mittel für den Verkehrsausbau der Gemeinden im Jahre 1975 wurde dem Konjunkturabschwung nicht entgegengewirkt. Er wurde vielmehr verstärkt. Dies entsprach sicher nicht den jetzigen Feststellungen des Bundesfinanzministers ill seiner jüngsten Haushaltsrede, in der er sagte:
Diese generelle Linie heißt auch für den Bundeshaushalt 1978, . . . das Mögliche zu tun, den Konjunkturaufschwung abzusichern.
Doch sollte man den Bereich der Gemeinden dabei eben nicht übersehen. Daß den Gemeinden eine besondere Rolle in Anbetracht des großen Umfangs ihrer Sachinvestitionen zukommt, bekräftigte Bundesfinanzminister Dr. Apel in dieser Haushaltsrede vom 4. Oktober 1977 ebenso, indem er sagte:
Es ist in Washington sehr deutlich geworden, daß man von uns alles in unseren Kräften Stehende erwartet, um den deutschen Wachstumsprozeß für 1978 zu festigen. Dabei kommt den Gebietskörperschaften eine zentrale Rolle zu. Der Bund allein kann eine expansive Haushaltspolitik nicht leisten. Er benötigt dazu die volle Mitwirkung und Unterstützung der Bundesländer und Gemeinden.
Ich meine, dies ist richtig. Doch müssen die Gemeinden auch in die Lage versetzt werden, diesen ihren
Beitrag zur Wirtschaftsbelebung leisten zu können.
Nach Auffassung der CDU/CSU geht es darum, eine Verstetigung der Konjunktur auch in diesem Bereich auf einem normalen Niveau, das wir eben leider nicht haben, zu erreichen.
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Dem soll der vorliegende Gesetzentwurf zur Änderung des Gemeindeverkehrsfinanzgesetzes dienen, der vorsieht, den Zustand vor der Kürzung der Mittel um 10 % durch das Haushaltsstrukturgesetz von 1975 wiederherzustellen. Dadurch würden den kommunalen Investitionen zusätzlich ca. 400 Millionen DM zugeführt werden,
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wobei sich der Bund mit 250 Millionen DM beteiligt und die Gemeinden selbst 150 Millionen DM beisteuern würden.
Es erscheint auch heute vertretbar, die große Masse der vom Haushaltsstrukturgesetz herbeigeführten einschränkenden Regelungen aufrecht zu erhalten. Mit wenigen Ausnahmen handelt es sich ja um konsumtive Ausgaben. Unter den veränderten konjunkturellen und wirtschaftsstrukturellen Rahmenbedingungen ist es jedoch kaum gerechtfertigt, in dem wichtigen Bereich des Verkehrsausbaus in den Gemeinden die 1975 getroffenen Einschränkungen beizubehalten. Es ist widersprüchlich, einerseits ein Programm von 16 Milliarden für Zukunftsinvestitionen aufzulegen und andererseits in einem wichtigen Zukunftsbereich, nämlich beim Verkehrsausbau in den Gemeinden, eine Sparvorschrift festzumauern.
Was spricht für die Gesetzesänderung? Erstens. Entgegen bisheriger Schätzung hat der Kraftfahrzeugbestand seit 1974 um jährlich eine Million zugenommen; er erreicht in diesem Jahr 20 Millionen Kraftfahrzeuge. Nach seriösen Prognosen hält dieser Trend an. 1985 soll es allein 24 Millionen Personenkraftwagen in unserem Lande geben. Der Motorisierungswille der Bundesbürger ist ungebrochen, eine entscheidende Konjunkturstütze in unseren Tagen. Doch bedeutet dies auch eine Verschärfung der Verkehrsprobleme in den Gemeinden.
Zweitens. Auf Anweisung der Bundesregierung soll die Bundesbahn auf 6 000 km ihres Streckennetzes den Personenverkehr von der Schiene auf die Straße verlagern. Das wird erhöhte Anforderungen insbesondere an das kommunale Straßenetz stellen.
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Drittens. Das Immissionsschutzgesetz wird nach Fixierung der Lärmschutzwerte je nach Größe dieser Werte Belastungen von 500 Millionen bis 2 Milliarden DM den Gemeinden aufladen. Allein dieser Sachverhalt läßt die Annahme dieses unseres Gesetzentwurfs geboten erscheinen, wenn die Gemeinden diese Aufgabe erfüllen sollen.
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Viertens. Für den Gesetzentwurf spricht auch die Notwendigkeit der Verstetigung der Baukonjunktur auf einem normalen Niveau, das wir - ich wiederhole es - nicht haben. Die Bauwirtschaft ist ein wichtiger Teil der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.
Wir müssen Entscheidungen zur rechten Zeit treffen und rechtzeitig planen. Dann werden wir auch Erfolg haben. Weitsicht im Blick auf das, was vor uns liegt, ist ja Politikern nicht verboten. Darüber müssen wir jetzt entscheiden.
Was werden die Auswirkungen dieses Gesetzentwurfs sein? Durch 250 Millionen DM des Gemeindefinanzgesetzes werden bei einer 40 %igen Beteiligung der Länder und Gemeinden jährlich 400 Millionen DM dem dringend notwendigen Verkehrsausbau der Gemeinden als Investitionen zugeführt. Bei Inkraftttreten des Gesetzes zum 1. Januar 1979 wäre ausreichend Zeit auch für die Planung vorhanden. Der Betrag würde dann je zur Hälfte dem Ausbau der Wege des öffentlichen Personennahverkehrs und dem kommunalen Straßenbau zufließen, wobei der S-Bahn- und U-Bahn-Bau besonders personalintensiv wäre und sich besonders positiv auf den Arbeitsmarkt auswirken würde.
Die Sorgen um die Arbeitsplätze und die Verstärkung der Investitionskraft der Gemeinden um einige der großen Aufgaben erfüllen zu können, empfiehlt es, diesen Gesetzentwurf zu realisieren. Ich bitte auch die Kollegen der Regierungskoalition mit uns ernsthaft in die Beratung einzutreten.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Ravens.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben heute morgen bei dem Thema der Lage der Städte und Gemeinden im wesentlichen über die Finanzausstattung der Städte und Gemeinden gesprochen. Ich halte das schon für richtig und wichtig, aber ich denke, das darf nicht alles sein, wenn man über die Probleme unserer Städte und Gemeinden spricht. Ich
bin deswegen Herrn Bürgermeister Koschnick sehr dankbar, daß er in seinem Beitrag noch einmal den originären Zusammenhang zwischen Ländern und Gemeinden dargestellt und darauf verwiesen hat, daß es Verpflichtungen auch der Länder - oder gerade der Länder - gegenüber ihren Gemeinden gibt.
Lassen Sie mich ein zweites sagen. Ich halte es - vielleicht, Herr Waffenschmidt, sagen Sie es Herrn Kollegen Zeitel, der nicht mehr hier sein kann, wie ich annehme - für nicht sehr überzeugend, wenn man als Mittelstandspolitiker der Union über die Lande geht und sagt: „Die Gewerbesteuer muß weg", gleichzeitig aber beklagt, daß die Gemeinden keine ausreichende Finanzausstattung haben. Für eines von beiden muß man sich entscheiden. Es ist auch schwierig, Herr Kollege Schneider, sich auf Herrn Schäffer zu berufen, der das originäre Recht der Gemeinden zum Selbsterheben von Steuern und zum Festsetzen ihrer Hebesätze durchgesetzt oder neu wieder eingeführt hat, und dann gleichzeitig einen Teil der originären' Steuereinnahmen, zum Beispiel die Gewerbesteuer, durch Herrn Zeitel herausoperieren zu lassen, eine der Steuern, auf die gehoben werden kann.
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- Ich sage nur, man muß sich darüber klar sein, was man will. Wir haben im vergangenen Jahr ganz bewußt die Freibeträge für die Gewerbesteuer angehoben, und wir haben gewußt, was dies bedeutet. Der Finanzminister hat darauf verwiesen, daß deswegen auch die Umsatzsteuerpunkte entsprechend bei den Ländern geblieben sind.
Aber, meine Damen und Herren, ich will nicht über die Finanzausstattung reden, sondern ich möchte auch ein wenig die Rahmenbedingungen mit aufzeigen, die heute für die Städtebaupolitik des Bundes, der Länder und für die Städte und Gemeinden notwendig und wichtig sind und die wir mit zu berücksichtigen haben.
Zunächst: Heute leben in der Bundesrepublik Deutschland 62 Millionen Einwohner. Nach allen Vorausschätzungen werden es auf Grund der gesunkenen Geburtenhäufigkeit und der vermuteten Abnahme der ausländischen Bevölkerung bis 1985 wahrscheinlich 59 Millionen Menschen sein. Gleichzeitig stellen wir dabei fest,. daß bereits heute die großen Städte einerseits und die abseits der Wirtschaftszentren gelegenen ländlichen Räume andererseits von Abwanderung bedroht sind und Bevölkerung verlieren. Gewinner sind dabei meistens Mittelstädte und das Umland von großen Städten. Wir müssen sehen, daß dies Konsequenzen für die Städtebaupolitik und die Stadtentwicklungspolitik haben muß. Wir müssen noch sorgfältiger als bisher an Hand von regionaler Bevölkerungs- und Erwerbstätigenprognose jede einzelne Maßnahme auf ihre Notwendigkeit hin untersuchen, um bei stagnierender oder schrumpfender Bevölkerungszahl zu verhindern, daß wir Fehlinvestitionen oder Neubauruinen bekommen.
Die Bundesregierung hat gemeinsam mit den Ländern im vergangenen Jahr mit dem ersten Bundes4490
raumordnungsprogramm den Städten und Gemeinden einen Orientierungsrahmen für ihren Handlungsspielraum gegeben, einen Orientierungsrahmen im großräumigen Bereich, der nicht Vormundschaft bedeutet, sondern Hilfe bei der Ausrichtung der eigenen Politik, und der gleichzeitig für Bund und Land ergänzendes Element in der Ausrichtung ihrer eigenen Investitionspolitik ist.
Ich sagte, über den Bereich der Finanzen haben wir ausreichend gesprochen. Ich denke, wir sollten uns miteinander. darüber im klaren sein, daß wir im Laufe der nächsten Jahre in allen öffentlichen Haushalten mit einer zunehmenden oder mindestens bleibenden Enge bei den Finanzierungsspielräumen zu tun haben, und daß wir von dorther bei der Mittelverteilung sehen müssen, daß die Mittel gleichermaßen auf alle drei Partner zu verteilen sind, daß jeder dabei seinen Teil mitzutragen hat und daß von dorther auch Schwerpunkte neu gesetzt sein sollen.
Drittens will ich den immer mehr durchschlagenden Trend zu mehr Umweltbewußtsein, zur Erhaltung gewachsener Stadtstrukturen und der Landschaft anführen. Genauso wie sauberes Wasser, saubere Luft und unverfälschte Landschaft drohen originelle Bauwerke, Baugruppen und Stadtteile, die uns die Kunst der Baumeister und der Stadtplaner der vergangenen Epochen hinterlassen hat und die ein Korrektiv sein können, ein Modell für heutiges Planen, Bauen und Leben in sozial intakten Bezügen, knapp zu werden, wenn wir nicht weiterhin für die Erhaltung, für die Erneuerung unserer Städte sensibel bleiben und uns dafür auch engagieren, und zwar beim Bund, in den Ländern und Gemeinden.
Ich meine, wir dürfen vorhandene Stadtstrukturen nicht als Variable der Stadtplanung betrachten. Man wird sorgsamer als bisher prüfen müssen: Was kann aus baulichen Gründen überhaupt nicht erhalten werden? Was ist erhaltenswürdig, aber kann nur mit öffentlichen Mitteln und mit öffentlicher Hilfe erhalten werden? Und wo ist die Erhaltung notwendig und kann billigerweise vom Eigentümer verlangt, gegebenenfalls auch erzwungen werden?
Hier liegen Aufgaben für die Zukunft, auf die wir unsere eigenen Prioritäten ausrichten müssen und ausgerichtet haben. Das Städtebauförderungsgesetz hat den Städten und Gemeinden hierfür ein umfangreiches Instrumentarium zur Verfügung gestellt. Herr Bürgermeister Koschnick hat auf die Tatsache hingewiesen, daß hier neue wesentliche Instrumente für die Stadtpolitik geschaffen worden sind. Als im Jahre 1971 nach mehreren vergeblichen Anläufen - gegen auch damals noch ganz erhebliche parlamentarische Widerstände und erhebliche Widerstände aus Interessentengruppen - das Gesetz verabschiedet wurde, ging es uns vor allen Dingen um die Einführung eines neuen bodenordnungspolitischen und planungsrechtlichen Instrumentariums .und um ein finanzielles Engagement des Staates für die Erneuerung und die Anpassung von Städten und Gemeinden an veränderte gesellschaftliche Strukturen und bauliche Erfordernisse. Wir haben mit dem Gesetz die Grundlage dafür geschaffen, daß seitdem alle Länder und der Bund bei der Erhaltung und Erneuerung unserer Städte und Gemeinden mit nicht geringen Beträgen helfen können.
Sieben Programme sind inzwischen verabschiedet worden. In den sieben Jahren sind 1,53 Milliarden DM Bundesmittel als Finanzhilfen an die Gemeinden gezahlt worden. Insgesamt ist ein Investitionsvolumen von 4,5 Milliarden DM bereitgestellt worden. Im ersten Programm 1971 hatten wir .198 Erneuerungs- und Erhaltungsmaßnahmen in den Städten und Gemeinden. Im Programm 1977 sind es 599 Maßnahmen in 436 Städten und Gemeinden geworden, 599 Maßnahmen, an denen der Bund und die Länder sich jeweils mit einem Drittel der unrentierlichen Kosten beteiligten. In diesem Jahr werden 69 Gemeinden für das kommende Jahr neu aufgenommen. Das zeigt, wie hoch das Interesse unserer Gemeinden an diesen Programmen nach wie vor ist, wie groß die Bereitschaft ist mitzuwirken. Das sind nüchterne Zahlen. Wir haben hier gezielt geholfen, wo die Aufgaben besonders groß sind, ganz ohne Gängelung und nicht als Dotationsauflage. Aber wir haben dort gezielt geholfen, wo Städte und Gemeinden unter dem Druck dieser Aufgaben mit den normalen Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen, die Aufgaben nicht lösen können.
Ich denke, dabei wird es auch in Zukunft bleiben müssen. Hier dürfen wir den falschen Begriff „Dotationsauflagen" nicht einführen. Wir werden immer wieder dort, wo außergewöhnliche Aufgabenstellungen bestehen, auch mit außergewöhnlichen Mittelbereitstellungen von Bund und Ländern zu helfen haben. Schauen Sie sich Bayreuth oder Bamberg, Regensburg, Nürnberg, Lüneburg, schauen Sie sich Lübeck an! Es wird klar, daß es sich um Städte handelt, die anders als eine normale Industriestadt für uns alle ein historisches Erbe zu verwalten haben, Städte, denen wir dabei helfen müssen. Dies darf man nicht mit dem Begriff „Dotationsauflagen" abqualifizieren. Dies ist gezielte und gewollte Hilfe zur Städtebaupolitik. Wir haben diese Mittel in den vergangenen Jahren zusätzlich verstärkt.
Wenn man sich anschaut, was daraus geworden ist, stellt man fest, daß viele unserer Städte menschlicher geworden sind. Sie haben ihr Gesicht und ihre Identität wiedergefunden. Ich behaupte: sie sind reicher geworden, reicher an Atmosphäre, reicher an Bekenntnis der Bürger zu ihrer Stadt.
Ich habe mir vor 14 Tagen in Lübeck angesehen, was dort mit den Mitteln der Investitionsprogramme an Leistungen gerade auf diesem Feld erbracht werden konnte, Leistungen, die mithelfen, daß sich die Menschen in ihren Städten und Gemeinden weiter oder wieder wohlfühlen, in Osnabrück, in Kempten, in Stade, in Marburg oder auch in Limburg. Schauen Sie sich das an! Dies ist ein Beispiel von außergewöhnlichem Bürgerengagement für die Städte und Gemeinden, ein Beispiel für hervorragende Arbeit der dort tätigen Ratsherren und ein Beispiel für hervorragende Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Es ist auch ein Beispiel dafür, daß, wenn der Bund unseren Ländern und Gemeinden das ausreichende Rechtsinstrumentarium in die Hand gibt - Herr Kollege Waffenschmidt, Sie waren bei der Auseinandersetzung hier im Hause um das Städtebauförderungsgesetz nicht dabei, als es darum ging, ob man den Gemeinden all die Instrumente wohl geben dürfe, ob sie denn damit umBundesminister Ravens
gehen könnten, ob man hier nicht rechtlich den Rahmen viel enger ziehen müsse, damit dort nicht sozialistischer oder anderer Übermut herrsche -, das sie benötigen, und Vertrauen hinzufügt, daß sie es ordentlich anwenden und wir dann auch ordentliche Ergebnisse bekommen.
Wir sollten diese Leistungen nicht verschweigen in einer Debatte, in der wir über die Lage unserer Städte und Gemeinden reden. Wir würden den Ratsherren, die sich hier ganz besonders engagiert haben, damit keinen Dienst erweisen. Wir sollten dies nicht verschweigen. Wir dürfen dabei auch nicht verschweigen, daß der Bund hier geholfen hat und weiter helfen wird. Dies gehört nun einmal dazu.
Wir haben diese konzentrierte Städtebauförderung, die sich - das wird auch oft vergessen - auch nach Raumordnungsgesichtspunkten richtet, bei. allen Sonderprogrammen, die wir in den vergangenen Jahren im Rahmen der Konjunkturpolitik verabschiedet haben, intensiv unterstützt. Das heißt: Wir haben hier versucht, Sicherung der Arbeitsplätze auf der einen Seite und Verbesserung der Lebensqualität in unseren Städten und Gemeinden auf der anderen Seite zusammenzufügen und daraus ein vernünftiges Ergebnis werden zu lassen. Nie zuvor hat es Konjunktur- und Strukturpolitik gegeben, die so eindeutig für die Städte und Gemeinden eingerichtet und auf sie ausgerichtet war wie in den letzten Jahren. Das ist - da wollen wir uns gar nichts abbeißen lassen - ein Verdienst dieser sozialliberalen Bundesregierung und ihrer Mehrheit im Parlament, denn wann hat es jemals in der Verantwortung der Union Sonderprogramme für Städte und Gemeinden gegeben?
({1})
- Herr Lemmrich! Auf die Städte und Gemeinden gezielt! Genau bei diesem Programm wird das deutlich.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schneider?
Aber ja!
Herr Bundesminister, wann hat es jemals Sonderprogramme der Unionsregierungen für Städte und Gemeinden gegeben? Das war Ihre Frage. Ich frage Sie: War der grandiose Wiederaufbau der zerstörten Länder und der zerstörten Städte nach 1945 nicht das Ergebnis grandioser Sonderprogramme der Wiederaufbaupolitik der früheren Bundesregierungen?
Herr Kollege Schneider, ich bin von einem ganz anderen Ansatz ausgegangen, daß wir nämlich Konjunktur-, Struktur- und Städtebaupolitik so eng miteinander verflochten haben,
wie wir es nie zuvor gesehen haben. Dies ist ein notwendiger Ansatz gewesen.
({0})
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Jahn?
Herr Minister, da Sie die ganze Zeit nur vom staatlichen Engagement sprechen, frage ich Sie, ob Sie auch Anreize für private Investitionen im Städtebau machen können, ohne die der Städtebau nicht weiter bergauf geht?
Herr Kollege Jahn, wenn Sie nicht so ungeduldig wären! Sie können sich darauf verlassen, ich werde dies nicht vergessen. Ich werde keine der Leistungen vergessen, die die Bundesregierung für die Städte und Gemeinden auf diesem Feld erbracht hat. Ich werde auch dies tun, weil ich auch weiß und weil wir uns auch klar darüber sind und in der Städtebaupolitik darauf gesetzt haben, daß öffentliches Engagement und privates Engagement zusammengefügt werden m u B ,
({0})
wenn die Lebensfähigkeit unserer Städte und Gemeinden erreicht werden soll.
Da will ich nur noch einmal auf das Programm für Zukunftsinvestitionen verweisen, ohne auf die vorherigen Programme einzugehen. 1975 wurden allein für die Stadtsanierung 500 Millionen DM zusätzlich bereitgestellt, und das Programm für Zukunftsinvestitionen stellt 950 Millionen DM bereit.
Herr Kollege Waffenschmidt, wenn wir über die Wirksamkeit dieser Programme reden, muß ich auch sagen: Die Gemeinden haben gerade beim Zukunftsinvestitionsprogramm in dem Teil, der durch mein Haus läuft und den ich zu verantworten habe, gezeigt, daß sie bereit sind, sich mit zu engagieren. Wir haben an Haushaltsmitteln in diesem Jahr 320 Millionen DM zur Verfügung gestellt, und wir hatten eine Überzeichnung seitens der Gemeinden von 150 Millionen DM für die Stadterneuerung. Unser Angebot für das nächste Jahr im Haushalt sind 500 Millionen DM, vorgezogen gegenüber den kommenden Jahren.
Ich wäre sehr dankbar, wenn Sie mithelfen würden, daß wir bei den Ländern eine gleichzeitige Aufstockung der Mittel bekommen, damit diese Einsätze schneller fließen. Wir verhandeln im Augenblick darüber, weil wir sehen, daß es schwierig ist, daß die Länder ihren Mittelansatz auf 500 Millionen DM anheben.
Hier haben die Gemeinden gezeigt, daß sie in der Lage und bereit sind, im Rahmen der Maßnahmen der Stadterneuerung, der Stadterhaltung und der Verbesserung der Lebensqualität in der Stadt Mittel bereitzustellen. Wir lassen ihnen den großen Spielraum.
Was Sie über das Elefantenhaus und die Berufsschule erzählen, ist bei uns an der falschen Adresse.
4492 Deutscher Bundestag - 8. Wahlperiode - 58. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den .24. November 1977
Bei uns heißt es im Programm: Wir finanzieren Maßnahmen in denkmalsgeschützten oder erhaltenswürdigen Stadtteilen zur Verbesserung der Wohn- und Lebensqualität. Sie können sehen, wie breit das bei uns angelegt ist.
({1})
Wir finanzieren die Erhaltung denkmalsgeschützter Gebäude mit. Wir finanzieren den Ersatzwohnungsbau in Sanierungsgebieten mit. Wo ist dort Gängelung? Hier ist für die Gemeinde der Auswahlspielraum sehr groß. Ich wäre allerdings auch froh, wenn das Verfahren zwischen der Landesregierung und der Gemeinde so gestaltet werden kann, daß es zu solchen Entgleisungen - auch ich halte das, was dort geschehen ist, für eine Entgleisung - nicht kommt, daß die Gemeinden zehn Objekte anmelden müssen, damit sie eines bekommen, sondern daß das von dieser Seite her ein wenig einfacher durchläuft,
({2})
Wir geben unsere Mittel aufgeteilt nach einem bestimmten Quotenschlüssel an die Länder. Die Verteilung auf die einzelnen Gemeinden, Kreise und Regierungsbezirke ist nicht Aufgabe der Bundesregierung. Das hat sie nie als ihre Aufgabe gesehen. Auch die Auswahl der Objekte ist nicht Aufgabe der Bundesregierung. Diese Auswahl kann sie gar nicht vornehmen. Wir können bei der Mittelverteilung nur prüfen, ob die rechtlichen Voraussetzungen gegeben sind. Ich wäre froh, wenn es hier gelingt, daß wir zu einem vereinfachten Verfahren gelangen, bei dem es nicht zu solchen Ausrutschern kommt.
Was ich sagen wollte, ist: Die Gemeinden sind bereit, hier mitzugehen. Wir haben mitgeholfen, daß gleichzeitig auch neue Instrumente für Verbesserungen im privaten Bereich geschaffen werden konnten. Denn Modernisierungsförderung, 7-b-Ausweitung für den Erwerb von Altgebäuden, Verzicht auf Grunderwerbsteuer beim Erwerb eines alten Gebäu- des mit nicht mehr als zwei Wohnungen, Sonderabschreibungen für die Modernisierung - 10 % -, Sonderabschreibungen für den Bereich der Energieeinsparung - dies alles sind Anreize für den Privaten, mitzuhelfen, im Altbereich der Städte und Gemeinden zu investieren und unsere Städte und Gemeinden lebenswert zu erhalten.
Hinzu kommen bei uns der gesamte Bereich der Forschungspolitik, deren Ergebnisse den Gemeinden zur Verfügung stehen, sowie die Wettbewerbe, die helfen, neue städtebauliche Elemente zu finden und sie an die Städte und Gemeinden weiter zu geben.
Herr Lemmrich, Sie haben von der Verstetigung der Bauleistungen gesprochen. Ich wäre sehr dankbar, wenn Sie uns bei den Problemen, die bei der Umsetzung des Energieeinsparungsgesetzes - das ja auch der Verbesserung des Wohnwerts und damit der Verbesserung der Lebensqualität in den Städten und Gemeinden' dient - noch da sind, helfen würden, daß sich die Länder mit der Hälfte der Mittel beteiligen. 4,35 Milliarden DM bedeuten 22 Milliarden DM Aufträge in vier Jahren für die kleine und
mittlere Wirtschaft, für das Ausbaugewerbe. Wir möchten ganz gern, daß dies laufen kann.
