Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 10/28/1977

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Die Sitzung ist eröffnet. Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, darf ich dem Hause eine Mitteilung machen. Für den durch Verzicht am 24. Oktober 1977 ausgeschiedenen Abgeordneten Leicht hat mit Wirkung vom 25. Oktober 1977 der Abgeordnete Berger ({0}) die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag erworben. ({1}) Ich begrüße den neuen Kollegen sehr herzlich und wünsche ihm eine erfolgreiche Mitarbeit im Deutschen Bundestag. Es liegt Ihnen eine Liste von Vorlagen vor, die durch den Aufdruck „Stand: 25. 10. 77" gekennzeichnet ist, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen: Betr.: UNESCO-Empfehlung über die internationale Normung von Hörfunk- und Fernsehstatistiken Bezug: Artikel IV Ziff. 4 der Satzung der UNESCO ({2}) zuständig: Innenausschuß ({3}) Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Betr.: Erfahrungsbericht über die Auswirkungen des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs auf Revisionen in Lohnsteuersachen Bezug: Beschluß des Deutschen Bundestages vom 5. Juni 1975 ({4}) zuständig: Rechtsausschuß ({5}) Finanzausschuß Betr.: Üpl. Ausgabe bei Kap. 10 02 Tit. 652 06 im Haushaltsjahr 1977 - Gasölbetriebsbeihilfe für die Landwirtschaft Bezug: § 37 Abs. 4 BHO ({6}) zuständig: Haushaltsausschuß Erhebt sich gegen die vorgeschlagenen Überweisungen Widerspruch? - Das ist offensichtlich nicht der Fall. Ich stelle fest, daß damit den vorgeschlagenen Überweisungen zugestimmt worden ist. Amtliche Mitteilung ohne Verlesung Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit hat mit Schreiben vom 21. Oktober 1977 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Becker ({7}), Burger, Dr. Hammans, Hasinger, Frau Geier, Link, Frau Karwatzki, Kroll-Schlüter, Franke. Zink, Geisenhofer, Dr. George, Pohlmann, Müller ({8}), Höpfinger, Picard, Dr. Lenz ({9}), Dr. Langner, Stahlberg, Dr. Jentsch ({10}), Böhm ({11}), Bühler ({12}) und der Fraktion der CDU/CSU betr. Umsetzung der gesundheitlichen Aufklärung in gesundheitsorientiertes Verhalten ({13}) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 8/1107 verteilt. Überweisungen von EG-Vorlagen Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 75/106/ EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Abfüllung bestimmter Flüssigkeiten nach Volumen in Fertigpackungen ({14}) überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({15}) des Rates zur Festsetzung des Schwellenpreises für Olivenöl für das Wirtschaftsjahr 1977/78 zur Änderung der Verordnung ({16}) Nr. 3209/73 über die Beihilfe für Olivenöl ({17}) überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung des Rates über die Einfuhr von Jutegarnen mit Ursprung im Königreich Thailand in die Benelux-Länder zur Aufhebung der Verordnung ({18}) Nr. 1278/77 ({19}) überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({20}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({21}) Nr. 706/76 über die Regelung für landwirtschaftliche Erzeugnisse und bestimmte aus landwirtschaftlichen Erzeugnissen hergestellte Waren mit Ursprung in den Staaten in Afrika, im karibischen Raum und im Pazifischen Ozean oder in den überseeischen Ländern und Gebieten ({22}) überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({23}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({24}) Nr. 879/73 über die Gewährung der Beihilfen der Mitgliedstaaten an die anerkannten Hopfenerzeugergemeinschaften und die Erstattung dieser Beihilfen über strukturelle Maßnahmen im Hopfensektor ({25}) überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({26}) des Rates betreffend das Fangverbot für Stintdorsch ({27}) überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Verordnung ({28}) des Rates über den Pauschbetrag für nicht raffiniertes Olivenöl, das vollständig in Griechenland erzeugt wurde und von dort unmittelbar in die Gemeinschaft befördert wird ({29}) überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Präsident Carstens Mitteilung der Kommission an den Rat betreffend die Option des Schnellen Brüters in der Gemeinschaft - Begründung, Stand, Probleme und Aktionsaussichten - ({30}) überwiesen an den Ausschuß für Forschung und Technologie ({31}), Innenausschuß, Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Mitteilung der Kommission an den Rat betreffend einen gemeinschaftlichen Aktionsplan im Bereich radioaktiver Abfallstoffe ({32}) überwiesen an den Innenausschuß ({33}), Ausschuß für Forschung und Technologie, Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Mitteilung der Kommission an den Rat über Einzelheiten einer gemeinschaftlichen Strategie auf dem Gebiet der Aufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe Entwurf eines Beschlusses des Rates über die Einsetzung eines Ad-hoc-Ausschusses für die Aufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe ({34}) überwiesen an den Ausschuß für Forschung und Technologie ({35}), Innenausschuß, Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Überweisung einer Zollvorlage Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehende Vorlage überwiesen: Aufhebbare verkündete Vierunddreißigste Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste - Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung - ({36}) überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts dem Plenum am 26. Januar 1978 Ich rufe nunmehr folgende Tagesordnungspunkte auf: 20. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Strafverfahrensänderungsgesetzes 19 .. ({37}) - Drucksache 8/976 Uberweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß 21. Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Bekämpfung von Terrorismus und Gewaltkriminalität sowie zum Schutz des inneren Friedens - Drucksache 8/996 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß ({38}) Innenausschuß Haushaltsausschuß gemäß § 96-GO 22. Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses - Drucksache 8/932 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß ({39}) Innenausschuß 23. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Strafvorschriften des Waffenrechts - Drucksache 8/977 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Innenausschuß ({40}) Rechtsausschuß Ausschuß für Wirtschaft 24. Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der für die Wahrung von öffentlicher Sicherheit und Ordnung zuständigen Behörden des Bundes - Drucksache 8/997 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Innenausschuß ({41}) Rechtsausschuß 25. Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/ CSU Maßnahmen zur Erhöhung der inneren Sicherheit - Drucksache 8/1046 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Innenausschuß 26. Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 23. September 1971 zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrt - Drucksache 8/ 2161Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({42}) - Drucksache 8/1057 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Wittmann ({43}) Abgeordneter Klein ({44}) ({45}) Im Ältestenrat ist eine verbundene Debatte zu diesen soeben aufgerufenen Tagesordnungspunkten 20 bis 26 vereinbart worden. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann stelle ich das Einverständnis des Hauses fest. Das Wort hat nunmehr der Herr Bundesminister der Justiz.

Dr. Hans Jochen Vogel (Minister:in)

Politiker ID: 11002379

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir alle stehen unverändert unter dem Eindruck der Kölner Morde an Reinhold Brändle, Helmut Ulmer, Roland Pieler und Heinz Marcisz. Wir stehen unter dem Eindruck der jüngsten Entführungsfälle und unter dem Eindruck des Todes von Jürgen Schumann und von Hanns Martin Schleyer. Wir wissen, daß nicht nur die Entschlossenheit und Besonnenheit aller Beteiligten, sondern auch eine glückliche Fügung von uns nicht beeinflußbarer Umstände die wohlbehaltene Rückkehr der Geiseln der „Landshut" möglich gemacht hat. Wir wissen, daß weitere Anschläge drohen, gerade auch nach dem Selbstmord der Stammheimer Häftlinge. Denn dieser Selbstmord war kein Akt der Resignation; es war ein letzter und äußerster Einsatz im Kampf gegen unseren Staat; es war der Einsatz des Mittels der Selbstzerstörung als Waffe zur Verschärfung eines fanatischen Kampfes. In dieser Situation wollen wir in erster Lesung eine Reihe von Gesetzentwürfen behandeln, die bessere Handhaben zur Bekämpfung des Terrors bieten sollen. Es ist eine neue Situation; eine Situation, von der der Herr Bundespräsident in seiner Stuttgarter Trauerrede am Dienstag mit Recht gesagt hat, sie erlaube es uns nicht, so fortzufahren, als wäre nichts geschehen. Schon deshalb dürfen wir die Entwürfe nicht isoliert betrachten. Vielmehr müssen wir uns vorweg über die Größe der Gefahr, d. h. über das Kräfte-und Wirkungspotential des Terrors und über die Felder klarwerden, auf denen die Auseinandersetzung mit dem Terror zu führen ist. Die Größe der Gefahr, das Patential des Terrors, die Einwirkungsmöglichkeiten der Terroristen - das alles muß ohne Übertreibung, ohne Verharmlosung, nüchtern und realistisch betrachtet werden. Zunächst haben wir es hier mit einem erheblichen kriminellen Potential zu tun. Es handelt sich um mehrere gefährliche Banden, die teils selbständig, teils in Kooperation untereinander und mit ausländischen Terroristen zur Begehung einer Vielzahl schwerer und schwerster Verbrechen fähig waren, die eine immer breiter werdende Blutspur durch unser Land gezogen haben. Bisher sind ihren Anschlägen seit dem 1. Januar 1970 24 Menschen zum Opfer gefallen; 102 weitere Menschen sind Mordversuchen nur mehr oder weniger knapp entgangen. Der harte Kern dieser Banden besteht aus etwa 100 Personen. Davon sind 56 in Haft, die übrigen in Freiheit. Sie sind schwer bewaffnet und verfügen über eine beträchtliche und leistungsfähige Logistik. Dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist schon bedrohlich genug. Aber die Auswirkungen des Terrors beschränken sich nicht auf den unmittelbaren kriminellen Effekt. Insofern unterscheiden sich die terroristischen Vereinigungen von allen herkömmlichen Gangsterbanden, von denen es sicher in anderen Ländern, kriminalistisch betrachtet, noch weitaus gefährlichere gibt. Indes, die terroristischen Banden streben weiterreichende Wirkungen an und erzielen sie auch, zumindest zum Teil und zumindest für gewisse Zeit. Wo sonst haben bandenmäßig verübte Verbrechen beispielsweise bisher ethische, gesellschaftspolitische, ja sogar theologische Diskussionen dieser Breite ausgelöst, Diskussionen etwa über legitime und illegitime Gewalt, über Bürgerkrieg und Staatsnotwehr, über die Realität des Bösen oder auch über eine Theologie der Gewalt? Haben wir es früher jemals erlebt, daß Verbrechen außerhalb der Unterwelt mit versteckter oder gar offener Zustimmung aufgenommen worden sind? Hier, meine Damen und Herren, ist es der Fall. Nicht nur, aber vor allem der Mord an Siegfried Buback hat ein solches Echo hervorgerufen. Ich denke dabei an den empörenden sogenannten Nachruf, der immer wieder, teils mit eindeutiger, teils mit halbherziger, teils aber auch ohne jede Distanzierung oder sogar mit Bekundungen der Sympathie, nachgedruckt worden ist. Ich denke dabei an die Tatsache, daß dieser Nachruf von 43 Professoren, also beamteten, auf die Verfassung unseres Staates vereidigten Hochschullehrern in einem geradezu erbärmlichen Kontext unter schändlicher Vergleichung mit dem Tod eines zaristischen Polizeigouverneurs herausgegeben worden ist. Ich denke dabei schließlich an einen Schriftsteiler, der sich des Ermordeten eilends bemächtigte, um ihn in kümmerlichen Versen zu diffamieren. Diese Vorgänge, meine sehr verehrten Damen und Herren, erinnern an den Beifall, mit dem zu Beginn der Weimarer Republik Verblendete die Ermordung eines Matthias Erzberger und eines Walther Rathenau aufgenommen haben, oder an die Menschenverachtung, mit der Adolf Hitler 1932 die Mörder von Potempa seiner Solidarität versicherte. Keine andere Bande, meine Damen und Herren, hat es bislang fertiggebracht, daß Medien auch in uns verbündeten Ländern zumindest partielles Verständnis für die vorgeblichen Ziele ihres Terrors äußerten und die Ursachen der Gewalttaten eher im Zustand unserer Gesellschaft oder in der Art sehen wollten, in der wir auf diese Herausforderung antworten, als in dem verbrecherischen Fanatismus der Terroristen. Dabei ist mir durchaus bewußt, daß sich diese Stimmen auch auf einzelne Äußerungen aus der Bundesrepublik stützen. Auf solche aus früheren Zeiten, die Fehleinschätzungen erkennen ließen, aber auch auf aktuelle Äußerungen, die die Relationen außer acht lassen, die mehr die Beschädigung des politischen Gegners, das Begleichen alter Rechnungen als die Abwehr gemeinsamer Gefahr zum Ziele haben. ({0}) Wir spüren doch fast täglich, welchen Einfluß dies vielerorts auf das Bild nimmt, das in Europa und darüber hinaus von unserem Land entworfen wird, das sich in den Köpfen von Europäern niederschlägt und auf unser Land zurückwirkt. Aber nicht nur nach außen erzielen die Terrorbanden Wirkungen. Auch im Inland verändern ihre Gewalttaten unser Dasein. Gerade wegen der Brutalität ihrer Verbrechen nehmen sie die Aufmerksamkeit unseres Volkes über Tage und Wochen in Anspruch. Sie beschäftigen die Exekutive, aber auch die gesetzgebenden Körperschaften in einem Maße, das mitunter Besorgnis erregt. Sie treffen das Bewußtsein und die Gefühle der Menschen in einer Stärke, die ihresgleichen sucht. Sie zielen auch ganz bewußt auf Konfliktfelder, die zwischen den Parteien unseres Landes, zwischen gesellschaftlichen Gruppen und Kräften bestehen, um Gegensätze zu vertiefen, um die Polarisierung bis zu irreparablen Brüchen eskalieren zu lassen. Einige, die glauben, den Terror besonders nachdrücklich zu bekämpfen, sind dabei ihre unfreiwilligen Helfer. Vielleicht meinen nun manche, es sei nicht zweckmäßig, dies von der Tribüne des Deutschen Bundestages auszusprechen. Es sei doch nur eine Handvoll von Verbrechern. Man dürfe sie nicht dämonisieren. Man sollte ihr Tun eher herunterspielen, wo immer möglich, mit Schweigen übergehen. Ich glaube, meine Damen und Herren, das wäre ein Irrtum. Wer eine Gefahr bannen will, muß sie zunächst erkennen und wahrheitsgemäß beschreiben. Dies habe ich soeben. versucht. Eben dies halte ich auch für die Pflicht gerade des Justizministers. Um es noch einmal mit anderen Worten zu sagen: Nicht daß Menschen getötet werden - so furchtbar das auch ist - ist das Spezifikum des Terrors. Sein Spezifikum ist der frontale Angriff gegen unseren Staat, gegen das Vertrauen der Bürger in den Staat, gegen die Wertordnung unserer Gesellschaft und gegen den Grundkonsens der geistigen und politischen Kräfte, auf dem unsere staatliche und gesellschaftliche Ordnung ruht. Dabei nehmen die Terroristen und ihre Hintermänner bewußt in Kauf, daß dem Zerbrechen des Grundkonsenses nicht sogleich der von ihnen angestrebte Zustand eines Zwangsparadieses folgt, sondern daß zunächst eine Metamorphose des Staates in Richtung auf die Praktizierung von Gegenterror einsetzt, eine Metamorphose, von der sich die Terroristen Zulauf an aktiver Unterstützung und an Sympathisanten versprechen Ich sagte, die Terroristen zielen gegen unsere Wertordnung. Den höchsten Rang in dieser Ordnung nimmt die Menschenwürde ein, d. h. der sittliche Eigenwert jedes einzelnen Individuums als Person. Gerade diesen Wert wollen die Terroristen zerstören, indem sie Menschen zu Objekten, zu Sachen, zu Instrumenten herabwürdigen, indem sie die Vernichtung menschlichen Lebens als Kampfmittel einsetzen wie andere eine Waffe oder ein Argument. Hanns Martin Schleyer, die Passagiere der „Landshut" : sie waren für die Terroristen nicht Individuen, die einen letzten Wert darstellen, sondern beliebig austauschbare Gegenstände, mit denen sie allein unter dem Gesichtspunkt ihrer Zwecke ohne jede Bindung an Recht und Regeln verfuhren. Darin, meine Damen und Herren, liegt die eigentliche Herausforderung, darin liegt der zentrale Abgriff auf die Menschenwürde und die humane Ordnung, auf die wir als Volk uns nach den bitteren Erfahrungen unserer jüngeren Geschichte im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland geeinigt haben. Für die Abwehr und Überwindung einer solchen Herausforderung kann es kein einfaches Rezept geben. Jeder, der glaubt ein Mittel reiche aus, wenn es nur entschieden genug ergriffen werde, irrt. Nur eine Vielzahl von Anstrengungen auf den verschiedensten Gebieten kann weiterhelfen. Ich sehe vor allem drei Felder, auf denen die Auseinandersetzung geführt werden muß, nämlich das Feld der moralisch-politischen Auseinandersetzung mit dem Terror, seinen Ursachen und seinem Umfeld, das Feld des Gesetzesvollzuges und das Feld der Gesetzgebung. Die moralisch-politische Auseinandersetzung steht für mich im Vordergrund. Hier vor allem müssen wir die Überlegenheit unserer staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung bewahren und voll zum Tragen bringen. Das heißt nicht, daß ich eine Diskussion mit den Terroristen für sinnvoll hielte. Sicher, auch als Justizminister schließe ich nicht aus, daß den einen oder den anderen der Terroristen vielleicht Zweifel an seinem Tun beschleichen, daß er zumindest einen Augenblick über die Folgen seines Tuns erschrickt. Vielleicht denkt der eine oder der andere auch an Umkehr. Dem dürfen wir uns nicht verschließen, und kein Mensch - auch kein Terrorist -, der noch für die Menschlichkeit zu retten ist, darf aufgegeben werden. Aber insgesamt versteht der harte Kern der Terroristen nur die Sprache rechtmäßig geübter staatlicher Gewalt; die Sprache, die in Mogadischu gesprochen wurde und die besagt, daß das Risiko der Gewalt nicht einseitig verteilt ist, daß das Unheil auch auf die verbrecherischen Urheber zurückfallen und zurückschlagen kann. ({1}) Ich denke vielmehr an die Suche nach und die Auseinandersetzung mit den Ursachen des Terrors, an eine unbefangene, nicht von Vorurteilen und taktischen Überlegungen beherrschte Suche und Auseinandersetzung. Hier ist viel versäumt worden. Die oberflächlichen Zuweisungen der Terroristen in die geistige oder doch semantische Nähe des jeweiligen politischen Gegners ist unangemessen und irreführend; sie klärt nichts und erschwert die gemeinsame Abwehr. Was hilft uns denn, meine Damen und Herren, die Charakterisierung der Terroristen als „Kinder Hitlers" oder als „Kinder Karl Marx." 'in Wirklichkeit? ({2}) Das ist nur der Versuch einer verdeckten Selbstrechtfertigung, die übertönen will, daß die Terroristen unsere Kinder waren, daß sie in unserer Mitte in diesem Lande herangewachsen sind. ({3}) Rechthaberei? Nein, mehr verantwortungsbewußte Selbstbesinnung, das ist es, was uns wirklich not-tut. Und das ist auch die angemessene Antwort auf das Gefühl, mitverantwortlich zu sein, ein Gefühl, das sich oft genug auch und gerade hinter lautstarker Rechthaberei und lautstarker Beschuldigung des jeweils anderen verbirgt. Das werden wir zu fragen haben: Welchen Zusammenhang gibt es mit psychischen Anomalien und Krankheitserscheinungen? Ist es nur ein Zufall, daß eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Terroristen gerade der jetzt aktiven Generation aus dem Umkreis des sogenannten Sozialistischen Patientenkollektivs in Heidelberg stammt? ({4}) Ist der Realitätsverlust der Terroristen nicht auch durch eine maßlos übersteigerte und bis zum Exzeß getriebene Gesellschaftskritik verursacht worden, ({5}) durch eine Kritik, die Haß gegen unseren Staat erkennen ließ ({6}) und sich nicht mehr mit den wirklichen Mängeln unserer Ordnung, sondern mit einem Zerrbild beschäftigte, ({7}) mit einem Zerrbild, das, wäre es Wirklichkeit, ({8}) - Herr Kollege Stücklen, ich weiß nicht, ob nicht der besondere Anlaß dieser Debatte vielleicht auch im Umgang miteinander und in dem Maß an ironischer Häme, das wir gegenseitig einsetzen, vorübergehend Zurückhaltung erheischt. ({9}) Ich setze meine Frage fort: ... mit einem Zerrbild, das, wäre es Wirklichkeit, die Frage nach der Gewalt als dem letzten Mittel nicht völlig erscheinen ließe? Welchen Einfluß - so wird weiter zu fragen sein - hatten darüber hinaus die verschiedenen Gewalttheorien, die subtil zwischen Gewalt gegen Sachen und Gewalt gegen Personen unterschieden und die Anwendung des Rechts durch den Staat durch das Begriffspaar Gewalt und Gegengewalt auf die Ebene terroristischer Aktivitäten herabzudrücken suchten? ({10}) Aber haben wir nicht auch selber, und zwar wir alle, Umstände gesetzt und Entwicklungen zugelassen, die partiell Überdruß, Ekel und Morbidität verursachten und die Fragen nach dem wirklichen Sinn des Lebens verschütteten? Haben wir nicht alle zu lange das rein materielle Mehr in den Mittelpunkt unseres Tuns und Lassens gestellt? Schließlich müssen wir der Frage nachgehen, welche konkrete Hilfe, aber auch welche Motivation, welche Impulse zum Weitermachen den Terroristen aus der internationalen Szene zuwachsen. Hier ist ebenfalls vor vereinfachten und vorschnellen Antworten zu warnen. Aber der Sklavenhandel und die Piraterie, andersgeartete Geißeln früherer Jahrhunderte, kamen auch erst zu einem Ende, als sie international geächtet wurden und ihre letzten Schlupfwinkel verloren hatten. ({11}) Zu der Aufhellung der Ursachen müssen die Aufklärung der deutschen und der internationalen Öffentlichkeit und die Auseinandersetzung mit jenen hinzutreten, die Sympathien für den Terror oder doch für einzelne Elemente des Terrors, etwa für seine Ziele, äußern. Aber diese Auseinandersetzung - dies möchte ich fast beschwörend sagen - muß differenzieren und muß mit Überlegung geführt werden, wenn sie ihr Ziel erreichen soll. Es geht doch darum, die Zahl der Sympathisanten - und natürlich gibt es die - zu reduzieren. Es geht doch darum, Menschen zurückzugewinnen, die geirrt haben. Manches von dem, was heute unter dem Stichwort „Auseinandersetzung mit den Sympathisanten" geschieht, bewirkt eher das Gegenteil. Pauschale Schuldvorwürfe gegen ganze Gruppen erschweren die Einsicht, ja treiben den Terroristen eher noch Schwankende zu. ({12}) Auflistungen, die einen Patrioten wie Willy Brandt als einen schlechten Deutschen und die Bundesminister des Innern und der Justiz als Verharmloser des Terrors zu brandmarken versuchen, sind nicht nur peinlich, sondern bewirken das Gegenteil von dem, was zu bezwecken sie vorgeben. ({13}) Ich freue mich, daß Herr Kollege Biedenkopf diese Geschmacklosigkeit offen kritisiert und gesagt hat, dies sei das Gegenteil einer geistigen Auseinandersetzung. Natürlich hat es in der Bundesrepublik Fehleinschätzungen des Terrors gegeben; grobe, heute schwer verständliche Irrtümer auch und gerade im Bereich der Intelligenz, der Literatur und der Publizistik. ({14}) Aber sind die, die heute Irrtümer von gestern anprangern, selbst unfehlbar? ({15}) Ist es nicht in unserem gemeinsamen Interesse, diejenigen, die früher geirrt haben, jetzt in das große Bündnis gegen den Terrorismus mit einzubeziehen? ({16}) Welchen Sinn soll es denn haben, die, die geirrt haben und den Irrtum erkennen, zurückzustoßen und auf ihre Irrtümer festzubinden? ({17}) Anderes muß allerdings bei denen gelten, die jetzt noch dem Terror mit Rechtfertigungsversuchen begegnen. Hier haben - um ein konkretes Beispiel zu erwähnen - die von mir schon genannten 43 Hochschullehrer schwere Schuld auf sich geladen. Wer durch Auswahl entsprechender Textstellen zwischen dem Tod Siegfried Bubacks und seiner Begleiter, deren Witwen und Kinder heute im Laufe des Vormittags an unseren Beratungen auf der Tribüne teilnehmen werden, wer zwischen dem Tod dieser Menschen auf der Linkenheimer Straße in Karlsruhe und der Äußerung, daß der zaristische Gouverneur Romanow auf dem Moskauer Straßenpflaster „wie ein toller Hund verendet sei" einen Bezug herstellt, disqualifiziert sich in jeder Hinsicht. ({18}) Die für die deutsche Bundeswehr Verantwortlichen haben mit Recht und unter allgemeiner Zustimmung nicht einen Augenblick gezögert, sich von elf Offiziersstudenten zu trennen, die in betrunkenem Zu4094 stand Ungeheuerliches geäußert haben. Ich hätte einigen Universitäten und den für sie Zuständigen die gleiche Kraft gewünscht! ({19}) Bei der Anwendung des geltenden Rechts sind die Voraussetzungen in den letzten Jahren ständig verbessert worden. Bund und Länder haben die Sicherheitsorgane personell und materiell verstärkt. Auch für die Justiz ist Notwendiges geschehen. Zum wirksamen Vollzug gehören jedoch auch die unablässige Aufmerksamkeit der Verantwortlichen und die wirksame Motivation derer, die unter Einsatz ihres Lebens ihre Pflicht tun sollen und von denen man auch das Opfer des Lebens im konkreten Falle verlangt. Ich habe hier nicht die Absicht, im Detail auf die Vorgänge in Stammheim oder auch in anderen Anstalten einzugehen. Der Bund kann den dort Zuständigen die Verantwortung ebensowenig abnehmen wie denen, die anderswo für Strafanstalten zuständig sind. Aber daß es in Stammheim - und sicher nicht nur dort, aber gerade dort - trotz Warnungen an Aufmerksamkeit gefehlt hat, das läßt sich mit aller Objektivität feststellen. Noch etwas darf ich mit aller Ruhe sagen. Wer sich aus dem Fenster beugt und andere beständig mit Ermahnungen und Vorwürfen über den Zustand ihrer Wohnungen und Häuser belehrt, der muß zunächst einmal dafür sorgen, daß seine eigene Wohnung in Ordnung ist und jeder kritischen Prüfung standhält. ({20}) Damit kein Mißverständnis entsteht: ich meine nicht meinen bisherigen Kollegen Bender, der in respektabler Weise zu seiner politischen Verantwortung gestanden ist. ({21}) Die Fairneß gebietet es, noch eine Bemerkung hinzuzufügen. ({22}) Von manchen, die sich jetzt ereifern, war nichts zu vernehmen, als sich die Justiz überall, auch in Baden-Württemberg, gegen den Vorwurf der Isolationsfolter und der planmäßigen Hinrichtung der Gefangenen zu wehren hatte ({23}) und sich um eine gesetzestreue, weitere Eskalationen vermeidende Behandlung der Gefangenen bemühte. ({24}) - Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich verstehe nicht, warum wir nicht in aller Ruhe miteinander verhandeln können. ({25}) Manchmal habe ich den Eindruck, daß manche aus mancherlei Gründen durch die Art der Debatten und der Häme bereits so deformiert sind, daß sie auf einen menschlichen, ruhigen Ton nur schwer zu antworten vermögen. ({26}) Ich habe schon dargetan, daß wir es mit fanatischen, zu allem entschlossenen, menschenverachtenden Gegnern zu tun haben, mit Menschen, die - wie früher die Hungerstreiks zeigten und jetzt die Vorgänge in Stammheim zeigen - auch nicht vor dem Mittel der Selbstzerstörung zurückschrecken, wenn sie glauben, ihre Anhänger auf diese Weise zu neuen Gewalttaten mobilisieren und so den Kampf noch weiter verschärfen zu können. Alle, die solchen Fanatikern - in welcher Funktion auch immer - entgegentreten, wissen, daß sie ihr eigenes Leben aufs Spiel setzen. Deshalb müssen wir ihnen, müssen wir der Polizei, dem Verfassungsschutz, den Vollzugsbeamten in den Anstalten, die ich übrigens an dieser Stelle um Entschuldigung dafür bitte, daß ich sie vor kurzem in einem öffentlichen Interview als Wärter bezeichnet habe, ohne mir diesen Ausdruck weiter zu überlegen, und auch der Justiz das Gefühl der Solidarität vermitteln. Das bedeutet nicht, daß die Arbeit der Sicherheitsorgane nicht auch künftig kontrolliert und gegebenenfalls kritisiert werden muß. Die von den Fraktionen gemeinsam erarbeitete Vorlage zur Wahrnehmung der parlamentarischen Verantwortung im Bereich der Sicherheitsdienste ist ein Schritt in dieser Richtung. Das bedeutet aber, daß alle Demokraten kampagneartiger Hetze gegen diese Männer und Frauen und Verzerrungen wie der, die eigentliche Gefahr für die Demokratie gehe von den Sicherheitsorganen aús, ebenso entschieden entgegentreten müssen wie der Verwendung des widerwärtigen, menschenverachtenden Begriffes „Bullen" für unsere Polizeibeamten. ({27}) Es bleibt das Gebiet der Rechtsänderung. Hier muß ich als Justizminister vor zwei Ansichten gleichermaßen warnen. Zum einen muß ich vor der Ansicht warnen, der Terror werde rasch ein Ende finden, wenn man nur schärfere Gesetze erlasse, wobei nicht immer klar wird, worin die Schärfe eigentlich bestehen soll. Ich muß aber genauso vor der Ansicht warnen, zur Abwehr des Terrors dürfe überhaupt kein Gesetz geändert werden. Die erste Auffassung verkennt, daß die Terroristen selber ihre Entschlüsse nicht von der Höhe jeweiliger Strafdrohungen, sondern von der Einschätzung ihrer Erfolgsaussichten abhängig machen. Mörder sind, wenn überhaupt, nur durch ihre Ergreifung und die lebenslange Einsperrung, also durch die Gewißheit zu beeindrucken, daß sie ihre Freiheit auf Lebenszeit nicht wiedererlangen. ({28}) Auch sonst besteht die Gefahr, daß unbedachte sogenannte Gesetzesverschärfungen in unserem Volk im Augenblick zwar ein Gefühl der Erleichterung hervorrufen, aber dann, wenn sie, wie vorauszusehen, ihr Ziel verfehlen, alsbald nur noch tiefere EntBundesminister Dr. Vogel täuschung und tiefere Verdrossenheit gegenüber unserem Staat auslösen. ({29}) In diesem Zusammenhang ein Wort zur Todesstrafe. Ich war und bin ein Gegner der Todesstrafe. Ich habe aber Verständnis für die Gefühlslage der Bürger, aus der die Forderung entspringt, und ich bin nicht bereit, die Bürger, die so etwas erörtern, in Bausch und Bogen als Barbaren oder verkappte Faschisten zu betrachten. ({30}) Aber, meine Damen und Herren, ich bin jederzeit bereit, diesen Bürgern mit Geduld die ethischen und rechtsphilosophischen Gründe gegen die Todesstrafe vorzutragen, die Argumente, die die Väter unseres Grundgesetzes zu einer fast einmütigen Entscheidung gegen die Todestrafe bewogen haben. Ich bin bereit, den Bürgern darzulegen, daß die Todesstrafe auch nicht den Effekt hätte, den sie erwarten, daß sie nur Emotionen befriedigen, die Gefahr aber nicht mindern würde, es sei denn, man träte für die Abschaffung rechtsstaatlicher Verfahrensgarantien ein. Derartiges aber würde die Auseinandersetzung nur zusätzlich brutalisieren und unsere Rechtskultur um Jahrhunderte zurückwerfen. Ich sehe nicht, wer diesen Preis wirklich zahlen will. ({31}) Der zweiten Auffassung ist entgegenzuhalten, daß wir ja auch auf anderen Gebieten neuen Formen sozialschädlichen Verhaltens mit Gesetzesänderungen begegnen, so etwa im Wirtschaftsstrafrecht, bei der Umweltkriminalität, bei den Vorschriften gegen Luftpiraterie und gegen Geiselnahme. Es ist nicht einzusehen, warum hier etwas anderes gelten sollte. An zwei Kriterien allerdings müssen solche Änderungen gemessen werden: an dem Kriterium der strengen Rechtsstaatlichkeit und an dem Kriterium der Effektivität. Nach diesen Kriterien ist schon bisher Wesentliches geschehen. Ich nenne die Normierung des Verteidigerausschlusses, das Verbot der Mehrfachverteidigung, die Beschränkung der Zahl der Wahlverteidiger, die Schaffung der Möglichkeit, gegen Angeklagte, die sich bewußt und gewollt verhandlungsunfähig machen - etwa durch Hungerstreiks -, in Abwesenheit zu verhandeln. Ich nenne die gemeinsame Einführung eines neuen Tatbestands gegen terroristische Vereinigungen mit erhöhter Strafdrohung, die die Erstzuständigkeit des Generalbundesanwalts begründet. Ich glaube, die Zweckmäßigkeit gerade dieser Zuständigkeitsregelung ist in den letzten Wochen und Monaten auch den Zweiflern überzeugend dargetan worden. Ich nenne weiterhin die Erweiterung der Anzeigepflicht bei schweren Delikten, die Verschärfung des Haftrechts bei terroristischen Straftaten und die Möglichkeiten, in solchen Verfahren den schriftlichen Verkehr zu überwachen. Ich nenne auch das 14. Strafrechtsänderungsgesetz mit seinen Bestimmungen gegen die Befürwortung von Gewalt. Weitere Entwürfe, meine Damen und Herren, sollen heute an die Ausschüsse überwiesen werden. Die beiden Regierungsentwürfe haben die Beschleunigung und Straffung der Großverfahren, eine effektivere Unterbindung der Kollusion zwischen inhaftierten Beschuldigten und einzelnen Verteidigern im Falle von Strafverfahren wegen des Verdachts der Zugehörigkeit zu terroristischen Organisationen und eine Verschärfung der Mindeststrafen für unerlaubten Waffenbesitz zum Gegenstand. Die neuen und die schon vorliegenden Gesetzentwürfe der Opposition behandeln weitere Themen, so z. B. aus meinem Ressortbereich die Einführung einer Kronzeugenregelung, über die wir hier ja schon einmal diskutiert haben, die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs in den Fällen des § 129 a StGB und die Neuregelung der Vorschriften über die Zwangsernährung. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich kann nicht einsehen, warum über all diese Themen in den Ausschüssen nicht eine vernünftige Diskussion möglich sein soll, eine Diskussion, die gestern im interfraktionellen Gespräch bereits begonnen hat. ({32}) Ich halte es für durchaus denkbar, daß wir das schwierige Verteidigerproblem im Sinne einer wirksamen Fernhaltung derer lösen, die des Mißbrauchs ihrer Funktion vedächtig sind. Die mit großer Mehrheit gefaßten Empfehlungen des Deutschen Richterbundes, die Erfahrungen der letzten sechs Wochen, die nüchterne Betrachtung von Vorgängen in unseren Anstalten, der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts zu den Kontaktsperremaßnahmen vom 4. Oktober 1977 weisen ebenso in diese Richtung wie die Ausführungen des Herrn Kollegen Eyrich in der Debatte zum Kontaktsperregesetz oder die Tatsache, daß der Bundesrat im ersten Durchgang darauf verzichtet hat, die Überwachung kumulativ oder gar alternativ zu fordern. Ich habe die Gefahren, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Bedrohungen geschildert, denen wir uns gegenübersehen. Ich verhehle nicht, daß "uns weitere Anschläge bevorstehen. Indes: In der Größe der Gefahr, in der Erfahrung gemeinsam erlebter Bedrohung liegt auch eine Chance. Wir spüren es doch, daß die Menschen beginnen, sich unter dem Eindruck der furchtbaren Ereignisse wieder Wesentlichem zuzuwenden, daß es vielen wie Schuppen von den Augen gefallen ist, daß scheinbare und wirkliche Sorgen und Nöte wieder deutlicher voneinander geschieden werden und an ihren richtigen Platz in der Rangordnung der Probleme rücken. Wir spüren ein Zusammenrücken in unserem Volke, ein Schrumpfen von Gegensätzen, die zwar fortbestehen und auch fortbestehen müssen, aber in ihrer Bedeutung realistischer gesehen werden. Die Zusammenarbeit aller politisch verantwortlichen Kräfte in der Großen Runde hat insoweit nur nachvollzogen, was draußen in unserem Volke schon geschehen ist und was die Menschen unseres Volkes von uns erwarten, übrigens auch in Zukunft erwarten, ja, geradezu verlangen. Natürlich erwartet niemand, daß es keine Kontroversen mehr gibt; auch in Fragen der inneren Sicherheit muß es weiterhin Meinungsverschiedenheiten und ein Ringen um die beste Lösung geben. Hier aber würde die Hoffnung unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger mit Sicherheit zutiefst enttäuscht, wenn wir bei der Behandlung dieser Fragen so miteinander umgingen, als ob der eigentliche Gegner, den es um jeden Preis zu treffen gelte, die jeweils andere Fraktion, der jeweils Andersdenkende, nicht aber unser gemeinsamer Gegner, der Terrorismus, sei. ({33}) Meine Damen und Herren, es ist noch etwas in Gang gekommen: ein neues Verständnis unseres Staates. Die Menschen haben in diesen Tagen und Wochen gespürt, daß der Staat mehr sein muß als eine Schönwettervereinigung zur Wohlstandsmehrung, mehr als ein Gebilde, dem man nur als Fordernder, möglichst als lautstark und rücksichtslos Fordernder entgegentritt. Sie haben begriffen, daß dieser Staat, diese Bundesrepublik Deutschland Opfer verlangen und von der ihr anvertrauten Gewalt auch Gebrauch machen muß, wenn sie fähig bleiben will, den inneren Frieden zu bewahren und Leib und Leben der Bürger zu schützen. Die Menschen haben erfahren, daß es der Staat war, der die Geiseln rettete und die Väter, Mütter und Kinder - mit zwei schmerzlichen Ausnahmen und um den Preis der Toten von Köln - zu ihren Familien zurückbrachte -, meine Damen und Herren, der Staat, jener so oft geschmähte, verächtlich .als „System" abgetane, als Repressionsagentur verlästerte, aber auch wegen seiner angeblichen Schwäche und Orientierungslosigkeit belächelte und verhöhnte Staat. Diesem unserem Staat, für den wir in diesem Hause als Verfassungsorgan ein besonderes Maß an Verantwortung tragen, diesem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat unseres Grundgesetzes ist in den letzten Wochen ein Mehr an Autorität und an Sympathie seiner Bürger zugewachsen, auch deshalb, weil alle Verantwortlichen in der Not gemeinsam handelten. Was dem Staat so durch gemeinsame Anstrengungen, unglückliche Umstände zugewachsen ist, das sollten wir nicht aufs Spiel setzen, weder bei der heutigen Debatte noch bei den weiteren Beratungen der vorliegenden Entwürfe. Denn: Wir werden dieses Mehr an Autorität und Zuneigung für unseren Staat in den Prüfungen, die uns mit Sicherheit noch bevorstehen, brauchen. ({34})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Dregger.

