Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll zunächst Punkt 5 'der Tagesordnung aufgerufen werden. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann rufe ich Punkt 5 der Tagesordnung auf:
a) Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU Entwicklungspolitik
- Drucksachen 8/345, 8/879 -
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Strauß, Niegel, Dr. Hupka, Dr. Stercken, Dr. Marx, Dr. Abelein, Graf Huyn, Sick, Graf Stauffenberg, Regenspurger, Dr. Becher ({0}), Lagershausen, Biehle, Dr. von Wartenberg, Dr. Möller, Dr. Klein ({1}), Helmrich, Dr. Müller, Hartmann, Ey, Spilker, Dr. Rose, Pieroth, Sauer ({2}), Wahlrabe, Böhm ({3}), Amrehn und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU
Konsulat in Windhuk/Süwestafrika - Drucksache 8/742 ({4}) -
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Auswärtiger Ausschuß
c) Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/ CSU
Verbesserung der Information über Entwicklungsprojekte durch die Bundesregierung
-'Drucksache 8/696 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit ({5}) Ausschuß für Wirtschaft
Sportausschuß
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Todenhöfer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf die Große Anfrage der CDU/CSU-Fraktion auf die wachsende Bedeutung der Entwicklungspolitik hingewiesen. Ihre konkrete Politik wird dieser Bedeutung leider nicht gerecht.
Die Bundesregierung sucht und sieht die Ursachen der Spannungen zwischen Entwicklungsländern und Industrieländern vor allem im bestehenden Wohlstandsgefälle. Es wäre gut, wenn die Bundesregierung zur Kenntnis nähme, was - nach unserer Auffassung zu Recht - Weltbankpräsident McNamara auf der letzten Jahrestagung der Weltbankgruppe festgestellt hat. McNamara führte dort aus, es sei niemals ein realistisches Ziel der Entwicklungspolitik gewesen, die Lücke zwischen dem Pro-Kopf-Einkommen der Industrieländer und der Entwicklungsländer zu schließen. - Die Ungleichheit zwischen Entwicklungsländern und Industrieländern läßt sich auch mit Hilfe einer noch so wirkungsvollen Entwicklungspolitik nicht beseitigen. Es ist an der Zeit, das auch einmal im Deutschen Bundestag offen auszusprechen.
Wir haben die Bundesregierung gefragt, mit welchem Konzept sie dem Problem der Ungleichheit, vor dem wir immer stehen werden, die Schärfe nehmen will. Eine zufriedenstellende Antwort haben wir nicht erhalten. Offensichtlich besitzt die Bundesregierung weder den Mut noch die Fähigkeit gegenüber der weltweit verbreiteten Ideologie der Gleichmacherei, die auch die Entwicklungspolitik erfaßt hat, eine offensive geistige Auseinandersetzung zu führen.
Die CDU/CSU lehnt die Forderung ab, für alle Menschen und für alle Länder ein egalitäres Wohlstandsniveau zu schaffen. Das Ziel unserer Entwicklungspolitik ist Chancengerechtigkeit, aber nicht Gleichheit. Wir treten dafür ein - um mit Bernhard Shaw zu sprechen -, den Armen die Chance zu sisichern, reicher zu werden, ohne daß die Reichen dabei ärmer werden müssen. Wir überlassen es den dogmatischen Marxisten, den allgemeinen Wohlstand der Menschheit dadurch herbeiführen zu wollen, daß man ihn auf einer Stufe nivelliert, die dem Fähigen und Strebsamen jeden Anreiz zur Leistungssteigerung nimmt.
Wir bedauern, daß die Linke innerhalb der SPD sich ausgerechnet die Entwicklungspolitik als Experimentierfeld für ihre sozialistischen Ideen ausgesucht hat. Mit dem Marxismus, der Sumpfblüte des Nihilismus, sind die Probleme der Dritten Welt nicht zu lösen.
Liest man die Antwort der Bundesregierung auf unsere Große Anfrage, so scheint die Bundesregierung - zumindest verbal - entschlossen, zum Abbau der Ressentiments gegen die bestehende Weltwirtschaftsordnung beizutragen. Wir hoffen, die Bundesregierung hat dies auch dem SPD-Vorsitzenden Willy Brandt mitgeteilt, der als Vorsitzender der Sozialistischen Internationale nicht müde wird, für eine sozialistische „Neue Weltwirtschaftsordnung" zu werben. Dieser, unter dem Begriff „Neue Weltwirtschaftsordnung" propagierten, in Wahrheit sozialistischen Weltwirtschaftsunordnung, setzt die CDU/CSU als Alternative eine „Internationale Soziale Marktwirtschaft" entgegen.
Eine Politik, die sich die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Dritten Welt nicht nur verbal zum Ziel gesetzt hat, muß eine freie und soziale Weltwirtschaftsordnung anstreben. Auf der einen Seite muß sie die Grundsätze des freien Welthandels bewahren, ja sie muß diesen ausbauen; auf der anderen Seite muß sie die Möglichkeit bieten, unterschiedlich entwickelten Ländern und Ländergruppen gezielte und differenzierte Hilfen zu gewähren. Dies bedeutet für die Praxis:
1. Die Industrieländer müssen ihre Märkte für die Waren der Entwicklungsländer schrittweise weiter öffnen.
2. Da dies unvermeidlich zu Strukturveränderungen bei uns und vor allem in anderen Industrieländern führen wird, ist eine wirkungsvollere, allerdings marktkonforme Strukturpolitik erforderlich.
3. Dem Plan eines Integrierten Rohstoffprogramms mit einem Gemeinsamen Fonds setzen wir als Alternative ein wirkungsvolles System der Exporterlösstabilisierung entgegen.
4. Den Ländern der Dritten Welt muß mit einer gezielten - ich betone, gezielten - Erhöhung der Entwicklungshilfe geholfen werden.
({0})
Natürlich verlangt ein solches Konzept insbesondere dort, wo es um eine weitere Öffnung der Märkte geht, von den verantwortlichen Politikern einigen Mut zu unpopulären Entscheidungen. Aber wer diesen Mut zu unpopulären Entscheidungen nicht aufbringt, verstößt gegen eine der selbstverständlichsten Pflichten jedes demokratischen Politikers, nämlich nicht nur die Interessen der heutigen Generation wahrzunehmen, sondern zugleich die Interessen 'der kommenden Generationen im Auge zu halten. Wer die Antwort auf die immer komplizierter werdenden Probleme des Nord-Süd-Verhältnisses der nächsten Generation überläßt, handelt nicht nur unsolidarisch gegenüber den Entwicklungsländern, sondern ebenso unsolidarisch gegenüber den kommenden Generationen.
({1})
Die CDU/CSU-Fraktion würde es allerdings sehr begrüßen, wenn die Vertreter der Bundesregierung in der internationalen Diskussion endlich einmal klar und unmißverständlich aussprächen, daß die Entwicklungsländer nicht deshalb arm sind, weil die
Industrieländer reich sind. Eine solche plakative Tatsachenverdrehung dient weder den Entwicklungsländern, noch kann sie die Bereitschaft der Menschen hierzulande fördern, verstärkt der Dritten Welt zu helfen.
Rationale Entwicklungspolitik ist so lange nicht möglich, als sie Ausfluß eines von der internationalen Linken eingepflanzten und gepflegten schlechten Gewissens ist.
({2})
Die Union sagt ja zur Entwicklungshilfe, aber aus dem Gefühl der Solidarität und im Wissen um die wechselseitige Abhängigkeit aller Länder, aber nicht zur Beruhigung des schlechten Gewissens linker Gleichheitsapostel.
Die Bundesregierung nennt in ihrer Antwort Kooperation und Partnerschaft als Ziele ihrer Politik. Das hört sich gut an. Wie aber sieht die Wirklichkeit aus? Lassen Sie mich das an zwei Beispielen erläutern:
Erstens. Bundeskanzler Schmidt hat vor der Schlußrunde der Konferenz für Internationale Wirtschaftliche Zusammenarbeit in Paris, der KIWZ, erklärt, in einem konstruktiven Dialog könnten die Entwicklungsländer nicht immer nur nehmen, sie müßten auch zu geben bereit sein. So müßten die Sicherheit von Privatinvestitionen der Industrieländer und die Sicherung eines kontinuierlichen und ausreichenden Erdölangebots gewährleistet sein.
Leider blieb am Ende der KIWZ von dieser Forderung nicht mehr viel übrig. Die Entwicklungsländer waren zu keinem nennenswerten Kompromiß bereit, und dies, obwohl die Industrieländer ihre Angebote nicht nur ungeschmälert aufrechterhielten, sondern darüber hinaus auch noch folgenschwere ordnungspolitische Zugeständnisse machten.
Meine Damen und Herren, kommt es da nicht schon fast einer Verhöhnung der Industrieländer gleich, wenn nunmehr in der Vollversammlung der Vereinten Nationen die Entwicklungsländer den Industrieländern vorwerfen, sie hätten beim Nord-Süd-Dialog keine Bereitschaft gezeigt, auf die Probleme der Entwicklungsländer überhaupt einzugehen? Ist das die Kooperation und Partnerschaft, die die Regierung meint?
Zweitens. Vor allem im Umgang mit Afrika hat die Bundesregierung einen eigentümlichen Stil von Partnerschaft entwickelt. Sie nimmt es wider-spruchlos hin, wenn der Generalsekretär der Organisation Afrikanischer Staaten, der OAU, in einer Diskussion über die angebliche deutsche militärische und nukleartechnische Zusammenarbeit mit der Republik Südafrika zynisch bemerkt, er kenne zwar die offiziellen Bonner Beteuerungen, besitze aber entgegengesetzte Informationen, die er für glaubwürdiger halte, stammten sie doch von der Anti-Apartheid-Bewegung in der Bundesrepublik Deutschland.
({3})
Und, Herr Außenminister: Muß es nicht wie eine
schallende Ohrfeige empfunden werden, wenn ein afrikanischer Botschafter einen Staatssekretär Ihrer Regierung, Herrn Rohwedder, als dieser auf dem Entwicklungspolitischen Forum der SPD die Position der Bundesregierung zur Rohstoffpolitik darstellte, als einen „Niveausenker" charakterisierte?
Herr Außenminister, das sind nur einige wenige Beispiele. Daß die Bundesregierung und daß Sie dies kommentarlos hinnehmen, ist für uns weniger ein Ausdruck von Partnerschaft und Kooperation, sondern eher ein Zeichen von Würdelosigkeit.
Meine Damen und Herren, nicht überzeugend ist für uns auch jener Teil der Antwort der Bundesregierung, der sich mit den Grundfragen der internationalen Wirtschaftsbeziehungen auseinandersetzt. Einerseits - so behauptet jedenfalls die Bundesregierung - trete sie für marktwirtschaftliche Strukturen ein. Andererseits unterstützt sie die Errichtung eines Gemeinsamen Fonds. Ist die Bundesregierung wirklich nicht in der Lage, die Unvereinbarkeit zwischen marktwirtschaftlichen Strukturen und einem Gemeinsamen Fonds zu erkennen, der die planwirtschaftliche Schlüsselrolle für die postulierten Ziele des Integrierten Rohstoffprogramms spielt?
Meine Damen und Herren, in ordnungspolitischen Fragen dürfen keine falschen Zugeständnisse gemacht werden.
({4})
Sie gehen nicht nur zu Lasten der Zukunftschancen der Industrieländer, sondern auch zu Lasten der Entwicklungsländer. Wir fordern deshalb die Bundesregierung auf, von ihrer bisherigen Konferenzphilosophie abzugehen, jedes Konferenzergebnis müsse - koste es was es wolle - der sogenannten „Kooperation" zuliebe akzeptiert zu werden.
({5})
Meine Damen und Herren, in unserer Großen Anfrage haben wir die Sorge ausgesprochen, daß in der internationalen Nord-Süd-Diskussion immer mehr über eine globale Umverteilung der Ressourcen und immer weniger über den richtigen Entwicklungsweg der einzelnen Entwicklungsländer gesprochen wird. Auch hier bleibt uns die Bundesregierung den Beweis schuldig, daß sie bereit und fähig wäre, für diese Diskussion einen glaubwürdigen und praktikablen Beitrag zu leisten. Wie unfähig sie dazu ist, haben eine Reihe gewiß unverdächtiger Experten vor kurzem festgestellt. In einem im Juni veröffentlichten Gutachten stellt der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Frau Schlei, lakonisch fest:
Durch das ... Nebeneinander von Zielen zahlreicher Politikbereiche bei Fehlen eindeutiger Prioritäten ... läuft die Entwicklungshilfe Gefahr, der Konzeptionslosigkeit anheimzufallen.
({6})
Ein leider zutreffendes Urteil des Wissenschaftlichen Beirates.
Welcher Konzeptionswirrwarr in dem zuständigen Ministerium tatsächlich herrscht, erhellt sich aus der Aufzählung der allein in den vergangenen zwei Jahren immer neu formulierten Schwerpunkte und Zielorientierungen der regierungsoffiziellen Entwicklungspolitik. Da wurden genannt: Förderung der sozialen Entwicklung, Förderung des Mediensektors, Auslastung deutscher Produktionskapazitäten, Förderung der ländlichen Regionen, Verbesserung der elementaren Lebensbedingungen, Wüstenbekämpfung, Verbesserung der Stellung der Frau, Schaffung von Arbeitsplätzen in den Entwicklungsländern, Erhaltung der Arbeitsplätze in der Bundesrepublik Deutschland, Stärkung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit der Entwicklungsländer, Sicherung deutscher Exporte usw.. usf. Dieser verwirrende Pläne- und Prioritätenkatalog ist noch nicht einmal vollständig. Im Entwicklungsministerium gilt offensichtlich die Devise: Quot capita, tot sensus - zu deutsch: Jeder Referent im Entwicklungsministerium hat offenbar seine eigene entwicklungspolitische Konzeption.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung sollte in diesem Zusammenhang den Rat ihres Wissenschaftlichen Beirates beherzigen, der ausführt:
Statt die bisher vorhandenen Zielbündel durch weitere Vorstellungen zu belasten, erscheint . . . eine grundlegende Neubesinnung auf die realistischen Möglichkeiten und Ziele als dringend notwendig.
Dem hätten auch wir nichts hinzuzufügen außer der Frage, wann die Bundesregierung diese Neubesinnung durchzuführen gedenkt.
({7})
Meine Damen und Herren, auch hinsichtlich der Bewertung der Qualität der deutschen Entwicklungshilfe scheint die Bundesregierung sich nicht mehr im Einklang mit ihrem Wissenschaftlichen Beirat zu befinden. So konstatiert der Beirat in seinem bereits mehrfach erwähnten Bericht:
Die über zwei Dekaden gewonnenen Erfahrungen mit der Entwicklungshilfe nähren Zweifel, ob das überkommene Instrumentarium geeignet ist, wesentliche Beiträge zur Verbesserung der elementaren Lebensbedingungen weiter Kreise der Bevölkerung in den Entwicklungsländern zu leisten.
Und dann folgt das vernichtende Urteil. Es heißt:
Die sozialen Oberziele der entwicklungspolitischen Konzeption der Bundesrepublik Deutschland - Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung, Förderung des sozialen Fortschritts - hatten in den letzten Jahren kaum einen Einfluß auf Projekte, Programme und Politik.
({8})
Vernichtender, Frau Schlei, geht es nicht mehr.
({9})
Die CDU/CSU fordert daher die Bundesregierung auf, endlich einmal realistische Zielsetzungen und
Prioritäten vorzulegen. Wenn Sie dazu bereit sind, werden wir Sie dabei auch unterstützen.
Wir fordern die Bundesregierung ferner auf, bei ihrer entwicklungspolitischen Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern stärker als bisher, wenn auch unter gegenseitiger Beachtung der Souveränität, in ein Gespräch über realistische Entwicklungswege der einzelnen Entwicklungsländer einzutreten und dabei auch auf die Bedeutung der Ordnungspolitik hinzuweisen. Eine entwicklungspolitische Diskussion, die sich unter Vernachlässigung dieser politischen Zusammenhänge nur auf konkrete Projekte konzentriert, wird weitgehend unwirksam bleiben müssen. Zur bloßen Projektabwicklung, Frau Minister Schlei, brauchen wir kein Entwicklungsministerium.
({10})
Dem Entwicklungsministerium ist im übrigen der ständige Wechsel an seiner politisch verantwortlichen Spitze, den wir seit Jahren beobachten, schlecht bekommen. Ein solcher Stafettenlauf in der Ministeretage muß sich zwangsläufig nachteilig auf die Arbeit des Ministeriums auswirken. Eine kontinuierliche Politik wird dadurch nahezu unmöglich gemacht.
Man sollte dafür heute nicht jene verantwortlich machen, die vor Ort die Versäumnisse der Führung auszubaden haben. Die Projektleiter und die häufig ganz auf sich allein gestellt arbeitenden Entwicklungshelfer und Experten in Afrika, Asien und Lateinamerika haben es ohnehin schwer genug , ihren Auftrag zu erfüllen. Sie müssen versuchen, die am Grünen Tisch entworfenen Projekte zu verwirklichen, häufig unter Bedingungen, die sich die politische Führung nicht einmal im Traum vorstellen kann.
Am schwersten wiegt jedoch das Fehlen eines realistischen politischen Konzeptes der Bundesregierung. Man braucht nur an das monatelange Gerede der für die Politik des BMZ ressortverantwortlichen Frau Minister Schlei und der sozialdemokratischen Entwicklungsexperten über das Thema „Marshallplan für die Dritte Welt" zu erinnern.
Die Antwort der Bundesregierung auf unsere Frage zu diesem Thema kann man nur als den - allerdings untauglichen - Versuch bewerten, zu vertuschen, welch nachteilige Wirkung diese ständigen Ankündigungen in der Dritten Welt hervorgerufen haben.
Eine weitere Fehlleistung hat Frau Schlei in ihrer ich will es einmal vorsichtig sagen - ökonomischen Unbekümmertheit
({11})
im April auf der Industriemesse in Hannover dem staunenden Publikum verkündet. Sie erklärte dort: Sie könne sich durchaus „Resolutionen vorstellen, die nicht nur Rohstoffe, sondern auch technisches Wissen zum gemeinsamen menschlichen Erbe erklärten" .
({12})
Erfreulicherweise hat Staatssekretär Rohwedder Anfang Juli dies gerade noch rechtzeitig korrigiert.
({13})
Er wies zu Recht darauf hin, man könne von den Industrienationen schlechterdings nicht erwarten, daß sie das Ergebnis langer und kostspieliger Arbeiten, daß sie ihre Technologie allen Nationen ohne Gegenleistung zur Verfügung stellten.
Ich frage mich, ob Frau Minister Schlei wirklich weiß, was die Verwirklichung ihrer Forderung für die Zukunft der hochtechnologisierten Bundesrepublik Deutschland bedeuten würde.
({14})
Denselben amateurhaften Dilettantismus zeigt der Plan von Minister Schlei, durch höhere Entwicklungshilfe die deutsche Konjunktur anzukurbeln. Wie ist es eigentlich zu erklären, daß Frau Schlei in all den Monaten ihrer Amtszeit im BMZ noch immer nicht begriffen hat, daß Kapitalhilfeprojekte in Milliarden-Höhe nicht in einem Jahr durchzuziehen sind, sondern daß dazu zwei bis zwölf Jahre erforderlich sind? Wochenlang ist ein ganzes Ministerium diesem von Frau Schlei aufgesetzten Irrlicht nachgerannt, statt sich mit vernünftiger Planungsarbeit beschäftigen zu können. Wen wundert es da noch, daß in der deutschen Bevölkerung, als sie hörte, sie solle zugunsten eines dubiosen entwicklungspolitischen Programms auf die längst fälligen und notwendigen Steuererleichterungen verzichten, keine positivere Einstellung zur Entwicklungshilfe erwuchs.
Mit der zur Zeit laufenden Anzeigenserie des Entwicklungsministers, die nach Presseberichten sogar das Außenministerium als eine Katastrophe abqualifizierte, kommt man da auch nicht weiter.
({15})
In diesem einen Fall, Herr Außenminister, können wir Ihnen ausnahmsweise voll und ganz beipflichten.
Diese Zustimmung allerdings müssen wir, Herr Außenminister, der Politik versagen, mit der Sie und die Bundesregierung glauben, der kommunistischen und sowjetischen Expansion in der Dritten Welt entgegentreten zu können.
Mit der Bestätigung und der Beschreibung allein, Herr Außenminister, daß der kommunistische Einfluß in Afrika und Südostasien in den letzten Jahren gewachsen sei, daß die Sowjetunion an der West-und Ostküste Afrikas Fuß gefaßt habe, daß es den kommunistischen Staaten gelungen sei, den afrikanischen Völkern eine „natürliche" Interessenidentität mit dem sozialistischen Lager zu suggerieren, daß es das Ziel des Warschauer Pakts sei, auf dem Wege über die Schaffung politisch-militärischer Einflußzonen das globale Kräfteverhältnis zuungunsten des Westens zu verschieben, daß sich die Zahl des militärischen Instruktionspersonals aus den kommunistischen Staaten in der Zeit von 1973 bis 1976 vervierfacht habe und daß schließlich allein seit 1975
Waffenlieferungsabkommen in einem Gesamtwert von nahezu 30 Milliarden DM geschlossen wurden, Herr Außenminister, mit dieser Bestätigung und Beschreibung allein ist es doch wahrhaftig nicht getan.
Was wir wissen wollen, ist folgendes: Was gedenkt die Bundesregierung und was gedenken Sie zu tun, um dieser Mächteverschiebung, dieser Verschiebung des Gleichgewichts in der Dritten Welt entgegenzuwirken? Das ist hier doch die Frage.
Meine Damen und Herren, so hätten wir gern gewußt, wie die Bundesregierung ihrer begrüßenswerten Anregung an die Staaten des Warschauer Pakts Nachdruck verleihen will, sich an dein wirtschaftlichen Aufbau der Entwicklungsländer aktiv zu beteiligen, statt Waffen und Ideologien dorthin zu exportieren.
Herr Außenminister, die Bundesregierung rühmt sich ferner ihrer eigenen restriktiven Rüstungsgüter-Exportpolitik. Aber auch das kann doch wahrhaftig kein Gegengewicht gegen die tatsächlichen Waffenexporte des kommunistischen Lagers sein!
({16})
Wir hätten gern mehr und Genaueres auch darüber erfahren, wie die Bundesregierung jenen Entwicklungsländern, die wirklich um die Blockfreiheit ringen, verständlich und glaubhaft machen will, daß sie, die Bundesregierung, vor allem in undifferenzierter Weise - ich unterstreiche: in undifferenzierter Weise - an Staaten Entwicklungshilfe leistet, die sich nicht nur zum sozialistischen Lager rechnen, sondern darüber hinaus noch in anderen Entwicklungsländern aktiv die außenpolitische und militärische Globalstrategie der Sowjetunion unterstützen.
Wie wollen Sie, Herr Außenminister - um ein Beispiel zu nennen -, gegenüber anderen Entwicklungsländern überzeugend und glaubwürdig die Tatsache rechtfertigen, daß Sie der Regierung der Volksrepublik Angola nun schon seit eineinhalb Jahren auf geradezu peinliche Art und Weise mit dem Angebot von Entwicklungshilfe nachlaufen, obwohl dieses Regime mit kommunistischer, russischer Waffenhilfe und kubanischen Söldnern an die Macht gekommen ist und an der Macht ist? Wie wollen Sie das rechtfertigen?
({17})
Herr Außenminister, wie wollen Sie Ihre Politik vor dem Hintergrund der Tatsache rechtfertigen, daß sich die Sowjetunion in vielen Ländern auf militärische und politische Einflußnahmen beschränkt und die westliche Hilfe, sofern sie unpolitisch gegeben wird, als flankierende Maßnahme ihrer eigenen Strategie wertet?
Auch wir wissen natürlich, Herr Außenminister, daß die Bundesrepublik Deutschland allein keine umfassende Gegenstrategie gegen das sowjetische und kommunistische Vordringen in der Dritten Welt entwickeln und realisieren kann. Aber das, was die Bundesregierung hier als Strategie anbietet, ist in
jeder Beziehung ungenügend, teilweise sogar unglaubwürdig.
({18})
Meine Damen und Herren, die CDU/CSU vertritt für den engeren Bereich der deutschen Entwicklungshilfe die Auffassung, daß Entwicklungshilfe nur dann geleistet werden darf, wenn eine wirkungsvolle partnerschaftliche Zusammenarbeit möglich und politisch vertretbar ist. Das aber ist höchst problematisch 1. bei kommunistischen Entwicklungsländern, 2. bei Entwicklungsländern, die sich in die offensive sowjetische Globalstrategie der Dritten Welt einordnen, 3. bei Entwicklungsländern, die in regionale Konflikte verwickelt sind und friedensgefährdende radikale Positionen beziehen, sowie 4. bei Ländern, die den internationalen Terrorismus fördern. Hier ist deutsche Entwicklungshilfe äußerst problematisch.
Umgekehrt muß - natürlich unter Beachtung der allgemeinen entwicklungspolitischen Kriterien - die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den Ländern, die sich auf Grund ihrer positiven außenpolitischen Haltung und wegen ihrer Bedeutung für die internationale Stabilität als Partner besonders anbieten, endlich verstärkt werden.
({19})
Wir müssen unsere Freunde in der Dritten Welt stärker als bisher unterstützen.
Zum Thema südliches Afrika drei Punkte! Erstens. Ich gehe davon aus, daß die Ablehnung der Apartheid und jeder Form von Rassendiskriminierung in diesem Hause unumstritten ist.
({20})
Zweitens. Die CDU/CSU ist der Auffassung, daß die Probleme der Republik Südafrika anders strukturiert sind als die Entkolonisierungsprobleme anderer Länder. Lassen Sie mich eines -deutlich sagen: Die Weißen in Südafrika sind Afrikaner, sie haben keine andere Heimat. Die weiße Bevölkerung in Südafrika hat eine beachtliche zivilisatorische Leistung vollbracht und für ihren Bereich - ich betone ausdrücklich: für ihren Bereich - eine westliche Kultur und eine demokratische politische Ordnung geschaffen.
Ich sage dies trotz der Ereignisse der letzten Tage, die ich ausdrücklich bedauere. Das Vorgehen der südafrikanischen Regierung auch gegen gemäßigte Schwarze und Farbige bedeutet natürlich einen Rückschritt im Bemühen um eine friedliche Lösung. Allerdings muß mit derselben Deutlichkeit gesagt werden, daß diejenigen, die Südafrika durch lautstarke Verurteilungen in die politische Isolation getrieben haben, an dieser Entwicklung nicht unschuldig sind.
({21})
Die CDU/CSU-Fraktion tritt dafür ein, daß in der Republik Südafrika den schwarzen und farbigen Bevölkerungsgruppen die gleichberechtigte Teilnahme am politischen Entscheidungsprozeß ermöglicht werden muß. Dies ist allerdings nach unserer Auffas3978
sung nur in einem selbstgewählten föderativen System möglich, das allen Bevölkerungsgruppen - auch der weißen - die Wahrung ihrer politischen und kulturellen Identität ermöglicht.
({22})
Die Forderung, in der Republik Südafrika einen Einheitsstaat zu schaffen, käme der Aufforderung zum kollektiven Selbstmord gleich; das kann niemand von den Weißen in Südafrika verlangen.
Drittens. Es sollte eigentlich in diesem Hause unumstritten sein, daß die deutsche Politik im südlichen Afrika ausschließlich friedliche Lösungen anstreben und fördern darf. Verbal hat die Bundesregierung dies auch mehrfach bestätigt, nicht zuletzt in der vor uns liegenden Antwort auf unsere Große Anfrage. Darin heißt es:
Eine Zusammenarbeit
- mit 'Befreiungsbewegungen findet ihre Grenze dort, wo die Zielsetzung der Befreiungsbewegung mit gewaltsamen Mitteln verfolgt wird.
Das liest sich auf den ersten Blick gut. Aber was heißt das für die politische Praxis? Heißt das, daß die Bundesregierung jede Zusammenarbeit mit Befreiungsbewegungen, die Gewalt anwenden, nun endlich ablehnt? Sie wissen, daß die CDU/CSU dies außerordentlich begrüßen würde.
Aber bei den Beratungen der Bundesregierung zur Großen Anfrage der CDU/CSU hat das Entwicklungsministerium nach Presseberichten zu Protokoll gegeben, daß dies nur so zu verstehen sei, daß keine Waffen geliefert werden sollen. Das ist etwas ganz anderes. Ist die Bundesregierung also bereit, sogenannte Befreiungsbewegungen durch Jeeps und Funkgeräte - um einmal Herrn Bahr zu zitieren - zu unterstützen, auch wenn diese Organisationen Gewalt und Terror gegen Zivilpersonen, d. h. also auch gegen Frauen, Kinder und ältere Männer anwenden?
({23})
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich mit unmißverständlicher Klarheit sagen: Wer dies zuläßt, macht sich der aktiven Unterstützung von Mord und Terror schuldig.
({24})
Die CDU/CSU-Fraktion ist nicht bereit, diesen Weg mitzugehen.
({25})
Wie wollen Sie den Widerspruch innerhalb der Koalition aufklären zwischen der Versicherung der Bundesregierung in ihrer Antwort auf unsere Große Anfrage, sie - die Bundesregierung - nutze
Gelegenheiten zum Meinungsaustausch mit Befreiungsbewegungen ... zur Förderung eines friedlichen Übergangs zur Unabhängigkeit,
und jener Äußerung von Frau Minister Schlei, die erklärte:
.. alle diese Freiheitsbewegungen sind in gewisser Weise militant. Das Volk von Zimbabwe, das Volk in Namibia, sie wollen keine hinhaltenden Friedensparolen mehr hören?
Was gilt nun? Das, was die Bundesregierung hier in ihrer Antwort auf unsere Große Anfrage erklärt, oder das, was Frau Schlei an anderer Stolle immer wieder in Gemeinsamkeit mit Herrn Bahr erklärt?
Mit der Aussage der Bundesregierung, sie unterstütze nur friedliche Lösungen, ist auch nicht vereinbar, daß in Selebi Pikwe in Botsuana auf Grund einer deutschen Finanzierungszusage ein Sammel-, Durchgangs- und Rekrutierungslager für zukünftige Guerillas gebaut wurde, die zum größten Teil zur militärischen Ausbildung in Lager der prokommunistischen „Patriotischen Front" nach 'Sambia ausgeflogen werden.
Ich habe mich an Ort und Stelle von diesem Tatbestand überzeugt, ich habe Beweise und Zeugen, ich habe dies mehrfach öffentlich belegt. Ich bleibe bei dem Vorwurf: Die Bundesregierung unterstützt mit deutschen Steuergeldern im südlichen Afrika die Sache der Gewalt!
({26})
Sie von der Koalition können dies alles - wie schon in der Vergangenheit - hier im Deutschen Bundestag bestreiten. Über 'eines sollten Sie sich jedoch im klaren sein: Sie täuschen nicht meine Fraktion. Wir lassen uns von Ihnen nicht mehr täuschen. Sie täuschen den deutschen Steuerzahler. Sie täuschen ihn über die Verwendung deutscher Steuermittel für Zwecke 'der Entwicklungshilfe.
Meine Damen und Herren, Selebi Pikwe in Botsuana ist doch gar kein Einzelfall.
({27})
So hat die Bundesregierung - um nur einige Beispiele zu nennen - über die Regierung von Sambia den rhodesischen Befreiungsbewegungen humanitäre Hilfe zugesichert. Frau Minister Schlei 'hat öffentlich eingestanden, daß diese Hilfe nur der „Patriotischen Front" zugute kommen solle und nicht etwa z. B. der von Bischof Muzorewa geführten gemäßigten Bewegung. Sieht so die „friedliche Lösung" aus, 'die Sie unterstützen wollen?
Ein drittes Beispiel. Die -der SPD nahestehende Friedrich-Ebert-Stiftung bereitet mit Zustimmung und Finanzierung durch die Bundesregierung, also mit 'deutschen Steuergeldern, ein- Projekt vor, 'das ausschließlich einer jener rhodesischen Befreiungsbewegungen zugute kommen soll, die sich eindeutig für Gewalt und Terror entschieden haben. Wollen Sie auch das dementieren?
Meine Damen und Herren, die CDU/CSU lehnt eine derartige Verwendung von Steuergeldern mit aller Entschiedenheit ab.
({28}) Wir geben kein Geld für Terroristen!
({29})
Wir geben kein Geld für Terroristen, 'auch wenn
Frau Schlei versucht, diesen Terrorismus mit dem
hehren Begriff des Freiheitskampfes zu kaschieren.
Meine Damen und Herren, wir halten uns hier an ein Bekenntnis, 'das am 15. September 'dieses Jahres vor 'diesem Hause abgelegt wurde. Es heißt:
Der Mord, bei dem behauptet wird, er diene einem politischen Zweck, bleibt nichtsdestoweniger Mord.
({30})
Dieses Zitat stammt von 'Bundeskanzler 'Schmidt. Die Koalition und Frau Schlei sollten sich heute zu derselben Aussage für das südliche Afrika in derselben Klarheit durchringen, unid sie sollten die politischen Konsequenzen daraus ziehen. Die Bundesregierung muß die deutsche Entwicklungshilfe endlich wieder aus der Grauzone der Gewalt herausholen.
({31})
Die CDU/CSU sagt auch heute in einem klaren Bekenntnis ein klares Ja zur Entwicklungshilfe. Diese Entwicklungshilfe muß jedoch wirksamer sein, sie muß ehrlicher sein, und sie muß in Zukunft wirklich dem Frieden dienen.
({32})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schluckebier.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst nur mit einem Satz auf das eingehen, was Kollege Todenhöfer vor allen Dingen zum Abschluß seines Vortrages hier erklärt hat. Er weist immer sehr gerne darauf hin, daß er sich als ein Richter versteht, und erspart sich von daher seine Begründungen. Wir sind allerdings der Meinung, daß er hier immer Richter und Staatsanwalt in einer Person spielt und daß die Urteile, die er abgibt, in der Berufung meistens sofort kassiert werden.
({0})
Meine Damen und Herren, wir sind der Opposition sehr dankbar, daß sie uns gerade heute durch Ihre Große Anfrage Gelegenheit zu dieser Debatte verschafft. Die Entwicklungspolitik erhält dadurch die Aufmerksamkeit, die ihr auf Grund der jüngsten Ereignisse in der Dritten Welt zukommt. Ich weiß, daß es auch auf die Mitglieder dieses Hauses wie ein Urerlebnis wirkte, als der Bundeskanzler vor genau einer Woche an diesem Platz feststellte, daß Somalia ein Beispiel für die unerläßliche internationale Zusammenarbeit gesetzt habe. Selten hat das Protokoll des Deutschen Bundestages so anhaltenden lebhaften Beifall bei allen Fraktionen verzeichnet wie an jener Stelle, an der wir alle der somalischen Regierung unseren Dank für die uns geleistete Hilfe ausgesprochen haben. Es wäre gut, wenn wir uns deshalb in dieser Debatte und bei unserer zukünftigen entwicklungspolitischen Arbeit von dem Kanzlerwort leiten lassen: Wir in der Bundesrepublik haben erfahren, was es bedeuten kann, wenn Solidarität keine Grenzen kennt. Wir alle haben die Verantwortung dafür, daß uns nicht nachgesagt werden kann, es sei leichter, Solidarität zu empfangen, als sie zu geben.
Die Lehren, meine Damen und Herren, die wir alle aus diesen Vorgängen ziehen müssen, können nur heißen: Wenn wir eine wirksame und glaubwürdige
Entwicklungspolitik machen wollen, dann brauchen wir die Unterstützung und Zustimmung aller demokratischen Kräfte dieses Landes. Wenn Entwicklungspolitik den Menschen der Entwicklungsländer helfen soll, sowohl Freiheit von Not als auch Freiheit zur Bestimmung ihres eigenen Schicksals zu erringen, dann müssen wir auch gegenüber denjenigen Solidarität zeigen, die für die Gestaltung ihrer Gesellschaft einen anderen Weg gewählt haben als wir selbst.
({1})
Diese knappen Grundsätze der deutschen Entwicklungspolitik sind lange Jahre für alle Parteien Allgemeingut gewesen. Wir bekennen uns dazu,
({2})
daß die Begründung unserer Entwicklungspolitik die gemeinsame Leistung aller hier vertretenen Parteien ist. Wir akzeptieren auch, daß alle ernsthaft Bemühten beim Ringen um den richtigen Weg, den diese Politik einschlagen muß, nie das gemeinsame Ziel aus den Augen verloren haben.
Nach den Ereignissen der letzten Woche braucht es auch niemand als Hochmut zu empfinden, wenn ich für die sozialdemokratische Fraktion erkläre: Wir sind bereit, der gemeinsamen Sache wegen die Zusammenarbeit mit der Opposition auf eine neue Grundlage zu stellen, wenn jener Satz, Herr Dr. Todenhöfer, der jedes politische Klima vergiftet, zurückgenommen wird. Hier, so meine ich, ist der Ort, wo Sie sich mit Ihrem Vorwurf - Sie haben ihn vorhin noch einmal wiederholt - auseinandersetzen müssen, die Bundesregierung leiste durch ihre Entwicklungshilfe Beihilfe zum Mord.
({3})
- Wir brauchen uns darüber nicht zu unterhalten, Graf Huyn. Solange dieser Satz zwischen uns stehenbleibt, kann es, so meinen wir, keine Gemeinsamkeiten geben.
({4})
Ich habe allerdings die Hoffnung, daß in der Opposition ein Prozeß beginnen wird, der unserer Entwicklungspolitik nur nützen kann. Ich unterstreiche für meine Fraktion, was vor dem Grundsatzforum der CDU Ende September in Berlin zur gemeinsamen Entwicklungspolitik der demokratischen Parteien gesagt worden ist. Dort hieß es:
Jede Regierung hat Projekte gefördert, die ihrer eigenen gesellschaftspolitischen Orientierung nicht gerade sympathisch waren. Aber dies ist die Kehrseite des Grundgedankens, daß wir Hilfe leisten beim Aufbau der Pluralität anderer Gesellschaften.
Ich meine auch, daß Entwicklungspolitik durchaus
Kritik verträgt. Es kann aber zur unerträglichen Belastung unseres Volkes werden, wenn Entwicklungs3980 Deutscher Bundestag - 8. Wahlperiode - 52. Sitzung. Bonn, Donnerstag, -den 27. Oktober 1977
politik unwidersprochen zum Knüppel parteipolitischer Auseinandersetzungen gemacht wird. Ich weiß, meine Damen und Herren, wovon ich rede. Was in Ihrer eigenen Partei nur zögernd zugegeben wird, hat unser Land international bereits ins Ge- rede gebracht. Es ist, so glauben wir, nicht mehr die Privatsache eines einzelnen Abgeordneten, wenn Vertreter wichtiger internationaler Organisationen seine Erklärungen zur Politik im südlichen Afrika als Beleidigung der Vereinten Nationen, der Kirchen und der betroffenen afrikanischen Regierungen und Organisationen empfinden. Wir können nicht stillschweigend über diese Dinge hinweggehen, sosehr wir es begrüßen, daß die Opposition im Ausschuß gemeinsam mit uns in der vergangenen Woche einer Empfehlung zugestimmt hat - Stichwort: westliche Sahara -, in der die Unterstützung einer afrikanischen Befreiungsbewegung über das in der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Opposition angedeutete Maß hinaus
({5})
für richtig gehalten wird, sosehr wollen wir hier deutlich bekunden,
({6})
daß wir die Politik der Bundesregierung gegenüber afrikanischen Befreiungsbewegungen für richtig halten.
Herr Abgeordneter Todenhöfer, ich rüge Ihren Zwischenruf „Das ist gelogen!".
Ich hatte schon darauf gewartet. Herr Dr. Todenhöfer, das ist Ihre Ausdrucksweise bei Auseinandersetzungen im Parlament. Wir wissen das zwischenzeitlich; aber wir stellen uns darauf nicht ein.
({0})
- Ich lasse keine Zwischenfragen von Ihnen zu.
Was für unsere Politik gegenüber afrikanischen Befreiungsbewegungen gilt, trifft erst recht für die Behandlung - auch dies ist gerade wieder angedeutet worden - sogenannter kommunistischer Entwicklungsländer zu. Die Opposition weiß genau, daß Entwicklungspolitik nicht in erster Linie eine moralische Veranstaltung ist. Sie ist Hilfe zur Änderung von Verhältnissen. Dabei muß jede Chance, Entwicklungen voranzutreiben und Entwicklungshemmnisse zu beseitigen, genutzt werden, und zwar unabhängig vom jeweiligen politischen System. Meine Damen und Herren von der Opposition, ich weiß gar nicht, warum sich Herr Todenhöfer zu der Frage der sogenannten kommunistischen Entwicklungsländer vorhin in dieser Weise geäußert hat; denn dazu hat sich z. B. der CDU-Vorsitzende Kohl anders geäußert. Man muß sich einmal überlegen, was gilt: die Ausführungen des Parteivorsitzenden oder diejenigen von Herrn Dr. Todenhöfer, der noch entwicklungspolitischer Sprecher der Opposition ist. Herr Kohl hat vor dem entwicklungspolitischen Kongreß seiner Partei folgendes erklärt:
Jedes Entwicklungsland muß seinen eigenen Weg gehen. Der Antrieb zur wirtschaftlichen Entwicklung muß vom jeweiligen Lande ausgehen. Dies ist seine Entscheidung. Wo aber die Bereitschaft zur Entwicklung vorhanden ist, dort müssen wir helfen.
Dieses klingt ganz anders als das, Herr Dr. Todenhöfer, was Sie gerade zur Frage von kommunistischen Entwicklungsländern wiederum gesagt haben.
({1})
Es wird Zeit, daß sich die Opposition einig wird, mit wieviel Zungen sie spricht.
Ich komme zu einem zweiten Punkt. Ich habe eingangs meiner Ausführungen nicht umsonst auf die Plenarsitzung angespielt, in der der Bundeskanzler das Wort genommen hat. Herr Kollege Dr. Todenhöfer, wir stehen zu diesem Satz. Wir haben deshalb auch nie begreifen können - man höre und staune -, warum es die Fraktionsführung der CDU/CSU zulassen konnte, daß Sie im April dieses Jahres im Ausschuß allen Ernstes beantragen konnten, die Entwicklungshilfe für Somalia und andere Entwicklungsländer zu sperren.
({2})
Ich habe noch sehr gut Ihre Begründung im Ohr, die ich nur deshalb nicht an dieser Stelle ausbreiten will, weil ich unsere Beziehungen zu den damals genannten Ländern nicht belasten möchte.
({3})
- Nein, das möchte ich eben nicht. Das ist dann Ihr Bier; die außenpolitischen Belastungen fallen dann in Ihre und nicht in die Verantwortung der Koalition.
({4})
Alle diejenigen, die der Opposition seinerzeit nicht widersprochen haben, sollten sich diese Frage stellen: Wie wäre das Geiseldrama verlaufen, wenn wir unsere entwicklungspolitischen Beziehungen zu einem anderen Land ebenso unbeirrt wie zu Somalia fortgesetzt hätten?
({5})
Wenn wir an die Aufregung denken, mit der noch vor der Sommerpause die Debatte über diese Anfrage gefordert worden ist, dann kann sich der Oppositionsführer doch nur glücklich schätzen, daß ihm die Schmach erspart geblieben ist, öffentlich
zur falschen Zeit auf das falsche Pferd gesetzt zu haben.
Parlamentarische Anfragen zur Entwicklungspolitik haben ihren unbestreitbaren Wert. Nicht umsonst haben sich in den vergangenen Jahren alle Fraktionen darum bemüht, Große Anfragen gemeinsam einzubringen. Die Fortschritte der deutschen Entwicklungspolitik sind nirgends deutlicher als aus den Parlamentsdebatten über Große Anfragen abzulesen. Für diese Große Anfrage der Opposition gilt jedoch, so meine ich, die abgewandelte Volksweisheit: Sage mir, mit welchen Fragen du umgehst, und ich sage dir, was du von Entwicklungspolitik verstehst.
({6})
Wichtig ist deshalb, daß wir heute über das reden, was von der Opposition nicht erkannt, was aber durch die Antworten der Bundesregierung dankenswerterweise deutlich gemacht worden ist. Ich greife hier die zentralen Aufgaben heraus.
Erstens. Im Dialog mit den Entwicklungsländern wollen wir eine stabile Ordnung der Zusammenarbeit schaffen. Dazu gehört, daß wir die politische Solidarität der Entwicklungsländer vorbehaltlos akzeptieren und nicht versuchen, ihre Bewegung dadurch zu spalten, daß wir sie nach rein wirtschaftlichen Kriterien in eine Dritte Welt der reicheren und eine Vierte Welt der ärmeren Entwicklungsländer einteilen. Dies hieße, den politischen Charakter der Solidarität zwischen den Ländern der Dritten Welt gründlich mißzuverstehen.
({7})
So, wie die Arbeiterbewegung des vergangenen Jahrhunderts im Kampf um ihre Rechte am weitesten fortgeschritten war und ihr neu entstandenes wirtschaftliches und politisches Gewicht zugunsten ihrer ärmeren Kollegen in die Waagschale geworfen hat, so werden heute die einflußreichen Entwicklungsländer als die Speerspitze der Dritten Welt im Kampf um die Wahrnehmung ihrer Interessen gegenüber den Industriestaaten verstanden.
({8})
Darum können wir, meine Damen und Herren, von den Entwicklungsländern auch nicht erwarten, daß alle einer uns genehmen Wirtschaftsordnung entsprechen. Dazu fehlt nicht nur der geschichtliche und kulturelle Hintergrund, vor dem das europäische Wirtschafts- und Gesellschaftssystem verständlich wird, sondern es fehlen auch wichtige materielle Voraussetzungen wie ein genügender Bildungs- und Ausbildungsstand oder eine gewerkschaftliche Organisation der arbeitenden Bevölkerung. Der Versuch, unsere Vorstellungen zu exportieren, widerspricht der Souveränität der Entwicklungsländer. Niemand will alte koloniale Abhängigkeiten durch neue politische Abhängigkeiten austauschen.
Zweitens. Wir wollen die privatwirtschaftliche Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern intensivieren. Seit die Entwicklungsländer beginnen, ihre Wirtschaftsordnung nach eigenen Vorstellungen zu schaffen, haben sich die Bedingungen für Privatinvestitionen in Entwicklungsländern gewandelt. In der Dritten Welt wächst die Erkenntnis, daß das Privatkapital der Industrieländer auf absehbare Zeit ein bedeutender Faktor für industrielle und wirtschaftliche Entwicklung bleibt. Das Verhältnis zwischen Industrie- und Entwicklungsländern wird deshalb auch in Zukunft durch private Wirtschafts- und Handelsbeziehungen maßgeblich geprägt.
Mit der stärkeren Betonung der Bedeutung des 1-%-Ziels, das sowohl öffentliche als auch private Entwicklungsleistungen umfaßt, wird, so meine ich, wieder stärker die Möglichkeit in das Blickfeld staatlicher Entwicklungspolitik insgesamt gerückt, wie der Anteil der Mittel für Entwicklungsländer an den gesamten Auslandsinvestitionen erhöht werden kann.
Der Deutsche Bundestag, meine Damen und Herren, hat 1974 gefordert, das Entwicklungsländer-Steuergesetz durch neue Regelungen zur Förderung von Investitionen in Entwicklungsländern, zur Förderung von Auslandsinvestitionen sowie zur Rohstoffsicherung abzulösen. Es ist jetzt an der Zeit, die Arbeiten für diese Nachfolgeregelungen nachdrücklich in Angriff zu nehmen. Oberster Grundsatz muß dabei das Recht der Entwicklungsländer bleiben, die Bedingungen für in- und ausländische Privatinvestitionen im Rahmen ihrer jeweiligen Wirtschaftsordnung selber festzulegen. Soweit jedoch staatliche Maßnahmen Privatinvestitionen in Entwicklungsländern vorbereiten oder flankieren, ist jede Regierung verpflichtet, so meine ich, die ihr dadurch erwachsenden Einflußmöglichkeiten . im Interesse der Entwicklungsländer auszuschöpfen. Die Bundesregierung muß deshalb durch Rahmenbedingungen und ähnliche Maßnahmen, wie sie seit Jahrzehnten als Instrumente der nationalen Wirtschaftspolitik praktiziert werden, Einfluß auf den Einsatz von Privatinvestitionen in Entwicklungsländern nehmen.
Drittens. Wir unterstützen die entwicklungspolitische Arbeit gesellschaftlicher Gruppen in der Bundesrepublik. Wir stimmen der Bundesregierung zu, daß staatliche Entwicklungspolitik nicht überall in der Lage ist, zur Befriedigung der Grundbedürfnisse der Menschen in der Dritten Welt beizutragen und zur Wahrnehmung ihrer Interessen einzutreten. In vielen Fällen haben nichtstaatliche Organisationen eher Zugang zu benachteiligten Bevölkerungsgruppen und können unmittelbar sicherstellen, daß die Hilfe bei den Menschen ankommt, die sie am nötigsten brauchen. Wir wissen alle, in welche Schwierigkeiten staatliche Entwicklungspolitik gerät, wenn sie mit Regierungen zusammenarbeiten muß, deren Mitglieder aus jenen privilegierten Schichten stammen, die an raschen und durchgreifenden sozialen Veränderungen in ihren Ländern nicht interessiert sind.
Besondes beim Aufbau organisierter Interessenvertretungen für Arbeitnehmer und Arbeitslose, für kleine Landwirte und Gewerbetreibende gibt es große Aufgaben und Möglichkeiten, so meine ich,
für gesellschaftliche Gruppen bei uns und in der Dritten Welt. In der Bundesrepublik selbst bieten die gesellschaftlichen Gruppen, die sich in der Entwicklungspolitik engagieren, nicht nur zusätzliche Mittel und persönliche Einsatzbereitschaft auf, sondern bilden ein großes Potential bei der Vorbereitung unserer Öffentlichkeit auf die Folgen des NordSüd-Konflikts für unser Land selbst.
Im Namen meiner Fraktion danke ich der Bundesregierung für ihre klaren Antworten. Wir wissen, daß sich diese Politik für unser Land nur dann erfolgreich verwirklichen läßt, wenn Regierung und Parlament gemeinsam für sie eintreten. Entwicklungspolitik ist eine nationale Aufgabe; sie ist kein Spiel, das ein Teil dieses Hauses - von den Rängen der Opposition aus - ohne Mitverantwortung betrachten kann. Diese Erkenntnisse sind nicht neu. Aber wir täten gut daran, nach ihnen zu leben und politisch zu handeln.
Die Regierungskoalition bekennt sich zu ihrer Verantwortung. Ich nutze deshalb gern die Stunde, um im Zusammenhang aufzuzeigen, was selbst von Eingeweihten manchmal übersehen wird. Unsere Entwicklungspolitik hat eine neue Qualität erfahren, seitdem dieses Parlament verstärkt auf die Inhalte der Entwicklungspolitik einwirkt. Wir haben klargemacht, daß ès von uns abhängt, ob wir nach einem Jahrzehnt der entwicklungspolitischen Konzeptionen jetzt ein Jahrzehnt der entwicklungspolitischen Aktionen vor uns haben. Wir haben als Sozialdemokraten im Sommer dieses Jahres ein präzises Programm vorgelegt. Wir fordern nicht alles auf einmal, aber wir haben gezeigt, wo wir entscheidende Durchbrüche erreichen möchten. Es ist uns innerhalb weniger Monate gelungen, die entwicklungspolitische Diskussion auf ein bislang nie gekanntes Niveau zu heben.
({9})
Unsere Beiträge zum 30. Jahrestag des Marshall-planes haben in der Öffentlichkeit großen Widerhall gefunden.
Mit Genugtuung erkennen wir auch die Bereitschaft der Bundesregierung an, gemeinsam mit dem Deutschen Bundestag zu prüfen, auf welche Weise das ERP-Sondervermögen verstärkt für Entwicklungsaufgaben herangezogen werden kann. Die SPD-Fraktion erwartet, daß das gleiche auch für die Verwendung der Zinsrückflüsse aus Kapitalhilfekrediten gilt. Wir haben schließlich die Vorbereitung für ein Solidaritätsprogramm der europäischen Industrieländer zügig in Angriff genommen. Wir werden, meine Damen und Herren der Opposition, darauf im Verlauf der Haushaltsberatungen unseres Ausschusses zurückkommen.
Meine Fraktion wird sich auch dafür einsetzen, daß wir in diesem Jahr weitere Fortschritte in Richtung auf ein Beschäftigungsprogramm auch im Rahmen der Entwicklungspolitik machen. Wir sollten nicht nur darüber reden, sondern wollen auch durch die Tat beweisen, daß sich Entwicklungspolitik und Beschäftigungspolitik durchaus miteinander vereinbaren lassen.
Wir haben schließlich bei den Beratungen meiner Fraktion Einigkeit darüber erzielt, daß wir die Zweckmäßigkeit eines Gesetzes zur Entwicklungszusammenarbeit, das die Grundlagen unserer Entwicklungspolitik regeln soll, ernsthaft prüfen müssen. Wir wissen, daß wir in den nächsten Jahren ohnehin an eine Novellierung wichtiger Teilbereiche unserer entwicklungspolitischen Zusammenarbeit herangehen müssen. Wenn wir aber das Entwicklungsländer-Steuergesetz auf eine neue Grundlage stellen müssen, liegt es nahe, auch andere Bereiche der Entwicklungspolitik auf eine tragfähige Rechtsgrundlage zu stellen. Ich denke hier insbesondere an die Entwicklungsländern gegenüber notwendigen Bürgschaften und Garantien, an die Überarbeitung des ERP-Entwicklungshilfegesetzes von 1961, die erste gesetzliche Grundlage für unsere Entwicklungspolitik überhaupt, und an Bestimmungen über unsere personelle Entwicklungszusammenarbeit.
Wir können heute selbstbewußt feststellen, daß sich unser Einsatz auch finanziell gelohnt hat. Die Bundesregierung hat in ihrem Haushaltsentwurf für 1978 eine Steigerung des Budgets für das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit um nahezu 23 °/o vorgesehen; das ist die weitaus höchste Steigerungsrate unter allen Ressorts.
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Mit diesem Schritt werden wir dem Ziele näher kommen, 0,7 °/o unseres Bruttosozialprodukts für öffentliche entwicklungspolitische Maßnahmen aufzuwenden. Wir wissen, daß wir dieses Ziel nur stufenweise erreichen können, und wissen auch, daß wir steigende Mittel und wachsende Aufgaben nur verantworten können, wenn wir dafür auch zusätzliche Stellen zur Verfügung stellen. Meine Fraktion wird sich dafür einsetzen, daß wir hier eine Änderung der bisherigen Politik einleiten. Allerdings müssen dem Schritt der Bundesregierung in Richtung auf das 0,7-%-Ziel, so meine ich, weitere Schritte folgen. Dazu gehört eine Aufstockung der Verpflichtungsermächtigungen. Sie stecken den Rahmen ab, in dem die Bundesregierung mit Ländern der Dritten Welt entwicklungspolitische Vereinbarungen treffen kann. Notwendig ist auch eine Festlegung der Steigerungsrate im Einzelplan 23, die mit mehr Bindungskraft als bisher über das einzelne Haushaltsjahr hinaus das akzeptierte Ziel anstrebt.
Meine Damen und Herren, unsere Entwicklungspolitik hat den Rang, den ihm dieses Parlament einzuräumen bereit ist. Es steht in unserer Macht, wie weit wir ihren finanziellen Handlungsrahmen ziehen. Die Entwicklungspolitik genießt draußen im Lande das Ansehen, das wir durch unser Verhalten bestimmen. Unser Urteil, unsere Kritik und unsere Unterstützung sind auch für das Verhalten und das Urteil unserer Bürger bestimmend. Entwicklungspolitische Aufklärung ist eine ebenso schwierige wie langwierige Aufgabe. Sie fordert Bundesregierung und Bundesländer ebenso heraus wie Unternehmerverbände, Gewerkschaften, Kirchen und andere gesellschaftspolitische Kräfte. Hier geht es nicht um rot oder schwarz, hier geht es nur um Lehren aus der Vergangenheit, wenn ich feststelle, wir haSchluckebier
ben es zu wenig verstarden, die großen Möglichkeiten, die in der Nord-Süd-Problematik liegen - Lernziele wie z. B. internationale Solidarität, Verwirklichung der Menschenrechte, Überwindung von Rassismus oder Aufbau einer gerechten sozialen Weltwirtschaftsordnung -, allen Bürgern unseres Landes begreifbar zu machen. Ich bin sehr froh, daß durch unser Drängen in jüngster Zeit einiges in Bewegung geraten ist. Ich möchte hier insbesondere die Bundesländer Bremen und Berlin erwähnen und ihnen für ihr vorbildliches entwicklungspolitisches Engagement danken.
In 'entwicklungspolitischer Bildungsarbeit kann man nicht auf einer Woge der Popularität voranreiten. Hier gilt es nicht, das Populäre zu tun, sondern das Richtige populär zu machen. Dazu müssen auch, so meinen wir, neue Wege beschritten werden. Meine Fraktion ist davon überzeugt, daß das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit mit seiner Öffentlichkeitsarbeit auf dem richtigen Wege ist. Die Anzeigenkampagne zur Entwicklungspolitik ist ein Weg dazu, den man ja nicht vorschnell, meine Damen und Herren, verurteilen sollte. Wir hoffen, daß sie - zusammen mit anderen guten Informationen - hilft, weitere Kreise der Bevölkerung an unser gemeinsames Anliegen heranzuführen.
Entwicklungspolitiker beginnen, darüber nachzudenken, wo sich in der gegenwärtigen Situation Bewegungen in erstarrte Fronten bringen lassen. Wir wollen weg von der Diskussion um Schlagworte. Wir wollen den ideologischen Grabenkrieg durch praktische Entwicklungspolitik überwinden. Das sind wir, so glaube ich, unserem eigenen Lande schuldig. Das sind wir aber auch den Entwicklungsländern schuldig. Denn der noch friedliche Nord-Süd-Dialog kann nur dann für alle Beteiligten erfolgreich abgeschlossen werden, wenn wir unsere internationale Glaubwürdigkeit nicht aufs Spiel setzen.
Wir haben deshalb versucht, in einem parlamentarischen Anhörungsverfahren den Wegen auf die Spur zu kommen, die in der internationalen Rohstoffpolitik gangbar sind. Die Entschließung der Koalition zur Entwicklungspolitik, die dem Hause vorliegt, gibt Auskunft über unsere Erkenntnisse. Unser Abstimmungsverhalten auch zu dieser Entschließung wird von zahlreichen Entwicklungsländern aufmerksam beobachtet. Wir wollen dadurch unseren Anspruch sichtbar machen, die Politik der Bundesregierung nicht nur zu unterstützen, sondern sie auch als Parlament vor den Augen der Dritten Welt mit zu verantworten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir verwenden in der entwicklungspolitischen Diskussion häufig ein Bild, das den Nord-Süd-Konflikt mit den gesellschaftlichen Verhältnissen in der Mitte des 19. Jahrhunderts vergleicht. Mir ist aufgefallen, daß wir dabei immer bei der Beschreibung der Zustände stehengeblieben sind, ohne auszusprechen, welche Konsequenzen sich aus dieser Beschreibung ergeben. Der soziale Konflikt des 19. Jahrhunderts ist nicht allein durch die Sozialgesetzgebung Bismarcks entschärft worden. Als Gewerkschafter sage ich mit großem Ernst: Der innere Friede in unserem Lande
wurde erst durch die Beteiligung der Schwachen gesichert, vertreten durch die Gewerkschaften und die deutsche Sozialdemokratie an der Macht im Staate. Der Versuch reaktionärer Kräfte, diese Entwicklung zurückzudrehen, hat zum Scheitern der Demokratie von Weimar, zur Hitler-Diktatur und zum totalen Zusammenbruch geführt. Der Wiederaufbau war nur mit den Gewerkschaften auf der Basis der Gleichberechtigung und des Interessenausgleichs zwischen Arbeitern und Unternehmern möglich.
({11})
- Hören Sie erst zu, Herr Mertes, dann werden Sie die Verbindung schon merken. - Wer den Mut hat, diese Erfahrungen auf den Nord-Süd-Konflikt zu übertragen, muß eingestehen, daß die reichen Industrieländer zugunsten der Entwicklungsländer ähnliche Kompromisse eingehen müssen, wie sie zwischen Arbeitnehmern und Unternehmern heute bei uns selbstverständlich sind.
Die soziale Fürsorge, meine Damen und Herren, allein reicht nicht aus. Es geht darum, Wohlstand, Macht und Wissen gerecht zu verteilen. Dem, der diese Entwicklung nicht will und nach Gegenstrategien ruft, um berechtigte Forderungen der Entwicklungsländer zu unterlaufen, wird es, so meinen wir, genauso ergehen wie den konservativen Kräften von damals. Niemand, meine Damen und Herren, will mit der Entwicklungspolitik die Interessen der Bundesrepublik zu Markte tragen. Aber niemand sollte sich dem gefährlichen Irrtum hingeben, daß unser Wohlstand, unsere soziale Sicherheit, unser Lebensstandard auf die Dauer neben dem Elend des größten Teils der Menschheit bestehen können. Keiner mehr kann bestreiten, daß unsere Interessen nicht länger gegen die Interessen der Mehrheit der Menschen durchgesetzt werden können. Die Sozialdemokratie ist nicht dieser Meinung. Die Kirchen sind nicht dieser Meinung.
({12})
Nur wenn wir dies begreifen, so meine ich, wird die Welt eine Chance haben, sich in einem zwar nicht konfliktfreien, aber in einem friedlichen Wandel zu entwickeln in einer Weise, die der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung in jenen Ländern vergleichbar ist, in denen eine starke Arbeitnehmervertretung auf dem politischen und wirtschaftlichen Sektor eine rechtzeitige Reformierung herbeigeführt hat.
({13})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Vohrer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die FDP begrüße ich die in der Beantwortung der Großen Anfrage der Opposition zum Ausdruck gekommene entwicklungspolitische Konzeption der Bundesregierung. Lassen Sie mich einige mir besonders wichtig erscheinende Punkte herausgreifen.
Die zunehmende Bedeutung des Nord-Süd-Konflikts und die Forderung der Entwicklungsländer nach einer neuen Weltwirtschaftsordnung haben deutlich gemacht, daß Entwicklungspolitik heute immer mehr in den Einfluß außenpolitischer und wirtschaftspolitischer Zielvorstellungen gerät. Ließe sich Entwicklungspolitik isoliert von solchen Zielvorstellungen betreiben, so wäre vermutlich zwischen den im Bundestag vertretenen Parteien ein relativ breiter Konsens möglich. Wegen des stärkeren Einflusses von Außen- und Wirtschaftspolitik ist dieser Konsens sehr viel schwieriger geworden.
Für das Verhältnis von Außen- und Entwicklungspolitik stellt die Antwort der Bundesregierung fest, daß die Entwicklungspolitik der Friedenssicherung und damit dem fundamentalsten Interesse unserer Außenpolitik dient. Langfristig stimmen also die Zielrichtungen dieser beiden Politiken überein. Insofern spricht die Bundesregierung daher zu Recht von Entwicklungspolitik als einem wichtigen Element der Außenpolitik. Dies darf jedoch nicht als Primat etwa kurzfristiger außenpolitisdier Ziele über die Entwicklungspolitik interpretiert werden. Hier scheint mir ein wesentlicher Unterschied zu den entwicklungspolitischen Vorstellungen der Opposition zu liegen.
Die Bundesregierung tritt in der Einleitung und in ihren Ausführungen zu Frage 6 in ihrer Antwort auf Große Anfrage für die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Länder der Dritten Welt und gegen die Errichtung von Einflußzonen auswärtiger Mächte ein. Eine solche Position entspricht nicht nur den völkerrechtlichen Grundsätzen der Achtung der Souveränität anderer Staaten und der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten, sondern ich bin mit der Bundesregierung der Überzeugung, daß diese Position auch der Entwicklung der Dritten Welt und unserem langfristigen Ziel der Friedenssicherung besser dient als eine Einbeziehung der Entwicklungsländer in den Ost-West-Gegensatz.
Natürlich unterschätzen auch wir nicht die Bemühungen des Ostblocks, zur Zeit vor allem in Afrika seinen Einfluß auszubauen. Für die Kurzlebigkeit dieser Politik liefert der arabisch-afrikanische Raum aber beredte Beispiele.
({0})
Ich denke dabei nicht nur an den Nahen Osten, sondern auch an die äthiopisch-somalische Zwickmühle, in der sich die Sowjetunion zur Zeit befindet, sowie an die Befürchtungen, die sich in Afrika seit der kubanischen Intervention in Angola breitgemacht haben und die zuletzt in der Auseinandersetzung Zaires mit den Katanga-Gendarmen offenbar wurden. Eine solche Machtpolitik kann gerade in den Staaten Afrikas, die doch zum Teil noch auf dem Weg sind, von einer Stammesvielfalt zu Nationen zu werden, und die auch deshalb in punkto nationaler Souveränität besonders empfindlich sind, langfristig nicht zum Erfolg führen.
Es ist deshalb falsch, meine Damen und Herren von der Opposition, die Entwicklungspolitik kurzfristigen außenpolitischen Zielen zu unterwerfen und einer Machtpolitik des Ostens eine Machtpolitik
des Westens entgegenzustellen. Wäre es nach Ihnen gegangen, so hätten wir nach der Revolution in Portugal, als dort zunächst linksradikale Kräfte die Übermacht zu gewinnen schienen, jede weitere Unterstützung verweigert.
({1})
Zu welchen Konsequenzen eine solche Isolierung Portugals beispielsweise für das westliche Verteidigungsbündnis geführt hätte, möchte ich hier nicht ausmalen. Das behutsame Vorgehen der Bundesregierung dagegen hat dazu beigetragen, 'daß wir vor wenigen Monaten Portugal als 19. Staat Europas mit einer demokratischen Grundordnung in den Europarat aufnehmen konnten.
Wäre es nach dem entwicklungspolitischen Radikalenerlaß der Opposition gegangen, so stünde auch Somalia als ein sozialistisches Land nicht mehr auf der Liste unserer Entwicklungshilfeempfänger.
({2})
Welche Früchte eine vertrauensvolle Zusammenarbeit trägt, die frei von tagespolitischen Erwägungen und vom Denken in Einflußzonen ist, hat gerade die jüngste Flugzeugentführung in Mogadischu bewiesen.
({3})
Besonders fatal würde sich eine Politik nach dem Rezept der Unionsparteien auswirken, wenn sie zur Stützung rassistischer Regime führt.
({4})
Wir sollten auch aus den Fehlern lernen, die 'der Westen gegenüber dem portugiesischen Kolonialismus begangen hat.
({5})
Zu lange wurde diesem Rückendeckung gewährt und wurden damit die Freiheitsbewegungen in die Hände des Ostens getrieben. Eine ähnliche Entwicklung steht uns möglicherweise in Rhodesien, Namibia oder sogar in Südafrika bevor,
({6})
wenn wir den unterdrückten schwarzen Mehrheiten nicht rechtzeitig genug unsere 'Solidarität in der Auseinandersetzung mit Rassismus und Aparthe'i'd zeigen. Die Opposition wehrt sich noch immer hartnäckig gegen Kontakte mit Befreiungsbewegungen und deren humanitäre Unterstützung.
({7})
Wir dürfen uns über eine Radikalisierung dieser Bewegungen und deren Annäherung an den Osten 'aber nicht wundern, wenn sie im Westen auf keine Resonanz stoßen.
Ich begrüße 'deshalb die Initiativen der Bundesregierung, 'die zu einer Befriedung im südlichen Afrika beitragen können. Mit der Zurückberufung unseres Botschafters
({8})
in Südafrika zur Berichterstattung 'hat die Bundesregierung der schwarzen Bevölkerungsmehrheit deutlich gemacht, daß sie in ihrem 'Kampf gegen den Rassismus .auch im Westen auf Unterstützung, rechnen kann.
Im übrigen muß ich mich über den Widerstand der Opposition gegen Kontakte mit Befreiungsbewegungen wundern. Man braucht sich doch nur an den letzten Wahlkampf zu erinnern, und zwar an das von Herrn Wörner kurz vor dem Wahltag herausgegebene Flugblatt, in dem er verkündet: In wenigen Stunden ist 'Deutschland frei. Das läßt doch darauf schließen, daß Sie sich nicht nur als Opposition. sondern auch als Befreiungsbewegung verstehen.
({9})
Trotzdem werden auch Ihre Vertreter von dem amerikanischen Präsidenten Carter, dem saudiarabischen König Chalid oder den Führern der Volksrepublik China empfangen.
({10})
Bevor ich zum Verhältnis zwischen Entwicklungspolitik und Wirtschaftspolitik komme, lassen Sie mich zu der Beziehung zwischen Entwicklungspolitik und Außenpolitik abschließend folgendes feststellen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Köhler ({0})?
Bitte schön!
Herr Kollege Vohrer, ich möchte mich nur vergewissern: Wenn Sie uns hier 'als Befreiungsbewegung betrachten, können wir dann mit Ihrer Unterstützung rechnen, oder steht dem entgegen, daß wir uns friedlicher Mittel 'bedienen'?
({0})
Herr Köhler, wir werden die freundschaftlichen Kontakte zu Ihnen, die wir immer gepflegt 'haben, nicht abbrechen.
({0})
Lassen Sie mich zur Außenpolitik abschließend feststellen: Je stärker wir uns von einer Verknüpfung 'der Entwicklungspolitik mit ' kurzfristigen außenpolitischen Interessen distanzieren und je stärker wir die nationale Integrität 'der Länder der Dritten Welt und das Selbstbestimmungsrecht aller Rassen respektieren, desto eher wird man in der Dritten Welt erkennen, daß eine einseitige Bindung an den Osten ihr letztlich nur schadet. Eine an Unabhängigkeit und 'Selbständigkeit der Entwicklungsländer orientierte Entwicklungspolitik dient am besten der primären Zielsetzung unserer Außenpolitik: der Erhaltung des Friedens.
Auch für das Verhältnis von Wirtschafts- und Entwicklungspolitik ist zwischen kurz- und langfristigen Zielen zu unterscheiden. Wir wissen alle, daß wegen der engen weltwirtschaftlichen Verflechtungen ein wirtschaftliches Wachstum der Entwicklungsländer auch unserer eigenen Volkswirtschaft Wachstumsimpulse geben wird. Andererseits ist wirtschaftliches Wachstum bei uns Voraussetzung für einen erhöhten Ressourcentransfer, der helfen soll, die auseinanderklaffende Schere zwischen arm und reich zu schließen. Die Bundesregierung stellt deshalb in ihrer Antwort fest, daß der Wohlstand der Entwicklungsländer nur in einer auf Wachstum angelegten
Weltwirtschaft zunehmen kann.
So berechtigt diese Feststellung ist, so notwendig ist es aber auch, an dieser Stelle vor einer unkritischen Übertragung des traditionellen Wachstumsdenkens auf die Wirtschaften der Entwicklungsländer zu warnen. Ein Wachstumsdenken, das die Industrieländer jahrzehntelang beherrscht hat und dessen Auswüchse nur mühsam und sehr aufwendig korrigiert werden können, ist für die Dritte Welt nicht das richtige Rezept. Wir müssen den Entwicklungsländern helfen, den negativen Begleiterscheinungen ausweichen zu können, die sich bei uns immer stärker bemerkbar machen.
Diese Überlegungen gelten vor allem, wenn man nur das Wachstum des Bruttosozialprodukts im Auge hat, ohne zu berücksichtigen, daß seine Steigerung keineswegs automatisch mit einer Verbesserung der Lebensqualität Hand in Hand gehen muß. So führt in zahlreichen Entwicklungsländern schon der bloße Wechsel von der Subsistenzwirtschaft, die bislang in die Berechnungen des Bruttosozialprodukts nicht einfloß, zum arbeitsteiligen Wirtschaften zu einer Steigerung des Bruttosozialprodukts, die zunächst keinesfalls eine Steigerung des Wohlstands der betroffenen Familien zu bedeuten braucht.
Einen anderen Aspekt hat die Weltwüstenkonferenz einer breiten Öffentlichkeit ins Bewußtsein gebracht. In zahlreichen dürregefährdeten Gebieten ließen sich seit Jahrzehnten eine Ausdehnung der Ackerbauzonen und eine Vermehrung der Viehbestände bis auf das Zehnfache feststellen. Das hierdurch zunächst erzielte beachtliche Wirtschaftswachstum führte zu einer Zerstörung der Vegetation durch Rohdung, Überweidung und Brennholznutzung. Die Folge hiervon war wiederum eine beträchtliche Verminderung der Ertragskraft der Böden. Die Bevölkerung der betroffenen Gebiete muß feststellen, daß man mit der langfristigen Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen lediglich ein kurzfristiges Wirtschaftswachstum erreichen konnte. Die katastrophalen Folgen in der Sahelzone sind besonders eindrucksvoll und sollten alle Verantwortlichen dazu bewegen, dieser Entwicklung entgegenzutreten.
Ich leite daraus die Konsequenz ab, daß wir ökologische Aspekte stärker in unsere Entwicklungsplanung einbeziehen sollten und die Entwicklungsprojekte, die wir fördern, stärker nach ökologischen Kriterien untersuchen sollten.
Konflikte können sich zwischen entwicklungs- und konjunkturpolitischen Zielen ergeben.
Die FDP begrüßt, daß sich die Bundesregierung entschlossen hat, dem Bundestag einen Haushaltsentwurf vorzulegen, der eine 22prozentige Steigerung des Etats des BMZ vorsieht. Dieser geplante Zuwachs wurde u. a. mit dem beschäftigungspolitischen Effekt begründet, der sich hierdurch in der Bundesrepublik erzielen läßt. In der Tat kann durch die hohen Rückflüsse von Kapitalhilfemitteln auf dem Wege über Aufträge an die deutsche Industrie eine Nachfrage an hochwertigen Industriegütern in Milliardenhöhe stimuliert werden.
Im gegenwärtigen Zeitpunkt lassen sich also durch die Erhöhung der Entwicklungshilfeansätze zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Einmal nähern wir uns, wenn auch zaghaft, nämlich durch eine Steigerung von 0,3 auf 0,34%, dem angestrebten Ziel eines Anteils der öffentlichen Entwicklungshilfe am Bruttosozialprodukt von 0,7 %. Wir sind aber, wie sich aus den Zahlen erkennen läßt, erst auf halber Strecke. Zum anderen werden günstige Auswirkungen auf die Kapazitätsauslastung unserer Wirtschaft und damit auf den Arbeitsmarkt erzielt. Diese Steigerung der Entwicklungshilfe paßt deshalb in die konjunkturelle Landschaft. Dies darf jedoch nicht dazu verleiten, die Entwicklungshilfe als Instrument der Konjunkturpolitik anzusehen. Entwicklungshilfe bedarf grundsätzlich langfristiger Planung, und die Höhe des Etats darf nicht zur abhängigen Variablen der jeweiligen Binnenkonjunktur werden.