({3})
- Wir werden am 28. November mit den Länderministern reden. Das wird die erste offizielle Länderministerkonferenz hierzu sein, Herr Kollege Jahn. Danach werde ich Ihnen im Ausschuß sagen können, wie der Stand ist.
Wir haben mit dem Bereich der Städtebauförderung, mit der Modernisierungsgesetzgebung, mit der Forschungsförderung des Bundes, mit dem Bundesbaugesetz und den Baunutzungsverordnungen die Selbstverwaltungskraft unserer Städte und Gemeinden gestärkt. Wir haben die rechtlichen Voraussetzungen für die Beteiligung der Bürger dabei geschaffen, weil es uns darauf ankam, das Engagement der Bürger in die Gestaltung der Städte und Gemeinden einzubringen, und zwar in Form der Beteiligung an der Planung und der Entscheidung im Rat. So soll es auch in Zukunft sein. Wir sind überzeugt, daß sich die Bürger mit ihrer Gemeinde nur dann identifizieren können, wenn sie die Möglichkeit erhalten, bei der Gestaltung ihrer Stadt, ihrer Gemeinde mitzuwirken.
Ich denke, wr sind auf dem richtigen Weg mit dem, was in den letzten Jahren im Bereich der Städtebaupolitik des Bundes, im Bereich der Sonderförderung für die. Städte und Gemeinden geleistet worden ist. Lassen Sie uns diesen Weg in gemeinsamer Arbeit mit den Gemeinden weitergeben. Aber lassen Sie uns gleichzeitig darauf sehen, daß uns der eigentliche Partner der Gemeinden dabei nicht aus den Fingern läuft: die Länder. Der Appell, den wir von hier aus zu richten haben, muß ja wohl ein Appell sein, der sich auch an unsere Kollegen in den Ländern richtet, nämlich mit dafür Sorge zu tragen, daß die Gestaltungsfreiheit unserer Gemeinden gewahrt bleibt. Die Bundesregierung hat das Ihre dazu getan.
({4})
Meine Damen und Herren, gemäß Art. 43 Abs. 2 des Grundgesetzes erteile ich das Wort Herrn Staatsminister Gaddum ({0}).
Staatsminister Gaddum ({1}) : Herr Präsident! Sehr verehrte Damen! Meine Herren! Der Herr Bundeskanzler hat die Antwort auf die Große Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion eigentlich gelegentlich seiner Rede vor dem Städte- und Gemeindebund in einem Satz gegeben - ich zitiere -: „Eine allgemeine akute Finanznot der Gemeinden anerkenne ich nicht."
Ich bin der Ansicht, daß mit diesem Satz die Meinung der Bundesregierung umschrieben ist. Dort ist nicht die Rede davon, daß es an der Erhöhung der Mehrwertsteuer um 1 oder 2 % gehangen hätte, sondern allein die Begründung, die hier vorgetragen wird und von der ich den Eindruck habe, daß sie zu einem guten Teil ja auch von Vertretern aller
Staatsminister Gaddum
Fraktionen geteilt wird, wird von der Bundesregierung nicht anerkannt.
Die Große Anfrage bemüht sich in vielen Punkten, diese Position zu belegen, denen auch aus der Sicht eines Landes zugestimmt werden kann. Andere allerdings erscheinen in der Antwort doch etwas sehr vereinfachend und problematisch.
Lassen Sie mich zuvor noch etwas zur Verbindung mit der Mehrwertsteuererhöhung sagen. Ich glaube, daß diese Auseinandersetzung eigentlich ausgestanden sein sollte. Wenn ich immer wieder höre, daß die Bundesregierung - nach den Äußerungen des Bundeswirtschaftsministers, aber auch nach der Äußerung des Bundesfinanzministers - aus wohlerwogenen Gründen der Meinung ist, daß die jetzt beschlossene Steuerentlastung konjunktur- und wirtschaftspolitisch insgesamt notwendig sei, kann ich eigentlich nicht verstehen, daß hier immer noch - offensichtlich unter dem Beifall der sozialdemokratischen Fraktion - bedauert wird, daß man nicht zu einer zweiprozentigen Mehrwertsteuererhöhung gekommen ist. Ich bin der Meinung, daß dieser Streit wohl durch die wirtschaftspolitische Entwicklung ausgestanden sein sollte und überholt ist.
({2})
Herr
Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kühbacher?
Staatsminister Gaddum ({0}) : Ja.
Herr Minister, ist Ihnen der Redebeitrag von Herrn Professor Zeitel, CDU, bekannt, der heute vormittag einer Abschaffung der Gewerbesteuer das Wort geredet hat, was, wie er zugibt, eine 4,5 %ige Erhöhung der Umsatzsteuer impliziert? Ist das die neue Auffassung der CDU?
Staatsminister Gaddum ({0}) : Mir ist bekannt, daß der Austausch der Gewerbesteuer in einem gewissen Verhältnis zur Umsatzsteuer im Zusammenhang mit der EG-Harmonisierung ein uraltes Thema und daß dies keine Erfindung des heutigen Tages ist.
({1})
Lassen Sie mich aber zu der Argumentation der Bundesregierung, die in der Beantwortung der Großen Anfrage deutlich wird, hier noch auf einige Punkte eingehen. Die Begründung, daß die Verbesserung der Situation der Gemeinden an dem Rückgang der Nettokreditaufnahme ablesbar sei, erscheint mir etwas sehr verkürzt.
({2})
Ich bin der Meinung, daß hierbei gesehen werden muß, daß die Gesamtentwicklung des Ausgabevolumens der Gemeinden in dem Bezugsjahr außerordentlich niedrig liegt und daß sich das von daher natürlich bei der Nettokreditaufnahme auswirkt. Es wirkt sich jetzt natürlich aus, daß in den Haushalten der Gemeinden die erhöhten Zuweisungen des Bundes und der Länder für bestimmte Zwecke im Ausgabevolumen enthalten sind und insofern keine zusätzlichen Kreditaufnahmen notwendig machen. Über den Charakter und den Wert dieser Zuweisungen werde ich nachher noch etwas sagen. Zum dritten darf ich Sie zum wiederholten Male darauf hinweisen, daß ich es für unzulässig halte, die Nettokreditaufnahme in einem Verhältnis zu den Gesamtausgaben der Gemeinden zu beurteilen, wenn man nicht berücksichtigt, wie die Entwicklung der Gebührenhaushalte ist, die sich in den Gemeinden niederschlägt.
Die innere Struktur unserer Gemeindehaushalte hat sich in den letzten Jahren völlig geändert. In dem Maße, in dem Gebührenhaushalte an Gewicht gewinnen, muß natürlich das Gewicht der an sich voll abgedeckten Teile des Haushalts steigen; denn sonst gingen wir davon aus, daß auch Gebührenhaushalte durch Kredite gedeckt werden sollen, was wohl niemand will. Der Bundeskanzler hat sich hierzu sehr deutlich geäußert. Daß die Nettokreditaufnahme im Anteil an den Gemeindehaushalten sinkt, ist von daher überhaupt kein Indiz für ihren größeren Handlungsspielraum.
({3})
Es erscheint mir auch etwas verkürzt, die Frage der Folgekosten so kurz zu behandeln, wie dies mit Hinweis auf die Gebührenentwicklung geschehen ist.
({4})
Ich glaube - hierbei kann ich mich auch auf Aussagen in den programmatischen Ausführungen der Sozialdemokratischen Partei berufen -, daß die Bedeutung der Folgekosten als wichtiger gesehen werden muß, als dies in dieser Drucksache deutlich wird.
Meine Damen und Herren, der Herr Bundesfinanzminister hat - das ist sein gutes Recht, das gehört zu einer solchen Auseinandersetzung - dargetan, was der Bund alles Gutes tut und was die Länder offensichtlich nicht in gleichem Maße tun würden. Nur bedient er sich hier wieder der gleichen Rechnung, die ich an anderer Stelle schon einmal kritisiert habe und die auch so nicht aufgeht, indem er nämlich die Ausgabenanteile für die Gemeinden an den Gesamtausgaben der Länder mißt und dem die Entwicklung beim Bund und bei den Ländern gegenüberstellt. Dies geht nicht nur deshalb nicht, weil die Länder z. B. bei ihren Haushalten außerordentliche Mittel einplanen müssen, um Komplementärmittel für das zu erbringen, was Herr Ravens wünscht. Das verlängert sozusagen die Bilanz, und von daher sinkt natürlich scheinbar der Anteil. Der einzige Maßstab, Herr Kollege Apel, der hier möglich und zulässig ist, ergibt sich wohl aus der Frage: Wie hat sich der Anteil, der von den Ländern von ihren Steuereinnahmen an die Gemeinden gegeben wird, entwickelt? Dieser hat sich in diesem Zeitraum nicht verringert, sondern von 26 auf 30 % gesteigert. Man kann deshalb sicherlich nicht sagen - das darf ich für alle Länder sagen -, daß man an diesen Pro4494
Staatsminister Gaddum
blemen, die sich hier aufzeigen, einfach vorbeigegangen sei.
({5})
Ich möchte noch eine Anmerkung - ich beziehe mich hierbei auch auf die Antwort in der Drucksache - zu der Bedeutung der Umsatzsteuerverhandlungen machen. Die Bundesregierung hat hier erklärt, daß das Ergebnis dieser Steuerverhandlungen die Länder in den Stand gesetzt habe, den Gemeinden wesentlich zu helfen. Einmal darf ich darauf hinweisen - hier gibt es auch entsprechende Drucksachen der Bundesregierung, auf die man sich dankenswerterweise zurückziehen kann -, daß alle Körperschaften, Bund, Länder und Gemeinden, Steuerausfälle gehabt haben, daß es also nur darum gehen kann - dies ist ein legitimer Anspruch, wie ich meine -, diese Steuerausfälle zwischen Ländern und Gemeinden gerecht zu verteilen. Ich kann für mein Land sagen - das gilt aber auch für andere -, daß wir das getan haben. Nur hielte ich es für gut, wenn auch von allen Mitgliedern dieses Hauses - ich sage das ganz bewußt auch zu den Regierungsparteien - nicht der Eindruck erweckt würde, als seien die Länder durch diese Ergebnisse der Umsatzsteuerverteilungsverhandlungen in den Stand gesetzt worden, die vollen Ausfälle der Gemeinden zu ersetzen. Dies konnte nicht Sinn der Sache sein, und dies ist auch nicht erreicht worden; denn auch nach diesen Verhandlungen - dies kann ich hier vorlesen - bleibt auch bei den Ländern ein gewollter - ich sage bewußt: gewollter - Steuerausfall, wie die Bundesregierung uns dies hier aufführt, von 4,5 Milliarden DM vor dem Finanzausgleich. Nach dem Finanzausgleich und der Kindergeldregelung sind das 2,7 Milliarden DM. Das heißt also, die Länder tragen ihren Teil, was in Ordnung ist.
In dem letzten Beitrag von Herrn Kollegen Ravens ist, meine ich, sehr deutlich geworden, daß die Kernfrage, um die es in dieser Diskussion geht, nämlich die finanzielle Frage und. ihre Auswirkung auf die Selbstverwaltung, offensichtlich nicht voll aufgenommen wird. Es geht nicht darum, hier darzustellen, wer wieviel D-Mark hier und da" zur Verfügung gestellt hat.
({6})
Über solche Rechnungen werden wir uns im Grunde genommen nie einig. Wer Auseinandersetzungen zwischen Finanzministern kennt, weiß dies. Es gibt viele Statistiken, und darüber könnten wir trefflich streiten.
Entscheidend ist, wie wir den Gemeinden helfen. Für mich ist es außerordentlich erstaunlich, wenn eine von der Sozialdemokratischen Partei getragene Bundesregierung - ich freue mich, daß Herr Kollege Koschnick wieder hier ist - ihre Leistungen vor allen Dingen dadurch begründet, daß sie sagt: Wir haben in Form von besonderen, gezielten Zuweisungen für dieses und jenes Programm sehr viel Gutes getan. Denn genau mit dieser Aussage wird deutlich, daß ihre Wohltaten nicht allgemein die Verfügungsmasse der Gemeinden verstärken sollen, sondern daß sie gezielte Maßnahmen treffen will.
Herr Kollege Ravens, ich will überhaupt nicht bestreiten, daß es in diesem Bereich vernünftige, richtige und notwendige Zweckzuweisungen gibt. Die Länder praktizieren dies auch. Nur, hier geht es um das Maß.
Es gehört, meine ich, schon einiges dazu, wenn uns heute gesagt wird, wie schön es sei, daß wir diese vielen Programme hätten. Ich sage das jetzt nicht nur aus der Sicht der Gemeindeselbstverantwortung, sondern ich sage das auch im Hinblick auf die konjunkturpolitische Landschaft. Mir wäre es sehr viel lieber, wenn wir diese Konjunkturprogramme überhaupt nicht brauchten. Ich glaube, dann ginge es uns insgesamt sehr viel besser.
({7})
- Sie sagen „Schlaumeier" ; aber offensichtlich haben das einige Leute noch immer nicht kapiert. Deshalb muß man das sagen.
({8})
Die CDU/CSU ist sich darüber im klaren, daß die öffentlichen Finanzmittel begrenzt sind und wir nicht einfach eines auf das andere türmen können.
({9})
Es geht darum, Herr Kollege Ravens, daß wir uns einmal überlegen, ob es nicht möglich ist, an Stelle bestimmter Zuweisungen die originären Mittel der Gemeinden zu verstärken. Es geht nicht um ein Mehr, sondern es geht um ein Aliud. Hier stellt sich wirklich die Gretchenfrage: Wie halte ich es mit der kommunalen Selbstverwaltung,
({10})
welchen Entscheidungsspielraum billige ich ihr zu, oder glaube ich - Regierung des Bundes oder eines Landes -, daß ich allein in der Lage bin zu bestimmen, was für die Gemeinden gut, zweckmäßig und richtig ist? Hier liegt meines Erachtens der eigentliche Punkt der Auseinandersetzung.
Lassen Sie mich noch etwas zum Bürokratieproblem sagen. Dieses Bürokratieproblem taucht gerade deswegen auf, weil wir immer soundso viele besondere Zuweisungsverfahren haben. Herr Kollege Ravens, das ist keine Empfehlung für diese Programme. Natürlich bewerben sich die Gemeinden, daran zu partizipieren. Jeder, der die Praxis in etwa' kennt, weiß, daß, wenn solche Mittel angeboten werden, die Städte und Gemeinden - sonst werden sie gescholten - versuchen müssen, davon ihren Anteil zu bekommen. Aber gleichzeitig höhlen wir damit im Grunde genommen ihren Entscheidungsspielraum immer mehr aus
({11})
und setzen die Bürokratie in Gang, denn alle diese Verfahren machen Bürokratie notwendig. Ich sage das jetzt ohne Kritik an denjenigen., die das vollziehen müssen; aber sie machen sie im Ergebnis notwendig.
Lassen Sie mich noch eine Bemerkung auch in Richtung der Städte und Gemeinden machen. Ich glaube, das sollte man bei dieser Gelegenheit auch
Staatsminister Gaddum
einmal sagen dürfen. Manche haben sich in den letzten Monaten sehr engagiert zu der langsamen Abwicklung von Bauanträgen, zu der schrecklichen Bürokratie, die sich hier entwickelt habe, geäußert. Ich nehme das sehr ernst. Nur hoffe ich, daß auch bestimmte rechtliche Regelungen der jüngsten Zeit unter diesem Gesichtspunkt noch einmal überprüft werden. Ich denke z. B. an die Energieeinsparungsproblematik, die uns eine völlig neue Prüfung aller Bauanträge beschert, die zusätzlich erfolgen muß.
({12})
Lassen Sie mich darüber hinaus an dieser Stelle auch noch anmerken: Ich glaube, es sollte gesagt werden, daß es hilfreich wäre, wenn ein größerer Teil unserer bebauten Fläche in den Städten und Gemeinden tatsächlich durch Bebauungspläne geordnet würde. Ich darf dies hier auch einmal an die Adresse der Städte und Gemeinden sagen.
({13})
Wir haben sehr viele Probleme dadurch - und ich freue mich, daß wir das, .wie ich glaube, durch die Bank feststellen; manches muß man wirklich einmal sagen -, daß aus irgendwelchen Gründen - wer lange genug Kommunalpolitiker gewesen ist, kennt diese Gründe - die Gemeinden zwar ihre Bebauungspläne für die Bereiche an den Rändern der Gemeinden verabschieden, wo es schön und verhältnismäßig unproblematisch ist, daß aber diesbezüglich für die innerstädtischen Bereiche verhältnismäßig wenig passiert mit dem Ergebnis, daß alle Bauanträge einzeln geprüft werden müssen und von daher so lange liegen. Deshalb darf ich hier auch einmal an die Kommunalpolitiker appellieren, etwas dazu beizutragen, daß wir zu einfacheren Verfahren kommen. Hier bietet das Recht Möglichkeiten; die Gemeinden müssen sie nur nutzen.
({14})
Das Wort hat der Abgeordnete Hoffie.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wird sicher nachher noch Gelegenheit sein, auf das einzugehen, was hier zuletzt ausgeführt wurde. Ich meine aber, die Debatte sollte nicht so ohne weiteres fortgesetzt werden, ohne auf das zurückzukommen, was der Kollege Lemmrich hier vorhin zum Teil falsch dargestellt hat; denn auf den ersten Blick könnte man tatsächlich meinen, daß der von der CDU/CSU-Fraktion vorgelegte Entwurf zur Änderung des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes gut in die derzeitige wirtschafts- und konjunkturpolitische Landschaft paßt.
({0})
Es scheint einen Sinn zu machen, wenn Sie mit dieser Gesetzesnovellierung dagegen vorgehen wollen, daß der Bund einerseits z. B. Sonderprogramme zur Konjunkturankurbelung fährt, daß er jedoch andererseits in seinem eigenen Zuständigkeitsbereich aus früherer Zeit überkommene, aber erst mit Wirkung vom 1. Januar 1977 begonnene. Kürzungen investiver Mittel aufrechterhält, aus einer Zeit, als diese Maßnahmen nota bene finanzwirtschaftlich notwendig und auch konjunkturpolitisch durchaus vertretbar erschienen. Diese Betrachtungsweise ist nach Auffassung der Koalitionsfraktionen zu oberflächlich und nach sachlicher Überprüfung objektiv nicht haltbar.
Die Bundesregierung hat in der Antwort auf Ihre heute debattierte Große Anfrage zur Lage der Städte, Gemeinden und Kreise ausgeführt, daß von diesen Gebietskörperschaften in den letzten sechs Jahren stets etwa zwischen 6,1 und 6,7 Milliarden DM für Investitionen in den Bereichen des kommunalen Straßen-, Wege- und Brückenbaus ausgegeben worden sind. In dieser Höhe werden sich nach den uns vorliegenden Daten auch im laufenden Finanzjahr die Aufwendungen für solche Bauinvestitionen halten. Beispielsweise wegen des von der Bundesregierung aufgelegten Fünfjahresprogramms für Zukunftsinvestitionen, welches zusätzlich Investitionen für verkehrliche Baumaßnahmen in Höhe von insgesamt 3,29 Milliarden DM vorsieht, ist in den kommenden Jahren auch mit einem Anstieg der kommunalen Straßenbauinvestitionen .zu rechnen. Diese Ausgabenstetigkeit, meine Damen und Herren, zeigt, daß es den Kommunen in diesem Teilbereich möglich ist, ihre Aufgaben kontinuierlich mit einem stabilisierenden Effekt für die Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik zu erfüllen.
Nach den Steuerschätzungen, die uns bisher vorliegen, können wir von einem leichten Anstieg des Mineralölsteueraufkommens ausgehen und damit rechnen, daß für 1977 etwa 2,1 Milliarden DM für die Zwecke nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz zur Verfügung stehen. Kräftige Steigerungen sind für 1978 nicht zu erwarten. Damit, meine Damen und Herren von der Opposition, liegen Sie mit dem in Ihrem Gesetzentwurf ausgewiesenen Ansatz von 2,5 Milliarden DM für 1972 wesentlich über dem, was realistischerweise für dieses und wohl auch für das kommende Jahr zu erwarten ist. Richtig dagegen schätzen Sie wohl, daß auf Grund des Haushaltsstrukturgesetzes wegen der 10 %igen Mittelkürzung und der für die Jahre 1977 und 1978 beschlossenen Änderung des Schlüssels für den kommunalen Straßenbau in diesem und im nächsten Jahr zirka 200 Millionen DM weniger verausgabt werden können. Indem Sie die Kürzung der Finanzmittel für den kommunalen Straßenbau durch das Haushaltsstrukturgesetz mit dem nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz für diesen Bereich dann noch verbleibenden Ansatz vergleichen, erwecken Sie nach unserer Auffassung unzulässigerweise den falschen Eindruck einer unangemessenen und anachronistischen Investitionseinschränkung im kommunalen Straßenbau. Sie müssen die Kürzung in Höhe von 200 Millionen DM - lassen Sie es 1978 vielleicht auch 250 Millionen DM sein - in den eigentlich aussagekräftigen Kontext und Zahlenzusammenhang stellen.
Gemessen am Ausgabevolumen von mehr als 6 Milliarden DM für den kommunalen Straßen-, Wege- und Brückenbau macht der von Ihnen monierte Mittel4496
mindereinsatz in Höhe von 200 Millionen DM etwa 3 % aus. Man muß fragen, ob Sie ernsthaft glauben, daß von diesen 3 % eine wirklich nennenswerte konjunkturelle Initialzündung ausgehen könnte. Man muß weiter fragen: Wird denn überdies diese Kürzung durch die Ausgabenausweitung des Bundes auf Grund des Zukunftsinvestitionsprogramms nicht mehr als ausgeglichen? Im ersten Jahr dieses Programms, also 1977, waren es vergleichsweise bescheidene 70 Millionen DM; im kommenden Finanzjahr sind es schon 400 Millionen DM - das ist fast eine Steigerung um den Faktor sechs -, und für die noch vor uns liegende vierjährige Laufzeit des Programms stehen noch etwa 3 Milliarden DM an zusätzlichen Mitteln für Straßenbaumaßnahmen im Rahmen des Zukunftsinvestitionsprogramms zur Verfügung.
Sicherlich gehen nicht alle Mittel aus dem Programm in den kommunalen Straßenbau, aber der größere Teil davon wird im Jahr 1978 zweifelsohne zu direkten oder indirekten Verbesserungen der kommunalen Verkehrssituation verwendet, so für den Bau von Ortsumgehungen, die Beseitigung von Unfallschwerpunkten, Maßnahmen an Bahnübergängen der Deutschen Bundesbahn und Kommunalstraßenzuschüsse nach § 17 des Eisenbahnkreuzungsgesetzes. Ganz sicher werden die aus dem Haushaltsstrukturgesetz resultierenden Ausfälle des Tiefbaugewerbes durch das Zukunftsinvestitionsprogramm voll und ganz ausgeglichen, da die 1978 auszuführenden Maßnahmen fast ausschließlich von der Tiefbauwirtschaft ausgeführt werden müssen. Dieser Teil Ihrer Gesetzesbegründung, meine Damen und Herren von der Opposition, fällt also in sich zusammen.
Ferner läuft mit dem 31. Dezember des nächsten Jahres die für den kommunalen Straßenbau ungünstige Schlüsselaufteilung aus, die Sie damals bei der Verabschiedung des Haushaltsstrukturgesetzes ja heftig bekämpft haben, die Sie aber jetzt erstaunlicherweise nicht vorzeitig aufgehoben wissen wollen. Im Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz wird der alte Verteilerschlüssel - je 50 % für den kommunalen Straßenbau und ÖPNV - wiederhergestellt. Das heißt, daß mit dem Ende des nächsten Haushaltsjahrs auch dem anderen Bein Ihrer Begründung zum Gesetzentwurf der Boden entzogen wird und gleichzeitig Ihre ja sehr dramatische Formulierung, die da heißt: „Zahlreiche besonders dringliche Straßenbauprojekte in den Städten und Gemeinden können daher jetzt nicht finanziert werden und müssen auf unabsehbare Zeit zurückgestellt werden" als wirklich maßlose Übertreibung bloßgestellt wird.
Meine Damen und Herren, verschließen wir alle nicht die Augen vor der Tatsache, daß die Mittel, die jetzt für den kommunalen Straßenbau zur Verfügung stehen, schon heute nicht ganz ausgegeben werden können. Wir haben nennenswerte Haushaltsreste, teils weil die Planungskapazität der Kommunen nicht ausreicht, teils weil die gerichtliche und außergerichtliche Auseinandersetzung auch mit Bürgerinitiativen oder anderen Betroffenen kommunale Bauvorhaben verzögert oder gar verhindert.
Wie mein Kollege Gattermann schon heute früh ausgeführt hat, ist die Finanzsituation der Gemeinden nach dem statistischen Zahlenmaterial, das uns für 1976 vorliegt, alles andere als kritisch und alarmierend. Nein, meine Fraktion weigert sich anzuerkennen, daß die Kommunen auf die 200 Millionen DM - nach Ihrem Gesetzentwurf - als zusätzliche Finanzausstattung angewiesen sind.