Dr. Alfred Dregger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000418, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Geschehnisse der letzten Wochen, die Not der Entführten, der Schmerz und die Angst der Gefesselten, der Tod der Ermordeten, das Mitbangen und Mitleiden der Mitbürger, die Bereitschaft der Opposition, in der Stunde der Not die Regierung nicht allein zu lassen, sondern Mitverantwortung zu tragen für schwere, risikoreiche und in ihren Auswirkungen tragische Entscheidungen, schließlich und nicht zuletzt die befreiende Tat unserer tapferen Grenzschutzbeamten, befreiend nicht nur für die Insassen der Lufthansa-Maschine, sondern für alle: all das hat uns einander nähergebracht. In diesen Wochen ist sichtbar geworden, daß die Deutschen noch ein Volk sind und nicht nur eine Wohlstandsgesellschaft ({0}) und daß die Bundesrepublik Deutschland ein Staat ist und nicht nur ein Dienstleistungsunternehmen. ({1}) Diese unter Leiden gewonnene und mit dem Lebensopfer von Mitbürgern besiegelte Staatsqualität wollen wir festhalten. Wir wollen sie für Prüfungen bewahren, die uns bevorstehen. Zu Beginn dieser Debatte, die sicherlich kontrovers verlaufen wird und kontrovers verlaufen muß, wenn sie die Wahrheit sichtbar und das Notwendige durchführbar machen soll, wollen wir uns bestätigen, was im Grunde ohnehin selbstverständlich ist: daß niemand von uns terroristische Gewalt billigt und daß wir alle sie so bald wie möglich beendet sehen möchten. Meine Damen und Herren, eine ganz andere Frage, die jetzt nicht einfach weggewischt werden darf, ist die, welche Verantwortung jeder von uns für mangelnde Voraussicht in der Vergangenheit trägt, für schwerwiegende Verharmlosung erkennbarer Gefahren, für durch Tun oder Unterlassen bewirkte Begünstigung einer Entwicklung, deren terroristische Folgen niemand von uns gewollt hat. In der Frage der politischen Verantwortung sind die Gewichte zwischen den Fraktionen dieses Hauses gewiß sehr unterschiedlich. Das wissen Sie, das weiß die deutsche Offentlichkeit, und deshalb braucht es hier im einzelnen nicht dargelegt zu werden. Diese Unterschiede in der politischen Verantwortung für die Vergangenheit hindern uns aber nicht an einer übereinstimmenden Beurteilung der Gefahren in der Gegenwart. Ich muß sagen, ich habe mich über manche Passagen der Rede des Bundesjustizministers gefreut. Ich zweifle nicht daran, daß er schon früher so gedacht hat, wie er heute geredet hat. ({2}) Wir kennen uns schon seit der Zeit des gemeinsamen Studiums unmittelbar nach dem Kriege. Aber jeder weiß, daß er vor den blutigen Ereignissen der letzten Wochen im Namen seiner Partei diese Rede hier nicht hätte halten können. ({3}) Diese Unterschiede in der politischen Verantwortung für die Vergangenheit hindern uns vor allem nicht daran, meine Damen und Herren - und damit nehme ich meinen zuvor geäußerten Gedanken wieder auf -, jetzt gemeinsam zu handeln. Damit muß allerdings jetzt begonnen werden, energischer und wirksamer als bisher, und daran sollten sich auch die beteiligen, die bisher blind waren. Wir sollten uns auch klar darüber sein, daß wir als politische Führung dieses Landes Mitverantwortung tragen für das, was sich jenseits des Staatsapparates ereignet, was sich im geistigen und im moralischen Bereich ereignet. Jetzt ist mehr von uns gefordert als Polizeitaktik und Gesetzestechnik. Jetzt gilt es, etwas von der sittlichen Kraft wirksam werden zu lassen, die in den Anfangsworten unserer Verfassung ihren Ausdruck gefunden hat, wo es heißt: Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen ... hat das Deutsche Volk ... dieses Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland beschlossen. An diese schwerwiegenden Worte sollten wir uns und alle Deutschen erinnern. Die Verfassungsväter, die nach zwölf Jahren Hitler, davon sechs Jahre Krieg, diese Worte formulierten, wußten, wovon Sie sprachen. In der Gegenwart haben es zu viele vergessen. Meine Damen und Herren, auf dem Bewußtsein der Verantwortung vor Gott und den Menschen beruht das Glück, und auf dem Frevel seiner Mißachtung beruht das Elend der Völker. ({4}) Hätten die heutigen Terroristen etwas weniger von Emanzipation, Konfliktpädagogik und antiautoritäre Erziehung und etwas mehr von ihrer ganz persönlichen Verantwortung vor Gott und den Menschen erfahren, dann wäre ihnen und uns vieles von dem erspart geblieben, was wir heute beklagen. ({5}) Beginnen wir die Überlegungen zu dem, was jetzt praktisch zu tun ist, mit einer nüchternen Bestandsaufnahme der letzten Ereignisse. Beim Anschlag auf Hanns Martin Schleyer wurden er selbst, sein Fahrer und die drei ihn begleitenden Polizeibeamten getötet. Keiner überlebte. Hanns Martin Schleyer verbrachte vor seinem Tod sechs qualvolle Wochen in der Gewalt der Terroristen. Die Polizei war in dieser langen Zeit außerstande, seinen Aufenthaltsort zu entdecken. Die Verbrecher vermochten nicht, ihre Komplizen in Stammheim freizupressen, weil die politische Führung den Tod des Entführten in Kauf zu nehmen bereit war. Für die Entführer selbst blieb der Anschlag bis heute ohne Folgen. Alles in allem: Das war im äußeren Ergebnis und im Hinblick auf die Schutzaufgabe des Staates für menschliches Leben kein Sieg, sondern eine Niederlage des Rechtsstaates. Auch der Anschlag gegen die Lufthansa-Maschine forderte Opfer. Der Flugkapitän wurde ermordet. Passagiere und Besatzungsmitglieder, darunter Alte und Kranke, Frauen und Kinder, wurden über hundert Stunden lang gequält. Wenn es schließlich gelang, die Gequälten zu befreien, so verdanken wir das dem Können und der Tapferkeit unserer Grenzschutzbeamten und der Bereitschaft der somalischen Regierung, ihren Einsatz zu gestatten. Andere Länder, die vorher von der entführten Maschine angeflogen worden waren, haben sich nicht in gleicher Weise kooperationsbereit gezeigt. Die Wiederholung eines derartigen Einsatzes ist daher für die Zukunft keineswegs gesichert. Wenn der Aufenthaltsort der Geiseln unbekannt ist, ist eine Wiederholung ohnehin nicht möglich. Die Freude über Mogadischu darf uns nicht darüber täuschen, daß sich unsere Handlungsfähigkeit bei Entführungen der Geiseln an einen unbekannten Ort nicht vergrößert hat. Ein Drittes muß in die Lagebeurteilung einbezogen werden. Die Art und Weise, wie vier der in Stammheim einsitzenden Verbrecher Hand an sich legten, und die Sympathiekundgebungen, die in vielen Ländern zu ihren Gunsten und nicht zugunsten ihrer Opfer veranstaltet wurden, lassen nicht darauf schließen, daß der terroristische Angriff ein Ende gefunden oder auch nur an Wirksamkeit verloren hätte. Damit behalten alle Überlegungen und Bemühungen ihre Bedeutung, die in den letzten Wochen zur Bekämpfung des Terrorismus angestellt wurden, sowohl im Bereich der Sicherheitsdienste als auch im Bereich der Gesetzgebung und insbesondere im Bereich der geistigen und politischen Auseinandersetzung mit den Ursachen des Terrors. Um welche Art des Angriffs handelt es sich? Ohne eine richtige Analyse werden wir nicht zu richtigen Konsequenzen kommen. Handelt es sich um gewöhnliche Kriminalität? Der Justizminister hat schon gesagt - ich stimme ihm zu -: Nein. Denn gewöhnliche Kriminalität richtet sich nur gegen das Leben, die Freiheit und das Eigentum einzelner, aber nicht gegen die Rechtsordnung als Ganzes, nicht gegen den Staat. Für den terroristischen Angriff ist das Einzelopfer nur Mittel zum Zweck. Der eigentliche Angriff richtet sich gegen den Staat und gegen die Demokratie, die zerstört werden sollen. Es handelt sich auch gewiß nicht um einen nach völkerrechtlichen Normen zu führenden Krieg, der nur zwischen Staaten stattfinden kann. Es handelt sich auch nicht um Bürgerkrieg; denn die Bürger sind als Handelnde ja gar nicht beteiligt. Hier stehen sich ja nicht zwei Parteien gegenüber. Es ist eine dritte Art des organisierten Angriffs gegen den Staat in den Formen der Stadtguerilla oder auch Kaderguerilla, dessen Gefährlichkeit über gewöhnliche Kriminalität weit hinausgeht. Aus dieser Beurteilung sind Konsequenzen zu ziehen. Ich meine folgende: Besondere Gefahren erfordern besondere Formen der Abwehr. Wir müssen darauf achten, daß diese besonderen Abwehrinstrumente in ihrer Anwendbarkeit auf diese Formen des Angriffs beschränkt bleiben. Handelten wir anders, so gelänge es einigen hundert oder tausend Terroristen, die Gesetze für Millionen zu verschärfen und die Errungenschaften eines liberalisierten Strafrechts für alle außer Kraft zu setzen. Das wollen wir nicht. ({6}) Deshalb sind die meisten unserer Gesetzesvorschläge auf Tatbestände beschränkt, bei denen das Vorliegen einer kriminellen Vereinigung festgestellt wird. In den anderen Fällen handelt es sich um Korrekturen, die auch ohne Terrorismus erforderlich sind. Sollten sich in Zukunft noch einschneidendere Gesetze als erforderlich erweisen, um dem Terrorismus wirksam begegnen zu können, wäre nach meiner Auffassung daran zu denken, nicht nur materiell, sondern auch formell ein Sonderrecht zu schaffen, das verfassungsrechtlich klar abgesichert und vielleicht auch zeitlich befristet oder auch für eine zeitlich begrenzte Gefahrenlage gesondert in Kraft zu setzen ist. Sosehr wir uns davor hüten müssen, liberale Errungenschaften für alle aufzugeben, weil wenige eine besondere Gefahr für alle darstellen, sosehr müssen wir uns darum bemühen, dem Angriff der wenigen auf alle eine der Größe der Gefahr entsprechende Abwehr entgegenzustellen. ({7}) Was uns daran hindern kann, ist vor allem das, was ich als eine falsche Vergangenheitsbewältigung bezeichnen möchte. Wir, die wir für die Gegenwart und die Zukunft der Bundesrepublik Deutschland verantwortlich sind, müssen uns vom Schatten Hitlers lösen. Weder die Kopie Hitlers - die niemand, der in Deutschland noch bei Sinnen ist, wiederholen möchte - noch das Gegenbild Hitlers können Maßstab unseres Handelns sein. Wir müssen uns an Erfahrungen orientieren, die über Hitler hinausweisen, und an Grundwerten, die Hitler zwar mißbrauchen, aber nicht außer Kraft setzen konnte. Erinnern wir uns an das Schicksal der ersten deutschen Republik! In den ersten Jahren ihres Bestandes hat sie sich als entschlossen und fähig erwiesen, sich mit ihren Gegnern erfolgreich auseinanderzusetzen. Die Niederschlagung der Kommunistenaufstände in Sachsen und im Ruhrgebiet und des Hitlerputsches in München, aber auch die Verabschiedung des Gesetzes zum Schutz der Republik vom 21. Juli 1922, das den Morden an Erzberger und Rathenau auf dem Fuß folgte, haben das gezeigt. Niemand kann an der Rechtsstaatlichkeit dieses Republikschutzgesetzes zweifeln. Ich weise auf dieses Gesetz hin, nicht um die Übernahme der dort genannten Bestimmungen zu empfehlen, sondern um die Wirksamkeit entschlossenen Handelns einer demokratischen Republik in Erinnerung zu rufen. Dieses Republikschutzgesetz, mit den Stimmen auch der SPD verabschiedet, bedrohte bei einem Anschlag auf ein Regierungsmitglied nicht nur den erfolgreichen Attentäter mit dem Tode, es bedrohte auch den erfolglosen Attentäter und auch denjenigen mit dem Tode, der einer auf Attentate angelegten Vereinigung oder Verabredung angehörte, auch wenn er die Einzelheiten des Attentats nicht kannte. Mit dem Tode bedroht wurde auch, wer die terroristische Vereinigung mit Rat und Tat und insbesondere mit Geld unterstützte. Nach Verabschiedung des Republikschutzgesetzes war die damalige Attentatsserie zu Ende, wobei zu untersuchen bleibt, ob und inwieweit das diesem Gesetz zu verdanken ist. ({8}) - Herr Mattick, dieses Gesetz hat auch Ihre Partei mit verabschiedet. Das war nach den Morden an zwei Ministern ein Beweis entschlossenen Handelns, und dieses entschlossene Handeln hat sich damals in der Weimarer Republik bewährt. Das müssen wir feststellen. ({9})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Sieglerschmidt.

Dr. Alfred Dregger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000418, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja.

Hellmut Sieglerschmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002171, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Dregger, ist Ihnen bekannt, daß Sympathisanten in der Richterrobe die wirksame Anwendung dieses Gesetzes weitgehend verhindert haben?