({1})
Es sollte nicht vergessen werden, daß Entwicklungshilfe eine langfristige Investition in unsere eigene Zukunft ist. Denn unser Wohlstand wird in steigendem Maße von der wirtschaftlichen Stärke unserer Partner in der Dritten Welt abhängen.
({2})
Lassen Sie mich noch einige Bemerkungen an die Entwicklungspolitiker der Opposition einflechten. Während Angehörige der Koalitionsparteien sich in einem konjunkturpolitisch richtigen Zeitpunkt durch konstruktive Ansätze um eine substantielle Erhöhung der deutschen Entwicklungshilfe bemühten, starteten Ihre Vertreter statt dessen Selbstdarstellungskampagnen im südlichen Afrika. Auf die Hilfe der Opposition bei diesen Bemühungen haben wir deshalb vergeblich gewartet. Was ich von den Aktivitäten Dr. Todenhöfers unter außenpolitischem Gesichtspunkt halte, habe ich schon angedeutet. Meine Kollegin Schuchardt wird diese Zusammenhänge eingehend würdigen.
({3})
Mindestens ebenso schädlich waren die Äußerungen des entwicklungspolitischen Sprechers der Unionsparteien aber auch für das Ansehen der Entwicklungspolitik im Inland. Wie unpopulär Entwicklungspolitik hierzulande immer noch ist, hat das BMZ ja kürzlich wieder aufgezeigt. Nur 30 % der
Bevölkerung würden einer Erhöhung der Entwicklungshilfe zu Lasten anderer Etats zustimmen,
({4})
und lediglich 13 % sind nach den Untersuchungen des BMZ als bedingungslose Befürworter einer Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern anzusehen.
Obwohl all dies auch Herrn Todenhöfer bekannt ist, poliert er gerade in diesem für eine Erhöhung der Entwicklungshilfe wichtigen Zeitpunkt alte Vorurteile gegen die Entwicklungspolitik auf.
({5})
In einer sehr zweifelhaften, nur auf die persönliche Profilierung abgestellten Kampagne brachte er die deutsche Entwicklungspolitik mit Terrorismus und Mordbeihilfe in Verbindungen. Sie, Herr Todenhöfer, haben der deutschen Entwicklungspolitik nicht nur im Ausland, sondern auch im Inland geschadet.
({6})
Man mag über die viel kritisierte Anzeigenserie des BMZ denken, wie man will, aber wenn Vorurteile gegen die Entwicklungspolitik sogar von Mitgliedern dieses Hauses, die sich Entwicklungspolitiker nennen, unterstützt werden, dann scheint es notwendig zu sein, daß das für Entwicklungshilfe zuständige BMZ versucht, seine Öffentlichkeitsarbeit gegen solche Vorurteile einzusetzen.
({7})
Doch zurück zum konjunkturpolitischen Aspekt der Entwicklungspolitik. In diesem Zusammenhang ist auch die grundsätzlich von allen Parteien befürwortete weitere Öffnung unserer Märkte zu erwähnen. Sie wird in den Sektoren, in denen die Dritte Welt über komparative Kostenvorteile verfügt, vorübergehend unbequeme beschäftigungspolitische Auswirkungen für die deutsche Industrie haben. Diese Auswirkungen sind durch eine entsprechende Strukturpolitik abzumildern, für die meines Erachtens mehr Mittel aus dem ERP-Vermögen zur Verfügung gestellt werden sollten. Ich begrüße, daß die Bundesregierung sich trotz der angespannten Wirtschaftslage zu diesen Notwendigkeiten ausdrücklich bekennt, und nehme im Hinblick auf die Antwort zu der entsprechenden Frage der Opposition an, daß ich ihre Ausführungen zu Punkt 7 der Einleitung richtig interpretiere, wenn ich unter der dort angesprochenen Offenhaltung der Märkte kein statisches Element sehe.
Die Bundesregierung hat mit ihrer Gegenstimme im Ministerrat zu der Textilquotenregelung der Europäischen Gemeinschaft ihre liberale Haltung auch nach außen deutlich gemacht. Ich würde mir wünschen, daß dies auch von seiten der Opposition geschähe.
Während die Entwicklungspolitiker der Unionsparteien die Marktöffnung als ein entscheidendes Alternativangebot zu den Forderungen nach einer neuen Weltwirtschaftsordnung bezeichnen, fordert
die CDU andererseits durch ihren Abgeordneten Unland - Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Bekleidungsindustrie - die Bundesregierung in einer Anfrage auf, mit Mitteln des Entwicklungshilfeetats in Höhe von 150 bis 200 Millionen DM pro Jahr den Textilexport in Entwicklungsländer zu subventionieren und auf diese Weise einen Verdrängungswettbewerb der deutschen Textilindustrie auf Kosten der Entwicklungsländer und der deutschen Steuerzahler zu finanzieren. Dies wäre offensichtlich eine Maßnahme gegen Entwicklungsländer, die ihre Chancen auf dem Weltmarkt durch Diversifizierung wahrgenommen haben und denen nun ihre Wettbewerbsvorteile vorenthalten werden sollen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Hüsch?
Bitte schön.
Herr Kollege Vohrer, ist Ihnen tatsächlich entgangen, daß der Kollege Unland lediglich die Frage gestellt hat, ob die Bundesregierung einen solchen Plan unterstützen werde, und daß er sich selbst gar nicht zum Befürworter dieses Plans gemacht hat?
Herr Hüsch, wenn das so ist, daß Sie hier Vorschläge in Frageform einbringen, mit denen Sie sich letztlich nicht identifizieren, dann macht dies solche politischen Aktionen noch viel zweifelhafter.
Der Beitrag des Kollegen Unland zeigt für mich einmal mehr den Unterschied zwischen Sonntagsreden und praktischer Politik der Opposition. Erfreulich ist deshalb die deutliche Absage der Bundesregierung an die Pläne des Herrn Unland.
Lassen Sie mich abschließend auf die Probleme eingehen, die im Zusammenhang mit der Verwirklichung der neuen Weltwirtschaftsordnung zu lösen sind. Dabei möchte ich konkretisieren, welche ordnungspolitischen Mindestvoraussetzungen eine neue Weltwirtschaftsordnung für uns Liberale haben muß. Ziel einer neuen Weltwirtschaftsordnung ist letztlich der Abbau des Wohlstandsgefälles zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. Der Begriff „neue Weltwirtschaftsordnung" muß daher ein ganzes Paket von Maßnahmen umfassen. Über viele von ihnen, wie Öffnung der Märkte, Zollpräferenzen, Privatinvestitionen in Entwicklungsländern, währungspolitische Maßnahmen, Erlösstabilisierung und Erhöhung der öffentlichen Entwicklungshilfe, ist unter den hier vertretenen Parteien relativ leicht eine Einigung möglich.
({0})
Andere Maßnahmen aus dem UNCTAD-Katalog wie Substitutionsverbote, Indexierung von Rohstoffpreisen, Liefer- und Abnahmeverpflichtungen stoßen dagegen auf eine ebenso einhellige Ablehnung aller Parteien in diesem Hause.
Umstritten zwischen den Parteien ist vor allem die Forderung der Gruppe der 77 nach Rohstoffabkommen mit Ausgleichslagern zur Preisstabilisierung, die durch einen gemeinsamen Finanzierungsfonds überdacht werden sollen.
Trotz der ausgezeichneten Informationsmöglichkeiten, die das Hearing zur Rohstoffpolitik den interessierten Mitgliedern des Hauses bot, wird dieses Thema leider häufig noch viel zu pauschal diskutiert. Wichtig ist zunächst die Erkenntnis, daß sich die Stellungnahme zur Rohstoffpolitik in einem Kräftedreieck bewegen muß, das durch außen-, entwicklungs- und wirtschaftspolitische Interessen bestimmt wird.
Die Außenpolitik erfordert, daß wir uns in der Rohstoffpolitik auf keine Konfrontationsstrategie einlassen, die unsere Glaubwürdigkeit und unser Ansehen in der Dritten Welt gefährdet und uns auch gegenüber unseren westlichen Verbündeten isolieren würde. Rohstoffpolitik aus dem Schmollwinkel heraus zu machen - meine Damen und Herren von der Opposition - ist unrealistisch.
({1})
- Daß Ihre Haltung absolut nicht geeignet ist, an dem Dialog überhaupt beteiligt zu werden. Sie schmollen. Sie diskutieren doch gar nicht über Abkommen.
({2})
Von den oppositionellen Europapolitikern wurde der Widerspruch zwischen gemeinsamer europäischer Rohstoffpolitik und nationaler Starrköpfigkeit noch nicht ausgeräumt.
({3})
Hier fehlt noch die Antwort, wie Sie die beiden Prinzipien zur Deckung bringen wollen. Mit der dogmatischen Ablehnung von jeglicher Art von Rohstoffabkommen verfährt die Opposition nach dem Motto: Viel Feind, viel Ehr. Das kennzeichnete schon Ihre Haltung zur KSZE-Schlußakte.
({4})
Entwicklungspolitisch ist zu berücksichtigen, daß eine Verhinderung von Preis- und Erlösschwankungen den in ihren Deviseneinnahmen weitgehend von Rohstoffverkäufen abhängigen Entwicklungsländern die Planungsgrundlage verschafft, die für eine langfristige Entwicklungskonzeption erforderlich ist. Gleichzeitig ist aber dafür zu sorgen, daß damit einer weitergehenden Diversifikation der betroffenen Länder kein Stein in den Weg gelegt wird und rohstoffarme Staaten nicht noch weiter ins Hintertreffen geraten. Wirtschaftspolitisch ist jetzt schon erkennbar, daß die Voraussetzungen für weitere dirigistische Negativbeispiele nach dem Modell des EG-Agrarmarktes oder des OPEC-Ölkartells fehlen.
Auf dieser Grundlage möchte ich mich als Liberaler zu einer internationalen Rohstoffpolitik mit folgenden Zielen bekennen:
1. Verminderung extremer Preisschwankungen bei den einzelnen Rohstoffen.
2. Stabilisierung der Rohstoffexporterlöse der Entwicklungsländer.
3. Sicherstellung einer ausreichenden Rohstoffversorgung der rohstoffarmen Länder in Nord und Süd.
4. Vermehrte Verarbeitung von Rohstoffen in den Entwicklungsländern als Beitrag zu einer verbesserten internationalen Arbeitsteilung, verbunden mit einer weiteren Öffnung der Märkte der Industrieländer für diese Produkte.
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Internationale Rohstoffabkommen und die Errichtung eines gemeinsamen Fonds können dazu beitragen, diese Ziele zu erreichen. Ob Rohstoffabkommen und gemeinsamer Fonds funktionsfähig und wirtschaftlich sinnvoll sind, hängt in erster Linie von der Ausgestaltung der Abkommen und des Fonds ab.
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Ich sehe folgende entscheidende Kriterien, die für uns erfüllt sein müssen: Rohstoffabkommen mit Ausgleichslagern zur Preisstabilisierung können nur für solche Rohstoffe in Betracht kommen, bei denen die Produktions- und Vermarktungsvoraussetzungen einen hohen Wirkungsgrad des Abkommens garantieren. Rohstoffabkommen dürfen nicht zu politischen Druckmitteln gegen die Industrieländer werden. Sie müssen statt dessen zur Versorgungssicherheit auch der Verbraucherländer beitragen. Die Abkommen müssen garantieren, daß die Preisfestsetzungen für die Interventionen der Ausgleichslager unter Berücksichtigung der Marktmechanismen erfolgen. Nur so kann die Entstehung großer Überschüsse vermieden und eine preisdämpfende Wirkung in Hochpreiszeiten erzielt werden. Weiterhin müssen in den Entscheidungsgremien gleichgewichtige Mitwirkungsmöglichkeiten für Verbraucher- und Erzeugerländer bestehen, denn nur so kann ein angemessener Ausgleich der unterschiedlichen Interessen gewährleistet werden. Insofern sind Rohstoffabkommen Angebotskartellen vorzuziehen, in deren Entscheidungsgremien die Verbraucherinteressen keine Berücksichtigung finden. Schließlich muß der gemeinsame Fonds im wesentlichen auf die Funktion einer Finanzierungsinstitution ohne eigenes Rohstoffmanagement beschränkt bleiben. Die einzelnen Rohstoffabkommen müssen autonom sein.
Ich komme zu dem Ergebnis, daß die Rohstoffprogramme, wenn sich ihre Ausgestaltung an diesen Grundsätzen orientiert, auch mit einem System der Exporterlösstabilisierung kombiniert werden können und daß auf diese Weise sowohl den Interessen der Entwicklungsländer an einer Preisstabilisierung Rechnung getragen als auch gewährleistet werden kann, daß diese Institutionen nicht mit den Grundprinzipien unserer Sozialen Marktwirtschaft kollidieren. Meine Damen und Herren, dies alles kommt in der Großen Anfrage zum Ausdruck. Ich kann für die Fraktion der FDP sagen, daß wir die Antwort der Bundesregierung tragen.
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Das Wort hat die Frau Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität werden von allen Parteien in diesem Parlament als eine Grundbedingung unseres Gemeinschaftslebens akzeptiert. Nach unserer Auffassung gilt diese Grundbedingung unteilbar für alle Menschen, ungeachtet der Nationalität, der Rasse, der Religion oder des Geschlechts. Darin sind wir uns einig.
Wir sind darüber hinaus sicher gemeinsam der Auffassung, daß sich Freiheit für alle auf Solidarität gründet, auf die Solidarität der Satten mit den Hungernden, der Reichen mit den Armen, der Freien mit den Unterdrückten, der Starken mit den Schwachen. Freiheit entsteht durch größere Gerechtigkeit, also durch eine gerechtere Ordnung der Welt und somit auch durch eine gerechtere Ordnung der Weltwirtschaft. Für uns ist Freiheit nicht ein Privileg Weniger, Gerechtigkeit nicht eine gültige Verzichtsangelegenheit. Für uns ist Solidarität mehr als eine moralische Verpflichtung.
Unsere Entwicklungspolitik leitet sich von unseren Grundwerten her, nicht anders als unsere Gesamtpolitik. Auch die Opposition leitet ihre Entwicklungspolitik von diesen Grundwerten her. Aber wir unterscheiden uns vielfach in der Interpretation dieser gemeinsamen Grundwerte, wenn es um die praktizierte Politik geht. Wir stellen deshalb einige grundsätzliche Unterschiede zwischen unserer Auffassung von Entwicklungspolitik und der Auffassung der Opposition fest, weniger dort, wo ihre Konzeption von 1976 aufgeschrieben ist, die Sie zum Teil wahrscheinlich nicht kennen, wie man annehmen muß, wenn man Ihre Ausführungen hier hört.
Die Opposition dokumentiert in ihrer Großen Anfrage die Ansicht, einem sich ausbreitenden Kommunismus könne global, d. h. außerhalb des Gebietes, für das Entspannungspolitik Gültigkeit hat, begegnet werden, indem man wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Ländern einstellt, die sich gesellschafts- und wirtschaftspolitisch oder globalstrategisch am Ostblock orientieren oder beides tun. Vertreter der Opposition dokumentieren oft genug ihre Ansicht, die ordnungspolitische Organisation der Bundesrepublik sei eine verbindliche Ordnung für den Rest der Welt,
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d. h. auf ihn übertragbar,
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und die Entwicklungspolitik sei ein geeignetes Mittel dafür.
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Die Bundesregierung versteht ihre Entwicklungspolitik anders.
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Unsere Entwicklungspol'iti'k will materielle Not beseitigen. Sie hilft, Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß Menschen anderer Gesellschaften auch frei von Furcht leben können.
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Wo Freiheit von Not und Freiheit von Furcht existieren, hat sich Kommunismus, wie er sich heute versteht und wie er heute vorfindbar ist, erledigt.
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Abgesehen von der bedenklichen Auffassung von nationaler Souveränität: ich finde es inhuman und intolerant, sich mit einer insgeheim zu Sanktionen bereiten Einstellung über 'die ,existentiellen Bedürfnisse einer Menschenwelt hinwegzusetzen, deren materielle Not noch wächst.
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Unsere Entwicklungspolitik dient nicht der Durchsetzung ordnungspolitischer Ziele, sondern setzt sich in Solidarität mit den Schwachen
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für die Rechte der Menschen auf eine menschenwürdige Existenz ein. Sie dient dem Abbau von Konfrontation, nicht der Aufrechterhaltung von Vorrechten einer Gruppe von Ländern oder einer Gruppe von Menschen. Sie dient nicht der Macht einzelner, sie dient der großen Mehrheit der Menschen in den En'twicklungs'ländern und damit letztlich auch den Menschen in den Industrieländern.
Ob sich Menschen oder Staaten auf die Dauer für Demokratie - also für Freiheit - und gegen Kommunismus - also gegen Zwang - entscheiden, hängt doch ganz wesentlich davon ab, welche von beiden Systemformen mehr Menschlichkeit, mehr Entwicklung, mehr Frieden zu bringen in der Lage ist.
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Von den Waffenlieferungen des Ostblocks wird niemand satt, niemand gesund,
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niemand gebildet. Von unseren Projekten der Nahrungsmittelversorgung, 'der Wasserversorgung, der Ausbildung, vom Bau von Krankenhäusern und vom Bau von Staudämmen wird dies allerdings 'bewirkt.
Die öffentliche Hilfe der Bundesrepublik ist allein mehr als doppelt so hoch wie die Hilfe sämtlicher Staatshandelsländer.
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Während der Ostblock Waffen liefert, setzen wir uns für 'die Unab'hängig'keit der Länder und für friedlichen Fortschritt ein. Wir vertrauen auf unsere wirtschaftliche Anziehungkraft und auf die besseren Versorgungsmöglichkeiten, die eine freie Wirtschaft erwiesenermaßen gegenüber einer gelenkten hat. Wir helfen, wirtschaftliche und soziale Menschenrechte dort zu verwirklichen, wo sie in den Entwicklungsländern bisher noch unerfüllt geblieben sind. Wir gehen auch flagrante Verletzung der staatsbürgerlichen und politischen Menschenrechte an, jedoch nicht vor der Öffentlichkeit laut lamentierend, sondern wirkungsvoller, sehr wirkungsvoll im bilateralen Gespräch. Wir weigern uns, den Ost-West-Gegensatz auf die blockfreien Entwicklungsländer zu übertragen.
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Wer will es wohl verantworten, in der Dritten Welt die gleichen Demarkationslinien zu schaffen, wie wir sie in Europa haben? Wer den Rückzug aus den Entwicklungsländern vorschlägt, die mit dem Ostblock kooperieren, der tut dies.
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Wir weigern uns, Entwicklungspolitik für die Durchsetzung veralteter Doktrinen einzusetzen. Wir lassen uns in den Entwicklungsländern auch nicht in erneute, einem Kalten Krieg ähnliche Auseinandersetzungen zwingen.
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Unser Beitrag zur Neuordnung der Weltwirtschaft, zur Stärkung der Wirtschaftskraft der Entwicklungsländer und unsere Bemühungen gegen die materielle Not und für die Selbsthilfe der Menschen dort müssen ein Beitrag zu einem friedlichen Wettbewerb um die größere Durchsetzungskraft unserer wirtschaftlichen Effizienz, um die Wirksamkeit unserer Leistungsübertragung, um die bessere Möglichkeit zur Versorgung der Menschen dort und um die aufrichtigere Verwirklichung ihrer Rechte sein. Die Bemühungen der anderen OECD-Länder sind auf gleiche Ziele gerichtet. Die Europäische Gemeinschaft hat hier mit dem Lomé-Abkommen einen vorbildlichen Schritt unternommen, und sie hat auch durch ihr international abgestimmtes Auftreten die eigene Handlungsfähigkeit ganz entscheidend gestärkt.
In der Völkerfamilie von 147 UN-Mitgliedern arbeiten wir eng zusammen mit den internationalen Organisationen, z. B. mit der Weltbank und mit UNDP. Hier mitgestalten zu wollen, hier mitsprechen zu wollen, bedeutet, eine Leistungsbereitschaft zu zeigen, die unserer Leistungsfähigkeit entspricht.
Wir nähern uns dem Ende der zweiten Entwicklungsdekade der Vereinten Nationen. Die Völkergemeinschaft schickt sich an, eine neue Entwicklungsstrategie mit Zielsetzungen für das Jahr 2000 zu entwerfen. Um hier eine Übereinstimmung zwi3990
schen Nord und Süd zu erreichen, wird es notwendig sein, eine gemeinsame Grundlage zu schaffen, die zunächst in einer Analyse des Status quo und einer Verständigung über ihre Bewertung bestehen muß. Danach wird die Völkergemeinschaft zu einer Übereinkunft über die politischen Leitlinien kommen müssen. Der Weltentwicklungsbericht der Weltbank wird hierfür eine Grundlage sein. Die Kommission, der Willy Brandt vorsitzen wird, wird hierbei zusätzliche Hilfsvorschläge entwickeln können.
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Der Ostblock wird sich dem friedlichen Wettbewerb um menschenwürdige Lebensformen, wie wir sie verstehen, auf die Dauer nicht entziehen können. Die Entwicklungsländer selbst werden dies dem Ostblock abverlangen. Unsere Einschätzung ist richtig, daß die Menschen Brot wollen und nicht Waffen. Sie ziehen auf die Dauer Freiheit, mehr Gerechtigkeit, die Erfüllung ihrer Grundbedürfnisse und den friedlichen Fortschritt der Unterdrückung und allen politischen Ideologien vor.
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Wir lassen uns in diesem Optimismus durchaus in der Partnerschaft von Präsident Carter sehr gern sehen.
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Unser Vertrauen in die Kräfte der Freiheit sollte doch nicht so schwach sein, wie die Opposition es anläßlich der Ereignisse in Portugal demonstriert hat.
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Unser Optimismus sollte doch von der Menscheneinschätzung getragen sein, wie sie in Afrika Präsident Nyerere formuliert hat.
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Er ist der Meinung - die Menschen besser kennend als die Zwischenrufer hier -:
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„Der Mensch ist so geschaffen, daß er nicht ruhen wird, bevor er fühlt, daß er Freiheit hat und die menschliche Würde, die mit der Freiheit geht.
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Wird ihm dies verweigert" - so Nyerere -, „so wird er früher oder später für seine eigene Freiheit innerhalb seiner Gesellschaft und für die Freiheit seiner Gesellschaft von äußerer Herrschaft kämpfen."
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Ich bin dankbar, daß unser Bundesaußenminister, Herr Genscher, diesen Satz zu einem Kernsatz seiner bedeutsamen Rede vor der 32. Generalversammlung
gemacht hat, wie wir überhaupt feststellen dürfen, daß die mit seinem Namen verbundene Entspannungspolitik zwischen Nord und Süd - wenn wir sie so nennen dürfen im Vergleich zu einer geleisteten Entspannungspolitik zwischen Ost und West - Anerkennung findet; vielleicht nicht hier bei einigen Kurzdenkern, aber sie findet Anerkennung in der Welt.
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Am Beispiel Somalias hat sich doch gezeigt, wohin rechthaberische Vorhersagen und Vorschläge voreiliger Art aus Ihren Reihen geführt hätten.
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Gehen Sie doch wenigstens im Zusammenhang mit diesem Beispiel einmal in sich!
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Akzeptieren Sie doch, daß dieses Land, dem Sie die Entwicklungshilfe sperren wollten, zu einer großartigen Solidarität mit der Bundesrepublik bereit war.
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Würdigen wir doch alle, in welch selbstverständlicher Weise dieses Volk Barmherzigkeit gegenüber dem Elend fremder, weißer Menschen gezeigt hat, ein Land, das einen anderen Weg gewählt hat als wir!
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Sicher fällt es unseren Bürgern in der Bundesrepublik seit der Nacht von Mogadischu leichter, im Menschen mit der schwarzen Haut seine eigene Menschlichkeit zu erkennen.
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Unsere Einschätzung ist richtig, daß die Men- schen Brot wollen und nicht Waffen. Unsere Ansicht ist richtig, daß die überwiegende Zahl der Länder der sogenannten Dritten Welt Kapitalismus und Kommunismus für unbrauchbare Dogmen der nördlichen Hemisphäre halten, für unbrauchbare Ideologien des Nordens. Wer allerdings - traumtänzerisch - meint, unsere Gesellschaftsordnung sei auf den Rest der Welt übertragbar, der kann natürlich auch der irrigen Meinung erliegen, andere Gesellschaftssysteme seien ebenfalls übertragbar.
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Obwohl beide Ansichten von der Wirklichkeit längst widerlegt sind, müßten Sie, falls sie überhaupt lernbare Systeme sind, das auch merken können; denn die Staaten der Dritten Welt haben sich ja längst anders entschieden. Sie dokumentieren mit ihrer wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit West und Ost, daß sie von beiden politischen Systemen unabhängig sind. Ihre Außenpolitik gegenüber Ost und West bestimmt sich nach dem Prinzip der Blockfreiheit. Es ist eine schlechte Partnerschaft,
die unmißverständlich erklärten Positionen des anderen nicht zur Kenntnis zu nehmen.
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Es gibt Politiker in diesem Land, deren Weltsicht sich auf innenpolitisch Verwertbares beschränkt,
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die nicht wahrnehmen wollen, was in der Welt vor sich geht,
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und die sich sogar erlauben, den sinnlosen Terrorismus hier
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und den Kampf um Menschenwürde und Menschenrechte in Afrika nicht zu unterscheiden.
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Dunstkreistheorien und Bierzelterfindungen aber sind nicht maßgeblich für Regierende und Politiker anderer Länder.
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Wir sind nicht die Herren der Welt. Wir waren es nie und wir wollen es auch in Zukunft nicht sein.
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Es ist nachweisbar, daß die wenigen Staaten Afrikas, die sich in den letzten Jahren eindeutiger dem Ostblock zugewandt haben, dies auch deswegen taten, weil sich der Westen in der Phase ihres Übergangs zur Unabhängigkeit nicht hilfreich gezeigt hat. Wir sind nun dabei, sehr spät und mit sehr bescheidenen materiellen Mitteln dieses folgenschwere Versäumnis bei den beiden Ländern zu vermeiden, die jetzt noch um ihre Unabhängigkeit kämpfen, bei Namibia und Simbabwe. Ich wünsche als Vertreter dieser Bundesregierung und auch als Vertreter dieser Koalition nicht, daß solche außenpolitisch notwendigen Ansätze leichtfertig kaputtgemacht werden. Tausende fliehen aus Rhodesien, aus Südwestafrika,
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das diese Flüchtlinge Simbabwe nennen, und aus der südafrikanischen Republik.
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Sie fliehen doch nicht, weil Heimatlosigkeit und noch größere Not ein erstrebenswertes Ziel für sie wären; sie fliehen vor der Unterdrückung dort.
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Vor allen Dingen fliehen die Jugendlichen, die sich eine andere Zukunft vorstellen als das Leben, das ihre Eltern und ihre Vorfahren führen mußten.
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Wir haben ja selber wohl das Leid von Flüchtlingen in unserem eigenen Land erfahren,
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und können uns also auch vorstellen, welche Belastung Flüchtlinge für ein Land bedeuten, das so arm wie Botsuana, so arm wie Sambia ist. Deshalb leisten wir dort Hilfe,
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und deshalb leisten wir dort auch Flüchtlingshilfe, und zwar gemeinsam mit dem UN-Flüchtlingskommissar,
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gemeinsam mit dem Internationalen Roten Kreuz, gemeinsam mit unseren Bündnispartnern, gemeinsam mit den Vertretern des UN-Weltsicherheitsrats und gemeinsam mit Ländern, die - wie Schweden - eine bürgerliche Regierung haben. Wir wollen die Länder entlasten, die zusätzliche Bürden tragen müssen, die ohne Schuld unter dem Konflikt im südlichen Afrika leiden und die dies auf sich nehmen, weil Freiheit, die Abschaffung von Rassismus, die Herstellung von Menschenwürde und Selbstbestimmung der Menschen mit der schwarzen Haut unveräußerliche Rechte für sie sind. Und ich hoffe, für uns sind sie das auch.
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Um ihren Beitrag zum friedlichen Fortschritt zu leisten, muß unsere Entwicklungspolitik die Befriedigung der Grundbedürfnisse für den einzelnen Menschen zum Ziele haben. Wir stellen mit unserer Hilfe einen gewissen, wenn auch geringen Ausgleich her zwischen dem Überfluß bei uns und der materiellen Not der Menschen in den Entwicklungsländern. Dieser Ausgleich ist gerechtfertigt, weil unser Lebensstandard auch ermöglicht wird durch niedrige Löhne dort und durch niedrige Rohstoffpreise, die dort gemacht werden.
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Ich bin nicht bereit, diese Politik auf Bernard Shaw zu gründen, der von Entwicklungspolitik in seinem Leben damals noch nichts gehört hatte.
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Die Erfüllung von Grundbedürfnissen beschränkt sich nach unserer Auffassung aber keineswegs auf die elementaren materiellen Lebensnotwendigkeiten, sie schließt die Stärkung der wirtschaftlichen Fähigkeiten von Gruppen und ihrer Fähigkeit zur Selbstorganisation ein. Wenn Entwicklungspolitik das Ziel hat, an einer Welt gleichberechtigter, souveräner Staaten mitzuwirken, muß sie auch die Selbstbestimmungs- und Mitbestimmungsfähigkeit
der Bürger in den Entwicklungsländern fördern. Denn Menschen sind überall Subjekte, nicht Objekte unserer Politik.
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Zur Erfüllung solcher Grundbedürfnisse tragen wir auf vielfältige Weise und mit Unterstützung vieler Partner bei.
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Die Stiftungen, die privaten Institutionen unseres Landes und vor allem die Kirchen beider Konfessionen leisten hier eine ganz wesentliche Arbeit. Sie erbringen oft Dienste für die ärmsten Menschen, wie es der Staat kaum kann. Sie haben uns - wie ich meine, sehr eindrucksvoll - auf die Grundsatzfragen der Selbsthilfebewegungen, auf die Genossenschafts- und Gemeinwesenentwicklung hingewiesen. Daraus wollen wir selber eine Strategie entwikkeln.
Selbst Entwicklungsländer, die durch Öleinnahmen sehr reich geworden sind, benötigen noch unseren qualifizierten Rat und ausgebildete Fachleute aus unserem Lande. Das gilt auch für viele Länder mit fortgeschrittener Industrialisierung. Armutsgebiete und Unterentwicklung werden nicht durch das Vorhandensein von Bargeld allein beseitigt. Dabei reicht auch rein privatwirtschaftliche Tätigkeit nicht aus. Andererseits ist es aber auch dringend nötig, neue Formen der Zusammenarbeit dort zu überlegen und zu entwickeln, wo fortgeschrittene Entwicklungsländer mittel- und langfristig interessante Märkte für uns sein können.
Unsere Partnerländer, deren Bevölkerung den Hauptteil an Entwicklungspotential und Importkraft selbst schaffen und alle gewährten Darlehen zurückzahlen muß, werden zunehmend kritischer und überlegter. Vor manch einem Planungsminister, auch in sehr armen Ländern, haben meine Mitarbeiter und ich tiefsten Respekt, was fachliche Leistung, zuverlässige Partnerschaft, Durchsetzung im eigenen Land und Zuversicht bei schier unüberwindbaren Schwierigkeiten anlangt.
Ein weiteres grundsätzliches Ziel unserer Entwicklungspolitik ist auch die Mitgestaltung einer gerechteren Weltwirtschaftsordnung. Dies verlangt Phantasie und Mut, Mut, neue, als richtig anerkannte Maßnahmen zu akzeptieren, und auch Mut, Vorstellungen dann abzulehnen, wenn wir sie als nicht durchführbar erkennen.
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Neue Vorschläge sind nicht schon deshalb dirigistisch, weil sie die Interessen anderer widerspiegeln. Größere Startgerechtigkeit und die bessere Verteilung der Produktionsmöglichkeiten, die aus der bevorstehenden Neuorganisation der wirtschaftlichen Zusammenhänge zwischen Nord und Süd resultieren, werden an die Anpassungsfähigkeit unserer Wirtschaft weit mehr Anforderungen stellen, als dies die Übertragung international festgelegter Prozentsätze des Bruttosozialprodukts durch den Staat ausdrückt.
Wir wissen, daß die angestrebte Stabilisierung der Weltmarktpreise für eine Anzahl von Rohstoffen auch mehr Stabilität für die eigene Volkswirtschaft bewirken wird. Wir sind bereit, die Voraussetzungen für eine zunehmende Industrialisierung der Entwicklungsländer schaffen zu helfen und die positiven Konsequenzen für den internationalen Warenaustausch darin zu erkennen. Wir müssen uns aber davor hüten - auch wegen unserer eigenen Menschen -, eine technologische Flucht nach vorn als alleingültige Problemlösung anzusehen, deren Ergebnis nämlich die Festschreibung der überkommenen internationalen Arbeitsteilung, wenn auch auf anderem Niveau, wäre. Das bedeutet keineswegs, daß wir uns der technologischen Fortentwicklung enthalten sollen. Aber wir können keine ausschließliche Blaupausen-Gesellschaft werden, die einen hohen Prozentsatz besonders der durchschnittlich begabten Menschen bei uns immer wieder zu Subventionsempfängern machen würde.
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Wir müssen uns die Frage stellen, ob wir uns damit zufriedengeben wollen, daß viele Millionen, auch viele Millionen Menschen in Europa, ihre Heimat, ihre Wurzeln, ihre Familien, ihre 'Bindungen, ihr Sprachgebiet verlassen müssen, um ihre Existenz und die Existenz ihrer Familien viele tausend Kilometer weit am Produktionsplatz zu erkämpfen. Diese Frage liegt vor uns, für unser eigenes Land, für Europa, für ,die Menschen in der Dritten Welt.
Die Entwicklungsländer brauchen eine differenzierte Produktionsstruktur, die die Versorgung der eigenen Bevölkerung leisten kann. Die Fortentwicklung 'der internationalen Arbeitsteilung muß ein gewisses Maß an Ausgewogenheit erreichen; denn entwicklungspolitische Vernunft ist wirtschaftliche Vernunft. Sie ist bereit, auch über kurzfristige, kurzatmige Aspekte hinaus in die kulturellen und sozialen Rahmenbedingungen einer zunehmend voneinander abhängigen Weltwirtschaft zu investieren. Sie stellt die wachsende wirtschaftliche Abhängigkeit der Volkswirtschaften voneinander genauso in Rechnung wie die individuelle Situation eines Landes, auch unseres Landes, das anders als die beiden Großmächte und andere Länder extrem rohstoffabhängig und ganz stark exportorientiert ist, vergleichbar eigentlich nur noch mit Japan.
Aus dieser Erkenntnis ergibt sich unsere Bereitschaft zu Leistungen der öffentlichen Ressourcenübertragung und unsere Kompromißfähigkeit bei den Verhandlungen über eine Neugestaltung der Weltwirtschaftsordnung. Das hat nichts mit der Aufgabe von Interessen zu tun, sondern ist verantwortungsvolle Wahrnehmung der eigentlichen, legitimen Interessen unseres Landes als eines stark in die Weltwirtschaft integrierten Partners, der seiner wirtschaftlichen Verflechtung viel von seinem Wohlstand verdankt. Wenn das erklärte Ziel der Entwicklungsländer die stärkere Verflechtung mit der Weltwirtschaft ist und wir dieses Ziel ebenfalls unterstützen, dann wird sich bei so wesentlicher Interessenidentität langfristig auch Verständigungsbereitschaft auf beiden Seiten finden. Wenn ich mir die jahrzehntelange Geduld vorstelle, mit der die EntBundesminister Frau Schlei
wicklungsländer bisher ihre Forderungen nach einer Neuordnung der Weltwirtschaft den Industrieländern vortragen, idann finde ich, daß diese jahrzehntelange Geduld auch ein Beweis für solche Verständigungsbereitschaft ist.
Die alte Ordnung -das darf doch einmal festgestellt werden - hat für die Entwicklungsländer immer bedeutet, offene Grenzen zu haben, offene Adern zu haben, schutzlos zu sein. Eine neue Ordnung bedeutet für die Dritte Welt Souveränität unter Einschluß wirtschaftlicher Eigenständigkeit. In einer neuen Ordnung soll der Kreislauf zwischen gleichberechtigten Subjekten der Weltwirtschaft geschlossen werden. Wirtschaftliches Offensein gegenüber der nördlichen Welt hat für diese Länder doch seit Jahrhunderten auch Demütigung bedeutet. Für unis allerdings bedeutete diese wirtschaftliche Öffnung Teilhabe am Fortschritt, friedliche Entwicklung, wachsender Wohlstand, mehr Freiheit als je zuvor.
Wenn wir bei unseren Partnern in der Dritten Welt den Staat des Entwicklungslandes als Partner im internationalen Wirtschaftsverkehr haben, kann das doch kein Grund sein, auf wirtschaftliche Beziehungen zu diesen Ländern zu verzichten. Wir haben doch bereits Erfahrungen in unserer Zusammenarbeit mit den Staatshandelsländern gesammelt. Diese Erfahrungen werden dort sicherlich nicht anders aussehen. Es wäre ganz unverantwortlich, aus ideologischen Gründen oder aus Phantasielosigkeit, weil wir Regelungen wirtschaftlicher Beziehungen durch Staaten ablehnen oder nicht in der Lage sind, sie konstruktiv auszugestalten, Mitsprache- unid Einflußmöglichkeiten bei der 'Neuordnung der Weltwirtschaft aufzugeben. Wir müssen das verantwortlich mitgestalten, wovon wir ein Teil sind.
Das dritte Ziel ist, unsere entwicklungspolitischen Bemühungen dadurch sinnvoll zu machen, daß sie sich insgesamt auf die Stärkung der Wirtschaftskraft der Entwicklungsländer richten. Die Entwicklungsländer selbst haben im vorigen Jahr auf den Konferenzen von Colombo und Mexiko Überlegungen zur Zusammenarbeit untereinander angestellt, interessante und förderungswürdige Überlegungen. Wir selbst stärken durch unsere Entwicklungspolitik die Wirtschaftskraft der Entwicklungsländer, durch unsere intensive und konstruktive Mitarbeit am Rohstoffabkommen zur Erzielung stabilerer Rohstoffpreise dort, wo dies möglich erscheint, und beim integrierten Programm, dem wir ja auf der 4. Welthandelskonferenz in Nairobi zugestimmt haben.
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Aber auch durch unser Angebot einer Stabilisierung der Exporterlöse, einer Maßnahme, die besonders den ärmsten Ländern helfen könnte, werden wir gute Hilfsangebote machen können.
Wir helfen weiter durch Stärkung der Aufnahmefähigkeit der Entwicklungsländer für Technologien, ohne die sie die von ihnen angestrebten Wachstumsraten nicht erreichen können. Wir helfen durch Offenhalten und weitere Öffnung unserer Inlandsmärkte. Wir helfen durch die Förderung regionaler Wirtschaftsgemeinschaften, wo dies möglich ist.
Wir helfen zwischenstaatliche Projekte, durch unser I Bemühen, zunehmendem Protektionismus entgegenzuwirken. Wir helfen durch die auf der Konferenz für internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit in Paris angebotenen Verfahrensregelungen bei Verschuldung sowie durch unser generelles Angebot, in Einzelfällen schnelle Regelungen zu finden.
Unsere Förderung der Entwicklungsländer kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn sie durch eine Politik ergänzt wird, die auf die Dauer auch interne Verteilungsprozesse in Gang setzt. Das gilt besonders für die fortgeschrittenen Länder, wo die materiellen Möglichkeiten dafür größer sind. Die abstrakte Rate des Durchschnittseinkommens erzählt uns nicht genug über brisante Unterschiede zwischen den oberen 20 Prozent in einem Staat und den 80 anderen Prozent. Unsere Förderung kann also nur durch Beachtung dieser Prozesse ganz gerechtfertigt sein.
Hierbei bitte ich zu bedenken, wie die größte und überall am meisten benachteiligte Gruppe, nämlich die Gruppe der Frauen, berücksichtigt und gerecht beteiligt werden kann. Denn die wachsende Sorge vieler Entwicklungsländer und unsere eigene Sorge über das rasche Bevölkerungswachstum wird nicht ausgeräumt werden können, bevor der soziale Status der Frauen verbessert ist und bevor Einkommenssicherheit für weitere Teile der Bevölkerung und soziale Vorsorge neben der bereits wirksamen Familienplanung eine größere Rolle spielen. Nicht rasches Bevölkerungswachstum ist schuld an Hunger und materieller Not. Hunger und Not sind vielmehr die eigentlichen Ursachen des Bevölkerungswachstums.
Ohne die aktive Mitwirkung der Frauen kann die Armut in den Entwicklungsländern nicht wirksam bekämpft werden.
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Vor allem bei der Ernährung, der Gesundheit und der Familienplanung fällt doch den Frauen eine Schlüsselrolle zu. Weltbankpräsident McNamara wies unlängst erneut auf den engen Zusammenhang von Frauenbeschäftigung, Familieneinkommen, Hunger und Bevölkerungsraten hin. Er sieht die Verbesserung der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Situation der Frau zu Recht als das wichtigste Mittel an, einen Rückgang der Geburtenzahl und einen besseren Lebensstandard zu erreichen. Die Frauen zu berücksichtigen und ihre Interessen zu fördern ist nicht nur eine Menschenrechtsfrage, sie ist auch eine Menschheitsfrage.
Ich glaube, die Frauen in der Dritten Welt würden sich sehr wundern, wenn sie von den Übersetzungsschwierigkeiten hörten, die wir haben, wenn wir „one man - one vote" übersetzen wollen; manchen fällt es schon sehr schwer, das zu übersetzen.
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- Ich kann nicht Englisch sprechen, aber Sie ver- stehen, was ich meine.
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Denn hier ist, wenn ich es richtig in Erinnerung
habe, die Umgangssprache ja Deutsch. - Die Über3994
setzung schneller Politiker „ein Mann - eine Stimme" werden diese Frauen nicht akzeptieren. Sie wollen, daß es heißt: „ein Mensch - eine Stimme".
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Noch ein Wort zum diesjährigen Haushaltsansatz und dem Ansatz in der neuen mittelfristigen Finanzplanung. Die Regierung hat durch die überproportionale Steigerung des Einzelplans 23 um rund 22 °/o gezeigt, wie ernst sie ihre Regierungserklärung nimmt. Diese Anhebung, über die sich doch alle freuen sollten, bedeutet, daß wir in den kommenden Jahren die Quote von 0,34 % erreicht haben. Die Aussage des Bundesfinanzministers, daß dieser Haushalt immer ungefähr doppelt so stark gesteigert werden sollte wie der Gesamthaushalt, halte ich im Hinblick auf die Zukunft für gut.
Wir werden unsere Überlegungen, auf welchen weiteren Wegen das international zugesagte 0,7-%-Ziel erreicht werden kann, aber nicht einstellen; das dürfen wir nicht. Wir werden die Anregungen der Opposition, die sich ebenfalls zur Erfüllung dieses Ziels bekennt, und ihre Unterstützung in den entscheidenden Gremien als sehr willkommen ansehen.
Je mehr wir bereit sind, die wohlverstandenen Interessen der armen Welt zu berücksichtigen, je mehr wir bereit sind, in diese Welt zu investieren, desto dauerhafter und wirksamer dienen wir dem eigenen Interesse, dem übergeordneten Interesse, nämlich Frieden zu stiften und Frieden zu wahren,
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dem Interesse unserer Arbeitnehmer, Arbeitsplätze zu erhalten und neue zu schaffen, dem volkswirtschaftlichen Interesse, den Weltmarkt durch Entwicklung von Kaufkraft zu erweitern, nachdem in den reichen Ländern gewisse Grenzen des Bedarfs erreicht zu sein scheinen, dem lebenswichtigen Interesse einer stetigen und sicheren Versorgung unserer Volkswirtschaft mit Rohstoffen. Dadurch dienen wir auch dem nationalen Interesse, als nützlicher und unverzichtbarer Partner in der Welt anerkannt zu sein.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Hüsch.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe zunächst den Antrag der christlich-demokratischen und christlich-sozialen Fraktion auf Verbesserung der Information über Projekte, die mit Entwicklungsmitteln finanziert werden, zu begründen. Dieser Antrag zielt auf den Nutzen ab, den Entwicklungshilfe auch für unser eigenes Land haben soll: nämlich eine möglichst große Beteiligung deutscher Unternehmen an Projekten, die durch Entwicklungshilfemittel gefördert werden.
Deutsche Firmen haben jedoch zur Zeit keine ausreichende Informationsmöglichkeit, sich über den aktuellen und geplanten Stand von Entwicklungsprojekten zu unterrichten. So gibt es keine allgemein zugänglichen, regelmäßigen Informationen über Kapitalhilfe- oder technische Hilfsprojekte des BMZ. Abkommen zwischen Nehmerländern und der Kreditanstalt für Wiederaufbau erscheinen erst nachträglich in den Nachrichten für Außenhandel und im Bundesgesetzblatt. Projektaufstockungen, Details über laufende Projekte, Consultants sowie Planungen zukünftiger Projekte werden nicht systematisch, allenfalls gelegentlich veröffentlicht. Die für ein Engagement der deutschen Industrie und insbesondere der mittelständischen Wirtschaft nötige Übersicht und Vorschau kann zur Zeit nur auf Grund von Abfragen einzelner Länderressorts des Ministeriums erreicht werden. Das bedeutet für alle unverhältnismäßig hohen Aufwand. Er kann von kleinen und mittleren Firmen nicht aufgebracht werden. Sie sind deshalb schon aus praktischen Gründen von der Beteiligung an Projekten in Entwicklungsländern ausgeschlossen.
Deshalb will der Antrag erreichen, daß die Bundesregierung ein regelmäßiges, nach Ländern gegliedertes, öffentlich und allgemein zugängliches Informationssystem aufbaut, wie es z. B. der Europäische Entwicklungsfonds, die Weltbank, die Asian Development Bank oder die Interamerican Development Bank seit langem und zum großen Nutzen der Industrien haben.
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Ich möchte ein solches Informationssystem aber auch als einen Beitrag dafür ansehen und werten, das Auseinanderklaffen zwischen der öffentlichen Meinung auf der einen Seite und der politischen Notwendigkeit der Entwicklungshilfe auf der anderen Seite zu verringern. Gleichzeitig möchte ich unsere Auffassung zum Ausdruck bringen, daß die Erfüllung dieses Antrages ein Beitrag zur Sicherung von Arbeitsplätzen im eigenen Land sein kann.
Der Sprecher der SPD, Herr Schluckebier, hat in seinen Ausführungen heute ein paar Behauptungen aufgestellt und eine Legende aufzubauen begonnen, die mit den Ereignissen in Somalia in Zusammenhang steht. Darauf wird Herr Kollege Köhler Ihnen antworten, Herr Schluckebier. Aber er wird Ihnen sehr deutlich die Unwahrheit Ihrer Behauptungen nachweisen. Auch Frau Schlei werden wir entgegenhalten müssen, daß sie heute wiederum weidlich dazu beigetragen hat, eine Legendenbildung aufzubauen. Ihre Darstellungen gehören in das Reich der barocken Phantasie, und andere sollte man lieber mit dem Mantel der christlichen Barmherzigkeit überdecken, damit sie nicht allzuweit bekannt werden.
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Nun, Frau Schlei, was Sie gesagt haben, liest sich bei Genscher ganz anders. Wenn ich zu wählen hätte, Frau Minister, zwischen Ihren Ausführungen und einigen Passagen in der Antwort auf die Große Anfrage, dann wähle ich schon lieber das, was Herr Genscher zur Entwicklungspolitik ausgeführt hat.
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Sprecher von SPD und FDP, Herr Schluckebier heute, die Frau Ministerin heute zwar nicht, aber sonst, haben sich in den letzten Wochen mit Äußerungen befaßt, die der Kollege Todenhöfer getan hat. Wir haben ja auch hier die Androhung des Kollegen Vohrer - die fürchterliche, schreckliche, aber leere Drohung-, daß auch Frau Schuchardt zu diesem Problem nachher noch sprechen wird.
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Es sieht ja zeitweilig so aus, als gebe es trotz des Hungers von 500 Millionen Menschen in dieser Welt, trotz der Spannungen im Nord-Süd-Konflikt, trotz des Ost-West-Konfliktes und obwohl es bei der wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und politischen Zusammenarbeit um Fragen einer langfristig zu sichernden Zukunft geht, nichts Dringlicheres, als über den Oppositionssprecher Todenhöfer politisch zu Gericht zu sitzen. Ja, man hat geradezu ein Ritual entwickelt, um zu bestreiten oder um Todenhöfer auszureden, was er an Ort und Stelle festgestellt hat. Es geht um die Feststellung: Die Bundesregierung fördert in Selebi Pikwe eine Einrichtung, die als Rekrutierungs-, als Sammel- und Durchgangslager für kriegerisch operierende Freiheitsbewegungen im südlichen Afrika dient.
Niemand von uns, meine Damen und Herren und Frau Schlei, verschließt die Augen vor dem bitteren Schicksal von Flüchtlingen, weder dem von Flüchtlingen im südlichen Afrika noch dem von Flüchtlingen aus Angola, deren Zahl weit höher ist als die Zahl der Flüchtlinge aus Rhodesien, noch dem der Flüchtlinge aus Guinea, aus Mozambique, aus Kambodscha und Südvietnam. Sie aber konzentrieren alle Ihre Bemerkungen nur auf einen von Ihnen fixierten und deshalb unzulänglichen Punkt der Politik zugunsten der Flüchtlinge in aller Welt.
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Meine Damen und Herren, schließlich haben mehr als 12 Millionen unserer eigenen Landsleute ein solches Schicksal erlitten.
Wir treten mit allem Nachdruck für eine Unterstützung der Flüchtlinge ein, und zwar ohne jede Unterstützung von Gewalt, gleichgültig, unter welchem Vorwand sie ausgeübt würde. Erst recht, Frau Schlei, wenden wir uns dagegen, daß Gelder der Entwicklungspolitik, die dem Frieden zugedacht sind, direkt oder indirekt in Guerilla-Unternehmungen investiert werden. Das hat der Sprecher der Opposition deutlich gemacht. Er kann sich auf die Zustimmung weitester Kreise stützen. Berge von Post aus allen Teilen unseres Vaterlandes beweisen, daß Todenhöfer mit der Aufdeckung dieser Sache richtig gehandelt hat.
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Um so erstaunlicher sind die Reaktionen des gemischten Koalitionschors, verstärkt durch Stimmen aus Funk, Fernsehen und Presse.
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Erst zeigte man sich über das überrascht, was Todenhöfer berichtet hatte. Im südlichen Afrika ist in aller Munde, was er mitgeteilt hat. Beispielsweise erschien am 7. Juli in der oppositionellen „Rand Daily Mail" ein Bericht zweier Journalisten, der sich sowohl mit Rekrutierung im Lager selbst als auch mit dem planmäßigen Ausfliegen zu den Stützpunkten der Befreiungsbewegungen befaßte und in dem die Journalisten - Frau Schlei, ich rate Ihnen dringend, auch einmal diesen Artikel nachzulesen - viele Einzelheiten berichteten und sie durch Fotos erhärteten.
({7})
Diese Journalisten sprachen wörtlich - Herr Stahl, Sie sollten auch einmal Gelegenheit nehmen, in die Zeitungen anderer Gegenden zu . gucken - vom „Terror Charter" und von „Terrorist Airlifts". Meine Damen und Herren, was im südlichen Afrika in aller Munde ist, hat der Oppositionssprecher hier deutlich gemacht. Deshalb ist es bedrückend, daß der Staatssekretär Brück im Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit trotzdem - obwohl es offenkundig ist - die Prüfung solcher wesentlichen Vorwürfe verweigerte.
Dann lief die Dementiermaschine an. Schlei, Kollatz unterstellen in schöner Gemeinsamkeit Todenhöfer Behauptungen - Herr Kollege Brück, darauf sollten Sie in Ihrer Zwischenfrage gleich Bezug nehmen - und dementieren zugleich solche, die er überhaupt nicht aufgestellt hatte.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön.
Herr Kollege Hüsch, haben Sie nicht mehr in Erinnerung, daß ich gesagt habe, das Projekt Selebi Pikwe werde ganz normal, wie das immer bei Entwicklungsprojekten geschieht, von der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit geprüft?
Herr Staatssekretär, Sie mögen das in einem Nebensatz gesagt haben.
({0})
Aber auf die gezielte Frage, ob Sie bereit seien, die vom Kollegen Todenhöfer erhobenen Vorwürfe zu prüfen,
({1})
und ob Sie nicht Anlaß hätten, die Richtigkeit der routinemäßigen Aufarbeitung des Projekts nunmehr einer besonderen Prüfurig zu unterziehen, haben Sie dies strikt abgelehnt. Deshalb sollten Sie sich hier nicht so hinstellen. Das kann ich nur als Versuch werten, als wollten Sie von dieser dummen, törichten Erklärung im Ausschuß jetzt nachträglich abrücken. Lassen Sie das. Das bringt wirklich nichts.
({2})
Herr Abgeordneter Dr. Hüsch, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
Ich bedaure, Frau Präsidentin.
({0})
Es ist das Recht des Abgeordneten, das zu verweigern.
Dann meinte man, Todenhöfer habe sich geographisch geirrt, bis auch das unter dem Druck der Fotografien und des anderen Beweismaterials wie ein angepickter Luftballon in sich zusammenschrumpfte.
Dann begann eine neue Phase der Kampagne. Jetzt heißt es, die Bundesregierung habe überhaupt noch nicht gezahlt. Da das Geld zugesagt war und man das Projekt nicht abbrechen wollte und nicht abbrechen will, ist dieser Einwand nichts anderes als eine glatte und schlichte Heuchelei.
Jetzt müssen Zahlen herhalten, nachdem auch das nicht mehr nützt. Dabei ist es völlig gleichgültig, ob die vom Kommandanten des Lagers gegenüber Todenhöfer genannten 95 % Freiheitskämpfer zutreffen oder ob es sich, wie eine andere Quelle behauptet, um 50 % handelt.
({0})
Wenn es um Gewalt geht, wenn es um Leben und Tod von Unschuldigen geht und wenn es um den Tod geht, in den die Rekrutierten des Lagers Selebi Pikwe möglicherweise vermittelt oder geschickt werden, dann ist jedes Prozent zuviel, und der Streit um 95 oder 50 °/o ist eine müßige Wortklauberei, die an der Sache einfach vorbeigeht.
({1})
Als nächster Schritt wird die Feststellung von Todenhöfer bestritten, daß im geförderten Lagerbereich Frauen und Kinder nicht zu sehen gewesen sind. Großzügig, wie man nun einmal im Dementieren geworden ist, wird auf der einen Seite ein Gefängniskomplex einbezogen, auf der anderen Seite ein Zeltlager. Beide waren gar nicht gefördert und sind auch zur Förderung nicht vorgesehen. Dieses Zeltlager existierte nicht einmal, als Todenhöfer an Ort und Stelle war.
Meine Damen und Herren, das ist es eben: Sie gehen mit der Wahrheit großzügig um, nur um irgendeinem Oppositionssprecher etwas anzuhängen.
({2})
Als auch das trotz aller Dementierkünste nichts mehr nützte, wurde der Bericht des deutschen Geschäftsträgers Regenhardt geflissentlich in die Öffentlichkeit lanciert. Man wollte sozusagen unter Ausnutzung der Objektivität eines Beamten, der mit großem Pflichtbewußtsein an Ort und Stelle seinen Auftrag für unser Land erfüllt, publizistische Vorteile erzielen. Aber auch er hat Todenhöfer nicht widerlegt. Er hat an der Sache vorbeigeredet. Wenn Frau Schuchardt etwa nachher daran denken sollte,
diesen Bericht zu zitieren, dann möchte ich ihr jetzt schon raten, vorher einmal jene eidesstattliche Versicherung nachzulesen, die ein Journalist
({3})
über öffentliche Interviewerklärungen des gleichen Geschäftsträgers angefertigt hat, mit deren Inhalt er zwar die Politik der Bundesregierung als angeblich notwendig und von ihm zu vertreten rechtfertigt, mit deren Inhalt er sich aber von der Maßnahme selbst mit ganz großem Nachdruck distanziert.
({4})
SPD und FDP hat das alles nicht gehindert, rigoros von ihrer schwachen Mehrheit Gebrauch zu machen, den Kollegen Todenhöfer zu rügen. Die Entschließung dazu war Tage zuvor bereits schriftlich abgefaßt und vereinbart, ehe der Abgeordnete überhaupt die Gelegenheit bekommen hatte, im Ausschuß zu seinen Äußerungen Stellung zu nehmen.
({5})
Meine Damen und Herren, das ist natürlich ein durchaus respektables Beispiel von Wahrheitsfindung und was noch dazu gehört.
Der Kollege Todenhöfer - ich fasse das zusammen - hat eine Sache ans Tageslicht gebracht, die der Klärung bedarf. Es wird ihn deshalb gar nicht ärgern, meine Damen und Herren von SPD und FDP, wie versucht wird, die Wahrheit zu vernebeln. Es sind die süßesten Früchte, an die die Bienen zuvörderst und zumeist gehen. Sollten etwa Sie von SPD und FDP dazu übergehen wollen, den Kollegen Todenhöfer zu loben, dann müßte ich ihm sagen: Todenhöfer, erforschen Sie jetzt Ihr Gewissen!
({6})
- Dies war kein Spruch von Bebel, sondern ein Zitat von Bismarck.
Auf der anderen Seite hat Egon Bahr in einer Erklärung gegenüber dem „Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatt" wissen lassen, daß er humanitäre Einrichtungen für Flüchtlinge, Kinder, Schüler und Opfer auch als Beitrag zur Unterstützung der Befreiungsbewegungen ansieht. Ich zitiere mit Erlaubnis der Frau Präsidentin aus der „Welt" vom 7. Juli 1977. Egon Bahr:
Ich kann den Kampf nicht führen, wenn ich nicht in der Lage bin, die Opfer des Kampfes zu versorgen. Das bedeutet ja wohl, daß ich die Befreiungsbewegung auch dadurch in ihrem Kampf unterstütze.
Meine Damen und Herren, in Anbetracht solcher Worte und in Anbetracht der festgestellten Tatsache muß die Regierung, müssen SPD und FDP den Beweis dafür führen, daß sie auf der Seite des Friedens und der Friedfertigkeit und nicht auf der Seite der Gewalt stehen.
({7})
Frau Schlei, Sie müssen den Beweis führen, daß Sie das Geld des deutschen Steuerzahlers,
({8})
so wie er es will, für den Frieden eingesetzt haben. Alles, was Sie heute dazu vorgetragen haben und was Sie sonst gesagt haben, kann man nur so zusammenfassen: Sie, Frau Schlei, sind den Beweis dafür schuldig geblieben, daß Sie Geld des deutschen Steuerzahlers ausschließlich für den Frieden und die Humanität eingesetzt haben.
({9})
Ich muß hier einen weiteren Vorgang zur Sprache bringen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein, Frau Präsidentin, keine mehr.
({0})
Dieser Vorgang ist wohl einmalig. Man hat es für nötig befunden, ein Mitglied der Regierung von Botsuana, nämlich Frau Chiepe, zu veranlassen, sich auf deutschem Boden dazu zu äußern, ob ein CDU-Abgeordneter geeignet sei, ein Ministeramt zu übernehmen.
({1})
Wir weisen eine solche Einmischung in unsere eigenen Angelegenheiten durch ein Regierungsmitglied eines anderen Landes zurück,
({2})
und wir würden es auch tun, Herr Ehmke, wenn sich eine solche Einmischung auf eine Persönlichkeit Ihrer Partei bezöge. Wir sind demokratischer, als Sie glauben.
({3})
Die Verantwortung für diesen Übergriff liegt bei denjenigen, die ihn angezettelt haben, und, Herr Minister Genscher - das richtet sich an Ihre Adresse -, sie liegt auch bei denjenigen, die durch geflissentliches Schweigen zur Wiederholung dieses Vorgangs ermutigen.
({4})
Um aller Kritik entgegenzutreten: CDU und CSU werden die persönlichen Mißgriffe der Koalition nicht an denen vergelten, die in Not geraten sind, und auch nicht an denen vergelten, die fliehen mußten. Im Gegenteil, wir wollen Hilfe, die dem einzelnen Freiheit von Not oder Bedrückung bringt. Das gilt für das südliche Afrika ebenso wie für die Flucht vor kommunistischem Terror in Kambodscha, Angola, Vietnam, Mozambique, für die 'große Liste aller kommunistischen Länder. Keine Ideologie und erst recht nicht die Sozialistische Internationale ist es uns wert, ,direkt oder indirekt, moralisch oder materiell Verantwortung für Terror irgendwelcher Art zu 'übernehmen, und keine Seite ist von dieser Feststellung ausgeschlossen.
({5})
Wenn dennoch der Herr Kollege Schluckebier in seinen Ausführungen unterstellt hat, CDU und CSU hätten in einer Abstimmung im Ausschuß 'Hilfe für eine Freiheitsbewegung in der Sahara, nämlich die Polisario, mitbeschlossen, so ist dies, Herr Schluckebier, falsch.
({6})
- Jawohl, Kollege Marx. Es ging nicht nur darum, zu verhindern, daß durch solche Beschlüsse das Verhältnis zu Marokko gestört wind - wir befinden uns hier sicherlich in Übereinstimmung mit dem, was der Bundesaußenminister wünscht -, sondern es ging darum, eine Empfehlung zu beschließen, die sich an den Unterausschuß humanitäre Hilfe richtete, nämlich dem sahraouischen Volk, das in der Sahara in größter Not lebt, aus humanitären Gründen und mit humanitären Mitteln zu helfen.
({7})
Wenn Sie, Herr Schluckebier, daraus eine Stütze für sogenannte politische Freiheitsbewegungen konstruieren, dann ist das schlichtweg falsch. Da Sie dabei waren, Herr Schluckebier, werden Sie es mir nicht verübeln, wenn ich mir auch Gedanken darüber mache, von welchem Vorsatz und von welcher Absicht Ihre falsche Darstellung hier getragen war.
({8})
Meine Damen und Herren, es ist uns größten Einsatz und größte Anstrengungen wert, die Freiheit zu erhalten und in Freiheit auch Frieden zu schaffen, zur Gerechtigkeit der Völker untereinander und für jeden einzelnen beizutragen und schließlich Solidarität mit den Schwachen, den Unterdrückten und auch mit denen zu üben - das gilt für das südliche Afrika -, die jetzt schon in der Gefahr künftiger Unterdrückung leben. Das ist nicht nur eine Frage der Entwicklungshilfe und 'der Entwicklungspolitik im engeren Sinne, sondern es ist auch eine Frage der ordnungspolitischen Vorstellungen in der Weltwirtschaftspolitik. Namentlich 'die Entwicklungsländer müssen davon überzeugt werden, daß freiheitliche Strukturen im Welthandel und in der Weltwirtschaft nicht nur die Grundlage für das notwendige Wachstum für alle sind, sondern auch die Grundlage für sozialen Frieden und Partnerschaft darstellen.
Wir vertrauen auf die Kraft der Sozialen Marktwirtschaft. Ihre Prinzipien eignen sich auch für die Ordnung der Weltwirtschaft. Jedermann hat 'die Erfolge der Sozialen Marktwirtschaft im eigenen Lande gesehen. Überall dort, wo sich Entwicklungsländer für solche Grundhaltungen - nicht für die Übertragung des Systems, wie uns fälschlich unterstellt wird - entschieden haben, sind auch Erfolge nicht ausgeblieben.
Wir wollen mit diesem Bekenntnis nicht den Export unserer Ideologie, und es ist auch kein Eingriff in die Souveränität. Herr Schluckebier, ich muß Ihnen den Widerspruch entgegenhalten: Wenn es Ihnen darum geht, über die Sozialistische Internationale den den afrikanischen Völkern oftmals fremden Sozialismus zu exportieren,
({9})
dann empfinden Sie das als eine weltweite Entwicklung. Wenn wir aber demgegenüber dafür eintreten, daß die Prinzipien der freien Marktwirtschaft Anwendung finden, dann versuchen Sie, das als einen unangemessenen Eingriff in die Souveränität darzustellen.
({10})
- Herr Schluckebier, ich weiß gar nicht, warum Sie sich so aufregen. Ich habe längst festgestellt, daß Sie sich heute auf dem Kriegspfad befinden. Packen Sie doch Ihr Kriegsbeil ein!
Eine grundlegende Verbesserung der materiellen Lebensbedingungen der Menschen in den Entwicklungsländern setzt den weiteren Ausbau der arbeitsteiligen Weltwirtschaft nach dem Leitbild der internationalen Marktwirtschaft voraus. Hätte die Bundesregierung dieses Leitbild mit der gleichen Entschiedenheit gegenüber den Entwicklungsländern vertreten, so wäre uns mancher Anschlag auf die freie Handels- und Weltwirtschaftsordnung auch im eigenen europäischen Bereich erspart geblieben. Man darf annehmen, daß sowohl auf der Welthandelskonferenz als auch auf der Seerechtskonferenz Mehrheitsbildungen und Entscheidungen hätten verhindert werden können, wenn beide Konferenzen mit größerem Ernst vorbereitet und wenn zugleich Grundsätze einer internationalen Sozialen Marktwirtschaft glaubwürdig im Vorfeld der Konferenz dargestellt worden wären. So hat es dann Beschlüsse gegeben, die unserem eigenen Land schaden, sich aber letztlich gegen die Interessen vieler, insbesondere der rohstoffarmen Entwicklungsländer selber, richten.
({11})
Die Bundesregierung muß mehr tun, als Geld in dieses oder jenes Projekt zu stecken, als passiv Positionen zu verteidigen und in Wirklichkeit Schritt für Schritt zurückzuweichen. Freiheit ist nicht umsonst, sie wird auch in den Sitzungssälen immer wieder erkämpft und umworben werden müssen.
({12})
Wenn ich diese Maßstäbe anlege, dann ist die Entwicklungspolitik im engsten und im weitesten Sinne, die wir jetzt erlebt haben und die auch Frau Schlei hier in geradezu deprimierender Weise vorgetragen hat,
({13})
kleinmütig, unbeherzt und ohne umfassendes ordnungspolitisches Ziel.
({14})
Es ist geradezu bedrückend, daß Frau Schlei sich auch noch damit rühmt, daß ihre Entwicklungspolitik keine ordnungspolitischen Ziele hat. Jawohl, Frau Schlei, dies unterscheidet uns. Für uns hat Entwicklungspolitik ordnungspolitische Zielsätze, weil es um mehr geht, als hier nur ein paar Dinge hin-und herzuschieben. Deshalb müssen wir mit allem Nachdruck den Versuchen entgegentreten, die zwar vordergründig vorgeben, eine neue Weltwirtschaftsordnung zu fordern, in Wirklichkeit aber Zwangswirtschaft, Dirigismus, zumindest aber Bürokratenwirtschaft meinen.
Entschieden ist die von der Sozialistischen Internationale, also auch von Willy Brandt, geforderte sozialistische Wirtschaftsordnung abzulehnen.
({15})
Was Sozialisten mit diesem ihren System schaffen, ist nur allzu deutlich. Man kann für den Kollegen Brandt und uns nur hoffen, daß er im Nord-Süd-Dialog Besseres als solche politischen Ladenhüter zustande bringt, gezaubert aus alten sozialistischen Zylindern.
({16})
Es ist nun einmal nicht miteinander zu vereinbaren, auf der einen Seite die Öffnung der Märkte zu fordern und auf der anderen Seite dem Dirigismus das Wort zu reden. Da Liberalität weltweit auf dem Rückzug ist, muß die Freiheit mit aller Kraft gestärkt werden; zugleich muß auch die Solidarität betont werden. So wie wir von CDU und CSU die Soziale Marktwirtschaft stets als freie und zugleich sozial verpflichtende Ordnung verstehen, so ist es richtig - das muß auch jetzt gefordert und durchgesetzt werden -, die bestehende Weltwirtschaftsordnung in ihren freiheitlichen Elementen zu stärken und sie zugleich durch Solidarität und Gerechtigkeit im Verhältnis der Länder untereinander und gegenüber den einzelnen anzureichern. Ich bin ganz sicher: Ein solcher Weg ist auch für die Entwicklungsländer und ihre Menschen der beste. Wir sollten ihn mutig und nicht so kleinmütig wie die Regierung beschreiten.
({17})
Meine Damen und Herren, Zwischenrufe hängen häufig auch davon ab, wie der Redner spricht. Ich erteile einige Ordnungsrufe: Herrn Lambinus für das Wort „Lügenbold", dem Herrn Kollegen Dr. Hüsch für die Worte „Heuchelei" und „dumm" in der Bezeichnung dessen, was Abgeordnete gesagt haben; dem Abgeordneten Wehner für das Wort „Lümmel".
({0})
Das Wort hat jetzt der Herr Abgeordnete Dr. Holtz.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für uns ist die beleidiDr. Holtz
gende Äußerung unerträglich, die sozialliberale Koalition verfolge hier keine Friedenspolitik.
({0})
Muß es uns nicht schwerfallen, wenn etwa Ihr Vorsitzender, Herr Kohl, noch von der Solidarität der Demokraten spricht? Ich meine, daß es sich bei Ihren Äußerungen um eine Entgleisung gehandelt hat. Sie haben hier gegen die guten parlamentarischen Sitten verstoßen.
({1})
Bundeskanzler Helmut Schmidt, der Bundesaußenminister Genscher und die gesamte sozialliberale Koalition stehen für eine umfassende Friedenspolitik.
({2})
Wir stehen dafür, daß von deutschem Boden aus kein neuer Weltbrand entsteht, und wir arbeiten auch für den internationalen Frieden. Das ist von allen Seiten anerkannt.
({3})
Sie haben recht: Im Ausland gibt es allerdings Stimmen, die befürchten, daß sich dies bei einem Regierungswechsel bei uns ändern könnte.
({4})
Von der Opposition ist, was die Entwicklungspolitik angeht, nicht viel Neues und Konkretes gekommen. Auch dies müssen wir hier deutlich feststellen.
({5})
Statt dessen hörten wir eine eigentümliche Art von Argumentation. Ich liefere Ihnen ein Beispiel. Da wurde aus dem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats zitiert. Dieses Gutachten wurde im Januar 1977 abgeschlossen; Frau Schlei war noch nicht einmal vier Wochen im Amt. Wäre es nicht redlicher gewesen, Sie hätten auf diesen Tatbestand hingewiesen, anstatt die Politik von Marie Schlei anzugreifen, während alle Regierungen angesprochen waren?
({6})
- Im Januar abgeschlossen.
Ich darf den Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Beirats zitieren, der im „stern" am 15. September in einem Leserbrief geschrieben hat:
Grundlage der kritischen Bemerkungen ist nicht nur dieser kurze Zeitraum, sondern eine Periode von fast 20 Jahren.
({7})
Der Eindruck, daß hier vornehmlich die Politik unter Frau Schlei kritisiert wurde, ist daher falsch.
Dies bitte ich zur Kenntnis zu nehmen.
({8})
Ein anderes Beispiel. Da gab es Auslassungen zur Qualität der Entwicklungspolitik. Sicher, vieles kann noch besser gemacht werden. Aber die Qualität der deutschen Entwicklungspolitik auch unter Bundesminister Marie Schlei hat sich international gute Noten verdient: von dem fast völligen Verzicht auf Lieferbindung über einen hohen Anteil von Schenkungen bis hin zu neuen Formen der Zusammenarbeit wie der von der Opposition zunächst verhöhnten Idee einer Dreieckskooperation zwischen Bundesrepublik, reichen Erdölstaaten und armen Entwicklungsländern.
({9})
- Dies stimmt. Wir haben das im Ausschuß beraten, und seitdem sind Sie auch so kleinlaut, was diese Dinge angeht.
({10})
Auf dem CDU-Grundsatzforum in Berlin führte der Wissenschaftler Theodor Hanf aus - Frau Präsidentin, ich möchte ihn zustimmend zitieren -:
Scharf geführte entwicklungspolitische Kontroversen mobiliseren nicht allein politische Meinungen zum jeweiligen Thema, sondern darüber hinaus die latent vorhandene Abneigung gegenüber der Entwicklungspolitik überhaupt. Wem an einer tragfähigen Unterstützung der Entwicklungspolitik in der Bevölkerung liegt, der sollte bei innenpolitischen Kontroversen zu diesem Thema behutsam verfahren.
- Sehr wahr!
({11})
Ich rate nicht zu einem Vertuschen entwicklungspolitischer Kontroversen, aber es ist wichtig, auch die gemeinsamen Grundlagen der Entwicklungspolitik zu betonen. Einige seien hier genannt.
Alle Parteien betrachten Entwicklungspolitik bzw. die Nord-Süd-Politik als Friedenspolitik. Entwicklungspolitik will einen Beitrag dazu leisten, Armut und Not in der Dritten Welt zu bekämpfen. In diesem Sinne ist auch der Beschluß zur westlichen Sahara im Ausschuß gefaßt worden. Besondere Bedeutung messen wir der ländlichen Entwicklung bei. Alle Parteien bekennen sich zum 0,7 %-Ziel. Wir, die wir den Frieden wollen, haben ein legitimes Interesse daran, demokratische Staats- und Lebensformen in möglichst vielen Ländern verwirklicht zu sehen. Ich glaube, das sind gemeinsame Grundlagen, auf denen man versuchen sollte, auch weiterhin eine konstruktive Nord-Süd-Politik zu entwickeln.
Die Opposition hat einen Antrag zur Verbesserung der Unterrichtung der deutschen Wirtschaft über die Vorhaben der Entwicklungshilfe eingebracht. Bislang hat sich schon ein Informationsverfahren entwickelt, durch das die interessierte Wirtschaft früher und genauer unterrichtet wird, als das nach dem Antrag der Opposition vielleicht möglich wäre. Die
Bundesregierung gibt nämlich durch die Bundesstelle für Außenhandelsinformationen die Projekte bekannt, sobald über ein Projekt grundsätzlich positiv entschieden worden ist und eine Förderung in Frage kommt. Eine weitere Information durch die Bundesstelle für Außenhandelsinformationen ergeht, sobald die Bundesregierung auf Grund der Projektprüfung die Förderung des Projekts endgültig beschlossen hat. In einer dritten Phase schließlich wird die Wirtschaft unterrichtet, wenn die Ausschreibung der für die Projektdurchführung erforderlichen Lieferungen und Leistungen erfolgt.
Ich räume ein, daß es für kleine Firmen häufig schwierig ist, das zu verfolgen. Deshalb sollte man dort auch nach gangbareren Wegen suchen.
({12})
Sozialdemokraten verstehen die Nord-Süd-Politik als die internationale soziale Frage des 20. Jahrhunderts. Die Kämpfe für soziale und politische Rechte im Europa des 19. Jahrhunderts wurden auch schon damals in der bekannten Weise diffamiert. Man sprach von kommunistischen, sozialistischen Umtrieben, die man im Keim ersticken wolf te. Ich glaube, daß dies heute, im 20. Jahrhundert, kein konstruktiver Beitrag ist, um diese internationale soziale Frage zu lösen.