In dieser Debatte möchte ich es auch nicht unterlassen, einmal mehr nachdrücklich vor etwas wie Straßenbauinvestitionsaktionismus seitens der Kommunen zu warnen. Weil wir in der Bundesrepublik eben eine hochentwickelte Infrastruktur haben, haben die Städte, Gemeinden und Kreise ja oft genung Probleme, überhaupt die Notwendigkeit auch von Straßenbauinvestitionen zu begründen. Von der Betonung der Vorstellung, die Stadt bloß auf die Bedürfnisse des Autofahrers auszurichten, hat man ja Gott sei Dank Abschied genommen. Die Kapazitätsvorhaltung im kommunalen Straßenbau kann nicht orientiert werden an den insgesamt nur zwei bis drei Stunden der Verkehrsspitzen an einem Tag. Der Autofahrer mit seinem Individualverkehr hat sich, wie wir meinen, genauso wie der Benutzer des öffentlichen Personennahverkehrs darauf einzurichten und damit abzufinden, auch einmal warten zu müssen. Beide Verkehrsarten müssen zu einer Konkordanz finden, die unseren Städten und Gemeinden eine humane Lebensqualität vermittelt. Eine Zupflasterung der Orte und der sie umgebenden Natur wirkt mit Sicherheit kontraproduktiv. Das bedeutet nämlich zumindest Erschwerung der Stadtsanierung, Minderung der Wohnqualität und neue Umweltschutzprobleme.
Ich muß Ihnen abschließend leider attestieren, daß Sie einen ganz und gar unausgegorenen Gesetzentwurf vorgelegt haben. Wir würden es sehr begrüßen, wenn Sie Ihren wenig sinnvollen Gesetzentwurf, dem wir nicht zustimmen können, bei den Beratungen im Verkehrsausschuß, an den er ja überwiesen werden soll, zurückziehen oder als erledigt erklären würden.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Müntefering.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte anknüpfen an das Thema, das Minister Ravens in diese Debatte eingeführt hat, nämlich an das Thema Städtebau, Wohnungsbau, Raumordnung. Ein sehr wichtiges Thema im Zusammenhang mit der Debatte über die Städte, Gemeinden und Kreise, das die Opposition in ihrer Anfrage aber recht kurz abgehandelt hat, das heute auch der Kollege Waffenschmidt und andere unerwähnt gelassen haben. Der Kürze wegen will ich mich mit drei Fragen bescheiden, die Sie nicht gestellt haben, die aber zum Thema gehören und die ich Ihnen daher sozusagen nachliefere.
Frage 1: Trifft es zu, daß insbesondere die CDU/ CSU durch Verhinderung einer angemessenen Besteuerung des planungsbedingten BodenwertzuMüntefering
wachses den Gemeinden ansehnliche Einnahmen vorenthalten hat?
({0})
Frage 2: Trifft es zu, daß die Städte und Gemeinden beim CDU/CSU-bestimmten Bundesrat bisher noch nicht das qualifizierte Anhörungsrecht haben, was bei Bundesregierung und Bundestag längst üblich ist?
({1})
Frage 3: Trifft es zu, daß mit der Novellierung des Bundesbaugesetzes die Instrumentarien der Städte und Gemeinden für gezielte Stadtentwicklung - und gezielte Stadtentwicklung heißt eben auch kommunale Selbstverwaltung - durch die Bürgerbeteiligung, durch die Möglichkeiten von Baugebot, Erhaltungsgebot und Modernisierungsgebot, durch die Verkürzung der Genehmigungsverfahren wesentlich verbessert worden sind?
({2})
Sie haben diese Fragen nicht gestellt, meine Damen und Herren von der Opposition. Ich verstehe das sogar; denn die Antworten hierauf wären so gewesen, wie Sie sich das nicht wünschen konnten. Ihre 47 Fragen sind weitgehend parteipolitisch gefärbt. Da schimmert es durch. Bei den fünf Entschließungsanträgen, die Sie jetzt eingebracht haben, wird es dann ganz schwarz.
({3})
Sie, meine Damen und Herren von der CDU/
CSU, verkürzen das Thema kommunale Selbstverwaltung - ein zentrales Element unserer Demokratie - in Ihrer Anfrage auf eine Frage nach dem guten Willen der Bundesregierung. Aber solche Schlagwortargumentationen helfen in der Sache nicht weiter: das Problem ist vielschichtiger. Worum es geht, ist doch, daß alle Fachpolitiken auf allen politischen Ebenen vor der dringlichen Aufgabe stehen, sich besser aufeinander abzustimmen,
({4})
damit vermieden wird, daß die einzelnen Ebenen oder die einzelnen Fachpolitiken zueinander konterkarierend wirken. Deshalb noch einmal: Ihre Schlagworte und Ihr Versuch, alles was an Problemen in Zusammenhang mit der kommunalen Selbstverwaltung im Raum steht, auf die Schultern der Bundesregierung zu legen, nutzen nichts.
Herr
Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jahn?
Bitte schön.
Herr Kollege Müntefering, da wir noch hinreichend Gelegenheit haben, über die Große Anfrage zur Wohnungsbaupolitik zu diskutieren, lediglich eine Frage: Stimmen Sie mit mir darin überein, daß zur Verwirklichung sachgerechter Städtebaupoltik die Planungsmöglichkeiten des Bundesbaugesetzes genutzt werden müßten, nicht aber die Eigentumsordnung verändert werden müßte?
({0})
Herr Dr. Jahn, wenn es um kommunale Selbstverwaltung geht, geht es doch zunächst auch einmal darum, daß wir als Bund - das ist unsere originäre Aufgabe - die nötigen Instrumentarien zur Verfügung stellen.
({0})
Dieses haben wir mit der Verabschiedung des Bundesbaugesetzes und des Städtebauförderungsgesetzes getan.
Ich will Ihnen anhand von zwei Fragen, die Sie gestellt haben, verdeutlichen, um was es geht.
({1})
Die Instrumente des Städtebauförderungsgesetzes und des Bundesbaugesetzes sind Angebote an die Städte und Gemeinden, ihre Innenbereiche wieder menschengerechter zu gestalten und sie menschengerecht zu erhalten. Diese Angebote werden von den Gemeinden auch kräftig genutzt.
Das Zukunftsinvestitionsprogramm, insbesondere im Bereich Wohnumwelt - es kann übrigens gut und schnell realisiert werden -, die Ausweitung des Geltungsbereichs des § 7 b des Einkommensteuergesetzes sowie die Ausweitung der Befreiung von der Grunderwerbsteuer, das Modernisierungsprogramm und auch die Fortführung der Wohnungsbauprogramme sind wichtige finanzielle Beiträge des Bundes auf dem Gebiet des Wohnungs- und Städtebaus.
Dieses alles ist übrigens ein großer Erfolg des Ministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Karl Ravens,
({2})
der damit für den Städtebau und den Wohnungsbau in diesem Lande Maßstäbe gesetzt hat, die bis in die 80er Jahre hineinwirken werden.
({3})
- Ja natürlich, auch darum geht es. Es wäre für Niedersachsen gut, wenn es einen Ministerpräsidenten bekäme, der sich Gedanken über Wohnungs- und Städtebau macht.
({4})
Ich will Ihnen dazu einige interessante Zahlen sagen. Wir wissen, daß für den Wohnungsbau Bund und Länder zuständig sind. Wir wissen, daß sich die Länder in den letzten Jahren unterschiedlich stark engagiert haben. Das sah dann so aus, daß das, was an Mitteln in Niedersachsen im letzten Jahr für den sozialen Wohnungsbau geflossen ist, zu 83 % aus den Kassen des Bundes gekommen ist
({5}) und zu 17 % aus den Kassen des Landes.
({6})
Ich will Ihnen einen Vergleich anbieten. Im Lande Nordrhein-Westfalen war das so, daß 74 % der Mittel aus der Kasse des Landes kamen und 26 % der Mittel aus der Kasse des Bundes.
({7})
Dieses, denke ich, ist ein Argument dafür, daß Niedersachsen auch mal wieder einen Ministerpräsidenten braucht, der sich um diese Dinge kümmert.
({8})
Nun zu dem Thema Schwerpunktbildung und Abwanderungstendenzen in schwach strukturierten Räumen: Sie haben es in einer Ihrer Fragen kurz angesprochen.
Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin zu?
Bitte schön.
Herr Kollege, sind Sie bereit, die Aufteilung der Bundesmittel für Niedersachsen in solche, die im Zusammenhang mit der Zonenrandförderung gewährt wurden, und die üblichen Mittel des Bundes für die Wohnungsbauförderung zu nennen.
({0})
- Wohnungsbau, genau. Da gibt es doch Sondermittel.
Frau Kollegin, ich gebe Ihnen zu, daß ich dies hier nicht differenzieren kann.
({0})
- Bitte entschuldigen Sie, diese Zahlen sind doch wohl deutlich genug. 84 : 16 und 25 : 75, das spricht doch wohl für sich.
({1})
Da mag es Abweichungen von ein paar Prozent geben. Aber dieses sehen Sie sich einmal in Ruhe an. Da werden Sie herausfinden, daß wir hier durchaus recht haben.
({2})
Herr Kollege, noch eine Zwischenfrage.
Bitte schön.
Herr Kollege Müntefering, sind Sie mit mir der Auffassung, daß, wenn in Niedersachsen nur ein so geringer Prozentsatz für den sozialen Wohnungsbau gezahlt wird, der niedersächsische Sozialminister offensichtlich für die niedersächsischen Zonenrandgebiete überhaupt nichts übrig hat?
({0})
So könnte man das interpretieren. Ich nehme den Hinweis des niedersächsischen Kollegen Kühbacher gern auf.
Ich komme nun endlich zu dem Thema Schwerpunktbildung und Abwanderungstendenzen in den schwach strukturierten Räumen. Meine Damen und Herren von der Opposition, hier in Bonn sehen Sie ein, daß es nötig ist - und Sie sind auch dafür -, daß Schwerpunkte gebildet werden. Nur leider -das muß ich Ihnen einmal sagen -: An dieser Stelle gibt es in Ihrer Kommunalpolitik zwei verschiedene Tendenzen.
({0})
Wenn Sie am Wochenende nach draußen ins Land reisen, hören Sie folgendes - Herr Dr. Jahn guckt mich gerade so an; da gucke ich auch gerade richtig, so glaube ich -: Schwerpunkte sind etwas Sozialdemokratisches. Da weiß man auch, daß das etwas mit Konzentration zu tun hat und daß Konzentration etwas mit Dirigismus und Sozialismus zu tun hat.
({1})
So gehen sie dann durchs Land und machen das kaputt, was wir den Gemeinden als Möglichkeiten bieten.
Tatsächlich aber wissen wir: Bei 4 Millionen Menschen weniger in diesem Land bis 1990 müssen wir alle miteinander die Abwanderung aus den Innenstädten und den ländlichen Räumen stoppen, wenn wir nicht dramatische Diskrepanzen erleben wollen.
({2})
Die Flucht aus der Innenstadt aber stoppt man nicht mit der Gießkanne, und die Flucht aus dem ländlichen Raum stoppt man nicht durch Verzicht auf Schwerpunktbildung.
({3})
Das Ziel der Raumordnung, gleichwertige Lebensbedingungen in allen Landesteilen, ist nicht zu erreichen, wenn man jedem jedes verspricht und jedem alles zusagen will.
Dazu gibt es ein interessantes Zitat, das auch in der Anfrage wiedergegeben ist. Da geht es um die Frage, ob man jedem jedes geben oder nicht doch ein bißchen Bindung an Zweckzuweisungen vorsehen soll. Ich bringe das hier einmal ein bißchen aphoristisch hinein. Das ist, glaube ich, nötig und hilfreich, zumal der Minister des Landes RheinlandPfalz auch noch dasitzt. Die Landesregierung von Rheinland-Pfalz antwortet nämlich - ich darf zitieren -:
Zweckzuweisungen sind ein wichtiges Mittel der Strukturpolitik des Landes, die dem Ziel dient, gleichwertige Lebensverhältnisse im ganzen Land herzustellen und besondere Belastungen kommunaler Gebietskörperschaften durch
im Gesamtinteresse wichtige kommunale Investitionen abzufangen.
({4}) Zitat aus dem Landtag Rheinland-Pfalz.
({5})
- Das ist natürlich richtig. Deshalb zitiere ich das ja hier. Ich wollte Ihnen nur einmal deutlich machen, wie seltsam das zu dem kontrastiert, was einige von Ihnen landauf, landab zu Zweckzuweisungen sagen und zu dem, was da nötig ist.
Ich will jetzt nur noch kurz über einen der Höhepunkte sprechen, die Sie hier eingebracht haben, die Drucksache 8/1208, in der Sie darum bitten, daß dieses Hohe Haus, der Gesetzgeber, die Bundesregierung auffordert, bei kommunal bedeutsamen Gesetzentwürfen Planspiele durchzuführen.
({6})
Das verdient schon eingerahmt zu werden. Denn eigentlich sollte man meinen, daß der, der mit Recht kommunale Selbstverwaltung so groß schreibt, sehr darauf achtet, daß die Souveränität dieses Hohen Hauses, dieses Gesetzgebers, unterstrichen wird.
({7})
Was Sie vorschlagen, ist, die Bundesregierung aufzufordern; was wir vorschlagen und praktiziert haben, ist, daß wir Parlamentarier dann - hören Sie gut zu, Herr Waffenschmidt -, wenn es nötig ist, handeln. Das ist ja z. B. beim Bundesbaugesetz so praktiziert worden. Sie als Opposition haben immer Gelegenheit, darauf zu drängen, daß es Planspiele gibt, wo es nötig ist.
({8})
Zunächst einmal ist es doch die Aufgabe des Parlaments, gute Gesetze zu machen, vorab genau zu wissen, was kommen soll.
({9})
Weshalb sollen wir denn so etwas an die Bundesregierung geben und sie auffordern, das so zu tun?
Bei den zwei Planspielen zum Bundesbaugesetz, die von Abgeordneten der FDP, CDU/CSU und SPD durchgeführt worden sind, sind wichtige Erkenntnisse zustande gekommen. Nur war das damals auch Initiative und wesentliche Arbeit des zuständigen Ausschusses, in Übereinstimmung mit der Bundesregierung. Ich finde es schon seltsam, daß dann ausgerechnet die Opposition herkommt und sagt, das solle dann doch bitte die Bundesregierung machen. Wir fühlen uns zuständig dafür, aber Sie wären es doch in ganz besonderer Weise.
({10})
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Waffenschmidt?
Herr Kollege Müntefering, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß es den vielen Initiativen, die wir ja aus dem Schoße der Bundesregierung bekommen, guttäte, wenn manche dieser Initiativen ausgereifter und dadurch praxisnäher wären, daß die Bundesregierung, bevor sie diese Initiativen hier auf den Tisch des Parlaments legt, anhand praxisbezogener Planspiele einmal die Realitätsnähe durchspielen würde?
Herr Dr. Waffenschmidt, ich frage Sie: Wer macht denn hier die Gesetze, die Bundesregierung oder wir?
({0})
Weil wir sie machen und auch verantworten müssen, ist es unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, daß dort, wo es nötig ist - ich sage es noch einmal: wir sind ja gar nicht dagegen -, Planspiele gemacht werden. Nur, die Bundesregierung hier aufzufordern, generell bei allen kommunal bedeutsamen Maßnahmen so vorzugehen, ist doch nicht richtig. Denn was ist das? Das ist das Zukunftsinvestitionsprogramm, das sind die Steueränderungsgesetze. Daß bei alledem solche Planspiele durchgeführt werden sollen - das darf ich auch für die Koalition insgesamt sagen -, vermögen wir nicht einzusehen; wir lehnen den Antrag in Drucksache 8/1208 ab.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß einen, wenn Sie so wollen, Kontrapunkt setzen. Ich spreche über die sehr selbstbewußte Art und Weise, wie Wahlkämpfe von Bürgermeistern und Stadträten - gerade auch von christlich-demokratischen und christlich-sozialen - geführt werden, wie wir sie kürzlich erlebt haben und wie sie vor uns stehen, wo dann mit einigem Stolz und, denke ich, auch mit einiger Berechtigung auf das hingewiesen wird, was in den letzten vier oder fünf Jahren in dieser Gemeinde oder in dieser Stadt geleistet worden ist. Das wird von den Bürgermeistern in Niedersachsen und sicher auch in Hessen so gesagt, und das ist alles gut und richtig. Nur kann doch dann, wenn dies so ist, das, was die Bundesregierung und der Bundestag für die Gemeinden flankierend und helfend beschlossen und getan haben, in den letzten Jahren, denke ich, nicht so schlecht gewesen sein, wie Sie es mit Ihren Diskussionsbeiträgen heute und mit Ihren 47 Fragen darstellen wollten.
({1})
Meine Damen und Herren, ich möchte noch einmal auf die verabredeten Redezeiten aufmerksam machen. Die Zeit für Zwischenfragen kann nicht aufgeschlagen werden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Braun.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vier Minuten für die kommunalen Leistungen auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit:
({0})
Die Bundesregierung versucht, die finanziellen Belastungen der Städte und der Kreise herunterzuspielen. Damit wird sie den tatsächlichen Leistungen, die die Gemeinden im sozialen Bereich erbringen, nicht gerecht.
({1})
Zu der Antwort auf Frage 7 muß ich sagen, die Regelungsbefugnisse liegen weit überwiegend beim Bund. In der Praxis sieht es doch so aus, daß der Bund den Leistungsumfang bestimmt, während insbesondere die Gemeinden mit der Finanzierung nachzuziehen haben. Und es ist auch nicht, wie in der Antwort angegeben, so, daß ein Drittel der Bruttoausgaben an die Gemeinden zurückflösse; nach der offiziellen Sozialhilfestatistik für 1975 liegen diese Rückflüsse nur bei knapp über 20 %.
Während im Jahre 1969 die sozialen Leistungen der Gemeinden 3,97 Milliarden DM betrugen, werden es im Jahre 1977 13,87 Milliarden DM sein. Die Zahl der Sozialhilfeempfänger liegt bei über 2 Millionen.
({2})
In diesem Zusammenhang sollten wir auch einmal darauf hinweisen, daß 2 Millionen Anträge, 2 Millionen Unterlagen, 2 Millionen Veränderungen eine enorme Verwaltungsarbeit verursachen.
({3})
Verwaltungsarbeiten, die zusätzliche finanzielle Aufwendungen erfordern, von denen niemand redet.
Meine Damen und Herren, die Kosten für die Sozialhilfe sind zu einer drückenden und bedrückenden Last geworden. Die enormen Kostensteigerungen haben meines Erachtens zwei Hauptursachen.
Erstens - das ist der Hauptpunkt - ist da die verfehlte Wirtschafts- und Finanzpolitik dieser Bundesregierung.
({4})
Über eine Million Arbeitslose und die Zunahme der' Zahl der langfristig Arbeitslosen bewirken, daß die Zahl der Bezieher von Arbeitslosenhilfe erhöht wird. Die damit verbundene Zunahme der finanziellen Leistungen geht ebenfalls zu Lasten der Gemeinden. Beim Stopfen der Löcher in der Rentenkasse werden die Gemeinden wieder zur Kasse gebeten,
({5})
und zwar durch das Hinausschieben des Zeitpunktes der Rentenanpassung um ein halbes Jahr.
({6})
Die zweite Hauptursache für die angestiegenen Sozialleistungen sind die Kosten im Pflegebereich. Hier ist eine generelle Regelung im Interesse der Betroffenen, aber auch im Interesse der Kommunen notwendig. Nach dem geltenden Sozialversicherungsrecht ist Pflegebedürftigkeit kein Versicherungsfall. Das Risiko „Pflegebedürftigkeit" ist - im Gegensatz beispielsweise zu Krankheit, Alter und in gewissem Umfange auch Arbeitslosigkeit - nicht abzudecken. Die Leistungen der Gemeinden für die Pflegebedürftigen sind inzwischen so groß
geworden, daß die eigentliche Sozialhilfe zu kurz kommt.
Meine Damen und Herren, in Anbetracht dieser Kosten ist eine Lösung hier meines Erachtens zwar schwer zu erreichen, aber im Interesse der Gerechtigkeit notwendig. Die Sozialausgaben der Gemeinden sind in den letzten Jahren, wie ich eben ausgeführt habe, stark gestiegen. Ich möchte hinzufügen, daß weder die Gemeinden noch die Kreise diese Ausgaben zu verantworten haben,
({7})
sie haben sie aber zu zahlen.
Die Gemeinden und Kreise benötigen mehr pauschale Finanzmittel, um die sozialen Aufgaben erfüllen zu können, die der Bund ihnen auferlegt hat.
({8})
Deswegen ist es notwendig, in Podiumsdiskussionen nicht nur die Erhöhung des Anteils an der Einkommensteuer zu fordern, sondern sie hier zu beschließen. Ich fordere Sie auf, unserem Antrag auf Erhöhung von 14 % auf 15 % Ihre Zustimmung zu geben.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Neumeister.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will mich auf die Aspekte beschränken, die auf Grund des Krankenversicherungskostendämpfungsgesetzes und des gesamten Sozialpakets auf die Kommunen zukommen, und auf die Antwort der Regierung eingehen.
Auch hier hat man wieder einmal das Gefühl, daß die Verschiebetaktik durchaus gekonnt ist. Denn die Verlagerung der Lasten der Rentenversicherung auf die Krankenversicherung, schließlich auf die Sozialhilfe und damit auf die Gemeinden wird hier bestens praktiziert. Man sagt dabei einerseits, daß die sicherlich anerkannten Mehrbelastungen der Gemeinden nicht quantifizierbar sind. Andererseits sagt man außerordentlich tröstlich - man macht auch einen Deckungsvorschlag für höhere Zusatzversorgungsleistungen, die die Gemeinden in ihrer Funktion als Arbeitgeber infolge geringerer Rentenleistungen zu erbringen haben -, daß das Ganze durch die Einsparungen im Krankenversicherungsbereich kompensiert werde. Denn die Beiträge der Krankenversicherung würden durch das KVKG niedriger werden.
Meine Damen und Herren, dies wird angesichts der Tatsache gesagt, daß die Krankenkassen im Augenblick nur von dem Pseudoüberschuß leben, den ihnen das kostenbewußte Verhalten aller am Gesundheitswesen Beteiligten ermöglicht hat, und daß im nächsten Jahr Leistungen in Höhe von mehr als 6 Milliarden DM von der Rentenversicherung auf die Krankenversicherung voll übertragen werden und die Beiträge der Krankenversicherung einwandfrei
steigen müssen. Ich halte das für eine unverantwortliche Verschleierungstaktik.
Weiter sagt man, daß die Qualität der ärztlichen Versorgung in den Gemeinden, vor allen Dingen im ländlichen Bereich, durch das Krankenversicherungskostendämpfungsgesetz, das sogenannte, nicht beeinflußt wird. Meine Damen und Herren, damit sind wir nicht einverstanden. Es ist bei den Ärzten eindeutig eine Verunsicherung entstanden. Mancher junge Arzt wird sich überlegen, ob er unter diesen Umständen und im Blick auf die Zukunft das Risiko einer Niederlassung im ländlichen Bereich eingehen soll.
Weiterhin würde die belegärztliche Tätigkeit ein Anreiz sein. Die aber wird durch dieses Gesetz zum größten Teil verhindert, weil man nämlich hier die Selbstverwaltung teilweise, die Vertragsfreiheit restlos ausschaltet und insgesamt eine Nivellierung durch Honorarpauschalisierung einführt.
Die Tatsache, daß die Krankenhäuser die institutionalisierte ambulante Behandlung im Laufe der nächsten Jahre mit übernehmen sollen - das wird ja immer wieder gefordert -, ist sicherlich auch kein Anreiz, um sich im ländlichen Bereich niederzulassen.
Meine Damen und Herren, dank der Initiative des Bundesrates wurde der Bereich Krankenhaus durch Abkoppelung
({0})
vom Sozialpaket in letzter Minute vor massiven Eingriffen bewahrt. Die Durchführung der geplanten Novellierungsvorschläge für das Krankenhausfinanzierungsgesetz hätte eindeutig zu einer mehr oder weniger rasanten Vernichtung von Krankenhäusern frei-gemeinnütziger Träger geführt, die Last der Sicherstellung der klinischen Versorgung aber voll auf die Kommunen verlagert und damit eine erneute Kostenlawine auf die Gemeinden gelenkt, auf die Gemeinden, die nach dem Hauhaltssicherungsgesetz von 1975, meine Damen und Herren, trotz Krankenhausfinanzierungsgesetz und den darin festgelegten Kostenbeteiligungen jährlich weitere 500 Millionen DM - eine halbe Milliarde DM jährlich! - für dringend notwendige Investitionen für ihre Krankenhäuser bezahlen mußten. Man kann nur hoffen, daß Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, nun die Konsequenzen aus diesem Zeitgewinn ziehen und ein gutes Gesetz vorlegen. Denken Sie bitte daran, daß eine wirklich freiheitlich gestaltete Sozialordnung auch in der Gesundheitspolitik vom Grundsatz der Subsidiarität bestimmt wird
({1})
und daher die im Bereich der Krankenhausversorgung gewachsene und heute unerläßliche Kooperation der öffentlichen und frei-gemeinnützigen Träger erhalten bleiben muß. Stören Sie diese gut funktionierende Zusammenarbeit nicht durch einen unverantwortlichen Machtzuwachs der Planer! Lassen Sie den Selbstverwaltungen einen freien Raum für Selbstverantwortung und Eigeninitiative!