Dr. Alfred Dregger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000418, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich weiß, daß die Attentäter damals von rechts kamen. Ich möchte annehmen, daß das damals für die SPD nicht der Grund war, einem solchen Gesetz zuzustimmen. Ob der Extremismus von rechts oder links kommt, macht keinen Unterschied. Er ist verbrecherisch, und er muß bekämpft werden. ({0}) Wir alle wissen, daß die Weimarer Republik in der zweiten Phase ihres Bestandes es an entsprechender Entschlossenheit in der Auseinandersetzung mit ihren Gegnern hat fehlen lassen. Die Folge war Hitler. Eine letzte Überlegung hierzu: Die Grundrechte und die Selbstbindung staatlicher Gewalt wurden in unsere Verfassung nicht eingefügt, um Mördern das Morden zu erleichtern, sondern sie wurden eingefügt, um Bürgern die Freiheit zu gewährleisten, die diese Republik bejahen. Art. 18 des Grundgesetzes sieht die Verwirkung von Grundrechten für diejenigen vor, die diese Grundrechte zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung mißbrauchen. Es ist daher keineswegs rechtsstaatlich, keineswegs liberal und keineswegs moralisch, Maßnahmen zum Schutz der Bürger zu unterlassen, die allein in der Lage sind, ihnen Frieden und Freiheit zu sichern. ({1}) Wie wir uns vor falscher Vergangenheitsbewältigung hüten müssen, so müssen wir uns auch vor einer falschen Rücksichtnahme auf falsche ausländische Kritik hüten. Die aus dem Geiste der Solidarität geübte Kritik des Auslandes müssen wir sehr ernst nehmen. Wir müssen verstehen, daß unsere . Freunde im Ausland es nicht verstehen, daß ausgerechnet dieses Land, dessen Wirtschaftswunder bestaunt, dessen Massenwohlstand beneidet wird, heute eine Hochburg des Terrorismus ist. Dem können wir. nur begegnen durch eine schonungslose Selbstkritik und ein klares Aufzeigen der geistigen und politischen Ursachen, die zum Terrorismus geführt haben. Aber es gibt auch ausländische Kritik, die aus anderen Motiven gespeist ist. Für Ressentiments aus der Vergangenheit und für Neidgefühle im HinDr. Dregger blick auf die Gegenwart müssen wir ebenfalls Verständnis haben. Politisch bedeutsamer ist die ausländische Kritik, der es darum geht, die Bundesrepublik Deutschland als stärksten Pfeiler des freien Europa zum Einsturz zu bringen. Wegen der in mancherlei Hinsicht ungünstigen Lage unserer europäischen Verbündeten hat die Bundesrepublik Deutschland heute für die Verteidigung des freien Europa eine Bedeutung gewonnen, die. wir uns nicht gewünscht haben. Wenn die Bundesrepublik Deutschland fällt, dann sind auch die anderen freien Staaten Europas nicht zu halten. Das Lenin-Wort „Wer Deutschland hat, hat Europa" gilt heute noch mehr als zu der Zeit, als es ausgesprochen wurde. Es ist deshalb klar, daß alle, die das kommunistische oder das kommunistisch-sozialistische Europa wollen, daran interessiert sein müssen, dieses Land im Innern zu verunsichern und nach außen zu diffamieren, um es auf diese Weise zu isolieren. Das war Sinn der organisierten Kappler-Aufregung, ({2}) die in krassem Gegensatz zu der Humanität steht, die das italienische Volk auszeichnet. ({3}) Das war und ist auch Sinn der nicht erst seit dem Selbstmord von Frau Meinhof laufenden Kampagne, die die Terroristen in Deutschland zu Helden und Märtyrern machen soll. Wir, meine Damen und Herren, sollten das nüchtern und ohne Emotionen zur Kenntnis nehmen und uns darauf einstellen, wozu auch gehört, daß wir nach den Maßstäben dieser ausländischen Kritiker nicht richten können. Nun zu den Maßnahmen im einzelnen, die wir treffen müssen. Zunächst zu dem Bereich der Exekutive. Hier geht es vor allem darum, bessere Fahndungserfolge zu ermöglichen. Das wird nicht gehen ohne bessere Ausstattung und Zusammenarbeit von Verfassungsschutz und Polizei und ohne den Einsatz von V-Leuten in der terroristischen Szene, zumindest im Kreise der Helfershelfer. Das wird schwer sein, nachdem das Notwendige allzu lange unterblieben ist. Aber das darf nicht zur Resignation veranlassen. Computer sind gut, meine Damen und Herren, aber Computer allein machen uns nicht sehend. Diese Fragen sind sicherlich wenig geeignet, öffentlich erörtert zu werden. Sie müssen auch nicht vom Parlament beschlossen werden. Sie liegen im Bereich der Exekutive. Wir sind jedenfalls bereit, die Regierung bei Initiativen auf diesem Felde zu unterstützen. ({4}) Auch aus den Vorgängen in Stammheim, Frankfurt-Preungesheim und Werl, ({5}) vorher in Berlin, wo damals Terroristen entwichen, ({6}) wenn Sie sich noch daran erinnern können, die später wieder gemordet haben wie die Dame Plambeck, müssen Konsequenzen gezogen werden, die über Ministerrücktritte und die Ablösung von Anstaltsleitungen hinausgehen. Sie sind zunächst eine Frage unserer inneren Einstellung, der inneren Einstellung, mit der Parteien und öffentliche Meinung diesem Problem begegnen. Erinnern wir uns doch! Die Zeit liegt noch nicht lange zurück, da empfingen die Terroristen in Stammheim höfliche Briefe ehemaliger Präsidenten - „Sehr geehrte Frau Meinhof" - da empfingen sie nicht nur Briefe, sondern den Besuch berühmter Philosophen mit anschließender Pressekonferenz, da gaben sie dort Interviews und empfingen bis zuletzt Scharen von Anwälten, die völlig unbeaufsichtigt mit ihnen nicht nur sprechen, sondern auch konspirieren konnten. Meine Damen 'und Herren, all das geschah unter Anteilnahme - wohlwollender Anteilnahme! - des größten Teils der veröffentlichten Meinung, nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland. Ich glaube, wir können uns unter diesen Umständen nicht darüber wundern, daß das auf unsere Justiz- und Polizeibeamten - in der Regel mit niedriger Besoldungsgruppe - einen tiefen Eindruck gemacht hat. Das müssen wir doch einmal sagen. ({7}) Soweit es das Wirken der Anwälte angeht, war das nach geltendem Recht auch gar nicht zu unterbinden. Sie haben sich doch bis heute geweigert, dieses geltende Recht zu ändern. ({8}) Ich meine, es ist doch eine unerträgliche Heuchelei, ({9}) wenn ausgerechnet diejenigen die lauteste Kritik an der permissiven Praxis in Stammheim, nicht aber in Berlin und anderswo üben, die uns jahrelang angeklagt haben, weil wir für strengere Gesetze eingetreten sind, meine Damen und Herren. Das kann man Ihnen doch nicht abnehmen. ({10}) Führen Sie die Verteidigerüberwachung ein, meine Damen und Herren! Sorgen Sie mit uns für eine öffentliche Meinung, die es erlaubt, den Alltag der Terroristen so zu gestalten, daß ihre ordnungsgemäße Überwachung ermöglicht wird! Erwägen Sie mit uns, die bundesgesetzlichen Vorschriften der Vollzugsordnung zu verändern! Allerdings sollte das entsprechend dem Grundsatz, den ich zu Beginn erläutert habe, auf einsitzende Terroristen beschränkt werden, da sich nur ihnen auf Grund ihres Geldes, ihres Einflusses und ihrer großen Beraterstäbe Möglichkeiten eröffnen, die ein normaler Untersuchungshäftling für sich gar nicht in Anspruch nehmen kann. Hier, meine Damen und Herren, in der Gesetzgebung, gilt es, Farbe zu bekennen. Hier, nirgendwo anders, werden wir Sie messen. ({11}) Zur künftigen Gesetzgebung im Terrorismusbereich eine grundsätzliche Bemerkung: Die Koalition hat sich wegen völliger Fehleinschätzung der Lage bisher nahezu allen Initiativen der Opposition widersetzt. Das von allen Parteien eingebrachte Kontaktsperregesetz konnte mit den Stimmen der Koalition nicht verabschiedet werden. Dieses Gesetz verdankt seine Verabschiedung der Opposition. Das ist nicht widerlegbar. ({12}) Herr Kleinert, Sie kommen ja gleich zu Wort. Wie wird das in Zukunft sein, meine Damen und Herren? Werden unsere Gesetzesvorlagen weiterhin dem Fallbeil der Mehrheit zum Opfer fallen? Wird die Bundesregierung ihre Gesetzentwürfe an dem ausrichten, was sie selbst für erforderlich hält, z. B. an den Worten des Bundesjustizministers, oder wird sie ihre Gesetzentwürfe an dem ausrichten, ({13}) was die von Herrn Wehner so scharf, aber erfolglos gerügten Fraktionsabweichler zulassen, meine Damen und Herren? ({14}) Wäre das zweite der Fall, dann würde das bedeuten, daß weder die stärkste Fraktion dieses Hauses noch die Mehrheit der Regierungsfraktionen bestimmen würde, welche Gesetzgebung die Bundesrepublik Deutschland zustande bringt, ({15}) sondern einige wenige Abgeordnete, die sich am linkesten Rand ihrer Fraktionen aufhalten. Das wäre die Herrschaft einer Minderheit über die Mehrheit auf einem Gebiet, auf dem es besonders unerträglich wäre, meine Damen und Herren. ({16}) Daß diese Befürchtungen nicht unbegründet sind, geht aus einem Interview hervor, das der Herr Bundeskanzler am 25. Oktober 1977 der „Süddeutschen Zeitung" gegeben hat. Es heißt dort - ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten -: Die Bundesregierung kann und will nur handeln in der durch Diskussion zu erreichenden politischen Übereinstimmung mit den sie selbst tragenden politischen Kräften des Deutschen Bundestages. ({17}) Der Bundeskanzler hat noch hinzugefügt, darin stimme er mit Willy Brandt überein. ({18}) Was heißt das, meine Damen und Herren? Ich frage den Herrn Bundeskanzler, der leider bei dieser Debatte nicht anwesend ist; aber vielleicht kann er es nachher mitteilen. Werden Sie, Herr Bundeskanzler, Gesetze zur Bekämpfung des Terrorismus nur vorlegen, wenn Sie dafür eine eigene Mehrheit im Deutschen Bundestag finden, oder genügt Ihnen eine Mehrheit, die Sie der Opposition zu verdanken ha-, ben? Das ist doch eine Frage von grundlegender Bedeutung, die nicht schon durch die Einrichtung eines in der Verfassung nicht vorgesehenen Kontaktorgans beantwortet ist, von dem Herr Justizminister Vogel heute morgen gesprochen hat, in dem die Fraktionen und die Regierung zusammenwirken. Dann, wenn dieses Kontaktorgan die Gesetzgebung beschleunigt, soll es fortbestehen. Dann, wenn es dazu dienen sollte, Verantwortlichkeiten zwischen Regierung und Parlament, zwischen Koalition und Opposition zu verwischen, und wenn es dazu führen sollte, daß .wir uns über relativ unwichtige Dinge einigen, während die wichtigen blockiert werden, würde dieses Kontaktorgan allerdins mehr schaden als nützen, und dann müßten wir daraus die Konsequenzen ziehen. ({19}) In diesem Zusammenhang ein Wort zu der Formel „die Gesetze ausschöpfen", die wir aus dem Munde der Sprecher der Koalition immer wieder hören, um deren gesetzgeberische Untätigkeit zu bemänteln. Was heißt das eigentlich? Meine Damen und Herren, Gesetze sind anzuwenden, schlicht und einfach anzuwenden - sonst überhaupt nichts. ({20}) Wenn und soweit Gesetze nicht angewendet werden, müssen die dafür verantwortlichen Staatsdiener zur Rechenschaft gezogen werden. ({21}) Ersparen Sie doch bitte diesem Lande solch dubiose Formeln, die den Eindruck erwecken, wir wären eine Bananenrepublik, in der es von der Entscheidung von Ministern oder Beamten abhinge, ob Gesetze ausgeschöpft, d. h. angewendet, werden oder nicht ausgeschöpft, d. h. nicht angewendet, werden. Davon wollen wir nichts mehr hören! Wir wenden Gesetze an, sonst gar nichts. Wir können doch all diese Formeln nur als Versuch bewerten, gesetzgeberische Untätigkeit im Bereich des Terrorismus zu verdecken und zu entschuldigen. Meine Damen und Herren, wir und die Offentlichkeit müssen davon ausgehen, daß diese Regierung im Bereich der inneren Sicherheit kraftvoll nur handeln kann, soweit sie dabei auf die Unterstützung ihrer Fraktionen nicht angewiesen ist. Im Bereich der Gesetzgebung ist diese Regierung schwach; in dieser Hinsicht ist sie die schwächste Regierung, die es in dieser Republik jemals gegeben hat. ({22}) Um so wichtiger ist die kontrollierende und initiierende Aufgabe der Opposition. Wir werden diese Aufgabe genau wie bisher mit Entschiedenheit wahrnehmen und rechnen dabei mit der Unterstützung der deutschen Offentlichkeit. Wir fordern auf dem Felde der Gesetzgebung vor allem folgendes: Erstens. Die richterliche Überwachung der Gespräche von Verteidigern mit inhaftierten Mandanten, die des Terrorismus verdächtig sind, muß ermöglicht werden. Zweitens. Es muß auch bei erstmaliger Verurteilung wegen terroristischer Straftaten möglich sein, die Sicherungsverwahrung der Verurteilten für die Zeit nach der Verbüßung der Strafe anzuordnen. Drittens. Die Strafaussetzung zur Bewährung muß bei bestimmten schweren, gegen Leib und Leben gerichteten Verbrechen eingeschränkt werden. Viertens. Damit Strafverfahren rascher und wirksamer zu Ende geführt werden können, müssen die dafür erforderlichen und rechtsstaatlich möglichen Rechtsänderungen durchgeführt werden. Fünftens. Notwendig sind wirksamere Strafbestimmungen gegen die Propagierung von Gewalt, Gegengewalt oder wie immer man es nennen mag; der Bundesjustizminister hat dankenswerterweise davon gesprochen. Sechstens. Die Aufklärung von Bandenkriminalität sollte durch Einführung des Kronzeugen erleichtert werden. Siebentens. Die Bestimmungen über die Zwangsernährung sollten neu geregelt werden. Achtens. Rahmenregelungen für das Meldewesen sind notwendig. Ein Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Polizei sollte bundeseinheitlich verabschiedet werden. Inhaltlich geht es dabei vor allem um klare Eingriffsbefugnisse der Polizei z. B. bei der Einrichtung von Kontrollstellen und bei Identitätskontrollen. Notwendig - und das ist ein ernstes Thema - sind auch klare Regelungen für den sogenannten gezielten Schuß mit möglicher Todesfolge, um die jetzige Unsicherheit für Polizeibeamte zu beseitigen. Dabei sollten wir bedenken, daß unsere Polizei terroristischen Verbrechern gegenübersteht, die sich durch Brutalität, durch eine hervorragende Ausbildung und Ausrüstung sowie durch blitzschnelles Handeln auszeichnen. ({23}) Auch wir sind dafür verantwortlich, daß in dieser Auseinandersetzung unsere Polizeibeamten eine Überlebenschance haben und nicht zu wehrlosen Zielscheiben für die Terroristen werden. ({24}) Nun zur dritten und wichtigsten Aufgabe: Zur Bekämpfung der geistigen und politischen Ursachen des Terrorismus. Wir dürfen uns davor nicht drücken mit dem Hinweis, der Terrorismus sei eine weltweite Erscheinung. Dieser Hinweis ist nur bedingt richtig. Natürlich gibt es nicht nur bei uns Terroristen, und natürlich gibt es zwischen den verschiedenen Gruppierungen der Terroristen sehr wirksame internationale Verbindungen. Warum sollte es so etwas ausgerechnet bei Terroristen nicht geben? Aber es ist nicht richtig, zu behaupten, daß es Terroristen überall gebe, daß der Terrorismus überall die gleichen Ursachen habe und daß die Terroristen überall die gleichen Ziele verfolgten. In Großbritannien zum Beispiel gibt es Terrorismus. Aber die dortigen Terroristen kommen nicht, wie bei uns, von den Universitäten. Die britischen Universitäten sind völlig frei davon. Die in Großbritannien mordenden Terroristen sind auch nicht ideologisch motiviert wie die unseren. Es sind Iren, die, wie sie behaupten, die „Befreiung" der nordirischen Grafschaften von Großbritannien erstreben. Auch in den Niederlanden gibt es keine Terroristen nach Art der Baader/Meinhof-Bande, höchstens als Helfer dieser Bande. In den Niederlanden schießen Molukker und neuerdings auch deutsche Terroristen. Auch in Frankreich und in den USA gibt es keinen mit dem unseren vergleichbaren Terrorismus. Einen mit dem unseren vergleichbaren Terrorismus gibt es in vergleichbaren Ländern nur noch in Italien und in Japan. Gemeinsame Partner dieser Terroristen sind palästinensische Terrororganisationen. Es ist kein Zufall, daß Aden Ziel der Entführer der Lufthansa-Maschine war. Die Volksrepublik Südjemen, die mit Moskau und Ost-Berlin enge Beziehungen unterhält, beherbergt seit Jahren von Palästinensern geleitete Trainingscamps, in denen deutsche Terroristen ausgebildet werden. Unmittelbar verantwortlich für die Unterstützung deutscher Terroristen durch palästinensische ist die PLO zur Zeit nicht. Sie hat sich sogar vom neuesten Anschlag auf die Lufthansa-Maschine - zumindest verbal - distanziert. Die Zusammenarbeit zwischen der PLO, einem Dachverband palästinensischer Partisanenverbände, die gegen Israel kämpfen, und ihren Mitgliedsverbänden sowie ihre Verbindung zu Terrororganisationen, die ihr nicht angehören, ist schwer zu durchschauen. Harald Vocke, ein ausgezeichneter Kenner der arabischen Welt, hat das Geflecht von Verbindungen, das hier besteht, zuletzt am 26. Oktober 1977 in der FAZ zu analysieren versucht. Welche Rolle auch immer die PLO oder einer ihrer Mitgliedsverbände, z. B. Al Fatah, beim Terrorismus in Deutschland heute spielen und früher gespielt haben mögen, z. B. beim Anschlag auf israelische Sportler während der Münchner Olympiade, jedenfalls steht fest, daß alle diese sogenannten Befreiungsorganisationen - für die PLO gilt nichts anderes als für die Swapo in Namibia, über die wir gestern gesprochen haben - Terrorismus als Mittel der Politik nicht ablehnen. Fest steht, daß sie Terrorismus zumindest in den Gebieten ausüben, für die zu sprechen sie vorgeben. Ich meine, das sollte unsere Politik ihnen gegenüber bestimmen. Terrorismus, meine Damen und Herren, dessen Wesen ja nicht Kampf, sondern Mord ist, Mord an unschuldigen und wehrlosen Menschen, darf von uns nicht als Mittel der Politik legitimiert werden, weder im Innern noch nach außen. ({25}) Aber zurück zu den geistigen und politischen Ursachen des Terrorismus in der Bundesrepublik Deutschland. Wir haben in den letzten Wochen erlebt, daß nicht wenige Prominente nichts mehr von dem wissen wollen, was sie bis in die jüngste Vergangenheit hinein zu 'diesem Problem geäußert haben. Gewiß darf es 'keine Hexenjagd auf sogenannte kritische Intellektuelle geben. Aber wir können diese sogenannten kritischen Intellektuellen auch nicht in 'den Stand einer Priesterkaste erheben, die für sich selbst das Recht zur Kritik in Anspruch nimmt, an ihr geübte Kritik aber mit größter Entrüstung zurückweist. ({26}) Auch unsere Dichterfürsten sollten begreifen, daß unser Respekt ihren literarischen Leistungen gilt, nicht unbedingt dem, was sie politisch zum besten geben. ({27}) Auf dem Felde der Politik sind sie Menschen wie wir, wie wir Arbeiter, Unternehmer, Beamte und Angestellte. Hier sollten sie sich wie wir der Kritik stellen. Privilegien darf es in der politischen Auseinandersetzung in einerdemokratischen Gesellschaft nicht geben, allenfalls ein Mehr an Verantwortung für diejenigen, die über größeren Einfluß verfügen. ({28}) Nicht Intellektuellenhatz also, sondern Bereitschaft zur Kritik und zur Selbstkritik ist notwendig. Wer sich in der Vergangenheit besonders geirrt hat, sollte das heute selber sagen und damit ein Signal zur Umkehr setzen. Niemand könnte ihm den Respekt versagen. ({29}) Was für Dichter und Wissenschaftler gilt, gilt erst recht für Politiker und Publizisten. Wir haben nicht die Absicht, jemanden 'an den Pranger zu stellen. Jeder hat das Recht auf Irrtum, aber niemand sollte in seinen Irrtümern verharren, wenn die Fehleinschätzung sichtbar wird. Zumindest hat niemand einen Anspruch 'darauf, daß man dann über diese Tatsache betreten schweigt. ({30}) Nicht um der Verurteilung von Vergangenem willen, sondern um aus Fehlern ,der Vergangenheit für die Zukunft zu lernen, muß die Vergangenheit kritisch gewürdigt werden. Wer Spuren verwischt, indem er sagt, alle seien schuld, der »sagt im Ergebnis, keiner sei schuld, und macht 'damit die Bekämpfung der geistigen und politischen Ursachen des politischen Terrorismus unmöglich. Das darf nicht sein. ({31}) Diese geistige und politische Bekämpfung ist das Wichtigste. Die Terroristen sind ja nicht vom Himmel gefallen. Es dient gewiß nicht ihrer Umkehr - der Justizminister 'hat Zweifel angemeldet, ob sie möglich ist; wir wollen immer hoffen -, wenn ein Kommentator eines in hoher Auflage verbreiteten Magazins noch nach dem Anschlag von Köln unter der Überschrift „Weltbürgerkrieg à la .Bonn" über »die heutigen Terroristen folgendes schreibt - ich zitiere mit Genehmigungdes Herrn Präsidenten wörtlich Dies sind keine gemeinen Verbrecher. Hier handelt es sich um Leute, 'die sich einer großen gemeinsamen Menschheitssache verpflichtet fühlen, der Menschheitssache schlechthin ... In den Gehirnen »dieser Leute existiert offenbar eine Vorstellung von universaler Freiheit ... ({32}) Die zu gewinnende Freiheit ist abstrakt, konkret erfahrbar nur im Kampf gegen die gewordene Welt »der Unterdrückung. Darum fehlt es diesen Revolutionären nicht an Gewissen, sie selbst sind das Gewissen. ({33}) Ende des Zitats. Was soll man dazu eigentlich noch sagen? ({34}) Ich kann nur warnen vor solch unkritischen Redensarten, die aus der Feder eines kritischen Intellektuellen doch völlig unbegreiflich sind. ({35}) Meine Meinung ist folgende: Wer in elitärer Arroganz seine Meinung zur „Menschheitssache" erklärt, wer »darauf verzichtet, für seine Meinung mühsam eine Mehrheit zu sammeln, wer glaubt, seine Gegner um der „Menschheitssache" willen ermorden zu dürfen, wer sich um seiner „Vorstellung von universaler Freiheit" willen» für berechtigt hält, anderen die Freiheit zu entziehen, ist in »meinen Augen nicht 'das Gewissen selbst. Er ist in meinen Augen und in den Augen aller billig und gerecht denkenden Menschen» ein gemeiner Verbrecher, der in eine Reihe mit den Schergen Hitlers und Stalins gehört. ({36}) Woran liegt es, »daß es Terrorismus der Art, wie wir ihn zur Zeit in Deutschland erleben, unter vergleichbaren Ländern nur noch in Italien und Japan gibt? Es sind die Länder, 'die nicht nur den Krieg, sondern schon vorher ihr inneres Gleichgewicht verloren und es noch nicht in vollem Ausmaß wiedergefunden haben. Von» Verelendung der Massen oder unerträglichem politischen Druck kann in keinem dieser »drei Länder die Rede sein. Insbesondere unser Terrorismus hat keine Grundlage in sozialer Not oder in der Arbeitswelt. Die ihn ausüben, geben vor, Arbeiter befreien zu wollen, aber sie kennen die Arbeiter nicht. ({37}) Nährboden ist - und das ist jetzt der entscheidende Punkt - die geistige Heimatlosigkeit und »die sich darauf gründende Fehlleistung der idealistischen Energien eines Teils der 'deutschen Jugend. Es ist viel zu gering angesetzt, wenn man wie Bundeskanzler Schmidt sagt», das sei nur eine besondere Form der Wohlstandskriminalität. Das sind keine Playboys; das sind Fanatiker, meine Damen und Herren! Erinnern wir uns an die deutsche Tragödie. Es begann mit dem Mißbrauch der Grundwerte und des Geschichtsbewußtseins der Deutschen durch Hitler. Es folgten nach zwölf Jahren Hitler - davon sechs Jahre Krieg - im Osten die Vertreibung, in der Mitte die Etablierung eines kommunistischen Zwangsregimes und im Westen eine Vergangenheitsbewältigung, die sich vielfach nicht darum bemühte, die von Hitler pervertierten und mißbrauchten Grundwerte in ihrer Reinheit wiederherzustellen, sondern sich bemühte, diese Grundwerte endgültig auszulöschen. Mit den zwölf schlimmen Jahren unter Hitler wurden auch gleich die übrigen 1188 Jahre unserer 1200jährigen Geschichte unter Anklage gestellt. Damit war das geistige Vakuum geschaffen, das neuen Irrlehren Raum bot, die als Reaktion auf die braunen Jahre diesmal nur von links kommen konnten. Die dabei angewandte geistige Indoktrination bediente sich nicht nur der Medien, insbesondere der Monopolanstalten von Rundfunk und Fernsehen, ({38}) sondern auch der Einrichtungen des staatlichen Bildungswesens. Basilius Streithofen hat sicher recht, wenn er im Bonner „General-Anzeiger" im September schreibt, Studenten hätten in die Praxis umgesetzt, was Professoren sie gelehrt hätten. Der „Bund Freiheit der Wissenschaft", selbst von Hochschullehrern getragen, hat sicherlich recht, wenn er in seiner letzten Veröffentlichung schreibt - ich zitiere wörtlich -: Nachweisbar hat der Terrorismus um Baader/ Meinhof von den Hochschulen seinen Ausgang genommen. An einer anderen Stelle heißt es: Es besteht die reelle Chance, mit der Lösung des Extremismusproblems an den Hochschulen auch das Ende des Terrorismus in der Bundesrepublik Deutschland herbeizuführen, solange der gewalttätige Extremismus noch an den Hochschulen lokalisiert werden kann. Ich glaube, auch Nipperdey hat recht, der zumindest früher Ihrer Partei angehört hat und ihr vielleicht auch jetzt noch angehört. Er sagt in der gleichen Veröffentlichung - ich zitiere wörtlich -: Die sinnvermittelnden Institutionen unserer Gesellschaft - Medien, Schulen, Hochschulen - sind von dem, was den Terrorismus ermöglicht, infiziert. Meine Damen und Herren, was hier theoretisch dargelegt ist, erkennt jeder, der in unsere Hochschulen hineingeht. Zehn Jahre lang wurde in manchen Fachbereichen mancher Universitäten ein Klima geistigen und physischen Terrors geduldet. Zehn Jahre lang wurde durch die Einübung von Rechtsbrüchen als alltäglichem Verhalten das für den Terrorismus geeignete Umfeld geschaffen. ({39}) Zehn Jahre lang haben wir dagegen Front gemacht und gewarnt, und andere haben verharmlost und begünstigt, wenn sie sicherlich auch nicht das Ergebnis wollten, das wir jetzt alle beklagen und das wir schon damals voraussahen. All das blieb nicht auf den universitären Bereich beschränkt. Konfliktbewuftsein und Konfliktpädagogik beherrschten das Feld. Rahmenrichtlinien, d. h. Lehrpläne, Lehrbücher und Lehrerbildung, wurden Ansatzpunkte der Agitation und Indoktrination. Gezüchtet wurde Systemverachtung. Die Grundwerte der Verfassung wurden nicht in den Herzen unserer Jugend verankert, sie wurden „hinterfragt". Das sozialste und freiheitlichste System nicht nur der deutschen Geschichte, ein System, das sich mit jedem anderen in der Welt messen kann und das insbesondere allen sozialistischen Systemen haushoch überlegen ist in seiner sozialen Wirklichkeit, ({40}) wurde als kapitalistisch, als ungerecht und als ausbeuterisch diffamiert. Wer jungen Menschen, die ihr Weltbild nicht aus der Erfahrung der Arbeitswelt, sondern aus Vorlesungen und Büchern gewinnen, einen derartigen teuflischen Unsinn einredet, darf sich nicht wundern, wenn einige von ihnen nachher mit dem gleichen Fanatismus morden, mit dem die Schergen Hitlers und Stalins gemordet haben. ({41}) Größer noch als die moralische und rechtliche Schuld der Schießenden ist die moralische Schuld derer, die den Haß säen, aus dem Gewalt erwächst. Was wir brauchen, sind daher nicht nur bessere Gesetze und eine bessere Vorbereitung der Sicherheitsdienste auf die Abwehr. Polizei und Justiz können die Zahl der Verbrechen einschränken; beseitigen können sie sie nicht. Notwendig ist eine Umkehr, eine geistige, moralische und eine politische Umkehr. Notwendig ist auch eine Umkehr in der Bildungspolitik. Bildungspolitik und Unterrichtspraxis dürfen sich nicht an Karl Marx, Herbert Marcuse oder anderen Propheten orientieren, die die einen von uns als die richtigen Propheten und die anderen von uns als die falschen Propheten betrachten. Keine der verschiedenen philosophischen und politischen Richtungen in unserem Lande darf staatliche Bildungseinrichtungen zu ihrem Eigentum machen, meine Damen und Herren! ({42}) Es sind unser aller Schulen. Jede Ideologisierung - in welcher Richtung auch immer - von Bildung und Ausbildung an staatlichen Monopolanstalten verletzt die Grundrechte der Eltern und Schüler und ist Verfassungsbruch, der ein Ende haben muß. ({43}) Front zu machen ist ferner gegen die Verfälschung unserer Geschichte. Meine Damen und Herren, die übrigen 1 188 Jahre waren nicht weniger gut als die anderer Völker. Das müssen wir auch einmal sagen. Front zu machen ist gegen die Falschinfor4104 mationen über die Gegenwart. Zu fördern ist die Einsicht in die Wirklichkeit sozialer, ökonomischer und rechtlicher Zusammenhänge. Schulen und Hochschulen müssen wieder mehr systematisches Wissen vermitteln, um kritisches Urteilen zu ermöglichen, um tatsachenbezogenes Urteilen zu ermöglichen. Es ist doch erschreckend, festzustellen, was Abiturienten und Studenten alles nicht wissen über unsere Verfassung, über unsere Gesellschafts- und Sozialordnung, ({44}) über die Voraussetzungen, über die ethischen Grundlagen ihres Funktionierens, über ihre Erfolge und Mißerfolge im Vergleich zu anderen Systemen. Statt Tatsachenkenntnis zu vermitteln, wird ideologisiert und indoktriniert mit Bildern, Begriffen und Ideologien des 19. Jahrhunderts, die ohne Rücksicht auf die Wirklichkeit einfach auf die Gegenwart übertragen werden. Manche Fachbereiche deutscher Universitäten - ich spreche das aus, obwohl mir das Kritik einbringen wird - sind auf diese Weise zu Ordensburgen für Systemveränderer und zu Klippschulen für Halbgebildete geworden. ({45}) Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, ich weiß, daß Sie vieles von dem, was ich hier zu dieser Frage vorgetragen habe, heute ebenso ungern gehört haben wie das, was ich in früheren Verfassungs- und Sicherheitsdebatten zu diesem Thema in diesem Hause gesagt habe. Ich stelle nur fest - und das sollte. Sie etwas nachdenklich machen -: Vieles von dem, was ich damals gegen Ihren Widerspruch gesagt habe, wird heute auch von Ihnen gesagt. Bitte, lesen Sie einmal unsere Verfassungs- und Sicherheitsdebatten nach. Ich kann Ihnen die Belegstellen geben. Es ist offenbar das Schicksal der derzeitigen Opposition, die Entwicklung richtig vorauszusehen, daraus die richtigen Schlußfolgerungen zu ziehen, sie aber nicht in die Tat umsetzen zu können, während Sie, die Sie sich bemühen, auf der Woge des Zeitgeistes zu schwimmen, das Notwendige erst dann erkennen, wenn die jeweils neueste Woge des Zeitgeistes über uns zusammengebrochen ist und schwersten Schaden angerichtet hat. ({46}) Ein letztes hierzu: Das, was uns bei allen Unterschieden gemeinsam sein kann und gemeinsam sein muß, ist die Verfassung. Nur auf ihrer Grundlage kann die demokratische Auseinandersetzung geführt werden, ohne das Ganze zu gefährden. Wer von uns die Abgrenzung zu den Gegnern der Verfassung unscharf, wer seine Partei in den linken oder rechten Extremismus - um mit Willy Brandt zu sprechen - „ausfransen" läßt, läßt nicht nur die Grenzen zwischen Demokraten und Extremisten unscharf werden, er reißt dadurch auch Gräben zwischen den demokratischen Parteien auf. Die heute von allen Seiten bedauerte Polarisierung zwischen den Unionsparteien und den jetzigen Regierungsparteien begann nicht, als die Rede von Sonthofen gehalten wurde, die dann in einzigartiger Weise und mit großem Können verteufelt worden ist - auf diesem Felde haben Ihre Propagandisten schon immer Bedeutendes geleistet -, ({47}) die Polarisierung zwischen den Unionsparteien und zwischen den jetzigen Regierungsparteien begann, als Sie, meine Damen und Herren von der SPD, den Regierungswechsel 1969 als einen Machtwechsel mißverstanden haben, ({48}) als Sie in unbeschreiblicher Überheblichkeit sagten, jetzt fange die Demokratie erst an. ({49})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wehner?

Dr. Alfred Dregger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000418, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, aber ich hätte gern den Satz noch zu Ende gebracht. Dazu kann sich Herr Wehner vielleicht auch gleich äußern. Die Polarisierung begann, als Sie sagten, Sie brauchten die Opposition nicht, ({0}) als Sie - und das richtet sich jetzt an beide Regierungsparteien - es zuließen, daß Jungsozialisten und Jungdemokraten Gemeinsamkeiten mit Kommunisten zu entdecken begannen und praktizierten, ({1}) und als Sie es zuließen, daß führende Politiker der Opposition in geradezu unbeschreiblicher Weise persönlich diffamiert wurden. ({2})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Gestatten Sie jetzt eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wehner?

Dr. Alfred Dregger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000418, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nach noch einem Satz. Dazu kann er dann auch schon etwas sagen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an eine einzige Äußerung, von der es verschiedene Versionen gibt und die lautete, Männer wie Dregger, Strauß, Carstens, Stoltenberg und Löwenthal seien schlimmere geistige Terroristen als die Terroristen der Baader/Meinhof-Bande. ({0})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Herr Abgeordneter Wehner.

Herbert Wehner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002444, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sind Sie, Herr Abgeordneter, sich dessen bewußt, daß das, was Sie aus der Regierungserklärung von 1969 zu zitieren behaupteten, nur der Bruchteil von etwas ist, nämlich der Feststellung, es sei nicht wahr, daß diese Republik schon vor ihrem Ende stehe wie seinerzeit die Weimarer - das Zitat war also von _Ihnen manipuliert -, ({0}) und zweitens, daß das, was Sie dem hier Stehenden, weil Sie das alles noch aufpacken wollten, aufgeWehner packt haben, Zitate sind, die - da Sie ja Leute haben, die Sie lesen lassen können - nirgendwo im Bundestag gesagt worden sind ({1}) und draußen dann in einer von Ihren Leuten verfälschten Art und Weise gebracht wurden? Das betrifft die Sache „ich brauche die Opposition nicht", und das betrifft die Sache mit der Reihe von Namen. Sind Sie sich dessen bewußt, daß das ein Versuch ist, Rufmord zu betreiben, oder irren Sie sich nur? ({2})

Dr. Alfred Dregger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000418, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sind Sie fertig? - Vielen Dank! Herr Wehner, im Jahre 1969 war für niemanden vorstellbar, daß diese Republik ein Ende nehmen könnte. Da war sie nämlich auf ihrem Höhepunkt, da war sie völlig in Ordnung. ({0}) Sie können nicht bestreiten, daß damals nicht von einem Regierungswechsel, sondern daß damals von einem Machtwechsel die Rede war. ({1}) - Das habe ich auch nicht behauptet. Ich habe nicht behauptet, daß sie das gesagt haben. Wenn Sie mich dazu zwingen, kann ich die Quelle nennen, aber das möchte ich im Grunde vermieden wissen.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Herr Abgeordneter Dregger, ich bitte Sie, zum Ende Ihrer Ausführungen zu kommen.

Dr. Alfred Dregger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000418, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, sofort. Sie wissen, wenn Sie darüber nachdenken, von wem es gesagt worden ist. „Machtwechsel" paßt nicht in das Ablösen demokratischer Parteien in der Regierungsverantwortung. ({0}) - Herr Wehner, ich werde Ihnen alle Zitate zur Verfügung stellen. ({1}) Meine Damen und Herren, ich möchte mich jetzt nicht mit Herrn Wehner streiten, sondern ich möchte - nicht nur wegen der Mahnung des Herrn Präsidenten - zum Schluß kommen. Wir sollten diese schlimmen Verirrungen beenden. Scharen wir uns um die Verfassung, die dem Willen der Mehrheit Geltung verschafft und zugleich Minderheiten schützt. Die Alternative zu dieser Verfassung ist der Extremismus, und der Extremismus ist die Barbarei. Nicht nur den Terrorismus, auch den Extremismus müssen wir bekämpfen, weil aus Extremismus Terrorismus erwächst. Die zweite deutsche Republik kann überleben, wenn wir nicht blind sind, wenn wir Gefahren erkennen, ehe sie unabwendbar geworden sind, ({2}) und wenn wir rechtzeitig entschlossen handeln wie die erste deutsche Republik in den ersten Jahren ihres Bestandes, leider nicht in ihrer zweiten Phase. Lassen Sie mich das, um was es geht, in einem Satz zusammenfassen: Wir wollen einen demokratischen Staat, der liberal und stark zugleich ist, da auf Dauer nur ein starker Staat liberal sein kann. ({3})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Brandt.