({13})
Ich möchte auch nochmals kurz darauf hinweisen, daß die SPD-Fraktion zwei Schwerpunkte bei der Entwicklungspolitik sieht. Einmal muß die öffentliche Entwicklungshilfe, d. h. müssen die Steuermittel mehr, als das bisher geschehen ist, gesteigert werden. Die 22prozentige Steigerung für das nächste Jahr ist ein guter Schritt. Ich hoffe, daß ihm gleiche Schritte folgen werden.
({14})
Wir wollen damit die Grundbedürfnisse der Menschen befriedigt sehen und die Menschen auch gleichzeitig von Abhängigkeit und Not befreien. Ich sage es ganz ,deutlich: Wir möchten, daß nicht die schon Reichen in den Ländern der Dritten Welt gefördert werden, die diese Hilfe nicht nötig haben. Wir wollen gerade gemeinsam dafür sorgen, daß die ärmsten Bevölkerungsgruppen von dieser Politik profitieren. Das ist eine grundwerteorientierte Politik.
({15})
Zum anderen möchten wir einen Beitrag zum Aufbau einer leistungsfähigen, gerechten und sozialen Weltwirtschaft leisten. Ich weiß nicht, ob es da hilft, die ideologischen Spalterformeln noch um eine dritte zu erweitern. Wir haben „Freiheit statt/ oder Sozialismus" erlebt, wir werden 1978 bei den Direktwahlen des Europäischen Parlaments „Freiheitliches Europa gegen Volksfronteuropa" hören, und wir haben vorgeführt bekommen „Internationale soziale Marktwirtschaft gegen sozialistische Weltwirtschaftsordnung". Diese Trias von Spalterund Diffamierungsformeln führt doch überhaupt nicht weiter. Ich' hoffe, daß sie mit den letzteren ebenso Schiffbruch erleiden werden, wie Sie im letzten Jahr für die erste Formel von den Wählern die Quittung erhalten haben.
({16})
Ich möchte besonders Bundesminister Marie Schlei und Außenminister Genscher darin unterstützen, wie sie versuchen, diese soziale Weltwirtschaft durchzusetzen. Ich füge nochmals hinzu: eine leistungsfähige Weltwirtschaftsordnung, die auch in unserem eigenen Interesse liegt. Besonders möchte ich dem Außenminister für seine mutige Rede danken, die er Ende September 1977 vor den Vereinten Nationen gehalten hat. Wir bejahen die von ihm umrissenen Grundzüge einer neuen Weltwirtschaftsordnung.
({17})
Für die Wirksamkeit jeder Entwicklungspolitik kommt es entscheidend darauf an, daß die zu Ihrer Finanzierung notwendigen Leistungen langfristig vorausgeplant werden können. Wenn sich der Deutsche Bundestag dazu entschließen könnte - das vornehmste Recht eines Parlaments ist das Budgetrecht -, die Bundesregierung für einen Zeitraum von etwa fünf Jahren zu ermächtigen, die vorhersehbaren und die politisch notwendigen finanziellen Verpflichtungen gegenüber der Dritten Welt einzugehen, dann wäre damit die wichtigste Weiche für eine langfristige Entwicklungspolitik gestellt. Die positiven Erfahrungen in anderen Industrieländern mit einer von Regierung und Parlament gemeinsam getragenen mehrjährigen finanziellen Entwicklungsplanung haben gezeigt, daß mit dieser Art von Politik eine stärkere Wirkung auch gegenüber den Entwicklungsländern erzielt werden kann als durch die sukzessive Bereitstellung der gleichen Mittel in jährlichen Abständen.
Jeder Vorstoß, der die Entwicklungspolitik als langfristige Aufgabe bewußt von anderen staatlichen Aufgabenbereichen abhebt, kann nur auf gesetzlichem Wege erfolgen. Es liegt an uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, diesen Schritt zutun.
Um Legendenbildungen vorzubeugen, an denen, wie man hört, nach altbewährtem Muster bereits wieder eifrig gebastelt wird, will ich meinen Standpunkt zu der Problematik im südlichen Afrika darlegen. Ich trete ganz entschieden für einen friedlichen Wandel im südlichen Afrika ein, einen Wandel zugunsten der unterdrückten, entrechteten, gefolterten und inhaftierten schwarzen Menschen in dieser Region; ihnen gilt in erster Linie Solidarität und Engagement.
({18})
Ich sehe aber auch die Realität im Süden Afrikas. Diese Realität sagt mir, daß für einen friedlichen Wandel nicht mehr viel Zeit ist, wenn es nicht soDr. Holtz
gar schon zu spät ist. In Rhodesien herrscht Krieg. Die jüngste Geschichte des südlichen Afrikas ist eine Abfolge weißer Borniertheit, weißen Rassismus und weißer Brutalität, ausgeübt durch die Minderheitsregierungen in Südafrika und Rhodesien.
({19})
Sie ist daneben gekennzeichnet von dem verzweifelten Versuch der schwarzen Mehrheit, ein Leben in Würde führen zu können. Ich hoffe, daß sie nicht eine neue Formel erfinden, die etwa lauten könnte: Apartheid oder Sozialismus.
({20})
Jeder Versuch der schwarzen Mehrheit, den grundlegenden Menschenrechten einen Schritt näher zu kommen, wurde von der weißen Minderheit mit verstärkter Unterdrückung beantwortet, wie wir es jetzt gerade in den letzten Tagen erlebt haben.
In dieser Situation stellt sich auch die Frage nach dem Widerstandsrecht, nach dem Recht auf sogenannte Maßnahmen zur Gewalt, der passiven oder der direkten Gewalt. Vielleicht können wir hier dies kurz nüchtern diskutieren.
Das Widerstandsrecht ist als äußerste Ausnahme und als Notrecht bestimmt, so auch im Grundgesetz in Art. 20 Abs. 4. Der Widerstand ist nur als Ultima ratio - im Grundgesetz heißt es: wenn andere Abhilfe nicht möglich ist - jedes Deutschen gegen jeden denkbar, der es unternimmt - bei uns -, die freiheitliche Grundordnung zu beseitigen. Das Bundesverfassungsgericht hat das Widerstandsrecht als Notrecht zur Bewahrung oder Wiederherstellung der Rechtsordnung bezeichnet. Der Terrorismus in den demokratischen Staaten kann also nicht in die Nähe von legitimem Gewaltgebrauch gebracht werden.
({21})
Wie anders ist aber die Situation in einem Land, in dem eine freiheitlich-demokratische Grundordnung nicht existiert, in dem statt dessen Staatsterrorismus herrscht!
({22})
In einer Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes heißt es dazu z. B.: Es gibt auch den Staatsterrorismus, „wenn die Menschenrechte im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen durch die öffentliche Gewalt mißachtet werden". Dies ist nach meiner Auffassung in der Republik Südafrika, in Rhodesien und Namibia der Fall. Der Sturz einer Regierung bzw. der Widerstand kann unter folgenden drei Bedingungen gerechtfertigt sein - und hier folge ich einmal der Rhodesischen Bischofserklärung und Helmut Simon, Richter am Bundesverfassungsgericht -:
1. Es muß sich um ein evidentes Unrechtsregime handeln, in dem also seitens der Regierung schwere
und fortgesetzte Verletzungen der Menschenrechte erfolgen.
({23})
2. Alle anderen Mittel der Veränderung des zu bekämpfenden Unrechts wurden ausgeschöpft und blieben erfolglos.
3. Die Anwendung von Gewalt darf nicht zu sehr viel schädlicheren Auswirkungen führen als der zu bekämpfende Zustand. Statt dessen müssen Aussichten für einen Erfolg durch die Einsetzung etwa einer besseren Regierung bestehen.
Ich meine, wir sollten uns davor hüten, diejenigen vorschnell zu verurteilen, die zu dem Schluß gekommen sind, daß diese Voraussetzungen im südlichen Afrika gegeben sind, und zwar bei dem menschenrechtsverachtenden Apartheid-System Südafrikas, der weißen Minderheits- und Rebellenregierung Smith in Rhodesien und dem illegal besetzten Namibia.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage . des Herrn Abgeordneten Graf Huyn?
Bitte schön!
Herr Abgeordneter, würden Sie mir zustimmen, daß die von Ihnen genannten Voraussetzungen, wenn sie universale Gültigkeit beanspruchen, etwa auch für die Sowjetzone und die Sowjetunion gelten würden, und ist Ihnen bekannt, daß sich der Terrorismus, von dem Sie sprechen, gegen Rhodesien hauptsächlich gegen unschuldige, schwarze Zivilisten wendet?
Das letzte, was Sie gefragt haben, stimmt so nicht. Ich werde das gleich darstellen. Außerdem sind die drei Punkte so sehr markiert, daß ich meine - das wollte ich gerade ausführen -, daß wir uns in der Bundesrepublik und auch als Bundestag nicht anheischig machen können, zu sagen, ob dieser Zustand hier oder dort schon eingetreten ist - wir nicht. Deshalb will die Bundesregierung Hilfe an Befreiungsbewegungen gerade für friedliche Zwecke geben, nicht etwa um die direkte Gewalt zu unterstützen.
({0})
Vor einigen Wochen konnte der begierige „Bild"-Leser kompetente Auskunft in Sachen Terrorismus im südlichen Afrika bekommen. Herr Germani, als ehemaliger Kongosöldner erfahren im Umgang mit der „schwarzen Mentalität", teilte der staunenden Öffentlichkeit die Erfahrungen mit, die Herr Todenhöfer auf seiner Reise durch das südliche Afrika gesammelt hatte. Danach ist die Sachlage in Rhodesien eindeutig: Kommunistische Terroristen sind die Mitglieder der Patriotischen Front, und durch die Förderung eines Flüchtlingslagers im benachbarten Botsuana, deren Bewohner ,die Patriotische Front später vielleicht verstärken, leistet die Bun4002
desregierung für sogenannte schwarze Terroristen Hilfe. Es hat wohl, so meine ich, in der neueren Parlamentsgeschichte keinen infameren Versuch gegeben, sich auf Kosten von Unterdrückten und Entrechteten im innerpolitischen Parteienkampf zu profilieren, als diesen.
({1})
Es sind wohl auch kaum je ungeheuerlichere Beschuldigungen gegen die eigene Regierung aus dem Ausland vorgebracht worden.
({2})
Es hat wohl je kaum ein Politiker auf unverantwortlichere Weise einem illegalen Regime Argumente für einen Angriff auf ein Nachbarland geliefert, wie dies mit den Behauptungen über Selebi Pikwe geschehen ist.
({3})
Als die botsuanische Ministerin Chiepe diese Behauptungen hier in der Bundesrepublik zurückwies, fanden Sie es unglaublich, was sich diese afrikanische Ministerin auf deutschem Boden gegenüber einem deutschen Abgeordneten erlaubte. Diese Reaktion vergißt aber das vorherige unglaubliche Benehmen eines deutschen Abgeordneten gegenüber einem afrikanischen Staat auf afrikanischem Boden.
({4})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Todenhöfer?
Danke schön, ich lasse keine zu.
({0})
Für viele Oppositionspolitiker steht fest, daß die abscheulichen Massaker in Rhodesien von Mitgliedern der Patriotischen Front verübt wurden. Ihre Terminologie könnte direkt aus Smith' Propagandaministerium übernommen worden sein.
({1})
Ich weiß auch, daß einige Bilder, die gezeigt worden sind, aus diesem Ministerium stammen sollen. Das ist mir wenigstens zugetragen worden.
({2})
Nur, starke Worte ersetzen ja noch keine Beweise, sehr geehrter Herr Kollege.
({3})
- Die Lautstärke macht Argumente nicht überflüssig.
Wo sind etwa die Bilder, auf denen zu sehen ist, wie kommunistische Terroristen Unschuldige töten? Wo ist der Beweis etwa dafür, daß in Selebi Pikwe Terroristen ausgebildet werden? Wir haben hier ein tolles Beweisstück. Hier ist ein Foto in „Bild am Sonntag" vom 23. Oktober 1977. Da heißt es: „Ein Foto beweist jetzt, was Marie Schlei bestritt."
({4})
Darunter steht: „Der Beweis: Junge Männer steigen auf dem Flugplatz von Selebi Pikwe an Bord einer ,Viscount', um nach Sambia zu fliegen." Das ist der Beweis, daß es sich da um ein Terroristenlager handelt! Dies kann man doch nicht als Beweis anführen. Das kann genauso eine schwarzafrikanische Fußballmannschaft sein, die in ein Flugzeug einsteigt.
({5})
Seriöse Kenner der rhodesischen Szene haben Beweise dafür vorgelegt, welche die rhodesischen Streitkräfte schwer belasten, und zwar in den Vorwürfen, die Sie jetzt hier erheben.
({6})
Ich berichte aus der christlichen Zeitschrift „One World". Nachdem es schon seit längerer Zeit Gerüchte gegeben hatte, daß Sondereinheiten der rhodesischen Armee für die Massaker an schwarzen Zivilisten verantwortlich gemacht werden müßten, liegen nun die Aussagen ehemaliger Angehöriger der sogenannten „Selous Scouts" vor, die das Wirken dieser Mordkommandos belegen.
Mitte dieses Jahres berichtete die Zeitschrift des Weltkirchenrats erstmals ausführlich über diese schwarze Sondereinheit der rhodesischen Armee. Das war im Juli/August 1977. Ihre Angehörigen begehen in der Verkleidung von Befreiungskämpfern
({7})
- ich glaube, es ist wichtig, daß die deutsche Öffentlichkeit dies auch von dieser Stelle aus erfährt ({8})
Morde und Massaker an der schwarzen Zivilbevölkerung, um die Befreiungsbewegung zu diskreditieren. Diese Einheit brüstet sich damit, die höchste Tötungsquote der Armee zu haben und ständig
über die Grenze nach Mozambique hinein zu operieren.
Wenn ich genauer untersuche,
({9})
- nein, ich beschönige nicht ({10})
auf Grund welcher Vorkommnisse dort menschliches Leid entsteht, dann sehe ich auch - dies schließe ich nicht aus -, daß Mord- und Terrorbanden, die weder mit der einen noch mit der anderen Seite etwas zu tun haben müssen, sondern die Kriegsgewinnler sein wollen, ebenso Terrorakte gegen die Bevölkerung ausüben. Das bezeichne ich als Terrorakte. Welche Vorteile hätte denn die Befreiungsbewegung Patriotische Front davon, wenn sie gegen die Zivilbevölkerung vorginge?
({11})
Sie will die Zivilbevölkerung gewinnen, und zwar in einem demokratischen Mehrheitssystem. Dies ist die Position.
({12})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Graf Huyn?
Nein, danke schön, ich nehme keine Fragen mehr an.
({0})
Gestatten sie eine
Ich appelliere in der Tat an die Lernfähigkeit großer Teile in der Opposition, die Berichte der Kirchen und anderer Organisationen wie die Internationale Juristenkommission und Amnesty International über die Greueltaten der rhodesischen Armee z. B. an Zivilisten, nicht länger zu ignorieren.
({0})
Ich bin auch gern bereit, Ihnen die zitierten Unterlagen und weiteres Material zur Verfügung zu stellen, um den Lernprozeß möglichst schnell in Gang zu bringen.
({1})
Die CDU/CSU-Kollegen Hornhues und Klein etwa haben zu Recht festgestellt:
Für Südafrikas internationale Position ist der Schritt der Regierung fatal ({2}).
Sie fahren fort:
Es wird immer schwieriger, für die Probleme des Landes Verständnis zu finden und um Verständnis zu werben. Die Aussicht auf eine friedliche Lösung dieser Probleme wird immer geringer.
Recht haben sie.
Wenn wir intellektuelle Redlichkeit besitzen und die eigenen Aussagen ernst nehmen - auch diese Aussagen -, dann werden wir nicht umhinkönnen, gerade dem rhodesischen Volk das Recht auf Widerstand zuzubilligen. Jede andere Position ist eine Verharmlosung des staatlichen Terrors in Rhodesien.
({3})
Wer nur die geringste Ahnung davon hat, mit welchen Mitteln die Afrikaner im Süden des Kontinents bisher zu Menschen zweiter Klasse degradiert wurden, der kann sie nicht als Terroristen bezeichnen.
({4})
Ich sage es nochmals: Nicht wir hier in der Bundesrepublik, auch nicht im Parlament, haben über die Frage von Gewalt oder Gewaltlosigkeit im südlichen Afrika zu entscheiden. Diese Entscheidung lag jahrelang bei den weißen Minderheitsregierungen der Region. Sie haben sie eindeutig getroffen, indem sie es hartnäckig abgelehnt haben, der schwarzen Bevölkerungsmehrheit die elementarsten Menschenrechte einzuräumen, und jede oppositionelle Regung mit Verhaftung, Folter und Mord beantwortet haben. Diese Regierungen haben Gewalt gesät.
Das grundsätzliche Bekenntnis zur Gewaltfreiheit in der Politik darf uns also nicht dazu führen, die grausame Wirklichkeit im südlichen Afrika weginterpretieren zu wollen. Vielleicht gibt es noch Möglichkeiten für einen friedlichen Wechsel, etwa in Namibia. Die Initiativen der fünf westlichen Mitglieder des Sicherheitsrats einschließlich der Bundesrepublik Deutschland sind deshalb ausdrücklich zu begrüßen.
({5})
Nicht zuletzt im Interesse der dort lebenden Deutschen und Deutschstämmigen - insgesamt 18 000 -, müssen wir das Gespräch mit der Swapo als einer wichtigen politischen Kraft in Namibia suchen.
({6})
Ich glaube, daß auch so die Interessen der Deutschen und der Deutschstämmigen wahrgenommen werden können. Wir sollten keine Gelegenheit auslassen, umfassend für eine Politik zu sorgen, die diese Interessen wahrnimmt.
Afrikanische Länder wollen nicht als Schachfiguren in einem Mächtespiel benutzt werden. Diese Erkenntnisse habe ich bei meiner Reise in das südliche Afrika als einen meiner Eindrücke gewonnen. Das gilt auch für Angola und Mozambique, die ei4004
nen marxistisch-leninistischen Weg eingeschlagen haben. Sie wollen nicht Marionette der Sowjetunion oder der Volksrepublik China sein. Sie wollen Marionette von niemand sein und wünschen Blockfreiheit.
Deshalb sollten wir auf dem afrikanischen Kontinent einen Beitrag dazu leisten, daß Frieden hergestellt wird und daß wir diese Blockfreiheit mitgarantieren. Dafür müssen wir kämpfen.
({7})
Befreiungsbewegungen sind keine monolithischen Organisationen. Befreiungsbewegungen erhalten immer einen Stempel aufgedrückt: Das sind ja nur Kommunisten - das sind Maoisten - oder was auch immer. Jeder, der mit Vertretern der Befreiungsbewegungen gesprochen hat, wird merken, daß es unterschiedliche Auffassungen und Strömungen gibt. Sie sind zunächst einmal Nationalisten, die unabhängig und frei von Unterdrückung sein wollen. Deshalb ist es falsch und zu undifferenziert, sie einfach als Kommunisten abzutun. Wir haben die Pflicht, diese Befreiungsbewegungen nach unseren Prinzipien zu unterstützen.
({8})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Narjes?
Nein; das wäre unfair. - Mir liegt auch ein Vermerk vor, wie sich der Berater von Präsident Carter, Brzezinski, zum südlichen Afrika geäußert hat. Ich möchte das kurz resümieren:
Für die USA - unter Carter - sind die Mehrheitsherrschaft und das Prinzip des gleichen Stimmrechts für alle der Grundsatz ihrer Politik.
Alle Vertreter der Befreiungsbewegungen haben mir übrigens versichert, daß sie für das Prinzip des gleichen Stimmrechts für alle eintreten. Ich halte das für wichtig. Wir müssen sie darauf festnageln, daß demokratische Regierungen gebildet werden. Dies ist ein Anspruch, den sie sich selbst gestellt haben. Wir sollten sie an diesem Anspruch messen.
Jetzt weiter zu Brzezinski: Dies muß sich in den Lösungen der Probleme im südlichen Afrika niederschlagen. In Zimbabwe muß ein schneller Übergang zur Mehrheitsregierung unterstützt werden. In Namibia muß die Macht von einer afrikanischen Regierung auf der Basis des Mehrheitswillens übernommen werden. Die Lösung in Südafrika wird längere Zeit brauchen. Wir werden Bedingungen mit herbeiführen müssen, die dort eine neue Realität schaffen, die so friedlich und annehmbar wie möglich für alle davon Betroffenen ist. Afrika darf eben nicht das Schlachtfeld ideologischer Kriege werden. Die Supermächte sind herauszuhalten. Wir wollen keinen Weltbrand. Auch dies muß verhindert werden. Wir wollen keinen Rassenkrieg.
Auch dazu könnten wir einen Beitrag leisten, und zwar durch die Politik der Bundesregierung und der sozialliberalen Koalition.
({0})
Die Situation im südlichen Afrika stelle eine ernsthafte Herausforderung dar. Sie verlangt von allen die Übernahme von Verantwortung dafür, daß der Prozeß der Befreiung nicht aufgeschoben wird, damit dieser Prozeß nicht von massiver Gewalt, unnötigem Blutvergießen und menschlichem Leid begleitet ist.
Wir stellen uns dieser Herausforderung.
({1})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Schuchardt.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Kollege Herr Vohrer hat heute morgen schon von unserer Seite zum Bereich der Weltwirtschaft Stellung genommen. Ich möchte mich deshalb auf das entwicklungspolitische Engagement in Afrika beschränken.
Die Große Anfrage befaßt sich mit einer Reihe von Fragen zum Verhältnis zu den kommunistischen Entwicklungsländern und zur Hilfe an sie und zum Verhältnis zu Befreiungsbewegungen sowie auf der anderen Seite vor allem zum Engagement der Warschauer-Pakt-Staaten.
Die Freien Demokraten unterstützen nachhaltig die Bundesregierung in ihrer Auffassung, daß die Politik gegenüber der Dritten Welt Friedenspolitik sein muß. Friedenspolitik ist von der Anlage her eine Politik der Kooperation. Konfrontation dient nicht dem Frieden und muß deshalb so weit wie irgend möglich vermieden werden. Wenn Herr Todenhöfer heute morgen in seiner Rede gerade den Weg der Kooperation angezweifelt hat, so geht daraus eine ganz gefährliche Einstellung der Opposition hervor. Die Entwicklungsländer müssen selbständig und unabhängig bleiben und werden, wo sie es noch nicht sind. Sie müssen vor Einflußzonen geschützt werden.
Wer wirklich ernsthaft nach diesen Grundsätzen handeln will, muß eine Politik betreiben, die darauf gerichtet ist, daß sich die Schere zwischen arm und reich schließt. Denn starke soziale Konflikte bedrohen den Frieden und müssen deshalb abgebaut werden. Daß dies im Prinzip unabhängig von der Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung eines Staates geschehen muß, versteht sich eigentlich von selbst. Wenn wir die Unabhängigkeit und die Selbständigkeit von Ländern wollen, dann haben wir auch nicht das Recht, unsere Gesellschaftsordnung den anderen in ihren Ländern aufzudrücken. Wenn wir Einflußzonen auch sowjetischer Art verhindern wollen, dürfen wir uns gerade aus solchen Ländern, wo die Warschauer-Pakt-Staaten an Einfluß gewinnen, nicht zurückziehen.
Ich hatte anläßlich der letzten Debatte schon einmal darauf hingewiesen: Wenn die Opposition fordert, unser Engagement einzustellen, wo Einflußzonen der kommunistischen Länder. existieren, so unterstützt sie damit in unverantwortlicher Weise die Expansion der kommunistischen Einflußzonen.
({0})
In weiten Bereichen der Erde finden die Menschenrechte für große Teile der Bevölkerung keine Anwendung. Die Bundesrepublik hat die Aufgabe - das wurde auch durch ihren Beitritt zur UNO noch einmal untermauert -, bei der Durchsetzung der Menschenrechte mitzuhelfen. Daraus folgt die Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit all denen, die die Verwirklichung der Menschenrechte auf ihre Fahnen geschrieben haben. Das bedeutet eben auch eine Zusammenarbeit mit, ja, sogar eine Förderung von Befreiungsbewegungen.
Daß die Verwirklichung der Menschenrechte eine reale Chance zuallererst dann hat, wenn sie mit friedlichen Mitteln betrieben wird, darüber werden wir nicht lange streiten müssen. Wir werden aber erst dann Erfolg haben, wenn wir alle Seiten von dieser Tatsache überzeugen. Dazu brauchen wir eben die Zusammenarbeit mit allen Seiten, damit eine friedliche Regelung wenigstens einigermaßen unterstützt wird.
Die Bundesregierung hat in der Beantwortung der Großen Anfrage noch einmal deutlich gemacht, daß sich die Legitimität von Befreiungsbewegungen und eine Zusammenarbeit mit ihnen im südlichen Afrika daraus herleiten lassen, daß eine nach rassischen Gesichtspunkten aufrechterhaltene Minderheitsherrschaft keine legale Vertretung der Interessen der Mehrheit zuläßt.
Nun wird ja gerade im südlichen Afrika gern auf Gewaltanwendung. durch Befreiungsbewegungen hingewiesen. Ich glaube, man sollte überhaupt nicht den Versuch machen, das an dieser Stelle zu leugnen; darauf sollten wir uns verständigen. Daß Gewalt angewendet wird, wissen wir. Dabei wird aber auf der andren Seite vornehm verschwiegen, daß sich die Minderheiten durch Unterdrückung und auch Gewalt ihre Macht zu erhalten suchen. Wer davon immer noch nicht überzeugt ist, daß Gewalt von seiten der weißen Minderheit angewendet wird, dem empfehle ich einmal die Lektüre der Berichte von Amnesty
International.
Zweitens wird gern darauf hingewiesen, daß finanzielle Hilfen für friedliche Zwecke auf der anderen Seite Mittel für Waffen freisetzen.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Mertes?
Frau Kollegin Schuchardt, gilt das, was 'Sie eben über die sogenannte strukturelle Gewalt gesagt haben, nicht auch für andere Gebiete der Erde? Ich denke z. B. an die kommunistischen Staaten, insbesondere an den sowjetischen Macht- und Einflußbereich. Gehört
nach Ihrer Auffassung das strikte, universal geltende, im Völkerrecht verbriefte Verbot der Androhung und Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele zu den unaufgebbaren Grundlagen der deutschen Friedenspolitik?
Herr Dr. Mertes, ich weiß nicht, was Sie mit der Frage wollen, warum wir leugneten, daß Gewaltanwendung in den Ostblockländern geschieht. Ich leugne das überhaupt nicht. Nur: was hat das in diesem Zusammenhang zu tun? Ich lehne als Liberale Gewalt in der Politik total ab, verurteile allerdings nicht die Widerstandskämpfer vom 20. Juli.
({0})
Denjenigen, die den Vorwurf erheben, man würde auch durch Unterstützung im Bereich der humanitären Hilfe indirekt die Waffenlieferungen unterstützen, darf man wohl auch das Argument vorhalten, daß sie immer wieder vergessen, gleichzeitig darauf hinzuweisen, daß dann die Kredite und Bürgschaften und auch der Handel mit Südafrika ebenfalls eine indirekte Unterstützung sind, nämlich dafür, daß sich dieses Land mit Waffen ausrüsten kann. Auf dieser Ebene wollen wir uns doch wohl nicht begegnen. Wer dies so einseitig sieht, meine ich, muß auch damit konfrontiert werden, daß er eine einseitige Bevorzugung der weißen Minderheit im südlichen Afrika will.
({1})
Die Große Anfrage weist auf die umfassenden Waffenlieferungen der Sowjetunion, der Warschauer-Pakt-Staaten und auch Kubas hin. Offenbar halten diese Staaten Waffenlieferungen für einen Teil der Entwicklungspolitik. Ich meine, das ist ein großer Irrtum. Ich behaupte, das langfristig derjenige Gewinner bleibt, der allein friedliche Mittel in der Entwicklungspolitik einsetzt. Dies mag manchem als Illusion erscheinen. Aber es gibt dafür bereits konkrete Beweise. Wenn die erwähnten Staaten z. B. allein in den Jahren von 1955 bis 1976 Waffen für 23 Milliarden US-Dollar geliefert haben - so geht es aus der Antwort auf die Große Anfrage hervor - und davon 65 bis 70 % in den Mittleren und Nahen Osten gegangen sind, so weiß man doch, daß mit dem Verrauchen der Waffen dort auch die Neigung gegenüber dem Zulieferer dieser Waffen ganz eindeutig gesunken ist. Wir sollten dieses weiterhin aufmerksam beobachten und uns schon langfristig darauf einstellen, daß wir der Stärkere sind.
Meine Partei hat sich immer intensiv dafür eingesetzt, daß die Bundesrepublik keine Waffen in Spannungsgebiete liefert. Daher beziehen wir auch das Recht, alle diejenigen Länder zu verurteilen, die Waffen in die Dritte Welt - und insbesondere in Spannungsgebiete - liefern.
({2})
Aber ich kann mich erinnern, daß, als wir solche Beschlüsse beim Parteitag gefaßt haben, dies von Rednern der Opposition negativ begleitet wurde. Ich meine, man muß hier schon alles mit dem gleichen Maß messen.
Nun noch ein paar Worte zu den sogenannten kommunistischen Entwicklungsländern. Die Union übersieht ja gerne, daß diese Staaten keineswegs homogen sind. Die Union beweist damit in eklatanter Weise, daß sie auch auf internationaler Ebene unfähig ist, zu differenzieren.
({3})
Wir vergessen gern, daß die Entwicklungsländer lange Kolonien kapitalistisch orientierter Länder waren. Sie haben also unsere Wirtschaftsordnung im Zustand der Unterdrückung erlebt. Die dadurch gesammelten Negativerfahrungen und Vorurteile werden nur mühsam abgebaut werden können. Eines aber sollte uns dabei nicht verwundern: daß sich solche Staaten nicht gerne kapitalistisch nennen werden, sondern daß sie eher dazu neigen, Freiheit mit „sozialistisch" und „kommunistisch" zu umschreiben.
({4})
- Ich behaupte auch, zu verwechseln, aber sie beschreiben es so, weil die kapitalistische Wirtschaftsordnung, Herr Niegel, in diesen Staaten leider eine sehr unselige Vergangenheit hat.
({5})
Meine Damen und Herren, eines ist aber sicher - und Herr Holtz hat darauf bereits intensiv hingewiesen -: Alle diese Länder wollen ihre eigenen Wege finden und auch gehen. Dabei sollten wir ihnen helfen.
Nun kann man nicht deutlich genug darauf hinweisen, daß die Union mit ihrer „Pauschalpolitik" so manche Bauchlandung gemacht hat.
({6})
Hier sollte man auch noch einmal auf Somalia hinweisen. Gerade Somalia stand in der Liste der Länder, die nach Meinung der Union keine Deutsche Mark erhalten dürften, ganz oben an. Ich möchte den Beweis schlicht mit einem Zitat von Herrn Todenhöfer aus einer Rede hier vor dem Hause am 11. Mai 1976 antreten:
Wollen Sie wirklich mit Molkereiprojekten gegen sowjetische Panzer antreten? Unsere Auffassung ist: Keine Deutsche Mark für sowjetische Vorposten in der Dritten Welt.
Auf Somalia gezielt, sagte er:
Wir sind in Fällen wie Somalia, wo es sich eindeutig um Vorposten der Sowjetunion handelt, dagegen, weiterhin präsent zu sein.
({7})
- Herr Köhler, ich würde das im Protokoll nachlesen. Dieses ist ein Beweis, der, Gott sei Dank, schwarz auf weiß festgehalten ist.
({8})
Ich bin ganz sicher, daß uns Somalia selbst dann,
wenn wir der CDU gefolgt wären, geholfen hätte.
Aber ich glaube, wir hätten dann allen Grund gehabt, beschämt zu sein.
({9})
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einmal auf das südliche Afrika zurückkommen, wo Herr Todenhöfer vor einigen Monaten einen aufsehenerregenden Elefantenmarsch angetreten und so manchen Scherbenhaufen hinter sich gelassen hat. Die Bundesregierung ist sich mit allen ihren Verbündeten einig, daß alles unternommen werden muß, um in der Auseinandersetzung zwischen Schwarzen und Weißen Blutvergießen zu verhindern. Viel Zeit bleibt dafür nicht mehr. Ich meine, daß die Verhaftung und die Bannung gerade auch gemäßigter Schwarzer ein schlimmer Rückschlag waren. Es muß der weißen Minderheit deutlich gemacht werden, daß sie durch ihr Verhalten mit daran schuld trägt, wenn es zur Anwendung von Gewalt kommt.
Es gibt für uns keine andere Lösung, die Erfolg haben könnte, als eine Integration von Weiß und Schwarz. Wir sollten alles unternehmen, um eine Politik in dieser Richtung einzuleiten. Wenn Blutvergießen verhindert werden soll, ist es notwendig, daß für die schwarze Mehrheit entscheidende Verbesserungen spürbar werden. Ich glaube, daß es angemessen ist, dazu auch wirtschaftlichen Druck einzusetzen.
Die Freien Demokraten erhoffen sich die stärkste Wirkung davon, daß man Kredite und Bürgschaften sowie den Handel mit Südafrika an Bedingungen knüpft. Wir sind deshalb außerordentlich erfreut darüber, daß sich die Bundesregierung mit ihrer Auffassung im europäischen Bereich durchgesetzt hat, zumindest für europäische Firmen hier einen Kodex einzuführen.
Ein totaler Boykott würde uns sicherlich weniger Möglichkeit geben, Einfluß in Richtung auf eine beschleunigte Entwicklung in Südafrika zu nehmen. Wir würden bei einem Boykott Gefahr laufen, im Moment danach den Einfluß wirklich zu verlieren. Deshalb glaube ich, daß der erstgenannte Weg erfolgreicher sein könnte.
Zu einer Zeit intensivsten gemeinsamen Bemühens mit all unseren Verbündeten, just in diesem Moment, trampeln da im südlichen Afrika ein paar deutsche Oppositionsabgeordnete herum und kämpfen gegen den Rest der Welt.
({10})
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, am Schluß das zu machen, was Herr Vohrer bereits angekündigt hat, nämlich die Qualifikation eines Mannes zu beschreiben, der auszog, um seine Vorurteile zu kultivieren. Dies kann man wohl am besten mit den eigenen Worten von Herrn Todenhöfer tun. Über „Bild am Sonntag" erfuhren wir Ende August, daß Todenhöfer in Rhodesien der Bundesregierung Beihilfe zum Mord vorgeworfen hatte. Ich kann dieses Blatt deshalb zitieren, weil auf meine Frage, ob das, was dort stünde, zutreffe,
gesagt wurde, der Bericht sei korrekt und die wörtlichen Zitate seien zutreffend.
({11}) Dort ist zu lesen:
Der Politiker überzeugte sich in Selebi Pikwe ({12}), daß dort mit 500 000 Mark deutscher Hilfe ein Rekrutierungslager für Terroristen der prokommunistischen „Patriotischen Front" auf- und ausgebaut worden ist.
({13})
Kurze Zeit später stand Todenhöfer selbst im Grenzgebiet Ost-Rhodesiens an der Stätte des grauenhaften Massenmordes.
Wörtlich wird Herr Todenhöfer dann zitiert:
Das, was wir heute gesehen haben, das ist die „Friedenspolitik" Bonns in Afrika .. .
({14})
Das Lager Selebi Pikwe und die 16 Toten von Odzani - übrigens nur Schwarze das ist die Afrika-Politik der Bundesregierung.
Dann wirft er der Bundesregierung noch einmal - so wörtlich - „Beihilfe zum Mord" vor.
({15})
Meine Damen und Herren, es geht hier nicht darum, die Gewalt, die Herr Todenhöfer gesehen hat, zu leugnen, sondern es geht hier in der Auseinandersetzung darum, daß Herr Todenhöfer der Bundesregierung vorgeworfen hat, dazu Beihilfe geleistet zu haben. Das ist der Punkt. Wenn ein Abgeordneter des Deutschen Bundestages behauptet, daß ein Flüchtlingslager in Botsuana als Rekrutierungslager für Guerillas mißbraucht würde, dann war das, so meine ich, damals Grund genug für uns, zu sagen, daß wir diesen Vorwürfen nachgehen würden. Es war für mich deshalb außerordentlich wichtig, was Herr Todenhöfer im Ausschuß eigentlich an Beweisen vorbringen würde. Es war geradezu entsetzlich, wie er sich in reinen Vermutungen erging.
({16})
Wir wissen, daß seit Soweto gerade jugendliche Schwarze die Südafrikanische Republik verlassen. Diesen Flüchtlingen dient dieses Lager.
({17})
- Sie kommen auch aus Rhodesien, Herr Todenhöfer! Sie wissen ganz genau, daß Frau Dr. Focke im Ausschuß darauf hingewiesen hat, daß auch die Ministerin Chiepe nicht wisse, warum im Augenblick gerade auch aus Rhodesien so viele Jugendliche kämen.
({18})
Sie hätten vielleicht zunächst einmal ein intensiveres Gespräch mit ihr führen sollen.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Althammer.
Ja.
Frau Kollegin Schuchardt, ist Ihnen bekannt, daß aus Rhodesien ganze Missionsschulen bei Nacht gewaltsam über die Grenze in solche Lager gebracht worden sind, daß deutsche Missionare versucht haben, die Kinder zu ihren Eltern zurückzubringen,
({0})
und daß es nicht möglich war, die Unterstützung der dortigen Regierung zu bekommen, diese Kinder ab sechs Jahre wieder zu ihren Eltern zurückzubringen? Ist Ihnen das bekannt?
Herr Althammer, mir ist sehr wohl bekannt, daß ganze Schulen insoweit mit ihren Lehrern in andere Länder geflohen sind.
({0})
Entschuldigung, darum geht es hier gar nicht.
({1})
- Ich erwarte nicht, daß Sie in der Lage sind, zu differenzieren. Das würde mich außerordentlich überraschen. Es geht im Augenblick darum, daß Sie dieser Bundesregierung Beihilfe zum Mord vorgeworfen haben. Dafür gibt es keine Beweise, und da hilft auch Ihre Aufregung nichts.
({2})
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein! - Ich möchte deshalb jetzt einmal mit Zitaten von Herrn Todenhöfer beweisen, welch ungeheure Qualifikation er hat.
({0})
- Ich hätte ja gerne die Wahrheit erfahren, aber er hat sich ja im Ausschuß in lauter Vermutungen ergangen, die ich gleich zitieren werde.
({1})
Dann werde ich auch auf den Ton eingehen, den dieser Herr gegenüber ausländischen Repräsentanten anwenden zu können meint.
Meine Damen und Herren, im Protokoll ist zu lesen, Herr Todenhöfer habe ausschließlich kräftige junge Leute gesehen, die ihm auf Fragen - auch mit Unterstützung eines etwas merkwürdigen Man4008 ,
nes, der offensichtlich eine Anwerberrolle gespielt und mit Botsuana sehr wenig zu tun gehabt habe, der überall herumgelaufen sei und sofort versucht habe, den Leuten in der Landessprache etwas zuzuflüstern, wenn er gekommen sei - alle gesagt hätten: „We want to be freedom fighters." Im übrigen hat uns Herr Todenhöfer im Ausschuß mitgeteilt, . daß er taktvollerweise in diesem Lager immer nur den Begriff „Freiheitskämpfer" verwendet habe. Wir nehmen das zur Kenntnis.
({2})
Anschließend aber hat er der Presse gegenüber gesagt, sie hätten sich zur Guerilla und zu Terroristen bekannt.
({3})
Wenn ein junger, kräftiger Mann aus Soweto flieht, um bessere Chancen zu haben, und gefragt wird, ob er Freiheitskämpfer sei, und er antwortet mit Nein, dann weiß ich nicht, warum er überhaupt geflohen sein sollte.
({4})
- Na ja, Herr Todenhöfer, wer hier etwas weiß, lasse ich dahingestellt sein.
({5})
Ich gehe jetzt weiter. Wie gesagt, er geht immer noch um Beweise für den ungeheuerlichen Vorwurf der Beihilfe zum Mord an die Bundesregierung. Das ist das Thema. Herr Todenhöfer hat uns dann allerdings getröstet und darauf hingewiesen, daß nun bald die „Bunte" mit den Bildern erscheinen werde. Diese Bilder seien so eindeutig, daß damit alles bewiesen werde. Nun harrten wir also auf das Erscheinen der „Bunten" und stellten fest, daß die Vermutungen dort nur fortgesetzt wurden.
({6})
Natürlich hat sich Herr Todenhöfer auch gleich abgesichert. Es ist der Vorwurf erhoben worden, man habe gar nicht den Versuch gemacht, das einmal nachzuprüfen. Dies hat er aber von vornherein gleich als erfolglos abgestempelt, indem er gesagt hat, das Lager sei dann inzwischen sicherlich in ein „Altersheim" umfunktioniert worden. Das heißt also, er hat uns von vornherein das Argument geliefert, daß es gar nicht lohne, dort hinzufahren, weil wir sowieso mit Sicherheit nicht mehr das vorfänden, was er alles gesehen habe.
({7})
Das nennt man Rückversicherung. Wer so argumentiert, Herr Todenhöfer, disqualifiziert sich in stärkstem Maße.
({8})
Als die botsuanaische Ministerin Chiepe bei ihrem Besuch in der Bundesrepublik in einer Pressekonferenz sachlich alle Vorwürfe gegen ihr Land zurückwies, kommentierte dies Herr Todenhöfer in dieser Ausschußsitzung - übrigens empfehle ich, das Protokoll einmal zu lesen; es ist außerordentlich interessant zu lesen; dann können Sie sich alle ein Bild davon machen, welchen qualifizierten Vertreter Sie dort hingeschickt haben - mit den Worten, er sei von Beruf Richter und wisse etwas über Befangenheit sowie darüber, wer als Zeuge gehört werden könne. In einem Prozeß werde der Beschuldigte nie als Zeuge gehört, wie beispielsweise die botsuanische Ministerin. Dann heißt es wörtlich: „Denn was solle diese gute Frau anderes sagen. Etwa die Wahrheit?"
({9})
Herr Todenhöfer spricht in diesem Satz über eine Ministerin eines Landes im südlichen Afrika, nämlich Botsuana.
Herr Todenhöfer ist ausgezogen, sich seine bereits vorher hier geäußerten Vorurteile bestätigen zu lassen. Als Richter muß er daher als befangen abgelehnt werden.
({10})
Ich halte es hier lieber mit der Beurteilung durch das Rote Kreuz,
({11})
das ausgerechnet diesem Flüchtlingslager einen ausgesprochen positiven Stempel aufgedrückt hat.
({12})
- Tun Sie das doch einmal, zitieren Sie mich doch einmal, Herr Marx. Sie können mich immer gern zitieren.
Eine einzigartige Meisterleistung liegt nun darin, daß ausgerechnet Botsuana von dem entwicklungspolitischen Sprecher der Opposition als besonderer Gegner herausgestellt wird. Das ist wirklich ungeheuerlich.
({13})
Alle sind sich darüber einig, das Botsuana ein Land ist, das trotz großer Not versucht, so weit wie möglich Menschenrechte zu verwirklichen. Das wurde übrigens auch von Herrn Todenhöfer in dieser Ausschußsitzung nicht geleugnet.
({14})
Nun habe ich überhaupt nichts dagegen, daß sich jemand selbst so disqualifiziert.
({15})
- Jeder hat das Recht dazu. Nur, daß die Opposition dies in ihrem Namen zuläßt, dies ist ein Armutszeugnis.
({16})
Meine Damen und Herren, weshalb erwähne ich das alles?
({17})
Wenn Herr Todenhöfer hier in der Bundesrepublik so herumtrampelte, so könnte er das tun, so viel er möchte. Wenn er es aber im Ausland tut, so tut er es nicht nur für sich, sondern für uns alle, und dagegen müssen wir uns verwahren.
({18})
Herr Todenhöfer hat dem Ansehen der Bundesrepublik geschadet.
({19})
Ich hoffe, daß sich die Opposition im Ausland künftig durch jemanden vertreten läßt, der dies in voller Verantwortung für diese Republik tut.
({20})
Die FDP-Fraktion steht hinter der Entwicklungspolitik der Bundesregierung, gerade auch hinter der Afrikapolitik, und wir unterstützen sie selbst dann, wenn sie diese noch entscheidend forciert.
({21})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Köhler ({0}).
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich verstehe, daß der Zeitpunkt Ihnen allen die Frage nahelegt; ob man jetzt noch mit einer weiteren Runde beginnen sollte. Nach allem, was hier gesagt worden ist, ist es einfach unerläßlich, zu einigen Fragen noch einmal sehr klar und deutlich Stellung zu nehmen.
({0})
Es ist eine merkwürdige Angelegenheit, daß hier nicht Wert darauf gelegt wird, das Gesamtthema einer weltweiten Entwicklungspolitik ausreichend zu diskutieren, sondern daß sich die Koalition nun schon zum wiederholten Male den Spaß gemacht hat, einen Kollegen hier in der Öffentlichkeit abschlachten zu wollen,
({1})
der in vieler Hinsicht, Herr Kollege Ehmke, nichts
anderes als das ausgesprochen hat, was durch Beweise, eidesstattliche Erklärungen und zahlreiche Berichte gedeckt werden kann.
({2})
Das werden Sie auch durch eine Fülle von merkwürdigen, schlimmen und zum Teil zynischen Kommentaren zur Situation der sogenannten Befreiungsbewegungen und ihrer Betätigung nicht aus der Welt schaffen können.
({3})
Daß in diesem Zusammenhang hier seitenlang aus Ausschußprotokollen zitiert wird, läßt mich für die weitere Arbeit im Parlament fürchten.
({4})
- Die Antwort auf diese Frage, verehrter Herr Kollege, können Sie sich in alle Ruhe in der Mittagspause überlegen. Wir stehen hier unter dem frischen Eindruck des Erlebnisses.
In aller Klarheit möchte ich allerdings sagen: Die Behandlung der Tätigkeit der sogenannten Befreiungsbewegungen in einer Form, die überhaupt nicht weiter zur Kenntnis nimmt, daß diese Tätigkeit auch etwas zu tun haben kann und in der Tat zu tun hat mit dem imperialistischen Machtausdehnungsdrang der Sowjetunion, den wir in Afrika erleben, ist vollkommen weltfremd. Das gehört zusammen. Das Widerstandsrecht können Sie dabei so lange zitieren, wie Sie wollen. Diese beiden Dinge sind leider Gottes inzwischen zu einer untrennbaren Einheit geworden.
({5})
Das scheint einigen Leute nicht besonders gut ins Konzept zu passen.
Die Beantwortung der Großen Anfrage, die es wert wäre, hier noch etwas ausführlicher diskutiert zu werden, sagt zu diesem Punkt einige sehr konkrete Dinge. Es sind in der Beantwortung der Frage 6 b erschreckende Tatsachen über den wachsenden Mitteleinsatz der Sowjetunion und des Ostblocks in Afrika aufgeführt und seitdem aktenkundig. Interessant ist, daß die Rolle der DDR wesentlich lauer in der Beantwortung der Frage 6 f abgehandelt wird. Herr Außenminister, wir unterstützen das - um das in aller Deutlichkeit zu sagen -, was hier an guter Absicht zum Ausdruck gebracht worden ist, nämlich daß wir die Unabhängigkeit der Entwicklungsländer gegenüber jedermann als erklärtes Ziel unserer Politik betrachten, daß wir regionale Zusammenschlüsse fördern wollen, daß wir die Unabhängigkeit stärken wollen, daß wir wollen, daß Afrika ein Kontinent der Afrikaner ist. Darin sind wir völlig einig. Aber in diesem Zusammenhang müssen wir auch über die .Mittel sprechen, die wir hierfür einsetzen können; denn allein Ermahnungen an die Sowjetunion, wie sie in der Beantwortung der Großen Anfrage erwähnt werden - es wird gesagt, sie möge sich anders verhalten -, tun es - darin sind wir uns einig - ganz gewiß nicht.
Dr. Köhler ({6})
Unsere Mittel in diesem Zusammenhang sind dadurch eingegrenzt, daß ein guter Teil unserer entwicklungspolitischen Zusammenarbeit auf der Basis der Europäischen Gemeinschaft, im Zusammenhang mit dem Lomé-Abkommen vorwiegend in einer technokratischen Form abgewickelt wird. Deswegen müssen wir hier in diesem Zusammenhang über die Frage der bilateralen Zusammenarbeit besonders reden. Dieses Thema ist nicht wegen der kritischen Äußerungen im Gutachten des Sachverständigenbeirats des BMZ so wichtig, sondern es ist wichtig, weil dort eine Neubesinnung auf realistische Möglichkeiten und Ziele gefordert wird. Genau darüber müssen wir in diesem Zusammenhang hier oder in den Ausschüssen diskutieren. Hier werden wir es zeitlich leider nicht mehr schaffen.
Die Diskussion über diese Frage der Neuorientierung und der Zielorientierung unserer bilateralen Hilfe scheint mir in der Tat wichtiger zu sein, meine Damen und Herren Kollegen der SPD-Fraktion, als das immer wiederkehrende Sprechen über einen Marshall-Plan - oder wie auch immer man es nennt -, wie es auch im Leitantrag zu Ihrem Parteitag und in der Antwort auf Frage 5 b unserer Großen Anfrage auf Seite 7 zum Ausdruck kommt.
Diese Diskussion enthält gefährliche Elemente. Sie baut völlig falsche Erwartungshaltungen auf, denn es geht doch schließlich in den Augen der Entwicklungsländer um einen naheliegenden Vergleich mit Situationen in Europa und in der Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg, die völlig anders strukturiert waren. Mit solchen Überlegungen fördert man ein falsches Umverteilungsdenken. Man tut so, als könnten schnelle Erfolge erreicht werden, wenn nur genügend Geld vorhanden wäre. Das ist entwicklungspolitisch im Höchstmaß bedenklich. Wir müssen viel mehr darüber reden, wie es zu einer verstärkten Begegnung der Kulturen kommen kann, der Menschen, zu mehr Ausbildung und Bildungshilfe. Gerade dieses Aufeinanderzugehen von Menschen und Völkern ist entwicklungspolitisch von erstrangiger Bedeutung, nicht, aber ein Schlagwort wie „Marshall-Plan", das notwendigerweise zu Enttäuschungen führen muß.
({7})
Das weiß, meine Damen und Herren, übrigens auch die Sowjetunion, die ja nicht nur in Afrika mit Waffen operiert, sondern die es sich in einem erstaunenswerten Maße angelegen sein läßt, in den überall in Afrika vorhandenen Flüchtlingsgruppierungen - es wurde vorhin zu Recht darauf hingewiesen, daß das nicht nur ein Problem im südlichen Afrika ist - schnellstens junge Eliten abzuschöpfen, einzuladen, ihnen angepaßte Studiengänge anzubieten, ganz egal, was sie zu Hause auf diesem Gebiet an Normen haben, um sie in der PatriceLumumba-Universität für ihre politische Aufgabe auszubilden. Dazu gehören automatisch auch Wehrkunde und Logistik.
({8})
Das muß man wissen, wenn man über die Tätigkeit der Rückkehrer in den sogenannten Befreiungsbewegungen spricht.
({9})
Sie haben uns häufig hier immer wieder den Vorwurf gemacht, daß wir uns um eine Gegenstrategie zu diesen -Phänomenen bemühen. Ja, halten Sie denn im Ernst dafür, daß eine Formel, daß man überall und um jeden Preis den Fuß in der Tür behalten müsse, daß man versuchen müsse, sozusagen everybodys darling zu sein, eine machbare und entsprechend untermauerte Alternative ist? Meine Damen und Herren, das kann doch nicht Ihr Ernst sein!
Wenn Sie versuchen, uns gerade im Zusammenhang mit der humanitären Hilfe für das sahaurische Volk mit ins Zwielicht hineinzuziehen, dann wird das scheitern. Das werden wir noch zu klären haben. Wir haben im Ausschuß auf die Gefahr einseitiger politischer Optionen hingewiesen, und wir haben die Frage erwogen, ob wir auch in den mauretanisch und marokkanisch verwalteten Gebieten diese humanitäre Hilfe leisten sollten. Hier, verehrter Kollege Schluckebier, haben Sie sich der Unwahrheit bedient. Ich kann Ihnen diesen Vorwurf nicht ersparen.
({10})
Dieses ist leider in der Somalia-Frage trotz Warnungen, die ich Ihnen schon vor einer Woche gesagt habe, auf einen ungeheuerlichen Höhepunkt eskaliert worden.
({11})
Was in der Frage Somalia geleistet worden ist, gibt mir Anlaß, Ihnen dies zu sagen: Ausgerechnet von der Frau Minister wurde einmal mit Blick auf uns gesagt, daß wir uns das aussuchten, was innenpolitisch zitierbar ist. Genau dies ist hier in einer unglaublichen Weise geschehen, bis hin zu der Verdächtigung: Wie wäre denn wohl das Geiseldrama verlaufen, wenn wir auf Sie gehört hätten?
({12})
Das ist eine Ungeheuerlichkeit, für die Sie sich schämen sollten.
({13})
- Das, verehrter Herr Kollege, werde ich Ihnen jetzt sagen, nachdem Sie uns zwingen, in diesen Fragen alles offen auszubreiten. Von der ersten Minute an war in den Dankesworten, die wir voll unterstrichen haben, schon dieser Pferdefuß drin: „Aber es gab hier in diesem Lande Leute, die Somalia schlecht behandeln wollten; wie müssen sie sich jetzt schämen!"
Meine Damen und Herren, hier wurde sogar in einer Stunde, in der wir alle einig waren, leider schon wieder der Versuch eines parteipolitischen Profits gemacht, den wir zurückweisen müssen. Ich weiß nicht, was Sie in dieser Frage eigentlich reitet. Wie lange wollen Sie denn noch die somalische
Dr. Köhler ({14})
Regierung, die Regierung eines stolzen und tapferen Volkes, immer weiter in die Verdächtigung hineintreiben, daß sie nur um des Vorteils von Entwicklungsgeldern willen geholfen hätte?
({15})
Sie selbst haben uns doch dringend gebeten, die ständige Verknüpfung der Argumente zu vermeiden. Ihrem eigenen Außenminister und Staatsminister Wischnewski, die davor die größte Sorge haben, fallen Sie in den Rücken, während wir in dieser Frage geschwiegen haben, um kein außenpolitisches Porzellan zu zerschlagen.
({16})
Was ist denn der Grund dafür, daß Präsident Siad Barre diesen Verdacht mit nachdrücklichen Worten im deutschen Fernsehen zurückweisen und erklären mußte, daß für ihn ausschließlich die Menschlichkeit auf dem Spiel gestanden habe? Das waren doch keine Worte der Opposition, sondern das ist der Nebeneffekt Ihres innenpolitisch motivierten Geredes gewesen.
({17})
Dabei vergessen Sie völlig, daß sich in der Zwischenzeit, zwischen dem Zeitpunkt, den Sie immer gerne zitieren - Frühjahr -, und dem Zeitpunkt August, September, Oktober in Somalia Entscheidendes getan hatte. Die Basis unseres Antrags damals war der durch manche Nachrichten begründete Verdacht, daß hier ein Land in Gefahr stand, seine freiheitliche Selbstentscheidung zu verlieren und in einem Hegemonialsystem unterzugehen.
({18})
Wir haben damals gesagt: Wenn das zutrifft, sollen die Mittel bis zu dem Zeitpunkt gesperrt werden - also keine neuen Projekte in Angriff genommen werden -, an dem uns die Regierung Beweise vorlegen kann, daß das nicht mehr der Fall ist.
({19})
- Verehrter Herr Kollege Holtz, in dem Moment, als die somalische Regierung außenpolitisch die Freiheit der Selbstentscheidung wiedergewann, hat es meine Fraktion für richtig gehalten, eines ihrer Mitglieder
({20})
- zufällig mich - dorthin zu entsenden. Ich habe mit fast der gesamten somalischen Regierung diese Fragen besprochen. Mir ist in aller Deutlichkeit gesagt worden, nachdem Somalia seine Enttäuschungen im Äthiopien-Konflikt erlebt hatte: Wir sind in niemandes Hand, wir machen somalische Politik. Das habe ich zur Kenntnis genommen und meiner Fraktion berichtet. Damit war eindeutig eine andere Lage gegeben, in der anders zu reden und nachzudenken ist.
({21})
- Wir sprechen jetzt von Somalia. Nun komplizieren Sie es nicht schon wieder. Ich weiß, Sie finden Ihre Argumente, wenn es sein muß, an allen Ecken der Welt.
Das ist Tatsache. Es ist eine weitere Tatsache - darüber müssen wir in diesem Zusammenhang auch reden -, daß zu diesem Zeitpunkt auch ein Besuch eines Ministers dieser Regierung dort erfolgen sollte, der dann aber kurzfristig abgesagt wurde; vermutlich, weil erst Herr Kinkel dorthin mußte, was
ich übrigens begrüßt habe.
Wenn Sie uns schon in eine Situation zwingen, die wir nicht gewollt haben, dann muß auch gesagt werden, daß zu dem Zeitpunkt, als ich dort Gespräche führte, in Somalia eindeutig der Eindruck der war, daß diese Bundesregierung seit vielen Monaten aus Gründen außenpolitischer Art zögerte, dort weitere Hilfe zu leisten,
({22})
daß das berühmte Polizeiprojekt, das in seiner Wirkungskraft durch die Geldentwertung vieler Jahre herabgesetzt war, dilatorisch behandelt wurde
({23})
und daß die 1974 von Staatssekretär Brück in Somalia versprochenen Projekte nicht in Angriff genommen waren. Es herrschte der Eindruck vor, hier werde gezögert, hier werde dilatorisch gehandelt, hier werde abgewartet, nicht von der Opposition, die dieses Thema angesprochen hatte, sondern von einer Bundesregierung, die in ihren eigenen Papieren, Herr Außenminister, nachprüfen kann, ob ich recht habe und ob es die Opposition oder Sie waren, die damals empfohlen haben, die Mittel auf Zeit zurückzuhalten. Das sind die Tatsachen, und deswegen hören Sie endlich auf, am Flughafen von Mogadischu ein Schandmal für die Opposition aufzubauen.
({24})
Wir sollten über Somalia reden. Wir sind dafür gerüstet. Aber dann wollen wir auch nicht nur darüber reden, wie es hier mit ein bißchen Geld weitergehen kann. Dieses Land hat anderes, hat mehr verdient, und auch unsere massiven Interessen am Horn von Afrika erfordern mehr.
({25})
Wir müssen über die Frage sprechen, warum sich ein solcher Konflikt von solcher Brisanz über Monate hinziehen kann, ohne daß die UN und der Sicherheitsrat der UN, in dem wir schließlich sitzen, das offenkundig wahrnimmt. Wir müssen darüber nachdenken, warum sich das gespaltene Volk der Somalis - das daran bitter leidet - in einem solchen Gegensatz zu den Prinzipien aller afrikanischen Staaten befindet, wie es dahin gekommen ist, in diese Isolation zu geraten, so daß die Befreiungsbewegung im Ogaden von der OAU nicht anerkannt wird. Wir müssen darüber reden, was wir tun können, um dieses Volk in die Gemeinschaft der Völker mit hineinzuführen, wenn es dies will und wir dabei helfen können. Wir müssen darüber
Dr. Köhler ({26})
reden, ob mehr und konkrete ostafrikanische Gemeinschaft entstehen kann, um die Spannungsursachen in diesem Raum zu beseitigen. Wir müssen darüber reden, wie wir Kenia vor Sorgen sicherstellen können, die es an seiner Grenze hat und die dieses Land unter Umständen in die Gefahr bringen könnten, seine Ressourcen in Zukunft mehr in militärische Dinge als in friedliche Entwicklung hineinzustecken. Die Aufgabe und die Möglichkeit deutscher Politik in diesem Raum ist größer, als nur Entwicklungsgeld zu geben. Wir schulden hier aufrichtigen Rat,. vernünftige Angebote, ehrliche Freundschaft und Besprechen gemeinsamer Sorgen, für die viel Verständnis vorhanden ist; denn hier sprechen zwei geteilte Völker miteinander.
({27})
Diese Frage war mehr wert als Ihre Polemik heute morgen, Herr Kollege Schluckebier.
Warum - und damit, Frau Präsidentin, versuche ich, zum Schluß zu kommen - fällt es der Koalition eigentlich so schwer, eine klare Linie gegenüber der sowjetischen imperialistischen Strategie, aber auch gegenüber der Ausbreitung linkssozialistischer und kommunistischer Indoktrination in Afrika zu ziehen? Warum bekommen wir eine so gewundene Antwort auf die Große Anfrage zum Thema der Befreiungsbewegungen? Warum wird hier gedeutelt angesichts eindeutiger eidesstattlicher Erklärungen, die wir vorlegen können?
Warum wird nicht zur Kenntnis genommen, daß es in Sambia ein Lager gibt, für das man böse Worte gebrauchen müßte, weil dort Grausiges geschieht und dort Swapo-Angehörige unmenschlich behandelt werden, was man ja nun wirklich nicht irgendwelchen Rassisten weißer Hautfarbe in die Schuhe schieben kann? Warum wird nicht einfach das Programm der Swapo einmal als das bezeichnet, was es ist, nämlich ein volksdemokratisches Programm? Warum werden Verfassungsentwürfe, die in diese Richtung zielen, nicht entsprechend charakterisiert? Warum muß ich mir hier in der Fragestunde, wenn ich die Frage aufwerfe, warum wir indirekt über dieses Institut auch noch Geld für die Ausarbeitung dieser Verfassung zuschießen, anhören, daß ich doch wohl nichts dagegen haben dürfte, wenn die Erfahrungen unseres freiheitlichen Grundgesetzes in dieses Papier eingehen? Das ist doch wirklich der Höhepunkt des Spottes.
Warum werden wir hier mit so verschiedenen Dingen geplagt, mit Erklärungen von Herrn Bahr, der bereit ist, bis an die Grenze, die nächste Grenze zur Waffenlieferung mit der Unterstützung dieser sogenannten Befreiungsbewegungen zu gehen? Das deckt sich doch nicht mit dem, was hier in der Großen Anfrage ausgeführt ist. Warum muß ich mir in Sofia anhören, daß die Frau Kollegin Erler vollkommen ungeschützt und vollkommen undifferenziert dort die Parlamente der Welt aufruft, die Befreiungsbewegungen zu unterstützen, indem sie ihre Regierungen dazu drängen? Warum all diese Wirrsal, wo man sich dann mit der Fiktion zweier Swapos und dergleichen mehr tröstet?
({28})
Warum wird denn nicht der nächstgelegene Weg gewählt, daß wir sagen, wir wollen die Gefahr einer Unterstützung kriegerischer oder terroristischer Dinge nicht eingehen und wir konzentrieren uns auf die, von denen wir mit Präzision wissen, daß sie bereit sind, friedliche Lösungen zu unterstützen? Dieses erlösende Wort habe ich hier heute leider nicht gehört.
Ich fürchte, einer der Gründe, warum all diese Mühseligkeit da ist, liegt auch darin, daß es unter Ihnen immer noch etliche gibt - und vielleicht werden es sogar mehr -, deren Liebe dem Export sozialistischer Gesellschafts- und Politikmodelle gehört und die sich in der internationalen Solidarität linker Eliten fühlen. Der Leitantrag, verehrter Herr Kollege Schluckebier, in dem die Aktivierung der Sozialistischen Internationale hervorgehoben wird, muß uns hier bedenklich und besorgt stimmen.
({29})
Und so wird es nun weitergehen. So wird Herr Rohwedder seitens der Regierung einmal die Stimme der Vernunft erschallen lassen und dafür niedergebrüllt werden. Dafür werden auf der anderen Seite linke, sozialistische Maximalvorstellungen für die 80er Jahre gezeichnet werden. Bei allen guten Worten wird zwischen diesen Mühlsteinen die Glaubwürdigkeit deutscher Entwicklungspolitik weiter und mehr und mehr verschlissen werden.
Besorgt - dies ist mein letztes Wort - hat mich gestimmt, in welche Situation Sie in der Diskussion mit jenen jungen, mit linken Denkmodellen, sozialistischen Denkmodellen aufgezogenen und erzogenen Entwicklungshelfern kommen, die wir alle zusammen hinausgesandt haben und die zu Tagungen, zu Mitarbeiterkonferenzen zurückkommen und in einer unglaublichen Weise - unter Umgehung jedes Weges der Courtoisie - Ihre Südafrika-Politik, an die Öffentlichkeit gerichtet, in Grund und Boden kritisieren und verteufeln, nicht unsere, Ihre, Herr Holtz.
({30})
Da kommt Ihnen etwas entgegen, was Sie gesät haben.
({31})
Da kommt Sorge ins Land, zumal wenn ich die Reaktionen sehe, die minimal sind. Wozu sind wir denn noch in der Lage, wenn ein Verwaltungsrat des Deutschen Entwicklungsdienstes einen halben Tag braucht, um sich mit knapper Mehrheit dagegen zu entscheiden, daß . jemand, der unter dem Verdacht steht, in Bonn bei gewalttätigen Demonstrationen Widerstand gegen die Staatsgewalt geleistet zu haben, als Helfer in die Entwicklungsländer sofort ausreisen darf,
({32})
damit die Klärung seiner Schuld oder Unschuld vor Gericht dann möglicherweise erst nach zwei Jahren erfolgen kann? Nein, gegen Sie wenden sich gerade die Argumente derer, die Sie unterstützen und die
Dr. Köhler ({33})
Ihnen nahestehen. Kein Huhn und kein Hahn im BMZ hat danach gekräht. Erst letzthin haben Entwicklungshelfer bei einem vom BMZ unterstützten Seminar der SPD Rassismus im südlichen Afrika vorgeworfen. Sie schreiben - ich kann es Ihnen zeigen - Ihren ehrenwerten Parteinamen - das sage ich ohne Spott - mit einem „S", das als Dollarzeichen gezeichnet ist. Und in dieser Spanne turnen Sie hin und her, ohne an Glaubwürdigkeit zu gewinnen.
Meine Damen und Herren, ich habe mit den Leuten, die ich hier soeben angeführt habe, nichts gemein. An einer Stelle allerdings, fürchte ich, werden ihre Feststellungen wie meine klingen. Damit kein Irrtum auftaucht, sage ich es noch einmal: Ich habe mit ihnen nichts gemein. Aber den Satz, daß die deutsche Entwicklungspolitik bei Ihnen nicht in guten Händen ist, hätte ich so oder so hier gesprochen.
({34})
Meine Damen und Herren, um 14.00 Uhr fahren wir mit der Fragestunde fort.
({0})
Die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:
Fragestunde
- Drucksachen 8/1056, 8/1099 Es liegt aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung eine dringliche Frage des Herrn Abgeordneten Hauser vor:
Ist die Bundesregierung - um die bel zahlreichen Unternehmern, die in diesen Tagen schon die Abrechnung des Weihnachtsgeldes vorbereiten müssen, bestehende Unklarheit zu beseitigen - bereit, Arbeitnehmer und Unternehmer in geeigneter Weise schnellstmöglich und umfassend darüber zu informieren, daß der jetzt erhöhte Weihnachtsfreibetrag von DM 400,- der Sozialabgabenpflicht unterliegt?
Zur Beantwortung steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Buschfort zur Verfügung.
Herr Kollege Hauser, die Bundesregierung ist bereit, eine solche Information vorzunehmen. Ich gehe allerdings davon aus, daß der von Ihnen angesprochene Sachverhalt in der 'Öffentlichkeit auch schon jetzt bekannt ist. So haben die Spitzenverbände der Krankenversicherungsträger die örtlichen Einzugsstellen eingehend über die Rechtslage unterrichtet und gleichzeitig darum gebeten, diese Information an die Betriebe weiterzugeben.
Im übrigen ist noch auf folgendes hinzuweisen. Die von der Bundesregierung beschlossenen steuerlichen Entlastungen werden an die Arbeitnehmer voll weitergegeben. Die in der öffentlichen Diskussion verbreitete Unterstellung, daß die Sozialversicherung hieran verdiene, trifft nicht zu. Der Tatbestand ist lediglich, daß über die steuerliche Entlastung der Arbeitnehmer hinaus nicht auch noch eine zusätzliche Entlastung von Sozialabgaben erfolgen solle, die dann entsprechend negative sozialpolitische Folgen hätte.
Eine Zusatzfrage, Her] Abgeordneter Hauser.
Herr Staatssekretär, die Sozialabgaben, die fällig sind, betragen rund 50 DM. Sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß damit eine Kürzung dieses Weihnachtsfreibetrages von 400 DM um eben diese 50 DM den Arbeitnehmer genauso trifft wie den Arbeitgeber?
Herr Kollege Hauser, diese Zusatzfrage gibt mir noch einmal die Möglichkeit, etwas näher auf den Zusammenhang hinzuweisen. Jede Herausnahme von Bestandteilen des Arbeitsentgelts aus der Beitragspflicht zur Sozialversicherung vermindert den späteren Anspruch auf entsprechende Sozialleistungen insbesondere in der Rentenversicherung. Die Rente hat nach Auffassung der Bundesregierung - ich unterstelle, daß das die Auffassung aller in diesem Hause vertretenen Fraktionen ist - die Aufgabe, beim Ausscheiden aus dem Arbeitsleben den erreichten Lebensstandard der Arbeitnehmer weitgehend zu sichern. Es würde dieser wichtigen gesellschaftspolitischen Funktion der Rente widersprechen und damit den langfristigen Interessen der Arbeitnehmer schaden, wenn weitere Einkommensbestandteile aus der Beitragspflicht herausgenommen würden. Es kommt hinzu, daß die weitere Herausnahme von Lohnbestandteilen aus der Beitragspflicht zur Sozialversicherung erhebliche finanzielle Auswirkungen auf die finanzielle Lage der Sozialversicherung hätte.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hauser.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir bestätigen können, daß die Diskussion der letzten Wochen um diesen Weihnachtsfreibetrag bei den Beteiligten den Eindruck erwekken konnte, daß die 400 DM voll netto dem Arbeitnehmer zugute kommen, und daß darum eine umfassende Information aller Beteiligten durch die Bundesregierung erforderlich ist?
Herr Kollege, davon konnte keiner in der Öffentlichkeit ausgehen. Denn alle Verlautbarungen der Bundesregierung hatten zum Inhalt, daß dieser Betrag steuerlich frei bleibt, aber es wurde an keiner Stelle gesagt, daß er auch sozialversicherungsmäßig frei wäre. Ich will aber auch hinzufügen: Wenn Sie das möchten, dann müßten Sie auch hinzusagen, wie dann der entsprechende Ausfall in Höhe von 1,2 Milliarden DM gedeckt werden soll. Der Arbeitnehmer müßte es letztlich doch wieder bezahlen, denn dieser Betrag würde dann der Krankenversicherung oder aber der Rentenversicherung fehlen. Da die Arbeitnehmer und die Unternehmer die Beiträge für diese
Versicherungsbereiche erbringen müssen, wäre dann über den Weg der Beitragserhöhung das Geschenk wieder durch eine andere Maßnahme aufgehoben. Ich darf das mit einer vielleicht etwas humorvollen Bemerkung abschließen. Wir wollten gern die rechte Hand geben, und Sie meinen nun, wir würden die linke wegziehen. Oder anders ausgedrückt: Wir haben die rechte Hand gegeben. Nun können Sie aber nicht erwarten, daß war auch noch die linke hinzufügen.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Müller.
Herr Staatssekretär, unabhängig davon, wie sich das finanziell bei den Rentenversicherungsträgern auswirken würde, galt es bisher nicht als eine allgemeine Rechtsauffassung, daß nur das steuerpflichtige Einkommen sozialabgabepflichtig ist?
Herr Kollege, diese Formulierung darf man so wohl nicht stehenlassen. Es gab auch bisher eine differenzierte Betrachtung dieses Sachverhalts. Ich darf an den Bereich sonstiger Zuschläge erinnern.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Langner!
In Ergänzung der eben gestellten Frage weise ich auf folgendes hin: Nach § 17 des Sozialgesetzbuchs ist die Bundesregierung ermächtigt, für einmalige Zulagen eine Rechtsverordnung zu erlassen ;diese Regelung bestimmt weiter, daß eine weitgehende Übereinstimmung mit den steuerlichen Vorschriften bestehen soll. Darf ich Sie fragen, ob die Bundesregierung der Auffassung ist, daß sie sich noch im Bereich dieser Ermächtigung hält, wenn sie eine derart gravierende Abweichung in der Behandlung des Weihnachtsgelds vom Steuerrecht und von sonstiger Sozialabgabenpflicht hier durchgehen läßt?
Herr Kollege, ich glaube, gerade die von Ihnen vorgetragene Formulierung „weitgehend"sagt, daß die Übereinstimmung nicht vollständig sein muß. Ich will ganz deutlich hinzufügen: Es ist nicht die Auffassung der Bundesregierung, Einkommensbestandteile seien aus dem: Bereich der Sozialversicherung herauszunehmen, sondern ,die Richtung ist eher, herausgenommene bisherige Bestandteile einzufügen, damit der Arbeitnehmer im Alter und auch im Krankheitsfall eine entsprechende Versicherung erhält. Wir können z. B. an Kleinstrenten nicht interessiert sein.
Eine weitere Zusatzfrage. Herr Abgeordneter Stutzer.
Herr Staatssekretär, hätte es nicht zur Aufklärungspflicht ,dieser Regierung gehört, schon im Rahmen der Steuerdebatte auf diese Problematik hinzuweisen?
Herr Kollege, die Behandlung 'dieser Frage ist immer eindeutig gewesen. Wir haben gesagt: Der Weihnachtsfreibetrag wird im Steuerbereich von 100 DM auf 400 DM steuerfrei erhöht. Es hat an keiner Stelle eine Formulierung gegeben, daß wir sozialversicherungsrechtliche Regelungen einbeziehen. Ich darf nochmals hinzufügen: Sie wären auch nicht zu finanzieren. Wer das behauptet, müßte auch sagen, mit welchem Betrag dieser Ausfall von 1,2 Milliarden DM gedeckt werden soll. Daher darf auch niemand daraus schließen, 'daß wir das verheimlicht haben. Die Sprache war vielmehr ganz eindeutig. Es hat sich um Steuerfreibeträge, nicht um sozialversicherungsrechtliche Freistellungen gehandelt.
Die Behandlung der Dringlichkeitsfragen ist damit abgeschlossen.
Wir fahren fort mit den Fragen auf Drucksache
8/1056.