({2})
Meine Damen und Herren, wir fordern deswegen für ein Krankenhausfinanzierungsgesetz, das ja in Arbeit ist, eine länderübergreifende Krankenhausbedarfsrahmenplanung unter Einschaltung der kommunalen Spitzenverbände und der Krankenhausträger. Wir fordern Motivationsanreize zur freiwilligen Umstrukturierung nicht bedarfsgerechter Krankenhäuser. Wir fordern mehr Wirtschaftlichkeit im Krankenhausbetrieb und kostendeckende Pflegesätze auf Grund von Verhandlungen von Krankenhausträgern und Krankenkassen. Fünftens sollte auch für eine Verbesserung der ambulanten Versorgung durch mehr Möglichkeiten zur Weiterbildung für den Allgemeinarzt im Krankenhaus gesorgt werden. Sechstens sollten die Krankenpflegeschulen in ihrer Krankenpraxisbezogenheit erhalten bleiben.
Wir von der Opposition sind bereit, alle Maßnahmen mitzutragen, soweit sie sachgerecht sind und soweit sie vor allen Dingen nicht das eine vergessen: daß gerade im Krankenhaus die Humanität eine ganz vorrangige Rolle spielen muß. Ein kranker Mensch ist hilfsbedürftig und kann nicht durch falsch verstandene Demokratisierung, sondern nur durch menschliche Zuwendung genesen.
({3})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Glombig.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich merke schon, daß wir hier schnell sprechen müssen, um die Dinge sagen zu können, um die es geht. Aber wir sollten die Diskussion zu den einzelnen Problemen nicht im falschen Saal stattfinden lassen. Wir haben hier keine Debatte über das Krankenhausfinanzierungsgesetz,
({0})
sondern es geht um ganz andere Probleme. Aber wenn schon dazu aufgefordert wird, ein Wort dazu zu sagen - Herr Kollege Egert wird das vielleicht noch etwas vertiefen -; dann meine ich, daß es hier nicht nur um die kommunalen Kosten der Bundesgesetzgebung geht, wie hier immer wieder von Vertretern der CDU/CSU gesagt wird, sondern es geht erst einmal auch um die Entlastung der Kommunen durch die Gesetzgebung des Bundes in Milliardenhöhe. Heute morgen ist bereits von unserer Seite versucht worden, Ihnen das klarzumachen. Ich will es Ihnen ganz kurz an Hand einiger Beispiele in Erinnerung bringen. Ich denke hier an die Einführung der beruflichen Rehabilitation im Arbeitsförderungsgesetz, an das Bundesausbildungsförderungsgesetz, an die Dynamisierung und Verbesserung der Kriegsopferleistungen, an das Krankenversicherungsleistungsverbesserungsgesetz mit der Einführung der zeitlich unbegrenzten Krankenhauspflege, an die Einführung des Konkursausfallgeldes, an das Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung. Meine Damen und Herren, alle diese Gesetze haben dazu geführt - sie sind nur ein Teil dessen, was ich hier eigentlich aufführen könnte, aber im Blick auf die Kürze der Zeit nicht tun kann -, daß Länder und Gemeinden in mehr
oder weniger großem Umfang finanzwirksame sozialpolitische Aufgaben an den Bund oder an die Sozialversicherungsträger abgegeben haben. Ich betone noch einmal: Diese Entlastungen betragen mehrere Milliarden DM. Leider ist es uns bisher nicht gelungen, diese Entlastung zu quantifizieren; aber es wäre wirklich gut für die kommende Auseinandersetzung, das etwas exakter zu tun. Wir werden uns darum bemühen, daß wir ein solches Ergebnis eines Tages hier vorlegen können. Dann werden Ihnen, meine Damen und Herren, ganz sicher die Augen darüber aufgehen, was wir auf sozialpolitischem Gebiet zur Entlastung der Gemeinden, der Kommunen, der Kreise und der Länder getan haben.
({1})
Ich glaube, das muß unbestritten bleiben.
Nun aber ein Wort zur Sozialhilfe. Sie ist in diesem Zusammenhang ein sehr beliebtes Thema, das vor allem von Herrn Stoltenberg im Sommer mit sehr viel Einfühlungsvermögen vorgetragen wurde.
({2})
Ich meine, treffender könnte man den CDU-Slogan von der neuen sozialen Frage nicht als reine Wahlwerbung entlarven,
({3})
Herr Kollege Burger, als es der schleswig-holsteinische Ministerpräsident tut. Offen und in krassem Gegensatz zu dem Versuch des Herrn Geißler, der jetzt Ihr Generalsekretär ist und der zu der Zeit, als er noch Sozialminister in Rheinland-Pfalz war, die angeblich in der Bundesrepublik entstandene Massenarmut politisch vermarkten wollte, fordert nun Herr Stoltenberg den Abbau von Sozialhilfeleistungen: Etwas anderes ist das nämlich nicht, wenn man sagt, daß die Sozialhilfeleistungen global abgebaut werden sollen.
Nun will ich noch ein Wort zu den wirklichen Ursachen der aktuellen Kostensteigerungen in der Sozialhilfe sagen. Sie sind nur in einem ganz geringen Umfang darin zu suchen, daß wir in der letzten Zeit Verbesserungen auf dem Gebiet der Gesetzgebung vorgenommen haben. Die letzte ist mit der 3. Novelle zum BSHG vorgenommen worden. Seitdem sind keine Verbesserungen mehr eingetreten, außer der Steigerung der Regelsätze in der Sozialhilfe, eine Folge, die wir ja auch abgesehen von der 3. Novelle zum Bundessozialhilfegesetz immer festzustellen hatten.
Die wirklichen Ursachen der aktuellen Kostensteigerungen in der Sozialhilfe liegen - wie gesagt - nicht in der Ausdehnung des Leistungsrechts, sondern vor allem in folgenden Faktoren: erstens die gestiegenen Pflegekosten in den Anstalten und Heimen, zweitens die Verschiebung des Altersaufbaues der Bevölkerung, die zu einem größeren Anteil von Rentnern und damit zu einer größeren Zahl von Personen mit geringem Einkommen führte, drittens die Folgen der Rezession, die bei Arbeitslosen ohne ausreichenden Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe eine Leistung der Sozialhilfe
ausgelöst haben, viertens das vorübergehende Zurückbleiben staatlicher Sozialleistungen, wie Ausbildungsförderung, Wohngeld und Kindergeld, das wir zum 1. Januar nächsten Jahres erhöhen, was bei Ihren Auslassungen auch berücksichtigt werden sollte. Hier ist in der Tat ein Zurückbleiben hinter der Einkommensentwicklung festzustellen. Das wiederum ist auf die rezessionsbedingten Finanzschwierigkeiten der öffentlichen Haushalte zurückzuführen, denen wir erst einmal mit einem allgemeinen Steuernachlaß begegnet sind. Fünftens sind da die gestiegenen Kosten für die Krankenhilfe auf Grund der Kostensteigerungen im Gesundheitswesen.
Nun meine ich, daß es vor allem einer Lösung der strukturellen Probleme bedarf, die mit dem Anstieg der Kosten für Unterbringung und Pflege in den Anstalten und Heimen verbunden sind. Dies ist die dringlichste Aufgabe im Rahmen einer Kostenbegrenzung der Sozialhilfe, und wir hoffen, daß wir von seiten der Länder hier etwas mehr Hilfe bekommen als z. B. bei dem Versuch, den Krankenhausbereich ins Kostendämpfungsgesetz einzubeziehen;
({4})
denn hier sind wir vor allem an dem harten Widerstand der CDU/CSU-geführten Länder im Bundesrat gescheitert.
Bei der Betreuung älterer und pflegebedürftiger Menschen muß eine grundsätzliche Weichenstellung in Richtung auf eine Verstärkung der ambulanten Hilfe und Pflege und damit ein Zurücktreten der Anstaltspflege erreicht werden. Es fehlt aber auch ein sinnvolles Konzept - ich gebe es zu; wir arbeiten an einem solchen sinnvollen Konzept und werden damit auch demnächst an die Öffentlichkeit treten - für die Planung und Finanzierung von Anstalten und Heimen, durch das ein bedarfsgerechtes Angebot an Heimplätzen bei tragbaren Pflegesätzen gesichert wird.
Ein solches Konzept hätte im engeren Zusammenhang mit der Krankenhausplanung und -finanzierung zu stehen; denn der erforderliche Abbau überflüssiger Krankenhausbetten kann durch eine Umstellung von Kapazitäten der Akutversorgung auf die Versorgung Pflegebedürftiger erfolgen. Notwendig ist also der Ausbau eines abgestuften und gut koordiniertes Systems von Einrichtungen, die von der Altenwohnung im Altenwohnheim über Pflegeheime und das Krankenhaus für chronisch Kranke, beispielsweise das Altenkrankenhaus, bis zum Akutkrankenhaus reichen. Ohne die Kostenträgerschaft in einzelnen heute bereits festlegen zu können, ist jetzt aber schon ein enger Zusammenhang zwischen den beiden Problematiken der Sozialhilfekosten und der bevorstehenden Novellierung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes zu erkennen. Ich habe gesagt, daran arbeiten wir.
Wer über die Probleme der Sozialhilfe ernsthaft nachdenkt, meine Damen und Herren, der muß auch Konzepte vorlegen, der kann also nicht nur jammern; denn wir haben das, was hier eingetreten ist, gemeinsam gewollt - es gab keine Gegenstimmen in diesem Hause -, sowohl was den Anspruch im
Einzelfall betrifft als auch die Finanzierung, die damit verbunden ist.
({5})
Wer über die Probleme nachdenkt, sehr geehrte Frau Kollegin - und ich habe jedenfalls im Augenblick den Eindruck, Sie tun es -, kann dabei nur zu einem Ergebnis kommen: Ein Leistungsverschlechterungsgesetz - wenn Sie das gewollt haben, Herr Kollege Braun - kommt nicht in Frage. Eine Kostendämpfung in der Sozialhilfe kann es nur geben, wenn damit vor allem die Strukturprobleme der Pflegekosten im engen Zusammenhang mit der Novellierung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes gelöst werden. Dabei werden wir uns sinnvollen Veränderungen, z. B. einem Abbau des Mißbrauchs in der Sozialhilfe, nicht entgegenstellen. Wir werden über jeden vernünftigen Vorschlag auch mit Ihnen diskutieren. Aber an die Substanz der Sozialhilfe kann es bei solchen Bemühungen auch dann nicht gehen, wenn Herr Stoltenberg uns das empfiehlt.
({6})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Spitzmüller.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Anders als die Große Anfrage der Opposition vom Jahre 1974 enthält die heute hier debattierte Anfrage einen eigenen Abschnitt über die kommunalen Leistungen für die soziale Sicherheit. Dem roten Faden der Kostenfrage entsprechend, der sich durch die ganze Anfrage hindurchzieht, handelt es sich hier vor allem um das Problem der in den letzten Jahren stark gestiegenen Sozialhilfeausgaben der kommunalen Leistungsträger.
Lassen Sie mich vorab aber für den Sozialhilfebereich präzisieren, was für das Verhältnis zwischen dem Bund und den Kommunen überhaupt gilt. Eine Zuständigkeit des Bundes für die Finanz- mittel der Sozialhilfe kann es nur bezüglich globaler gesetzgeberischer Maßnahmen geben. Die Verantwortung für die Liquidität der Kommunen zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach dem BSHG obliegt den Ländern. Der Bund hat zwar - das wurde schon angesprochen - die Gesetzgebungszuständigkeit für die Sozialhilfe, der Bundestag kann hier Gesetze beschließen, aber nicht ohne Zustimmung der Länderkammer, des Bundesrates.
Noch eine weitere kurze grundsätzliche Berner-kung! Ihrem Wesen nach ist die Sozialhilfe eine nachrangige öffentliche Absicherung. Alle anderen privaten und öffentlichen sozialen Leistungen gehen hier vor. Reichen sie nicht aus, dann hat die Sozialhilfe einzugreifen und aufzustocken. In einem solchen System der sozialen Leistungen hat die Sozialhilfe die Funktion eines Auffangnetzes. Wir müssen es sehen, und wir müssen es auch akzeptieren. Das zeigte die Debatte hier in den Jahren 1960 und 1961, als das Sozialhilfegesetz geschaffen wurde. In Zeiten der wirtschaftlichen Rezession mit Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit fallen mehr Bürger in dieses soziale Netz, von dem sie aufgefangen
werden müssen. Die Kommunen und Länder werden ihrer sozialen Verpflichtung mit Sicherheit nicht gerecht, wenn sie gerade in einer solchen Zeit, in der dieses. soziale Netz voll belastet wird, danach rufen, die Maschen zu erweitern, d. h., notwendige Hilfen und Leistungen abzubauen.
Nun, Herr Kollege Braun, Arbeitslosenhilfe be- zahlen nicht die Gemeinden, sondern bezahlt natürlich die Bundesanstalt für Arbeit. Aber ich glaube, in den wesentlichen Leistungen darf das Bundessozialhilfegesetz nicht zugunsten einer fiskalischen Entlastung der Kommunen angestastet werden. Hier sollten sich alle drei Fraktionen einig sein.: die CDU/CSU. unter dem Aspekt, daß unter ihrer maßgeblichen Mitwirkung im Zeichen der absoluten Mehrheit 1961 dieses Gesetz geschaffen wurde, und die Koalitionsfraktionen SPD und FDP, die es entscheidend weiterentwickelt haben.
Lassen Sie mich heute jedoch einen Bereich der Sozialhilfe herausgreifen, der besonders kostenträchtig ist. und in dem unseres Erachtens ohne Leistungsabbau durch Umverlagerungen Kosten gespart werden könnten. Ich meine - wie auch hier schon von anderen Rednern angesprochen - die Hilfe zur Pflege. Mit 35 % ist diese Leistungsart einer der großen Ausgabenblöcke der Sozialhilfe. Die Antwort der Bundesregierung nennt einen der Gründe hierfür: die überproportionale Steigerung der Personal- und Sachkosten in Heimen und Anstalten und damit in der stationären Hilfe zur Pflege. Dementsprechend steigen die Fallkosten der stationären Pflege. Aber auch die Fallzahlen steigen: denn da die Pflegeheimkosten stärker steigen als die Renten und Pensionen, werden immer mehr Pflegebedürftige, meist ältere Menschen, genötigt, auf ihre alten Tage Sozialhilfe zu beantragen. So erhalten heute bereits über 55 % der Bewohner von Altenpflegeheimen und Pflegeabteilungen von Altenheimen ganz oder teilweise Sozialhilfe. Die Kostenentwicklung der Hilfe zur Pflege außerhalb von Anstalten, also der ambulanten Pflege, ist ähnlich besorgniserregend.
Von der sozialpolitischen Seite dieser Entwicklung will ich heute nicht sprechen. In dieser Debatte interessiert der Kostenaspekt für die Kommunen. Ich glaube, hier beginnt sich eine Entwicklung abzuzeichnen, die den Sozialhilfeträgern versorgungsähnliche Aufgaben zuschiebt. Diese sind jedoch der Sozialhilfe fremd. Wir sollten deshalb ernsthaft prüfen und überlegen, welche Leistungsträger diese Versorgungsfunktionen von ihrer Aufgabe her übernehmen könnten.
Meines Erachtens kommt in erster Linie die gesetzliche Krankenversicherung in Betracht, die mit der Krankenhilfe ähnliche Aufgaben erfüllt. Fachleute des Krankenhauswesens sind sich darüber einig, daß in Krankenhäusern der Grund- und Regelversorgung 10 bis 15 % der Pflegetage für sogenannte Sozialfälle abgerechnet werden. Das heißt die Krankenversicherung zahlt bereits heute für Tausende von Pflegefällen unter dem Etikett der Krankenhilfe. Dies zeigt, daß hier eine sozialpolitische Lücke besteht, die die Sozialhilfe nur notdürftig ausfüllt.
Ich bin mir darüber im klaren, daß heute ein Vor- schlag, der einfach auf eine Leistung und Kostenausweitung der gesetzlichen Krankenversicherung hinauslaufen würde, von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Schließlich haben wir eben erst aus guten Gründen ein Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz beschlossen. Ich glaube jedoch, es gibt eine Lösung, die eine Kostenausweitung weitgehend durch Kosteneinsparungen kompensiert: Für jeden pflegebedürftigen Menschen, für den heute die Krankenversicherung den vollen Krankenhauspflegesatz für Unterkunft, Verpflegung, Pflege und medizinische Leistungen zahlt, könnte die Kasse gleich mehrere Pflegebedürftige in einem Pflegeheim die pflegebedingten Mehrkosten zahlen. Eine solche Leistung einer Pflegehilfe würde Unterkunft und Verpflegung nicht mit abdecken, da sie im Grunde mit der Krankenhilfe nichts zu tun hat. Der Begriff des Pflegefalles sollte dabei eng begrenzt werden, um eine Ausuferung dieser neuen Leistung zu verhindern. Für die ersten Jahre müßte man sich wohl auch mit einer Kann-Vorschrift zufrieden geben. Inwieweit Leistungen der ambulanten Pflege einzubeziehen wären, bliebe zu prüfen. Einen kleinen Schritt in dieser Richtung haben wir im Kostendämpfungsgesetz - übrigens auf Anregung des Bundesrates - mit der Neufassung des § 185 RVO getan: häusliche Krankenpflege zur Vermeidung von Krankenhauspflege.
Ich will es heute bei dieser kurzen Skizze einer denkbaren Lösung bewenden lassen. Ein Gesetzentwurf zur Änderung der RVO in diesem Sinne müßte durch statistische Berechnungen bezüglich der Kostenfolgen sorgfältig vorbereitet werden. Aber ich glaube, wir müßten daran gehen und sollten nicht zögern, dieses brennende Problem entschlossen anzupacken und einer Lösung zuzuführen.
({0})
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Pack.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich in meinen Ausführungen mit dem Stellenwert der freien Träger in Bund, Ländern und Gemeinden befassen. Ich möchte weiter unseren Antrag begründen, der darauf abzielt, daß dem Deutschen Bundestag keine Gesetze mehr vorgelegt werden, die die Rechte der freien Träger einschränken könnten.
({0})
Es handelt sich hier um eine Materie, von der es auch nach der Antwort der Bundesregierung den Anschein hat, sie stünde außerhalb der politischen Kontroversen. Politische Verantwortung zu delegieren, möglichst viele in den Entscheidungsprozeß einzubeziehen, die Realisierung politischer Vorstellungen durch den mündigen Bürger schon auf kommunaler Ebene, aber nicht unbedingt durch kommunale Instanzen zu fördern - über all diesen Aufgaben besteht oft ein weitreichender Konsens, wie auch die Antwort der Bundesregierung zu unserer Frage aufzeigt. Man sollte sich nur einmal vergegenwärtigen,
' wie arm unser öffentliches Leben wäre, wenn es nur aus dem bestünde, was die öffentliche Hand veranstaltet!
({1})
Deshalb wird auch nicht nur in politischen Sonntagsreden gern rühmend erwähnt, was die spontane Initiative des einzelnen bewirkt.
Mit ihrem Antrag möchte die CDU/CSU-Fraktion für weite Bereiche der Privatinitiative über das rein Deklamatorische hinauskommen und Ihnen, meine Damen und Herren, eine praktikable Rahmenregelung vorschlagen, politisches Engagement möglichst lange und nachhaltig in der Eigenverantwortung des mündigen Bürgers zu belassen. und - vergleichbare Effizienz vorausgesetzt - gegen Benachteiligungen durch die öffentlichen Hände zu schützen.
({2})
Wir erhoffen uns mit diesem Antrag eine breite Zustimmung, meine Damen und Herren, denn im Prinzip ist es, glaube ich, unter den demokratischen Parteien unumstritten, daß die politische Mitverantwortung möglichst nach unten an die Basis verlagert werden muß. Wir wollen mit unserer Initiative dieser weit verbreiteten Einsicht im politischen Alttag zum Durchbruch verhelfen. Wer politische Verantwortung an der Basis und durch die Basis will, muß dafür optimale Voraussetzungen schaffen, das heißt, die Übernahme von Verantwortung durch nicht von Amts wegen dazu veranlaßte Personen möglichst attraktiv machen.
({3})
Sinn unseres Antrages ist, die Situation der freien Träger politischer und sozialer Aufgaben zu ver- bessern. Unsere Vorschläge gehen davon aus, daß der Staat möglichst viel Gelegenheit für eigenverantwortliche Tätigkeiten schafft und die Gründung von verantwortlichen Institutionen im vorstaatlichen Bereich fördern soll, auf keinen Fall jedoch einengen darf!
({4})
Wir geben dabei zu bedenken, wie viele Aktivitäten im Bereich der Gesundheitspolitik, der Sozialpolitik, der Bildungspolitik usw. nicht entstanden wären, wenn sich die öffentliche Hand von vornherein darum hätte kümmern müssen.
({5})
Diese Leistungen kann man gar nicht genug anerkennen und würdigen. Doch manchmal hat es den Eindruck, als würde diese Einsicht zumindest zeitweilig verschüttet. Sonst käme es nicht vor, daß in_ der Praxis manchmal auf Schwierigkeiten stößt, was theoretisch - auch in der Antwort der Bundesregierung - so klar zu sein scheint.
Da gab es in diesem Jahr die .Vorschläge zur Regelung der Krankenhauskosten, durch die den Trägern von Krankenhäusern aufgegeben werden sollte, 10 % der Investitionskosten aus eigenen Mitteln aufzubringen. Unter Fachleuten bestand Einigkeit, daß eine solche Regelung viele freie Krankenhausträger überfordert hätte.
({6})
Mancher freie Träger hätte sich sein weiteres Vorgehen überlegen müssen, mancher hätte aufgeben müssen. Ob diese Konsequenz von den Initiatoren der Vorschläge beabsichtigt war, kann ich nicht entscheiden. Viele Aussagen - aus den Reihen vor allem der Jungsozialisten - lassen aber diese Meinung zu.
({7})
Jedenfalls ist vor dieser Konsequenz öffentlich und mit Nachdruck gewarnt worden.
({8})
Von vornherein stand allerdings fest, daß auch Krankenhäuser, die sich im Besitz der öffentlichen Hand befinden, 10 % der Investitionen nicht aus eigenen Betriebserlösen hätten finanzieren können. Sie hätten auf Steuergelder zurückgreifen müssen. Bei gleicher Leistung ist eine Diskriminierung bestimmter Träger durch Nichtgewährung von Steuergeldern, die letztlich von der Gesamtheit der Bürger aufgebracht werden, für mein Rechtsverständnis fehlerhaft. Das ist eine Attitüde, die man in einer Monarchie erwarten könnte, aber nicht in einer Demokratie.
({9})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich muß leider zum Schluß kommen. Ich darf Sie herzlich bitten, auch auf der Basis der verschiedenen Gesichtspunkte, die Sie in Ihrer Antwort hier dargelegt haben und von denen auch in den Freiburger Thesen der Liberalen die Rede ist, unserem Antrag auf Drucksache 8/1210 heute Ihre Zustimmung zu geben.
({10})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Egert.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe meiner Vorrednerin gerade interessiert zugehört, weil ich hoffte, ich würde Aufschluß über den Sinn des Entschließungsantrags der Opposition auf Drucksache 8/1210 bekommen. Ich muß Sie enttäuschen: ich habe diesen Aufschluß nicht bekommen.
Das, was die Bundesregierung in ihrer Antwort hinsichtlich der Mitwirkung der freien Träger zum Ausdruck gebracht hat, ist insofern eindeutig, als wir die Mitwirkung der freien Träger nicht alternativ zur Tätigkeit der öfentlichen Hände sehen, sondern additiv. Der Gedanke der Subsidiarität geht von dem Adressaten der sozialen Arbeit, der sozialen Politik aus, nicht von den Trägerschaften. Freie Trägerschaft, die ergänzt, die insbesondere dort initiativ wird, wo es darum geht, für neue soziale Fragen im Vorraum der staatlich geregelten Bereiche sozialer Politik Lösungen zu finden, wird immer unsere Unterstützung haben. Deswegen werden Sie
verstehen, daß wir Ihrem überflüssigen Antrag nicht zustimmen können.
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Ich hatte an sich die Absicht, mich mit dem auseinanderzusetzen, was Sie in den wenigen Minuten, die uns im Rahmen dieser Debatte über Ihre Große Anfrage zur Verfügung stehen, zum sozialen Bereich, insbesondere zum Bereich der gesundheitlichen Versorgung, gesagt haben. Sie haben dieses Eckchen gefüllt und versucht, hier einen Nebenkriegsschauplatz zu eröffnen. Da sollten wir noch einmal in die gesundheitspolitische Bewertung dessen eintreten, was 'die Bundesregierung erfolgreich in Gang gebracht hat.
Die Kostendämpfung zeigt Wirkungen.
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Sie, die Sie abseits gestanden haben, sind nun betrübt, daß Sie die Ergebnisse dieser Politik zur Kenntnis nehmen müssen.
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- Frau Kollegin, Sie wissen, daß z. B. die Krankenkassen auch im nächsten Jahr ihre Beiträge entgegen Ihren Aussagen stabil halten werden. Wir begrüßen das.