Willy Brandt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000246, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundeskanzler hat, als er und wir noch nicht wußten, wie die schrecklichen Vorgänge, die Anfang September begonnen hatten, vorläufig enden würden, gesagt, es gehe darum, nichts zu versäumen und nichts zu verschulden. Ich denke, beides bleibt unsere Aufgabe. Bundespräsident Walter Scheel hat am Dienstag dieser Woche in Stuttgart gesagt: Aber nun dürfen wir nicht einfach wieder zur Tagesordnung übergehen und so tun, als wäre nichts geschehen. Der Bundespräsident sagte weiter: Wenn wir uns gegenseitig die Schuld am Terrorismus in die Schuhe schieben, werden wir nicht weit laufen können. Dieser Stein ist zu groß. Ich denke, wir sollten uns das merken, was der Bundespräsident gesagt hat. ({0}) Wir sind nicht am Ende, sondern inmitten einer harten Auseinandersetzung. Aber für meine Freunde und mich besteht kein Zweifel daran, daß die Gewaltverbrecher scheitern werden. Sie müssen scheitern, weil sie das Volk, zumal unsere Arbeiterschaft, gegen sich haben. ({1}) Das Volk will, daß angemessen gehandelt wird. Es will nicht, daß dieses bitterernste Problem zu einem Gegenstand parteipolitischen Gezänks gemacht wird. ({2}) Unsere Mitbürger sollen wissen, daß ihr Parlament seine Pflicht erfüllen will und kann. Unsere Verantwortung für die sachliche Arbeit muß terroristischen Wahn und demagogische Verirrung überdauern. Ich sage hier: die deutschen Sozialdemokraten sind sich ihrer Pflicht und ihrer Verantwortung bewußt. Wir sprechen dem Bundeskanzler und seiner Regierung, vor allem auch dem Bundesminister der Justiz und dem Bundesminister des Innern an diesem Tage unser Vertrauen aus, das gerade jetzt nach den zusätzlichen Anstrengungen der letzten Wochen als Ausdruck enger Verbundenheit verstanden werden möge. ({3}) Aufrichtigen Dank sagen wir zugleich den Angehörigen unserer Polizei, des Bundesgrenzschutzes und der anderen Sicherheitsorgane, die gerade in diesen Wochen unter großen Anstrengungen ihre Pflichten in vorbildlicher Weise erfüllt haben: ({4}) für die Sicherheit vieler einzelner Bürger und ihres, unseres demokratischen Gemeinwesens. Es steht dem Parlament gut an, seine Pflichten insoweit nicht anders zu erfüllen als diese Beamten, die draußen für uns tätig sind, maßvoll in den Worten, überlegt im Handeln. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion unterstützt die von der Bundesregierung und den Koalitionsfraktionen eingebrachten Gesetzentwürfe. Für die weiteren Beratungen gilt: Wir sind bereit, alle Vorschläge unvoreingenommen zu prüfen, alle, die der Sicherung unseres demokratischen Staatswesens dienen können. Wir sind nicht bereit, uns an Geländeritten zu beteiligen, durch die die Qualität unseres freiheitlichen Rechtsstaates herabgemindert werden könnte. ({5}) Der Vorstand meiner Partei hat unserem nahe bevorstehenden Hamburger Parteitag einen Antrag zum Terrorismus unterbreitet. Darin heißt es, daß unsere Gesetze auch weiter daraufhin zu prüfen sind, ob sie den Erkenntnissen neuer Erfahrungen entsprechen. Wo die Erfahrungen Gesetzesveränderungen verlangten, haben wir sie auch bisher vorgenommen. Wörtlich heißt es dann in unserem Antrag: Das gilt auch für die Zukunft. Niemand kann allerdings erwarten, daß Sozialdemokraten den Rechtsstaat antasten oder Themen diskutieren, die mehr der Befriedigung von Emotionen als dem Schutz der Bürger und der Demokratie dienen. ({6}) So weit das Zitat. Wir laden die Opposition ein, ({7}) gemeinsam mit uns das Notwendige zu tun. Wir sagen das trotz aller Verunglimpfungen, die man außerhalb dieses Hauses - mehr als hier - zu verwenden für zweckmäßig gehalten hat. ({8}) Wir laden erneut dazu ein, gemeinsam mit uns vernünftig zu diskutieren und überlegt zu handeln; nicht nur, wie gestern begonnen - was ich natürlich auch begrüße -, gemeinsam zu beraten, sondern auch, wo möglich, das Notwendige gemeinsam zu tun. Nichts rechtfertigt einen Krieg der Worte. Das Volk will, daß wir miteinander wetteifern, aber nicht um festzustellen, wer am besten zu schimpfen versteht. ({9}) Zu den Vorlagen und dem, was ihnen folgen mag, werden Kollegen meiner Fraktion noch im einzelnen Stellung nehmen. Wir sind natürlich offen für die Beantwortung der Frage, ob alles getan wurde, was hätte getan, was hätte geschehen können. Wer wollte, wer dürfte das eigentlich behaupten, unabhängig davon, wer jeweils an der Regierung ist? Wer wollte, wer dürfte behaupten, daß eine Regierung, die aus Menschen besteht, frei von Fehlern sein könne? ({10}) - Wir sind natürlich offen, Herr Kollege, für jede mögliche Aussprache darüber, ob wir schon wirklich, ob wir schon richtig verstanden haben, welcher Herausforderung wir alle miteinander ausgesetzt sind. Eines möchte ich aber jetzt schon ganz deutlich machen: Wir halten nichts davon, wenn man die praktischen Erfordernisse, z. B. auf dem Gebiet der Fahndung, zurücktreten läßt gegenüber dem Ruf nach immer neuen Gesetzen auch dort, wo es dieser nicht bedarf. Es mag sein, daß neben dem, was jetzt behandelt wird, und neben organisatorischen - ich könnte auch sagen: operativen - Verbesserungen, zumal auf dem Gebiet der Fahndung, auch noch weitere gesetzliche Bestimmungen überprüft werden müssen. Aber bitte, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, mit Augenmaß. Ich darf vielleicht auf folgendes hinweisen. Für den aus der letzten Runde größten Erfolg im Kampf gegen den Terrorismus, nämlich die Befreiung der Geiseln in Somalia, waren neue Gesetze nicht nötig. Den großen Mißerfolg, die Vorgänge in Stammheim und das damit verbundene Auslandsecho, verdanken wir der Tatsache, daß bestehende Gesetze und Bestimmungen nicht sorgfältig genug angewendet worden sind. ({11}) Im übrigen hatte der Bundesjustizminister natürlich recht, als er neulich sagte: Drakonische Strafverschärfungen auf dem Papier waren in der Geschichte oft genug ein Strohhalm, nach dem Staaten griffen, die nicht - oder ich könnte sagen: nicht mehr - stark genug waren, das geltende Recht durchzusetzen. Manche Kollegen der Opposition behaupten immer dann, wenn sie sich davon etwas versprechen, die Regierungsparteien hätten 'die Gesetzesinitiativen der CDU/CSU unter den Tisch fallen lassen. Das ist nicht richtig. Aber nicht jeder Vorschlag der Opposition ist schon deshalb richtig, weil er von der Opposition kommt. ({12}) Es ist wahr: Die Ereignisse der letzten Wochen haben unser Land in mehr als einer Hinsicht verändert. Unsere Demokratie hat sich zu behaupten gewußt, unser Staat hat dargetan, daß er durch mörderischen Wahn nicht aus den Angeln der Rechtsstaatlichkeit zu heben ist. ({13}) Uns ist zusammen mit unseren Mitbürgern heute noch eindringlicher bewußt, daß die Rechtssicherheit jedes einzelnen, daß die Liberalität des Staates, daß die Freiheit des Geistes zerbrechlich und daher kostbar sind. Wir wissen, so hoffe ich, gemeinsam, daß es immer wieder neuer Anstrengungen bedarf, damit diese kostbaren Errungenschaften verteidigt und, wo es nottut, ausgebaut werden. Nur wenn uns das nicht gelänge, könnten die Wahnsinnigen triumphieren. Wir haben die Erfahrung gemacht, daß sich die Gemeinsamkeit der Demokraten gerade in der Herausforderung zu bewähren vermag. Wir haben die Erfahrung gemacht, daß die Übereinstimmung über die Grundpfeiler unserer verfassungsmäßigen Ordnung, daß der demokratische Grundkonsens in der Gefahr die Bewährungsprobe zu bestehen hat. Ich hoffe, daß diese Erfahrung nicht ganz umsonst erworben ist: Forderung nach Gemeinsamkeit darf jedenfalls keine Kurzformel sein zur Diffamierung des politisch Andersdenkenden - weder hier noch draußen im Lande. ({14}) Vor einem Spiel mit dem Feuer der Demagogie kann nur eindringlich gewarnt werden. Ich lese heute früh im Pressespiegel, daß für die CSU erklärt worden ist, Brandt solle zurücknehmen, was er in München gesagt habe. ({15}) Er habe nämlich gesagt, so wird behauptet, sein Kampf und der seiner Partei gelte gleichermaßen den Terroristen und den Demagogen. Den Stiefel hätten Sie sich nicht anzuziehen brauchen. ({16}) Wieso kommen Sie eigentlich dazu, mein Wort auf dem Marienplatz „Terroristen und Demagogen" von sich aus in „Terroristen und CSU" zu übersetzen und von mir dann zu verlangen, ich solle das zurücknehmen? ({17})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Brandt, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Zimmermann?

Willy Brandt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000246, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte.

Dr. Friedrich Zimmermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002597, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist das Zitat der Lokalausgabe der „Süddeutschen Zeitung" vom 27. Oktober 1977 richtig, Herr Kollege Brandt? Es heißt dort: Die Bürger wollen aber nicht, daß daraus ein Problem billigen parteipolitischen Gezänks gemacht werde, betonte Brandt unter Beifall. Jetzt folgt der entscheidende Satz: Die Sozialdemokraten müßten gegenwärtig einen Kampf an zwei Fronten führen: „gegen die Terroristen und gegen die Demagogen, an deren Spitze der CSU-Chef Strauß stehe". ({0}) Haben Sie das gesagt?

Willy Brandt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000246, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das Zitat ist falsch. Ich habe von diesem Teil der Rede Gott sei Dank ein Manuskript, Herr Kollege Zimmermann. Ich werde es Ihnen nachher gern zuschicken. Ein Tonband dürfte es auch geben. ({0}) - Die Sache ist jetzt für diese Runde erledigt. Ich werde Ihnen das Zitat zuschicken. Ich sage es noch einmal: Von der CSU war nicht die Rede. Daß Herr Strauß es verdient hätte, von mir sehr viel härtere Worte zu hören, als Sie sie hier bringen, steht auf einem ganz anderen Blatt. ({1}) Wenn wir diese Orientierung Terrorismus/ Demagogie nicht vor Augen behielten, könnte aus dem Spiel mit dem Feuer der Demagogie ein Flächenbrand entstehen, den man dann schwer unter Kontrolle bringen würde. Von leichtfertigen Worten - ich komme darauf gleich noch einmal zurück -, mit denen Andersdenkende kriminalisiert werden sollen, zur tatsächlichen Gefährdung unserer Freiheitsordnung ist der Weg kürzer, als manche denken. ({2}) Wenn man sagt, daß auch aus Worten Gewalt entstehen kann - ich bin dieser Meinung -, dann wird man auch verstehen, wenn ich sage, daß aus bösen Worten Unrecht und Freiheitsverlust entstehen können. ({3}) Es ist übrigens gut, daß nicht nur stur nach Parteilinien diskutiert wird. Es ist gut, daß manche Miß-töne der Opposition durch andere Stimmen aus dem Lager der Unionsparteien überlagert werden. Mit großem Respekt haben viele meiner Freunde etwa von dem Kenntnis genommen, was der Stuttgarter Oberbürgermeister Rommel aus verschiedenen Anlässen in diesen Wochen gesagt hat ({4}) und was ihm ja nicht nur Lob eingebracht hat. Es tut mir leid, daß ich die Reden und Interviews des Kollegen Dregger nicht ebenso einstufen kann. ({5}) Zwei Bemerkungen, Herr Kollege Dregger. Erstens. Sie haben wirklich zum Schluß Ihrer Rede falsch zitiert. Es geht nicht an, beim Rückgriff auf 1969 zu behaupten, wir hätten gesagt, die Demokratie fange an. Wie kämen wir denn dazu? ({6}) Unser Ansatz an dieser Stelle - und das war der Wählerauftrag - fing an. (Gerster ({7}) Sie haben hier in irreführender Weise den Inhalt einer Rede, die von dieser Stelle gehalten wurde - ich muß annehmen: nicht wider besseren Wissens -, verfälscht. ({8}) Aber noch etwas anderes, Herr Dregger. Gustav Heinemann kann sich nicht wehren. Warum mißhandeln Sie einen verdienten Mann, der im Grabe liegt? Sie wissen, daß der Brief, den Sie hier eingeführt haben, nach Beratung und Abstimmung mit dem baden-württembergischen Justizminister geschrieben worden ist, daß es dabei auf den Inhalt ankam und daß sogar die Anrede ihre besondere Rolle in dem Zusammenhang gehabt hat, über den Gustav Heinemann und der baden-württembergische Justizminister sich einig waren. Lassen Sie solchen wirklich irreführenden und in diesem Fall auch vergiftenden Unsinn aus einer solchen Debatte heraus. ({9}) Nun will man konsequent den Eindruck vermitteln, als hätte die Bundesregierung seit 1969 ihre Pflicht versäumt. ({10}) Ich sage: Die Regierungen der sozialliberalen Koalition haben ihre Pflicht getan. ({11}) Sie stehen nicht schlecht da, wenn abgewogen werden sollte, was seit 1969 in unserem Land für die Sicherheit und gegen Gewaltverbrechen unternommen wurde. ({12}) Wir sagen das ohne Selbstgerechtigkeit, um so mehr, als wir sehen, daß auch in anderen Strafvollzugsanstalten als Stammheim ein Einschmuggeln von unerlaubten Gegenständen nicht hat verhindert werden können. Aber wir haben uns eben auch erlaubt, ein kritisches Wort zu Vorgängen zu sagen, ({13}) wie sie sich in der Strafvollzugsanstalt StuttgartStammheim abgespielt haben. ({14}) Ich komme noch einmal auf München, auf vorgestern zurück. Ich habe gelesen, ich soll den Rücktritt von Herrn Ministerpräsident Filbinger gefordert haben. Wie komme ich dazu? ({15}) Ich bin nicht im baden-württembergischen Landtag. Ich würde es auch dort vermutlich nicht getan haben. Ich sage - und das will ich hier dann jetzt bewußt wiederholen -: Ministerpräsident Filbinger muß sich fragen lassen, wie der Widerspruch zwischen seinen sehr selbstgerechten Reden, die wir alle haben vernehmen können, der zurückliegenden Wochen und Monate ({16}) und dem eklatanten Versagen im Bereich der eigenen politischen Verantwortung zu erklären ist. ({17}) Die Schutzbehauptung, unmögliche Zustände und unglaubliche Vorfälle hätten ihre Ursachen in fehlenden Gesetzen, lenkt ab und hilft nicht, zur sachlichen Klärung zu kommen. Niemand sollte bestreiten wollen und dürfen, wie ich meine, daß die volle Anwendung des geltenden Rechts in den Strafvollzugsanstalten des jeweiligen Landes - der Bund hat ja keine, was nicht alle Bürger wissen - manches hätte abwenden können. Womit sonst wären übrigens der Rücktritt des Stuttgarter Justizministers und die Abberufung von Beamten zu begründen? ({18}) Wenn mir entgegengehalten werden sollte, man dürfe dem jetzt nicht mit Kritik begegnen, dann frage ich: Erstens. Wozu reden wir dann hier überhaupt? Zweitens. Warum hat Herr Filbinger dann so einseitig und so sehr an der Sache vorbeigeredet, wie er es noch am vergangenen Wochenende auf seinem Offenburger Landesparteitag getan hat? ({19}) Für uns bleibt es dabei, daß zwischen dem Anspruch des Bürgers auf Sicherheit und seinem Bedürfnis nach persönlicher Freiheit, der Unverletztlichkeit seiner Freiheit immer wieder abgewogen werden muß. Wir haben in den vergangenen Jahren versucht, das Notwendige und das Menschenmögliche zu tun. Vernünftige Überlegungen aus den Reihen der Opposition sind dabei in unsere Arbeit eingegangen. Daran wird sich auch nichts ändern. Daß die Mahnung, Verbrecher würden sich nicht von den Grenzen unserer Bundesländer aufhalten lassen, bei einer Reihe von Aufgaben zunächst ohne Wirkung geblieben ist, liegt allerdings in der Tat nicht nur an den Landesregierungen der anderen Couleur. Ich gebe das offen zu. Das ist ein Problem des Verhältnisses Bund-Länder, bis zu einem gewissen Grade unabhängig von der Parteizugehörigkeit derer, die dort oder dort Verantwortung tragen. Ich gehöre jedenfalls zu denen, die davor gewarnt haben, daß der föderalistische Aufbau unseres Staates, den ich bejahe, nicht von innen her dadurch ausgehöhlt werden darf, daß man zur Lösung der anstehenden Aufgaben nicht bereit und fähig ist. ({20}) - Sie sind besonders höflich. Das weiß ich schon von früher, Herr Kollege. ({21}) - Dann verschonen Sie mich mich Ihren dummen Zwischenbemerkungen, wenn ich Ihnen das offen sagen darf. ({22})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter Brandt, ich darf Sie bitten, solche Bewertungen zu unterlassen.

Willy Brandt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000246, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich nehme das Wort ;,dumm" zurück und ersetze es durch das Wort „ungezogen", Herr Präsident. ({0}) Das Gelingen der Aktion von Mogadischu konnte niemand vorhersagen. Aber es war auch kein Zufall, kein bloßer Glücksfall. Es war das Ergebnis konsequenter Auswertung und konsequenten Nutzens von Erfahrungen, die wir in den letzten Jahren leider haben machen müssen. Es handelt sich ja zum Teil immer noch um Lehren aus den schrecklichen Ereignissen vom 5. September 1972 in München. Wenige Tage nach dem Terrorüberfall auf die israelische Mannschaft im Olympischen Dorf und dem schrecklichen Ende in Fürstenfeldbruck liefen die Vorbereitungen zur Aufstellung einer Spezialeinheit des Bundesgrenzschutzes an. Heute wollen alle dafür gewesen sein; damals - ich erinnere mich genau - hat es nicht an Kritikern gefehlt, nicht nur an solchen, die meinten, hier würde den Ländern etwas weggenommen. Heute wollen manche den Bundesregierungen seit 1969 die Schuld daran in die Schuhe schieben, daß es bei uns in der Bundesrepublik - wie in anderen Ländern, in mehr als den beiden anderen, die genannt wurden; es war zu schematisch, was an Kriterien für die Unterschiede zwischen drei Ländern und anderen zu entwickeln versucht wurde, aber sei dem, wie ihm sei - blutigen Terror gibt. Wer will denn eigentlich bestreiten, daß es die sozialliberalen Bundesregierungen gewesen sind, die das Problem der inneren Sicherheit vom Jahre 1970 an auf den Tisch dieses Hauses gelegt haben ({1}) - ja, jetzt lachen Sie; ich wünschte, daß die Beamten in Wiesbaden und anderswo Sie hier feixen sehen könnten -, ({2}) daß wir z. B. aus dem Bundeskriminalamt doch überhaupt erst eine Behörde gemacht haben, die diesen Namen verdient, ({3}) und daß wir den Bundesgrenzschutz verstärkt haben? Und davon können Sie jetzt hinterher nichts wegreden. ({4}) Gewiß, man ist noch nicht erfolgreich genug gewesen. Aber der Erfolg kommt nur durch sachliche Arbeit und gezügelte Entschlossenheit, nicht durch markige Reden und zügellose Demagogie, auch nicht durch Kompetenzrangeleien im mißbrauchten Namen des Föderalismus. ({5}) Ich möchte noch einen Augenblick beim Vergleich mit damals bleiben: Wer wollte hier einen Streit über das Schicksal des Lufthansaflugzeuges im Oktober 1972 aufnehmen? Ich bin damals der Empfehlung der Bayerischen Staatsregierung gefolgt, und ich stehe dazu. Jeder Fall und jede Situation erfordern eine angemessene Antwort. Eine Münchner Tageszeitung - nicht die, die Herr Zimmermann hier zitiert hat, sondern eine andere - hat, gestützt auf den ihr verbundenen SpringerDienst, vor einer Woche die Nachrichtenlage noch damit anreichern wollen, daß wir im September 1972 ein von Israel einzufliegendes Kommando abgelehnt hätten. Man berief sich dabei auf die israelische Botschaft, die dies dementiert hat; so auch vorgestern früh im „Münchner Merkur" nachzulesen. - Es wäre nicht gut, wenn sich hier eine Legende bildete. Ich brauche nicht zu sagen - und will es nicht -, wie ich damals zu einem solchen Vorhaben Stellung genommen hätte, aber Tatsache ist, daß ich niemals damit befaßt wurde. Dasselbe gilt für den damaligen Bundesminister des Innern. Ich muß annehmen, es gilt auch für die damals für die Sicherheit der Olympischen Spiele verantwortliche Bayerische Staatsregierung, sonst hätten wir gewiß anderes von ihr gehört. Ich erinnere mich auch der damaligen Gespräche über internationale Maßnahmen. Pompidou besuchte uns, ebenso Premierminister Heath und Henry Kissinger, mit dem wir das dieser Tage bei seinem Besuch in Bonn noch einmal aufgefrischt haben. Wir haben alle gesagt: Man müßte international etwas tun. Aber in Wirklichkeit wußten wir: Es wird nichts draus; es wird eine Illusion bleiben, weil die Aufnahmebereitschaft bei einer großen Zahl von Staaten, die man dazu braucht, leider noch nicht vorhanden war. Mindestens so große Bedeutung wie Nachforschungen, was sich in einem bestimmten Teil des palästinensischen Bereichs wohl tun mag, nein, größere Bedeutung noch würde ich, Herr Kollege Dregger, der Tatsache zumessen, daß heute auch fast alle verantwortlichen Führer der arabischen Welt sagen: Dies wollen wir nicht mehr; dies wollen wir mit euch gemeinsam verhindern. Im Herbst 1972 kriegte man den ägyptischen Präsidenten nicht ans Telefon, sondern nach zwei Stunden seinen Premierminister, und das einzige, was man damals als Antwort bekommen konnte - so war die Konstellation -, lautete: Wir wollen mit der ganzen Sache nichts zu tun haben. Hier ist eine große Veränderung eingetreten. Die Bundesregierung kann auch unser gestiegenes Ansehen in der Welt ausschöpfen; es gibt doch nicht nur verrückte Demonstrationen, sondern jetzt auch die Tatsache, daß wir unser Ansehen in der. Welt haben steigern können. ({6}) Ich kann die Bundesregierung nur ermuntern, bei den Bemühungen um internationale Regelungen und Konventionen weiterzumachen und nicht müde zu werden. Die Beziehungen zwischen den Staaten sind viele Jahre lang zusätzlich von Terroristen belastet worden, die gemeint haben, ein Land gegen das andere ausspielen zu können. In Wirklichkeit ging der Wahn der Geiselnahmen und des Terrors auf aller Kosten. Es wäre viel gewonnen, wenn nach unseren jüngsten Erfahrungen die Einsicht Raum erhalten hätte, daß die Staatengemeinschaft ein gemeinsames Interesse an der internationalen Terrorbekämpfung haben muß. Terrorismus kann wirksam nur bekämpft werden, wenn möglichst kein Land der Welt mehr bereit ist, sich erpressen oder manipulieren zu lassen. Über Terrorismus und seine Ursachen ist in der letzten Zeit viel gesagt und geschrieben worden, was des Bedenkens und des Nachdenkens wert ist. Ich möchte, wenn ich darf, die Aufmerksamkeit des Hohen Hauses auf folgende Sätze des Herrn Bundespräsidenten lenken, weil sie uns helfen könnten, das Thema nicht zu verfehlen. Ich zitiere mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten: Wir können diesen Staat nicht verbessern, wenn wir auf seine Fehler nicht aufmerksam gemacht werden. Die legitime Kritik hat nichts, aber auch gar nichts mit dem Terrorismus zu tun. Die Kritik ist das Lebenselixier der Demokratie. Wir würden einem schicksalhaften Irrtum unterliegen, wenn wir dieses Lebenselixier mit dem tödlichen Gift des Terrorismus verwechselten. So Walter Scheel. ({7}) Eines sollte nun ganz gewiß für uns alle gelten. Wir müssen uns redlich um Erklärungen und eine Analyse bemühen, wenn wir einen noch effektiveren Schutz entwickeln und noch besser vorbeugen möchten. Aber leicht ist das nicht. Es kann uns - da stimme ich ausnahmsweise mal mit Herrn Dregger überein - natürlich nicht beruhigen, daß der Terrorismus eine weltweite Seuche - wenn auch in verschiedenen Ausgaben - ist. Aber man muß es wissen. Es darf uns nicht in Panik versetzen, daß es einen vollständigen Schutz nicht gibt und daß mit weiteren Anschlägen gerechnet werden muß. Auch das muß man wissen, um gewappnet zu sein. Es kann uns nicht trösten, daß wir es mit einer wahnwitzigen, winzigen Minderheit zu tun haben, die von unserem Volk isoliert ist. Aber man soll es sich klarmachen. Es handelt sich übrigens nicht, wie man immer wieder hören kann, um ein Problem der jungen Generation oder der kritischen Jugend. Auch dies ist eine Fehleinschätzung der Zustände, mit denen wir es zu tun haben. ({8}) Dabei weiß ich: Verharmloser sind ebenso schlimm wie Demagogen der Panik. Wenn wir mit angemessenem Gewinn über die Ursachen des Terrorismus sprechen wollen, wie es auch der Bundesjustizminister für richtig hält und uns heute morgen aus seiner Sicht dargelegt hat, dann haben wir aufrichtig und auch bereit zu sein, selbstkritische Fragen zu stellen und anzuhören. Ich glaube nicht, daß wir hier - zumal heute - in der Lage wären, den Ursachen gut genug nachzugehen. Ich wäre ja schon froh, wenn die seriösen Wissenschaftler und Schriftsteller nicht an den Pranger gestellt würden, die sich, jeder auf seine Weise, um Erklärungen bemühen, und wenn wir uns im übrigen einer Trauerschuld bewußt blieben. Einige Elemente - was Erklärungsversuche angeht - liegen sozusagen auf dem Tisch. Ich denke an all die Gewaltanwendung, die aus aller Welt an Jung und Alt vermittelt wird, aber gerade auch an die Jungen. Man braucht ja nur mal eine Woche lang, wenn man Zeit dazu hat, die Fernsehprogramme daraufhin zu beobachten. Ich kritisiere sie jetzt nicht als solche, aber ich weiß, die Herren, die für das Fernsehen verantwortlich sind, beraten darüber. Ich finde, es ist richtig, daß sie darüber beraten, was es mit der übertriebenen Vermittlung von violence, von Gewaltanwendung auf sich hat. Ich denke an den Werteverlust, die Sinnkrise, die man heute wieder sagt, an das Elend. Das war eines der Elemente, das Bundeskanzler Schmidt, Herr Dregger, mit eingeführt hat, das Element des Überdrusses an einer Wegwerfgesellschaft. Ein Mitglied dieses Hauses, auf das ich mich . sonst nicht gern berufe, hat, glaube ich, von den „Rändern einer Kaviar-Gesellschaft" gesprochen. Da mag was dran sein. Ich bestreite natürlich auch nicht, daß die zunehmende Emanzipation des Menschen bei einzelnen extreme Fehlentwicklungen mit sich führen kann. Allerdings muß ich es entschieden ablehnen, wenn mancherorts aus der Angst vor freien Menschen der Freiheit selbst ein Strick gedreht werden soll. ({9}) Im übrigen, verehrte Kollegen, ist es nicht so, daß die Terroristen mit ihrer perversen kriminellen Phantasie in vielem auf bedrückende Weise gewissen Vorstellungen entsprechen, die wir sonst von einem Erfolgreichen haben? Uns sollte es allen miteinander darum gehen, die Bedeutung von Solidarität und Gerechtigkeit im Zusammenleben stärker ins Bewußtsein zu heben und zur Orientierung unserer praktischen Politik zu machen. Auf der anderen Seite: Werte lassen sich nicht herbeikommandieren. Rolf Zundel, der sich damit in der „Zeit" in der letzten Nummer auseinandergesetzt hat, weiß natürlich, daß die von ihm genannten Adressaten vergeblich auf die frohe Botschaft warten werden - er hat sie so formuliert -: „Melde: Sinnverlust beseitigt". So einfach ist das gewiß nicht. Es gilt sicher noch viel mehr zu bedenken. Jetzt füge ich nur hinzu - in aller Bescheidenheit, aber auch mit allem Nachdruck -: wir deutschen Sozialdemokraten brauchen uns nicht als unerbittliche Gegner der Gewalt auszuweisen. Das brauchen wir nicht. ({10}) Wir verabscheuen sie und erschrecken zutiefst davor, weil wir wissen, was durch sie in der Geschichte unseres Volkes schon angerichtet worden ist. Terrorismus ist für uns objektiv auch, wie Herbert Wehner hier dargelegt hat, keine Frage von „links" oder „rechts". Mich hat gewundert, daß sich Konservative oder christliche Demokraten getroffen fühlten, als ich Terroristen auch „faschistisch" einordnete. Ich meinte - da habe ich mich geirrt, was einige ihrer Reaktionen angeht -, es gäbe keinen fließenden Übergang mehr von rechts nach ultrarechts wie in der Weimarer Republik. Allein bin ich mit meiner Interpretation dann doch nicht geblieben. Der Pariser „Figaro", ein konservatives Blatt, wie jeder weiß, hat von einem neuen Faschismus gesprochen, und die Londoner „Financial Times", auch kein linkssozialistisches Organ, schrieb vor wenigen Tagen, die deutschen Terroristen würden oft fälschlich als Linksextremisten bezeichnet. Sie seien keinem politischen Flügel zuzuordnen, allenfalls einem solchen, ({11}) von dem uns Dostojewskis „Dämonen" etwas vermittelt haben. Wenn ich glaubte, mich rechtfertigen zu müssen, würde ich folgenden Auszug aus einem extremistischen Untergrundpamphlet andienen - ich zitiere -: Wenn ich den Faschismus heute mit einem Wort definieren müßte, würde ich das Wort Reform wählen. Derjenige, der mir dieses Pamphlet zugänglich machte, hat zutreffend hinzugefügt, dies klinge frappierend, erweise sich aber bei näherem Hinsehen als folgerichtig. Wer die Demokratie zerstören will, muß sie zunächst einmal zur gepanzerten Unbeweglichkeit verführen. ({12}) Vielen von uns Älteren hat es die Erfahrung eingebrannt: Terror und Gewalt sind, was Methode, Ziel und absehbare Folgen betrifft, in einem ganz stockfinsteren Sinne reaktionär. Dann kleben Sie welches Etikett sonst immer auch mit drauf. ({13}) Wir Sozialdemokraten waren und 'sind für die friedliche und gewaltlose Veränderung der Verhältnisse, soweit sie geändert werden müssen, damit Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität in einem immer umfassender werdenden Sinne die Realität des Zusammenlebens unserer Bürger bestimmen. Einige haben sich zu der Behauptung verstiegen, Neigung zur Gewalt habe ihre Wurzeln in der Demokratie selbst - leider klang auch in der Rede von Herrn Dregger davon wieder etwas an -, jedenfalls ein Verständnis von Demokratie, das Probleme und Konflikte in unserer Gesellschaft nicht verschweigt, sondern ans Tageslicht bringt. Mehr Demokratie zu wagen, so will man behaupten, leiste der Gefahr des Terrorismus Vorschub. Ich halte dies für grotesk. ({14}) Ich sage mit Professor Christian Graf Krockow - ich zitiere -: Wer das Bemühen um progressiven Wandel, wer das Reformgerede verketzert, wer gar die angebliche Reformeuphorie für alle Übel verantwortlich macht, die sich nur irgendwo aufzeigen lassen, letztlich sogar für die Terroristen, der besorgt deren Geschäft, gleich ob er es nun weiß und wahrhaben will oder nicht. ({15}) Ich füge hinzu: Das sind mir schöne Demokraten, die unsere Ordnung gerade dann in Zweifel ziehen, wenn sie eine Bewährungsprobe zu bestehen und, wie wir wissen, gerade auch bestanden hat. Jedermann weiß oder sollte wissen, daß es keine Gesellschaft ohne Konflikte gibt. In der Lebensordnung des demokratischen Rechtsstaats dürfen diese Konflikte nicht unterdrückt, sie müssen aufgedeckt und dann einer rationalen Behandlung zugänglich gemacht werden. Darin steckt das Wagnis, das man eingehen muß. Zwischen Sicherheit und Freiheit herrscht ein Verhältnis der Spannung. Man sollte es nicht auflösen wollen. Wollte man das, müßte man eines von beiden aufgeben. Kein Volk kann auf die Dauer in Frieden leben, wenn es nicht die Überzeu4112 gung hätte, daß das Mögliche für die Sicherheit unternommen wird. Kein Volk freier Menschen aber kann existieren, wenn es nicht auch wüßte, daß geistige Freiheit und Liberalität herrschen sollen und nicht untergepflügt werden dürfen. Mich hat es empört - und nicht mich allein -, daß in den vergangenen Wochen eine Tendenz aufkam, als könne, als dürfe man den kritischen Geist in die Nähe des Terrorismus rücken. ({16}) Herr Dregger hat vor einigen Tagen gesagt, das Fundament dieser Republik seien nicht sogenannte kritische Intellektuelle. Da stimme ich ihm zur Hälfte sogar zu. Daran ist etwas Richtiges. Aber ist nicht auch Herr Dregger bereit zuzugeben, daß dieses neue Deutschland, unser Deutschland, in der Welt verbunden ist nicht nur mit unserer Wirtschaftskraft, nicht nur- mit unserem Verteidigungsbeitrag, nicht nur mit unserer Außenpolitik, sondern auch mit Namen wie Heinrich Böll und Günter Grass und Siegfried Lenz und Luise Rinser, ({17}) mit Kirchenmännern und Professoren, Wissenschaflern und Künstlern, Organisatoren und Technokraten? Ohne sie und viele andere ist diese Bundesrepublik doch nicht zu begreifen. Was soll ein provinziell rückschrittliches Gehabe, das an dieser Wirklichkeit vorbeigeht? ({18}) Was soll ein Gerede, das dem Ansehen unseres Staates nur abträglich sein kann? Herr Ministerpräsident Filbinger, Sie sitzen auf der Bundesratsbank. Ich habe noch nicht gesehen, daß der Bericht aus der „Rhein-Neckar-Zeitung" korrigiert worden ist, nach dem Ihr Staatssekretär vor kurzem gesagt haben soll, wenn es dem Böll in dieser Gesellschaft nicht passe, dann solle er sie doch verlassen. ({19}) Dieses ist unwürdig. Meine Damen und Herren, beherzigen wir jedenfalls, was Bundespräsident Walter Scheel in seiner Tübinger Rede sagte: Ich glaube, nichts könnte unsere politische Atmosphäre so vergiften wie eine Diskussion, in der die Namen geachteter Männer und Frauen mit Mordtaten in Verbindung gesetzt werden. Unversöhnliche Feindschaft wäre die notwendige Folge. ({20}) Ich bin - wenn ich dies zum Schluß sagen darf, meine Damen und Herren -, wie man weiß, nicht einer, der den notwendigen demokratischen Streit überkleistern möchte mit einer falschen Harmonie, die eher der Sehnsucht als der Wirklichkeit entstammt. Trotzdem bleibt richtig: Wenn wir im Kampf gegen Gewalt und Verbrechen nicht zusammenstehen, dann hätte jene wahnwitzige winzige Minderheit bereits ein Stück von dem erreicht, was sie hat erreichen wollen; dann wäre es ihr gelungen, Zweifel zu säen an dem prinzipiellen Zusammenstehen um unseren Staat und unsere Gesellschaft. Wir alle miteinander hätten' es zu verantworten, wenn diese Saat aufginge. Es ist ja richtig, was auch in den Reihen der Christlich Demokratischen Union gesagt wird: Die Terroristen richten sich gegen den freiheitlichsten und sozialsten Staat, den wir Deutschen je hatten, den die Arbeitnehmer, die Gewerkschaften, die Unternehmer, den wir alle miteinander aufgebaut haben. So der Generalsekretär der CDU. Ich stimme dem zu, und ich stelle fest: In den Stunden- des Terrorangriffs auf unsere Gesellschaft ist damit zugleich ein wenig zurechtgerückt worden, was zu anderer Zeit - zumal in Wahlkämpfen - ganz anders klang. Da war vom nahezu hoffnungslosen Niedergang die Rede, wenn die Wähler anders entschieden, als es ihnen die Union empfahl. Da hat man unserem Volk weismachen wollen, es müsse erst wieder lernen, frei reden und frei reisen zu können. Der sozialdemokratische Bundeskanzler, seine Regierung und die sie tragenden Parteien haben solche Redner Lügen gestraft. Ich möchte wissen, wer heute noch behaupten will - gerade auch nach dem, was Sie zu Recht vor dem Hintergrund des Geschehens der letzten Wochen gesagt haben -, unsere Republik und die Freiheit ihrer Bürger seien nicht in guten Händen. ({21}) Man kann - ich sagte es - auch deutlich erkennen, daß unser Ansehen in der Welt zugenommen hat, trotz mancher törichter oder sogar uns empörender Demonstrationen solcher, die nicht wissen, wovon sie reden, oder die sich mißbrauchen lassen. Es ist immerhin keine Kleinigkeit, wenn führende Staatsmänner anderswo sagen, Deutschland habe der Demokratie weltweit einen Dienst erwiesen. Im übrigen allerdings - da weiche ich noch einmal von Herrn Dregger ab - lohnt es sich - auch wenn es schwerfällt -, davon auszugehen, daß wir uns in der Welt um uns herum in gewisser Hinsicht immer noch auf dünnem Eis bewegen, in Europa mehr als anderswo. Richtig bleibt dabei, daß wir uns Verdächtigungen und ungerechte Angriffe auf unser Volk und unseren Staat nicht gefallen zu lassen brauchen. ({22}) Wenn wir sagen, dieser Staat bietet den Menschen mehr Freiheit, mehr soziale Sicherheit, mehr Gerechtigkeit und einen höheren Lebensstandard als jemals ein deutscher Staat zuvor, dann wissen wir doch auch - jedenfalls wissen wir Sozialdemokraten das -: Vieles muß noch nach vorn bewegt werden. Also brauchen wir nicht das Beharren, sondern vernünftige Reform, wie es auch dem Grundgesetz entspricht. Aber keiner der Mängel, die wir überwinden wollen, rechtfertigt die Anwendung von Gewalt. Ich will zusammenfassen, wofür wir Sozialdemokraten in dieser Lage stehen --- und ich möchte das gerade jenen vielen im Lande sagen, auf deren Mitarbeit und Unterstützung eine nach vorn gerichtete Politik immer angewiesen bleiben wird -: Wenn es darum geht, die demokratische Ordnung vor ihren Feinden zu schützen, wenn es darum geht, die Verhältnisse zu verändern, damit mehr Gerechtigkeit um sich greifen kann, wenn es darum geht, der geistigen Freiheit Raum zu erhalten, dann soll man uns als unbürokratische Freiheitspartei erneut in der vordersten Linie finden. ({23}) Das ist auch die Erfahrung von Weimar. Die deutsche Demokratie wird uns nicht noch einmal ohnmächtig antreffen. Meine Partei hat für die Freiheit gegen den Obrigkeitsstaat gekämpft. Sie hat für die Freiheit unter den Nazis gelitten. Sie hat für die Freiheit gegen die Kommunisten gestritten. Viele unserer Freunde haben die Freiheit mit ihrem Leben verteidigt. Dies war uns gegenwärtig, als wir mit dabei waren, die Fundamente für ein neues Deutschland zu legen. ({24}) Demagogen - aus welcher Ecke auch immer - haben wir mitzuteilen, daß wir in Sachen innerer Sicherheit und geistiger Freiheit keine Belehrungen brauchen. Wir vertrauen der kritischen Jugend und den geistig Schaffenden, die in ihrer überwältigenden Mehrheit an der Seite derer stehen, die Freiheit und Recht in Deutschland bewahren und ausbauen wollen. ({25}) Wir vertrauen unserem Volk, den Arbeitern und Angestellten, den Beamten und den Selbständigen; sie haben mit dem Terror nichts zu tun. Warum also und zu wessen Nutzen will man falsche Fronten aufrichten? ({26}) Wir durften, dürfen und werden nicht zulassen, daß man verdiente Frauen und Männer aus dem Geistesleben in den Dunstkreis von Verbrechern rükken wollte. ({27}) Unser Volk wäre viel ärmer ohne sie. Wir brauchen sie, gerade auch ihre Wachsamkeit und ihren unabhängigen Geist. ({28}) Wir Sozialdemokraten stehen an der Seite aller, die guten Willens sind. Wir sind zur Zusammenarbeit bereit. An die Adresse des Bundeskanzlers und der Regierung sage ich noch einmal - zugleich im Namen unserer Bundestagsfraktion -: Sie haben unsere Unterstützung. Diese ist ungeteilt und gründet sich, Herr Kollege Dregger, im loyalen Zusammenwirken mit unseren freidemokratischen Kollegen. Und bei aller Offenheit, größere Mehrheiten zu suchen, wo sie zu haben sind: diese ungeteilte Unterstützung stützt sich auf die eigene Mehrheit. ({29})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kleinert.