Die Fragesteller der Fragen 37, 38 - Herr Abgeordneter Dr. Voss - und 40 - Frau Abgeordnete Dr. Neumeister - bitten, daß diese Fragen 'schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 39 der Abgeordneten Frau Simonis auf. - Die Fragestellerin ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 42 des Herrn Abgeordneten Stutzer auf:
Welches ist das Maximum an Arbeitssuchenden, das von einer gewerblichen Vermittlungsstelle der Bundesanstalt für Arbeit ({0}), die keine außergewöhnlichen regionalen Besonderheiten aufweist, nach Ansicht der Bundesregierung ordnungsgemäß betreut werden kann?
Herr Kollege Stutzer, .die Bundesanstalt für Arbeit hat zur Zeit kein gültiges Personalbemessungssystem, auf Grund dessen Ihre Frage mit einer konkreten Zahl beantwortet werden könnte. Sie bemüht sich gegenwärtig, ein neues Personalbemessungssystem zu erarbeiten. Ob das neue Personalbemessungssytem schematisch auf die Zahl der zu betreuenden Arbeitsuchenden abstellen kann, ist fraglich, da deren Zahl, Struktur und Vermittlungsfähigkeit innerhalb kurzer Zeit für dieselbe Vermittlungsstelle erheblich schwanken können.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Stutzer.
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung meine Meinung, ,daß eine ganze Anzahl von Vermittlungsstellen wegen personeller Unterbesetzung überlastet war und heute noch überStutzer
lastet ist, weil die Bundesregierung die Problematik nicht rechtzeitig erkannt hat?
Herr Kollege, ich teile Ihre Auffassung insoweit, daß es einen Engpaß im Beratungs- und im Vermittlungsbereich gibt. Aus diesem Grund hat die Bundesregierung 1600 zusätzliche Stellen für das Jahr 1978 bewilligt. Ich meine, das ist ein beachtlicher Schritt. Wenn Sie bedenken, daß die Personalentwicklung in der Bundesanstalt in den letzten Jahren ohnehin beachtlich gewesen ist, dann verstehen Sie auch, daß wir wohl alles getan haben, was finanziell zur Zeit möglich ist.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Stutzer.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung mit mir der Meinung, daß die Ausräumung der Versäumnisse in .der Vergangenheit durch die 1600 im Mai zugeteilten Stellen, 'die erst mit Genehmigung des Haushalts im Januar 1978 wirksam werden, sich bei der Arbeitsvermittlung und bei der Berufsberatung frühestens 1979 bemerkbar machen wird, weil es nicht auf eine quantitative, sondern 'in erster Linie auf eine qualitativ anspruchsvolle Dienstleistung ankommt?
Buschfort, Pari. Staatssekretär: Herr Kollege Stutzer, diese Auffassung kann ich nicht vertreten. Wir sind ja bemüht, bereits im Bereich der Bundesanstalt Beschäftigte auf solche Dienstposten umzusetzen, wo mit Vermittlung und Beratung schnell begonnen werden kann. Sie wissen auch, daß die Einarbeitungs- und die Vorstellungsgespräche noch in diesem Jahr eingeleitet wurden, so daß der Einsatz dieser Personen zu einem beachtlichen Teil schon im Jahr 1978 wirksam werden kann.
Ich rufe die Frage 43 des Abgeordneten Horstmeier auf:
Treffen Pressemeldungen zu, daß die von den Bundesausschüssen der Ärzte und Krankenkassen dem Bundesarbeitsminister vorgelegten Richtlinien für die Bedarfsplanung in der kassenärztlichen Versorgung nicht den Absichten des Gesetzgebers entsprechen, wonach den Versicherten - und das trifft vor allem die ländlichen Räume - eine bedarfsgerechte ärztliche Versorgung in zumutbarer Entfernung zur Verfügung zu stellen ist ({0})?
Herr Kollege Horstmeier, wenn Sie gestatten, würde ich Ihre Fragen 43 und 44 gern im Zusammenhang beantworten.
({0})
Ich rufe auch die Frage 44 des Abgeordneten Horstmeier auf:
Ist die Bundesregierung der Meinung, daß bei dieser Bedarfsplanung der Bestand an Ärzten der verschiedensten Disziplinen ausschlaggebender Maßstab sein kann?
Herr Kollege Horstmeier, Pressemitteilungen mit dem von Ihnen erwähnten Inhalt kann ich nicht bestätigen. Die von den Bundesausschüssen der Ärzte/Zahnärzte und Krankenkassen beschlossenen Richtlinien dienen der Bedarfsplanung in der kassenärztlichen Versorgung.
Diese ist durch das Gesetz zur Weiterentwicklung des
Kassenarztrechts eingeführt worden und obliegt den
Kassenärztlichen Vereinigungen im Einvernehmen
mit den Landesverbänden der Krankenkassen.
Nach der gesetzlichen Anweisung müssen die Richtlinien insbesondere einheitliche und vergleichbare Grundlagen, Maßstäbe und Verfahren bei der Ermittlung und Feststellung des Standes und des Bedarfs an ärztlicher Versorgung gewährleisten.
Deshalb enthalten die Richtlinien naturgemäß nur allgemeine Hinweise für die genannten Zwecke. Das von Ihnen erwähnte Ziel der Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung, wonach u. a. auch eine bedarfsgerechte Versorgung in zumutbarer Entfernung zur Verfügung zu stellen ist, ist eine Leitlinie für die konkrete Bedarfsplanung in den einzelnen Landesbereichen, wie sie von den genannten Körperschaften zu gestalten und zu verantworten ist.
In Ihrer zweiten Frage sprechen Sie die in den Richtlinien für die Ermittlung und Beurteilung des Bedarfs an ärztlicher bzw. zahnärztlicher Versorgung vorgesehene Methode an, von sogenannten Meßzahlen auszugehen und hierbei in der Regel die vorhandene Zahl der Ärzte zugrunde zu legen. Die Bundesausschüsse haben die Methode gegenwärtig als zweckmäßig angesehen. Sie haben zugleich aber darauf hingewiesen, daß Beratungen über die Richtlinien mit dem Ziel der Überprüfung alsbald fortgeführt werden.
Zu diesem Zweck hat das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung in seinen Schreiben an die Bundesausschüsse gebeten, in die fortzuführenden Beratungen u. a. auch die Frage einer eigenständigen Definition des Bedarfs einzubeziehen.
Zu einer Zusatzfrage Herr. Abgeordneter Horstmeier.
Herr Staatssekretär, können Sie Meßzahlen nennen, nach denen die Richtlinien gestaltet werden und nach denen ein Gebiet als unterversorgt gilt?
Herr Kollege, die Meßzahl ergibt sich aus der derzeit zur Verfügung stehenden Zahl an Ärzten. Der entsprechende Durchschnittswert gilt als der Maßstab. Wir räumen ein, daß das nicht schon sehr gut sein muß. Aber es ist zunächst einmal ein konkreter Anhaltspunkt. Wenn diese Meßzahl in Gebieten erheblich unterschritten wird, dürfte man sicherlich von einer Unterversorgung ausgehen. Die zuständigen öffentlich-rechtlichen Instanzen müßten dann dafür sorgen, daß die Unterversorgung abgestellt wird. Gerade das ist auch das Ziel dieser Richtlinien.
Eine weitere Zusatzfrage.
Da die Richtlinien noch
nicht bekannt sind, frage ich: Können Sie sagen,
wann mit der Veröffentlichung der angesprochenen
Richtlinien durch den Bundesminister für Arbeit im Bundesanzeiger zu rechnen ist?
Herr Kollege Horstmeier, ich will gern einmal prüfen lassen, ob ich Ihnen Informationen nicht schon jetzt vorab zuleiten kann. Soweit mir das möglich ist, werde ich das in den nächsten Tagen veranlassen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Ey.
Herr Staatssekretär, können Sie bei der Gelegenheit mitteilen, welche Disziplinen für welche Bereiche und in welchem Verhältnis die einzelnen Disziplinen berücksichtigt werden?
Herr Kollege, das kann ich gegenwärtig nicht mitteilen, weil dies auch in die Zuständigkeit der Selbstverwaltung gelegt worden ist. Dort müßte man sich verständigen. Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung hat mit den von ihm vorgeschlagenen gesetzlichen Bestimmungen nur die äußeren Rahmenbedingungen herbeigeführt. Innerhalb der sich darauf gründenden Richtlinien sollen sich die zuständigen Gremien bewegen. Ich gehe auch davon aus, daß das befolgt wird.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen auf. Zur Beantwortung steht Herr Staatsminister von Dohnanyi zur Verfügung.
Der Fragesteller der Fragen 118 und 119, Abgeordneter Stommel, bittet um schriftliche Beantwortung. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe Frage 45 - Abgeordneter Dr. Mertes - auf :
Wie beurteilt die Bundesregierung die Forderung, die Produktion der Neutronenwaffe solle - wenn überhaupt - frühestens dann eingeleitet werden, wenn geklärt ist, ob die Sowjetunion und ihre Verbündeten im Rahmen der Ost-West-Verhandlungen über Rüstungssteuerung ({0}), insbesondere bei den Wiener Truppenabbauverhandlungen ({1}), bereit ist, einen Preis für den Verzicht auf eine Nichtproduktion der Neutronenwaffe zu zahlen?
Bitte, Herr Staatsminister.
Die Prüfung der mit Produktion und Einführung der Neutronenwaffe in die NATO verbundenen Fragen durch das Bündnis ist noch nicht abgeschlossen. Die Bundesregierung. wird sich bei ihrer Entscheidung und ihrer Haltung im Bündnis ausschließlich an den Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland orientieren.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, hat der bekannte einmalige Zusatzvorschlag der westlichen Teilnehmerstaaten bei den Wiener Truppenabbauverhandlungen vom Dezember 1975 - Abzug von 29 000 amerikanischen Soldaten, 1 000 taktischen Atomsprengkörpern sowie
Trägerfahrzeugen und Abschußrampen aus dem I Reduzierungsraum gegen den Abzug von 68 000 sowjetischen Soldaten und 1 700 Panzern aus Garnisonen in der DDR - irgendeine Modifikation er. fahren, oder wird irgendeine künftige Modifikation dieses Vorschlages vom westlichen Bündnis derzeit geplant?
Herr Kollege Mertes, ich glaube, daß Sie jetzt bei der Frage 46 sind. Ich habe auf die Frage 45 geantwortet. Aber ich bin nicht sicher, ob Sie auf die Frage 45 Bezug nehmen wollen.
Herr Staatsminister, Sie können ja den Wunsch äußern, die Fragen 45 und 46 zusammenzuziehen. Damit haben Sie keine Schwierigkeiten, weder der Fragesteller noch Sie. Wollen wir so verfahren?
Soll ich dann, Herr Präsident, die Frage 46 sogleich beantworten?
({0})
Ich rufe also auch Frage 46 auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Auffassung der Nordatlantischen Versammlung ({0}) zum Thema MBFR, in Wien hätten bisher lediglich Gespräche ({1}) stattgefunden, daß aber „genügend Material geklärt worden ist, um zu gestatten, daß die Wiener Gespräche sich zu Verhandlungen für eine Initialvereinbarung ({2}) in einer vorausschaubaren Zeit entwickeln"?
Bitte, Herr Staatsminister.
Die Wiener Verhandlungen haben bisher die Klärung von Grundpositionen und Elementen einer möglichen Einigung zum Gegenstand. Die Bundesregierung wünscht, daß diese Verhandlungen auf der Grundlage solcher Klärungen möglichst bald so konkretisiert werden können, daß über gemeinsame Formulierungen verhandelt werden kann.
Meine erste Zusatzfrage hatte ich schon gestellt, Herr Präsident.
Die Antwort ist noch nicht auf Ihre Frage abgestellt?
Herr Präsident, meine erste Zusatzfrage bezog sich auf Presseberichte, in denen beide Gesichtspunkte miteinander verbunden waren, nämlich die Neutronenwaffenfrage und die Frage eines modifizierten Zusatzvorschlages.
Sie sind der Meinung, die Frage ist nicht beantwortet worden?
Meine erste Zusatzfrage ist noch nicht beantwortet.
Herr Kollege Mertes, auf Ihre erste Zusatzfrage möchte ich Ihnen gerne sagen, daß, wie Sie wissen, die Verhandlungen in Wien nicht öffentlich geführt werden und ich daher auch nicht imstande bin, Ihnen hier an dieser Stelle öffentlich zu Überlegungen, die angestellt werden, Auskunft zu geben.
({0})
Sie möchten eine weitere Zusatzfrage stellen? - Bitte schön.
Herr Staatsminister, können Sie bestimmte Pressemeldungen von gestern ganz oder teilweise dementieren?
Herr Kollege Mertes, ich bin nicht sicher; es gab gestern viele Pressemeldungen.
({0})
Einige davon könnte ich sicher dementieren, andere könnte ich bestätigen. Wenn Sie eine bestimmte Pressemeldung meinen, die sich auf Entwicklungen in den Vereinigten Staaten bezieht - wenn Sie diese meinen -,
({1})
antworte ich: die Bundesregierung ist nicht imstande, Entwicklungen in den USA, die in der Presse wiedergegeben werden, hier zu dementieren oder zu kommentieren.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, können Sie dem Hohen Hause ganz kurz verdeutlichen, welche politische Bedeutung die Bundesregierung der Wiener Diskussion über die Zahlen beimißt, die als Ausgangsdaten bei einem eventuellen Truppen- oder Panzerabbau zugrunde gelegt werden müssen?
Die Bundesregierung geht bei den Verhandlungen in Wien davon aus, daß es das Ziel ist, Sicherheit im Gleichgewicht herzustellen, und für die Herstellung des Gleichgewichts ist die sogenannte Datendiskussion natürlich von Bedeutung.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe Frage 105 - Abgeordneter Czaja - auf:
Warum ist die Bundesregierung der Auffassung ({0}), daß die öffentliche Diskussion über die von der Bundesregierung zu Recht als völkerrechtswidrig , bezeichnete Konfiskation deutschen Privatvermögens durch Polen weder den Betroffenen noch der Entwicklung der Beziehungen beider Länder helfen kann, obwohl einerseits nach öffentlicher Diskussion polnischen Sozialversicherungsansprüchen aus dem 2. Weltkrieg mit hohen globalen Summen abgeholfen wurde und obwohl andererseits fortdauernder Völkerrechtsbruch
nach Lehre und Staatenpraxis den Beziehungen der Länder nicht nützt, sondern sie vielmehr stört?
Bitte, Herr Staatsminister.
Die Bundesregierung geht davon aus, daß die endgültige Regelung vermögensrechtlicher Forderungen aus dem Zweiten Weltkrieg bis zur Friedensregelung zwischen ' Gesamtdeutschland und den ehemaligen Kriegsgegnern aufgeschoben ist. Eine öffentliche Diskussion über die Konfiskation deutschen Privatvermögens in Polen würde die rechtliche und faktische Lage nicht verbessern oder verändern.
Das deutsch-polnische Abkommen über Renten-und Unfallversicherung betrifft eine Spezialmaterie, deren abschließende Regelung in beiderseitigem Interesse lag und das oben genannte Prinzip nicht berührte.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Czaja.
Herr Staatsminister, Sie sagten eben, daß die Regelung des Gesamtkomplexes bis zu einem Friedensvertrag aufgeschoben werden solle. Warum gibt es im Hinblick auf privates deutsches Vermögen nicht - statt der endlosen Vertagung - vorletzte Regelungen zu Lasten Po-, lens, wie es für polnische Sozialversicherungsansprüche auch vorletzte Regelungen zu Lasten der Bundesrepublik Deutschland gibt?
Herr Kollege Czaja, ich kann mich an dieser Stelle nur wiederholen: Bei dem deutsch-polnischen Abkommen über Renten- und Unfallversicherung lag eine abschließende Regelung in beiderseitigem Interesse. Das oben genannte Prinzip, das auch in dem Londoner Schuldenabkommen festgelegt wurde, wird nicht berührt.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Czaja.
Herr Staatsminister, nach internationalem Deliktsrecht soll ein völkerrechtswidriger Eingriff in privates Vermögen durch Naturalrestritution geheilt werden. Ich frage: Meinen Sie nicht, daß die Naturalrestitution schlecht bewirtschafteten deutschen privaten Vermögens an die rechtmäßigen Eigentümer angesichts der bedrängten Wirtschaftslage in Polen und in den Gebieten von Oder und Neiße eine Hilfe bringen könnte, um zu einem Aufschwung zu kommen?
Herr Kollege Czaja - Herr Präsident, wenn Sie mir das erlauben -, ich halte das nicht für eine ernstgemeinte Frage.
({0})
Und kann daher eigentlich darauf auch keine ernste Antwort geben.
Herr Staatsminister, Sie sind nicht verpflichtet, auf eine Frage einzugehen. Aber eine Bewertung der Frage halte ich nicht für in Ordnung.
({0})
Ich hatte das schon selbst hinzugefügt, Herr Präsident; ich war mir darüber im klaren.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger.
Herr Staatsminister, besteht nicht die Gefahr, daß uns ein Schweigen über diese ständigen Völkerrechtsbrüche bis zu einem sicher noch in weiter Ferne liegenden Friedensvertrag in die Gefahr bringen würde, daß dort dann mit dem Verschweigungsprinzip argumentiert wird?
Herr Kollege, wir verschweigen nicht, wenn wir ausdrücklich darauf hinweisen, warum bis zu einem bestimmten Zeitpunkt diese Frage aufgeschoben wird. Dies wird nach allen juristischen Grundsätzen nicht als ein Verschweigen zu verstehen sein.
Ich rufe die Frage 106 des Abgeordneten Czaja auf:
Teilt die Bundesregierung die Einschätzung des Botschafters von Wechmar in seinem Interview in der „Welt" vom 6. Oktober 1977, wonach die „Mitglieder der UNO glauben", daß „die nationale deutsche Frage" eine „Regelung" u. a. durch die Schlußakte von Helsinki und den Grundlagenvertrag gefunden habe, und gehört es nicht gerade zu den wesentlichen Aufgaben der deutschen Außenpolitik, also auch der Vertretung bei den Vereinten Nationen, demgegenüber die in der Präambel des Grundgesetzes festgelegten Grundsätze nach außen beharrlich zu vertreten?
Die Haltung der Bundesregierung zur deutschen Frage ist bekannt. Die Auffassung anderer Staaten ergibt sich aus deren politischer Betrachtung. Die Bundesregierung hat ihre Position auch in den Vereinten Nationen immer wieder mit Nachdruck dargelegt und wird dies auch weiterhin tun.
Zusatzfrage, Herr Abgeordnete Czaja.
Hat die Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei den Vereinten Nationen - im Unterschied zu dem angeführten Interview -, so wie es der Bundesaußenminister dankenswerterweise bei der Vollversammlung getan hat, allen UNO-Mitgliedern pflichtgemäß beharrlich klarzumachen versucht, daß die nationale deutsche Frage bisher nicht geregelt wurde und daß die Schlußakte von Helsinki diese deutsche Frage nicht regelt?
Herr Kollege Czaja, ich sagte eben: Die Bundesregierung hat ihre Position auch in den Vereinten Nationen immer
wieder mit Nachdruck dargelegt; Sie haben selber auf die Rede des Bundesaußenministers verwiesen. Ich habe hinzugefügt, daß die Bundesregierung dies auch in Zukunft tun wird.
Weitere Zusatzfrage, Abgeordneter Czaja.
Herr Staatsminister, warum sollen nach Auffassung von Herrn Wechmar, wie aus dem Interview hervorgeht, nur andere Mitgliedstaaten die UNO mit ihren nationalen Fragen befassen dürfen, die Deutschen als ordentliches und die UNO finanziell stützendes Mitglied aber dabei zurücktreten?
Herr Kollege Czaja, ich wiederhole: Wir haben unsere Position zur deutschen Frage dargelegt. Diese Position hat sich nicht verändert. Der Bundesaußenminister hat diese Position klargestellt. Es gibt keine Veranlassung, daran zu zweifeln.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger.
Herr Staatsminister, wie viele Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen haben nach den Erkenntnissen der Bundesregierung durch ihre Vertreter bei den Vereinten Nationen erkennen lassen, daß sie die deutsche Frage durch die Beschlüsse von Helsinki und durch den Grundlagenvertrag für endgültig gelöst halten?
Herr Kollege Jäger, ich kann das nicht quantifizieren. Ich kann mich auch nur auf das Interview des Herrn von Wechmar beziehen, der darauf aufmerksam gemacht hat, daß es solche Mitgliedstaaten in den Vereinten Nationen gibt. Ich mache noch einmal darauf aufmerksam, daß wir dem durch entsprechende Darstellung entgegentreten.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hupka.
Herr Staatsminister, nachdem hier mit Recht schon darauf hingewiesen worden ist, daß der Herr Bundesaußenminister während der Vollversammlung den Brief zur deutschen Einheit zitiert hat, frage ich Sie: Was geschieht zwischen den Vollversammlungen, um die deutsche Frage offenzuhalten?
Herr Kollege Hupka, wir legen unsere Position zur deutschen Frage an vielen Stellen dar. Selbstverständlich spielen solche Fragen gelegentlich auch in bilateralen Gesprächen mit den Regierungen anderer Staaten eine Rolle. Es besteht also kein Grund zur Sorge, daß diese deutsche Position etwa in den Monaten, in denen die Vollversammlung nicht tagt, in Vergessenheit geraten könnte.
Ich rufe Frage 107 des Herrn Abgeordneten Dr. Hennig auf:
Hält die Bundesregierung die Aussage des Bundeskanzlers, die er am 3. Oktober 1977 in einer Belegschaftsversammlung in Berlin gemacht hat, Berlin sei „kein Bestandteil der Bundesrepublik", für staats- und verfassungsrechtlich korrekt und zulässig?
Die Äußerung des Bundeskanzlers bezog sich auf die rechtliche Gesamtsituation Berlins, die sich aus der Überlagerung des deutschen Staats- und Verfassungsrechts durch die Vorbehaltsrechte der Alliierten ergibt.
Herr Abgeordneter Hennig zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, darf ich Sie zunächst fragen, ob das angesichts eines Lapsus von solcher Bedeutung wirklich Ihre ganze Antwort sein kann?
Herr Kollege, ich habe ganz klargemacht, welches die Position hier ist, und wenn ich eine Antwort gebe, ist das sicherlich meine ganze Antwort.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Dann darf ich die weitere Zusatzfrage anschließen, ob es bei der staatsrechtlichen Problematik wirklich richtig ist - wenn man in Berlin zwischen staatsrechtlicher und völkerrechtlicher Schicht oder Lage unterscheidet und bei der letzteren sicher auch die Probleme der Vier Mächte hineinkommen -, diese Frage zunächst vom Auswärtigen Amt federführend bearbeiten zu lassen.
Herr Kollege, diese Frage ist hier schon wiederholt gestellt worden. Da auch Sie sich auf die völkerrechtliche Frage bezogen haben, war es zweckmäßig, die Antwort hier so zu geben.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Corterier.
Herr Staatsminister, glauben Sie, daß es im Interesse Berlins ist, wenn durch die von der Opposition hier eingereichten Fragen das Berlin-Engagement des Bundeskanzlers, das bekannt ist, in dieser Weise in Zweifel gezogen wird?
Herr Kollege, ich bin belehrt worden - mit Recht belehrt worden -, daß es mir nicht zusteht, die Fragen der Opposition zu qualifizieren. Aus der Sicht der Bundesregierung wäre es aber sicher zweckmäßig, am Engagement des Bundeskanzlers für Berlin nicht zu zweifeln.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kunz.
Herr Staatsminister, glauben Sie, daß es im Interesse Berlins liegen kann, solche Formulierungen wie die, nach der Herr Kollege Hennig gefragt hat, zu verwenden, zumal der Herr Bundeskanzler bereits in einer Rede vor der Belegschaft der Borsig-Werke am 16. Mai 1977 unzulässig verkürzt genau die Formel gebraucht hat: „kein Bestandteil der Bundesrepublik Deutschland"?
Herr Kollege, ich kann nur wiederholen - und die nächsten Fragen werden Gelegenheit geben, darauf noch vertieft einzugehen -, daß sich die Äußerung des Bundeskanzlers auf die rechtliche Gesamtsituation bezog und dieser in keiner Weise abträglich ist.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kittelmann.
Sind Sie mit mir der Meinung, daß die Äußerung des Bundeskanzlers in der deutschen Öffentlichkeit, insbesondere in Berlin, in einer Form kommentiert worden ist, die es notwendig gemacht hätte, wenn man nicht den Eindruck bewußt so hätte lassen wollen, darauf öffentlich zu reagieren?
Herr Kollege, ich bin nicht der Meinung, daß dies notwendig war. Denn die Auffassung des Bundeskanzlers und der Bundesregierung zu Berlin ist eindeutig und durch seine Äußerung nicht in Zweifel gezogen.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Luster.
Herr Staatsminister, sind Sie der Auffassung, daß die Bundesregierung und der Bundeskanzler auch und insbesondere bei Belegschaftsversammlungen in Berlin nicht verpflichtet sind, den verfassungsrechtlichen Standpunkt der Bundesregierung bezüglich Berlins darzutun, den die Bundesregierung in Erläuterung zum Viermächteabkommen selbst dahin gefaßt und den das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 31. Juli 1973 so formuliert hat: „Derzeit besteht die Bundesrepublik aus den in Art. 23 GG genannten Ländern einschließlich Berlin"?
Herr Kollege, ich will noch einmal wiederholen: Der Bundeskanzler hat sich auf die rechtliche Gesamtsituation bezogen. Es darf in dieser Frage überhaupt keinen Zweifel an der Position des Bundeskanzlers oder der Bundesregierung entstehen. Ich hoffe, daß die Bedenken, die offenbar bei Ihnen bestanden haben, durch meine Antwort eindeutig ausgeräumt worden sind.
Ich rufe die Frage 108 des Abgeordneten Dr. Hennig auf:
Teilt die Bundesregierung meine Auffassung, daß der Bundeskanzler durch Weglassen des entscheidenden Klammerzusatzes, um den von den Westmächten in den Verhandlungen mit der Sowjetunion lange gerungen worden ist, die ohnehin problematischste Passage des Viermächteabkommens, die Westsektoren seien kein Bestandteil ({0}) der Bundesrepublik
Vizepräsident Stücklen
Deutschland, weiter verschärft und so für die deutsche Politik untragbar gemacht hat, und wenn ja, warum hat der Bundeskanzler dies getan?
Der Bundeskanzler hat hauptsächlich auf die Bindungen abgestellt. Korrekterweise mußte er dabei auch die im Viermächteabkommen genannten Einschränkungen erwähnen. Dabei hat der Bundeskanzler nicht wörtlich zitiert, sondern mit einem stichwortartigen Hinweis auf den im übrigen bekannten Passus des Viermächteabkommens Bezug genommen.
Die Fragestellung des Herrn Abgeordneten Dr. Hennig erweckt den Eindruck, der einschlägige Passus im Viermächteabkommen habe im Verhältnis zwischen den Drei Mächten und der Bundesrepublik Deutschland eine neue Situation geschaffen. Dies ist jedoch, wie ich bereits ausgeführt habe, nicht der Fall.
Im übrigen ist die Bedeutung des Viermächteabkommens für die Rechtslage Berlins und für die Berlinpolitik durch die Äußerung des Bundeskanzlers in keiner Weise geändert worden.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hennig.
Herr Staatsminister, ist Berlin nun staats- und verfassungsrechtlich - genau dahin ging meine Frage - ein Teil der Bundesrepublik oder nicht?
Die verfassungs-und staatsrechtliche Lage ist klar. Sie ist von den Rechten der Alliierten überlagert. Daran hat das Viermächteabkommen nichts geändert. Ich brauche deswegen, so scheint mir, der soeben von mir verlesenen Antwort nichts hinzuzufügen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hennig.
Herr Staatsminister, bedeutet Ihre Aussage, die staatsrechtliche Lage sei klar, daß Berlin staatsrechtlich ein Teil der Bundesrepublik ist?
Herr Kollege, das habe ich ja eben gesagt. Dieser Teil der staatsrechtlichen Zugehörigkeit ist von den Rechten der Alliierten überlagert. Daran - hierüber kann kein Zweifel bestehen - hat das Viermächteabkommen nichts geändert.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Corterier.
Herr Staatsminister, ist der Bundesregierung bekannt, daß der Regierende Bürgermeister von Berlin zu der Äußerung des Bundeskanzlers folgendes festgestellt hat - ich darf mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, zitieren; es sind nur drei Sätze -:
Nach Auffassung des Senats von Berlin wird
mit dieser Feststellung das Viermächteabkommen vom 3. 9. 1971 keineswegs unterlaufen. Vielmehr geht die Feststellung des Bundeskanzlers von dem Viermächteabkommen aus. Die Äußerung des Bundeskanzlers hat die bisherige Berlinpolitik der Bundesregierung weder verändert noch verändern wollen.
Herr Kollege Corterier, ich habe selber in meiner Antwort festgestellt, daß die Berlinpolitik der Bundesregierung durch die Äußerung des Bundeskanzlers in keiner Weise geändert wird. Die von Ihnen aus der Stellungnahme des Regierenden Bürgermeisters von Berlin zitierten Perspektiven sind natürlich auch die der Bundesregierung.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Luster.
Herr Staatsminister, ist zu erwarten, daß die Bundesregierung und ihre Mitglieder im Hinblick auf die Überlagerung deutschen Rechts durch alliiertes Recht künftig erklären werden, Berlin sei kein Land der Bundesrepublik, oder darf man erwarten, daß die Bundesregierung und ihre Mitglieder im Hinblick auf den Spruch des Verfassungsgerichts und im Hinblick auf ihre eigenen Direktiven zum Viermächtestatus weiter daran festhalten werden, daß Berlin ein Land der Bundesrepublik ist? Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, man darf davon ausgehen, daß die Bundesregierung heute und in Zukunft die gesamtrechtliche Situation in Betracht zieht. Zu ihr gehört sowohl die staatsrechtliche Frage als auch die völkerrechtliche Frage der „Überlagerung".
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mertes.
Herr Staatsminister, bedeuten Ihre Antworten, daß der Bundeskanzler und mit ihm die gesamte Bundesregierung nach wie vor uneingeschränkt die im Auftrag des Bundesministers des Auswärtigen veröffentlichten Ausführungen des Staatssekretärs van Well zur Außenvertretung Berlins im Heft 20 des „EuropaArchivs" von 1976 teilt, und gilt das inbesondere für Herrn van Wells zutreffende Darstellung des Gesamtzusammenhangs des Satzes, daß „die Westsektoren so wie bisher kein Bestandteil ({0}) der Bundesrepublik Deutschland sind und auch weiterhin nicht von ihr regiert werden"?
Herr Kollege, zunächst einmal will ich feststellen, daß es unmöglich ist, ein Mitglied der Bundesregierung hier auf einen etwa zehn oder fünfzehn Seiten langen Artikel im „Europa-Archiv" Wort für Wort zu verpflichten.
({0})
Ich müßte den Artikel dann Satz für Satz vorlesen. Sie haben am Ende Ihrer Ausführungen einen bestimmten Teil herausgezogen. Zu diesem Zeit gilt meine Formulierung, daß die staatsrechtliche Lage durch die Rechte der Alliierten überlagert wird. Dies ist die unbestrittene Auffassung der Bundesregierung, auch von Herrn van Well; davon gehe ich aus.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger.
Herr Staatsminister, da dem Bundeskanzler wie den anderen Mitgliedern der Bundesregierung sicher bekannt ist, daß die kommunistische Propaganda sowohl aus der Sowjet- union als auch aus der DDR ständig versucht, gerade in diesem Punkt die Viermächteregelung zu unterlaufen, und den Begriff „kein Bestandteil" stets ohne den entscheidenden Zusatz „konstitutiver Teil" zitiert, frage ich, ob es nicht nach Auffassung der Bundesregierung gerade .in diesem Zusammenhang die Pflicht eines Mitglieds und zumal des Bundeskanzlers dieser Bundesregierung wäre, bei seinen Formulierungen äußerste Sorgfalt anzuwenden und solche Sätze nicht wegzulassen, ohne das sofort in der Öffentlichkeit zu korrigieren?
Herr Kollege Jäger, es besteht kein Zweifel an der Haltung der Bundesregierung und des Bundeskanzlers zur Lage Berlins. Deswegen ist auch aus der Äußerung des Bundeskanzlers keine gegenteilige Schlußfolgerung erlaubt.
({0})
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kittelmann.
Herr Staatssekretär, teilen Sie die Ansicht, die in Berliner Senatskreisen geäußert sein soll, daß dieser Satz, in einer so langen Rede gerade in Berlin einzeln dahingesprochen, „von einer unvorstellbaren Schludrigkeit" sei und daß- man von Bonn aus die Zusage erhalten habe - daher rühre die beruhigende Erklärung vom Regierenden Bürgermeister, die Herr Corterier hier angeführt hat -, daß auf Grund der immer wieder gerühmten guten Beziehungen zwischen Regierendem Bürgermeister und Bundeskanzler ein solcher Satz in dieser Form nicht wieder gesprochen werden würde?
Für „Schludrigkeit" gibt es auch einen anderen Ausdruck: ungenau.
({0})
Herr Kollege, es tut mir leid, ich muß mich wiederholen. Der Herr Bundeskanzler hat die Gesamtsituation im Auge gehabt. Ich habe das hier noch einmal verdeutlicht: Es gibt an seiner und an der Haltung der Bundesregierung gegenüber Berlin keinerlei begründeten Zweifel.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka.
Herr Staatsminister, ich möchte noch einmal auf die Frage des Herrn Kollegen Luster zurückkommen. Als was bezeichnet die Bundesregierung gegenüber West-Berlin das Verhältnis West-Berlins zur Bundesrepublik Deutschland?
Herr Kollege, ich habe das gesagt: Die staatsrechtliche Lage wird durch die Rechte der Alliierten überlagert, und nur beides zusammen stellt die Lage Berlins dar. Der Bundeskanzler hat auf diese Gesamtsituation abgehoben.
Es werden keine weiteren Zusatzfragen gewünscht.
Ich rufe die Frage 109 des Herrn Abgeordneten Kunz auf:
Wie ist die Äußerung des Bundeskanzlers, Berlin sei „kein Bestandteil der Bundesrepublik", mit den von der Bundesregierung bekräftigten Ausführungen von Staatssekretär Günther Hartkopf im Mai 1977 zu vereinbaren, Berlin sei ein Bundesland der Bundesrepublik Deutschland und die Bundesorgane seien - soweit die Vorbehalte der drei Westmächte nicht greifen - verfassungsrechtlich gehalten, Berlin voll und ganz als Land der Bundesrepublik Deutschland zu behandeln?
Herr Staatssekretär Hartkopf hat in seinem Vortrag in Berlin im Mai 1977 in erster Linie die staatsrechtliche Lage nach dem Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland behandelt. Er hat dabei jedoch auch auf die übergreifenden Vorbehaltsrechte der Drei Mächte hingewiesen. Die Äußerung des Bundeskanzlers bezog sich, wie ich bereits ausgeführt habe, auf die rechtliche Gesamtsituation Berlins, die sich aus der Überlagerung des deutschen Staats- und Verfassungsrechts durch die Vorbehaltsrechte der Alliierten ergibt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kunz.
Herr Staatsminister, ist die Bundesregierung bereit, genauso wie Staatssekretär Hartkopf dies getan hat, sich nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1957 und nach dem Urteil aus dem Jahre 1973 zu richten und 'demgemäß 'davon auszugehen, daß im Vordergrund die staatsrechtliche Würdigung zu stehen hat, die dann freilich überlagert wird von den alliierten Rechten?
Herr Kollege Kunz, die 'Bundesregierung sieht die staatsrechtliche Lage, die völkerrechtliche Lage und die Rechte der Drei Mächte. In der Gesamtdarstellung der Lage Berlins kann man nicht nur auf einen Teil abheben. Auch Staatssekretär Hartkopf hat beide Seiten unterstrichen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kunz.
Herr Staatsminister, sind Sie bereit, meine Auffassung entgegenzunehmen, daß die Verlagerung der rechtlichen Gewichtung durchaus Anlaß zu ernsthafter Sorge hinsichtlich der weiteren Interpretation der Bundesregierung in Teilen der Berlin-Politik bietet?
({0})
Herr Kollege Kunz, ich kann Sie nicht daran hindern, das zu sagen. Ich halte das für eine unbegründete und ungerechtfertigte Feststellung. Die Auffassung der Bundesregierung in der Frage Berlins ist unverändert. Aber sie sieht beide Teile, nicht nur die staats- und verfassungsrechtliche Frage, sondern auch die völkerrechtliche. Erst beide gemeinsam 'ergeben die Lage Berlins.
({0})
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hennig.
Herr Staatsminister, überlagert 'denn der Vorbehalt der Alliierten die staatsrechtliche Situation Berlins vollständig oder nicht vielmehr nur für die Bereiche Sicherheit und Status der Stadt?
Herr Kollege, es ist richtig, daß 'Sicherheit und Status den Inhalt darstellen. Aber um diese Zusammenhänge zu erfassen, muß man beide Seiten - die verfassungs-und die staatsrechtliche Seite sowie die völkerrechtliche Seite - sehen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mertes.
Herr Staatsminister, wie erklärt die Bundesregierung die Tatsache, daß die sehr wesentlichen Worte „so wie bisher" und „auch weiterhin" in dem zur Diskussion stehenden Satz des Berlin-Abkommens in DDR-Erklärungen über die Rechtsnatur der 'Bindungen der Westsektoren Berlins an die Bundesrepublik Deutschland weggelassen werden, so 'daß dabei die Begriffe „kein Bestandteil ({0})" und „nicht von ihr regiert werden" eine rechtliche und politisch falsche Auslegung erfahren, unid ist sie bereit, einer solchen falschen Auslegung immer wieder die richtige Auslegung entgegenzusetzen, wie sie ,der heutige Staatssekretär des Auswärtigen Amts in dem genannten Aufsatz zutreffend dargestellt hat?
Herr Kollege Mertes, Sie wissen, daß die Bundesregierung die Auffassung vertritt, daß das Viermächteabkommen vollständig angewandt und strikt eingehalten werden soll. Dabei gehen wir davon ,aus, daß das Zitat des Viermächteabkommens und aller dazugehörigen Bestandteile vollständig sein muß. Wer nicht vollständig zitiert, versucht eine einseitige Interpretation. Einer einseitigen Interpretation wird die Bundesregierung jeweils am gegebenen und richtigen Ort entgegentreten.
({0})
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Czaja.
Herr Staatsminister, wäre es nicht in dem Zusammenhang auch nötig, zu präzisieren, daß die tatsächliche Überlagerung durch Besatzungsgewalt nach ständiger Auffassung der Westmächte nur Akte in Ausübung unmittelbarer Staatsgewalt über die Westsektoren Berlins betrifft, nicht aber andere Akte wie z. B. die oberster deutscher Gerichte, des Bundesverwaltungsgerichts, des Bundesgerichtshofs und der Bundesanwaltschaft?
({0})
Herr Kollege Czaja, Sie zwingen mich dazu, noch einmal auf den Zusammenhang mit der Fragestellung hinzuweisen - Herr Präsident, wenn ich das darf -; denn mir ist es im Rahmen dieser Fragestellung natürlich nicht möglich, die verschiedenen Aspekte der Berlin-Situation in allen Einzelheiten zu interpretieren.
Eine letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Luster.
Herr Staatsminister, gehe ich fehl in der Annahme, daß die Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland nicht auf überlagernde Rechte, sondern auf die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland vereidigt ist, und wird die Bundesregierung deshalb bei Widerstreit möglichst einen Ausgleich anstreben, aber, wenn das nicht möglich ist, die Priorität nicht dem überlagernden Recht, sondern immer dem Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland zusprechen, d. h. in diesem Fall der Auffassung sein, daß Berlin ein Land der Bundesrepublik Deutschland ist?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister, Herr Kollege, ich gehe davon aus, daß die Bundesregierung auch darauf vereidigt ist, dem deutschen Volk die Wahrheit zu sagen.
({0})
Die Wahrheit ist, daß für Berlin sowohl staats- und verfassungsrechtliche Gesichtspunkte als auch die überlagernden Vorbehaltsrechte der Alliierten gelten. Wer das eine übersieht oder nicht beachtet und den Berlinern, dem deutschen Volk nur die andere Seite, nur die verfassungs- und staatsrechtliche Seite darstellen würde, würde den Berlinern nicht die Wahrheit über die Lage sagen.
Ich rufe die Frage 110 des Abgeordneten Kunz ({0}) auf:
Wie will die Bundesregierung in Zukunft noch Staatsbesucher veranlassen, auch West-Berlin zu besuchen, wenn der Bundeskanzler uneingeschränkt und öffentlich die Meinung vertritt, Berlin sei „kein Bestandteil der Bundesrepublik"?
Herr Kollege Kunz, die Bundesregierung veranlaßt nicht Staatsbesucher, die in die Bundesrepublik Deutschland kommen, Berlin zu besuchen. Diese Besucher tun das vielmehr aus eigenem Interesse an Berlin, gestützt auf die engen Bindungen zwischen Berlin ({0}) und der Bundesrepublik Deutschland. Diese engen Bindungen hat der Bundeskanzler unterstrichen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kunz.
Herr Staatsminister, ich gehe weiterhin davon aus, daß die Bundesregierung ihre Pflicht empfindet, Staatsbesucher nach Berlin zu bitten, und daß sie bei diesem Bitten darauf hinweist, daß Berlin ein Land der Bundesrepublik Deutschland ist.
Herr Kollege Kunz, ich gehe davon aus, daß ausländische Staatsbesucher in der Bundesrepublik Deutschland ein eigenes vitales Interesse am Besuch von Berlin haben und daß wir niemanden zu bitten brauchen, nach Berlin zu fahren. Das tut die Bundesregierung auch nicht, sondern sie geht davon aus, daß das eigene Interesse der Besucher diese nach Berlin führt.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kunz.
Herr Staatsminister, sind Sie bereit, dem Innerdeutschen Ausschuß demnächst eine Aufstellung vorzulegen, aus der hervorgeht, welche Staatsbesucher in der letzten Zeit in Berlin gewesen sind?
Aber sicherlich, Herr Kollege Kunz.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kittelmann.
Herr Staatsminister, können Sie bestätigen, daß der FDP-Abgeordnete Oxfort dem Senat in Berlin nach der Rede des Bundeskanzlers die Frage gestellt hat: „Wie gedenkt der Senat, einem möglicherweise internationalen Mißverständnis über die deutsche Position in dieser für Berlin existentiellen Frage entgegenzutreten?", und könnten Sie - dabei beziehe ich mich auf die Frage von Herrn Kunz - deutlich machen, wie Sie, wenn auf Grund dieser einzelnen Sätze ein Mißverständnis entstehen konnte, ausländische Besucher in Zukunft - vielleicht in ausführlicher Form - unsere Position klarmachen wollen, damit ein derartiges Mißverständnis nicht wieder entstehen kann?
Herr Kollege, mir ist die Äußerung von Herrn Oxfort nicht bekannt gewesen. Aber mir ist jetzt bekannt, was der Kollege Corterier eben aus der Stellungnahme des Senats von Berlin vorgelesen hat.
({0})
Ich gehe also davon aus, daß der Senat von Berlin zu dieser Frage, zur Interpretation der Äußerung des Bundeskanzlers bereits eine klare Position bezogen hat. Ich brauche das daher nicht mehr zu kommentieren.
Im übrigen unterstreiche ich noch einmal: Die Bundesregierung braucht ausländische Staatsbesucher nicht dazu zu überreden, Berlin zu besuchen, sondern unsere Freunde im Ausland haben ein Interesse an Berlin. Sie besuchen Berlin aus eigenem Interesse. Dieses Interesse wird durch die Äußerung des Bundeskanzlers hinsichtlich der engen Bindungen Berlins ({1}) an die Bundesrepublik Deutschland selbstverständlich gestärkt und nicht unterlaufen.
({2})
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hupka.
Herr Staatsminister, können Sie mir darin zustimmen, daß es außer dem eigenen Interesse ausländischer Besucher, nach Berlin zu fahren, auch das eigene Interesse der Bundesrepublik Deutschland sein muß, einen Gast nach Berlin einzuladen?
Herr Kollege Hupka, mir kam es darauf an, einer möglichen mißverständlichen Interpretation der Frage des Kollegen Kunz entgegenzutreten. Es ist eben nicht so, daß die Bundesregierung ausländische Gäste gewissermaßen nach Berlin drängen muß, sondern wir wissen, daß unsere Freunde im Ausland ein eigenes Interesse am Besuch Berlins haben.
({0})
Ich wollte nur vermeiden, daß durch die mißverständliche Frage des Kollegen Kunz hier vielleicht die Interessen Berlins verletzt würden; das wollte ich durch meine Antwort vermeiden.
({1})
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger.
Herr Staatsminister, hätte nicht die Äußerung des Bundeskanzlers in Berlin ohne die korrigierenden Anmerkungen, die Sie heute, veranlaßt durch die Fragen der Opposition, hierzu gemacht haben, der Sowjetunion und auch der DDR Gelegeheit geboten, gegenüber künftigen Besuchen von Staatsmännern befreundeter ausländischer Staaten in West-Berlin zu polemisieren?
Ganz sicherlich nicht, Herr Kollege Jäger. Ich hoffe, daß die mißverstandenen Interpretationen auf seiten der Opposition nicht zu solchen Mißverständnissen führen werden.
({0})
Ganz sicherlich ließ sich dies aus der Äußerung des Herrn Bundeskanzlers nicht ableiten.
({1})
Letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hennig.
Herr Staatsminister, wäre es nicht besser, einfach einzuräumen, daß es sich um einen Lapsus oder zumindest um eine unvollständige Formulierung des Bundeskanzlers gehandelt hat, der zwar jedem mal passieren kann, aber dem Bundeskanzler in fundamentalen Statusfragen der Stadt einfach nicht passieren darf?
({0})
Herr Kollege es ist kein Lapsus, wenn der Bundeskanzler die rechtliche Gesamtsituation betrachtet. Es könnte ein Lapsus sein, wenn Mißverständnisse an der Position der Bundesregierung in Berlin-Fragen entstehen würden. Für diese Mißverständnisse gab es keinen Anlaß und wird es keinen Anlaß geben.
Ich rufe die Frage 111 des Herrn Abgeordneten Schmöle auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Beschlüsse von Parteigremien der SPD und FDP bezüglich eines Moratoriums für den Bau von Kernkraftwerken bei offiellen brasilianischen Stellen hinsichtlich der Folgen für das deutsch-brasilianische Nuklearabkommen zu erheblicher Beunruhigung und Verunsicherung geführt haben, und ist sie in dieser Frage gegebenenfalls tätig geworden?
Die Bundesregierung hat nicht den Eindruck, daß die brasilianische Seite beunruhigt und verunsichert ist.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmöle.
Herr Staatsminister, darf ich Sie fragen, woher Sie diese Information beziehen? Haben Sie sich direkt bei der Botschaft und bei den Generalkonsulaten in Brasilien erkundigt?
Herr Kollege, wir haben - ich unterstreiche das noch einmal - keinerlei Anlaß zu der Annahme, daß die brasilianische Seite hinsichtlich der Durchführung der Vereinbarung verunsichert ist.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmöle.
Herr Staatsminister, wie erklären Sie sich dann Äußerungen von führenden
Vertretern der NUCLEBRAS über diese Fragen deutschen Politikern gegenüber? Warauf ist, glauben Sie, diese Beunruhigung zurückzuführen?
Herr Kollege, mir sind Äußerungen solcher Beunruhigung nicht bekannt. Sie nennen sie mir soeben. Wenn Sie mir diese Äußerungen bekanntgeben, will ich gerne versuchen, Ihnen darauf eine zusätzliche Antwort zu geben.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kittelmann.
Herr Staatsminister, sind Sie sicher, daß Ihnen die Äußerungen nicht bekannt sind, weil sie nicht gemacht wurden, oder besteht die Möglichkeit, daß Sie über diese Äußerungen noch nicht informiert worden sind?
Zunächst gibt es natürlich immer die Möglichkeit, Herr Kollege, daß ich nicht informiert bin. Ich will also nicht bestreiten, daß es die Möglichkeit solcher Äußerungen gibt; nur sind sie dem Amt und mir nicht bekannt. Ich will der Sache gerne nachgehen. Wenn ich mich geirrt habe, werde ich Ihnen das auch sagen.
Ich rufe die Frage 112 des Abgeordneten Schmöle auf:
Kann die Bundesregierung Angaben darüber machen, welche wirtschaftlichen Folgen - insbesondere für den Verlust von Arbeitsplätzen - ein Scheitern des deutschen-brasilianischen Nuklearabkommens in der Bundesrepublik Deutschland haben würde?
Das deutschbrasilianische Regierungsabkommen über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der friedlichen Nutzung der Kernenergie ist am 18. November 1975 in Kraft getreten. Der Vertrag gilt. Über das Gegenteil zu spekulieren hat also im Augenblick gar keinen Sinn.
({0})
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmöle.
Herr Staatsminister, würden Sie mir zustimmen, daß es sehr wohl verantwortlich ist - ich reagiere hier auf einen Zwischenruf eines Kollegen -, auf die Problematik hinzuweisen, die entstehen könnte, wenn dieses Abkommen in Frage gestellt würde?
Herr Kollege, wenn das Wörtchen „wenn" nicht wär! Es gibt im Augenblick keinen Grund, anzunehmen, daß eine solche von Ihnen vorgezeichnete Entwicklung eintritt. Es hätte überhaupt keinen Sinn, über eine solche Entwicklung hier von der Stelle der Regierungsbank aus zu spekulieren.
Ich rufe die Frage 113 des Herrn Abgeordneten Hupka auf:
Steht nach dem Besuch des Bundesaußenministers in Bulgarien zu erwarten, daß die von Bulgarien seit vielen Jahren betriebenen Störsendungen gegen die Deutsche Welle und Radio Free Europe - nicht zuletzt auch im Hinblick auf die KSZE-Schlußakte und das Belgrader Überprüfungstreffen - eingestellt werden?
Anläßlich des jüngsten Besuches von Bundesaußenminister Genscher in Sofia ist die Frage der Störung von Rundfunksendungen aus der Bundesrepublik Deutschland durch Bulgarien wirksam erörtert worden. Inwieweit diese Gespräche und das KSZE-Folgetreffen zu einer Annäherung der bekanntermaßen gegensätzlichen Standpunkte zwischen Ost und West in dieser Frage führen werden, bleibt abzuwarten.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hupka.
Herr Staatsminister, im Abschlußkommuniqué nach der Reise des Herrn Bundesaußenministers heißt es - ich zitiere -: Beide Seiten „bekräftigen ihren Willen, zum Erfolg des Belgrader Treffens beizutragen". Wäre es hier nicht, um wirklich zum Erfolg beizutragen, angebracht, daß die Störsendungen nun endlich aufhören, weil sie im Widerspruch zu Korb III der KSZE-Schlußakte stehen?
Herr Kollege Hupka, ich sagte soeben: Es gibt in dieser Frage auf beiden Seiten gegensätzliche Positionen. Der Bundesaußenminister hat die Position der Bundesregierung in den bilateralen Konsultationen in Sofia vertreten. Ob ein Ergebnis und welches Ergebnis erzielt werden kann, bleibt abzuwarten.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hupka.
Herr Staatsminister, können Sie mir aber darin zustimmen, daß es ein eklatanter Widerspruch zur Schlußakte der KSZE Korb III ist, daß seitens der Regierung in Bulgarien nach wie vor ungehindert, unvermindert Störsender gegen die Deutsche Welle, gegen Radio Free Europe und gegen Radio Liberty in Betrieb sind?
Die Schlußakte von Helsinki zielt auf Informationsfreiheit ab. Jeder Versuch, diese Informationsfreiheit zu unterbinden, deutet natürlich an, daß die Ziele der Schlußakte noch nicht verwirklicht sind. Herr Kollege Hupka, wir wissen aber, daß die Schlußakte in vielen Punkten ein Ziel ist, daß es erst zu verwirklichen gilt, das aber noch nicht verwirklicht ist. Konferenzen, wie sie jetzt in Belgrad stattfinden, sollen der Verwirklichung dienen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger.
Herr Staatsminister, da Störsender der Art, wie Bulgarien sie betreibt, ein schwerer Verstoß gegen die Vereinbarungen von Helsinki sind - nicht nur gegen Korb III, sondern auch gegen Prinzip 10 und Prinzip 7: Menschenrechte, Recht auf Presse- und Rundfunkfreiheit -, möchte ich Sie fragen: Hat die Delegation der Bundesrepublik Deutschland dieses Problem bei den Erörterungen in Belgrad bereits zur Sprache gebracht?
Herr Kollege Jäger, ich bin im Augenblick, ehrlich gesagt, überfragt, ob diejenige Phase der Beratungen in Belgrad bereits eingesetzt hat, in der dieser Punkt, der selbstverständlich ein Punkt der Beratung sein wird, diskutiert wird. Ich kann Ihnen das im Augenblick hier nicht sagen.
Ich rufe die Frage 114 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf:
Auf welchen Tatsachen basiert die Erklärung der Bundesregierung, vorgetragen von Botschafter Per Fischer auf dem Belgrader KSZE-Überprüfungstreffen ({0}), daß „die gestiegene Anzahl von Familienzusammenführungen" u. a. „aus der Sowjetunion und der CSSR ermutigend" sei?
Ihre Frage, Herr Kollege Hupka, basiert zunächst auf einer ungenauen Wiedergabe einer einzelnen Passage der Erklärung, die ich deswegen hier noch einmal im Zusammenhang verlesen möchte. Ich zitiere:
Im humanitären Bereich hat es in den letzten Jahren zum Teil ermutigende Entwicklungen gegeben. Wir stellen dies besonders hinsichtlich der gestiegenen Zahlen von Familienzusammenführungen im Verhältnis zu Polen und der Sowjetunion mit Genugtuung fest. Fortschritte hat es in letzter Zeit auch im Verhältnis zu Rumänien und der CSSR gegeben.
Lassen Sie mich zunächst einmal einiges zu den Zahlen hinsichtlich der Sowjetunion sagen. Im Jahre 1969: 316 Fälle, im Jahre 1976: 9 704 Fälle,
({0})
im Jahre 1977 bis einschließlich September: bereits 6 272 Fälle. Hier wird das Bild also relativ deutlich.
Ich komme nun zu Polen. 1969: 9 535 Fälle der Umsiedlung, 1976: 29 366 Fälle der Umsiedlung,
({1})
1977 bis einschließlich September: bereits 23 109 Fälle.
Ich komme jetzt zur CSSR. Hier gilt folgendes. Die tschechoslowakischen Behörden haben außerhalb des Anwendungsbereichs des humanitären Briefwechsels, der sich nur auf_ Ausreisebewerber deutscher Volkszugehörigkeit bezieht, in einer Reihe von Fällen der Familienzusammenführung Entgegenkommen gezeigt. Die Bundesregierung hofft, daß auch die noch verbleibenden Fälle dieser Familienzusammenführung bald positiv gelöst werden. Zum Stand der Durchführung des humanitären Briefwechsels darf ich auf meine Antwort an Sie, Herr Kollege, die ich hier im Hause am 15. September gegeben
habe, verweisen. Ich wäre bereit, sie noch einmal hier zu verlesen. Aber ich glaube, das ist nicht notwendig.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hupka.
Herr Staatsminister, Sie haben zu Beginn gesagt, es sei nicht genau zitiert worden. Ich habe mich auf den „Nachrichtenspiegel" des Bundespresseamtes bezogen und daraus zitiert. Ich wollte nur wissen, wie es mit der Sowjetunion und der Tschechoslowakei bestellt ist. Ich möchte zu Ihren Zahlen hinzufügen - vielleicht haben Sie andere Zahlen -: Im Jahre 1976 kamen aus der Sowjetunion im Monatsdurchschnitt 809, im Jahr 1977 bis zum 30. September lediglich 696 im Monatsdurchschnitt, also etwa 100 pro Monat weniger. Das macht im Jahr etwa 1 400 aus. Da kann man doch nicht von erfolgreich sprechen.
Bei der Tschechoslowakei betrug der Monatsdurchschnitt im Jahre 1976 71, bis zum 30. September 1977 betrug der Monatsdurchschnitt 45; also hier sind es pro Monat fast 30 weniger, wobei die Zahl sowieso ohnehin schon sehr gering ist. Diese Zahlen müssen hier doch auch eingeführt werden, wenn es um Erfolg oder Mißerfolg der Familienzusammenführung geht.
Herr Kollege Hupka, zunächst was die Sowjetunion angeht: Das Zitat des Leiters der Delegation, Herrn Botschafters Per Fischer, bezieht sich ja ausdrücklich auf die letzten Jahre. Es heißt da:
Im humanitären Bereich hat es in den letzten Jahren zum. Teil ermutigende Entwicklungen gegeben.
Ich glaube, daß doch niemand daran zweifeln kann, daß der Sprung auch in der Sowjetunion auf 9 700 Fälle im Jahre 1976 ein erheblicher Erfolg ist. Ob im Jahr 1977 dieselbe Zahl von Umsiedlern erreicht werden wird, kann ich im Augenblick nicht sagen. Nur bis zum September, also bei etwa zwei Dritteln des Jahres, lag auch die Gesamtzahl bei etwa zwei Dritteln, nämlich bei 6 200.
Nun zur CSSR. Da habe ich Ihnen am 15. September bereits gesagt, es sei unrichtig, wenn Sie hier allein von der Zahlenentwicklung ausgehen. Es gibt eben dort eine geringere Zahl von heute feststellbaren Ausreise- und Umsiedlungswilligen. Dies muß man mit berücksichtigen. Aber die Überprüfung dieser Zahlen geschieht durch die beiden Rot-Kreuz-Organisationen, wie Sie wissen. Wenn deren Ergebnis vorliegt, werden wir sagen können, ob dort mehr geschehen könnte oder ob auch das eine positive Entwicklung darstellt, was sich in diesen Monaten abzeichnet.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hupka.
Herr Staatsminister, ich habe jetzt nicht konkret danach gefragt, welche Zahlen von Ausreisewilligen im Spiel sind. Aber meine Frage: Wenn also die Zahl der Ausreisewilligen aus der Tschechoslowakei auf Grund der Statistik, die dem Deutschen Roten Kreuz vorliegt, heute so viel geringer ist, müßte es doch der Regierung in Prag ein leichtes sein, die wenigen, die sich mutig zur Ausreise bekennen, endlich ausreisen zu lassen, gerade auch im Hinblick auf Korb III der KSZE-Schlußakte.
Herr Kollege, Sie wissen, daß wir in dieser Frage übereinstimmen. Aber das Zitat des Botschafters Fischer bezieht sich -auf ermutigende Entwicklungen während der letzten Jahre. Ich will noch einmal unterstreichen: Es hat auch zwischen der CSSR und der Bundesrepublik Familienzusammenführungen in einzelnen Fällen gegeben, die vor der Schlußakte schwer möglich gewesen wären. Ich möchte Sie doch einmal im Interesse unserer Politik sehr dringend bitten, Herr Kollege Hupka, daß man nicht eine positive Entwicklung, die mit der Schlußakte verbunden ist, ständig verneint, nur kritisiert und sich auf der anderen Seite dort auf die Schlußakte bezieht, wo man es im eigenen Interesse für richtig hält.
({0})
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja.
Herr Staatsminister, muß man hinsichtlich der Entwicklung beispielsweise bei den Aussiedlern aus den Gebieten östlich von Oder und Neiße und aus Polen nicht so, wie Sie es eben in der Antwort, aber nicht vorher in der Zahlenberechnung, taten, das Ergebnis mehrerer Jahre vergleichen, beispielsweise das Ergebnis der letzten fünf Jahre mit dem Ergebnis der vorangegangenen Jahre, und ergibt sich dann nicht keine Steigerung, sondern ein Rückgang, wenn man berücksichtigt, daß in den letzten fünf Jahren aus diesen Gebieten 62 000 Aussiedler kamen, in den 20 Jahren zuvor aber 410 000, also mehr als das Siebenfache trotz des nur Vierfachen der Jahre?
Herr Kollege Czaja, ich halte eine solche Zahlenmanipulation
({0})
für wirklich gefährlich.
({1})
Denn Sie beziehen die zwei Jahre 1957 und 1958 ein, in denen allein die Hälfte derer, die Sie hier genannt haben, umgesiedelt wurde.
({2})
Aber wenn man die ganzen Jahre von 1959 bis 1969 nimmt, dann gibt es demgegenüber nur noch rückläufige Zahlen. Die Zahlen sind erst 1971, dann erheblich 1976 und wohl auch 1977 wieder gestiegen. Ich bin der Auffassung, Kollege Czaja, daß man eine
solche Entwicklung objektiv betrachten muß. Wo es nicht positiv verläuft, kann man durchaus Kritik üben. Aber es wäre falsch, Ihre Zusammenfassung von Zahlen über 20 Jahre so stehenzulassen, obwohl von den 20 Jahren nur zwei Jahre mehr als 200 000 Fälle aufwiesen und es dann zehn Jahre lang nur noch rückläufige Zahlen gab. Das wird doch der Sache nicht gerecht!
({3})
- Herr Präsident, ich möchte doch bitten, daß -
Herr Abgeordneter Czaja, ich bitte, die Frage zu stellen. Die Frage ist gestellt worden. Die Antwort ist gegeben worden.
({0})
Ein Anhang zu diesen Antworten ist in der Geschäftsordnung nicht vorgesehen.
Und, Herr Präsident, wenn ich das sagen darf: Die Bezeichnung meiner Auskunft als unwahr möchte ich doch hier meinerseits auf jeden Fall nicht für richtig halten!
({0})
Herr Staatsminister, der Präsident ist allein für die Ordnung in diesem Hause verantwortlich.
Sehr richtig; ja!
Ich rufe die Frage 116 des Abgeordneten Daweke auf.
({0})
Herr Präsident, geht es nicht zunächst um die Frage 115? Ich bemerke das, ohne mich eines neuen Vergehens schuldig zu machen!
Entschuldigung, Herr Staatsminister. Es ist zunächst die Frage 115 des Herrn Abgeordneten Daweke:
Entspricht die Äußerung des Bundeskanzlers, Berlin sei kein Bestandteil der Bundesrepublik Deutschland, einer Tendenz des Bundeskanzlers, wie sie gegebenenfalls schon 1969 in seinem Buch „Strategie des Gleichgewichts" zum Ausdruck kam, in dem er den Rechtsstatus der Stadt als unscharf und deshalb leicht verletzbar und schwierig zu verteidigen bezeichnete?
Der Hinweis des Bundeskanzlers bezieht sich auf den einschlägigen Passus des Viermächteabkommens, der von der bestehenden Rechtslage ausgeht. Ich verweise dazu auf meine ausführlichen Antworten auf die Fragen der Abgeordneten Dr. Hennig und Kunz ({0}), Herr Kollege, und möchte ihnen eigentlich nichts hinzufügen.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatsminister, darf ich dann davon ausgehen, daß Sie hier jetzt erklären können, daß der Bundeskanzler bei zukünftigen Äußerungen feststellen wird, daß Berlin ein Bundesland der Bundesrepublik Deutschland ist?
Der Herr Bundeskanzler wird in der Zukunft wie in der Vergangenheit von der Gesamtlage ausgehen. Diese Gesamtlage hat er in Berlin beschrieben. Ich hoffe, daß nach dem, was ich gesagt habe, kein Zweifel daran besteht, wie die Bundesregierung und der Bundeskanzler die Lage Berlins beurteilen.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Daweke.
Herr Staatsminister, was wird die Bundesregierung tun, damit sowohl die von mir zitierten Überlegungen in dem Buch wie auch die in Berlin gemachten Äußerungen nicht in der Propaganda und im Sprachgebrauch der östlichen Regierung fehlinterpretiert werden?
Herr Kollege, in dem Buch, das Sie zitieren, heißt es, der Rechtsstatus von Berlin sei unscharf. Durch die Ostpolitik der sozialliberalen Koalition ist es gelungen, den Rechtsstatus von Berlin zu präzisieren.
({0})
Insofern hat der Herr Bundeskanzler die Bemerkungen in seinem Buch aus dem Jahr 1969 durch eigene Politik und durch Teilhaberschaft an der .Bundesregierung in eine andere Phase rücken können. Denn heute ist der Rechtsstatus nicht mehr so unscharf, wie er - wenn ich das sagen darf, Herr Kollege - zu Zeiten war, als die sozialliberale Koalition nicht die Politik der Bundesrepublik Deutschland bestimmt hat.
({1})
Herr Abgeordneter Hennig, Herr Abgeordneter Jäger und Herr Abgeordneter Luster, diese Frage nach der Bezeichnung und dem Rechtsstatus ist in der Fragestunde nach meiner Meinung - das ist die Beurteilung des Präsidenten - ausreichend diskutiert worden. Ich bitte daher um Verständnis, wenn wir jetzt zur nächsten Frage übergehen.
({0})
Ich rufe die Frage 116 des Abgeordneten Daweke auf:
Steht die Bundesregierung noch zu den Ausführungen von Staatssekretär Dr. Hartkopf im Mai dieses Jahres in Berlin, in denen er Berlin als ein Bundesland der Bundesrepublik Deutschland bezeichnete, und falls ja, wie läßt sich diese Auffassung mit dem erwähnten Zitat des Bundeskanzlers in Übereinstimmung bringen?
Der Hinweis des Bundeskanzlers bezieht sich auf den einschlägigen Passus des Viermächteabkommens, der von der bestehenden Rechtslage ausgeht. Ich verweise wiederum auf meine früheren Aussagen.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatsminister, nachdem Sie eben gesagt haben, daß der Rechtsstatus von Berlin jetzt nicht mehr „so" unscharf sei, wie er zur Zeit der Erstellung des. Buchs des Herrn Bundeskanzlers gewesen ist, darf ich Sie fragen, in welchem Bereich Sie denn jetzt noch Umschärfen sehen und ob die Äußerung des Bundeskanzlers in Berlin so zu verstehen ist.
Herr Kollege, ich kann mich nicht genau erinnern, ob ich das Wort „so" so betont habe, wie Sie es eben ausgesprochen haben. Ich will hier aber keine Mißverständnisse entstehen lassen. Der Rechtsstatus war unscharf. Dies ist u. a. durch das Viermächteabkommen geklärt worden. Aber Sie wissen, daß beide Seiten im Zusammenhang mit dem Viermächteabkommen Rechtsvorbehalte gemacht und das Viermächteabkommen mit unterschiedlichen Rechtsauffassungen abgeschlossen haben. Insofern bleiben Meinungsverschiedenheiten über den Status von Berlin zwischen Ost und West bestehen.
Die Bundesregierung hat in dieser Frage keinen Zweifel an ihrer Position gelassen. Ich will hier noch einmal unterstreichen, daß es eine eindeutige Berlin-Politik der Bundesregierung gibt, in die die Äußerung des Herrn Bundeskanzlers nahtlos hineinpaßt. Ich möchte nicht, daß Zweifel hieran von Ihnen gesät werden.
({0})
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Daweke.
Herr Staatsminister, ich bitte um Verzeihung; vielleicht bin ich da ein bißchen schwerfällig. Weshalb betont dann die Bundesregierung die aus ihrer Sicht gegebenen Unschärfen und betont nicht mehr unseren Standpunkt in dieser Frage?
Aber es ist doch nicht richtig, Herr Kollege, daß die Bundesregierung die Unschärfen betone. Der Bundeskanzler hat die Gesamtsituation betrachtet. Ich habe hier u. a. auch noch einmal auf die Äußerungen von Herrn Staatssekretär Hartkopf und auf die in seinen Äußerungen gegebene Gesamtdarstellung Bezug genommen. Ich kann nicht verstehen, wie Sie sagen können, daß die Bundesregierung in der Frage nicht eindeutig sei. Ich hoffe nicht, daß Sie durch ihre Fragen in unsere Berlin-Politik einen Mangel an Eindeutigkeit bringen wollen, Herr Kollege.
({0})
Ich rufe die Frage 117 des Abgeordneten Jäger ({0}) auf:
Treffen Pressemeldungen zu, wonach zahlreiche Rußlanddeutsche im Raum von Alma Ata, die wegen Verweigerung der Erlaubnis zu ihrer Ausreise aus der UdSSR ihre Staatsangehörigkeit aufgegeben hatten, durch erheblichen Druck der sowjetischen Behörden gezwungen worden sind, ihre Inlandspässe wieder anzunehmen. und was wird die Bundesregierung tun, um bei der Regierung der UdSSR die Erlaubnis zur Ausreise dieser Personen in der Bundesrepublik Deutschland zu erreichen?
Nach uns vorliegenden Informationen haben in Issyk, Kasachstan, Tokmak und Kirgisien lebende Volksdeutsche - ca. 200 Personen - teilweise einzeln, teilweise in Gruppen ihre sowjetischen Ausweispapiere den dortigen Behörden zugesandt bzw. zurückgegeben, um auf diese Weise ihrem Wunsch nach Ausreise Nachdruck zu verleihen. Dieses Vorgehen dürfte von der irrtümlichen Vorstellung geleitet gewesen sein, dadurch die sowjetische Staatsangehörigkeit zu verlieren.
Da dieses Verhalten nach innerstaatlichem Recht der Sowjetunion aber mit Strafe bedroht ist, wurden nach unserer Kenntnis in etwa 15 Fällen Verfahren gegen die Betroffenen eingeleitet bzw. mit Verurteilungen zu einem Jahr Arbeitslager abgeschlossen.
Die Bundesregierung bemüht sich wie in allen Fällen der Familienzusammenführung auch hier nachdrücklich, auf eine Ausreisemöglichkeit für die Betroffenen hinzuwirken. Sie wird auch in Zukunft jede Gelegenheit nutzen, sich in der dem jeweiligen Fall angemessenen Weise für die Ausreisewilligen einzusetzen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Jäger.
Herr Staatsminister, hat die Bundesregierung im Rahmen dieser ihrer Bemühungen, auf die Sie hinweisen, die sowjetische Regierung darauf aufmerksam gemacht, daß sie als Mitunterzeichnerin des in Kraft getretenen und geltenden Menschenrechtspakts über bürgerliche und politische Rechte auch dessen Art. 12 zu beachten hat, wonach jeder Mensch jedes Land einschließlich seines eigenen verlassen kann?
Herr Kollege Jäger, Sie wissen ich habe zu diesen Fragen ja schon wiederholt in diesem Hause Auskunft gegeben -, daß die Bundesregierung jedes mögliche Instrument einsetzt, um konkret im Einzelfall zu helfen. Deswegen unterstreiche ich auch, daß in den hier zitierten Fällen die Bundesregierung bemüht ist, den Betroffenen zu helfen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, da Sie auf das innerstaatliche Recht der UdSSR verwiesen haben, das ein Vorgehen wie das dieser Rußlanddeutschen verbiete, frage ich Sie, ob die Bundesregierung die sowjetische Regierung darauf aufmerksam gemacht hat, daß Art. 2 des von mir erwähnten Menschenrechtspaktes die beteiligten Staaten dazu verpflichtet, ihr innerstaatliches Recht den Bestimmungen dieses völkerrechtlichen Vertrages anzupassen.
Herr Kollege, Sie wissen, daß auch dies nicht ganz so ist, wie Sie es eben darstellen. Denn natürlich gibt es die MögStaatsminister Dr. von Dohnanyi
lichkeit einer bestimmten innerstaatlichen Rechtsetzung im Vorbehalt.
({0})
- Herr Kollege, Sie zwingen mich wieder - das habe ich vor ein paar Monaten schon einmal gesagt -, eventuell eine Rechtsinterpretation vorzunehmen, die unserer Sache nicht dienlich ist. Deswegen möchte ich mich nicht auf eine Interpretation der rechtlichen Zusammenhänge des Menschenrechtspaktes einlassen, nicht auf mögliche Vorbehaltsklauseln verweisen, sondern unterstreichen, daß die Bundesregierung daran interessiert ist, im Einzelfall zu helfen. Daß sie über die Zusammenhänge informiert ist, wird, glaube ich, durch meine Beantwortung der Frage deutlich. Ich hoffe, daß ein gemeinsames Interesse daran besteht, nicht politische Parolen auszutauschen, sondern einzelnen Menschen zu helfen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hupka. .
Habe ich Sie richtig verstanden, Herr Staatsminister, daß Sie derartige Fälle und Schicksale von ausreisewilligen Rußlanddeutschen auch in das Überprüfungstreffen in Belgrad einführen werden, um sie dort zu erörtern?
Herr Kollege Hupka, ich kann jetzt nicht sagen, welche Einzelfälle jeweils an welcher Stelle behandelt werden. Aber seien Sie versichert, daß die Bundesregierung natürlich jede Möglichkeit, auch die Möglichkeit des KSZE-Folgetreffens in Belgrad, nutzt, um den einzelnen betroffenen Personen zu helfen. Dies ist unsere Antwort auf die von Ihnen hier gestellten Fragen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Czaja.
Herr Staatsminister, Sie Nahen in der Antwort an Kollegen Jäger auf mögliche Interpretationen der Menschenrechtskonvention hingewiesen. Sind Sie nicht der Meinung, daß der Wortlaut des Art. 2, der für die Bundesrepublik Deutschland und die Sowjetunion rechtsverbindlich ist - er besagt, daß die Teilnehmerstaaten diese Rechte nicht nur zu achten haben, sondern auch für die ihrer Rechtshoheit unterworfenen Personen gewährleisten müssen, wie es wörtlich heißt , sehr klar ist?
Herr Kolelge Czaja, dem Gesicht des Herrn Kollegen Jäger habe ich angesehen, daß er das, was ich gesagt habe, sehr wohl verstanden hat. Vielleicht nimmt er sich die Mühe und erklärt Ihnen die Zusammenhänge.
({0})
Meine Damen und Herren, ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf. Zur Beantwortung steht uns der Parlamentarische Staatssekretär von Bülow zur Verfügung.
Die Fragen 47, 48, 49, 50, 51 und 52 - der Abgeordneten Stahlberg, Löher, Weiskirch - sollen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe Frage 5a - Herr Abgeordneter Peter - auf:
Hält der Bundesverteidigungsminister den zur Zeit bestehenden Traditionserlaß für überarbeitungsreif, und wenn ja, bis wann ist mit einem neugefaßten Erlaß zu rechnen?
Bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Herr Kollege Peter, der Bundesminister der Verteidigung beabsichtigt nicht, den Traditionserlaß zu ändern.
Eine Zusatzfrage? - Herr Abgeordneter Peter.
Herr Staatssekretär, darf ich aus dieser Ihrer knappen Antwort und aus der hinlänglich bekannten Meinung Ihres Ministers, wonach man unabhängig von einem Erlaß Tradition hat oder nicht hat, den Schluß ziehen, daß man diesem Erlaß keine besondere Bedeutung mehr beimißt und daß mit seiner gänzlichen Aufhebung zu rechnen ist?
Nein, diesen Schluß können Sie daraus nicht ziehen. Der gegenwärtige Erlaß wird bestehenbleiben. Wir sehen keine Veranlassung, ihn aufzuheben oder zu ändern.