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- Das geht insbesondere aus den Aussagen der Technikerkrankenkasse und der Hamburg-Münchener Ersatzkasse hervor. Auch der Bundesverband der Ortskrankenkassen hat sich dazu geäußert.
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Wir sehen darin einen wesentlichen Erfolg unserer politischen Anstrengungen.
Wir können nicht die Wertung teilen, daß auca ohne die gesetzliche Initiative hier etwas Entscheidendes zustande gekommen wäre, insbesondere vor dem Hintergrund der Aussagen von Vertretern der freien Verbände. Aber auch Äußerungen aus dem Bereich der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ha- ben uns skeptisch gemacht und haben die Notwendigkeit der gesetzlichen Regelung unterstrichen. Insofern sind wir durch das Kostendämpfungsgesetz in dieser unserer Politik bestätigt worden.
Frau Kollegin Dr. Neumeister, Sie wissen, daß sich im Ausschuß alle Fraktionen sehr ernsthaft mit der Frage auseinandergesetzt haben, wie wir den Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkt im Gesundheitswesen auch auf den Krankenhausbereich übertragen können. Hier hat es verschiedene Denkmodelle gegeben. Es widerspricht einfach dem, was wir dort gemeinsam gemacht haben, wenn Sie nun versuchen, eine Teillösung ins Feld zu führen und daraus einen besonderen Ideologievorbehalt, wie es Ihrer Art entspricht, zu konstruieren.
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- Doch, die gibt es offensichtlich; sonst hätten Sie diese Anmerkung hier in der Debatte nicht machen können.
Wir haben uns sehr ernsthaft überlegt, wie wir geeignete Instrumente finden können, um diesen Bereich der medizinischen Versorgung unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten, aber auch mit Vorrang unter dem Gesichtspunkt in den Griff zu bekommen, wie wir die medizinische Versorgung unserer Bürger in diesem Lande gewährleisten können.
Dabei war ein Ansatzpunkt - und der bleibt auch unser Ansatzpunkt - der, daß wir zu sinnvoll verzahnten Instrumenten in der medizinischen Versorgung kommen. Die Teilschrittchen, die dort gegangen worden sind und wodurch der ambulante Bereich und der Bereich der stationären Versorgung verzahnt werden, sind sinnvolle Schritte, die insgesamt die Strukturen im Gesundheitswesen kostengünstiger gestalten werden. Wir werden auf diesem Wege weiter fortschreiten müssen.
Wir haben bei diesem unserem Vorhaben auch darauf gesehen, wie die innere Wirtschaftlichkeit der Krankenhäuser verbessert werden kann. Sie wissen, daß wir bei den Vorarbeiten für eine Novellierung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes sind. Ich bin sicher, daß wir bei dieser Diskussion über dieses Gesetzesvorhaben auch für diesen Bereich der medizinischen Versorgung geeignete Lösungen finden werden, insbesondere was den Aufbau eines gegliederten Systems der stationären Versorgung angeht, auch unter dem Gesichtspunkt sinnvoller Kostenträgerschaften z. B. für den Bereich der krankenhausentlastenden Einrichtungen.
Wenn ich hier Ihnen ein bißchen die Kompetenz bestreite, hierüber unter dem Gesichtspunkt der Gemeindebelastungen mit uns zu streiten, dann deshalb, weil es in der Debatte um das Krankenhausfinanzierungsgesetz gerade Ihre Fraktion war, die sich damals bundeseinheitlichen Bettenbedarfsplanungen in den Weg gestellt und der dafür notwendigen Grundgesetzänderung, mit der dem Bund über die Krankenhausfinanzierung hinaus Kompetenzen für das Krankenhauswesen gegeben werden sollten, widersprochen hat. Dies war einer der Streitpunkte bei der Debatte über das Krankenhausfinanzierungsgesetz. Ich darf daran erinnern, daß Herr Katzer damals für die Opposition dafür gestritten hat, daß die Förderung nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz auch für die Kliniken und Krankenhäuser gelten sollte, die nicht in den Krankenhaus-bedarfsplan aufgenommen werden, womit also dem Bettenberg noch zusätzliche Betten hinzugepackt worden wären.
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Ich meine, auf diesem Hintergrund tun Sie sich ein bißchen schwer, wenn Sie uns hier aus der Sicht der Gemeinden Vorhaltungen machen wollen. Ich weise diese energisch zurück.
An dem Punkt noch eine Anmerkung: Wir waren und sind der Auffassung, daß es sinnvoll war, die finanzielle Trägerschaft bis hin zu den Ländern und
Gemeinden auszudehnen, Bund und Länder in das finanzielle Obligo zu nehmen, weil diese Trägerschaft die Arbeitsbedingungen im Krankenhaus vom Mittelalter in die Neuzeit gebracht hat. Zu dieser politischen Verantwortung bekennen wir uns. Die Fehlentwicklungen, die auf diesem Hintergrund angefangen haben, werden wir entschieden angehen. Wenn Sie da ein Wort auch in die Richtung Ihrer Länder sprechen, dann hätte diese kleine schmale sozial- und gesundheitspolitische Debatte eine Funktion erfüllt. Wir werden Sie dort beim Wort nehmen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Burger.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst ein Wort zu Ihnen, Herr Kollege Egert: Nicht das Kostendämpfungsgesetz hat zu einer Einschränkung der Ausgaben im Gesundheitsbereich geführt, sondern im letzten halben Jahr und im vorigen Jahr die Bemühungen aller Beteiligten, aller Partner, die Kosten einzudämmen.
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Es waren nicht die gesetzlichen Maßnahmen, sondern war bewirkt durch das, was vorher schon geschehen war, Herr Kollege Egert.
({1})
Zweitens. Herr Kollege Egert, wir bedauern sehr, daß Sie unseren Antrag der den Vorrang der Träger festlegen will, ablehnen.
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Herr Kollege Egert, das sind schlechte Aussichten für die Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Reform der Jugendhilfe, den wir in den nächsten Monaten annehmen wollen.
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Wir werden sehen, wie dort die Regelung getroffen
wird. Dann werden wir die Nagelprobe machen.
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- Herr Kollege Egert, wir werden das sehen und können uns dann darüber unterhalten.
Nun zur Sache, meine Damen und Herren. Ich möchte kurz zu den Folgen des derzeitigen. Geburtenrückgangs in ihren Auswirkungen auf die Gemeinden sprechen. Meine Damen und Herren, wenn die Zahl der Kinder bis zu 14 Jahren bis zum Jahre 1985 um 32 % abnehmen wird, wenn jährlich nur noch halb soviel Kinder geboren werden wie vor zehn Jahren und wenn deshalb der Bevölkerungsstand bis 1990 auf schätzungsweise 58 Millionen sinken wird, dann hat dies auch für die Gemeinden Konsequenzen. Was soll aus unseren Großstädten, aus den ländlichen Gebieten werden? Wie steht es um die Kindergärten, die Schulen, die Krankenhäuser, die Altersheime und die Sozialstationen? Raumordner und Planer müssen sich fragen: Stimmen die Grundannahmen für die Raumordnung noch,
wird nicht bereits am Bedarf vorbeigebaut? Da genügt ein mahnender Hinweis des Kanzlers nicht. Hier müssen Roß und Reiter genannt werden. Es müssen Konsequenzen gezogen werden, und es muß mit einer kinderfreundlichen Politik gegengesteuert werden.
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Der Bevölkerungsrückgang zwingt zu einer Revision von Raumordnungsplänen und -programmen. Es herrscht derzeit Unsicherheit. Sicher ist jedoch, daß auch neuere Programme auf überhöhten Bevölkerungserwartungen fußen. Das zwischen Bund und Ländern abgestimmte Bundesraumordnungsprogramm geht immer noch davon aus, daß es möglich sein wird, den Bevölkerungsstand des Jahres 1973 - 62 Millionen - bis 1985 zu halten. Diese Annahme stimmt nicht mehr. Neue Prognosen zeigen eine weitere gefährliche Entwicklung auf. Es wird zu einer drastischen Abwanderung aus strukturschwachen Gebieten kommen. Es wird zu Bevölkerungsabnahmen bis zu 15 % kommen, wobei der Rückgang der Altersgruppe der 10- bis 14jährigen bis zu 40 % betragen kann. Dies hat enorme Auswirkungen.
Es geht aber nicht nur um die Anpassung, sondern auch um das Gegensteuern. Wir erleben es immer wieder, daß die Umweltbedingungen nicht gerade kinderfreundlich sind. Unsere Lebensverhältnisse sind zu stark auf die Bedürfnisse der Erwachsenen zugeschnitten. Der künftige Schwerpunkt, die Sanierung und Renovierung der Stadtkerne, gibt hier eine große Chance. Machen wir doch die Stadtkerne nicht nur menschen-, sondern auch kinderfreundlicher!
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Beteiligen wir die Eltern mehr als bisher an der Planung und Verwaltung von Wohnungs- und Siedlungsprojekten, von Kindergärten und Schulen!
Der Bund kann sich aus seiner besonderen Verantwortung für eine familienfreundlichere Politik nicht davonstehlen. Es ist uns unbegreiflich, warum die Kommunen trotz wiederholter Bitten nicht an der Kommission zur Erstellung des Fünften Jugendberichtes beteiligt worden sind.
Die Gründe für den Geburtenrückgang sind vielfältig. Es gibt materielle Gründe, aber auch die Lebensumstände und die Auffassungen haben sich verändert. Die Politik kann nicht auf alles einwirken, jedoch haben die meisten politischen Entscheidungen konkrete Auswirkungen auch auf die Familie. Die Bundesregierung hat die Probleme des Geburtenrückgangs bis jetzt meist heruntergespielt. Die Auswirkungen sind für Staat und Gesellschaft aber besorgniserregend. Wir fordern deshalb eine konsequentere, familienfreundlichere Politik vor allem durch die Bundesregierung. Diese Politik muß heute und nicht erst in einigen Jahren durchgesetzt werden.
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Das Wort hat der Herr
Abgeordnete Sick.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir vorher eine Bemerkung zu dem, was Herr Hoffie sagte. Was er sagte, war schlicht und einfach falsch. Zu dem ist zu sagen, daß mit Mitteln aus dem Zukunftsinvestitionsprogramm Straßen, die in der Baulast von Gemeinden stehen, nicht gebaut werden. Da der Ansatzpunkt falsch war, ist die ganze Argumentation des Kollegen Hoffie falsch gewesen.
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- Das sowieso. - Unser Antrag ist also voll und ganz begründet.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, da wir nun zum Ende der Debatte kommen, einige wenige Worte zu dem, was unklar geblieben ist. Der Kollege Müntefering sprach davon, daß es hier irgendein Durchschimmern - bis zu schwarz hin - gegeben habe. Dazu möchte ich sagen, daß insbesondere Sie von der SPD sich heute als ein politisches Chamäleon dargestellt haben. Im Hamburg treten Sie in leuchtendem Rot auf, hier heute aber im Mausgrau treuer Pflichterfüllung. Die deutsche Öffentlichkeit hat einen Anspruch darauf, zu erfahren, wie es sich mit Ihnen nun wirklich verhält, was, bezogen auf Kommunalpolitik, nun wirklich gilt:
({1})
das, was Sie heute hier erklärt haben, und wobei wir in vielem, in dem meisten mit Ihnen übereinstimmen, oder das, was Sie in Hamburg beschlossen haben. Ich erinnere an Antrag 155 - die Gemeinden sollen enteignen - und Antrag 506, in dem von Räten und anderem mehr die Rede ist. Wie paßt das denn zusammen: auf der einen Seite Selbstverwaltung, Freiheit, Bürgerinitiative, auf der anderen Seite Verbürokratisierung? Dies werden Sie noch aufklären müssen.
Am Ende der Debatte will ich Ihnen einmal sagen, von welchem Grundsatz wir, die Union, unsere Politik ableiten, die wir für die Kommunen betreiben. Dieser Grundsatz läßt sich in einem Satz ganz einfach umschreiben: Kommunalpolitik ist keine Minipolitik, sondern sie ist die Urzelle, die Urquelle der demokratischen Kraft dieses Landes.
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Wer aber das Lebendige durch Pläne, durch Papier abtötet, der hat nur ein Gerüst stehen und erstickt die Initiative des Bürgers.
Es kommt noch etwas anderes hinzu, und auch das muß der deutschen Öffentlichkeit klarwerden. Heute morgen wurde auch von Demokratie geredet. Demokratie kann man auch dadurch gefährden, daß man das Wort zu sehr strapaziert; denn diese leeren Formen stehen zu lassen und das noch Demokratie zu nennen ist eine Farce. Das ist nicht das, was wir unter lebendiger repräsentativer Demokratie verstehen. Wir werden uns sicher noch
öfter unterhalten. Ich will hoffen, daß das Gemeinsame Sie veranlaßt, das auch zur Grundlage Ihrer Parteipolitik zu machen. Dann werden wir uns sicher einig werden.
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Das Wort hat Frau Bundesminister Huber.
Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen! Es war vielleicht nicht vorauszusehen, daß die Sozialpolitik in dieser Debatte eine solche Rolle einnehmen würde. Nachdem es aber so ist, möchte ich einige Bemerkungen machen.
Auch ich war Kommunalpolitiker. Sie können mir daher unterstellen, daß mir die Sorgen der Gemeinden am Herzen liegen. Das ist sicherlich unbestritten. Ich möchte mich aber auch dem anschließen, was Herr Glombig und andere hier schon ausgeführt haben: Wir haben die Sozialhilfe, und zwar alle miteinander, als Auffangstellung für schwierige Zeiten geschaffen. Ich möchte darauf hinweisen, daß es sich nicht nur um die gemeinsam beschlossenen Leistungsverbesserungen von 1974, nicht nur um die gestiegene Zahl der Empfänger handelt, sondern eben auch um das Pflegekostenproblem, das wir in Bund und Ländern gemeinsam bewältigen wollen. Mit den Ländern haben wir hierfür die Schaffung einer Arbeitsgruppe beschlossen. Wir können über verschiedene Aspekte reden, aber nicht über das Essentielle; denn die Sozialhilfe ist eine Qualität, an der dieser Staat gemessen werden kann. Das muß auch so bleiben.
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Wenn wir uns darüber einig sind - ich habe nur wenige Minuten, weil um 19 Uhr die Abstimmung stattfinden soll -, möchte ich gerne noch ein paar Sätze zur Familienpolitik sagen. Ich kann mich für die Aufrufe für eine kinderfreundlichere Gesellschaft nur außerordentlich bedanken. Aber das ist eben ein Ziel, das man nicht per Dekret verordnen kann. Ich möchte - wie schon früher - Ihnen sagen, daß die Kindergeldlösung, etwa eine Erhöhung von 10 DM und noch einmal 10 DM dieses Problem nicht löst.
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Es gibt z. B. in Kanada Provinzen, in denen bei höchstem Kindergeld die geringste Geburtenrate verzeichnet wird. Wie sich die Geburtenrate aber entwickelt, vermag niemand vorauszusagen. Ihre Entwicklung ist immer schwankend gewesen, und es wäre vermessen zu sagen, wie sie im Jahr 2000 aussieht.
Es ist auch nicht möglich, einfach die Zahl der Geburten zu nehmen und auf Grund dieser Zahl auf die zukünftige Entwicklung zu schließen. Da spielen viele Faktoren eine Rolle.
Wir streben eine kinderfreundliche Umwelt, eine kinderfreundliche Gesellschaft an. Wir bitten Sie alle herzlich, alles, aber auch alles zur Erreichung
dieses Zieles beizutragen. Wir stellen zur Zeit hierzu im Ministerium ein Programm auf, das bei Wohnungen ansetzt, aber auch die inneren Haltungen der Menschen einschließen muß. Ich bitte Sie alle, hier mitzuziehen und sich nicht auf so einfache Argumentationen einzulassen, wie sie manchmal zu hören sind. Die Regierung schreibt die Familienpolitik groß; sie hat einen hohen Stellenwert;
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denn die Familie ist eine vorkonstitutionelle Gemeinschaft. Sie ist die stärkste Gemeinschaft, die es überhaupt gibt. In mir haben Sie jemanden, der nach dem Kriege, als es keinerlei Staat gab, erfahren hat, was Familie bedeutet. Ich vermittle das allen. Glauben Sie uns, daß wir uns in jeder Weise für Familienpolitik einsetzen. Wir halten die Familie für wichtig.
Aber wir haben nicht die idyllischen Leitbilder, die Sie uns manchmal vorgaukeln wollen. Wir versuchen in meinem Ministerium vielmehr, auf vielerlei Weise zur Konfliktbewältigung beizutragen. Neben dem, was auf dem Sektor Wohngeld, Ausbildung und natürlich Kindergeld geschieht, das wir zum 1. Januar 1978 wieder verbessern, versuchen wir auch in anderer Weise, den Familien zu helfen. Es ist völlig verfehlt, wenn Sie glauben, daß man mit Vorstellungen von gestern der Familie von heute helfen kann.
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Ich bedanke mich bei all denen, die den Wert der Familie hervorgehoben haben. Vielleicht können wir alle miteinander als Privatleute und Nachbarn mehr tun, um dieses Problem stärker in das Bewußtsein der Menschen zu rücken und damit leichter zu lösen.
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Das Wort hat der Abgeordnete van Aerssen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Gegen Ende dieser Debatte stellen wir von den Oppositionsparteien zwei Punkte fest.
Erster Punkt: Langfristige Perspektiven, wie es mit der Selbstverwaltung in Deutschland weitergehen soll und welchen Stellenwert sie für unsere bundesstaatliche Struktur haben soll, haben wir weder heute von der Bundesregierung noch von den Koalitionsparteien, die versucht haben, diese Bundesregierung zu unterstützen, gehört.
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Zweiter Punkt: Es wird in diesem Staat nur noch verwaltet; es wird nicht mehr gestaltet.
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Es gibt keine neuen Perspektiven, die die Mitwirkung der Bürger, das neue Engagement und die neuen Möglichkeiten, die sich dadurch eröffnen, daß inzwischen die Kommunen leistungsfähiger geworden sind und daß wir eine stärkere Partizipation
der Bürger in den Kommunen haben, in ein neues Konzept einbetten. Es wird mit dem bisherigen Instrumentarium weitergewurstelt.
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Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie brauchen uns als Christdemokraten nicht zu sagen, daß wir für die Sozialhilfe und für ein soziales Engagement seien. Das gehört zu unserem grundsätzlichen Bekenntnis.
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Die Kolleginnen und Kollegen von meiner Fraktion haben doch heute gesagt, daß wir an einem Punkt angekommen sind, wo das System überfordert ist, wo wir nicht mehr im bisherigen Stil weitermachen können. Ich vermisse konstruktive Vorschläge von Ihnen, wie dieses Problem gelöst werden soll.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, gewaltige Fanfarenstöße zur Fortentwicklung der freien Selbstverwaltung, zur bürgerschaftlichen Mitwirkung in unserem Staate sind von Ihnen heute hier kundgetan worden.
Ich kann nur feststellen, daß immer noch das alte Bibelzitat gilt: Wenn die Trompete einen unreinen Klang hat, wer wird sich dann schließlich rüsten zum Kampfe? Es ist doch wohl sehr deutlich geworden, daß das letzte Konjunkturförderungsprogramm nicht zügig und durchgreifend abgewickelt werden konnte und daß die hier von Herrn Ravens angekündigte Verzahnung von Infrastrukturpolitik, Verkehrs- und Städtebauförderungspolitik mit der Konjunkturpolitik nicht gelungen ist. Statt dessen haben wir einen Entscheidungsprozeß gesehen, der die kommunale Selbstverwaltung immer stärker bevormundet hat.
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Herr Ravens hat das selber zugegeben. Er hat gesagt, das Verfahren befriedige ihn nicht. Es geht hier 'nicht um die Verfahrensfragen, es geht hier um die Essentials, darum, daß das Ganze darauf hinausläuft, daß die Gemeinden immer mehr bevormundet werden, daß ihnen immer mehr Auflagen gemacht werden, daß ihnen immer mehr Planungsauflagen gegeben werden, weil Sie der kommunalen Selbstverwaltung mißtrauen,
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anstatt den Kommunen einmal Entscheidungsfreiheit und die Möglichkeit zur Kreativität zu geben.
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Herr Kollege, machen wir uns gar nichts vor: Der Herr Finanzminister Apel hat hier auch nur Ablenkungsgefechte geführt. Wo ist denn der große Wurf zur Lösung dieser Probleme? Er hat sich auf den Art. 104 a unseres Grundgesetzes zurückgezogen. Es war doch gerade die Kritik meiner Fraktion, daß wir gesagt haben: Mit diesem Instrumentarium allein können wir eine moderne Selbstverwaltung nicht weiter gestalten.
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Ich frage Sie: Warum haben Sie denn nicht den Mut, auf die Vorschläge meiner Kollegen einzugehen
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und auf die Flexibilität, auf die Schnelligkeit und auf die Ortskenntnis der kommunalen Selbstverwaltung zu vertrauen, anstatt am grünen Tisch der Ministerialbürokratie Einzelfallentscheidungen zu treffen?
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Meine sehr verehrten Damen und Herren von den Koalitionsparteien, wir hören immer wieder wie von tibetanischen Gebetsmühlen das allseits wiederholte Zweckargument - ich zitiere aus der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage -, daß häufig übergeordnete struktur-, verkehrs- und bildungspolitische Entscheidungen zweckgebundene Zuschüsse an die Gemeinden erforderten, und die immer wieder stereotyp wiederholte Formel, daß die Fragen einer modernen Selbstverwaltung und die daraus entstehenden Probleme nicht mehr isoliert in den einzelnen Gemeinden gelöst werden könnten. Zitat:
Die Gesetz- und Verordnungsgeber haben deshalb in zunehmendem Maße die Notwendigkeit zu staatlicher Einflußnahme gesehen.
Sie geben doch selber zu, daß der Staat immer mehr Einfluß auf die Selbstverwaltung ausgeübt hat. Anstatt auf die leistungsfähige Selbstverwaltung zu vertrauen, anstatt darauf zu vertrauen, daß mündige, engagierte Bürger immer mehr in der Lage sind, nicht isolierte Lösungen anzustreben, sondern das Ganze zu sehen und die ganze Politik im Auge zu haben, gehen Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, hin und bevormunden diese Bürger, anstatt sie zu ermuntern. Wie ein roter Faden geht das Mißtrauen gegenüber der Selbstverwaltung durch Ihre Argumentation. Daß Sie ein schlechtes Gewissen haben, kann man aus Ihrer Antwort entnehmen. Ich zitiere: So ist sich die Bundesregierung bewußt,
daß die Fülle der von den Gemeinden zu beachtenden Bundes- und Landesvorschriften als Einschränkung der Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit der kommunalen Selbstverwaltung empfunden werden kann.
Mit anderen Worten: Sie selber haben ein schlechtes Gewissen.
Statt aber nun diesem Problem sozusagen an die Wurzel zu gehen, sagen Sie den Bürgern im Lande:
Die Gemeinden und Gemeindeverbände werden in den Ländern ebenso wie beim Bund in zahlreichen Gremien mitbestimmend oder beratend tätig.
Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende. Wenn Sie sich bitte dem Ende nähern wollen.
Sie bieten also als Koalitionsparteien für ein originäres Gestaltungs4510
recht der modernen Selbstverwaltung ein Mitberatungsrecht in den verschiedensten Gremien. Sie bauen ein gigantisches Kommissionsunwesen auf mit der Folge, daß der Bürger vor Ort, die gemeindliche Selbstverwaltung, nicht mehr eigenständig entscheiden kann, sondern in die Alibifunktion eines beratenden Organs verwiesen wird.
Herr Kollege, bitte kommen Sie zum Ende! Ich hatte Ihnen schon etwas zugegeben, aber sagen Sie jetzt bitte Ihren letzten Satz.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie können sich darauf verlassen, daß die Antwort, die Sie uns gegeben haben, uns in keiner Weise befriedigt. Sie können davon ausgehen, daß wir als Anwalt der kommunalen Selbstverwaltung Sie hier immer wieder fordern und daß wir für Sie hier im Deutschen Bundestag einen Lernprozeß einleiten werden.
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Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte.
Es liegen einige Entschließungsanträge der CDU/ CSU-Fraktion auf den Drucksachen 8/1208, 8/1209, 8/1210, 8/1211 und 8/1226 vor.
Zuerst rufe ich den Entschließungsantrag auf Drucksache 8/1208 auf. Wird Überweisung vorgeschlagen?
({0})
- Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag auf Überweisung ist abgelehnt worden.
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Wir kommen zur Abstimmung in der Sache über denselben Antrag. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt.
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Meine Damen und Herren, wir kommen zu dem Entschließungsantrag auf Drucksache 8/1209. Dieser Antrag soll überwiesen werden. Ich darf fragen, welcher Ausschuß federführend sein soll. Bitte, Herr Abgeordneter Waffenschmidt!
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Ist das Haus damit einverstanden? - Gegen die Überweisung erhebt sich kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich rufe den Entschließungsantrag auf Drucksache 8/1210 auf. Sie haben Überweisung beantragt. Wer der Überweisung zuzustimmen wünscht, den bitte
ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Die Überweisung ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung in der Sache. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt.