Detlef Kleinert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001121, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Wer so viel Richtiges und Bedenkenswertes gesagt hat wie Herr Dregger heute vormittag, der hat auch das Recht, dabei einiges zu sagen, was schon eher zur Kritik herausfordert. Wir haben die Punkte 20 bis 26 des Tagesordnung zu behandeln. Ich beabsichtige nicht, nachdem diejenigen, die das besser als ich vermögen, hier zu den Hindergründen Ausführungen gemacht haben, das zu wiederholen, möchte allerdings zu dem Hintergrund all dessen, was uns hier zu beschäftigen hat, eines aufgreifen, was Herr Dregger auch gesagt hat und was ich in die zweite Kategorie einordnen möchte, daß sich nämlich 1969 diese Bundesrepublik auf dem Höhepunkt einer gesunden Entwicklung befunden habe. Ich meine, dieses können wir so nicht stehenlassen. ({0}) Alles, womit wir uns seit Jahren mit zunehmender Intensität zu beschäftigen haben - Sie haben vieles sehr richtig angesprochen -, hat seinen Ursprung in der Entwicklung vom Beginn bis Ende der 60er Jahre, nicht zuletzt an unseren Universitäten, ({1}) eine Entwicklung, die schließlich in ihrer letzten Konsequenz zu dem geführt hat, was wir Gott sei Dank gemeinsam uns nicht nur anschicken zu bekämpfen, sondern längst angeschickt haben. Hier kann sich niemand an irgendeiner Stelle hinausstehlen oder sagen, das habe mit dieser Koalition begonnen. So geht das mit der Gemeinsamkeit nicht. Gemeinsamkeit ist eine sehr anspruchsvolle Sache in so schweren Zeiten. Ich habe den Eindruck, daß alle Beteiligten, alle hier im Haus und viele, viele außerhalb des Hauses, das auch so sehen. Dafür danken wir ihnen sehr herzlich. Dabei geht es nicht etwa darum, etwas zu verkleistern. Wir möchten bei einer solchen Gelegenheit dankbar feststellen, was andere vor mir auch schon festgestellt haben, daß es gut ist, z. B. in diesem Hause wieder einmal Beifall quer durch die Bänke zu hören. Es ist ein Zustand, der mich seit vielen Jahren kränkt, daß das in diesem Hause so selten möglich ist. Daß so etwas in dieser Zeit wieder möglich geworden ist, ist auch etwas, was klein erscheinen mag, was in Wirklichkeit für die Atmosphäre aber von hoher Bedeutung ist und was viel wahrer und viel deutlicher als vieles ist, was man sagen kann. ({2}) Nun wollen wir versuchen, die Probleme, die uns geblieben sind, zu lösen. Wir werden dabei gewisse Auseinandersetzungen miteinander zu bestehen haben. Es sind hier schon Gesprächskreise genannt worden, die sich mit den Punkten 20 bis 26 der heutigen Tagesordnung in den letzten Wochen bereits sehr intensiv beschäftigt haben. Gleichgültig, wie sich solche Kreise zusammensetzen, ob hier Institu4114 tionalisierungen vorgenommen worden sind oder nicht: Das Entscheidende ist, daß wir vernünftige Gespräche führen und daß wir bei dem Versuch, unseren Rechtsstaat zu verteidigen, diesen Rechtsstaat auch nicht im geringsten in Gefahr bringen. Das ist unser Anliegen, und das ist sicherlich auch das Anliegen aller anderen. Wir werden uns den Debatten wie in den letzten Jahren mit größter Offenheit, wenn es sein muß, auch mit großer Klarheit, in der kämpferischen Auseinandersetzung stellen. Das Bemerkenswerte ist, daß von all den Problemen, die uns hier beschäftigen, fast nichts neu ist, daß die eine oder die andere Seite heute nicht zum erstenmal . feststellt, welchen Problemen wir uns zu stellen haben, sondern daß man z. B. in der hervorragenden Zusammenstellung des Herrn Spranger Zitate aus Reden aus dem Jahr 1972 findet. Ich war selbst überrascht, als ich die Jahreszahl sah. Es ist so, als hätten wir das, was wir heute besprechen, schon damals miteinander besprochen. Das heißt aber nicht, daß wir inzwischen untätig gewesen wären. Ich meine, wir haben uns in der Zwischenzeit sehr vernünftig verhalten. Wir haben uns nicht in Hektik bringen lassen, und wir sind keineswegs müßig gewesen. Ich erinnere mich z. B. an eine Anhörung im Rechtsausschuß dieses Hauses, bei der wir eine große Zahl hervorragender Sachverständiger aus der Wissenschaft und aus der Praxis zu Fragen angehört haben, z. B. - ich erwähne nur ein Beispiel - zu der Frage, wie man Großverfahren konzentrieren könne und ob es irgendwelche Hindernisse gebe, nach geltendem Recht Großverfahren schneller als bisher abzuwickeln. In dieser Anhörung vor einigen Jahrén haben uns alle Befragten diese Frage ganz klar dahin beantwortet: Das ist nach geltendem Recht möglich. In den Jahren danach sind wir immer wieder dabei gewesen, sind wir immer wieder in Versuchung gebracht worden oder haben uns selbst in Versuchung gebracht, Gesetze zu ändern, um einem Ziel näher zu kommen, das tatsächlich nach dem geltenden Recht erreichbar war. Das gilt nun für eine Fülle von Vorkommnissen mit zum Teil dramatischen Folgen in den letzten Jahren, daß nämlich das meiste, wie wir es seit Jahren sagen, mit den Mitteln des geltenden Rechts hätte gesteuert werden können. Herr Filbinger ist klug genug, den Angriff der Verteidigung vorzuziehen. Ich verstehe Ihre Anwesenheit, Herr Filbinger, hier so. Aber lassen Sie sich bitte sagen, daß Sie ja nicht irgendeiner von denjenigen sind, die uns immer wieder neue und unserer Auffassung nach übersteigerte rechtliche Maßnahmen anempfohlen haben, sondern daß Sie einer der Vorreiter derjenigen sind, die immer wieder Gesetzesverschärfungen wollten. Dann ist es allerdings eine sehr bittere Ironie, daß ausgerechnet in Ihrem Bereich am dramatischsten das bestätigt worden ist, was ich - übrigens auch von dieser Stelle aus - vor etwa zwei Jahren gesagt habe, daß nämlich ein Gipfel der Unfähigkeit in der Anwendung geltenden Rechts erreicht worden ist vin denjenigen, die dieses Recht in einer Weise ändern wollen, die den Rechtsstaat in Gefahr bringt, statt in ihrem eigenen Bereich für Ordnung zu sorgen. ({3}) Wir haben nicht die Absicht, den Rechtsstaat durch hektische Gesetzesmacherei ad absurdum zu führen, nur um die Schlampereien der baden-württembergischen Landesregierung zu vertuschen. ({4}) - Ich habe eben darauf hingewiesen, daß von dort jedenfalls nicht mit der Intensität die dauernden Verlockungen an uns herangetragen worden sind, Gesetze zu ändern, wie das von Baden-Württemberg aus geschehen ist. Ich würde das Lügen strafen, was ich vorhin gesagt habe, wenn ich etwa bestreiten wollte, daß in anderen Bereichen unter der Verantwortung freidemokratischer oder sozialdemokratischer Minister auch Dinge vorgekommen sind, die wir zu bedauern haben, daß auch da Lücken sichtbar geworden sind, die geschlossen werden müssen. Das sage ich ganz ausdrücklich. Der Zusammenhang meiner Ausführungen war nur ein anderer. Ich habe nämlich versucht, den Zusammenhang herzustellen zwischen der besonders intensiven Bemühung, uns zu rechtspolitischen Schritten zu bewegen, die nach Lage der Dinge nicht richtig sind, und dem, was gleichzeitig an Anwendung des geltenden Rechts nicht richtig gemacht worden ist, um es ganz harmlos auszudrücken. Und das ist in diesem Zusammentreffen der beiden Faktoren in einer geradezu phantastischen Weise allerdings nun einmal im Amtsbereich von Herrn Filbinger der Fall gewesen. ({5})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Erhard?

Detlef Kleinert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001121, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte.

Benno Erhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000485, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Kleinert, wollen Sie wirklich den Eindruck erwecken, als hätten die Verteidiger das Schlupfloch für Informationen und ähnliches aus dem Gefängnis heraus und in das Gefängnis hinein nicht deshalb weiter genutzt, weil der Verteidigerverkehr nicht überwacht worden ist?