Herr Staatssekretär, wenn es oberstes Ziel der Traditionspflege in der Bundeswehr sein soll, das Demokratieverständnis der Soldaten zu stützen und zu vertiefen, ist es dann nicht konsequenterweise erforderlich, von der Mehrzahl der bisher ausgewählten militärischen Leitbilder aus der Zeit vor 1945 abzukommen?
Durch Zeitablauf kommen wir mehr und mehr dazu, die Tradition, die sich die Bundeswehr selbst geschaffen hat, zum Gegenstand der Traditionspflege zu machen. Dementsprechend verblassen natürlich auch teilweise Vorbilder, die in der Vergangenheit möglicherweise eine Rolle gespielt haben.
Ich rufe die Frage 54 des Abgeordneten Thüsing auf:
Trifft es zu - wie in einer vom Pressedienst „Demokratische Initiative" herausgebrachten Dokumentation dargestellt -, daß Abordnungen der Bundeswehr in den vergangenen vier Jahren an mindestens 50 Treffen der „Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Soldaten der ehemaligen Waffen-SS" ({0}) sowie an Zusammenkünften der „Jungen Nationaldemokraten" ({1}), der „Wiking-Jugend" und des „Bundes Heimattreuer Jugend" ({2}) teilgenommen haben, und wie beurteilt die Bundesregierung die Teilnahme der Bundeswehrangehörigen an diesen Treffen angesichts des jüngsten antisemitischen und neonazistischen Vorfälle in Bundeswehrhochschulen?
Herr Kollege
Thüsing, die Behauptungen des Pressedienstes „Demokratische Initiative" sind dem Bundesministerium der Verteidigung bekannt. Sie sind Gegenstand eingehender Untersuchungen. Von den 32 Vorwürfen müssen schon jetzt 11 entschieden zurückgewiesen werden. Die anderen 21 konnten bis heute noch nicht abschließend geklärt werden. Es kann jedoch angenommen werden, daß auch sie nicht stichhaltig sind.
Gleiche und ähnliche Behauptungen wurden bereits im vergangenen Jahr in Publikationen der DDR aufgestellt. Dabei wurden - bis auf einen sechs Jahre zurückliegenden Einzelfall - keine Fehlgriffe der Truppe festgestellt. Nach Auffassung der Bundesregierung handelte es sich damals um den Auftakt einer gezielten Aktion gegen die Bundeswehr. Die Kampagne wurde als neue „antimilitaristische Aktion" der orthodox-kommunistischen „Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend" innerhalb der Bundesrepublik mit idem in der Pressekonferenz am 26. März 1977 in Bonn der Öffentlichkeit übergebenen Material „Für eine fortschrittliche Tradition in der Bundeswehr" fortgesetzt. Der Pressedienst „Demokratische Initiative" hat sich mit seiner Dokumentation dieser Aktion nunmehr angeschlossen.
Die Bundesregierung sieht keinen Zusammenhang zwischen den Vorfällen an der Bundeswehrhochschule München und der von Ihnen erwähnten Dokumentation des Pressedienstes „Demokratische Initiative".
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Thüsing.
Sind Sie bereit, mir das Ergebnis der Einzelprüfungen der Vorfälle mitzuteilen?
Selbstverständlich.
Herr Abgeordneter Daweke.
Herr Staatssekretär, würden Sie dem Hohen Hause mitteilen, um was für eine Publikation es sich bei diesem Pressedienst handelt, wer der Urheber und die presserechtlich Verantwortlichen sind?
Dr. von Bülow, Pari. Staatssekretär: Dies kann ich Ihnen im Augenblick aus dem Stegreif nicht sagen. Ich bin aber gern bereit, Ihnen dies schriftlich mitzuteilen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit auf. Zur Beantwortung steht uns der Herr Parlamentarische Staatssekretär Zander zur Verfügung.
Der Abgeordnete Egert wünscht eine schriftliche Beantwortung der von ihm eingebrachten Frage 56. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Frage 57 des Abgeordneten Kirschner ist zurückgezogen worden.
Ich rufe die Frage 55 des Abgeordneten Krockert auf. - Der Fragesteller ist nicht im Saal.
({0})
Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, damit sind Sie ohne Beantwortung einer Frage entlassen.
Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen! Zur Beantwortung der Fragen dieses Geschäftsbereichs steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Wrede zur Verfügung.
Die Fragen 64, 65, 66 und 67 werden auf Bitten der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die Frage 70 des Abgeordneten Broll ist gemäß Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde unzulässig und deshalb gestrichen worden.
Ich rufe die Frage 58 des Herrn Abgeordneten Dr. Steger auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Fragen 59 und 60 des Abgeordneten Ludewig auf. - Er ist nicht im Saal. Die Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 61 des Abgeordneten Josten auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Frage 62 des Abgeordneten Dr. Enders:
Welche Zahlen liegen der Bundesregierung über den Wagenladungsverkehr der Deutschen Bundesbahn für das Jahr 1977 vor, und wie haben sie sich gegenüber dem Vorjahr entwickelt?
Endlich ist wieder einmal ein Abgeordneter, der eine Frage gestellt hat, auch im Saal.
({1})
Herr Kollege Enders, nach den vorliegenden Statistiken der Deutschen Bundesbahn sind bis August 1977 im Wagenladungsverkehr gegenüber dem Vorjahr die Mengen um 6,1 % und die Erträge um 4,9 % zurückgegangen. In absoluten Zahlen: Mengenminus rund 11,7 Millionen Tonnen, Einnahmeminus rund 226 Millionen DM. Die Deutsche Bundesbahn erwartet für 1977 im Wagenladungsverkehr ein Verkehrsaufkommen von rund 276 Millionen Tonnen. Das sind rund 5 0/o weniger als 1976.
Herr Gerster, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie meine Auffassung bestätigen, daß dieser
Gerster ({0})
Rückgang im Wagenladungsverkehr darauf zurückzuführen ist, daß seit Jahren Rationalisierungsabsichten der Bundesregierung die Runde machen und sich viele privatwirtschaftlich Organisierte inzwischen bereits auf den Güterkraftverkehr umstellen?
Herr Kollege, ich kann diese Ihre Auffassung nicht bestätigen. Der Rückgang im Wagenladungsverkehr beruht auf der konjunkturellen Entwicklung insbesondere im Montangüterbereich, bei Kohle-, Erz-, Eisen- und Stahltransporten.
Eine Zusatzfrage Herr Abgeordneter Enders.
Herr Staatssekretär, sehen Sie Möglichkeiten, um eine Verbesserung der Ertragslage der Deutschen Bundesbahn herbeizuführen und um die vorgetragenen bedenklichen Zahlen zu verbessern?
Herr Kollege, die Bundesbahn unternimmt alles, um ihren Anteil am Verkehr in diesen Bereichen zu erhöhen. Ich habe aber eben auf den unmittelbaren Zusammenhang mit konjunkturellen Entwicklungen im Massengüterverkehr hingewiesen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
({0})
- Herr Abgeordneter Wolfram, die Augen des Präsidenten sind scharf und zuverlässig.
({1})
Ich rufe Frage 63 des Herrn Abgeordneten Dr. Enders auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung den Bau der Schnellbahntrasse Nord-Süd, nachdem die Deutsche Bundesbahn in ihrer Prognose für die Jahre 1978 bis 1981 die Güterverkehrserträge um 6 Milliarden DM nach unten korrigiert hat und im gleichen Zeitraum im Personenverkehr 1,8 Milliarden DM weniger erwartet als geplant?
Herr Kollege Dr. Enders, die Neubaustrecke Hannover-Würzburg ist im Rahmen der verkehrszweigübergreifenden Verkehrswegeplanung durch Nutzen-Kosten-Untersuchungen aus volkswirtschaftlicher und betriebswirtschaftlicher Sicht bewertet worden. Der derzeitige Rückgang bestimmter Verkehre der Deutschen Bundesbahn wird insbesondere durch den Montanbereich bestimmt. Diese Entwicklung kann aber nicht Grundlage der langfristigen Planungsüberlegungen der Bundesbahn sein. Die Langfristprognosen lassen weiterhin Verkehrsmengen erwarten, die in den starken Verkehrskorridoren im heutigen Netz der Bundesbahn nicht mit der am Markt erforderlichen Beförderungsqualität bewältigt werden können.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Enders.
Herr Staatssekretär, die heute bekannten Zahlen zeigen doch, daß sich die Deutsche Bundesbahn bei ihren Plänen für die Schnellbahntrasse, die vor einigen Jahren entwickelt wurden, geirrt hat, indem sie eine immense Steigerung des Verkehrsaufkommens annahm.
Herr Kollege, es handelt sich bei der von der Bundesbahn geplanten Strecke Hannover-Würzburg, die Sie angesprochen haben, nicht um eine Schnellbahntrasse, sondern um den Neubau einer dringend notwendigen weiteren Nordsüdverbindung, weil in den Nordsüdrelationen das heutige Netz den gesteigerten Verkehrsanforderungen nicht mehr gewachsen ist. Diese Planungen richten sich auf Jahrzehnte aus, und man kann sie deswegen nicht an kurzfristigen konjunkturellen Entwicklungen messen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 68 des Abgeordneten Cronenberg auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet, desgleichen seine Frage 69. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich schlage vor, daß wir damit, um ganz pünktlich zu sein, die Fragestunde abbrechen. Herr Parlamentarischer Staatssekretär, wir sehen Sie in der nächsten Fragestunde wieder.
Die Fragen 89 und 92 sind nach Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde unzulässig. Die übrigen nichtbehandelten Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die Fragestunde ist geschlossen.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({0}) zu dem Gesetz zur Steuerentlastung und Investitionsförderung
- Drucksache 8/1067 - Berichterstatter: Abgeordneter Henke
Wünscht der Berichterstater das Wort? - Bitte sehr, Herr Abgeordneter Henke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 6. Oktober 1977 hat der Deutsche Bundestag in seiner 47. Sitzung das Gesetz zur Steuerentlastung und Investitionsförderung beschlossen. Ziel des Gesetzes ist es, dem Wirtschaftswachstum und der Beschäftigungsentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland weitere zusätzliche Impulse zu geben.
Nach Meinung des Bundestages soll dies erreicht werden durch Erhöhung des Weihnachtsfreibetrages für Arbeitnehmer von 100 DM auf 400 DM bereits für 1977, Erhöhung des tariflichen Grundfreibetrages um 510 DM für Ledige bzw. 1 020 DM für Verheiratete ab 1978, rückwirkende Verbesserung
der degressiven AfA für bewegliche Wirtschaftsgüter, rückwirkende Wiedereinführung der degressiven Gebäude-AfA für alle Bauherren und Einführung eines Ausbildungsplatzabzugsbetrages.
Der Bundesrat hat das Gesetz in seiner 450. Sitzung am 14. Oktober 1977 beraten und beschlossen, den Vermittlungsausschuß anzurufen. Der Vermittlungsausschuß hat am Donnerstag, dem 20. Oktober 1977 das Vermittlungsbegehren behandelt. Die Beschlüsse des Vermittlungsausschusses liegen Ihnen auf Drucksache 8/1067 vor.
Zum Vermittlungsverfahren darf ich Ihnen folgendes vortragen. Als Gründe für die Einberufung des Vermittlungsausschusses hat der Bundesrat in seiner Drucksache 468/77 genannt:
1. Bedenken gegen die unbefristete Einführung eines Ausbildungsplatzabzugsbetrages. Nach Meinung des Bundesrates begegnet die Einführung des Ausbildungsplatzabzugsbetrages steuerpolitischen und steuersystematischen Bedenken. Sie kann daher - so der Bundesrat - nur befristet für den Zeitraum bis zum 31. Dezember 1982 hingenommen werden, in dem eine steigende Zahl von Schulabgängern einen erhöhten Ausbildungsplatzbedarf erwarten läßt. Die aus anderen öffentlichen Mitteln gewährten Hilfen zur Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze sollten im Interesse einer Gleichbehandlung nach Meinung des Bundesrates in gleichem Maße steuerlich neutralisiert werden.
Der Vermittlungsausschuß hat das Vermittlungsbegehren hinsichtlich der Befristung auf den 31. Dezember 1982 abgelehnt. Weil wegen der steigenden Zahl von Schulabgängern auch über den 31. Dezember 1982 hinaus ein erhöhter Ausbildungsplatzbedarf zu erwarten ist, schlägt er vor, die Frist auf den 31. Dezember 1985 festzusetzen.
Aus Gründen der Gleichbehandlung der zur Schaffung von zusätzlichen Ausbildungsplätzen dienenden Zuschüsse der Bundesanstalt für Arbeit und der Länder beschloß der Vermittlungsausschuß, die Gewährung eines Ausbildungsplatzabzugsbetrages in Höhe der Zuwendungen vorzuschlagen.
2. Ablehnung der Erhöhung des Tarifgrundfreibetrages um 510 DM bzw. 1 020 DM im geltenden Tarif. Der Bundesrat ist der Auffassung, daß die im Gesetz vorgesehene Erhöhung des Grundfreibetrages 1. Januar 1978 durch einen durchgehend progressiven Tarif ersetzt werden sollte. Dieser Antrag wurde im Vermittlungsausschuß abgelehnt, weil aus organisatorischen Gründen eine Umstellung zu diesem Zeitpunkt nicht machbar ist.
Hilfsweise, für den Fall, daß eine kurzfristige Einigung über eine Neugestaltung des Tarifs nicht zu erreichen ist, hat der Bundesrat empfohlen, ab 1. Januar 1978 statt der Erhöhung des Tarifgrundfreibetrages einen Tarifausgleichsbetrag von 510 DM bzw. 1 020 DM einzuführen, der in eine spätere Tarifreform einmünden soll. Bei den Verhandlungen im Vermittlungsausschuß wurde als Frist für die spätere Tarifreform der 1. Januar 1979 genannt.
Wegen der heute nicht präzise voraussehbaren konjunkturellen Entwicklung und der eventuell daraus zu ziehenden wirtschaftspolitischen Konsequenzen, vor allem aber wegen der damit verbundenen zusätzliche Steuerausfälle in Höhe von mindestens 7,5 bis 10 Milliarden DM hat der Vermittlungsausschuß die Befristung abgelehnt.
Bei den Beratungen im Vermittlungsausschuß wurde anerkannt, daß die zusätzliche steuerliche Entlastung über den Rahmen des vom Deutschen Bundestag beschlossenen Gesetzes über Steuerentlastung und Investitionsförderung hinaus maximal 4 Milliarden DM betragen dürfe. Im Rahmen dieses Betrages wurde eine Reihe von Modellen mit unterschiedlicher Höhe des Grundfreibetrages, des Tarifausgleichsbetrages und einer weiteren Komponente, die den steuerlichen Abzug von Schuldzinsen zum Inhalt hatte, beraten.
Der Vermittlungsausschuß hat den Vorschlag des Bundesrates abgelehnt, statt der Erhöhung des Grundfreibetrages einen Tarifausgleichsbetrag einzuführen. Statt dessen hat er beschlossen, eine Kombination von Tarifgrundfreibetrag und Tarifausgleichsbetrag vorzuschlagen. Mit Wirkung vom 1. Januar 1978 soll der Tarifgrundfreibetrag um 300 DM für Ledige bzw. 600 DM für Verheiratete auf 3 300 bzw. 6 600 DM angehoben werden. Zum gleichen Termin wird ein allgemeiner Tariffreibetrag von 510 DM bzw. 1 020 DM eingeführt.
3. Der Bundesrat hat bei Nichtverständigung über einen durchgehend progressiven Tarif oder der Ersetzung des Tarifgrundfreibetrages durch einen Tarifausgleichsbetrag verlangt, den Gesetzesbeschluß des Deutschen Bundestages aufzuteilen und über die Erhöhung des Weihnachtsfreibetrages und die Verbesserung der degressiven Abschreibung vorab zu entscheiden. Der Bundesrat verweist 'hierzu auf seinen Initiativgesetzentwurf auf ,der Bundesratsdrucksache 446/77 vom 30. September 1977, der eine sofortige Verabschiedung des nach seiner Ansicht unstrittigen Teils des vorliegenden Gesetzes ermögliche.
Da eine Verständigung im Vermittlungsausschuß möglich war, ist dieses Verlangen des Bundesrates gegenstandslos geworden..
Durch das Ergebnis der Beratungen im Vermittlungsausschuß kann sichergestellt werden, daß die im Gesetz über Steuerentlastung und Investitionsförderung vorgesehene Erhöhung des Weihnachtsfreibetrages noch rechtzeitig wirksam wird, d. h. dem Steuerzahler noch in diesem Jahr zugute kommt. Die Erhöhung der degressiven Abschreibung ist geeignet, den Attentismus im Investitionssektor zu überwinden.
Die Gesetzesinitiative von Bundestag und Bundesregierung erfolgte vor dem Hintergrund der Konjunkturentwicklung der letzten Monate. Die jüngeren Daten haben gezeigt, daß es notwendig ist, durch zusätzliche Maßnahmen über den ursprünglichen Rahmen des Gesetzes hinausgehende Konjunkturanstöße zu geben. Insoweit ist die Erhöhung 'der Steuerentlastung um 3,6 Milliarden DM geboten. Die Gesamtentlastung der Steuerzahler durch das vorliegende Gesetz beträgt jetzt rund 11 Milliarden DM. Im Vermittlungsausschuß 'bestand darüber
Übereinstimmung, daß die private Nachfrage der Konsumenten und die Investitionstätigkeit der Unternehmer durch das Gesetz angeregt und damit die Voraussetzungen für ein günstigeres Wachstum im kommenden Jahr verbessert werden.
Sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat sind zu dem in Rede stehenden Gesetz Entschließungen verabschiedet worden. Diese Entschließungen waren entsprechend der Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses nicht Gegenstand der Beratungen im Vermittlungsausschuß.
Gemäß seiner Geschäftsordnung schlägt der Vermittlungausschuß Ihnen vor, über den Vermittlungsvorschlag in seiner Gesamtheit abzustimmen.
({0})
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat der Herr Abgeordnete Häfele.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der CDU/CSU stimmt dem Ergebnis des Vermittlungsausschusses zu. Wir beantragen namentliche Abstimmung über dieses Ergebnis. Es freut uns, daß die CDU/CSU für Einkommen- und Lohnsteuerzahler mit kleineren und mittleren Einkommen eine deutliche Verbesserung der Steuervorlage der Bundesregierung erreichen konnte. Vor allem begrüßen wir es, daß durch die Einführung eines Tariffreibetrags das Hauptübel unseres gegenwärtigen Steuerrechts, die zu scharfe Progression, welche Leistung und Aufstieg hemmt, spürbar gemildert wird. Der größte Fehler der Regierungsvorlage, über die bloße Anhebung des Grundfreibetrags alle Steuerzahler mit dem gleichen Betrag zu entlasten, konnte über den Vermittlungsausschuß weitgehend behoben werden.
Es ist bedauerlich, meine Damen und Herren, daß die Regierungskoalition lange Zeit uneinsichtig gewesen ist und sich nicht schon früher zu einem kräftigen Abbau der Steuerprogression durchgerungen hat. Das leidige und kleinkrämerische Hin und Her der letzten Monate war als solches schon schädlich und hat verhindert, daß die erzielte Steuererleichterung die Wirkung entfalten kann, welche sie haben könnte, wenn sie von Anfang großzügig gewährt worden wäre.
({0})
Am besten, meine Damen und Herren, wäre es freilich gewesen, wenn die Bundesregierung in dem schon im Sommer verabschiedeten Steueränderungsgesetz 1977 echte Entlastungen vorgenommen hätte ohne den wirtschaftspolitischen Fehler der Erhöhung der Mehrwertsteuer, wie wir es nach dem 1. Januar 1978 erleben werden.
Trotz der erreichten Verbesserung der Regierungsvorlage hält es die CDU/CSU für einen Fehler, daß es die Regierungskoalition abgelehnt hat, vom Wachstums- und Stabilitätsgesetz Gebrauch zu machen und einen Steuerabschlag für alle rasch zu beschließen. Ein rechtzeitiger und frei von der Ideologie des Neides eingeführter allgemeiner Steuerabschlag hätte das richtige Signal sein können, um die private Dynamik zu bestärken. In unserer Lage wäre
vorrangig vor allem anderen gewesen, unsere volkswirtschaftlichen Wachstumskräfte vor dem Versiegen zu bewahren. Die CDU/CSU hält zur Überwindung der Wirtschaftsschwäche und Arbeitslosigkeit die Ermunterung der privaten Dynamik für wichtiger als die wiederholte Auflegung von staatlichen Programmen.
Der Steuerabschlag hätte zugleich eine „goldene Brücke" werden können, um den Tarifpartnern bei der Lohnfindung den Übergang zu arbeitsplatzfördernden Abschlüssen zu erleichtern. Die Regierung hat mit ihrer Ablehnung der Anwendung des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes eine große Chance verpaßt, um für das Jahr 1978 eine echte Signalwirkung zu erzielen und das notwendige Vertrauen wiederherzustellen. Die Bundesregierung, meine Damen und Herren, darf sich 1978 nicht wundern, wenn sich keine echte Umkehr in der Erschlaffung der dynamischen Kräfte in unserem Lande einstellt.
Eine ebenso vertane Chance ist es, daß die Regierungskoalition es abgelehnt hat, einen neuen Einkommen-/Lohnsteuertarif einzuführen. Die Beseitigung des leistungs- und aufstiegshemmenden Tarifsprungs im geltenden Tarif ist überfällig. Die Bundesregierung täuscht sich, wenn sie meint, sie komme an einem neuen, progressionsentlastenden Tarif vorbei. Trotz der erreichten Verbesserungen werden sich schon 1978 die schädlichen Wirkungen des geltenden Tarifs wieder zeigen. Zum Beispiel verbleiben einem ledigen Arbeitnehmer mit einem Jahreseinkommen von brutto 24 000 DM - das sind monatlich 2 000 DM - bei einer Lohnaufbesserung von 5 °/o - das sind 1 200 DM im Jahr - von diesen 1 200 DM nur 556 DM - das sind 46 % - netto nach Abzug der Steuern und Sozialversicherungsbeiträge auf der Hand. 644 DM - das sind 54% -werden als Mehrabzüge einbehalten, trotz Verabschiedung dieses Gesetzes! Deshalb wird die CDU/ CSU alles versuchen, um einen arbeitsfreundlichen Tarif möglichst rasch durchzusetzen.
Es ist ein erfreulicher Erfolg der CDU/CSU, daß gegen den Widerstand der SPD durchgesetzt werden konnte, daß auch Hilfen der Bundesländer für zusätzliche Ausbildungsplätze künftig steuerlich unschädlich sind. Das dient dem Abbau der Jugendarbeitslosigkeit.
Ich fasse zusammen: Alles in allem ist es ein Teilerfolg der CDU/CSU, die Vorlage der Regierung deutlich zugunsten derjenigen verbessert zu haben, die Lohn- und Einkommensteuern in kleinerer oder mittlerer Höhe zahlen. Aber das ist nicht die durchgreifende Wende, um die private Dynamik entscheidend anzuregen. Das Ringen um den Abbau der leistungshemmenden und investitionsbremsenden Überbesteuerung geht weiter!
({1})
Zur Abgabe einer weiteren Erklärung hat der Abgeordnete Böhme das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der heutigen
Dr. Böhme ({0})
Abstimmung wird das Tauziehen um das Gesetz zur Steuerentlastung und Investitionsförderung zu einem rechtzeitigen und guten Abschluß gebracht. Die SPD-Bundestagsfraktion begrüßt es, daß sich Bundestag und Bundesrat im Vermittlungsausschuß zu einem Kompromiß zusammengefunden haben und stimmt dem Ergebnis des Vermittlungsausschusses ausdrücklich zu.
Bei der konjunktur- und steuerpolitischen Zielsetzung des Steuerpaketes wäre es für uns nicht verständlich und schwer erträglich gewesen, das Steuerpaket in den Mühlen des Parteienstreites zermahlen und zerrieben zu sehen. Wegen der besonderen konjunkturpolitischen Motivation des Gesetzes haben wir auch von Anfang an darauf bestanden, daß das Steuerpaket nicht aufgeschnürt, sondern insgesamt verabschiedet wird, damit alle Teile des Gesetzentwurfes zusammen in Kraft treten und dadurch die Gesamtwirkung des Gesetzes gewährleistet ist. Das ist jetzt der Fall, und damit können auch die Ziele des Gesetzes verwirklicht werden, von denen ich in der Schlußerklärung noch einmal zwei Schwerpunkte nennen möchte, nämlich erstens durch Steuererleichterungen die Massenkaufkraft zu stärken und dadurch die Konjunktur von der Nachfrageseite her zu fördern und zweitens durch Steuerentlastungen steuerstruktur- und verteilungspolitisch mehr Steuergerechtigkeit zu schaffen.
Beide Ziele werden erreicht.
Das vorliegende Steuerpaket bringt Steuererleichterungen in Höhe von 10,8 Milliarden DM. Dieses Volumen ist beachtlich und geeignet, nachhaltige Anstöße zur Konjunkturförderung zu geben. Zusammen mit den Steuererleichterungen und der Kindergelderhöhung nach dem schon beschlossenen Steueränderungsgesetz 1977 erhöht sich dadurch das verfügbare Einkommen unserer Bürger um netto 13 Milliarden DM. Die Steuerminderungen kommen überwiegend den Beziehern kleiner und mittlerer Einkommen zugute und schaffen damit Erleichterungen vor allem im Lohnsteuerbereich. Dieses Ergebnis ist auch und gerade konjunkturpolitisch richtig und erwünscht, weil die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen einen hohen Konsumanteil aufweisen. Eine Stärkung der Massenkaufkraft und der Masseneinkommen kann deshalb die Konjunktur am nachhaltigsten beeinflussen.
Die steuer- und konjunkturpolitische Zielsetzung
des Gesetzes wird wie folgt verwirklicht. Erstens. Erhöhung des Weihnachtsfreibetrages für Arbeitnehmer von 100 DM auf 400 DM bereits für 1977. Die ursprüngliche Absicht der CDU/CSU, den Weihnachtsfreibetrag nur um 100 DM zu erhöhen, war für uns nicht akzeptabel. Eine solche Minimaßnahme hätte praktisch nichts daran geändert, daß der seit 1969 unverändert bestehende Weihnachtsfreibetrag völlig überholt ist und der inzwischen eingetretenen Entwicklung bei der Lohnsteuerprogression und der Weihnachtsgeldzahlung in keiner Weise mehr entspricht.
Zweitens. Die Erhöhung des Grundfreibetrages um 300 DM für Ledige und 600 DM für Verheiratete ab 1. Januar 1978. Die Kritik gegen die Erhöhung dieses Freibetrages mit dem Vorwurf der Gleichmacherei ist im Ansatz verfehlt; denn dieser Steuerfreibetrag schützt das Existenzminimum eines jeden Bürgers vor einer Besteuerung. Hier emotio-. nal Neidkomplexe zu unterstellen, ist unverständlich und auch unsachlich, zumal diese Argumente von einer Seite kommen, die eine Tarifreform zu wollen vorgibt, es andererseits aber unbestritten ist, daß im Falle einer Tarifreform die Erhöhung des Grundfreibetrages ein notwendiger Bestandteil der Reform ist.
3. Einführung eines Tariffreibetrags in Höhe von 510 DM für Ledige und 1 020 DM für Verheiratete ab 1. Januar 1978. Dieser Tariffreibetrag wirkt für alle Steuerbürger, ist aber von der Progression abhängig. In der Mischung von Grundfreibetrag mit Tariffreibetrag halten sich die Unterschiede allerdings in Grenzen, weil natürlich auch der Tariffreibetrag den kleinen und mittleren Einkommensbeziehern zugute kommt. Gleichzeitig wird durch den Tariffreibetrag die Progression abgemildert, so daß diese Freibetragsregelung auch ohne ausdrückliche Änderung der Tarifkurve ein Stück Tarifreform darstellt.
4. Rückwirkende Verbesserung der degressiven AfA für bewegliche Wirtschaftsgüter und für Gebäude ab 1. September 1977.
5. Einführung eines befristeten Ausbildungsplatzabzugsbetrages zur Steuerbefreiung von finanziellen Hilfen für die Ausbildungsplatzförderung.
Maßgeblich für die Zustimmung der SPD-Bundestagsfraktion sind die konjunkturpolitischen Zielsetzungen des Gesetzes und seine verteilungspolitischen Auswirkungen, die wir im Zusammenhang mit den anderen Steuererleichterungen und Leistungen nach dem schon beschlossenen Steueränderungsgesetz 1977 sehen, welches ebenfalls zum 1. Januar 1978 in Kraft tritt. Es kommt letztlich auf die Gesamtauswirkungen all dieser steuerlichen Entlastungen zum 1. Januar 1978 an.
Die Gesamtentlastung für Arbeitnehmer kann sich sehen lassen. Bei einem Jahresbruttolohn von 24 000 DM hat ein lediger Arbeitnehmer eine Steuerentlastung von 493 DM, was einer Entlastung von 11,9 % gegenüber der bisherigen Lohnsteuer entspricht. Ein verheirateter Arbeitnehmer mit zwei Kindern hat bei gleichem Einkommen - ebenfalls 24 000 DM Jahresbruttolohn - eine Entlastung von 542 DM, was gegenüber seiner bisherigen Lohnsteuer einer Entlastung von 49% entspricht. Diese Rechenbeispiele zeigen, daß die Auswirkungen des neuen Tariffreibetrages in der Mischung mit dem Grundfreibetrag akzeptabel dosiert und proportioniert sind.
Dies gilt auch für die haushaltsmäßigen Mehrbelastungen in Höhe von 3,6 Milliarden DM, die durch das Ergebnis im Vermittlungsausschuß verursacht werden. Diese Mehrausgaben sind vertretbar und verstärken die konjunkturpolitische Motivation des Steuerpaketes. Schon seit Wochen hat der Finanzminister erklärt, daß es vernünftig ist, die Steuerentlastungen angesichts der für 1978 zu erwartenden konjunkturellen Entwicklung aufzustocken. Es lag
Dr. Böhme ({1})
auf dieser Linie, daß im Vermittlungsausschuß eine zusätzliche Entlastung gewährt wurde.
Der weitergehende Versuch der Opposition, eine Reform des Einkommensteuertarifs im Vermittlungsausschuß im Eilverfahren durchzupauken, ist nicht akzeptiert worden. Eine so wichtige Frage kann nicht am Bundestag vorbei vom Vermittlungsausschuß als eine Art „Übergesetzgeber" beschlossen werden.
({2})
Dieser Vorschlag der CDU/CSU über den Bundesrat war wohl auch mehr Propaganda und zum Vorzeigen in der Öffentlichkeit; denn die Opposition hätte längst Gelegenheit gehabt, über die Fraktion im Bundestag einen entsprechenden Antrag einzubringen. Dies ist nicht geschehen. Im Gegenteil, die CDU/CSU-Opposition im Bundestag hat die Anwendung des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes verlangt, was für uns verteilungspolitisch nicht akzeptabel war und im Hinblick auf das Volumen eines derartigen Steuerabschlags eine künftige Tarifreform in Wahrheit auf absehbare Zeit unmöglich gemacht hätte.
({3})
Die Frage einer möglichen künftigen Tarifreform ist damit nicht vom Tisch; aber diese Frage ist nach allen Seiten und Richtungen zu überprüfen. Dabei muß auch eine Abstimmung der Steuertarife mit den Einkommensgrenzen bei den staatlichen Transfereinkommen untersucht werden. Eine isolierte Neufestlegung des Steuertarifs, ohne die Auswirkungen bei den Tarifen der Sozialeinkommen zu berücksichtigen, scheint mehr und mehr bedenklich. Auch deshalb ist die jetzige Regelung, Entlastungen über Freibeträge zu geben, richtig.
Für den Steuerzahler ist es im übrigen gleichgültig, ob die Entlastung über Freibeträge gewährt wird oder durch eine Korrektur der Tarifkurve zustande kommt. Im Ergebnis wirkt ein Abzug von der Bemessungsgrundlage ebenso wie eine Änderung des Tarifs. Deshalb bewirkt das vorliegende Steuerpaket auch eine Milderung der Progression und ist, so gesehen, auch ein Stück Tarifreform, allerdings nicht über eine unmittelbare Änderung der Tarifformel, sondern durch den Abzug erhöhter oder neu eingeführter Freibeträge von der Bemessungsgrundlage.
Meine. Damen und Herren, alles in allem ist das Gesetz positiv zu beurteilen, weil das Steuerpaket für sich genommen und erst recht zusammen mit den Maßnahmen des schon beschlossenen Steueränderungsgesetzes 1977 für Arbeitnehmer erhebliche Steuervorteile bringt und mit der Stärkung der Massenkaufkraft und Förderung der Investitionstätigkeit auch konjunkturell richtig liegt.
Ich bitte um Annahme des Ergebnisses des Vermittlungsausschusses.
({4})
Zur Abgabe einer Erklärung hat das Wort die Frau Abgeordnete Matthäus-Maier.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die FDP-Bundestagsfraktion begrüßt, daß mit dem Kompromiß im Vermittlungsausschuß eine Entscheidung gefallen ist, durch die die Unsicherheit über die zu erwartenden Steuererleichterungen für Verbraucher und Wirtschaft beendet worden ist. Insbesondere gelangen damit die Arbeitnehmer noch rechtzeitig zum Ende des Jahres 1977 in den Genuß des erhöhten Weihnachsfreibetrages. Kein Bürger hätte es verstanden, wenn die Erhöhung des Weihnachtsfreibetrages im Jahre 1977 aus Mangel an Kompromißfähigkeit der Parteien nicht zustande gekommen wäre.
Zusammen mit dem im Sommer 1977 verabschiede- ten Steueränderungsgesetz tritt damit ein ganzes Bündel von Erleichterungen für Verbraucher und Wirtschaft zum 1. Januar 1978 in Kraft, und zwar die Erhöhung der Sonderausgabenhöchstbeträge, der Vorsorgepauschale, des Grundfreibetrages, des Weihnachtsfreibetrages, des Kindergeldes, die Einführung des Tariffreibetrages, nicht zu vergessen die Erweiterung des § 7 b des Einkommensteuergesetzes schon zum 1. Januar 1977, auf der einen Seite, die Erleichterungen bei der Gewerbe- und Vermögensteuer, die Verbesserung der degressiven Abschreibung und die Steuerfreiheit der Prämien für die Ausbildungsförderung auf der anderen Seite. Das ist insgesamt ein Paket von mehr als 15 Milliarden DM.
Wir erhoffen uns, daß durch diese erheblichen Steuererleichterungen eine deutliche Belebung der Nachfrage, eine Auslastung der Kapazitäten und damit ein Anreiz für zusätzliche private Investitionen geschaffen wird. Unter diesem Gesichtspunkt ist es konjunkturpolitisch zu begrüßen, daß die Entlastungen in den unteren und mittleren Einkommensschichten - im Unterschied zu dem Entwurf der CDU/CSU-Fraktion hier im Bundestag - relativ stärker ausgefallen sind. Denn von diesen Bevölkerungskreisen ist am ehesten zu erwarten, daß die Steuererleichterungen nicht aufs Sparkonto gehen, sondern daß ein bestehender Bedarf in Nachfrage umgesetzt wird.
Meine Damen und Herren, in der Diskussion um das Steuerpaket hatte die Mehrheit im Bundesrat als erstes Vermittlungsbegehren eine Tarifreform zum 1. Januar 1978 gefordert. Ich erkläre hier für die FDP-Bundestagsfraktion noch einmal ganz eindeutig: Wir wünschen eine Neugestaltung des Einkommensteuertarifs zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Aus diesem Grunde wäre eine Tarifreform zum 1. Januar 1978 sicher die optimale Lösung gewesen. Wir haben uns aber entschieden dagegen gewandt, eine solche Tarifreform binnen weniger Stunden und Tage im Vermittlungsausschuß durchzuziehen. Ein so grundlegendes, teures und kompliziertes Gesetzgebungsvorhaben wie eine Tarifreform gehört nicht in das Eilverfahren des Vermittlungsausschusses, in dem auch noch geheim beraten wird, sondern in eine gründliche und umfassende Diskussion im Parlament und im Finanzausschuß, also an die Stelle, die von der Öffentlichkeit für die Steuerpolitik und
der Gesamtzusammenhang der Steuergesetzgebung verantwortlich gemacht wird.
({0})
Herr Häfele hat diese unsere Bedenken gegen eine Mißachtung des Parlaments durch eine Tarifreform im Vermittlungsausschuß mit dem Hinweis darauf zurückgewiesen, daß ja der Bundestag der Entscheidung des Vermittlungsausschusses ausdrücklich zustimmen müsse. Herr Häfele, dieser Hinweis kann doch wohl nicht ganz ernst gemeint sein. Wollen Sie denn die Einflußmöglichkeiten der Bundestagsabgeordneten bei einem so entscheidenden Problem auf die Frage des Ja oder Nein zu einem Ergebnis degradieren, das an anderer Stelle, nämlich im. Vermittlungsausschuß, gefallen ist, ohne daß auch nur die geringste Einwirkungsmöglichkeit für die Abgeordneten bestanden hätte? Dies kann doch wohl nicht ernst gewesen sein.
Der zweite Grund, warum wir uns gegen eine Tarifreform im Vermittlungsausschuß zum 1. Januar 1978 gewandt haben, ist die Tatsache, daß bis heute noch kein Patentrezept für eine Tarifreform auf dem Tisch liegt. Eine Tarifreform hätte nämlich folgende Probleme vorrangig anzugehen: 1. Beseitigung des Tarifsprungs von 22 % auf 30,8 %, 2. Abmilderung des Tarifsprungs von der Nullzone auf 22 °/o, 3. Beseitigung des sogenannten Mittelstandbauches, d. h. einer überproportionalen Besteuerung im mittleren Einkommensbereich, 4. Abbau der Progressionswrkung, soweit diese auf Grund nominaler Einkommenssteigerung ohne Berücksichtigung der Geldentwertungsrate eintritt, und 5. Koordinierung des Steuertarifs mit den zahlreichen staatlichen Transferleistungen und. ihren Einkommensgrenzen. Die FDP-Bundestagsfraktion wird diese Neugestaltung des Tarifs als wichtigstes steuerpolitisches Gesetzgebungsvorhaben in dieser Legislaturperiode weiter anstreben.
Meine Damen und Herren, wir wollen aber auch nicht verhehlen, daß durch den im Vermittlungsausschuß gefundenen Kompromiß die Möglichkeiten, die Tarifreform zu einem baldigen Termin zu verwirklichen, sehr viel geringer geworden sind; denn die finanzielle Manövriermasse für eine wirkliche Korrektur ist durch die Höhe des Kompromisses im Vermittlungsausschuß sehr klein geworden. Diesen Gesichtspunkt bedaure ich ausdrücklich.
Auch Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, wissen das. Im Gegenteil, ich habe manchmal den Eindruck, daß Sie ernsthaft den Willen zu einer Tarifreform gar nicht haben. Wie ist es sonst zu verstehen, daß Sie am gestrigen Tage, noch bevor wir heute dieses Paket verabschiedet haben, beredt die Staatsverschuldung beklagten, obwohl Sie doch erst vor wenigen Tagen gefordert hatten, daß die Steuererleichterungen noch höher ausfallen sollten, was ja wohl zwangsläufig zur Folge hätte, daß auch die Staatsverschuldung zunehmen würde. Und obwohl Sie hier im Bundestag den Antrag gestellt haben, den Konjunkturabschlag nach dem Stabilitätsgesetz einzuführen, eine Maßnahme, die 15 Milliarden DM gekostet hätte, also noch um vier Milliarden DM teurer wäre als der jetzige Steuerkompromiß und wiederum die Staatsverschuldung erhöht hätte. Sie haben an dieser Stelle - wie so oft - mit verteilten Rollen gehandelt: hie die Forderung nach möglichst hohen Steuererleichterungen, dort im gleichen Atemzug die Klage über die Staatsverschuldung. Beides zusammen geht nun wirklich nicht!
Das gleiche gilt auch hinsichtlich Ihrer Klagen über die Gemeindefinanzen.
Frau Abgeordnete Matthäus-Maier, einen Augenblick bitte! Darf ich bitten, daß wir die Plätze einnehmen und dieser Erklärung mit großer Aufmerksam folgen.
({0})
Die gleiche Doppelzüngigkeit gilt auch hinsichtlich der Klagen über die finanzielle Situation der Gemeinden. Die Höhe des jetzt geschlossenen Kompromisses belastet ja nicht nur den Etat des Bundes, sondern im gleichen Verhältnis auch die Etats von Ländern und Gemeinden. Wir haben durchaus die Sorge, daß Länder und Gemeinden angesichts der unvorgesehenen Höhe dieses Steuerkompromisses ihre finanziellen Anstrengungen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sowohl bei den investiven Ausgaben als auch bei der Personalpolitik einschränken könnten. Auch unter diesem Gesichtspunkt hat dieser Steuerkompromiß nicht nur eine positive, sondern auch eine negative Seite. Wir appellieren hiermit an die Länder und die Gemeinden, sich wie der Bund antizyklisch zu verhalten. Denn sonst würde die beabsichtigte Wirkung des Steuerpakets konterkariert.
Die FDP-Bundestagsfraktion stimmt dem Kompromiß des Vermittlungsausschusses zu und wird ihn heute annehmen.
({0})
Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht üblich und auch nicht notwendig, daß ich im Namen der Bundesregierung zu dem gefundenen Kompromiß Stellung nehme.
({0})
Dies hat die Bundesregierung bereits getan, indem sie diesen Kompromiß ausdrücklich begrüßt hat.
Das Bundeskabinett hat mich allerdings gestern beauftragt, zu einem speziellen Punkt des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens folgende Erklärung vor dem Deutschen Bundestag abzugeben:
Die Bundesregierung hat die Einführung des Ausbildungsplatzabzugsbetrags befürwortet, um zur Sicherung der Berufsausbildung junger Menschen beizutragen. Sie ist dabei davon ausgegangen, daß diese Regelung ein Einzelfall bleiben sollte. Deshalb ist im Vermittlungsausschuß diese Regelung zeitlich begrenzt worden. Nach der Konzeption des Gesetzentwurfs der Bundesregierung sollten nur
diejenigen Beiträge steuerlich begünstigt werden, die den einzelnen Ausbildungsbetrieben aus einer von der Wirtschaft zu finanzierenden Umlage gewährt werden. Haushaltsbelastungen in Form von Steuermindereinnahmen hätten nach diesem Entwurf erst nach Einführung der Umlagefinanzierung eintreten können.
Der Vermittlungsausschuß ist mit seinem Vorschlag über diese Zielsetzung hinausgegangen. Er hat die Regelung zum Ausbildungsplatzabzugsbetrag auch auf den Fall ausgedehnt, daß mit öffentlichen Mitteln die Schaffung von Ausbildungsplätzen gefördert wird. Das ist in einigen Bundesländern schon der Fall.
Die Bundesregierung hat keinen Anlaß, das insgesamt positive Ergebnis des Vermittlungsverfahrens in Zweifel zu ziehen. Sie hat dem Vermittlungsvorschlag bereits öffentlich zugestimmt.
Sie möchte aber zu diesem Punkt des Vermittlungsvorschlags klarstellen, daß damit aus ihrer Sicht keine Präjudizwirkung für die künftige steuerliche Behandlung öffentlicher Hilfen an die Wirtschaft verbunden sein darf.
Sollte sich diese Gefahr abzeichnen, würde sich die Bundesregierung sofort um eine Korektur dieser Regelung bemühen. Denn es ist nicht sachgerecht und steuersystematisch nicht zu vertreten, allgemein öffentliche Subventionen steuerfrei zu stellen und zusätzlich die mit diesen Subventionen bestrittenen Betriebsausgaben steuermindernd zu berücksichtigen.
({1})
Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung. Es ist namentliche Abstimmung beantragt worden. Der Antrag ist ausreichend unterstützt. Ich eröffne die Abstimmung.-
Meine Damen und Herren. ich frage die Mitglieder des Hauses, die im Saal anwesend sind und ihre Stimme abgeben wollen, ob sie ihre Stimme abgeben konnten. Insbesondere frage ich die Mitglieder des Haushaltsausschusses, der ja während dieser Sitzung getagt hat, ob sie bereits ihre Stimme abgegeben haben. - Sie haben ihre Stimme abgegeben. Ich schließe damit die namentliche Abstimmung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, darf ich bitten, Platz zu nehmen. Wir möchten in der Aussprache über Tagesordnungspunkt 5 a, b, c, also die Entwicklungspolitik, jetzt fortfahren, während die Stimmkarten noch ausgezählt werden.
Ich erteile in der Aussprache über Punkt 5 a, b, c der Tagesordnung der Frau Abgeordneten Dr. Focke das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte nach dieser mehrstündigen Pause unserer Debatte im wortwörtlichen Sinne auf den Hauptgegenstand unserer heutigen Aussprache zurückkommen, auf die Große Anfrage der CDU/CSU zur Entwicklungspolitik.
Die Bundesregierung hat die Fragen in sachlicher und differenzierender Weise beantwortet. Ich möchte gern den Frageansatz selbst, die Wahl der Worte bei den gestellten Fragen, kritisch durchleuchten. Ich stelle dabei die These auf: An ihren Worten sollt ihr sie erkennen.
({0})
Aus Redezeitgründen beschränke ich mich auf den Fragenkomplex 1 und wende mich der Frage 1 a zu - ich zitiere -:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die entwicklungspolitische Diskussion der internationalen Konferenzen nicht länger primär durch Fragen der globalen Umverteilung durch die sogenannte „Neue Weltwirtschaftsordnung", sondern wieder stärker durch Fragen der Entwicklung und der Verbesserung der Wirtschafts- und Sozialstruktur in den einzelnen Entwicklungsländern sowie der Eigenanstrengungen und einer effektiven Wirtschaftspolitik der Entwicklungsländer bestimmt werden sollte?
Wenn ja, welche konkreten Schritte plant die Bundesregierung, um diese Probleme wieder stärker in den Vordergrund der internationalen Diskussion zu bringen?
Meine Damen und Herren, was steckt in dieser Frage? Zunächst einmal zweimal der Gebrauch des Wörtchens „wieder", der Gebrauch des Wörtchens „wieder" mit einem ausgesprochen nostalgischen Unterton, mit einer verräterischen Sehnsucht nach einer heilen Welt, als noch keine nachdrücklichen, unbequemen Forderungen der Entwicklungsländer auf dem Tisch lagen, also man sich sozusagen noch mit der mehr fürsorglichen Form einer Entwicklungshilfe begnügen konnte.
({1})
Zweitens fällt auf, daß man sich statt dieser unbequemen aktuellen Auseinandersetzung um die Verteilung des Reichstums auf dieser Erde Eigenanstrengungen und eine effektive Wirtschaftspolitik der Entwicklungsländer wünscht. Es soll nicht davon gesprochen werden, was die Industrieländer zu tun haben, um den Entwicklungsländern zu helfen, sich zu entwickeln. Nein, der Schwarze Peter für die krasse Ungerechtigkeit auf dieser Erde wird den Entwicklungsländern zurückgegeben. Die Bundesregierung soll sozusagen die Entwicklungsländer auffordern: Entwickelt euch selbst.
Die Bundesregierung antwortet höflich, aber deutlich. Ihre Worte stammen aus einem kooperativen, einem sachbezogenen, einem differenzierenden Vokabular. Sie betont die notwendige Dialogform in der internationalen Diskussion. Sie verurteilt den Gebrauch von Schlagworten. Sie bekennt sich zu der Notwendigkeit, sich mit den konkreten Forderungen der Entwicklungsländer auseinanderzusetzen, kurz: Die Bundesregierung spricht die Sprache der Partnerschaft, der Kooperation, der Wirklichkeitsnähe.
Die CDU/CSU spricht eine Sprache der Wirklichkeitsflucht und der Verantwortungsverweigerung, auf gut deutsch: Hannemann, geh du voran!
Ich zitiere die Frage 1 b:
Auf welche Weise hat die Bundesregierung bisher den Entwicklungsländern deutlich gemacht, daß das Problem der Ungleichheit in der Welt nur in einem mühsamen, langwierigen Prozeß lösbar sein wird?
Mit welchem geistigen und politischen Konzept will die Bundesregierung den eskalierenden Forderungen der Entwicklungsländer nach automatischer Umverteilung begegnen?
Was steckt in dieser Frage? Im ersten Teil wird von der Bundesregierung die Rolle eine strengen Vaters mit erhobenem Zeigefinger erwartet, der freche, ungeduldige Kinder sozusagen in die Schranken verweist und ihnen deutlich macht, daß sie ihre Ungleichheit viel zu ungeduldig, viel zu ungestüm beseitigt wissen wollen und daß sie geduldig zu warten haben.
Im zweiten Teil der Frage wird der Nord-Süd-Dialog in Verhandlung und Zusammenarbeit auf die Formel „eskalierende Forderungen der Entwicklungsländer, denen begegnet werden muß" reduziert - wiederum, meine Damen und Herren, sehr verräterisch für einen autoritären Denk- und Frageansatz.
({2})
Die Bundesregierung wird in der Antwort notgedrungen deutlicher. Sie sagt, daß eine derart vergröbernde Darstellung die Polarisierung und Konfrontation fördern müsse. Sie zeigt kurz auf, daß in der Frage eine Beleidigung der Entwicklungsländer steckt. Sie spricht von notwendiger Zusammenarbeit im Bewußtsein weltweiter Interdependenz und sachlicher Bemühungen um die Lösung strittiger Fragen.
Kurz: Die Antwort der Bundesregierung zeugt nicht nur in der Sache von einer partnerschaftlichen Haltung und Bereitschaft zu Zusammenarbeit und konstruktiver Verhandlung, sie drückt dies auch in der Wahl der Worte aus.
Die CDU/CSU dagegen ist autoritär und repressiv, verweist auch und gerade durch die Wahl der Worte aus privilegierter Situation die Entwicklungsländer in die Schranken eines schicksalhaften Status quo.
Frage 1 lautet:
Ist die Bundesregierung bereit, ihre Entwicklungshilfe stärker als bisher von einer erfolgversprechenden Wirtschafts- und Sozialpolitik der Entwicklungsländer abhängig zu machen?
Meine Damen und Herren, in dieser Frage steckt in Weiterführung der Frage 1 a, die Aufforderung, die Entwicklungshilfe von erfüllten Bedingungen a b -h ä n g i g zu machen. Der Gebrauch des Wortes „abhängig" in diesem Zusammenhang ist nicht nur zufällig, er ist von semantischer Bedeutung für die Vorstellungen der CDU/CSU von einem herrischen Umgang der Industrieländer mit den Entwicklungsländern.
({3})
Die Hallstein-Doktrin haben wir Gott sei Dank seit
langem hinter uns. Hier soll offenbar eine Art Todenhöfer-Doktrin eingeführt werden: Entwicklungshilfe als Belohnung für Wohlverhalten, Entzug von Entwicklungshilfe als Bestrafung für schlechtes Betragen.
({4})
Die Bundesregierung antwortet, daß sie nach internationalen Vergabekriterien berücksichtigt - ein rücksichtsvolles Wort, meine Damen und Herren -, wieweit Entwicklungsländer eine erfolgsversprechende Wirtschafts- und Sozialpolitik betreiben; daß es auf die jeweiligen Bedingungen im Lande ankommt; daß es schwierige Bedingungen gibt; ja, daß manche Entwicklungsländer überhaupt erst in den Stand gesetzt werden müssen, Wirtschafts- und Sozialpolitik betreiben zu können.
Kurz: Die differenzierende kooperative Antwort der Bundesregierung hebt, wenn das überhaupt noch möglich ist, den wiederum autoritären Frageansatz der CDU noch deutlicher hervor. Ins Deutsch der strengen Kinderstube übersetzt: Die CDU/CSU will eine Entwicklungspolitik unter der Drohung: Wenn du deine Spielsachen nicht aufräumst, dann bekommst du kein Taschengeld.
Frage 1 e hat folgenden Wortlaut:
Ist die Bundesregierung angesichts der eigenen Erfahrungen im Interesse der Entwicklungsländer bereit, bei ihrer entwicklungspolitischen Zusammenarbeit die Rolle der Ordnungspolitik stärker zu beachten, da die jeweilige Wirtschafts- und Sozialordnung für den Erfolg sowohl der eigenen Anstrengungen der Entwicklungsländer als auch der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit von wesentlicher Bedeutung ist?
Was steckt in dieser diesen ersten Abschnitt krönenden Frage? Leicht verklausuliert und gewunden, dennoch eindeutig dieses: die Aufforderung an die Bundesregierung, bei der Bewertung der Wirtschafts- und Sozialpolitik der Entwicklungsländer und der davon abhängig zu machenden Entwicklungshilfe ordnungspolitische Vorstellungen à la CDU/CSU zugrunde zu legen.
Die Bundesregierung lehnt dies ab. Ihre Antwort ist im Kern der Satz: Wir achten die Individualität unserer Partner. Sie bleibt sich selbst treu, wenn sie sich dagegen wehrt, ihren Partnern gesellschafts- oder wirtschaftspolitische Vorstellungen aufzudrängen. Sie enthüllt damit ebenso höflich wie deutlich den Frageansatz der CDU/CSU als einen hochmütig-überheblichen Standpunkt mit nationalistischem Beiklang in ordnungsideologischem Gewande nach dem Motto: „Make the world safe for CDU-Ordnungspolitik!"
Meine Damen und Herren, ich komme bereits zum Schluß
({5})
und zu meiner Schlußfolgerung. Erstens. Die CDU/ CSU verrät in ihren Fragen 1 a bis e in der Wahl der Worte eine autoritäre, eine paternalistische Geisteshaltung und eine entsprechende politische Haltung.
Zweitens. Sie sehnt sich nach einer heilen Welt zurück, in der keine nachdrücklichen Forderungen der Entwicklungsländer nach einer neuen Verteilung der Reichtümer auf dieser Erde auf dem Tisch lagen.
Drittens. Sie verstellt sich durch pauschale Schlagworte die Sicht auf eine differenzierende sachliche Analyse der Probleme.
Viertens. Sie versucht, sich der Verantwortung durch eine Überbetonung der Eigenanstrengungen der Entwicklungsländer zu entziehen.
Fünftens. Sie möchte ihre ordnungspolitischen Vorstellungen zum Maß aller Dinge machen.
Meine Damen und Herren von der Opposition, es mag sein, daß dies damit zusammenhängt, daß Herr Todenhöfer zur Zeit für Sie das entwicklungspolitische Wort führt. Es mag sein, daß manche seiner Kollegen dies selbst als unbehaglich empfinden. Das ist Ihre Sache, mit der Sie fertig werden müssen. So wie die Dinge liegen, muß das Fazit lauten: An ihrer Sprache ist zu erkennen, die CDU/CSU ist von ihrer Grundeinstellung her zu partnerschaftlicher Zusammenarbeit und kompromißfähiger Verhandlung nicht imstande.
({6})
Sie ist - leider, kann ich nur sagen - deshalb nicht fähig,
({7})
einen konstruktiven Beitrag zur Lösung der Probleme des Nord-Süd-Konflikts in den 30er Jahren zu leisten.
({8})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf die Aussprache ganz kurz unterbrechen und das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekanntgeben.
An der Abstimmung haben 442 voll stimmberechtigte Mitglieder teilgenommen. Mit Ja haben 442 Abgeordnete gestimmt. Von den 21 Berliner Abgeordneten haben 21 mit Ja gestimmt.
Ergebnis
Abgegebene Stimmen 442 und 21 Berliner Abgeordnete; davon
ja: 442 und 21 Berliner Abgeordnete, nein: enthalten: Ja Dr. Althammer
Bayha
CDU/CSU Dr. Becher ({0})
Dr. Becker ({1})
Dr. Abelein Frau Benedix
Dr. van Aerssen Benz
Berger ({2}) Berger ({3}) Biechele
Biehle
Dr. von Bismarck
Dr. Blüm
Böhm ({4})
Dr. Bötsch
Braun
Breidbach
Broll
Bühler ({5})
Burger
Carstens ({6}) Carstens ({7}) Conrad ({8})
Damm
Dr. Dollinger Dr. Dregger Dreyer
Engelsberger
Erhard ({9}) Ernesti
Dr. Evers
Eymer ({10}) Dr. Eyrich
Feinendegen Frau Fischer
Francke ({11}) Franke
Dr. Friedmann Frau Geier
Geisenhofer
Dr. von Geldern Dr. George
Gerlach ({12}) Gerstein
Gerster ({13}) Gierenstein Glos
Dr. Gruhl
Haase ({14}) Haberl
Dr. Hammans Hanz
Hartmann
Hasinger
Hauser ({15}) Hauser ({16}) Helmrich
von der Heydt Freiherr von Massenbach Höffkes
Höpfinger
Dr. Hoffacker
Frau Hoffmann ({17}) Dr. Hornhues Horstmeier
Dr. Hubrig
Frau Hürland Dr. Hüsch
Graf Huyn
Dr. Jaeger
Jäger ({18})
Dr. Jahn ({19}) Dr. Jahn ({20})
Dr. Jenninger Josten
Frau Karwatzki Katzer
Kiechle
Dr. h. c. Kiesinger
Dr. Klein ({21}) Klein ({22})
Dr. Klepsch
Dr. Köhler ({23})
Dr. Köhler ({24})
Köster Dr. Kohl
Krampe Dr. Kraske
Kraus
Dr. Kreile
Krey
Kroll-Schlüter
Frau Krone-Appuhn
Dr. Kunz ({25}) Lampersbach
Landré
Dr. Langguth
Dr. Laufs
Dr. Lenz ({26})
Lenzer Link
Lintner Löher Dr. Luda
Dr. Mende
Dr. Mertes ({27})
Metz
Dr. Meyer zu Bentrup
Dr. Mikat
Dr. Miltner
Milz
Müller ({28})
Dr. Müller-Hermann
Dr. Narjes
Neuhaus
Frau Dr. Neumeister
Niegel Nordlohne
Frau Pack
Petersen
Pfeffermann
Pfeifer Picard Pieroth Dr. Pinger
Pohlmann
Prangenberg
Dr. Probst
Rainer Rawe Regenspurger
Dr. Reimers
Frau Dr. Riede ({29})
Dr. Riedl ({30})
Dr. Riesenhuber
Dr. Ritz Röhner Dr. Rose
Rühe
Russe
Sauter ({31})
Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein Dr. Schäuble
Schartz ({32})
Schedl
Frau Schleicher
Schmidt ({33})
Schmitz ({34})
Dr. Schneider
Dr. Schröder ({35}) Schröder ({36}) Dr. Schulte ({37})
Schwarz
Dr. Schwarz-Schilling
Dr. Schwörer
Seiters Sick
Spilker Spranger
Vizepräsident Stücklen
Dr. Sprung Stahlberg Dr. Stark ({38})
Dr. Stavenhagen
Stommel Strauß
Stücklen ' Stutzer
Susset
de Terra Tillmann Dr. Todenhöfer
Frau Tübler
Dr. Unland
Frau Verhülsdonk
Vogel ({39})
Vogt ({40})
Volmer
Dr. Voss
Dr. Waffenschmidt
Dr. von Wartenberg Weber ({41}) Weiskirch ({42})
Dr. von Weizsäcker Werner
Frau Dr. Wex
Frau Will-Feld
Frau Dr. Wilms
Wimmer ({43})
Windelen
Frau Dr. Wisniewski Wissebach Wissmann
Dr. Wittmann ({44}) Baron von Wrangel Würzbach
Dr. Wulff Dr. Zeitel Ziegler
Dr. Zimmermann
Zink
Berliner Abgeordnete
Amrehn
Frau Berger ({45})
Dr. Gradl Kittelmann Kunz ({46})
Müller ({47})
Frau Pieser Straßmeir Wohlrabe
SPD
Ahlers
Amling
Dr. Apel Arendt
Augstein Baack
Dr. Bardens Batz
Dr. Bayerl
Becker ({48}) Biermann
Blank
Dr. Böhme ({49}) Frau von Bothmer
Brandt
Brandt ({50})
Buchstaller Büchler ({51})
Dr. von Bülow Buschfort
Dr. Bußmann Collet
Conrad
Coppik
Dr. Corterier Curdt
Frau Dr. Däubler-Gmelin Daubertshäuser
Dürr
Dr. Ehmke Dr. Ehrenberg
Eickmeyer
Frau Eilers ({52})
Dr. Emmerlich
Dr. Enders Engholm
Frau Erler Esters
Ewen
Fiebig
Dr. Fischer Frau Dr. Focke
Franke ({53}) Friedrich ({54}) Gansel
Gerstl ({55})
Gertzen
Dr. Geßner Glombig
Gobrecht Grobecker Grunenberg Gscheidle Dr: Haack Haar
Haehser
Hansen
Frau Dr. Hartenstein Hauck
Dr. Hauff Henke
Heyenn
Höhmann
Hoffmann ({56}) Hofmann ({57})
Horn
Frau Huber Huonker
Ibrügger
Immer ({58}) Jahn ({59})
Jaunich
Dr. Jens ({60}) Junghans Jungmann
Junker
Kaffka
Kirschner
Klein ({61})
Koblitz
Konrad
Kratz
Kretkowski
Dr. Kreutzmann
Krockert
Kühbacher Kuhlwein Lambinus Lange
Lattmann
Dr. Lauritzen Leber
Lenders
Frau Dr. Lepsius
Liedtke
Dr. Linde
Lutz
Mahne
Marquardt Marschall
Frau Dr. Martiny-Glotz Matthöfer
Dr. Meinecke ({62}) Meinike ({63}) Meininghaus
Menzel
Möhring
Müller ({64}) Müller ({65})
Dr. Müller-Emmert Müntefering
Nagel
Neumann Dr. Nöbel Offergeld Oostergetelo
Paterna
Pawelczyk Peiter
Dr. Penner Pensky
Polkehn
Porzner
Rapp ({66})
Rappe ({67})
Frau Renger Reuschenbach
Rohde
Roth
Saxowski
Dr. Schachtschabel
Schäfer ({68})
Dr. Schäfer ({69}) Scheu
Schirmer Schlaga
Dr. Schmidt ({70}) Schmidt ({71}) Schmidt ({72}) Schmidt ({73})
Dr. Schmitt-Vockenhausen Dr. Schmude
Dr. Schöfberger
Schreiber Schulte ({74})
Dr. Schwenk ({75}) Seefeld
Sieler
Frau Simonis Simpfendörfer
Dr. Sperling Dr. Spöri
Stahl ({76})
Dr. Staudt Dr. Steger
Frau Steinhauer Stockleben Stöckl
Sybertz
Frau Dr. Timm
Tönjes
Topmann Frau Traupe Ueberhorst Urbaniak
Dr. Vogel ({77}) Vogelsang
Voigt ({78}) Waltemathe Walther
Dr. Weber ({79})
Wehner
Weißkirchen ({80}) Wendt
Dr. Wernitz
Westphal Wiefel Wilhelm
Wimmer ({81}) Wischnewski
Dr. de With
Wittmann ({82}) Wolfram ({83}) Wrede
Würtz
Wüster Wuttke Wuwer Zander Zebisch Zeitler
Berliner Abgeordnete
Bühling
Dr. Diederich ({84})
Dr. Dübber
Egert
Löffler Manning Mattick Frau Schlei
Schulze ({85}) Sieglerschmidt
FDP
Angermeyer
Baum
Cronenberg
Eimer ({86})
Ertl
Dr. Friderichs
Gärtner Gallus
Gattermann
Genscher Grüner
Frau Dr. Hamm-Brücher Dr. Haussmann
Hölscher Hoffie
Kleinert
Dr. Graf Lambsdorff Ludewig
Dr. Dr. h. c. Maihofer
Frau Matthäus-Maier Mischnick
Möllemann
Paintner
Peters ({87}) Schmidt ({88})
von Schoeler
Frau Schuchardt Spitzmüller
Dr. Wendig
Wolfgramm ({89}) Wurbs
Zywietz
Berliner Abgeordnete Hoppe
Damit sind die Vorschläge des Vermittlungsausschusses einstimmig angenommen.
Wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Strauß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine parlamentarische Erörterung der Probleme der Entwicklungshilfe kann einen Problembereich nicht aussparen, über den ich einige grundsätzliche Bemerkungen gerade im Zusammenhang mit den laufenden und noch bevorstehenden Verhandlungen machen will.
Die Diskussion über die mit einem anspruchsvollen Titel so genannte neue Weltwirtschaftsordnung - das ist ja auch eine Diskussion zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern, wenn auch in anderer Gruppierung - verläuft nicht erfreulich. Sie geht zu einem erheblichen Teil an den Wirklichkeiten vorbei. Ich habe schon mehrmals - ich glaube, auch von dieser Stelle aus - vor einer Politik gewarnt, die als einzigen Ausweg die Flucht in die verbale Entschließung vorsieht, dafür umgekehrt die Flucht vor den Tatsachen ergreift, die man einfach ausspart, nicht sehen, auf keinen Fall sagen will. In Ergänzung dazu kommen Komplimente statt Wahrheit und kommt auch ein gutes Stück Heuchelei statt Offenheit.
Mit dieser Phase sollte Schluß gemacht werden. Es sollte im Zusammenhang damit auch der Schatten des Kolonialismus und 'der Entkolonialisierung endgültig in den Hintergrund treten; denn diese, so möchte ich fast sagen, psychologische Dauerbelastung schafft Verzerrungen auf beiden Seiten, sie verhindert eine klare Erkenntnis der Probleme, sie vermittelt falsche Schuldvorstellungen, sie verewigt Ansprüche, deren Erfüllung aber den harten Reifeprozeß der Entwicklungsnationen verzögert, wenn nicht gar verhindert.
Wir sind über das Bekenntnis der Bundesregierung zum privatwirtschaftlichen Engagement in Entwicklungsländern sehr erfreut: zu privaten Direktinvestitionen, zu privatwirtschaftlicher Zusammenarbeit in Entwicklungsländern, zur Notwendigkeit eines guten Investitionsklimas, zum Schutz der Privatinitiative, zur Nationalisierung nur nach dem Völkerrecht, nicht nach nationalem Recht. Wir sind erfreut über die Erkenntnis der Bundesregierung, daß private Direktinvestitionen ein besonders wirksamer Weg des Technologietransfers und der Industrialisierung sind. Das sind neue Töne, bei denen offensichtlich die Handschrift des Herrn Außenministers stärker als die Handschrift der Vorgänger seiner Kollegin Schlei gewogen hat, deren Handschrift überhaupt nicht festzustellen ist.
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Diese Bekenntnisse reflektieren, wenn entsprechend gehandelt wird, an sich eine weitgehende, vielleicht sogar totale Abkehr von der bisherigen SPD-Entwicklungspolitik der Koalition seit Eppler und Bahr, die in privaten Direktinvestitionen eigentlich mehr den privaten Ausnahmesündenfall sahen und ihnen mehr oder minder negativ gegenüberstanden. Herr Bahr versuchte seinerzeit auch noch, von der Notwendigkeit der Nationalisierung nach nationalem Recht zu überzeugen, weil wir sonst angeblich in die Isolation geraten würden. Wir begrüßen diese Wende, auch wenn die Erkenntnis der Bundesregierung, sich wieder mehr der privaten Initiative zuzuwenden, aus der Not eine Tugend
macht, nämlich den permanenten Rückgang des prozentualen Anteils der öffentlichen Hilfe durch eine Erhöhung des prozentualen Anteils der privaten Tätigkeit auszugleichen. Andererseits sind die privaten Direktinvestitionen und ein gutes Investitionsklima eine der wichtigen Voraussetzungen der Industrialisierung 'der Entwicklungsländer. Das muß Ihnen in aller Höflichkeit, aber auch in aller Deutlichkeit gesagt werden. Nicht umsonst zählen alle marktwirtschaftlich orientierten Entwicklungsländer bereits zu den sogenannten Schwellenländern.
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Die Integration der Entwicklungsländer in eine weltweite substitutive Arbeitsteilung erfordert nicht nur Gütermobilität, sondern diese muß auch durch die Faktormobilität ergänzt werden, besonders durch einen freien internationalen Kapitalaustausch und durch Heranbildung einer interessenbezogenen Geisteshaltung in den Entwicklungsländern. Diese Entwicklungsländer müssen deshalb wissen, daß das Investitionsklima einer der Bestimmungsfaktoren bei alternativen Entscheidungsmöglichkeiten ist. Länder mit negativem Investitionsklima verschlechtern ihre Position als Empfängerländer in beiden Hinsichten.
Die Entwicklungsländer stehen derzeit im verständlichen Konfliktfeld zwischen der Notwendigkeit von Direktinvestitionen und ihrem Souveränitätsanspruch, der sich in ihren Forderungen nach jederzeitiger Enteignungsberechtigung nach nationalem Recht manifestiert. Die Folge war überall - diese Folge wird bleiben - ein Rückgang der Direktinvestitionen in jenen Entwicklungsländern, die keinen Eigentumsschutz gewährleisten wollen. Entwicklungsländer brauchen nicht nur Entwicklungshilfe, sie brauchen Direktinvestitionen, da von diesen nicht nur ein Beschäftigungseffekt, sondern auch ein Qualitätsverbesserungseffekt, eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, der Produktion und eine Wohlstandssteigerung ausgehen, auch wenn der Anteil der ausländischen Direktinvestitionen an ,der Bildung des Bruttosozialprodukts in jenen Ländern, relativ gesehen, gering ist.
Aber auch das, was ich hier - manche werden sagen als Binsenweisheit; aber selbst Binsenweisheiten finden heutzutage nicht immer Anklang - gesagt habe, ist nur ein Teil der Wahrheit. Zu all dem muß ein ausreichend fähiges Management hinzukommen. Dazu genügt es nicht, den Herrn zu spielen; man muß es auch sein. Dazu gehört ein entsprechendes Know-how, und dazu gehört nicht zuletzt eine technisch-handwerkliche mittlere Führungsschicht in diesen Ländern. Solange diese technisch-handwerkliche mittlere Führungsschicht neben einer kleinen Akademikeroberschicht nicht vorhanden ist, wird leider immer ein erschütterndes Mißverhältnis zwischen Aufwand und Ertrag festzustellen sein.
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Die Oberschicht muß auch mehr als eine politische Palaverqualität haben. Ich sage das nicht etwa nur hier weit vom Schuß; ich habe das auch meinen schwarzen Freunden in Afrika gesagt, die ich mit
Recht und Stolz zu meinen Freunden und zu meinem engeren Bekanntenkreis zähle. Nicht politische Argumentation, sondern naturwissenschaftlich-technisch-administrative Rationalität muß in zunehmendem Maße einkehren. Sonst werden die Probleme der reichen und armen Länder, womit man nicht automatisch das Gegensatzpaar „Industrie- und Rohstoffländer" umschreiben kann, nicht nur nicht kleiner werden, sondern sie werden im Gegenteil - mit der Folge wachsender Spannungen - immer noch größer werden.
Ich darf einen weiteren Punkt anschneiden. Wir halten die Bundesregierung allerdings weniger für mutig, als vielmehr für naiv oder unfähig zur Selbsterkenntnis, wenn sie nach dem Scheitern von Paris, wo der Alternativvorschlag der Bundesregierung auf Einführung eines Systems weltweiter Erlösstabilisierung - eine durchaus brauchbare, leider nicht durchgehaltene und energisch genug verteidigte Alternative - und des Common Fund als Clearingstelle von den Entwicklungsländern rundweg vom Tisch gefegt worden ist, noch immer glaubt, dieses System in Genf in die Novemberverhandlungen erneut als Verhandlungsgegenstand einbringen zu können.
Hier werden unrealistische Alternativen vorgetäuscht, denn in Paris haben die Industrieländer der Errichtung des Gemeinsamen Fonds als solchem - ich sage: leider - ohne Vorbedingung praktisch zugestimmt. Im Gegenteil, nach jüngsten Äußerungen der UNCTAD, wonach der Common Fund das zentrale Finanzierungsinstrument der abzuschließenden Rohstoffabkommen sein müsse und Alternativen kein Verhandlungsgegenstand mehr seien, bezweifeln wir, ob hinsichtlich der Ausgestaltung des Fonds überhaupt noch ein Verhandlungsspielraum vorhanden ist. Oder die Bundesregierung gibt in altgewohnter Weise vor, nichts sei geregelt, alles sei noch offen, alles sei noch möglich, um dann der Demontage der Marktwirtschaft in weltweiter Beziehung -unter Hinweis auf die Gefahr der internationalen Isolierung dann doch nach bekanntem Strickmuster zuzustimmen.
Ich möchte hier überhaupt einmal - auch im Hinblick auf Culham - sagen: Man soll uns doch nicht geradezu verhöhnen, uns mündlich und schriftlich wochenlang erklären, alles sei offen, nichts sei geregelt, wenn man hernach feststellen muß, daß längst Absprachen getroffen worden sind, die mit dem Inhalt der uns zugegangenen Erklärungen in einem überhaupt nicht mehr aufzulösenden Gegensatz stehen, und man die Erklärung somit als Lügen bezeichnen muß.
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Wir warnen entschieden vor der Institutionalisierung des Common Fund als eines zentralen Finanzierungs- und Integrationsinstruments ebenso wie vor der Institutionalisierung der Rohstoffabkommen. Wir warnen auf Grund der unterschiedlichen Markteigenschaften der einzelnen Rohstoffe davor. Der Common Fund kann nur Refinanzierungsinstrument sein; er sollte nicht mehr werden. Über seine finanzielle Ausgestaltung kann erst nach Abschluß der
einzelnen Rohstoffabkommen entschieden werden, Herr Außenminister, und nicht vorher.
Dem Commun Fund liegt die Philosophie der Entwicklungsländer zugrunde, daß die bisherigen Rohstoffabkommen nicht funktionieren, weil sie nicht intregriert waren, weil die finanziellen Mittel zu begrenzt waren. Deshalb soll der Common Fund als Katalysator wirken. Diese Auffassung unterdrückt die Tatsache, daß nach wie vor auch in diesem Bereich die Bestimmung der Preismarge das Hauptproblem ist, da der Preistrend, den in einem marktwirtschaftlichen System der Markt prägt, in diesem Fall „geraten", „erahnt", „instinktiv gefühlt" werden muß. Der Preis soll aber durch Produzenten-und Konsumentenländer fixiert werden. Damit ist dieser Preis ein politischer Preis und kein Marktpreis mehr, mit unübersehbaren Folgen für die weltwirtschaftlichen Zusammenhänge, für die Zahlungsbilanzen der betroffenen Länder, aber auch für die nationalen Budgetprobleme.
Die Hauptprobleme im Zusammenhang mit diesem Fonds sind die Fixierung des Preises, die Höhe der Buffer Stocks und deren Finanzierungsvolumen.
Die multilaterale Lösung des Preisproblems trägt leider nicht dazu bei, die Fixierung der Preise im Rahmen der einzelnen Rohstoffabkommen zu erleichtern. Im Gegenteil! Es besteht die Gefahr, daß durch die multilaterale Preisfestsetzung Entscheidungsfehler multipliziert werden, für die hernach - wie immer - niemand verantwortlich ist und finanziell haften will, da Entscheidung und Verantwortung und Tragen der Folgen nicht zusammenfallen.