Entschließungsantrag Drucksache 8/1211. Hier wird Überweisung gewünscht. Wer der Überweisung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Die Überweisung ist abgelehnt.
Abstimmung in der Sache! Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, gebe ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt.
Entschließungsantrag Drucksache 8/1226. Hier ist ebenfalls Überweisung gewünscht. Wer dem zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Die Überweisung ist abgelehnt.
Abstimmung in der Sache! Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen! - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zum Antrag der CDU/CSU-Fraktion auf Drucksache 8/923. Der Ältestenrat schlägt Überweisung an den Finanzausschuß - federführend - und an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung und gemäß § 96 der Geschäftsordnung vor. - Hiergegen erhebt sich kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Bezüglich der unter Punkt 2 c der Tagesordnung aufgeführten Vorlage - Gesetzentwurf der CDU/ CSU-Fraktion zur Änderung des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes auf Drucksache 8/1147 - wird Überweisung an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen - federführend -, an den Finanzausschuß, an den Ausschuß für Wirtschaft und an den Haushaltsausschuß - mitberatend -, an den letztgenannten auch gemäß § 96 der Geschäftsordnung, vorgeschlagen. - Der Überweisung wird allgemein zugestimmt; es ist so beschlossen.
Ich rufe nunmehr Punkt 3 der Tagesordnung auf:
a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes
- Drucksachen 8/1027, 8/1186 -
aa) Bericht des Haushaltsausschusses ({4}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 8/1236 - Berichterstatter: Abgeordneter Walther
bb) Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({5})
- Drucksache 8/1162 - Berichterstatter:
Abgeordneter Regenspurger
Abgeordneter Liedtke
({6})
Vizepräsident Frau Renger
b) Zweite Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Besoldungsänderungsgesetzes
- Drucksache 8/771 -
aa) Bericht des Haushaltsausschusses ({7}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 8/1236 - Berichterstatter: Abgeordneter Walther
bb) Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({8})
- Drucksache 8/1162 - Berichterstatter:
Abgeordneter Regenspurger Abgeordneter Liedtke
({9})
Meine Damen und Herren, ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat - gleichzeitig zu den Anträgen - der Abgeordnete de Terra.
de Terra ({10}) : Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht erstens um die Frage des Besoldungsanspruchs der Soldaten auf Zeit. Nach dem Entwurf der Bundesregierung ist für eine Übergangszeit von zunächst zwei Jahren eine Verbesserung vorgesehen. Es geht ferner um die Erhöhung der Stellenzulage für Luftfahrzeugführer und Kampfbeobachter in ein- oder zweisitzigen strahlgetriebenen Kampf- und Schulflugzeugen. - Zu beiden Punkten hat unsere Fraktion Vorschläge gemacht; sie hat zum Gesetz einen Änderungsantrag und in der Frage der Zulagenerhöhung einen Entschließungsantrag vorgelegt. Ich darf die Begründungen zusammenfassen und Ihnen hier beides vortragen.
Zunächst zur Frage des Besoldungsanspruchs der Soldaten auf Zeit: Wir haben das Problem schon in der ersten Lesung in den Blick genommen. Wir sehen, daß die Regelung, die das Haushaltsstrukturgesetz getroffen hat, nicht - und so hatten wir im Verteidigungsausschuß gewarnt - den tatsächlichen Gegebenheiten Rechnung trägt. Wir hatten bereits damals auf die Gefahr hingewiesen, die durch eine Änderung entstehen könnte, und wir hatten auf die Erfahrungen verwiesen, die wir in den Jahren 1967 und 1969 mit derselben Sache gemacht hatten. Wir waren der Meinung, es sei nicht gut, die Frage der Minderung des Besoldungsanspruchs der Soldaten auf Zeit erneut zum Gegenstand einer gesetzlichen Regelung zu machen.
Unsere Befürchtungen haben sich bewahrheitet. Die Bundesregierung will die Konsequenzen ziehen, will nun aber diese hinderliche Bestimmung nicht in vollem Umfange, sondern nur für einen Zeitraum von zwei Jahren entfallen lassen. Wir halten dies nicht für vertretbar, und unser Änderungsantrag enthält einen entsprechenden Vorschlag. Wir wollen in § 1 Nr. 1 des Regierungsentwurfs - betreffend § 76 a des Bundesbesoldungsgesetzes - die vier Worte „innerhalb von zwei Jahren" gestrichen sehen.
Wir begründen das mit vier Argumenten: Wir sind der Meinung, daß es immer eine gewisse Zeit braucht, bis eine gesetzliche Bestimmung greift. Wir haben gesehen, daß die Regelung des Haushaltsstrukturgesetzes nicht den gegebenen Notwendigkeiten entsprach. Nun soll eine Änderung erfolgen, aber, wenn ich so sagen darf, erst probeweise, nämlich für einen Zeitraum von zwei Jahren. Die Betroffenen sind also wiederum in einer unsicheren Lage; sie wissen nicht, ob nach zwei Jahren erneut eine gesetzliche Regelung kommt, die als dauerhafte, endgültige Lösung den Besoldungsanspruch festlegt, oder erneut Unsicherheit eintritt. Es bleibt also ein gewisses Mißtrauen gegen den Gesetzgeber. Dies wiederum wird sich nachteilig für die Sache auswirken.
Wir sehen im übrigen aus der Beschlußempfehlung des Innenausschusses, daß das Verharrenwollen bei der zeitweiligen Beschränkung damit begründet wird, daß man zu gegebener Zeit prüfen wolle - ich zitiere aus der Beschlußempfehlung des Innenausschusses -,
. . . ob die Aussetzung der im Haushaltsstrukturgesetz beschlossenen Maßnahme aus arbeitsmarkt- und sicherheitspolitischer Sicht weiterhin notwendig sei.
Meine Damen und Herren, die Bezugnahme auf den Begriff „sicherheitspolitischer Sicht" ist mir verständlich, aber die Bezugnahme auf den Begriff „arbeitsmarktpolitische Sicht" ist mir nicht verständlich. Denn ich sehe gar nicht die Lage, die eintreten könnte, daß die Bedenken, die wir jetzt vortragen, zu anderen Schlüssen führen könnten. Wir alle kennen doch die Schwierigkeiten in der Wirtschaft, wir alle kennen doch die Zahlen der Arbeitslosen. Da kann keine grundlegende Änderung eintreten, die nach zwei Jahren eine andere Sicht rechtfertigen würde.
({11})
Ich meine auch, daß wir ein wenig gegenläufig arbeiten. Wir werden noch im Laufe des Tages über den Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Arbeitsplatzschutzgesetzes abstimmen. Darin bemühen wir uns, für die Zeitsoldaten eine größere Sicherung zu erreichen. Aber hier machen wir eine gegenläufige Bewegung, indem wir nicht die Sicherheit geben, die für den Gesamtkomplex Zeitsoldaten, für den Z-2-Soldaten, notwendig ist.
Es bleibt ein letztes: Wir sollten nach den Auswirkungen, die die Wehrpflichtnovelle mit der Neuregelung der Kriegsdienstverweigerung gebracht hat, erkennen, daß große Gefahren heraufziehen, die die Deckung des Personalbedarfs der Bundeswehr erschweren. Wir sollten also bei diesem sehr wichtigen Bereich der Zeitsoldaten kein Risiko auf uns nehmen und hier nicht mit einer zeitlichen Beschränkung arbeiten. Wir meinen also, daß der Änderungsantrag, den wir zum Gesetzentwurf vorlegen, dringend notwendig ist, um den Bedürfnissen der Bundeswehr gerecht zu werden.
de Terra
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Entwurf, den wir hier behandeln, hat als zweiten Komplex die Erhöhung der Stellenzulage für Luftfahrzeugführer und Kampfbeobachter in Strahlflugzeugen, wenn ich das vereinfacht sagen darf, aufgenommen. Ich darf zunächst ein paar kurze allgemeine Bemerkungen machen. Wir kennen alle die Schwierigkeiten, die sich bei der Behandlung des Gesamtkomplexes Zulagewesen ergeben. In der ersten Lesung ist von allen Seiten des Hauses die Problematik eines gerechten Besoldungsgefüges, das Abwägen gegenüber den einzelnen Bereichen des öffentlichen Dienstes herausgestellt worden. Von allen Seiten des Hauses wurde gesagt: Dies ist ein Komplex, der grundsätzlicher Regelung bedarf. Wir verkennen dabei nicht die Besonderheiten der Bundeswehr, die es da beim Zulagewesen gibt. Wir meinen alle - das ist auch aus unseren Entschließungen und aus unserer Arbeit erkennbar -, daß hier etwas getan werden muß. So hat der Verteidigungsausschuß eine Projektgruppe gebildet, die sich der Gesamtproblematik des Zulagewesens annehmen soll. Auch wir in unserem Entschließungsantrag sagen: Der Gesamtkomplex bedarf gründlicher Prüfung und einer grundsätzlichen Neuordnung. In unserem Entschließungsantrag sprechen wir von Maßnahmen „bis zu einer grundsätzlichen Neuordnung des Zulagewesens" insgesamt. Wir erkennen also auch hier die Gesamtproblematik an. Zwar ist bei den Zulagen für die Strahlflugzeugführer dieser Bereich von der Bundesregierung herausgestellt worden, er bedarf sicher dringend einer angemessenen Regelung. Aber es gibt, so meinen wir, auch noch andere Personengruppen, Gruppen von Soldaten - ich beschränke mich auf den Bereich der Bundeswehr -, deren besondere Ttäigkeit ebenfalls eine ähnlich hohe Gefährdung und überdurchschnittliche physische und psychische Beanspruchung mit sich bringt. Hier müßte ebenfalls durch eine Erhöhung der Zulage den Gegebenheiten Rechnung getragen werden.
Wir glauben also, daß wir ganz auf der Linie liegen, die wir im Verteidigungsausschuß gemeinsam vertreten haben. Wir glauben, daß durch den Entschließungsantrag, den wir vorlegen, noch einmal ganz deutlich wird, daß wir hier die Zulagenerhöhung für die Strahlflugzeugführer anerkennen, daß wir aber auch Gruppen sehen, für die eine Erhöhung der Zulage mit Sicherheit ebenfalls gerechtfertigt ist, wenn das Gefüge nicht ganz verzerrt werden soll.
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Im übrigen messen wir dem Klammerzusatz ich sage das, weil es hilfreich für ein Zusammenfinden hinsichtlich dieses Entschließungsantrages sein könnte - keine tragende, fundamentale Bedeutung zu. Hier sollte nur bildhaft verdeutlicht werden, welche Personengruppen, welche Gruppen von Soldaten wir besonders in den Blick nehmen sollten. Deswegen glauben wir, daß erst durch die Annahme dieses Entschließungsantrags die richtige Balance entstehen würde, der Ausgleich, der notwendig ist, wenn wir hier und heute der Stellenzulage für Luftfahrzeugführer zustimmen wollen.
Ich stelle also für unsere Fraktion den Antrag, unserem Änderungsantrag auf der Drucksache 8/1238 zuzustimmen und ebenfalls unserem Entschließungsantrag auf Drucksache 8/1239 die Zustimmung nicht zu verweigern.
({13})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gerstl.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die im Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes der Bundesregierung angesprochene Zielsetzung wird in beiden Punkten der Vorlage von der SPD-Fraktion voll getragen. Die Wiedereinführung des Besoldungsanspruchs für Soldaten auf Zeit ab Diensteintritt auf die Dauer von zwei Jahren ist zur Gewinnung von Zeitsoldaten notwendig. Wie die Erfahrungen von zwei Jahren gezeigt haben, ist der materielle Anreiz ein entscheidendes Mittel, um Wehrpflichtige zu veranlassen, einen zeitlich begrenzten Dienstvertrag abzuschließen. Die heutige Arbeitsplatzsituation hat natürlich auch hier ihre Auswirkungen. Bei vielen Gesprächen in der Truppe mit den jungen Soldaten wurde immer wieder geltend gemacht, daß ein persönliches Risiko im Berufsleben auch entsprechend honoriert werden müsse.
Bei der Erhöhung der Stellenzulage für Luftfahrzeugführer und Kampfbeobachter in ein- oder zweisitzigen strahlgetriebenen Kampf- und Schulflugzeugen von 250 DM auf 450 DM wir uns von zwei Gesichtspunkten leiten lassen. Einmal handelt es sich um eine Zulage, die seit 11 Jahren keine Veränderung erfahren hat. Zum zweiten - das ist sehr gravierend - haben sich die Bedingungen dieses Personals in bezug auf die physische Belastung wesentlich erhöht. Der Wandel in der strategischen und operativen Konzeption hat ein neues taktisches Ausbildungsprogramm mit höheren Belastungen gebracht. Die Einführung neuer und verbesserter Waffensysteme mit gesteigerter Höchstgeschwindigkeit und nunmehr möglichem Einsatz in geringer Bodennähe bei Höchstgeschwindigkeit stellen neue Anforderungen an das Personal. Weitere Erschwernisse werden durch eine intensive Nutzung des Luftraums durch einen erheblich gesteigerten Zivil- und Sportflugverkehr herbeigeführt. Diese Elemente zusammen bedeuten eine erhebliche Leistungsanforderung und ein erheblich gesteigertes Risiko für die Besatzungen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Biehle?
Bitte, Herr Kollege Biehle.
Herr Kollege Gerstl, würden Sie mir nicht beipflichten, daß mit dem Gesetzentwurf, so wie er durch die Bundesregierung vorgelegt worden ist, bei der Zuordnung der Zulage für die Jet-Piloten der Eindruck entsteht, daß man nur einer Gruppe, die sich besonders lautstark bemerkBiehle
i bar gemacht hat, die Zulagen geben will, während andere, die natürlich gleichberechtigt danebenstehen und mit Sicherheit auch diesen Anspruch haben und dabei nicht berücksichtigt werden? Der Anspruch der ersten Gruppe, der im Gesetz untergebracht ist, wird dabei sicherlich nicht bezweifelt.
Herr Kollege Biehle, der Eindruck kann sicher entstehen; aber wir müssen ganz deutlich machen, daß es nicht so ist, daß wir nur deshalb diese Frage angepackt haben, weil sich diese Gruppe lautstark zu Wort gemeldet hat, sondern daß wir die übrigen Fragen des Zulagewesens sehr wohl in der Zukunft unter die Lupe nehmen und hier eine verantwortungsbewußte Entscheidung herbeiführen werden.
({0})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Untersuchungsergebnis zeigt nun folgendes Bild in bezug auf die Beanspruchung und das Risiko der Piloten: Jeder zweite erlebt einen ernsten Luftnotfall, jeder fünfte hat einen Flugunfall, jeder zwölfte muß mit dem Schleudersitz aussteigen, jeder 23. wird verletzt und jeder 30. verunglückt tödlich. Es ist, glaube ich, deshalb zu vertreten, daß diese Zulage jetzt neu geregelt wird.
Wir waren uns dessen sehr bewußt, daß diese Entscheidungen
({1})
natürlich die Frage nach der Anhebung anderer Zulagen neu aktualisiert. Damit komme ich auf den Entschließungsantrag der CDU/CSU auf Drucksache 8/1239 zu sprechen.
In der ersten Lesung wurde von allen drei Fraktionen bereits verdeutlicht, daß die verschlungenen Pfade im Zulagewesen des öffentlichen Dienstes nur mit äußerster Vorsicht zu begehen sind. Mit der Zustimmung zur Erhöhung der Zulage für Strahlflugzeugführer bekunden wir uneingeschränkt, daß gegenüber der Vergangenheit ein erhöhter Schwierigkeits- und Gefährdungsgrad vorliegt und diese Zulage seit elf Jahren nicht verändert wurde, was von keiner anderen Zulage behauptet werden kann. Ich mache darauf aufmerksam, daß es allein bei der Bundeswehr mehr als drei Dutzend verschiedene Zulagen gibt und daß im öffentlichen Dienst exakt 176 verschiedene Zulagen angesiedelt sind. Wer weiß, daß - und das kann von niemandem in diesem Haus ernsthaft bestritten werden - die Änderung einer Zulage dieses ganze komplizierte Gefüge in Bewegung bringt, der wird sich unserer Vorsicht hier anschließen.
Der Antrag der CDU/CSU ist die schriftliche Formulierung der von mir vorgebrachten These, daß eine Bewegung im Zulagewesen sofort den Reiz auslöst, weitere aufzuzeigen. Ausdrücklich betone ich für meine Fraktion, daß eine Erhöhung anderer Zulagen von meiner Fraktion nicht prinzipiell abgelehnt wird. Ich verweise nur darauf, daß wir, um nicht wieder neue Grenzwerte zu setzen, im Verteidigungsausschuß beschlossen haben, das gesamte Zulagewesen im Bereich der Bundeswehr in einer einheitlichen Schau zu überprüfen. Es wäre unnötig, diesen Versuch zu starten, wenn wir punktuell und auf dem Weg eines Ad-hoc-Beschlusses nun in diese Gesamtheit von 176 Zulagen eingreifen würden.
Deshalb empfehle ich, den Antrag der CDU/CSU im Zug einer höheren Gerechtigkeit abzulehnen.
({2})
Nun lassen Sie mich zum Antrag der CDU/CSU auf Drucksache 8/1238 etwas sagen. Es ist richtig, daß der Verteidigungsausschuß die uneingeschränkte Geltungsdauer der Wiedereinführung des Besoldungsanspruchs unserer Zeitsoldaten ab Dienstantritt gern gehabt hätte. Der federführende Innenausschuß hat den berechtigten Einwand gebracht, daß mit der uneingeschränkten Wiederherstellung der Verhältnisse vor dem Haushaltsstrukturgesetz das Haushaltsstrukturgesetz erstmals völlig aufgebrochen würde. Wir anerkennen diesen Einwand auch deshalb, weil es keine Schwierigkeiten bereitet, nach zwei Jahren jederzeit zu verlängern, wenn dafür eine Notwendigkeit besteht. Nach zwei Jahren haben wir die Möglichkeit, zu prüfen, ob es für eine Verlängerung gewichtige Gründe gibt oder ob nicht die durchaus auch berechtigte Überlegung, daß auch ein Zeitsoldat wenigstens auf eine kurze Zeit unter den materiellen Bedingungen eines Wehrpflichtigen bei der Bundeswehr dienen soll, Platz greifen soll.
Wir lehnen deshalb Ihren Antrag 8/1238 ab. Im übrigen stimmen wir der Regierungsvorlage zu.
({3})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe. die Debatte.
Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über den Änderungsantrag der CDU/CSU auf Drucksache 8/1238. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse jetzt abstimmen über § 1 Nrn. 1 und 2, § 2, Einleitung und Überschrift. Der Ausschuß empfiehlt unveränderte Annahme. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wer dem Gesetzentwurf Drucksache 8/1027 als Ganzem zuzustimmen wünscht, möge sich erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Es liegt weiter der Gesetzentwurf der CDU/CSU auf Drucksache 8/771 vor. Der Ausschuß empfiehlt, diesen Gesetzentwurf für erledigt zu erklären. Wir stimmen über die Empfehlung des Ausschusses ab. Wer ihr zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dieser Ausschußantrag ist angenommen.
Vizepräsident Frau Renger
Wir müssen noch über Ziffer 3 des Ausschußantrags auf Drucksache 8/1162 abstimmen, die eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. - Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, jetzt kommen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag 8/1239. Hierzu wird das Wort nicht mehr gewünscht. Von Ihnen wird keine Überweisung beantragt?
({0})
Wer dem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dieser Antrag ist abgelehnt.
Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur
- Drucksache 8/1101 Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({1})
- Drucksache 8/1163 - Berichterstatter:
Abgeordneter Liedtke
Abgeordneter Berger
({2})
Ich eröffne die Debatte. Herr Abgeordneter Berger!
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der Berichterstatter muß ich darauf hinweisen, daß in der Drucksache 8/163 unter D „Kosten" irrtümlicherweise der Betrag von 3,1 bis 3,5 Millionen DM steht. Das ist eine unzutreffende Angabe. Die Kosten von 1,5 Millionen DM sind im Haushaltplan 1978 enthalten.
Für die CDU/CSU-Fraktion möchte ich feststellen, daß wir dem Gesetzentwurf, der Terminverschiebungen zur Regelung dienstrechtlicher Fragen zum Gegenstand hat, zustimmen. Hiermit wird - soweit ich erkennen kann: letztmalig - noch ein halbes Jahr gewonnen, um länger anstehende Fragen einer definitiven gesetzgeberischen Lösung zuzuführen.
Mir scheinen angesichts der mit Recht relativ kurz bemessenen Nachfrist, die wir uns hiermit zur sachlichen Behandlung zugestehen, einige Klarstellungen notwendig zu sein. Bereits 1975 wurde im Bundesbesoldungsgesetz eine Neuregelung der Hochschullehrerbesoldung beschlossen. Diese Neuregelung, die nun erst am 1. Juli 1978 in Kraft treten soll, steht in untrennbarem Zusammenhang mit den neuen Vorschriften des Hochschulrahmengesetzes und den hierzu ergangenen beamtenrechtlichen Länderregelungen.
Der besoldungsrechtlichen Umstrukturierung liegt außerdem zugrunde, daß die bisher gezahlten Kolleggeldpauschalen abgeschafft werden. Die Vorschriften, die wir 1975 hier dazu verabschiedet haben, waren bereits dadurch gekennzeichnet, daß gegenüber den nach langwieriger Vorarbeit konzipierten Regierungsvorschlägen aus finanziellen Erwägungen Verschlechterungen vorgenommen werden mußten. Immerhin fügte sich die neue Besoldungsordnung für Hochschullehrer in die Besoldungsstruktur insgesamt ein. Nun ist von Absichten die Rede, die Neuregelung der Hochschullehrerbesoldung mit weiteren Einschränkungen zu versehen. Gezielte Eingriffe in eine so gewachsene Besoldungsstruktur müssen nachträglich Änderungen von bereits rechtsgültigen Besoldungsbereichen nötig machen. Andernfalls besteht die Gefahr, daß sich die durch isolierte nachträgliche Einzelregelungen Betroffenen einer ungerechtfertigten Sonderbehandlung nur ausgesetzt sehen, weil die Personalstruktur des Hochschulrahmengesetzes damals noch nicht im Bundestag verabschiedet war. Der Vertrauensschwund, der hiermit für den gesamten Hochschulbereich erneut entsteht, dürfte in einer Gefahren- situation wie jetzt schädlicher als die im Vergleich zum notwendigen Hochschulausbau durch die geplanten Gesetzesänderungen geringfügigen finanziellen Einsparungen sein; den wir benötigen in den nächsten Jahren einige Milliarden DM für den Hochschulausbau, bei welchem einige Millionen DM aus der Besoldung des Personals gespart werden, obwohl dieses Personal neue Lasten übernehmen soll.
Es sollte deshalb schon jetzt Klarheit darüber bestehen, daß etwa beabsichtigte Schmälerungen für die Besoldungsstruktur im Hochschulbereich grundsätzliche Konsequenzen für die Bildungspolitik haben werden. Es ist eine untaugliche Maßnahme, für Bereiche des öffentlichen Dienstes, von denen in den nächsten Jahren gerade höchste Leistungen verlangt werden in der Vermittlung des Bekenntnisses an diesen Staat durch die jungen Staatsbürger an den Hochschulen und in der Vermittlung des Wissens unter besonders erschwerten Bedingungen -, gleichzeitig Besoldungsminderung anzukündigen. Die zahlreichen dringenden Ansprüche des Hochschulbereichs machen deutlich, daß noch Zeit für gründlichere Überlegungen nötig wird. Der Deutsche Bundestag darf sich nicht von der Öffentlichkeit nachsagen lassen. daß Zeitspannen vor dem Inkrafttreten von Gesetzesteilen dazu genutzt werden, nach jahrelanger Diskussion erzielte Übereinstimmungen für notwendige Verbesserungen wieder auf das Stadium Null zurückzuführen. Das Mißtrauen gegenüber der Politik wächst dabei unnötigerweise gerade in Schlüsselbereichen deutscher Hochschulen.
Das weitere Problem in dem vorliegenden Gesetzentwurf ist die Verlängerung der beamtenrechtlichen Sondervorschriften über die Zulassung einer Bezahlung von Überstunden, die bis zum Ende des Jahres befristet ist. Wir sind grundsätzlich der Auffassung, daß auch die im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis Stehenden vor einer über das vertretbare Maß hinausgehenden unzumutbaren MehrBerger
beanspruchung geschützt bleiben müssen. Dies gilt sowohl aus Gründen der allgemeinen Sicherheit, wozu ich nur auf die Bundesbahn- und die Flugsicherung als Beispiele hinzuweisen brauche, als auch aus Gründen des Arbeitsschutzes. Deshalb ist auch die Anordnung von Mehrarbeit in § 72 des Bundesbeamtengesetzes und in § 44 des Beamtenrechtsrahmengesetzes auf dienstlich bedingte Ausnahmefälle beschränkt. Gelegentlich abgeleistete Überstunden sollen durch Freizeit ausgeglichen werden. Überstunden abzugelten muß unter allen Umständen auf Ausnahmen beschränkt bleiben, für die besondere Voraussetzungen vorliegen müssen.