Detlef Kleinert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001121, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege - im doppelten Sinne Kollege, was diesen Zusammenhang an, geht -, wir wissen, daß sicherlich auch da Schwierigkeiten bestehen. Wir haben das nie bestritten. Daß Sie nun speziell auf Verteidiger abheben, verwundert mich bei Ihrer doppelt kollegialen Eigenschaft. ({0}) Ich habe hier einen dankenswerten Brief des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer Berlin - das sind Menschen, bei denen man sich bei dieser Gelegenheit auch einmal ausdrücklich bedanken sollte - vom 20. Oktober 1977 an den Herrn Generalstaatsanwalt beim Kammergericht, in dem die Rechtsanwaltskammer Berlin darum bittet, schleunigst ehrengerichtliche Maßnahmen gegen die 17 Unterzeichner eines Telegramms einzuleiten, in dem es heißt, die Unterzeichner hätten den Eindruck, daß die Erwägung von Golo Mann in der „Panorama"- Sendung am 17. Oktober 1977, politische Gefangene als Geiseln zu erschießen, bereits in die Tat umgesetzt worden ist. Der Vorstand der Rechtsanwaltskammer hat daraufhin sofort, prompt in der Weise, wie wir uns das an anderer Stelle schon früher gewünscht hätten, reagiert. Ich freue mich, daß wir nun langsam dazu kommen, daß das durchgesetzt wird, was wir auch seit vielen Jahren verlangen: daß wir uns solche Äußerungen wirklich dienen lassen. Es ist mir ja nachgerade peinlich, daß ich den Eindruck erwecke, als wäre ich auf einen Punkt fixiert. Aber das hängt nicht damit zusammen, daß ich eine solche Neigung hätte, sondern das hängt mit den Fakten zusammen. Herr Croissant hat im Jahre 1972 - wie ich leider erst sehr spät gelesen habe, die Zuständigen aber sicher viel früher gelesen haben - gesagt, er habe Verständnis für diejenigen, die glauben, daß man die notwendige Revolution in diesem Lande nur mit der Waffe in der Hand durchsetzen kann. Daraufhin hätte der Mann vier Wochen später aus der Anwaltschaft entfernt werden müssen, statt in seiner Praxis fünf Jahre lang das logistische Zentrum unterhalten zu können! ({1}) Das haben wir von dieser Stelle aus immer wieder verlangt. Das sind die Dinge, die nicht geschehen sind. ({2}) Aber wenn sie nicht geschehen sind, so ist das für uns immer noch kein Grund dafür, den Rechtsstaat auch nur in einem Punkte überzustrapazieren und damit genau das zu tun, was diejenigen, die ihn angreifen, die ihn vernichten wollen, von uns erwarten. Wir werden in dieser Haltung ganz eisern bleiben. Wir werden auch einige andere Dinge ganz praktisch zu bedenken haben. Herr Dregger hat liebenswürdigerweise darauf hingewiesen, daß die polizeiliche Zusammenarbeit besser werden müsse. Wir sagen das seit längerem. Wir sagen das nicht nur, sondern die Minister Genscher und Maihofer haben auf Bundesebene das Äußerste getan, um eine bessere Bekämpfung des Verbrechens zu ermöglichen. Daß ich kürzlich vom Chef des Bundeskriminalamts hören mußte, daß hier immer noch einiges mehr zu tun wäre, als ich bisher nach den mir früher zugänglich gemachten Erkenntnissen geglaubt habe, hat mich überrascht. Das ändert aber gar nichts an der Tatsache, daß hier erstmals in wirklich nennenswerter Weise etwas geschehen ist, das aber das, was dann nicht mehr geschehen konnte in der zu Recht geforderten besseren polizeilichen Zusammenarbeit, aus Gründen unterblieben ist, die nicht vom Bund her zu beeinflussen sind, daß wir jetzt immer noch über einen einheitlichen Entwurf eines Polizeigesetzes reden, obwohl dieser Entwurf seit Jahren sorgfältig beraten wird, immer wieder vorgelegt wird. Aber der Bundesrat, die Länder, sind bisher nicht bereit gewesen, dem, was hier verbal verlangt wird, zu entsprechen. Wir müssen in diesem weitesten Bereich einfach praktisch, sachlich vorgehen. Das heißt: Man sollte nicht zusätzliche Belastung aller beteiligten Behörden dadurch verschaffen, daß man z. B. - wofür ich vor dem Hintergrund militanter Vorkommnisse großes Verständnis habe - erwägt, die sogenannten K-Gruppen zu verbieten. Ich möchte dazu ein ganz schlichtes Bild gebrauchen. Die meisten vernünftigen Mütter haben es viel lieber, wenn sich die Blagen schon prügeln müssen, daß sie das unter ihrem Küchenfenster tun, statt sich zu diesem Zwecke in den nahegelegenen Wald zurückzuziehen. Genau mit diesem Problem haben wir es hier zu tun. Wir würden einen unglaublichen zusätzlichen Aufwand im polizeilichen Bereich veranlassen und damit diese Kräfte von wichtigen und dringenden Tätigkeiten abhalten und sie binden. Deshalb müssen wir solche Dinge bei aller verständlichen Erregung über das, was dort bei verschiedenen Gelegenheiten aus diesen Gruppen heraus begangen worden ist, ganz nüchtern betrachten und müssen versuchen, daß wir überlegen bleiben, daß wir besser bleiben. Von einigen richtigen Ministern und demzufolge wahrscheinlich meist parlamentarischen Kollegen habe ich in diesen Tagen gehört, es sei leider so, daß die Terroristen intelligenter als ihre Beamten seien. Das haben die Beamten nicht verdient; aber diese Minister sollten sich allerdings eine andere Beschäftigung suchen. ({3}) Das gibt es doch gar nicht. Die gleichen Leute, die hier lange Listen von Bereitern des Bodens, von Sympathisanten, von Beschönigern, von Befürwortern und wie das alles heißt, aufstellen, die harmlose, die gutwillige Politiker, Literaten, Dichter in dieser Weise dauernd beleidigen und sich darüber Sorgen machen, die meinen, in dem weiteren Bereich der vorhin angesprochenen Szene nicht etwa von Sympathisanten, sondern von Helfershelfern könne man den zuständigen Generalstaatsanwälten erlauben, diese Leute gegen Kaution freizulassen. Wie paßt das zueinander? Darin ist doch nicht das mindeste an Logik. ({4}) - Zunächst einmal fängt das mit dem Einsatz des zuständigen Generalstaatsanwalts in einer solchen Frage und mit seiner Überzeugungsfähigkeit gegen4116 über dem zuständigen Gericht an. Im übrigen ist mir der Gang des Verfahrens einigermaßen bekannt. ({5}) Daß man hier Entlassung gegen Kaution auch nur in Erwägung zieht, das finde ich schlimm. ({6}) Daß es Richter gibt, z. B. im Fall des Herrn Newerla, im Fall des Herrn Haag und in anderen Fällen bei derartig massivem Tatverdacht solche Leute freilassen und damit unter Umständen zu verantworten haben, was hinterher an weiteren Taten begangen ist, das kann nicht dazu führen, daß man die Aufgabe des Bundestagsabgeordneten so versteht, daß daß wir die Richter mit der Knebelkette an den Schreibtisch führen und ihnen die Stelle zeigen müssen, wohin sie ihren Namen zu schreiben haben, sondern das kann nur so verstanden werden, daß wir die Richter herzlich darum bitten, das, was sie von Rechts wegen im Verlaufe ihres Studiums und ihrer Ausbildung hätten lernen sollen, auch gescheit anzuwenden. ({7}) Das ist der Punkt, mit dem wir uns auseinanderzusetzen haben. Das ist nicht der Punkt, um hier in hektische Gesetzesmacherei zu verfallen, um die Schlampereien an anderer Stelle damit zu bemänteln. ({8}) Wir werden das nicht tun. Wir werden das Äußerste zur Bekämpfung des Terrorismus tun. Aber wir werden dabei sorgfältig vermeiden, etwas zu tun, was dem Rechtsstaat bei dieser Gelegenheit auch nur den leisesten Schaden zufügen könnte. ({9})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg. Ministerpräsident Dr. Filbinger ({0}) : Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was sich in der Haftanstalt Stuttgart-Stammheim herausgestellt hat, ist ein ernster Tatbestand. ({1}) Die Landesregierung von Baden-Württemberg verharmlost nichts und vertuscht nichts. Sie unternimmt vielmehr alles, ({2}) um die Vorgänge gründlich und rückhaltlos aufzuklären. Unser gemeinsames Interesse an der Bekämpfung des Terrorismus verlangt eine lückenlose Aufklärung. Wir können der Gefahr des Terrorismus nur Herr werden, wenn es uns gelingt, sowohl beim Aufspüren der Täter als auch bei ihrer Inhaftierung alle Vorkehrungen zu treffen, die der Rechtsstaat und die Würde des Menschen zulassen. Wir wissen, daß wir es mit Verbrechern zu tun haben, deren Intelligenz und kriminelle Energie, aber auch deren materielle Möglichkeiten und Verbindungen nach außen allem überlegen sein dürften, was wir auf diesem Gebiet bisher gekannt haben. Die außerordentliche Herausforderung, vor der wir stehen, gilt nicht nur für Fahndung und Strafverfolgung, sondern auch für den Strafvollzug. Dabei kann es durchaus sein, daß die Grenzen, die Rechtsstaat und Menschenwürde ziehen, den Erfordernissen einer absoluten Sicherheit im Wege stehen. Die Ermittlungen von Staatsanwaltschaft und Polizei sind ohne Verzug aufgenommen worden. Sie werden von einer Sonderkommission, der zeitweise bis zu neun Staatsanwälte und 40 Kriminalbeamte angehört haben, mit aller Sorgfalt und Gründlichkeit vorangetrieben. Binnen acht Tagen sind über 160 Zeugen gehört worden, und es werden weitere vernommen werden. So war es möglich, daß die Landesregierung dem Landtag von Baden-Württemberg und der Offentlichkeit bereits vor zwei Tagen den vorläufigen Bericht über die Ereignisse in der Strafanstalt vorgelegt hat. Dieser Bericht beantwortet noch nicht alle Fragen. Einige kriminaltechnische und gerichtsmedizinische Untersuchungen stehen noch aus. Die Untersuchungen gehen nun mit gleicher Anstrengung weiter. Gleichwohl 1st es möglich, schon heute einige wesentliche Feststellungen zu treffen. Ich möchte die wichtigsten dieser Tatsachen und Erkenntnisse vor diesem hohen Hause nennen. Sie sind geeignet, dem vorschnellen Urteil und der unüberlegten, ja manchmal böswilligen Legendenbildung den Boden zu entziehen. Erstens. Es kann keinen ernsthaften Zweifel mehr daran geben, daß die Gefangenen Baader, Ensslin und Raspe Selbstmord unternommen haben und daß die Gefangene Möller einen Selbstmordversuch begangen hat. An der Leichenschau und Leichenöffnung waren fünf namhafte Gerichtsmediziner aus dem Inland und Ausland beteiligt. Nach ihrem übereinstimmenden Urteil gibt es keine Anhaltspunkte, die gegen einen Selbstmord der Gefangenen sprechen. Das ergeben die Schußkanäle, die genauen Untersuchungen etwa bei Baader, dessen Daumen und Zeigefinger sowohl Blutspritzer als auch Pulverbeschmauchung aufweisen. Schußverletzungen und Schußspuren sprechen bei ihm und bei Raspe für eine Beibringung von eigener Hand. Die Obduktion der Leiche Gudrun Ensslins hat alle typischen Zeichen des Erhängungstodes gebracht. Gewalteinwirkungsspuren, die man in den äußerst seltenen Fällen einer Erhängung von fremder Hand zu erwarten hätte, waren nicht vorhanden. Nach den Erkenntnissen spricht nichts gegen eine Selbsttötung durch ein von eigener Hand bewerkstelligtes Erhängen. Und noch ein Gesichtspunkt: Das Verhalten der Gefangenen vor ihrer Selbsttötung läßt darauf schließen, daß sie es gezielt darauf angelegt hatten, ihre Selbsttötung als die Tat anderer erscheinen zu lassen. Es gibt da auch Erklärungen aus früherer Zeit. Ich bin durch einen Brief von Golo Mann vom 23. Oktober darauf hingewiesen worden, daß in Deutscher Bundestag - 8. Wahlperiode - 53. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Oktober 1.977 4117 Ministerpräsident Dr. Filbinger einem Kassiber, der aus der Zelle Baaders herausgeschmuggelt worden ist, eine Botschaft an seine Bundesgenossen in anderen Gefängnissen enthalten war. Da hieß es, daß ihre eigenen Körper nunmehr die letzte Waffe seien. Diese Aussage bezog sich unmittelbar auf die Waffe des Hungerstreiks, hat aber zurückblickend, so sagt Golo Mann, doch eine Bedeutung über den Hungerstreik hinaus und schließt auch den direkten Selbstmord mit ein. Diese Dinge werden noch umfassender geprüft werden. Ich bin fest davon überzeugt, daß auch das letzte - das letzte! - geklärt werden wird, um den Selbstmord als so hochwahrscheinlich darzustellen, daß andere Thesen demgegenüber keinen, auch nicht den geringsten Raum mehr für sich beanspruchen können. ({3}) Zweitens. Am Nachmittag des 5. September dieses Jahres ist Hanns Martin Schleyer entführt worden. Noch in der Nacht zum 6. September hat das Justizministerium von Baden-Württemberg den Leiter der Haftanstalt Stuttgart-Stammheim angewiesen, jeglichen Kontakt der terroristischen Gewalttäter mit der Außenwelt und untereinander zu unterbinden. Diese Kontaktsperre ist auf die Notstandsregelung in § 34 des Strafgesetzbuches gestützt worden. Am 6. September hat der zuständige Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart den Verteidigerverkehr von der Kontaktsperre ausgenommen. So konnte am Nachmittag dieses 6. Septembers jeweils ein Anwalt die Gefangenen Baader und Ensslin besuchen. Daraufhin hat der Justizminister am Morgen des 7. September, also fast vier Wochen vor Inkrafttreten des Kontaktsperregesetzes, angeordnet, erneut angeordnet, auch Verteidigerkontakte, ungeachtet des OLG-Beschlusses, zu unterbinden. Von diesem Zeitpunkt an ist die Kontaktsperre bis zum Selbstmord bzw. zum Selbstmordversuch der Gefangenen lückenlos durchgehalten worden. Für die hier in Bonn geäußerte Vermutung, daß Waffen und Gegenstände wegen unzulänglicher Anwendung dieses Kontaktsperregesetzes in Zellen gelangt sein könnten, gibt es nicht den geringsten Anhaltspunkt. ({4}) Alles deutet vielmehr darauf hin, daß die im Zellenbereich der Terroristen gefundenen Waffen bereits vor dem 7. September 1977 in die Anstalt verbracht worden sind. Das Päckchen mit dem Sprengstoff ist in einer Zelle aufgefunden worden, zu der die terroristischen Häftlinge nach dem 6. September dieses Jahres keinen Zugang mehr hatten. Drittens. Der Leiter der Vollzugsanstalt ist schon vor der Entführung von Hanns Martin Schleyer angewiesen worden, bei der Durchsuchung der Hafträume terroristischer Gewalttäter besonders sorgfältig zu verfahren und die Kontrollen in kürzeren Zeitabständen als üblich durchzuführen. Es gibt - vollständige - Eintragungen im Zellenkontrollbuch, die besagen, daß die Kontrollen ordnungsgemäß durchgeführt worden sind. Nachdem am 14. September in der Zelle von Baader eine Minox-Kamera aufgefunden worden ist, haben der Bundesminister der Justiz und der Generalbundesanwalt mit Schreiben vom 23. September das baden-württembergische Justizministerium gebeten, ein besonderes Augenmerk auf die Kontrolle der Hafträume zu richten. Der Leiter der Strafanstalt Stammheim ist daraufhin unter Hinweis auf die bereits bestehenden Anordnungen vom Inhalt dieser beiden Schreiben unterrichtet worden, und darüber hinaus hat das Justizministerium bei einer Besprechung am 3. Oktober mit den Leitern der Anstalten, in denen sich terroristische Täter befanden, nochmals auf die beiden Schreiben des Bundesjustizministers und des Generalbundesanwalts hingewiesen und angeordnet, daß mindestens an jedem dritten Tag eine gründliche Haftraumkontrolle zu erfolgen hat. Tatsächlich haben die Untersuchungen aber ergeben, daß die Kontrollen in den Hafträumen fast täglich durchgeführt worden sind; in den letzten zehn Tagen vor dem Selbstmord der Inhaftierten ist die Zelle von Baader neunmal und die von Raspe zehnmal untersucht worden. ({5}) - Ich komme noch darauf, meine verehrten Damen und Herren! - Außerdem fanden in den letzten drei Jahren aus besonderem Anlaß mehrfach weitere Untersuchungen statt, zuletzt auf Anordnung des Generalbundesanwalts in der Nacht vom 5. auf den 6. September dieses Jahres. Bei allen diesen Durchsuchungen sind die von Baader und Raspe für ihren Selbstmord benutzten Pistolen, das Päckchen mit dem Sprengstoff und sonstiges Gerät nicht entdeckt worden. ({6}) Das bleibt festzuhalten. Es hat den Anschein, als ob die Zellen trotz der zahlreichen eindringlichen Weisungen und Ermahnungen durch die Justizverwaltung nicht mit der letzten Gründlichkeit durchsucht worden sind. Wer hier einen Schuldvorwurf erheben will, sollte aber eines bedenken: daß nämlich die sorgfältig ausgewählten Vollzugsbeamten durch die Drohungen der terroristischen Häftlinge und durch die Einschüchterungskampagne der Vertrauensanwälte unter einer außerordentlich großen seelischen Belastung standen. ({7}) Der außergewöhnlichen kriminellen Energie dieser Verbrecherorganisation ist es ja nicht nur in Stammheim, sondern auch in Strafanstalten anderer Bundesländer gelungen, das dichte Netz der Sicherheitsmaßnahmen zu überwinden. Nur haben wir es von vornherein gesagt, wenn etwas gefunden worden ist. ({8}) Ich frage mich, ob all diejenigen, die hier vorschnell an Versäumnisse und fehlende Sorgfalt denken, ({9}) sich ein Bild von dem außerordentlich raffinierten Vorgehen der Terroristen machen können. Die Ministerpräsident Dr. Filbinger Verstecke waren so geschickt angelegt, daß sie selbst von einer Vielzahl hochqualifizierter Spezialisten erst nach tagelanger intensiver Suche entdeckt worden sind, und dazu mußten sämtliche Fußleisten und Türfüllungen herausgenommen, Waschbecken und Zelleninventar zerstört sowie die vergipsten Wände aufgeschlagen werden. Es gibt dazu eine Aussage von einem der Staatsanwälte. Er sagte: Sie müssen sich einmal ansehen, wie das jetzt aussieht; es sieht in den Zellen, die wir aufgeschlagen haben und in denen wir die Installationen herausgerissen haben, wie nach einem Bombenangriff aus. - Das ist natürlich nicht das Maß der normalen Untersuchung, die vorher geboten gewesen war, meine Damen und Herren! ({10}) - Ich lade Sie ein, in Stammheim diese Zellen zu besichtigen. Es wird jetzt auf Anregung von dritter Seite ein Film erstellt, so daß man auch die Fotos reproduzieren kann. Das gehört zum Tatbestand. Damit wird nicht eine Mohrenwäsche versucht. Ich möchte das klipp und klar sagen. Dort, wo menschliches Versagen besteht, sind wir die ersten, die dem nachgehen und rücksichtslos die Konsequenzen ziehen. Aber zum Tatbestand gehört eben auch das, was ich sage. Ich glaube, es sollte geschildert werden. ({11}) Die untersuchenden Leute sind ja keine heurigen Häslein. Die verstehen was vom Untersuchen, und die sagen uns: Ohne gezielte Hinweise auf versteckte Gegenstände ist das bei den normalen Durchsuchungsmethoden schlechterdings kaum aufzufinden. Viertens. Es gibt noch keine klare Antwort auf die Frage, wie die aufgefundenen Gegenstände, insbesondere die zur Selbsttötung verwendeten Waffen, in die Haftanstalt eingeschleust werden konnten. Hier drängt sich die Vermutung auf, daß diese Geräte trotz aller Kontrollen von den Verteidigern eingeschleust worden sind. Zumindest läßt sich diese Möglichkeit nicht ausschließen. Zwar sind auch Verteidiger wie alle Besucher von besonders ausgewählten und erfahrenen Beamten durch Abtasten über der Kleidung und durch Absonden mit einem Metallsuchgerät durchsucht worden. Es kann aber niemand bestreiten, daß diese Untersuchungen wie auch die Durchsicht der mitgeführten Akten nur innerhalb gewisser Grenzen möglich sind. Solche Grenzen ergeben sich aus den unentwegten, zum Teil mehrmals am Tag stattfindenden Verteidigerbesuchen. Ich höre, daß Gudrun Ensslin an einem Tag 43 Besuche gehabt habe. Auch das gibt ein Bild von dem Ausmaß der Anforderungen an das Personal. Und das ist natürlich gezielt gemacht worden: zur Irritierung, zur Verunsicherung, zur Ablenkung, zur Erschöpfung der betreffenden Beamten, die hier eingesetzt gewesen sind. ({12}) Es gab in den letzten drei Jahren bis zur Kontaktsperre am 7. September 2 210 Verteidigerbesuche bei den inkriminierten Angeklagten ({13}) eine unvorstellbar hohe Zahl. Und selbstverständlich haben diese Anwälte nie gezögert, gegen die körperliche Durchsuchung vehement zu protestieren und sie als polizeistaatliche Praxis zu diffamieren. ({14}) Ich erinnere an das im Inland und Ausland umgehende Gerede - und nicht nur Gerede, sondern Vorwürfe - von der Isolationsfolter, von der Vernichtungshaft, von der langsamen und allmählichen Hinrichtung. Das haben wir doch alle gehört - überdimensional zum Teil - über die Medien vom Inland und vom Ausland. Diese Kampagne der sogenannten Vertrauensanwälte hat gewisse Höhepunkte gehabt. Einer ist von dem Herrn Kollegen Dregger erwähnt worden: der Sartre-Besuch, der seinerzeit in mehr als einem Dutzend Fernsehsendungen ausgestrahlt worden ist. Jetzt frage ich jeden, der heute den ersten Stein werfen will, was er damals getan hat, um diese haltlosen Vorwürfe zurückzuweisen. ({15}) Ich frage jeden, der sich heute in selbstgerechter Kritik gefällt, ob er damals einen Gedanken für die Vollzugsbeamten aufgebracht hat, die sich pausenlos gegen den Vorwurf der Unmenschlichkeit zur Wehr setzen mußten ({16}) und die Tag für Tag die übelsten Beschimpfungen und Drohungen der Baader/Meinhof-Bande auszuhalten hatten. Es gehört nicht viel dazu, sich heute in die Brust zu werfen und schärfere Kontrollen für richtig zu halten. Wer aber bekennt sich in einem Zeitraum wie dem in Rede stehenden damaligen zu rigorosen Eingriffen in die Persönlichkeitssphäre, die auch den Intimbereich nicht unverletzt lassen? Denn diese Eingriffe, auch bei den weiblichen Anwälten, wären notwendig, wollte man die. totale Sicherheit und die absolute Kontrolle anstreben. Absolute Kontrolle und totale Sicherheit sind nur zu haben, wenn man, wie das teilweise in den Ostblockstaaten geschieht, Verletzungen der Menschenwürde in Kauf nimmt. Und selbst dann ist das Schmuggeln von Kassibern und anderem möglich, wie wir aus Darstellungen von Solschenizyn und vielen anderen Autoren genau wissen. ({17}) Nun wird mancher einwenden, daß nach den Verteidigerbesuchen die Gefangenen eben hätten gründlich untersucht werden müssen. Das ist geschehen. Die Häftlinge wurden nach einer Anordnung vor und nach den Besuchen von Verteidigern körperlich durchsucht. Die Durchsuchung erfolgte so - gestatten Sie, daß ich dieses Detail gebe -, daß die GeMinisterpräsident Dr. Filbinger fangenen über der Kleidung abgetastet wurden und daß sie ihre Schuhe ausziehen mußten. Die Durchsuchungen wurden von besonders erfahrenen und dazu ausgewählten Beamten durchgeführt. Bei etwaigen Signalen des Metallsuchgeräts wurde die Durchsuchung intensiviert, und zwar durch Offnen der Oberbekleidung. Bei der Durchsuchung der Zellen in der Nacht vom 5. zum 6. September wurden die Gefangenen ebenfalls körperlich durchsucht. Sie wurden außerdem umgekleidet und auf leere Zellen verbracht. Aber ich füge eines hinzu, was der Untersuchungsbericht auch ergibt - und hier ist eine Lücke -: bei den weiblichen Gefangenen ist diese Kontrolle gelegentlich unterblieben, weil nicht genügend weibliche Bedienstete für diese Aufgabe gewonnen werden konnten. Es gab genug Personalstellen, es gab aber nicht genug Frauen, die geeignet und zugleich bereit gewesen wären, sie zu besetzen. Sie wissen, die Kontaktsperre für die terroristischen Häftlinge ist inzwischen wieder aufgehoben worden. Aber noch immer ist es nicht möglich, beim Verdacht eines konspirativen Zusammenwirkens die Gespräche der Anwälte mit diesen Gefangenen zu überwachen. Hier klafft eine Lücke, von der wir heute wissen, daß sie sich verhängnisvoll ausgewirkt hat. ({18}) Seit dem Jahr 1974 fordert die Landesregierung von Baden-Württemberg, diese Lücke zu schließen. Dies u. a. war heute mehrfach Gegenstand von Vorwürfen gegen uns. Aber ich bin der Meinung, wir sind nicht entbunden davon, notwendige gesetzgeberische Maßnahmen als solche zu bezeichnen, weil wir in der Praxis an der Front stehen und Erfahrungen haben, die wir in die Gesetzgebung einzubringen haben. ({19}) Niemand wird bestreiten können, daß sich die Überwachung der Gespräche mit den Verteidigern, die wir ja bis zum Jahre 1964 in unserer Strafprozeßordnung hatten, voll und ganz mit unserem Rechtsstaat vereinbaren läßt. Ich jedenfalls ziehe diese Maßnahme einer permanenten und perfektionierten körperlichen Kontrolle der Besucher vor. Hier gibt es Grenzen des Zumutbaren und, wie wir erfahren haben, auch Grenzen des Realisierbaren. Wir sind deshalb der Meinung, daß wir anders, nämlich durch gesetzgeberische Maßnahmen, hier abhelfen sollten. Hier gibt es nämlich auch die Grenze der Menschenwürde. Die mit der Kontrolle beauftragten Beamten sind hier in eine entsetzliche Schwierigkeit hineingestoßen. Die Kritiker denken, wenn sie von Untersuchungsmethoden sprechen, natürlich an den Normalfall. Dieser Normalfall kann und muß - annähernd jedenfalls - bewältigt werden. Aber hier, wo wir 2 210 Besuche gehabt haben, die geflissentlich und nach bestimmter Taktik entriert gewesen sind, handelt es sich eben nicht mehr um den Normalfall, sondern hier handelt es sich psychologisch und praktisch um eine außer-, ordentlich schwierige Situation. Fünftens. Ein Wort noch zu den Bediensteten, die den Auftrag hatten, die Baader/Meinhof-Häftlinge zu überwachen. Es waren durchweg besonders ausgesuchte, bewährte und zuverlässige Beamte. Bei ihrer Auswahl wurde Wert auf eine ausreichende psychophysische Belastbarkeit gelegt, auf menschliche Reife und auf Durchsetzungsvermögen. Man hat sie einer genauen Sicherheitsüberprüfung unterworfen. Man ging bei der Sorgfalt in der Auswahl so weit, daß man selbst die finanziellen Verhältnisse, die privaten und die familiären Verhältnisse geprüft hat, um die Anfälligkeit für Bestechungen und Erpressungen nach Möglichkeit, nach Menschenmöglichkeit auszuschließen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben - ich möchte das hier besonders unterstreichen - bis zur Stunde keinerlei Anzeichen dafür, daß diese Bediensteten bestechlich oder erpreßbar gewesen wären. Bei allen Vorwürfen, die jetzt erhoben werden, sollten wir nicht vergessen, unter welch außergewöhnlichen Belastungen diese Männer und Frauen tagtäglich ihren Dienst verrichten mußten. ({20}) Sechstens. Ich habe davon gesprochen, daß ein Maximum an Sicherheit in den Haftanstalten auf Kosten der Menschenwürde gehen kann. Dies gilt auch für die Kontrolle terroristischer Häftlinge in der Nacht. Solche verschärften Kontrollen bei Nacht werden auch heute im nachhinein vielfach für richtig gehalten. Hier muß auf Grund unserer unbestrittenen Erfahrung aber doch eines festgehalten werden: Es wäre eine Beobachtung zur Nachtzeit in kurzen Zeitabständen notwendig. Eine lückenlose Kontrolle wäre nur bei ständiger Anwesenheit einer Bewachungsperson und bei eingeschalteter Beleuchtung möglich. Eine totale Überwachung ließe für die Gefangenen praktisch keinen Schlaf mehr zu. Sie würde den Vorwurf auslösen, moderne Foltermethoden seien in Gebrauch. Wir wissen aus einem früheren Hungerstreik zweier Gefangener in Stammheim, daß schon die gelegentliche nächtliche Kontrolle als Foltermaßnahme bezeichnet worden ist. Auch der Anstaltsarzt hat empfohlen, aus medizinischen Gründen von solchen nächtlichen Überwachungen abzusehen. Meine Damen und Herren, wir können und dürfen über die Erfahrungen, die wir in Stammheim und anderswo gemacht haben, nicht zur Tagesordnung übergehen. ({21}) Die Vorgänge in Stammheim haben gezeigt, daß die fehlende Möglichkeit, den mündlichen Verteidigerverkehr zu überwachen, viel gefährlicher ist, als wir das bisher angenommen haben. ({22}) Die Erfahrungen mit der inzwischen ja vollzogenen Überwachung des schriftlichen Verkehrs mit dem Verteidiger sprechen für sich. Seit der schriftliche Verkehr kontrolliert wird, haben wir ein ganz überraschendes Zurückgehen des Postverkehrs zwischen den Terroristen und ihren Anwälten zu verzeichnen. ({23})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Ministerpräsident, gestatten Sie eine Zwischenfrage? - Herr Abgeordneter Ehmke, ich mache Sie darauf aufmerksam, daß es zweifelhaft ist, ob Zwischenfragen bei Reden von Bundesratsmitgliedern zulässig sind. Ich glaube aber, daß Zwischenfragen der Aussprache dienlich wären.

Dr. Horst Ehmke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000440, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich bedanke mich, Herr Präsident. Herr Ministerpräsident, ich habe diese Argumentation von Ihnen schon mehrfach gelesen. Könnten Sie uns noch erklären, inwiefern eine Überwachung des Gesprächs zwischen Beschuldigtem und Anwalt - neben der körperlichen Kontrolle, die Sie ohnehin vorgenommen haben, und zwar ohne Erfolg - in bezug auf die Verhinderung des Einschmuggelns von Waffen irgendeine Bedeutung haben könnte? ({0}) Ministerpräsident Dr. Filbinger ({1}) : Verehrter Herr Kollege Dr. Ehmke, wenn der mündliche Verkehr zwischen Verteidiger und Häftling überwacht wird, ist entweder ein Richter oder - je nach der gesetzgeberischen Lösung - ein dazu geschulter Kriminalbeamter anwesend. Wenn er dabeisitzt, kann er sehen, was von einer Hand in die andere geht. ({2}) Die schalldurchlässigen Trennwände in dem sogenannten Parloir ermöglichen den mündlichen Verkehr zwischen dem Verteidiger und dem Häftling und verhindern das Durchschieben sogar eines Kassibers und erst recht von Waffen. Verehrter Herr Kollege Ehmke, ich muß sagen, Ihre Frage verstehe ich nicht ganz. Sie sind doch auch ein Praktiker. ({3}) Die Dauer der Strafverfahren muß erheblich verkürzt werden. Das ist eine weitere Forderung, die ich erhebe. Auch dies ist eine eindringliche Erkenntnis aus Erfahrungen der letzten Wochen. Der Status der Untersuchungsgefangenen bringt nun einmal nach unserem Recht zahlreiche Vergünstigungen mit sich, die in Stammheim weitgehend auf detaillierten ärztlichen und gerichtlichen Anordnungen beruhen. Dieser Status führt damit zwangsläufig zu einem erhöhten Sicherheitsrisiko. Je länger die Untersuchungshaft dauert, desto größer wird das Risiko. In fünf Jahren, meine Damen und Herren, kann eben mehr gehen zwischen Vertrauensanwalt - das heißt auch: darunter konspirativem Anwalt - und Häftling, als wenn die Untersuchungshaft durch gesetzgeberische Maßnahmen längstens etwa auf ein Jahr oder anderthalb Jahre beschränkt ist. ({4}) Schließlich müssen wir uns fragen, ob der Rechtsstaat auch künftig den terroristischen Gefangenen das gleiche Maß an Rechten, Freiheiten und Möglichkeiten bereithalten kann wie bisher. Das kann z. B. bedeuten, daß wir für solche Gefangenen Zellen von einer Bauart schaffen müssen - denken Sie an Metallwände, Decken und Fußböden -, die die Anlage von Verstecken und die Aufnahme von Kontakten mit der Umwelt von vornherein ausschließt, und daß wir die für die Bewachung dieser Personen ausersehenen Bediensteten noch weiteren Spezialausbildungen unterwerfen müssen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Frage, die wir stellen, nämlich „Wie können wir es besser machen? Wie können wir mehr Sicherheit geben?", richtet sich und muß sich auch richten an die Gerichte, die ja wesentlich die Haftbedingungen, meist auf Grund ärztlicher Gutachten, festlegen. Nur wenn die Gerichte den Sicherheitsbelangen bei ihren Entscheidungen künftig größere Bedeutung beimessen, kann es mehr Sicherheit geben. ({5}) Wir müssen das Spannungsverhältnis sehen zwischen einem humanen Strafvollzug, den wir wollen, und totaler Sicherheit, die wir nur erreichen können, wenn wir etwa GPU-Methoden in unseren Gefängnissen einführen, die für uns nicht in Frage kommen. Totale Sicherheit in unseren Gefängnissen aber gibt es nicht, wenn wir solche Methoden, wie sie in totalitären Staaten geübt werden - nicht in allen, aber in einigen -, für uns ablehnen. Meine Damen und Herren, in der vergangenen Woche hat der Herr Bundeskanzler an dieser Stelle gesagt, die Vorgänge in Stuttgart-Stammheim dürften unseren klaren Blick in die Zukunft nicht vernebeln. Als erstes gelte es, die Erfahrung praktischer Solidarität im Handeln der Verantwortlichen für kommende Bewährungsproben lebendig zu halten. Dem stimme ich voll und ganz zu. Indes scheint mir, der Herr Bundeskanzler habe eine Bewäh rungsprobe selbst schon am Tage danach nicht bestanden. ({6}) - Ich werde das belegen, wenn Sie gestatten. Heute vor einer Woche nämlich hat der Herr Bundeskanzler in Hamburg-Bergedorf geglaubt, speziell der Landesregierung von Baden-Württemberg vorwerfen zu müssen, sie mißachte die Ratschläge aus Bonn. Ich habe ja vorhin bezüglich der Ratschläge ausgeführt, was damit geschehen ist, nämlich daß sie befolgt worden sind. Meine Damen und Herren, das ist doch offensichtlich unrichtig, und es wäre doch ein leichtes für den Herrn Bundeskanzler gewesen, durch eine Rückfrage festzustellen, was mit den beiden Empfehlungen des Generalbundesanwalts und des Justizministers geschehen ist, die sofort weitergegeben worden sind, nicht nur empfehlend, sondern mit striktester Weisung an die betreffenden Beamten. Ich glaube, es wäre durchaus möglich gewesen, diese Fehlinformation rechtzeitig als solche zu erkennen. Noch eines: Die Landesregierung von BadenWürttemberg hat nicht nur in der kritischen Phase Ratschläge strikt befolgt, sie hat darüber hinaus im Ministerpräsident Dr. Filbinger Krisenstab die praktische Solidarität, die der Kanzler gewünscht hat, geübt, meine sehr verehrten Damen und Herren, ohne das wir uns darauf etwas Besonderes einbilden und ohne daß wir dafür eine Gegenleistung verlangen. Aber wenn wir verlangen, daß falsche Beschuldigungen auf dem Hintergrund der geforderten Solidarität der Demokraten unterlassen werden, dann ist das wahrscheinlich kein unbilliges Verlangen. ({7}) Es muß auch darauf hingewiesen werden, daß Baden-Württemberg - ohne daß wir uns Besonderes darauf einbilden würden oder Gegenleistungen dafür haben möchten - die Hauptlast der Terroristenprozesse aus eigener staatspolitischer Verantwortung für das Ganze auf sich genommen hat, wohlahnend, daß wir uns damit gewaltige Sicher- heitsrisiken aufbürden würden. Wir haben allerdings nicht geahnt - das konnten wir nicht ahnen -, wie leichtfertig, wie vorschnell manche, die auch nicht den Bruchteil der Last getragen haben, die wir auf uns genommen haben, versuchen würden, die Schuhe an uns abzuputzen. ({8}) Von Herrn Abgeordneten Brandt ist gesagt worden, es bestehe eine Diskrepanz zwischen unserer Forderung nach besseren Gesetzen auf der einen Seite und den von uns selbst sehr schwer genommenen Vorfällen in Stammheim auf der anderen Seite. Verehrter Herr Kollege Brandt, ich meine, beide Dinge müßten auseinandergehalten werden: einmal die Notwendigkeit, den Regierungen von Bund und Ländern gesetzgeberische Handhaben zu geben, und zum anderen die Notwendigkeit, solche Dinge zu verantworten, wie sie hier in Rede stehen. Sollte etwas deshalb, weil dieses Risiko bezüglich der Sicherheit in den Gefängnissen - auch denen von Baden-Württemberg - nicht ausgeschlossen werden kann, von uns unterlassen werden, wichtige und notwendige Maßnahmen der Gesetzgebung zu verlangen? Herr Kollege Brandt, vielleicht haben Sie unser Insistieren bezüglich der genauen Durchführung jenes Radikalenbeschlusses vom Jahre 1972 gemeint, den Sie als Bundeskanzler und wir als Ministerpräsidenten der Länder gemeinsam gefaßt haben. ({9}) Wir, die unionsgeführten Länder, haben jenen Beschluß strikt durchgeführt. Ich frage, meine Damen und Herren: Wo wären wir hingekommen, wenn wir nicht ein Bollwerk gegen den Einmarsch der Radikalen in unseren Staatsdienst gebildet hätten! ({10}) Sie, verehrter Herr Kollege Brandt, haben sich - wenn ich mich hinsichtlich des Zeitpunkts recht entsinne - im Frühjahr 1976 auch wörtlich, nicht nur de facto, wie es andere vorher getan haben, von jenem von Ihnen mitgetragenen Beschluß distanziert. Sie haben jenen Beschluß als einen Irrtum bezeichnet. ({11}) Verehrter Herr Kollege Brandt, wir alle haben das Recht des Irrtums. Wir gestehen Ihnen diesen Irrtum zu. Aber ich frage: Ist dieses Bekenntnis von Ihnen in der Zwischenzeit nicht durch die Wirklichkeit widerlegt worden und als ein Irrtum über den Irrtum erkannt worden? ({12}) Wir haben Kritik geübt. Ich bekenne mich zu dieser Kritik gegenüber der SPD bezüglich mancher Vorgänge, die die innere Sicherheit betrafen und betreffen - und auch gegenüber der FDP. Ich habe beispielsweise kritisiert, daß die SPD zu lange gezögert hat, sich gegen die Extremisten am Rande der eigenen Partei gehörig und deutlich genug abzugrenzen. ({13}) Wäre das rechtzeitig geschehen, dann wäre wahrscheinlich im Hinblick auf SDS, SHB, Juso-Stamokap mancher Schaden nicht eingetreten, der auch Ihre Partei berührt. ({14}) Deshalb dürfen wir nicht darauf verzichten - auch wenn wir das Risiko von Stammheim auf uns lasten haben -, zu verlangen, daß die Verteidigerüberwachung vom Gesetzgeber verbessert wird. ({15}) - Verehrter Herr Kollege Wehner, es ist auch notwendig, daß man unverbesserliche Terroristen schon nach einer einzigen Verurteilung in Sicherheitsverwahrung nehmen kann. ({16}) Es ist nötig, daß man das Demonstrationsstrafrecht wieder so herstellt, wie es einmal war, damit nicht Polizei und Gerichte vor unüberwindbare Beweisschwierigkeiten gegenüber den Teilnehmern an unfriedlichen Demonstrationen gestellt werden. ({17}) Ich habe Verständnis dafür, verehrter Herr Kollege Wehner, daß ich Ihnen über diese Dinge zuviel sage, aber sie sind trotzdem notwendig und müssen vor der Offentlichkeit dargetan werden. ({18}) Gestatten Sie mir, noch etwas zu sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD. ({19}) Ihr Präsidium hat vor wenigen Tagen verkündet - wenn Sie mir gestatten, Herr Kollege Ehmke, daß ich noch eine Tatsache anspreche, die das SPD-Präsidium betrifft -, die Landesregierung von Baden-Württemberg habe sieben Tage lang nichts getan und dadurch der Bundesrepublik schweren außenpolitischen Schaden zugefügt. ({20}) Ministerpräsident Dr. Filbinger - Sie klatschen hier Beifall, meine Damen und Herren. Wofür eigentlich? In diesen sieben Tagen ist doch der Bericht intensiv erarbeitet worden, der jetzt der Offentlichkeit vorliegt. Da können Sie doch nicht sagen, es sei nichts getan worden. Es ist außerordentlich viel getan worden. Wir haben erklärt, daß wir es tun, und trotzdem hat das SPD-Präsidium so getan, als hätten wir uns in Schweigen gehüllt. Es wußte doch, daß dieser Bericht erarbeitet wird. Es ist unwahr, was Sie gesagt haben. ({21}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Versuch, die baden-württembergische Landesregierung dafür verantwortlich zu machen, daß sich der Bundeskanzler im Ausland als Mörder bezeichnen lassen müsse, grenzt ({22}) - ich habe keinen anderen Ausdruck dafür - an Infamie. ({23}) Im gleichen Atemzug - man muß diese Verlautbarung genau lesen - warnt die SPD vor der Polarisierung auf dem Felde der inneren Sicherheit. ({24}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, jetzt stelle ich die Frage: Was ist Pharisäertum und was ist Heuchelei? ({25}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir gegen den Terrorismus Erfolg haben wollen, dann muß die demokratische Gemeinsamkeit, die der Bundeskanzler beschwört, die auch der Kollege Willy Brandt heute früh beschworen hat - und wir folgen ihm -, nicht nur vor den gemeinsamen Aktionen verlangt werden, sondern dann muß man sie auch aufrechterhalten und bestätigen, wenn man gemeinsame, zumindest zum Teil erfolgreiche Aktionen durchgeführt hat. ({26})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Präsident des Senats und Erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg. Erster Bürgermeister Klose ({0}) : Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist wohl niemand hier im Saal, ({1}) der nicht das Gefühl hätte, daß die Ereignisse der letzten zwei Monate einen politischen Einschnitt darstellen, daß diese Ereignisse die Landschaft in der Bundesrepublik verändert haben, und zwar sehr nachhaltig. Ich bin mir in der Bewertung dieses Einschnittes, um offen zu sein, noch nicht ganz sicher. Aber dennoch überwiegen die hoffnungsvollen Ansätze - aus drei Gründen. Es hat sich in den letzten Monaten gezeigt, daß diese Demokratie handlungsfähig ist. ({2}) Zweitens hat sich gezeigt, daß die demokratischen Parteien dieses Bundestages in extrem schwierigen Situationen zu einem Mindestmaß an Gemeinsamkeit fähig sind, und es deutet sich drittens die Chance zur Besinnung an, die Möglichkeit der Frage, ob in diesem Lande immer alles richtig gelaufen ist oder möglicherweise anders hätte laufen müssen. Nun will ich es mit dem Adjektiv „hoffnungsvoll" nicht übertreiben; denn es darf jedenfalls in einer Beziehung nicht mißverstanden werden. Ich bin nicht hoffnungsvoll, daß es in Zukunft terroristische Anschläge nicht mehr geben wird. Nein, ich befürchte im Gegenteil, daß uns der eigentliche Höhepunkt terroristischer Aktivitäten noch ins Haus steht und daß wir die positiven Merkmale, die wir erlebt haben und für die vergangenen zwei Monate registrieren können, noch weiterentwickeln müssen, wenn wir eine Chance haben Wollen, mit den größeren Herausforderungen fertig zu werden. Ich habe gesagt: dieses Land hat sich als handlungsfähig erwiesen; ich meine es sowohl national als auch international; beides ist wichtig. Allerdings hat sich unsere Handlungsfähigkeit - darin stimme ich dem Kollegen Dregger zu - konkret auf die Fälle beschränkt, in denen der Aufenthalt von Terroristen bekannt gewesen ist. In diesen Fällen konnten wir handeln und haben wir sehr konkret gehandelt. Wir haben aber weiterhin große Probleme, wenn der Aufenthalt von Terroristen, von Entführern, von Gangstern nicht bekannt ist. Also müssen wir erhebliche Anstrengungen darauf richten, daß in Zukunft der Aufenthalt von Terroristen, wenn es geht, möglichst schnell ermittelt wird. Ich komme darauf noch zurück. Es war für mich - ich bekenne das gern - während der Beratungen in dem in der Offentlichkeit so genannten Krisenstab ein Erlebnis, zu sehen, daß Gemeinsamkeit herstellbar und möglich ist. Ich füge hinzu: Ich halte es für wünschenswert, für nötig, daß wir diese Gemeinsamkeit auch in den nächsten Monaten und Jahren beibehalten. Nun sind wir uns offensichtlich in der Verurteilung des Terrorismus einig. Es ist aber zweifelhaft, ob wir uns auch in der Frage einig sind, wie der Terrorismus bekämpft werden muß und welche Ursachen zu seinem Entstehen beigetragen haben. Ich will gerne hinzufügen, daß mich einige Passagen in der Rede des Kollegen Dregger, aber auch einige Aussagen des Kollegen Filbinger heute hier und im Bundesrat insoweit zweifeln lassen. ({3}) Ich möchte etwas zu der Art und Weise sagen, wie man sich mit dem Terrorismus auseinandersetzen, wie man ihn bekämpfen muß. Ich gehöre nicht zu denen, die sagen, es dürfe an den Gesetzen nichts Erster Bürgermeister Klose geändert werden. Ich glaube schon, daß es richtig und nötig ist, wenn man neue Erkenntnisse gewinnt, diese Erkenntnisse auch in die gesetzgeberische Arbeit einfließen zu lassen. Ich sage deshalb ausdrücklich: Ja, es ist nötig und richtig, über eine Präzisierung und Verschärfung von Bestimmungen des Waffenrechts nachzudenken und darüber zu beschließen. Ich halte es auch für erwägenswert, über Veränderungen im Bereich des Meldewesens nachzudenken. Ich sage auch, daß man bereit sein muß, nachzudenken über den Verfassungsschutz, seine Kompetenzen, aber dann natürlich auch über die Kontrollnotwendigkeiten, die entstehen. Und es gibt für mich überhaupt keinen Zweifel, daß man die Strafprozeßordnung laufend daraufhin überprüfen muß, ob mit ihr angemessen gearbeitet werden kann oder nicht. Für mich ist - um dieses eine Beispiel zu nennen - die Verbesserung der Möglichkeit des Ausschlusses von Verteidigern eine ganz wichtige Aufgabe; denn so weit reichen unsere Erkenntnisse, um zu wissen, daß die Art und Weise, wie einige Verteidiger - ich grenze das ein - in bestimmten Fällen gehandelt haben, natürlich dazu beigetragen hat, daß wir heute in der Situation sind, in der wir uns tatsächlich befinden. Ich habe allerdings Zweifel, ob wir mit der Überwachung der Verteidigergespräche wirklich etwas gewinnen, Herr Kollege Dregger. ({4}) Zum einen habe ich Zweifel, wenn ich höre, daß der Kollege Filbinger sagt, er habe nicht einmal genügend Beamte, um die Kontrollen in Stammheim ausreichend sicherstellen zu können. Das drängt natürlich die Frage auf: Hat er denn genügend Amtsrichter, um Verteidigergespräche zu überwachen? Hat er sie denn? ({5}) Aber davon einmal abgesehen: Herr Kollege Dregger, wenn ich Ihr Kriterium der Effektivität anwende: Ist es denn wirklich effektiv, Gespräche zwischen Verteidigern und Mandanten durch Amtsrichter überwachen zu lassen? Glauben Sie denn ernsthaft, daß unsere Amtsrichter auch nur annähernd fähig sind, so konspirativ zu denken, wie das bei der Überwachung dieser Art Gespräche notwendig ist? ({6}) Wenn schon überhaupt, dann müssen das ganz ausgefuchste und sehr erfahrene Experten sein, die lange Jahre im Bereich Terrorismus gearbeitet haben. Wir verfügen nicht über sehr viele von diesen bei den Gerichten. Also muß man unter Ihrem Gesichtspunkt der Effektivität über diese Frage nachdenken. Im übrigen: Was die Weitergabe von Gegenständen angeht, ist das schon nach geltendem Gesetz zu verhindern. Es ist auch nach geltendem Gesetz nicht erlaubt - wenn ich mir diesen Hinweis gestatten darf -, Waffen in ein Untersuchungsgefängnis hineinzubringen. Man kann das verhindern. ({7}) Man muß nur bereit sein, bestehende Gesetze ich würde mir sehr überlegen, ob ich darüber lache - auch anzuwenden. ({8}) In diesem Zusammenhang, Herr Kollege Filbinger - ich habe selber einige Zeit als Staatsanwalt gearbeitet; ich kann diese Profession nicht verleugnen -, meine ich doch sagen zu müssen, daß die geltenden Bestimmungen sowohl des Strafgesetzbuchs wie der Strafprozeßordnung wie auch des Strafvollzugsgesetzes relativ gut sind, wenn man nur alle Möglichkeiten, die darin liegen, ausschöpft - Herr Kollege Dregger, ich bitte um Entschuldigung für dieses Wort; ich meine: wenn man sie alle anwendet. Ich muß den Kollegen Filbinger - ich will nicht selbstgerecht werden - darauf hinweisen, daß das Strafgesetzbuch und die Strafprozeßordnung wie auch das Strafvollzugsgesetz sowohl in Stuttgart wie auch in Hamburg, in Düsseldorf, in Hannover oder in Berlin gelten. ({9}) Wenn es da Unterschiede in der Entwicklung tatsächlicher Ereignisfolgen gibt, dann muß die Frage erlaubt sein, ob diese Unterschiede möglicherweise nicht aus der Unterschiedlichkeit der Gesetze oder deren mangelndem Perfektionismus zu erklären sind, sondern aus der Unterschiedlichkeit der Handhabung dieser gesetzlichen Bestimmungen. ({10})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Bürgermeister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Petersen? Erster Bürgermeister Klose ({0}) : Natürlich, immer.

