Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 11/10/1977

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet. Für den Abgeordneten Dr. Friderichs, der am 8. November 1977 auf seine Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag verzichtet hat, ist der Abgeordnete Schäfer ({0}) am 9. November 1977 in den Deutschen Bundestag eingetreten. Ich begrüße den neuen Kollegen sehr herzlich. Ich wünsche ihm eine erfolgreiche Mitarbeit im Deutschen Bundestag. ({1}) Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung energierechtlicher Vorschriften - Drucksache 8/1030 - a) Bericht des Haushaltsausschusses ({2}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 8/1148 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Sperling b) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft ({3}) - Drucksache 8/1126 Berichterstatter: Abgeordneter Russe Abgeordneter Wolfram ({4}) ({5}) Im Ältestenrat ist eine Redezeit von 60 Minuten vereinbart worden. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Zu Wort gemeldet hat sich als Berichterstatter und erster Redner in der Aussprache Herr Abgeordneter Russe.

Hermann Josef Russe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001907, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Das Hohe Haus hat nunmehr in zweiter und dritter Lesung den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung energierechtlicher Vorschriften - Drucksache 8/1030 - zu beraten und zu verabschieden. Es handelt sich hierbei um eine gesetzgeberische Initiative bzw. Maßnahme, die für die Kohlepolitik in unserer Volkswirtschaft von sehr großer Bedeutung ist. Der Wirtschaftsausschuß im Deutschen Bundestag, als dessen Berichterstatter ich hier auch stehe - neben dem Kollegen Wolfram von der SPD-Fraktion -, hat diesen Gesetzentwurf in seiner Sitzung am 26. Oktober 1977 erörtert. Er gibt dem Hohen Haus die einmütige Empfehlung, den vorgenannten Gesetzentwurf anzunehmen und die zu diesem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. In der Drucksache 8/1126 vom 4. November dieses Jahres sind die näheren Einzelheiten des Verhandlungsergebnisses im Wirtschaftsausschuß dargestellt. Ich darf auf diese Drucksache im einzelnen verweisen. Meine Damen und Herren, auch die CDU/CSU-Fraktion des Deutschen Bundestages wird der Gesetzesvorlage ihre Zustimmung geben. Ich betone das allerdings nicht ohne Bedenken. Welche Detailpositionen uns beschweren, werde ich noch darzustellen haben. Zunächst dieses dazu: Wie in der letzten großen Energiedebatte hier im Plenum und bei anderen Gelegenheiten von uns bereits festgestellt worden ist, steuern Sie, meine Damen und Herren von der SPD und der FDP, ein von Unsicherheit und mangelndem Durchsetzungsvermögen in den eigenen Reihen charakterisiertes energiepolitisches Hin und Her. Ihre Parteitage bzw. die Leitanträge dazu legen davon nicht zuletzt ein sehr beredtes Zeugnis ab. ({0}) - Herr Kollege Wolfram, Sie haben vorhin gehört, daß ich sowohl als Berichterstatter als auch als erster Redner meiner Fraktion rede. Das darf ja wohl unbestritten sein. ({1})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Meine Damen und Herren, es ist der Antrag gestellt worden, daß der Abgeordnete Russe zugleich als Berichterstatter und erster Redner in der Aussprache spricht. ({0}) Ich habe diesem Antrag stattgegeben. Herr Abgeordneter Russe, bitte fahren Sie fort. ({1})

Hermann Josef Russe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001907, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wir wollen dennoch nicht verkennen, daß die eine oder andere Einlassung oder Vorlage von ihnen tendenziell auch richtig ist. Der nunmehr zur Entscheidung anstehende Gesetzentwurf zur Änderung energierechtlicher Vorschriften geht grundsätzlich in die richtige Richtung. Das mag vielleicht zufallsbedingt sein - erlauben Sie mir dieses Wort -; eine richtige Driftung wird von uns unterstützt. Der vorliegende Gesetzentwurf gliedert sich, wie Sie der zitierten Bundestagsdrucksache bereits haben entnehmen können, in drei Themenkomplexe, nämlich erstens in die Änderung des Verstromungsgesetzes, zweitens in die Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes und drittens in den Entwurf eines Gesetzes über Meldungen der Unternehmen des deutschen Steinkohlenbergbaus. Im Interesse der Sicherheit der Elektrizitätsversorgung sowie zur Aufrechterhaltung eines leistungsfähigen Steinkohlenbergbaus soll für das kommende Jahrzehnt der Absatz von durchschnittlich jährlich 33 Millionen Tonnen SKE deutscher Steinkohle an die Elektrizitätswirtschaft sichergestellt werden. Da die 1976 eingeführten zusätzlichen finanziellen Hilfen Ende 1977 auslaufen, wäre ohne eine Anschlußregelung zweifellos mit einem starken Rückgang des Steinkohleabsatzes zu rechnen gewesen. Das mußte verhindert werden. Was nun zunächst das Recht der Kohleverstromung angeht, so stellt die CDU/CSU-Fraktion ausdrücklich fest - das ist auch in den Beratungen des Wirtschaftsausschusses zum Ausdruck gekommen -, daß nach unserer Auffassung möglichst bald eine Gesamtkodifizierung dieser Materie vorgenommen werden sollte. Wir greifen damit die Wünsche des Bundesrates auf und verweisen auf die unbefriedigende Tatsache, daß das Verstromungsrecht in mehrere Gesetze zersplittert ist. Wir kritisieren des weiteren die Formulierung des vorgeschlagenen § 1 des Dritten Verstromungsgesetzes, da bei unterstellten Stromverbrauchszuwachsraten unter 5 bzw. 4 % in den Jahren 1978 bis 1982 bzw. 1983 bis 1987 entgegen der Absicht des Gesetzes die Abnahme von durchschnittlich 33 Millionen Tonnen SKE deutscher Steinkohle unstreitig nicht mehr gesichert ist. Ferner ist es für uns überaus problematisch, daß der Bundesminister für Wirtschaft durch Richtlinien festlegen soll, wie die Auswirkungen geringerer Stromzuwachsraten auf die einzelnen Energieträger aufzuteilen sind. Hierbei handelt es sich um eine tiefgreifende Einwirkung in die Dispositionsmöglichkeiten der betroffenen Unternehmen. Uns erscheint hier, und zwar hinsichtlich der Höhe der damit einhergehenden finanziellen Volumen der Zuschüsse, eine Verrechtlichung geboten. Ferner schlugen wir im Wirtschaftsausschuß vor, daß es einem Antragsteller, der mehrere Kraftwerke oder Kraftwerksblöcke betreibt, ausdrücklich freigestellt bleiben sollte, wie er die Kohlenmenge, Grund- und Zusatzmenge, auf die einzelnen Kraftwerke oder auf die Kraftwerksblöcke verteilen und den zeitlichen Einsatz dieser Menge vorsehen will. Diese Fragen erst bei der Abfassung von Richtlinien durch den Bundeswirtschaftsminister zu regeln ist für uns ein sehr weitgehender Ermächtigungsrahmen, der uns außerdem verfassungspolitisch und verfassungsrechtlich bedenklich zu sein scheint. Im Rahmen der Härteklausel des § 7 des Dritten Verstromungsgesetzes plädierte die Union im Wirtschaftsausschuß schließlich für eine Ausnahmebestimmung. Dazu wird der Herr Kollege Schmidhuber nachher noch etwas sagen. Ich wiederhole: Trotz dieser dargelegten und noch einiger anderer Bedenken der CDU/CSU-Fraktion werden wir dem Gesetzentwurf im Interesse der Energiesicherung unseres Landes und im Interesse unserer heimischen Steinkohle und der dort beschäftigten Menschen zustimmen. Gerade in der Energiepolitik ist es notwendig, der Wirtschaft dort, wo es möglich ist, klare Daten vorzugeben. Und bei der allgemeinen, langfristigen Unsicherheit auf vielen Märkten anderer Primärenergieträger hat die Kohle in unserem Land die Aufgabe der Verstetigung der energiewirtschaftlichen Entwicklung. Ich wiederhole: Dieser Gesetzentwurf dient der Absatzsicherung unserer heimischen Steinkohle, und das bedeutet zugleich Arbeitsplatzsicherung, die für uns wichtigste Aufgabe im Zusammenhang aller energie- wie auch gesamtwirtschaftlichen Maßnahmen. Auch deshalb stimmen wir dem Gesetzeswerk zu. Wir votieren für die Kohle, wir votieren vor allem für die Menschen, die dort direkt oder indirekt beschäftigt sind. Kohle hat für uns immer einen hohen Stellenwert - direkt, indirekt - bei allen unseren politischen Maßnahmen gehabt. ({0}) - Wir wissen natürlich, daß das bei Ihnen nicht immer so war. Darauf komme ich noch zu sprechen, Herr Kollege Wolfram. Warten Sie einmal ab. ({1}) Das war für uns nie ein streitiger Punkt. Es wird immer wieder angesprochen, auch in diesem Haus, in der letzten Debatte, wo auch immer - auch Sie haben das mit Ihrem Zwischenruf wieder zum Ausdruck zu bringen versucht -, daß wir in unserer Regierungsverantwortung diesbezüglich nichts geleistet hätten. ({2}) Nun wollen wir das einmal untersuchen, wollen wir Ihnen einmal die Tatsachen entgegenhalten. Wie sehen die Tatsachen denn aus? Ich will das an einem sinnfälligen Beispiel darstellen. Ich beziehe mich auf das Kernland der deutschen Steinkohle, Nordrhein-Westfalen. Wir wollen die Entwicklung von 1957 an einmal darstellen. Sicherlich bestreitet niemand, daß auch in Zeiten unionsgetragener Regierungen Probleme bei der Kohle vorhanden gewesen sind, die einer Lösung bedurften. So wurden in den Jahren 1957 bis 1966, als es im Bund und im Lande Nordrhein-Westfalen von der CDU geführte Regierungen gab - hören Sie gut zu -, 47 Schachtanlagen mit insgesamt 59 822 betroffenen Bergleuten stillgelegt. Im zeitlich etwa gleich langen Intervall von 1967 bis 1976, also unter sozialdemokratischer Regierung in Nordrhein-Westfalen und zumindest unter Beteiligung sozialdemokratischer Wirtschaftsminister im Bund, wurden in demselben Land Nordrhein-Westfalen 39 Schachtanlagen stillgelegt; davon waren 68 816 Bergleute betroffen. Mit anderen Worten: Im vergleichbaren Zeitraum wurden also unter sozialdemokratischer Regie zirka 9 000 Arbeitsplätze mehr als unter der Regierungsverantwortung der Union betroffen. ({3}) Flankierend hat aber die Union in ihrer Regierungszeit durch ihre Wirtschaftspolitik eine ausreichende Anzahl neuer Arbeitsplätze geschaffen und unserem Land nicht eine Million Arbeitslose zugemutet. Diese Daten und Fakten müssen Sie gegen sich gelten lassen. Hinzu kommt, daß im Jahre 1957 und in den Jahren danach die Stillegungen zum Teil solche Zechen betrafen, deren Substanz ohnehin erschöpft war. Dies läßt sich an Hand der Leistung pro Mann und Schicht belegen; ich will auf Einzelheiten hier verzichten. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang aber auch noch einen anderen Punkt darstellen. Wenn wir in unserer Regierungsverantwortung durch unsere faktische Politik nicht die Voraussetzungen dafür geschaffen hätten, daß wir beispielsweise auch heute erneut zur Novelle dieses Verstromungsgesetzes schreiten können, dann sähe es schlecht um den gesamten Komplex der Energiepolitik und insbesondere der Kohlepolitik aus. ({4}) Wir haben in unserer Regierungszeit die ordnungspolitischen Voraussetzungen, das ordnungspolitische Konzept geboren und gesichert und Ihnen auf diese Art und Weise das Handeln ermöglicht. ({5}) - Muß ich Sie, Herr Kollege Wolfram, tatsächlich daran erinnern, daß bereits in den Jahren 1965 und 1966 die Union hier die entscheidenden Wegmarken gesetzt hat? Ich darf nur das Gesetz zur Förderung der Verwendung von Steinkohle in Kraftwerken erwähnen, verabschiedet am 23. Juni 1965 in diesem Hause, sowie das Gesetz zur Sicherung des Stein-kohleabsatzes, verabschiedet am 30. Juni 1966 in diesem Hause. Wer hat denn da regiert? Lassen Sie mich eine andere Parallele ziehen. ({6}) - Die schwarzen Fahnen sind da kein Gegenargument. Ich will Ihnen noch etwas anderes darstellen. Bei allen Maßnahmen, die natürlich strukturpolitischer Art gewesen sind - das bestreiten wir gar nicht -, haben wir uns immer bemüht, die sozialen Gesichtspunkte der betroffenen Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Ich muß deshalb ebenfalls beispielhaft an unser soziales Strukturprogramm von damals unter der Verantwortung des Bundesministers für Arbeit, Katzer, und des Bundesministers für Wirtschaft, Schmücker, erinnern. Es trug die Überschrift: Sofortmaßnahmen für den Bergmann und seine Familie. ({7}) Dazu zählten die Beihilfen für Arbeitnehmer des Steinkohlenbergbaus, um den sozialen Status des Bergmanns zu bewahren. Dazu zählten die Aufbesserungen der Leistungen nach dem Knappschaftsgesetz, die Verbesserungen im Bereich des Arbeitslosengeldes. Ich darf diese unsere Leistung auf dem hier zur Debatte stehenden Gebiet noch an Hand einiger konkreter Zahlenangaben untermauern. ({8}) Im Jahre 1966 haben wir an Bundeshilfen für den Steinkohlenbergbau 346,1 Millionen DM effektiv verausgabt. Noch unter der Kanzlerschaft von Ludwig Erhard wurden die entscheidenden Weichen gestellt, um die finanziellen Aufwendungen im Jahre 1967 für unseren heimischen Steinkohlenbergbau einschließlich seiner Beschäftigten mit 835,5 Millionen DM mehr als zu verdoppeln. Im Vergleich: Im Bundeshaushalt 1977 sind Aufwendungen für den Steinkohlenbergbau nur mit 851,7 Millionen DM ausgewiesen. Wenn Sie die Inflationsentwicklung davon abziehen, müssen Sie zugestehen, daß wir damals real für die Kohle mindestens genausoviel getan haben, wie Sie von der Regierungsfraktion heute tun. ({9}) - Natürlich, Herr Kollege Wehner. Wenn man Ihnen die Wahrheit sagt, dann kommt diese Reaktion; das erlebe ich an diesem Platz des Hauses nicht zum erstenmal. ({10}) Sie müssen sich entgegenhalten lassen, daß Sie endlich aufhören müssen, hier herauszustellen, daß nur Sie für die Kohle an Rhein, Ruhr, an der Saar und im Aachener Revier etwas getan hätten und die Union der Christlichen Demokraten hier nichts anderes als ein .totales Vakuum aufzuweisen hätte. ({11}) Wir haben die Bergarbeiterfamilien beispielsweise im Jahre 1967 mit 474,2 Millionen DM dotiert. Im Bundeshaushalt 1977 stehen nur noch 140 Millionen DM. Dann kommt der weitere Clou, auch in der letzten Debatte vorgetragen: Damals hat es Feierschichten gegeben, es gibt sie heute noch. Heute ist das durch gemeinsame Initiative und Maßnahmen dieses Hauses in Kurzarbeit umgemünzt worden, d. h., heute zahlen wir aus der Arbeitslosenversicherung, damals haben wir aus dem Bundeshaushalt gezahlt. Heute gibt es Feierschichten wie damals. Bedauerlicherweise liegen mehr als 30 Millionen Tonnen Kohle auf Halde. Dies hat es zu keiner Zeit der Union der Christlichen Demokraten gegeben. ({12}) Meine Damen und Herren, wir wissen darum und sind uns deshalb unserer Pflicht weiterhin bewußt: 1. Die Kohle ist unser einziger nennenswerter heimischer Energieträger. 2. Die Kohle garantiert Arbeitsplätze im Bergbau und im Kraftwerksbau. 3. Die Leistungsfähigkeit des deutschen Kohlebergbaus hält jeden internationalen Vergleich aus. 4. Die Kohle ist ein unerläßlicher Bestandteil langfristiger Energiesicherung. 5. Der Kohlebergbau und die damit verbundene Folgeindustrie prägen immer noch - und ich sage: Gott sei Dank - die Industrielandschaft an Rhein und Ruhr. Während wir nun im Wirtschaftsausschuß des Deutschen Bundestages und in diesem Hohen Hause die Novellierung dieses Verstromungsgesetzes, die ja den Bau und die Betreibung weiterer Kraftwerke auf Kohlebasis garantieren soll, beraten, wird vom Bundesinnenministerium aus herumgewerkelt, um die auch hier bekannte Herabsetzung der Schwefeldioxydimmissionen auf 1,25 Kilogramm pro Megawattstunde zu praktizieren. Meine Damen und Herren, wenn man dies sieht - das bedeutet ja faktisch einen Baustopp bei Steinkohlekraftwerken -, kann man nur sagen, dies ist eine Politik, wie ich vorhin schon angedeutet habe und hier wiederholen darf, die ein Hin und Her darstellt, aber keine zielstrebige und vor allen Dingen nach vorne gerichtete dynamische Überlegung und politische Aufgabenstellung beinhaltet.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, zum Schluß zu kommen.

Hermann Josef Russe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001907, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, ich komme zum Schluß, Herr Präsident. Ich darf ein letztes sagen: In diesen Zusammenhang gehört auch die Problematik der TA Luft. Wir haben die vorgelegte Novellierung des Verstromungsgesetzes zur Kenntnis zu nehmen, wir haben sie nachher zu verabschieden, und wir werden sie verabschieden. Zur gleichen Zeit besteht immer noch hindernd die Situation, die nach dem Voerde-Urteil für den Steinkohlekraftwerksbau eingetreten ist. Meine Damen und Herren, auch dies soll noch einmal zu Ihrer Kenntnis wie zu der des Hohen Hauses und darüber hinaus vorgetragen werden: Mehr als zwei Jahre warten wir darauf - immer wieder haben wir diese Forderung gestellt, immer wieder haben wir Sie aufgefordert, entsprechende Initiativen zu ergreifen -, daß das Bundesimmissionsschutzgesetz im Zusammenhang mit der TA Luft novelliert wird, damit auf diese Art und Weise die Behinderung des weiteren Baus von Kohlekraftwerken vermieden werden kann. Dies geschieht nicht. Sie kommen einfach nicht über. Alle diese Tatbestände bedeuten, daß Sie neben den Schwierigkeiten allgemein in der Energiepolitik auch in der Kohlepolitik keine einmütige und zielstrebige Politik zu vertreten in der Lage sind. Im Gegensatz dazu haben wir - erneut auf unserem Kongreß in Hannover - der deutschen Öffentlichkeit dargetan, was zu tun notwendig ist. ({0}) Wir warten darauf, daß Sie nun endlich überkommen und das, was wir heute hier verabschieden, durch entsprechende Gesetzgebungsakte untermauern und letztlich sicherstellen. ({1})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Bevor ich das Wort weiter gebe, darf ich dem Hause mitteilen, daß auf der Diplomatentribüne der Vizemarschall des Sejm und Vorsitzende des Abgeordnetenclubs der Demokratischen Partei im Sejm der Volksrepublik Polen, Herr Piotr Stefánski, und eine Delegation der Polnischen Demokratischen Partei Platz genommen haben. ({0}) Ich habe die Ehre, Sie, meine Herren, zu begrüßen. Es ist uns eine besondere Freude, Sie. im Deutschen Bundestag willkommen zu heißen. Wir wünschen Ihnen einen angenehmen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. ({1}) Das Wort hat nunmehr der Abgeordnete Wolfram.

Erich Wolfram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002558, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der letzten Energiedebatte vor 14 Tagen konnte ich für die SPD-Fraktion feststellen: Die Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen handeln, sie treffen die notwendigen energiepolitischen Entscheidungen. ({0}) Die CDU/CSU-Opposition hat dazu keine Alternative. Den Beweis für diese Behauptung treten wir heute einmal mehr an mit der Beratung in zweiter und dritter Lesung und der Verabschiedung der Novelle zum Dritten Verstromungsgesetz. Wolfram ({1}) Die SPD-Fraktion begrüßt dieses Gesetz. Es ist ein wichtiger Teil der energiepolitischen Vorstellungen dieser Bundesregierung. Es sichert entscheidend mit die zukünftige Stromversorgung. Es trägt wesentlich mit zur Erhaltung eines leistungsfähigen deutschen Steinkohlenbergbaus bei. Es garantiert unseren Bergleuten Beschäftigung, indem in einem wichtigen Bereich der Absatz der Steinkohle über die Dauer von zehn Jahren gesichert wird. Unsere Volkswirtschaft und unsere Energieverbraucher müssen trotz gewisser zusätzlicher Kostenbelastungen das Gesetz begrüßen, weil es die Sicherheit der zukünftigen Versorgung erhöht, die Abhängigkeit von Ölimporten vermindert und zum Teil alternativ notwendigen Kernenergiebedarf reduziert. Lassen Sie mich an dieser Stelle ein Wort zu den Ausführungen meines Vorredners sagen. Von einem „Bericht" konnte keine Rede sein. Es war noch nicht einmal ein besonders ernst zu nehmender Debattenbeitrag; es war höchstens der Versuch einer Vergangenheitsbewältigung, der aber völlig mißglückt ist. ({2}) Herr Kollege Russe, der Regierung mangelndes Durchsetzungsvermögen und Unsicherheit vorzuwerfen ist ja wohl ein Witz zu früher Morgenstunde. Sie werden es auch in Zukunft erleben, daß wir unsere energiepolitischen Vorstellungen konsequent realisieren, wie wir es bisher auch getan haben. Es ist interessant, daß Sie eine Reihe von Initiativen, die wir im Wirtschaftsausschuß ergriffen haben, heute hier als Ihre Leistungen präsentieren. Ich nenne stellvertretend die Härteklausel. Sie wissen, daß alle Änderungsanträge im Wirtschaftsausschuß von uns vorgelegt worden sind und daß Sie sich diesen angeschlossen und sich gerade bei der Härteklausel erst in letzter Minute beteiligt haben. Über die Energiepolitik der 50er und 60er Jahre brauchen wir nicht mehr viele Worte zu verlieren. Wäre damals auf die Sozialdemokraten - ich nenne stellvertretend Arendt und Dr. Deist - gehört worden, wäre unserem Land energiepolitisch vieles erspart geblieben. Im übrigen haben ja die Bergleute und die Wählerinnen und Wähler an Rhein und Ruhr ihr Urteil über Ihre damalige Energiepolitik gefällt. ({3}) Eindeutiger kann man sich gar nicht entscheiden. Wenn Sie, Herr Russe, jetzt eine Milchmädchenrechnung aufmachen und Zahlen über angebliche Zechenstillegungen in die Debatte einführen, dann würde ich Ihnen empfehlen - .vielleicht hätten Sie es auch getan, wenn Sie besser die Verhältnisse an der Ruhr kennen würden -, doch auch zu erwähnen, daß es früher einmal 50 selbständige Bergwerksgesellschaften gab und heute nur eine. Es ist doch ganz logisch: Seitdem wir die Ruhrkohle AG haben - ein Werk Walter Arendts, der IG Bergbau und Energie mit sozialdemokratischer Unterstützung in Bonn und in Düsseldorf zustande gekommen -, gibt es ein großes Unternehmen, das in der Lage ist, die Lagerstätten einheitlich zu bewirtschaften, zu rationalisieren, die Förderung auf weniger Anlagen zu konzentrieren und im übrigen die Arbeitsplätze zu sichern.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Russe?

Erich Wolfram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002558, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, im Gegensatz zu Herrn Russe, der in der Regel keine Zwischenfragen gestattet.

Hermann Josef Russe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001907, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Wolfram, zählen Sie denn die jüngsten Maßnahmen der Ruhrkohle Aktiengesellschaft, die Stillegung von Kokereien, und darüber hinaus die Programmierung der Stilllegung von Schachtanlagen ebenso zu Ihrer Leistung?

Erich Wolfram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002558, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Russe, ich bin Ihnen sehr dankbar für diese Frage, weil sie mir Gelegenheit gibt, vor diesem Hause etwas deutlich zu machen: Ich hätte mir in der Phase, als es um die Stillegung von fünf Kokereien ging die Gründe kennen Sie auch -, gewünscht, daß der CDU-Abgeordnete Russe einmal ein Wort dazu gesagt hätte. Er hat nicht ein einziges Wort gesagt. Sie kennen meine Bemühungen um die Erhaltung der Arbeitsplätze im" Kokereibereich. Sie und Ihre Parteifreunde haben dazu geschwiegen. Das ist ein trauriges Kapitel gerade Ihres Kreisverbandes. Ich will das hier nicht näher ausführen. Im übrigen leugne ich gar nicht, daß der verehrte Kollege Katzer seinen Beitrag zur Bewältigung schwieriger sozialer Probleme geleistet hat. Ich weiß genau, daß das in enger Zusammenarbeit mit der IG Bergbau und Energie und mit der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion geschehen ist; denn wir haben ja alle sozialpolitischen Maßnahmen entscheidend mitgestaltet und mitgetragen. Eine letzte Bemerkung zu Herrn Russe: Sie sollten ein so ernstes Thema wie die Novellierung des Bundesimmissionsschutzgesetzes oder der Verrechtlichung der TA Luft nicht in dieser oberflächlichen Form ansprechen. Der Bundesinnenminister hat es nicht verdient, von Ihnen hier in dieser Form angenommen zu werden. ({0}) Wir werden mit Sicherheit dafür sorgen, daß die Rechtsunsicherheit auf diesem Gebiete beseitigt wird. Wenn Sie es noch nicht wissen, dann sage ich es Ihnen: Am morgigen Tag wird sich das Kabinett auf Grund einer interministeriell abgestimmten Vorlage sehr eingehend mit der besonderen Problematik der Verrechtlichung befassen. Wenn Sie Wege wissen, wie man diesen gordischen Knoten leichter und schneller durchhauen kann, so kann sich Ihr Kollege Schmidhuber, der nachher wahrscheinlich die offizielle CDU/CSU-Fraktionsmeinung verkünden wird, dazu ja äußern.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Erich Wolfram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002558, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein. An sich bin ich gern dazu bereit, aber Sie haben die Redezeit begrenzt, Herr Präsident, und ich möchte natürlich gern mein Konzept zu Ende bringen.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Bitte schön.

Erich Wolfram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002558, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren, ich komme zurück zu dem Gesetz, das von einem im Spätfrühjahr dieses Jahres geschlossenen Zehnjahresvertrag zwischen der Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke und dem Gesamtverband des Deutschen Steinkohlenbergbaus ausgeht. Die SPD-Fraktion begrüßt dieses Vertragswerk, auch wenn es nicht in allen Teilen unseren energiepolitischen Vorstellungen entspricht. Wir danken beiden Wirtschaftszweigen für ihr kooperatives Verhalten. Herr Russe, wenn Sie die 33 Millionen t kritisieren, so hätten Sie die Elektrizitätswirtschaft und den Bergbau kritisieren müssen, daß sie auf freiwilliger Basis - unserem Willen entsprechend - diese Regelung getroffen haben. Sie dürften aber nicht uns und der Bundesregierung daraus einen Vorwurf machen. Die Bundesregierung hat durch die Vorlage des heute zur Verabschiedung anstehenden Gesetzentwurfes den erforderlichen Beitrag der öffentlichen Hand und der privaten wie der industriellen Energieverbraucher geleistet, damit aus vertraglichen Absichtserklärungen nun Wirklichkeit wird. Wir erwarten von der Elektrizitätswirtschaft, daß unmittelbar nach Verabschiedung des Gesetzes die restlichen Einzelverträge unterzeichnet werden. Wir lassen auch keinen Zweifel daran, daß die mengenmäßigen Abnahmeverpflichtungen korrekt erfüllt werden müssen. Wir lassen es nicht noch einmal - wie in den vergangenen Jahren - zu, daß weniger Kohle, als vereinbart, eingesetzt wird. Wenn die freiwillige Regelung nicht funktioniert, kann als nächstes nur eine Quotierung in Frage kommen. ({0})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Herr Abgeordneter, ich habe Sie so verstanden, daß Sie weitere Zwischenfragen nicht zulassen wollen.

Erich Wolfram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002558, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Doch, in diesem Fall gern.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Bitte schön, Herr Abgeordneter Spies von Büllesheim.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Wolfram, können Sie aus Ihrer Sicht als einer der beiden Berichterstatter bestätigen, daß die in § 1 des Gesetzes genannte Zielmenge von 33 Millionen t eine ungefähre Menge, nämlich eine von 33,3 auf 33 Millionen t abgerundete Menge ist, weil das auf Grund der Systematik des Gesetzes an anderer Stelle von Bedeutung sein kann?

Erich Wolfram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002558, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, Herr Kollege, ich kann Ihnen das bestätigen. Sie wissen, daß im Wirtschaftsausschuß auf unsere Initiative hin eine Sonderregelung für niederflüchtige Kohle getroffen worden ist. Auf diesem Wege haben wir es z. B. der Zeche Sophia Jacoba ermöglicht, in die Verstromung zu kommen. Wir hätten die 33 Millionen t im Gesetz eigentlich auf 33,3 Millionen t erhöhen müssen; da sie aber auch im Vertragswerk stehen, haben wir es nicht getan. Sie haben recht, die 300 000 t werden und müssen zusätzlich mit in das Mengengerüst aufgenommen werden. Meine Damen und Herren, wir bitten die Energieverbraucher um Verständnis für die weitere Erhebung der Ausgleichsabgabe, die zukünftig differenziert sein wird. Länder mit einem höheren durchschnittlichen Strompreisniveau werden mit einem geringeren Prozentsatz der Ausgleichsabgabe belastet und umgekehrt. Dadurch wird eine von Land zu Land gleiche Durchschnittsbelastung je Kilowattstunde erreicht. Damit wir alle wissen, um was es geht: Der durchschnittliche monatliche Verbrauch eines Privathaushaltes liegt bei rund 250 kWh. Bei einem durchschnittlichen Preis von 16,16 Pfennig pro Kilowattstunde ergeben sich monatliche Stromkosten von rund 42 DM ohne Ausgleichsabgabe und Mehrwertsteuer. Wir sprechen hier über eine Ausgleichsabgabe von genau 1,89 DM, also von rund 2 DM pro Monat und Haushalt. Ich sage dies, damit wir auch wissen, um welche Größenordnung es geht, wenn wir von der Ausgleichsabgabe reden. Ich gebe zu, daß die Belastung für eine ganze Reihe von Industrieunternehmen - insbesondere stromintensive Unternehmen - höher ist. Für den durchschnittlichen privaten Haushalt bleibt die Belastung also in absolut vertretbaren Grenzen. Das gilt im Prinzip auch für die industriellen Verbraucher. Für stromintensive Branchen haben wir die Härteklausel besonders interpretiert. Ich verweise auf die Aussagen in unserem Ausschußbericht. Zu diesem Punkt möchte ich abschließend feststellen, daß die Ausgleichsabgabe nach meiner Überzeugung im Prinzip nichts anderes ist als eine Versicherungsprämie für die zukünftige sichere Stromversorgung. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch ein Wort zu den in § 1 aufgeführten Zuwachsraten sagen. Diese Prozentsätze sind dem Zehnjahresvertrag entnommen. Für uns Sozialdemokraten bedeuten jene 5 bzw. 4 % kein Abgehen von dem Ziel, bei angestrebtem Wirtschaftswachstum zu Energieeinsparungen und rationeller Verwendung von Energie zu kommen. Es ist sichergestellt, daß bei niedrigeren Stromverbrauchszuwachsraten alle eingesetzten Primärenergien anteilmäßig reduziert werden. Diese Prozentsätze schließen auch nicht aus, daß praktisch mehr Kohle eingesetzt werden kann, wenn z. B. Kraftwerkskapazitäten in anderen Bereichen nicht gebaut werden oder nicht ans Netz gehen können. Die Kohle ist in der Lage, eine eventuelle Stromlücke zu decken. Ich habe bereits ausgeführt, daß wir eine Reihe wichtiger Änderungen bei der Beratung im Ausschuß vorgenommen haben. Ich will es mir deshalb Wolfram ({0}) ersparen, jetzt im einzelnen darauf einzugehen. Ich wiederhole kurz unsere Bitte, für den Einsatz stärker schwefelhaltiger Kohle einen Mehrkostenausgleich zu gewähren. Dieses Problem muß rechtzeitig geregelt werden, damit sich daraus kein Hindernis für den Einsatz dieser Kohle ergibt. Damit das mengenmäßige Verstromungsziel von durchschnittlich 33 Millionen t SKE pro Jahr erreicht wird, ist in § 3 b für gewisse Kohlenbezüge eine besondere Verbilligung vorgesehen. Die Gewährung dieses besonderen Zuschusses ist an die Voraussetzung eines Mehrbezugs von Steinkohle geknüpft. Der Einzelnachweis wird schwierig sein, weil es sich um einen hypothetischen Vergleich handelt. In der Begründung des Gesetzentwurfs wird eine Unterscheidung zwischen öffentlichen und industriellen Kraftwerken gemacht. Für alle öffentlichen Elektrizitätsversorgungsunternehmen soll eine pauschale Glaubhaftmachung genügen - was zweckmäßig ist -, während bei den industriellen Kraftwerken ein Einzelnachweis erforderlich sein soll. Das ist eine Ungleichbehandlung, die zu Wettbewerbsverzerrungen führen könnte. Ich bitte den Bundeswirtschaftsminister, in den Richtlinien, zu deren Erlaß er ermächtigt wird, für eine befriedigende und gleichmäßige Handhabung zu sorgen. Über die Frage, was passiert, wenn eventuell wegen niedrigerer Zuwachsraten beim Stromverbrauch die Optionsmengen nicht abgenommen werden, der Bergbau aber aus mittel- und langfristigen energiepolitischen Gründen seine Förderkapazität vorhalten muß, müssen wir noch gründlich nachdenken. Ich nehme an, daß wir bei der zweiten Fortschreibung darauf zurückkommen. Lassen Sie mich abschließend ein Wort an den Bundesrat richten. Wir haben bei den Beratungen die Einwände des Bundesrates weitestgehend berücksichtigt. Die Tatsache, daß die Ausgleichsabgabe nach Ländern unterschiedlich gestaffelt wurde, geht auf einen besonderen Wunsch des Bundesrates zurück. Ich hoffe sehr, daß dadurch dem Bundesrat im zweiten Durchgang die Zustimmung zum Gesetz ermöglicht wird. Ein Wort noch zur Ausgleichsabgabe für das Jahr 1978, die wir im Gesetz festgeschrieben haben. Ich hätte es für besser gehalten, wenn wir gleich 5 %, den wahrscheinlich richtigeren Satz, festgesetzt hätten. Da dies nicht geschehen ist, werden wir wahrscheinlich sofort auf die Kassenverstärkungskredite zurückgreifen müssen. Hier haben wir uns zu einem Kompromiß bereit erklärt. Wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit kann ich mich nicht mit weiteren, im Zusammenhang mit der Verstromung wichtigen Fragen beschäftigen. Ich will dazu lediglich einige wichtige Feststellungen treffen: 1. Die SPD-Fraktion ist sich der Bedeutung der Steinkohle als nationaler Energieträger bewußt. 2. Wir halten den Zu- und Neubau von Kohlekraftwerken aus vielen Gründen für notwendig. Von der heutigen Steinkohlenkraftwerksleistung in einer Größenordnung von rund 30 000 MW stammen 12 000 MW aus Blöcken bis 100 MW, 5 000 MW aus Blöcken bis 150 MW, 6 500 MW aus Blöcken bis 300 MW und nur rund 6 500 MW aus Blöcken über 300 MW. Es besteht also ein großes Übergewicht kleiner Kraftwerksblöcke mit hohem spezifischen Verbrauch. Rund 7 000 MW sind älter als 20 Jahre, nur 8 000 bis 9 000 MW sind jünger als 10 Jahre. Der vorhandene Steinkohlenkraftwerkspark ist also beträchtlich überaltert und nicht besonders umweltfreundlich. Wir brauchen nicht nur Zubau, son- dein auch Ersatz für ältere Kohlekraftwerke durch Neubau, wobei die neuen Kohlekraftwerke wesentlich umweltfreundlicher sind als die älteren. Es müssen also neue Steinkohlekraftwerke gebaut werden, die dem letzten Stand der Technik und des Umweltschutzes entsprechen. Wir stellen in dieser Beratung mit Genugtuung fest, daß der Bau der Kohlekraftwerke in Ibbenbüren und Bergkamen, der vor allem auf unsere Initiative und unser Drängen zurückzuführen ist, nun in Angriff genommen wird. 3. Die SPD-Fraktion hält den Neubau von Steinkohlekraftwerken nicht nur aus energiepolitischen, sondern auch aus struktur-, konjunktur- und beschäftigungspolitischen Gründen für dringend geboten. Neue Steinkohlekraftwerke dürfen nicht nur in den Kohlerevieren, sondern müssen auch in anderen Bundesländern gebaut werden. 4. Die Genehmigungsverfahren müssen vereinfacht und beschleunigt werden. Es geht nicht an, daß im Instanzenzug von Behörden oder Verwaltungsgerichten dringend notwendige Investitionsentscheidungen über Gebühr aufgehalten werden. 5. Wir versprechen uns von den bevorstehenden Beratungen im Kabinett eine Klärung der derzeitigen Rechtsunsicherheit im Zusammenhang mit der TA Luft. Die SPD-Fraktion ist gegen jede Aufweichung bestehender Umweltschutzbestimmungen. Wir sind im gegenwärtigen Zeitpunkt aber auch aus vielen Gründen gegen eine nicht vertretbare Verschärfung der Auflagen. ({1}) - Herr Gerstein, Sie können das nachlesen und dann ständig zitieren. 6. An die Bürger und Bürgerinitiativen appellieren wir, den Bau von Steinkohlekraftwerken im Interesse einer Verbesserung der Umweltqualität zu unterstützen und nicht unangemessen zu behindern. Wir brauchen dringend neue Kohlekraftwerke. 7. Wir wissen, daß das derzeitige Energieüberangebot in den 80er und 90er Jahren durch eine weltweite Energieverknappung abgelöst wird. Auch bei uns wird der Kohlebedarf steigen. Kohle und Kernenergie werden die Eckpfeiler unserer Stromerzeugung sein. Kohle muß den allgemeinen Wärmemarkt abdecken und später verstärkt zur Rohstoffversorgung zur Verfügung stehen. Der Hochtemperaturreaktor wird dabei eine wichtige Funktion zu erfüllen haben. 8. Die SPD-Fraktion weiß, was sie den Bergleuten und den Bergbaurevieren schuldig ist. Unsere Poli4228 Wolfram ({2}) tik wird sich auch in Zukunft an deren Interessen orientieren. 9. Wir erwarten endlich ein gleichgerichtetes europäisches energiepolitisches Verhalten, und wir werden unsere Bemühungen, zu internationaler Kooperation auf dem Gebiet der Energiepolitik zu kommen, noch verstärken.. 10. Die Bundesregierung, der Wirtschafts- und der Forschungsminister sowie der Finanzminister genießen unser volles Vertrauen. Die SPD-Fraktion wird diesem Gesetzentwurf zustimmen. ({3})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Das Wort hat Herr Abgeordneter Schmidhuber.

Peter M. Schmidhuber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001997, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion stimmt dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung energierechtlicher Vorschriften aus grundsätzlichen energiepolitischen Erwägungen, wenn auch nicht ohne Bedenken, zu. Die Erhaltung der Lebensfähigkeit des deutschen Steinkohlenbergbaus war und ist, wenn auch, wie wir aus der Vergangenheit wissen, mit unterschiedlichen quantitativen Zielsetzungen, seit der Gründung der Bundesrepublik ein in der Substanz unumstrittenes volkswirtschaftliches Ziel, das mit beachtlichem finanziellen Aufwand und auch unter speziellen steuerlichen Belastungen - man denke nur an die Heizölsteuer - durchgehalten wurde. Dabei hatten und haben die sogenannten revierfernen Gebiete eine relativ höhere Belastung zu tragen. Daran muß immer wieder erinnert werden, wenn es einem mit einer ausgewogenen wirtschaftlichen Entwicklung in allen Landesteilen ernst ist. Die dramatischen Rohölpreiserhöhungen des Jahres 1973, deren weltwirtschaftliche Folgen noch in keiner Weise bewältigt sind, und der zu erwartende weltweite Verteilungskampf um die schwindenden Ölreserven haben den Stellenwert der einheimischen Steinkohle für die mittel- und langfristige Entwicklung unserer Volkswirtschaft erhöht. Andererseits bestehen auf dem aktuellen Energiemarkt erhebliche konjunkturell und strukturell bedingte Absatzschwierigkeiten für die Steinkohle. Will man die Förderkapazität nicht weiter verringern, was sich nach dem heutigen Erkenntnisstand aus Gründen der langfristigen Sicherung der Energieversorgung verbietet, so muß der Steinkohleabsatz auf dem derzeitigen Niveau durch finanzielle Hilfen stabilisiert werden. Dabei nimmt der Steinkohleeinsatz in der Elektrizitätswirtschaft ohne Zweifel eine Schlüsselstellung ein. Durch die Rahmenvereinbarung zwischen dem Steinkohlenbergbau und der öffentlichen Elektrizitätswirtschaft vom 10. Mai 1977 soll für einen Zeitraum von 10 Jahren der Einsatz von jährlich ca. 33 Millionen t Steinkohle zum Zwecke der Verstromung gesichert werden, sofern der Gesetzgeber die Voraussetzungen für die für nötig erachteten Finanzhilfen schafft. Dies tut der Bundestag mit der Verabschiedung des vorliegenden Gesetzentwurfs. Er ermöglicht damit das Inkrafttreten der Rahmenvereinbarung. Er verleiht den von den Vertragsparteien vorgeschlagenen Finanzhilfen staatlichen Normcharakter. Das Parlament setzt zwar formal die Norm, die private Rechtssubjekte ausgehandelt haben. In Wirklichkeit wird es aber eher als Notar zur Sanktionierung wirtschaftspolitischer Entscheidungen tätig, die überwiegend außerhalb des staatlichen Bereichs gefallen sind. Dies ist ein Verfahren, das verfassungspolitisch zumindest nicht unbedenklich ist. Auch davon abgesehen sind die sogenannten Verstromungsgesetze kein Ruhmesblatt für den Gesetzgeber. Sie sind völlig unübersichtlich, geben Anlaß zu Zweifelsfragen und regeln den Vollzug der Förderungsmaßnahmen in unzulänglicher Weise. Auch der Kollege Wolfram hat dafür ein Beispiel genannt. Ein weiteres Manko ist, daß es auch bei dieser Novellierung nicht gelungen ist, für die Wärmekraftkoppelung in industriellen Eigenanlagen eine Sonderregelung zu treffen. Es bleibt also zunächst bei der unbefriedigenden Situation, daß der Heizöl-und Erdgaseinsatz in diesen Anlagen der Genehmigungspflicht nach § 8 des Dritten Kohleverstromungsgesetzes unterliegt. Wir erwarten aber, daß durch eine flexible Genehmigungspraxis die energiewirtschaftlichen Vorteile der Wärmekraftkoppelung voll wahrgenommen werden können. Zu diesen Unzulänglichkeiten, meine Damen und Herren, gehört auch die Frage der gleichmäßigen Behandlung der industriellen Kraftwerke und der Kraftwerke der öffentlichen Elektrizitätsversorgung beim Bezug der Optionsmengen. Ich möchte mich hier der Bitte des Kollegen Wolfram anschließen, wonach in den Richtlinien eine Lösung getroffen werden sollte, die den speziellen Interessen und Gegebenheiten bei den industriellen Kraftwerken Rechnung trägt. ({0}) Angesichts eines Volumens des Ausgleichsfonds von nahezu zwei Milliarden DM jährlich ist dies ein unbefriedigender Zustand, der auf längere Dauer nicht hingenommen werden kann. Die Kohlepolitik muß aus der Phase kurzatmiger Maßnahmegesetze herauskommen. Schließlich soll die jetzt getroffene Regelung das Verstromungsziel für zehn Jahre sichern. Wir treten daher - ebenso wie der Bundesrat - für eine Neukodifizierung der Verstromungsgesetze und eine Verrechtlichung der Vollzugsbestimmungen ein. Finanziert werden die Verstromungshilfen durch eine parafiskalische Abgabe auf die Lieferung elektrischer Energie an Endverbraucher bzw. bei Eigenverbrauch. Die CDU/CSU-Fraktion hat schon bei der Verabschiedung des Dritten Kohleverstromungsgesetzes im Jahre 1974 starke Bedenken gegen die Einführung der Ausgleichsabgabe, die praktisch eine Sonderverbrauchssteuer auf elektrische Energie darstellt, geltend gemacht. Ich möchte diese Bedenken jetzt nicht im einzelnen zum wiederholten Male darlegen. Sie bestehen unverändert fort. Die Ausgleichsabgabe verstößt nach unserer Auffassung gegen das finanzwirtschaftliche Prinzip der Haushaltsklarheit und das der Haushaltswahrheit. ({1}) Sie ist eine heimliche Erhöhung der öffentlichen Abgabenquote. Wir sind nach wie vor der Meinung, daß es besser wäre, die Kosten der Verstromungshilfen aus dem Bundeshaushalt zu finanzieren. ({2}) - Die Deckung muß im Gesamtzusammenhang der Finanzwirtschaft des Bundes und der Länder gesehen werden. Ich erinnere Sie daran, Herr Kollege Wolfram, daß der Deutsche Bundestag vor nicht allzu langer Zeit erhebliche Steuerentlastungen in Höhe von zweistelligen Milliardenbeträgen beschlossen hat. ({3}) Soweit die Ausgleichsabgabe nicht den Letztverbraucher belastet, also in den Fällen, in denen der Strom im Produktionsprozeß eingesetzt wird, tritt eine zusätzliche Kostenbelastung ein, die bei einem durchschnittlichen Energiekostenanteil an den gesamten Kosten der Industrieproduktion von etwa 3,3 0/0 auf den ersten Blick als Quantité négligeable erscheinen mag. Dies ist aber eine Durchschnittsgröße, die ziemlich wenig besagt. Es gibt eben auch höchst stromintensive Produktionsverfahren, wie zum Beispiel die in Aluminiumhütten und in Elektrostahlwerken, wo die Ausgleichsabgabe zu einem entscheidenden Kostennachteil werden kann, der zu Stillegungen der Produktion im Inland führen könnte. In diesen Fällen soll die Härteklausel des § 7 helfen. Durch den vorliegenden Entwurf ist die Härteklausel zwar nicht verändert worden, der Ausschuß hat aber - und darauf haben Vorredner schon hingewiesen - in einer Protokollnotiz zum Ausdruck gebracht, daß die Härteklausel flexibel gehandhabt werden soll. Leider ist die Koalition unserem Antrag auf eine Erweiterung der Härteklausel für Betriebsneugründungen in Fördergebieten der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" nicht gefolgt. Dies wäre' sicherlich ein gewisser Beitrag zur Erleichterung der Industrieansiedlung in diesen Problemgebieten gewesen. Der Satz der Ausgleichsabgabe hat sich seit ihrer Einführung im Jahre 1975 um mehr als ein Drittel erhöht. Er beträgt für 1978 4,5 %. Wir haben in den Beratungen des Wirtschaftsausschusses erreicht, daß eine weitere Erhöhung der Ausgleichsabgabe nur auf Grund einer Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundestages bedarf, vorgenommen werden kann. Damit ist sichergestellt, daß etwa in der Zukunft notwendig werdende Erhöhungen öffentlich diskutiert und vom Parlament verantwortet werden. Die bisherige bundeseinheitliche Abgabe hat die Stromabnehmer der Versorgungsgebiete mit höheren Strompreisen - bezogen auf die abgenommene Strommenge - stärker belastet. Da es sich hierbei in aller Regel um strukturschwache Gebiete wie z. B. weite Teile des Zonenrandgebietes handelt, führte der bundeseinheitliche Abgabesatz zu einer tendenziellen Verstärkung der regionalen wirtschaftlichen Unterschiede. Es ist nun gelungen, diesen unerwünschten Nebeneffekt wenigstens teilweise zu mildern. Die Ausgleichsabgabe wird umgekehrt proportional zum jeweiligen Stromniveau in den einzelnen Ländern differenziert. Dies ist ohne Zweifel ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings genügt diese Form der Differenzierung noch nicht, um alle regionalen Verzerrungen zu beseitigen. So bleibt z. B. für Bayern noch ein negativer Saldo von mehr als 100 Millionen DM jährlich. Dies liegt daran, daß die gewählte Abgrenzungsmethode - nämlich die Bundesländer - zu grob ist. Leider war es offenbar aus technischen Gründen nicht möglich, auf die Versorgungsgebiete der einzelnen EVUs abzustellen. Dieses Problem sollte aber bei einer Neukodifizierung wieder aufgegriffen und einer besseren Lösung zugeführt werden. Der vorliegende Entwurf ist nur eine, wenn auch wichtige Detailregelung im Rahmen unserer Anstrengungen, die Energieversorgung sicherer zu machen und uns auf zukünftige Entwicklungen rechtzeitig einzustellen. Die wirtschaftspolitische Absicherung der Kohleverstromung bietet keinen Ersatz für den Bau von Kernkraftwerken. Sie soll und kann nur die Auslastung der gegenwärtigen Förderkapazität bis Mitte der 80er Jahre sichern. Dann werden sich vermutlich andere Preisrelationen zwischen den einzelnen Energieträgern herausgebildet haben und neue Technologien des Steinkohleeinsatzes zur Verfügung stehen. Leider ist die Bundesregierung mit der Vorlage der zweiten Fortschreibung des Energieprogramms, das die Einzelmaßnahmen zu einem mittelfristigen Konzept zusammenfügen soll, in Verzug geraten. Es wirft ein bezeichnendes Licht auf die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung, daß dieses Abwarten, diese Untätigkeit nicht auf objektive Hindernisse zurückzuführen ist, sondern daher kommt, daß die Führungen der Koalitionsparteien erhebliche Schwierigkeiten haben, einem Teil ihrer Mitglieder und Anhänger die Sachzwänge klarzumachen, unter denen unsere Energiepolitik steht. Die Bundesregierung und die mit ihren Mitgliedern weitgehend identischen Parteiführungen der Koalitionsparteien tragen die Verantwortung dafür, daß wertvolle Zeit nutzlos verstrichen ist. Der vorliegende Entwurf ist nur ein Baustein eines Energiekonzepts. Der Bauplan, die zweite Fortschreibung, ist noch nicht fertiggestellt, geschweige denn genehmigt. Die Bundesregierung ist bisher den Beweis schuldig geblieben, daß sie eine vorausschauende Energiepolitik treibt. ({4})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Das Wort hat der Abgeordnete Zywietz.