Um personellen Engpässen in bestimmten Bereichen Rechnung zu tragen, wurde die Vergütung von Überstunden von über 40 Stunden im Monat hinaus bis zu 80 Stunden auf den bis zum Ende dieses Jahres begrenzten Zeitraum zugelassen. Jetzt soll diese Ausnahme weiterhin verlängert werden. Hier stellt sich für uns alle die Frage, ob derartige Sonderregelungen unter den geänderten Verhältnissen für die Zukunft noch vertretbar sind. Bei der bestehenden Arbeitslosigkeit werden wir wohl wenig Verständnis dafür erwarten können, daß einerseits dem vorhandenen Personal die ständige Ableistung von Überstunden in größerem Umfange zugemutet wird, andererseits aber geeignete stellenlose Bewerber auf Einstellung warten müssen. Keinesfalls dürfen wir zulassen, daß die Ableistung von Überstunden zu einer Aufbesserung des Gehalts mißbraucht wird, und zwar in einer Zeit, in der meist jüngere Bewerber ohne Arbeit sind.
Die Regelung der Hochschullehrerbesoldung und die anderen anstehenden dienstrechtlichen Fragen sollen Gegenstand eines Achten Gesetzes zur Änderung beamtenrechtlicher und besoldungsrechtlicher Vorschriften sein. Zweck meiner Ausführungen war, darauf aufmerksam zu machen, daß in dem Gesetz zum Teil Probleme von weitreichender Bedeutung gelöst werden müssen. Ich empfehle deshalb dringend, den Entwurf den gesetzgebenden Körperschaften beschleunigt zuzuleiten, damit ausreichend Zeit zur Beratung bleibt.
({0})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Liedtke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir stimmen beiden Elementen in diesem Gesetzentwurf zu. Die Verschiebung der Neuordnung der Hochschullehrerbesoldung um sechs Monate geht auf den Wunsch der Länder zurück. Die Kosten in diesem Bereich fallen bei den Ländern an. Es ist eine gute Verhaltensweise des Bundestags, dort, wo die Länder belastet werden, den Wünschen der Länder zu folgen. Sicher könnten wir das gleiche zum Abschluß der voraufgegangenen Debatte feststellen, wenn der Bund nach der Verfassung in der Lage wäre, die gleiche pflegliche Behandlung den Gemeinden angedeihen zu lassen. Hier sind wir keine direkten Partner.
Zum zweiten Teil. Arbeitsmarktpolitisch fällt uns die Sonderregelung, die Verlängerung der Überstundenregelung schwer. Für meine Fraktion möchte ich in Richtung Länder deutlich anmerken, für den ärztlichen Bereich in den Kliniken - darum geht es bei den Ländern - ist es unser fester Wille, die letzte Sonderregelung - sprich: bis zu 80 Stunden im Monat - zu genehmigen. Die Länder mögen sich darauf endgültig einstellen.
Im Bereich der Sicherheitskräfte wird es in dieser besonders schwierigen Situation möglicherweise ein bißchen länger dauern. Dazu sind wir dann - aber ausschließlich in diesem Bereich - auch bereit.
Lassen Sie mich abschließend die Gelegenheit nutzen, für meine Fraktion den Polizeien in Bund und Ländern für die schwierige Aufgabe, die sie bewältigt haben und noch bewältigen müssen, Dank und Anerkennung auszusprechen.
({0})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Wendig.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will mich ganz kurz fassen, weil nach dem vorher Gesagten dieser Gegenstand jedenfalls heute sich für eine längere Debatte in keiner Weise eignet. Hinsichtlich des Sachverhalts beziehe ich mich auf den Vortrag meiner beiden Vorredner..
Wir - die Freie Demokratische Partei - werden einer nochmaligen Verschiebung des Datums des Inkrafttretens der neuen Hochschullehrerbesoldung um weitere sechs Monate unsere Zustimmung erteilen. Ich darf für die FDP-Fraktion daran allerdings die Erwartung knüpfen, daß nunmehr zügig der Forderung des Bundesrats entsprochen wird, die ursprünglich für den 1. Januar 1978 vorgesehene neue Hochschullehrerbesoldung mit dem Ziel der Kostenneutralität zu überprüfen. Der entsprechende Entwurf eines Achten Gesetzes zur Änderung beamtenrechtlicher und besoldungsrechtlicher Vorschriften ist, wie ich gehört habe, dem Bundeskabinett zwischenzeitlich zugeleitet worden. Ich hoffe, daß wir diesen Gesetzentwurf sehr bald beraten und verabschieden können.
Zum zweiten Punkt: die Verlängerung der ursprünglich auf den 31. Dezember 1977 befristeten Regelung der Mehrarbeit über 40 Stunden in Ausnahmesituationen. Wir werden auch dieser Verlängerung nicht widersprechen, weil wir die zwingenden Notwendigkeiten insbesondere im Sicherheitsbereich sehen. Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz der Länder hat sich in einem Schreiben an den Vorsitzenden des Innenausschusses ausdrücklich für eine derartige Veränderung ausgesprochen. Ich meine, daß die derzeitige Sicherheitslage, insbesondere die Zahl der geleisteten Überstunden im Bereich der Sicherheitsorgane für eine Verlängerung dieser Regelung spricht. So werden allein im Bereich der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen seit dem 1. September 1977 insgesamt 1,2 Millionen Überstunden geleistet, die durch Freizeitgewährung sicherlich nicht ausgeglichen werden können. Ich möchte aber auch für meine Fraktion ganz klar zum
Ausdruck bringen, daß eine nochmalige Verlängerung schon aus arbeitsmarktpolitischen Gründen unerwünscht wäre und im Grunde nicht in Frage kommen sollte.
({0})
Die gesamte Problematik der Vergütung von Mehrarbeit sollte nach unserer Auffassung einmal grundsätzlich - möglicherweise im Rahmen der anstehenden Diskussion zur Dienstrechtsreform - erörtert werden.
Die FDP-Bundestagsfraktion stimmt dem Gesetzentwurf in der Fassung der Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu.
({1})
Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung in zweiter Beratung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur. Ich rufe die Art. 1, 1 a, 2, 3 - mit den vom Ausschuß empfohlenen Änderungen - sowie Einleitung und Überschrift auf. - Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Einstimmig in zweiter Lesung angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig in der dritten Beratung angenommen.
Wir haben noch über die Beschlußempfehlung des Ausschusses unter Ziffer 2 abzustimmen, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. - Kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Graduiertenförderungsgesetzes ({0})
- Drucksachen 8/1026, 8/1171 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 8/1237 -
Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Stavenhagen
b) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft ({2})
- Drucksache 8/1192 - Berichterstatterin:
Abgeordnete Frau Dr. Wisniewski
({3})
Wünschen die Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Debatte. Hierzu wünscht Frau Abgeordnete Wisniewski das Wort. Zur Begründung des Antrags? - Bitte sehr.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dem Parlament liegt der Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Graduiertenförderungsgesetzes zur abschließenden Beratung vor. Es soll die Graduiertenförderung, de- ren Finanzierungsregelung mit Ablauf des Jahres 1977 endet, bis zum 31. Dezember 1981 sichern. Die Voraussetzungen sind einerseits, daß die Graduiertenförderung in der Form des Darlehens geschieht wie bisher - seit 1976, muß man hinzusetzen -, und andererseits, daß bis 1979 die Kosten im Verhältnis 75 : 25 vom Bund und von den Ländern aufgebracht werden, ab 1980 aber im Verhältnis 50 : 50 zwischen Bund und. Ländern.
Diese Modalitäten kann die Fraktion der CDU/ CSU nicht unwidersprochen lassen. Unser Änderungsantrag will erreichen, daß die Verlängerung der Graduiertenförderung bis Ende 1979 befristet werden soll und daß sie zu den bisherigen Bedingungen erfolgt. Ziel des Antrages ist es, die notwendige Verlängerung des Förderungsprogramms zu unterstützen, aber die Frist bis zu einer Neustrukturierung der Graduiertenförderung so kurz wie möglich zu bemessen.
Es ist auch wichtig, daß die vorgesehene Höherbelastung der Länder gegenüber dem Bund, die vom Jahre 1980 an gelten soll, nicht heute schon beschlossen wird. Denn die Länder haben in einer Stellungnahme des Bundesrates ihre erheblichen Bedenken gegen die geplante Verschiebung der Kostenbeteiligung geltend gemacht und haben angekündigt, daß ab 1980 die Graduiertenförderung von seiten der Länder um die Hälfte zurückgenommen werden muß, wenn die von der Bundesregierung beantragte Kostenverschiebung tatsächlich vorgenommen werden sollte.
Man muß wissen, daß die Bedeutung des behandelten Gegenstandes groß ist. Denn wir haben seit der Einführung des Darlehens einen Rückgang der Inanspruchnahme der Promotionsstipendien, die an manchen Universitäten mehr als die Hälfte ausmacht. Wir haben also seit der Umstellung von der Zuschußförderung - im Jahre 1976 - auf reine Darlehensförderung einen Rückgang der Inanspruchnahme der zur Verfügung gestellten Mittel um 50 % zu verzeichnen.
Als Grund dafür dürfte neben der Umstellung auf die Form des Darlehens auch natürlich die zunehmend schlechter werdende Berufsaussicht für Akademiker gelten. Die Aussichten verschlechtern sich von Jahr zu Jahr, und eine Promotion nimmt in der Regel zwei bis vier Jahre in Anspruch. Vor kurzem hat deshalb die Zentralstelle für Arbeitsvermittlung für akademische Berufe darauf hingewiesen, daß ein langes Studium nicht etwa einen Vorteil bedeutet, sondern im Gegenteil einen Nachteil bei der Stellensuche. Andererseits brauchen wir junge
Menschen, die sich der Mühe unterziehen, eine wissenschaftliche Arbeit zu schreiben. Es geht nicht an, daß die bildungspolitisch Verantwortlichen zusehen, wenn durch den Rückgang der Promotionen die Breite des Auswahlangebotes für die weitere wissenschaftliche Qualifikation, die Habilitation, eingeschränkt wird und wenn die für die Gesamtgesellschaft so wichtige breite Streuung des durch wissenschaftliche Arbeit erworbenen Wissens und Könnens in den verschiedenen Berufen verlorengeht.
Die Fraktionen von SPD und FDP waren im Ausschuß für Bildung und Wissenschaft erfreulicherweise bereit, einen Antrag der CDU/CSU mitzutragen, in dem ein Bericht der Bundesregierung zu diesem Komplex gefordert wird. Es wird Grundlage für die weitere Diskussion und für das Bemühen sein, ein besseres als das bis jetzt gültige Konzept der Graduiertenförderung zu erarbeiten. Aber wir dürfen das Problem nicht auf die lange Bank schieben. Eile tut not, wenn wir nicht verantwortungslos gegenüber dem wissenschaftlichen Nachwuchs und damit letztlich gegenüber unserem Volk handeln wollen. Wir alle sind darauf angewiesen, daß genügend junge Wissenschaftler ausgebildet werden.
Was tut die Bundesregierung angesichts dieser Situation? Sie schlägt in ihrem Haushaltsentwurf für 1978 vor, die Mittel für die Graduiertenförderung um 5 Millionen DM zu kürzen, weil diese Mittel eben doch nicht ausgeschöpft werden. Sie bemüht sich also nicht, die Ursachen für diese Entwicklung auszuräumen, sondern ist anscheinend erfreut über den Einspareffekt, den die Fehlplanung gebracht hat. So sieht verantwortungsvolle Bildungspolitik nicht aus. Wir bitten daher um Zustimmung zum Antrag der CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Thüsing.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Die Koalitionsfraktionen werden den Antrag der CDU/CSU ablehnen. Wir halten es für vernünftig, daß zunächst einmal die Graduiertenförderung bis 1981 gesichert wird.
({0})
Zweitens werden wir auch ablehnen, was der Bundesrat vorgeschlagen hat. Wir schließen uns dem vorliegenden Gesetzentwurf an, der vorsieht, daß ab 1979 ein anderer Verteilungsschlüssel in Kraft tritt. Bisher war es so, daß der Bund 75 % der Kosten zu tragen hatte und die Länder 25 % zahlten. Das Gesetz, das hier zur Verabschiedung ansteht, sieht vor, daß dieser Verteilungsschlüssel ab 1980, also für die Jahre 1980/81, 50 zu 50 heißt. Das halten wir für vernünftig, weil sich dieser Schlüssel auch in anderen Bereichen durchgesetzt hat. Zu Recht hat die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Stellungnahme des Bundesrates darauf hingewiesen, daß beispielsweise in der Deutschen Forschungsgemeinschaft, in der Max-Planck-Gesellschaft und auch in dem vorgesehenen gemeinsamen
Bund-Länder-Programm zur Förderung des hochqualifizierten wissenschaftlichen Nachwuchses, dem sogenannten Heisenberg-Programm, dieser Schlüssel vorgesehen ist. Wir meinen, daß, nachdem der Bund über Jahre hin in Vorlage getreten ist, ab 1980 ein neuer Verteilungsschlüssel Platz greifen sollte.
Wenn wir heute dieses Gesetz in der vorliegenden Form verabschieden, besagt das nicht, Frau Wisniewski, daß wir bis 1981 - das haben wir auch im Ausschuß bereits erörtert - nichts tun können. Wir können unter Umständen Verbesserungen erreicht, haben sogar sorgfältig zu beobachten, was jetzt, nachdem das Hochschulrahmengesetz Platz greift, durch die Verabschiedung der Ländergesetze geschieht, die dem Hochschulrahmengesetz folgen. Eine Folge wird sein, daß es den traditionellen Assistenten an der Hochschule nicht mehr geben wird und somit die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses . vornehmlich durch die Graduiertenförderung erfolgen muß. Wenn die Graduiertenförderung in der bisherigen Form nicht ausreicht, haben wir neue Überlegungen anzustellen. Deshalb haben wir uns darauf geeinigt, einen Bericht anzufordern und auf der -Grundlage dieses Berichts erneut zu beraten und unter Umständen auch neue Anträge zu stellen.
Die Graduiertenförderung wird also zunächst bis 1981 gesichert. Wir halten das, wie ich betonte, für richtig. Lassen Sie uns gemeinsam beobachten, welche Auswirkungen die jetzt in den Ländern verabschiedeten Landeshochschulgesetze haben, und dann versuchen, die notwendigen bildungspolitischen Schritte und Entscheidungen zu fordern und unter Umständen bis 1981 zu erreichen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Laermann.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch ganz kurz einige ergänzende Bemerkungen zu dem machen, was jetzt zur Entscheidung ansteht, nämlich zur Verabschiedung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Graduiertenförderungsgesetzes.
Die jetzige Regelung endet mit Ablauf des Jahres 1977. Deshalb ist es wichtig, daß eine Verlängerung beschlossen wird, damit wir einen Übergang zu neuen Regelungen finden; denn darüber sind wir uns wohl alle im klaren, daß eine Graduiertenförderung, d. h. eine Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses - ich möchte diesen Begriff etwas ausdehnen -, auf der bisherigen Basis und in der bisherigen Form nicht mehr vertretbar erscheint. Es scheint uns aber richtig zu sein, eine Verlängerung bis 1981 in der bisherigen Form, jedoch mit einer Änderung des Verteilungsschlüssels ab 1979 zu beschließen, weil mit einer Änderung des Verteilungsschlüssels auf 50 zu 50 die Verantwortlichkeit von Bund und Ländern für den wissenschaftlichen Nachwuchs gerechter verteilt wird.
Über die Notwendigkeit einer generellen neuen Konzeption sind wir uns sicherlich alle im klaren.
Dr.-Ing. Laermann
Die Darlehensförderung wird dem Erfordernis der Förderung wissenschaftlichen Nachwuchses nicht gerecht. Ich glaube, daß darüber in allen Fraktionen eine einheitliche Meinung besteht.
Was nun den Antrag der CDU/CSU betrifft, nämlich die bestehende Regelung nur bis 1979 zu verlängern, so meine ich, daß er auch aus folgenden Gründen abgelehnt werden müßte. Erstens wird es sehr schwierig sein, in sehr kurzer Zeit eine generelle Umstellung der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, ein neues Konzept zu erarbeiten. Wir wollen doch weder die Regierung noch das Parlament unnötig unter Zeitdruck setzen. Zum anderen meine ich auch, daß mit einer solchen Verlängerung über vier Jahre klargestellt wird, daß es sich hierbei um ein langfristiges Förderungsinstrumentarium handeln muß. Wir können dieses Instrumentarium vor allen Dingen deshalb nicht auf zwei Jahre ansetzen, Frau Kollegin Wisniewski, weil doch eine Promotion in der Regel nicht in zwei Jahren abzuschließen ist, sondern sich über zwei, drei bis vier Jahre erstreckt. Ich spreche für den Bereich der Naturwissenschaften und der Ingenieurwissenschaften, wo das in der Tat so lange dauert. Dann wollen wir einem Stipendiaten, der zu Beginn des Jahres 1978 in die Graduiertenförderung einsteigt, doch die Gewißheit geben, daß er seine Arbeit auch unter den Bedingungen abschließen kann, unter denen er sie begonnen hat. Die Stipendiaten brauchen auch einen gewissen Vertrauensschutz.
Das heißt aber sicherlich nicht, daß wir nicht vor 1981 mit einer Novellierung des Graduiertenförderungsgesetzes beginnen, sondern wir sind sogar der Meinung, daß eine Novellierung dieses Gesetzes vor 1981 angestrebt werden sollte. Dabei müssen wir sicher den Erfahrungsbericht berücksichtigen, den die Bundesregierung zum Herbst 1978 vorlegen soll. Früher kann sie ihn nicht vorlegen, wenn sie die Erfahrungen der bisherigen -Förderung - eine volle abgeschlossene Runde -, die Auswirkungen der bisherigen Darlehensförderung berücksichtigen soll. Ich meine, daß dann eine neue Gesamtkonzeption zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses vorgelegt werden muß, in die auch die Förderung des hochqualifizierten wissenschaftlichen Nachwuchses einbezogen werden muß. Auch das Heisenberg-Programm ist ja nur für fünf Jahre angelegt. Das heißt, wir sind gehalten, die Gesamtproblematik zu überdenken. Das bedarf eben einer gewissen Zeit.
Im übrigen möchte ich die Gründe, die zu einer grundsätzlichen Novellierung, zu grundsätzlich neuen Ansätzen der Graduiertenförderung führen müssen, nicht wiederholen. Ich darf mich insoweit auf meine Ausführungen am 7. Oktober 1977 in diesem Hohen Hause beziehen.
({0})
Ich meine aber, daß wir uns sehr wohl auch nach den Auswirkungen der neuen Personalstruktur nach dem Hochschulrahmengesetz richten müssen. Ein neues Förderungsgesetz muß dieser Struktur entsprechen. Hierüber liegen allerdings auch noch keine Erfahrungen vor.
Noch zwei Gesichtspunkte, die wir bei der Novellierung berücksichtigen müssen und die sie unumgänglich machen. Wir sind sicherlich einig darüber, daß es richtig ist, eine Entkoppelung der Besoldungs-
und Tarifstruktur von den formalen Bildungsabschlüssen zu erreichen. Dies ist vom Ansatz her richtig.
Wir müssen aber berücksichtigen, daß das erhebliche Auswirkungen auf die Motivation des wissenschaftlichen Nachwuchses haben kann und haben wird. Ein Doktorand, der zwei, drei, vier Jahre lang an seiner Arbeit gesessen hat, wird nach deren Abschluß bei der bisherigen Darlehensförderung mit einem Schuldenberg von 40 000 bis 50 000 DM in sein Berufsleben eintreten, ohne daß er bei einer Entkoppelung von Besoldungsstruktur und formalem Bildungsabschluß erwarten kann, entsprechend höhere Einnahmen zu erzielen.
Bei der Regelung der Graduiertenförderung ist auch zu bedenken, daß die Stipendiaten wesentlich mehr als bisher in die Forschungs- und Lehrtätigkeit der Lehrstühle, der Institute und Fachbereiche an den Hochschulen und den wissenschaftlichen Einrichtungen einbezogen werden müssen, denn bisher besteht in der Tat die .Gefahr, daß sie in eine wissenschaftliche Isolierung geraten.
Ich möchte abschließend für die FDP-Fraktion feststellen: Wir halten eine Verlängerung der bisherigen Regelung aus zeitlichen Gründen für unumgänglich.. Wir meinen, daß die Verlängerung bis 1981 richtig ist, um nicht in Zeitdruck zu geraten und den Stipendiaten Sicherheit zu geben. Wir meinen, daß es auch notwendig ist, intensive Bemühungen in Richtung auf ein neues Konzept zu entwickeln und dieses - wenn möglich, ohne in Zeitdruck zu geraten - auch vor 1981 zu verabschieden und in Kraft zu setzen. Grundlage einer solchen Novellierung könnte allerdings nur ein umfassender Bericht über die Erfahrungen der jetzigen Darlehensförderung, den die Bundesregierung bis zum Herbst 1978 erstellen soll, sein. Dieser muß Grundlage für ein neues Gesamtkonzept zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses sein.
Wir werden diesem Gesetzentwurf zustimmen und den Antrag der CDU/CSU ablehnen.
({1})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen jetzt zur Einzelberatung und Abstimmung in zweiter Lesung.
Ich rufe § 1 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 8/1240 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Der Antrag ist bereits begründet worden. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe die §§ 2 und 3, Einleitung und Überschrift auf. Wer diesen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit großer Mehrheit bei einigen Enthaltungen angenommen.
Vizepräsident Frau Funcke
Meine Damen und Herren, wir treten in die
dritte Beratung
ein. Das Wort in der dritten Beratung hat Herr Bundesminister Rohde.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nur noch wenige Bemerkungen: Die Debatte hat deutlich gemacht, daß dieses Änderungsgesetz wegen der Fristenregelung in der Graduiertenförderung notwendig geworden ist. Wir wollen die Frist bis 1981 verlängern, um gleichsam für die Anpassung der Personalstruktur an die Bedingungen des Hochschulrahmengesetzes wie auch für die weitere konzeptionelle Arbeit auf dem Feld der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses Zeit zu gewinnen. Dieses scheinbar nur technische Gesetz ist also auch mit inhaltlichen Erwartungen für die Zukunft gekoppelt.
An den finanziellen Konsequenzen der Graduiertenförderung für Bund und Länder wird sich zunächst nichts ändern. Erst ab 1980 ist jene hälftige Kostenteilung vorgesehen, wie wir sie auch in anderen Förderungsbereichen kennen. Diese Übergangsregelung eröffnet uns also die Chance der Fortentwicklung.
Nun erfahren wir in der öffentlichen Diskussion immer wieder Zweifel gegenüber der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Zum einen wird auf das gesamte Umfeld der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses verwiesen: auf die Planstellen der Hochschulen, auf die Begabtenförderungswerke, auf die Deutsche Forschungsgemeinschaft sowie andere Organisationen. Aus einem solchen Hinweis erwächst dann verständlicherweise die Erwartung auf mehr Abstimmung der Förderungskonditionen.
Zunächst ein Wort zu den Zweifeln an der staatlichen Förderung von wissenschaftlichen Nachwuchskräften heute und in Zukunft. Zwei Gründe sprechen nach unserer Auffassung nachhaltig dafür, daß wir in dieser Förderung eine öffentliche Aufgabe und Verantwortung sehen müssen, die in Zukunft an Bedeutung eher noch gewinnen wird.
Der eine Grund liegt in der Notwendigkeit, Wissenschaft und Forschung an den Hochschulen und in vielen anderen Einrichtungen auf jenem Leistungsstand zu halten, der eigenen Bedürfnissen entspricht, aber auf der anderen Seite auch dem internationalen Vergleich standhält. Forschungskapazität ist nicht nur sogenannte Sachkapazität. Zu ihr gehören in erster Linie fähige, kreative und sich weiterqualifizierende Wissenschaftler. Forschungsprozesse leben von Erneuerung, von Innovation; und das alles bringen junge, nachrückende Wissenschaftler mit.
Zum anderen darf nicht aus dem Auge verloren werden, daß zu den Ausbildungs- und Berufschancen der jungen Generation gehört, daß auch die Angehörigen der geburtenstarken Jahrgänge eine Chance zur wissenschaftlichen Qualifikation und zur Forschung haben. Hierzu ist die gesetzliche Graduiertenförderung ebenso wie das kürzlich von Bund und
Ländern gemeinsam beschlossene Heisenberg-Programm zu rechnen, für das wir übrigens gestern im Haushaltsausschuß gemeinsam Mittel bereitgestellt haben, wie wir gestern im- Haushaltsausschuß auch die Ansätze für Sonderforschungsbereiche und die Deutsche Forschungsgemeinschaft erhöht haben.
Frau Kollegin Wisniewski, ich achte Ihr Engagement für die wissenschaftliche Forschung und die Nachwuchsförderung, aber ich möchte doch bitten, etwas präziser mit den Gründen umzugehen, die Anlaß zur Sorge sind. Wenn z. B. das Heisenberg-Programm nicht in den von der Bund-Länder-Kommission vorgeschlagenen Konditionen verwirklicht werden kann, sondern die Zahl der geförderten Stellen unter den Empfehlungen der BLK liegen, dann ist die Ursache dafür nicht bei der Bundesregierung zu suchen, sondern dann liegt das begründet in den Einwänden, die aus dem Kreise der Ministerpräsidenten der Länder gekommen sind.