Peter Petersen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001699, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bürgermeister, könnten diese Unterschiede, die Sie eben aufgezeigt haben, nicht auch darin liegen, daß gerade in Baden-Württemberg im Gegensatz zu anderen Ländern die Schlimmsten dieser Verbrecher einsaßen? ({0}) Erster Bürgermeister Klose ({1}) : Herr Abgeordneter, ich glaube nicht, daß der Bundestag der geeignete Ort ist, über die Personalstruktur und die kriminellen Energien der 'sogenannten Baader/ Meinhof-Häftlinge zu rechten. Aber ich weise darauf hin, daß das relativ kleine Land Hamburg nach der Zahl der Einsitzenden Häftlinge überproportional betroffen ist. Eine gewisse Vergleichbarkeit scheint mir von daher gegeben zu sein. Dies ist nicht der baden-württembergische Landtag, und deshalb ist es nicht gut möglich, auf jedes Detail der Aussagen des Kollegen Filbinger einzugehen. Ich glaube - insoweit bin ich auf seiner Erster Bürgermeister Klose Seite -, daß es falsch wäre, mit dem Finger auf ein Bundesland zu zeigen und mit absoluter Gewißheit zu sagen, so etwas könne keinem anderen jemals passieren. ({2}) Ich werde das jedenfalls nicht so behaupten. Aber ich würde es für richtig halten - insoweit erlaube ich mir einen Rat -, wenn die Justizminister des Bundes und der Länder und auch die Innenminister Erfahrungen darüber austauschten, wie Häftlinge in den unterschiedlichen Strafanstalten und Haftanstalten behandelt werden. Man kann Zellen - um das zu sagen - von Zeit zu Zeit wechseln, was wir in Hamburg getan haben. Bei uns sind diese Häftlinge noch nicht wieder in den Zellen, in denen sie ganz am Anfang waren. Wir wechseln das in regelmäßigen Abständen und haben das schon immer getan. ({3}) Das verhindert das Anlegen von langfristigen Verstecken. Das ist eine einfache Maßnahme. Sie werden mir zugeben, daß diese Maßnahme auch nach der geltenden Gesetzeslage möglich ist. ({4}) Zweitens kann man das Bewachungspersonal in regelmäßigen Abständen rotieren lassen, weil - das weiß jeder - die Gefahr, daß man in Routine verfällt, sehr groß ist. Weil das so ist, ist es natürlich gut und nützlich, wenn man die Kontrollen, das Durchsuchen der Zellen, von denen ich gehört habe, daß sie fast täglich stattgefunden hätten - ich frage mich: wie denn? ({5}) nicht den durch Routine belasteten und überhaupt sehr belasteten Beamten in der Strafvollzugsanstalt allein überläßt, sondern Fachleute, z. B. von der Polizei, aber auch aus dem Fernmeldebereich hinzuzieht, was bei uns seit eh und je gemacht wird. Ich denke, es gibt schon geeignete Vorkehrungen, um solche Vorfälle zu verhindern.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Vo-. gel? Erster Bürgermeister Klose ({0}) : Ja, natürlich.

Friedrich Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002378, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bürgermeister, kann ich aus Ihren Ausführungen über die Situation in den Hamburger Haftanstalten entnehmen, daß das darauf zurückzuführen ist, daß Sie immer so besonders tüchtige Justizsenatoren gehabt haben? ({0}) Erster Bürgermeister Klose ({1}) : Herr Abgeordneter, es steht mir nicht zu, Fragen von Abgeordneten zu bewerten. Aber es steht mir zu, zu entscheiden, welche Fragen ich beantworte. Ihre beantworte ich nicht. ({2}) Mein Fazit: Ich bin der Auffassung, daß man Gesetze überprüfen muß, aber ich bin zumindest auch der Auffassung, daß wir Gesetze anwenden sollten. Ich füge hinzu, um auch meine Position in diesem Fall sehr klarzumachen: ich halte nichts davon, nach jeder terroristischen Aktivität - wir werden noch viele erleben - immer wieder nach noch schärferen Gesetzen zu rufen. Denn wichtiger, als laufend Gesetze zu verschärfen, ist es, genügend gut ausgebildete, gut ausgerüstete Polizeibeamte und Mitarbeiter beim Verfassungsschutz zu haben. ({3}) Wenn wir diese nämlich haben, dann werden wir auch eine Chance haben, die Gesetze, die wir heute schon haben, oder die wir möglicherweise noch beschließen, in angemessener Weise, d. h. konsequent, anzuwenden. In diesem Punkt, Herr Kollege Dregger, empfehle ich Ihnen sehr, sich nicht nur mit dem Sicherheitsprogramm der Innenminister und Innensenatoren aus dem Jahre 1972, konkretisiert im Jahre 1974, sondern auch mit dem Zustand der Realisierung dieses Programms zu beschäftigen. Ich bitte Sie sehr herzlich: Fragen Sie einmal nach den Polizeidichten in den unterschiedlichen Ländern. Wenn Länder möglicherweise miteinander nicht vergleichbar sind, dann fragen Sie nach den Polizeidichten in den großen Städten in der Bundesrepublik! ({4}) Dann werden Sie erleben, daß besonders diejenigen, die immer, unentwegt und ganz schnell nach schärferen Gesetzen rufen, gut beraten wären, wenn sie im Bereich der personellen Vorsorge bei Polizei und Verfassungsschutz zunächst einmal das Ihre, d. h. das Nötige, tun würden. Ich bin gern bereit, Ihnen die Liste zu übergeben. ({5}) -- Ich habe dazu, finde ich, das qualitativ Nötige schon gesagt. Ich komme zu dem Bereich, dem der Herr Kollege Dregger viel Raum gewidmet hat, zur Frage des geistig-politischen Klimas. Ich halte es für sehr notwendig, daß darüber nachgedacht und diskutiert wird. Ich bin sehr bereit, mich an dieser Diskussion mit großer Ernsthaftigkeit und mit der Bereitschaft zur Kritik und Selbstkritik zu beteiligen. Aber für mich heißt eine ernsthafte Diskussion über das geistigpolitische Klima der Bundesrepublik, anzuerkennen, daß dieses Klima, ob es nun gut sei oder schlecht, von allen geprägt wird, die in diesem Lande tätig sind. Da gibt es eine Mitverantwortung, der sich Erster Bürgermeister Klose niemand entziehen kann. Sie, Herr Kollege Dregger, sollten sich nicht so klein machen und behaupten, Sie hätten nicht auch Ihren Anteil an diesem politischen Klima in der Bundesrepublik Deutschland. ({6}) Es ist hier - dies will ich hinzufügen - kein Raum für Selbstgerechtigkeit. Wir sollten, wenn eben möglich, in diesem Zusammenhang, wenn es uns mit dieser Diskussion ernst ist, Pauschalaussagen vermeiden. Von d e n Universitäten und d e n Dichterfürsten würde ich in diesem Zusammenhang nicht sprechen. ({7}) - Es kann sein, daß ich es mißverstanden habe. Ich bin jedenfalls gegen solche Pauschalaussagen, weil sie allein schon deshalb falsch sind, weil sie von allen handeln. Im übrigen - insoweit dürften wir uns einig sein -, parteipolitisch bringt der Hinweis auf die Situation in den Universitäten nicht viel, gar nichts; denn Sie werden nicht ernsthaft behaupten wollen, daß sich die innere Situation etwa der Universität Heidelberg wesentlich von der Situation der Hamburger Universität unterscheide, in der auch nicht alles in Ordnung ist. ({8}) Ich stelle mich hier nicht hin und sage, ich sei stolz auf jeden Zustand in jedweder deutschen Universität. Nur, Ihre Aussagen zu diesem Punkt klingen immer so, als seien es nur ganz bestimmte Universitäten, in denen das alles schlecht wäre. Natürlich sind es dann nur Universitäten in den Ländern, die von Sozialdemokraten regiert werden. In den unionsregierten Ländern ist offensichtlich alles in Ordnung. Ich rate Ihnen, sich doch einmal den sehr vorzüglichen Bericht über die Zustände gerade der Universität Heidelberg anzusehen, der, wenn ich es recht weiß, von einem CDU-Mitglied stammt. Ich habe den mit so großem Interesse gelesen, daß ich im Augenblick erwäge, ihn meiner Opposition zu überreichen, weil die Reden, die dort gehalten werden, und die Reden, die bei mir gehalten werden - so scheint es mir nach diesem Bericht -, austauschbar sind. Wenn man dies erkennt, hat man schon einen wesentlichen Schritt zu besserer Erkenntnis vollzogen. ({9}) Ich möchte gern hinzufügen, daß es zur Kennzeichnung des geistig-politischen Klimas, Herr Kollege Dregger, auch nicht genügt, auf extremistische Erscheinungen hinzuweisen. Natürlich gibt es bei uns Kommunisten, und es gibt Leute, die ich als Faschisten bezeichnen würde. Viel wichtiger und weiterführender ist aber nicht die Feststellung, daß es Extremisten gibt, sondern die Frage, warum es Extremismus in dieser Form gibt. Darüber hier heute lange zu diskutieren wird nicht möglich sein. Ich möchte aber, weil der Kollege Filbinger einen Schlenker in diese Richtung gemacht hat, eines doch gern sagen. Herr Kollege Filbinger, es trägt auch zur Beförderung von Extremismus bei, wenn man, wie Sie, nicht scharf und präzise genug in der Formulierung ist, was denn ein Extremist eigentlich ist. ({10}) Ich erinnere mich an sehr viele Formulierungen Ihrerseits, die, wenn ich sie ernst genommen hätte, mich bereits in die Gefahr gebracht hätten, Extremist zu sein. Und ich gehöre wirklich nicht zu dem sehr linken Spektrum meiner eigenen Partei. Das werden Sie nicht behaupten wollen. Da muß man sich schon überlegen, was man sagt. Im übrigen, Herr Kollege Filbinger, einmal ganz ernsthaft: Was haben eigentlich die Jusos in Baden-Württemberg mit Stuttgart-Stammheim zu tun? ({11}) Wie weit geht eigentlich idort deren Verantwortung? Was soll diese Bemerkung im Zusammenhang mit Ihrer Rechtfertigungsrede zu den Vorgängen in Stuttgart-Stammheim? Ich habe den Zusammenhang - um ehrlich zu sein - nicht begreifen können. Das heißt, ich habe ihn schon verstanden. Aber richtig verstanden ist das nichts anderes als ein Ablenkungsmanöver. Dies sollte man dann auch so offen sagen. ({12}) Ich will zwei kurze Bemerkungen zu dem politischgeistigen Klima und zur Frage machen, warum das bei uns so ist, wie es ist. Es gefällt mir auch nicht in allem. Erstens. Vielleicht haben wir in der Bundesrepublik in den vergangenen Jahrzehnten das ökonomische Prinzip überbetont. Es scheint beinahe so zu sein, als gewinne die Demokratie in unserem Lande ihre Legitimation in erster Linie aus ihrer ökonomischen Leistungsfähigkeit. Die Väter unseres Grundgesetzes haben das so nicht gedacht. Ihnen ging es auf Grund konkreter Erfahrungen in erster Linie darum, Freiheit und Gerechtigkeit zu sichern. Daß dazu allerdings auch ökonomische Leistungsfähigkeit gehört, ist klar. Zweitens. Es scheint mir so zu sein, daß wir in diesem Lande alle miteinander das pluralistische Prinzip überbetont und überstrapaziert haben. Es ist doch so, als sei Sich-Durchsetzen um jeden Preis die eigentliche Handlungsmaxime in diesem Lande geworden. Wir sind eine Konfliktgesellschaft, ohne daß wir alle miteinander gelernt hätten, wie man Konflikte in verünftiger Weise austrägt. Im übrigen würde ich hinzufügen: Die Politiker aller Parteien, Herr Kollege Dregger, haben durch ihren Hang zur Polarisierung natürlich zur Entwicklung dieser Konfliktgesellschaft beigetragen. Ich stelle mich hier nicht hin und behaupte nicht, daß nicht auch manche meiner Reden und Bemerkungen in diesem Punkt sehr kritisch zu bewerten wären. Ich habe da mit Sicherheit auch Fehler gemacht. Ich verstehe es daher nicht, daß gerade Sie aus Ihrer Sicht - und Sie scheuen ja Konflikte bekanntlich ebenso wenig wie Ihr großer Kollege Strauß - in diesem Zusammen4126 Erster Bürgermeister Klose hang behaupten, es seien nur ,die anderen gewesen und nicht auch möglicherweise Sie. ({13}) Wenn man in diesem Zusammenhang, ausgerechnet in diesem Zusammenhang, meint die Sonthofener Rede verteidigen zu müssen, dann gehört dazu schon allerhand. ({14}) Meine Damen und Herren, ich wiederhole es: Ich bin sehr für Gemeinsamkeit, gerade in der gegenwärtigen Situation. Ich werde mir meinerseits große Mühe geben, um einen Beitrag zu leisten, daß diese Gemeinsamkeit erhalten werden kann. Aber Gemeinsamkeit bedeutet nicht, daß in diesem Lande in Zukunft Stillstand zu herrschen habe ({15}) oder daß wir zu den politischen Vorstellungen von vor zehn oder 20 Jahren zurückkehren müßten. Dies ist jedenfalls nicht meine Position. ({16}) Gemeinsamkeit bedeutet auch nicht, daß es ab sofort nicht mehr erlaubt sei, darüber nachzudenken, ob diese Welt noch verbessert werden kann oder nicht. ({17}) Ich glaube, es ist nötig, daß man darüber nachdenkt. ({18}) Es ist auch nötig, daß wir uns fragen, ob unser Land so schon in Ordnung ist, ({19}) ob unsere Demokratie nicht noch weiterentwickelt werden kann, ob es allein genügt, sie zu stabilisieren. ({20}) Ich bin - ich sage das - stolz auf dieses Land. Ich glaube, wir haben alle gemeinsam Anlaß, stolz auf dieses Land zu sein. ({21}) Aber ich bin dennoch dafür, daß wir uns anstrengen, die Zustände in diesem Land durch konkrete Reformen zu verbessern. Denn es ist noch sehr viel zu tun. ({22}) Es wäre kein Beitrag zur Verbesserung des politischgeistigen Klimas, wollten wir ab sofort die Stabilität absolut setzen und von Veränderung und Fortentwicklung nicht mehr reden. ({23}) Ich erlaube mir zum Abschluß zum Thema innere Sicherheit zwei Bemerkungen, die man fast als goldene Regeln bei der Diskussion über innere Sicherheit bewerten kann. Natürlich ist es nötig, daß man über das große Thema innere Sicherheit diskutiert. Aber aus der Sicht eines ehemaligen Innensenators ist - das sage ich beim Thema innere Sicherheit - darüber reden Silber, handeln aber Gold. ({24}) Die zweite Regel: Ich meine, es wäre nicht gut, wenn wir das Thema innere Sicherheit wiederum, weil wir nicht aufpassen, zum Gegenstand eines parteipolitischen, eines in erster Linie parteipolitischen Streites machen würden. Wir alle erliegen doch allzu leicht der Versuchung, gerade bei diesem Thema ein Geschäft mit der Angst machen zu wollen. Dies war noch immer ein sehr schlechtes Geschäft für die Bürger. ({25})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Zimmermann.

Dr. Friedrich Zimmermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002597, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe heute vormittag den Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, den Kollegen Willy Brandt, gefragt, ob er in München gesagt habe, die Sozialdemokraten müßten gegenwärtig einen Kampf an zwei Fronten führen, „gegen die Terroristen und gegen die Demagogen", an deren Spitze der CSU- Chef Strauß stehe. ({0}) Der Kollege Willy Brandt hat mir daraufhin erwidert: Das Zitat ist falsch. Und er hat hinzugesetzt, er werde mir Tonband und Abschrift dieser seiner Münchner Rede übermitteln. Der Ressortleiter „Lokales" der „Süddeutschen Zeitung", Herr Freifleder, hat gegenüber dem Pressereferenten der CSU-Landesgruppe heute um 10 Minuten vor 12 Uhr erklärt, daß der Autor des Artikels, Herr Harry Koch, im Augenblick nicht gefragt werden könne, weil er sich zur Berichterstattung bei einer Veranstaltung im Lande befinde, und der Lokalchef hat hinzugefügt - ich zitiere wörtlich -: Harry Koch ist ein emotionsfreier, sauberer Mitarbeiter, der in den Jahren, in denen ich ihn kenne, gewissenhafte journalistische Arbeit geleistet hat. An uns ist - bis zu diesem Augenblick: 11.50 Uhr niemand mit einer Intervention herangetreten. Ich habe deshalb keinen Grund, an der Richtigkeit unserer Berichterstattung zu zweifeln. ({1}) - Meine Damen und Herren, warten Sie ab! Um 12.30 Uhr hat der Pressereferent der CSU-Landesgruppe den Autor des Artikels, aus dem ich zitiert und über den ich Herrn Willy Brandt befragt habe, Harry Koch, erreicht und hat mit ihm im Kolping-Haus in Landshut, wo Koch als Berichterstatter an einer ÖTV-Veranstaltung teilnimmt, selbst telefoniert. Herr Koch steht zu seinem Bericht über die Brandt-Veranstaltung. Die fraglichen Zeilen wurden ihm vorgelesen, und Herr Koch hat wörtlich gesagt - ich zitiere -: Selbstverständlich bleibe ich bei meiner Darstellung. Ich phantasiere doch nicht Dinge zusammen. Ich habe mitgeschrieben. Es ist so gefallen, wie ich geschrieben habe. ({2}) Und jetzt kommt das letzte. In einem zweiten Anruf hat Herr Harry Koch dem Pressereferenten der CSU-Landesgruppe erklärt - ich zitiere wörtlich -: Zufällig ist eine Kollegin von der „tz" - das ist eine Boulevardzeitung aus München hier in Landshut, die auch auf dem Marienplatz war. Sie hat dasselbe Zitat in ihrem Block, hat es allerdings aus Platzgründen in der „tz" nicht gebracht. ({3}) Ich würde doch empfehlen, meine Damen und Herren von der SPD, daß Sie Ihren Vorsitzenden veranlassen, das Plenum wieder zu betreten und sich auf Grund dessen, was ich hier erklärt habe, noch einmal zu äußern. ({4}) Denn dann, wenn er das gesagt haben sollte, was nun hier von zwei Journalisten verantwortlich in einem Gespräch bestätigt wird, sollte er sich schämen und diese Scham hier zum Ausdruck bringen! ({5}) Er hätte dann nämlich eine demokratische Partei, über die der Herr Bundeskanzler vor etwa 14 Tagen in einem großen Journalistenkreis gesagt hat - und dieses Zitat ist nachprüfbar -, sie, die CSU, sei gegenwärtig die geschlossenste in der Bundesrepublik Deutschland, an die Seite des Terrorismus gestellt, hätte sie mit diesem in einem Atemzug genannt, wobei er hinzufügte, gegen beide, den Terrorismus und die Demagogen, an der Spitze der CSU-Vorsitzende Strauß, gelte es jetzt zu kämpfen. Das ist eine ungeheuerliche Behauptung! ({6}) Wer heute den Bundesjustizminister mit seinem Referat gehört, wer gesehen hat, an wie vielen Stellen das ganze Haus Beifall gespendet hat, wer gemerkt hat, wieviel Einverständnis zwischen FDP, CSU, CDU und SPD weithin bei seinen Ausführungen geherrscht hat, der muß sagen: Wer hat nun die Rede für die sozialdemokratische Fraktion hier gehalten: Hans-Jochen Vogel oder Willy Brandt? Kommt nicht auch hier zum Ausdruck, daß Sie auch in der Fraktion bereits aus zwei Parteien bestehen? ({7}) Der Herr Kollege Klose, Bürgermeister eines Bundeslandes, hat gerade die Notwendigkeit des Verfasssungsschutzes hier unterstrichen, von der auch in den Ausführungen des Herrn Kollegen Dregger die Rede war. Darf ich Ihnen hier ein weiteres Beispiel für die Doppelstrategie der SPD vorführen? ({8}) Was ich hier entfalte, ist das neueste Poster für das im „Vorwärts", im Parteiorgan der SPD, ganzseitig Reklame gemacht wird. Sie sehen darauf einen Beamten des Verfassungsschutzamts mit dem Grundgesetz in der Hand, dem in den Mund gelegt wird: „Hier stehen ja Sachen drin, wo wir vom Verfassungsschutz nicht mal eine Ahnung haben." ({9}) Das ist ein sehr guter Beitrag zu dem, was gegenwärtig an Diskussionen bei uns im Parlament und in der deutschen Offentlichkeit stattfindet. ({10}) Der Herr Bundeskanzler dankt in einer Rede, von der man viel unterstreichen konnte, auch den Organen dieses Verfassungsschutzes für ihre Tätigkeit, und Sie in der SPD und vom „Vorwärts" machen gleichzeitig Reklame für ein Poster von Herrn Halbritter, das der Bevölkerung suggeriert, die Beamten des Verfassungsschutzes hätte keine Ahnung, was im Grundgesetz steht. ({11}) Hier ist gesagt worden - wiederum von Willy Brandt -, erst 1969 sei das Bundeskriminalamt zu einer Behörde gemacht worden, die diesen Namen verdiene. Auch das ist eine Beleidigung für die Beamten des Bundeskriminalamts, die weit länger in dieser Behörde Dienst tun. ({12}) Der Kollege Brandt hat über Marxismus und Faschismus geredet und hat gefragt, warum wir von der Union uns denn getroffen fühlten, wenn von Faschismus die Rede sei. Er täuscht sich. Wir haben uns nie getroffen gefühlt. Wir haben uns in keinem Moment getroffen gefühlt, wenn vom Faschismus die Rede war. Nur, wenn in diesem Haus und darüber hinaus diskutiert wird, wo die geistigen Ursachen des Terrorismus liegen, und wenn Willy Brandt als einer der Hauptsprecher immer wieder - natürlich mit Absicht und Grund - gesagt hat, es seien nicht die Linken, sondern die Kinder Hitlers, dann frage ich: Wie wäre es, wenn wir uns darauf einigen könnten, einen der Hauptsprecher des Terrorismus um seine Meinung zu fragen, und zwar den Mann, der vielleicht der geistige Organisator der deutschen terroristischen Szene ist: den Rechtsanwalt Klaus Croissant? Er ist kein Zwanzigjähriger, also keiner, der noch aus der Schule oder der Hochschule oder aus dem Gegensatz zu den Eltern verblendet sein könnte, sondern jemand, der das Dritte Reich mitgemacht hat und einer der Erfahrensten auf diesem Gebiet. Es ist ganz interessant, ihn zu hören, wo er die Herkunft der terroristischen Szene sieht und was deren Ziele nach seiner Ansicht sind. Er sagte in französischer Sprache im Fernsehen - und wir wunderten uns alle, daß das möglich war - wörtlich: Es ist ein zutiefst sozialistisches, ein kommunistisches Ziel, das sie ({13}) verfolgen. Für die radikalen Linken gibt es keinen anderen Weg, als mit der Waffe gegen ein Regime zu kämpfen, das bereits zum Faschismus übergegangen ist. Er meint die Bundesrepublik Deutschland von heute, unter der Regierung des Bundeskanzlers Schmidt, wenn er sagt, dieses Regime sei zum Faschismus übergegangen. Jetzt glauben Sie wohl auch, meine Damen und Herren von der SPD, daß wir uns von dieser Art „Faschismus" wirklich nicht getroffen zu fühlen brauchen. ({14}) Ich will mich immer noch mit dem Parteivorsitzenden der SPD, mit Willy Brandt, beschäftigen. Er hat gesagt, man solle nicht ständig nach neuen und schärferen Gesetzen rufen, es genüge doch eigentlich, was bis jetzt auf dem Tisch liege. Er hat auch gesagt, man werde prüfen und man werde prüfen und man werde prüfen. Jetzt will ich Ihnen - ich weiß, es ist halb zwei, und wer wollte nicht an diesem Freitag auch nicht woandershin; ich will es so kurz wie möglich machen - allein die Geschichte der Verhandlungen über die Verteidigerüberwachung, so kurz es geht, vorlesen. Am 14. November 1974 nach dem Mord an dem Berliner Kammergerichtspräsidenten Drenckmann wurde sie von den Justizminister aller Bundesländer gefordert. Vierzehn Tage später wurde sie von der Bundesregierung offiziell vorgeschlagen. Unmittelbar danach wurde sie von den Fraktionen der SPD und FDP aufgegriffen. Am 22. Januar 1975 wurde sie von der CDU/CSU neu eingebracht, am 24. Januar vom Freistaat Bayern im Bundesrat, am 12. März vom Bundeskanzler Helmut Schmidt nach der Lorenz-Entführung befürwortet, am 23. März vom Generalbundesanwalt Buback gefordert, am 29. April 1975 von Bundeskanzler Schmidt und Vizekanzler Genscher befürwortet, am 7. Mai 1975 von den Länderjustizministern nach dem Mordanschlag in Stockholm erneut gefordert, am 24. Juni 1976 von der SPD und FDP im Deutschen Bundestag endgültig abgelehnt, am 8. April 1977 von der CDU/ CSU erneut gefordert, im April 1977 von Bundeskanzler Schmidt und Justizminister Vogel befürwortet - nach dem Mord an Buback und seinen Begleitern - und jetzt von SPD und FDP mit vielen Fragezeichen versehen, vom Bundeskanzler während der letzten Plenarsitzungen mit den Worten abgetan, er sei jetzt anders informiert, nachdem er noch mal darüber nachgedacht habe. Das ist jetzt ein Punkt von den wichtigen, die in diesem Hause heute in erster Lesung vorgelegt worden sind, ein Punkt, über den drei Jahre argumentiert wird. Die Zeit des Prüfens, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, könnte jetzt wirklich zu Ende sein. Sie könnten jetzt allmählich wissen, was Sie in diesen entscheidenden Fragen tun wollen oder tun können. ({15}) Wir wiederholen unser Angebot - es hat heute eine bedeutende Rolle gespielt -, mit Ihnen in der Sache und in den zuständigen Ausschüssen zu beraten, aber jetzt sofort zu beraten, nachdem die Vorgespräche ja alle stattgefunden haben. Wir wiederholen unser Angebot, Ihnen bei der Verabschiedung dieser Gesetzgebung zu helfen. Es gehört wohl, wie ich meine, nicht zu den Alltäglichkeiten in einem Parlament, daß in Fragen von solcher Bedeutung - und bei der Bedeutung, die auch die deutsche Offentlichkeit diesen Fragen zumißt, mit 75 und 80 % - eine Opposition erklärt, man könne über ihre Stimmen für jede notwendige Ergänzung, für jedes notwendige neue Gesetz und für jede notwendige präzisere Fassung zu jeder Stunde und ohne jede Ausnahme geschlossen verfügen. Das hat es hier seit 1949 noch niemals in dieser Form gegeben. ({16}) Darum bitte ich Sie, diese Gesetze bald zu verabschieden. Ich muß Ihnen einen zweiten Katalog vorlegen. Im November 1970 war es die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die in einem Entschließungsantrag eine Änderung des Haftrechts mit dem Blick auf Wiederholungstäter und die Fälle von Serienkriminalität angeregt hat. Am 16. Mai 1973 verlangte die bayerische Staatsregierung ausdrücklich den Ausschluß der Verteidiger. Der Bundesrat billigte das Gesetz zum Schutz der Rechtspflege am 8. Mai 1974. Am 26. Juni 1974 legte die bayerische Staatsregierung das Gesetz zum Schutz des Gemeinschaftsfriedens vor. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion stellte am 11. November 1974 einen gleichlautenden Antrag. Wir haben dazu, meine Damen und Herren, immer wieder nur nein und nein und nein gehört. Auch das müssen wir noch sagen dürfen, weil es zur historischen Wahrheit gehört und weil man ja nicht verlangen kann, daß alles verschwiegen wird, was in den letzten Jahren gewesen ist - wir wollen aber nicht mehr darauf herumreiten -: Am 14./15. November 1974 die Justizminister der Länder, am 22. Januar 1975 die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, am 15. Mai 1975 die bayerische Staatsregierung - eine Kette von Vorschlägen, und nichts davon ist bis jetzt Gesetz geworden. Es sind seitdem zweieinhalb Jahre vergangen. Auch die Gespräche, die jetzt über unsere konkreten Vorschläge zur Verteidigerüberwachung, zur Zwangsernährung, zur Sicherungsverwahrung und anderem - Kollege Dregger hat sie genannt - geführt werden, werden seit einem halben Jahr, seit dem Frühjahr 1977 geführt. Ein führender Beamter des Bundesjustizministeriums hat im Jahre 1976 im zuständigen Ausschuß zu Protokoll gegeben. Bei einer Nichtüberwachung der Verteidiger gibt es keine wirkliche Möglichkeit der Kontrolle von Schriftstücken. Unsere Kollegen im Rechtsausschuß und im Innenauschuß haben dieser Tage bei ihren ersten Besprechungen leider feststellen müssen, daß die Beamten des Justiz- und Innenministeriums noch keine politische Weisung erhalten hatten, wie sie sich bei der Gesetzesberatung zu verhalten hätten. Man hatte ihnen also noch nicht gesagt, was sie zusagen dürfen, wo sie zustimmen dürfen und wo nicht. Es sind also Ihre Entscheidungen, meine sehr verehrten Damen und Herren von beiden Seiten des Hauses, Ihre Entscheidungen in der SPD-Fraktion, Ihre Entscheidungen in der FDP-Fraktion, die jetzt fällig sind, die schon überfällig sind. Wir warten auf diese Entscheidungen. An uns wird es nicht liegen, die Vorlagen so zügig und so rasch wie möglich zu beraten und zu verabschieden. ({17}) In dieser Diskussion spielten Schulen, Kindergärten, Hochschulen und alles mögliche eine große Rolle, was in das Vorfeld, was in die Entwicklung des Terrorismus gehört. Der Kandidat der SPD in München, Herr von Heckel, hat sich in der Versammlung, die zusammen mit Willy Brandt in. München stattgefunden hat, darüber beklagt, daß eine Diffamierung der städtischen Freizeitheime als Brutstätten des Terrorismus durch die CSU-Stadträte Günter Müller und Peter Gauweiler erfolgt sei. Darf ich Ihnen einmal ein Erzeugnis aus einem dieser Freizeitheime vorlesen? Ich zitiere wörtlich: Dann geht alles ganz schnell. Jedes Kind nimmt ein Gewehr und sechs Packerl Munition. Sie verteilen sich auf die Fenster und schießen der Polizei auf die Füße, die gleich zu zwanzigst gekommen sind. Die Polizei jodelt vor Schmerzen und zieht sich zurück. Das ist ein Aufsatz über Hausbesetzungen aus einem solchen städtischen Münchener Freizeitheim, der von Kindern unter der Mitwirkung von linksradikalen Heimleitern geschrieben worden ist. Wir brauchen dann wohl nicht sehr viel weiter zu fragen, welches der Grund und die geistige Ursache für die Entwicklung des Terrorismus in diesem Land gewesen ist. ({18}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will die Dutzende von Zitaten, die ich hier zur Verfügung habe, nicht verlesen. Ich will auch nicht die zwei Dutzend Zitate von Heinrich Böll aus den letzten zwei Jahren verlesen, die alle lesenswert sind und sehr wohl ausdrücken, wo er geistig gestanden hat und welche Mitverantwortung er tragen muß. Ich will nur vorlesen, was er jetzt am 30. September 1977 gesagt hat. Ich tue das gerade deshalb, weil der Kollege Willy Brandt soviel Schriftsteller, Literaten und Publizisten in einer Art von großer Solidarisierung und mit viel Verständnis für sie genannt hat. Ich zitiere Heinrich Böll aus einem Interview für den Bayerischen Rundfunk vom 30. September 1977: Es ist nur so, daß ich mir allmählich überlege, ob überhaupt eine, sagen wir: Abschaffung der Demokratie noch nötig ist. Dieser Gedankengang „Abschaffung der Demokratie noch nötig ist"! Die Leute sind ja derart eingeschüchtert, - es ist drei Wochen her die Medien so vorsichtig geworden, daß man eigentlich kaum noch Gesetze zu ändern braucht. Die Sache läuft ja phantastisch. Selbst liberale Zeitungen werden ja schon derart konformistisch und vorsichtig, daß man kaum etwas zu unternehmen braucht. Uns langt's, - sagt er am Schluß allmählich langt es uns ganz dicke hier. ({19}) Meine Damen und Herren, wenn man sich jeden Satz davon überlegt - es ist drei Wochen her -, dann muß man sich wirklich fragen: In welchen Kategorien denkt Heinrich Böll bereits? Doch nicht so wie der Deutsche Bundestag in seiner ganzen großen Mehrheit und wie jeder normale Mensch in diesem Land! Er denkt in einer arideren, uns nicht mehr verständlichen Kategorie. ({20})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Abgeordneter Dr. Zimmermann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wehner? - Bitte.