Werner Zywietz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002612, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hinter der Überschrift „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung energierechtlicher Vorschrif4230 ten", das hier zur Beratung und Beschlußfassung ansteht, verbergen sich genaugenommen drei Gesetzesänderungen: Erstens ein Gesetzentwurf über Meldungen der Unternehmen des deutschen Steinkohlenbergbaus, den wir für nötig erachten, damit die staatlichen Stellen über die Informationen verfügen, die für eine unterstützende Politik des deutschen Steinkohlenbergbaus unbedingt vonnöten sind. Das zweite Gesetz kann, ohne daß ich weiter darauf eingehe, ebenfalls die Zustimmung der FDP-Bundestagsfraktion finden. Es sieht die Brennstoffbevorratung bei Wärmekraftwerken vor und bedeutet die entsprechende Umsetzung einer europäischen Gemeinschaftsrichtlinie in innerstaatliches Recht. Das dritte Gesetz, auf das ich mich mit einigen Anmerkungen konzentrieren möchte, ist unter dem Stichwort „Verstromungsgesetz" parlamentarisch ausreichend gut bekannt, gab es doch bereits ein Verstromungsgesetz 1965, ein zweites 1966. Ein drittes wurde im Dezember 1974 verabschiedet. Eine Novellierung dieses Verstromungsgesetzes wurde dann im Frühjar 1976 ausschließlich für die Jahre 1976 und 1977 verabschiedet. Das war vor gut 18 Monaten, und jetzt, vor Jahresschluß, ist eine Anschlußregelung für den Zeitraum von 1978 bis 1987 vorgesehen. Wir begrüßen diese langfristige Maßnahme, die der von der Regierung stets unterstrichenen Notwendigkeit einer längerfristigen Energiepolitik exakt entspricht. Wir haben das, was Sie, Herr Kollege Schmidhuber, gefordert haben, immer praktiziert, nämlich: raus aus der Kurzfristigkeit. Unsere Überlegungen in der Energiepolitik waren immer längerfristig angelegt, und wir haben sie durch konkrete Maßnahmen auch stets vollzogen. Auch hier handelt es sich um eine konkrete Maßnahme, die der besonderen öffentlichen Verantwortung gegenüber dem Bergbau einerseits und der Stromversorgung andererseits gerecht wird. Meine Damen und Herren, die unverändert durchgehende Absicht aller bisherigen Verstromungsgesetze war und ist es, den Kohleabsatz für die Elektrizitätserzeugung zu stabilisieren. Das Instrument zur Verwirklichung dieser Absicht ist ein finanzielles Anreizsystem, und zwar in zweifacher Hinsicht: zum einen die Investitionsmehrkosten von Kohlekraftwerken gegenüber Heizölkraftwerken auszugleichen und zum anderen die betrieblichen Mehrkosten einer Kohlefeuerung gegenüber insbesondere Heizölfeuerung den Betreibern der Kraftwerke fernzuhalten. Ich füge in Deutlichkeit hinzu: die FDP-Fraktion hält es für methodisch richtig, daß diese Aufwendung für den Einsatz deutscher Kohle zur Erzeugung von Strom als eine offene Subvention von allen Stromverbrauchern und nicht über den Bundeshaushalt und damit über den Steuerzahler aufgebracht wird. Der Betrag wird auf den Stromrechnungen für jeden Bürger offen ausgewiesen. Er beläuft sich nach allen Erfahrungen für einen Durchschnittshaushalt auf den Wert einer Zigarettenpackung pro Monat. Das bedeutet keine Bagatellisierung dieses Betrages, sondern soll vielmehr die Größenordnung der Belastung für eine Familie im Monatsdurchschnitt verdeutlichen helfen. Diese Stromausgleichsabgabe ist damit eine Art Versicherungsbeitrag für eine Stromerzeugung durch den Einsatz unseres einzigen heimischen Energieträgers, der Kohle. Meine Damen und Herren, welchen Stellenwert hat nun dieses Gesetz im allgemeinen? Was bedeutet es - in wenigen Strichen - in einzelnen Punkten? Es bedeutet, daß mit Hilfe dieses Verstromungsgesetzes ein klares energiepolitisches Programmziel dieser Koalition und der FDP verwirklicht wird, nämlich die angemessene und wirksame Unterstützung unseres einzigen wesentlichen heimischen Energieträgers, nämlich der Kohle. Die Kohle erhält damit die nötige Unterstützung, die sie braucht, die nötige Unterstützung, die wir ihr gewähren müssen. Wenn wir uns die Tendenz aller Energiebedarfsprognosen und die Möglichkeiten verdeutlichen, diesen langfristigen Energiebedarf zu decken, dann ist schon klar, daß die Förderung einheimischer Energieträger vonnöten ist und daß darüber hinaus das Offenhalten aller energiepolitischen Optionen eine unabdingbare Aufgabe ist. Es bedeutet, daß diese Verstromungsregelung sichere Arbeitsplätze im Bergbau und eine besser abgesicherte Stromversorgung für die Bürger unseres Landes garantiert. Wir verkennen dabei natürlich nicht, daß diese Abgabe sowohl eine Belastung für die privaten Haushalte, die ich bereits angesprochen habe, als auch eine Kostenanhebung für die Industrie bedeutet, die je nachdem, wie kostenintensiv einzelne Unternehmen und einzelne Branchen in bezug auf den Energieeinsatz wirtschaften, eine Wettbewerbsbelastung darstellen könnte. Wir meinen aber, daß diese Auswirkungen, die von uns ganz offen angesprochen werden, zu tragen sind, daß man sie hinnehmen muß, weil es keine bessere Alternative gibt. Denn Nichtstun würde bedeuten, daß wir der eigenen, der heimischen Energie, unserer Kohle, die Unterstützung versagen würden, und das wäre keine Alternative, sondern nach meiner Auffassung eine ganz krasse Fehlentscheidung. Wir von der FPD begrüßen die Absicht dieser Verstromungsnovellierung, die Stromabgabe in Zukunft nach einem Berechnungssystem anderer Art zu kalkulieren, nach einem System, das darauf ausgerichtet ist, daß sich die Preisdisparitäten, die beim Strom zwischen den einzelnen Bundesländern bestehen, nicht mehr weiterentwickeln können, sondern gestoppt werden. Das heißt im Klartext: geringere Belastung für Länder mit einem schon jetzt höheren Strompreisniveau und umgekehrt höhere Belastung für Länder mit einem bisher geringeren Strompreisniveau. Wir meinen und hoffen, daß diese vorgesehene Regelung, die unsere Unterstützung findet, auch vom Bundesrat - und das heißt, von den Ländern - gebilligt wird. Man kann nicht, Herr Kollege Schmidhuber, die Vorteile und die Nachteile im energiepolitischen Bereich ausschließlich auf das Schema der Vor-und Nachteile, die sich aus der Berechnung dieser Strompreisabgabe ergeben, umlegen. Wir können nicht eine Energiepolitik als eine zentrale nationale Aufgabe mit sehr großen internationalen VerbinZywietz dungen und Einbettungen betreiben und uns dabei dann zu restriktiv von Kriterien des föderativen Staatsaufbaus hemmen lassen. Hier müssen wir, glaube ich, das Ganze sehen und dürfen die Länderaspekte, die zwar im Grundsatz berechtigt sind, nicht überbewerten. Wir leben auch in anderen Bereichen von einem Lastenausgleich in der Energiepolitik, beispielsweise dann, wenn Kernkraftwerke, die ja üblicherweise auch der Stromversorgung von Ballungsgebieten, von Großstädten dienen, mehr im flachen Lande, mehr in den Regionen, die bei der Energieversorgung andere Nachteile kostenmäßiger Art haben, errichtet werden. Das ist auch auf einem anderen Feld ein sinnvoller Ausgleich der sich energiepolitisch insgesamt ergebenden Vor- und Nachteile. Das nur auf die Kalkulation der Strompreisabgabe zu beziehen wäre daher nach unserem Dafürhalten zu eng gesehen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die vorliegenden Verstromungsgesetze machen aber auch angesichts der Produktionszahlen im deutschen Kohlebergbau deutlich, daß sie jetzt und in Zukunft einen größeren Stellenwert für die Sicherung wesentlicher Absatzbereiche der deutschen Ruhrkohle haben werden. Das mengenmäßige Ziel von 1974, 33 Millionen Tonnen in die Verstromung zu geben, ist gleich geblieben; es ist auch das Ziel des Jahres 1977. Aber die Produktion im Kohlebergbau hat von etwas über 90 Millionen Tonnen im Jahre 1974 um etwa 10 Millionen Jahrestonnen abgenommen, und die Relation von Verstromungsanteil und Gesamtproduktion macht deutlich, daß dieses Gesetz, dessen Beratung wir jetzt vollziehen und über das wir abzustimmen beabsichtigen, einen ganz entscheidenden Beitrag für die Stabilisierung im Bergbau bedeutet. Wir sehen allerdings auch - und verstehen dieses Gesetz so -, daß es ein staatlicher Beitrag zur Selbsthilfe im Kohlebereich ist. Der Staat erbringt seinen Beitrag, und wir hoffen - und geben auch da Unterstützung -, daß aus dem Bereich der Kohle ein übriges zur Verbesserung der Wettbewerbssituation und zur weiteren Verbesserung der Produktivität geleistet wird. Wenn wir die Kohle in dieser Weise unterstützen, sind wir uns darüber im klaren, daß das Auswirkungen auf andere Energieträger im Strombereich haben muß. Aber das ist auch gewollt so. Wir gehen davon aus, daß bei den anderen Energieträgern, insbesondere beim Mineralöl, dafür eine ausreichende Einsicht vorhanden ist, insbesondere deswegen, weil wir mit der vorgesehenen Anschlußregelung einen Planungszeitraum - und damit eine gewisse Planungsfestigkeit - von zehn Jahren geben, der auch den anderen Energieträgern das Eingehen auf diese Daten und das Anpassen daran bei entsprechender Einsicht in die Sachlage gesamtwirtschaftlicher und gesamtstaatlicher Art erleichtern hilft. Um aus den Einzelregelungen noch einen letzten, aber, wie uns scheint, bedeutsamen Punkt anzusprechen, möchte ich noch mit einigen Anmerkungen auf das Stichwort der rationellen Energieverwendung eingehen. Die Tatsache der vertraglichen Regelung der Abnahme für die Verstromung unter der Bedingung eines in Höhe von 4 oder 5 % wachsenden Strombedarfs darf nach unserer Auffassung keineswegs bedeuten, daß die dankenswerterweise begonnenen Bemühungen zur rationellen Energieerzeugung und zur rationellen Energieverwendung in irgendeiner Weise eingeschränkt werden. Dies ist und bleibt ein zentraler Aufgabenbereich unseres gesamten energiepolitischen Konzepts. Meine sehr verehrten Damen und Herren, abschließend noch einige Bemerkungen zu Ausführungen von Sprechern der Opposition. Es ist zu begrüßen, daß Sie dieser Änderung des Verstromungsgesetzes zustimmen. Aber es war doch etwas überzogen und nicht von den realen Leistungen gedeckt, in welcher Weise Sie das hier großzügig auf Ihr politisches Leistungskonto zu verbuchen versuchten. Herr Kollege Schmidhuber und Herr Kollege Russe, Ihre Anmerkungen hier im Plenum aus dem Jahre 1974, als wir das Zweite Verstromungsgesetz besprachen, lassen Sie als schlechte Ratgeber erscheinen. ({0}) - Ich habe mir einige Zitate aufgeschrieben. Damals hat beispielsweise der Kollege Russe noch eine Verstromung von weit mehr als 33 Millionen Tonnen pro Jahr gefordert. Das hört sich zwar gut an, bloß: Die Entwicklung ist eine andere. Die finanziellen Auswirkungen, die jetzt in diesem Gesetz zum Ausdruck kommen, die bei den Verbrauchern bereits mit 2 Milliarden DM zu Buche schlagen, zeigen, daß Sie dort eine, wie ich beinahe sagen möchte, zu optimistische, wenn nicht leichtfertige Perspektive von sich gegeben haben. Das könnte man noch verkraften, wenn Sie den Gesichtspunkt der Finanzierung dieser Maßnahme nicht immer so retardierend, so zurückhaltend und verschämt behandelt hätten. ({1}) Da sind Sie ausgesprochen knauserig und werfen der Koalition am liebsten einen schlechten Umgang mit dem Geld vor. Sie forderten aber vor drei Jahren 35 Millionen Jahrestonnen Verstromung, und Sie kritisierten damals und kritisieren heute den Mittelaufwand, der dafür erforderlich ist. Da sprechen Sie von einer „Sonderverbrauchsteuer" und von „parafiskalischen Aufwendungen". Das sind doch nur Kostenbestandteile, die jetzt ehrlich und offen der Energieerzeugung zugerechnet werden, die in Form einer Versicherungsprämie von allen Verbrauchern zu tragen sind. Das ist eine ganz klare und nachvollziehbare Angelegenheit. Das ist jedenfalls ehrlicher und von der Sache her besser als die Zahlenprognosen, die Sie in die Welt gesetzt haben, die mit dem, was Sie an Finanzierung angeboten haben - und was darüber hinausging, haben Sie verweigert -, in keiner Weise zu realisieren sind.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Herr Abgeordneter, es wird eine Zwischenfrage an Sie gewünscht. Aber Ihre Präsident Carstens Redezeit ist gleich abgelaufen. Ich würde vorschlagen, daß Sie Ihre Ausführungen abschließen.

Werner Zywietz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002612, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Schmidhuber, Sie haben sich nicht als guter Ratgeber und Prognostiker ausgewiesen; denn Sie haben damals zum Ausdruck gebracht, daß man mit wenig Geld und mit privatvertraglichen Regelungen, die auch wir im System vorgezogen hätten, diese Verstromungsfinanzierung leisten könnte. ({0}) Sie sind 1974 in sehr optimistischer Weise davon ausgegangen, daß die Differenz zwischen dem Wärmepreis bei Kohleeinsatz und dem bei Heizöleinsatz, die damals in der Tat in der Nähe von Null lag, so gering bleiben wird. Aber der Ölpreis hat sich unter politischen Implikationen stark nach oben entwickelt, während der Produktivitätszuwachs im Kohlebereich nicht entsprechend war, so daß es eine Kluft gibt, die Sie nur mit „barem Geld" i überbrücken können und nicht mit den optimistischen Äußerungen, die Sie damals gemacht haben. Das paßt weder von der Schätzung noch von dem Finanzierungsvorschlag her zusammen.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Herr Abgeordneter, ich darf Sie bitten. zum Schluß zu kommen.

Werner Zywietz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002612, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich komme zum Schluß. Ich möchte unterstreichen, daß die FDP in diesem Gesetz den Ausdruck der Regierungsverantwortung zur Sicherung der Stromerzeugung sowie von Arbeitsplätzen im Bergbau sieht. Das sind zwei wichtige Ziele unseres energiepolitischen Konzeptes, zu denen wir uns ganz klar bekennen. Dieses Gesetz ist die materielle Voraussetzung für vertragliche Regelungen zwischen Bergbau und Elektrizitätsversorgungsunternehmen, die wir begrüßen und von denen wir hoffen, daß sie in Zukunft, nach Verabschiedung dieser Verstromungsnovellierung, reibungslos mit den entsprechenden Detailregelungen in die Wirklichkeit umgesetzt werden. In dieser Erwartung stimmen wir dem vorliegenden Gesetz zu. ({0})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.

Dr. Otto Lambsdorff (Minister:in)

Politiker ID: 11001272

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich möchte mich im Namen der Bundesregierung ausdrücklich dafür bedanken, daß der federführende Wirtschaftsausschuß und die mitberatenden Ausschüsse für Finanzen und Haushalt diesen Gesetzentwurf so zügig behandelt haben. Ich sehe in dieser Tatsache eine nach vorne gerichtete Einstellung zu den Problemen der Energiepolitik. Bei allem Verständnis, Herr Kollege Russe, für den Ausflug in die Vergangenheit, den Sie unternommen haben - ich weiß nicht, ob es eine so sehr besonnte Vergangenheit ist -, ({0}) sollten wir unsere Tätigkeit im wesentlichen doch den Problemen des Tages und auch denen der Zukunft widmen.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Russe?

Dr. Otto Lambsdorff (Minister:in)

Politiker ID: 11001272

Gerne.

Hermann Josef Russe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001907, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, erlauben Sie mir die Frage: Wissen Sie, daß Sie an dieser Vergangenheit maßgeblich beteiligt gewesen sind?

Dr. Otto Lambsdorff (Minister:in)

Politiker ID: 11001272

An dieser Vergangenheit, Herr Kollege Russe, sind wir alle miteinander beteiligt gewesen. Dennoch finde ich sie nicht so sonderlich besonnt. Gelegentlich ist es uns möglich, auch einmal einiges selbstkritisch zu sehen, was Ihnen so schwerfällt. ({0}) Im übrigen, Herr Kollege Schmidhuber, haben Sie der Bundesregierung vorgehalten, sie habe keine vorausschauende Energiepolitik. Nun, ich will nicht darüber rechten, was nach Ihrer und unserer Auffassung vorausschauende Energiepolitik ist. Aber eines darf ich doch sagen - ich habe das hier schon wiederholt geäußert -: Dieses ist die einzige Bundesregierung, die überhaupt je ein geschlossenes Energieprogramm auf den Tisch gelegt hat, vor der Ölpreiskrise. ({1}) Und wie kann man sagen, es sei keine vorausschauende Energiepolitik - an der Sie jetzt mitgewirkt haben; ich habe mich dafür bedankt und bedanke mich auch jetzt dafür -, wenn wir zum ersten Mal ein Gesetz vorlegen, mit dem wir 'versuchen, über einen Zeitraum von zehn Jahren in einem wichtigen Teil der deutschen Energiewirtschaft klare Verhältnisse langfristig zu sichern? Das Verstromungsgesetz ist doch ein Ausweis für den Versuch, mittel- bis langfristiges Denken und mittel- bis langfristige Energiepolitik zu praktizieren. Die von mir erwähnte schnelle Verabschiedung hat die Voraussetzung dafür geschaffen, daß diese Novelle rechtzeitig zum Ende des Jahres in Kraft treten kann, wobei ich allerdings unterstelle, daß es auch im Bundesrat im zweiten Durchgang ein positives Votum gibt. Da der Gesetzentwurf die Belastung aus der Ausgleichsabgabe, den sogenannten Kohlepfennig, insgesamt gerechter verteilt - das ist ja einer der Schwerpunkte dieses Vorhabens -, hoffe ich auf eine breite Zustimmung im Bundesrat. Die gegenwärtige Ausgestaltung der Ausgleichsabgabe als ein im gesamten Bundesgebiet gleicher Prozentsatz des jeweiligen Strompreises ist von den revierferner Ländern seit Verabschiedung des Dritten Versorgungsgesetzes Ende des Jahres 1974 immer wieder kritisiert worden. Die heutige Neuregelung soll die gegenwärtigen Belastungsunterschiede abbauen und für alle Bundesländer - auf den jeweiligen Landesdurchschnitt bezogen - eine gleich hohe Belastung je Kilowattstunde ermöglichen. 1978 wird danach der Abgabesatz für die einzelnen Länder zwischen 3,5 und 5,4 % schwanken. Diese Neuregelung bringt damit für die überwiegende Mehrzahl der Länder Entlastungen, sie führt aber unvermeidlich - vor allem für Nordrhein-Westfalen und für das Saarland - zu durchaus als schmerzlich empfundenen Mehrbelastungen. Um so mehr, meine ich, gebührt den beiden Bergbauländern unser Dank, daß sie das neue System politisch mittragen und damit den Weg zu einer Differenzierung des Abgabesatzes erleichtern. Ich weiß, daß mancher sagen wird, dies sei doch nicht mehr als recht und billig, da die Verstromungshilfen einen wichtigen Beitrag zur Sicherung eines leistungsfähigen heimischen Steinkohlenbergbaus leisten und der Steinkohlenbergbau für Nordrhein-Westfalen und das Saarland auch weiterhin ein Wirtschaftszweig von hervorragender Bedeutung ist. Dem stimmt die Bundesregierung zu. Nur meinen wir, daß man dann auch berücksichtigen soll und muß, daß diese beiden Länder ohnehin jahraus, jahrein erhebliche Haushaltsmittel für ihren Steinkohlenbergbau aufwenden, dessen Beitrag zur Energieversorgung uns allen zugute kommt. ({2}) Abgesehen von den beiden Bergbauländern werden nur noch Rheinland-Pfalz und Hamburg mit einem höheren Prozentsatz als bisher belastet: Rheinland-Pfalz um 0,1 Prozentpunkte, Hamburg um 0,3 Prozentpunkte. Die jetzt vorgesehene Regelung wird dabei von Rheinland-Pfalz akzeptiert - ich bedanke mich dafür -, während Hamburg sich bisher ablehnend geäußert hat. Ich hoffe aber, daß auch Hamburg die Neuregelung wenigstens im Ergebnis tolerieren kann und wird. Bundesregierung und Wirtschaftsausschuß haben bereits bei der Novelle des vergangenen Jahres intensiv über Möglichkeiten für eine gleichmäßigere Belastung mit der Ausgleichsabgabe beraten, und wir haben damals versprochen, die Verzerrungen möglichst bald zu beseitigen, ein Versprechen - ich lege Wert darauf, dies hier festzuhalten -, das am heutigen Tage eingelöst wird. Wir haben eine ganze Reihe anderer Modelle erörtert, die jedoch letztlich alle als nicht akzeptabel verworfen werden mußten. Entweder waren sie nicht praktikabel, oder sie hätten einzelnen Verbrauchergruppen - ich nenne etwa die stromintensive Industrie - unzumutbar belastet. Es liegt mir daran, in diesem Zusammenhang noch einmal deutlich zu machen, daß die Bundesregierung den Stromverbrauchern nicht leichten Herzens auch 1978 und wohl auch in den folgenden Jahren eine Abgabe von durchschnittlich 4,5 % der Strompreise aufbürdet. Die Zahlung einer Stromabgabe von 4,5 % über mehrere Jahre hin ist ohne Zweifel bèi solchen Produktionsverfahren, bei denen die Stromkosten im Einzelfall bis zu über 50 % der Gesamtkosten ausmachen können, keine Bagatelle. Deshalb hat die Bundesregierung ernsthaft geprüft, ob nicht einzelne Branchen generell von der Ausgleichsabgabe befreit werden sollten. Hier waren neben den allgemeinen Bedenken gegen eine auch mittelbare Subventionierung der Strompreise insbesondere folgende Überlegungen für unsere negative Entscheidung maßgebend. Einmal fehlt es an überzeugend begründbaren Abgrenzungskriterien. Hätte man etwa auf den Stromkostenanteil abstellen wollen, wäre jede Grenzziehung dem Vorwurf der Willkür ausgesetzt gewesen. Dabei - dies scheint mir wichtig zu sein - darf man im übrigen nicht außer acht lassen - das ist der zweite Gesichtspunkt -, daß die durch Freistellungen verursachten Ausfälle des Ausgleichsfonds durch entsprechend höhere Belastungen der übrigen Stromverbraucher hätten ausgeglichen werden müssen; denn das Aufkommen muß insgesamt konstant bleiben. Die Bevorzugung der freigestellten Branchen ginge also eindeutig zu Lasten der Nichtbegünstigten; sie wäre damit ein besonders problematischer Beitrag zur künstlichen Erhaltung bestehender Strukturen und stünde nicht im Einklang mit den grundsätzlichen wirtschafts-und strukturpolitischen Zielen der Bundesregierung. Beide Einwände gelten nicht nur für die Freistellung ganzer Branchen von der Ausgleichsabgabe; sie gelten auch für eine weitere Auflockerung der Härteklausel für Freistellungen im Einzelfall. Diese Klausel ist im Zuge der Novellierung des Jahres 1976 so modifiziert worden - das war richtig -, daß immerhin in einer ganzen Reihe kritischer Fälle - insgesamt waren es 12 - Freistellungen erteilt werden konnten. Ich werde darüber hinaus darauf achten, daß auch künftig die Anforderungen an die Freistellungsvoraussetzungen nicht überspannt werden, sondern in akuten Fällen kurzfristig geholfen werden kann. Herr Kollege Schmidhuber, ich möchte gern ein Wort zu Ihrer Bemerkung sagen, dies hätte aus ordentlichen Haushaltsmitteln, aus ordentlichen Steuereinnahmen finanziert werden sollen. Die Bundesregierung hat darüber sehr eingehend nachgedacht. Unser erster gedanklicher Ansatz lag in der Tat - übrigens schon vor Jahren bei der zweiten Novelle, die wir im Wirtschaftsausschuß auch schon miteinander beraten hatten - bei der Überlegung, daß es ordnungspolitisch wohl gerechtfertigter sei, eine solche Belastung allen aufzubürden. Aber wenn es richtig ist, daß Energieeinsparung, über deren Notwendigkeit ja niemand streitet, im wesentlichen nur über einen höheren Energiepreis erreichbar sein kann, wenn es richtig ist, daß Energieeinsparung nicht über administrative Eingriffe vorgenommen werden darf und soll, dann, Herr Kollege Schmidhuber, ist dieses System unter den gegebenen Umständen das richtige. Meine Damen und Herren, die Ihnen vorliegende Novelle zum Verstromungsgesetz soll - und daraus ergibt sich die Rechtfertigung für die Belastung der Stromverbraucher - die Stellung der heimischen Kohle bei der Stromerzeugung bis weit in die 80er Jahre hinein stabilisieren und damit einen energiepolitisch wichtigen Beitrag zur Sicherung der Stromversorgung leisten. Zusammen mit der Braunkohle kann somit wenigstens bei der Stromerzeugung ein wesentlicher Teil des Primärenergie4234 bedarfs aus heimischen Quellen gedeckt werden. Insoweit besteht Konsens nicht nur unter den Fraktionen dieses Hauses, sondern auch mit allen Bundesländern. Ich darf wiederholen, was ich an dieser Stelle mehrfach gesagt habe: Wenn Sie die Bürger dieses Landes fragen, gleichgültig ob in München, in Dortmund oder in Kiel, ob sie die Erhaltung des Steinkohlenbergbaus und der Steinkohle als einer heimischen, nationalen Energiereserve wollen, antworten sie nahezu unterschiedslos mit Ja. Die Konsequenz daraus ist für uns alle und auch für diejenigen, die mit Ja antworten, daß die Erhaltung dieses energiepolitischen Potentials teuer, sehr teuer ist und bezahlt werden muß. Mit dieser Konsequenz befassen wir uns heute. Jedem muß gesagt werden, daß dies die Folge aus der grundsätzlichen, wie wir meinen, zu begrüßenden Einstellung zum deutschen Steinkohlenbergbau und zur Erhaltung dieser Primärenergiereserve ist. Die Erhaltung des heimischen Steinkohlenbergbaus ist aber eben nur möglich, wenn es gelingt, auch einen kontinuierlichen Absatz der Förderung zu sichern. Es kann sowohl unter dem Gesichtspunkt der Investitions- wie unter dem der Personalplanung nicht angehen und ist nicht möglich - keine Unternehmensleitung kann dies -, nur von Jahr zu Jahr zu disponieren. Gerade die Steinkohle ist schon aus technischen Gründen nicht imstande, die Funktion eines Lückenbüßers mit starken Absatzschwankungen zu übernehmen. Diesen Überlegungen hat sich, wie der Abschluß des Ihnen bekannten Zehnjahresvertrages mit dem Bergbau zeigt, auch die deutsche Elektrizitätswirtschaft nicht verschlossen. Dieser Vertrag sieht erstmals den Abschluß zehnjähriger Kohlebezugsverträge der Elektrizitätsversorgungsunternehmen vor, die es dem Bergbau ermöglichen, seine Investitionsentscheidungen an verläßlichen Daten auszurichten. Ich weiß, daß die Art und Weise der Verhandlungen, die dann schließlich zu diesem positiven Ergebnis geführt haben, hier und dort kritisiert worden ist. Ich verstehe diese Kritik, ich verstehe aber auch das Verhalten von am wirtschaftlichen Geschehen Beteiligten, die darauf aus sind, ihre eigene wirtschaftliche Position zu wahren. Insgesamt gesehen muß allen Beteiligten bestätigt werden, daß sie zu einem positiven Ergebnis beigetragen haben, das ja die Grundlage für die heutige Gesetzgebung geschaffen hat. Ich glaube, dies ist eine erfreuliche und befriedigende Feststellung. Ich möchte dabei besonders hervorheben, daß selbst für den Fall, daß die Zuwachsraten des Stromverbrauchs entgegen den Erwartungen von Bundesregierung und Forschungsinstituten im Durchschnitt der nächsten fünf Jahre unter 5 °/o liegen sollten, der einseitigen Rücknahme bei der Verwendung heimischer Steinkohle ein Riegel vorgeschoben wird. Dieser Vertrag schreibt für eine derartige Situation nämlich vor, daß der Einsatz der Kohle einerseits und der der Summe der übrigen Energieträger andererseits im gleichen Verhältnis zu kürzen sind. Ich halte dies für eine sehr wesentliche Bestimmung. Es liegt mir in diesem Zusammenhang daran, meine Damen und Herren, nochmals ein in der Öffentlichkeit wiederholt zum Ausdruck gekommenes Mißverständnis richtigzustellen. Daß im Verströmungsgesetz für die Erreichung einer jährlichen Abnahme von durchschnittlich 33 Millionen Tonnen SKE deutscher Steinkohle eine Stromverbrauchszuwachsrate von 5 °/o im Durchschnitt der nächsten fünf Jahre vorausgesetzt ist, bedeutet kein Abgehen der Bundesregierung von ihren Einsparzielen. Die Bundesregierung wird vielmehr im Rahmen des von ihr angestrebten Wirtschaftswachstums alle Anstrengungen unternehmen, um durch rationelle Energieverwendung die Zuwachsraten insbesondere beim Stromverbrauch so niedrig wie möglich zu halten. Es ist jedoch andererseits ein Gebot der Ehrlichkeit - dem wollen wir uns nicht versagen -, auch der politischen Öffentlichkeit gegenüber klar und deutlich einzuräumen, daß der Zehnjahresvertrag bei wider Erwarten doch niedrigeren Zuwachsraten den Elektrizitätsversorgungsunternehmen das Recht einräumt, ihre Abnahme in dem beschriebenen Umfang zu kürzen und daß deswegen dann mit der vollen Erreichung des Verstromungsziels nicht mit hundertprozentiger Sicherheit gerechnet werden kann. Ein Restrisiko bleibt. ({3}) - Das ist vollständig richtig. Hier gibt es eine Entsprechung bei der hoffentlich eintretenden Situation, daß die Stromzuwachsraten stärker steigen. Dann kann das Ziel von 33 Millionen Tonnen überschritten werden. Die heimische Steinkohle wird somit von den Auswirkungen konjunktureller Schwankungen auf den Kraftwerkskohlebedarf weitgehend freigestellt. Eine absolute Freistellung aber von jedem denkbaren Risiko, meine Damen und Herren, ist nicht vorstellbar, sie ist nicht machbar und - das füge ich aus meiner sehr persönlichen Sicht hinzu - sie ist letzten Endes auch nicht wünschbar. Die Bundesregierung hat es deswegen sehr begrüßt, daß Steinkohlenbergbau und Elektrizitätswirtschaft in ihrem Zehnjahresvertrag eine für beide Seiten akzeptable Lösung gefunden haben, die auch nach der eigenen Meinung des Bergbaus seinen energiepolitischen Forderungen auf dem Gebiet der Steinkohlenverstromung gerecht wird. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung soll die finanziellen Voraussetzungen für das Wirksamwerden dieser vertraglichen Vereinbarung schaffen. Wenigstens einer der beiden Hauptabsatzbereiche unserer Kohle wird damit langfristig abgesichert. Daß die dafür notwendige finanzielle Belastung der Stromverbraucher von allen Fraktionen des Hauses politisch mitgetragen wird, dafür möchte ich Ihnen im Namen der Bundesregierung besonders danken. Es wäre nun aber, meine Damen und Herren, voreilig, zu glauben - ich habe noch vor zehn oder vierzehn Tagen an dieser Stelle darauf aufmerksam gemacht -, daß damit die Probleme des Bergbaus samt und sonders bereits gelöst seien. Es bleibt u. a. Bundesministei Dr. Graf Lambsdorff der große Komplex Kokskohle. Die Bundesregierung hat in diesem Jahr die Absatzbeihilfen für die Kokskohle wiederaufgenommen und für die Jahre 1977/78 insgesamt 630 Millionen DM zur Verfügung gestellt. Weitergehende Forderungen des Bergbaus in diesem Bereich werden zur Zeit geprüft. Eine Entscheidieser Diskussion und dieser Debatte .gern. Wir halten sie für nützlich, wir halten sie auch für erforderlich. Eine Energiedebatte mit dem Schwerpunkt Kohle wäre aber unvollständig ohne eine wenigstens kurze Erwähnung der Kernenergie. Die Kohle allein ist nämlich nicht in der Lage - dies weiß sie -, die notwendige Primärenergie zur Stromerzeugung zu liefern. Wir brauchen einen gemeinsamen Beitrag von Kohle und Kernenergie. Beide können sich langfristig ideal ergänzen, wenn man z. B. an den Hochtemperaturreaktor und die Möglichkeit zur Vergasung von Kohle denkt. Dieser Problemkreis ist, wie wir alle wissen, nicht das Thema der heutigen Tagesordnung. Die Debatte über die Zweite Fortschreibung des Energieprogramms - Herr Kollege Schmidhuber hat sie angemahnt; es bleibt bei dem, was ich hier vor 14 Tagen zugesagt habe: die Zweite Fortschreibung des Energieprogramms soll Mitte Dezember verabschiedet werden -, wird ausreichend Gelegenheit zu einer umfassenden energiepolitischen Diskussion bieten. Wir stellen uns dieser Diskussion und dieser Debatte. Wir halten sie für nützlich, wir halten sie auch für erforderlich. Ich schließe ab mit dem nochmaligen Dank für Ihre Zustimmung zu diesem heute vorgelegten Gesetzentwurf. ({4})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Meine Damen und Herren, wird weiterhin das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die allgemeine Aussprache. Wir kommen jetzt zur Einzelberatung und Abstimmung in zweiter Beratung. Ich rufe Art. 1 bis 6 in der Ausschußfassung, Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle fest, daß das Haus einstimmig zugestimmt hat. Das Gesetz ist in zweiter Beratung angenommen. Wir treten in die dritte Beratung ein. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen dann zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Ich stelle fest, das das Gesetz einstimmig angenommen worden ist. Meine Damen und Herren, der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/1126 unter Ziffer 2 ferner, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen. Ich rufe nunmehr Punkt 3 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erhaltung und Modernisierung kulturhistorisch und städtebaulich wertvoller Gebäude - Drucksache 8/896 - a) Bericht des Haushaltsausschusses ({0}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 8/1149 - Berichterstatter: Abgeordneter Löffler b) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({1}) - Drucksache 8/1118 Berichterstatter: Abgeordneter Ewen Abgeordneter Stutzer ({2}) Auch hierzu ist im Ältestenrat eine Redezeit von 60 Minuten vereinbart worden. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen. Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? - Herr Kollege Stutzer, wünschen Sie als Berichterstatter das Wort? - Bitte schön.

Hans Jürgen Stutzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002283, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ihnen liegt heute der vom Finanzausschuß des Bundestages abgeänderte Gesetzentwurf des Bundesrates zur Erhaltung und Modernisierung kulturhistorisch und städtebaulich wertvoller Gebäude vor. Schon seit Jahren setzen sich die Unionsparteien dafür ein, einen zusätzlichen Anreiz zu schaffen, um den Erschwernissen, die mit der Erhaltung und Instandsetzung von Baudenkmälern verbunden sind, Rechnung zu tragen. Ich darf hier an die wiederholten Vorstöße des Landes Schleswig-Holstein erinnern, dessen erster Gesetzentwurf im Frühjahr 1974 im Bundesrat eingebracht wurde. Bundesregierung und Koalitionsparteien standen diesem Gesetzentwurf zunächst recht kritisch gegenüber. Der Bundestag hat schließlich am 1. Juli 1976 den Gesetzentwurf mit Mehrheit abgelehnt. Das Land Schleswig-Holstein unternahm am 1. April 1977 einen erneuten Vorstoß. Ich verkenne nicht, daß der seinerzeit vorgelegte Entwurf, der die Erhaltung und Modernisierung kulturhistorisch und städtebaulich wertvoller Stadtkerne zum Inhalt hatte, eine städtebauliche Zielrichtung verfolgte. Ich möchte Sie nun nicht übermäßig strapazieren und Ihnen nicht den dornenreichen Weg schildern, der dahin führte, daß wir nun einen Entwurf vorliegen haben, der bisher von allen Seiten Beifall bekommen hat, nicht nur von allen Fraktionen dieses Hohen Hauses, sondern auch von den Bundesländern - ganz gleich, ob sie unions- oder SPD-geführt sind - und natürlich auch von dem deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz, dessen Präsident, der bayerische Kultusminister Professor Maier, sich ganz entschieden für die Annahme des Gesetzentwurfs des Bundesrates eingesetzt hat. Wir verkennen nicht, daß auch in der Vergangenheit schon etwas für die Denkmalpflege getan wurde. So haben die Bundesländer in den beiden letzten Jahren für die Denkmalpflege jeweils 250 Millionen DM zur Verfügung gestellt. In der Praxis zeigte sich jedoch, daß das nicht ausreicht. Die Erhaltung und Modernisierung kulturhistorisch und städtebaulich wertvoller Gebäude ist eine nationale Gesamtaufgabe. Ich möchte nun nicht das wiederholen, was mein Kollege Francke ({0}) bei der ersten Lesung sagte. Lassen Sie mich zu den wesentlichen Regelungen des neuen Gesetzentwurfes folgendes bemerken: Zunächst war zu klären, ob ausschließlich die Erhaltung und Modernisierung kulturhistorisch und städtebaulich wertvoller Stadtkerne gefördert werden sollte, wie es der Gesetzesantrag des Landes Schleswig-Holstein vorsah. Der federführende Finanzausschuß und die mitberatenden Ausschüsse für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau und der Innenausschuß haben beschlossen, daß die Frage der Erhaltung eines künstlerisch oder historisch wertvollen Gebäudes nicht von seiner Lage abhängig gemacht werden darf und auf eine Beschränkung zugunsten der Altstadtkerne verzichtet werden sollte. Dabei war sicherzustellen, daß die Notwendigkeit und Bedeutung der Erhaltung von Altstadtkernen, die unbestritten sind, nicht berührt werden darf. Die Länder fühlen sich für den Denkmalschutz insgesamt zuständig und sehen ihre Aufgabe nicht nur in der Erhaltung historischer Altstadtkerne, sondern auch in der aller übrigen Baudenkmäler. Schon aus Gründen der Steuergerechtigkeit sollte eine Begünstigung bei gleichen Sachverhalten nicht von der zufälligen Lage eines Grundstückes innerhalb oder außerhalb eines bestimmten abgegrenzten Gebietes abhängig gemacht werden, abgesehen davon, daß eine Abgrenzung dieser Gebiete in der Praxis auf Schwierigkeiten stoßen würde. Bei den privaten Eigentümern denkmalgeschützter Gebäude soll unabhängig von der Lage der Bauten Sanierungsbereitschaft geweckt werden. Dies ist jedoch nur im Wege steuerlicher Begünstigungen möglich. Bei der Fassung des Entwurfs ist sichergestellt worden, daß auch die Erhaltung und Modernisierung kulturhistorisch und städtebaulich wertvoller Stadtkerne steuerlich begünstigt wird, so wie es das Land Schleswig-Holstein vorsah. Diese Stadtkerne, die von den Denkmalpflegern festzulegen sind, sind demnach als Einheit zu betrachten. So ist es durchaus möglich, daß ein altes Haus in einem solchen Stadtkern, das weder kulturhistorisch noch künstlerisch wertvoll ist, aus nur städtebaulichen Gründen dennoch zu den förderungsfähigen Objekten gehört. So können z. B. nach dem bayerischen Denkmalschutzgesetz auch Teile von baulichen Anlagen Denkmäler sein, sei es, daß sie für sich stehen, sei es, daß sie in einen Baukörper integriert sind, der für sich gesehen kein Baudenkmal darstellt. Da der Begriff des Baudenkmals trotz unterschiedlicher Formulierungen in den Denkmalschutzgesetzen der Länder in allen Ländern inhaltlich im wesentlichen gleich ist, dürfte auch insoweit größtmögliche Gleichheit erreicht sein, wobei zu bemerken ist, daß die Denkmalspfleger der Länder aufgewertet werden; sie entscheiden in der Regel, welche Gebäude von diesem Gesetz erfaßt werden. Nun zu den Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse: Der Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, der einstimmig die Annahme des Gesetzentwurfes empfiehlt, sprach sich dafür aus, daß die Abschreibungsmöglichkeit auch für die Anschaffungskosten in Frage kommender Gebäude gewährt werden solle, soweit ein Mißbrauch der Vergünstigung - etwa durch Abschreibungsgesellschaften - sicher unterbunden wird. Auch hierüber wurde lange beraten. Ich mache keinen Hehl daraus, daß nicht nur ich, sondern auch viele Kollegen in allen Fraktionen diese Hohen Hauses und nicht zuletzt das Land Schleswig-Holstein diesem Vorschlag sehr viel Sympathien entgegenbrachten. Der Hinweis der Bundesregierung auf den Mißbrauch durch Abschreibungsgesellschaften ist meines Erachtens aus folgenden Gründen nicht stichhaltig: Nach § 7 a Absatz 6 Einkommensteuergesetz dürfen erhöhte Absetzungen oder Sonderabschreibungen bei Wirtschaftsgütern, die zu einem Betriebsvermögen gehören, bei dem Betrieb nicht zur Entstehung oder Erhöhung eines Verlustes führen. Bei Gesellschaften, die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung beziehen, dürfen den Mitgesellschaftern gemäß bundeseinheitlicher Erlaßregelung Verluste nur bis zur Höhe ihrer Einlage zugewiesen werden. Diese einschränkenden Regelungen bieten meines Erachtens hinreichend Gewähr dafür, daß die Vergünstigungen nicht durch Abschreibungsgesellschaften mißbräuchlich in Anspruch genommen werden. Auch der Hinweis auf den neuen § 7 b ist meines Erachtens nicht überzeugend, da es sich bei den Baudenkmälern oft nicht um Ein- oder Zweifamilienhäuser bzw. Eigentumswohnungen handelt. Auch sieht § 7 b Höchstgrenzen für den begünstigten Aufwand vor, nämlich 150 000 bzw. 200 000 DM; im übrigen ist hier die Begünstigung auf ein Objekt je Steuerpflichtigen begrenzt. Weiterhin wäre bei § 7 b die Voraussetzung, daß das Gebäude zu mehr als 662/3 °/o Wohnzwecken dient. Das Anliegen Schleswig-Holsteins, auch Anschaffungskosten zu begünstigen, ist meines Erachtens berechtigt, da wir einen Anreiz geben wollen, Häuser in historischen Stadtkernen zu erwerben. In der Praxis fehlt es hier oft an Kaufinteressenten, mit der Folge, daß Subventionen aufgebracht werden müssen. Für den Privatmann ist es nämlich problemloser, irgendwo ein Haus von 1960 zu kaufen als eines von 1690, in das er noch viel Geld stecken muß. Die Bundesregierung brachte jedoch noch weitere Einwände vor, und zwar sowohl aus denkmalpflegerischer Sicht als auch aus steuersystematischen Gründen. Aus Zeitgründen möchte ich hierauf nicht näher eingehen. Wir haben davon abgesehen, einen Änderungsantrag auf Berücksichtigung erhöhter Absetzungen auch für Anschaffungskosten zu stellen, nicht weil uns die Bundesregierung mit ihren Einwänden überzeugt hat, sondern - das will ich hier ganz ehrlich sagen - weil wir fürchten, daß das Gesetz aus diesem Grunde im Bundesrat scheitern könnte. Uns liegt jedoch dieses Gesetz zu sehr am Herzen, als daß wir dieses Risiko nicht eingehen wollten. Der Finanzausschuß hat die Bundesregierung aber einstimmig aufgefordert, zum 30. Juni 1981 zu berichten, welche Auswirkungen das Gesetz in den ersten Jahren hatte. Die Bundesregierung hat einen solchen Bericht zugesagt. Nach Vorlage dieses Berichts wird erneut über eine eventuelle Gewährung erhöhter Absetzungen auch für Anschaffungskosten beraten werden. Nun zur Stellungnahme des Innenausschusses, der den Gesetzentwurf ebenfalls begrüßt hat, aber darum bat, daß 1. nur solche Gebäude gefördert werden, die nach den landesrechtlichen Vorschriften Baudenkmäler sind, 2. die nach dem Landesrecht zuständige Stelle verbindlich die Denkmaleigenschaft eines Gebäudes festlegt und 3. nur solche Aufwendungen steuerlich begünstigt werden, die nach einer Bescheinigung der nach Landesrecht zuständigen Stelle nach Art und Umfang zur Erhaltung und sinnvollen Nutzung angemessen sind. Den dritten Punkt hielten wir für besonders wichtig. Im Einvernehmen mit der Bundesregierung ist der Gesetzentwurf entsprechend geändert worden. Danach sind nur noch die Herstellungs- und Erhaltungskosten von Gebäuden, die nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften Baudenkmäler sind, soweit die Aufwendungen nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal und zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich sind, förderungsfähig. Begünstigt wäre demnach nicht, um nur ein Beispiel zu nennen, die Erhaltung einer alten Fassade in einem städtebaulich wertvollen Stadtkern, hinter der sich ein modernes Kaufhaus etabliert hat. Nun noch etwas zu den Kosten. Nach der Ihnen vorliegenden Drucksache 8/896 entstehen durch das Gesetz keine Kosten. Wir sind hingegen der Meinung, daß Kosten entstehen. Das Finanzministerium. nannte bei einer geschätzten Zahl von 400 000 Gebäuden 50 Millionen DM. Dieser Betrag ist unseres Erachtens zu niedrig. Nach den Feststellungen der Arbeitsgruppe Rechts- und Steuerfragen des Nationalkomitees für Denkmalschutz entfallen von den 400 000 Baudenkmälern nicht, wie z. B. Hamburg im Bundesrat unterstellte, zwei Fünftel, sondern nur etwa ein Drittel auf die öffentliche Hand. Im Privateigentum befinden sich somit 270 000 und nicht nur 240 000 Baudenkmäler. Ein nach § 82 g der Einkommensteuerdurchführungsverordnung geförderter Anteil von 60 000 Baudenkmälern ist nach Auffassung der Denkmalpfleger zu hoch. Um wiederum ein Beispiel zu nennen: In Lübeck liegen höchstens 10 % der Baudenkmäler in Sanierungsgebieten. Das bedeutet also Kürzung der begünstigten Gebäude höchstens um 30 000, es verbleiben dann 240 000 Baudenkmäler. Daß 55 % der Baudenkmäler keinen Herstellungsaufwand erfordern sollen, erscheint unrealistisch. Allenfalls könnte ein Abschlag von 25 % gleich 60 000 gerechtfertigt sein. Danach verbleiben 180 000 Gebäude. Die beabsichtigte Steuervergünstigung wird einen Anreiz geben, erforderliche Baumaßnahmen zeitnah durchzuführen. Die im Bundesrat vorgetragene Annahme Hamburgs, daß jährlich nur bei 3 % der Gebäude Maßnahmen in Angriff genommen werden, dürfte viel zu niedrig liegen. Die unserer Ausfallberechnung zugrunde liegende Vermutung, daß bei 15 % der begünstigten Gebäude Baumaßnahmen vorgenommen werden, erscheint realistischer. Wir müssen also davon ausgehen, daß es bei rund 30 000 Gebäuden zu Baumaßnahmen kommt und nicht, wie von Hamburg angenommen, bei nur 2 400. Der uns bis zum 30. Juni 1981 vorzulegende Bericht der Bundesregierung wird zeigen, welche Schätzungen realistischer waren. Wir alle, Bund, Länder und Gemeinden, wollen uns mehr als bisher kulturhistorisch und städtebaulich wertvoller Gebäude annehmen. Es geht hier um eine nationale Aufgabe, denn in unserer baulichen Vergangenheit ist ein großer Teil unserer kulturellen Identität begründet. Lassen wird daher dem guten Willen die Tat folgen, damit nicht Unwiederbringliches verlorengeht. ({1})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Meine Damen und Herren, ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ewen.

Carl Ewen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000504, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das vorliegende Gesetz zur Erhaltung und Modernisierung kulturhistorisch und städtebaulich wertvoller Gebäude trägt einem Wandel Rechnung, der sich seit Jahren im Bewußtsein der Bevölkerung vollzieht. Nachdem jahrelang der notwendige Wiederaufbau der Städte und Gemeinden und die Schaffung von neuem Wohnraum im Vordergrund gestanden haben, ist, nachdem der Fehlbedarf auf diesem Gebiet weitgehend gedeckt ist, die Notwendigkeit der Erhaltung alter Bausubstanz in den Vordergrund getreten. Die Menschen haben erkannt, in welchem Ausmaß eine gewachsene Bebauung den Charakter von Städten und Gemeinden prägt. Oft genug ist ihnen durch seelenlose Neubauwohngettos unangenehm deutlich gemacht worden, daß die Erhaltung einer künstlerisch gestalteten städtebaulichen Tradition nicht nur ihren Preis, sondern auch ihren nicht zu unterschätzenden Wert hat. Dies ist im übrigen, meine sehr verehrten Damen und Herren, eine Entwicklung, die in den letzten Jahren nicht auf die Bundesrepublik beschränkt geblieben ist; auch in unseren europäischen Nachbarländern ist zu beobachten, daß die Erhaltung von Baudenkmälern als Zeugen für die Geschichte eines Volkes immer mehr Bedeutung erhält. Diese Bedeutung zeigte sich unter anderem auch darin, daß das Jahr 1975 zum „Europäischen Jahr des Denkmalschutzes" erklärt wurde. Damals hat sich der zu4238 ständige Fachausschuß in den Niederlanden und in der Volksrepublik Polen städtebaulich wertvolle Renovierungsarbeiten angesehen und von daher auch zahlreiche Anregungen für dieses Gesetz empfangen. Wir Sozialdemokraten haben uns schon seit Jahren dafür eingesetzt, die Lebensqualität der Menschen in den Städten auch durch die Erhaltung von Baudenkmälern zu verbessern und der oft beklagten Menschenfeindlichkeit der Städte entgegenzuwirken. Wörtlich heißt es hierzu in der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers Helmut Schmidt vom 16. Dezember 1976 - mit Genehmigung des Herrn Präsidenten darf ich zitieren -: Wir werden den Städten und Gemeinden bei der Erfüllung ihrer Aufgaben weiterhin ein zuverlässiger Partner bleiben und die Erhaltung und Erneuerung, die Verbesserung der Wohnungen und der Wohnumwelt in alten Wohngebieten sowie den Ersatzwohnungsbau in Sanierungsgebieten zu einem Schwerpunkt der Wohnungs-und Städtebaupolitik machen. Das heute hier vorliegende Gesetz ist nicht das erste, das diesem Ziel dient. Es ist jedoch ein Schritt nach vorne und schließt eine steuerpolitische Lücke. Die ersten Schritte auf diesem Wege wurden schon vor der laufenden Legislaturperiode getan, 1971 durch das Städtebauförderungsgesetz und 1975 durch die Novellierung des Bundesbaugesetzes. An diese Gesetze schloß sich 1976 das Wohnungsmodernisierungsgesetz an. Schließlich will ich noch auf das Programm für Zukunftsinvestitionen aus diesem Frühjahr hinweisen, in dem 750 Millionen DM zur Erhaltung und Erneuerung ausgewählter historischer Stadtkerne, 90 Millionen DM zur Erhaltung und Erneuerung einzelner denkmalswerter Gebäude durch Aus- und Umbau von Wohngebäuden und 237 Millionen DM zur Erhaltung und zum Wiederaufbau von Baudenkmälern und Kulturbauten von Bund, Ländern und Gemeinden zur Verfügung gestellt wurden. Diese breite Palette der bisherigen Förderungsmöglichkeiten, die sich noch weiter ausführen ließe, wird durch das vorliegende Gesetz sinnvoll ergänzt. Den Eigentümern von Baudenkmälern werden spezielle Hilfen durch steuerliche Erleichterungen angeboten. Neben den bereits bestehenden Begünstigungen bestimmter Anschaffungskosten, des Herstellungsaufwandes und des Erhaltungsaufwandes von Wohngebäuden sieht das vorliegende Gesetz folgende Regelung vor. Künftig soll der gesamte Herstellungsaufwand für alle Gebäude, die Baudenkmäler sind, unabhängig von ihrer Nutzung und ihrer möglichen Einordnung in ein Betriebsvermögen, mit 10 % jährlich abschreibbar sein. Weiterhin ist vorgesehen, daß der Erhaltungsaufwand für alle Gebäude, die Baudenkmäler und nicht Einfamilienhäuser sind, auf zwei bis fünf Jahre verteilt werden kann. Voraussetzung ist weiterhin, daß die Aufwendungen nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes und zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich sind. Der Fachausschuß ist sich einig in dem Bemühen, die einfache Erhaltung von Fassaden zu verhindern. Die Eigenschaft eines Baudenkmals ist dabei von den jeweiligen Eigentümern durch eine Bescheinigung der nach Landesrecht zuständigen oder von der Landesregierung bestimmten Stelle nachzuweisen. Das dürfte in den meisten Fällen der Denkmalspfleger sein, dessen Stellung durch dieses Gesetz aufgewertet wird, indem er dem Eigentümer eines Baudenkmals nicht nur Beschränkungen hinsichtlich der Nutzung auferlegt, sondern ihn auch in den Genuß staatlicher Vergünstigungen kommen läßt. Wie sich die Maßnahmen des Gesetzes im konkreten Einzelfall auswirken werden, möchte ich Ihnen kurz an folgenden Beispielen erläutern, die auf Berechnungen des Bundesministeriums der Finanzen basieren. Diese Berechnungen gehen davon aus, daß ein Arbeitnehmer für die Herstellung eines selbst genutzten Einfamilienhauses 100 000 DM aufwendet, eine Summe, die für die Renovierung eines kulturhistorisch wertvollen Bürgerhauses ohne Bedenken angesetzt werden kann. In diesem Fall ergeben sich bei einem jährlich zu versteuernden Einkommen in Höhe von 32 000 DM steuerliche Ersparnisse in Höhe von rund 2 200 DM, wenn man unterstellt, daß ein Spitzensteuersatz von 30,8 % gezahlt werden muß. Bei einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 60 000 DM und einem unterstellten Spitzensteuersatz von 42 % beträgt die Steuerersparnis auf Grund des vorliegenden Gesetzes rund 4 000 DM. Bei der ebenfalls nicht unrealistischen Annahme eines Herstellungsaufwandes von 150 000 DM belaufen sich die steuerlichen Ersparnisse bei den gleichen Einkommensgruppen, als 32 000 DM bzw. 60 000 DM zu versteuerndes Jahreseinkommen, auf 3 300 bzw. rund 6 000 DM. Sie sehen also, daß es durch die Erleichterungen, die das vorliegende Gesetz bringt, auch für Verdiener mittlerer und kleinerer Einkommen möglich ist, ein Baudenkmal zu erhalten. Genau das ist der Punkt, der für uns Sozialdemokraten bei diesem Gesetz besondere Bedeutung hat. Schließlich handelt es sich bei den Baudenkmälern, die das Bild unserer Städte und Gemeinden prägen, durch die Bank nicht um Schlösser, Kirchen und ähnliche Prunkbauten. Auch die alten Bürgerhäuser, die in vielen deutschen Städten noch das Straßenbild ganzer Viertel beherrschen, zählen zu den Baudenkmälern, die ein Zeugnis von dem Leben früherer Generationen geben. Gerade diese Häuser, die sich oft seit Jahrzehnten in privater Hand befinden, konnten von ihren Eigentümern vielfach nur unter Entbehrungen erhalten werden. Von einer Anpassung an modernen Wohnkomfort, dessen geschickte Verbindung mit alter Bausubstanz schwierig und damit teuer ist, konnte vielfach überhaupt keine Rede sein. Hier hilft das vorliegende Gesetz, eine Lücke zu schließen. Aber nicht nur den Eigentümern der Baudenkmäler ist geholfen worden. Durch die zu erwartende verstärkte Bautätigkeit zur Erhaltung und Herstellung von Baudenkmälern dürfte auch eine Belebung auf dem Bausektor erfolgen, die in diesem personalintensiven Bereich gerade kleinen und mittelständischen Betrieben zugute kommen wird. Immerhin sind bereits jetzt zirka 400 000 Baudenkmäler im Bereich der Bundesrepublik anerkannt. Von diesen. 400 000 befinden sich mehr als zwei Drittel in einem Zustand, der Erhaltungsmaßnahmen dringend erforderlich macht. Mit der weiteren Anerkennung von Baudenkmälern ist zweifellos zu rechnen. Dem zu erwartenden Vorwurf, der von mir soeben aufgezeigte Zustand sei ja nicht erst seit heute zu erkennen, dennoch habe der Bundestag im Juli 1976 einen auf Initiative des Landes Schleswig-Holstein eingebrachten Gesetzentwurf zur Förderung und Erhaltung kulturhistorisch und städtebaulich wertvoller Gebäude mit Mehrheit abgelehnt, möchte ich folgendes entgegenhalten: Der damalige Entwurf erschien uns nicht ausgewogen genug. Er enthielt steuerrechtlich bedenkliche Tatbestände, die in der Praxis zu Ungerechtigkeiten hätten führen können. So war z. B. vorgesehen, daß die Möglichkeit der Abschreibung davon abhängig gemacht werden sollte, daß das Gebäude in einem Verbund mit anderen lag. Das hätte bewirkt, daß alleinstehende, aber künstlerisch wertvolle Gebäude möglicherweise nicht in die Vergünstigung einbezogen worden wären, während andere, unter Umständen künstlerisch weniger wertvolle, aber im Zusammenhang mit anderen Häusern stehende Gebäude berücksichtigt worden wären. Diese und andere Bedenken haben den Finanzausschuß damals veranlaßt, sich gegen diesen Gesetzentwurf auszusprechen. Nach langen und sorgfältigen Beratungen ist es nun gelungen, alle diese damals bestehenden Bedenken auszuräumen, so daß nun die gewünschte Abrundung des Katalogs der Förderungsmaßnahmen und Investitionsanreize erzielt werden konnte. Zu Recht hat daher auch die von der Opposition zunächst geforderte Möglichkeit der Abschreibung von Anschaffungskosten keine Aufnahme in das Gesetz gefunden. Wir sind der Ansicht, daß eine solche Regelung mit der Systematik des vorliegenden Gesetzes nicht in Einklang zu bringen ist. Hier geht es nicht darum, den Eigentümerwechsel zu erleichtern, sondern hier geht es gerade darum, dem Eigentümer alle Hilfe zur Erhaltung seines Eigentums zu geben. Die Entscheidung gegen die Abschreibungsmöglichkeit für Anschaffungskosten ist uns um so leichter gefallen, als dieser Bereich - mindestens in bezug auf Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen - durch den neugefaßten § 7 b des Einkommensteuergesetzes hinreichend abgedeckt ist. Es ging ja nicht darum, einen Eigentumswechsel, der ja unter Umständen wünschenswert sein kann, grundsätzlich zu unterbinden, sondern es ging darum, die Tendenz des Gesetzes klar aufzuzeigen und zu vermeiden, daß Baudenkmäler zu Abschreibungsobjekten in der Hand schnell wechselnder Eigentümer werden. Wir werden in dieser Ansicht, der sich schließlich auch die Opposition angeschlossen hat, durch Sachverständige, z. B. vom Deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz, nachhaltig unterstützt. Zum Schluß möchte ich mich noch an die durch das Gesetz direkt Betroffenen wenden und sie auffordern, die angebotenen Hilfen und Förderungsmöglichkeiten im Sinne dieses Gesetzes zum Wohle der Allgemeinheit in Anspruch zu nehmen. Die Eigentümer von Baudenkmälern sind aufgerufen, die ihnen angebotenen Möglichkeiten zu nutzen. Auf die Denkmalpfleger und nicht zuletzt auf die Architekten, deren Auftrag es ist, eine sinnvolle, den neuzeitlichen Ansprüchen angepaßte Nutzung der Baudenkmäler ohne Zerstörung ihrer Ausstrahlung zu ermöglichen, werden verantwortungsvolle Aufgaben zukommen. Wir sind bereit, im ersten Jahr auf 50 Millionen DM Steuereinnahmen zu verzichten. In der Folgezeit wird sich diese Summe durch die kumulative Wirkung dieses Gesetzes sicherlich erhöhen. Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, möchte ich bitten, dem vorliegenden Gesetzentwurf zuzustimmen. ({0})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schneider.