In der uns jetzt durch die Übergangsregelung gegebenen Zeit müssen Bund und Länder im Dialog - wie ich hinzufügen möchte - mit den Hochschulen und den Wissenschaftsorganisationen und nicht zuletzt mit den Parlamenten ein Gesamtkonzept der Förderung in den verschiedenen Phasen erreichen. Die weiteren Überlegungen dafür sind mit dem Prozeß der Umsetzung des Hochschulrahmengesetzes in den Ländern zu synchronisieren.
Dies ist auch der Grund dafür, warum wir uns bei dem heute vorliegenden Gesetz nur auf das Vordringliche, nämlich auf die Verlängerung der Finanzierung, konzentrieren. So wie die Dinge liegen, sollten wir aus der Frage, ob diese Frist bis 1981 oder, wie es die CDU/CSU wollte, bis 1979 gelten soll, nicht eine Weltanschauungsfrage machen. Man kann mit guten Gründen der Meinung sein, daß eine allzu eng bemessene Zeitspanne bei den erfahrungsgemäß schwierigen Abstimmungsprozessen zwischen den Ländern untereinander sowie zwischen dem Bund und den Ländern der Sache nicht gerade dienlich wäre.
Im übrigen, Frau Kollegin, sind wir in unserem Handeln stets frei. Wenn unsere Überprüfung des Instrumentariums und unsere Überlegungen zur Anpassung an veränderte Erfordernisse zusammen mit den Ländern schon. früher zum Abschluß gebracht werden können, werden wir nicht zögern, die notwendigen strukturellen Änderungen auch schon vor 1981 einzuleiten. Aber wir sollten uns nicht heute schon von vornherein unter Zeitdruck setzen.
Übrigens wird der vom Parlament erbetene Bericht zur Graduiertenförderung eine gute Gelegenheit bieten, Möglichkeiten und Notwendigkeiten einer Änderung auch unter zeitlichen Gesichtspunkten eingehender zu erörtern. Sie können von dem Interesse des Bundesbildungsministeriums ausgehen, daß bei dieser eingehenden Überprüfung all die Erfahrungen berücksichtigt werden, die inzwischen mit der Darlehensförderung gewonnen werden konnten oder noch zu gewinnen sind.
Ich bitte Sie um Zustimmung zu diesem Änderungsgesetz.
({0})
Meine Damen und Herren, das Wort wird nicht mehr begehrt. Wir kommen zur Abstimmung in dritter Beratung. Wer dem Gesetzentwurf seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich zu erheben.-Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.
Wir haben nun noch über Ziffer 2 der Beschlußempfehlung des Ausschusses abzustimmen. Wer ihr seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Arbeitsplatzschutzgesetzes
- Drucksache 8/855 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({0}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 8/1175 - Berichterstatter:
Abgeordneter Hauser ({1})
b) Beschlußempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses ({2})
- Drucksache 8/1124 Berichterstatter:
Abgeordneter Gerstl ({3}) Abgeordneter Stahlberg ({4})
Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Stahlberg.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf zur Änderung des Arbeitsplatzschutzgesetzes; den die Bundesregierung vorgelegt hat, soll auf den ersten Blick den Eindruck erwecken, als komme darin die besondere Sorge des Dienstherrn um die soziale Sicherung der Wehrpflichtigen und der Zeitsoldaten mit einer Verpflichtungsdauer von zwei Jahren zum Ausdruck. Tatsache ist jedoch, daß auch dieser Gesetzentwurf den Versuch unterstützen muß, nachteilige Folgen des Haushaltsstrukturgesetzes notdürftig zu verdecken.
({0})
Den Beweis führt die Bundesregierung selbst mit ihrer Begründung, in der es unter Nummer 9 heißt:
Die Einbeziehung der Soldaten auf Zeit mit einer Dienstzeit bis zu zwei Jahren . . . in das Arbeitsplatzschutzgesetz soll dazu beitragen, den Bedarf der Bundeswehr an diesen Soldaten zu decken. Es handelt sich im wesentlichen um
Spezialisten mit einer besonderen Ausbildung. Sie können durch Wehrpflichtige nicht uneingeschränkt ersetzt werden. Bei diesen Soldaten auf Zeit besteht z. Z. ein so erheblicher Mangel, daß die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte auf die Dauer gefährdet ist.
Dies, meine Damen und Herren, ist die Begründung der Bundesregierung.
Wir haben unmittelbar nach Bekanntgabe der Bestimmungen des Haushaltsstrukturgesetzes gerade auf diese Bestimmungen hingewiesen und unverzüglich gefordert, die Maßnahmen des Haushaltsstrukturgesetzes u. a. für die Soldaten auf Zeit mit einer Dienstzeit von zwei Jahren aufzuheben. Die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien sind unseren Anträgen leider nicht gefolgt. Nach noch nicht einmal zwei Jahren erfolgt das Eingeständnis, daß unter diesen Umständen, wie es heißt, die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte auf die Dauer gefährdet ist. In diesem Zusammenhang mag auch die Frage erlaubt sein, warum der Gesetzentwurf der CDU/ CSU-Fraktion, Soldaten mit zweijähriger Verpflichtungszeit vom Beginn dieser Verpflichtungszeit an Dienstbezüge statt Wehrsold zu zahlen, erst heute zu Ende beraten werden konnte.
Der vorliegende Gesetzentwurf geht über den der CDU/CSU, den wir bereits in der letzten Legislaturperiode eingebracht haben, hinaus. Im Gegensatz zur Begründung der Regierung kommt es uns tatsächlich darauf an, den bestehenden Kündigungsschutz für Wehrpflichtige zu erweitern. Es hat sich nämlich in der jetzt angespannten Arbeitsmarktlage gezeigt, daß Wehrpflichtige entlassen werden, sobald sie tauglich gemustert sind und ihre Einberufung bevorsteht, oder auch kurze Zeit, nachdem sie vom Wehrdienst an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt sind. Bei derartigen Entlassungen ist die Kündigung offensichtlich auf den Wehrdienst zurückzuführen.
Nun sind zwar solche Kündigungen nach dem geltenden Recht verboten; dennoch ist es in der Praxis nicht zu verhindern, daß ein Arbeitgeber Erfolg hat, wenn er nicht den Wehrdienst als Kündigungsgrund angibt, sondern andere Gründe vorschiebt. Im Normalfall kann der Wehrpflichtige diese Behauptungen nicht widerlegen. Um daher den Wehrpflichtigen in Zukunft einen besseren Schutz zu geben, muß der Arbeitgeber künftig den Nachweis darüber führen, daß der Wehrdienst nicht Anlaß für die Entlassung ist.
Der zweite Schwerpunkt ist, daß wehrpflichtige junge Männer, die ihre Berufsausbildung oder Lehre beendet haben, von ihren Betrieben oft nicht als Geselle oder Facharbeiter übernommen werden, wenn der Grundwehrdienst noch bevorsteht. Zum Teil wird sogar der bevorstehende Grundwehrdienst als Grund für die Nichtweiterbeschäftigung des Wehrpflichtigen ausdrücklich angeführt. Dies war nach der derzeitigen Rechtslage möglich. Die angestrebte Neuregelung, die verhindern soll, daß die Ausbildungsbetriebe die Übernahme eines Auszubildenden nach Abschluß der Berufsausbildung aus Anlaß des Wehrdienstes verweigern, findet ausdrücklich unsere Unterstützung.
Zum Arbeitsplatzschutz für Soldaten auf Zeit mit zweijähriger Verpflichtung habe ich eingangs einige Bemerkungen gemacht. Ich möchte ergänzend dazu noch festhalten, daß es uns auch darauf ankommt, die soziale Lage der SaZ 2 nach dem Wehrdienst zu verbessern. Auf Grund der derzeitigen Arbeitsmarktlage scheuen sich nämlich viele Wehrpflichtige, die einen sicheren Arbeitsplatz haben, eine Verpflichtung auf zwei Jahre als Soldat auf Zeit bei der Bundeswehr einzugehen. Sie müssen befürchten, nach ihrer Dienstzeit arbeitslos zu werden. Dieses Risiko soll den potentiellen Bewerbern abgenommen werden, indem sie die Sicherheit erhalten, nach den zwei Jahren bei der Bundeswehr an ihren alten Arbeitsplatz zurückkehren zu können. Wir meinen, daß angesichts der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage die Einbeziehung der SaZ 2 in das Arbeitsplatzschutzgesetz - auch aus Gründen der sozialen Sicherheit - für die Wirtschaft keine unzumutbare Belastung darstellt, selbst dann nicht, wenn nicht zu erwarten ist, daß die Anzahl der Konkurse in diesem Jahr hinter den Zahlen des Vorjahres spürbar zurückbleiben wird.
Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf ist vorgesehen, daß der Arbeitgeber durch die Truppe benachrichtigt wird, wenn der Soldat auf Zeit für länger als zwei Jahre verpflichtet wird. Der Sinn dieser Regelung ist, sicherzustellen, daß der Arbeitgeber so früh wie möglich Kenntnis über die Veränderungen erhält, die für seine Dispositionen über den Arbeitsplatz natürlich auch wichtig sind. Da diese Notwendigkeit allgemein anerkannt werden muß, sollte das Benachrichtigungsverfahren aber auch für die Fälle vorgesehen werden, in denen sich Wehrpflichtige erst während des Grundwehrdienstes entscheiden, Soldaten auf Zeit zu werden, und zwar sowohl dann, wenn ein Wehrpflichtiger als SaZ 2 für drei Jahre und mehr verpflichtet wird, wobei hier natürlich der Arbeitsplatzschutz entfällt, als auch dann, wenn ein Wehrpflichtiger zum Soldaten auf Zeit für zwei Jahre ernannt wird; hier verlängert sich der Arbeitsplatzschutz von 15 Monaten auf insgesamt 24 Monate Wehrdienst.
Die kritischen Bemerkungen, die ich auch dazu machen zu müssen meinte, meine sehr verehrten Damen und Herren, können die CDU/CSU nicht davon abhalten, dem Gesetzentwurf auf Drucksache 8/855 zuzustimmen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Gerstl.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst zu Ihnen, Herr Kollege Stahlberg: Ich darf darauf hinweisen, daß dieses Gesetz formell nichts mit dem Haushaltsstrukturgesetz zu tun hat. Mit dem Haushaltsstrukturgesetz sind gesetzliche Bestimmungen aufgehoben oder geändert worden. Die Regelungen dieser Gesetzesvorlage bestanden bisher nicht und konnten deshalb auch nicht durch das Haushaltsstrukturgesetz aufgehoben, geändert oder ausgesetzt werden.
Wir haben es hier mit einer Vorlage zu tun, die negative Erfahrungen der Vergangenheit berücksichtigt und ein neues Element in die Werbung von Z 2-Soldaten einführt.
Das Arbeitsplatzschutzgesetz hat sich in den letzten 20 Jahren gut bewährt. Die heutige Lage auf dem Arbeitsmarkt hat aber Schwächen dieses Gesetzes sichtbar werden lassen, die im Interesse der Wehrpflichtigen, aber auch im Interesse des Bundes zur Sicherstellung der Verteidigungsfähigkeit beseitigt werden müssen.
Wir sind uns alle dessen bewußt, daß der Gesetzgeber allein nicht in der Lage ist, einen absoluten Arbeitsplatzschutz herzustellen. Wir können nur dazu beitragen, daß die Wehrpflichtigen so weit wie möglich nicht dadurch benachteiligt werden, daß sie ihrer Pflicht, die ihnen der Gesetzgeber und das Sicherheitsbedürfnis der Menschen in unserem Lande zuweisen, nachkommen. Wer für unseren Staat bereit ist zu dienen, soll auch dem Schutz dieses Staates und, wenn irgendwie möglich, dem Schutz der Gesamtgesellschaft unterstellt werden.
Entscheidend wird es deshalb darauf ankommen, wie die Arbeitgeber, die im wesentlichen für den Arbeitsplatzschutz mitverantwortlich sind, diesen Schutz ernst nehmen. Ich kann an dieser Stelle nur an alle Arbeitgeber appellieren, auch wenn es im Einzelfall aus wirtschaftlichen Gründen schwerfällt, diese Verantwortung ohne Einschränkung mitzutragen. Es sind auch ihre Betriebe und Unternehmungen, die von der Bundeswehr mit den NATO-Partnern geschützt werden. Ich kann nur alle Betriebs-
und Personalräte und auch die Beschäftigten in den Betrieben und Verwaltungen herzlich bitten, nicht aus Egoismus oder anderen Gründen den Arbeitsplatzschutz der Wehrpflichtigen zu gefährden. Auch für sie gilt die Notwendigkeit der Sicherheit des Arbeitsplatzes gegen äußere Gefahren im gleichen Umfang und gleichen Maße.
Wenn wir in diesem Gesetz die Beweislast geändert haben, d. h., daß künftig der Arbeitgeber beweisen muß, daß eine Entlassung nicht ihren Grund im bevorstehenden oder bereits abgeleisteten Wehrdienst hat, so können eigentlich nur diejenigen das Gesetz kritisieren, die doch im Hinterkopf die Möglichkeit einer Entlassung im Zusammenhang mit dem Wehrdienst haben möchten.
Nach diesem Gesetzentwurf sollen auch die Zeitsoldaten mit einer Verpflichtung bis zu zwei Jahren in den Kündigungsschutz für Wehrpflichtige einbezogen werden. Diese Bestimmung trägt dem Rechnung, daß durch die derzeitige Beschäftigungslage viele junge Menschen das Risiko eines Arbeitsplatzverlustes nicht eingehen wollen, obwohl sie sich gerne auf zwei Jahre beim Bund verpflichten möchten. Aus dem Kreis dieser sogenannten Z 2-Soldaten schöpft die Bundeswehr in erheblichem Umfang die notwendigen Zeitsoldaten für eine längere Verpflichtungszeit. Der Bund und die Antragsteller, die sich auf längere Zeit verpflichten möchten, haben so die Möglichkeit, gegenseitig zu prüfen, ob ein längerer Vertrag den jeweiligen Interessen und Anforderungen entspricht.
Gerstl ({0})
Um die Verteidigungsbereitschaft sicherzustellen, ist dieses Gesetz notwendig. Gleichzeitig aber würdigen wir damit die Leistungen unserer jungen Menschen für diesen Staat. Der vorliegende Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Arbeitsplatzschutzgesetzes soll den bestehenden Kündigungsschutz erweitern und die Soldaten auf Zeit, die sich bis zu zwei Jahre verpflichten, in das Arbeitsplatzschutzgesetz einbeziehen. Es trägt den schwieriger gewordenen Bedingungen des Arbeitsmarktes Rechnung und will das derzeitige Fehl an kurz dienenden Soldaten auf Zeit beseitigen und damit die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr sichern. Diesen Zielen fühlen wir uns als Sozialdemokraten verpflichtet. Deshalb werden wir diesem Gesetz unsere Zustimmung geben.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordneter Ludewig.
({0})
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Freunde!
({0})
- Ich freue mich, daß Sie sich über eine freundliche Ansprache auch freuen können.
Der Gesetzentwurf will zweierlei erreichen. Er will dem Wehrpflichtigen, der diesem Staat den Wehrdienst schuldet und ihn ihm auch bringt, davor schützen, daß ihm hieraus berufliche Nachteile entstehen, und er will einem dringenden sicherheitspolitischen Bedürfnis gerecht werden, indem er dazu beiträgt, den zur Zeit nicht zu befriedigenden Bedarf der Bundeswehr an Soldaten auf Zeit mit einer Dienstzeit bis zu zwei Jahren zu decken. Ob das alles immer und überall, Herr Kollege Stahlberg, nun mit der bewußten Postkarte zu tun hat, will ich bezweifeln.Aber es wird keine Gelegenheit verstreichen, daß Sie die Postkarten und die Kriegsdienstverweigerer - ({1})
- Dann habe ich das vorhin mißverstanden.
({2})
- Herr Biehle, ich wußte ja, daß Sie immer etwas Grundlegendes beizutragen haben. Ich nehme das gern entgegen ({3})
- Wir wollen aber fertig werden.
Zur Zeit nehmen viele Wehrpflichtige von dieser Verpflichtung Abstand, einfach weil sie befürchten,
ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Diesen Zustand wollen wir beseitigen.
({4})
Das geltende Arbeitsplatzschutzgesetz geht schon weit über den allgemeinen Kündigungsschutz hinaus. Dennoch war dieser Gesetzentwurf notwendig. Denn das bestehende Arbeitsplatzschutzgesetz reicht nicht aus .- gerade jetzt nicht, in den Zeiten der angespannten Arbeitsmarktsituationen.
Daher ist es richtig, daß der Gesetzentwurf vorsieht, den Kündigungsschutz beim Grundwehrdienst so zu erweitern, daß er bereits mit Zustellung des Einberufungsbescheids beginnt.
Es ist auch zweckmäßig, dem Arbeitgeber die Beweislast für die Zulässigkeit einer Kündigung aufzuerlegen.
Und es ist richtig, daß der Ausbilder die Übernahme eines Auszubildenden in ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit nach Beendigung der Berufsausbildung nicht aus Anlaß der Wehrdienstzeit ablehnen darf.
Abschließend - so weit bin ich schon - will ich folgendes feststellen: Dieser Gesetzentwurf ist in der Fürsorge für den Wehrpflichtigen und in der Notwendigkeit begründet, die personelle Bedarfsdeckung der Bundeswehr an Zeitsoldaten sicherzustellen. Er ist also allein sicherheitspolitisch begründet. Er soll und darf ähnliche oder gar gleichartige Regelungen des Kündigungsschutzes nicht für andere Bereiche präjudizieren - mit einer denkbaren Ausnahme, die ich hier einflechten und als Erinnerungsposten einbringen will: die Entwicklungshilfe und die Entwicklungshelfer. Auch sie haben etwas mit Sicherheit zu tun. Auch das, was wir in diesem Bereich tun, dient dem Frieden. Goodwill; Abschaffung von Begehrlichkeit; verhindern, daß jemand sich etwas holen möchte, was man ihm nicht bringt. Wir meinen, dieser eine Erinnerungsposten sei an dieser Stelle miteinzubringen.
Ein Wort noch zu den Betroffenen, nämlich den Arbeitgebern. Wir Freien Demokraten sind uns darüber im klaren, daß es so gesehen wird, als ob die sicherheitspolitischen Interessen, die wir hier vertreten, mit den Interessen vor allem mittelständischer kleiner Unternehmen kollidieren.
Aber dies kann nur als vordergründig und als scheinbar gelten. Denn wir haben unsere diesbezüglichen Bedenken zurückstellen müssen, weil wir dringend notwendige Verbesserungen des Personalbedarfs der Bundeswehr und damit der Verteidigungsbereitschaft Vorrang einräumen mußten. Eine stabile und funktionierende Wirtschaft ist in unserem Land nur dann möglich, wenn die äußere Sicherheit gewährleistet ist.
Deshalb setzen wir unser Vertrauen darauf: Es wird der Wirtschaft letzten Endes nicht schwerfallen, einzusehen, daß sie denen ein Opfer bringen muß, die dafür ihren Dienst leisten, daß die Unternehmen in Frieden und in Freiheit ihre Aufgabe versehen können.
Wir Freien Demokraten haben uns gerade in letzter Zeit immer wieder dafür eingesetzt, daß die FürLudewig
sorge für unsere Soldaten weiter verbessert wird. Auch hier sehen wir eine solche Maßnahme.
Wir stimmen daher dem vorliegenden Gesetzentwurf, der, das sei noch gesagt, im Verteidigungsausschuß einstimmig angenommen ist, zu.
({5})
Meine Damen und Herren, wird das Wort noch gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung in der zweiten Lesung. Wer Art. 1 bis 6 mit der vom Ausschuß empfohlenen Änderung sowie der Einleitung und der Überschrift die Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Das Wort wird nicht gewünscht. Wer in der dritten Beratung dem Gesetzentwurf seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.
Wir haben noch über Ziffer 2 der Ausschußempfehlung abzustimmen. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - So beschlossen.
Ich rufe nun Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Inkrafttreten der Vorschriften über die Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Anstalt
Drucksache 8/792 Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({0})
- Drucksache 8/1215 Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Bardens
Abgeordneter Erhard ({1}) ({2})
Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zur Aussprache gewünscht? - Auch das ist nicht der Fall.
Wer den §§ 1 bis 4, Einleitung und Überschrift in zweiter Lesung zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Das Wort wird nicht gewünscht. Wer in der dritten Beratung zuzustimmen wünscht, möge sich erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dies ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe nunmehr Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Haager Übereinkommen vom 15. November 1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen und zu dem Haager Übereinkommen vom 18. März 1970 über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- oder Handelssachen
- Drucksache 8/217 Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({3})
- Drucksache 8/1212 Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Pinger
Abgeordneter Dr. Schöfberger ({4})
Wünschen die Herren Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Das Wort zur Aussprache wird ebenfalls nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung und verbinden die zweite Lesung über die §§ 1 bis 3, Einleitung und Überschrift mit der Schlußabstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, möge sich erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - So beschlossen.
Ich rufe nunmehr Punkt 9 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung des Haager Übereinkommens vom 15. November 1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen und des Haager Übereinkommens vom 18. März 1970 über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- oder Handelssachen
- Drucksache 8/218 Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({5})
- Drucksache 8/1213 Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Schöfberger Abgeordneter Dr. Pinger
({6})
Die Berichterstatter wünschen das Wort nicht. Wir kommen zur zweiten Beratung. Auch hier wird das Wort nicht gewünscht. Wer in zweiter Lesung §§ 1 bis 15 mit den vom Ausschuß vorgeschlagenen Änderungen sowie Einleitung und Überschrift zuzu4524
Vizepräsident Frau Funcke
stimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung
und der Schlußabstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, möge sich erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf :
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ergänzungsprotokoll vom 15. Juni 1973 zur Änderung des Abkommens vom 23. August 1958 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern sowie seines Schlußprotokolls
- Drucksache 8/1042 Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({7})
- Drucksache 8/1187 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Kreile ({8})
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Das Wort zur Beratung wird nicht begehrt.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über die Art. 1 bis 4, Einleitung und Überschrift. Wir verbinden diese Abstimmung mit der Schlußabstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, möge sich erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - So beschlossen.
Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Auslandskostengesetzes ({9})
- Drucksache 8/176 Beschlußempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses ({10})
- Drucksache 8/1160 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Schmitt-Vockenhausen
({11})
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zur Beratung gewünscht? - Das ist ebenfalls nicht der Fall.
Wir kommen damit zur Abstimmung in zweiter Beratung über die §§ 1 bis 25 mit den vom Ausschuß vorgenommenen Änderungen, Einleitung und Überschrift. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Das Wort wird nicht gewünscht. Wer in der dritten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe nunmehr Punkt 12 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 24. Juni 1976 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen
- Drucksache 8/366 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft ({12})
- Drucksache 8/1161 Berichterstatter: Abgeordneter Scheu ({13})
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Das Wort zur Beratung wird nicht gewünscht.
Wir verbinden die Abstimmung der zweiten Beratung über Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift mit der Schlußabstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Wenn dem nicht widersprochen wird, rufe ich die Punkte 13 und 14 gemeinsam auf - Widerspruch erfolgt nicht -:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 31. Oktober 1975 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Volksrepublik China über den Zivilen Luftverkehr
-Drucksache 8/1135 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zusatzprotokoll vom 20. September 1976 zum Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Portugiesischen Republik
- Drucksache 8/1136 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft ({14}) Auswärtiger Ausschuß
Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
Vizepräsident Frau Funcke
Zur Einbringung wird das' Wort nicht gewünscht. Wird das Wort zur Beratung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Der Ältestenrat empfiehlt Überweisung in der Ihnen vorliegenden Weise. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? -Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 15 auf:
a) Beratung der Sammelübersicht 12 des Petitionsausschusses ({15}) über Anträge zu Petitionen mit Statistik über die beim Deutschen Bundestag in der Zeit vom 14. Dezember 1976 bis 30. September 1977 eingegangenen Petitionen
- Drucksache 8/1112 -
b) Beratung der Sammelübersicht 13 des Petitionsausschusses ({16}) über Anträge zu Petitionen
- Drucksache 8/1113 Wird das Wort dazu gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich zur Beschlußfassung um Ihr Handzeichen. - Gegenprobe! - Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 16 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({17})
Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Deutschen Bundestages
- Drucksache 8/1193 Berichterstatter: Abgeordneter Collet
Wünscht der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung angenommen.
Ich rufe nun Punkt 17 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses ({18}) zum Antrag des Bundesministers der Finanzen
Bundeseigenes Gelände in Wilhelmshaven, Rüstersieler Groden
hier: Veräußerung einer Teilfläche an das Land Niedersachsen
- Drucksachen 8/937, 8/1108 - Berichterstatter: Abgeordneter Grobecker
Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Auch zur Aussprache wird das Wort nicht gewünscht.
Dann darf ich diejenigen, die zustimmen möchten, um das Handzeichen bitten. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen.
Wir kommen zu dem heute letzten Punkt, zu Punkt 18:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({19}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Bekämpfung der Kartoffelringfäule
- Drucksachen 8/699, 8/1114 - Berichterstatter: Abgeordneter Schartz ({20})
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort zur Erläuterung? - Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zur Beratung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zwei Enthaltungen ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung auf morgen, Freitag, den 25. November 1977, 9 Uhr ein.
Ich schließe die Sitzung.