Das Kaffee-, Weizen- und Zuckerabkommen funktionierte nicht, und zwar wegen der Schwierigkeit, den richtigen Preis, den Marktgleichgewichtspreis, ohne Markt zu bestimmen. Der UNCTAD war es darüber hinaus bis jetzt nicht möglich, ökonomische Kriterien zur Definition des sogenannten gerechten Preises entsprechend der UNCTAD-Resolution 93 vorzulegen. Außerdem besteht auch eine theoretische Lücke bei der Definierung des gerechten Preises, bei dem der Markt geräumt und Überschußproduktion vermieden wird. Das Wort „gerechter Preis" spielt schon in der mittelalterlichen Theologie eine Rolle und hat bis heute keine Definition bekommen. Damals war man der Lösung wahrscheinlich näher als heute.
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Die Folge der Preisfixierung über den Gleichgewichtspreis ohne Produktions und Exportquoten wird sein: Überschußproduktion, Verfestigung der intrasektoralen Arbeitsteilung und damit auch Verfestigung statt Abbau der Monokulturen und Verhinderung der unerläßlichen Verbreiterung der Produktionsstruktur der betreffenden Länder; Benachteiligung der nachgelagerten Verarbeitungsstufen, besonders in den rohstoffarmen, aber exportorientierten Entwicklungsländern; Benachteiligung und Behinderung des Wirtschaftswachstum der am wenigsten entwickelten und am meisten betroffenen Länder, der sogenannten LDCs und MSACs. Das haben die Ölpreiserhöhungen und die dadurch beStrauß
dingten Zahlungsbilanzprobleme dieser Länder bereits hinreichend bewiesen. Das sind nur einige Beispiele.
Der Verlauf der Verhandlungen z. B. über das Zuckerabkommen hat gezeigt, daß das Verhandlungsziel der Entwicklungsländer naturgemäß nicht die Stabilisierung des Preises, sondern die Erhöhung der Preise ist. Der obere Punkt z. B. der vorgesehenen Preisspanne von 11 bis 21 Cents je Pfund liegt zur Zeit um 133 % über dem oberen Notierungspunkt für den ersten Termin in New York, der zwischen 8 und 9 Cents liegt.
Das andere Problem ist die Höhe des Buffer Stocks. Zur Zeit bestehen überhaupt keine zuverlässigen Indikatoren. Die vorliegenden Schätzungen haben nicht mehr ökonomisches Gewicht als Zukunftsprognosen von Astrologen, Wahrsagern. Deshalb muß jedes Rohstoffabkommen selbständig operieren können und muß einzeln abgeschlossen werden.
Mit dem bedauerlichen Unfall in Paris hat sich bestätigt, daß die westlichen Industrienationen nicht in der Lage waren, Verhandlungsstrategien und Verhandlungsziele der Entwicklungsländer richtig zu beurteilen. Die westlichen Industrieländer haben seit 1974 keine einheitliche Verhandlungsstrategie gefunden. Das werfe ich jetzt nicht etwa gezielt der Bundesregierung vor; daran waren alle mit einem gerüttelt Maß an Verantwortung oder Nichtverantwortung beteiligt. Sie glaubten noch immer, sich nationale kapriziöse Alleingänge leisten zu können. Die Verhandlungsstrategie dieser Länder war: nicht handeln, abwarten, sich treiben lassen; insoweit besteht hier eine Mentalitätsidentität mit der heutigen Bundesregierung.
Der Westen ging uneins und ohne Verhandlungskonzept in die internationalen Verhandlungen, ließ sich dort auf faule Kompromisse ein, um Konflikte mit den Entwicklungsländern zu vermeiden. Ich bin durchaus nicht der Meinung, daß man einen Konflikt auch da suchen muß, wo kein Anlaß dafür da ist. Wer aber einem Konflikt aus dem Wege geht und diesen Konflikt nicht rechtzeitig durch energische und notfalls auch langfristig geführte, zähe Verhandlungen ausräumt, wird ein Mehrfaches des Konfliktpotentials in Kauf nehmen müssen, von dem er ursprünglich glaubte, es durch Abwarten, Treibenlassen oder Ausweichen von sich fernhalten zu können.
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Das Konfliktmanagement der westlichen Industriestaaten bestand in Abwarten, Tatenlosigkeit, Unwirksamkeit, Erfolglosigkeit, Ergebnislosigkeit.
Es fehlte die Verteidigung der freien Marktwirtschaft und die Vorlage eines glaubwürdigen marktwirtschaftlichen Alternativprogramms, das der Marktwirtschaft mit entsprechenden Maßnahmen auch weltweit ihren Spielraum verschafft, auch zur Öffnung der Märkte für die Entwicklungsländer, statt dessen Verzicht auf den Grundsatz der Gegenseitigkeit, Verzicht auf die Einfuhrbeschränkungen und stärkere Öffnung der Agrarmärkte. Das haben die Industrieländer versäumt.
Sie glaubten, sich von einer Konferenz zur anderen durchschlagen zu können. Wenn man einmal die Texte und Resolutionen untereinander hält, die in New York bei der UNO, in Paris, in Genf, in Nairobia oder anderswo verabschiedet worden sind, fällt es einem schwer, den richtigen Vergleich zu finden. Jedenfalls wäre es für die Gebrüder Grimm eine Beleidigung, diese Texte mit ihren Märchen zu vergleichen. Sie glaubten, sich durchschlagen zu können, indem sie Resolutionen annahmen mit all den Maximalforderungen, die darin enthalten waren, in der Annahme, diese dann doch nicht durchführen zu müssen. Eine sehr gefährliche Strategie, d. h. überhaupt keine Strategie; Feigheit als Prinzip, Ausweichen als Grundhaltung.
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Diese Konzeption - sollte sie eine gewesen sein - ist mit der Zustimmung zum integrierten Rohstoffprogramm gemäß der Resolution 93 von Nairobi in Paris gescheitert. In Paris haben die Industrieländer in altbekanntem Verhandlungsstil eine Blankovollmacht zum Common Fund erteilt in der Hoffnung, dessen konkrete Ausgestaltung dann im Rahmen der UNCTAD-Konferenz im November 1977 inhaltlich noch modifizieren zu können. Wir werden uns nach dieser Konferenz auch wieder hier sprechen. Auf Grund der bisherigen Erfahrungen ist davon auszugehen, daß im November nur noch über den Common Fund gemäß der UNCTAD-Resolution 93 diskutiert wird.
Der EG-Ministerrat in Rom Ende April 1977, der Wirtschaftsgipfel in London am 6./7. Mai 1977, über den wir hier viel gesprochen haben, hatten das integrierte Rohstoffabkommen noch eindeutig abgelehnt und als Alternative ein weltweites Exportstabilisierungssystem angeboten, die Bereitschaft erklärt, über Einzelrohstoffabkommen zu diskutieren. Eine Clearingstelle sollte finanzielle Transaktionen zwischen den einzelnen Rohstoffabkommen ermöglichen.
Was ist davon noch übriggeblieben? Mit der Zustimmung in Paris ist man weit über diese Beschlüsse hinausgegangen. Die westlichen Industrienationen haben akzeptiert, daß erst der Fonds gegründet und dann über die Einzelrohstoffabkommen gesprochen wird. Damit haben sie ihre gesamte Verhandlungsposition der letzten zwei Jahre aufgegeben.
Dies zeigt, daß die westlichen Industrieländer den Ernst der Stunde offensichtlich nicht begriffen haben. Auf internationalen Konferenzen stimmen sie Resolutionen zu, die langfristig den Kern der liberalen Weltwirtschaft zerstören müssen, wenn sie ausgeführt werden. Wenn sie nicht ausgeführt werden, bleiben Enttäuschung, Verstimmung, Verbitterung und Konfliktbereitschaft übrig. Hier zeigt sich, daß die sozialdemokratischen und sozialistischen Regierungen in Europa schlechte Verteidiger einer freiheitlichen, liberalen Weltwirtschaftsordnung sind,
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da sie dieser Wirtschaftsordnung doch immer noch
mit Vorbehalten gegenüberstehen, mehr Vertrauen
in die Planung als in den Markt haben und, statt wirtschaftliche Vernunft durchzusetzen, lieber eine riesige Bürokratie und eine aufgeblähte Verwaltungsapparatur - beides mit ungeheuren Kosten - in Kauf zu nehmen bereit sind.
Die Bundesregierung hat wie die übrigen Regierungen der westlichen Industrieländer die Forderung der Entwicklungsländer zunächst gar nicht ernst genommen, sich gar nicht damit befaßt. Beispiel eines merkwürdigen Verhaltens, wie sich eine Regierung nicht benehmen soll, war das Verhalten der deutschen Delegation in Nairobi: erstens ohne Konzept. Die ordnungspolitischen Auseinandersetzungen zwischen Herrn Bahr, der die dirigistischen Vorstellungen der Entwicklungsländer unterstützte - konform seiner Grundkonzeption -, und Wirtschaftsminister Friderichs, der die Marktwirtschaft in Nairobi zu verteidigen versuchte, machen meine Aussage deutlich. In Nairobi machte die deutsche Delegation einen völlig desolaten und in sich uneinigen Eindruck. Bahr vertrat in dieser internationalen Konferenz andere Grundsätze als Friderichs. Nach Abschluß der Konferenz wußte niemand mehr in der Delegation, wozu man eigentlich die Zustimmung erteilt hatte. Die sozialistischen Regierungen von Holland und Dänemark, aber auch von Norwegen und Schweden, waren gewillt, die Maximalforderungen der Entwicklungsländer zu unterstützen, entsprechend ihrer eigenen ideologischen Grundausrichtung, die mit dem marktwirtschaftlichen System in permanentem Konflikt ist. Als der Ernst der Situation erkannt wurde und die Bundesregierung als Alternative im März 1977 die weltweite Erlösstabilisierung vorlegte, kam der Rettungsring zu spät. Hätte man sich in der Konferenz von Nairobi zwischen den beteiligten Vertretern der Bundesregierung auf diese Lösung geeinigt, hätte eine Chance bestanden, sie gemeinsam mit den anderen Industrieländern, vor allen Dingen mit den damals noch sehr widerstandsbereiten Amerikanern, durchzusetzen.
Die freie Weltwirtschaft hat kaum Verteidiger gefunden. Als in der SPD die Marktwirtschaft von dem linken Flügel vor einigen Jahren akut in Frage gestellt wurde, konnte sich der damalige Finanzminister Schmidt nicht zur Verteidigung dieser Wirtschaftsordnung aufraffen. Er schwamm zunächst auf der dirigistischen, interventionistischen, antimarktwirtschaftlichen Welle. Erst seit 1976 präsentierte er sich auf internationalen Konferenzen als der Verteidiger der Marktwirtschaft, trat mannhaft für das ein, was er zu Hause bei den Flügelkämpfen der eigenen Partei nicht zu vertreten wagte. Noch in Nairobi schwamm auch Bahr auf der planwirtschaftlichen Welle, verteidigte nicht das marktwirtschaftliche Ordnungsprinzip. Die Opposition ist damals mit ihrer Forderung nach internationaler Durchsetzung des marktwirtschaftlichen Ordnungsprinzips angegriffen, verhöhnt und verspottet worden: sie würde die Bundesrepublik in die Isolierung führen. Ich möchte hier ein für allemal sagen, das Argument der angeblichen Isolierung ist kein ökonomisches Kriterium, sondern höchstens ein Feigenblatt.
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Die Alternative liegt ja jetzt auf dem Tisch: ein dirigistischer weltweiter Rohstoffmarkt, der Auswirkungen haben wird auf die nachgelagerten Verarbeitungsstufen und damit auf die wirtschaftspolitische Ordnung der Bundesrepublik Deutschland und ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit. Die Industrieländer haben es versäumt, den Entwicklungsländern klarzumachen, daß die Grundstoffindustrie der am wenigsten dynamische Sektor ist, über den allein ein entscheidender Fortschritt in der Industrialisierung dieser Länder mit einer entsprechenden Beschäftigungs- und Verbreiterungswirkung nicht zu erreichen ist. Auch der angestrebte Ressourcentransfer wird nur den rohstoffreichen Entwicklungländern zugute kommen.
Darum erlaube ich mir, der Bundesregierung für die kommenden Verhandlungen, weil das die letzte parlamentarische Aussprache ist, in der dieses Thema einschlägig angeschnitten werden kann, noch einmal zu empfehlen, einige Probleme, die ich nur stichwortartig aufzähle, sehr ernst zu nehmen:
Erstens die Versorgungssicherheit: Die Versorgungssicherheit der nichtrohstoffproduzierenden Länder ist einer der Hauptbestandteile einer weltweiten Abmachung. Ohne eine Versorgungssicherheit sind Preisforderungen der geschilderten Art völlig unerträglich. Die Versorgungssicherheit ist für die Zukunft unserer Wirtschaft und der Wirtschaft anderer Länder von ungeheuerer Bedeutung.
Zweitens muß man die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie im Auge haben. Man kann ja doch davon ausgehen, daß diejenigen Rohstoffproduzenten, die gleichzeitig entwickelte Industrieländer sind, diese Rohstoffe dann natürlich ihren nationalen Industrien zu günstigerem Preise zur Verfügung stellen als diejenigen, die sie von anderen kaufen müssen.
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Das trifft die Bundesrepublik, das trifft Japan, das trifft aber auch Entwicklungsländer wie Südkorea, wie Thailand, wie Taiwan usw.
Schließlich muß auch einmal ernsthaft die Teilnahme der sogenannten Staatshandelsländer angeschnitten werden. Es geht nicht an, über die Leiden und Entbehrungen der Dritten Welt Krokodilstränen zu weinen, den Kolonialismus der europäischen Mächte als den Hauptschuldigen für den gegenwärtigen Zustand anzuprangern, aber den eigenen Markt nicht für die Produkte zu öffnen, die in Entwicklungsländern, vor allen Dingen auf dem agrarischen Bereiche, vorhanden sind und die in diesen Staatshandelsländern auch heute ein selten anzutreffendes Gut sind, wenn ich an die Verbrauchsstruktur der Sowjetunion denke.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, in dieser Gesamtdiskussion nimmt natürlich der afrikanische Raum, der afrikanische Bereich einen besonders breiten Raum ein. Wir haben im Laufe der letzten Monate, Wochen, Tage eine Fülle von Beiträgen vernommen: einerseits naive, törichte, ideoStrauß
logisch verzerrte Beiträge. Was wir brauchen, sind auf der anderen Seite wirklichkeitsnahe, langfristig denkende, überlegt planende, verantwortungsbewußte Beiträge.
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Denn diese Probleme sind wesentlich schwieriger, als man es aus der Entfernung mit wortreicher und zungenfertiger Geschwätzigkeit im allgemeinen darzustellen pflegt.
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Es gibt - das habe ich mir heute bei der auf Grund sonstiger Pflichten leider nur auf dem Weg über das Hausradio möglichen Verfolgung der hier gehaltenen Reden noch einmal gedacht - einen Optimismus, der chemisch reine Naivität ist.
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Afrika steht, wenn ich das in Zitierung eines bekannten Historikers sagen darf, der eine berühmte Geschichte Afrikas geschrieben hat, mit den Füßen noch im Steinzeitalter, mit dem Kopf im Atomzeitalter. Das schafft natürlich ungeheure Probleme. Deshalb ist hier vor Schlagworten zu warnen. Ich möchte hier auch vor dem Schlagwort des Antirassismus warnen, der zum Kampfruf geworden ist. Hinter dem Schlagwort des Antirassismus verbirgt sich häufig ein antiweißer, neuer Rassismus.
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Es ist eine vielseitige Problematik, weil hier die Begriffe Staat, Volk und Gesellschaft nicht so wie für die europäische und nordamerikanische, also abendländische Gesellschaft anwendbar sind. Die heutigen afrikanischen Staaten haben ja durchweg die Größenordnungen und die Grenzen der ehemaligen Kolonien. Die ehemaligen Kolonien sind ja nichts anderes als die mehr oder minder willkürlichen oder machtpolitischen Ergebnisse innereuropäischer Machtauseinandersetzungen. Darum ist der Begriff Staat dort problematisch. Ich habe mit großer Aufmerkamkeit - ich darf sagen: auch mit großer innerer Zustimmung - erlebt, wie sich einer der liberalen schwarzen Staatsmänner Afrikas, Präsident Eyadema von Togo, bemüht, ein Staatsbewußtsein zu schaffen, die zum Teil verfeindeten, in langen Generationen durch Stammësfehden miteinander in Hader liegenden Stämme zu einem Staatsbewußtsein zusammenzuführen, das für uns manchmal sogar überspitzt erscheinen mag, das durch für uns nicht mehr übliche Methoden gefördert wird, wenn ich an die „animateurs militants" mit ihrer Rhythmik und ihren Kampfrufen denke. Der Begriff Staat ist dort problematisch. Der Begriff Volk ist noch problematischer. Die Wirklichkeit besteht häufig aus den Stämmen als der realen Gruppierungsmöglichkeit.
Der heutige Zustand ist ohne Zweifel durch mangelnde Vorsorge der Kolonialmächte, durch eine plötzliche Entlassung in die Freiheit bedingt, für die man keine Vorsorge getroffen hatte.
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Vieles von dem, was heute an blutigen Kriegen,
Auseinandersetzungen, aber auch an Not, Elend,
Hunger, Armut und Unterdrückung in Afrika zu finden ist, ist eine Folge der Tatsache dieses unvermittelten Überganges von der Käseglocke des Kolonialzustandes in die Freiheit, wie ich sie einmal wertneutral, zum Teil mit Anführungszeichen versehen, bezeichnen möchte. Die Verantwortungsflucht der Kolonialmächte - einerseits unter dem Druck Moskaus, andererseits unter der Hilfestellung Amerikas zustande gekommen - ist weitgehend schuld an dem Leid, das heute in Afrika schwarze und weiße Menschen trifft.
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Dazu kam als erschwerendes Moment die Einbeziehung Afrikas in eine weltweit operierende Strategie Moskaus. Man darf bei allen diesen Begriffen, Ideen, Denkansätzen, humanitären, kosmopolitischen, philanthropischen Äußerungen, die ich in keiner Weise lächerlich machen will, nicht übersehen, daß in Afrika ein knallhartes Pokerspiel um weltpolitische Machtverteilung stattfindet, ein knallhartes Spiel.
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Da ist die Frage: Wie stehen denn wir in diesem Spiel? Hier genügt es nicht mehr, allein mit Prozenten des Sozialproduktes zu operieren. Hier genügt es nicht, allein ideale Vorstellungen zu entwickeln, optimistische Modelle einer bukolischen Idylle, in der Wolf und Schaf friedlich nebeneinander weiden und gemeinsam vom Schappi leben, das ihnen als Entwicklungshilfe gewährt wird.
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Hier herrschen ganz andere Dimensionen und Einstellungen.
Natürlich gibt es ein schlechtes Gewissen auf der einen Seite, das zum Teil mit Entwicklungshilfe abreagiert werden soll. Auf der anderen Seite gibt es einen vermeintlichen Anspruch auf Entwicklungshilfe als Dauererscheinung. Das ist auch ein gefährlicher Zustand, weil dadurch eine zu lange Anpassung an die Erfordernisse einer arbeitsteiligen industriellen Weltwirtschaft erfolgt.
Es ist leider nicht möglich - ich sage leider oder Gott sei Dank; beides spielt keine Rolle -, Afrika wieder in den Zustand zurückzuführen, in dem die einzelnen afrikanischen Stämme mit ihrer Sprache, mit ihrer Kultur, ihren familiären Zusammenhängen über Jahrhunderte hinweg abseits des Stromes der uns bekannten Weltgeschichte ihr Dasein bestritten haben. Das ist heute in der Form nicht mehr möglich. Ich möchte aber hier aus dem Buche eines Mannes, der wohl dem parteipolitischen Streit entzogen ist, von Leo Frobenius, ein kurzes Zitat bringen. Er sagt:
Für uns hat der Jubel über die Freiheit etwas Erschreckendes. Wir wissen, daß neue Freiheit nichts anderes bedeutet als Wechsel der Dienstbarkeit, daß der Freiheitsjubel schon den Kern einer anderen Stimmung in sich tragen muß, nämlich die Lust zu einer neuen Dienstbarkeit; denn unabhängig ist nichts und niemand, und
je lebendiger das Leben ist, desto stärker ist die Abhängigkeit.
Das gilt für uns Weiße gegenüber Afrika. Das gilt
aber auch für die Schwarzen in Afrika gegenüber
den weißen Ländern in Nordamerika und in Europa.
Lassen Sie mich in dem Zusammenhang auch sagen, daß auch die Vermittlung von Kapital und die Vermittlung von Technik unzureichend sind, wenn nicht ein Mentalitätswandel und eine Überwindung der Stammesgegensätze dazukommen. Solange der Verzicht auf Mentalitätswandel, sogar die Kultivierung dieses Verzichts und die Schürung von Stammesgegensätzen, Mittel der weltpolitischen Auseinandersetzungen sind, läuft das Ganze nicht im Sinne einer friedlichen, freiheitlichen, menschenwürdigen Zukunft, wie wir sie alle anstreben, sondern läuft es in die gegenteilige Richtung.
Ich möchte auch hier einen unverdächtigen Zeugen zitieren, den manche vielleicht auch persönlich kennen, Herrn Houphouet-Boigny, den Staatspräsidenten der Elfenbeinkünste, der laut „Afrikaforum" des Jahres 1975 gesagt hat:
Man nenne mir eine qualitative gleichwertige Arbeitskraft. Ich bin sofort bereit, diesen Afrikaner an die Stelle eines Europäers zu setzen, wo immer dies auch sei. Aber ich muß die Gewähr haben, daß er dem Europäer gleichwertig, wenn irgend möglich sogar überlegen ist. Anders kann ich mein Land wirtschaftlich nicht entwickeln, was so bitter nötig ist. Andererseits würde ich vor allem gegen das Interesse meiner afrikanischen Brüder handeln, die diese Forderung nach Afrikanisierung zu ungeduldig stellen.
So einer der wenigen großen, weisen Staatsmänner des afrikanischen Kontinents, einer, in dessen Land vielleicht die echten Ansätze zu einer parlamentarischen Demokratie, zu einer liberalen Wirtschaftspolitik, zu einer unternehmerisch-privatwirtschaftlich orientierten Wirtschaftsentwicklung vorhanden sind. Darum werden wir mit neuer Weltwirtschaftsordnung oder mit Entwicklungshilfe dieses Problem nie in den Griff bekommen, solange nicht Mentalitätswandel auf der einen Seite und Bereitschaft zur Partnerschaft auf beiden Seiten dem langsam Abhilfe zuteil werden lassen.
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Wir dürfen nicht vergessen, daß wir Europäer mehr als 2 500 Jahre gebraucht haben, wenn man von der griechischen Kultur, der römischen Zivilisation, den Leistungen des Christentums, der romanischen, slawischen und germanischen Völker ausgeht, daß wir für die moderne Technik 500 Jahre gebraucht haben und daß die Japaner trotz ihrer unbestreitbaren Qualitäten immerhin fast ein Jahrhundert - seit 1857 - gebraucht haben, um den Anschluß zu finden. Und von den Schwarzen verlangt man, daß sie in wenigen Jahren oder Jahrzehnten - sozusagen über Nacht - über Jahrhunderte oder Jahrtausende hinwegspringen können.
Es geht hier nicht um die Frage: Bewertet man die Schwarzen als weniger intelligent oder als gleich intelligent? Im Prinzip sind sie genauso intelligent wie
die Weißen. Aber man kann einfach nicht Entwicklungsstufen, für die andere Dutzende von Generationen benötigt haben, durch Entwicklungshilfe, Kapitaltransfer oder gar durch Vermittlung revolutionärer Ideen überspringen.
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Der Mensch ist ja häufig oder meist ein vorwandsuchendes, wunschdenkendes Wesen. Das gilt auch für die Species Mensch, die sich in der Politik herumtreibt. Darum haben Vorwürfe in Schlagwortform eine gefährliche Wirkung gegen eine Zusammenarbeit und Partnerschaft von Schwarzen und Weißen. Für die Selbsterkenntnis, für den Mentalitätswandel, für die Einsicht in die wirklichen Gründe des Wohlstands und in die wirklichen Gründe des Nichtwohlstands ist es einfach hinderlich, wenn man die gesamte Schuld z. B. der kolonialistischen Vergangenheit zumißt, wenn man gegenseitige wirtschaftliche Abhängigkeit als Neokolonialismus bezeichnet, wie es in einer gewissen Propaganda geschieht, wenn man den freien Welthandel als Imperialismus diffamiert und wenn man Arbeitsdisziplin etwa als Verweigerung der Emanzipation betrachtet.
Wir müssen uns vor einer Verschleierung der Wirklichkeit und der materiellen Fehlrechnungen hüten. Das Ganze ist mit der Kampfparole „Tod dem weißen Rassismus" nicht aufzuwiegen, wenn man gleichzeitig einen antiweißen neuen Rassismus oder Befreiungskampf für Südafrika predigt. Das ist kein Gegenstand parteipolitischer Auseinandersetzung oder sollte es jedenfalls nicht sein.
Ich erinnere Sie an die Rede, die ich am Vorabend der KSZE hier gehalten habe. Es ist immer gut, zu lernen, nicht unwandelbar zu sein und sich selber kritisch zu überprüfen. Wenn man an Afrika und die Strategie der Sowjetunion denkt, gab es gute Gründe, zumindest zu versuchen, die Unterschrift unter die Dokumente so lange aufzuschieben, bis Afrika in die Entspannungspolitik einbezogen wird. Das war der Sinn der Ausführungen, die ich damals im Namen der Fraktion der CDU/CSU hier gemacht habe.
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- Das war der Sinn. Wenn Sie nicht lesen können, täte es mir leid. Aber Sie werden sich vielleicht erinnern, daß ich damals von dem drohenden Bürgerkrieg in Angola an dieser Stelle gesprochen und gesagt habe: Was bedeutet Entspannung, wenn an der Flanke Europas und in dem südlichen Ergänzungskontinent zu Europa durch sowjetische Waffenlieferungen ein gigantischer blutiger Bürgerkrieg demnächst ausbrechen wird!
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Wenn ich das nicht gesagt habe, dann leiste ich Ihrer Parteikasse eine bedeutende Spende.
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Mit dem Beispiel, das ich jetzt angeschitten habe, meine ich die Entwicklung des Konflikts in Angola. Es geht um die Fragwürdigkeit des Stichworts „Befreiungsbewegung" oder „Befreiung" an Hand vergangener Geschehnisse und teilweise noch stattfindender Vorgänge.
Damals gab es einen Befreiungskampf von drei schwarzen Freiheitsbewegungen: der MPLA, der FNLA und der UNITA, gegen die Portugiesen von 1961 bis 1975. Dann kam der Rückzug der Portugiesen, noch überstürzter als der der anderen Kolonialmächte. Dann kam es zum Abkommen von Alvor vom 15. 1. 1975 zwischen MPLA, FNLA und UNITA
- mit Namen ausgedrückt Netho, Holden Roberto und Savimbi - und Portugal über die Einsetzung einer Übergangsregierung aus den drei Befreiungsbewegungen und die Durchführung allgemeiner Wahlen im Oktober 1975. Im April 1975 war die Ankunft der ersten kubanischen Truppen zur Unterstützung von Agostinho Netho. Dann kam das Abkommen von Nakuru in Kenia vom 21. Juni 1975
-wiederum zwischen den drei Befreiungsbewegungen - unter der Schirmherrschaft von Yomo Kenyatta über die Durchführung der Wahlen und die Lösung der unmittelbaren Probleme durch die Interimsregierung. Ich zitiere den Kernsatz - der Abkürzung halber gleich auf deutsch -:
Die Befreiungsbewegungen bekräftigen feierlich, auf die Anwendung von Gewalt für die Lösung der Probleme zu verzichten.
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Die unmittelbare Folge war dann der durch sowjetische Waffenlieferungen ermöglichte blutige Bürgerkrieg in Angola, der vom November 1975 - den ersten Anfang habe ich selber in der EtoschaPfanne damals miterlebt - bis zum Januar 1976 dauerte. Es war ein Höhepunkt der kriegerischen Auseinandersetzungen, bei dem die Kubaner und die von den Russen gelieferten Waffen den Ausschlag gegeben haben.
Die Anhänger von zwei Befreiungsbewegungen sind ausgemerzt, grausam verfolgt und blutig unterdrückt worden. Die Amerikaner haben ihr Versprechen damals nicht gehalten, diesen Befreiungsbewegungen zu Hilfe zu kommen - nicht mit Truppen, aber mit Lieferungen -, weil der Kongreß damals Herrn Kissinger, mit dem ich gestern über dieses Probleme noch gesprochen habe, die Gefolgschaft verweigert hat.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Strauß, ist Ihnen entgangen, daß die südafrikanischen Truppen kurz vor Luanda gestanden haben?
Ist Ihnen entgangen, gnädige Frau - wenn ich die Antwort geben darf -, daß diese südafrikanischen Truppen im Einvernehmen mit zwei schwarzen Befreiungsbewegungen einen letzten Versuch gemacht haben, nicht das Land zu erobern, was glatter Blödsinn wäre, wenn es jemand behaupten würde, sondern in diesem Land ein Zusammenwirken der drei schwarzen Befreiungsbewegungen zum Wohle der schwarzen Menschen und zur Erhaltung eines Minimums an Freiheit sicherzustellen?
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Diese Gegend kenne ich persönlich so genau, daß es leider riskant ist, hier Fragen dazu zu stellen.
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Der Sieg der MPLA mit russischen Waffen und mit Hilfe der kubanischen Truppen führte zum Rückzug der beiden anderen Befreiungsbewegungen, von denen eine heute allerdings 40 % des Landes kontrolliert, wobei diese Befreiungsbewegung fast ohne Waffen operieren muß, während die „Regierung" des Landes, als Ergebnis der Befreiungsbewegung an die Macht gekommen, von russischen Waffen unterstützt und kubanischen Truppen unterhalten, nunmehr versucht, einen Ausrottungskrieg gegen die anderen zu führen. Das ist doch leider afrikanische Wirklichkeit. Alles andere ist schönschwätzende Naivität über die Probleme dort.
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Lassen Sie mich ein Wort zu den Vorgängen von Mogadischu sagen. Ich meine jetzt nicht die Vorgänge im Zusammenhang mit der Befreiung der Geiseln. Aber heute morgen ist ja das Thema Somalia ausreichend strapaziert worden. Es ist das Märchen aufgebaut worden, daß der Antrag der CDU/CSU, dieser oder jener somalischen Regierung die Entwicklungshilfe zu streichen, die gute Lösung von Mogadischu glatt verhindert hätte. Sie haben keine Ahnung von den Vorgängen, die sich da unten im Laufe der letzten Monate abgespielt haben.
Die ganze Frage Somalia gehört in den Gesamtbereich der Strategie „Kampf um das afrikanische Horn". Hier hat die Sowjetunion seit langer Zeit versucht, Fuß zu fassen. Ihr ist es zuerst in Somalia gelungen. Fragen Sie frühere Verteidigungsminister wie Herrn von Hassel, wie Herrn Schröder. Ich nehme an, daß Sie auch Herrn Helmut Schmidt und Herrn Leber hiernach fragen können, die dieses Problem aus zahlreichen NATO-Konferenzen oder Geheimbesprechungen sehr genau kennen müssen.
Dann kam etwas hinzu, nämlich die Revolution in Äthiopien. Beide Länder haben Waffenlieferungen bedeutenden Umfangs aus der Sowjetunion erhalten. Die Sowjetunion befand sich vor der unangenehmen Tatsache, daß russische Waffen gegen russische Waffen standen, Somalis mit russischen Waffen gegen Äthiopier bzw. Abessinier, die mit russischen Waffen gekämpft haben. Hier mußte die Sowjetunion sicherlich einmal eine unangenehme Lehre einstecken. Aber man wird doch nicht glauben, daß das für sie das Ende ihrer Strategie in Afrika bedeutet.
Afrika ist durch Waffenlieferungen der Sowjetunion Schauplatz weltpolitischer Auseinandersetzungen im Großmaßstab geworden. Bei dem Krieg, der in den letzten Wochen stattgefunden hat - Somalier auf der einen Seite mit Freischärlern, abessinische Truppen auf der anderen Seite, beide in der Hauptsache mit russischen Waffen ausgerüstet -, mußte die Sowjetunion eine Priorität feststellen. Sie hat zuerst versucht, den Krieg um Ogaden zu ver4048
hindern. Das ist ihr infolge der dort herrschenden Verhältnisse nicht gelungen.
Die Priorität ist heute klar. Die Priorität heißt: 30 Millionen Äthiopier in der zentralen geostrategischen Lage im Herzen Afrikas mit ihrem landbeherrschenden geographischen Verbindungsnetz sind wichtiger als 4 Millionen Somalis. So ist es zu erklären, daß die Somalis finanziell eine stärkere Anlehnung an Saudi-Arabien gesucht und gefunden haben und daß eine Umorientierung der somalischen Politik - finanziell gesehen - vom Zentrum Moskau rauf das Zentrum Saudi-Arabien in den letzten Monaten in zunehmendem Maße erfolgt ist.
Jetzt stelle ich an Sie die Frage: Ist die Bundesregierung bereit und sind die diese Bundesregierung tragenden - ertragenden oder, wie Sie mal sagten, Herr Wehner, schaukelnden - Fraktionen 'bereit, sie dabei zu unterstützen, der somalischen Regierung Waffenhilfe zu geben, wenn - ohne Zweifel in absehbarer Zeit - der abessinische Gegenangriff gegen Somalia stattfindet? Ich müßte die afrikanischen Verhältnisse schlecht kennen, ich müßte keine Ahnung vom Präsidenten General Barre haben, dem zu danken wir allen 'Anlaß haben, wenn er nicht als Gegenleistung für sein Entgegenkommen sich vorstellen würde, daß die Bundesrepublik ihm in der Stunde der Not, die kommen wird, eine massive Hilfe, aber nicht nur in Gestalt von Care-Paketen oder in Gestalt von Lebensmittellieferungen - worauf die zur Zeit weniger Wert legen -, sondern in Gestalt von Waffen geben wird. Dann kommt die Stunde der Wahrheit, in der Sie begreifen müssen, was in Afrika 'auch gespielt wird und was nicht einfach von der Idylle verdrängt werden darf.
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Leider liegen die Prioritäten in Afrika nicht bei der humanitären Hilfe. Leider liegen 'die Prioritäten beim Wunsch nach Waffen. Das ist nicht unser Wunschdenken. 'Das ist eine Feststellung einer an sich bedauerlichen', aber von uns nicht ohne weiteres zu ändernden Tatsache. Ich möchte hierzu keine persönlichen Bemerkungen machen.
Ich möchte aber auf einen anderen Vorgang eingehen. Ich denke 'an die Vorgänge in' Shaba, an die Invasion, die von der Provinz Katanga aus erfolgt ist. Ich war in dem Augenblick, als diese Nachricht beim Staatspräsidenten von Zaire 'bekannt wurde, zufällig mit ihm zusammen auf seinem Boot 'auf dem Fluß, dem ehemaligen Kongo, dem heutigen Zaire. Ich habe mir an erster Stelle den Einblick verschafft über die Hintergründe und Zusammenhänge, die dieser Invasion zugrunde liegen. Ich kann sie hier nicht darlegen; es würde zu lange dauern. Es ist ein schreckliches Stück afrikanischer Wirklichkeit der letzten 15 Jahre, das hier sein letztes Fortsetzungskapitel erhalten hat. Aber was war denn der Zweck dieser Invasion, an der allerdings auch die Politik Zaires infolge früherer Vorgänge nicht unschuldig war? Ich kann das leider nicht in Einzelheiten darstellen. Der Zweck der Invasion war, den in Angola herrschenden kommunistischen Machthabern, die sich heute allerdings nicht mehr so ganz der Gnade Moskaus erfreuen - weshalb man dort den Sturz Nethos versucht, 'aber nicht geschafft hat -, die
reiche Provinz, ehemals Katanga, neuerdings Shaba, zu verschaffen und damit in Afrika südlich des Äquators einen Sperrgürtel zu schaffen, der ausschließlich von 'der Sowjetunion mit ihren Waffenlieferungen und 'ihren Fremdenlegionen beherrscht wird. So wie jetzt auch zur Vorbereitung der Offensive gegen Somalia vor wenigen Wochen oder Tagen 2 000 kubanische Soldaten 'als Voraus'a'bteilung aus Angola nach Äthiopien abgezogen worden sind. Hätten damals nicht die Marokkaner, 'die Ägypter, die weitsichtigen Beduinen Saudi-Arabiens - allerdings mit ihrem Ölreichtum in die Lage versetzt - mit Hilfe der Lufttransportmittel Frankreichs diese Invasion zurückgeschlagen, dann hätte die sowjetische Expansion in Afrika einen großen Sprung nach vorn gemacht. Der Herr Podgorny war doch nicht unten, um dort Weihnachtslieder zu singen. Der Herr Podgorny war doch nicht unten, um Ostergeschenke zu verteilen. Und 'der Herr Podgorny ist nicht zuletzt deshalb gestürzt worden', weil man ihm den Rückschlag in Shaba als Erfolglosigkeit seiner Afrika-Mission angelastet 'hat.
Ist die 'Bundesregierung bereit, in Zukunft, wenn solche Krisen kommen, gemeinsam mit unserem französischen Nachbarn - ich rede nicht von Abenteuer, ich rede nicht von Expedition und ähnlichen Dingen; ich weiß, was das heißt - auch dann Verantwortung in Afrika zu übernehmen, wenn man gegen den Strom der Weltmeinung schwimmen muß, wenn man sich die Kritik der UNO zuziehen kann und wenn man um der europäischen Sicherheit und der Freiheitsinteressen Afrikas willen auch einmal ein gewisses Risiko auf sich nehmen muß? Das ist eine entscheidende Frage, entscheidender als manches, was heute hier gesagt worden ist.
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Erlauben Sie mir, nunmehr zu dem Komplex der Befreiungsbewegungen zu kommen, bevor ich eine abschließende Würdigung vornehme. Frau Kollegin Schlei ist mir böse, Herr Kollege Bahr ebenfalls; das muß ich tragen. Ich habe in einem Interview in Kanada gesagt: Die materielle Unterstützung von Befreiungsbewegungen - auch wenn diese materielle Unterstützung -als humanitäre Hilfe ausgegeben wird, was der Geber meistens glaubt, was der Empfänger aber anders versteht - sei Beihilfe zum Mord. Ich behaupte nicht, daß hier subjektiv Beihilfe zum Mord begangen wird. Das habe ich nie geglaubt. Aber ich bin davon überzeugt, daß es sich objektiv so auswirkt. Das sage ich der Ehrlichkeit halber auch hier als meine Meinung, weil ich die Verhältnisse dort unten kenne.
Kollegin Schlei sagt: Ich möchte nicht, daß man Freiheitsbewegungen als terroristische Vereinigungen bezeichnet. Man soll sich doch nicht durch das Wort oder die Bezeichnung täuschen lassen. Es kann sich auch um eine Mogeletikette handeln. Was heißt da „Befreiungsbewegungen"? Das heißt noch lange nicht, daß diejenigen, die unter der Etikette laufen, auch tatsächlich denen, die sie angeblich befreien wollen, die Freiheit bringen werden. Die Wirklichkeit ist doch in vielen Fällen ganz anders.
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Herr Bahr sagt wörtlich: „Wenn jemand sagt aus welchen Gründen auch immer -, er wolle dort einen kommunistischen Weg einschlagen, dann soll er es tun." Es kann doch nicht jeder für sich allein die Politik seines Landes bestimmen. Aber wie will man denn feststellen, ob eine Mehrheit der Schwarzen den kommunistischen Weg wünscht, wenn man den Schwarzen überhaupt keine Möglichkeit verschafft, ihren Mehrheitswillen ausdrücken zu können, wenn sie dem Terror und den Schrecken der Zukunft ausgeliefert sind, bevor sie überhaupt ihre freie Meinung sagen können?
Wenn Herr Kollege Bahr sagt, die Übergänge von Nichtwaffenunterstützung zu militärisch nutzbarer Unterstützung seien sehr fließend und Funkgeräte und geländegängige Kraftfahrzeuge könnten von der Bundesrepublik durchaus als humanitäre Hilfe geliefert werden, so ist das nicht mehr humanitäre Hilfe, sondern Unterstützung von Gewalttaten, deren Opfer zu 95 Prozent die Schwarzen in diesen Ländern sind.
({6})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man von Befreiung spricht, muß man wissen, daß nach der Befreiung eine neue Herrschaft kommt. Ein herrschaftsloser Zustand ist unmöglich. Wer davon träumt, ist ein Narr, und wer es mit Gewalt verwirklichen will, ist ein Verbrecher. Dafür haben wir zur Zeit Beispiele genug. Hier stellt sich die Frage: Ist die neue Herrschaft besser oder schlechter als die alte Herrschaft? Ich bin nicht dafür, alles so zu lassen, wie es ist. Da würden Sie mich völlig verkennen. Aber man muß die weitere Frage stellen: Nach welchen Kriterien soll beurteilt werden, ob die neue Herrschaft besser oder schlechter ist? Ist das Kriterium die unkontrollierte Machtausübung und schamlose Bereicherung einer kleinen, selbst ernannten, gewalttätig wirkenden Elite? Oder ist das Kriterium die Freiheit der Entwicklung und der soziale und bildungsmäßige' Aufstieg der breiten Massen der schwarzen Bevölkerung? Auch das ist ein Kriterium, über das einmal ernsthaft nachgedacht werden muß.
({7})
Ich sage es nicht pathetisch, weil ich unsere schwarzen Nachbarn- so kenne, wie sie nun einmal sind. Ich habe viele Tage mit ihnen in der Tete-Area, auch mit schwarzen Truppen, in einem Einsatzgebiet gelebt. Ich war mit ihnen im Dschungel und im Busch unterwegs ohne einen einzigen Weißen. Ich wäre ihnen hilflos ausgeliefert gewesen. Ich weiß aus vielen Begegnungen, was sie denken, fühlen und sagen. Unsere schwarzen Brüder haben das göttliche und menschliche Recht, eine Befreiung zu erhalten, die eine wirkliche Befreiung darstellt. Sie ist durch den Ablauf und durch das Ende des Entkolonialisierungsprozesses weitgehend verhindert worden.
Sie mögen sagen, was Sie wollen: Swapo oder Patriotische Front sind Terrororganisationen und keine Befreiungsbewegungen.
({8})
Es ist doch der Gipfel der Blindheit, der Naivität,
der Heuchelei, der Selbstzerstörung, terroristische
Bewegungen anzuerkennen und legitime Häuptlinge als Kollaborateure zu verleumden. Afrika ist kein Exerzierfeld für pervertierte Vorstellungen von parlamentarischer Demokratie. In Afrika ist die amerikanische Lebenslüge von der Brauchbarkeit der parlamentarischen Demokratie in allen Kontinenten, zu allen Zeiten, in allen Entwicklungsphasen leider mit sehr kurzen Beinen eines frühen Todes gestorben.
({9})
Was würden Sie sagen, wenn ich Ihnen hier sage:
Man . hat bei uns wohl kaum noch das Recht, sich über Terroraktionen im eigenen Lande zu empören, wenn man solche Aktionen in einem anderen Lande dadurch legimitiert, daß man ihren terroristischen Urhebern durch Empfänge in den auswärtigen Ämtern und Ministerien einen offiziösen Status verleiht.
({10})
Unbeabsichtigt legitimiert man auf diese Weise einen internationalen Terrorismus, für dessen Bekämpfung man gleichzeitig immer mehr Kräfte verschleißt.
Das findet Ihren Beifall nicht, sollte es aber. Es stammt von dem Sozialdemokraten Heinz Dietrich Ortlieb. Ich habe nur nicht gesagt, daß das ein Zitat ist.
({11})
Es ist ein wörtliches Zitat aus seinem Buch: „Was wird aus Afrika?" Das ist immerhin ein Mann, der wahrscheinlich seit 40 Jahren das Parteibuch Ihrer Partei trägt, der die Verhältnisse als Leiter des Weltwirtschaftsinstituts in Hamburg, als Ordinarius für internationale Wirtschaftsordnung sehr genau kennt und der den Mut hat, auch einmal gegen Tabus seine Meinung als Wissenschaftler und als Bürger und Demokrat zu sagen.
({12})
Aber er ist der Typ Sozialdemokrat wie Weichmann, der zur Zeit in den opportunistischen Rängen oder unter den linken Systemveränderern der SPD nicht mehr sehr gefragt ist.
Lassen Sie mich zu den drei südafrikanischen Ländern, die Gegenstand unseres Papiers sind, das mein Kollege Marx am Ende der Debatte im einzelnen vortragen und begründen wird, etwas sagen.
Zunächst zu Rhodesien. Wir haben nichts zu tun und dürfen nichts zu tun haben mit der britischen Empfindlichkeit oder mit der Wut der Labour-Politiker wegen der seinerzeitigen Abfallerklärung von Ian Smith: Unilateral declaration of independence. Das ist nicht unsere Sache, das ist für uns nicht bestimmend. Ich mache hier auch vom-Recht der Rede als Parlamentarier Gebrauch, wenn ich sage: Der Owen-Plan bringt keine Befreiung, sondern er ist ein Freibrief für Mord, Totschlag und Unterdrükkung,
({13})
und zwar nicht so sehr der weißen, sondern der schwarzen Bevölkerung.
({14})
Ich darf hier einmal ein persönliches Wort sagen. Es hat keinen Sinn, in der Öffentlichkeit zu wirken, sich dafür Lorbeeren erwerben zu wollen, wenn man die Verhältnisse so ändern will, daß am Ende etwas herauskommt, das man vor dem eigenen Gewissen verantworten kann. Vielleicht sage ich nur ein Jota zuviel. Seit Jahren bemühen sich manche - und ich gehöre zu ihnen -, im unmittelbaren Gespräch oder im brieflichen Verkehr auf Herrn Vorster und Herrn Smith einzuwirken, im ersten Falle um die little Apartheid abzuschaffen, was weitgehend erfolgt ist, im zweiten Falle, um die Verfassungsreform vorzubereiten, und im ersteren Falle nochmals um die Gesamtpolitik der Apartheid so umzuwandeln, daß ein bevölkerungsgruppenmäßiger Bundesstaat entstehen kann; denn die Probleme - das sage ich heute nicht zum erstenmal - einer vielrassigen Gesellschaft können nicht durch „One man-one vote" gelöst werden. Am Ende bleiben nur Blut, Trümmer, Rauch und Tränen übrig, aber weder Befreiung noch eine neue tragbare Ordnung.
({15})
Im Zusammenhang mit Rhodesien muß man zum Owen-Young-Plan fragen: Hat der Urheber dieses Planes jemals die Wirklichkeit kennengelernt? In diesem Plan wird verlangt, daß die gegenwärtigen rhodesischen Streitkräfte bis auf einige akzeptable Einheiten aufgelöst werden und an ihrer Stelle eine Zimbabwe-Armee, bestehend aus den Befreiungsbewegungen, in der Hauptsache die Patriotic Front, gebildet werden soll. Das heißt, daß die Macht über das Land sozusagen auf dem Teller dieser Patriotischen Front angetragen und daß der dann aus Wahlen hervorgehende Präsident von allen respektiert werden soll. In Rhodesien wird kein Präsident frei gewählt werden, wenn die Patriotische Front, wie sie heißt, und andere Bewegungen vorher die. militärische und polizeiliche Macht in die Hand bekommen.
({16})
Wenn heute in Rhodesien freie Wahlen stattfinden - und das muß unser Ziel sein, es dahin zu bringen -, dann wird mit 70 % Mehrheit Bischof Muzorewa gewählt, weitere 15 % kann Herr Sithole erhalten, und sämtliche Befreiungsbewegungen zusammen erhalten höchstens 15 %. Was macht ein Bischof als Präsident, der keine Armee hinter sich hat, weil man Armee und Polizei mit allen Waffen vorher gewalttätigen Organisationen übergeben hat?
({17})
Afrika müßte nicht Afrika sein, wenn dann nicht als unmittelbare Folge ein grausiger gegenseitiger Vernichtungskrieg - nicht gegen Muzorewa; der hätte mit 70 °/o ohne Armee und ohne Polizei gar nichts zu sagen - zwischen Mugabe und Nkomo, den Führern der beiden Befreiungsfronten, ausbrächen. Dann kann einer der beiden gewinnen, wie es in Angola der Fall war. Oder es kommt ein Offizier, der eine neue afrikanische Militärdiktatur nach dem bekannten Strickmuster errichtet. All das dient nicht der Befreiung der Menschen. Es dient nur der Schaffung neuer Privilegien, der Ausbeutung und Unterdrückung der überwiegenden Mehrheit der Schwarzen und der Verhinderung ihres sozialen und politischen Aufstiegs.
({18})
Man muß einmal die Wahrheit über diese Länder an Hand der Fakten, an Hand der Wirklichkeit zur Kenntnis nehmen.
Heute morgen vernahm ich in einigen Reden etwas über Grausamkeiten der rhodesischen Streitkräfte. Ich bin der allerletzte, der behaupten würde, daß in einem Krieg die einen mildtätig und die anderen grausam sind. Hier ist allerdings zu sagen: die Mehrheit der rhodesischen Streitkräfte besteht aus schwarzen Truppen, nicht aus weißen Truppen. Ich habe Herrn Smith dringend empfohlen, schwarze Offiziere bis zum Rang von Generälen einzusetzen, um die Gleichberechtigung von Weiß und Schwarz auch in den Streitkräften zum Ausdruck zu bringen, eine Sicherheitsmacht, eine Sicherungsstreitkraft für den Übergang zu einer black majority rule zu ermöglichen, den wir ja wollen.
Wenn ein Krieg geführt wird, wird leider gehobelt, und wo gehobelt wird, fallen Späne. Aber es ist einfach ein Witz, um nicht zu sagen, eine makabre Lüge, zu behaupten, daß diese Anschläge - ich könnte sie namentlich nennen -, deren Opfer zu 95 % Schwarze waren, von rhodesischen Sicherheitsstreitkräften verübt worden seien. Auch die Zeugnisse der örtlichen Geistlichkeit, nicht entfernt sitzender bischöflicher Würdenträger, lauten ganz anders, nämlich daß es sich hierbei um kommunistischen Terrorbewegungen handelt, die das Christentum ausrotten, die Schwarzen unterdrükken, die Weißen vertreiben und dort ein revolutionäres Regime marxistischer Vorstellungen errichten wollen. Das ist die Wahrheit über diese Fronten.
Ähnliches gilt, wenn auch mutatis mutandis - ich kann das leider nicht mehr ausführen -, für Südwestafrika und - allerdings anders - für Südafrika. In Südwestafrika und in Rhodesien müssen wir dahin wirken, daß die Verfassungsreform organisch vorangetrieben wird. Wir müssen dahin wirken, daß es ein friedliches Nebeneinander, aber mit Sicherheitsgarantien, gibt. Wir müssen dahin wirken, daß dort eine black majority rule, aber mit Schutz der Minderheiten, entsteht. Was macht dieses Parlament, was macht die Bundesregierung, wenn Sie hier über den Schutz von Minderheiten reden, aber die Minderheiten eines Tages verfolgt und ausgerottet werden? Dann genügt es nicht, einen Gottesdienst für sie zu bezahlen. Dann haben wir alle schwere Schuld auf uns geladen.
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Schließlich sollte man bei allem Ärger und bei aller Empörung - echter oder vermeintlicher - über die Vorgänge in Südafrika auch nicht vergessen, daß es ein vielrassiger Staat ist, in dem die Formel „one man - one vote", auf das ganze Staatsgebiet gleichermaßen angewandt, das Chaos und keine Ordnung bringt, weder Freiheit noch Gerechtigkeit bringt und die Errungenschaften der weißen Zivilisation, die auch ein Ergebnis der Arbeit der Schwarzen sind, allmählich wieder zerstampft.
Man sollte auch - das ist meine herzliche Bitte an die Massenmedien in Deutschland - über die Vorgänge der letzten Tage keine falschen Informationen verbreiten. Ich könnte Ihnen ein Flugblatt vorlesen, bei dessen Verteilung ein „Bürgerrechtskämpfer", wie er genannt wird, erwischt worden ist. Ich könnte Ihnen vorlesen, wozu darin aufgerufen worden ist. Ich möchte Ihnen nur eine ganz kleine Kostprobe davon geben:
Die unterdrückten Massen in Mozambique und Angola haben uns den Weg gezeigt, wie man ein unterdrückerisches Regime stürzt. Alle Arbeiter, Ladenbesitzer, Schüler, Lehrer, Angestellten, Krankenschwestern, die gesamte schwarze Gemeinschaft müssen Solidarität zeigen, am 18. August zu Hause bleiben. Jeder muß schwarze Kleidung tragen. Wo immer Sie sind, organisieren Sie sich in Gruppen, um mit jenen fertig zu werden, die sich nicht an diesen Appell halten! Schlagen Sie sie, verbrennen Sie ihre Bücher, ihre Autos, ihre Läden! Zeigen Sie keine Grade gegenüber den Informanten oder anderen Kollaborateuren! Sie müssen alle getötet werden. Schreie müssen zu hören sein, brennende Männer müssen zu sehen sein, Menschen mit geballten Fäusten, Leichen auf den Straßen, grün und blau geschlagene und blutende Menschen! Dann wird es Freiheit geben.
Das ist die wörtliche Übersetzung dieses Flugblattes, wegen dessen Verteilung derjenige, der im Hungerstreik gestorben ist, in Haft genommen worden ist. Aus einem gleichen oder ähnlichen Grunde sind auch die Verbote von Organisationen und Zeitungen erfolgt. Ich rechtfertige nicht die Politik der Apartheid - dann würden Sie mich völlig falsch verstehen -, aber wir müssen endlich bestimmte Dinge lernen.
Wir müssen lernen, den Regierungen, die dort regieren, den Weg zu weisen, sie in die Richtung des organischen Fortschrittes, der Verfassungsreform zu lenken; aber das erreichen wir nicht, wenn wir sie unter Druck setzen, wenn wir ihnen drohen. So wahr wie ich hier stehe - ich wage, es Ihnen zu sagen -: Wenn hier nicht eine Änderung der englisch-amerikanischen, aber auch unserer Politik erfolgt, wenn wir nicht unseren wirtschaftlichen, politischen, technischen Einfluß aufbieten, um den Weg der Partnerschaft, der Kooperation, der Gleichwertigkeit, wenn auch nicht der formalen Gleichheit zu gehen, dann werden wir in Südwestafrika und in Rhodesien lange blutige Auseinandersetzungen mit der Ermordung und dem Exodus der Weißen, mit der Unfreiheit der Mehrheit der schwarzen Bevölkerung haben. In Südafrika - verzeihen Sie mir dieses horrible dictum - werden wir dann einen Bürgerkrieg von so ungeheuren Ausmaßen haben, daß der Vietnamkrieg mit seinen Schrecken dagegen verblaßt.
({20})
- Herr Ehmke, darüber sollte man nicht spotten; da hört der Spott auf, wenn es hier um 20 bis 25 Millionen Menschen geht.
({21})
Hier liegt unsere Aufgabe, und hier müssen wir bereit sein, neben schönen Reden nicht nur mit wirtschaftlicher Hilfe, mit- idealistischen Verfassungsmodellen, sondern notfalls durch Sicherheitsgarantien dafür zu sorgen, daß alle Menschen in diesem Raum, weiß, farbig und schwarz, friedlich zusammen leben können. Dann haben wir unsere Pflicht erfüllt; sonst haben wir vor der Geschichte versagt.
({22})
Das
Wort hat der Herr Abgeordnete Bahr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dieser Rede des Abgeordneten Strauß sehe ich allerdings nur noch sehr begrenzt die Möglichkeit einer einheitlichen oder gemeinsamen Entwicklungspolitik; denn hier trennen uns Abgründe,
({0})
Ich wäre dem Außenminister sehr dankbar, wenn er alles in seiner Kraft Stehende tut, um zu verhindern, daß diese Rede bei den Vereinten Nationen gelesen und verteilt wird.
({1})
Man sollte davon nämlich nicht auf die Haltung dieses Landes zurückschließen.
({2})
Wer das noch nötig hatte, hat also durch Herrn Dr. Strauß gelernt, daß Podgorny nicht nach Afrika gefahren ist, um Weihnachtslieder zu singen. Wir haben heute jedenfalls gelernt, daß Herr Strauß dort nicht nur Großwild jagt, sondern sich dabei auch zu einem Afrikaexperten entwickelt.
({3})
Dabei stellen wir fest, daß er den Präsidenten eines afrikanischen Landes, in dem es auch nur eine Partei gibt, in dem es auch ein Militärregime gibt, einen liberalen Staatsmann nennt. Das ist allerdings etwas, was vor einiger Zeit aus Ihren Reihen der CDU/CSU noch nicht zu hören gewesen ist.
({4})
Im übrigen hat der Kollege Strauß heute in einem bestimmten Zusammenhang davon gesprochen, daß es eine Beleidigung der Gebrüder Grimm sei, wenn man das eine oder andere behaupte. Was Sie aber, Herr Strauß, heute über Entwicklungs- und Rohstoffpolitik der Bundesregierung gesagt haben, stellt Sie neben die Gebrüder Grimm, wenngleich deren Märchen schöner sind.
({5})
Es ist einfach nicht wahr, daß ich in Nairobi andere Grundsätze vertreten habe als der Kollege Friderichs. Es ist einfach nicht wahr, daß wir private Investitionen in Entwicklungsländern als ein notwendiges Übel betrachtet haben oder als Aus4052
nahme und Sündenfall. Wahr ist, daß wir die Möglichkeiten zur Unterstützung privater Investitionen in den Entwicklungsländern über die Deutsche Entwicklungsgesellschaft verdoppelt haben. Es ist effektiv eine falsche Front, wenn man so tut, als hätte diese Bundesregierung oder ihre Vorgänger nicht immer die Auffassung vertreten, daß auch private Investitionen, wenn sie im Interesse der Entwicklungsländer liegen, willkommen sind als Hilfe für Entwicklung. Dies muß einfach klargestellt werden.
Im übrigen gibt es einige Grundelemente der deutschen Außenpolitik. Dazu gehört, daß wir für das Selbstbestimmungsrecht eintreten, dazu gehört, daß wir für Gewaltverzicht eintreten,
({6})
und dazu gehört, daß wir kein nationales Ziel als so hoch ansehen, als daß wir es anders als mit friedlichen Mitteln anstreben. Außerdem sind wir Demokraten, d. h., wir sind dafür, daß die Mehrheit entscheidet und daß Minderheiten in der Sicherheit ihrer Rechte die Entscheidung der Mehrheit akzeptieren.
Diese Grundelemente sollten wir auch für unsere Außenpolitik gegenüber dem südlichen Afrika anwenden. Auch dort haben die Völker ein Recht auf Selbstbestimmung. Wir alle kennen Kollegen aus diesem Hause, denen das Wort „Selbstbestimmung" geläufig ist, wenn es um unsere Wünsche geht, die es aber aus ihrem Wortschatz verlieren, sobald sie den Boden der Republik Südafrika betreten.
({7})
Die deutsche Außenpolitik würde unglaubwürdig, wenn sie das Prinzip der Herrschaft der Mehrheit nicht auch dort unterstützte, wo die Mehrheit unterdrückt wird. Das gilt auch und gerade für Namibia und Zimbabwe, den Relikten aus einer Kolonialzeit, die geschichtlich zu Ende ist.
Seit einer Reihe von Jahren verfolgen wir die Bemühungen, das illegale Regime in Rhodesien durch Verhandlungen abzulösen und durch eine rechtmäßige Herrschaft der Mehrheit zu ersetzen. Wir haben gesehen, mit welcher Geduld unsere Verbündeten, insbesondere die Vereinigten Staaten und Großbritannien, bemüht gewesen sind und bemüht bleiben, eine friedliche Regelung in letzter Stunde herbeizuführen; wir hoffen auch jetzt noch, daß es gelingt, Blutvergießen und Grausamkeiten zu beenden, deren sich beide Seiten schuldig machen, wobei es für den Betroffenen keinen Unterschied macht, ob die einen in Verblendung ein illegales Regime verteidigen und die anderen darum kämpfen, ihr Recht zu verwirklichen. Aber, meine Damen und Herren, rhodesische Truppen, wie wir das eben gehört haben, als Kriegführende zu bezeichnen und zu sagen „Wo gehobelt wird, fallen Späne" und Befreiungsbewegungen als Terroristen zu bezeichnen, das ist ein politischer Striptease, und wenn man ihn verfolgt, ist das, was man sieht, nicht mehr schön.
Es ist logisch richtig und zu begrüßen, daß die Bundesregierung Befreiungsbewegungen unterstützt, auch in diesem Fall unter Anwendung ihres Grundsatzes, keine Waffen zu liefern. Auch wenn Menschen, die keinen anderen Weg mehr als den der Gewalt sehen, um für ihre Befreiung zu kämpfen, in erster Linie nach Waffen rufen und sie nehmen, woher sie sie bekommen - zuweilen werden sie ihnen sogar aufgedrängt -, sollten wir an dem Grundsatz, keine Waffen zu liefern, festhalten. Aber unsere humanitäre Hilfe, unsere Hilfe bei der Ausbildung und vielleicht auch die Hilfe in Form von Material ist wirklich als Parteinahme und Hilfe gedacht. Es ist eine Hilfe, damit andere ihr Selbstbestimmungsrecht verwirklichen.
Wenn Herr Strauß eben gesagt hat, daß wir damit natürlich indirekt auch Mittel für Waffen freimachen, die sonst für andere Zwecke gebunden wären, so sage ich auch dazu ja; denn wenn man nein sagen würde, müßte man Hilfe an Befreiungsbewegungen eben prinzipiell ablehnen.
({8})
Es gibt schlechterdings keine Hilfe, die nicht auch Beteiligung an einem gerechten Kampf mit friedlichen Mitteln darstellt. Die Sozialdemokratische Partei ist auch in diesem Falle gegen Neutralität.
({9})
Einige Mitglieder dieses Hauses haben der Bundesregierung - Bundesminister Schlei im besonderen, aber auch mir - vorgeworfen, unsere Haltung bedeute eine Unterstützung von Terroristen, sie sei eine Beihilfe zum Mord und verbrecherisch.
({10})
Sie haben das eben noch einmal bestätigt. Zunächst einmal möchte ich versuchen zu klären, ob wir uns über einige Begriffe einig werden können.
({11})
Daß das Smith-Regime, das sich gegen die friedliche Umwandlung von Rhodesien in Zimbabwe verweigert, illegal ist, sollte nicht einmal mehr von der CDU/CSU bestritten werden.
({12})
Aber wenn es der Opposition auch schwerfällt, den Standpunkt nicht nur der Vereinigten Staaten, sondern auch der Europäischen Gemeinschaft und der ganzen Völkerfamilie zu teilen, dann sollte sie sich im Interesse unseres eigenen Landes davor hüten, einen gerechten Kampf dort auch nur verbal mit terroristischen Verbrechen hier gleichzusetzen.
({13})
Das ist nämlich nicht nur eine Verleumdung von Befreiungsbewegungen, sondern eine Unterstreichung jener Irrsinnsformulierungen von Terroristen, die bekanntlich vorgeben, unser „System der Unterdrückung" zerstören zu müssen.
({14})
Es bleibt dabei, was der Bundeskanzler gesagt hat: Der Mord, bei dem behauptet wird, er diene einem politischen Zweck, bleibt nichtsdestoweniger Mord.
({15})
Aber Sie können Mord und Terrorismus hier nicht gleichsetzen mit einem gerechten Befreiungskampf. Sie dürfen Kampf gegen das illegale Smith-Regime
({16})
nicht vergleichen mit dem Kampf gegen die legale Schmidt-Regierung.
({17})
Aber auch wenn wir uns über diese Begriffe nicht einig würden, dann sollte die Opposition nicht nur das solidarische Handeln der Demokraten beschwören, sondern auch beim demokratischen Stil Solidarität wahren und sich für Entgleisungen entschuldigen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jäger?
Ja, bitte.
Herr Kollege Bahr, sind Sie bereit, die Grundsätze, die Sie eben für Afrika formuliert haben, auch auf die Situation in Staaten und bei Völkern anzuwenden, deren Regime kommunistisch ist und von Moskau militärisch ausgehalten wird?
Herr Kollege Jäger, es kann ja sein, daß wir uns auch in diesem Punkte unterscheiden: Ich mache keinen Unterschied zwischen der Vertretung von Menschenrechten da und dort, im Westen, im Osten, im Norden, im Süden.
({0})
- Ja, natürlich.
({1})
- Ich habe das nicht verstanden.
({2})
- Nein, dafür bin ich nicht.
({3})
- Ja, das war ein Mißverständnis.
Ich möchte allerdings nach dem, was Herr Strauß gesagt hat, hinzufügen, daß die britische Regierung dann praktisch auch einen Freibrief für Morde gibt, also nicht nur die Bundesregierung, sondern auch die britische Regierung eine Mörderbande und eine Verbrecherbande ist. Da fühlen wir uns allerdings in guter Gesellschaft.
In der Republik Südafrika haben wir es mit einer Situation zu tun, die sich in einer Reihe von Faktoren von Zimbabwe und Namibia unterscheidet Das gilt vor allem für die Tatsache, daß die weiße Minderheit dort stark ist, so stark, daß das Problem nicht nur durch eine bloß schematische Anwendung des Prinzips, daß jeder Mensch eine Stimme hat, gelöst werden kann. Dazu bedarf es zusätzlicher Faktoren; denn es ist eben unbestreitbar, daß es in Südafrika weiße Afrikaner gibt und die Welt vor dem Problem steht, ein friedliches Zusammenleben einer mehrrassigen Gesellschaft zu schaffen. Aber schon dieses Ziel verlangt die Ächtung und Abschaffung der südafrikanischen Rassenpolitik. Es war eine Entgleisung besonderer Qualität, als der Kollege Todenhöfer in der 35. Sitzung des Deutschen Bundestages das Prinzip „one man - one vote" als Aufforderung zur politischen Selbstaufgabe bezeichnete, die niemand ernsthaft von der weißen Bevölkerung Südafrikas verlangen könne. Wenn die Regeln einer mehrrassigen 'Gesellschaft festgelegt sind, dann kann es nur nach dem Prinzip „one man - one vote" gehen.
({4})
Herr Abgeordneter Bahr, würden Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Todenhöfer gestatten?
Im Augenblick nicht,
({0})
ich bin gerade mitten in einer Überlegung. - Wer das ablehnt, verteidigt im Grunde die unmenschliche Politik der Apartheid.
({1})
Niemand verlangt von den Weißen ihre Selbstaufgabe in Südafrika; aber wenn sie der schwarzen Mehrheit die Menschenrechte verweigert und selbstherrlich auf unhaltbaren Vorrechten beharrt, wird diese weiße Minderheit eines Tages um ihre Selbstbehauptung kämpfen müssen; dann wird genau das eintreten, was zu verhindern unser Ziel sein muß, nämlich ein schrecklicher und blutiger Rassenkampf. Wir sind uns in diesem Hause mindestens verbal einig nicht nur in der Verurteilung des Apartheidregimes, sondern auch in der Einschätzung, wie ich hoffe, daß in Südafrika Menschenrechte ständig verletzt werden.
Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten nach dem „Pressedienst des Sekretariats der deutschen Bischofskonferenz" zitieren, der am 14. Mai vergangenen Jahres nach der sehr stark beachteten ersten Reise des Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz nach Südafrika folgendes geschrieben hat:
Kardinal Döpfner hat vor der deutschen Gemeinde in Johannisburg gepredigt und ist dabei ausführlich eingegangen auf die Ungerechtigkeit und Unmenschlichkeit in Südafrika, wie
sie die Bischöfe von Südafrika in ihrem „Aufruf an das Gewissen" 1972 mutig beim Namen genannt haben: „In der kurzen Zeit meines Aufenthalts in Südafrika und bei meinem Besuch in den townships ({2}) und compounds ({3}) und in Gesprächen mit den schwarzen Afrikanern habe ich sehen und erkennen müssen, welche Ungerechtigkeit und Unmenschlichkeit viele Menschen in diesem Lande erfahren müssen. Darum unterstütze ich nachdrücklich den ,Aufruf an das Gewissen' der südafrikanischen Bischöfe von 1972."
Der Kardinal forderte die Anwesenden auf, die traurige Lage im Lande so zu sehen, wie sie tatsächlich sei. „Solange das Übel existiert, darf niemand ruhen. Es wäre das größte Übel von allen, sein Vorhandensein zu ignorieren. Wenn die Gerechtigkeit es verlangt, muß ein Christ den Mut zum Handeln haben, auch wenn das, was er zu erreichen hofft, sein ganzes Leben verändern könnte. Zum Bekenntnis muß das Zeugnis der Tat kommen."
({4})
Er hat hinzugefügt: „Allein die Verwirklichung von Gerechtigkeit und Menschlichkeit macht eine friedliche Entwicklung möglich."
({5})
Der Kardinal hat übrigens nach seiner Rückkehr in die Bundesrepublik erklärt, es würde sich lohnen, wirklich mit dem letzten Einsatz aller möglichen Mittel zu erreichen, daß sich eine Lösung findet, die nicht in der Gewalt endet.
Mit dem Wissen um das, was in Soweto geschehen ist, und mit dem Wissen um die zusätzlichen Unterdrückungsmaßnahmen der südafrikanischen Regierung wird niemand die Bischöfe mit ihrer Forderung, im Interesse der Gerechtigkeit den Mut zur Tat und zum Handeln zu haben, als geistige Urheber oder Anstifter der blutigen Auseinandersetzung oder als Sympathisanten von Terroristen, Herr Strauß, diffamieren dürfen.
({6})
Hier ist nur eingetreten, was voraussehbar war.
Ich habe noch als Bundesminister dem Kardinal für seine Bereitschaft gedankt, Verantwortung für das künftige europäisch-afrikanische Zusammenleben mit zu übernehmen, nachdem er sich durch das, was er gesehen und erfahren hat, so tief hat beunruhigen lassen. Ich habe ihm versichert, daß die Bundesregierung auch weiterhin bereit sein werde, das zu unterstützen, was zugunsten der farbigen Bevölkerung in der Republik Südafrika und in Rhodesien über die Kirchen getan wird. Wenn man so will, ist auch das, was die Kirchen machen - ich könnte entsprechende Hinweise auf die gleiche Haltung der evangelischen Kirchen geben -, Hilfe für die Befreiung der dortigen unterdrückten Mehrheit.
({7})
In der Position, die Herr Strauß heute vertreten hat, und in dem Positionspapier der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zur Politik gegenüber dem südlichen Afrika - ebenfalls heute verteilt - wird vor einer lautstarken Einmischung in die inneren Angelegenheiten im südlichen Afrika gewarnt.
({8})
Ich möchte dazu noch einmal Kardinal Döpfner zitieren:
Entschieden wandte sich der Kardinal gegen das Mißverständnis, seine Äußernungen könnten als Einmischung in die Politik verstanden werden. „Die Bischöfe haben völlig zu Recht darauf hingewiesen, daß es sich bei ihrem Einsatz für Gerechtigkeit und Menschlichkeit nicht um die Einmischung in Politik handelt. Hier geht es um die Verkündigung des Evangeliums, um den Einsatz für die elementarsten Rechte des Menschen. Wir würden unsere Pflichten verletzen, wenn wir schweigen würden."
({9})
Das Positionspapier der Opposition ist nicht nur in diesem Punkt ein Dokument dafür, wieweit sich die CDU/CSU sogar von der Haltung der beiden Kirchen in unserem Lande entfernt hat.
({10})
Es ist den Unionsparteien offenbar nicht einmal bewußt, daß sie mit einer Reihe ihrer Forderungen die Haltung der Kirchen angreifen.
Einseitige Parteinahme, durch welche die Kirchen in die Verquickung mit Gewalt geraten,
- so heißt es in Ihrem Papier gefährdet den kirchlichen Auftrag der Versöhnung aller Menschen.
Diese Formulierung verkennt die Entwicklung, die besorgten Warnungen beider Kirchen vor einer Situation, wie sie heute dennoch eingetreten .ist, in der die absolute Trennung zwischen dem Eintreten für Menschenrechte und Gerechtigkeit, für Freiheit und Menschenwürde und Gewalt nicht mehr chemisch rein vorzunehmen ist, weil brutale Gewaltanwendung eben durch die Apartheid-Regierung geschieht. Wenn ich der Opposition in den Worten von Franz Josef Strauß einen Rat geben darf, so ist es der: „Wenn man nichts davon versteht, sollte man in diesen Fragen das Maul halten, statt die Welt noch weiter in Verwirrung zu bringen."
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Die Opposition warnt vor Selbsttäuschung und Irreführung. Sie selbst erliegt diesen Untugenden, weil sie nicht zur Kenntnis nimmt, daß die Chance zu einer friedlichen Entwicklung, daß die Chance, eine Selbstbestimmung durchzusetzen, die mehr ist als ein Etikett für neue Abhängigkeiten, nur besteht, wenn Befreiungsbewegungen unterstützt werden und wenn die westlichen Staaten so geschlossen wie möglich den ihnen möglichen Druck auf die MinderBahr
heitsregierungen ausüben. Dabei warne ich vor Patentrezepten, wie wir sie auch soeben wieder gehört haben.
Die Position der Opposition zum südlichen Afrika ist schludrig und widersprüchlich gemacht. Auf der einen Seite ist sie gegen Verordnung von Verfassungsmodellen, auf der anderen Seite spricht sie sich gegen einen Einheitsstaat aus und fordert eine föderative Lösung. Auf der einen Seite ist sie für eine freie Ausübung des Selbstbestimmungsrechts, auf der anderen Seite wird das Prinzip, daß jeder Mensch eine Stimme hat, als Instrument der Unterdrückung verdächtigt.
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Wer die Geschichte Afrikas in den letzten Jahren ansieht, kann nicht umhin, festzustellen, daß sich die meisten Hoffnungen kommunistischer Regierungen nicht erfüllt haben, daß es eine Reihe von Regierungen in Afrika gibt, die sich dem Einfluß kommunistischer Staaten aus Osteuropa entziehen konnten. Dennoch ist Afrika gegen seinen Willen in der Gefahr, in das weltweite Ringen um politischen Einfluß einbezogen zu werden. Die Opposition fordert das im Prinzip auch, natürlich im Interesse des Westens. Sie geht aber nicht so weit, vom Westen Interventionen oder von der Bundesregierung Waffenlieferungen zu verlangen, obwohl eine Formulierung heute morgen und eine Frage von Herrn Strauß eben das vermuten lassen könnten. Logisch ergäbe das, was heute morgen und eben gesagt worden ist, die Frage, ob wir ein solches Gleichgewicht für den Fall eines Angriffs auf Somalia herstellen sollen. Aber ich kann jedenfalls für mich die Frage von Herrn Strauß beantworten. Auch wenn man nach der Logik vermuten könnte, daß er Waffen liefern würde - es wäre interessant, das zu hören -,
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bleibe ich dabei, daß ich dagegen bin, Waffen zu liefern.