Dr. Oscar Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002048, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Titel des vorliegenden Gesetzes erscheint dem fragwürdig, der seine Entstehungsgeschichte kennt, der um die Widerstände des Bundes gegen seine erste Fassung weiß, der das magere Ergebnis seiner finanziellen Konsequenzen in Betracht zieht und der seine politische Wirkung vor den Hindergrund der Verheißungen, Versprechungen und Erwartungen des Europäischen Denkmalschutzjahres 1975 stellt. Was zur Entscheidung ansteht, ist das Geringste, das weitaus Wenigste, was sich die Väter dieses Gesetzes einmal vorgestellt und von der Bundesregierung und den Koalitionsparteien erwartet haben. Seiner rechtsförmlichen Natur nach handelt es sich bei der Drucksache 8/1118 um eine Novelle zum Einkommensteuergesetz; nach seinem politischen Inhalt aber handelt es sich um einen Gesetzentwurf, der in die Rubrik „Stadtsanierung, Wohnungsmodernisierung, Denkmalschutz" gestellt werden muß. Dem fortschreitenden Verfall kulturhistorisch wertvoller Gebäude in Stadt und Land entgegenzuwirken, ist eine hochpolitische Aufgabe. Sie hat längst die Grenzen kommunalpolitischer oder gar nur wohnungswirtschaftlicher Bedeutung gesprengt. Das Europäische Denkmalschutzjahr 1975 fand in unserer Bevölkerung ein starkes, tiefgehendes Echo. Die Europäische Denkmalschutzcharta vom September 1975 appelliert an das Kulturgewissen der Völker und sieht im architektonischen Erbe einen gemeinsamen Besitz unseres Kontinents. Nach der Charta ist es entscheidend, daß die von der öffentlichen Hand für die Erneuerung der alten Bausubstanz bereitgestellten Beihilfen zumindest der Neubauförderung entsprechen. Wir sind weit von diesem Ziel entfernt. Der Kollege Schmitt-Vockenhausen sagte beim Festakt zur Eröffnung des Europäischen Denkmalschutzjahres am 20. Januar 1975 mit Blick auf den Bundesgesetzgeber, daß es nicht mehr länger eine Strafe sein dürfe, ein Haus zu haben, das unter Denkmalschutz fällt. Der Herr Bundesminister des Innern beschwor Hölderlin; er zitierte den berühmten Patmos-Hymnus: „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch." - Meine Damen und Herren, ich frage: Ist uns das Rettende in der Gesetzgebung des Bundes und der Länder bereits erschienen? Meine Zweifel sind bei der Beratung dieses Gesetzes weiter gewachsen. Indessen ist sicher, daß unwiederbringliche historische und städtebauliche Substanz weiter und verstärkt der Gefahr des Verfalls ausgesetzt bleibt. Der Auftrag, der Vergangenheit durch Denkmalschutz eine Zukunft zu sichern, dauert an. Ich darf Sie an das Wort des Herrn Bundespräsidenten erinnern, der 1976 in Berlin gewünscht hat, daß jedes künftige Jahr ein Jahr des Denkmalschutzes sein werde. Der Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau hat die erste Bundesratsinitiative mehrfach beraten und jeweils einstimmige Beschlüsse gefaßt. Er hielt bei seiner Lübecker Sitzung am 9. Oktober 1974 eine denkmalpolitische Gesamtkonzeption des Bundes und der Länder für wünschenswert. Drei Jahre danach müssen wir heute leider feststellen, daß wir in schüchternen Anfängen steckengeblieben sind. Die notwendigen bau-, finanz- und steuerrechtlichen Maßnahmen im Rahmen einer denkmalpolitischen Gesamtkonzeption sind nicht aufeinander abgestimmt und entbehren einer zielgerichteten Harmonisierung. Dies stelle ich in voller Kenntnis und bewußter Würdigung der neuen Bestimmungen im Bundesbaugesetz und im Wohnungsmodernisierungsgesetz fest. Ich lasse dabei auch nicht das Programm zur Verbesserung der Lebensbedingungen in Städten und Gemeinden des Zukunftsinvestitionsprogramms sowie die Erweiterung des § 7 b des Einkommensteuergesetzes außer Betracht. ({0}) Am 28. Juni dieses Jahres machte sich der 15. Ausschuß bei seiner Sitzung im Reichssaal des alten Rathauses zu Regensburg die Forderung der Europäischen Denkmalschutzcharta vom September 1975 und des Abschlußkongresses für das Europäische Denkmalschutzjahr ausdrücklich zu eigen. Die Bundesregierung bleibt aufgefordert, bereits bis Ende 1977 zu berichten, welchen Empfehlungen des Nationalkomitees auf welche Weise und bis wann Rechnung getragen werden soll. Der Ausschuß hielt es für notwendig, über die genannten Bemühungen hinaus die Anstrengungen der öffentlichen Hand durch steuerliche Anreize zu ergänzen, um dadurch Privatpersonen zu veranlassen, sich als Eigentümer und Erwerber von Baudenkmälern in stärkerem Umfange dieser Probleme anzunehmen. Insbesondere sprach sich der Ausschuß für die Einbeziehung der Anschaffungskosten in die Steuerbegünstigung aus. Meine Damen und Herren, die nun zu beschließen- den Steuervergünstigungen für denkmalgeschützte Gebäude tragen dem zentralen Anliegen, um das es hier geht, die- Innenbereiche unserer historischen Altstadtkerne vor dem Verfall zu bewahren und lebensfähig zu erhalten, bedauerlicherweise nur in sehr bescheidenem Maße Rechnung. Als ein erster Schritt in die richtige Richtung und als Einstieg in die Steuerförderung werden sie dennoch auch von uns begrüßt. Der ursprünglich dem Deutschen Bundestag in der letzten Legislaturperiode vorgelegene Gesetzentwurf zielte gerade auf diese gefährdeten Altstadtkerne ab und bezog zusätzlich die Anschaffungskosten in die Steuervergünstigung mit ein. Damals ging es um die nunmehr gelöste Frage, wie auch andere Baudenkmäler außerhalb der Stadtkerne begünstigt werden könnten. Zum einen ist nicht jedes erhaltenswerte Gebäude innerhalb eines erhaltenswerten Altstadtensembles ein Baudenkmal. Dies ist häufig nur eine Frage der Zeit und der Änderung des Zeitgeschmacks. Denken Sie nur daran, daß man vor 20 Jahren Häuser aus dem Jugendstil für abreißwürdig erachtete, es sogar für notwendig hielt, sie abzureißen, während sie heute in der Denkmalschutzliste ganz oben stehen. Bei der derzeitigen Eigentümerstruktur sind darüber hinaus die meisten Inhaber von Baudenkmälern gar nicht in der Lage, die Einkommensteuervergünstigung in Anspruch zu nehmen. Es handelt sich dabei um die gleichen Eigentümer, die nicht in der Lage sind, die Baudenkmäler zu erhalten. Es kommt - darauf lege ich größten Wert - heute gerade darauf an, diejenigen Einkommensgruppen für ein Verbleiben bzw. für einen Umzug in die Innenstädte zu gewinnen, die an die Randzonen der Städte ziehen und das Ausbluten der Innenstädte bewirken. Niemand will die soziologischen Eigentümerstrukturen in den Innenstädten von Grund auf umkrempeln. Aber die Erfahrungen mit der Revitalisierung unserer historischen Altstadtkerne lehren, daß diese nicht ohne das Engagement der Einkommensgruppen erhalten werden können, die es sich leisten können und daran auch durchaus Interesse haben, die übernommene Bausubstanz sinnvoll zu nutzen. Der Verzicht auf die steuerliche Begünstigung auch der Anschaffungskosten bedeutet hier den Verzicht auf eines der wichtigsten und wirkungsvollsten Anreizmittel. ({1})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter Dr. Schneider, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Conradi?

Dr. Oscar Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002048, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte sehr, Herr Kollege Conradi.

Peter Conradi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000335, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Dr. Schneider, ist Ihnen entgangen, daß die Fachleute der Denkmalpflege, die wir dazu gehört haben, im Ausschuß erklärt haben, eine steuerliche Begünstigung der Anschaffungskosten bedeute eine steuerliche Begünstigung auch hervorragend erhaltener Baudenkmäler und nütze in Wirklichkeit unserer Zielsetzung, nämlich heruntergekommene, nicht gut erhaltene Baudenkmäler zu restaurieren, nichts, sondern stelle nur eine Verschleuderung öffentlicher Mittel dar?

Dr. Oscar Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002048, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Conradi, mir sind die Argumente der Denkmalschutzexperten durchaus bekannt. Wir beide waren selber Zeugen, als einer dieser renomierten Spezialisten berichtet hat. Ich fand seine Argumentation schon damals nicht schlüssig, und ich finde sie auch heute nicht schlüssig. Ich weiß aus eigener Anschauung, aus eigener Erfahrungspraxis, daß viele ältere Personen mit geringem Einkommen, die Eigentümer eines Gebäudes in der Stadt sind, dem denkmalschutzwürdiger Charakter zukommt, gerne bereit wären, ihr Haus denkmalschützerisch zu pflegen, dies aber nicht können. Sie haben dann einen Käufer - häufig aus der eigenen Familie -, der es finanziell nicht schaffen kann, der es aber schaffen könnte, wenn ihm der Staat steuerrechtlich entgegenkäme. ({0}) Ich glaube, an keinem Punkt ist fiskalisches Denken oder gar die kleinliche Sorge, jemand könnte einen ungerechtfertigten Steuervorteil erlangen, weniger am Platz als bei der Beurteilung der steuerlichen Anreize im Zusammenhang mit Maßnahmen des Denkmalschutzes. Was die genannten Gründe anlangt, die gegen die Einbeziehung der Anschaffungskosten in die Steuerbegünstigung sprechen, so kann ich nur ausschließlich fiskalpolitische Erwägungen gelten lassen, nicht aber die ausgerechnet von Denkmalschützern vorgetragenen Bedenken, die Begünstigung der Anschaffungskosten würde dem Gedanken des Denkmalschutzes eher schaden als nutzen. Der Finanzausschuß hält, weil mit dem Gesetz Neuland beschritten wird, eine Prüfung der damit gemachten Erfahrungen nach etwa drei Jahren für erforderlich. Ich begrüße diese Entscheidung des Finanzausschusses sehr, gibt sie uns doch Gelegenheit, nach dieser Zeit über die Erfahrungen zu sprechen. Ich bin ganz sicher, daß meine Ansicht von heute dann bestätigt sein wird. Das Nachdenken über weitere Verbesserungsmöglichkeiten darf und kann in der Tat keineswegs mit der Verabschiedung dieses Gesetzes enden. Aus dringenden städtebaulichen Interessen sind bei den weiteren Überlegungen insbesondere diese Fragen zu prüfen: Erstens ob und inwieweit die Einbeziehung der historischen Altstadtkerne, unterhaltenswerter Ensembles in die Steuerbegünstigung ermöglicht werden kann. Ich darf darauf hinweisen, daß der Deutsche Städtetag in einer einstimmig gefaßten Entschließung gefordert hat, das Wohnungsmodernisierungsgesetz dergestalt zu novellieren, nicht nur die Wohnungsmodernisierung, sondern auch die Verbesserung des Wohnumfeldes zu fördern, weil wir den Wegzug aus den Innenstädten dann nicht bremsen werden, wenn wir zwar Wohnungen modernisieren, aber das Wohnumfeld städtebaulich nicht so in Ordnung bringen, daß dieses Gebiet Lebensqualität gewinnt. Wir wissen, daß das Städtebauförderungsgesetz die Erwartungen nicht erfüllen kann, weil der Umfang der Sanierungsgebiete zu groß ist und weil die finanzielle Last zur Verwirklichung einer solchen Sanierungsmaßnahme in aller Regel nicht von der öffentlichen Hand und von den Privaten getragen werden kann. Zweitens. Wir haben zu prüfen, inwieweit sich die städtebaulichen und denkmalpflegerischen Wirkungen durch die Begünstigung auch der Anschaffungskosten verbessern lassen. Drittens haben wir zu prüfen, inwieweit sich die Abschreibungsbegünstigungen selbst durch eine Umstellung der Abschreibungssätze .effektiver gestalten lassen, beispielsweise von bisher 10 v. H. auf die Dauer von zehn Jahren auf eine Abschreibung von je 20 v. H. in den ersten und eine Restabschreibung von je 6 v. H. in den nächsten zehn Jahren. Schließlich muß in diese Überlegungen auch die Frage einbezogen werden, ob der Denkmalschutz - über die Entscheidung im Zusammenhang mit dem § 7 b hinaus - durch Erleichterungen bei der Grunderwerbsteuer verbessert werden kann. ({1})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat Frau Abgeordnete Matthäus-Maier.

Ingrid Matthäus-Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001436, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich meine, als erstes ist darauf hinzuweisen, daß es sich hierbei um das erste Steuergesetz in dieser Legislaturperiode handelt, das in der zweiten und in der dritten Lesung unstreitig durch den Bundestag geht. Nach den zum Teil heftigen Auseinandersetzungen in Steuerfragen sollte das ausdrücklich festgehalten werden. ({0}) Aus diesem Grunde war auch eine schnelle Behandlung 4m Plenum und im Finanzausschuß möglich. Ich erinnere daran: Nach der ersten Lesung im Bundestag am 29. September 1977 und zweimaliger Behandlung im Finanzausschuß sind wir heute bereits so weit, daß wir das Gesetz in zweiter und dritter Lesung verabschieden können. Ich finde es weiter erfreulich, daß durch eine Gesetzesinitiative des Bundesrates eine Zielsetzung der Regierungserklärung verwirklicht wird, nämlich die Erhaltung und Erneuerung unserer Städte und Gemeinden. Zusammen mit der Erweiterung des § 7 b zum 1. Januar 1977 und der entsprechenden Abschaffung der Grunderwerbsteuer _wird mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ein weiterer Schritt dahin getan, das Wohnen und Leben nicht nur in den Neubauvierteln am Rande der Städte, sondern auch in den älteren und ältesten Gebäuden attraktiv zu machen. Die langjährige Rechnung, daß es sich lohne, ein altes Gebäude abzureißen, um an seine Stelle ein neues zu setzen, stimmt nicht mehr. Langsam aber sicher hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, daß nicht nur für den betroffenen Eigentümer, sondern auch für die Allgemeinheit ein großes Interesse an der Erhaltung und Wiederherstellung älterer Gebäude besteht. Gesicht und Charakter einer Stadt, einer Gemeinde oder auch einer ländlichen Siedlung werden entscheidend von dem architektonischen Bild, von der architektonischen Gestaltung durch die vorausgegangene Generation geprägt. Diese Gestaltung macht das Bild einer Stadt lebendig und läßt Geschichte und Stil in den Gebäuden sichtbar werden. Leider sind schon zu viele alte Gebäude durch den Krieg zerstört worden; leider ist aber nach dem Kriege ein mindestens ebenso großer Teil durch Maßnahmen verkehrspolitischer Art oder im Rahmen der Stadtsanierung zerstört worden. Diese Maßnahmen waren nicht immer vernünftig. Deswegen ist es zu begrüßen, daß sich die Einsicht durchsetzt, daß die bestehende Bausubstanz in ihrer künstlerischen Ausdrucksform zu erhalten ist. Wir wissen mittlerweile, daß es nicht allein damit getan ist, künstlerisch wertvolle Gebäude durch Zuschüsse oder Übernahme in die öffentliche Hand zu mehr oder weniger musealen Gebäuden zu machen, sondern daß es darauf ankommen muß, sie in ihrem Charakter als Wohngebäude oder Wirtschaftsgebäude zu erhalten und für den heutigen Gebrauch herzurichten. Diesem Ziel dient der Gesetzentwurf, den die FDP-Fraktion voll unterstützt. Der Gesetzentwurf sieht eine Ergänzung des § 51 Abs. 1 Ziffer 2 des Einkommensteuergesetzes vor, der die Bundesregierung ermächtigt, Steuererleichterungen im Rahmen von Rechtsverordnungen vorzunehmen. Zweierlei ist vorgesehen: Erstens. Größere Aufwendungen zur Erhaltung von Gebäuden, die nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften Baudenkmäler sind, sollen steuerlich auf einen Zeitraum von zwei bis fünf Jahren verteilt werden können. Hier geht es um Erhaltungsaufwand, d. h. um solche Aufwendungen, durch die ein Gebäude in einem ordnungsgemäßen Zustand erhalten wird und durch die seine Wesensart nicht verändert werden soll. Der Erhaltungsaufwand ist normalerweise in voller Höhe sofort als Betriebsausgabe oder Werbungskosten absetzbar. Aber diese sofortige Absetzbarkeit beeinträchtigt in vielen Fällen die steuerliche Attraktivität, da sie voraussetzt, daß der Bauherr ein entsprechend hohes Einkommen hat. Wo das nicht der Fall ist, bei kleineren Einkommen, gehen dem Steuerpflichtigen durch die sofortige Absetzbarkeit Steuervorteile verloren, da er überhaupt nicht in der Lage ist, das Abschreibungsvolumen voll auszunutzen. Die vorgesehene Neuerung fügt sich im übrigen nahtlos in das schon vorhandene System des § 82 b und des § 82 h der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung ein, in denen eine entsprechende steuerliche Verteilung der Absetzbarkeit auf zwei bis fünf Jahre vorgesehen ist bei Erhaltungsaufwand für bestimmte Wohngebäude oder in Sanierungsgebieten nach dem Städtebauförderungsgesetz. Zweitens. Der Herstellungsaufwand an Baudenkmälern, d. h. die Aufwendungen, durch die ein Gebäude in seiner Substanz vermehrt, in seinem Wesen verändert oder aber über seinen bisherigen Zustand hinaus erheblich verbessert wird, soll mit erhöhten Absetzungen von bis zu jährlich 10 °/o abgeschrieben werden dürfen. Nach geltendem Recht kann der Herstellungsaufwand sofort voll abgeschrieben werden, wenn die Aufwendungen für die einzelnen Baumaßnahmen 3 000 DM im Jahr nicht überschreiten. Im Normalfall ist jedoch der entsprechende Aufwand jährlich nur mit 2,5 v. H. oder für nach dem 31. Dezember 1924 fertigestellte Gebäude mit 2 v. H. im Jahr absetzbar. Auch die neue Vorschrift durchbricht nicht etwa das bisherige steuerliche System der Absetzbarkeit bei Baumaßnahmen, sondern fügt sich wiederum nahtlos ein in das System des § 82 a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung, nach dem bei Gebäuden, die vor dem 1. Januar 1957 hergestellt worden sind und die zu mehr als 50 v. H. Wohnzwecken dienen, die Aufwendungen für den Einbau bestimmter Anlagen und Einrichtungen zehn Jahre lang zu 10 % abgesetzt werden können, und in das System des § 82 g der EinkommensteuerDurchführungsverordnung, eine Vorschrift, die für den Herstellungsaufwand in Sanierungsgebieten im Sinne des Städtebauförderungsgesetzes das gleiche vorsieht. Bisher fehlte eine entsprechende Regelung für Baudenkmäler. Wir schließen mit diesem Gesetzentwurf eine vorhandene Lücke. Zu den Voraussetzungen, unter denen dieses Gesetz greift, ist zu sagen, daß in den Beratungen des Finanzausschusses eine städtebaulich sinnvolle Einschränkung gegenüber dem ursprünglichen Gesetzentwurf vorgenommen wurde. Während im ursprünglichen Gesetzentwurf keine besonderen Anforderungen an die Art und Weise der Erhaltung oder der Herstellung vorgesehen waren, haben wir entsprechend den Anregungen im Innenausschuß hinzugefügt, daß steuerlich Aufwendungen nur dann bevorzugt behandelt werden sollen, wenn sie nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal und zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich sind. Dies bedeutet einmal, daß solche Aufwendungen nicht steuerlich gefördert werden, die zwar an einem Baudenkmal vorgenommen werden, aber, wie z. B. der Einbau einer großen Glasfront, das Baudenkmal architektonisch verschandeln. Das bedeutet aber zum anderen - darauf wurde bereits hingewiesen -, daß die Erhaltung des Baudenkmals auch dann steuerlich nicht gefördert wird, wenn zwar die Fassade renoviert, aber hinter der Fassade eine völlig anders- und fremdartige Nutzung vorgenommen wird, wie z. B. das Betreiben eines Kaufhauses. Meine Damen und Herren, das Vorliegen aller drei Voraussetzungen - die Denkmaleigenschaft des Gebäudes, die Erforderlichkeit der Aufwendungen zur Erhaltung des Gebäudes und die Erforderlichkeit der Aufwendungen zu seiner sinnvollen Nutzung - entscheidet die nach Landesrecht zuständige Stelle. Wir halten es für besonders sinnvoll, daß eine solche Entscheidung nicht von oben, sondern möglichst von der vor Ort zuständigen Stelle getroffen wird. Dabei ist für die Definition des Baudenkmals auf die Definitionen der in sechs Bundesländern bestehenden Denkmalschutzgesetze bzw. in drei Bundesländern vorhandenen Gesetzentwürfe verwiesen. Soweit, wie in Nordrhein-Westfalen, ein solches Gesetz oder ein solcher Gesetzentwurf nicht besteht, bleibt für diese Definition die jeweilige Ortssatzung verbindlich, eine Ortssatzung, wie sie z. B. in meiner jetzigen Heimatstadt Münster besteht, wo schon sehr frühzeitig mit sehr viel - -({1}) - Ich glaube, bei Münster wird jeder zustimmen. ({2}) - Wissen Sie, Herr Jahn, ich bin da Referendarin in der Verwaltung gewesen, und dort habe ich das persönlich miterlebt. Die Verwaltung hat schon frühzeitig auf Grund einer bestehenden Ortssatzung und mit sehr viel Voraussicht die schützenswerten Gebäude renoviert und erhalten, zu einem Zeitpunkt, zu dem in vielen anderen Städten noch der Kahlschlag vorherrschte. ({3}) - Ja, völlig richtig. ({4}) Sie haben doch gemerkt, daß ich heute eine sehr versöhnliche Rede halte, in der durchaus auch die CDU gelobt werden kann. Meine Damen und Herren, zu der Frage des Baudenkmals bleibt festzuhalten, daß auch solche Gebäude unter den Begriff Baudenkmal fallen, die zwar für sich allein keine Baudenkmäler sind, die aber in einem Verbund zur Erhaltung des kulturhistorischen Wertes eines solchen Ensembles notwendig sind. Auf diese Weise ist also auch die steuerliche Förderung von Einzelhäusern vorgesehen, wenn es die Eigenart der Umgebung erfordert. Diese Regelung beseitigt den Nechteil des Gesetzentwurfes aus der letzten Legislaturperiode, der die Abschreibung davon abhängig machen wollte, ob sich das Gebäude in einem bestimmten Verbund befindet. Dies hätte bewirkt, daß alleinstehende, aber für sich genommen kulturhistorisch wertvolle Gebäude nicht in die steuerliche Begünstigung einbezogen worden wären. Das war einer der Gründe, warum die FDP-Fraktion im letzten Bundestag den damaligen Gesetzentwurf abgelehnt hat. Es ist außerdem zu begrüßen, daß weder der Bundesrat noch die CDU/CSU-Opposition darauf bestanden haben, die Anschaffungskosten in diese steuerliche Vergünstigung einzubeziehen. Dies war nämlich in der letzten Legislaturperiode der zweite Grund, warum wir den damaligen Gesetzentwurf abgelehnt haben. Herr Dr. Schneider, ich möchte hier noch einmal betonen: Dies entspricht der Ansicht aller Denkmalspfleger im gesamten Bundesgebiet, die eine Steuervergünstigung auch für die Anschaffungskosten ausdrücklich abgelehnt haben, und zwar unter anderem mit dem Hinweis darauf, daß dies voll in den Preis eingehen würde, weil die Vergünstigung voll im Preis berücksichtigt würde und der Erwerber um so weniger für die Erhaltung tun könnte.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schneider?

Dr. Oscar Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002048, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin Matthäus, würden Sie mir zustimmen, wenn ich feststelle, daß es Aufgabe der Denkmalpflege ist, Fachvoten abzugeben, die das Thema Denkmalpflege selbst ange- hen, und daß es nicht ihre Aufgabe sein kann, in die fiskal- und steuerrechtliche Diskussion einzugreifen?

Ingrid Matthäus-Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001436, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich bin völlig anderer Ansicht als Sie. Ich glaube, daß die zuständigen und sachkundigen Denkmalspfleger durchaus dazu Stellung zu nehmen haben, ob die steuerlichen Förderungsmittel, die sich in der Diskussion befinden, zur Erreichung des Zweckes sinnvoll sind. Sie haben das aber für die Anschaffungskosten eindeutig verneint. ({0}) Außerdem hätte die Gefahr bestanden, daß sich Abschreibungsgesellschaften bilden. Auch die von Ihnen, Herr Stutzer, genannte Verlustklausel reicht zur Abwehr von Mißbrauchsmöglichkeiten nicht aus. Zugleich wäre ein Anreiz zu einem häufigen Eigentümerwechsel - z. B. alle fünf Jahre - geschaffen worden, und auf diese Weise wäre die Umschlaggeschwindigkeit ohne Not beschleunigt worden. Dies aber entspricht gerade nicht dem Gedanken, daß die Baudenkmäler möglichst im Gebrauch sein, in unmittelbarem Zusammenhang mit den Bewohnern stehen und nicht Objekt von Abschreibungsgesellschaften sein sollten. ({1}) Es ist uns sehr daran gelegen, den jetzigen Eigentümern, die meist eine ideelle Bindung an das Baudenkmal haben, seine Erhaltung durch steuerliche Vergünstigungen zu erleichtern. Außerdem hätte die Einbeziehung der Anschaffungskosten die Einschränkungen des § 7 b konterkariert, nämlich Objektbeschränkung, Höchstgrenze für die Aufwendungen und Beschränkung auf Eigentumswohnungen, Ein-und Zweifamilienhäuser. Ich möchte betonen, daß dieser Gesetzentwurf auch eine konjunkturpolitische und arbeitsmarktpolitische Wirkung hat. Die erhöhte Absetzung der Herstellungs- und Erhaltungskosten wird mit Sicherheit zu verstärkten Investitionen im Bau- und Ausbaugewerbe führen. Da dieser Bereich erfahrungsgemäß auch sehr personalintensiv und für kleinere Firmen interessant ist, hat dieser Gesetzentwurf auch eine willkommene beschäftigungspolitische und mittelstandspolitische Bedeutung. Abschließend möchte ich darauf hinweisen, daß dieses Gesetz allein den Zweck noch nicht erfüllt. Die Bundesregierung erhält ja nur die Ermächtigung, eine Rechtsverordnung zu erlassen. Deswegen fordern wir - ich nehme an, gemeinsam - die Bundesregierung auf, möglichst schnell für die entsprechende Ergänzung der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung um zwei Paragraphen zu sorgen. Außerdem sollte die Bundesregierung im Anschluß daran umfassend und zügig über diese steuerlichen Absetzungsmöglichkeiten informieren. Alle diese Regelungen zur steuerlichen Absetzbarkeit sind sehr kompliziert. Wenn nicht umfassend und gründlich darüber informiert wird, besteht die Gefahr, daß gerade diejenigen, für die wir diese steuerlichen Erleichterungen vorsehen, keinen Nutzen davon haben, da sie die steuerlichen Erleichterungen entweder nicht kennen oder auf Grund der Kompliziertheit nicht auszunutzen vermögen. Die FDP-Fraktion stimmt dem Gesetzentwurf zu. ({2})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Senator für das Bauwesen der Freien Hansestadt Bremen. Senator Seifriz ({0}) : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich vertrete hier eine Landesregierung, die, wie Sie sicher wissen, auch kommunale Verantwortung trägt. So etwas gibt es in unserem Verfassungsleben. Daß wir an einem solchen Gesetz besonders interessiert sind, versteht sich infolgedessen von selbst. Für den Senat der Freien Hansestadt Bremen darf ich hier zunächst erklären, daß wir die Gesetzesvorlage zur Erhaltung und Modernisierung kulturhistorisch und städtebaulich wertvoller Gebäude begrüßen und Sie, meine Damen und Herren, bitten, dieser Vorlage Ihre Zustimmung zu geben. Sie schließt eine empfindliche Lücke im reichhaltigen Gesetzesinstrumentarium zur besseren Gestaltung und Entwicklung unserer Dörfer und Städte. Was auf diesem Gebiet in den letzten Jahren erreicht worden ist, kann sich sehen lassen. Wer erinnert sich nicht an den Notruf des Deutschen Städtetages, Herr Kollege Dr. Vogel: „Rettet unsere Städte jetzt!"? Das ist seinerzeit Gott sei Dank in Ihrer Verantwortung geschehen. Inzwischen können wir feststellen, daß der Niedergang unserer Städte - ich finde, das sollte bei allen Kassandrarufen, die man sonst allerorten hört, hier einmal gesagt werden - nicht nur aufgehalten, sondern, daß Millimeter um Millimeter an Lebensqualität für die Bürger neu hinzugewonnen wurde. ({1}) Städtebauförderung, Modernisierung, Fußgängerzonen - das sind nur einige wenige, von jedem zu beobachtende und zu kontrollierende Aktivitäten aus dem Katalog vieler Bemühungen, die nicht zuletzt auch der historischen Stadtwelt zugute kommen. Wer heute - lassen Sie mich das ruhig einmal sagen - den Marktplatz zu Bremen mit den umgebenden historischen Bauten genießt, erlebt die Mitte einer Stadt in guter Luft und ohne Verkehrsängste. Wer sich heute den Stachus in München anguckt und mit den Zuständen vor noch wenigen Jahren vergleicht, weiß, daß hier ein erhebliches Stück Stadtqualität neu gewonnen worden ist. ({2}) Es stimmt einfach nicht, daß die Zerstörung unserer Städte fortschreitet. Ich weiß, daß ähnliche Beispiele in der Bundesrepublik, auch was unsere mittleren Städte angeht, leicht aufzuzählen sind. Ich meine, daß man dies einfach deswegen hier einmal sagen muß, weil unsere Kommunalpolitiker es verdient haben, daß man ihnen in ihrem Bemühen, den Städten neue Qualitäten zu geben, auch einmal Mut zuspricht. ({3}) Wesentliche Gesetzesinitiativen, die dazu beigetragen haben, sind hier schon erwähnt worden, z. B. das Städtebauförderungsgesetz zur Reaktivierung beschädigter Stadtquartiere, das Modernisierungsgesetz zur Erhaltung und Verbesserung der Wohnsubstanz - diesem Bund-Länder-Gesetz hat beispielsweise das Land Bremen ein Gesetz mit gleichem Finanzvolumen und zu gleichen Zwecken hinzugefügt - und vieles andere. Schließlich ist hier die Reform des Bundesbaugesetzes zu erwähnen, das dem Bürger breitere Mitwirkungsmöglichkeiten garantiert und uns besser als vorher in die Lage versetzt, Fehlentwicklungen in unseren Städten zu verhindern, z. B. eben wertvolle alte Häuser zu erhalten und notwendiges Grün in die Stadt zurückzubringen. Dieses Gesetzes soll also nicht in Konkurrenz zu bestehenden Gesetzen treten, sondern es soll sie ergänzen. Meine Damen und Herren, nach wie vor ist es richtig und notwendig, das Städtebauförderungsgesetz anzuwenden, wenn ein ganzes Quartier von Grund auf in Ordnung gebracht werden muß. So war es konsequent, die Geltung des heute zu behandelnden Gesetzes nicht auf zusammenhängende Gebiete zu beziehen, denn es soll ja eben einzelne Objekte besser als bisher fördern. Diesem Gesetzentwurf sieht man es nicht ohne weiteres an, daß er einen jahrelangen Vorlauf hatte. Ursprünglich sah er sehr viel umfassendere Regelungen vor. In diesem Falle ist es gelungen, den Hang zur Perfektion, wie ich meine, erfolgreich zu bekämpfen. Ich bin froh, daß es den Ländern - auch unter Berücksichtigung von wichtigen Beiträgen aus diesem Hohen Hause - gelungen ist, das Gesetzeswerk von Ballast zu befreien und es klarer und einfacher zu formulieren. Damit konnten auch die von diesem Hause zu Recht erhobenen Beanstandungen erledigt werden. Die Gleichbehandlung aller Bürger, die die -Vorteile dieses Gesetzes beanspruchen wollen, ist somit sichergestellt. Es ist also nunmehr möglich, Aufwendungen des einzelnen Bürgers für Baudenkmäler steuerlich abzusetzen. Diese Regelung geht von der richtigen Erkenntnis aus, daß wir die riesengroße Aufgabe, die alten und guten Bauten zu pflegen und nach heutigen Wohnansprüchen zu verbessern, nur bewältigen können, wenn die Bürger selbst ihre Verantwortung und ihr Interesse an dieser Aufgabe erkennen. ({4}) Dieses Engagement belohnt der Staat eben durch Mithilfe. Wie schon die Erweiterung der 7 b-Abschreibung fördert auch dieses Gesetz die Eigeninitiative der Bürger. Diese ist größer, als manche vielleicht noch vor Jahren vermutet haben. Was sie leisten kann, ist manchen alten Wohnquartieren in unseren Städten anzusehen. Es ist doch erstaunlich, mit wieviel Mühe und Engagement viele und gerade auch junge Leute heute aus unwohnlichen, mitunter schäbigen Gemäuern schmucke und hübsche Wohnhäuser geschaffen haben, ohne daß immer gleich auch die massive staatliche Hilfe dahintergestanden hat. Ich meine, daß wir diesen Trend fördern sollten. Dieses Gesetz ist, wie ich meine, ein wertvoller Beitrag und ein wertvoller Anreiz dazu. ({5}) Ich erkenne ausdrücklich an, daß der Bund bei dieser Gesetzesvorlage bereit ist, auf erhebliche Einnahmen -zu verzichten, um den Ländern und Gemeinden zu helfen, wertvolle Häuser zu erhalten. Für das Land Senator Seifriz ({6}) Bremen möchte ich hierfür meinen ganz herzlichen Dank sagen. Meine Damen und Herren, ein langer Hürdenlauf ist jetzt zu Ende, bei dem wir gemeinsam nach dem besten Weg gesucht haben. Im ersten Anlauf votierten neben anderen z. B. Bayern und Bremen für die Vorlage. Dabei sind, wie Sie wissen, so viele Gemeinsamkeiten zwischen diesen beiden auf Anhieb nicht zu erkennen - bis auf eine: Wertvolles und Altes mit Substanz bewahren und pflegen wir das ist im schönen Bayern und auch in Bremen zu sehen. Hingegen votierte gegen die erste Vorlage z. B. noch Rheinland-Pfalz. Uns Bremern sagt man nach, wir hätten Grund, zu diesem Thema zu sprechen. Dabei denkt man - ich sage das für die, die Bremen kennen - an den alten Schnoor, eines der ersten Nachkriegsbeispiele für die gelungene Erhaltung eines alten Quartiers. Wir sind heute noch ein bißchen stolz darauf und arbeiten auf Grund der Erfahrungen mit diesem Schnoor in anderen Stadtteilen in Bremen und Bremerhaven mit großem Einsatz für Erhaltung und Verbesserung. Natürlich sind weiterreichende Regelungen vorstellbar, als sie dieser Gesetzentwurf vorsieht.. Es muß aber nochmals gesagt werden: Das Gesetz soll Anreize schaffen. Es soll die Verantwortung der Bürger stärken, historische Bausubstanz zu pflegen. Es soll das umfassende Werk der Erneuerung und Erhaltung, das mitten im Gang ist, in unseren Dörfern und Städten ergänzen. Es ist wichtig für uns alle, Charakter und Identität unserer Städte zu wahren. Anonymität und Konformismus sind die ärgsten Feinde unserer Städte. Dieses Gesetz hilft, daß wir zusammen mit dem Bürger für sein Dorf und seine Stadt das Beste tun. Ich danke Ihnen und bitte Sie, diesen Gesetzentwurf anzunehmen. ({7})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Offergeld.

Rainer Offergeld (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001641

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich für die Bundesregierung einige abschließende Bemerkungen zu diesem Gesetzgebungsverfahren machen. Die Bundesregierung begrüßt die Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs. Er soll die private Bereitschaft fördern, bei der Erhaltung kulturhistorisch und städtebaulich wertvoller Stadtkerne und Gebäude mit Hilfe auch des privaten Kapitals mitzuwirken. Dieser Gesetzentwurf geht auf eine Initiative des Bundesrats zurück. Hier ist schon verschiedentlich von seiner' Geschichte gesprochen worden. Ich kann feststellen: Der Gesetzentwurf, den wir jetzt verabschieden, bringt gegenüber dem Gesetzentwurf, der in der vorigen Wahlperiode zur Debatte stand, viele Verbesserungen. Dazu zählt die Bundesregierung insbesondere die Tatsache, daß die Anschaffungskosten nicht mehr steuerlich gefördert werden. Dies ist, Herr Dr. Schneider, für uns nicht nur eine fiskalische Frage - obwohl das schon gewichtig genug wäre -, sondern auch eine städtebauliche Frage. Ich nehme nochmals auf das Bezug, was die Denkmalpfleger hierzu gesagt haben. Wir hätten, meine ich, überhaupt nichts davon, wenn wir mit steuerlichen Mitteln dazu beitragen würden, daß die Preise für diejenigen Gebäude steigen, deren Renovierung wir fördern wollen. Die Bundesregierung hält es generell für eine Verbesserung des Gesetzentwurfs, die zum Teil in den Ausschußberatungen erarbeitet wurde, daß die Denkmalpfleger ein maßgebliches Wort mitzusprechen haben, bevor steuerliche Vergünstigungen gewährt werden können. Die Denkmalpfleger müssen Art und Umfang der Aufwendungen als für die Erhaltung und für die künftige Nutzung sinnvoll bestätigen. Ich halte auch das für einen wesentlichen Fortschritt gegenüber dem ursprünglichen Gesetzentwurf. Es wurde nach diesen Verbesserungen möglich, dieses Gesetz im Bundestag rasch zu verabschieden. Im übrigen, Frau Matthäus-Maier, ist dies schon das zweite Steuergesetz, das hier nicht kontrovers verabschiedet werden kann. Soweit ich weiß, ging hier auch die Novellierung des § 7 b EStG ohne wesentliche politische Auseinandersetzungen über die Bühne.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Parlamentarischer Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Matthäus-Maier?

Rainer Offergeld (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001641

Selbstverständlich!

Ingrid Matthäus-Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001436, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Das habe ich selbstverständlich nachgeprüft. Erinnern Sie sich, Herr Staatssekretär, daran, daß in der zweiten Lesung der Novelle zum § 7 b mehrere Änderungsanträge von der Opposition gestellt wurden, die hier außerordentlich streitig behandelt wurden? ({0})

Rainer Offergeld (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001641

Auf Ihre freundliche Frage, Frau Kollegin, erinnere ich mich natürlich daran. Jedenfalls konnte letzten Endes - das ist ja kein Grundsatzstreit - auch der novellierte § 7 b einvernehmlich verabschiedet werden. Die rasche Beratung und die rasche Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs sind auch auf die Bemühungen des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalpflege zurückzuführen. Mehrere Politiker, auch Mitglieder dieses Hauses, wirken in diesem Komitee engagiert mit. In der Debatte wurde gesagt, dies sei ein erster Schritt zur Erhaltung wertvoller städtebaulicher und historischer Substanz. Dazu möchte ich betonen, daß es sich nur um eine von vielen Maßnahmen der Bundesregierung handelt. Die Bundesregierung hat im Rahmen des Städtebauförderungsgesetzes, des Parl. Staatssekretär Offergeld Wohnungsmodernisierungsgesetzes und besonders des in diesem Jahr verabschiedeten Zukunftsinvestitionsprogramms schon viel zur Erhaltung kulturhistorisch wertvoller Gebäude getan. Dabei muß man darauf hinweisen: Denkmalspflege ist im Grunde eine Aufgabe, die in erster Linie den Bundesländern zukommt. Gleichwohl hat die Bundesregierung in diesem Bereich vieles unternommen und viele Finanzmittel eingesetzt. In dem genannten Programm für Zukunftsinvestitionen sind 750 Millionen DM zur Erhaltung und Erneuerung ausgewählter historischer Stadtkerne vorgesehen. 90 Millionen DM sind zur Erhaltung und Erneuerung einzelner denkmalswerter Gebäude durch Aus- und Umbau von Wohngebäuden und über 230 Millionen DM zur Erhaltung und zum Wiederaufbau von Baudenkmälern und Kulturbauten vorgesehen. Von der Gesamtsumme trägt die Bundesregierung nahezu 400 Millionen DM. Es ist also nicht so, daß das Gesetz, das wir heute verabschieden, eine isolierte Maßnahme wäre. Es kommen eine Reihe anderer Maßnahmen auf haushalts- und steuerpolitischem Gebiet hinzu. Wir haben die Geltungsdauer des § 82 a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung - darauf ist in der Debatte schon zu Recht hingewiesen worden - erst vor kurzem verlängert. Auch diese Vorschrift trägt dem Anliegen dieses Gesetzentwurfs in bestimmten Bereichen Rechnung. Wir haben ferner den § 82 g der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung, der bei Baumaßnahmen in Sanierungsgebieten steuerliche Erleichterungen ermöglicht, die im Sinne dieses Gesetzentwurfs wirken. Schließlich haben wir zu Beginn dieses Jahres § 7 b des Einkommensteuergesetzes auf Altbauten ausgeweitet und dazu Grunderwerbsteuerbefreiung gewährt. Dies alles zusammengenommen trägt zu den Erfolgen bei, von denen hier der Senator der Stadt Bremen zu Recht gesprochen hat. Ich glaube, die Bundesregierung kann sich mit ihren Leistungen im Bereich der Städtesanierung sehen lassen. Die Bundesregierung hat alles getan, um Wohnen und Wohnumwelt in alten Städten und Gemeinden zu fördern und zu verbessern und damit das Leben dort attraktiv zu machen. ({0})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Wir kommen jetzt zur Einzelberatung und zur Abstimmung in zweiter Beratung. Ich rufe Art. 1 bis 3 in der Ausschußfassung sowie Einleitung und Überschrift auf. - Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - In der zweiten Beratung ist der Gesetzentwurf einstimmig angenommen. Wir treten in die dritte Beratung ein. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen. Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Jahn ({0}), Dr. Schneider, Nordlohne, Eymer ({1}), Francke ({2}), Lintner, Link, Luster, Dr. Möller, Niegel, Kolb, Frau Pack, Prangenberg, Sauter ({3}), Dr. van Aerssen und der Fraktion der CDU/CSU Privatisierung von Grund und Boden und von Sozialmietwohnungen - Drucksache 8/1010 -Überweisungsvorsthlag des Ältestenrates: Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau ({4}) Finanzausschuß Haushaltsausschuß Der Ältestenrat hat eine Redezeit von 90 Minuten vereinbart. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich vernehme keine gegenteilige Meinung. Es ist so beschlossen. Das Wort hat Herr Abgeordneter Jahn ({5}).