Herbert Wehner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002444, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Dr. Zimmermann, sollte man nicht, statt solche Zitate sozusagen dem Urteil eines politischen Gremiums zu überlassen, überlegen, ob das Gefühle sind, die insgesamt bewertet werden müssen, ehe man damit ihren Autor wegen eines Stückes daraus verurteilt? ({0}) - Was das soll? Ich bitte Sie: Das soll, daß wir uns nicht zum Richter machen in Sachen, in denen noch was zu retten ist! ({1})

Dr. Friedrich Zimmermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002597, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Wehner, dazu muß ich Ihnen sagen: Der von mir eben Zitierte hat sich viele Jahre lang als Publizist, als Literat, als Mahner, als Warner mit politischen Äußerungen in die öffentliche Diskussion begeben. Das ist sein gutes Recht. ({0}) Deswegen war es auch mein gutes Recht, ihn hier sozusagen öffentlich zu zitieren, nicht einmal, wie man sonst sagen könnte, mit ollen Kamellen, sondern mit ganz neuen Bekundungen. ({1})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Abgeordneter Zimmermann, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Lattmann?

Dr. Friedrich Zimmermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002597, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte sehr.

Dieter Lattmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001291, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Zimmermann, da Sie gerade ein Interview, dessen ganzen Wortlaut Sie so gut kennen wie ich, in einer sehr vereinfachenden Weise zitiert haben, frage ich Sie - ohne damit eine Partei irgendwie im ganzen zu meinen -: Stimmen Sie mir darin zu, daß es schon oft in unserer schwierigen deutschen Geschichte das Bestreben reaktionärer Kräfte war, kritische Geister aus Deutschland auszubürgern? ({0})

Dr. Friedrich Zimmermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002597, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe das nicht entnehmen können. Ich will Ihnen gerne darauf antworten. Ich glaube nicht, daß sich ein Mann wie der Nobelpreisträger Böll, dessen Werke und Erzeugnisse in der Bundesrepublik Deutschland, in Europa, in der deutschsprachigen Welt und darüber hinaus Erfolge gewesen sind, ein Mann, dem es hier immer gutgegangen ist, ein Mann, der sich hier frei äußern kann - was er tut -, ({0}) uns und dieser Diskussion stellen muß und sich nicht so larmoyant verhalten sollte, wie bei der Durchsuchung der Wohnung seines Sohnes, der das auch ertragen muß, so wie das in diesen Tagen Tausende von Bürgern in Köln ertragen mußten. Er sollte sich normaler benehmen. Er sollte sich wie ein normaler Bürger in diesem Lande benehmen, nicht so überspannt, nicht so larmoyant und nicht so verschroben, wie es sich hier äußert; denn das ist leider kennzeichnend für seinen Stil. ({1}) Es ist mir leider nicht möglich, sein ganzes Interview mit dem „Bayerischen Rundfunk" vorzulesen. Das werden Sie verstehen. Ich will darauf verzichten, viele weitere Zitate zu prägen, die die Thesen, die heute hier aufgestellt worden sind, untermauern würden, sondern nur noch eines aus dem Ausland anführen, weil uns in diesen Tagen immer wieder die Frage gestellt wird - von Journalisten aus Tages- und Wochenpresse, vom Fernsehen und aus der Offentlichkeit sowie auch von den Partnern im Deutschen Bundestag -, ob wir denn keine Angst vor dem hätten, was da an ausländischen Stimmen auf uns zugekommen sei und noch auf uns zukommen werde. Ich möchte als Antwort bezüglich der richtigen Beurteilung der Bundesrepublik Deutschland einen der bedeutendsten europäischen Journalisten zitieren. Indro Montanelli hat folgendes niedergeschrieben: Man muß dieses Deutschland, die letzte und einzige europäische Bastion, zerschlagen. Und da man es von außen nicht tun kann, muß man es von innen heraus tun. Sie haben es zuerst probiert mit dem Terrorismus, der nicht zufällig in Deutschland, also einem Land, das sich hierfür am wenigsten eignet, seine heftigsten und grausamsten Explosionen gezeitigt hat. Und jetzt probieren sie einen raschen und starken Gegenschlag mit dem Etikett des Nazismus zu versehen, indem sie die Gespenster der Vergangenheit ausgraben und gegen sie eine Hexenjagd veranstalten ... Mit allem können die Feinde der Demokratie sich abfinden, nur nicht mit einer stabilen, geordneten, reichen und selbstbewußten Demokratie, wie sie die deutsche ist. ({2}) Darauf können wir stolz sein. Auch solche Stimmen gibt es im Ausland. Sie sollten wir zitieren, anstatt vor anderen, ungerechten, fehlgeleiteten und absichtsvoll aus einer ganz bestimmten Ecke kommenden ausländischen Zitaten Angst zu haben. ({3}) Ich habe eigentlich erwartet, daß der Kollege Willy Brandt erscheinen und sich rechtfertigen würde. ({4}) Ich bin enttäuscht worden. Ich hätte gewünscht, daß er am Anfang seiner Rede nicht den baden-württembergischen Justizminister, dessen Rücktritt erfolgt ist, angeprangert hätte, sondern daß er ein Wort zu den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Hessen und Berlin gesagt hätte, dazu, ob da nicht etwas Gleiches möglich gewesen wäre. ({5}) Ich sage - nachdem er sich hier offenbar nicht zu entschuldigen vermag -: Es gäbe weniger politische und geistige Verwirrungen in diesem Lande, wenn sich Willy Brandt nicht so geäußert hätte, wie er das in den letzten Jahren immer wieder getan hat. ({6})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Abgeordneter Zimmermann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wehner.

Dr. Friedrich Zimmermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002597, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, ich bin beim letzten Satz. Ich bitte um Entschuldigung. ({0}) - Ich bin beim letzten Satz; ich bitte um Entschuldigung. Dieser letzte Satz lautet, meine Damen und Herren: In den letzten Wochen war die Stunde der Exekutive. Jetzt ist die Stunde des Parlaments. Handeln wir gemeinsam, wenn Ihnen das möglich ist! Wir sind zu jeder Unterstützung bereit. ({1})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Herr Bundesinnenminister.

Prof. Dr. Werner Maihofer (Minister:in)

Politiker ID: 11001414

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach der vielstündigen Debatte des Parlaments bleibt mir mit Rücksicht auf den Stand dieser Aussprache nur die Zeit zu einigen Zusatzbemerkungen, die sich aus der Sicht des Innenministers bei den heute beginnenden Gesetzesberatungen ergeben. Mit den Gesetzentwürfen, die heute zur Beratung anstehen, ist nur ein Teilbereich der zur Terrorismusbekämpfung getroffenen Maßnahmen berührt. Das ist uns ja allen klar. Ich meine, daß es deshalb notwendig ist, schon bei den Beratungen der vorliegenden Gesetzentwürfe stets zu bedenken, was darüber hinaus getan werden kann und muß; müssen doch alle diese Maßnahmen, die zur Bekämpfung des Terrorismus ergriffen werden, sollen sie nicht Stückwerk bleiben, in einem inneren Zusammenhang miteinander stehen und auch so von Anfang an gesehen werden. Nur dann können sie die Wirkung haben, die wir uns alle erhoffen. Deshalb stelle ich in meinem Beitrag die Frage und allein die: Wie sehen in diesen Gesamtzusammenhang die weiteren Maßnahmen im Polizeibereich aus, die die hier vorgeschlagenen Maßnahmen ergänzen sollen? Sie zielen einmal auf eine weitere Stärkung des Beitrages der Bundespolizeien, des BKA und BGS, zur bundesweiten, aber auch internationalen Bekämpfung der organisierten Bandenkriminalität, im besonderen des Terrorismus. Wie Sie wissen - und das möchte ich hier so leidenschaftslos sachlich wie möglich vortragen - hat das Bundeskriminalamt schon heute die gesetzliche Zuständigkeit für die Bekämpfung des internationalen Rauschgifthandels, Waffenhandels und Falschgeldhandels. Durch die von mir angeregten Vereinbarungen der Innenministerkonferenz vom 11. April 1975 ist diese Zuständigkeit auf die zentrale Steuerung der Bekämpfung des Terrorismus ausgedehnt worden. Bund und Länder haben auf der Grundlage dieser Beschlüsse - und das ist eine hocherfreuliche Feststellung - eine erfolgreiche Zusammenarbeit entwickelt. Ich meine, sie sollte nun unter sorgfältiger Auswertung der gemachten Erfahrungen auf eine dauerhafte gesetzliche Grundlage gestellt werden, die dem Bundeskriminalamt eindeutige Befugnisse auch bei der Verbrechensvorbeugung und der Gefahrenabwehr in diesem Bereich - und nur in ihm - gibt und damit den Beamten des Bundeskriminalamts bei der Ausübung ihrer originären Kompetenzen die vollen Polizeirechte sowohl bei der Tatortarbeit als auch Fahndungseinsätzen einräumt, ebenso wie den bei solchen Einsätzen ihm zu unterstellenden Polizeivollzugsbeamten des Bundesgrenzschutzes. Es geht hier nicht - dies möchte ich in aller Deutlichkeit herausstellen - um weitere Ausweitungen der Zuständigkeiten des Bundeskriminalamtes oder „Bundeskriminalpolizeiamtes", wie das Gesetz sagt, sondern ausschließlich um die folgerichtige Ausgestaltung der dem BKA schon bisher zugewiesenen oder eingeräumten Zuständigkeiten, im Sinne nicht nur einer Informationspolizei, die es ja heute weithin ist, sondern einer für diesen begrenzten Bereich - und nur für ihn - im Rahmen dieser originären Kompetenzen ebenso vollgültigen Präventiv- wie Exekutivpolizei. Ich möchte es noch einmal zugespitzter so ausdrücken. Nach der Gesetzeslage könnte sich das Bundeskriminalamt darauf zurückziehen, Terroristen zu identifizieren und sie zu öffentlicher Fahndung auszuschreiben, um danach die Ergreifung der Täter den Ländern zu überlassen. ({0}) - Dies hielte ich - Sie werden gleich hören, was ich davon halte; so einfach sehe ich gerade die Dinge nicht - angesichts der politischen Gesamtverantwortung, die Bund und Länder für die wirksame Bekämpfung solcher organisierten Bandenverbrechen tragen, für unverantwortlich. Ich glaube, hier stimmen wir vollkommen überein, Herr Schwarz. Hier kann man sich nicht auf juristische Interpretationen zurückziehen, und wenn sie noch so sehr Grund in den geltenden Gesetzen hätten. Was wir so mit der Änderung des BKA-Gesetzes anstreben, fasse ich dahin zusammen: die klaren gesetzlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß der Bund mit seiner Bundeskriminalpolizei im BKA und seiner Bundesvollzugspolizei im BGS, mit seinen Spezialkräften bis hin zur Tatortarbeit und zu den Fahndungseinsätzen vor Ort, ebenso wie mit seinen Spezialeinheiten bis hin zur GSG 9 seinen vollen selbstverantwortlichen Beitrag im engen Zusammenwirken der Polizeien von Bund und Ländern zu leisten vermag. Wir halten gar nichts von einer Hin- oder Herverlagerung der Kompetenzen der Polizeien auf die eine oder auf die andere Seite allein, sondern allenfalls etwas von einer schwerpunktmäßigen Stärkung der Zuständigkeiten für diese oder jene Bereiche auf der einen oder anderen Seite. Ohne Zusammenarbeit von Polizeien in Bund und Ländern isterfolgreiche Verbrechensbekämpfung in keinem Kriminalitätsbereich möglich. Ich bin Herrn Dregger deshalb dankbar für seine klaren Worte zur weiteren Stärkung der Möglichkeiten der Exekutiven im Bereich der Vorfeldbeobachtung terroristischer Organisationen durch den Verfassungsschutz in Bund und Ländern, aber auch der gezielten Verstärkung der Kräfte der Fahndung nicht nur im Bereich der Ermittlungen - worauf man sie ja gelegentlich zu verengen pflegt -, sondern auch im Bereich der Ergreifung der Täter selbst, die allein uns einen dauerhaften Erfolg bei Strafverfolgung und Gefahrenabwehr im Terrorismusbereich sichert. Um schlagwortartig noch einmal zusammenzufassen, wo für mich das Kernproblem überhaupt der künftigen Terrorismusbekämpfung liegt: Dem erreichten hohen Grad der Täteridentifizierung bis hin zu den Mordfällen Buback, Ponto und Schleyer muß eine ebensolche hohe Ergreifungsquote nachfolgen, ({1}) und zwar auch hier nicht durch Sondermaßnahmen des Bundes tallein, sondern durch ein noch engeres Zusammenwirken der Länder, mit einem noch stärkeren Beitrag auch des Bundes für diese Zusammenarbeit der Polizeien in Bund und Ländern bei der Terrorismusbekämpfung. Hier muß in der Tat - auch darin stimme ich mit Ihnen, Herr Dregger, überein; das möchte ich ausdrücklich nochmals unterstreichen - der zukünftige Schwerpunkt aller verstärkten Maßnahmen der Polizeien in Bund und Ländern liegen. Ich habe für den Bund alle erforderlichen organisatorischen Maßnahmen und finanziellen Vorkehrungen - auch im vorliegenden Haushaltsentwurf - in dieser Hinsicht getroffen. Andere legislative Maßnahmen im Innenbereich, für den ich in dieser Debatte zu sprechen habe, zielen, über 'die heute im Mittelpunkt der Beratungen stehenden Gesetzesänderungen des materiellen und formellen Strafrechts hinaus, auf die weitere Einschränkung der logistischen Möglichkeiten des organisierten Bandenverbrechens, insbesondere des Terrorismus. Dazu möchte ich abschließend noch ein grundsätzliches Wort sagen; denn hier liegt das andere kardinale Problem. Der Terrorismus mißbraucht bei seinen Operationen die weitreichenden Möglichkeiten, die eine moderne Industriezivilisation wie 'die unsere, die als freiheitliche Gesellschaftsordnung verfaßt ist, zur Herstellung perfekter Falschidentität bietet, mit der man in einer solchen Gesellschaft nicht nur unerkannt untertauchen kann, sondern unter falschem Namen unentdeckt Fahrzeuge mieten oder Wohnungen anmieten kann. 'Diese logistischen Möglichkeiten, 'die gleichsam die Kehrseite der Freiheit in unserer Gesellschaft sind - das muß man einfach sehen -, müssen den terroristischen Verbrechern durch einen Fächer von Präventivmaßnahmen verlegt oder doch erschwert werden: sich mit, wie heute möglich, vergleichsweise einfachen technischen Mitteln Personalpapiere mit Falschidentität zu schaffen und so unter falschem Namen Kraftfahrzeuge anzumieten, illegal Kraftfahrzeugkennzeichen zu verschaffen oder illegal Waffen zu 'beschaffen; aber auch sich durch Überfälle auf 'Geschäfte oder Banken Waffen oder Geld zu „besorgen". Hier sind bis in die letzten Wochen hinein bereits eine Fülle von faktischen Sicherungsmaßnahmen, wie etwa bei der Bankensicherung, geschaffen oder doch eingeleitet worden, die 'durch eine Reihe von legislativen Maßnahmen ergänzt werden müssen, wo dauerhafte bundesweite Präventivmaßnahmen, bis hin etwa zur Stärkung der äußeren Luftsicherheit, nur auf dem Wege bundeseinheitlicher Gesetzgebung sichergestellt werden können. Hier brauchen wir zuletzt für dauerhafte Lösungen doch den Gesetzgeber, soviel hier bisher schon durch Vereinbarungen, auch mit den Nächstbetroffenen, erreicht ist. Die zwischen Regierung und Opposition eingeleiteten Gespräche lassen ein großes Maß an Gemeinsamkeit auch und gerade bei diesen Präventivmaßnahmen erhoffen, von 'denen ich mir als Innenminister 'den größten Zuwachs an Sicherheit überhaupt gegenüber dem organisierten Verbrechen schlechthin erhoffe und nicht nur dem Terrorismus. Mit diesen Maßnahmen wird ohne wesentliche Verluste an bürgerlichen Freiheiten die notwendige Sicherheit im Kampf gegen das organisierte Bandenverbrechen und damit auch den Terrorismus wirksamer als auf anderem gesetzgeberischen Wegeerreicht. Auch dabei ergeben sich jedoch - darauf möchte ich zum Schlusse noch hinweisen - neuartige Notwendigkeiten internationaler Zusammenarbeit, könnten Maßnahmen zur Abwehr des Terrorismus innerhalb der Bundesrepublik auch und gerade in diesem präventiven Bereich 'doch immer nur eine Teilwirksamkeit entfalten, wenn sie sich nicht jenseits der Grenzen in internationale Zusammenarbeit umsetzen lassen. Hier ist nur eine Folgerung möglich: Dem international organisierten Verbrechen 'muß eine noch 'besser organisierte internationale Verbrechensbekämpfung ({2}) entgegengesetzt werden. Auch insoweit 'hat die Bundesregierung - Herr Schwarz, Sie wissen das genau schon lange vor jeder öffentlichen Erörterung dieser Fragen die politische Initiative bei befreundeten Staaten, vor allem der Europäischen Gemeinschaft, ergriffen und mit diesen zusammen neben einer bilateralen Zusammenarbeit eine solche der neun Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft in die Wege geleitet. Auf der Grundlage der auch von der Bundesregierung angeregten ersten Konferenz der für die innere Sicherheit zuständigen Minister der EG-Staaten am 29. Juni 1976 wurden nicht zuletzt auf unser Betreiben Arbeitsgruppen zu Fragen der Bekämpfung des Terrorismus, der Polizeitechnik, der Polizeiausbildung, der Abwehr äußerer Gefahren für die Luftsicherheit, des Schutzes von zivilen Kernkraftwerken und zivilen Nukleartransporten gebildet. Auf einer zweiten Ministerkonferenz am 31. Mai 1977 wurde auf meine Anregung hin die Zusammenarbeit auf die Kontrolle des An- und Verkaufs von Schußwaffen und des Waffenhandels erweitert. Hier überall hat - das ist meine, aus Erfahrung gewonnene Überzeugung - die Stunde der europäischen Innenpolitik, ja der Weltinnenpolitik geschlagen! Es ist offenkundig, daß die ausgezeichnete Zusammenarbeit vor allem mit den Sicherheitsbehörden der westlichen Nachbarstaaten bei der Fahndung nach den Mördern von Hanns Martin Schleyer mit auf die hier begonnene Zusammenarbeit auf politischer Ebene zurückzuführen ist. Wenn der Solidarität aller Demokraten in der Bundesrepublik eine internationale Solidarität der zivilisierten Nationen folgt, haben die Terroristen mit ihren Aktionen - so nüchtern möchte ich das sagen - keinerlei Chancen. Sie werden nicht nur in unserem Lande am Ende das Gegenteil von dem erreichen, was sie sich vorgenommen haben, nämlich einen „Riß" zwischen dem Staat und den sogenannten Massen, wie sie sagen, zu schaffen. In Wahrheit hat die menschenverachtende Bestialität dieses heutigen Terrorismus in den letzten Wochen nicht nur Regierung und Opposition zu entschlossener Gemeinsamkeit in der Abwehr dieser äußersten HerBundesminister Dr. Dr. h. c. Maihofer ausforderung unseres freiheitlichen Rechtsstaates zusammengeführt. Sie hat insgesamt unser Volk mit seinem Staat zu einer Einheit gebracht, einer politischen Identität und moralischen Identifikation, wie wir sie so nur in seltenen Augenblicken der jungen Geschichte unserer Bundesrepublik erlebt haben. Ebenso haben die jüngsten kriminellen Aktionen des internationalen Terrorismus auch die Gemeinschaft der Völker näher zusammenrücken lassen, wie die weltweite Anteilnahme an der Entführung und Ermordung Schleyers, aber auch die weltweite Erleichterung über die gelungene Erstürmung des entführten Flugzeugs und die unversehrte Befreiung der Geiseln in Mogadischu sichtbar gemacht hat. Mit dieser über alle nüchternen Erwartungen hinaus gelungenen polizeilichen Operation, mit der junge Männer unseres Landes ihr Leben gewagt haben, um das Leben anderer Menschen aus schier hoffnungsloser Lage zu retten, ist auch ein Exempel der Solidarität zwischen zivilisierten Nationen gesetzt worden, ({3}) das, wenn es in vergleichbaren Fällen Beispiel für zwischenstaatliches Verhalten werden wird, den internationalen Terrorismus einer seiner entscheidendsten Wirkungsmöglichkeiten berauben wird. Wenn wir auch weiterhin nach gutem polizeilichen Grundsatz mit dem Schlimmsten werden rechnen müssen, die bedrückenden wie erfreuenden Ereignisse der letzten Wochen haben uns eine kostbare Erfahrung geschenkt: daß die Terroristen mit ihrer Bestialität diesen Staat nicht zu zerstören vermochten, sondern im Gegenteil in seiner rechtstaatlichen Entschlossenheit nur gestärkt haben. So werden die Terroristen auch international die Solidarität der zivilisierten Nationen nicht zerbrechen, sondern, wie sich in den letzten Wochen abzuzeichnen beginnt, diese volle internationale Solidarität im weltweiten Kampf gegen den internationalen Terrorismus gegen ihren Willen überhaupt erst herstellen. Diese ermutigenden Erfahrungen können Regierung und Opposition nur darin bestärken, ihre im Handeln der letzten Wochen gewonnene Gemeinsamkeit auch in diese Gesetze zur Bekämpfung des Terrorismus einzubringen„ mit deren Beratung dieses Hohe Haus heute den Anfang macht. Ich meine, die Bürger unseres Landes erwarten dies und nichts sonst von uns in dieser Stunde. ({4})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Ich schlage Ihnen vor, daß wir zunächst über die Punkte 20 bis 25 entscheiden. Es liegen hierzu Überweisungsvorschläge des Ältestenrates vor. Ergänzungen oder Änderungen werden nicht gewünscht. Wer diesen Vorschlägen zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen. Wir kommen nunmehr zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 23. September 1971 zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrt, Drucksache 8/216. Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses liegen auf der Drucksache 8/1057 vor. Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe die Artikel 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift auf und verbinde die Abstimmung in der zweiten Beratung mit der Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen Damen und Herren des Hauses, die dem Gesetz zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest: keine Gegenstimmen, keine Stimmenthaltungen. Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 9. November 1977, 13 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.