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Wir sind gegen die Übertragung von Ost-West-Spannungen nach Afrika. Unsere Haltung zu Afrika insgesamt und zum südlichen Afrika insbesondere kann nur sein: Wir müssen unseren Einfluß geltend machen, damit Afrika seinen Weg frei wählen kann, frei von Bevormundung, frei von Abhängigkeit sowohl vom Osten wie vom Westen. Gerade wenn man eigene afrikanische Wert- und Gesellschaftsvorstellung unterstellt, kann sich daraus nur unsere Forderung ergeben, den afrikanischen Völkern die Entfaltung ihres eigenen Willens und ihrer eigenen Fähigkeiten zu ermöglichen, auch wenn sie dabei zu Systemen kommen, die, entweder durch ihren Entwicklungsstand bedingt oder auch unabhängig davon, unseren Vorstellungen nicht entsprechen. Die
Unterstützung der Freiheit darf nicht an die Vorbedingung gebunden sein, daß wir nur die Befreiung von Gleichgesinnten wünschen. Unsere Auffassung von Selbstbestimmung schließt diese Dimension ein.
Wenn wir nach den heute verkündeten Prinzipien der Opposition vorgegangen wären, dann hätten wir Somalia Hilfe verweigern müssen. Jedenfalls hat der Kollege Köhler heute vormittag etwas gesagt, was niemand behauptet hatte.
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- Ich habe gesagt, ich bin gegen Waffenhilfe. Ich habe vorhin Angriffe gehört, daß man nicht einmal Material liefern solle. Aber jetzt unterstellen Sie mit Ihrem Zwischenruf offenbar die Forderung, daß wir endlich Waffen liefern sollten. Wo bleibt denn da die Logik?
Wie es auch immer sei, ich habe jedenfalls festgestellt, daß die Opposition insoweit lernfähig ist, als sie heute ihre Forderung nicht mehr wiederholt hat, Somalia keine Entwicklungshilfe zu geben.
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Die Lernfähigkeit ist in jedem Fall eine schöne Sache. Der Abgeordnete Häfele hat 1971 erklärt: Auf Jahrzehnte, wohl auf Generationen gibt es keine Alternative zur Politik der Apartheid.
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- 1971 ist ja nicht so lange her, daß man von Generationen sprechen kann.
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Ich begrüße es jedenfalls, daß diese Auffassung von der Opposition nicht mehr geteilt bzw. nicht mehr unterstützt wird. Wenn wir nach diesen Erfahrungen der Opposition gegangen wären, wäre es uns nicht gut gegangen. Wir werden auch gut daran tun, die, se Erfahrungen nicht zu vergessen, wenn die Opposition heute von Somalia nicht mehr spricht, aber statt dessen von Angola.
Einen Grundsatz der CDU/CSU möchte ich ausdrücklich unterstreichen. Eine Einschränkung oder gar den Abbruch unserer Beziehungen zu einem der Staaten des südlichen Afrika lehnen wir ab. Dadurch würde deutsche Politik jegliche Einflußmöglichkeit verlieren. Ich bin dieser Auffassung. Sie muß auch für die Republik Südafrika gelten.
Aber ich appelliere an die Opposition, dann auch konsequent zu sein und sich im Interesse unseres Einflusses nicht mehr gegen die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Angola und Mozambique auszusprechen. Ich hoffe, daß es der Bundesrepublik möglich sein wird, zu allen Staaten des afrikanischen Kontinents diplomatische Beziehungen zu erhalten oder aufzunehmen.
Die wachsende Ungeduld schwarzer Mehrheiten, ihre Menschenrechte zu verwirklichen, die Haltung weißer Minderheiten dazu, der Reichtum an Rohstoffen und die geographische Lage ergeben eine explo4056
sive Mischung, die den Weltfrieden gefährden kann. Wenn die südafrikanische Regierung weiter mit ihrer verblendeten Radikalität vorgeht und die Vertreter gemäßigter Mehrheiten unterdrückt und in Gefängnisse steckt, so heizt sie damit den Kessel an.
Man kann in bezug auf den Erfolg von Embargo-Beschlüssen skeptisch sein. Aber es ist richtig, daß sich die Bundesregierung dem Waffenembargo gegen Südafrika anschließt. Wir sollten uns auch nicht weigern, zusammen mit unseren Verbündeten die Möglichkeiten eines Handelsembargos zu erwägen. Für mich bleibt außerdem fraglich, ob bei der heute erkennbaren Politik der südafrikanischen Regierung das Risiko von Investitionen nicht zu hoch wird, als daß man dem Staat zumuten darf, es aus Steuergeldern abzusichern.
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Im möchte dem Bundesaußenminister namens der SPD-Fraktion dafür danken, daß er durch eine Reihe von Äußerungen und Handlungen der südafrikanischen Regierung deutlich gemacht hat, wie ernst es die Bundesrepublik Deutschland mit unseren Verbündeten nimmt, wie sie beobachtet, was sich dort entwickelt, und daß wir im Sinn friedlicher, einvernehmlicher Lösung auch Druck ausüben werden. Dabei werden Sie, Herr Bundesaußenminister, seitens der SPD-Fraktion auch dann Verständnis finden, wenn Sie bei Ihren Überlegungen zu dem Ergebnis kommen, daß ein Kulturabkommen seinen Sinn verloren hat, da die südafrikanische Regierung ihre Rassenpolitik offensichtlich verschärft.
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Wer deutsche Interessen in Namibia nicht nur von heute bis zum Ende des nächsten Jahres, also bis zum Ende des ablaufenden Protektorats, sondern bis zum Jahr 2000 und darüber hinaus vertreten will, der muß auch zur Schließung des Konsulats in Windhuk ja sagen. Es ist der spätestmögliche Augenblick, dies zu tun, wenn wir vom ersten Tag der Unabhängigkeit Namibias an präsent sein wollen, um deutsche Staatsbürger vertreten zu können. Wer der Opposition folgen würde, würde vom Tag der Unabhängigkeit an die Deutschen dort im Stich lassen.
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Im übrigen weisen wir die Verdächtigung gegen den Außenminister zurück, die in Ihrer Formulierung zum Ausdruck kam, daß er eine beispiellos gegen deutsche Interessen gerichtete Politik macht.
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- Wenn Sie etwas sagen, ist fast immer das Gegenteil richtig.
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Es muß bestürzen, daß die südafrikanische Regierung es ungefragt richtig gefunden hat, sich die Herstellung von Atomwaffen als Option offenzuhalten. Hier ist die Haltung der Bundesrepublik Deutschland durch unsere Mitgliedschaft im Nichtverbreitungsvertrag klar. Aber mit der Herstellung von Atomwaffen in Südafrika zu spielen grenzt an eine Politik des Abenteuers.
({24})
Dies kann bedeuten, daß der dort ohnehin vorhandenen explosiven Mischung jener Rest von kritischer Masse zugeführt wird, den wir gerade verhindern müssen.
Man kann auch sicher sein, daß sich die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion, wie sie es wiederholt unterstrichen haben, an ihr Abkommen aus dem Jahre 1973 gebunden fühlen, in gemeinsamer Abstimung die Ausbreitung von Atomwaffen zu verhindern. Beide Supermächte mögen sich heute fragen, was sich aus der Gemeinsamkeit dieses ihres Interesses ergibt, daß Pretoria nicht ohne Rücksicht auf die Welt 'Götterdämmerung spielen darf.
Herr. Strauß hat darauf hingewiesen, daß die Sowjetunion in einer strategischen Offensive ihren imperialistischen Einfluß über Angola und Mozambique hinaus weiter ausdehnen will. Niemand kann bestreiten, daß solche Tendenzen erkennbar sind. Wenn wir dem entgegentreten, tun wir übrigens auch das, was die afrikanischen Völker wollen, die neue kolonialistische Abhängigkeiten ablehnen, egal, in welcher Form und woher sie kommen. Aber die Frage ist doch, wie wir das mit friedlichen Mitteln erreichen.
Die Politik, die Herr Strauß hier vertreten hat, würde genau zu dem Ergebnis führen, das er verhindern will.
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Wer die Unterstützung von Befreiungsbewegungen ablehnt, weil er Sozialismus nicht mag und natürlich nicht einmal den demokratischen Sozialismus, der treibt diese Menschen doch in die Arme von Undemokraten. Wer praktisch, wie es Herr Strauß hier tat, seine Vorstellungen auf Afrika übertragen will, der wird dort eben kaum jemanden finden, der diese Vorstellungen weiterträgt.
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Die Politik der Opposition ist darauf zugeschnitten, die Interessen der dortigen Minderheit zu wahren.
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Freiheit und Demokratie im südlichen Afrika haben nur mit der Mehrheit eine Chance.
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So gesehen haben der Westen und seine Ideen eine
Chance nur mit der Mehrheit und nicht gegen sie.
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Meine Damen und Herren, daß sich die Opposition um Minderheitenrechte besonders stark kümmert, ist natürlich verständlich bei jemand, der auch in diesem Haus in der Minderheit ist.
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- Aber Sie sind ja nicht in Ihren Rechten bedroht, Herr Kollege Marx! - Für das südliche Afrika gilt, daß die Freiheit, die die Minderheit schon hat, nicht höher gesetzt werden darf als die Freiheit, um die die Mehrheit kämpft.
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Wer das nicht versteht, wird weltpolitisch, auch wenn er das Gegenteil will, den Kampf um die Freiheit verlieren.
Die Opposition sollte aus ihrer Tradition des ewigen Neinsagens herausfinden. Ostpolitik, Berlin-Abkommen, Beitritt zu den Vereinten Nationen, Nichtverbreitungsvertrag, Helsinki, Truppenbegrenzung und nun Südafrika. - Ihr Nein würde uns auch diesmal von unseren Freunden trennen.
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Sie haben von Antikommunismus gesprochen. Der amerikanische Außenminister hat zu diesem Punkt am 1. Juli dieses Jahres erklärt - vielleicht hat er Herrn Strauß gehört -:
Ich habe manche Leute sagen hören, daß wir die weiße Regierung im südlichen Afrika unterstützen müßten, komme, was mag, da sie antikommunistisch sei. Dabei ist es so, daß die anhaltende Verweigerung rassischer Gerechtigkeit im südlichen Afrika die Möglichkeiten der Intervention von außen förmlich einlädt.
So der amerikanische Außenminister. Ich stimme ihm zu. Wer Antikommunismus höher stellt.als den positiven Kampf um Menschenrechte, schadet unseren gemeinsamen westlichen Interessen.
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Die Positionen der Opposition sind wirklichkeitsfremd. Sie würden uns von unseren Verbündeten isolieren. Ihre Anwendung würde den deutschen Interessen schaden.
Die SPD-Fraktion fordert die Bundesregierung auf, ihre Politik zur friedlichen Lösung der Krisen im südlichen Afrika aktiv fortzusetzen, die Grundsätze unserer Außenpolitik, der Selbstbestimmung, des Gewaltverzichts und des Kampfes um Menschenrechte auch gegenüber dem südlichen Afrika anzuwenden.
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Meine Damen und Herren, wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat der Herr Bundesaußenminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gegenstand dieser Aussprache ist die Entwicklungspolitik der Bundesregierung, aber angesichts der Fragestellung ,der anfragenden Fraktion ganz sicher auch die Afrikapolitik der Bundesregierung. Die Antwort 'auf ,die Große Anfrage hat unsere Nord-Süd-Politik ausführlich dargestellt; Frau Kollegin Schlei hat sie heute noch einmal erläutert. Ich will mich deshalb im wesentlichen auf die Darlegungen unserer Afrikapolitik beschränken.
Einige Bemerkungen sind allerdings auch zu dem zu machen, was hier zur Nord-Süd-Politik der Bundesregierung gesagt worden ist. Meine sehr verehrten Damen und Herren, in der ganzen westlichen Welt wird anerkannt, daß wesentliche und konstruktive Vorschläge für ein Verhandlungskonzept der westlichen Industrienationen von der Bundesregierung in die internationale Diskussion eingebracht worden sind. Es ist ganz wesentlich ein Verdienst des Bundeskanzlers, .daß er dieses Thema zu einem beherrschenden Thema der Gipfelkonferenzen 'der führenden westlichen Indus'tr'ienationen gemacht 'hat. Es ist ein wesentliches Ergebnis unserer Initiativen, daß eben nicht dirigistische Vorschläge allein, sondern immer mehr marktwirtschaftliche Lösungsversuche in den Mittelpunkt der internationalen Diskussion treten.
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Ich warne auch davor, durch .die 'Selbsterrichtung von Tabus die internationale Handlungsfähigkeit einzuschränken. Natürlich ist es richtig, Herr Kollege Todenhöfer, daß 'die Bundesregierung die Errichtung eines gemeinsamen Fonds unterstützt. Aber das bedeutet doch nicht, daß sie für eine dirigistische Weltwirtschaft ist. Wie dieser Fonds ausgestaltet wird, ob 'dirigistisch oder marktwirtschaftlich, ist erst noch zu entscheiden. Dann 'können Sie ein Urteil über unsere Mitwirkung in den internationalen Konferenzen fällen.
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Nehmen Sie dieses Urteil nicht voraus. Wer uns anrät, gegen einen gemeinsamen Fonds einzutreten, rät uns, uns nicht nur zu den Staaten der Dritten Welt in Gegensatz zu setzen,
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sondern zu allen Partnern der Europäischen Gemeinschaft, zu den Vereinigten Staaten, zu Kanada und zu Japan. Wollen Sie denn sagen, daß alle diese Staaten, 'die doch mit uns die marktwirtschaftlichen Grundsätze vertreten, diese Grundsätze über Bord geworfen hätten? Nein, sie suchen mit uns zusammen, Herr Kollege Todenhöfer, ein gemeinsames Modell, von dem wir die Entwicklungsländer überzeugen können und 'bei dem wir ,die marktwirtschaftlichen Lenkungsmechanismen ,dieser Weltwirtschaft aufrechterhalten können. Das ist unser Bemühen.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich nehme dabei sehr wohl eine Kritik an, die sich auf die Verhandlungsstrategie der westlichen Industrienationen bezieht. Ich glaube, ,daß wir alle - ganz gleich, auf welcher Seite dieses Hohen Hauses wir sitzen - uns den Vorwurf machen müssen, daß wir zu spät die internationale Diskussion in den NordSüd-Fragen mit eigenen Vorschlägen gestaltet und bestimmt haben. Das ist ein Vorwurf, der sich gegen meine Partei richtet, gegen ,diese Regierung, gegen andere Parteien. Wahrscheinlich hätte sich in der Dritten Welt mancher von uns abgelehnte, mancher von uns mühsam zurückgewiesene Vorschlag nicht festsetzen können, wenn wir frühzeitig mit den Vor4058
schlägen in die internationale Diskussion eingetreten wären, mit denen wir heute versuchen, unsere Vorstellungen durchzusetzen.
Aber, meine Damen und Herren, es ist nicht zu spät dafür. Es hat sich gezeigt - auch bei der Konferenz in Paris -, daß eben auch die Staaten der Dritten Welt erkennen, daß mit dem Mittel der Konfrontation nicht weiterzukommen ist, daß es nicht ausreicht, Resolutionen zu beschließen, die dann von einer großen Zahl von Ländern, 'die mitwirken müssen, nicht beachtet werden. Deshalb sind wir - Industrieländer und Entwicklungsländer - in den Konferenzen, die die Vereinten Nationen abhalten, zu dem Versuch der Kooperation übergegangen. Auf diesem Wege wollen wir weitergehen.
Wir dürfen auch nicht mit Formulierungen, die vielleicht in diesem Hause ganz gut klingen, diesen Dialog und das Bemühen, den Abstand zwischen reichen und armen Ländern zu überwinden, als weltweit verbreitete Ideologie der Gleichmacherei abqualifizieren, wie das heute geschehen ist. Meine sehr verehrten Damen und 'Herren, den Menschen, die in vielen Staaten Afrikas und Asiens Not leiden, muß der Vorwurf der Gleichmacherei mit unserem Lebensstandard wie eine Verhöhnung ihrer Notlage erscheinen.
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Deshalb denke ich, daß es nichtangebracht ist, von der Würdelosigkeit der Bundesregierung zu sprechen, wenn sie sich darum bemüht, 'durch Partnerschaft und Kooperation zu einem gerechten Interessenausgleich mit den Staaten der Dritten Welt zu kommen.
Die 'Bundesregierung hat durch ihre Art der Politik gegenüber 'der Dritten Welt gezeigt, wie wirksam Hilfe geleistet werden kann. Herr Kollege Strauß hat heute auf 'die Bedeutung der Marktöffnung für die Fertigwaren und Halbfertigwaren der Entwicklungsländer hingewiesen. Das ist in der Tat ein ganz entscheidendes Mittel, um die Industrialisierung der Staaten der Dritten Welt möglich zu machen. Wir dürfen die Länder der Dritten Welt nicht länger nur als Rohstoff- und Energielieferanten betrachten, und sie dürfen sich auch selbst nicht länger so verstehen. Deshalb 'können wir als Bundesrepublik Deutschland mit einem gewissen Stolz darauf 'hinweisen, daß wir weltweit 'der Hauptimporteur von Halbfertigwaren und 'Fertigwaren aus den Entwicklungsländern sind.
({5})
Meine Damen und Herren, wir führen mehr ein als sämtliche Staaten Osteuropas zusammen. Auch das steht auf unserer Habenseite. Deshalb treten wir für freien Handel, für weltweiten Strukturwandel an Stelle von Dirigismus 'und Protektionismus ein.
Aber wir wissen, daß wir schon mit unserem Eintreten gegen protektionistische Maßnahmen nicht nur mit Ländern außerhalb Europas zu tun haben, sondern daß das auch ein Problem innerhalb der Europäischen Gemeinschaft ist. Deshalb ist es doch nicht sinnvoll, die Entwicklungspolitik dieser Regierung zu kritisieren, sondern man sollte sie unterstützen, weil sie selbst unter Inkaufnahme eigener
Strukturprobleme bereit ist, ihre Märkte so weit zu
öffnen wie kein anderes Land der westlichen Welt.
({6})
Wir treten für stabilere Rohstoffpreise ein. Aber wir haben keineswegs unseren Vorschlag bezüglich Maßnahmen zur Stabilisierung' der Exporterlöse aufgegeben. Noch in meiner Rede vor den Vereinten Nationen habe ich ausdrücklich darauf hingewiesen, daß wir ein solches Modell befürworten und daß dieses Modell gerade für die ärmsten Entwicklungsländer von entscheidender Bedeutung ist.
Natürlich habe ich auch auf die Notwendigkeit von Privatinvestitionen - das ist hier mit Recht erwähnt worden - hingewiesen. Aber ich habe auch gesagt, daß Privatinvestitionen nur in einem Klima des Vertrauens gedeihen können. Dieses Vertrauensklima hat zwei Aspekte. Es geht nicht nur um die Rechtssicherheit für die Investoren, sondern es geht auch darum, daß die mit Auslandsbeteiligungen arbeitenden Unternehmen bereit sein müssen, sich jeglichen politischen Einflusses in dem Entwicklungsland zu enthalten. Die Entwicklungsländer haben hier in der Vergangenheit auch böse Erfahrungen machen müssen.
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Das müssen wir mit dazusagen, damit wir eine Sprache sprechen, die auch in den Staaten der Dritten Welt verstanden wird, vor allen Dingen damit wir eine Sprache sprechen, die dort nicht den Eindruck erweckt, als wollten wir ihnen ein Modell aufzwingen, von dessen Richtigkeit sie nicht überzeugt sind.
Es ist kein Zufall, daß in einer Debatte über Entwicklungspolitik und unsere Politik gegenüber der Dritten Welt die Politik in Afrika besonders beachtet wird. Der afrikanische Kontinent ist Europa benachbart. Das Geschehen in Afrika berührt Europa politisch, wirtschaftlich und strategisch. Mir hat neulich ein afrikanischer Außenminister gesagt: Europa ist unser erster Partner. Ich glaube, daß er damit nicht nur für sich und sein Land sprach, sondern die Mehrheitsmeinung in Afrika zum Ausdruck brachte. Wenn er dieses Europa meint, dann meint er eigentlich das Europa . der Neun, die Europäische Gemeinschaft.
Wir kennen die Probleme, mit denen die jungen Staaten Afrikas zu ringen haben, Staaten, die zum Teil noch um ihre nationale Identität ringen, die erst zusammenwachsen wollen, bei denen erst Staatsvölker entstehen müssen. Herr Kollege Strauß hat mit Recht darauf hingewiesen, daß die Grenzen bei fast allen afrikanischen Staaten noch die alten, mehr zufälligen, kolonialen Grenzen sind. Das macht deutlich, daß die Unabhängigkeit dieser Länder, ihr nationaler Bestand eben nicht gesichert ist; es zeigt, mit welchen Unsicherheitsfaktoren diese Länder noch leben müssen.
Deshalb muß es unser Ziel sein, ein Verhältnis wirklicher Partnerschaft, gegenseitiger Respektierung und eines gerechten Interessenausgleichs herbeizuführen. Dem werden wir allerdings nicht geBundesminister Genscher
recht, wenn wir z. B. durch pauschale Vorwürfe und
Verdächtigungen bestimmte Staaten Afrikas als
Ausbildungszentren von Terroristen abqualifizieren.
({8})
Sehen Sie, Herr Kollege Todenhöfer, Sie haben der Bundesregierung und insbesondere Frau Kollegin Schlei Beihilfe zum Mord vorgeworfen, weil sie das Flüchtlingslager Selebi Pikwe in Botsuana fördern. Wissen Sie eigentlich, daß sich dieser Vorwurf nicht nur an die Bundesregierung richtet? Wir könnten das noch tragen. Dieser Vorwurf trifft ein uns befreundetes, mehrrassiges, demokratisches Land in Afrika, das schon ein Beispiel gibt, wie Menschen verschiedener Hautfarbe miteinander leben können.
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Diese Regierung hat die Aufsicht über dieses Lager. Der Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen hat einen Vertreter bestellt. Sie mögen sich viel- leicht noch damit beruhigen und sagen: Das ist ja nur Botsuana.
Wenn Sie die Hilfe für dieses Lager als Beihilfe zum Mord ansehen, müssen Sie wissen, daß Sie nicht nur die Regierung von Botsuana beleidigen, nicht nur die Bundesregierung, sondern die Regierungen der Vereinigten Staaten, Kanadas, Schwedens, Großbritanniens, Frankreichs und Belgiens. Sie alle unterstützen dieses Lager.
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Herr Kollege Todenhöfer, ich habe für vieles Verständnis, aber man darf als Parlamentarier in diesem Hohen Hause nicht auf den Gefühlen der uns am engsten befreundeten Nationen herumtrampeln. Das muß ich Ihnen sagen.
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Wir sollten auch nicht undifferenziert und leichtfertig mit dem Begriff „Vorposten der Sowjetunion" umgehen oder Staaten als kommunistische oder ähnliche Systeme abstempeln, wie es bei Anträgen zur Streichung von Entwicklungshilfe geschehen ist. Wenn wir uns darüber einig sind, daß diese afrikanischen Staaten vielfach noch ihre nationale Identität suchen und noch auf der Suche nach der richtigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ordnung sind, daß sie in Wahrheit Staaten im Entstehen sind, daß sie etwas nachzuholen haben, für das wir Jahrhunderte Zeit hatten, dann wollen wir ihnen doch nicht ihre erste Entscheidung für ein bestimmtes von uns abgelehntes System sozusagen als Brandmal auf die Stirn kleben. Wir wollen diesen Ländern vielmehr durch unsere Hilfe und durch gleichberechtigte Zusammenarbeit mit ihnen die Chance geben, sich von dem besseren Modell zu überzeugen, das wir in der Bundesrepublik Deutschland bieten.
({12})
Es ist nicht die Schuld der dort lebenden Menschen, daß sie diese Entwicklung erst vor fünf, zehn oder zwanzig Jahren beginnen konnten, sondern ihre Entwicklung, ihre Möglichkeit, über die richtige Staatsform zu entscheiden, ihre Möglichkeit, das
zu erwerben, was wir politische Bildung nennen, setzten häufig erst mit dem Ende der Kolonialzeit ein. Es sollte uns zu denken geben, daß wir die Staaten, die wir als gemäßigte Staaten bezeichnen, vornehmlich dort finden, wo die frühere Kolonialmacht frühzeitig die Vorbereitung auf die Unabhängigkeit in Angriff genommen hat, wo nicht eine ruckartige Überleitung stattfand, wo nicht verzögert wurde mit der Folge radikaler Veränderungen, die dann vorgenommen wurden. Das ist sicher etwas, was wir auch zu berücksichtigen haben, wenn wir über die lösungsbedürftigen Fragen in Rhodesien, in Namibia und in Südafrika selbst zu reden haben.
Wir können nicht die Staaten Afrikas mit den Maßstäben unserer freiheitlichen Ordnung im Jahre 1977 messen. Ich denke, wir sollten uns, wenn wir Vergleiche anstellen, einmal daran erinnern, daß auch in unserem Land die demokratische Entwicklung nicht immer kontinuierlich verlaufen ist. Wenn ich von Afrika spreche, so meine ich in der Tat das ganze Afrika. Deshalb bewegen uns die Probleme im südlichen Teil Afrikas so sehr, und wenn wir von Afrikanern sprechen, meinen wir schwarze und weiße Afrikaner gleichermaßen.
Was also müssen die Ziele deutscher Afrikapolitik vor dem Hintergrund dieser Probleme sein?
Erstens muß es unser Ziel sein, einen Beitrag zur Friedenssicherung zu liefern; denn die Politik der Friedenssicherung ist das oberste Ziel aller verantwortungsvollen Außenpolitik. Das bedeutet, daß wir unseren Beitrag zur friedlichen Lösung auch der Probleme im südlichen Afrika, am Horn von Afrika und an anderen Stellen leisten, die Konfliktherde sind oder werden können.
Unser zweites Ziel muß es sein, die Unabhängigkeit der afrikanischen Staaten zu stärken; denn weder die Bundesrepublik Deutschland noch die Staaten der Europäischen Gemeinschaft, mit denen zusammen wir z. B. das AKP-Abkommen abgeschlossen haben - eine sehr wirksame Hilfe gerade für die afrikanischen Staaten -, verfolgen machtpolitische Ziele, und -wir wollen auch nicht unsere Staats- und Gesellschaftsordnung exportieren. Wir wollen die Staaten Afrikas politisch und wirtschaftlich in die Lage versetzen, ihre Unabhängigkeit zu behaupten und zu stärken. Dabei fördern wir auch regionale Zusammenschlüsse, die diesem Ziel dienen.
Aber wenn wir davon reden, daß wir die Unabhängigkeit dieser Staaten stärken wollen, dann bedeutet das eben auch, daß wir die Entscheidung dieser Staaten für ihre innere Staats- und Gesellschaftsordnung respektieren müssen
({13})
und daß wir nicht zwischen Guten und Bösen unterscheiden.
({14})
Wir wollen drittens die Partnerschaft ausbauen. Wir sehen in den afrikanischen Staaten Partner, mit denen wir zum gegenseitigen Vorteil auf politi4060
schem, wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet gleichberechtigt zusammenarbeiten wollen.
Viertens wollen wir das Entstehen neuer Machtzonen verhindern. Es ist unser Ziel, Afrika von Großmacht- und Vorherrschaftsinteressen freizuhalten. Wir wollen nicht dazu beitragen, daß der Ost-West-Konflikt auf Afrika übergreift. Wir wollen alles tun, damit nicht Länder, die eben erst der Kolonialherrschaft entronnen sind, in neue Abhängigkeiten geraten.
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Diese vier Ziele geben im Gründe die deutschen Interessen gegenüber Afrika wieder. Denn unsere Zukunft, unsere eigene Entwicklung und unsere Sicherheit werden ganz wesentlich mit davon bestimmt, ob der afrikanische Kontinent friedlich in Unabhängigkeit und in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit Europa lebt.
Was bedeutet das nun im einzelnen? Ich beginne mit der Frage der Unabhängigkeit dieser Staaten und der Verhinderung neuer Machtzonen. Natürlich ist es uns bekannt, daß die Sowjetunion den Versuch unternimmt, Einfluß zu erreichen, daß ihr das in Angola direkt und indirekt gelungen. ist; aber wir müssen auch erkennen, daß gerade die Ereignisse in Angola dazu beigetragen haben, in den afrikanischen Staaten das Bewußtsein für die Bewahrung und Stärkung der eigenen Unabhängigkeit zu kräftigen und daß wir deshalb heute aufnahmebereitere Partner als in der Zeit davor für unsere Politik der Unabhängigkeit finden.
Nur, wenn wir auf die Konfliktherde Afrikas zu sprechen kommen und wenn hier die Gretchenfrage an die Bundesregierung gestellt wird, ob sie bereit ist, in bestimmten Situationen Waffen zu liefern, dann möchte ich ganz ernsthaft die Kollegen von der CDU/CSU fragen, ob sie wirklich der Bundesregierung anraten wollen, von dem bewährten Grundsatz deutscher Politik seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland abzugehen, keine Waffen in Spannungsgebiete zu liefern. Daß wir heute eine so anerkannte Position, eine Position frei von Machtstreben, gerade in der Dritten Welt haben, beruht darauf, daß wir nicht zu jenen gehören, die Waffen an diese oder jene Seite geliefert haben, sondern es wird anerkannt, daß wir immer und überall Friedenspolitik betrieben haben.
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Deshalb wäre die Bundesregierung schlecht beraten, wenn sie in diesem Zeitpunkt von dem Grundsatz abwiche, Waffen nicht in Spannungsgebiete zu liefern.
Im übrigen denke ich, daß die wirtschaftliche Hilfe, daß auch der politische Beistand, auch das Deutlichmachen der Solidarität in der Stunde der Bedrohung sehr wohl Mittel sind, um die innere Unabhängigkeit und Stabilität dieser Staaten zu stärken. Wenn wir uns in Europa und an anderen Stellen der Welt umsehen, so sehen wir es doch selbst: Überall dort, wo es gelingt, eine gesunde Gesellschaftsordnung, eine gesunde Wirtschafts- und Sozialordnung zu schaffen, hat der Radikalismus keine Chance.
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Das ist langfristig eine bessere Politik, als vordergründig Waffenlieferungen an diese oder jene Seite vorzunehmen, ohne daß man übersehen kann, wo der eine oder andere Partner heute oder morgen stehen mag.
Wir haben nicht beiseite gestanden, als Zaire Probleme hatte; ich bin in dieser Zeit in Zaire gewesen. Die Bundesrepublik Deutschland hat auf ihre Weise geholfen. Das mag zeigen, daß wir sehr wohl Verständnis für diese Probleme haben.
Partnerschaft setzt in der Tat den Willen zur Zusammenarbeit auf allen Gebieten voraus. Partnerschaft setzt den Willen zur Zusammenarbeit auch dann voraus, wenn die innere Ordnung nicht unseren Vorstellungen entspricht.
Das Hauptziel muß für uns in diesem wichtigen und benachbarten Kontinent allerdings das Ziel der Friedenssicherung sein. Es besteht kein Zweifel darüber, daß die Entwicklung im südlichen Teil Afrikas immer stärker auf die Gefahr eines Rassenkrieges zutreibt. Das gilt für Rhodesien. Auch für Namibia ist die Gefahr noch nicht gebannt. Es gilt zunehmend selbst für Südafrika. Die Bundesrepublik Deutschland leistet ihren Beitrag zu einer Lösung in diesen drei Problembereichen. Sie leistet ihn z. B. auch durch Unterstützung der amerikanischbritischen Initiative für Rhodesien." Ich mag Herrn Kollegen Strauß jetzt falsch zitieren, aber ich glaube mich zu erinnern, daß er gesagt hat: Der Plan des britischen Außenministers Owen - es ist in Wahrheit ein englisch-amerikanischer Plan, sei ein Beitrag zu Mord und Totschlag. Herr Kollege Strauß, wollen Sie das wirklich verbündeten Regierungen unterstellen? Daß muß ich doch fragen. Wir jedenfalls sind der Meinung, daß diese Initiative die einzige vielleicht noch denkbare Möglichkeit ist, einen friedlichen Übergang in Rhodesien zu erreichen. Wir leisten unseren Beitrag auch durch die Teilnahme an der Initiative der westlichen Sicherheitsratsmitglieder für Namibia und durch den Versuch, auf die südafrikanische Regierung einzuwirken, haltzumachen auf ihrem Weg zur Verschärfung der Rassengegensätze, wie sie durch die jüngsten Maßnahmen bewirkt worden sind.
Uns leiten dabei die folgenden Grundsätze.
Erstens. Ein Rassenkrieg im südlichen Teil Afrikas ist eine Gefahr für den Frieden.
Zweitens. Er wird das Leben vieler Menschen kosten.
Drittens. Er wird langfristig die Möglichkeiten des friedlichen Zusammenlebens zwischen Schwarzen und Weißen gefährden, wenn nicht ausschließen.
Ich denke, daß wir viertens auch übereinstimmen, daß die Ablehnung der Politik der Apartheid unserer Vorstellung von den unveräußerlichen Menschenrechten entspricht.
Meine Damen und Herren, auch hier ist die Glaubwürdigkeit unseres Bekenntnisses zu den Menschenrechten auf die Probe gestellt. Die Gefahr kriegerischer Auseinandersetzungen im südlichen Teil Afrikas erhöht aber zugleich - und das muß auch gesagt werden - die Gefahr außerafrikanischer Interventionen und der Errichtung außerafrikanischer Macht- und Einflußzonen. Deshalb ist es so wichtig, daß wir uns um ein gutes Verhältnis zu den Randstaaten Südafrikas bemühen, daß wir Staaten wie z. B. Botsuana, wie Sambia stabilisieren auch durch unsere Hilfe; denn sie müssen an einer friedlichen Lösung mitwirken.
Es ist richtig: Dieses Gebiet im südlichen Teil Afrikas ist strategisch bedeutsam. Aber dieser Erkenntnis trägt man nicht dadurch Rechnung, daß man die Entwicklung aufhält, sondern dadurch, daß man eine friedliche Entwicklung mit allen Kräften fördert.
({18})
Meine Damen und Herren, wenn ich von Friedenssicherung in diesem Bereich spreche, so will ich zunächst sagen, daß die Bundesregierung tief besorgt ist darüber, daß die südafrikanische Regierung ihre Zusage an die Regierung der Vereinigten Staaten, keine Atomwaffen zu bauen, jetzt selbst in Frage stellt. Täusche sich niemand: Der Bau oder Erwerb von Atomwaffen durch die Republik Südafrika könnte zu einer Gefahr für den Weltfrieden werden.
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Ich appelliere deshalb auch von dieser Stelle aus noch einmal im Namen der Bundesregierung an die südafrikanische Regierung, endlich dem Nichtverbreitungsvertrag beizutreten, um damit für jedermann zweifelsfrei klarzustellen, daß sie nicht nach Atomwaffen strebt.
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Meine Damen und Herren, ich würde es begrüßen, wenn dieser Appell an die Regierung Südafrikas ein Appell aller Seiten unseres Hauses sein könnte. Wir wissen uns in dieser Sorge einig sowohl mit unseren europäischen als auch mit unseren amerikanischen Verbündeten.
Friedenssicherung bedeutet auch, daß eindeutig klargestellt wird, daß wir, die wir ohnehin keine Waffen an Südafrika liefern, auch nicht wollen, daß andere durch solche Lieferungen zu einer Verschärfung der Situation beitragen. Friedenssicherung bedeutet auch, meine Damen und Herren, daß hier bei uns niemand in militärischen Kategorien denkt. Am 22. Juni 1977 hat im Deutschen Bundestag der entwicklungspolitische Sprecher der Opposition erklärt:
Die Bundesregierung hätte vielmehr gegenüber den USA und der Europäischen Gemeinschaft initiativ werden müssen mit dem Ziel, der weißen Bevölkerung in Südafrika die politische, militärische und wirtschaftliche Absicherung zu geben, daß auch bei einer großen politischen Lösung des Südafrikaproblems die weiße Bevölkerung nicht nur kulturell, sondern auch politisch weiterbestehen kann.
In dem Ziel sind wir uns einig. Aber ich denke, es ist notwendig zu erläutern, was hier mit einer militärischen Absicherung gemeint ist.
Für uns, meine Damen und Herren, bedeutet friedliche Lösung im südlichen Afrika eben nicht nur die Durchsetzung der Rechte der Mehrheit, sondern auch Schutz der Minderheiten.
\Venn ich über Friedenssicherung in- Afrika spreche, möchte ich auch klarstellen, daß wir - ich betone es noch einmal - an der Waffenexportpolitik festhalten, wie wir sie vertreten, und uns nicht auffordern lassen werden, auch in diesen Bereich Waffen zu liefern.
Zur friedlichen Lösung im südlichen Afrika gehört auch, daß wir dort wie überall Gewaltverzicht wollen. Die Sorge, die wir haben, ist, daß unsere Forderung nach Gewaltverzicht von immer mehr Angehörigen der schwarzen Mehrheit als eine unzumutbare Selbstaufgabe und als getarnte Unterstützung der rassischen Diskriminierung empfunden wird, weil es an der erkennbaren Bereitschaft der weißen Minderheit zu einem schnellen und durchgreifenden Wandel fehlt.
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Deshalb müssen wir fragen: Wie müssen denn eigentlich die Maßnahmen vom 19. Oktober 1977 auf die schwarze Mehrheit wirken?
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Ich hoffe, daß niemand die dort in Bann Genommenen oder dort Verhafteten in einen Topf tun will mit den Verfassern eines Flugblattes, dessen Inhalt hier zu Recht gerügt worden ist. Wir wissen doch, daß unter den von diesen Maßnahmen Betroffenen vornehmlich gesprächsbereite Vertreter der schwarzen Mehrheit sind. Spürt man nicht, wie man jetzt in der schwarzen Mehrheit denen die Argumente liefert, die seit Jahren sagen: nicht das Gespräch müßt ihr suchen, sondern den Kampf? Das ist doch eine indirekte Unterstützung der Radikalen.
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Mit wem will man eigentlich noch sprechen, wenn man die Gesprächspartner mundtot macht?
Wir fürchten, daß eine solche Politik nur zur weiteren Radikalisierung führt, daß sie auch kommunistischen Kräften zwangsläufig in die Hand arbeitet. Wir nutzen unsere Politik und unsere Beziehungen zur Republik Südafrika - unsere Beziehungen, die wir aufrechterhalten werden -, um erneut an die Regierung dieses Landes zu appellieren, diese Maßnahmen zu überdenken und zurückzunehmen.
({24})
Hier ist auch von Gewaltanwendung in Afrika gesprochen worden. Diese Frage kann in der Tat nicht übergangen werden. In der Frage der Ablehnung von Gewalt als Mittel der Politik gibt es für die Bundesregierung kein Wenn und kein Aber. Wenn es im südlichen Teil Afrikas Gewalttaten gibt, so wird sie in diesem Hause niemand beschönigen oder verteidigen, aber eben unabhängig davon, von welcher Seite Gewalt angewendet wird. Hier darf es keine Einäugigkeit geben.
({25})
Wir sollten uns allerdings vor der Gefahr bewahren, daß wir Befreiungsbewegungen sozusagen als Zusammenschlüsse von Terroristen bezeichnen und daß wir Gewalttaten und Berfeiungsbewegungen gleichsetzen.
({26})
Niemand leugnet, daß Gewalttaten vorgenommen werden. Aber wir sollten auch nicht übersehen, daß sich in den Befreiungsbewegungen - ohne daß eine von ihnen einen Ausschließlichkeitsanspruch erheben könnte und unabhängig von ihrer politischen Zielrichtung ({27})
immerhin Menschen zusammenschließen, die sich als Vertreter unterdrückter Bevölkerungsteile empfinden, und zwar deshalb, weil diese Bevölkerungsteile keine andere Möglichkeit haben, sich zu artikulieren.
({28})
Schaffen wir doch durch unsere Politik, durch eine Unterstützung der Politik des friedlichen Wandels die Möglichkeit auch der Artikulation für die Mehrheiten. Dann werden wir auch jene zurückdrängen, die unter den Mehrheiten Gewalt predigen und auch Gewalt anwenden, die wir wie Sie auch verurteilen.
Wenn die Bundesregierung, wenn die sie tragenden Parteien das Gespräch mit diesen Befreiungsbewegungen suchen, so doch nicht in der Absicht, sie in dem Willen zur Anwendung von Gewalt zu bestärken, sondern gerade umgekehrt, sie von der Notwendigkeit des friedlichen Wandels und der Vermeidung eines Rassenkrieges zu überzeugen.
({29})
Wir wissen doch, wie differenziert diese Befreiungsbewegungen sind, daß keine von ihnen ein monolithischer Block ist, daß es sicher solche gibt, die die Hoffnung auf friedlichen Wandel aufgegeben haben, daß es andere gibt, die mit Leidenschaft für den friedlichen Wandel eintreten. Wollen wir sie alle zurückstoßen? Wollen wir sagen, diese Befreiungsbewegungen sind marxistisch, leninistisch, kommunistisch, gewalttätig? Meine Damen und Herren, wir werden dann in den neu entstehenden Staaten im südlichen Teil Afrikas bald keinen Gesprächspartner mehr haben.
({30}) Davor möchte ich uns bewahren.
Es geht schließlich auch darum, daß wir den Befreiungsbewegungen verständlich machen, daß wir sie um so mehr unterstützen und anerkennen können, je klarer sie eine Politik vertreten, die der weißen Minderheit einen gesicherten Verbleib und einen Schutz ihrer Minderheitsrechte sichert. Aber das geht eben nur im Gespräch und nicht in einer militanten Auseinandersetzung.
Herr Bundesaußenminister, würden Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Todenhöfer gestatten?
Ich würde dem Herrn Kollegen Todenhöfer gern dann wieder eine Zwischenfrage beantworten, wenn er gegenüber der Bundesregierung den Vorwurf der Beihilfe zum Mord zurückgenommen hat.
({0})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zu der Entscheidung der Bundesregierung, das Konsulat Windhuk zu schließen, ein Wort sagen. Die Bundesregierung handelt bei der Schließung dieses Konsulats in Wahrnehmung langfristiger deutscher Interessen, vor allem in Wahrnehmung langfristiger Interessen der deutschen Staatsbürger und der Deutschstämmigen in Namibia.
({1})
Die konsularische Vertretung - meine sehr verehrten Damen und Herren, davon können Sie sich überzeugen - ist auch nach Schließung des Konsulats sichergestellt. Der konsularische Schutz wird aber gerade im Zeitpunkt der Entstehung des unabhängigen Namibia
({2})
angesichts der bei jeder Staatsgründung vorhandenen Problematik und der dann vorhandenen Unsicherheit notwendig sein.
({3})
Die Sicherstellung dieses Schutzes wollen wir mit unserer Maßnahme erreichen.
Ich möchte schon jetzt erklären, daß das unabhängige neue Namibia bei seinem Aufbau auf die Hilfe, Unterstützung und Zusammenarbeit der Bundesrepublik Deutschland rechnen kann. So wahren wir die Interessen unserer deutschen Mitbürger auch und am besten.
({4})
E geht in dieser Frage auch um unsere Möglichkeit, im Rahmen der Fünfer-Initiative zur friedlichen und international akzeptierten Lösung der NamibiaFrage beitragen zu können. Ich weise mit Entschiedenheit den Vorwurf zurück, die Bundesregierung beuge sich hier dem Druck der Swapo. Es ,ist auch falsch, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, wenn Sie in Ihrem Antrag Drucksache 8/742 ({5}) behaupten, nur marxistisch orientierte Regierungen und Organisationen stellten die Forderung nach Schließung des Konsulats Windhuk, Meine sehr verehrten Damen und Herren, begreifen. Sie denn nicht, daß das eine Forderung aller afrikanischen Regierungen ist, ganz gleich, welche politische Orientierung sie haben.
({6})
Wenn wir wollen, daß wir bei diesen Regierungen gehört werden und diese Regierungen als Verbündete für eine friedliche und vernnüftige Lösung in Namibia bekommen, müssen wir auch auf das hören, was
sie zur Konsulatsfrage und zur Beurteilung der Erhaltung dieses Konsulats sagen.
({7})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, bitte, übersehen Sie auch nicht, daß die Forderung nach der Schließung des Konsulats in der ganzen Dritten Welt nicht nur Gehör, sondern Verständnis findet.
({8})
Kein Deutscher wird hinsichtlich seiner Betreuung zu leiden haben.
({9})
Aber am Tage nach der Unabhängigkeit, meine sehr verehrten Damen und Herren, werden wir froh sein, wenn wir nicht das einzige Land sind, das man an der Errichtung eines Konsulats hindert, wie wir das an anderer Stelle leider erleben mußten.
({10})
Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind die Anstrengungen der Bundesrepublik Deutschland, sind die Anstrengungen der Bundesregierung darauf gerichtet, in Rhodesien, in Namibia und in Südafrika selbst den friedlichen Übergang zu ermöglichen. Ein Aufschub der dort anstehenden Lösungen wird die Probleme nicht leichter machen, sondern sie erschweren. Wer die friedliche Lösung will, muß sie jetzt mit Nachdruck unterstützen.
Einer derjenigen, die von den Maßnahmen der letzten Tage in Südafrika betroffen sind, ist Percy Quoboza. Er hat gesagt:
Letzten Endes müssen wir uns alle von der
nüchternen Erkenntnis leiten lassen, daß wir
beide, Schwarze und Weiße, hier sind und bleiben werden. Keiner von beiden hat das Recht, den anderen nach Europa oder in die Homelands wegzuwünschen. Darum müssen wir lernen, als Brüder zusammen zu leben oder als Narren zusammen unterzugehen.
Meine Damen und Herren, ich wünschte mir, alle, die politische Verantwortung im südlichen Teil Afrikas tragen, weiß und schwarz, würden nach dieser Erkenntnis handeln. Wir wollen diejenigen unterstützen, die so denken wie derjenige, der jetzt unter den Maßnahmen des 19. Oktober 1977 zu leiden hat.
({11})
Das Wort
hat der Herr Abgeordnete Dr. Marx.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Die Interessen unseres
Landes gebieten, uns um die geopolitischen, wirtschaftlichen und rohstoffpolitischen Positionen des südlichen Afrika, um das Schicksal dieser Staaten und ihrer Völker zu kümmern. Wir müssen auch die strategische Offensive der Sowjets gegenüber Afrika, von der heute wiederholt gesprochen wurde, begreifen. Sie muß uns und den ganzen Westen herausfordern, einer immer weiter- und tiefergreifenden kommunistischen Umstülpung afrikanischer Staaten zu widerstehen und nicht jenen zu helfen, die unsere Interessen mißachten, sondern denjenigen, die eine moderierte Politik verfolgen, die zur Stabilisierung dieses Kontinents beitragen und die auf der Seite der Freiheit stehen.
({0})
Die globale sowjetische Strategie versucht, indem sie sich, oft gleichsam mit einer Tarnkappe, westlicher demokratischer Forderungen und Parolen bedient, den südafrikanischen Bereich - zunächst indirekt und dann direkt - ihrer eigenen Kontrolle und Einflußnahme zu unterwerfen. Man muß leider, meine Damen und Herren - Herr Bundesaußenminister, dies ist eine Antwort auf einen entsprechenden Teil Ihrer Rede -, konstatieren, daß diese psychologische und propagandistische Offensive der Sowjets bei den oft groben politischen Fehlern, bei manchen großen Ungeschicklichkeiten und bei mancher Sturheit, mit der z. B. an der gesetzlichen Apartheid festgehalten wird, Ansatzpunkte findet. Aber, Herr Bundesaußenminister: Während in Europa immer neue Variationen der Entspannungsformeln umhergereicht werden, praktizieren die Sowjetunion und das für Afrika ebenfalls raumfremde Kuba massive Herrschaftsausübung in Afrika.
({1})
Angesichts dieser Tatsachen, angesichts auch der massiven Waffenlieferungen an sogenannte Befreiungsbewegungen oder an Leute, die sich sozialistisches Regime nennen, erscheint mir die Beschreibung, die der Bundesaußenminister in seiner Rede vor den Vereinten Nationen abgegeben hat, als der harten Wirklichkeit nicht gerecht.
({2})
Herr Kollege Genscher, Sie nehmen es mir nicht übel, wenn ich sage, daß es wohl Ihr idealistisch gestimmtes Gemüt ist - dem würde ich ja gerne folgen, wenn die Welt nicht ganz anders wäre -, das Ihnen zu sagen erlaubt - ich zitiere -: „Die Politik der Vorherrschaft hat keine Zukunft mehr." Sie fügen hinzu: „Die Weltordnung der Zukunft kann nur eine Ordnung der Gleichberechtigung sein." Wie Sie, Herr Kollege Genscher, würden wir alle wünschen, daß diese Sätze auf die vor uns liegende Zukunft überall, auch in Afrika, anwendbar wären. Wenn wir aber nicht an rätselhafte harmonisierende Kräfte glauben, wenn wir uns nicht in der Außenpolitik nur angenehmen Träumen hingeben wollen, sondern ausgehen von der Welt, wie sie ist, von ihrem Streben nach Macht, nach Herrschaft und Gewalt, dann müssen wir leider sagen - ich füge hinzu: die Konkretisierung der sowjetischen Politik in Afrika unterstreicht jedes Wort -, daß die Stärkeren immer noch danach streben, den
Schwächeren ihren Willen aufzudrängen und daß Scheußlichkeiten aller Art durch angeblich höhere Ziele immer noch gerechtfertigt werden.
Herr Bundesaußenminister, Sie sagen in Ihrer Rede, daß der Wille der Nationen, der stark genug sei, große Kolonialreiche aufzulösen, neue Abhängigkeiten verhindern werde. Sie sagen dies, obwohl doch die Lehren der jüngsten Vergangenheit in vielen Teilen der Welt, vor allem in Afrika, ganz anders aussehen.
Lassen Sie mich einige Beispiele nennen, die ich als eine schmerzliche Korrektur Ihrer Darlegungen und unserer Wünsche und Hoffnungen empfinde. Ich sage das auch deshalb, Herr Bundesaußenminister, weil Sie wiederholt und andere Redner auch darauf hingewiesen haben, man müsse verhindern, daß Afrika ein Spiegelbild der Auseinandersetzung zwischen Ost und West werde. Da haben Sie uns sicher an Ihrer Seite. Niemand von uns kann ein Interesse daran haben. Aber wir sprechen, wenn wir so sprechen, doch auf einer abstrakten Ebene.
({3})
Es ist doch bereits so: die Kräfte, vor allen Dingen die Kräfte des Ostens, die Kräfte der sowjetisch geführten Welt sind doch in einzelnen afrikanischen Staaten schon sehr wirksam.
Ich nenne das Beispiel Mozambique. Es gibt j a auch in diesem Saal einige, die vor der Zerschlagung der portugiesischen Kolonialmacht in Mozambique sich in der Illusion wiegten, Hilfe für die Frelimo, direkte oder indirekte, finanzielle oder sogenannte humanitäre Hilfe, schaffe Entkolonialisierung und damit Selbstbestimmung für die dort lebenden Menschen. Die gängige Argumentation hat damals gelautet, man müsse rechtzeitig mit der marxistisch-leninistischen Frelimo zusammenarbeiten, weil man dadurch den Weg für künftige gute Beziehungen bereite, wenn sie an der Macht sei.
Meine Damen und Herren, so etwas hat man uns damals - Herr Bundesaußenminister, Sie erinnern sich noch - für Realpolitik verkauft. Aber man muß natürlich fragen: Was sind denn nun mittlerweile die Realitäten geworden? Die schwarzen Menschen in Mozambique leben heute unter ungleich härterer Bedrückung als früher. Die ferngesteuerte Diktatur in diesem Land ist schärfer und erbarmungsloser als alles, was vorher Grund zur Klage und Anklage gab. Die Beziehungen zwischen uns und Mozambique sind miserabel.
({4})
Wer denkt bei diesen Erfahrungen nicht daran, daß die gleiche Bundesregierung dabei ist - dies ist ein erster Teil der Antwort auf Ihre letzten Bemerkungen, Herr Kollege Genscher -, gegenüber Südwestafrika/Namibia wiederum den gleichen Fehler zu machen? Das deutsche Konsulat in Windhuk, so sagen Sie, müsse aufgegeben werden. Es wird natürlich dabei auch unterstellt, daß es eine bestimmte starke, massive Forderung - viele unserer Kollegen haben es sich ja an Ort und Stelle noch
einmal sagen lassen - der Swapo sei, und man könne davon ausgehen, daß man dann; wenn man jetzt das Konsulat auflöse und die Swapo die Macht übernommen habe, gute Beziehungen haben werde. Die Machtübernahme der Swapo ist übrigens eine Sache, die ich, gut kontrollierte freie Wahlen vorausgesetzt, gar nicht sehe; denn so stark ist die Swapo gar nicht. Wir sollten uns davon nicht so faszinieren lassen.
({5})
Aber nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich sage: Hier löst wiederum eine Illusion die andere ab. Und wie wir lesen, wird die Enteignung der Deutschen in Südwest-Namibia durch die Swapo ja bereits angekündigt.
In vielen anderen afrikanischen Staaten war der Prozeß der Entkolonialisierung mit Gelöbnissen der Einführung von Freiheit und Demokratie verbunden. Was übrigblieb - meist schon nach einer einzigen Wahl -, sind Herrschaftsformen, die uns fremd sind. Ich will sie aber gar nicht summarisch aburteilen. Uns fehlt die Arroganz, von den einzelnen schwarzen Stämmen und Stammesgruppen in Afrika mit ihrer Häuptlingsorganisation zu verlangen, daß sie eine moderne plurale Westminster-Demokratie
- wie man dort sagt - aufbauen. Haben wir doch
- der Herr Kollege Strauß hat es vorhin in einem anderen Zusammenhang dargestellt - in Europa viele Jahrhunderte gebraucht und haben doch auch wir in Deutschland so lang und so schmerzhaft darum gerungen, bis wir eine freie, geordnete parlamentarische Demokratie errichten konnten.
In so manchen dieser Staaten - dies wurde mehrmals dargestellt; ich möchte es wiederholen, um auf die darin liegenden Gefahren aufmerksam zu machen - ist in den letzten Jahren ein ständig anschwellender Strom modernster sowjetischer Waffen geflossen. Ob ich Algerien oder Libyen, Äthiopien oder Guinea, Kongo-Brazzaville oder Angola nenne: diese Waffen verschaffen neue Macht und neue Verführung, die gewachsene Macht zu gebrauchen.
Herr Kollege Genscher, Sie sagten an einer anderen Stelle Ihrer UNO-Rede: „Wir wollen keine Ideologien exportieren." So reizvoll es wäre, die Erfindung dieser Formulierung zu erforschen, so notwendig ist es, mit aller Entschiedenheit darauf hinzuweisen, daß wir unsere rechtsstaatliche Ordnung und unsere demokratischen Grundsätze nicht als Ideologie verstehen.
({6})
Falls Sie, Herr Bundesaußenminister, dies so verstehen - ich denke, Sie haben dort auch etwas in Anlehnung an das Vokabular der Blockfreien gesprochen -, darin müßten Sie in der Konsequenz dieses Gedankens darauf verzichten, unsere Wertvorstellungen von Freiheit, Freizügigkeit und auch von sozialer Marktwirtschaft in die internationale Diskussion z. B. über die Weltwirtschaftsordnung, über das internationale Informationswesen oder über die Terroristenbekämpfung einzubringen. Ich nehme nicht an, daß Sie das je so gemeint haben. So
sind Sie uns in diesem Haus nicht begegnet. Aber, Herr Bundesaußenminister, es gibt sicher viele, die Ihrer Rede vor den Vereinten Nationen eifrig applaudiert und sie wohl doch so verstanden haben, daß Sie einen solchen Export nicht wollen.
Die Bundesregierung sollte mehr und wirksamer als bisher nicht als Exportartikel, sondern in selbstbewußter Selbstdarstellung unsere eigene Grundordnung und deren. Handhabung und das freie Leben unserer Bürger anderen Völkern in einer verständlichen Form zeigen. Wenn ich den Bericht der Enquete-Kommission zur auswärtigen Kulturpolitik und die Stellungnahme der Bundesregierung recht verstehe, ist hier ein Ansatz, aus dem wir lernen können. Wir müssen unsere eigene Lebensart und unser Selbstverständnis von Freiheit und rechtlicher Ordnung in einer besseren und verständlicheren Weise zeigen und den anderen Völkern anbieten.
({7})
Lassen Sie mich eine kurze Bemerkung zu dem machen, was wir seit einigen Tagen und Wochen und auch heute noch sehr schmerzhaft und mit großer Sorge fühlen. Ich meine wilde linkskommunistische und anarchistische Angriffe in vielen Ländern, auch in verbündeten Ländern, gegen uns und unsere staatliche Ordnung. Ist denn hier in diesem Saal jemand arglos genug, zu glauben, daß da nicht die gleiche fördernde und regulierende Hand spürbar wird: die in Afrika unter dem Vorwand der Befreiung und bei uns unter dem Vorwand, ein demokratisches System umstülpen und eine anarchistische Ordnung errichten zu müssen? Ich denke, wir haben nicht überhört, daß die sowjetische Nachrichtenagentur NOWOSTIJ sich nicht genierte, die Entführung von Hanns Martin Schleyer als ein paralleles Ereignis zum Reichstagsbrand von 1933 darzustellen?
({8})
Angesichts dieser Tatsachen, die ich nur ganz kurz ansprechen kann, wäre es wahrhaft zu euphorisch, zu behaupten - ich zitiere noch einmal den Außenminister -: „Die Welt ist auf der Suche nach einer gerechten Ordnung und Zusammenarbeit." Herr Bundesaußenminister, ist es wirklich so? Ist die Welt wirklich auf der Suche?
Viele von uns, wir sind auf der' Suche. Aber andere suchen nicht gerechte Ordnung, sondern gewaltsame Herrschaft ihrer Ordnung über uns. Es gibt neue Staatsgruppierungen, die sich in Afrika herausbilden und ihrerseits über andere afrikanische Staaten Vorherrschaft und Hegemonie suchen. Wenn wir diese Welt mit all ihren wachsenden Konflikten sehen, dann können wir nicht den Eindruck erwecken, es handelte sich eigentlich um eine, sagen wir, prästabilisierte Harmonie.
({9})
Meine Damen und Herren, der Herr Außenminister hat in seiner UNO-Rede erklärt, Entspannung schließe aus - ich zitiere -, „daß eine Seite der anderen ihr System aufzuzwingen sucht" . Das ist ein wahrhaft kluger Satz. Aber was sagt dieser Satz denn logisch aus? So lange es nicht nur Versuche, sondern fortgesetzte Handlungen gibt, um fremde
Systeme anderen aufzuzwingen, so lange kann von einer wirklichen, von einer prüfbaren, von einer dauerhaften Entspannung weder bei uns noch in Afrika die Rede sein.
({10})
Meine Damen und Herren, meine Fraktion hat - und Herr Kollege Bahr, den ich jetzt nicht sehe, hatte vorhin den Geschmack, die Sache zu disqualifizieren, offenbar ohne sie gelesen zu haben, wie er es leider so oft tut - nach sehr eingehender Diskussion und nach einer Sondersitzung am vergangenen Dienstag ein Positionspapier verabschiedet, das unsere Politik gegenüber dem südlichen Afrika fixiert. Wir gehen dort von den deutschen, den europäischen und den atlantischen Interessen aus, von den Interessen der verschiedenen Bevölkerungen im südlichen Afrika, die sich gegen den Einbruch einer raumfremden und imperialistisch handelnden Politik wehren und die Anzettelung von Stellvertreterkriegen, die subversive Tätigkeit terroristischer Organisationen, die sich meist als Freiheitsbewegungen tarnen, aber totalitäre Ziele verfolgen, als eine besondere Gefahr für die Weiterentwicklung Afrikas bezeichnen.
Wir sehen bei der Durchsetzung kommunistischer Absichten eine friedensgefährdende Veränderung des Kräfteverhältnisses in der Welt und glauben, daß sich eine nüchterne Afrikapolitik nach jeder Seite hin vor Selbsttäuschung, Wunschvorstellungen und Irreführungen - Frau Minister Schlei: vor Irreführungen! - hüten sollte.
({11})
Um es offen zu sagen: Wir wünschen nicht, daß die kulturellen und die zivilisatorischen Leistungen, die Weiße und Schwarze im südlichen Afrika erbracht haben, zerstört werden oder ähnlich wie in anderen Ländern die Errungenschaften in einem Inferno untergehen.
Für uns liegt die Wahrung deutscher Interessen in der Anwendung jener Grundsätze auch auf Afrikas Süden, die der Sicherung und der Gewährleistung von Frieden und Gerechtigkeit, Demokratie und Wohlstand dienen.
Vorhin ist ironisiert worden, daß wir sagen: Ohne daß wir uns lautstark - worauf der Ton liegt, hat man auf seiten derer, die gemeint sind, offenbar gemerkt - in die inneren Angelegenheiten anderer einmischen wollen, wollen wir doch unsere Mittel, auch die diplomatischen, auch die wirtschaftlichen, auch die finanziellen, auch die Mittel, die es in den letzten Monaten in vielen Gesprächen und Unterredungen gegeben hat, nutzen, um gegenüber den Verantwortlichen in den südafrikanischen Bereichen darauf zu drängen, daß - ich bitte Sie, Herr Außenminister, daß Sie dies noch einmal genau hören; dies ist der Wille, dies ist die Meinung meiner Fraktion - in raschen Schritten politische, rechtliche und soziale Änderungen durchgeführt werden. Wir wollen, daß dabei die vorhandenen Freiheiten erhalten, daß neue Freiheiten gewonnen werden und - das ist das eigentliche Ziel westlicher Afrikapolitik, wie wir sie wollen - ein friedliches und sicheres Zusammenleben der Menschen verschiede4066
ner Rassen und verschiedener Hautfarben gewährleistet wird.
({12})
Natürlich wissen wir - die Meldungen, die wir jeden Tag aus den verschiedensten Staaten des südlichen Afrika erhalten, machen es deutlich -, daß der Weg dorthin schwer ist, steinig und voller Gefahr. Wir halten fest, daß zahlreiche europäische Unternehmungen durch beispielhaftes Verhalten hierzu schon einen wesentlichen Beitrag geleistet haben. Die jüngst von der EG beschlossenen Verhaltensregeln, die ja die Kollegen von der SPD ihrem eigenen Antrag heute beigefügt haben, scheinen uns angesichts der Praxis z. B. in deutsch geführten Betrieben in dieser Form unnötig. Sie haben leider auch einen unangenehmen Beigeschmack, solange die Anwendung solcher Regeln nur dort empfohlen werden, wo man sich selbst stark und den anderen druckempfindlich wähnt, aber nicht dort, wo die Apartheid der Klassen - das gibt es ja auch, es gibt ja nicht nur eine Apartheid der Rassen; ich hätte es heute gern gesehen, wenn hier einer aufgestanden und sich gegen die Apartheid der Klassen, gegen den verordneten Klassenkampf ausgesprochen hätte ({13})
zur offiziellen und zynisch propagierten Staatsphilosophie gehört.
Ich sage das deshalb, weil wir eines nicht wünschen, Frau Kollegin Schlei, dem, was Sie heute morgen gesagt haben, kann ich mich jetzt, weil die Zeit nicht mehr ausreicht, nicht entsprechend widmen; es wäre auch schwierig, weil manches sehr ermüdend vorgetragen war. Aber ich gebe Ihnen ein Wort zurück, an Ihre ganze Regierung, auch in Erinnerung an die letzten Jahre Ihres Handelns: Sie sollten Afrikapolitik bitte nicht zu einer Funktion der Innenpolitik machen. Sie kann nämlich in keinem europäischen und in keinem nordamerikanischen Land die Funktion der Innenpolitik übernehmen oder der verlängerte Arm des innenpolitischen Schlagabtausches zwischen Parteien sein. Wenn wir da hinkämen, wäre dies ein großer Fortschritt. Leider, Herr Kollege Genscher, hat es heute eine Reihe von Reden gegeben - nicht nur die Rede des vorhin dauernd angesprochenen Kollegen Todenhöfer, sondern auch eine Reihe Reden von Kollegen aus Ihrer Partei -, bei denen ich allerdings den Eindruck hatte, daß die Tonart, die Diktion, die gewählten Worte nicht auf Gemeinsamkeit in einer solchen Frage hinzielten, sondern die Trennung herausarbeiten wollten. Das war der Mißbrauch einer Diskussion über Außen- und Afrikapolitik zur innnenpolitischen Profilierung.
({14})
Unsere Politik gegenüber dem südlichen Afrika darf nicht, weder mittelbar noch unmittelbar, gewaltsame Aktionen oder auch nur die Androhung von Gewalt unterstützen. Herr Bundesaußenminister, Sie haben dies für sich, für die Regierung ebenfalls noch einmal dargestellt. Natürlich sollte man dann auch darüber reden, warum die Bundesregierung z. B. in Rhodesien die Patriotische Front unterstützt und nicht einen Mann wie Bischof Muzorewa, der ganz sicher zu den Gemäßigten zählt.
({15})
Dies ist eine Frage, die beantwortet werden sollte.
Es ist schon phantastisch, immer wieder linke Geschmacklosigkeiten lesen zu müssen, wonach diejenigen, die heimilch in der Nacht aus ihren Ausbildungslagern ausbrechen, über die Grenze schleichen - Herr Kollege Althammer, der gerade aus dem südafrikanischen Bereich zurückkommt, hat ja darüber bedrückendes, schlimmes Material mit anderen Freunden gebracht - und unschuldige Missionare, Schwestern, Ärzte, Frauen und Kinder töten, mit den heldenhaften Widerstandskämpfern des 20. Juli 1944 und mit den Aufständischen des 17. Juni 1953 verglichen werden. Mir fehlt für diesen Vergleich jedes Verständnis.
({16})
Ich möchte auch sagen, daß ich es für den Gipfel der Geschmacklosigkeit, der geschichtlichen Verfälschung und der Verschiebung von Wertkategorien ansehen, daß ich eine Herabsetzung darin sehe, wenn der Kollege Egon Bahr die mit sowjetischen Maschinenwaffen arbeitenden Terroristen mit Unbewaffneten, mit Leuten, die nicht einmal mehr einen Beruf haben, die keine Rente haben, die kaum mehr Geld haben, mit Bürgerrechtskämpfern in der Sowjetunion und in der CSSR zu vergleichen wagt.
({17})
Da hört eigentlich, wenn ich das sagen darf, die Diskussion auf. Man hat den Eindruck, man spräche auf zwei ganz unterschiedlichen Ebenen. Dabei ist es doch unser Bemühen - und dies muß es sein, wenn unsere Außenpolitik wirksam sein soll -, in wichtigen Fragen zumindest einen Konsensus zu haben; lassen Sie uns über vieles streiten. Es ist für Sie, Herr Genscher, wenn Sie im Ausland verhandeln, es ist für Ihren Nachfolger, den ich uns bald wünsche, immer wichtig zu wissen, daß er in den entscheidenFragen einen Konsensus der demokratischen Parteien und der demokratischen Fraktionen dieses Landes hinter sich hat.
Um es ganz deutlich zu machen - ich sage das auch als Antwort auf Vorwürfe, die ich heute morgen gehört habe, die einfach ungerechtfertigt sind und die einigen Kollegen von uns etwas unterstellen, was sie weder gewollt noch gesagt noch überhaupt gedacht haben -: Wenn ich hier von Terroristen, von Terroristen im südlichen Afrika, spreche, meine ich kleine, militante, willentlich Angst und Schrecken verbreitende; ganz im Vokabular linker Revolutionäre lebende Gruppen.
({18})
Sie wissen sehr wohl, daß die breite Masse der schwarzen Bevölkerung unter diesen terroristischen Exzessen leidet.
({19})
Wir wissen, daß sie das Ziel dieser Exzesses ist, daß sie ihr Opfer werden soll. Die Schwarzen in Afrika und in Südafrika haben mit diesen verbrecherische Gruppierungen nichts gemein. Wenn also einer von uns von Terroristen spricht, dann meint er solche Terroristen, und er meint nicht diejenigen Schwarzen, die heute ein Kollege mit eindrucksvollen Worten als Brüder bezeichnet hat. Diesen Satz, daß sie Brüder seien, übernimmt die CDU/CSU.
({20})
Herr Außenminister, Sie haben sich eben noch einmal zu jüngsten Verboten in Südafrika geäußert. Sie haben auch gesagt - Sie haben dabei den Kollegen Strauß angesprochen -, Sie würden darauf hinweisen, daß viele, die jetzt von einem Verbot betroffen sind, die eingesperrt worden sind, nicht mit den Autoren dieses Flugblattes zusammengeworfen werden dürfen. Das ist richtig. Die sind aber auch dabei. Ich empfinde - um es ganz offen zu sagen - diese jüngsten Verbote als eine schlimme und belastende Sache. Aber viele hier und in anderen Ländern sollten sich fragen, ob sie nicht in den letzten Monaten und Jahren einiges dazu beigetragen haben,
({21})
eine Wagenburgmentalität zu erzeugen, den Druck immer mehr zu verstärken, so daß sich dort manche, die wir aus ihrer Verkrampfung durch viele Mittel der Politik und Psychologie herauslösen sollten, noch mehr verkrampfen und zu solchen Dingen schreiten, wie wir sie beide beklagen.
({22})
Meine Damen und Herren, es gibt Leute, die verlangen jetzt den Abbruch der diplomatischen Beziehungen. Wir haben gehört, daß der Bundesaußenminister sagte, daß wir die Beziehungen aufrechterhalten. Das ist ganz unsere Meinung. Wir ermutigen Sie, dabei zu bleiben.
({23})
Es gibt andere, die sagen, man müsse jetzt den wirtschaftlichen Boykott organisieren, um damit die südafrikanische Regierung - ich meine die der Republik Südafrika - in die Knie zu zwingen. Wir glauben, daß Boykott kein wirksames Mittel ist. Wir finden es nur merkwürdig, daß oft die gleichen Leute „Boykott gegenüber Südafrika" rufen, die andererseits z. B. gegen das Embargo bei strategischen Gütern gegenüber sowjetisch geführten Ländern lebhaft protestieren. Es mutet uns auch jämmerlich an, wenn man vorgibt, man wolle mit einem Boykott die fremden Regierungen treffen, da doch jeder weiß, daß die Folgen eines solchen Boykotts den einfachen Mann, den einfachen schwarzen Mann am ehesten und am empfindlichsten treffen. Gerade dies sollten wir - ich denke, daß darüber Konsens besteht - nicht wollen.
Meine Fraktion hat in ihrem Positionspapier unter der Überschrift „Selbstbestimmungsrecht" darauf hingewiesen, daß wir dieses Recht nach wie vor für das eigene deutsche Volk reklamieren, daß wir aber
auch im südlichen Afrika die Voraussetzungen für seine freie Wahrnehmung schaffen wollen. Ich habe leider oft den Eindruck, daß sich manche, die verlegen wegsehen, wenn sie vom deutschen Selbstbestimmungsrecht hören, um so eifriger für das anderer, ferner Völker einsetzen, weil dies offenbar nur eine verbale Anstrengung mit sich bringt.
({24})
- Herr Holtz, ich danke Ihnen. Sie haben mir zugerufen - ich will es wiederholen, damit es jeder hört - es sei unteilbar. Ich teile diese Meinung. Es ist nach jeder Seite hin unteilbar, auch was unser eigenes nationales Anliegen anlangt.
({25})
Meine Damen und Herren, es gibt immer gern herbeigeführte Mißverständnisse. Um denen entgegenzuwirken, möchte ich noch einmal folgendes klar formulieren: Die CDU/CSU will auf eine Ausübung dieses Selbstbestimmungsrechtes aller in Südafrika lebenden Völker und Bevölkerungsgruppen hinwirken. Wir, die Union, wollen ein friedliches und menschliches Zusammenleben aller der seit Jahrhunderten in diesem Raum lebenden Rassen, Völker und Stämme. Wir bleiben dabei, daß alle Menschen ein gleiches Anrecht auf Schutz vor staatlicher Willkür haben, auf soziale Gerechtigkeit, auf Teilhabe am politischen Entscheidungsprozeß.
Der Kollege Ehmke ist nicht da, der vorhin mit einem unglaublichen Zwischenruf versucht hat, uns zuzuschieben, wir seien Vertreter der Apartheid oder Vertreter eines Rassendenkens. Herrn Ehmke und den, wie ich hoffe, sehr wenigen, die so verblendet sind und so ähnlich denken wie er, möchte ich sagen, daß wir für die Überwindung der Apartheid im südlichen Afrika eintreten, für die Beseitigung der gesetzlichen Bestimmungen der Apartheid und der bestehenden Ungleichheiten im dort vorhandenen Erziehungssystem, daß wir uns zugleich aber gegen eine heuchlerische Politik wenden, welche sich nur traut, die Verwirklichung der Menschenrechte lediglich in bestimmten Ländern zu fordern, zu schweren Verletzungen der Menschenrechte aber schweigt und weitere Verletzungen durch ihr Schweigen ermutigt.
({26})
Meine Damen und Herren, wir in Deutschland haben einen langen geschichtlichen Prozeß durchgemacht, um zum demokratischen Grundsatz „Jeder wahlfähige Mensch hat eine Stimme" zu finden. Die Anwendung des Prinzips „One man - one vote" in ganz Afrika - hören Sie bitte, ich sage „in ganz Afrika", und ich hätte gerne, daß einige auf seiten der SPD und der FDP das auch übernähmen und nicht nur diesen oder jenen Staat in Südafrika ansprächen - darf doch nicht zum Vorwand werden, um andere Rassen und Bevölkerungsgruppen 'zu unterdrücken und totalitäre Machtverhältnisse herzustellen. Auch die einseitige Verordnung von Verfassungsmodellen - Herr Bahr hat sich über diesen Satz erregt; ich weiß nicht, warum - trägt nicht
dazu bei, die Ziele friedenswilliger Kräfte zu fördern.