Dr. Friedrich Adolf Jahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001011, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem heute zur Beratung anstehenden Antrag verfolgt die CDU/CSU ihr ordnungspolitisches Ziel, privates Eigentum an Grund und Boden breiter zu streuen. Die breitere Streuung privaten Eigentums ist die freiheitliche Alternative zur Einräumung bloßer Nutzungsrechte durch die Gemeinden. Privates Eigentum gewährleistet persönliche Unabhängigkeit, wirtschaftliche Sicherheit und schafft einen gegen Geldentwertung geschützten Sachwert. Bund, Länder und Gemeinden sollen daher dazu beitragen, den Grund und Boden, den sie zur eigenen Infrastruktur nicht benötigen, im Interesse der breiteren Streuung privaten Eigentums an unsere Bürger wieder abzugeben, insbesondere an diejenigen, die erstmals bauen wollen. Meine Damen und Herren, wenn wir in den letzten Wochen mit unseren Anträgen und Großen Anfragen unsere eigentums- und wohnungspolitischen Vorstellungen entwickelt haben, dann haben wir uns permanent auch der Polemik des Ministers und gleichzeitigen Wahlkämpfers Ravens erfreut, der unsere Initiativen mit dem Satz kommentiert hat: Wiedersehen mit alten Bekannten, die längst auf erfolgreichem Wege sind. ({0}) Herr Minister, wir wissen, daß Sie dieser Satz wie ein Trauma begleitet, wenn Sie auf Kosten des Bundesetats, den die FDP hier in Bonn mitbeschlossen hat, in Niedersachsen gegen die FDP und natürlich gegen uns, auf Wahlkampfreise sind. Wir haben Verständnis dafür, daß Sie immer, wenn Sie Herrn Albrecht begegnen, diesen Satz spüren: Wiedersehen mit alten Bekannten, die längst auf erfolgreichem Wege sind. ({1}) Dr. Jahn ({2}) Wenn Sie - und davon gehe ich aus - nachher einige Erfolge in der Eigentumspolitik darlegen werden, die wir gemeinsam erreicht haben - Bausparförderung, steuerliche Vergünstigungen durch 7 b-Abschreibung, die Erweiterung der 7 b-Abschreibung auf bestehende Gebäude usw. -, dann dürfen wir darüber nicht hinweggehen, daß trotz dieses Bekenntnisses zur breiteren Eigentumsstreuung zwischen der Bundesregierung und uns und insbesondere zwischen der Sozialdemokratie und uns hinsichtlich der breiteren Streuung privaten Eigentums erhebliche Unterschiede bestehen. Wie war es denn, meine Damen und Herren - wenn wir uns das noch einmal ins Gedächtnis rufen -, als wir hier gemeinsam den Wohnbesitzbrief beraten haben? Wir haben gesagt, wir wollten kein Kapitalbeschaffungsgesetz für die großen Baugesellschaften, sondern wir wollten privates Eigentum für den „kleinen" Mann. Wir mußten dreimal in den Vermittlungsausschuß gehen, bis Sie endlich erkannten, daß, wer neben der Kostenmiete noch 15 % auf den Tisch legt, auch einen Rechtsanspruch auf Umwandlung seiner Mietwohnung in eine Eigentumswohnung haben muß. Dies haben wir erreicht. Es ist ein abschreckendes Beispiel, wie Ihre Stellungnahme beim Wohnbesitzbrief aussah. Ein zweiter Gedanke, Herr Minister: Wie war es denn eigentlich bei der Formulierung der Privatisierungsbestimmungen bei der Novellierung des Bundesbaugesetzes? Gemeinsam hab en wir vertreten, daß das Vorkaufsrecht der Gemeinden ausgedehnt werden sollte. Das haben wir dann auch gemeinsam beschlossen. Aber als es um die Frage ging, was dann mit dem Grund und Boden der Gemeinden zu geschehen habe, gingen die Wege auseinander. Wir sagten, Privatisierung bedeute Einräumung echten privaten Eigentums für unsere Bürger. Sie sagten dazu nein; aber Privatisierung wollten Sie auch. Das haben Sie gesagt, Herr Minister. Aber unter Privatisierung verstehen Sie eben etwas anderes. Sie sagten, Privatisierung heiße nicht nur Einräumung privaten Eigentums, sondern für die Sozialdemokratie heiße das gleichzeitig und ebenbürtig die Verleihung von Nutzungsrechten für die Gemeinden. Wir mußten wieder in den Vermittlungsausschuß gehen. Erst im Vermittlungsausschuß haben Sie sich dazu durchgerungen - ebenfalls unter dem Druck, unter dem Sie in der Öffentlichkeit standen -, zu sagen, daß Privatisierung auch künftig nach dem Bundesbaugesetz so zu verstehen sei, daß die Einräumung privater Verfügungsrechte, d. h. echten privaten Eigentums, den absoluten Vorrang vor der Einräumung von Nutzungsrechten habe. Schauen wir uns doch einmal die Schulbücher in sozialdemokratisch regierten Ländern an. Ich nenne nur eines, was 1972 in Frankfurt erschienen ist. ({3}) - Das Buch ist in Frankfurt gedruckt worden, und nach ihm wird an Schulen Hessens gelehrt. Ich weiß, daß Ihnen das nicht schmeckt. Ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten aus dem Lehrerband eines Arbeitsbuchs für den Sachunterricht im vierten Schuljahr. Dort heißt es auf Seite 10: Die Kinder sollen die Ideologie vom Einfamilienhaus hinterfragen und kritisch beurteilen lernen. Der Lehrer wird sich nicht scheuen dürfen, die verbreitete Einfamilienhausideologie in Frage zu stellen, falls die Kinder nicht selbst schon genügend Argumente gesammelt haben. Das Eigenheim, meine Damen und Herren, soll also möglichst vielen verleidet werden. Wer in einem wohnt, soll die Last neidisch vorwurfsvoller Blicke auf sich ziehen. Ich frage Sie, ob Sie nicht auch etwas dazu beitragen wollen, daß solche Schulbücher aus dem Verkehr gezogen werden. Wie sieht es denn in den Parteiprogrammen aus? Das Godesberger Programm, meine Damen und Herren, hat ein Kapitel „Agrarwirtschaft", dort heißt es auf Seite 17: „Das private Eigentum des Bauern am Boden wird bejaht." Das private Eigentum des Bauern am Boden! Warum nur in bezug auf den Bauern? Warum enthält die Magna Charta Ihres politischen Handelns, das Godesberger Programm, kein generelles Bekenntnis zum privaten Eigentum? ({4}) - Herr Kollege Wolfram, Sie werden vielleicht gleich nicht mehr lachen. Im Orientierungsrahmen 1985 steht der Satz: „Eine humane städtische Umwelt kann nur geschaffen werden, wenn die Gemeinden ein verbessertes Planungsrecht erhalten." ({5}) - Richtig, machen wir auch mit. Dann kommt aber der entscheidende Unterschied: „Eine verstärkte Verfügungsgewalt über Grund und Boden ist eine wesentliche Voraussetzung dafür." Hier liegt eben der entscheidende Unterschied zwischen Ihnen und uns, daß Sie Planung ständig mit Planwirtschaft verwechseln. ({6}) Zur Verwirklichung sachgerechter Städtebaupolitik müssen die Planungsmöglichkeiten des Bundesbaugesetzes genutzt werden, dürfen aber nicht - und darin unterscheiden wir uns - die Eigentumsverhältnisse am Grund und Boden monopolartig verändert werden. ({7}) Meine Damen und Herren, lassen Sie mich auch mal in Erinnerung rufen, was Sie auf dem Hannoveraner Bundesparteitag der SPD beschlossen haben - ich betone: beschlossen haben; das waren nicht irgendwelche Grundsätze. Dort haben Sie Regeln für den Umgang mit öffentlichem Boden beschlossen. Das ist genau das Gegenteil von Privatisierung. Dort heißt es nämlich: Für das Bundeseigentum am Boden ist gesetzlich festzulegen, daß ein Verkauf an Private grundsätzlich ausscheidet. Die Länderparlamente werden aufgefordert, das gleiche zu tun. Für die Kommune muß gelten, daß Boden nur in Dr. Jahn ({8}) unabweisbaren Fällen verkauft werden darf. Auch hier ist die Abgabe von Nutzungseigentum grundsätzlich vorzuziehen. Sobald all diese Maßnahmen in Kraft getreten sind, ist der Verkauf kommunalen Grund und Bodens nicht mehr zu rechtfertigen; dann darf kein kommunales Bodeneigentum mehr verkauft werden. - Ende des Zitats. Ich stelle hier fest, daß diese Beschlüsse das krasse Gegenteil der Privatisierung, zur breiten Streuung privaten Eigentums an Grund und Boden sind. Im Deutschen Bundestag stimmt die Sozialdemokratie 1971 mit uns zusammen für die Privatisierung von Grund und Boden. Auf dem Parteitag 1973, zwei Jahre später, tut sie genau das Gegenteil. Ich wäre wirklich dankbar, wenn dieser offenkundige Widerspruch hier von Ihnen angesprochen würde; dieser Widerspruch stellt Ihre Glaubwürdigkeit doch sehr in Frage. Wir haben auch noch nicht vergessen, daß Herr Koschnick für den SPD-Bundesparteitag 1975 in Mannheim das Modell zur Aufspaltung des Eigentums in Verfügungs- und Nutzungseigentum vorgelegt hat. Dann hat er einen Brief an den Parteivorstand geschrieben: Liebe Genossinnen und liebe Genossen! Die Arbeit ist getan. Die Mitglieder der Kommission ... halten auch die politische Bewußtseinslage in der Öffentlichkeit in diesem Fragenkomplex nicht für so vorbereitet, daß der politische Gegner daraus nicht im Augenblick die alte Verteufelungsmasche reiten würde. ({9}) Herr Kollege Wehner war es, der sagte: Meine Damen und Herren, ich warne vor noch so guten Gedanken, die gegenwärtig nicht in die politische Landschaft passen. Das heißt: Sie wollen das zwar, Sie wollen es nur jetzt nicht, weil die politische Bewußtseinslage in der Bevölkerung noch nicht so weit fortgeschritten ist - jetzt interpretiere ich Herrn Bahr -, daß sie es zuließe, die Wahrheit zu sagen. Das ist im Grunde Ihre Politik, und das muß einmal in diesem Hause deutlich angesprochen werden. ({10}) - Ja, das mag Sie hier bedrücken, Herr Wolfram. Das ist rot, das ist echte rote Politik. Die sollte hier einmal angesprochen werden. Insbesondere sollte der Widerspruch dargelegt werden. Je roter ein Apfel, desto größer die Wahrscheinlichkeit, daß darin der Wurm steckt. ({11}) Hier wollen wir einmal Beweis dafür antreten. Dieses Modell wurde dann nicht beschlossen, weil es nicht in die politische Landschaft paßt. Gleichwohl haben Sie dann ein kommunalpolitisches Grundsatzprogramm beschlossen, in dem es heißt: „Jede Gemeinde muß die Entscheidung über die Nutzung ihres gesamten Bodens erhalten." Das ist Ihre sozialistische Heilslehre. Wenn der Beifall hier kommt - und er ist gerade gekommen -, dann frage ich Sie, Herr Minister Ravens: Was gilt denn eigentlich für Sie, das Privatisierungsbekenntnis des Ministers dieser Bundesregierung oder das Antiprivatisierungsbekenntnis des Parteigenossen' Karl, der in den nächsten Tagen in den Bundesvorstand der SPD aufrücken will? Hierauf erwarten wir hier eine klare Antwort. ({12}) - Herr Kollege Wehner, allein in der Tatsache, daß Sie mir Ihre Aufmerksamkeit schenken, ({13}) sehe ich eine gewisse Bedeutung. ({14})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter, ich unterbreche Sie! - Herr Abgeordneter Wehner, Sie haben einen so reichen Wortschatz, Sie könnten auch einen anderen Ausdruck verwenden. Der soeben von Ihnen gebrauchte scheint mir nicht klassisch-parlamentarisch zu sein.

Dr. Friedrich Adolf Jahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001011, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, die gesteckten Ziele, möglichst viel Eigentum an Grund und Boden auf die Gemeinden zu überführen und eben nicht zu privatisieren, hat die deutsche Sozialdemokratie nicht aufgegeben, ja, sie werden hier im Hohen Hause mit Beifall quittiert. Dann taucht eben die Frage auf: Was sagt die Bundesregierung, der Minister zu diesen Diskrepanzen? Nur die Methoden ändern sich offensichtlich. Sie werden sich ja in diesen Tagen mit einem neuen Programm auseinandersetzen müssen, nämlich mit einer Parteitagsvorlage für Ihren Parteitag in Hamburg, in der das „städtebauliche Erbbaurecht" auf einmal aus der Retorte gezaubert werden soll, was im Grunde, meine Damen und Herren, mit dem herkömmlichen Erbbaurecht wenig, nur ganz wenig zu tun hat. Ist es denn nicht so, daß die Gemeinde allein bestimmt, was sogenannte Problemgebiete sind? Können diese nach dem Modell nicht beliebig ausgedehnt werden? Ist es nicht so - darauf hätte ich gern eine Antwort -, daß Überführung in das städtebauliche Erbbaurecht im Klartext nichts anderes heißt als Überführung des Eigentums an Grund und Boden durch Rechtssatz auf die Gemeinden? Ist es nicht so, daß der Erbbaurechtsnehmer nach diesem Modell ausschließlich einem Monopolisten gegenübersteht, der den Preis alternativlos diktieren kann?. Sie nennen das dann die Gleichbehandlung der Interessenten. ({0}) Und ist es nicht so, daß der, der Geld hat, der die Planung realisieren kann, seinen Grund und Boden behalten darf, daß aber der, der keine finanziellen Mittel hat, zur Übereignung seines Grund und BoDr. Jahn ({1}) dens innerhalb dieses Problemgebietes an die Gemeinde gezwungen wird? Meine Damen und Herren, der kleine Mann wird bestraft, ({2}) wahrlich ein Kraftakt aus Ihrer ideologischen Küche. Was hat dies noch mit „sozial" zu tun? ({3}) Herr Kollege Wolfram, die sozialistische Welt ist keine soziale. ({4}) Das haben wir immer gesagt. Nur eines, Herr Wolfram: In Ihrer Parteitagsvorlage - Sie können es ja noch ändern - steht in der Tat, daß der, der die Planung realisiert hat, d. h. der, der das Geld hat, seinen Grund und Boden behalten darf. Derjenige, der kein Geld hat, wird also gezwungen, seinen Grund und Boden auf die Gemeinde zu übertragen, sofern dieses Gebiet in diesem Problemgebiet liegt. ({5}) Ich möchte Sie nur darauf aufmerksam gemacht haben. Überlegen Sie sich, ob Sie so etwas zu Ihrem Parteitagsbeschluß erheben. ({6}) Meine Damen und Herren, dies alles hat mit Privatisierung, zu der Sie sich verbal immer bekennen, absolut nichts zu tun. Die SPD-Modelle betreffend „Nutzungseigentum" und „städtebauliches Erbbaurecht" beinhalten begrifflich kein Eigentum. Ihre Bezeichnung als Eigentumsmaßnahme ist Etikettenschwindel. Denn diese Nutzungsrechte beinhalten nicht die Nutzung eigenen, sondern die Nutzung fremden Eigentums. Wer wie Sie für bestimmte Problemgebiete bei nicht realisierter Nutzung die Kommunalisierung und eben nicht die Privatisierung des Grund und Bodens fordert, will insoweit breitgestreutes Privateigentum abschaffen und die Gemeinden zu Feudalherren alter Prägung machen. Wolfram [Recklinghausen]. [SPD]: So ein Quatsch!) Diese Modelle, meine Damen und Herren, führen nicht zu mehr Bodenrecht, sondern zu mehr Boden ohne Recht.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abegordneten Conradi?

Dr. Friedrich Adolf Jahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001011, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte schön, Herr Conradi.

Peter Conradi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000335, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Dr. Jahn, haben Sie vergessen, daß wir im Bundesbaugesetz gemeinsam, d. h. mit Ihren Stimmen, eine Regelung verabschiedet haben, nach der der Gemeinde ein Enteignungsrecht an Grundstücken zusteht, um die plangerechte Nutzung dieser Grundstücke zu sichern, und räumen Sie mir ein, daß dieser Bestimmung gegenüber, die wir mit Ihnen beschlossen haben, der Vorschlag, ein Erbbaurecht für solche Grundstücke einzuführen, ein sehr viel milderer ist?

Dr. Friedrich Adolf Jahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001011, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Conradi, zu dem, was wir im Bundesbaugesetz beschlossen haben, stehen wir. Ich hätte nur die Bitte, daß Sie das, was Sie dort gemeinsam mit uns beschlossen haben, mit Ihren Parteitagsbeschlüssen synchron schalten. Dann wäre Ihre Anfrage berechtigt. ({0}) Meine Damen und Herren, Eigentumsprobleme entstehen nur dort, wo das Eigentum des einen die Freiheit des anderen beeinträchtigt, ({1}) und diesen Konflikt löst unsere Verfassung bereits, nämlich durch die Sozialbindung und durch die entschädigungspflichtige Enteignung. ({2}) Bei jeder Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums sind die Individualinteressen in ein ausgewogenes Verhältnis mit den Belangen der Gemeinschaft zu bringen. ({3}) Wer jedoch - wie Sie - den Staat einseitig als Verwalter gesellschaftlicher Interessen und nicht gleichzeitig auch als einen Streiter für individuelle Bedürfnisse sieht, verkehrt die Sozialpflichtigkeit des Eigentums in ihr Gegenteil. ({4}) - Von diesem Staat, in dem Sie Parteiprogramme machen! ({5}) - Ich wäre Ihnen dankbar, Herr Kollege Wolfram, wenn Sie irgendein Zitat, das ich hier vorgelegt habe, widerlegten. Ich bin bereit, Ihnen für jedes Zitat den Originalbeweis anzutreten. ({6}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Recht auf Eigentum an Grund und Boden ist ein unverzichtbares Prinzip unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaftsordnung. Das private Eigentum erweitert den Freiheitsraum für die persönliche Entfaltung sowie für die eigenverantwortliche Gestaltung und Zukunftsvorsorge des Bürgers. Andererseits - das ist unsere Auffassung - führt die Konzentration der Verfügungsgewalt über Eigentum bei den Gemeinden, wie Sie dies offensichtlich wollen, zu einer Abhängigkeit des Bürgers und damit zu einer Einschränkung des individuellen Freiheitsspielraums. Privateigentum sorgt für Machtpluralismus und vermindert die Gefahr des Machtmiß4250 Dr. Jahn ({7}) Brauchs. Deshalb sagen wir: Nicht die Kommunalisierung, sondern die Privatisierung von Grund und Boden entspricht den Wünschen unserer Bürger. ({8}) - Herr Kollege Wolfram, um noch ein klein wenig zu repetieren: All das, was die Gemeinden für die eigene Infrastruktur nicht benötigen, sollen sie privatisieren, und deshalb, so meine ich, sollten Sie mit Zwischenrufen dieser Art vorsichtiger umgehen. ({9}) Der zweite Teil unseres Antrages bezieht sich auf die Privatisierung von Sozialwohnungen. Möglichst viele Mieter, die dies wollen, sollen in die Lage versetzt werden, Eigentümer ihrer jetzigen Sozialwohnung zu werden. ({10}) denn Eigentum an der eigengenutzten Wohnung ist und bleibt der beste Mieterschutz. ({11}) Die Bundesregierung wird daher ersucht, einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch den der Erwerb von Eigentum an Sozialwohnungen vor allem den einkommensschwächeren Teilen der Bevölkerung erleichtert wird. Insbesondere durch eine Umwandlung von Mietwohnungen aus geeigneten Beständen von Privaten und Wohnungsunternehmen in Eigentumswohnungen und durch deren Verkauf an die Mieter zu Preisen, die sehr günstig liegen sollen, eröffnen sich neue Möglichkeiten der individuellen privaten Eigentumsbildung. Meine Damen und Herren, der Bundesbauminister kommentiert unsere Initiative mit den Worten, die von der CDU/CSU geforderte Privatisierung sei ohne Zweifel ein wichtiger Beitrag zur verstärkten Eigentumsbildung; nur übersehe die Opposition, daß die Bundesregierung eine solche Privatisierung durch neue Bestimmungen attraktiv gemacht hat. Wir müssen uns auch hier einmal darüber klarwerden, was an der Aussage des Ministers Dichtung und was Wahrheit ist. Zunächst einmal, Herr Minister Ravens, haben Sie Grundsätze zur Umwandlung sozialer Mietwohnungen in Eigentumswohnungen ausgearbeitet, und darauf weisen Sie immer hin. Ist es aber nicht so, daß Sie auf die Veröffentlichung dieser Grundsätze verzichtet haben, ({12}) weil nicht alle Länder zugestimmt haben? ({13}) Trifft es nicht zu, Herr Minister, daß Sie am 10. April 1975 im Deutschen Bundestag die Privatisierung vorhandener Sozialwohnungen kategorisch abgelehnt haben? ({14}) Wenn Sie sagen, es sei falsch, dann erlaube ich mir, mit Genehmigung des Präsidenten das Zitat vorzulesen. Sie sagten wörtlich - ich zitiere -: Lassen Sie mich zwei Punkte hervorheben, bei denen ich der Opposition widersprechen muß. Da geht es zum einen um die Forderung der Opposition, die Privatisierung vorhandener Sozialwohnungen zu erleichtern und dafür Anreize zu bieten. Wer den sozialen Wohnungsbau ernst nimmt, kann für diese Forderung kein Verständnis aufbringen. Das ist ein wörtliches Zitat. ({15}) Dann stellen Sie sich heute hier hin und singen das Lied der Privatisierung von Sozialwohnungen und sagen auch noch, das stimme nicht! Ich muß hinzufügen: Mehr Glaubwürdigkeit stünde einem Wahlkämpfer gut an. ({16}) Wenn Sie dies bestreiten, Herr Minister, frage ich Sie weiter: Haben nicht Ihre politischen Freunde am 4. Mai 1977 im Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau einen Antrag vorgelegt, in dem es unter anderem heißt - hieraus geht wieder einmal die ganze Zielrichtung erkennbar hervor -: Wegen der speziellen Zweckbestimmung für die allgemeine Wohnungsversorgung soll die Veräußerung umgewandelter Wohnungen nicht forciert werden. Gerade der vorhandene Bestand an preiswerten sozialen Mietwohnungen wird weiterhin dringend benötigt. Dieser Antrag bezweckte eben nicht die Förderung der Privatisierung; vielmehr sollten durch diesen Antrag der Privatisierung Korsettstangen eingezogen werden. Den Kollegen von der FDP - das wollen wir auch einmal öffentlich sagen - haben wir es zu verdanken, daß dieser Antrag nicht zur Abstimmung gestellt wurde. Ausnahmsweise, Herr Kollege Gattermann, hat einmal die Liberalität über die Koalitionstreue gesiegt. ({17}) Meine Damen und Herren, unser Antrag berücksichtigt nicht nur ein ordnungspolitisches und eigentumspolitisches Anliegen, sondern gleichzeitig auch ein konjunkturpolitisches Gebot. Der Verkäufer der Sozialwohnungen wird in der Regel den Erlös wieder für Bauinvestitionen verwenden, und der Erwerber wird besondere Anstrengungen für die Modernisierung der von ihm zu Eigentum erworbenen bisherigen Mietwohnung erbringen. Dies, meine Damen und Herren, ist zugleich ein wichtiger Beitrag nicht für staatliche, sondern für private Daseins- und Zukunftsvorsorge. Dies ist ein wichtiger Punkt auch in der ordnungspolitischen Auseinandersetzung. Für viele von uns gehört es eben zum Selbstverständnis, den Lebensabend nicht von der staatlichen Fürsorge, sondern von dem, was man im Leben selbst geschaffen hat, bestreiten zu können. ({18}) Dr. Jahn ({19}) Deshalb geht es auch nicht an, daß uns, wenn wir nach verstärkten Anreizen für private Investitionen rufen, der Minister im Ausschuß sagt: Sie verkennen dabei, daß diese Bundesregierung ja die Rentenversicherung für die Selbständigen erweitert hat! Meine Damen und Herren, wir wollen mit unserem Antrag die Privatisierung von Sozialwohnungen nicht erschweren, sondern durch zusätzliche finanzielle Anreize fördern; denn ohne Anreiz für private Investitionen geht es im Wohnungsbau, geht es in der gesamten Wohnungsbaupolitik nicht wieder bergauf. Die mangelnde Investitionsbereitschaft hat diese Bundesregierung zu verantworten. Mangelnde Investitionsbereitschaft überall im Lande und auch in der Wohnungsbaupolitik ist nicht in erster Linie eine Frage mangelnden Geldes, sondern eine Frage mangelnden Vertrauens unserer Bürger in die Freiheit unserer zukünftigen Gesellschaftspolitik, in die Zukunft unserer freien Gesellschaftsordnung. Dafür werden wir weiterhin eintreten. ({20})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Abgeordnete Krockert.

Horst Krockert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001221, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Antrag der CDU/CSU soll ja, wie Sie aus der Tagesordnung wissen, an die Ausschüsse zur Beratung überwiesen werden, und zwar federführend an den Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Die Einzelheiten dieses Antrags, alle 20 Punkte, die darin stehen, werden wir dort gründlich beraten. Ich sehe deshalb keinen Sinn darin, dies hier in der Plenarsitzung zu tun. Ich habe irgendwo gelesen, daß der Herr Präsident des Deutschen Bundestages sich gerade wieder einmal darum bemüht, daß die Plenarsitzungen interessanter gestaltet werden. Auf deutsch heißt das wahrscheinlich: weniger langweilig. Mit dem Herrn Kollegen Jahn bin ich deshalb der Auffassung, daß wir die Plenarsitzungen nicht dazu benutzen sollten, dem Hause eine Ausschußsitzung vorzuführen, in der sich die Experten gegenseitig ihre Expertisen widerlegen. Ich werde deshalb auf ihn eingehen. Im Ausschuß allerdings werden wir uns gegenseitig die Gründlichkeit nicht ersparen, Herr Kollege Jahn. Sie wird im wesentlichen darin bestehen, daß wir genaue Vergleiche anstellen, und zwar Vergleiche mit Bestimmungen, die bereits gelten, mit der Praxis, die bereits im Gange ist. Wir werden beispielsweise die christdemokratische Forderung, der Erwerb von Sozialwohnungen dürfe nur freiwillig erfolgen, der Verkauf nur an Mieter und nicht gegen den Willen der Mehrheit der Mieter in einem Mehrfamilienhaus, vergleichen mit den geltenden Richtlinien des Bundes und der Länder, nach denen der Erwerb von Sozialwohnungen nur freiwillig erfolgen darf, der Verkauf nur an Mieter und nicht gegen den Willen der Mehrheit der Mieter in einem Mehrfamilienhaus. Wir werden ebenso den CDU/CSU-Vorschlag, Darlehen an Kinderreiche bis zu 10 000 DM zu geben, vergleichen mit dem geltenden Verteilungsschlüssel für Bundesmittel, wonach Darlehen an Kinderreiche bis zu 25 000 DM gewährt werden sollen. Wir werden weiter das Ersuchen der CDU/CSU an die Bundesregierung, sie solle Grund und Boden verbilligt abgeben, vergleichen mit unserem Gesetz von 1971 und den alljährlichen Berichten der Bundesregierung, wonach die Bundesregierung seit Jahren Grund und Boden verbilligt abgibt. Wenn wir das gemacht haben, 20 Punkte hindurch, abgeklopft, verglichen mit dem, was im Gange ist, wenn wir, mit anderen Worten, festgestellt haben, wie viele Eulen bereits in Athen sind und dort schon länger friedlich nisten, dann werden wir sehen, was an Volksbeglückung durch „Privatisierung" übrigbleibt. ({0}) Damit bin ich bei dem großen Credo - ({1}) - Das wird gleich deutlich werden, Herr Kollege. Das ist doch der eigentliche Hintergrund. Sehen Sie einmal, das große Credo der Privatisierung ist uns doch gerade auf dem Hintergrund dieser schwarzen, düsteren Folie der sogenannten „Kommunalisierung" vorgeführt worden. Warum, wieso ist das denn möglich? „Privatisierung" - es hat doch keinen Sinn, daß wir nur diesen einen Antrag anstaunen, sondern man muß doch die ganze Partitur christdemokratischer Politik dazu nehmen, die unter dem Stichwort Privatisierung hier im Lande gehandelt werden soll. ({2}) Da soll mit allen Glocken geläutet und nach Möglichkeit mit allen Orgeln getönt werden: „Privatisierung". ({3}) Mit dieser Fahne ziehen die CDU/CSU-Politiker landauf, landab umher und wedeln den Bürgern damit vor der Nase herum. Warum eigentlich? Was soll nicht alles privatisiert werden? Wir haben vorhin einen richtigen Zwischenruf gehört: Da werden von Ihren Politikern ganze Kataloge gehandelt, von der Müllabfuhr bis zu den Schulen. Ich übertreibe nicht. Was da alles drin ist, was da alles durch das Sieb geschüttelt und daraufhin abgeklopft wird, ob es nicht auch noch aus dem großen Steinbruch des Gemeinwohls zugunsten privater Gewinne herauszuholen ist! Natürlich wird das geprüft, und es bleibt nicht alles in dem Füllhorn, was erst darin enthalten war. Es bleiben nur die Dinge für die Privatisierung drin, die tatsächlich Gewinn abwerfen. Auf den anderen Dingen mag die Gemeinde ruhig sitzen bleiben und sehen, wie sie damit fertig wird, wie sie das finanziert! ({4}) Das ist Ihre Privatisierung, das ist Ihre große Wundertüte, das Füllhorn, mit dem Sie den Bürgern vor der Nase herumfuchteln. Dazu gehört auch Ihr jetziger Antrag. Man könnte die Dinge ja anders nennen: Veräußerung von Sozialwohnungen von Privaten an Private. Was denn sonst? Nein, das muß „Privatisierung" heißen, damit der Zusammenhang mit dieser großen Volksbeglückungslehre erkennbar wird. Das gleiche gilt für die verbilligte Veräußerung von Grund und Boden, ({5}) wozu der Bund, die Länder und auch die Gemeinden verpflichtet werden sollen, weil sie soviel, offenbar viel zuviel davon haben. ({6}) Es muß „Privatisierung" heißen. Warum? Es muß so heißen - das ist im Grunde gar nicht ungeschickt -, weil die Semantiker oder die Semantologen der CDU/CSU ziemlich gut wissen, welcher Gefühlswert an diesem Begriff des Privaten hängt. ({7}) In der Tat sind die schönsten Dinge im Leben privater Natur. ({8}) Wer wollte das bestreiten? Klatschen Sie nicht! Deshalb brauchen die ja auch nicht „privatisiert" zu werden! ({9}) Das ist der entscheidende Punkt. Die CDU/CSU möchte nämlich den Eindruck erwecken: Lieber Bürger, dein privates Glück könnte viel größer sein; aber da ist so ein dickfelliger Staat, und da ist so eine geizige Gemeinde, die dir ein Stück von deinem privaten Glück vorenthalten wollen, ({10}) und da muß eine CDU/CSU kommen, um dir, Bürger, zu diesem Rest von Glück zu verhelfen. Gemeinwohl hin, Gemeinwohl her, es genügt, wenn dafür die Reste zusammengekratzt werden, die für das Private nicht unbedingt benötigt werden. Das ist die Privatisierung der CDU/CSU. Ich werfe diesen Parteien vor: Sie suchen nicht gewissenhaft danach, wie das Gemeinwohl und das Bürgerwohl in ein vernünftiges Gleichgewicht gebracht werden können, sondern sie suchen danach, wie man private Wünsche gegen das Gemeinwohl mobilisieren kann! ({11}) Dem dient Ihr Privatisierungsfetisch, und dem diente auch die Rede des Kollegen Jahn. Daraus resultieren. solche Sätze wie der, der schon in der Begründung steht und den Sie hier noch einmal wiederholt haben: „Nicht die Kommunalisierung, sondern die Privatisierung von Grund und Boden entspricht den Wünschen unserer Bürger." ({12}) In dem großen Füllhorn sind also auch noch Grundstücke für den Bürger enthalten! Was für einen Türken haben Sie mit dieser sogenannten „Kommunalisierung" schon wieder aufgebaut, Herr Kollege! Das stimmt doch alles nicht. Wenn Sie unsere Parteitagspapiere lesen, dann dürfen Sie sich dabei nicht auf den Kopf stellen; sonst lesen Sie alles verkehrt herum. Das geht nicht. Wir haben in der sozialdemokratischen Politik niemals vorgehabt und haben es auch künftig nicht vor, Bürgern allein aus dem Grunde etwas wegzunehmen, weil wir uns einbilden, in der Hand des Staates oder auch in der Hand der Gemeinde sei dies grundsätzlich _in besseren Händen. Es geht, wie Sie vorhin in einer Zwischenfrage sehr richtig erfahren konnten, darum - diesen Grundsatz haben Sie selbst mit anerkannt -, daß eine Gemeinde in die Lage versetzt wird, bestimmte Nutzungen auch tatsächlich durchzusetzen. Um nichts anderes geht es bei dem, was wir jetzt wieder vorliegen haben und was Sie als städtebauliches Erbbaurecht hier nun madig machen wollten. Es geschieht doch keine „Kommunalisierung", sondern in ganz bestimmten Problemgebieten, die förmlich festzulegen sind - ({13}) - Ich bitte um Entschuldigung; ich kann Ihnen auch die ganze Geschichte rückwirkend aufblättern. Ich bleibe dabei: Die sozialdemokratische Partei wollte niemals Bürgern etwas wegnehmen, weil sie meinte, die Gemeinde könnte damit besser umgehen, sondern wir wollen umgekehrt das Gemeinwohl in diesem Falle durch ganz bestimmte Nutzungen, die aus städtebaulichen Gründen erforderlich sind, sichern und trotzdem private Nutzung ermöglichen, sogar in der Form des Eigentums! ({14}) Wenn Sie die Geschichte mit dem städtebaulichen Erbbaurecht richtig lesen, dann wissen Sie, daß auch hier das Eigentum im Vordergrund steht und daß sich das Erbbaurecht erstens auf die Vergabe von Grund und Boden bezieht, der ohnehin in der Hand der Gemeinde ist. Da wird nichts „kommunalisiert". Hören Sie doch mit dieser Spiegelfechterei auf! Die zweite Möglichkeit besteht in den Ausnahmefällen, in denen in diesen Problemgebieten Grundstücke zur Sicherung der Nutzung zusammengelegt werden müssen. ({15}) - Das bestimmt derselbe, der jetzt schon nach der von uns gemeinsam beschlossenen Novelle zum Bundesbaugesetz feststellt, daß eine ganz bestimmte Nutzung und daß deshalb beispielsweise eine Enteignung erforderlich sind. Das haben wir schon miteinander verabschiedet; Herr Kollege Conradi hat Sie in seiner Zwischenfrage schon darauf hingewiesen! Daran kommen Sie nicht vorbei. Sie versuchen, das, was die Sozialdemokraten wollen, dauernd als gegen die Interessen des Bürgers gerichtet zu diffamieren. Ich werfe Ihnen vor, daß Ihre Politik gegen die Interessen des Gemeinwohls gerichtet ist. ({16}) Was die Christdemokraten mit ihrem Privatisierungsfeuerwerk wollen, das kann man an einer ganz bestimmten Stadt ablesen: Wiesbaden. Ich komme da her, das ist mein Wahlkreis. ({17}) Deshalb darf ich einmal davon reden; ich mache das sonst nicht.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter, gestatten Sie, bevor Sie auf Ihre engere Heimat kommen, noch eine Zwischenfrage? ({0})

Horst Krockert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001221, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Jahn.

Dr. Friedrich Adolf Jahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001011, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Krockert, wie können Sie mir den Widerspruch erklären, der darin besteht, daß Sie 1971 im Deutschen Bundestag mit uns zusammen ein Gesetz und zusammen damit auch einen Entschließungsantrag verabschiedet haben, der davon ausgeht, daß Grund und Boden von Bund, Ländern und Gemeinden, soweit er nicht selbst benötigt wird, an die Bürger veräußert wird, und daß Sie 1973, also zwei Jahre später, einem Parteitagsbeschluß die Zustimmung geben, der lautet: „Für das Bundeseigentum an Boden ist gesetzlich festzulegen, daß ein Verkauf an Private grundsätzlich ausscheidet."?

Horst Krockert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001221, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das kann ich Ihnen sagen. Das war ein Parteitagsbeschluß, und ich pflege in der Tat manchmal bei uns in der Partei Beschlüssen zuzustimmen, die in ihrer Zielsetzung über das hinausreichen, was wir hier innerhalb einer Legislaturperiode realisieren können. ({0}) - Dies ist gar kein Gelächter wert. Ich geniere mich nicht, hier festzustellen, daß ich in der Tat der Auffassung bin, daß öffentlicher Grund und Boden nur in den Fällen veräußert werden soll, in denen er wirklich entbehrlich und in denen das als erforderlich und dringlich nachgewiesen ist. Ich bitte Sie! Weshalb ist denn überhaupt das Erbbaurecht eingeführt worden und wird auch von den Gemeinden praktiziert? Weshalb erweitern wir jetzt - bzw. haben dies als Partei vor - dieses Erbbaurecht um den städtebaulichen Bereich? Doch aus keinem anderen Grunde als zur Herstellung - wovor Sie sich dauernd drücken - der Balance zwischen Gemeinwohl und Bürgerwohl. Dies soll so verwirklicht werden, damit die Gemeinden dabei nicht die Zügel aus der Hand verlieren, wie es doch in der städtebaulichen Entwicklung der letzten Jahre erfolgt ist. ({1}) Meine Damen und Herren, Sie kommen nicht darum herum, ich muß Ihnen diese Wiesbadener Geschichte schildern, wo die Politik, die wir hier übrigens gemeinsam mit Städtebauförderungsgesetz und Novelle zum Bundesbaugesetz angestrebt haben, in der Praxis realisiert wurde, bevor diese Vorschriften entstanden. Das ist nun vorbei. Es gibt seit einiger Zeit eine CDU-Mehrheit in dieser Stadt. Der erste Schritt war in der Tat der, daß die Erbbaurechtsverfügung abgeschafft wurde: Städtischer Grund und Boden muß wieder veräußert werden. Das Ergebnis ist sagenhaft. Vorher haben diejenigen Schlange gestanden- denn allzu viele von solchen Grundstücken gibt es ja nicht, das wissen Sie ja auch -, die sich einen Erbbauzins leisten konnten, und zwar mit Sozialstaffel, die es dafür in Wiesbaden gibt. Jetzt stehen die anderen Schlange, die sich großstädtische Grundstückspreise leisten können! Jetzt haben wir die wieder. ({2}) Sie haben eine andere Klientel als wir. ({3}) - Privatisierung nennt sich das. Das hängt auch mit dem anderen zusammen, was in Wiesbaden inzwischen wieder als Privatisierung durchgesetzt werden soll, nämlich dem Recht der Chefärzte zur privaten Liquidierung. Das wird nun wieder eingeführt ({4}) mit der Begründung - hören Sie es sich an - der CDU in Wiesbaden: „Wer es sich leisten kann, soll sich einen Chefarzt kaufen." Privatisierung, meine Damen und Herren, da haben wir es! Wenn Sie das einmal zusammengefaßt nachlesen wollen: Der „Spiegel" hat sich in seiner letzten Ausgabe der Sache angenommen. ({5}) Er hat dazu eine Überschrift gefunden, die eigentlich treffender nicht sein kann: „Klientenwirtschaft statt Gemeinwohl". ({6})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter - Krockert ({0}): Nein, jetzt bitte nicht mehr. Ich stehe unter Zeitdruck wie wir alle.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Gut, Sie können ablehnen, aber wenn ich Sie anspreche, bitte, reagieren Sie. Danke!

Horst Krockert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001221, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Mein Lämpchen leuchtet nämlich schon auf. ({0}) Meine Damen und Herren, ich halte das für eine treffliche Übersetzung des CDU-Kampfrufes „Freiheit statt Sozialismus". Es ist wirklich besser, zu sagen: „Klientenwirtschaft statt Gemeinwohl". Es trifft die Sache besser. Lassen Sie mich noch einen Blick in Ihre Begründung werfen. Das ist kurz gemacht. Da haben Sie sich folgenden Satz entfahren lassen: Familienheim und eigengenutzte Eigentumswohnung bilden den besten Mieterschutz. ({1}) - Sie bestätigen das auch noch. ({2}) Sie merken gar nichts. Es ist für Sie überhaupt kein Problem mehr. Das zeigt aber glasklar, wie Sie den wirklichen Mieterschutz, d. h. den Schutz des Mieters, werten, welche Rangordnung er bei Ihnen einnimmt. ({3}) Für Sie ist er zu einer Art Abfallrecht für Habenichtse geworden. ({4}) Dem widersprechen wir, meine Damen und Herren. Das können Sie und das werden Sie mit uns nicht machen. Für uns ist und bleibt der beste Mieterschutz der Schutz des Mieters, nämlich seiner Rechte in einem Mietverhältnis mit einem Vermieter. Wir werden jede Eigentumsbildung fördern, so gut es geht und soweit die Mittel reichen. ({5}) Aber wir machen daraus keine Ideologie, durch die der Mieter zu einem Wohnbürger zweiter Klasse degradiert wird. Das tun Sie mit solchen Sätzen wie diesem hier. ({6}) Ich fasse zusammen. Wir Sozialdemokraten verweigern keine Diskussion über vernünftige Vorschläge, auch nicht im Zusammenhang mit diesem Antrag. ({7}) Aber zu einem Ausverkauf des Gemeinwohls werden wir nicht die Hand reichen, und daran werden Sie uns auch in den Ausschußberatungen wiedererkennen. ({8})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gattermann.

Hans H. Gattermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000637, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Herr Dr. Jahn, ich verdanke Ihnen eine biologische oder auch medizinische Erkenntnis aus dem ersten Teil Ihrer Rede, nämlich: Die Qualifikation eines Generalisten ist offenbar ansteckend. ({0}) Sie haben hier Zielsetzungen genannt, Sie haben sich mit Parteiprogrammen befaßt. Ich meine, in diesem Hause geht es darum, Ihren Antrag an Hand der praktizierten Regierungspolitik und der praktizierten Politik dieser sozialliberalen Koalition daraufhin zu untersuchen, inwieweit hier Notwendiges oder Überflüssiges gesagt worden ist. ({1}) Ich will versuchen, bei dem Antrag zu bleiben, und nicht der Versuchung erliegen, mich auf das Schattenboxen einzulassen, das Sie hier praktiziert haben. Sie haben drei Zielsetzungen Ihres Antrags genannt. Sie haben zunächst das ordnungspolitische Ziel genannt, privates Eigentum an Grund und Boden sowie an Wohnungen breiter zu streuen. 1972 - Sie kennen diese Zahl - wurden 35,8 % aller Wohnungen von deren Eigentümern bewohnt. Diese Zahl dürfte zwischenzeitlich nicht ganz unerheblich gestiegen sein. Wenn uns das Ergebnis des hier unlängst beschlossenen Wohnungsstichprobengesetzes vorliegt, werden wir sehen, in welchem Umfang diese Eigentumsquote gestiegen ist. Ich darf aus § 1 Abs. 2 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes, wie immer diese Formulierung entstanden ist - um einem möglichen Einwand vorzubeugen -, zitieren, wo wir gemeinsam postuliert haben: Die Förderung des Wohnungsbaues soll überwiegend der Bildung von Einzeleigentum ({2}) dienen. Zur Schaffung von Einzeleigentum und Dauerwohnsitz sollen Sparwille und Bereitschaft zur Selbsthilfe angeregt werden. Meine Damen und Herren, wenn wir uns jetzt noch bei Ihrer Formulierung „breitere Streuung" quantitativ darauf verständigen können, was die richtige Eigentumsquote ist - die richtige Eigentumsquote nämlich insofern, als sie für die notwendige Harmonie zwischen der Wohnungsversorgung, auch was die Rechtsform betrifft, einerseits und die Voraussetzungen der aus arbeitsmarktpolitischen Gründen gebotene Mobilität andererseits sorgt -, dann gibt es in diesem Hohen Hause bei Ihrer ordnungspolitischen Zielsetzung im Gegensatz zu dem, was Sie hier dargestellt haben, eine breite Übereinstimmung. Als zweites Ziel, Herr Dr. Jahn, haben Sie genannt, daß bei einer Ausweitung dieser Eigentumsquote vorrangig einkommensschwächere Bevölkerungsschichten berücksichtigt werden sollen. Genau gemäß dieser Zielrichtung ist gearbeitet worden, wie Sie feststellen werden, wenn Sie in die von uns verabschiedeten Gesetze hineinschauen. Ich nehme an, daß Herr Minister Ravens das noch näher ausführen wird. Auch bei dieser Zielsetzung gibt es allenfalls graduelle Unterschiede. Auch was den letzten Punkt betrifft, nämlich die Mobilisierung öffentlichen und privaten Kapitals, um konjunkturpolitische Impulse für den Baumarkt zu geben, gibt es keine wesentlichen Unterschiede. Meine Damen und Herren, lassen Sie uns diesen Antrag nun etwas näher anschauen, um die Prognose zu rechtfertigen, daß dieser Antrag nicht als das von Ihnen geschnürte Bündel und ganz sicherlich nicht in dieser Form die Ausschußberatungen passieren wird. Lassen Sie mich vier Anmerkungen dazu machen. Sie wollen den Grundstücksmarkt durch attraktive Angebote der öffentlichen Hand bereichern. Fürwahr, eine lobenswerte Absicht! Soweit der Bund hier aber unmittelbar angesprochen ist, muß man ja wohl zunächst einmal einschränkend sagen, daß nur die Grundstücke gemeint sein können, die im Bereich qualifizierter Bebauungspläne oder als Lücken im Bereich von im Zusammenhang bebauten Ortsteilen vorhanden sind. Das grenzt die Zahl schon erheblich ein. Sie erwähnen in Ihrem Antrag dann selbst das hier 1971 verabschiedete Grundstücksverbilligungsgesetz. Wenn Sie sich jetzt einmal anschauen, wie auf Grund dieses Gesetzes von der Bundesregierung gehandelt worden ist, müssen Sie zur Kenntnis nehmen, daß seitdem 165,4 ha bundeseigener Grundstücke mit einem Erlös von 39,4 Millionen DM, bei denen ein Nachlaß von 15,4 Millionen DM gewährt worden ist, verkauft worden sind. Der Bund hat übrigens auch schon vor Inkrafttreten dieses Gesetzes entsprechend gehandelt, indem nämlich weitere 1 221,3 ha bundeseigenen Grund und Bodens an Private verkauft worden sind. Wenn man in die Überlegungen jetzt noch einbezieht, daß heute noch allenfalls 250 ha zur Verfügung stehen, von denen die meisten für individuelle Eigentumsmaßnahmen nicht geeignet sind, merkt man so ungefähr, in welche Richtung Ihr Antrag zielt. Die zweite Anmerkung: Sie wissen doch ganz genau, daß der Bund überhaupt nicht der richtige Ansprechpartner ist. Sie wissen doch, daß der richtige Adressat für Ihren Wunsch die Länder und die Gemeinden sind. ({3}) - Und andere Grundstücksbesitzer auch! Wir fragen uns jetzt also, was ein neuer Appell, den diesmal die Bundesregierung aussprechen soll, bewirken soll. Sie haben es vorhin selbst in einer Zwischenbemerkung erwähnt: Bei der Verabschiedung des Gesetzes im Jahre 1971 hat dieser Bundestag einen Entschließungsantrag angenommen, in dem Länder und Gemeinden aufgefordert wurden, Grundstücke an Private zu veräußern. Wenn Sie diesen Appell jetzt neuerlich als Appell des Bundestages formuliert hätten - Sie haben es nicht getan; Sie haben die Bundesregierung aufgefordert -, wäre die ganze Fragwürdigkeit solcher Appelle sichtbar geworden. Es wäre insbesondere auch das parteipolitische Dilemma sichtbar geworden, in dem Sie stecken. Warum wirken Sie denn eigentlich nicht auf Ihre politischen Freunde in den Ländern und in den Gemeinden ein, mehr Grundstücke zu erschließen und verbilligt an Private zu veräußern?

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Hans H. Gattermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000637, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte, Herr Dr. Schneider.

Dr. Oscar Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002048, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Gattermann, ist Ihnen bekannt, daß gegenwärtig für etwa 100 Millionen Menschen innerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland Bauland baurechtlich qualifiziert ist, daß also das von Ihnen angeschnittene Problem durch die Erschließung von mehr Land nicht zu lösen wäre? ({0})

Hans H. Gattermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000637, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Dr. Schneider, ich kann die Zahl nicht bestätigen. Sie ist mir neu. Ich wäre an der Quelle interessiert. Wir können uns dann später über die Bewertung dieses Tatbestandes unterhalten. Warum appellieren Sie nicht an Ihre politischen Freunde in den Gemeinden und in den Ländern, mehr Bauland zur Verfügung zu stellen? Schließlich ist es ja eine Tatsache, daß eine Unzahl von Gemeinden und Kreisen christdemokratisch und christlich-sozial regiert werden, ebenso - Gott sei es geklagt - auch eine erhebliche Anzahl von Ländern. ({0}) Nutzen Sie doch dort Ihren politischen Einfluß aus und ersparen Sie es uns hier derartige Schaufensteranträge behandeln zu müssen! ({1})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wolfram?

Erich Wolfram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002558, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, wollen Sie mir bestätigen, daß ein völlig falscher Eindruck entsteht, wenn immer wieder versucht wird, so zu tun, als seien die Gemeinden die Großgrundbesitzer? ({0}) Der Besitz ist doch wohl in ganz anderen Händen. Der Appell der CDU/CSU mußte sich in erster Linie an ihre politischen Großgrundbesitzer-Freunde richten.

Hans H. Gattermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000637, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege, ich bestätige Ihnen selbstverständlich gern, daß Grund und Boden in diesem Land nur zum geringsten Maß im Eigentum öffentlicher Hände ist. ({0}) - Auch dazu sage ich „Gott sei Dank".

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter, ich mache Sie vorsichtshalber darauf aufmerksam, ,daß bei verabredeten Redezeiten die Zwischenfragen nicht auf die Redezeit angerechnet werden.

Hans H. Gattermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000637, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herzlichen Dank! Ich dürfte - vielleicht auch mit Genehmigung des Herrn Präsidenten - die angemeldete Zeit ohnehin etwas überziehen, da ich als einziger Redner meiner Fraktion heute hier auftreten werde, weil ja wohl noch eine zweite Runde vorgesehen ist. ({0}) Ersparen Sie uns also solche Schaufensteranträge! Meine dritte Anmerkung: Sie haben Ihr Herz für die Umwandlung von Sozialmietwohnungen und deren Veräußerung an die Mieter entdeckt. Wir werden - Herr Krockert hat bereits darauf hingewiesen - im Ausschuß Gelegenheit nehmen, Punkt für Punkt zu vergleichen, was in den Bund-Länder-Vereinbarungen und in den Richtlinien steht, und was Sie vorschlagen. Sie werden dann eine erhebliche Übereinstimmung feststellen. Wenn Sie in Ihre Überlegungen aufnehmen, daß durch die Erweiterung des § 7 b überhaupt erst ein Markt hierfür geschaffen ist, dann werden Sie sich wie der Hase in jener Fabel vorkommen, der mit dem „Ich bin all hie" des Igels konfrontiert wird. ({1}) Die vierte Anmerkung: Soweit Sie durch Ihren Antrag steuerliche Hindernisse für die Veräußerung umgewandelter Sozialwohnungen abbauen wollen und soweit Sie die vorzeitige Rückzahlung öffentlicher Finanzierungsdarlehen anregen wollen und soweit Sie Fragen einer möglichen Hilfe bei der Eigenkapitalfinanzierung vorsehen, werden wir uns im Aus- schuß mit Ihnen vorurteilsfrei darüber unterhalten und prüfen, ob dies geeignete Instrumente sind, um die Schaffung von Haus- und Wohnungseigentum des einzelnen Wohnbürgers zu fördern, um privates und öffentliches Kapital für die Wiederbelebung des Wohnungsmarkts zu mobilisieren und um eine realistische Hundert-Prozent-Finanzierung von Eigentumsmaßnahmen für einkommensschwächere Bevölkerungsteile durchzuführen. Dabei verhehlen wir nicht unsere Sympathie für Ihren Wunsch, einkommensteuerrechtliche und gewerbesteuerrechtliche Hemmnisse für die Umwandlung und Veräußerung von Sozialwohnungen bei der freien Wohnungswirtschaft abzubauen. ({2}) Es ist- in der Tat nicht einzusehen, warum der Verkauf eines Hauses mit zehn Sozialwohnungen durch einen privaten Eigentümer steuerrechtlich irrelevant ist, während derselbe Verkaufsvorgang nach Umwandlung ({3}) an zehn Mieter dieser Wohnungen ({4}) erhebliche Gewerbesteuer- und Einkommensteuerzahlungsverpflichtungen auslöst. ({5}) - Das ist ein winziger Punkt. Ich sage dazu gleich etwas, Herr Dr. Jahn! Wir werden sorgfältig prüfen, ob es hier eine steuersystematisch saubere Lösung gibt, die auch finanzierbar ist und die auch nicht - das ist wichtig, auch wenn Sie das vielleicht nicht so gern hören - einen Totalausverkauf von Sozialwohnungen provoziert. ({6}) Meine Damen und Herren, Herr Krockert hat es schon angesprochen: In der schriftlichen wie in der mündlichen Begründung haben Sie, Herr Dr. Jahn, Mieterschutz und Eigentum in einen Zusammenhang gebracht. Lassen Sie mich dazu zwei Feststellungen treffen und zwei Anmerkungen machen. Die erste Feststellung: Die Schaffung einer solchen wechselseitigen Beziehung zwischen Eigentumsmaßnahmen und Mieterschutz halten wir in der gesellschaftspolitischen Diskussion für unzulässig. ({7}) Die zweite Feststellung: Für Mietwohnungen muß der prinzipielle Mieterschutz unangetastet bleiben. ({8}) Nun zwei klarstellende Anmerkungen. - Ich weiß; ich will es nur ausdrücklich sagen. - Dies hindert nicht - nach der Analyse der Rechtsprechung zum Eigenbedarf -, zu prüfen, ob die Gesetzesformulierung die Vermieterinteressen ausreichend abdeckt. ({9}) Weiter hindert es nicht, das Gesetz zur Regelung der Miethöhe zu prüfen und gegebenenfalls zum geeigneten Zeitpunkt im Sinne einer praktikablen, marktgerechten Mietanpassungsmöglichkeit zu modifizieren. Ich muß zum Schluß kommen, meine Damen und Herren. Sie sehen an dieser Bereitschaft, daß wir Vorschläge nicht deshalb verwerfen, Herr Kollege Dr. Jahn, weil sie von der Opposition stammen. Im Gegenteil, wir unterziehen uns der Mühe, mögliche richtige Denkansätze aus dem herauszufiltern, was mein Kollege Wurbs in einer Presseerklärung „verspätete abgelieferte Schularbeiten" genannt hat. ({10})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat Herr Abgeordneter Francke ({0}).

Klaus Francke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Rede des Kollegen Krockert läßt eigentlich die Schlußfolgerung zu, daß es bei der Debatte dieses Antrags gar nicht so sehr um den Gegensatz zwischen Gemeinwohl und dem geht, was wir hier vortragen. Ich glaube vielmehr, der tiefere Kern Ihrer Unruhe im Gegensatz zu Ihrem sonstigen Verhalten im Ausschuß resultiert aus der Tatsache, daß Sie genau bei dieser Gesetzesvorlage erneut demonstrieren, daß für Sie Gemeinwohl nur dann gegeben ist, wenn es nahtlos mit sozialistischen Ideen Ihrer Partei übereinstimmt. ({0}) Eine zweite Bemerkung mache ich zunächst zu dem Kollegen Conradi. Es sind keinesfalls alte Kamellen, die wir auftragen, sondern es handelt sich um die Tatsache, daß überall da, wo Sozialdemokraten in Stadtverwaltungen und Landesregierungen sitzen, nicht nur geltendes Recht zur Reprivatisierung nicht ausgeschöpft wird, sondern das Gegenteil erfolgt. Sie handeln nämlich genau entgegen schon bestehenden Bestimmungen und auch entgegen den Notwendigkeiten des Gemeinwohls. Herr Kollege Conradi, es geht doch gar nicht darum, daß wir eventuell gegen das Enteignungsrecht seien. Nur machen Sie aus dem Enteignungsrecht eine allgemeine Enteignungspflicht der Gemeinden. Genau das wollen wir nicht. Im Gegenteil,- uns geht es um einen größeren Anteil der Reprivatisierung. Wenn Sie sich die Verhältnisse in der Bundesrepublik ansehen, dann können Sie doch nicht bestreiten, daß der Anteil der Eigentumsmaßnahmen bei uns deutlich geringer ist als in allen anderen vergleichbaren europäischen Ländern. Er ist in den letzten Jahren nicht gestiegen, sondern im Grunde konstant geblieben. Es wird eben deutlich - ich zitiere noch einmal, was der Herr Bundesminister in diesem Zusammenhang zur Privatisierung von Sozialwohnungen gesagt hat -: Diese Bundesregierung will es nicht. Genau hier ist unser politischer Ansatz. Nun ein Wort zu Ihnen, Herr Gattermann. ({1})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Klaus Francke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Im Hinblick auf die mir zur Verfügung stehende Redezeit nicht. Da Herr Conradi schon angedeutet hat, im Ausschuß darüber im Detail zu diskutieren, will ich seine Frage gern dann beantworten. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zur Begründung des Antrags noch folgendes sagen. Wir sind uns über den insgesamt vorhandenen Zustand im Wohnungswesen doch einig. Möglicherweise sind wir uns aber auch in der Tatsache einig, daß es eine besondere Situation in den Großstädten gibt, die u. a. durch eine hohe Abwanderung ins Umland gekennzeichnet sind. München hat seit 1972 25 000 Einwohner verloren. Meine eigene Vaterstadt hat allein in den letzten zehn Jahren 160 000 Einwohner verloren. Wenn man nach den Gründen forscht, liegt das nicht nur an der Unwirtlichkeit der Städte, sondern insbesondere an der Tatsache, daß zu wenig Möglichkeiten, Eigentum zu erwerben, gegeben sind. Das hat nicht nur negative Auswirkungen auf das Steueraufkommen und damit auf die Fähigkeiten der Kommunen und der Länder, ihre Zukunftsaufgaben finanzieren zu können, sondern es hat auch entscheidende Nachteile für den Altersaufbau der Gemeinden. Es muß uns um eine Revitalisierung der Gemeinden und Städte gehen. Das geht primär nur durch den Wohnungsbau. Da ist eine der entscheidenden Möglichkeiten - gerade um dem Willen des Bürgers gerecht zu werden -, mehr Eigentum zu schaffen. Als Beispiel zur Untermauerung, daß unser Antrag auf der Linie dessen, was ich als Gemeinwohl, als die Umsetzung eines Bürgerwunsches bezeichnen möchte, liegt, möchte ich Sie mit einem Ergebnis einer Untersuchung in Hamburg zu diesem Thema vertraut machen. Wir haben dort in den vergangenen Jahren Bürger befragt, ob sie eigentlich in Mietwohnungen leben wollten oder ob sie sich Eigentum schaffen wollten. Wir haben innerhalb kürzester Zeit 15 000 Bürger gefunden, die sich Eigentum schaffen wollen. Davon sind - und das ist viel interessanter - 9 700 Gehalts- und Lohnempfänger. 55,7 °/o der Bürger, die sich gemeldet haben, sind solche, die heute in Sozialwohnungen leben und aus diesem Status herausmöchten, um für sich und ihre jungen Familien eigene Häuser bauen zu können. Dazu wollen sie primär sogar Baugrundstücke haben. Ich meine aber auch, daß von Wichtigkeit ist, daß sich der gleiche Personen- kreis - ungefähr 70 °/o der Befragten - in den vergangenen Jahren einen hohen Eigengeldanteil bereits erspart hat, um diese Absicht umsetzen zu können, und sich in einem Alter zwischen 31 und 40 Jahren befindet. Wenn also die Politik darauf ausgerichtet sein soll, zu einer Wiederbelebung der Städte und nicht zu ihrem Ausufern in den Randzonen beizutragen, wenn es darum geht, den Wunsch des Bürgers im Bereich des Wohnungsbaus zu befriedigen, dann ist das ganz eindeutig nur durch mehr Eigentum erreichbar. Dieses bekräftigen allein die Zahlen für Hamburg. Meine Damen und Herren, wie man dann davon sprechen kann, daß unser Antrag, Bund, Länder und Gemeinden sollten mehr Grundbesitz privatisieren, Francke ({0}) gegen das Gemeinwohl gerichtet sei, ist nicht zu verstehen. ,Diese Logik können Sie nicht erklären und haben Sie auch hier heute nicht erklären können. Ich sage noch einmal: Wir werden mit unserem Antrag genau dem Gemeinwohl, dem Wunsch des einzelnen Bürgers, in diesem Staat auch durch dessen Hilfe seine privaten Wünsche umsetzen zu können, gerecht. ({1}) Zu dem zweiten Teil des Antrages, Privatisierung der Wohnungen, lassen Sie mich folgendes sagen: Wer wirklich nicht nur mit einer rosaroten Brille durch die Gegend geht, sondern auch einmal zuhört, wenn sich der Bürger mit seinen Wünschen in Bürgerversammlungen artikuliert, der wird auch festgestellt haben, daß die Zahl derjenigen, die Zweifel daran hegen, ob es sinnvoll ist, über 15 oder 20 Jahre eine stets steigende Miete zu zahlen und dafür aber nichts, nicht einmal den Türdrücker, zu bekommen, steigt. Es geht uns darum, auch hier einem berechtigten Anliegen der Bürger nachzugeben und festzulegen, daß es auf zweierlei Weise möglich ist, Eigentum zu schaffen, einmal dadurch, daß man mehr Grund und Boden zur Verfügung stellt, und zum anderen dadurch, daß man die Sozialwohnungen - jedenfalls zu großen Teilen - an die in diesen Wohnungen lebenden Mieter übereignet. Jetzt noch eine Bemerkung zu Herrn Gattermann: Herr Gattermann, es geht in diesem Gesetzentwurf überhaupt nicht darum, den Mieterschutz aufzuheben. Wenn Sie in den Antrag freundlicherweise noch einmal hineinsehen würden oder wenn Sie zugehört hätten, was der Kollege Jahn gesagt hat, würde Ihnen klarwerden, daß es darum geht, nur den Mietern die Wohnungen anzubieten, die heute in diesen Wohnungen leben und den Wunsch haben, diese Wohnungen käuflich zu erwerben. Ich meine, wir tun aus vielerlei Gründen, insbesondere aber aus gesellschaftspolitischen Überlegungen, das Richtige, wenn wir einem Wunsch breiter Schichten der Bürger in unserem Lande Rechnung tragen, statt stur auf alten überholten parteipolitischen Ansichten stehenzubleiben, wie das ganz offensichtlich der Kollege Krockert will. ({2})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau.

Karl Ravens (Minister:in)

Politiker ID: 11001785

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Jahn, wenn es üblich wäre, im Plenum des Deutschen Bundestages eine Kopfbedeckung zu tragen, dann würde ich den Hut jetzt ziehen, nicht aus Respekt vor dem Antrag, sondern - ich wiederhole das noch einmal, weil es Ihnen so viel Freude macht um alte Bekannte zu begrüßen, die seit langem auf einem guten Weg sind. ({0}) - Sehen Sie, Kontinuität in der Politik ist ein ganz wichtiger Faktor. Es geht hier nicht nach dem Motto „Öfter mal was Neues". Ich habe den Eindruck, dieser Antrag geht nach dem Motto, öfter Dinge, die schon lange laufen, hier in den Bundestag zu bringen, um dann mit der großen Keule draufzuhauen und so zu tun, als sei das die Neuentdeckung der Welt. ({1}) Der Deutsche Bundestag hat nach einer sehr sorgfältigen Debatte - ich will das gern nach zwei Abschnitten aufgliedern - klargestellt, wann, unter welchen Voraussetzungen und zu welchem Zweck den Gemeinden bei voller Aufrechterhaltung ihrer Planungshoheit, die ihnen ja nach der Verfassung zugesichert ist, Veräußerungen in Eigentum oder in anderen Formen möglich ist. Dies waren einstimmige Beschlüsse des Deutschen Bundestages. Der Deutsche Bundestag hat zweitens ({2}) - Ja,. Sachdebatte interessiert Sie nicht, ich weiß, Sie möchten gern den großen Hammer. Den werden Sie nicht kriegen. Der Deutsche Bundestag hat zweitens in diesem Bundesbaugesetz sehr sorgfältig festgelegt, wann, zu welchem Zweck die Gemeinde auch zugunsten Dritter Enteignungen vornehmen kann. Das heißt, hier sind im Gesetz vor einem knappen Jahr alle Regelungen verabschiedet worden, die Sie nun, Herr Kollege Jahn, in eine Richtung hineininterpretieren, als sei es nötig, sie noch einmal durch einen Antrag den Gemeinden unter die Nase zu halten. Ich bin zutiefst davon überzeugt, daß die Vertreter in den Gemeinden, die dort gewählte Parlamentarier sind, in der Verantwortung vor ihren Bürgern jeweils auf der Grundlage ordnungsgemäßer Planentscheidungen ihrer Gemeinden ganz genau wissen, was sie und in welchem Umfang sie es tun können. Wir haben im Bundesbaugesetz gleichzeitig gesagt, daß sie nicht willkürlich planen und verkaufen dürfen, sondern daß die Planung mit den städtebaulichen Zielen der Gemeinden in Übereinstimmung stehen muß. Ich glaube, dabei sollten wir es belassen. ({3}) - Im übrigen, Herr Kollege Möller: 1971 hat der Deutsche Bundestag beschlossen, daß Bundesbesitz zur Veräußerung, Vermietung und Verpachtung freigestellt werden kann, wenn es um den sozialen Wohnungsbau geht, mit einem Preisabschlag bis zu 30 % beim Verkauf, wenn es um Verpachtung geht, mit einem Pachtnachlaß bis zu 50 %. Wenn Sie nun jedes Jahr die Berichte des Finanzministeriums - durchlesen würden, die uns zugehen, dann würden Sie sehen: dies geschieht bereits! Wir können doch nicht die Zugspitze verkaufen um darauf ein Eigenheim zu bauen, oder das Teufelsmoor oder Munsterlager, wo die NATO-Truppen üben. Dies sind die großen Gebiete, die dem Bund gehören. Das, was städtebaulich in die Planung von Städten und Gemeinden einbezogen worden ist, ist immer dann veräußert worden, wenn der Bund es zur Eigennutzung nicht benötigte. Und Eigennutzung heißt, daß wir z. B. in einer Garnisonsstadt verpflichtet sind, den jungen Soldaten Wohnungen zu stellen, und dies im Bundesbedienstetenwohnungsbau auf bundeseigenen Flächen. Das wird dann getan. Das sind die Flächen, die wir dann nicht veräußern, vermieten oder verpachten können. Alle anderen - Sie können sich die Berichte sehr sorgfältig durchsehen, wir werden das im Ausschuß sicherlich auch tun - sind inzwischen veräußert worden - und werden auch weiter veräußert in dem Maße, wie sie in Planung hineinwachsen - oder weiter vermietet oder weiter verpachtet worden. Wenn ich „weiter vermietet oder weiter verpachtet" sage, dann auch aus dem Grund, den der Kollege Krockert hier sehr deutlich gemacht hat. Was soll die Polemik in der Auseinandersetzung über ein städtebauliches Erbbaurecht, Herr Kollege Jahn? Wenn wir im Bundesbaugesetz sagen, wir wollen eine vielfältige Nutzung im Kernbereich unserer Städte, da sollen Menschen wohnen, da sollen auch kleine Händler - nicht nur Banken und Großkaufhäuser - existieren können, dann wissen wir, daß ein Erbbaurecht, das auf den Bodenpreis abzielt, für den kleinen hinsichtlich des Erbbauzinses nicht mehr zu tragen ist - weder für die Wohnung noch für den kleinen Handel. Dann muß ich einen Erbbauzins haben, der sich an von der Planung vorgegebener Nutzung ausrichtet. Das heißt: Wir wollen eine Nutzung, die Wohnen erträglich und möglich macht, wir wollen für die kleinteilige Nutzung im Gewerbebereich einen Erbbauzins, der diese kleinteilige Nutzung möglich macht, damit ich dort keine Verdrängungseffekte bekomme. Dies hat mit Ideologie und mit einem gestörten Verhältnis zum Eigentum nichts zu tun. Ich habe nicht das Gefühl, daß Sie der katholischen oder evangelischen Kirche vorwerfen wollen, sie seien die Vorreiter sozialistischer Bodenpolitik. ({4}) Dort wird Boden in Erbpacht verpachtet, und zwar aus einem guten Grund. Denn auch die katholische oder auch die evangelische Kirche weiß, daß der kleine Mann mit dem Geld, das er zur Verfügung hat, in bestimmten Bereichen beim Kauf nicht konkurrieren kann, wohl aber im Erbbaurecht eine Chance hat, überhaupt Eigentum zu erwerben. Dies ist dort aus sehr sozialen Überlegungen eingeführt. ({5}) - Was soll denn dann der Hammer von Herrn Jahn, mit dem er hier durch die Gegend marschiert und Buhmänner aufbaut? ({6}) Was soll dies alles! Herr Jahn hat hier die Augen zugemacht und all das vergessen, was darin enthalten ist. Im übrigen, Herr Jahn: Ich halte die bayerische Verfassung nicht für eine sozialistische Verfassung, aber in der bayerischen Verfassung steht in Art. 161: „Die Verteilung und Nutzung des Bodens wird von Staats wegen überwacht. Mißbräuche sind abzustellen." Die Verfassungsväter haben doch gewußt, warum sie gesagt haben: Wir dürfen dies nicht allein dem freien Spiel der Kräfte überlassen. Und wir haben doch beim Bundesbaugesetz miteinander gewußt, warum wir die vielen Möglichkeiten der planrechtlichen Vorgebung gemacht haben. Fragen wir uns doch einmal: Was ist im Bereich der Eigentumsförderung geschehen? Zunächst einmal: Wir bekennen uns dazu, daß vielen Menschen in der Bundesrepublik die Möglichkeit gegeben werden soll, gegeben werden muß, Eigentum im Wohnungsbau zu erreichen. Wir haben die Eigentumsquote in der öffentlichen Förderung des sozialen Wohnungsbaus von 23,8 % im Jahre 1967 auf 55 % im Jahre 1976 angehoben. Das ist aktive Förderung zur Schaffung von Eigentum bei breiten Schichten der Bevölkerung. Der Anteil der Eigentumsmaßnahmen an der öffentlichen Förderung des sozialen Wohnungsbaus betrug unter Sozialdemokraten mehr als die Hälfte. Oder: Wenn Sie folgende Ausgaben dazu nehmen: Bausparprämien, Steuermindereinnahmen, Verbesserung der Abschreibungen, Lastenzuschüsse nach Wohngeldgesetz, ({7}) so stellen Sie fest, daß wir diese von 3 Milliarden im Jahre 1969 auf fast 6 Milliarden 1976 angehoben haben. Das ist nicht beschriebenes Papier, sondern das sind Leistungen, handfeste Leistungen zur Eigentumsförderung. Davon haben die Leute in diesem Lande etwas. Dafür haben wir etwas getan. ({8}) Diese Zahlen sprechen für sich. Und im Augenblick befinden wir uns in der Auseinandersetzung mit den Kollegen der Länder, um eine Mitbeteiligung der Länder - Stichwort: Regionalprogramm - am Eigentumsförderungsprogramm des Bundes zu erreichen, um noch einen größeren Anteil in diesen Bereich hineinzubekommen. Was nun die Förderung der Übernahme von Sozialwohnungen in Eigentum, der Veräußerung von Sozialmietwohnungen in Eigentum angeht, so meine ich, daß wir dafür den Begriff „Privatisierung" nicht wählen sollten. Der Schlachtermeister, der acht Sozialwohnungen gebaut hat, hat die im Privatbesitz. Das ist Privatbesitz, und das soll es auch bleiben. Wenn er veräußern will, dann wollen wir ihn daran nicht hindern, von einigen Ausnahmen abgesehen. In den Fragen, die dabei anstehen, gibt es dann auch weitgehende Übereinstimmung mit den Länder-Kollegen. Ich darf, Herr Präsident, aus einem Bericht der bayerischen Staatsregierung . an den bayerischen Landtag vom 28. Oktober 1975 zitieren. Dort heißt es: Nicht unbedenklich, ja, problematisch ist aber, - gemeint: bei der Veräußerung von Sozialwohnungen daß gleichzeitig der Förderungserfolg verlorengeht oder jedenfalls in Frage gestellt wird. Das wird er selbst dann, wenn der Kaufpreis die ursprünglichen Herstellungskosten nicht oder nicht wesentlich übersteigt, und auch dann, wenn der erwerbende Mieter das öffentliche Baudarlehen voll übernehmen kann. Mit ihrer Umwandlung in eigengenutzte Eigentumswohnungen scheiden Sozialwohnungen nämlich für alle Zeiten aus dem Bestand der öffentlich geförderten Mietwohnungen aus. Damit gehen sie für alle Zeiten dem Personenkreis verloren, für den sie mit dem Einsatz öffentlicher Wohnungsbauförderungsmittel einst bestimmt wurden. Dieser Verlust von Sozialmietwohnungen ist besonders bedenklich bei gut ausgestatteten Wohnungen der fünfziger und sechziger Jahre, deren preisgebundene Miete noch vergleichsweise niedrig ist und die daher für weniger leistungsfähige Wohnungssuchende besonders geeignet und teilweise nach dem Wohnungsbindungsgesetz für den Fall der Wohnraumüberlassung auch ausdrücklich Minderverdienenden, nämlich Wohnungssuchenden mit einem die übliche Einkommensgrenze des sozialen Wohnungsbaus um mindestens 20 v. H. unterschreitenden Familieneinkommen vorbehalten sind. Hier sagt der Innenminister Merk im Jahre 1975 ganz deutlich, wo die Grenzen der möglichen Umwandlung liegen. Genau diese Grenzen sind in den gemeinsamen Richtlinien von Bundes- und Landesministern abgesteckt. Herr Kollege Jahn, ich habe vorhin auf Ihre Frage, ob es wahr sei, daß keine Einstimmigkeit erzielt wurde, geantwortet: Nein. Die Tatsache, daß wir nicht veröffentlicht haben, hängt damit zusammen, daß es weitgehend übereinstimmende Meinung der Länder-Kollegen war, diese Dinge nicht im Bundesbaublatt zu veröffentlichen; dies sind vielmehr interne Handlungsanweisungen für uns, an die wir uns halten. Wir möchten hier nicht den Eindruck erwecken, es handele sich um ein Quasi-Gesetz. ({9}) - Nein, nicht unverbindlich. Wir haben in der Ministerkonferenz miteinander erklärt: Wir halten uns daran. Ich gebe auf das Wort meiner Kollegen, daß wir uns gemeinsam daran halten, sehr viel. Mit Blick auf die Zeit möchte ich nur noch sa- gen: Sie, Herr Jahn, haben erklärt: Die CDU verfolgt mit diesem Gesetzentwurf ... Sie haben recht: sie läuft hinterher. Sie wiederholen in diesem Entschließungsantrag das, was heute Wirklichkeit in der Bundesrepublik ist, das, was Politik dieser Bundesregierung ist, das, was wir im Laufe der letzten Jahre an Eigentumsförderung, an verbessertem Zugang zum Eigentum z. B. über Verbesserungen im Bestand mit Hilfe des § 7 b und über die Grunderwerbsteuerbefreiung - zwei ganz wichtige Voraussetzungen - geschaffen haben. Sie laufen also hinterher, und wir trennen uns an einem Punkt: Wir sagen - und dies sagen auch die elf Länder-Kollegen mit uns -, die Veräußerung von Sozialwohnungen findet dort ihre Grenze, wo uns der Teil verlorengeht, den wir in Großstadtbereichen dringend benötigen, um Wohnungsnotstandsfälle unterbringen zu können, um Menschen helfen zu können, die wir sonst nicht unterbringen können. ({10}) Wir trennen uns in einer zweiten Sache. Sie sagen: generelle Förderung überhaupt mit 10 000 DM zusätzlich. ({11}) Wir sagen: 25 000 DM für kinderreiche Familien. Sie haben das Gesetz nicht gelesen, und Sie haben die Richtlinien von Bund und Ländern nicht gelesen. Wir sagen: 25 000 DM für Kinderreiche und 3 000 DM für das vierte und jedes weitere Kind als Hilfe, wie es das Zweite Wohnungsbaugesetz ausdrücklich vorsieht, nämlich mit der Möglichkeit, für den Erwerb zur Beseitigung von Notstandsfällen zusätzliche Mittel zu geben. ({12}) Dafür haben wir den § 7 b und die Grunderwerbsteuerbefreiung zusätzlich aufgenommen, und ich denke, daß dies ein ganz wichtiger Schritt ist. Herr Kollege Jahn, das, was uns hier vorgelegt worden ist, ist unter dem Strich eigentlich ein Armutszeugnis der Union und ihrer Wohnungspolitiker. Denn Sie haben aufgeschrieben, was in der Bundesrepublik geltendes Recht ist, ({13}) und haben dies in die Form eines Antrages gekleidet. Ich weiß nicht, demnächst werden Sie uns dann das Grundgesetz noch einmal zur Beschlußfassung vorlegen, wahrscheinlich damit wir uns daran erinnern. Was soll dies eigentlich? - Herzlichen Dank. ({14})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Der Ältestenrat schlägt vor, den Antrag auf Drucksache 8/1010 federführend an den Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau und mitberatend an den Finanz- und den Haushaltsausschuß zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? - Es ist so beschlossen. Bevor wir in die Mittagspause eintreten, möchte ich darauf aufmerksam machen, daß um 14 Uhr die Fragestunde beginnt. Da aber nur wenige Fragen - ungefähr 30 - vorliegen, könnte es sein, daß die Fragestunde früher zu Ende ist als gewöhnlich. Die Sitzung wird dann mit der Behandlung des Tagesordnungspunktes 7 fortgesetzt. Ich unterbreche die Sitzung bis 14 Uhr. ({0})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt. Wir kommen zu Punkt 1 der Tagesordnung: Fragestunde - Drucksache 8/1125 Wir fahren in der Beantwortung der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung fort. Zur Beantwortung steht erneut der Herr Parlamentarische Staatssekretär Buschfort zur Verfügung, der schon gestern die Fragen aus diesem Geschäftsbereich beantwortet hat. Ich rufe zunächst die Frage 93 des Abgeordneten Dr. Kunz ({0}) auf: Wie hoch ist der finanzielle und personelle Beitrag der Bundesrepublik Deutschland zur Weltarbeitsorganisation in Genf ({1}), und wie beurteilt die Bundesregierung die Arbeit dieser Organisation, das heißt, wie kann die Bundesregierung nach dem demonstrativen Austritt der USA, der wegen des zunehmenden kommunistischen Einflusses erfolgte, es dem deutschen Steuerzahler gegenüber verantworten, Beiträge an diese Organisation in Millionenhöhe jährlich zu leisten?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Herr Kollege Kunz, die Mitgliedstaaten der IAO sind auf Grund ihrer Mitgliedschaft verpflichtet, im Rahmen des UNO-Beitragsschlüssels einen bestimmten Anteil des IAO-Haushalts durch Beiträge zu finanzieren. Nach dem UN-Schlüssel hat der Beitrag der Bundesrepublik 1977 7,08 % des IAO-Budgets betragen. Das entspricht 13 356 700 DM. 1978 und 1979 beträgt der Beitragsanteil der Bundesrepublik je 7,7 %. Das sind für 1978 15 889 000 DM. Die Bundesrepublik besetzt im Rahmen des Planstellensolls von 688 Stellen für den höheren Dienst im Hauptamt der IAO in Genf 44 Stellen. Bei aller Kritik an gewissen Fehlentwicklungen der IAO sollte der nach wie vor beachtliche Beitrag dieser sozialpolitischen Fachorganisation der Vereinten Nationen zum Schutz von Menschen- und Freiheitsrechten in der Arbeitswelt nicht unterschätzt werden. Die Bundesregierung wird sich zusammen mit den Regierungen der anderen westlichen IAO-Mitgliedsländer weiter für die sozialpolitische Zielsetzung der IAO einsetzen und sich nachdrücklich darum bemühen, die Voraussetzungen für den Wiedereintritt der USA in die IAO zu schaffen. In diesem insbesondere auch von den übrigen Mitgliedstaaten mitgetragenen Bestreben sind sich Regierungs-, Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter der Bundesrepublik einig.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Zusatzfrage, Herr Kollege.

Prof. Dr. Max Kunz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001258, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wenn ich Sie richtig verstanden habe, hat die Bundesrepublik ihr Kontingent im personellen Bereich, das sie auf Grund ihrer Beitragsleistungen hat, nicht voll ausgefüllt. Ich möchte Sie deshalb fragen, warum die Bundesrepublik dieses Kontingent nicht ausgefüllt hat und ob die Bundesregierung bereit ist, sich darum zu bemühen.

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Herr Kollege, wir bemühen uns selbstverständlich um einen guten Stellenanteil innerhalb dieser Organisation. Es ist uns gerade in den letzten Jahren gelungen, einige wesentliche Positionen zu besetzen. Wir werden auch zukünftig bemüht sein, gute Positionen in dieser Organisation zu besetzen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege, haben Sie noch eine Zusatzfrage?

Prof. Dr. Max Kunz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001258, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wenn die Vereinigten Staaten nicht mehr in die Internationale Arbeitsorganisation zurückkehren und eventuell sogar an die Gründung einer neuen, vergleichbaren Weltarbeitsorganisation denken, würde dann die Bundesrepublik einer solchen weiteren Organisation beitreten?

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege, diese Frage lasse ich nicht zu. Sie steht in keinem Zusammenhang mit der hier gestellten Frage. Bitte bleiben Sie bei dem Zusammenhang mit der gestellten Frage. Sie haben nach dem finanziellen und personellen Beitrag gefragt, aber nicht danach, ob eine neue Organisation gegründet wird. Ich gebe Ihnen eine neue Zusatzfrage.

Prof. Dr. Max Kunz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001258, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke schön, Herr Präsident. Herr Staatssekretär, in welchem Zeitraum glaubt die Bundesregierung ihr Kontingent im personellen Bereich in dieser Organisation ausfüllen zu können?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Herr Kollege Kunz, diese Frage zu diesem Zeitpunkt zu beantworten ist sehr schwierig. Zunächst werden wohl die Überlegungen abgeschlossen werden müssen, die sich durch die neue Lage ergeben. Wir sind immer bemüht, einen Personalanteil, den wir möglicherweise noch nicht ausgeschöpft haben, auch auszufüllen. Darüber hinaus ergeben sich möglicherweise personelle Konsequenzen aus dem Vakuum, das durch das Ausscheiden der USA entstanden ist.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Jäger.

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wie erklärt es die Bundesregierung, daß es ihren Vertretern, die ja, wie Sie eben sagten, inzwischen bedeutende Positionen einnehmen konnten, nicht gelungen ist, die Arbeitsweise der ILO so zu gestalten, daß der Austritt der Vereinigten Staaten von Amerika unnötig gewesen wäre?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Herr Kollege, Sie wissen, daß wir es hier mit einer dreigliedrigen Organisation zu tun haben. Die Mehrheitsverhältnisse in dieser Organisation sind eben nicht so, daß die westlichen Staaten das Übergewicht hätten. Hier geht es auch um Abstimmungen. Wenn man -, ich werde bei der nächsten Frage noch darauf eingehen - bei gewissen Abstimmungen unterliegt, kann es natürlich solche Vorgänge geben, wie sie eingetreten sind. Daß wir das bedauern, haben wir öffentlich zum Ausdruck gebracht. Aber das ändert nichts daran, daß alle Mitgliedstaaten ein gleiches Stimmrecht haben und davon auch Gebrauch machen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Ich rufe die Frage 94 des Herrn Abgeordneten Jäger ({0}) auf: Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Internationalen Arbeitsorganisation ({1}) durch die Regierung der USA, die diese zum Austritt dieser Organisation bewogen hat, oder in welchen Punkten hält die Bundesregierung diese Einschätzung für unzutreffend?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Herr Kollege Jäger, die Bundesregierung teilt zwar grundsätzlich die Kritik der Vereinigten Staaten an bestimmten nachteiligen Entwicklungen in der Internationalen Arbeitsorganisation ({0}). Dazu gehören insbesondere die häufige Befassung der Organisation mit nicht zu ihrem eigentlichen sozialpolitischen Aufgabenbereich gehörenden politischen Fragen, so z. B. die Aushöhlung der dreigliedrigen Willensbildung und die Nichtbeachtung ordnungsgemäßer Verfahren, so insbesondere bei der Verurteilung von Mitgliedstaaten im Rahmen propagandistisch- politisch motivierter Resolutionen ohne die vorgeschriebene Untersuchung. Die Bundesregierung ist jedoch wie die übrigen westlichen Mitgliedstaaten der Meinung, daß die IAO nach wie vor ein unersetzliches Instrument zur weltweiten Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen und zur Verwirklichung der Menschenrechte in der Arbeitszeit ist. Diese Ziele lassen sich nach Auffassung der Bundesregierung besser innerhalb als außerhalb der Organisation in gemeinsamer Anstrengung aller an der Sacharbeit der IAO interessierten Mitglieder verwirklichen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Eine Zusatzfrage.

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung die Auffassung der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika, die als einen ihrer wesentlichen Gründe für den Austritt eine weitgegende kommunistische Unterwanderung der Organisation bezeichnet hat?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Herr Kollege, es hat sehr unterschiedlich zu beurteilende Abstimmungsverhalten gegeben. Richtig ist, daß die kommunistischen Staaten, unterstützt durch mehrere Entwicklungsländer, gelegentlich durchgesetzt haben, daß die IAO wohl nicht zu ihrem Aufgabenbereich gehörende Problembereiche behandelt und darüber auch abgestimmt hat, ohne die vorgeschriebenen Untersuchungen durchzuführen. Wir glauben nicht, daß es angemessen war, den USA Veranlassung zu geben, diese Organisation jetzt zu verlassen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Sie haben eine weitere Zusatzfrage.

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung die von Ihnen eben aufgezählten Gründe, die sie ebenfalls für mißbilligenswert hält, zum Anlaß nehmen, in dieser Organisation dafür einzutreten, daß diese sich wieder in korrekter Weise ihren sachlichen Aufgaben zuwenden wird?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Herr Kollege, das ist nicht nur das Bestreben der Bundesregierung, sondern insbesondere auch aller EG-Staaten. Es gibt gemeinsame Absprachen, weiter auf die sozialpolitische Zielsetzung der IAO zu drängen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Eine letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Müller.

Johannes Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001554, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, halten Sie die sicherlich erforderliche und bisher sehr sachliche Arbeit der Genfer Organisation für die Zukunft noch für gewährleistet, nachdem die Zahl der Mitglieder immer größer wird, bei denen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Staat - sprich also öffentliche Hand - mit einer Stimme sprechen und dort keine unterschiedlichen Vorstellungen mehr vortragen?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Herr Kollege Müller, wir können uns die Staaten, die dort mitwirken, nicht aussuchen. Wir wissen, daß es unterschiedliche Gesellschaftssysteme gibt. Wir wissen auch, daß es oft keinen großen Unterschied zwischen Arbeitnehmerorganisationen und staatlichen Stellen in bestimmten Staaten gibt. Das ändert aber nichts daran, daß die Aufgabenstellung der IAO gut ist. Wie Sie ja selbst sagten, hat sie in der Vergangenheit auch gute Arbeit geleistet. Die Vorkommnisse und auch der Austritt der USA werden vielleicht einige zum Nachdenken veranlassen und dazu bewegen, sozusagen auf den Pfad der Tugend zurückzukehren.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Ich rufe die Frage 95 des Herrn Abgeordneten Dr. Voss auf: Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele Arbeitnehmer dadurch arbeitslos geworden sind, daß sie verspätet aus den Sommerferien zurückkehrten, ohne beim Arbeitnehmer um Urlaubsverlängerung nachgesucht zu haben? Herr Staatssekretär, wollen Sie die beiden Fragen eventuell gemeinsam beantworten, soweit der Fragesteller damit einverstanden ist?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Das würde ich gern machen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Der Fragesteller ist einverstanden. Dann rufe ich auch die Frage 96 des Herrn Abgeordneten Dr. Voss auf: Welche Überlegungen bestehen bei der Bundesregierung hinsichtlich der Verlängerung von Sperrzeiten, wenn Selbstverschulden an der Arbeitslosigkeit vorliegt?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Herr Kollege Voss, die Bundesregierung verfügt über keine Informationen zu dem von Ihnen angesprochenen Sacherhalt. Entsprechende Statistiken gibt es nicht. Die Festsetzung einer Sperrzeit ist nach geltendem Recht davon abhängig, daß der Arbeitslose den Eintritt oder die Verlängerung der Arbeitslosigkeit zu vertreten hat. Eine Sperrfrist kann demnach überhaupt nur festgesetzt werden, wenn Selbstverschulden im Sinne Ihrer Frage vorliegt. An eine Verlängerung der Sperrzeiten denkt die Bundesregierung nicht, sie hat aber zuletzt mit ihren Vorschlägen für ein 4. Änderungsgesetz zum Arbeitsförderungsgesetz, das inzwischen verabschiedet ist, Initiativen ergriffen, um die Vermittlungsmöglichkeiten zu verbessern und die Arbeitsbereitschaft zu stärken.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege.

Dr. Friedrich Voss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002396, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, gibt es Untersuchungen der Bundesregierung über die derzeitige Situation und die Weiterentwicklung der Arbeitsmoral in unserem Lande überhaupt?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Herr Kollege, mir ist gegenwärtig nicht bekannt, ob es darüber Untersuchungen gibt. Ich jedenfalls habe noch keine zu Gesicht bekommen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Friedrich Voss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002396, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, gedenkt die Bundesregierung, derartige Untersuchungen einmal im Wege eines Forschungsauftrages in Auftrag zu geben?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Herr Kollege, gerade in den vergangenen Wochen wurden Untersuchungen eingeleitet, die die Motivationen zur Arbeitsaufnahme oder zur Nichtarbeitsaufnahme klären sollen. Wir wollen gern die Einstellung der Arbeitgeber, der Beschäftigten und der Arbeitslosen kennenlernen. Diese Untersuchungen sollen etwa im Frühjahr 1978 vorliegen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Friedrich Voss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002396, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, sich einmal um Vergleichszahlen darüber in den übrigen europäischen Ländern zu bemühen, wie diese es bei dem von Ihnen soeben angesprochenen Tatbestand mit den Sperrfristen halten?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Herr Kollege, ich gehe davon aus, daß die Fachleute darüber informiert sind. Ich kenne natürlich die Sperrfristen, die im vergangenen und in diesem Jahr verhängt worden sind. Ich möchte auch hinzufügen, daß wir, nachdem wir neue Vorschriften für die Verhängung von Sperrfristen haben, eigentlich sagen könnten: auch dieses Instrument hat gegriffen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Eine letzte Zusatzfrage.

Dr. Friedrich Voss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002396, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, mir die Erkenntnisse, die Ihr Haus bereits hat, zur Verfügung zu stellen?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Herr Kollege, ich kann Ihnen die Zahl der Sperrfristen auch jetzt schon nennen. Im Jahre 1975 wurden 166 783, im Jahre 1976 191 636 und im Jahre 1977 215 000 Sperrfristen verhängt.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Ich rufe die Frage 97 des Herrn Abgeordneten Müller ({0}) auf: Verfügt die Bundesregierung über statistische Unterlagen, die erkennen lassen, ob es regionale Unterschiede gibt in der Häufigkeit von landwirtschaftlichen Unfällen, die zum Tode führen oder dauernde Invalidität zur Folge haben?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Wegen des Zusammenhangs würde ich die Fragen 97 und 98 gern gemeinsam beantworten.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Da der Fragesteller damit einverstanden ist, rufe ich auch die Frage 98 des Herrn Abgeordneten Müller ({0}) auf: Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, durch staatliche Maßnahmen auf eine Senkung der Unfallhäufigkeit hinzuwirken z. B. dadurch, daß besonders unfallträchtige Landmaschinen stärker gesichert werden?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Herr Kollege Müller, die statistischen Unterlagen der Bundesregierung ermöglichen keine gesicherte Aussage über regionale Unterschiede in der Häufigkeit tödlicher Arbeitsunfälle und schwerer Arbeitsunfälle mit völliger Erwerbsunfähigkeit in der Landwirtschaft. Die Zahl der Unfälle in der Landwirtschaft pro Jahr, die zum Tode führen oder eine völlige Erwerbsunfähigkeit zur Folge haben, sind der Bundesregierung durch Meldung der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften bekannt. Jedoch genaue Zahlen über die beschäftigten Versicherten und die geleisteten Arbeitsstunden in den Zuständigkeitsbereichen der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften liegen nicht vor. Damit ist eine exakte regionale Vergleichsmöglichkeit nicht gegeben. In der Landwirtschaft - damit komme ich zu Ihrer zweiten Frage - gelten für die Unfallverhütung im wesentlichen die Unfallverhütungsvorschriften der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften. Von den staatlichen Arbeitsschutzvorschriften kommen nur einige für die Landwirtschaft in Betracht, so z. B. das Mutterschutzgesetz, das Jugendarbeitsschutzgesetz, das Recht der überwachungsbedürftigen Anlagen nach § 24 Gewerbeordnung, die Arbeitsstoffverordnung und das Maschinenschutzgesetz. Es ist zunächst Aufgabe der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften, die Sicherheit der Landmaschinen weiterzuentwickeln. Die sichere Beschaffenheit der landwirtschaftlichen Maschinen und Geräte ist im Maschinenschutzgesetz vorgeschrieben. Im Rahmen dieses Gesetzes können Hersteller. und Einführer freiwillig ihre Erzeugnisse auf technische Sicherheit von Prüfstellen, die der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung anerkannt hat, prüfen lassen. Diese Möglichkeit einer sicherheitstechnischen Prüfung ist gerade bei den in der Landwirtschaft verwendbaren Maschinen und Geräten genutzt worden. Die Prüfstelle der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften hat bisher etwa 6 000 Maschinen und Geräte für den Landmaschinenbereich einer Unfallschutzprüfung unterzogen. Die Bundesregierung sieht in diesen Prüfungen einen wesentlichen Beitrag zur Sicherheit der Landmaschinen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege, Sie haben sicher Zusatzfragen. Bitte!

Rudolf Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001565, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung Angaben über Landmaschinen, die besonders unfallgefährlich sind bzw. viele Unfälle hervorrufen?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Ich bin gerne bereit, eine Aufstellung aus den Unterlagen, die uns die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften zur Verfügung stellen, nachzuliefern. Wir werden gegebenenfalls die einzelnen Schwerpunkte dann erkennen können.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Eine weitere Zusatzfrage.

Rudolf Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001565, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sind Sie der Meinung, daß diese Unfallschutzmaßnahmen ausreichen, die jetzt im Rahmen des Maschinenschutzgesetzes usw. bestehen?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Herr Kollege, die Unfallschutzmaßnahmen werden wohl nie ganz ausreichen. Wir wissen auch, daß es bestimmte Lücken gibt. Z. B. wissen wir, daß es wohl gut wäre, nicht nur die Hersteller und die Importeure mit bestimmten Auflagen zu versehen, sondern auch den Handel einzubeziehen. Es gibt gerade Bemühungen, diese Lücken zu schließen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Ich habe zwei Meldungen zu Zusatzfragen. - Herr Kollege Ey.

Richard Ey (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung mit mir der Meinung, daß bei noch so notwendigen Unfallverhütungsmaßnahmen auf jeden Fall die Funktionsfähigkeit einer Landmaschine gesichert und gewährleistet bleiben muß?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Das ist eben die Kunst der Ingenieure, dies in Einklang zu bringen. Aber es gibt bestimmte Grenzen. Gerade die soll der Unfallschutzingenieur beachten. Wir sind in der Bundesrepublik mit einem Kompromiß zwischen Funktionsfähigkeit und Sicherheit ganz gut zurechtgekommen. Eines steht fest, und das sollten wir auch hinzufügen: daß die Unfallverhütungsvorschriften, das Maschinenschutzgesetz, die hohen Ansprüche an die Hersteller uns auch international ein hohes Ansehen und damit sogar bestimmte Wettbewerbsvorteile gebracht haben.

Richard Ey (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung mit mir der Meinung, daß die regionale und klimatische Unterschiedlichkeit der Verhältnisse oftmals punktuell sehr unterschiedliche Unfallhäufigkeiten bei Maschinen mit sich bringt? Meine Frage darum: Wären Sie bereit, diese regionalen Unfallschwerpunkte festzustellen und auf Grund der Ermittlungen dann Konsequenzen zu ziehen?

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege Ey, Sie wissen selbst, daß diese Frage nicht in dem notwendigen unmittelbaren Zusammenhang mit den hier gestellten Fragen des Kollegen Müller steht. Ich überlasse es aber dem Herrn Staatssekretär, ob er Ihnen auf Grund der Unterlagen hier schon eine Antwort geben will.

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Herr Kollege Ey, ich will gerne einmal prüfen lassen, ob eine solche Unterschiedlichkeit erfaßt werden kann. Eines kann ich Ihnen aber schon jetzt sagen: Natürlich ist die Unfallhäufigkeit bei Landmaschinen im Bergland wesentlich anders einzuschätzen als im Flachland. Deshalb wurden, um ein Beispiel zu sagen, bei Treckern sogenannte Überrollbügel vorgeschrieben.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege Gerster, Sie haben eine Zusatzfrage.

Dr. h. c. Johannes Gerster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000671, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, daß im landwirtschaftlichen Bereich mehr berufstypische Unfälle zu- verzeichnen sind - dies würde ja diese Gerster ({0}) Frage nach staatlichen Maßnahmen rechtfertigen -, oder liegen diese gleich oder geringer als in anderen Berufszweigen?

Hermann Buschfort (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000315

Herr Kollege, das läßt sich möglicherweise exakt feststellen. Auf Verdacht würde ich sagen, die Zahlen liegen im landwirtschaftlichen Bereich höher. Ich will das gerne einmal nachprüfen lassen und werde Ihnen dann eine genaue Antwort geben.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Ich danke dem Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Buschfort für die Antworten. Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung beantwortet. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Staatsminister Dr. von Dohnanyi zur Verfügung. Frage 9 ist von dem Abgeordneten Dr. Hupka gestellt: In welcher Weise wird die Bundesregierung für die Gewährung des Volksgruppenrechts gegenüber den Deutschen jenseits von Oder und Neiße eintreten, nachdem soeben erst ({0}) der Bundesinnenminister auf „die Gewährung vernünftiger Volksgruppenrechte für volkliche und sprachliche Minderheiten in ganz Europa, in Ost und West" hingewiesen hat? Bitte, Herr Staatsminister.

Not found (Gast)

In der von Ihnen erwähnten Rede hat Bundesinnenminister Maihofer dargelegt, daß es die Bundesregierung grundsätzlich für wünschenswert hält, daß Minderheiten kulturelle und sprachliche Rechte eingeräumt werden. Es gibt jedoch keine rechtlichen Ansatzpunkte, um andere Regierungen zu veranlassen, Volksgruppen einen entsprechenden Status einzuräumen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Zusatzfrage.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, wenn Sie soeben sagten, es gebe keine rechtlichen Ansatzpunkte, darf ich vielleicht darauf verweisen, daß sowohl in der KSZE-Schlußakte als auch im Internationalen Pakt für bürgerliche und politische Rechte Ansatzpunkte vorhanden sind.

Not found (Gast)

Ich habe ausdrücklich gesagt, Herr Kollege Hupka: keine rechtlichen Ansatzpunkte, die es erlauben würden, einen Zwang auszuüben, daß etwas geschieht.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Sie haben eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, der Herr Bundesaußenminister hat am 10. März vorigen Jahres vor dein Auswärtigen Ausschuß des Bundesrates erklärt, daß die Bundesregierung mit der polnischen Seite bezüglich der Volksgruppenrechte ins Gespräch kommen werde. Ist die Andeutung in der Rede von Herrn Minister Maihofer ein Hinweis darauf, daß das nun geschieht?

Not found (Gast)

Herr Kollege Hupka, dies ist geschehen. Sowohl beim Besuch des polnischen Außenministers Olszowski im April 1976 als auch beim Besuch des Ersten Sekretärs Gierek im Juni 1976 ist das Problem angesprochen worden, und es wird auch erneut angesprochen werden.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kunz ({0}).

Prof. Dr. Max Kunz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001258, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, was war das Ergebnis des Gesprächs in dieser Hinsicht?

Not found (Gast)

Das Ergebnis des Gesprächs, Herr Kollege Kunz, ist, daß die Bemühungen beider Seiten in dieser Richtung vorangetrieben werden sollen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Czaja.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, nachdem der Herr Kollege Dr. Hupka nicht nach einem Zwang, sondern nach dem Eintreten gefragt hat, frage ich Sie, ob die Bundesregierung bereit ist, die Rechtsansprüche, die sie nach Art. 2 und nach Art. 27 des Paktes für bürgerliche und politische Rechte einzufordern hat, gegenüber der Volksrepublik Polen auch einzufordern.

Not found (Gast)

Herr Kollege Czaja, ich habe in der letzten Fragestunde auf die Grenzen hingewiesen, die im Zusammenhang mit dem Menschenrechtspakt bestehen. Ich verweise an dieser Stelle erneut auf diese Grenzen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Ich rufe die Fragen 29 und 30 der Frau Abgeordneten Berger auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß der sich als offizieller PLO-Vertreter in Bonn ausgebende Herr Frangi auf einer Veranstaltung in Berlin die Vernichtung des jüdischen Yolks und Staats öffentlich gefordert hat? Ist die Bundesregierung bereit, Herrn Frangi wissen zu lassen, daß ein Mann, der von Berlin aus die Vernichtung des israelischen Volks und Staats fordert, in Deutschland unerwünscht ist?

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Frau Kollegin Berger, das Auswärtige Amt hat das Büro der Arabischen Liga in Bonn, dem Herrn Frangi angehört, um Stellungnahme gebeten. Der Leiter des Büros bestreitet mit Nachdruck die Pressemeldungen, auf die sich Ihre Frage bezieht. Die sonst sicherlich notwendige Antwort entfällt daher, weil Herr Frangi bestreitet, gesagt zu haben, was Sie ihm in Ihrer Frage als eine Tatsache unterstellen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Staatsminister, da ich beide Fragen aufgerufen habe, Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen hat die Frau Kollegin Berger jetzt das Recht auf vier Zusatzfragen. Bitte.

Lieselotte Berger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, würden Sie mir bestätigen, daß es nicht ausreicht, Informationen nur bei diesem Büro einzuholen, sondern daß es zweckmäßig gewesen wäre, auch den Senat von Berlin zu befragen, und ist Ihnen schließlich bekannt, daß staatsanwaltschaftliche Ermittlungen eingeleitet worden sind? - Entschuldigen Sie, Herr Präsident, ich hätte nur eine Frage stellen dürfen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Bitte, Frau Kollegin. Ich habe Ihnen deswegen vier Zusatzfragen zugestanden, damit Sie in Ruhe die einzelnen Punkte aufgreifen können.

Not found (Gast)

Frau Kollegin Berger, ich glaube in der Tat, daß es in erster Linie darauf ankommt, denjenigen zu befragen, der sich hier geäußert hat. Wenn er sagt, er habe eine solche Äußerung nicht getan, dann müssen wir davon ausgehen, daß dies so ist. Wenn staatsanwaltschaftliche Ermittlungen etwas. anderes erbringen sollten, so ist es nicht Sache der Bundesregierung, dies an dieser Stelle zu diesem Zeitpunkt zu kommentieren.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Eine weitere Zusatzfrage, Frau Kollegin.

Lieselotte Berger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, trifft es zu, daß Herr Frangi nach dem Massaker anläßlich der Olympischen Spiele in München, an dem seine Organisation maßgeblich beteiligt war, die Bundesrepublik zusammen mit anderen Palästinensern verlassen mußte?

Not found (Gast)

Das trifft zu, Frau Kollegin.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Eine weitere Zusatzfrage.

Lieselotte Berger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, ist die Bundesregierung bereit, in Zukunft zu berücksichtigen, daß eine verspätete oder gar keine Reaktion bzw. eine Reaktion, wie wir sie auf derartige Vorfälle erlebt haben, wie sie sich in Berlin abgespielt haben, befremdlich ist und mit der Haltung und der Entscheidung der Bundesregierung nach dem Massaker von München überhaupt nicht in Einklang gebracht werden kann, wie Sie soeben bestätigt haben?

Not found (Gast)

Frau Kollegin, ich kann natürlich nicht bestätigen, was Sie hier gesagt haben. Denn wir haben ja sofort, und nicht veranlaßt durch Ihre Frage, nachgefragt und dabei festgestellt, daß bestritten wird, was in der Presse berichtet worden ist. Sie müssen mir zugeben, daß wir über das hinaus nicht gehen können. Dies ist die Antwort, die uns jetzt vorliegt. Ich habe darauf hingewiesen, daß dann, wenn sich die Zusammenhänge an anderer Stelle anders aufklären sollten, erneut Schlußfolgerungen zu ziehen sein werden. ({0})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, haben Sie nur Herrn Frangi befragt, oder haben Sie auch Journalisten befragt, die über diese Veranstaltung berichtet haben, weil sie sich soeben darauf bezogen haben?

Not found (Gast)

Herr Hupka, mir liegt die Rückfrage in dem Büro der Arabischen Liga vor. Hier wird ausdrücklich bestritten, daß es diese Äußerung gegeben habe. Ich bitte Sie, das so zu akzeptieren.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Ich lasse noch eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Gerster zu.

Dr. h. c. Johannes Gerster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000671, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, ist es denn üblich, daß Personen, die die Bundesrepublik Deutschland verlassen mußten - in diesem Beispielfall nach dem Massaker von München -, weniger Jahre später wieder in Deutschland auftauchen und hier leben können?

Not found (Gast)

Herr Kollege, die Zusammenhänge von damals sind damals aufgeklärt worden. Die Anwesenheit von Herrn Frangi heute ist nicht mehr auf die damaligen Zusammenhänge zurückzuführen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Die Fragen 124 und 125 sind von der Abgeordneten Frau Dr. Däubler-Gmelin eingebracht. - Die Kollegin ist nicht im Saal. Die Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe die Frage 126 des Herrn Abgeordneten Dr. Schöfberger auf: Wird die Bundesregierung bei den Feierlichkeiten anläßlich der Krönung des Staatspräsidenten Jean-Bedel Bokassa zum „Kaiser von Zentralafrika" am 4. Dezember 1977 vertreten sein, und gegebenenfalls durch wen?

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Das zentralafrikanische Staatsoberhaupt hat dem Herrn Bundespräsidenten eine Einladung zu den Krönungsfeierlichkeiten vom 4. bis 6. Dezember dieses Jahres in Bangui übermitteln lassen. Über diese Einladung, Herr Kollege, wird der Herr Bundespräsident selbst entscheiden.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Keine weiteren Zusatzfragen. Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen Der Herr Abgeordnete Engelsberger hat um schriftliche Beantwortung der von ihm eingereichten Frage 127 gebeten. Dem wird entsprochen werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ich rufe die Frage 128 des Herrn Abgeordneten Dr. Becher ({0}) auf: Sieht die Bundesregierung, nachdem sie das deutsche Konsulat in Windhuk mit der gleichen Begründung schloß, auch in der Schließung von Konsulaten in anderen Staaten eine Maßnahme zur Vorbereitung ihrer Wiedererrichtung, wenn es sich dabei um Länder handelt, in denen eine freiheitliche, demokratische, von Klassen- oder Rassendiktatur freie Staats- und Gesellschaftsordnung erst begründet werden muß?

Not found (Gast)

Die Bundesrepublik Deutschland unterhält nach Schließung des Konsulats in Windhuk bis auf den Sonderfall des Generalkonsulats Hongkong berufskonsularische Vertretungen nur noch in unabhängigen Staaten. Ein mit der Schließung des Konsulats Windhuk vergleichbarer Fall ist deshalb in Zukunft nicht mehr gegeben.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Eine Zusatzfrage.

Dr. Walter Becher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000122, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, liegt nicht eine Schizophrenie in der Handhabung außenpolitischer Prinzipien vor, wenn die Bundesregierung auf der einen Seite die Schließung eines Konsulats als Pressionsmittel für die Herbeiführung einer freiheitlichen Entwicklung gebraucht, auf der anderen Seite aber die Kritik an der sogenannten Hallstein-Doktrin nicht zuletzt mit dem Argument führte, daß durch sie die Herbeiführung diplomatischer Kontakte mit allen Staaten, also auch mit Staaten, in denen freiheitliche Systeme nicht herrschten, hintangestellt wird?

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege, ich lasse das Wort „Schizophrenie" ausdrücklich nicht zu. Bitte!

Not found (Gast)

Herr Präsident, ich hätte mich persönlich davon nicht getroffen gefühlt.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege, trotzdem muß hier nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung verfahren werden. ({0}) - Herr Kollege, ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, daß zwischen „Doppeldeutigkeit" und „Schizophrenie" eine erhebliche Bandbreite besteht. ({1}) - Ich kann diese Abgrenzung durchaus vornehmen. ({2})

Not found (Gast)

Herr Kollege Becher, ich stimme der Unterstellung im ersten Teil Ihrer Frage nicht zu, nämlich daß die Schließung. des Konsulats Windhuk erfolgt sei, um eine Pression auszuüben. Die Schließung des Konsulats Windhuk ist darauf zurückzuführen - der Bundesaußenminister hat das im Plenum des Bundestages und auch im Auswärtigen Ausschuß dargetan -, daß wir auf diese Weise die Rechte und die Zukunft der Deutschen in Namibia am ehesten und am besten sichern können. Das ist der Grund, warum wir so gehandelt haben.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege Becher, Sie haben eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Walter Becher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000122, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, unterliegt die Bundesregierung nicht dennoch der Gefahr, im Falle Windhuk ein Konsulat, das in erster Linie, wie wir wissen, Deutsche betreuen sollte und soll, mit Rücksicht auf eine mehr oder weniger kommunistisch eingestellte Organisation, nämlich die SWAPO, geschlossen zu haben, während sie andererseits aus guten Gründen in kommunistischen Ländern diplomatische Vertretungen und Konsulate unterhält?

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich unterstreiche noch einmal: Wir unterliegen nicht dieser Gefahr, denn die Bundesregierung hat das Konsulat in Windhuk nicht der SWAPO zuliebe geschlossen, sondern sie hat es im Interesse der in Namibia lebenden Deutschen geschlossen. Dies ist der Grund für die Entscheidung.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Ich lasse noch eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka zu. Dann gehen wir zur nächsten Frage über.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, auf welche Weise haben Sie nun die Übereinstimmung des Beschlusses des Auswärtigen Amtes mit den Interessen der Deutschen in Südwestafrika feststellen können?

Not found (Gast)

Wir haben, Herr Kollege Hupka, feststellen können, daß die Unabhängigkeit Namibias - so hoffen wir jedenfalls - kurz bevorsteht. Wir gehen davon aus, daß derjenige, der in einem unabhängigen Namibia die Interessen der dort anwesenden Deutschen durch ein Konsulat sichern will, Sorge auch dafür tragen muß, daß seine Anwesenheit zuvor nicht mißverstanden werden könnte. Dies ist die Grundlage der Entscheidung gewesen - im Interesse der Deutschen in Namibia.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Ich rufe die Frage 129 des Herrn Abgeordneten Dr. Becher ({0}) auf: Ist die Bundesregierung bereit, einen Verhaltenskodex für die Behandlung von Arbeitnehmern auch hinsichtlich der Kooperation von Betrieben zu empfehlen, die diesseits und jenseits der Grenze zwischen den Ländern der Europäischen Gemeinschaft ({1}) und des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe ({2}) liegen? Bitte, Herr Staatsminister.

Not found (Gast)

Die Einführung des Verhaltenskodex für Südafrika zielt auf die Beseitigung der Diskriminierung innerhalb der Arbeitnehmerschaft. Der Verhaltenskodex gilt für Tochtergesellschaften, Zweigniederlassungen oder Vertretungen, also für Unternehmen unter deutscher Leitung. Die Durchsetzung des Verhaltenskodex liegt im Interesse der deutschen Unternehmen und im Interesse der Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Von diesen Gesichtspunkten wird sich die Bundesregierung auch in Zukunft leiten lassen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Eine Zusatzfrage.

Dr. Walter Becher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000122, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, darf ich davon ausgehen, daß die Bundesregierung nach diesem gemeinsam mit den Ländern der EG beschlossenen Verhaltenskodex nunmehr grundsätzlich bereit ist, wirtschaftspolitische Maßnahmen oder Maßnahmen, die in den Sektor der Wirtschaftspolitik zielen, als Mittel der Außenpolitik zu verwenden?

Not found (Gast)

Wir verwenden in diesem Fall nicht wirtschaftspolitische Maßnahmen als Mittel der Außenpolitik. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß deutsche Unternehmen, die in Südafrika tätig sind, Apartheid-Politik nicht unterstützen dürfen. Deswegen hat sie einem Verhaltenskodex für Unternehmen mit Tochtergesellschaften, Zweigniederlassungen oder Vertretungen in Südafrika zugestimmt.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Dr. Walter Becher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000122, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Um ein konkretes Beispiel zu nennen, Herr Staatsminister: Wäre die Bundesregierung bereit, für den Abschluß weiterer Verträge über betriebliche Kooperation - wo es sich ja auch um deutsche Betriebe handelt, die anderswo vertreten sind - Verhaltensmaßregeln zu formulieren, die von Betrieben, mit denen solche Verträge abgeschlossen werden, erwarten, daß sie freigewerkschaftliche Vertretungen ihrer Mitarbeiter zulassen und diese nicht - wie es z. B. in der Tschechoslowakei geschieht - diskriminieren, wenn sie sich zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte oder zu entsprechenden Bestimmungen der KSZE bekennen?

Not found (Gast)

Herr Kollege Becher, vielleicht ist Ihnen der Wortlaut des Verhaltenskodex nicht in allen Teilen bekannt. Ich will - mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten - einen Teil verlesen, der deutlich macht, worum es geht. Unter C heißt es: Tatsache ist, daß Gewerkschaften für Schwarzafrikaner nicht ungesetzlich sind und es den Unternehmen überlassen ist, Übereinkünfte mit solchen Gewerkschaften anzuerkennen, auszuhandeln und abzuschließen. Unter D heißt es dann: Die Unternehmen sollen folglich zulassen, daß sich die Verhandlungen mit den von den Arbeitnehmern frei gewählten Organisationen im Einklang mit den geltenden internationalen Prinzipien entwickeln. Sie haben bei Ihrem Vergleich auf eine Situation verwiesen, die anders ist. Es geht um die Ausschöpfung der bestehenden rechtlichen Möglichkeiten.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Die letzte Zusatzfrage, und zwar von dem Herrn Abgeordneten Jäger.

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Um an dem letzten Punkt anzuknüpfen, Herr Staatsminister: Teilt die Bundesregierung meine Auffassung, daß jedenfalls in Teilen der KSZE-Schlußakte und in dem internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte Ansätze für solche Normen auch für die Comecon-Staaten gegeben sind, und wird die Bundesregierung versuchen, diese mit dem gleichen Nachdruck durchzusetzen, wie sie es gegenüber Südafrika tut?

Not found (Gast)

Wir versuchen, Herr Kollege Jäger, Menschenrechte - ich habe das mehrmals an dieser Stelle gesagt - oder auch Rechte auf freie Beteiligung und Mitbestimmung im Rahmen der uns gegebenen Möglichkeiten durchzusetzen, wo immer dies möglich ist. Bei Unternehmen, die in Südafrika Tochtergesellschaften haben und unter deutscher Leitung stehen, haben wir andere Möglichkeiten als bei Unternehmen, für die keine deutsche Leitung besteht.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Die Frage 130 des Abgeordneten Niegel ist vom Fragesteller zurückgezogen worden. Ich rufe nunmehr die Frage 131 des Abgeordneten Dr. Czaja auf: Inwiefern hat die geheimdienstliche Agententätigkeit der Frau Helge Berger erhebliche Auswirkungen auf die Verhandlungen zum Warschauer Vertrag gehabt?

Not found (Gast)

Nach Auffassung der Bundesregierung hat die Verratstätigkeit der Frau Helge Berger zwar die Gefahr schwerer Nachteile für die Bundesrepublik mit sich gebracht, die Ergebnisse der Verhandlungen zum Warschauer Vertrag jedoch nicht beeinflußt.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Zusatzfrage.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, kann man nach dem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf bestreiten, daß auf die Verhandlungen, die zum Warschauer Vertrag führten, ein schwerer Fall geheimdienstlicher Tätigkeit zugunsten des polnischen Vertragspartners einen erheblichen Einfluß ausübte?

Not found (Gast)

Herr Kollege Czaja, ich wiederhole, was ich eben gesagt habe: Wir sehen, daß die Verratstätigkeit die Gefahr schwerer Nachteile für die Bundesrepublik Deutschland mit sich gebracht hat. Aber die Ergebnisse der Verhandlungen zum Warschauer Vertrag sind nach dem Urteil und auch nach unserer Auffassung nicht beeinflußt worden.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, trifft die Meldung der Stuttgarter Zeitung vom 29. Oktober 1977 zu, daß durch die Agententätigkeit der Frau Berger der von der Bundesregierung für Staatssekretär Duckwitz festgelegte Verhandlungsspielraum und alle Einzelheiten der Verhandlungstaktik dem polnischen Vertragspartner bis ins letzte Detail voll bekannt waren?

Not found (Gast)

Herr Kollege Czaja, nach der mir vorliegenden Information - ich kann es nur wiederholen ist das Ergebnis der Verhandlungen nicht beeinträchtigt worden. Aber wir sehen selbstverständlich für den Zeitraum, in dem Frau Berger in Warschau tätig war, die Gefahr schwerer Nachteile für die Bundesrepublik Deutschland.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Gerster.

Dr. h. c. Johannes Gerster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000671, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, wenn durch die Agententätigkeit der Frau Berger für die Bundesrepublik Deutschland schwere Nachteile entstanden sind, die nach Ihrer Feststellung aber keine Auswirkungen auf den Vertragsabschluß gehabt haben, wollen Sie dann damit sagen, daß die Agententätigkeit der Frau Berger nur nach Abschluß der Verhandlungen stattfand, oder können Sie .einräumen, daß sie auch vorher stattgefunden hat?

Not found (Gast)

Ich habe hier zum Zeitpunkt nichts gesagt, Herr Kollege. Ich habe im übrigen nur gesagt, daß die Gefahr schwerer Nachteile bestanden hat; ich habe nicht gesagt, daß schwere Nachteile eingetreten sind; dies war eine zweite Frage. ({0})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege, ich muß Sie darauf aufmerksam machen, daß Sie keine zweite Zusatzfrage stellen können. ({0}) - Aber darauf hat der Herr Staatsminister bereits geantwortet. ({1}) - Es war eine Antwort. Offen ist, ob Sie damit zufrieden sind. Zu einer Zusatzfrage Herr Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, Sie haben gesagt, die Tätigkeit von Frau Berger habe auf das Ergebnis der Verhandlungen keinen Einfluß gehabt. Kann man daraus schließen, daß deren Agententätigkeit aber Einfluß auf den Verlauf der Verhandlungen hatte,- nachdem bekannt geworden ist, daß sie der anderen Seite ein sehr gutes Dossier, nach den einzelnen Personen aufgefächert, übermittelt hat?

Not found (Gast)

Herr Kollege Hupka, bei Verhandlungen kommt es auf das Ergebnis an. Nach meinen Informationen sind die Ergebnisse nicht beeinflußt worden. Ich kann nicht ausschließen, daß während des Verlaufs der Verhandlungen von Frau Berger irgendwelche Einzelheiten berichtet worden sind. ({0}) Ich bin darüber im Augenblick aber nicht informiert; wenn Sie es wünschen, will ich es gern überprüfen. Jedenfalls sind die Ergebnisse davon nicht beeinflußt worden.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Zu einer Zusatzfrage Herr Kollege Ey.

Richard Ey (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, trifft es zu, daß Warschau und die Ostblockstaaten über die Absichten der deutschen Außenpolitik mindestens genauso informiert waren wie die deutschen Botschaften?

Not found (Gast)

Das, Herr Kollege, trifft sicherlich nicht zu.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege Jäger.

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, kann die Bundesregierung ausschließen, daß das, was Gegenstand des Prozesses gegen Frau Berger war, auch unter den Gesichtspunkten der Wiener Vertragsrechtskonvention von völkerrechtlicher Bedeutung werden könnte?

Not found (Gast)

Ich muß ehrlich sagen, Herr Kollege Jäger -

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Einen Augenblick bitte! Die Frage lautet: Inwiefern hat die geheimdienstliche Agententätigkeit der Frau Helge Berger erhebliche Auswirkungen auf die Verhandlungen zum Warschauer Vertrag gehabt? Ich kann den unmittelbaren Bezug Ihrer Zusatzfrage hierzu nicht sehen. Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen Ich rufe die Frage 132 des Abgeordneten Dr. Czaja auf: Ist die Zeugenaussage eines Sicherheitsbeauftragten in dem Prozeß Berger, die Warschauer Handelsmission sei ein „Morast" gewesen ({0}), nach den Untersuchungsergebnissen der Bundesregierung zutreffend?

Not found (Gast)

Herr Kollege Czaja, es trifft nicht zu, daß ein Sicherheitsbeauftragter im Prozeß die Warschauer Handelsmission als „Morast" bezeichnet.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Zusatzfrage.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist also die Meldung der „Welt" vom 25. Oktober nicht zutreffend und, wenn es so ist, würden Sie dann sagen, was der Sicherheitsbeauftragte in der öffentlichen Sitzung tatsächlich gesagt hat?

Not found (Gast)

Herr Kollege Czaja, ich könnte kaum das alles wiederholen, was der Sicherheitsbeauftragte gesagt hat. Ich kann nur wiederholen, daß er nicht den Ausdruck „Morast" benutzt hat. In dieser Beziehung ist die von Ihnen zitierte Zeitungsmeldung falsch.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege Czaja, Sie haben eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Kann man nach den Aussagen des Sicherheitsbeauftragten und auch nach dem Prozeßergebnis bestreiten, daß zumindest beim Verlauf der Verhandlungen in Warschau auch Verrat im Spiel war?

Not found (Gast)

Herr Präsident, ich sehe, ehrlich gesagt, den unmittelbaren Zusammenhang mit dem Ausdruck „Morast" nicht mehr.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Staatsminister, ich lasse nach Möglichkeit die zweite Zusatzfrage eines Fragestellers zu. Es liegt selbstverständlich in Ihrem Ermessen, wie Sie sie beantworten. Bei weiteren Zusatzfragen achte ich sehr sorgfältig auf den erforderlichen Zusammenhang.

Not found (Gast)

Herr Kollege Czaja, ich beantworte die Frage gerne. Ich beantworte sie dann so, wie ich die erste Frage beantwortet habe: daß nämlich die Verratstätigkeit von Frau Berger keinen Einfluß auf das Ergebnis der Verhandlungen über den Warschauer Vertrag gehabt hat.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, wie beurteilt die Bundesregierung den Umstand, daß seitens der Kommunisten eine Agentin auf die Verhandlungen angesetzt war, vor dem Hintergrund, daß es sich bei dem Warschauer Vertrag um einen Vertrag handelt, der zur Normalisierung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen einen gewichtigen Beitrag hat leisten sollen?

Not found (Gast)

Herr Kollege Hupka, geheimdienstliche Tätigkeit ist niemals der Normalisierung dienlich.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Meine Damen und Herren, damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes beantwortet. Herr Staatsminister, ich danke Ihnen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Verteidigung. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. von Bülow zur Verfügung. Die Frage 20 des Abgeordneten Kunz ({0}) wird auf seinen Wunsch schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. ({1}) - Herr Kollege, gehen Sie bitte davon aus, daß der amtierende Präsident in der Lage ist, seines Amtes zu walten. ({2}) Ich rufe die Frage 99 des Abgeordneten Schäuble auf: Trifft es zu, daß bei der Bundeswehr, wie z. B. in Achern, dienstleistende Wehrpflichtige vollständige Ausbildung als Lkw-Fahrer erhalten, dann aber zur Ablegung der Fahrprüfung nicht zugelassen werden, wenn sie nicht bereits im Besitz eines Führerscheins Klasse III sind, weil Fahrzeuge zur Vorbereitung und Ablegung der Führerscheinklasse III nicht einsatzbereit sein sollen, obwohl die Wehrpflichtigen vorher noch aufgefordert worden waren, die Testbogen für die Ablegung der theoretischen Fahrprüfung auf eigene Kosten zu erwerben, und wenn ja, wie beurteilt die Bundesregierung diese Tatsache?

Dr. Andreas Bülow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000299

Herr Kollege, nach den auch für die Bundeswehr geltenden Bestimmungen der Fahrschüler-Ausbildungsordnung sind Soldaten dann zur Fahrerlaubnisprüfung zuzulassen, wenn sie über die nötigen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen. Erfüllt ein Soldat diese Bedingung nicht, wird die Ausbildung verlängert. Die Fahrerlaubnisprüfung wird am Ende der Kraftfahrgrundausbildung abgenommen. Die Kraftfahrgrundausbildungsstellen verfügen über eine ausreichende Anzahl von Kraftfahrzeugen, um Ausbildung und Prüfungen durchführen zu können. Beim Transportbataillon 861 in Achern sind bisher keine Fahrerlaubnisprüfungen wegen Mangels an Fahrzeugen ausgefallen oder verschoben worden. Die amtlichen Prüfungsfragebogen werden dienstlich kostenlos zur Verfügung gestellt und den Bewerbern durch den Prüfer ausgehändigt. Darf ich gleich im Anschluß daran die zweite Frage beantworten?

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001938, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Der Fragesteller ist damit einverstanden. Dann rufe ich auch die Frage 100 des Herrn Abgeordneten Dr. Schäuble auf: Ist eine nicht zur Ablegung der Führerscheinprüfung führende Ausbildung zum Lkw-Fahrer nicht als eine Verschleuderung von Steuergeldern und als ein Umstand anzusehen, der bei den betroffenen Wehrpflichtigen zu nachhaltiger Enttäuschung führen muß, und welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, diesem Zustand abzuhelfen?

Dr. Andreas Bülow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000299

Soldaten dürfen zur Kraftfahrgrundausbildung nur zugelassen werden, wenn ihre Verwendung den Besitz einer Fahrerlaubnis voraussetzt. Herr Kollege, wie in anderen Bereichen ist bei der Fahrerlaubnisprüfung ein Versagen einzelner Bewerber nicht auszuschließen. Etwa 5 % der Fahrschüler der Bundeswehr erreichen das Ausbildungsziel nicht. Die Bundeswehr stellt bei der Auswahl, Ausbildung und Prüfung ihrer Kraftfahrer hohe Anforderungen, die im Interesse der Verkehrssicherheit nicht reduziert werden dürfen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Zusatzfrage. Dr. Schäuble ({0}) Herr Staatssekretär, sind Sie in der Lage, verbindlich auszuschließen, daß beim Transportbataillon in Achern Wehrpflichtige für das Führen von Lastkraftwagen ausgebildet wurden, dann aber mit der Begründung, sie hätten den Führerschein Klasse III nicht, nicht zur Prüfung zugelassen wurden?

Dr. Andreas Bülow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000299

Nach den mir zugänglich gemachten Unterlagen kann ich dies ausschließen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Zusatzfrage.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001938, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, dafür zu sorgen, daß diese Wehrpflichtigen zur Prüfung zugelassen werden, wenn ich in der Lage bin, Ihnen den den Fragen zugrunde liegenden Vorfall zu belegen?

Dr. Andreas Bülow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000299

Sofern sie die Voraussetzungen für eine Prüfungsabnahme erfüllen, selbstverständlich.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege, bitte.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001938, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, darf ich Sie so verstehen, daß Sie mit „Voraussetzungen" nicht den Besitz des Führerscheins Klasse III meinen?

Dr. Andreas Bülow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000299

Ja.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Damit ist der Fragenkomplex abgeschlossen. Die Herren Kollegen Dr. Kraske, Stahlberg und Ernesti haben um schriftliche Beantwortung der eingereichten Fragen 101 bis 105 gebeten. Dem wird entsprochen. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe die Fragen 124 und 125 der Frau Abgeordneten Dr. Däubler-Gmelin auf. - Sie ist nicht im Saal. Die Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Damit, Herr Staatssekretär von Bülow, sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung bereits beantwortet. Ich danke Ihnen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Haar zur Verfügung. Die Frage 106 ist von dem Herrn Abgeordneten Broll eingereicht. - Ich sehe den Herrn Kollegen nicht im Saal. Die Frage wird daher schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Die Frage 107 ist von dem Herrn Abgeordneten Curdt eingereicht: Teilt die Bundesregierung die Befürchtung, daß es bei einer Verwirklichung der Absicht der österreichischen Regierung, ab 1. Juli 1978 den grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr mit einer zusätzlichen Straßengebühr zu belasten, zu einer vergleichbaren besseren Behandlung österreichischer Unternehmen des Güterkraftverkehrs in der Bundesrepublik Deutschland und damit zu einem Ungleichgewicht kommt, und wenn ja, welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen oder anregen, um das drohende Ungleichgewicht zu verhindern?

Ernst Haar (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000760

Über die Auswirkungen der geplanten österreichischen Güterkraftverkehrssteuer auf den Wettbewerb zwischen deutschen und österreichischen Transportunternehmern läßt sich zur Zeit keine Aussage treffen, da die Einzelheiten der Steuerregelungen noch nicht feststehen. Die Bundesregierung beobachtet die Entwicklungen. Sie hat die österreichische Seite vorsorglich darauf hingewiesen, daß die Steuer nicht zu einer Benachteiligung deutscher Transportunternehmer gegenüber österreichischen Unternehmem führen dürfe. Nach Auskünften des österreichischen Verkehrsministeriums stehen Art und Ausgestaltung der vorgesehenen Regelung auch noch nicht fest. Es soll die Absicht bestehen, auch österreichische Transportunternehmer zu dieser Abgabe heranzuziehen, sofern sie im internationalen Straßengüterverkehr tätig sind. Dies deutet darauf hin, daß die österreichische Seite beabsichtigt, eine wettbewerbsneutrale Regelung zu treffen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege, keine weiteren Zusatzfragen? - Danke. Dann rufe ich die Frage 108 des Abgeordneten Dr. Wittmann ({0}) auf, der um schriftliche 4272 Deutscher Bundestag - 8. Wahlperiode - 55. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den IO. November 1977 Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen Beantwortung gebeten hat. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ich rufe nunmehr die Frage 109 auf, die die Frau Abgeordnete Hoffmann ({1}) eingereicht hat: Hat die Bundesregierung zu dem Erfahrungsaustausch über Verbesserungen im Ferienreiseverkehr 1978 am 27. Oktober 1977 in Bonn auch die Polizei, mehrere Autoclubs, die maßgeblichen Reiseveranstalter, die Verkehrspolitiker der CDU, SPD und FDP auf Bundesebene und Vertreter aller Bundesländer und des benachbarten Auslands eingeladen, und wenn nein, warum wurde in der Antwort auf meine Anfrage vom Monat August 1977 zu diesem Thema ein umfassender Erfahrungsaustausch mit allen Beteiligten angekündigt?

Ernst Haar (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000760

Der Erf ahrungsaustausch über den Ferienverkehr ist umfassend, Frau Kollegin. Eine Erörterung mit den für den Straßenverkehr und die Verkehrspolizei zuständigen obersten Landesbehörden fand am 18./19. Oktober 1977 in Wiesbaden statt. Am 27. Oktober erfolgte die Diskussion mit den Automobilklubs und den Verbänden. Für Anfang Dezember 1977 ist eine Erörterung im Bundestagsausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen vorgesehen. Im übrigen hatten wir Ihnen eine schriftliche Information nach Ablauf dieser. Abstimmungsgespräche zugesagt. Ich darf diese Zusage noch einmal erneuern.

Ingeborg Hoffmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000938, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darf ich dann fragen, wann die gesamten Ergebnisse über diesen Erfahrungsaustausch der Öffentlichkeit mitgeteilt werden, und ob wir dann auch davon ausgehen können, im Verkehrsausschuß diese Ergebnisse von Ihnen zu bekommen, und -

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Frau Kollegin, jetzt bitte ich aber, mal ein Fragezeichen zu machen, damit der Herr Staatssekretär antworten kann.

Ernst Haar (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000760

Ich kann das mit Ja beantworten.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Jetzt können Sie weiter fragen.

Ingeborg Hoffmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000938, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Werden die Erkenntnisse aus diesem Gespräch entscheidend zu einem Entzerren der Ferienregelung beitragen? Werden dann auch entsprechende Maßnahmen aus diesem Erfahrungsaustausch gezogen?

Ernst Haar (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000760

Vor Abschluß dieses Erfahrungsaustausches läßt sich das im Detail nicht feststellen. Aber wir werden darüber eingehend berichten. Im übrigen darf ich mich auf die Antwort auf Ihre zweite Frage beziehen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Die ich nunmehr aufrufe - Frage 110 -: Trifft es zu, daß die Bundesregierung an der Ferienplanung der Kultusministerkonferenz für die Bundesländer bis 1986 mitgewirkt hat, und wenn ja, warum hat die Bundesregierung nicht schon dabei ihren Einfluß auf die Kultusministerkonferenz geltend gemacht, daß einige Termine von Beginn und Ende der Ferien in den Bundesländern 1978 im Juni, vom 3. bis 11. Juli 1978 und vom 2. bis 21. August 1978 liegen, weil in diesen Zeitbereichen keine Konzentrierung von Ferienbeginn- und -endterminen ist?

Ernst Haar (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000760

Die Bundesregierung hat an der Entscheidung der Kultusministerkonferenz aus dem Jahre 1971 über die Ferienplanung, durch die die Ferien bis 1978 festgelegt wurden, mitgewirkt. Sie hat sich hierbei um eine angemessene Berücksichtigung der straßenverkehrlichen Interessen bemüht. Wenn nicht alle Wünsche der Bundesregierung erfüllt werden konnten,- so erklärt sich das daraus, daß für die Ferienplanung nicht nur verkehrliche Interessen maßgebend sind. Von Gewicht sind z. B. auch gesundheitspolitische und schulische Überlegungen ebenso wie Belange des Fremdenverkehrs. Probleme ergeben sich aus dem gleichzeitigen Ferienbeginn in Nordrhein-Westfalen, Belgien und den Niederlanden. Die Bundesregierung hat sich deshalb noch einmal um eine Entzerrung des gleichzeitigen Ferienbeginns in Nordrhein-Westfalen sowie in Belgien und in den Niederlanden mit Nachdruck bemüht.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Zusatzfrage.

Ingeborg Hoffmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000938, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Was wird die Bundesregierung, wenn einige Bundesländer der nachträglichen Verschiebung der Ferientermine nicht zustimmen, unternehmen, um die Bevölkerung der Bundesrepublik an den kritischen zwei Wochenenden, die sich jetzt schon wieder für 1978 abzeichnen, vor einem Verkehrschaos und voraussichtlich einigen Verkehrstoten zu bewahren?

Ernst Haar (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000760

Sie hat in diesem Fall nur noch die organisatorische Möglichkeit der sogenannten Verkehrslenkung. Das sind aber auch nur Hinweise, nur Empfehlungen. Sie kann auf die Entscheidungen einer Landesregierung mit dieser Begründung allein nicht mit der Wirkung Einfluß nehmen, wie Sie das hier erfragt haben.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Frau Kollegin, keine weiteren Zusatzfragen? Ich rufe nunmehr die Frage 111 des Herrn Abgeordneten Milz auf: Was kosten die bisher in den Spiegel-Ausgaben Nr. 34, Nr. 38 und Nr. 42 sowie die möglicherweise noch folgenden, vom Bundespostminister veranlaßten, großformatig jeweils vier Seiten umfassenden Anzeigen, bei denen bisher jeweils auf zwei ganzen Seiten nur zu lesen stand „Wer investiert in Deutschland am meisten?", „Wer steckt 100 Millionen DM in die Forschung?" und ”Wie heißt Deutschlands größtes Unternehmen?"?

Ernst Haar (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000760

Wenn der Herr Kollege Milz einverstanden ist, Herr Präsident, würde ich beide Fragen gern im Zusammenhang beantworten.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Ihr Fragerecht wird dadurch nicht verkürzt. Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen Ich rufe also auch die Frage 112 des Herrn Abgeordneten Milz auf: Welchen Eindruck, glaubt der Bundespostminister, macht diese Anzeigenserie auf den Bürger angesichts der enormen Gebührenerhöhungen um 86 v. H. innerhalb von vier Jahren und der ursprünglich geplanten Einführung eines Vier-Minuten-Zeittakts und angesichts der Tatsache, daß die Deutsche Bundespost sich diese Anzeigen allenfalls auf Grund ihrer hohen Monopolüberschüsse im Fernmeldebereich leisten kann?

Ernst Haar (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000760

Im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel" wurden insgesamt sechs vierseitige Public-Relations-Anzeigen in der Zeit vom 15. August bis zum 24. Oktober 1977 veröffentlicht. Die Anzeigenserie hat 450 000 DM gekostet. Sie wurde aus den regelmäßig für Öffentlichkeitsarbeit bereitgestellten Haushaltsmitteln finanziert. Weitere Anzeigen sind im Rahmen dieser Serie nicht geplant. Meinungsumfragen hatten ergeben, daß die Öffentlichkeit an Informationen auch über die Deutsche Bundespost stark interessiert ist. Ziel- der Anzeigenserie war es, über die betriebliche, wirtschaftliche und finanzielle Situation der Post zu informieren und besonders aktuelle und wichtige Fragen des Post- und Fernmeldewesens anzusprechen. Auf diese Weise sollen in der Öffentlichkeit Kenntnislücken geschlossen und unbegründete Vorurteile gegenüber der Post abgebaut werden. Mit den insgesamt sechs Anzeigen wurden die zum Teil unbekannten Tatsachen bewußtgemacht, daß die Deutsche Bundespost als Dienstleistungsunternehmen, als Arbeit- und Auftraggeber in der Bundesrepublik Deutschland eine bedeutende Rolle spielt. Die Post wird nicht aus Steuergeldern finanziert. Sie muß ihre Ausgaben - wie jedes andere Wirtschaftsunternehmen auch - aus den Einnahmen bestreiten. Sie muß sich deshalb der zeitgemäßen Methoden der Vertrauenswerbung bedienen. Ein Zusammenhang zu Gebührenerhöhungen und zu der Einführung des Zeittaktes im Telefonnahdienst bzw. zu den im Fernmeldebereich erzielten Überschüssen besteht nicht. Denn die Post betreibt nicht nur bezahlte Öffentlichkeitsarbeit, wenn sie Gewinne zu verzeichnen hat. Das beweisen auch die zurückliegenden Jahre.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Zusatzfrage.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, welche Begründung - auch psychologischer Art - kann der Bundespostminister dafür geben, daß diese Anzeigenserie geballt nur an den „Spiegel" vergeben und nicht auch auf andere Medien verteilt wurde, vielleicht in der Art, daß „Der Spiegel" pro Ausgabe statt vier Seiten nur eine Seite bekommen hätte? ({0})

Ernst Haar (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000760

Die Unternehmungsleitung der Deutschen Bundespost - und damit auch der Bundespostminister - ist der Auffassung, daß durch Anzeigen im „Spiegel" die Öffentlichkeit durchaus erreicht wird. Es wird speziell der meinungsaktive Teil der Bevölkerung angesprochen und damit auch die Öffentlichkeit erreicht.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Eine weitere Zusatzfrage.

Peter Milz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001511, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß durch Verteilung auf andere Medien die Öffentlichkeit in einem größeren Maße erreicht werden könnte als bei einer Konzentration auf den „Spiegel" allein?

Ernst Haar (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000760

Wir werden Ihre Anregung gerne aufgreifen und prüfen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Eine weitere Zusatzfrage.

Peter Milz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001511, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, glaubt der Bundespostminister nicht, daß solche großspurigen Anzeigen mit wenig Inhalt vom Bürger zumindest als Fehlinvestitionen angesehen und damit abgelehnt werden, und gibt es irgendwelche Anzeichen dafür, wie der Bürger auf diese Art der Information durch die Bundesregierung reagiert?

Ernst Haar (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000760

Es gibt positive Anzeichen, Herr Kollege. Die Post hat sich von Fachleuten der Kommunikationsbranche beraten lassen. Wer sich auf dem heutigen Informationsmarkt mit seiner Vertrauenswerbung durchsetzen will, muß natürlich auch relativ aufwendige Wege gehen. Es kam darauf an, die Anzeigen so wirksam zu gestalten, daß sie auch tatsächlich gelesen werden. Die Zuschriften und Anfragen, die die Post auf die Anzeigen erhalten hat, beweisen, daß dies gelungen ist und daß die Konzeption der beratenden PublicRelations-Agentur im Grunde richtig war.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege, Sie haben eine letzte Zusatzfrage.

Peter Milz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001511, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist der Text wohl deshalb so spärlich gehalten worden, weil Sie annahmen, daß die Leser ohnehin nicht allzu viel davon lesen würden?

Ernst Haar (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000760

Herr Kollege, Sie können hinsichtlich dieser Form der Öffentlichkeitsarbeit Erfahrungen aus vergleichbaren großen Unternehmen aufgreifen. Ich kann hier nur feststellen, Sie würden die positiven Erfahrungen aus diesen großen Wirtschaftsbereichen sicherlich nicht in der Art Ihrer jetzigen Wertung mit Untertiteln ver- sehen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stahl.

Erwin Stahl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002212, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, würden Sie mir darin zustimmen, daß selbst Kollegen der Opposition in diesem Hause aktuelle Fragen der Bundespost diskutieren .und auch der Bundesregie4274 Stahl ({0}) rung von hier aus empfohlen haben, im Sinne der Aufklärung der . Bevölkerung über verschiedene Probleme der Bundespost tätig zu werden, damit geholfen wird, das teils negative Bild der Bundespost, das ja durch diese Zusatzfragen der Kollegen der Opposition mit erhärtet wird, insgesamt abzubauen?

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege, die letzte Bemerkung bitte ich im Hinblick auf die Bewertung als gestrichen anzusehen. Ansonsten zur Beantwortung Herr Staatssekretär, bitte.

Ernst Haar (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000760

Herr Kollege, es gibt Anregungen der verschiedensten Art, die wir natürlich in unserer Öffentlichkeitsarbeit auch künftig berücksichtigen werden.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Gerster.

Dr. h. c. Johannes Gerster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000671, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, muß durch Ihre Antworten, in denen Sie dartun, daß Sie mit diesen Anzeigen die deutsche Öffentlichkeit erreichen wollen, wobei diese Anzeigen aber nur dem „Spiegel"-Verlag übertragen werden, nicht der Eindruck entstehen, daß die Bundesregierung die deutsche Öffentlichkeit mit den „Spiegel"-Lesern gleichsetzt?

Ernst Haar (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000760

Nein.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Braun.

Gerhard Braun (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000251, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

In Ihrer Antwort gingen Sie, Herr Staatssekretär, davon aus, daß die große Öffentlichkeit erreicht werden muß. Geht die Bundesregierung, zumindest aber das Verkehrsministerium, davon aus, daß der „Spiegel" inzwischen ein Volksblatt geworden ist?

Ernst Haar (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000760

Zumindest ein Blatt, das Meinungsträger der Öffentlichkeit in weiten Bereichen erfaßt. So ist unsere Entscheidung auch aufzufassen. ({0})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Meine Damen und Herren, ich habe das Gefühl, daß eine ganze Reihe von Kollegen aller Fraktionen jedenfalls der festen Überzeugung ist, daß es vielfach gelesen wird, wenn sie dort erwähnt werden. Ich rufe Frage 113 des Kollegen Heyenn auf: Treffen Pressemeldungen zu, nach denen im Bundespostministerium oder beim Postverwaltungsrat Überlegungen angestellt werden, für das Hamburger Telefonnetz von der Einführung eines Zeittakts abzusehen und dabei auf die vorgesehene Ausweitung des Hamburger Netzes in das Hamburger Umland zu verzichten?

Ernst Haar (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000760

Ich darf Ihre Frage mit Nein beantworten. Die Pressemeldungen entbehren jeder Grundlage. Der Hamburger Nahbereich wird durch das Hamburger Ortsnetz und die 21 unmittelbar angrenzenden Nachbarortsnetze gebildet werden. Ein Telefonkunde z. B. aus Norderstedt, der zum Ortsnetz Henstedt/Ulzburg gehört, wird künftig sowohl die Teilnehmer des Ortsnetzes Hamburg als auch die von 14 weiteren Ortsnetzen zur Ortsgebühr erreichen können. ({0})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Dann rufe ich Frage 114 des Abgeordneten Dr. Diederich auf: Wodurch ist der erhebliche Unterschied bei der Höhe der Gebühren für lizenzierte Amateurfunker einerseits und für den Bereich von Feststationen kleinerer Leistungen im sogenannten Jedermannfunk andererseits zu erklären, und weshalb werden für mobile Geräte im Jedermannfunk überhaupt keine Gebühren erhoben?

Ernst Haar (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000760

Der Aufwand der Deutschen Bundespost für die Genehmigung und die Kontrolle des Betriebes von Amateurfunkstellen ist wesentlich geringer als der für Feststationen kleiner Leistung im sogenannten Jedermannfunk. Im Gegensatz zu diesen Feststationen dürfen Amateurfunkstellen nur von Personen bedient werden, die nach internationalen Vorschriften geforderte Kenntnisse und Fertigkeiten in einer besonderen Prüfung nachgewiesen haben, was den Kontrollaufwand der Deutschen Bundespost erheblich verringert. Für bewegliche Sprechfunkanlagen kleiner Leistung im sogenannten Jedermannfunk konnte eine allgemeine Genehmigung erteilt werden. Diese Form der Genehmigung und der geringere Aufwand der Deutschen Bundespost im Zusammenhang mit der Kontrolle des Betriebes machten den Verzicht auf Genehmigungsgebühren möglich. Vielleicht darf ich Ihnen bei dieser Gelegenheit die Gebührensätze noch einmal in Erinnerung rufen. Die Gebühr für die Genehmigung zum Errichten und Betreiben einer Amateurfunkstelle beträgt 3 DM monatlich, die für Feststationen kleiner Leistung im sogenannten Jedermannfunk 15 DM monatlich; bei beweglichen Sprechfunkanlagen kleiner Leistung im sogenannten Jedermannfunk mit der dargestellten Begründung: keine.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Keine Zusatzfrage? - Gut, dann rufe ich Frage 115 des Abgeordneten Dr. von Wartenberg auf: Hält es die Bundesregierung für angebracht, daß „Ihre Post" die Tatsache der Übernahme von „8 400 Leuten in die Ausbildung" in zwei ganzseitigen Anzeigen des „Spiegel" vom 24. Oktober 1977 verkündet mit dem Hinweis, diese Anzeige koste nur 0,0000025 v. H. des Gesamtumsatzes der Deutschen Bundespost? Kann ich davon ausgehen, Herr Staatssekretär, daß Sie diese Frage gemeinsam mit der Frage 116 beantworten wollen?

Ernst Haar (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000760

Das will ich gern übernehmen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Der Fragesteller ist nämlich, wie ich gesehen habe, damit Vizepräsident Di. Schmitt-Vockenhausen einverstanden. Ich rufe also zusätzlich Frage 116 des Abgeordneten Dr. von Wartenberg auf: Wieviel DM sind 0,0000025 v. H. des Gesamtumsatzes der Deutschen Bundespost, und wieviel Anzeigen dieser Art hat die Deutsche Bundespost veröffentlicht?

Ernst Haar (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000760

Die Anzeige „Wer stellt in Deutschland die meisten Ausbildungsplätze?" ist Bestandteil einer aus sechs Motiven bestehenden Anzeigenserie, die vom 15. August bis zum 24. Oktober im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel" veröffentlicht worden ist. Die Anzeige machte die weithin unbekannte Tatsache bewußt, daß die Deutsche Bundespost in Deutschland das Unternehmen mit dem größten Angebot an Ausbildungsplätzen ist und einen bedeutenden Beitrag zur Linderung der Jugendarbeitslosigkeit leistet. Die Zahlenangabe in der Fußnote macht deutlich, daß die Deutsche Bundespost im Vergleich zu ihrem Gesamtjahresumsatz von rund 30 Milliarden DM relativ geringe Haushaltsmittel für bezahlte Öffentlichkeitsarbeit aufwendet. Die Anzeigenserie kostet 450 000 DM, eine Anzeige also 75 000 DM.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Zusatzfrage.

Dr. Ludolf Georg Wartenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002431, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht auch, daß es deutlicher gewesen wäre, den klaren DM-Betrag pro Anzeige zu veröffentlichen, statt zu sagen, daß die Anzeige 0,0000025 °/o des Umsatzes gekostet hat?

Ernst Haar (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000760

Das ist ein Vergleichsmaßstab, den die Berater für die Fassung dieser Anzeige gegeben haben und dem wir zugestimmt haben, Herr Kollege.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege, eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Ludolf Georg Wartenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002431, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wieviel zusätzliche Ausbildungsplätze hätte die Bundespost schaffen können für die Anzeigenausgaben in Höhe von 450 000 DM?

Ernst Haar (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000760

Ich finde nicht, daß man einen Betrag für Öffentlichkeitsarbeit, der übrigens in den zurückliegenden Jahren in keiner Weise verändert worden ist, in einen solchen Vergleich einbringen kann, Herr Kollege.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Abgeordneter Stahl, Sie wollten noch eine Zusatzfrage stellen. Bitte.

Erwin Stahl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002212, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, gibt es Vergleichszahlen zwischen der Bundespost einerseits und anderen Betrieben der Wirtschaft andererseits, die sich auf das Verhältnis der zusätzlichen Einstellung von Auszubildenden zu den Werbeetats beziehen? Haar, Pari. Staatssekretär: Ich habe im Augenblick keine entsprechenden Unterlagen zur Verfügung, Herr Kollege. Ich kann Ihnen aber versichern: Wenn die Wirtschaft entsprechend ihren Zusagen vergleichbar mit der Deutschen Bundespost über das Notwendige hinaus ihren Beitrag leistete, wäre es uns in diesem Bereich um einiges leichter.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen. Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen beantwortet. Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Engholm zur Verfügung. Der Herr Abgeordnete Dr. Langguth hat um schriftliche Beantwortung der Fragen 10 und 11 gebeten. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt. Ich rufe die Frage 120 der Abgeordneten Frau Hürland auf: Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft, Rohde, wonach es in der Bundesrepublik Deutschland zur Zeit 1 bis 1,5 Millionen mehr arbeitslose Jugendliche gäbe, hätten wir noch das Bildungssystem von Mitte der 60er Jahre, und wenn ja, auf Grund welcher Erkenntnisse oder statistischer Erhebungen kommt sie zu diesem Schluß?

Björn Engholm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000476

Frau Abgeordnete, Herr Bundesminister Rohde hat eine Auffassung in der von Ihnen zitierten Art nicht geäußert. Sie beziehen sich möglicherweise auf eine Äußerung von Bundesminister Rohde, wie sie auch in der kürzlich veröffentlichten Broschüre des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft „Bildung, Ausbildung, Arbeit für die Jugend" enthalten ist. Die dortige Formulierung lautet: ... weil mehr Jugendliche und Erwachsene länger lernen, suchen heute 1,5 Millionen Menschen weniger einen Arbeitsplatz, als wenn in der Bildung alles beim alten geblieben wäre. Es wird daher auf das Mehr an arbeitsuchenden - nicht arbeitslosen - Erwerbspersonen ({0}) abgestellt, das sich ergeben hätte, wenn die Entzugseffekte durch eine verlängerte Ausbildungsdauer und eine erhöhte Bildungsbeteiligung nicht stattgefunden hätten. Die genannte Größenordnung ergibt sich, wenn man die Erwerbsquote der Altersgruppen bis unter 25 Jahre aus dem Jahre 1960 auf dieselben Altersgruppen des Jahres 1975 anwendet und das Ergebnis mit der tatsächlichen Zahl der Erwerbspersonen aus diesen Altersgruppen 1975 vergleicht. Die sich dabei ergebende Differenz ist im wesentlichen darauf zurückzuführen, daß sich 1975 - auf Grund der Veränderungen in der Bildungsbeteiligung - entsprechend mehr Angehörige dieser Altersgruppe im Bildungs- und Ausbildungssystem befinden.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Frau Kollegin, Zusatzfrage.

Agnes Hürland (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000976, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, darf ich Sie davon unterrichten, daß der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft bei der Eröffnung der Volkshochschule „Die Insel" im „stern" in Marl die Äußerung getan hat, wir hätten 1,5 Millionen arbeitslose Jugendliche mehr, wenn wir noch dasselbe Bildungssystem wie Mitte der 60er Jahre hätten. Darf ich Ihnen mein mitstenographiertes Protokoll darüber zur Verfügung stellen?

Björn Engholm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000476

Frau Abgeordnete, wir haben natürlich auf Grund Ihrer Frage auch nachgeprüft, was in der „Insel" in Marl in diesem Zusammenhang von Herrn Bundesminister Rohde geäußert worden ist. Ausweislich seiner Rede hat er diesselbe Formulierung gebraucht, die ich eben in richtigstellender Weise wiedergegeben habe. Sollte in der Tat auf Grund Ihres Stenogramms eine andere Aussage gemacht worden sein, kann es sich ausschließlich um einen Versprecher gehandelt haben.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Frau Kollegin, eine weitere Zusatzfrage.

Agnes Hürland (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000976, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Kann ich dann davon ausgehen, daß diese Äußerung ein Irrtum war und nicht zutreffend ist?

Björn Engholm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000476

Gnädige Frau, ich kann nicht nachprüfen, ob diese Äußerung wirklich gemacht worden ist. Ich bin auf Ihren Hinweis angewiesen. Aber ich bin der Staatssekretär von Herrn Bundesbildungsminister Rohde; Aussagen werden bei uns im Hause in der politischen Leitung häufig gemeinsam erarbeitet. Ich kann mir nicht vorstellen, daß Herr Bundesminister Rohde die von Ihnen zitierte Äußerung in dieser Form getan hat. Wenn doch - ich wiederhole das -, so kann das nur ein Versprecher gewesen sein.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kittelmann.

Peter Kittelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001106, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, halten Sie die von Ihnen benutzte Argumentation auf Grund der Fragestellung für so seriös, daß sie einer Nachprüfung standhielte?

Björn Engholm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000476

Herr Kollege, ob die Darstellung, die ich gegeben habe, seriös ist, habe ich selbst nicht einzuschätzen. Ich urteile nicht über meine Seriosität. Das Sachargument, das ich Ihnen gebracht habe, d. h., die Berechnung, aus der sich die Zahl ergibt, ist allerdings seriös.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Der Abgeordnete Gerlach ({0}) hat um schriftliche Beantwortung der von ihm eingereichten Frage 121 gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Der Abgeordnete Dr. Möller ist nicht im Saal. Die von ihm eingereichte Frage 122 wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Das gilt auch für die Frage 123 des Abgeordneten Spranger, da er ebenfalls nicht im Saal ist. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Damit stehen wir am Ende der Fragestunde. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf: Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste - Drucksache 8/1140 Überweisung des Ältestenrates: Rechtsausschuß ({1}) Innenausschuß Verteidigungsausschuß Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist eine Redezeit von 45 Minuten vereinbart worden. Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Zur Begründung des Gesetzentwurfs hat das Wort der Herr Abgeordnete Jahn.

Gerhard Jahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001012, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag hat in den vergangenen Wahlperioden wiederholt dazu angesetzt, die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste auf eine klare Rechtsgrundlage zu stellen. Keiner dieser Anläufe ist bisher zum Erfolg gebracht worden. Dieser, der 8. Deutsche Bundestag, hat sich schon in den ersten Monaten nach Aufnahme seiner Arbeit gezwungen gesehen, das Thema erneut aufzugreifen. Anlaß war die öffentliche Erörterung über das Verhalten des Bundesamtes für Verfassungsschutz im Zusammenhang mit der sogenannten Abhöraffäre Traube. Die Fraktion der SPD hat gemeinsam mit der FDP-Fraktion aus den daraus gewonnenen Erkenntnissen die Folgerung gezogen und sich für eine klare gesetzliche Regelung einer parlamentarischen Kontrolle aller Nachrichtendienste des Bundes ausgesprochen. Die Ergebnisse der Vorarbeit in einer Arbeitsgruppe sind der Opposition zur Kenntnis gebracht worden. Sie wurde eingeladen, sich an der Erarbeitung eines gemeinsamen Gesetzentwurfes zu beteiligen. Die Opposition hat diese Einladung angenommen und dadurch klargestellt, daß sie ebenfalls eine gesetzliche Regelung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste für erforderlich hält. Der jetzt vorliegende Entwurf ist gemeinsam im Auftrag der Vorsitzenden der drei Fraktionen des Deutschen Bundestages erarbeitet worden. Die Fraktionen der SPD und der FDP haben beschlossen, ihn einzubringen und zur Grundlage der weiteren Beratungen zu machen. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion bedauert es, daß sich die Opposition der gemeinsamen Einbringung der Vorlage versagt hat. Der angegebene Grund allein, daß eine Reihe von einzelnen Bestimmungen noch genauer Prüfung und ÜberJahn ({0}) arbeitung bedürften, kann diese Entscheidung nicht rechtfertigen. Selbstverständlich ist eine gründliche Durcharbeitung des Entwurfs in den Ausschüssen des Bundestages geboten. Dort ist auch der Ort, über alle Fragen gründlich zu beraten. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion war und ist jedoch der Auffassung, daß nicht noch länger gewartet werden darf. Seit Anfang September liegt der Entwurf im Wortlaut vor. Der Bundestag muß jetzt eine erste Entscheidung treffen. Das ist der Sinn dieser ersten Lesung des Entwurfs. Die Entscheidung ist um so dringlicher, als es bisher nicht gelungen ist, das parlamentarische Vertrauensmännergremium, dem in den bisherigen Wahlperioden die Kontrolle der Nachrichtendienste anvertraut war, in dieser Wahlperiode wieder einzusetzen. Die Folge ist, daß nunmehr fast ein Jahr nach dem ersten Zusammentritt des 8. Deutschen Bundestages eine parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste nicht stattfindet. Der Bundestag darf nicht länger auf die Ausübung seiner Kontrollrechte verzichten. Das liegt auch nicht im Interesse der Nachrichtendienste selbst. Nachrichtendienste sind notwendig. Sie leisten einen unentbehrlichen Beitrag zur Gewährleistung der inneren und äußeren Sicherheit des Staates. Die Eigenart ihrer Aufgabe erfordert es, daß ihre Tätigkeit möglichst wenig öffentlich erkennbar bleibt. Das Parlament will und muß bei der Kontrolle der Nachrichtendienste deren besondere Aufgabenstellung achten. In der Regel muß es seine verfassungsrechtliche Kontrollaufgabe gegenüber der Regierung im Plenum und in den Ausschüssen nach den allgemeinen Regeln, die das Grundgesetz und die Geschäftsordnung des Bundestages über die Kontrolle der Regierung durch das Parlament aufstellen, ausüben. In den Ausschüssen des Deutschen Bundestages ist das Mitwirkungsrecht der Bundesregierung und der Mitglieder des Bundesrates und ihrer Beauftragten an den Beratungen so breit angelegt, daß dem besonderen Auftrag der Nachrichtendienste bei der parlamentarischen Kontrolle nicht hinreichend Rechnung getragen werden kann. Will der Bundestag sowohl seinen Auftrag, die Tätigkeit der Regierung zu kontrollieren, erfüllen, als auch dabei den besonderen Auftrag der Nachrichtendienste achten, dann muß er dafür deshalb eine geeignete besondere Form finden. Aus diesem Grunde ist in den bisherigen Wahlperioden auf Grund von Vereinbarungen zwischen dem Bundeskanzler und den Fraktionen des Deutschen Bundestages die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste dem parlamentarischen Vertrauensmännergremium anvertraut gewesen. Eine solche Vereinbarung ist, auch wenn sie im großen und ganzen ihren Zweck erfüllen konnte, keine befriedigende, ja mehr, keine ausreichende, verfassungsrechtlich überzeugende und gesicherte Grundlage dafür, diese wichtige Aufgabe des Parlamentes zu erfüllen. Der ursprüngliche Verfassungsauftrag der Kontrolle der Regierung durch das Parlament muß in einer rechtlich einwandfreien, klaren, für jeden Bürger erkennbaren Form begründet werden. Das ist das Ziel des vorgelegten Entwurfes. Er hat deshalb entscheidende Bedeutung für die Verfassungswirklichkeit der Bundesrepublik Deutschland und damit verfassungspolitischen Rang. Wenn das Parlament auf einer klaren rechtlichen Begründung seines Kontrollauftrages auch gegenüber den Nachrichtendiensten des Bundes besteht, liegt darin keine Entscheidung gegen die Nachrichtendienste und schon gar kein Mißtrauen gegenüber den Nachrichtendiensten. Der Gesetzentwurf ist notwendig, weil nur so der verfassungsgemäße Kontrollanspruch des Parlamentes gegenüber der Exekutive eindeutig geregelt werden kann. Zugleich soll und wird der Entwurf die Nachrichtendienste und ihren besonderen Auftrag in der Exekutive stärken. Zum erstenmal wird außer für den Verfassungsschutz, der seine eigene gesetzliche Grundlage hat, eine gesetzliche Bestimmung ihres Auftrages für den Bundesnachrichtendienst und den militärischen Abschirmdienst geschaffen. Damit wird den Nachrichtendiensten zugleich die Sicherheit gegeben, daß ihre Aufgabe und ihre praktische Tätigkeit voll und ganz in die demokratische Organisation unseres Staates einbezogen sind. Das ist unerläßlich. Ohne Rückhalt im Parlament, wie sie durch die Kontrolle des Parlaments über die Exekutive zum Ausdruck kommt, ist im demokratischen Staat verantwortliche Tätigkeit der Exekutive nicht möglich. Der Grundsatz, der in § 1 des Entwurfs ausgesprochen ist, stellt deshalb eine Stärkung und nicht eine Schwächung der Aufgabe und Tätigkeit der Nachrichtendienste dar. Form und Inhalt der Kontrolle bedürfen - darüber kann es keinen Streit geben - sorgfältiger Abwägung. Die Formulierungen des jetzt vorgelegten Entwurfs bedürfen deshalb besonders sorgfältiger und gründlicher Beratung in den Ausschüssen. Im Offenbaren von Einzelheiten und letzten Hintergründen der Tätigkeit der Nachrichtendienste sind der Regierung Grenzen gesetzt. Deshalb hält der Entwurf auch streng an der eigenen verfassungsmäßigen Verantwortlichkeit derjenigen fest, denen die Leitung der Nachrichtendienste politisch anvertraut ist. Deshalb vermeidet der Entwurf auch jede Regelung, die ein Einmischen in die Verantwortlichkeit der Regierung nach sich ziehen könnte. Die Praxis der Kontrolle der Nachrichtendienste wird gelegentlich an Grenzen stoßen. Solche Grenzen müssen geachtet werden. Diese unvermeidliche Selbstbescheidung bei der Kontrolle darf aber nicht dazu führen, daß sich das Parlament selbst durch Gesetz schon eines Teiles seiner Rechte begibt und die Kontrolle selbst beschränkt. Der Kontrollanspruch des Parlaments gegenüber der Regierung ist immer uneingeschränkt. Es ist Sache der Regierung,' aus ihrer Verantwortung heraus, Grenzen für die ihr aufgegebene Berichtspflicht zu erkennen und glaubhaft zu vertreten. Es kann auch schon deshalb nicht Aufgabe des Parlaments sein, von vornherein seinen Anspruch auf uneingeschränkte Unterrichtung zu begrenzen, weil die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste dazu beitragen wird und beitragen soll, Jahn ({1}) das Vertrauen der Bürger in die verfassungs- und gesetzesmäßige Tätigkeit der Nachrichtendienste zu stärken. Unsere Bürger sollen sicher sein, daß das Parlament im Zweifelsfall alle Mittel einsetzt, um ihre Rechte zu gewährleisten. Die besondere Form der parlamentarischen Kontrolle erfordert es, daß die parlamentarische Kontrollkommission auf eine Mindestgröße beschränkt wird, daß ihre Mitglieder mit qualifizierter Mehrheit vom Hause gewählt werden und daß ihre Beratungen mindestens vertraulich stattfinden. Der Entwurf beschränkt sich auf das notwendige Mindestmaß, weil er ein erster Schritt auf rechtliches Neuland ist. Er kann und will nicht Anspruch darauf erheben, schon alle Überlegungen aufgearbeitet zu haben, die in diesem Zusammenhang angestellt werden können oder gar müssen. Es wird ohnehin nach einiger Zeit erforderlich sein, auf Grund der in der Anwendung des Gesetzes und der in der parlamentarischen Kontrollkommission gewonnenen Erfahrungen zu prüfen, ob die gesetzlichen Grundlagen noch genauer gefaßt und ergänzt werden müssen. Heute ist entscheidend, daß wir uns entschließen, eine tatsächlich vorhandene Lücke in der Verfassungswirklichkeit unseres Staates auszufüllen, und daß wir dies ebenso sorgfältig wie schnell tun. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion erfüllt mit der Vorlage dieses Gesetzentwurfes ihre Pflicht, die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste zu sichern. Wir wollen die Nachrichtendienste und ihre Tätigkeit voll einbeziehen in das auf Kontrolle gegründete Vertrauen in unseren demokratischen Staat. ({2}) Wir sind bereit, in den Ausschußberatungen jede Zweifelsfrage sorgfältig zu beraten. Wir sind aber auch entschlossen, das Gesetz so schnell zu beraten, wie es seiner Bedeutung und dem Ziele nach geboten ist. Fast ein Jahr ohne jede Kontrolle der Nachrichtendienste ist schon eine lange Zeit. ({3}) Die auf klares Recht gegründete wirksame parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste muß jetzt ohne Verzug verwirklicht werden. ({4})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Meine Damen und Herren, damit ist der Gesetzentwurf begründet. Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat der Abgeordnete Eyrich.

Dr. Heinz Eyrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000511, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Anschluß an das, was der Herr Kollege Jahn über die Eilbedürftigkeit dieses Gesetzentwurfes gesagt hat, darf ich kurz bemerken: Wenn es an uns liegen sollte, wir sind be- reit, dieses Gesetz so schnell wie möglich zu verabschieden, weil ein Bedürfnis besteht. Damit soll auch gleich die Frage beantwortet werden, die Sie am Beginn Ihrer Ausführungen gestellt haben, nämlich die Frage: Inwieweit hält diese Opposition eine gesetzliche Regelung für erforderlich? Wir halten sie für erforderlich; unter welchen Bedingungen, möchte ich mich bemühen darzustellen. Als die drei Geschäftsführer vor einigen Wochen einen Entwurf vorlegten, konnte man hören, daß dieser Entwurf als eine Art Diskussionsgrundlage verstanden werden solle, daß er in den Fraktionen beraten und schließlich auch seinem Selbstverständnis entsprechend durchaus einer Änderung zugänglich sein solle. Auf dieser Grundlage haben wir dann den Entwurf beraten, haben mit den Betroffenen gesprochen und auch mit den Bundesländern Verbindung aufgenommen. Das Ergebnis dieser Beratungen ist, daß wir den von der Fraktion der SPD und der Fraktion der FDP inzwischen beschlossenen Entwurf zwar weiterhin als eine Diskussionsgrundlage ansehen, ihn indessen der doch nicht geringen Bedenken wegen nicht als Ausdruck auch unserer politischen Zielsetzung in diesem Bereich voll und ganz ansehen können. Der jetzt vorgelegte Entwurf wird den grundlegenden Forderungen nicht gerecht, die wir an ein solches Gesetz stellen müssen. Diese Forderungen orientieren sich an der bisherigen Situation auf dem Gebiet der Kontrolle der Nachrichtendienste, den in den letzten Jahren gemachten Erfahrungen, schließlich und endlich an den Aufgaben und Funktionen der Sicherheitsdienste in unserem Land. Lassen Sie mich auch folgendes sagen, ohne Polemik betreiben zu wollen: Die derzeitige Situation ist leider auch durch eine Verzerrung des Bildes der Nachrichtendienste und ihre oft bewußt betriebene Herabsetzung in der Öffentlichkeit gekennzeichnet. Leider - auch das muß man sagen - beteiligten sich auch Parlamentarier daran, einer davon aus Nordrhein-Westfalen. Herr Dammeyer meinte, den letzten Verfassungsschutzbericht so qualifizieren zu müssen: Die Dossiers des Verfassungsschutzes haben nichts mit dem Schutz der Verfassung zu tun. Hier wird ein System organisiert, das einzig der Einschüchterung dient. Ich glaube, wir sind uns darüber einig, daß der Kollege aus ihrer Fraktion in Nordrhein-Westfalen ganz sicherlich ein völlig falsches Bild von unseren Sicherheitsdiensten zeichnet. Ich meine, das ist der Entwurf eines Bildes, das alle Nachrichtendienste in ihrem Selbstverständnis trifft, das ihre Arbeit erschwert und jenes Mißtrauen begründet, das die Effektivität dieser Nachrichtendienste auf ein bedenkliches Maß heruntersetzt. Die Sicherheitsdienste können in dieser Atmosphäre ihrer ursprünglichen und eigentlichen Aufgabe nicht gerecht werden, nämlich den Schutz der Freiheit aller Bürger zu gewährleisten. In diesem Punkt stimmen wir - auch darauf möchte ich hinweisen - mit dem Kollegen Wehner überein, der dies sinngemäß noch im März dieses Jahres zutreffend so ausgeführt hat. Es ist schon so, meine Damen und Herren, daß die Sicherheitsdienste ein legitimes Instrument der Selbstverteidigung des demokratischen Rechtsstaates sind. Wenn wir darüber hinaus noch bedenken, daß seit Jahren Verfassungsschutz durch Aufklärung und positiver Verfassungsschutz propagiert werden, dann ist das der Ausgangspunkt unserer Überlegungen zu dem vorgelegten Entwurf. Wir müssen von der Grundposition des Vertrauens in die Tätigkeit der Sicherheitsdienste ausgehen, ohne die notwendige kritische Distanz und parlamentarische Kontrolle zu vernachlässigen, wenn wir den vorliegenden Entwurf richtig beurteilen wollen. Lassen Sie mich unter diesem Gesichtspunkt die grundlegenden Forderungen schildern, die wir an den Entwurf stellen und die wir in diesem Entwurf vermissen. Erstens. Der parlamentarischen Kontrolle darf nicht nur die Tätigkeit der Dienste selbst unterliegen, sondern auch - und das in erster Linie - die Tätigkeit der Bundesregierung in bezug auf diese Sicherheitsdienste. ({0}) Zweitens. Wir vermissen eine Klarstellung, daß es sich bei der Unterrichtung im wesentlichen um eine umfassende nachträgliche Unterrichtung eines parlamentarischen Gremiums über die allgemeine Tätigkeit der Sicherheitsdienste und Ereignisse von besonderer Bedeutung handelt. ({1}) - Sicherheitsdienste ist genau die Bezeichnung, die in einem Besoldungsgesetz zur Grundlage der Tätigkeit aller Nachrichtendienste gemacht wird. Deswegen habe ich mir erlaubt, hier diesen Begriff zu wählen. Er ist doch wohl unanfechtbar. Lieber Herr Kollege, wenn wir schon darüber kein Einverständnis finden, worüber sollen wir bei einem solchen Gesetz dann eigentlich ein Einverständnis finden? ({2}) Ich glaube, wir sollten von der Haarspalterei in diesem Bereich ein ganz klein bißchen abkommen. ({3}) - Ich werde keine Zwischenfrage beantworten, sondern glaube, daß es notwendig und richtig ist, den Gedankengang jetzt weiterzuführen. Drittens wünschen wir die Sicherstellung, daß durch die Berichterstattung der Schutz der Nachrichtengewinnung nicht berührt und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes nicht beeinträchtigt werden dürfen. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang einige Anmerkungen zu den einzelnen Punkten machen. Punkt 1: Aufgabe des Parlaments ist die Kontrolle der Regierung. Das gilt allgemein, und das muß auch in diesem Bereich gelten. Davon ist im Entwurf nicht die Rede. Nach diesem Ihrem Entwurf sollen allein bestimmte Behörden kontrolliert werden, die angesichts ihrer notwendigerweise zum erheblichen Teil auf geheimes Wirken angelegten Tätigkeit nicht ganz ohne Erfolg durch anhaltende Agitation ins Zwielicht gerückt wurden. Natürlich gehören diese Behörden in den Verantwortungsbereich der Bundesregierung und somit zum Gegenstand unserer parlamentarischen Kontrolle, aber doch so, daß der Ausgangspunkt der Kontrolle eben das ist, was die Regierung tut oder zu tun versäumt. Erst auf dieser Grundlage muß dann natürlich auch die Tätigkeit bestimmter nachgeordneter Behörden einer wirksamen Kontrolle unterliegen. Die letzten Wochen und Monate haben besonders deutlich gemacht, daß zunächst die Kontrolle der Regierung in Angelegenheiten der Dienste die Aufgabe des Parlaments ist. Die Kontrolle der Regierung durch das Parlament geschieht unter den verfassungsrechtlichen Regeln der Gewaltengliederung. Die Regierung handelt und hat sich dafür politisch zu verantworten. Weder darf sie die von ihr zu treffenden Entscheidungen dem Parlament zuschieben noch darf das Parlament durch eine ständige mitlaufende Kontrolle der einzelnen Entscheidungen der Exekutive praktisch deren Entscheidungsrecht und deren Verantwortung übernehmen. Ein zweites Bedenken. Der Entwurf kann nur so verstanden werden, daß er eine vorbeugende und begleitende Kontrolle der Sicherheitsdienste vorsieht. Ganz abgesehen davon, daß es bei dieser Zielsetzung fraglich erscheint, ob tatsächlich noch die politische Verantwortung der Bundesminister unberührt bleibt, wie es im Entwurf heißt, läuft dies auf eine generelle vorbeugende und begleitende Mitregierung des Parlaments hinaus. Dies ist eine mit dem Grundgedanken der Gewaltenteilung für meine Begriffe unvereinbare Überlegung. Natürlich kenne auch ich Ihren Einwand. Sie werden mich fragen, ob ich nicht - selbst als Abgeordneter der Opposition - wisse, daß es auch Entscheidungen schwerwiegender Art gebe, bei denen die Regierung das Bedürfnis haben könne, das Kontrollgremium vor solchen Entscheidungen zu unterrichten. Selbstverständlich verkenne ich das nicht. Niemand wird der Regierung in einem solchen Fall diese Möglichkeit nehmen wollen. Eben weil das so ist, sprechen wir bewußt von einer generellen vorbeugenden und begleitenden Kontrolle, die wir vermieden wissen wollen. Schließlich sieht Ihr Entwurf eine umfassende Berichterstattung über die Tätigkeit der Dienste und einen uneingeschränkten Unterrichtungsanspruch vor. Abgesehen von der offenkundigen Inkongruenz von Pflicht und Anspruch - eine derart unbeschränkt ausgestattete Kontrolle müßte sich auf die Arbeitsmöglichkeiten und die Wirksamkeit der Dienste höchst nachteilig auswirken. Schwerwiegende Rückwirkungen auf die Informationsgewinnung wären zu befürchten. Ich bin versucht zu fragen: Wie kann eine Koalition und wie kann auch der Vorsitzende der Fraktion der SPD einen Gesetzentwurf auf den Weg geben, der kein Wort der Tatsache widmet, daß ein Nachrichtendienst zur Erfüllung seiner Aufgaben unabdingbar auf den Quellenschutz angewiesen ist? Schon die Tatsache, daß ein solcher Entwurf im Deutschen Bundestag eingebracht wird, kann - gleichgültig, wie er verabschiedet werden mag - eine Belastung für die Gewinnung nachrichtendienstlicher Zugänge und für die Zusammenarbeit mit be4280 freundeten Diensten sein. Ich brauche nur auf die Bedenken hinzuweisen, die von fachkundigen Leuten insoweit bei der Beratung eines ähnlichen Entwurfs in der Hamburger Bürgerschaft vorgebracht wurden. Im einzelnen brauche ich darauf hier nicht einzugehen. Aber eines muß hier ganz deutlich gesagt werden: Der im Entwurf genannte uneingeschränkte Unterrichtungsanspruch würde in besonders schwierigen Bereichen, etwa der Terrorismus- und der Spionagebekämpfung, dazu führen, daß die Bereitschaft, sich als Quelle zur Verfügung zu stellen, rapide abnehmen müßte. In diesen Bereichen geht es doch ganz offensichtlich um Leib und Leben solcher Leute, die sich als Quelle zur Verfügung stellen, wie wir aus Erfahrung wissen. Die sogenannte Hinrichtung solcher Leute, die bei den Terroristen in Verdacht standen, Verrat üben zu wollen, ist leider in viel zu frischer Erinnerung. Auch hier gibt es einen von uns durchaus bedachten Einwand. Sie werden uns fragen: Traut man den Mitgliedern einer solchen Kontrollkommission nicht zu, Geheimnisse bewahren zu können? Auch das wurde bei verschiedenen Beratungen deutlich: Es kommt nicht allein darauf an. Entscheidend ist vielmehr, welchen Anschein eine solche Regelung erweckt. Der Anschein, daß die so gestaltete uneingeschränkte Unterrichtung eine einmalige Transparenz nachrichtendienstlicher Arbeit auch im internationalen Vergleich mit sich bringt, ist offensichtlich mit einer nachrichtendienstlichen Tätigkeit nicht zu vereinbaren. Wenn über die parlamentarische Kontrolle mittelbar auch die Information und unter Umständen auch die Art der Informationsgewinnung etwa der ausländischen Dienste zwangsläufig bekanntwerden, so wird dies auf befreundeter Seite zu einer Änderung der bisherigen Informationsgewährung führen - mit dem voraussehbaren Ergebnis eines wesentlichen Informationsverlust. Die befreundeten ausländischen Dienste werden nicht einsehen können, daß ihre Informationen und nachrichtendienstlichen Zugänge - wenn auch nur mittelbar - in der Bundesrepublik in eine parlamentarische Kontrolle einfließen, während dies in ihren Heimatländern nicht der Fall ist. Eine parlamentarische Kontrolle, die solchermaßen effektiv ist, daß unter ihr alsbald die Effektivität der kontrollierten Sicherheitsbehörden vergeht, dient jedenfalls einem nicht und kann einem nicht ausreichend sein: dem Schutz des Rechtsstaates und der Freiheit seiner Bürger. Es gibt gerade für die Opposition gute Gründe, die Scheinkontrolle der Bundesregierung im Bereich der Sicherheitsdienste, wie es einmal der Kollege Friedrich Vogel genannt hat, durch eine - da stimmen wir mit Ihnen überein - Kontrolle zu ersetzen, die diesen Namen verdient. Aber es gibt mindestens ebenso gute Gründe, darauf bedacht zu sein, daß diese Dienste nicht zum Schaden des Rechtsstaats, zu dessen Schutz sie bestellt sind, zu Tode kontrolliert werden - wenn ich so sagen darf. Wir jedenfalls werden den Versuch machen, durch konkrete Vorschläge in den kommenden Beratungen in den Entwurf die Sicherungen einzubauen, die ihm jetzt fehlen. Dazu gehört - auch Sie haben es schon angesprochen -, die Mitglieder eines Kontrollgremiums nicht nur zur Vertraulichkeit, sondern zu strenger Geheimhaltung über die getätigten Verhandlungen zu verpflichten und die Zahl der Mitglieder dementsprechend auf das notwendige Maß zu beschränken. Lassen Sie mich noch zwei kurze Bemerkungen zu Punkten machen, die bei der Durchsicht dieses Gesetzentwurfs aufgefallen sind. Ich glaube, wir müssen in den Beratungen auch über die Frage sprechen, ob eine einfache Mehrheit bei der Wahl der Mitglieder dieses Kontrollgremiums genügt oder ob wir an eine solche Wahl höhere Anforderungen stellen sollten. Wir sollten dabei bleiben - lassen Sie mich das im Blick auf die politische Verantwortlichkeit, die Sie dem Chef des Bundeskanzleramts zugestehen wollen, sagen -, daß der Bundesnachrichtendienst beim Bundeskanzleramt ressortiert. Ich glaube, die politische Verantwortlichkeit trifft hier ausschließlich den Bundeskanzler und die Regierung. Wir sollten dabei bleiben. Schließlich und endlich eine Bemerkung zu der Frage, inwieweit dieser Entwurf auch den Regeln unserer Verfassung entspricht und wo hier möglicherweise Ansatzpunkte zu einer kritischen Betrachtung sein könnten. In der Begründung des Entwurfs wird ausdrücklich darauf verwiesen, man verzichte bewußt darauf, die Kontrollaufgabe einem Ausschuß des Deutschen Bundestages zu übertragen, weil wegen der verfassungsrechtlich gesicherten Zugangsrechte zu diesen Ausschüssen die notwendige Geheimhaltung nicht gewährleistet werden könne. Aber erlaubt es dieses Bedenken, parlamentarische Kontrollbefugnisse, originäre Rechte des Parlaments, einem Gremium zu übertragen, das kein Organ dieses Parlaments ist? Sie schreiben zwar, daß die Rechte des Parlaments und seiner Ausschüsse durch dieses Gesetz unberührt blieben. Wir müssen aber die Frage stellen: Bleiben sie es wirklich? Welchen Sinn hat das Gesetz denn sonst, als bestimmte Kontrollbefugnisse - nämlich all diejenigen, die Geheimhaltung verlangen - dem Gremium zu übertragen? Dadurch bleiben die Rechte des Parlaments also letztlich nicht unberührt. Ich sage das ganz einfach deswegen, weil wir es in den kommenden Beratungen auch in dieser Richtung sorgfältig überprüfen müssen. Hier drängen sich einige Fragen auf. Ich möchte sie jetzt aber nicht weiter erörtern, sondern es dabei belassen, die Punkte dargestellt zu haben, die uns bei der Entscheidung geleitet haben, uns nicht dazu entschließen zu können, diesen Entwurf auch als den unsrigen in die parlamentarische Beratung einzubringen. Damit verbinde ich allerdings - auch das sage ich am Schluß - die uneingeschränkte Bereitschaft, diesen Gesetzentwurf mitzuberaten und unsere Vorstellungen in den Gesetzentwurf mit einzubringen. Ich rechne auf Ihrer Seite mit derselben Bereitschaft Deutscher Bundestag - 8. Wahlperiode - 55; Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. November 1977 4281 und glaube, daß so ein Gesetz entstehen kann, das allen Ansprüchen, aber auch den dargestellten Bedenken gerecht wird. ({4})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat Herr Abgeordneter Spitzmüller.

Kurt Spitzmüller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002202, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der ursprünglich von den drei im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen gemeinsam erarbeitete Gesetzentwurf über die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste wird heute nur von den Koalitionsfraktionen, von SPD und FDP, eingebracht. Ich bedaure dies, obwohl ich andererseits Verständnis für die Probleme der CDU/CSU-Fraktion habe, die es bei einer solchen Materie selbst bei ausreichender Beratungszeit nicht schaffen konnte, diesen Gesetzentwurf schon heute mitzutragen. Allerdings darf man sich bei diesen Voraussetzungen auf seiten der Opposition dann nicht wundern, daß der vielfach von ihr selbst erhobene Vorwurf, Regierung und Koalition handelten nicht schnell und entschieden genug, wenn durch gesetzgeberische Maßnahmen Lücken auszufüllen seien, auf sie selbst zurückschlägt. Der hier in erster Lesung anstehende Gesetzentwurf ist das Ergebnis interfraktioneller Gespräche der Fraktionsvorsitzenden und vor allem der parlamentarischen Geschäftsführer. Er ist damit auch mit den führenden Männern der Opposition weitgehend besprochen und weitgehend abgestimmt worden. Daß die Einbringung dieses Gesetzentwurfs heute nicht gemeinsam vorgenommen werden kann, wie es bei der Vorstellung des Entwurfs in der Pressekonferenz vom 5. Oktober 1977 geschehen ist, ist bedauerlich. Aber die Rede des Kollegen Eyrich läßt hoffen, daß wir doch noch zu einem guten Ende kommen. Zu dem vorliegenden Gesetzentwurf selbst darf ich betonen, daß ihn die FDP-Fraktion begrüßt. Er ist im wesentlichen das Ergebnis der ausführlichen gemeinsamen Beratungen der von den Koalitionsfraktionen gebildeten gemeinsamen Arbeitsgruppe und unterwirft die Nachrichtendienste des Bundes einer parlamentarischen, rechtlich begründeten Kontrolle durch nur ein Gremium. Damit wird die bisher durch das Parlamentarische Vertrauensmännergremium ausgeübte Kontrolle, die lediglich auf einer rechtlich nicht abgesicherten Vereinbarung zwischen dem Bundeskanzler und den Fraktionen beruhte, auf eine gesicherte gesetzliche Basis gestellt. Wir legen Wert auf die Feststellung, daß es sich hier einerseits um eine parlamentarische Kontrolle durch den Deutschen Bundestag handelt, der Bundestag also Herr des Verfahrens ist, aber andererseits die Ressortverantwortlichkeit voll gewahrt bleibt. Niemand wird aus seiner gesetzlichen Verantwortlichkeit entlassen, keine neue Vetantwortlichkeit wird geschaffen. Es wird also lediglich eine Kontrollfunktion festgeschrieben, die durch die der Regierung auferlegte Auskunftspflicht ergänzt wird. Eine andere denkbare Konstruktion, die Sie auch schon angesprochen haben, Herr Kollege Dr. Eyrich, die Kontrolle einem entsprechenden besonderen Ausschuß des Deutschen Bundestages zu übertragen, müßte nicht nur aus rechtlichen Gründen abgelehnt werden, sondern auch wegen der dann zu befürchtenden Beeinträchtigung der Vertraulichkeit durch den allzu großen Kreis derer, die Zugang zu einem solchen Gremium hätten. ({0}) Die Effizienz eines solchen Gremiums zu sichern und die Quellen der Dienste zu schützen war unser oberstes Ziel. Der für die Funktion der Dienste unabdingbare Quellenschutz bleibt selbstverständlich gewahrt. Die Dienste dürfen in ihrer Effektivität nicht geschmälert werden. Daß es da auch unausgesprochene Grenzen gibt, darüber werden sich doch wohl alle Beteiligten einig und klar sein. Im übrigen stellt der Komplex „parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste" nur einen, wenn auch wichtigen Teilbereich im Zusammenhang mit der Arbeit der Nachrichtendienste und der Frage ihrer Kontrolle dar. Bekanntlich hatten die Arbeitsgruppen „Innere Sicherheit" der Koalitionsfraktionen in ihrem Zwischenbericht auch empfohlen, die Kontrolle der Nachrichtendienste durch die politisch Verantwortlichen innerhalb der Exekutive daraufhin zu überprüfen, ob und wie eine Verbesserung erfolgen könnte. Außerdem wurde der Bundesinnenminister gebeten, bei der anstehenden Novellierung des Gesetzes zu Art. 10 des Grundgesetzes zu prüfen, ob eine gegenseitige Benachrichtigung der Dienste in Bund und Ländern über die G 10-Fälle erfolgen könnte, um eine eventuelle Doppelbehandlung auszuschließen. Der nun vorliegende Gesetzentwurf stellt lediglich die Basis für die kommenden Diskussionen im Ausschuß dar. Hier sind durchaus noch Änderungen möglich und sogar wahrscheinlich. Die FDP ist der Ansicht, daß hier gründlich gearbeitet werden muß, um nach Möglichkeit von vornherein Zweifelsfragen zu klären, Pannen auszuschließen. Ich bin überzeugt, daß auch die Opposition dabei mithelfen wird, daß die Beratungen in den Ausschüssen möglichst gründlich und zügig vorangehen, so daß in absehbarer Zeit die Parlamentarische Kontrollkommission gebildet werden und ihre Tätigkeit aufnehmen kann. Alles das, von dem Sie, Herr Dr. Eyrich, zum Schluß gesagt hatten, daß es noch erörtert werden müsse, ist in den Vorgesprächen schon angesprochen worden. Es ist selbstverständlich, daß wir für die Beratung dieser Dinge im Ausschuß genauso aufgeschlossen sein werden wie in den Vorgesprächen. Die FDP stimmt der beantragten Ausschußüberweisung zu. ({1})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die Vorlage an den Rechtsausschuß - federführend - und an den Innenausschuß und den Verteidigungsausschuß mitberatend - zu überweisen. - Ich vernehme keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen. Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zwölften Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes - Drucksache 8/370 Beschlußempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses ({0}) - Drucksache 8/1065 Berichterstatter: Abgeordneter Horn Abgeordneter de Terra ({1}) Ich frage die Herren Berichterstatter, ob eine Ergänzung gewünscht wird. - Das ist offensichtlich nicht der Fall. Ich danke den Herren Berichterstattern. Wir treten in die Aussprache der zweiten Beratung ein. Das Wort hat der Abgeordnete de Terra. de Terra ({2}) : Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht um den Entwurf eines Zwölften Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes. Wir müssen uns ja bei jedem Gesetz auch fragen: wieviel Änderungen sind erforderlich gewesen, und welches Schicksal hatte das Gesetz? Das Gesetz ist jetzt 21 Jahre alt und wird zum zwölftenmal geändert, und dabei handelt es sich auch nur um eine kleine Änderung. Wenn wir uns die zurückliegenden Änderungen anschauen, erkennen wir, daß es ein stabiles Gesetz ist, das heute in einem kleinen Punkt geändert werden muß, der allerdings von besonderer Bedeutung ist. Mittelpunkt unseres Entwurfs ist eine Teilfrage des Personalwesens, eingebettet in die besondere Struktur der Bundeswehr. Das Personalwesen der Bundeswehr beruht auf dem Fundament der allgemeinen Wehrpflicht, auch auf den besonderen Regelungen für die Soldaten auf Zeit in den verschiedenen Abstufungen, es wird letztlich von den Berufssoldaten getragen. Um ein Problem des Berufssoldaten geht es hier; ich werde das im einzelnen noch darlegen. Die Regelungen für Berufssoldaten sind wiederum in die Gesamtregelungen des öffentlichen Dienstes eingebettet. Wir dürfen und werden nicht die Verbindung zu den anderen Regelungen des öffentlichen Dienstrechts verlieren. Die zu regelnde Frage ist zweitens mit der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr untrennbar verbunden. Drittens steht das Problem, das es zu regeln gilt, in besonders engem Zusammenhang mit der Verbesserung der Ausbildungsmöglichkeiten, die die Bundeswehr bietet. Dieser Teilfrage, der ganzen Entfaltung möglicher Ausbildung, will ich hier keinen größeren Raum geben. Ich nehme an, daß Herr Kollege Horn, der nach mir sprechen wird, in seiner Rede diesem Teilbereich, der Entfaltung der Ausbildungsmöglichkeiten, der besseren Ausbildung in der Bundeswehr allgemein ein besonderes Gewicht geben wird. Der Kernpunkt ist, daß derjenige, der Berufssoldat, Berufsoffizier geworden ist, nicht sogleich aus der Bundeswehr soll ausscheiden können, wenn er eine besondere Ausbildung bekommen hat, Hochschulausbildung, Fachhochschulausbildung, Fachschulausbildung, Fachausbildung. Wenn Sie die Begründung des Entwurfs lesen, spüren Sie die Sorgen des Bundesministers der Verteidigung. Es geht darum, daß der Spezialist - ich will den Begriff hier etwas weiter fassen -, der ausgebildet ist und besondere Kenntnisse erworben hat, deren wir für die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr dringend bedürfen, möglichst nicht ausscheiden soll. Die erste Bremse, die schon bisher in den gesetzlichen Regelungen vorgesehen war, ist, daß bei vorzeitigem Ausscheiden die Ausbildungskosten zu erstatten sind. Das allerdings hat trotzdem, wie die Begründung des Entwurfes sagt, nicht dazu geführt, daß die Herren in dem von uns gewünschten und erwartetem Umfang bei uns geblieben sind. In der Begründung des Entwurfs steht an zwei Stellen das Wort „vielfach". Wir dürfen uns allerdings den Begriff „vielfach" nun nicht zu weit ausgedehnt vorstellen, etwa bis zu der Grenze, daß von diesem vorzeitigen Ausscheiden in einem so großen Umfang Gebrauch gemacht würde, als ob kaum noch Berufssoldaten nach ihrem Studium oder ihrer Fachausbildung sich für einen Dienst in der Bundeswehr auf Lebenszeit verpflichtet hielten. Die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr ergibt sich aus einem Zusammenspiel vieler Elemente. Wenn also ein Element, ein Teilbereich nicht mehr als gesichert, als einsatzbereit angesehen werden kann, wenn die Elemente nicht mehr ineinander greifen, dann würden wir ernste Nachteile für die Bundeswehr befürchten müssen. So sagt es uns die Vorlage. In ihr heißt es weiter, daß nunmehr, wenn eine Ausbildung gewährt worden ist, die dreifache Zeit der Ausbildungsdauer abgedient werden muß. Allerdings meine ich nicht, daß wir das Problem vom Abdienen, also nur von der Kostenseite her, sehen sollten. Das ist nicht allein entscheidend. Vielmehr müssen wir in den Mittelpunkt unserer Betrachtung die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr stellen. Wir meinen also, daß der Weg, den zu gehen der Entwurf mit der Änderung des Soldatengesetzes vorschlägt, notwendig und richtig ist: Wer eine besondere Ausbildung erhalten hat, muß für eine bestimmte Zeit, die sich auf das Dreifache der Ausbildungszeit beläuft, in der Bundeswehr bleiben, jedoch nicht mehr als zehn Jahre. Ich darf einen letzten abschließenden Blick auf die Schlußvorschrift, die Übergangsvorschrift, werfen. Hier war die Frage: Wann kann, wann darf dieses Gesetz greifen? Wie kann der Zeitraum, für den die Übergangsvorschrift gilt, sachgerecht und doch möglichst eng gehalten, gleichwohl in vollem Umfang das erreicht werden, was wir hier mit diesem Gesetz erreichen wollen? Wir haben das Problem im Ausschuß gemeinsam erkannt, fest umrissen und de Terra eine Lösung vorgeschlagen, die von der Vorlage abweicht. Wir meinen, daß wir mit unserer Lösung der Intention des Gesetzentwurfes besser gerecht werden. Ich darf dazu noch ein letztes Wort sagen: Natürlich müssen wir im Interesse der Sache auch nach den Motiven fragen, die die Herren bewegen, ihre vorzeitige Entlassung aus der Bundeswehr zu betreiben. Ein Motiv ist sicher das, daß sie mit dem Ausscheiden aus der Bundeswehr ihre Kenntnisse anderweitig nutzbringender, „lohnender", so heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs, verwenden können. Aber vor allem müssen wir uns fragen, ob die Erwartungen und Vorstellungen, die der einzelne gehabt hat, als er sich für einen Dienst auf Lebenszeit in der Bundeswehr entschied, erfüllt worden sind oder nicht. Die z. B. in der Sitzung des Verteidigungsausschusses am gestrigen Tage angesprochenen Probleme „Verwendungsstau" und „Beförderungsstau" spielen auch hier eine Rolle. Natürlich ist - dies scheint mir einleuchtend zu sein - der Antrieb, die Bundeswehr zu verlassen, größer, wenn sich die Aussichten gegenüber den Erwartungen, die die Soldaten beim Eintritt in die Bundeswehr hatten, erkennbar verschlechtern. Hier wird also deutlich, daß jene Probleme des Personalwesens in einem engen Zusammenhang auch mit dem vorzeitigen Ausscheiden aus der Bundeswehr stehen. Wir werden also diesen soeben angeschnittenen Fragen besondere Aufmerksamkeit widmen und ihre Auswirkungen in allen Bereichen noch einmal deutlich in den Blick nehmen müssen. Wir glauben, daß der Entwurf in der Form, die ihm der Ausschuß gegeben hat, der richtige Weg ist, diese Teilfrage aus dem Bereich des Personalwesens der Bundeswehr zur Zufriedenheit zu lösen. Wir werden dem Entwurf zustimmen. ({3})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Horn.

Erwin Horn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000958, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu dem vorliegenden Gesetz möchte ich drei kurze Anmerkungen machen. Erstens. Dem Soldaten der Bundeswehr werden mit zunehmender Verpflichtungsdauer Ausbildungsmöglichkeiten mit hoher Qualität eröffnet. Gerade in den letzten Jahren wurde das Bildungs- und Ausbildungssystem in der Bundeswehr erheblich verbessert. Dies ist notwendig, um die Bundeswehr auf der Höhe der Zeit zu halten. Es ist vor allem auch deshalb unerläßlich, weil nur unter diesen Bedingungen die Soldaten ihren Auftrag durchführen können. Zeitens. Die neu eröffneten Möglichkeiten von einer qualifizierten Fachausbildung bis zu einem vollwertigen Studium sollen jedoch Mißbrauch ausschließen. Ausbildungs- und Verwendungszeit in der Bundeswehr müssen in einer vernünftigen Relation stehen. Es geht nicht an, sich in der Bundeswehr eine gute Fachausbildung oder gar ein Studium ermöglichen zu lassen und dann unter Inanspruchnahme einer Abfindungszahlung der Bundeswehr den Rükken zu kehren. Wir haben das gesamte Ausbildungssystem - über Fachausbildung und Studium - so angelegt, daß die neu erworbenen Fähigkeiten auch noch in der Bundeswehr verwendet werden und zu einem höheren Leistungsstandard der Bundeswehr führen sollen. Um es deutlicher zu sagen: Wir sind für ein großzügiges Ausbildungsangebot an unsere Soldaten, aber wir sind dagegen, daß es von Drückebergern ausgenutzt wird. Dem entspricht die Vorlage des neuen Gesetzes einschließlich der in ihm enthaltenen Härteklausel. Drittens. Ich möchte mich bei Herrn Kollegen de Terra sehr bedanken, da er mit Hartnäckigkeit und viel Akribie eine wesentliche Veränderung in den Übergangsbestimmungen durchgesetzt hat, die auch unseren Auffassungen voll entspricht. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion stimmt dem vorliegenden Gesetz zu. ({0})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ludewig.

Walther Ludewig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001383, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen! Wir beraten heute über das Zwölfte Gesetz zur Änderung des Soldatengesetzes. Es geht darum, daß wir für die Berufssoldaten die Möglichkeit einschränken, auch dann jederzeit ihre Entlassung zu verlangen, wenn sie ein Studium oder eine Fachausbildung erhalten haben. Die Berichterstatter haben an sich schon alles dargelegt, und was hier jetzt wiederholt worden ist, haben wir schon gelesen. Ich als Anfänger gehe davon aus, daß wir dies hier nicht zuletzt deshalb noch einmal wiederholen, damit auch die interessierte Öffentlichkeit die Argumente kennenlernt. Bisher haben Berufssoldaten mit einer zusätzlichen Fachausbildung nach unserem Geschmack zu häufig die Bundeswehr anschließend verlassen. Sie haben von gesetzlichen Möglichkeiten Gebrauch gemacht und ihre Ausbildung, die sie durch die Bundeswehr erhalten hatten, an anderer Stelle lohnender verwendet. Man kann sogar sagen, daß möglicherweise viele junge Männer deshalb Berufssoldaten geworden sind, weil sie auf diese Art und Weise eine kostenlose Fachausbildung - und keine schlechte - bekamen. Wir müssen nun ganz klar einsehen, daß sich diese Motivation möglicherweise noch verstärken wird, wenn wir unseren Soldaten zukünftig eine noch bessere Fachschul-, eine noch bessere Hochschulausbildung - in Ausbildungsgängen, die auch im zivilen Bereich nutzbar gemacht werden können - vermitteln werden. Nach den bisher gemachten Erfahrungen reichen, so sagen die kundigen Leute, die Vorschriften des § 46 Abs. 4 des Soldatengesetzes nicht aus. Darum spreche ich mich im Namen der FDP-Fraktion für die Annahme des Entwurfs aus. Es ist wohl sicher, daß das Haus den Empfehlungen des Ausschusses folgen wird. Ich habe mir die Mühe gemacht, ein paar Beispiele herauszusuchen. Man kann in der Bundeswehr Facharzt und Amtsarzt, Fachtierarzt und Amtstierarzt, Strahlflugzeugführer, Transportflugzeugführer, Hubschrauberflugzeugführer werden, man kann Bergführer, Flugsicherungskontrolleur und EDV-Systemplaner werden, ferner Programmierer, staatlich geprüfter Techniker, Feuerwerker, Handwerker mit Meisterprüfung, amtlich anerkannter Sachverständiger für das Kraftfahrzeughandwerk, Radar-EDV-Mechaniker, Flugabfertiger, staatlich geprüfter Betriebswirt, staatlich anerkannter Erzieher, Industriemeister oder Fahrlehrer. Es sollte einmal eine solche Aufzählung in die Öffentlichkeit gelangen. Ich bin überzeugt, mancher weiß noch gar nicht, welch große Chancen ihm die Bundeswehr bieten kann. Nach einer solchen Fachausbildung wird dem Berufssoldaten das Ausscheiden aus der Bundeswehr nach unserer jetzt so gewollten Bestimmung nur noch nach einer angemessenen Zeit möglich sein. Die Dienstzeit nach Abschluß der Ausbildung soll das Dreifache der Ausbildungszeit, höchstens jedoch zehn Jahre, betragen. Der Berufsoffizier kann auch dann, wenn er weder ein Studium noch eine Fachausbildung erhalten hat, seine Entlassung erst nach Ende des sechsten Dienstjahres als Offizier verlangen. Die Möglichkeit, wegen besonderer Härte vorzeitig auszuscheiden, bleibt weiterhin gewährleistet. Ich habe noch zwei kurze Beispiele zu nennen. Der Strahlflugzeugführer hat eine Ausbildungszeit von zwei Jahren. Nach unserem Änderungsentwurf wird der Berufssoldat, der sich während seiner Dienstzeit zu einem solchen Strahlflugzeugführer hat ausbilden lassen, nach Abschluß der Ausbildung die dreifache Zeit, das sind mindestens sechs Jahre, Dienst zu leisten haben. Es gibt aber auch den Sanitätsoffizier; dessen Ausbildung dauert sieben Jahre. Wer diesen Ausbildungsgang durchgemacht hat, muß nach Abschluß der Ausbildung der Bundeswehr weitere zehn Jahre zur Verfügung stehen. Hier kann die Regelung der mindestens dreifachen Zeit nicht angewendet werden. Ich glaube aber, daran ist deutlich geworden, daß der hier zu beratende Entwurf eine notwendige und auch eine angemessene Änderung des Soldatengesetzes darstellt. Deshalb, so meine ich, sollten Sie und ich den Entwurf annehmen. Die FDP-Fraktion empfiehlt die Annahme. ({0})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Ich rufe in der zweiten Beratung die Artikel 1, 2 und 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer dem Gesetz in .der zweiten Beratung zustimmt, gebe bitte das Zeichen. - Ich danke. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle einstimmige Beschlußfassung fest. Meine Damen und Herren, wir kommen zur dritten Beratung. Wortmeldungen liegen nicht vor. Wer dem Gesetz in der dritten Beratung zuzustimmen wünscht, möge sich erheben. - Ich danke Ihnen. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das Gesetz ist damit einstimmig beschlossen. Ich rufe nunmehr Punkt 6 der Tagesordnung auf: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen über den Internationalen Währungsfonds in der Fassung von 1976 ({0}) - Drucksache 8/763 - a) Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 8/1103 -Berichterstatter: Abgeordneter Löffler b) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({2}) - Drucksache 8/1082 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Sprung Abgeordneter Rapp ({3}) ({4}) Eine Ergänzung der schriftlich vorgelegten Berichte wird nicht gewünscht. Ich danke den Herren Berichterstattern. Wir treten in die zweite Beratung ein. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Sprung.

Dr. Rudolf Sprung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002208, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Internationale Währungsfonds ({0}) ist aus den Erfahrungen der 30er Jahre geboren worden: dem Zusammenbruch des internationalen Handels, dem Abwertungswettlauf und den protektionistischen und diskriminierenden Praktiken im Handels- und Zahlungsverkehr zwischen den Ländern. Entsprechend wurden in Bretton Woods seine Aufgaben formuliert, nämlich die Ausweitung- und ein ausgewogenes Wachstum des internationalen Handels zu erleichtern und dadurch zu einem hohen Beschäftigungsgrad, zu wirtschaftlichem Wachstum und zur Stabilität der Währungspolitik beizutragen. Der IWF hat diese Aufgaben bis Ende der 60er Jahre in zufriedenstellender Weise gelöst. Die Entwicklung zu Beginn der 70er Jahre, der Verfall des Systems fester Paritäten und der damit verbundene Übergang zu flexiblen Kursen, die Folge hoher - wenn auch unterschiedlich hoher - Inflationsraten in allen Ländern und schließlich die Ölpreiskrise des Jahres 1973 zwangen zu einer Reform der bisher geltenden Regelung, die auf der Konferenz von Jamaika Anfang 1976 nach einer Reihe von Vorkonferenzen beschlossen wurde. Die vorliegende Neufassung des IWF-Abkommens ist das Ergebnis dieser Beschlüsse. ({1}) Ich will nicht auf die Einzelheiten der Neufassung eingehen; sie sind bekannt. Soweit sie es nicht sind, sind sie technischer Natur und können daher hier unerwähnt bleiben. Die wichtigsten sachlichen Änderungen nenne ich nur noch einmal stichwortartig. Es sind erstens die Legalisierung flexibler Wechselkurse, zweitens die Herstellung eines engeren Zusammenhanges als bisher zwischen der nationalen Wirtschafts- und Finanzpolitik und der Stabilität der Wechselkurse, drittens der Ausschluß des Goldes sowohl als Bezugsgröße für die Festlegung von Währungsparitäten .als auch als Reservemedium und Zahlungsmittel, viertens schließlich die Ausdehnung der Verwendungsmöglichkeiten der Sonderziehungsrechte mit dem Ziel, sie zum Hauptreservemedium werden zu lassen. Diese Änderungen wurden nach den Erfahrungen der letzten Jahre notwendig. In allen Erörterungen und Diskussionen in den zuständigen Ausschüssen des Bundestages über die verschiedenen Etappen, auf denen diese Änderungen vereinbart wurden, hat auch die Opposition stets ihre grundsätzliche Zustimmung zum Ausdruck gebracht. Die Haltung der Bundesregierung auf den verschiedenen internationalen Konferenzen, ihr Einsatz für mehr Stabilität des Weltwährungssystems und die Vermeidung einer zu starken Aufblähung der internationalen Liquidität hat stets unsere Unterstützung gefunden. Hier gibt es einmal einen Bereich, in dem weitgehende Übereinstimmung zwischen Regierung und Opposition bestand und besteht. Dennoch stellen sich Fragen, wenn man sich die derzeitige internationale Währungslage und die Neuregelungen im IWF-Abkommen ansieht, auch wenn es darauf vielleicht keine oder noch keine eindeutigen Antworten gibt. Zumindest zwingen sie dazu, äußerst aufmerksam die weitere Entwicklung zu beobachten und gegebenenfalls entsprechend zu reagieren. Es sind die folgenden Fragen, die sich stellen. Erstens. Der Übergang zum System flexibler Wechselkurse hat die Position des IWF ganz offensichtlich nicht, wie man zunächst glauben mochte, geschwächt, sondern vielmehr gestärkt. Ich meine, das muß jeden mit Genugtuung erfüllen, der die Tätigkeit des IWF positiv beurteilt. Zu begrüßen ist, daß der Fonds inzwischen die Grundsätze und Verfahren für die Wechselkurspolitik der Mitgliedstaaten und die Überwachung dieser Politik bekanntgegeben hat. Der zweifellos wichtigste Grundsatz ist der Grundsatz A, der aus Art. IV des Abkommens abgeleitet wird, nämlich der Grundsatz, daß ein Mitglied Manipulationen der Wechselkurse oder des internationalen Währungssystems mit dem Ziel, eine wirksame Zahlungsbilanzanpassung zu verhindern oder einen unfairen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Mitgliedstaaten zu erlangen, vermeiden soll; also keine Beggar-my-neighbour-Policy wie in den 30er Jahren. Ein guter Grundsatz. Allerdings sollten vor allem die wichtigen Industrieländer diesem Grundsatz nicht nur feierlich zustimmen, sondern auch danach handeln. Gerade in einer Situation wie der jetzigen, d. h. bei hohen Arbeitslosenquoten in allen Industrieländern, ist die Versuchung beträchtlich, das eigene Beschäftigungsproblem auf Kosten anderer Länder zu lösen. Beispiele gibt es dafür ja: Die einen reden ihren Wechselkurs gezielt herunter, die anderen halten ihn durch Intervention künstlich niedrig. Wenn in diesen Tagen die Neigung zum Protektionismus wächst - auch in einigen Industrieländern, und zwar nicht in den unwichtigsten -, dann auch aus diesem Grund. Eine strikte Überwachung der Wechselkurspolitik der Mitgliedstaaten durch den Fonds darf deshalb nicht nur eine papierene Feststellung im Abkommen bleiben. Zweitens. Es ist zu begrüßen, daß die neuen Bestimmungen mehr als bisher einen engen Zusammenhang zwischen der nationalen Wirtschafts- und Finanzpolitik und der Stabilität des Weltwährungssystems herstellen. Es ist ja gerade die ungenügende Beachtung dieses Zusammenhanges gewesen, die zu dem Verfall der alten Bretton-Woods-Regelung, des Systems fester Paritäten, geführt hat. Insoweit ist man heute also unendlich klüger. Aus diesem engen Zusammenhang folgt, daß natürlich auch bei der Kreditgewährung durch den Fonds darauf abzustellen ist und daß man das auch tut. Das heißt, Kredite in den höheren Tranchen werden mit entsprechenden wirtschaftspolitischen Auflagen versehen: Die kreditnehmenden Länder haben sich zu einer auf Stabilität ausgerichteten Wirtschafts-und Finanzpolitik zu verpflichten. Konditionierte Kreditgewährung heißt das neue Zauberwort dafür. Es ist nur die Frage, ob das wirklich ausreicht. Wenn die kreditnehmenden Länder die Erfahrung machen - sie machen diese Erfahrung immer wieder, bisher haben sie sie wenigstens gemacht -, daß die Mißachtung der wirtschaftspolitischen Auflagen kaum oder gar keine Konsequenzen hat, dann ist der unbefriedigende Erfolg der wirtschaftspolitischen Auflagen kaum verwunderlich. Natürlich hat IWF keine Möglichkeiten, Sanktionen zu verhängen. Vielleicht könnte aber etwas mehr Öffentlichkeit, auch öffentliche Kritik bei Mißachtung der zugesagten wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen etwas bewirken. Jedenfalls, so meine ich, sollte man sich von der Konditionalität der Kredite nicht zuviel versprechen. Drittens. Mit einem deutlichen Fragezeichen muß die Finanzierung der Kreditgewährung durch den Fonds versehen werden. Jede Quotenerhöhung, die erfolgt, bedeutet, da sie zu einem großen Teil mit Landeswährungen finanziert wird, zusätzliche Liqidität und wirkt damit inflationsfördernd bzw. vermehrt zumindest das Inflationspotential. Nun könnte man sich damit abfinden, wenn sich die Quotenerhöhungen im Rahmen hielten. Gerade davon kann aber keine Rede sein. Noch ist die 6. Quotenerhöhung nicht tatsächlich eingezahlt worden, die immerhin eine Aufstockung der IWF-Mittel von 33 % gebracht hat, da wird schon über die 7. Erhöhung gesprochen, und diese soll gleich 50 % betragen. Das Tempo, mit dem diese Ausweitung der Kreditmöglichkeiten des Fonds zunimmt, wird langsam beängstigend. Hinzu tritt, was die Vermehrung der internationalen Liquidität anlangt, das enorme amerikanische Zahlungsbilanzdefizit. Wer weiß, wie lange außerdem eine Neuzuteilung von Sonderziehungsrechten noch verhindert werden kann? Wie bescheiden nehmen sich dagegen die Prozentsätze aus, mit denen im Inland Geldmengenpolitik betrieben wird: 8 % pro Jahr seit 1975, und 1 oder 2 % Abweichung sind bereits wegen der inflationsfördernden Wirkung eine kleine Katastrophe. Herr Minister, hier stellen sich Fragen. Ist die These wirklich richtig, daß wir bei einer weniger expansiven Ausweitung der internationalen Liquidität einen Kollaps des Welthandels riskieren würden, oder sind wir angesichts anhaltender Zahlungsbilanzungleichgewichte trotz floatender Kurse und abgeklungener Preissteigerungen auf den Weltrohstoffmärkten nicht auf dem falschen Weg, wenn das System der Zahlungsbilanzhilfen immer weiter ausgebaut wird? Besteht nicht, so muß man fragen, die Gefahr, daß das Netz von Zahlungsbilanzhilfen, das inzwischen gespannt ist, die kreditnehmenden Staaten eher daran hindert, auf jeden Fall sie nicht wirklich zwingt, ihre Wirtschafts- und Finanzpolitik stabilitätsgerecht zu gestalten? Was ist Ursache, was ist Wirkung? Sicherlich standen am Anfang Zahlungsbilanzdefizite, die durch internationale Kreditgewährung finanziert wurden. Aber haben nicht die relativ leichte Finanzierung der Defizite und der ständig fortgesetzte weitere Ausbau der internationalen Kreditgewährung dazu geführt, daß die währungsschwachen Länder in die Lage versetzt wurden, sich den Notwendigkeiten des Marktes zu entziehen? Der Zwang, straffe und wirkungsvolle Maßnahmen zu ergreifen, um die Zahlungsbilanz wieder ins Gleichgewicht zu bringen, hat gefehlt. Niemand wird die Verdienste des IWF bestreiten wollen. Besteht nicht die Gefahr, daß, je länger Leistungsbilanzüberschüsse und -defizite bestehenbleiben, sie um so mehr strukturellen Charakter mit entsprechenden Rückwirkungen auf die Produktionsstruktur in den betreffenden Ländern erhalten, die immer stärker verzerrt wird? Produktionszweige können sich weiter halten, die ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit bereits verloren haben. Das ist die Folge. Auf der anderen Seite werden Produktionszweige von den internationalen Märkten verdrängt, die durchaus noch wettbewerbsfähig wären. Viertens. Die Bereitschaft, die internationalen Kreditmöglichkeiten weiter zu erhöhen, hat sicherlich auch mit der Sorge der Überschußländer zu tun, damit einen Beitrag zur Erhaltung der Exportmöglichkeiten zu leisten. Aus Sorge um die Erhaltung der Exportkonjunktur werden Kredite gewährt, die dem eigentlichen Ziel, dem Abbau von Zahlungsbilanzungleichgewichten, entgegengerichtet sind. Wir kennen alle die Konsequenzen einer solchen Entwicklung: Die außenwirtschaftliche Anpassung wird weiter hinausgezögert und damit zu einem schwieriger zu lösenden Problem. Am Ende stehen drastische und rigerose Maßnahmen, von denen dann sowohl Defizitländer als auch Überschußländer betroffen sind. Oft bestehen diese Maßnahmen dann auch noch in teilweise protektionistischen Eingriffen, also genau dem, was wir mit der Kreditgewährung um jeden Preis verhindern wollten. Fünftens. Die Bundesregierung hat sich bemüht - das muß gesagt werden -, den Forderungen nach einer noch stärkeren Quotenerhöhung, nach Schaffung von noch mehr inflatorisch wirkender internationaler Liquidität entgegenzutreten. Sie hat dies getan, weil sie die Gefahr der Entwicklung sieht und fürchtet, daß der IWF seine Rolle als Flurwärter der Stabilität, wie es einmal Herr Klasen ausgedrückt hat, immer weniger zu spielen vermag. Vielleicht fürchtet sie auch - und das würde sie dann nicht zu Unrecht tun -, daß der Fonds Gefahr läuft, in die Rolle eines Entwicklungshilfeinstituts hineinzurutschen. Sie hat mit ihren Befürchtungen allerdings kaum, auch nicht bei den anderen Industriestaaten, Unterstützung gefunden. Dies zumindest kann man über die letzte IWF-Tagung Ende September hören und lesen. Der Bundesregierung und ihrer Argumentation ist auf dieser Tagung entgegengehalten worden, daß zu geringe Quoten und damit zu geringe Kreditgewährungsmöglichkeiten des Fonds die kreditsuchenden Länder, Defizitländer, davon abhalten könnten, sich dem mühevollen Prüfungsprozeß durch den Fonds und den wirtschaftspolitischen Auflagen des Fonds zu unterziehen. Anstatt Fondskredite nachzufragen, so wurde gesagt, würden die Defizitländer auf Kredite von privaten Banken ausweichen. Die privaten Banken aber würden keine unbequeme Fragen stellen wie der IWF. Eine solche Entwicklung, so wurde gesagt, würde den wirtschaftspolitischen Anpassungsprozeß in den Defizitländern nur verzögern. Erst dann, wenn es zu spät sei, wenn die privaten Banken das private Kreditrisiko scheuten, kämen diese Länder zum IWF. Meine Damen und Herren, auf diese Argumentation hin ist .eine kritische Frage unausweichlich: Wird damit nicht nur versucht, die privaten Banken aus einer schwierigen Lage zu befreien, in die sie sich selbst hineinmanövriert haben, und zwar dadurch hineinmanövriert haben, daß sie den Großteil des Recycling der Öldollars übernommen haben und damit auch die Finanzierung von Zahlungsbilanzdefiziten und daß sie dabei bei einer Reihe von Ländern die Risikogrenzen überschritten und nun um die Rückzahlung ihrer Kredite bangen? Allerdings waren sie in der Regel auch gar nicht in der Lage, ihr Risiko voll zu erkennen, weil nirgendwo zu erfahren war, wieviel Kredite ein Land schon aufgenommen hat. Es fehlt, und zwar immer noch, das, was wir seit langem fordern, nämlich eine Evidenzzentrale. Meine Damen und Herren, sind von der Erreichung bzw. der Überschreitung der Risikogrenzen nicht gerade amerikanische Banken betroffen, und erklärt sich von daher die Haltung des amerikanischen Zentralbankpräsidenten, wenn er fordert, daß das Verhältnis zwischen offizieller und privater Finanzierung der Zahlungsbilanzdefizite wieder ins Lot gebracht werden müsse, weil die Banken weder die Fähigkeit noch die Verantwortung hätten, das Kreditrisiko bestimmter Länder zu überprüfen oder diese Länder durch Forderungen, durch wirtschaftspolitische Auflagen auf einen Stabilitätspfad zurückzubringen? Kann es- die Aufgabe des IWF sein, so muß hier rückgefragt werden, wenn sich die privaten Banken in einigen Ländern in einer Zeit allgemeiner Überliquidität mit ihrer Kreditgewährung zu weit zum Fenster hinausgelehnt haben, sie von ihrem nun zu großen Kreditrisiko zu befreien? Meine Damen und Herren, ich meine, damit wird vom IWF vielleicht doch ein bißchen zu viel verlangt. Wenn dieser Gesichtspunkt einer der Gründe für die vorgesehene Quotenerhöhung von 50 % ist, so ist sie zu hoch, auch wenn ein größerer Anteil in den höheren Kredittranchen untergebracht werden soll, wie es die Bundesregierung, der Bundesfininzminister für die Bundesrepublik gefordert hat, also in jenen Kredittranchen, deren Inanspruchnahme mit wirtschaftspolitischen Auflagen verbunden ist. Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen. Der IWF hat eine nicht überschätzbare Bedeutung für die internationalen Wirtschafts- und Währungsbeziehungen. Ohne ihn sähe der internationale Handels- und Zahlungsverkehr anders aus, ohne ihn gäbe es ihn so, wie er heute ist, nicht. Die weitgehende Freiheit der internationalen Wirtschafts-und Währungsbeziehungen ist weitestgehend auch das Verdienst des Internationalen Währungsfonds. Dennoch ist die weitere Entwicklung nicht ohne Gefahren. Dem Fonds ist es zwar gelungen, die Probleme im großen und ganzen zu meistern, die sich aus der Entwicklung der letzten Jahre, der Inflation, den Rohstoffpreiserhöhungen und insbesondere der Explosion der Ölpreise, ergaben. Ob dies auch für die Zukunft gelingt, hängt davon ab, ob eine weitere Politisierung des Fonds zu verhindern ist. Hilfe durch den Fonds muß in erster Linie Hilfe zur Selbsthilfe sein. Die Konditionalität der Kreditgewährung ist dafür grundsätzlich der richtige Weg. Auch die Sonderfazilitäten zur Behebung struktureller Probleme und ihre gezielte Verwendung sind geeignet, den internationalen Handels- und Zahlungsverkehr von Beschränkungen freizuhalten. Sorge bereiten muß jedoch das Tempo - ich wiederhole etwas, was ich vorhin schon gesagt habe -, mit dem die verfügbare internationale Liquidität zunimmt. Anlaß zur Sorge müssen aber auch die in diesen Tagen und Wochen deutlich erkennbaren anhaltenden Bestrebungen geben, den Zahlungsbilanzproblemen mit zunehmenden protektionistischen Praktiken mit neuen Handelsbeschränkungen, zu begegnen. Hier heißt es, so meine ich, höllisch aufpassen. Die Ausschüsse des Bundestages begrüßen daher den Art. 8 des vorliegenden Gesetzentwurfs, der vorsieht, daß die Bundesregierung Bundestag und Bundesrat über Vorgänge von besonderer Bedeutung unterichtet, die sich bei der Anwendung des Übereinkommens ergeben. Sie gehen dabei davon aus, daß die Unterrichtung rechtzeitig erfolgt, also bevor Entscheidungen auf internationaler Ebene getroffen werden. Meine Damen und Herren, die CDU/CSU-Fraktion stimmt dem vorliegenden Gesetzentwurf zu. ({2})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rapp.

Heinz Rapp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001774, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hätte die inhaltliche Gestaltung des Abkommens, auf das sich das heute zu verabschiedende Gesetz bezieht, dem Bundestag obgelegen, so würde wohl nicht nur von einem sehr bedeutsamen, sondern auch von einem außerordentlich schwierigen Gesetzgebungsvorgang zu reden sein. Nun aber geht es „nur" darum, ein fertiges, in vielen Verhandlungsjahren ausgereiftes internationales Abkommen durch Gesetz für uns verbindlich zu machen, was wie eine Formalität anmutet. Aber vielleicht ist der Umstand, daß wir uns nicht mit der Schwierigkeit und Kompliziertheit der Materie zu befassen brauchen, eine Chance, ihre Bedeutung um so stärker herauszuarbeiten. In der Tat, in einer Zeit, in der „Nationalökonomie" immer weniger, hingegen „Internationalökonomie" immer mehr stattfindet, kann einfach niemand mehr kompetent über Wirtschafts- und Wirtschaftspolitik reden, der nicht die Zusammenhänge der Wechselkursentwicklung und der Weltwährungsordnung, der nicht die Funktionen des Internationalen Währungsfonds und der anderen multi- und bilateralen technischen und Beistandseinrichtungen des internationalen Zahlungsverkehrs kennt und durchschaut. In einem Land, das so stark wie das unsere in die Weltwirtschaft verflochten ist, gilt dies in besonderer Weise. Weil dem so ist, muß noch einmal etwas zur Schwierigkeit der Materie gesagt werden. Die Entwicklung des nationalen wie des internationalen Geldwertes ist sozusagen das Kondensat, ist letztes Ergebnis des Gelingens und Mißlingens aller anderen Politiken und wirkt als Ergebnis wieder in alle anderen Politiken zurück. Es ist klar, daß Währungspolitik da keine ganz einfache Sache sein kann. Die Auffassung aber, die Weltwährungsordnung und die Wechselkurspolitik seien so unabsehbar komplizierte Dinge, daß es von daher verständlich und entschuldbar erscheine, wenn dies alles kaum ein Thema der öffentlichen Diskussion ist, ist schlicht falsch. Deshalb ist es eine wichtige und verdienstvolle Sache, meine Damen und Herren, wenn das Bundesfinanzministerium mit dieser sehr gut lesbaren Schrift, betitelt „Unsere internationalen Währungsbeziehungen", versucht, in ein breites Publikum hinein Kompetenz zur wirtschaftspolitischen Diskussion zu vermitteln. ({0}) Warum soll es nicht auch einmal geschehen, daß vom Podium des Deutschen Bundestages aus einer guten und wichtigen Schrift breite Aufmerksamkeit und Resonanz gewünscht wird? ({1}) Der Internationale Währungsfonds hat die Aufgabe, die Zusammenarbeit in der Währungspolitik zu fördern, durch Gewährleistung möglichst stabiler Wechselkursbeziehungen die Ausweitung des Welthandels zu erleichtern, ein von Devisenverkehrsbe4288 Rapp ({2}) schränkungen freies multilaterales Zahlungssystem bereitzustellen und dies durch die Vermeidung oder Verminderung von Zahlungsbilanzungleichgewichten, im Ernstfall, d. h. bei Zahlungsbilanzschwierigkeiten, durch Gewährung von Krediten zu ermöglichen. Es ist nun zu fragen, ob die in der Neufassung des Abkommens statuierten Regelungen diesen Aufgaben und Zielen angemessen sind. Die erste Neuerung ist die, daß die Mitglieder im Internationalen Währungsfonds in der Wahl ihres nationalen Wechselkursregimes grundsätzlich frei sind. Sie können den Wert ihrer Währung in Sonderziehungsrechten oder nach einem anderen Maßstab außer dem des Goldpreises, was neuerdings untersagt ist, definieren. Sie können dies auch durch die Bestimmung einer Relation zu einer anderen Währung oder zu einem Währungskorb tun. Sie können des weiteren die Wechselkurse nach Angebot und Nachfrage an den Devisenmärkten sich bilden und frei fluktuieren lassen. Sie können auch - dazu wäre allerdings eine hohe Stimmenmehrheit aller Mitgliedsländer erforderlich - zu einem System fester Paritäten zurückkehren, wie es unter dem Bretton-Woods-Regime bestanden hat, das freilich unter der wachsenden Spannung immer weiter auseinanderlaufender nationaler Inflationsraten in den Jahren 1971 bis 1973 zusammengebrochen ist. Für uns in der Bundesrepublik bedeutet dies, daß außerhalb des europäischen Währungsverbunds, der Schlange, der Kurs der D-Mark sich weitgehend nach Angebot und Nachfrage bildet, während wir den Preis, d. h. den Kurs der D-Mark innerhalb des Währungsverbunds, in Grenzen fixieren und die Mengen anpassen. Die Anmerkungen „weitgehend" und „in Grenzen" zeigen aber schon an, daß die Unterschiede zwischen den Wechselkursregimes in der Praxis weniger scharf zu sein pflegen als in den Lehrbüchern. Nun könnte jemand sagen, dies alles sei überhaupt nicht neu. Im Grunde habe man bei der Neufassung des Abkommens über den Internationalen Währungsfonds nur die Verlegenheitslösungen und Provisorien festgeschrieben, mit denen man sich nach dem Zusammenbruch des Systems der festen Paritäten, insbesondere nach dem Ölpreisschock, beholfen hat. Dies ist deshalb nicht richtig, weil als das neue Kernstück in das IWF-Abkommen - Herr Dr. Sprung hat dies ebenfalls herausgearbeitet - die Verpflichtung der Mitgliedsländer aufgenommen wurde, ihre Wechselkurspolitik auf der Grundlage einer stabilitätsorientierten Wirtschaftspolitik zu führen. Regeln für das Floating sehen vor, daß der Wechselkurs weder den Zahlungsbilanzausgleich erschweren noch einem Mitgliedsland auf den Güter- und Dienstleistungsmärkten ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile verschaffen darf. Schwerwiegenden kurzfristigen Schwankungen ist durch Interventionen, d. h., durch aktives politisches Handeln, entgegenzuwirken, wobei die Interessen der Partnerländer zu berücksichtigen sind. Der Fonds hat Befugnisse, die Einhaltung dieser und anderer Normen in einem abgestimmten System von Konsultationen zu überwachen. Im Falle der Kreditgewährung bestehen, Herr Dr. Sprung, über Auflagen durchaus Sanktionsmöglichkeiten. Das internationale Währungssystem ist somit jetzt stärker als früher der politischen Gestaltung und Verantwortung, weniger den Regelmechanismen anheimgegeben. Dieses ist das grundsätzlich Neue: in einem guten und, wie ich meine, richtigen Sinne stärker politisiert und weniger den Regelmechanismen anheimgegeben. Meine Damen und Herren, vielleicht ist eine funktionierende internationale Währungsordnung die größtmögliche Solidarleistung, die sich überhaupt denken läßt. Die Versuchung, nationale Probleme der Unterbeschäftigung und der Geldwertinstabilität vor der Tür des Nachbarn abzuladen, mag oftmals groß und verständlich sein. Also muß der Währungsfonds, der dieser Gefahr zu steuern hat, Autorität haben, und zwar Fach- und Sachautorität, aber auch die Möglichkeit, durchzusetzen, daß Verstöße gegen die Spielregeln auf denjenigen zurückfallen, der die Regeln verletzt. Zur Zeit der Ölpreisexplosion waren es ja nicht wenige, die all dies für ganz und gar unmöglich gehalten haben, die das große Währungschaos unaufhaltsam heraufkommen sahen. Es ist anders gekommen. Nicht, daß die Weltwährungsordnung eine heile Welt wäre. Aber sie hat Unheil zu verhindern vermocht. Wer auch immer - mehr oder weniger verzweifelt - nach Indizien Ausschau hält, ob die Menschheit sich nach vorn entwickelt und ob sie reifer wird: Hier, im Bereich der internationalen Währungspolitik, gibt es, meine ich, solche Indizien. Herr Dr. Sprung, wir sind, glaube ich, ohne uns abgesprochen zu haben, dabei, die zwischen einer Regierungspartei und der Oppositionspartei natürliche Arbeitsteilung zu machen. Ich hebe etwas stärker hervor, was gut gelaufen ist und gut läuft, ohne die Gefahren unter den Teppich zu kehren - ich komme darauf zurück -; Sie haben die umgekehrte Reihenfolge und Gewichtung gewählt. Das entscheidend neue Element des Übereinkommens über den IWF in der Fassung von 1976 ist somit darin zu sehen, daß jetzt die Steuerung des Systems zur politischen Aufgabe erklärt ist, daß also der Primat der Politik statuiert wurde, wo Entwicklungen bisher manchmal passiv hingenommen werden mußten. Dem widerspricht ganz und gar nicht, daß dabei der Marktsteuerung - und darum handelt es sich beim Floating; bei mehr oder weniger reinem Floating - größere Bewährungsmöglichkeiten gegeben werden. Im Vergleich damit treten die anderen Neuregelungen in ihrer Bedeutung zurück. Ich kann sie hier aus Zeitmangel nur kurz aufzählen. Es sind: 1. die weitere Zurückdrängung der Rolle des Goldes und die Ausschaltung der Goldmystik aus den internationalen Währungsbeziehungen, 2. die Verfeinerung der Regeln für das Management der Sonderziehungsrechte als eines Reserve- und Transaktionsmediums - Regeln, mit denen wenigstens dieser Teil der internationalen Liquidität einer besseren Rapp ({3}) Kontrolle unterworfen wird, 3. die abgestufte Konditionalität der Kreditbranchen und 4. die Möglichkeit, auf Ministerebene einen Rat zu bilden, der Entscheidungsbefugnisse hat, wo bisher nur Beratung möglich war. Ich will da nicht allzu hoch greifen; aber vielleicht wird an dieser Stelle demonstriert werden, daß internationale Gremien entscheidungs- und handlungsfähig sein können. Nun ist zu fragen: Haben wir somit die beste aller möglichen Währungswelten? Was wir haben, ist eine tragfähige Weltwährungsordnung, die sich bereits bewährt hat. Aber es wäre sträflich, die Gefahrenpotentiale, die ihr drohen, zu übersehen. Dazu ist zunächst einmal festzuhalten, daß das internationale Währungssystem ja nur die Zahlungsseite der Weltwirtschaft betrifft. Ist der Welthandel - Stichwort: GATT - nicht ähnlich in ein Netz der internationalen Solidarität und Disziplin eingebunden, so hängt eine noch so gute Währungsordnung in der Luft. Gerade in der jetzigen weltwirtschaftlichen Situation erweist sich die Gefahr als groß, daß man sich -für die im Währungssystem abverlangte Disziplin im Handelsbereich schadlos hält. Der Kampf gegen Handelsrestriktionen und protektionistische Praktiken ist nach der Friedenssicherung und ihr korrelierend die derzeit wichtigste internationale Aufgabe. Sodann gibt es die Gefahr einer schlechten Politisierung der internationalen Währungsordnung. Darunter verstehe ich die Versuchung, ihr Aufgaben anzulasten, die sie gar nicht leisten darf und auch gar nicht leisten kann. Ein Beispiel und eine Analogie: Es wäre gewiß ein Stück schlechter Politik, würde man irgendwo dem Sozialminister oder dem Verkehrsminister - Leuten also, die weltweit und notorisch unter leeren Kassen leiden - die Herrschaft über die Notenbank überantworten. Vergleichbar schlecht wäre es, wollte man der Pflicht, von den reichen Ländern auf die armen Länder realen Wohlstand zu übertragen, durch die bloße Schöpfung und Verteilung von neuem Geld, d. h. durch die Inflationierung der Weltwirtschaft, ausweichen. Wie übrigens im nationalen Rahmen allemal die Ärmsten und die Schwächsten unter der Geldentwertung am härtesten zu leiden haben und die Reichen, die Sachwertbesitzer, die Bezieher von Gewinneinkommen den Folgen der Inflation wenigstens vorübergehend ausweichen und sie vielleicht gar auf andere abladen können, so sind in völlig logischer Entsprechung im internationalen Bereich die Entwicklungsländer von Inflation am brutalsten betroffen. Für manche in den reichen Ländern mag Geldwertschwund eine Sache sein, die nun eben mit einigen Unannehmlichkeiten verbunden ist, für die Massen in den armen Ländern aber, meine Damen und Herren, ist Inflation eine Frage auf Leben und Tod. Die bevorstehende siebte Quotenerhöhung des Internationalen Währungsfonds hat nun gewiß auch den entwicklungspolitischen Aspekt, daß dabei den Entwicklungsländern dringend benötigte zusätzliche Finanzierungsfazilitäten eröffnet werden. Ich kann auch nicht finden, daß das Verlangen der Bundesregierung, die unkonditionierten, die unbedingten Tranchen weniger anzuheben als die anderen, schlechterdings gegen die Interessen der Entwicklungsländer gerichtet sein soll. Ich möchte hier einmal die Frage nach der Konditionierung der Währungskredite so stellen: Ich möchte wissen, warum nicht Auflagen möglich sein sollen, die dazu führen, daß die zufließenden Devisen in Investitionen zugunsten der Hebung des allgemeinen Wohls Verwendung finden sollen und daß z. B. die Finanzierung von Importen zur Befriedigung der Luxusbedürfnisse städtischer Oberschichten in den Entwicklungsländern ausgeschlossen bleibt. Warum sollten wir nicht die Phantasie entwickeln, die Kredite des Internationalen Währungsfonds in dieser Weise zu konditionieren? Wir sollten jedenfalls, so meine ich, der Bundesregierung den Rücken stärken, wenn sie bei den Verhandlungen zur siebten Quotenerhöhung darauf drängt, daß die konditionierten Kreditfazilitäten stärker angehoben werden als die anderen. Gerade weil das Funktionieren der internationalen Währungsordnung nach dem neuen Abkommen in noch höherem Maße als früher eine Gemeinschaftsleistung ist, muß festgehalten werden, daß Solidarität hier wie überall keine Einbahnstraße sein kann. Ich will eine weitere Gefahr ansprechen. Angesichts des riesigen Potentials an internationaler Liquidität, das der Kontrolle durch den Internationalen Währungsfonds ganz oder weitgehend entzogen ist, bleibt mir die Kritik daran, daß es überhaupt eine Quotenerhöhung geben soll, durchaus unverständlich. Vergrößert doch gerade die Quotenerhöhung das Steuerungspotential! Es wird nunmehr, nachdem das Abkommen über den Internationalen Währungsfonds neugefaßt ist, darauf ankommen, mit demselben Sachverstand und derselben Beharrlichkeit das Problem der Kontrolle über die freie internationale Liquidität anzugehen. Zum Schluß, meine Damen und Herren, bleibt die Frage, ob man der Perspektive einer Rückkehr zu festen Paritäten, die das neue Abkommen ja auch bietet, den Rang einer realen Utopie zuerkennen kann. Was immer man gegen das Bretton-WoodsSystem sagen mag: Es hat eine beispiellose Expansion des Welthandels ermöglicht. Auch wird man sagen können, daß das System der festen Paritäten nicht etwa an einem Mangel an innerer Logik, sondern an notorischen Zuwiderhandlungen gegen diese Logik zerbrochen ist. Die Frage, welchem der beiden Systeme - feste Paritäten, floatende Wechselkurse - die größere Integrationskraft innewohnt, würde uns in metaphysische Gefilde entführen. Ich meine, wir sollten uns auf Dauer in der neuen Weltwährungsordnung des IWF-Abkommens von 1976 einrichten, das wir durch die Annahme des vorliegenden Gesetzentwurfs für uns verbindlich machen wollen. Diese neue Währungsordnung scheint mir flexibler und deshalb besser dafür ausgestattet zu sein, schwierige Zeiten durchzustehen. Diese Weltwährungsordnung wird allerdings gerade uns, einer der gesündesten und Rapp ({4}) stärksten Volkswirtschaten der Welt, ein besonderes Maß an Verantwortung abverlangen. Das gute Ansehen der Bundesrepublik in der Welt gründet nicht zuletzt darauf, daß die Bundesregierung dieser Verantwortung stets gerecht geworden ist. Wir wollen und sollten alle dafür sorgen, daß das so bleibt. Für die SPD-Bundestagsfraktion erkläre ich, daß wir dem Gesetzentwurf zustimmen werden. ({5})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Das Wort hat Frau Abgeordnete Matthäus-Maier.

Ingrid Matthäus-Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001436, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FDP-Fraktion begrüßt, daß der Bundestag heute dieses wichtige Gesetz verabschiedet, das die Zustimmung der Bundesrepublik Deutschland zur Änderung des Abkommens über den Internationalen Währungsfonds bedeutet. Damit ist ein vorläufiger Abschluß der Arbeiten erreicht, das internationale Währungssystem an die heutigen Gegebenheiten der Weltwirtschaft anzupassen. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes wird der juristische Schwebezustand, in dem sich die internationale Währungsordnung seit spätestens 1971 befindet, beendet. Seit der Konferenz von Bretton Woods im Jahre 1944 haben sich die internationalen Wirtschafts- und Währungsbeziehungen in vielem entscheidend gewandelt. Das Übergewicht der USA ist einer Partnerschaft zwischen vielen unterschiedlich strukturierten Wirtschaften gewichen. Die Ereignisse seit Beginn der 70er Jahre - die Aufgabe der Goldkonvertibilität des Dollar, sehr stark divergierende Inflationsraten, die Ölpreiserhöhungen mit den daraus folgenden strukturellen Leistungsbilanzverschiebungen - haben zumindest auf lange Zeit die weltweite Verwendung des Systems fester Wechselkurse unmöglich gemacht. Die neuen Bestimmungen tragen dem Rechnung. Hervorzuheben ist andererseits, daß das gegenüber der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen eigentlich Neue von Bretton Woods, die Verpflichtung aller Mitglieder des IWF zu einer weltweiten Zusammenarbeit, beibehalten, ja wesentlich verstärkt wurde. Zwar ist hiermit kein neues Währungssystem „aus einem Guß" geschaffen worden. Eine Reihe von wichtigen Problemen bleiben ungelöst, so vor allem die Frage einer wirksamen Kontrolle der gesamten internationalen Liquiditätsentwicklung. Mit dem neuen Abkommen ist aber ein Rahmen für einen Entwicklungsprozeß geschaffen worden, durch den sich die Währungsordnung an eine sich ändernde Weltwirtschaft anpassen kann. Gleichzeitig werden aber auch gewisse wirtschaftliche Grundsätze aufgestellt: gesundes Wachstum bei angemessener Preisstabilität und möglichst großer Freiheit im Handels-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr als Voraussetzungen für geordnete Währungsverhältnisse. Es wird jetzt darauf ankommen, daß dieser Rahmen in Zukunft durch konkrete Regelungen ausgefüllt wird und der IWF tatsächlich die ihm zugedachte verstärkte Rolle als Weltwährungsinstitution spielen kann. Als wichtigster Teil des Abkommens ist der neue Art. 4 zu nennen. Er bestimmt die Verpflichtung der Mitglieder auf dem Gebiet der Wechselkursregelungen, geht aber, richtigerweise, weit über den engeren Bereich der Wechselkurspolitik hinaus und stellt ihn in das Umfeld der gesamten Wirtschafts-und Währungspolitik. Ökonomisch folgerichtig wird im neuen Abkommen klargestellt, daß außenwirtschaftliche Stabilität und Freiheit nur auf der Grundlage einer entsprechenden Wirtschaftspolitik möglich sind. In Bretton Woods hatte man zwar ausreichend Vorsorge für die Stabilität der Währungsbeziehungen nach außen getroffen; man hatte dabei aber versäumt, Regeln für das wirtschafts- und währungspolitische Wohlverhalten der Mitgliedsländer in ihren eigenen Wirtschaften vorzusehen. Dieses Versäumnis holt nun das neue Abkommen in Art. 4 nach. In diesem Rahmen kann zwar jetzt jedes Land seine eigene Politik in bezug auf den Wechselkurs betreiben, jedes Land ist aber verpflichtet, in Zusammenarbeit mit dem Fonds und seinen Partnerländern ein geordnetes und stabiles Wechselkurssystem zu fördern. Damit trägt das neue IWF-Abkommen auch den vielfältigen Rückwirkungen zwischen der Wirtschaftspolitik der einzelnen Länder in einer mehr denn je verflochtenen Welt Rechnung. Jedem Land wird es daher in Zukunft obliegen, mit dem IWF und damit der internationalen Gemeinschaft über den engen Bereich der Wechselkurspolitik hinaus in allen Fragen der globalen Wirtschaftspolitik zusammenzuarbeiten, um stabile und geordnete Verhältnisse in den Wechselkursbestimmungen zu sichern. Dabei wächst natürlich dem wichtigsten Partner in den Währungsbeziehungen, den USA, eine besondere Verantwortung zu. IWF und Regierungen der Mitgliedsländer sollten jetzt aktiv zusammenwirken, damit der mit dem neuen IWF-Abkommen gesetzte Rahmen im konkreten Tagesgeschehen verwirklicht wird, um damit auch die Bedingungen für weltweites Wachstum in Stabilität zu sichern und zu verbessern. Entscheidende Bedeutung kommt dabei in diesem Zusammenhang dem Art. 4 Abschnitt 3 zu, der den Fonds verpflichtet, die Wechselkurspolitik der Mitgliedsländer streng zu überwachen und dafür besondere Grundsätze aufzustellen. Das Exekutivdirektorium hat hierzu Grundsätze aufgestellt, die der Interimsausschuß Ende April 1977 zur Annahme empfohlen hat. Es wird sich jedoch erst in der Zukunft zeigen, ob die Ziele des Art. 4 durch diese Grundsätze und die dort angegebenen Indikatoren tatsächlich in die Praxis umgesetzt werden. Da sind beispielsweise Fragen wie die zu lösen: Was ist mit „Manipulation der Wechselkurse" gemeint? Wie läßt sich ein falsches Verhalten erkennen? Welche Schwankungen sind schwerwiegend? Müssen Wechselkursänderungen in Zweifel gezoFrau Matthäus-Maier gen werden, die Maßnahmen begleiten, die auf binnenwirtschaftliche Ziele gerichtet sind? Sind manipulative Absichten notwendig? usw. usf. Verbunden mit der Abkommensänderung ist - darauf wurde schon hingewiesen - eine allgemeine Aufstockung der Länderquoten im IWF. Im Ausmaß dieser Aufstockung kommt zum Teil auch eine Verschiebung der wirtschaftlichen Gewichte zum Ausdruck. So hat sich der Anteil der OPEC-Länder verdoppelt. Es ist zu begrüßen, wenn diese Länder be- reit sind, die ihnen zugewachsene erhöhte Verantwortung für das Funktionieren des internationalen Währungssystems auch tatsächlich auszufüllen. Es ist anzuerkennen, daß eine Reihe von ihnen, so vor allem Saudi-Arabien, dies bereits durch namhafte Beiträge zu den Sonderfazilitäten des IWF, der Ölfazilität und der neuen Witteveen-Fazilität unter Beweis gestellt haben. Im Rahmen des IWF wird zur Zeit bereits die nächste Erhöhung der Quoten diskutiert. Hierbei ist zu fragen - das haben Sie zu Recht getan, Herr Dr. Sprung -, ob angesichts der ausreichenden globalen Liquiditätsversorgung und dem bisher sehr elastischen Liquiditätsangebot der Kreditmärkte eine solche neue Liquiditätsschaffung wirklich erforderlich ist. Wir meinen, eine gemäßigte Erhöhung der IWF-Quoten und damit der Kreditmöglichkeiten im IWF erscheint gerechtfertigt, da zumindest ein sehr erheblicher Teil dieser neu geschaffenen Liquidität an die Verpflichtung zur Aufstellung eines Stabilisierungsprogramms und wirtschaftspolitische Verhaltensregeln gekoppelt ist. Damit wird einerseits die Rückkehr zum wirtschaftlichen Gleichgewicht eingeleitet, andererseits aber Zeit gegeben, den internen Anpassungsprozeß in geordneten Bahnen ohne deflatorischen Druck von seiten der Zahlungsbilanz zu vollziehen. Die Konditionalität bei solchen IWF-Krediten sollte daher nicht als Eingriff in die nationale Souveränität durch Auferlegung von Restriktionen verstanden werden, sondern als internationale Hilfestellung für ein - ohnehin erforderliches - Programm zur Stabilisierung der internen Wirtschaftslage. Wie in der letzten Zeit die Beispiele Italien und Großbritannien zeigen, können auf diesem Wege mit Hilfe der internationalen Gemeinschaft Erfolge erzielt werden, die eine auf sich allein gestellte Regierung unter Umständen nicht erzielen kann. Auch können Regierungen innenpolitische Schwierigkeiten bei der Durchsetzung eines Stabilisierungsprogramms leichter überwinden, wenn sie sich dabei auf die wirtschafts- und währungspolitischen Anforderungen des IWF berufen können. Selbstverständlich ist dabei, daß den individuellen Bedingungen eines jeden Landes im Einzelfall Rechnung getragen werden muß. Darüber hinaus werten, wie die jüngsten Erfahrungen zeigen, die internationalen Kreditmärkte in zunehmendem Maße den Abschluß eines solchen Stabilisierungsprogramms mit dem IWF bereits als positiv für die Kreditwürdigkeit des betreffenden Landes. Auf diese Weise wird einerseits der gewünschte Kapitalfluß in Defizitländer abgestützt, andererseits aber vermieden, daß es durch eine übermäßige, unkontrollierte Verschuldung einzelner Länder zu Störungen auf den internationalen Kreditmärkten kommt. Hieraus ist nicht zu entnehmen - da gebe ich Ihnen ausdrücklich noch einmal Recht, Herr Dr. Sprung -, daß jede Erhöhung der IWF-Quoten unter dem Aspekt der Weltliquidität und damit der Gefahr neuer internationaler Inflationsschübe ungefährlich wäre. Ein gewisser Teil der zusätzlichen IWF-Kreditmittel unterliegt keiner oder nur sehr geringer Konditionalität. Deshalb sollte auf jeden Fall übermäßigen Erhöhungen in schnellem Rhythmus von deutscher Seite entgegengetreten werden. Entscheidend ist, daß der Zusammenhang von Konditionalität und Quotenerhöhung gewahrt wird: Bleibt eine wirkungsvolle Konditionalität und deren Überwachung bei IWF-Krediten erhalten, ist die Quotenerhöhung sicherlich mit anderen Augen zu betrachten, als wenn den bestehenden Forderungen auf eine deutliche Auflockerung der Konditionalität nachgegeben würde. Meine Damen und Herren, zwar hat die Bundesrepublik Deutschland im IWF rechnerisch nur einen Stimmenanteil von etwas mehr als 5 0/o, gleichwohl aber sollte die Bundesregierung ihre Rolle im Rahmen des IWF so aktiv wie möglich im Sinne der Verwirklichung der wirtschaftspolitischen Ziele nutzen: Vollbeschäftigung bei Stabilität und angemessenem Wachstum. Die FDP-Fraktion stimmt dem Gesetzentwurf zu. ({0})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.

Dr. Hans Apel (Minister:in)

Politiker ID: 11000043

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich, bevor ich zu einigen Fragen Stellung nehme, zwei Vorbemerkungen machen. Vorbemerkung Nummer eins: Ich möchte mich bei Herrn Rapp ausdrücklich für das Lob bedanken. Die Währungspolitik im Finanzministerium ist fest in weiblicher Hand. Da tut es uns natürlich im Interesse unserer emanzipatorischen Bemühungen gut, wenn der männliche Teil des Parlaments die weiblichen Mitarbeiter im Finanzministerium ausdrücklich lobt. Zweite Vorbemerkung: Ich halte diese Debatte für sehr hilfreich. Sie hat im übrigen deutlich gemacht, daß wir in den Fragen der internationalen Währungspolitik über die Fraktionen hinaus einheitlich einer Meinung sind. Dies stärkt die Position des Bundesfinanzministers, der die Bundesregierung bei den internationalen Verhandlungen zu vertreten hat, beträchtlich. Ich werde alles in meinen Kräften Stehende tun, um Sie künftig - wie bisher - nicht nur rechtzeitig vor Entscheidungen zu informieren, sondern um mit dieser Rückendeckung auch weiterhin meine Pflicht zu tun. Nun zu einzelnen Fragen. Ich denke, ich muß sieben Bemerkungen machen. Ich will das in aller Kürze tun. Bemerkung Nummer eins: Wir haben in der Tat erlebt, Herr Kollege Dr. Sprung, daß versucht worden ist - insbesondere in den letzten Monaten -, über öffentliche Debatte, aber auch über tatsächliches Verhalten Währungskurse zu manipulieren. Ich habe diesen Versuchen aber stets mit einer großen Gelassenheit gegenübergestanden, und zwar aus zwei Gründen: Erstens kann man die Debatte des einen über seine Währung durch die Debatte eines anderen konterkarieren. Am Ende gibt es dann ja auch einvernehmliche Stellungnahmen, nicht zuletzt deswegen, weil der Finanzminister eines jeden Landes wissen muß, daß das Herunterreden seiner Währung ihm nicht nützt, sondern nur das Inflationspotential im eigenen Lande stärkt. Zweitens - dies haben wir im Endeffekt an dem britischen Beispiel gesehen - hilft Intervenieren gegen Marktkräfte nicht. Wir haben ein so ungeheuerliches Potential an freier Liquidität, daß die Spekulation dann ausprobieren wird, wo sich die Grenzen der Widerstandsfähigkeit einer Notenbank oder eines Finanzministeriums befinden. Da man die binnenländische Geldmenge wegen des damit verbundenen Inflationspotentials nicht beliebig steigern kann, kehrt man am Ende schon zur Vernunft zurück. Dennoch - hier will ich Ihre Frage erweitern - haben wir allen Grund - ich greife auch das auf, was Sie, Kollegin Matthäus, gesagt haben -, über die freie Liquidität zu debattieren, weil sie natürlich in der Lage ist, durch Hineindrängen in eine Währung Tendenzen nach unten oder nach oben so zu verstärken, daß das Ganze ökonomisch problematisch wird. Auch wir gehen ja davon aus, daß unsere Währung zur Zeit eher über- als unterbewertet ist, weil wir eben ein Attraktionspunkt für spekulatives Geld sind und deswegen Aufwärtsbewegungen stattfinden, die uns nicht gut tun können. Zweite Bemerkung: Ich bin eigentlich nicht so skeptisch wie Sie, Herr Dr. Sprung, was die wirtschaftspolitischen Auflagen anlangt. Natürlich gibt es hier, wenn Sie so wollen, keine Durchsetzungsmöglichkeiten. Aber wenn man die Durchsetzungsmöglichkeiten der wirtschaftspolitischen Auflagen beim Währungsfonds mit denen der Europäischen Gemeinschaft vergleicht, dann sind sie natürlich von Washington her ungleich größer. Ich wäre froh, wenn die Europäische Gemeinschaft, die zur Zeit über eine Ausdehnung ihres mittelfristigen 'Währungsbeistandes spricht, nur entfernt in der Lage wäre, so viel Kraft zur Durchsetzung der wirtschaftspolitischen Auflagen einzusetzen. Dritte Bemerkung: Alle drei Redner haben einvernehmlich vorsichtige Skepsis, was die nächste, die siebente Quotenerhöhung und das Volumen anlangt, angemeldet. Ich teile diese Skepsis. Wir werden in dieser Frage so argumentieren, wie wir das bisher getan haben. Ich muß allerdings auf zwei Dinge aufmerksam machen. Problem Nr. 1: Wir können natürlich in dieser Frage am Ende nicht allein dastehen; wir brauchen in dieser Frage Verbündete. Allein unser Anteil von 5 v. H. reicht nicht aus, um sich Beschlüssen zu widersetzen. Zweitens. Lassen Sie uns nicht den Fehler machen, die unglaubliche Ausweitung der internationalen Liquidität, die ja mit Ursache der Weltinflation ist, allein auf den IWF zu schieben. Mir liegen die neuen Zahlen vor. Wir hatten, in Sonderziehungsrechten gerechnet, 1972 fast 150 Milliarden an Reserven. Wir haben Ende Juli dieses Jahres mehr als 240 Milliarden. Diese Steigerung ist aber fast ausschließlich auf eine Verdoppelung der Devisenposition zurückzuführen. Das heißt, hier steht nicht der IWF als Verursacher der Erhöhung von Liquidität zur Debatte, sondern etwas ganz anderes, nicht zuletzt die Tatsache der Wiederanlage des Ölgeldes und natürlich auch gewisser multiplikativer Wirkungen auf den Euromärkten. Vierte Bemerkung: Anpassungsprozesse, d. h. nationale Bemühungen um Solidität und Stabilität, sind unternommen worden. Sie sind ja auch relativ erfolgreich; Frau Matthäus-Maier hat darauf hingewiesen. Der IWF hilft hier. Die Prozesse verlaufen nicht so schnell, wie wir uns das wünschen, aber ohne den IWF würde dieser Anpassungsprozeß überhaupt nicht stattfinden, weil natürlich flexible Wechselkurse gerade dazu verführen könnten, unsolide zu sein - nach dem Motto: Das alles regeln wir über den Wechselkurs. Fünfte Bemerkung: Ich bin allen Debattenrednern dafür dankbar, daß sie unsere Position so deutlich unterstrichen haben, daß nämlich der Währungsfonds seinen Charakter einer internationalen Bank behalten muß. Wir werden uns dem Versuch widersetzen, den IWF als Instrument der Entwicklungshilfe einzusetzen. ({0}) Der IWF ist nach meiner Einschätzung eine der letzten Bastionen für währungs- und wirtschaftspolitische Vernunft. Derjenige, der diese Bastion, diese Position freiwillig demontieren will, öffnet allerdings chaotischen Verhältnissen Tür und Tor. Wir werden dies mit Ihrer Unterstützung nicht tun. Sechste Bemerkung: Zugegeben, das Thema „frei verfügbare internationale Liquidität, Euromärkte, Bankplätze wie Luxemburg, London und andere" macht uns große Sorge. Wir werden im nächsten Finanzministerrat erneut über diese Frage sprechen. Denn diese Bankplätze bringen ja nicht nur hinsichtlich der enormen Mengen von Milliarden, die unkontrolliert umlaufen, Probleme, sondern können natürlich auch zu einem guten Teil unsere nationale Notenbankpolitik unterlaufen, sei es über Mindestreservebestimmungen, die auf diese Art und Weise unterlaufen werden, sei es durch das Unterlaufen unserer Großkreditregelungen. Wir müssen wohl in aller Freundschaft auch europäischen Partnern, solchen, die Teil der Europäischen Gemeinschaft sind, sagen, daß wir uns auf Dauer nicht damit abfinden können, daß sich hier Oasen bilden, die aus durchaus verständlichen nationalen Gründen beibehalten werden, die aber der europäischen Integration, dem Ziel der Währungs- und Wirtschaftsunion, durch eine ReBundesminister Dr. Apel duzierung der Funktionsfähigkeit unserer nationalen Währungspolitik Abbruch tun können. Siebente Bemerkung: Sehr dankbar bin ich den Rednern für das klare Bekenntnis zur Abwehr des Protektionismus. Dies scheint mir von zentraler Bedeutung zu sein. Nur, wer A sagt, muß auch B sagen. Wer sagt, er will keinen Protektionismus, muß natürlich auch bereit sein, über die internationalen Institutionen Zahlungsbilanzhilfe zu geben. Das heißt mit anderen Worten, auch von daher - ich will das offen bekennen - kommen wir bei der Quotenerhöhungsdebatte unter Umständen in eine schwierige Situation. Denn die anderen wissen natürlich genau so gut wie wir, daß 28 %unseres Bruttosozialprodukts und jeder fünfte Arbeitsplatz vom Welthandel abhängig sind. Von daher kann man uns durchaus in eine Zangenbewegung hineintreiben. Ich sage das nur, damit Sie, wenn wir uns das nächste Mal treffen, sehen, daß wir als Bundesrepublik Deutschland auch Rückfallpositionen haben müssen. Ich bin der Meinung, daß wir mit der Ratifikation dieses Gesetzes heute einen notwendigen Schritt tun. Es bleiben wichtige Probleme nach. Keiner sollte sich einbilden, daß der Übergang zu flexiblen Wechselkursen uns aus Schwierigkeiten herausgebracht hat. Es sind auch neue entstanden. Wesentlich für die Zukunft dieser Weltgemeinschaft ist, daß neben die Solidarität die Solidität und die Stabilität gestellt werden. Wir werden auch hier weiter mit gutem Beispiel vorangehen. Wir sind davon überzeugt, daß unsere Partner begreifen, daß Inflation die Quelle allen Übels ist, daß Inflation ein Gift ist, das selbst in kleinsten Dosen nicht zum Heilmittel wird. ({1})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Wir kommen jetzt zur Einzelberatung in zweiter Beratung und zur Schlußabstimmung. Ich rufe Art. 1 bis 11 mit den vom Ausschuß empfohlenen Änderungen, Einleitung und Überschrift auf. Die Abstimmung hierüber wird mit der Schlußabstimmung verbunden. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, möge sich erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen. Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Internationalen Kakao-Üereinkommen von 1975 - Drucksache 8/272 - a) Bericht des Haushaltsausschusses ({0}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 8/1150 - Berichterstatter: Abgeordneter Simpfendörfer b) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({1}) - Drucksache 8/1055 -Berichterstatter: Abgeordneter Sauter ({2}) ({3}) Wünscht einer der Herren Berichterstatter das Wort? - Herr Abgeordneter Sauter ({4}).

Franz Sauter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001926, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Drucksache 8/1055 findet sich ein bedauerlicher und sinnentstellender Fehler. Bei der Problemstellung geht es um die Frage der Stabilisierung und Steigerung der Erlöse der kakaoerzeugenden Länder und nicht um die „Erlösung" der kakaoerzeugenden Länder. Ich habe versucht, zu recherchieren, wo die Ursache für diesen Fehler liegen könnte. Sie liegt nicht beim Ausschuß. Das Ausschußsekretariat kann man dafür auch nicht verantwortlich machen. Ich habe den Verdacht, daß hier der Druckfehlerteufel am Werk gewesen ist. ({0}) - Ich meine, wir sollten dies hier korrigieren, Herr Kollege Wehner. Lassen Sie mich noch eine ganz knappe zweite Bemerkung anfügen. Der mitberatende Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit hat den berechtigten Wunsch geäußert, das Parlament stärker an den Beratungen und Entscheidungen über das Internationale Kakao-Übereinkommen zu beteiligen. Der federführende Ausschuß ist diesem Wunsch nachgekommen, indem er die Bundesregierung ersucht, vor jeder Verlängerung Bericht zu erstatten. Dies wird zum erstenmal bereits im Jahre 1979 geschehen. Ich glaube, daß wir hier auf sehr pragmatische und vernünftige Weise diesem berechtigten Anliegen gerecht geworden sind. Im übrigen darf ich das Hohe Haus bitten, diesem Abkommen das zwischen den Fraktionen unstrittig ist, die Zustimmung zu geben. ({1})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Meine Damen und Herren, wird das Wort in der Aussprache gewünscht? - Das ist offensichtlich nicht der Fall. Dann kommen wir zur Einzelberatung in zweiter Beratung und zur Schlußabstimmung. Ich rufe Art. 1 bis 4 mit den vom Ausschuß empfohlenen Änderungen, Einleitung und Überschrift auf. Die Abstimmung hierüber wird mit der Schlußabstimmung verbunden. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, möge sich erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Dann ist auch dieses Gesetz einstimmig angenommen. Der Ausschuß empfiehlt ferner die Annahme einer Entschließung auf Drucksache 8/1055 Nr. 2. Wer die4294 Präsident Carstens ser Entschließung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! -Enthaltungen? - Die Entschließung ist angenommen. Ich rufe die Punkte 9 bis 12 der Tagesordnung auf: 9. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Äderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern - Drucksache 8/1039 -Übrweisungsvorschlag des Ältestenrates: Finanzausschuß ({0}) Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO 10. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Personenbeförderungsgesetzes - Drucksache 8/1037 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen 11. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 17. November 1975 zur Änderung des Vertrages vom 8. April 1960 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die Regelung der Zusammenarbeit in der Emsmündung ({1}) - Drucksache 8/1017 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen 12. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Kündigungsschutzgesetzes - Drucksache 8/1041 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung ({2}) Ausschuß für Wirtschaft Wird das Wort dazu gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Die Überweisungsvorschläge des Ältestenrats zu den einzelnen Vorlagen ersehen Sie aus der Tagesordnung. Ist das Haus mit den vorgeschlagenen Überweisungen einverstanden? - Ich sehe und höre auch dazu keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Lemmrich, Dr. Abelein, Spranger, Dr. Schulte ({3}), Dr. Dollinger, Dr. Jenninger, Dr. Bötsch, Dr. Miltner, Ziegler, Kiechle, Biehle, Dr. Stark ({4}), Stücklen, Susset, Dr. Rose, Höffkes, Feinendegen, Glos, Regenspurger, Dr. Voss, Kolb, Lintner und Genossen Autobahn Würzburg-Ulm - Drucksache 8/1075 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen ({5}) Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Wird das Wort dazu gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Der Ältestenrat schlägt Überweisung an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen - federführend - und an den Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau - mitberatend - vor. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich rufe nunmehr die Punkte 14 bis 20 der Tagesordnung auf: 14. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({6}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat betreffend ein Aktionsprogramm für die europäische Luftfahrtindustrie und Luftfahrt Vorschlag für eine Entscheidung des Rates zur Einführung einer gemeinsamen Politik auf dem Gebiet der Zivilluftfahrtindustrie und der Zivilluftfahrt Entwurf einer Entschließung der im Rat vereinigten Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft betreffend Kauf und Entwicklung von Luftwaffensystemen - Drucksachen 7/4195, 8/1066 - Berichterstatter: Abgeordneter Wissmann 15. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({7}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Verordnung ({8}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({9}) Nr. 974/71 hinsichtlich des Preisniveaus, das bei der Berechnung der Währungsausgleichsbeträge zugrunde zu legen ist. - Drucksachen 8/539, 8/1088 Berichterstatter: Abgeordeter Wimmer ({10}) 16. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({11}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 64/432/EWG in bezug auf Maßnahmen zur Brucellosebekämpfung ({12}) - Drucksachen 8/754, 8/1089 - Berichterstatter: Abgeordneter Oostergetelo 17. Beratung und Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({13}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Richtlinie des Rates mit ergänzenden Bestimmungen zu den von den Präsident Carstens Mitgliedstaaten durchzuführenden Erhebungen über die Rinderzucht - Drucksachen 8/449, 8/1090 Berichterstatter: Abgeordneter Kiechle 18. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({14}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur erstmaligen Änderung der Richtlinie des Rates Nr. 76/118/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über bestimmte Sorten eingedickter Milch und Trokkenmilch für die menschliche Ernährung - Drucksachen 8/483, 8/1091 Berichterstatter: Abgeordneter Paintner 19. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses . für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({15}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinien 66/400/EWG, 66/401/ EWG, 66/402/EWG, 66/403/EWG, 68/193/ EWG, 69/208/EWG, 70/458/EWG und 70/457/ EWG über den Verkehr mit Betarübensaatgut mit Futterpflanzensaatgut, mit Getreidesaatgut, mit Pflanzkartoffeln, mit vegetativem Vermehrungsgut von Reben, mit Saatgut von Ö1- und Faserpflanzen, mit Gemüsesaatgut und über einen gemeinsamen Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten - Drucksachen 8/544, 8/1096 -Berichterstatterin: Frau Dr. Riede ({16}) 20. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit ({17}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag eines Beschlusses des Rates zur Änderung des Beschlusses 75/458/EWG über das Programm von Modellvorhaben und Modellstudien zur Bekämpfung der Armut - Drucksachen 8/734, 8/1092 -Berichterstattér: Abgeordneter Amling Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zur Aussprache gewünscht? - Auch das ist nicht der Fall. Ist das Haus damit einverstanden, daß wir der Einfachheit halber über die Vorlagen gemeinsam abstimmen? - Ich sehe Zustimmung. Dann wird so verfahren. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlungen auf den Drucksachen 8/1066, 8/1088, 8/1089, 8/1090, 8/1091, 8/1096 und 8/1092. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen. Meine Damen und Herren, damit ist die heutige Tagesordnung abgewickelt. Ich berufe die nächste Plenarsitzung des Deutschen Bundestages für morgen, Freitag, den 11. November 1977, 9 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.