Auf Grund dieser Einsichten fordert meine Fraktion, Herr Bundesaußenminister, die Regierung der Republik Südafrika auf, in Gespräche mit frei gewählten Repräsentanten aller Bevölkerungsgruppen einzutreten, um mit ihnen in voller Gleichberechtigung die zukünftige Verfassungsstruktur des Landes zu erörtern und eine, wie wir es für möglich erachten, selbst gewählte Form föderativer Lösungen zu erwirken. Natürlich wird es notwendig sein, friedliche Kompromisse zwischen Minderheiten und Mehrheiten zu schließen. Ohne solche Kompromisse geht es nicht. Das Land würde sonst in ein Chaos, ein Inferno versinken. Aber dabei wollen wir - und ich wiederhole, was ich vorhin hinsichtlich Muzorewas sagte, den ich hier nur paradigmatisch nenne - unsere Unterstützung gemäßigten politischen Kräften auf allen politischen Seiten geben. Wir glauben, daß dies insbesondere im Interesse der schwarzen Bevölkerung selbst liegt. Wir denken, daß ein Beispiel dafür die von Respekt und Verständnis füreinander getragenen Bemühungen der Teilnehmer der sogenannten Turnhallenkonferenz in Windhuk sind. Meine Fraktion wünscht sehr, daß die dem südlichen Afrika benachbarten Staaten eine Lösung der bestehenden Konflikte nicht mit kriegerischen Mitteln, auch nicht mit Konzentrationslagern, sondern mit friedlichen Mitteln anstreben. Wir fordern diese Staaten auf, ihren Einfluß zu verstärken, um den Mißbrauch ihrer eigenen Territorien für kriegerische Unternehmungen auszuschließen.
Herr Bundesaußenminister, meine Fraktion fordert die Bundesregierung auf, die seit einigen Tagen neu entstandenen Schwierigkeiten und Verbote - wir haben eben darüber gesprochen - nicht als Vorwand für Sanktionen zu nehmen, sondern zusammen mit unseren Verbündeten alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um einen friedlichen Wandel im südlichen Afrika zu unterstützen. Ich denke, daß Sie, Herr Kollege Genscher, besser als viele andere wissen, welche Bedeutung in solch kritischen Situationen das Wort der Deutschen hat und wie wichtig es wäre, jetzt ohne Leidenschaft und Emotion mit Augenmaß, mit Vernunft und mit Fairneß dieses Wort einzusetzen. Denn unser Wort wird auch gehört, wenn wir erklären, daß es ein vorrangiger Zweck unseres politischen Bemühens sei, den sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Aufstieg der nichtweißen, insbesonder der schwarzafrikanischen Bevölkerung zu fördern und ihre Ausbildungsmöglichkeiten zu verbessern.
Lassen Sie mich - das hat für mich in der Rede von Herrn Bahr eine makabre Rolle gespielt - ein Wort zur friedensstiftenden Arbeit der Kirchen im südlichen Afrika sagen, und zwar deshalb, weil in den letzten Monaten wiederholt und auch heute hier wieder versucht worden ist, unsere entwicklungspolitischen Vorstellungen in Gegensatz zu kirchlicher Entwicklungsarbeit zu bringen.
({27})
Meine Damen und Herren, das mutet schon merkwürdig an. Wir haben die entsprechenden Unterlagen da, aber die Zeit reicht leider nicht, um darauf einzugehen. Wir können aber natürlich auch mit Briefen von der evangelischen und der katholischen Seite aufwarten. Beide Kirchen weisen uns gegenüber in Briefen auch immer wieder darauf hin, daß sie nichts mit der Anwendung, mit der Ausübung von Gewalt zu tun haben wollen. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich sagen, daß wir, die CDU/CSU, ihrem unter schwierigen Bedingungen geleisteten aufopferungsvollen Dienst am Menschen große Bedeutung beimessen.
({28})
Die christlichen Kirchen können und sollen durch die von ihnen verkündete und praktizierte Botschaft wesentlich dazu beitragen, daß Haß und Zerstörung überwunden, Friede, Hoffnung und Menschenwürde erhalten und gestärkt werden. Einseitige Parteinahme aber, durch die die Krichen in Verquickung mit Gewalt geraten können, gefährdet eben den kirchlichen Auftrag zur Versöhnung aller Menschen.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion erklärt, daß sie alle Kräfte unterstützt, die sich mit friedlichen Mitteln darum mühen, die gefährlichen Diskriminierungen zwischen Menschen verschiedener Hautfarbe zu beseitigen, weil wir Verteidiger der Menschenwürde sind und weil Menschenwürde mit Hautfarbe nichts zu tun hat.
({29})
Heute zur Mittagszeit habe ich einen Rundfunkkommentar gehört, in dem der Kommentierende meinte - wie ich glaube, sehr vorschnell -, diese Debatte habe sich nicht rentiert, da Neues nicht zutage getreten sei. Ich halte dieses Urteil für falsch. Mir scheint, daß schärfer als jemals zuvor ein wichtiges Stück Außen- und Entwicklungspolitik, nämlich unsere Haltung gegenüber dem südlichen Afrika und seinen sehr unterschiedlichen Staaten, in die öffentliche und kontroverse Diskussion gebracht wurde. Wir erkennen, daß auf afrikanischem Boden Weltpolitik stattfindet, daß sie uns unmittelbar berührt und daß mit den Maßstäben der Bundesregierung den dringenden Erfordernissen der dort lebenden Völker, den involvierten Interessen unseres eigenen Landes nicht in jenem Maße entsprochen wird, das wir zugunsten unseres eigenen Landes und zugunsten der angesprochenen Völker und Staaten wünschen.
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Meine Damen und Herren, das Wort hat der Abgeordnete Jung.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem die angekündigte Herbstoffensive, Herr Kollege Kohl, gestern ja etwas steckenblieb,
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sei es aus Schwächen der Heerführung oder mangels Truppen, war es nicht verwunderlich, daß heute der Vorsitzende der CSU zur Hatz geblasen hat. Er ist ja etwas vorbelastet!
Aber nach dieser etwas polemischen Einleitung möchte ich mich nicht weiter damit befassen, denn Herr Kollege Marx hat eben in seiner Rede die vielbeschworene Gemeinsamkeit der Demokraten in Grundfragen der Außenpolitik wieder in unser Gedächtnis gerufen.
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- Ja, Herr Kollege Mertes, ich möchte dazu beitragen, daß diese Gemeinsamkeit nicht unter einem Berg von Verdächtigungen, von Beschimpfungen verschüttet wird, denn so mancher Beitrag in der heutigen Debatte zeugte davon, daß wir offenbar doch unter einer Art babylonischer Sprachverwirrung leiden. Wir alle wollen mit unserer Politik Frieden und Entspannung sowie friedlichen Wandel für Südafrika, wie Herr Marx soeben sagte, erreichen. Wenn mancher Redner der heutigen Debatte daran gedacht hätte, daß unser Wort draußen gehört wird, wäre vielleicht so manche Polemik bei dem so wichtigen Thema unterblieben.
Spätestens die kriegerische Situation in und um Angola 1975/76 hat doch verdeutlicht, daß sich im südlichen Afrika ein Krisenherd entwickelt, der in seiner Gefährlichkeit den Krisenherd Naher Osten überholen kann.
Kern aller Auseinandersetzungen wird die Republik Südafrika sein, deren strategische Lage und deren Rohstoffreichtum im internationalen System eine gewichtige Rolle spielen. Herr Strauß hat recht, wenn er darauf verweist, man könne diesen strategischen und wirtschaftlichen Hintergrund nicht außer acht lassen, wenn politische Erklärungen und Handlungen in Ost und West zu beurteilen seien.
Die wirtschaftliche Situation Südafrikas ist durch seine Rohstoff-Autarkie - mit Ausnahme des Erdöls - gekennzeichnet. Die militärische Situation ist dadurch gekennzeichnet, daß Südafrika technologisch in der Lage ist, moderne Waffensysteme nicht nur zu nutzen, sondern zum Teil auch selbst zu produzieren. Die personalen Motivationen lassen allerdings wenig Raum für vernunftgeprägte Entscheidungen.
Die strategische Lage schließlich, die Südafrika schon auf Grund der geographischen Lage, aber inzwischen auch durch die politische Weltlage eine Schlüsselposition zuweist, konnte die politisch Verantwortlichen dort allzuleicht - das war in den letzten Jahren immer der Fall - dazu verführen, insgeheim darauf zu vertrauen, daß der Westen letztlich zur Unterstützung verpflichtet ist.
Einige Kollegen des Arbeitskreises I - Außenpolitik - der FDP-Fraktion haben mit mir im August nicht zuletzt deswegen eine Informationsreise unternommen, um dort in aller Klarheit und in aller Schärfe mit den Verantwortlichen darüber zu reden, welches unsere Position ist: Wir sehen in der Politik der Apartheid eine Politik, die fundamentale Menschenrechte verletzt und die politischen, wirtschaftlichen, sozialen und menschlichen Widersprüche und Spannungen in der Gesellschaft Südafrikas verstärkt. Sie gefährdet mehr unid mehr die Möglichkeit einer friedlichen Entwicklung von Gesellschaft und Staat in Südafrika, und sie fördert nach unserer Meinung die Radikalisierung der politischen Kräfte.
Letzten Endes wird die Politik der Apartheid - hier stimme ich dem zu, was Herr Kollege Marx soeben mahnend gesagt hat - zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung und zum Blutvergießen führen müssen, wenn es uns nicht gelingt, durch äußeren und inneren Druck die dort Verantwortlichen dazu zu bewegen, mit dieser Politik endlich Schluß zu machen. Soweto ist ein Beispiel dafür; seit 1976 ist dort keine Ruhe mehr eingekehrt.
Man kann den Eindruck haben, daß die jetzigen politisch Verantwortlichen dort das Gespräch in Wien zwischen Vorster und Mondale innenpolitisch dazu nutzen, daß sie damit in ihrer Sturheit - um nicht zu sagen: Dummheit - den Rückzug in die Wagenburgmentalität motivieren. Die Nacht- und Nebel-Aktion des Justiz- und Polizeiministers Krüger, die der Kristallnacht vergleichbar ist und bei der 18 Organisationen verboten und 6 Bannverfügungen ausgesprochen wurden, ist gerade unter diesen Gesichtspunkten schlimm und schrecklich. Hier gibt es die sognannten Sicherheitsgesetze, die in Wirklichkeit nur Willkürgesetze sind und auf deren Grundlage ohne richterliche Anordnung und ohne Rechtsschutz Menschen von der Straße, vom Arbeitsplatz weg verhaftet werden und elementare Verstöße gegen Menschenrechte vorkommen.
Dies ist um so schlimmer - der Bundesaußenminister hat darauf bereits verwiesen -, da es sich um gesprächsbereite gemäßigte Oppositionelle handelte, mit denen wir gesprochen haben und von deren Gesprächsbereitschaft, von deren konstruktiver Bereitschaft zur Mitarbeit wir uns überzeugen konnten. Es grenzt schon fast an faschistischen Stumpfsinn, wenn Krüger diese nun verbotenen Organisationen und ihre in die Verbannung geschickten Sprecher, so z. B. Dr. Beyers-Naudé vom Christlichen Institut, als eine kleine Gruppe von Anarchisten bezeichnet und sie gar mit der Baader-Meinhof-Bande vergleicht. Persönlichkeiten wie Percy Quoboza, der Chefredakteur der „Welt", gehören zum gemäßigten Flügel; davon konnten wir uns überzeugen.
Ich hätte hier gern ,das Gegenzitat zu Herrn Strauß verlesen - Minister Genscher hat mir das vorweggenommen -, welches beweist, daß er als einer der Führer der Schwarzen in Johannesburg, als einer der Leute, die das Committee of Ten mit begründeten, für eine friedliche Lösung bis zum letzten eintrat und eintritt.
Sie, diese Männer und ihre Anhänger, kämpfen zwar gegen Prinzip und Wirkung des diskriminierenden Systems der getrennten Entwicklung, wie es die Politiker in Südafrika nennen, sprechen sich aber nicht für gewaltsame Gegenmittel aus.
Ich darf hier unterstreichen, was schon von einem meiner Vorredner gesagt wunde, nämlich daß ein
Unterschied zu den verschiedenen Terroristen, wie sie von Ihrer Seite - Graf Huyn, wenn ich Sie hier direkt ansprechen darf - in Zeitungsbeiträgen genannt wurden, besteht. Es ist wichtig und richtig, zwischen terroristischen und gemäßigten Gruppen zu unterscheiden, gerade dann, wenn Verhandlungen durch humanitäre Hilfe eingeleitet oder begleitet werden. Man kann den dortigen Terrorismus nicht mit dem Terrorismus in Westdeutschland in einen Topf werfen. Es sind ganz andere Ursprünge, andere Zielsetzungen vorhanden. Hier geht es um einen schlimmen Kampf gegen eine freiheitliche Demokratie; dort geht es um den Kampf gegen eine unrechtmäßige Unterdrückung.
Das „Sonntagsblatt" hat klargestellt, daß die schwarzen Bürgerrechtsbewegungen wie das Christliche Institut, die nun verboten sind - ich darf mit Genehmigung des Präsidenten zitieren -, „mit Baader-Meinhof nichts gemein" haben. „Sie wollen Veränderung durch Reform und nicht durch Gewalt".
Bitte schreiben Sie, die Sie in anderer Weise argumentierten, sich das hinter die Ohren.
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Durch den Schlag gegen die Sprecher dieser sich immer mehr artikulierenden jüngeren Schicht städtischer Schwarzer werden sicher potentielle Gesprächs- und Verhandlungspartner und die von ihnen vertretenen Kreise in die politische Radikalität getrieben. Dies muß man bedauern.
Der laufende Wahlkampf kann diese schreckliche Entwicklung auch nicht entschuldigen. Ich möchte auch in diesem Zusammenhang das „Sonntagsblatt" zitieren:
Auf diese Angst vor der schwarzen Gefahr zielt die Aktion der Regierung ab. Es ist das Erfolgsrezept der Nationalen Partei gewesen, seit sie fast vor 30 Jahren an die Macht kam. Daß die Außenwelt kritisch reagieren würde, war vorauszusehen und wird hingenommen. Mehr noch: Es fügt sich glänzend in die Wahlkampfstrategie der Nationalen Partei, die den Wählern ständig eine doppelte Bedrohung vor Augen führt: die schwarze Gefahr im Innern und den Druck des Westens von außen.
Das kann aber von uns, die wir in 'der UNO Mitverantwortung tragen, einfach nicht hingenommen werden. Auch der Zorn über die Ratschläge der wachsenden Schar 'ausländischer Kritiker - wir mußten bei unseren Gesprächen, nach unseren harten und klaren Aussagen 'dort diesen Zorn auch über uns ergehen lassen - kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß hier blindwütig entschieden wurde. Diese so getroffene Entscheidung, die evolutionäre Reformen verhindert, führt nur zur Verschärfung der innenpolitischen Lage. Sie stößt auch diejenigen vor den Kopf, die auf Grund praktischer Einsicht die Forderung „one man - one vote" nicht am Anfang der Entwicklung sehen, sondern am Ende einer sich allerdings schnell vollziehenden Entwicklung politischer Gleichberechtigung.
Meine Fraktion fordert die Bundesregierung auf, alle Möglichkeiten zu nutzen, um zu erreichen, daß
diese menschenverachtende und sinnlose Entscheidung so schnell wie möglich zurückgezogen wird.
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Wir Liberalen appellieren an alle gesellschaftlichen Kräfte unseres Landes, Kontakte zu weißen südafrikanischen Organisationen und Gremien zu suchen und dort für einen Druck von innen zu sorgen. Ich glaube nicht, Herr Kollege Bahr, daß direkte Pressionen durch einen Boykott politisch wirksam sind. Ich habe vorhin schon die Situation kurz umrissen. Sie meinten, daß ein Handelsembargo - natürlich gemeinsam mit unseren westlichen Verbündeten verhängt - vielleicht eine Möglichkeit ist. Wirtschaftliche Sanktionen führen aber meines Erachtens zu kompromißfeindlichen Trotzreaktionen. Das habe ich dort selbst gesehen. Sie treffen direkt die ohnehin Benachteiligten. Der schon einmal zitierte Percy Quoboza hat sich, als ich ihn in einem Gespräch direkt auf diese Frage ansprach, dagegen gewandt. Er meinte - fast wörtlich -: „Wenn Sie schnell ein Blutbad herbeiführen wollen, müssen Sie so etwas tun." Ähnliches haben Beyers-Naudé, Buthelezi und andere geäußert.
Die politische Beeinflussung durch Dialog und Überzeugungskraft vor Ort mit Organisationen sind wirkungsvoller und daher wichtig, in erster Linie mit den Kirchen, mit der Wirtschaft, mit der Wissenschaft und mit den Gewerkschaften, die ihrerseits die Privilegien einer weniger gebildeten, aber großen weißen Mehrheit aufrechtzuerhalten versuchen und damit natürlich diese Ungerechtigkeit mit fördern.
Es muß immer wieder klargemacht werden, damit dieser innere Druck auch wirksam wird: Das Festhalten an der Rassentrennung führt unwiderlegbar in die Isolation. Es liegt in aller Interesse, insbesondere natürlich auch im westlichen Interesse, darauf hinzuarbeiten, daß die Apartheidpolitik rasch abgebaut wird. Wir hatten den Eindruck, daß sich wichtige gesellschaftliche Gruppen der Gefahren sehr wohl bewußt sind. Es sind nicht allein kritische Journalisten, sondern auch Unternehmer und Bankiers, Professoren und Vertreter der Kirchen, die meinen, daß ein tiefgreifender Wandel nötig ist, wenn sich Südafrika einen friedlichen Weg zu einer gerechten und humanen Gesellschaft offenhalten will.
Leider ist diese Erkenntnis bei den Regierenden Südafrikas nicht oder - ich will es etwas relativieren - nur vereinzelt vorhanden. Die Führer der Regierungsparteien lehnen eben einen solchen Wandel entweder ab oder sind nicht bereit, die damit verbundenen politischen Risiken für sich oder ihre Partei zu übernehmen.
Ohne Zweifel kann man einen Wandel der politischen Strukturen in Südafrika mit der Durchsetzung sozialer und gesellschaftlicher Gerechtigkeit einleiten. Die Bildung und Ausbildung insbesondere der Schwarzen in den Städten muß auch durch Anstrengungen privater Firmen aus der Bundesrepublik und aus dem EG-Raum verbessert werden. Solche Anstrengungen sind nötig, um bessere soziale Sicherheit zu gewährleisten, daß gleiche ArJung
beit gleich bezahlt wird, daß berufliche Aufstiegschancen allen ohne Diskriminierung in gleicher Weise gewährt werden, und schließlich, daß sich Schwarze, Inder und Farbige in gleicher Weise wie die Weißen gewerkschaftlich organisieren können.
Hier möchte ich - ebenfalls aus der Erfahrung heraus - den deutschen Firmen einen Dank aussprechen, die in Südafrika in der Tat schon Maßstäbe gesetzt haben, wie man im Zusammenwirken zwischen Schwarzen, Weißen und Farbigen vorbildlich sein kann. Ich meine aber, daß der Code of Conduct, der in der EG verabschiedet wurde und den der Herr Kollege Marx als unnötig bezeichnet hat, dennoch notwendig ist; denn hier liegen Chancen, doch noch eine Änderung herbeizuführen. Der Beschluß der EG-Mitglieder, einen Verhaltenskodex zu fixieren, zielt in diese Richtung! Er sollte dadurch unterstützt werden, daß nur solche Investitionen forciert werden, die mit entsprechenden Auflagen gekoppelt sind. Die Anerkennung und Förderung einer schwarzen oder gemischt-rassischen Gewerkschaftsorganisation, die Öffnung der höheren Lohngruppen für alle Mitarbeiter, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, die Zulassung aller Jugendlichen zur fachlichen und qualifizierten Berufsausbildung mit dem entsprechenden Zertifikat wären derartige Zielsetzungen.
Auf dem so skizzierten Wege erscheint mir eine friedliche Entwicklung im südlichen Afrika noch möglich, obwohl es eventuell bereits fünf vor zwölf ist. Sie zu initiieren, mit allen Möglichkeiten zu fördern und zu forcieren sollte erste Aufgabe unserer Afrikapolitik sein.
Ich meine also, Herr Kollege Marx, daß dieser Verhaltenskodex, nicht unnötig, sondern im Gegenteil noch ausbaufähig ist und daß wir uns in diesem Sinne dafür einsetzen sollten.
Herr Kollege Marx, Sie sagten unter anderem, daß die heutige Debatte den Eindruck erweckt habe, als ob bei manchen Kollegen diese außen- und entwicklungspolitische Debatte der verlängerte Arm der Innenpolitik sei. Ich meine, Herr Kollege Marx, wenn Sie das in Richtung auf die Koalitionsfraktionen gesagt haben, trifft das nicht zu. Umgekehrt wird ein Schuh daraus; denn es scheint mir eher das Problem einiger Ihrer Kollegen, insbesondere des Herrn Todenhöfer, zu sein.
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Ich möchte auch noch davor warnen, die Frage des „one man - one vote" falsch zu interpretieren. Herr Kollege Strauß hat in seinem Beitrag u. a. gesagt, daß dieses Prinzip, das wir alle hier - so hoffe ich doch - als ein Grundprinzip einer demokratischen Ordnung anerkennen, in Afrika angewandt, eben das Chaos nach sich ziehen würde.
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Ich meine, im Bereich der Republik Südafrika kann man das so nicht akzeptieren. Andere afrikanische Staaten, in denen auf demokratische Ansätze allzu schnell diktatorische Regime folgten, sind damit nicht vergleichbar. Die südafrikanische farbige Bevölkerung ist für ein freiheitlich-parlamentarisches System ungleich mehr entwickelt.
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Herr Marx, Sie sprachen auch in bezug auf Südwestafrika von der - so wörtlich - Übernahme der Macht durch die Swapo. Davon kann doch überhaupt nicht die Rede sein. Ich will jetzt nicht auf das Konsulat in Windhuk eingehen, weil mein Kollege Ludewig dazu etwas sagen wird, nachdem Ihr Antrag von einem Ihrer Kollegen noch begründet werden soll. Aber diese Schließung ist doch damit überhaupt nicht in Verbindung zu bringen. Das können Sie nicht gemeint haben; das wäre doch eine Verdrehung der Tatsachen. Dann unterstellen Sie doch auch, daß die westlichen Mitglieder im Sicherheitsrat die Übernahme der Macht durch die Swapo wollen. Im Gegenteil! Wir wollen alle Kräfte unterstützen, die sich in einer freien Wahl - natürlich unter Kontrolle der UNO - zu einer neuen, wie ich meine, demokratischen Ordnung konstituieren.
Herr Präsident, ich komme zum Schluß und möchte betonen, daß wir mit unserem Entschließungsantrag die Politik der Bundesregierung bei ihren Bemühungen um eine friedliche Lösung in Südafrika unterstützen, daß wir sie bei ihren Bemühungen, mit der Rassendiskriminierung Schluß zu machen, unterstützen. Allerdings meinen wir, wie ich soeben schon gesagt habe, daß ein wirtschaftlicher Boykott unwirksam ist, weil er die ohnehin benachteiligten Schwarzen trifft, daß aber Investitionen unter Bedingungen getätigt werden und daß der Durchsetzung des Code of Conduct Nachdruck verliehen wird. Wir wünschen, daß die Fortsetzung des kritischen Dialogs, an dem die Bundesregierung maßgeblichen Anteil hat, zur Erhaltung des Friedens in der Welt und insbesondere zur Festigung des Friedens im südlichen Afrika führen wird.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete von Bothmer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie finden vor sich auf den Tischen eine Resolution der SPD-Fraktion, die ich Ihnen zuerst empfehlen möchte. Die SPD-Fraktion bittet die Bundesregierung darum, die unterdrückten Bevölkerungsmehrheiten in Namibia, Zimbabwe und der Republik Südafrika und deren Übernahme in die Mehrheitsregierung zu unterstützen. Das ist das, was auch Sie gesagt haben, meine Herren von der Opposition. Dagegen können Sie nicht sein.
Weiter bittet meine Fraktion die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, daß mit Mozambique und Angola sobald wie möglich entwicklungspolitische Zusammenarbeit aufgenommen wird.
Außerdem begrüßt meine Fraktion die Zusage der Bundesregierung, den Befreiungsbewegungen im südlichen Afrika Hilfe für friedliche Zwecke zu gewähren.
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- Für friedliche Zwecke!
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- Ich glaube, das Wort „friedlich" ist ein Wort, das man verstehen kann, wenn man will. Darauf kommt es natürlich an.
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Ich möchte gleich noch etwas anfügen: Herr Marx, Sie sprachen davon, daß die Befreiungsbewegungen in Rhodesien Missionare, Schwestern und die Bevölkerung töten.
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Es gibt, lieber Herr Marx, zuverlässige Quellen, daß dies zwar Schwarze sind, daß sie aber von der rhodesischen Regierung dazu verleitet werden.
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Wir verkannten nämlich hier im Lande schon seit langem die Tatsachen und gingen immer davon aus, daß friedliche Lösungen insofern im südlichen Afrika noch möglich seien,
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obgleich dort schon lange Gewalt herrscht. Dort herrscht brutale Gewalt - leider Gottes - gegen alle Weißen
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- Graf Huyn, wollen Sie mich freundlichst reden lassen? -,
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die sich für Hilfe einsetzen, um den Schwarzen zu ihren Rechten zu helfen, und gegen alle Schwarzen. Wer versucht, blutige Gewalttat zu verhindern, ist bestimmt ein Freund des Landes Südafrika. Zu diesen Freunden in dieser Hinsicht zähle ich mich. Das weiß man auch in Südafrika.
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Aber, meine Kollegen und Kolleginnen, was haben wir in all den Jahren versucht? Es ist ja nicht nur Herr Strauß dort gewesen, der - allerdings in anderer Weise als ich - z. B. mit den Mitgliedern der Regierung gesprochen hat. Ich habe auch mit Beyers-Naudé und Theo Kotze gesprochen, weiß Gott ehrwürdige und verehrungswürdige Männer, die in all den Jahren viel getan haben, um eben diesen Zustand der Apartheid aufzulösen.
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Meine verehrten Damen und Herren, ich bitte Sie um Ihre Aufmerksamkeit der Rednerin gegenüber, und ich bitte diejenigen Kollegen, die stehen, Platz zu nehmen.
Aber all das hat wenig geholfen, um nicht zu sagen, gar nichts. Seit Jahren sind die Schwarzen rechtlos. Wer schwarz ist, darf dort nicht wohnen, wo er arbeitet. Wo er unterkommt, darf er nicht zu Hause sein und seine Familie haben. Schwarze politische Parteien, Gewerkschaften, Studentenorganisationen sind systematisch all die Jahre hindurch ihrer Führer beraubt worden. Diese Führer sind ins Gefängnis gesetzt worden, sitzen zum Teil noch; sie sind gebannt worden. Ich kenne eine Reihe von diesen Personen, von denen man weiß Gott nicht sagen kann, daß sie etwas anderes versucht hätten, als auf friedlichem Wege die Verhältnisse zu ändern.
Die Verhältnisse in Südafrika sind aber immer noch bzw. nach den jüngsten Ereignissen wieder so, daß die Schwarzen keine Bürgerrechte in Aussicht haben. Noch ist es so, daß für jedes weiße Schulkind 15mal mehr Geld ausgegeben wird als für ein schwarzes. Schwarze, Farbige und Inder haben keine Bürgerrechte. Sie leben statt dessen unter steigendem Druck und Repressionen. Täglich wird etwas Neues verboten. Es ist einfach nicht wahr, daß sich die Apartheid in der letzten Zeit in irgendeiner Weise gelockert habe. Die Tatsache, daß auf Bänken nicht mehr „Whites" und „Non-Whites" steht, ist eine Lächerlichkeit.
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Seit langem macht dieses wachsende, krasse, entsetzliche Mißverhältnis zwischen dem Recht der Weißen, das sie zweifellos haben, und den Rechten der Schwarzen, aber auch das Mißverhältnis zwischen den Rechten und Erwartungen der Schwarzen die Instabilität im Lande immer stärker. Es belastet nicht nur das Gefüge des Landes, sondern es belastet das internationale Gefüge.
Als vor anderthalb Jahren der erste Aufstand in Soweto war, meine Damen und Herren, da waren es allerdings ganz junge Menschen, Kinder und Schüler, die sich gewehrt haben, ihren Schulunterricht auch noch in der ihnen verhaßten Sprache Afrikaans - für sie die Sprache der Unterdrücker - hinzunehmen. Es ist bemerkenswert, daß seither die jungen Schwarzen nicht mehr die Geduld der alten, ihrer Eltern, aufbringen. Mit zunehmender Dauer und Intensität des Druckes der Regierung radikalisieren und totalisieren sich die ursprünglichen Zielsetzungen und Erwartungen der Schwarzen. Das ist nicht ihre Schuld. Je länger und gewalttätiger sich Rassenunterdrückung hinzieht, um so weniger werden sich die Schwarzen mit eventuellen Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Lage noch zufriedengeben können, die sie vor ein paar Jahren noch absolut zufriedengestellt hätten.
Die jungen Schwarzen, die in den Industriegebieten, in den Gettos vor den Großstädten aufgewachsen sind, sind durch die Apartheid wurzellos geworden. Sie sind nicht in den Homelands zu Hause. Sie haben niemals dort hingehört. Sie sind nirgends zu Hause. Daß sie allmählich Haß und Bitterkeit nicht mehr unterdrücken können, sagen Sie. Kann uns das eigentlich noch wundern? Ein Regierungsmitglied in Südafrika sagte zu mir: Die Schwarzen in den Städten sind ein Problem. Aber sie können nicht volle
Rechte in der Stadt bekommen, weil sie noch Bande in die Bantustans haben. Sie kommen freiwillig hierher, um zu arbeiten, nicht, um mit zu regieren. Ganz schön zynisch ist das, würde ich sagen.
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Jetzt ist schon gar keine Rede mehr von Verbesserungen der Lage der Schwarzen. Schon vorher mußte man sich fragen: Wie lange konnten die vertrauenswürdigen Personen aus der schwarzen Bevölkerung noch die junge Bevölkerung zur Geduld erziehen und hinhalten, immer wieder und dennoch friedlichem Wandel das Wort reden? Wie lange haben sie eigentlich noch Rückhalt? Einer meiner schwarzen Freunde in Südafrika sagte mir: Meine Vernunft läßt mich blutige Gewalt ablehnen; aber ich frage mich, wie ich handeln werde, wenn die Verzweiflung über mir zusammenschlägt. Das muß man sich allerdings fragen.
Ein kurzes Wort zur Politik der Bantustans. Menschen, die, wie ich sagte, dort nie gelebt haben, sollen sich dort heimisch fühlen. Sie haben ein Wohnrecht nur dort, nirgendwo sonst im Land. Sie sollen sozusagen eine Heimat haben. Die Weißen haben . alles übrige Land als Bürger rechtmäßig für sich. Das bedeutet für die Weißen im Land, daß sie nicht mehr eine Minderheit sind, sondern daß sie in dem großen Teil Südafrikas, den sie für sich haben, ganz allein Bürger sind. Die Bantustans machen vom gesamten Boden der südafrikanischen Republik nur 13 % aus, und wohnen sollen dort 80 % der Bevölkerung. Außerdem sind die Bantustans zersplitterte Landstückchen, von denen bis zu 80 ein solches Heimatland sein sollen. Ein Bantustan gibt also nicht einmal für sich ein Ganzes ab. Das ist schon insofern eine ganz unmögliche Regelung.
Die Schwarzen, die jetzt ins Gefängnis geworfen und mit Bann belegt worden sind, wären - wie schon von meinen Vorrednern gesagt worden ist - faire Verhandlungspartner gewesen, allen voran Steve Biko. Ich muß mich dagegen verwahren, daß hier gesagt worden ist, Steve Biko habe dieses schändliche Flugblatt verfaßt. Das ist einfach nicht wahr.
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- Er hat es nicht verteilt!
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- Auch Sie waren nicht dabei! Ich bringe ein Zitat, das die Geisteshaltung von Steve Biko deutlich macht. Er sagte:
Unser Beitrag zur Veränderung in Südafrika muß der unsere sein. Aber auch die Weißen haben einen Beitrag zu bringen. Denn wir werden niemals hier die einzigen sein. Wir werden und wollen hier mit Schwarzen und Weißen leben.
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Wie in den Zeitungen steht, haben die Untersuchungen ergeben, daß Steve Biko Schädelverletzungen erlitten hat und ermordet worden ist.
Da die Regierung diese furchtbaren Verhaftungen jetzt vorgenommen hat, muß man sich fragen: Was will sie denn eigentlich? Will sie Gewalt haben? Will sie die schwarze und die farbige Bevölkerung dahin bringen, daß sie einen blutigen Aufstand macht? Ich glaube, sie hat das provoziert. Und das wäre wohl das Schrecklichste, was ihr noch einfallen konnte.
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Offensichtlich verkennt die Regierung dabei, daß sie sich selber in die allergrößte Gefahr gebracht hat. Für die Weißen ist die Situation in Südafrika immer gefährlicher geworden, und zwar durch ihre eigenen Handlungen, nicht durch Einwirkungen von außen.
Ein kurzes Wort noch zum sogenannten Kommunismus.
Frau Abgeordnete, darf ich Sie bitten, zum Schluß zu kommen.
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'Es tut mir sehr leid. Es ist den ganzen Tag so lang und so viel geredet worden. Ich werde mich bemühen, in zwei Minuten fertig zu sein.
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Ich werde mich auf den Kommunismus nur noch insofern beziehen, als das, was jetzt in Südafrika geschieht, die Schwarzen ja so hilflos macht, daß sie Hilfe natürlich von dort nehmen, wo sie sie kriegen. Und daß sie Waffenhilfe von kommunistischer Seite kriegen, kann wohl nicht bezweifelt werden. Aber gegen die Schwarzen steht ja eine militärische Macht der weißen Regierung, die unglaublich stark und für alle anderen, die in diesem Land leben, eine Bedrohung ist.
Ich hoffe, daß - wie auch in unserer Resolution steht - unsere Regierung sich um den Verhaltenskodex kümmern wird, der den Unternehmen in Südafrika von der EG empfohlen worden ist. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere in diesem Haus, daß unsere Fraktion vor dreieinhalb Jahren eine Kleine Anfrage zur Situation der schwarzen Arbeiter bei weißen oder bei deutschen Unternehmen in Südafrika an die Bundesregierung gerichtet hat. Dies hat besonders mir eine Welle von Mißtrauen und auch Zorn von den Unternehmen eingebracht. Zum guten Glück, meine Damen und Herren, haben diese Unternehmen allmählich auch gesehen, daß sie so nicht weitermachen konnten. Jetzt allerdings müssen wir begierig sein, genaue Berichte zu bekommen, wie sie sich dem Verhaltenskodex anpassen.
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Damit will ich schließen. Ich kann nur sagen, daß wir hier nicht zum erstenmal erleben, wie Sie mit Angstmachen und negativen Darstellungen eine notwendige politische Entscheidung hinauszögern oder brandmarken wollen. Wir lassen uns dadurch nicht behindern; denn wir sind, wie es der Bundesminister heute schon sagte, schon fast zu spät dran. Es ist
höchste Zeit, daß wir alle, auch Sie von der Opposition, helfen, wie immer wir helfen können, daß im
südlichen Afrika menschliche Verhältnisse eintreten.
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Meine Damen und Herren, ich bitte noch einmal eindringlich um mehr Ruhe. Es ist für die Redner ohnehin anstrengend, zu so später Stunde zu sprechen. Wir sollten ihnen das nicht noch dadurch erschweren, daß im Hause, während der Redner spricht, Gespräche geführt werden.
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Ich bitte diejenigen Kollegen, die etwas zu besprechen haben, dies außerhalb des Saales zu tun.
Das Wort hat nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Stercken.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich fürchte, Frau von Bothmer, es ist Ihnen nicht sonderlich gelungen, uns den Entschließungsantrag Ihrer Fraktion durch Ihre Auslassungen und Ihre Form der Interpretation zu empfehlen.
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Ich möchte mich daher zunächst darauf konzentrieren, sechs Überlegungen der CDU/CSU-Fraktion zu diesem Papier vorzutragen:
1. der Entschließungsantrag ist ein Konvolut von Allgemeinheiten, Zielvorstellungen und dogmatischen Festlegungen, die nicht eine erkennbare Ordnung aufweisen und zum Teil beziehungslos zueinander stehen.
2. Dort, wo gegen die Formulierung keine Einwendungen bestehen, handelt es sich um längst bekannte Leerformeln, die keinen Originalitätswert für sich beanspruchen können.
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3. Sie können sich natürlich vorstellen, daß wir in der Bündelung aufeinander abgestimmter und einander ergänzender rohstoffpolitischer Instrumente, wie Sie das nennen, unschwer ein gut verstecktes Plädoyer für ein integriertes Rohstoffprogramm und einen sogenannten gemeinsamen Fonds erkennen. Beides lehnt meine Fraktion ab.
4. Alle Erfahrungen, über die wir verfügen, sprechen gegen ein Rohstoffabkommen. Jedenfalls sind die bisher bekannten Vorschläge ökonomisch unzweckmäßig und politisch nicht geboten. Der finanzielle Aufwand ist nicht vertretbar.
5. Der Begriff der Befreiungsbewegung reicht der CDU/CSU-Fraktion nicht aus, um eine unkritische Partnerschaft zu begründen. Erfahrungen zeigen, wie groß die Gefahr eines Mißbrauchs für Zwecke der Gewalt ist.
6. Zum Thema Verhaltenskodex erscheint ein Hinweis angebracht, daß europäische Unternehmen durch ihr beispielhaftes Verhalten in der Vergangenheit schon einen wesentlichen Beitrag geleistet
haben, der nicht erst staatlicher Ermunterung bedurfte.
So weit unsere ersten Gründe für die Ablehnung eines solchen Entschließungsantrags.
Ich spreche im folgenden zum Antrag der CDU/ CSU-Fraktion in Sachen Konsulat Windhuk. Während der Begründung des Bundesministers des Auswärtigen zur Schließung des Konsulats in Windhuk habe ich mir die Frage gestellt, was daraus wohl ein Doktorand in 50 Jahren noch entnehmen kann, um ein zutreffendes historisches Urteil über diese Entscheidung zu fällen.
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Wir ersparen daher der Deutschen Forschungsgemeinschaft einen beträchtliche Subvention, wenn wir dieser verkürzten Darstellung eine Fülle an guten Argumenten entgegensetzen.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat am 8. Juli dieses Jahres dem Deutschen Bundestag den Antrag zugeleitet, die Bundesregierung aufzufordern, von der in der 32. Sitzung bekanntgegebenen Absicht abzusehen, das deutsche Konsulat in Windhuk zu schließen.
Der Frage an die Bundesregierung in dieser Sitzung und dem vorliegenden Antrag war am 21. Juni ein Schreiben von sieben Mitgliedern meiner Fraktion an den Herrn Bundesminister des Auswärtigen vorausgegangen, das bis zum heutigen Tage nicht beantwortet worden ist.
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Sechs Kollegen und ich hatten diese Form der Unterrichtung für angemessen gehalten, weil wir eine so folgenschwere Entscheidung rechtzeitig und ausgiebig zu erörtern wünschten, um nicht auf Informationen angewiesen zu sein, die aus Hintergrundgesprächen in die Öffentlichkeit hineinlanciert zu werden pflegen. Wenn man eine so große Zahl deutscher Staatsangehöriger und Deutschstämmiger ihres konsularischen Schutzes berauben will, dann schuldet man nicht nur diesem Parlament, sondern auch den Betroffenen eine umfassendere Begründung, als sie in Gesprächsfetzen und Leserbriefen zum Verständnis der Einsichten der Bundesregierung zur Verfügung steht.
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Sollte sich die Bundesregierung auf den Standpunkt stellen, daß dies ein Akt der Exekutive sei, der parlamentarischer Zustimmung nicht unterworfen ist, so meine ich doch, daß Tausende deutscher Staatsangehöriger von ihrer Regierung eine plausible Antwort darauf verlangen können, warum sie in der Stunde der Bedrängnis das deutsche Konsulat räumt.
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Welches Verständnis vom Anspruch auf Rechtsschutz Deutscher im Ausland vermögen wir einer Regierung zuzutrauen, die ihren Leiter des Konsulats in Windhuk unter dem 20. Oktober - also vor einer Woche - den Betroffenen mitteilen läßt - ich zitiere -: „Eine ausführliche politische Begründung
für die Schließung wurde bereits in der Tagespresse und im Rundfunk bekanntgegeben.""
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Natürlich muß es der Regierung schwerfallen, schlüssige Gründe für ihre Entscheidung angesichts der Betroffenen zu formulieren, weil sie ihre bisherige Haltung aufgegeben und dem Druck militanter Minderheiten in Deutschland und in Südwestafrika - Namibia - nachgegeben hat.
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Es ist ja nun schon sieben Jahre her, seit alle UNO-Mitglieder aufgefordert wurden, ihre diplomatischen und konsularischen Vertretungen aus dem Lande zurückzuziehen. Doch noch am 21. September 1973 argumentierte der damalige deutsche Außenminister, die Bundesrepublik Deutschland schließe sich zwar der Rechtsauffassung der Vereinten Nationen über den Status von Südwestafrika an, unterhalte in Windhuk aber ein Konsulat, weil Tausende von deutschen Staatsbürgern in diesem Territorium lebten. Das Konsulat unterstehe nicht der Botschaft in Pretoria, sondern unmittelbar dem Auswärtigen Amt in Bonn. Ohne dieses Konsulat, so argumentierte man damals, wären die Deutschen in Südwestafrika gezwungen, konsularische Angelegenheiten in Pretoria zu erledigen. Das wird ja partiell wohl auch wieder in einigen Geschäften künftig der Fall sein müssen.
Diese Auffassung wird weiterhin in einer Note an den Generalsekretär der Vereinten Nationen vom 27. Mai 1974 im einzelnen begründet. Wörtlich heißt es dort: „Eine Schließung des Konsulats würde Tausende von Bürgern mit deutscher Nationalität, die in Namibia leben, ihres konsularischen Schutzes berauben." Dem ist nichts hinzuzufügen. Diese Begründung ist heute so wahr wie 1973, 1974, 1975 oder wann immer Sprecher der Bundesregierung argumentierten, daß man so viele Deutsche nicht ihrem Schicksal überlassen könne.
Als im Juni 1975 ein neuer Konsul entsandt werden sollte, ernannte man ihn zum Generalkonsul, um damit die gewachsene Bedeutung dieser Aufgabe besonders herauszustellen. Dies veranlaßte jedoch die Swapo, ihren Druck auf Bonn zu verstärken.. Für sie war der Rechtsschutz deutscher Interessen schon immer ein Dorn im Auge gewesen. Ihre Nummer eins, der Swapo-Extern-Führer Nujoma, bekannte in einem Interview im Mai dieses Jahres offenherzig, daß er am liebsten alle Deutschen aus dem Lande verjagen wolle, weil er für sie keine Verwendung habe. Dies hätte einer Regierung Veranlassung geben müssen, den Schutz deutscher Interessen zu verstärken. Doch Afrikaexperten schoben Gutachten nach, dies alles werde nicht so heiß gegessen, wie es gekocht worden sei, und wenn man die Stellung bald räume, werde man nach dem Sieg der Swapo auf der diplomatischen Bühne Windhuks hochwillkommen sein.
Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" argwöhnte den auch schon am 22. September 1975, gefährlich wäre nicht die Schließung des Konsulats, sondern die Schließung aus Angst vor der Swapo.
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Kein Argument, meine Damen und Herren, das die Bundesregierung in den letzten Monaten seit der ersten Publizierung ihrer Absicht im „Spiegel" vom 16. Mai 1977 hat in Umlauf setzen lassen, ist nicht von der Absicht geleitet, den erklärten Wünschen der Swapo entgegenzukommen.
So kann es denn auch nicht wundernehmen, wenn Schwarz und Weiß - soweit sie nicht auf die Swapo festgelegt sind - für diese Entscheidung kein Verständnis aufbringen, obwohl ihnen die mageren Argumente im Rahmen der deutschen Öffentlichkeitsarbeit am Ort zum Überdruß feilgeboten werden.
Noch unverständlicher wird die Willfährigkeit der Bundesregierung gegenüber der Swapo, wenn man deren Parteiprogramm und Verfassungsentwurf einer kritischen Prüfung unterwirft. Diese Texte werden dem erstaunten Besucher in Windhuk gleich in deutscher Sprache in die Hand gedrückt. Sie schildern die beabsichtigten volksdemokratischen Segnungen in einer Sprache und Terminologie, die den Kennern der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik wohlvertraut sind.
In diesem Pamphlet, das ich selbst an Ort und Stelle in Empfang genommen habe, wird .die Errichtung einer volksdemokratischen Regierung gefordert. Das gesamte namibische Volk, vor allem die Arbeiterklasse, die Bauernschaft und die fortschrittliche Intelligenz seien in einer Partei zusammenzuschließen, die als Vorhut in der Lage sei, die nationale Unabhängigkeit und den Aufbau einer klassenlosen Gesellschaft ohne Ausbeutung zu sichern, die auf den Grundsätzen und Idealen des wissenschaftlichen Sozialismus beruhe. Zu den wesentlichen Zielen gehöre die antiimperialistische internationale Solidarität mit den sozialistischen Ländern und den Arbeiterbewegungen in kapitalistischen Ländern.
Die künftige Swapo-Demokratie, bei der Sie Ihren Botschafter akkreditieren wollen, fordert erstens. den Kampf für die Abschaffung aller Formen der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen sowie gegen den zerstörerischen Geist des Individualismus. Daher sollen zweitens alle wesentlichen Mittel der Produktion und des Handels Volkseigentum werden.
Diese Hinweise, meine Damen und Herren, mögen meine Anschauung illustrieren, daß es nicht nur um eine möglicherweise einzige demokratische Wahl geht, sondern daß auch demokratische Strukturen vorliegen müssen, um diese Vorgänge insgesamt als einen demokratischen Prozeß legitimieren zu können.
({9})
Diese volksdemokratischen Gedanken können übrigens für Interessenten als Handreichung auch in Bonn unmittelbar in Empfang genommen werden.
({10})
Geheimnisvolle Quellen sprudeln seit geraumer Zeit, um einem Institut, das solche Gedanken hier verbreitet, kräftige Hilfe zu sichern.
({11})
Ich möchte mich hier noch mit einem Argument auseinandersetzen, meine Damen und Herren, das gewiß niemand von uns auf die leichte Schulter zu nehmen bereit ist, nämlich der Sorge, daß Leib und Leben der Angehörigen des Konsulates und ihrer Familien bedroht sein könnten, wenn man nicht auf die Epressung der Swapo einginge. Dies war ein Argument, das uns von den Bediensteten des Konsulats in Windhuk entgegengehalten worden ist.
Im Umgang mit offiziellen deutschen Vertretern hatte die Swapo in den vergangenen Jahren geradezu einen Alleinvertretungsanspruch praktizieren können. Sie war Empfänger namhafter und keineswegs immer zweifelsfreier Zuwendungen. Ihre Führer langten an den Tischen der Leiter des Konsulats kräftig zu. Trotz dieses Umgangs traut man den gleichen Männern in der politischen Verantwortung von morgen blutigen Terror zu; denn das kann nur die Begründung dafür sein.
Wenn es so wäre, wie keineswegs alle Betroffenen - auch im Konsulat - argumentieren: Wäre dies nicht eine Veranlassung mehr, die deutschen Landsleute nicht ihrem Schicksal zu überlassen? Rechtsberater und Advokaten, meine ich, könnten einen solchen Schutz nie gewähren. Nein, meine Damen und Herren, alle Argumente, die wir prüfen konnten, halten, wenn man sie aus ihrer phraseologischen Verpackung befreit und aus der UNO-Sprache in verständliches Deutsch übersetzt hat, nicht stand. Das Konsulat soll nach dem Willen der Bundesregierung am 31. Oktober seine Pforten schließen. Diese Entscheidung kann also noch rückgängig gemacht werden.
Ich bitte Sie, dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion Ihre Zustimmung zu geben, um deutsche Interessen zu wahren, Schaden von Tausenden von Landsleuten abzuwenden und eine schwächliche Kapitulation zu vermeiden.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bindig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus dem gemeinsamen Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und der FDP möchte ich kurz den rohstoffpolitischen Teil begründen. In diesem Teil wird zunächst die wichtige Rolle herausgestellt, welche die Rohstoffe in einer umfassenden Nord-Süd-Politik einnehmen.
Meine Damen und Herren, ich bin nicht bereit, die Unruhe hinzunehmen. Ich bitte Sie dringend, dem Redner zuzuhören. Andernfalls müßte ich jedesmal unterbrechen und solange warten, bis die Ruhe wiederhergestellt ist, ohne daß das auf die Redezeit des Redners angerechnet wird.
Bitte, fahren Sie fort, Herr Abgeordneter.
Diese Rolle wird offensichtlich nicht von allen Fraktionen in diesem Hause gleich hoch eingeschätzt. Die CDU/CSU sieht Fragen der internationalen Rohstoffpolitik offenbar nicht gerne als Gegenstand internationaler Konferenzen.
({0})
So wünscht die Opposition in einer ihrer ersten Fragen Ihrer Anfrage zur Entwicklungspolitik, daß die entwicklungspolitische Diskussion auf internationalen Konferenzen weniger um Probleme einer sogenannten Weltwirtschaftsordnung geführt werden sollte, sondern daß mehr über Fragen der Wirtschaftsstruktur in einzelnen Entwicklungsländern und ihre Eigenanstrengungen gesprochen werden sollte.
({1})
Diese Fragestellung enthüllt bereits einen wirklichkeitsfernen Ansatz entwicklungspolitischen Denkens der CDU/CSU. Im Nord-Süd-Dialog zwischen Industrie- und Entwicklungsländern haben die Länder der Dritten Welt nachdrücklich Fragen der Weltwirtschaft, der Rohstoffpolitik im internationalen Zusammenhang zum Thema gemacht. Dieses ist eine Tatsache. Angesichts der wirtschaftlichen Probleme vieler Länder und der Bedeutung der Rohstoffpolitik für- sie ist dies ein durchaus verständliches Geschehen. Diesem Anliegen kann nicht angemessen dadurch begegnet werden, daß man schlicht sagt, daß einem dieses Thema in dieser Form nicht genehm sei und man sich lieber über ein anderes Thema, zugegeben wichtiges Thema, unterhalten wolle.
Einem Dialog über Rohstofffragen nicht auszuweichen, sondern ihn konstruktiv durch Einbringen von eigenen Vorschlägen zu fördern, so wie es die Bundesregierung getan hat, liegt im Interesse der Bundesrepublik Deutschland wie der Entwicklungsländer. Bilden bei uns die Rohstoffe das Fundament des Wirtschaftens, so bestimmen in Entwicklungsländern Rohstoffe, oftmals nur ein Rohstoff, große Teile der gesamten Wirtschaftsstruktur und bilden eine wesentliche, oftmals die einzige Einnahmequelle für Exporterlöse.
Die bestehenden Wirtschaftsstrukturen vieler Länder der Dritten Welt stammen noch weitgehend aus der Zeit der Kolonialmächte. Ein einfacher Verweis auf die Kräfte des freien Weltmarktes zur Veränderung dieser Strukturen kann für viele und gerade die ärmsten Länder keine befriedigende Antwort auf ihre Probleme bieten. Der sich selbst überlassene Weltmarkt gewährt nur so viel Freiheit, wie das
dem Starken genehm ist. Von Chancengleichheit auf dem Weltmarkt kann für viele Entwicklungsländer keine Rede sein. Wir haben kein internationales Wettbewerbsrecht, kein internationales Kartellrecht, keine internationalen Sozialgesetze. Der Anteil der Rohstoffe am Gesamtexport beträgt bei den Entwicklungsländern im Durchschnitt 70 bis 80 % und erreicht in vielen Ländern über 90 %.
Eine besondere Abhängigkeit besteht dann, wenn ein einziger Rohstoff einen großen Anteil am Gesamtexport besitzt und es deshalb keine Möglichkeiten der Risikostreuung gibt. Es sind gerade die besonders benachteiligten Entwicklungsländergruppen, für die Rohstoffexporterlöse in hohem Maße zu dem Gesamtexporterlös beitragen. Bei allen Binnenländern unter den Entwicklungsländern, den meisten der am wenigsten entwickelten Länder und den am schwersten betroffenen Ländern beträgt der Anteil der Rohstoffexporte am Gesamtexport mehr als 80 %.
Von besonderer Aussagekraft für die Bedeutung von Rohstoffexporterlösen für ein Land ist das Verhältnis zwischen Exportüberschuß und Bruttoinlandsprodukt. Dieses ist bei einer Reihe von Ländern - ich denke an Liberia, Sambia, Elfenbeinküste, Malaysia, Zaire - besonders stark ausgeprägt.
Diese Angaben zeigen die zentrale Bedeutung, die Rohstoffe für viele Entwicklungsländer haben. Sie lassen auch erkennen, welche Wirkungen in einzelnen Ländern durch erhebliche Schwankungen der. Rohstoffpreise und Rohstofferlöse auftreten können.
({2})
Herr Abgeordneter, es tut mir leid, daß ich Sie noch einmal unterbrechen muß. Ich bitte alle Kollegen, Platz zu nehmen und dem Redner zuzuhören. Ich werde die Sitzung so lange unterbrechen, bis Ruhe im Saal eingetreten ist, ohne daß die Unterbrechung auf die Redezeit des Redners angerechnet wird. ({0})
Ich bitte Sie, fortzufahren.
Starke Schwankungen der Rohstofferlöse erschweren die Investitions- und Entwicklungsplanung in den Ländern der Dritten Welt. Das Interesse dieser Länder an einer kontinuierlichen Preis- und Erlösentwicklung ist anzuerkennen, da es erst die Voraussetzungen für eine langfristig orientierte Entwicklungsplanung und den Aufbau vielfältiger Produktionsstrukturen schafft.
({0})
Gegenwärtig wird zwischen den Entwicklungsländern und den Industrieländern über ein integriertes Rohstoffprogramm verhandelt. Inhaltlich geht es hier um mehrere aufeinander abgestimmte, einander ergänzende rohstoffpolitische Instrumente. Die Palette möglicher Instrumente ist sehr breit. Sie
reicht von einer einfachen Verbesserung der Informationen über Marktbedingungen, über Rohstoffinvestitionen, Maßnahmen zur Förderung der Diversifizierung und Industralisierung, über Liefer- und Abnahmeverträge, Exporterlösstabilisierung, Rohstoffabkommen mit und ohne Lager bis hin zu einem gemeinsamen Fonds. Bereits eine Verstetigung der Rohstoffexporterlöse leistet einen wesentlichen Beitrag zur Lösung des Rohstoffproblems.
In dem gemeinsamen Entschließungsantrag begrüßen deshalb die Fraktionen der SPD und der FDP die Bemühungen der Bundesregierung um ein weltweites Abkommen zur Exporterlösstabilisierung.
({1})
Ebenfalls kann es politisch geboten und ökonomisch zweckmäßig sein, Rohstoffabkommen verschiedenster Art abzuschließen. Wer pauschal ein integriertes Rohstoffprogramm verdammt und Schreckgespenster eines weltweiten Dirigismus, einer riesigen wuchernden und sich immer mehr Rechte anmaßenden internationalen Planungs-, Exekutiv- und Kontrollbürokratie beschwört, wie es modifiziert heute hier auch wieder der Abgeordnete Strauß getan hat, nimmt sich selbst die Möglichkeit, die einzelnen Instrumente der Rohstoffpolitik dieses Programms durchzuprüfen.
({2})
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie nochmals, Platz zu nehmen und dem Redner zuzuhören. Die Sitzung wird so lange unterbrochen bleiben, bis alle Kollegen Platz genommen haben und Ruhe im Saal eingetreten ist.
Ich bitte die Kollegen, die noch stehen, Platz nehmen zu wollen. - Es tut mir leid, Herr Abgeordneter, Sie müssen noch einen Augenblick warten. Wir kriegen das hin; es wird noch ruhig werden.
Ich bitte die Kollegen, die immer noch stehen, nochmals, Platz zu nehmen. Die Sitzung wird so lange unterbrochen bleiben, bis Sie Platz genommen haben.
({0})
Meine Damen und Herren, die Sie noch stehen, nehmen Sie bitte Platz. Der Redner kann so lange nicht fortfahren, wie Sie stehen. - Ich werde jetzt die Kollegen, die noch stehen, namentlich bitten, Platz zu nehmen.
({1})
Fahren Sie bitte fort, Herr Abgeordneter.
Die Diskussion über ein integriertes Rohstoffprogramm ist stark auf eine spezifische Bündelung von Instrumenten in dem integrierten Rohstoffprogramm der UNCTAD fixiert, dessen herausragendes Element die Forderung nach einem gemeinsamen Fonds mit einer Reihe von Managementaufgaben ist. Wir müssen aber sehen, daß dieser Fonds heute nicht mehr als ein festgefügter Begriff
angesehen werden kann. Die verschiedenen Ausgestaltungsmöglichkeiten reichen von einem Beratungsgremium über eine Koordinierungsstelle für bestehende internationale Rohstoffinstitutionen, einer einfachen Clearingstelle, einer Clearingstelle mit garantierten Eigenmitteln, einer Clearingstelle mit Eigenmitteln und Nachschußpflicht bis zu einem Fonds mit freiwilligen Beiträgen und schließlich einem Fonds mit begrenzten Zwangsbeiträgen. In der Entschließung fordert die SPD-Fraktion die Bundesregierung auf, bei den anstehenden Verhandlungen über die verschiedenen Formen eines gemeinsamen Fonds zu einer Lösung beizutragen, die unter Beachtung der Interessen der Industrieländer der besonderen Bedeutung der Rohstoffe für die Entwicklungsländer Rechnung trägt.
Wir haben die Herausforderung der Entwicklungsländer angenommen und mit ihnen einen echten Nord-Süd-Dialog begonnen. Wir erkennen an, daß sie berechtigte Anliegen haben. Wir diskutieren mit diesen Ländern ihre Vorschläge und ha? ben unsere Vorschläge eingebracht, während die Opposition schmollt oder Vorschläge der Entwicklungsländer als dirigistisch und planwirtschaftlich abkanzelt.
({0})
Wir leisten unseren konstruktiven Beitrag zum Aufbau einer leistungsfähigen, gerechten und sozialen Weltwirtschaft.
({1})
Ich bitte Sie deshalb, den rohstoffpolitischen Teil und die gesamte Entschließung anzunehmen.
({2})
Meine Damen und Herren, bevor ich das Wort weitergebe, möchte ich noch einmal meinen Standpunkt deutlich machen. Wenn die Unruhe im Hause zu groß wird, muß ich die Verhandlung so lange unterbrechen, bis wieder Ruhe eingetreten ist. Das führt dazu, daß sich der Zeitpunkt, zu dem namentlich abgestimmt werden kann, immer weiter hinauszögert. Ich bitte also insbesondere diejenigen Kollegen, die eigens zur Abstimmung in den Saal gekommen sind, um ihre volle Aufmerksamkeit für den nächsten Redner.
({0})
Dies wird zur Folge haben, daß sie um so eher wieder gehen können.
({1})
Das Wort hat nunmehr der Herr Abgeordnete Ludewig.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Je später der Abend, desto voller das Haus und desto kürzer die Rede.
({0})
Es gibt aber noch einen anderen Gesichtspunkt: Es sollen noch Leute auf dem Anmarsch sein. Damit diese Zeit haben, sollte ich wieder länger reden. Was mache ich jetzt?
({1})
Ich komme zur Sache. Ich spreche zum Antrag der Abgeordneten Strauß, Niegel, Dr. Hupka und weitere, das Konsulat in Windhuk/Südwestafrika betreffend: „Der Bundestag wolle beschließen: ... von der Erwägung, das Konsulat Windhuk zu schließen, abzusehen und das Konsulat auch weiterhin offenzuhalten." Nun ist aber die Erwägung schon in eine Anweisung übergegangen.
({2})
Wir sprechen aber trotzdem noch darüber, und ich spreche auch gern darüber; denn ich war lange Zeit mit Ihnen der Meinung, wir sollten dieses Konsulat offenlassen. Ich bin es heute nicht mehr.
({3}) Erste Vorbemerkung.
({4})
Nicht äußerer Druck, sondern unsere eigenen Interessen haben zu der Entscheidung geführt, das Konsulat für eine Übergangszeit zu schließen.
Zweite Vorbemerkung. Im Intersse unseres afrikanischen Engagements und unserer Position im VN-Sicherheitsrat ist die Schließung des Konsulats nach der Meinung der Regierung und nach der Meinung der Regierungsfraktionen angezeigt. Die Beziehungen zu den afrikanischen Staaten und ihren Organisationen sowie zu ihren Vertretungen in der UNO werden durch die Tatsache belastet, daß die afrikanischen Staaten unsere konsularische Vertretung in Windhuk - so ist es nun einmal - als Billigung einer illegalen Präsenz und als Anerkennung der Verwaltungshoheit der Republik Südafrika über Südwestafrika, Namibia, sehen.
({5})
Meine Damen und Herren, ich bitte die Kollegen, die stehen, Platz zu nehmen, und ich bitte um Ruhe und Aufmerksamkeit für den Redner.
Sehr verehrte Damen und Herren, unabhängig davon könnte man das eventuell auch anders sehen. So aber sehen es unsere Partner, so sieht es die ganze Welt. Damit sollten wir uns klugerweise - ich betone: klugerweise - abfinden.
({0})
Aus Ihrer eigenen Begründung nehme ich nur zwei Punkte heraus, um sie zu widerlegen. Die erste Begründung lautet -- das ist verkürzt -, die SchlieLudewig
Bung des Konsulats widerspreche der Bedürfnislage der Deutschen in Südwestafrika.
({1})
Ich sage: nein, im Gegenteil. Aus vielen dargelegten und jetzt noch anzuführenden Gründen entspricht unser heutiges Handeln genau der Interessenlage der Deutschen, die dort leben und auch der Deutschen in der Bundesrepublik.
({2})
Sie haben eine weitere Behauptung aufgestellt; und die ist toll. Sie behaupten, nur marxistisch orientierte Regierungen und Organisationen würden diese Forderung stellen. Habe ich recht gehört? Habe ich richtig gelesen? Wie ist das zu verstehen? Ist die UNO marxistisch orientiert, der Sicherheitsrat, die Europäische Gemeinschaft? Das alles können Sie ja wohl nicht behaupten. Allein diese eine Unterstellung müßte eigentlich dazu zwingen, das nicht zu tun, was Sie mit dieser kuriosen Begründung erreichen wollen.
Wir haben aber außer Ihren Fehlern noch bessere Gründe, das nicht so zu tun. Die Bundesregierung hat die Entscheidung getroffen, nachdem sichergestellt war, daß die Fürsorgepflicht für die Deutschen in Namibia wirksam erfüllt werden kann.
({3})
- Behauptung steht gegen Behauptung, Herr Huyn.
({4})
Wir haben uns von langfristigen Interessen leiten lassen. Die Schließung des Konsulats für die Übergangszeit - ich sage ausdrücklich: Übergangszeit - bis zur Unabhängigkeit des Staates Namibia steht in Einklang mit der Verantwortung, die die Bundesregierung durch ihre Teilnahme an der Initiative der fünf westlichen Mitglieder des Sicherheitsrates für eine friedliche und international annehmbare Lösung des Namibia-Problems übernommen hat.
Nächster Punkt. Die Schließung des Konsulats entspricht den Resolutionen der Vereinten Nationen und dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofes zur Namibia-Frage. Die Bundesregierung hat die erforderlichen Maßnahmen ergriffen, um den Schutz und die Betreuung der Deutschen während der Übergangszeit durch die Bestellung von Vertrauensanwälten bis zur staatlichen Unabhängigkeit sicherzustellen.
({5})
- Das Konsulat - das wissen Sie ganz sicher, Herr Hupka - hat ja noch nicht einmal territoriale Unantastbarkeit. Niemand könnte sich in einem Konsulat schützen. Außerdem ist das Büro viel zu klein. Die Vorstellung, in einem solchen Konsulat jemanden unterzubringen, ist absurd.
({6})
Wir arbeiten seit 17 Jahren mit einem Anwaltsbüro in Windhuk zusammen. Dort sind in Konsularangelegenheiten erfahrene Kräfte eingesetzt. Die Vertrauensanwälte dieses Büros wurden im Auswärtigen Amt in die Schutz- und Betreuungsaufgaben eingewiesen. Ich weiß nicht, ob Sie das alles schon wußten.
({7})
- Gut, dann sollte es denen, die jetzt gekommen sind und die nicht in der Materie stecken, doch gesagt werden.
Meine Damen und Herren, bitte hören Sie dem Redner zu. Ich möchte ungern Wertungen in bezug auf die einzelnen Fraktionen des Bundestages abgeben. Aber der Grad der Unruhe ist bei den einzelnen Fraktionen sehr unterschiedlich. Bitte, bemühen Sie sich um Aufmerksamkeit und hören Sie dem Redner zu! Das ist ein Gebot der Höflichkeit
({0})
und ein Gebot des eigenen Interesses.
Herr Abgeordneter Ludewig, ich verlängere Ihre Redezeit, bis Sie zum Abschluß gekommen sind.
({1})
Vielen Dank, Herr Präsident!
Meine Damen und Herren, zweimal im Monat werden Konsularsprechtage in Windhuk durch einen Beamten des Generalkonsulats in Kapstadt abgehalten.
Über die Schließung des Konsulats und die Regelung der Betreuung wurden die Deutschen durch Rundschreiben vom 21. Oktober, veröffentlicht in der „Allgemeinen Zeitung", unterrichtet. Viele Deutsche in Namibia bedauern es, aus Unkenntnis oder weil sie eine gewohnte Organisation und eine Stelle, mit der sie Vertrauen verbunden hat, vermissen werden. Aber scharfe Proteste sind ausgeblieben.
Das Verständnis wächst, davon konnte ich mich auch persönlich überzeugen. Prominente Vertreter des Deutschtums können Ihnen das bestätigen. Ich zähle einige auf: Interessengemeinschaft deutschsprachiger Südwester,
({0})
Schulverein Deutsche Höhere Privatschule in Windhuk,
({1})
Kurt Dahlmann, Chefredakteur der „Allgemeinen Zeitung",
({2})
Deutsche Namibia-Vereinigung, Köln.
Die vorübergehende Schließung des Konsulats beinhaltet nicht - das wollen wir noch einmal ganz
deutlich festhalten - eine Aufforderung zur Auswanderung aus Namibia. Das muß mit allergrößter Deutlichkeit gesagt werden.
Die Bundesregierung und die Regierungsfraktionen beabsichtigen auch nicht, die Deutschen in Namibia zur Aus- oder Rückwanderung aufzufordern. Wir haben wiederholt erklärt, daß die Deutschen in Namibia nach der Entlassung des Landes in die Unabhängigkeit einen ganz wesentlichen Beitrag zum Aufbau des jungen Landes leisten können und sollen.
({3})
Wir werden jede erdenkliche Hilfe leisten. Das aktive Engagement der Bundesregierung bei den Initiativen der fünf westlichen Sicherheitsratsmitglieder wird nicht zuletzt durch das Bemühen bestimmt, den Deutschen in Namibia eine friedliche Zukunft in ihrem neuen Staat zu garantieren.
Aus ihrem Antrag spricht Kleinmut. Die Entscheidung, die ich jetzt begründet habe, ist richtig. Sie stellt unsere Haltung und unsere Stellung in den Vereinten Nationen und in der Welt sicher. Wir sind froh, daß wir mit vielen Staaten dieser Erde so gute Beziehungen wie nie zuvor in der deutschen Geschichte haben. So wird es auch bleiben.
({4})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich rufe nunmehr den Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und der FDP auf Drucksache 8/1104 auf. - Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, Platz zu nehmen. Es findet zunächst eine nichtnamentliche Abstimmung statt, und deswegen ist es zweckmäßiger, daß Sie auf Ihren Sitzen bleiben. - Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wird sonst noch das Wort gewünscht? - Auch das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und FDP auf Drucksache 8/11,04 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Meine Damen und Herren, durch die Geräusche wird die Abstimmung nicht deutlicher. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit. Der Entschließungsantrag ist angenommen.
({0})
Wir kommen zu den Anträgen unter den Punkten
5 b und 5 c der Tagesordnung. Zu dem Antrag unter Punkt 5 b der Tagesordnung - Antrag betreffend das Konsulat in Windhuk/Südwestafrika, Drucksache 8/742 ({1}) - ist namentliche Abstimmung beantragt worden. Ich eröffne die namentliche Abstimmung. -
Meine Damen und Herren, ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? - Ich sehe und höre niemanden, auf
den das zutreffen würde. Dann schließe ich die Abstimmung.
Meine Damen und Herren, darf ich Sie bitten, Platz zu nehmen. Dann könnten wir in der Abwicklung der Tagesordnung fortfahren. - Meine Damen und Herren, wir wollen gerne in der Tagesordnung fortfahren. Würden Sie bitte Platz nehmen! - Meine Damen und Herren, es tut mir leid, aber ich kann in der Abwicklung der Tagesordnung nicht fortfahren, wenn Sie nicht Platz nehmen. Ich bitte doch, die Führung der Geschäfte dadurch zu erleichtern, daß Sie sich setzen. Darf ich auch die Herren Bundesminister auf der linken Seite des Hauses - vielleicht auch den Herrn Staatsminister - bitten, Platz zu nehmen. Wir könnten dann nämlich in der Abwicklung der Tagesordnung fortfahren.
Meine Damen und Herren, wir kommen nun zur Erledigung des Tagesordnungspunktes 5 c. Hier schlägt der Ältestenrat vor, die Vorlage auf Drucksache 8/696 an den Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit - federführend - und an den Ausschuß für Wirtschaft und an den Sportausschuß zur Mitberatung zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist .das so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich rufe nunmehr den Tagesordnungspunkt 4 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes
- Drucksache 8/857 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({2}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 8/1100 - Berichterstatter:
Abgeordneter Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein
b) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({3})
- Drucksache 8/1053 Berichterstatter:
Abgeordneter Müller ({4}) ({5})
Ich bin dahin gehend unterrichtet worden, daß auf Berichterstattung und Aussprache zu diesem Punkt verzichtet wird. - Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch.
Dann kommen wir jetzt zur Einzelberatung und Abstimmung in zweiter Beratung. Ich rufe Art. 1, Art. 1 a bis 1 d, Art. 2 bis 4 in der Ausschußfassung, Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte
Präsident Carstens
ich um ,das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in zweiter Beratung einstimmig angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen damit zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! -Diejenigen, die jetzt stehen, müssen als Nein-Stimmen gewertet werden. Würden Sie vielleicht wieder Platz nehmen? - Enthaltungen? - Dann stelle ich fest: Das Gesetz ist in dritter Lesung einstimmig angenommen.
({6})
- Erhebt sich Widerspruch gegen meine Feststellung? - Das ist nicht der Fall. Dann wiederhole ich: Das Gesetz ist in dritter Lesung einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, es liegen noch zwei weitere Beschlußempfehlungen des Ausschusses vor.
Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/1053 unter Nr. 2 die Annahme einer Entschließung. Wird das Wort dazu gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich diejenigen, die der Entschließung zuzustimmen wünschen, um ein 'Handzeichen. Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Auch diese Entschließung ist einstimmig angenommen.
Der Ausschuß empfiehlt ferner auf Drucksache 8/1053 unter Nr. 3, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen und Eingaben für erledigt zu erklären. Ist 'das' Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe nunmehr den Entschließungsantrag der Abgeordneten Müller ({7}), Franke, Kraus und der Fraktion der CDU/CSU zur dritten Beratung des Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes auf der Drucksache 8/1085 auf. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wird das Wort sonst gewünscht?
({8})
- Es wird Überweisung an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung beantragt. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag auf Ausschußüberweisung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen.
Inzwischen liegt mir das Ergebnis der Abstimmung über den Antrag betreffend das Konsulat in Windhuk/Südwestafrika - Drucksache 8/742 ({9})
- vor. Insgesamt wurden 456 Stimmen abgegeben. Mit Ja haben 219 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 237 Abgeordnete.
Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 456; davon ja: 219
nein: 237
Ja
CDU/CSU
Dr. Abelein Dr. Althammer
Amrehn
Bayha
Dr. Becher ({10})
Dr. Becker ({11}) Frau Benedix
Benz
Frau Berger ({12}) Berger ({13})
Berger ({14}) Biechele
Biehle
Dr. von Bismarck
Dr. Blüm
Böhm ({15})
Dr. Bötsch Braun
Breidbach Broll
Bühler ({16})
Burger
Carstens ({17}) Carstens ({18}) Conrad ({19})
Dr. Czaja Damm
Dr. Dollinger.
Dr. Dregger Dreyer
Engelsberger
Erhard ({20}) Ernesti
Dr. Evers Ey
Eymer ({21})
Dr. Eyrich Feinendegen
Frau Fischer
Francke ({22}) Franke
Dr. Friedmann
Frau Geier Geisenhofer Dr. von Geldern
Dr. George Gerlach ({23}) Gerstein
Gerster ({24}) Gierenstein Glos
Dr. Gradl Dr. Gruhl Haase ({25})
Haberl
Dr. Häfele Dr. Hammans
Hanz
Hartmann Hasinger Hauser ({26}) Hauser ({27}) Helmrich
von der Heydt Freiherr
von Massenbach Höffkes
Höpfinger
Dr. Hoffacker
Frau Hoffmann ({28}) Dr. Hornhues Horstmeier
Dr. Hubrig Frau Hürland
Dr. Hüsch Dr. Hupka Graf Huyn Dr. Jaeger Jäger ({29})
Dr. Jahn ({30}) Dr. Jahn ({31})
Dr. Jenninger
Dr. Jobst Josten
Frau Karwatzki
Katzer
Kiechle
Dr. h. c. Kiesinger Kittelmann
Dr. Klein ({32}) Klein ({33})
Dr. Klepsch
Dr. Köhler ({34}) Köster
Dr. Kohl
Krampe
Dr. Kraske Kraus
Dr. Kreile Krey
Kroll-Schlüter
Frau Krone-Appuhn Kunz ({35})
Dr. Kunz ({36}) Lampersbach
Landré
Dr. Langguth
Dr. Langner Dr. Laufs
Dr. Lenz ({37}) Lenzer
Link
Lintner
Löher
Dr. Luda
Dr. Marx Dr. Mende
Dr. Mertes ({38}) Dr. Meyer zu Bentrup Dr. Mikat
Dr. Miltner Milz
Dr. Möller Müller ({39})
Müller ({40})
Dr. Narjes Neuhaus
Frau Dr. Neumeister Niegel
Nordlohne Frau Pack Petersen Pfeffermann Pfeifer
Picard
Pieroth
Frau Pieser Dr. Pinger Pohlmann
Präsident Carstens
) Prangenberg
Dr. Probst Rainer
Rawe
Regenspurger
Dr. Reimers
Frau Dr. Riede ({41}) Dr. Riedl ({42})
Dr. Riesenhuber
Dr. Ritz
Röhner
Dr. Rose Rühe
Russe
Sauter({43})
Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein Dr. Schäuble
Schartz ({44})
Schedl
Frau Schleicher Schmidhuber
Schmidt ({45}) Schmitz ({46}) Schmöle
Dr. Schneider
Dr. Schröder ({47}) Schröder ({48}) Schröder ({49}) Dr. Schulte ({50}) Schwarz Dr. Schwarz-Schilling
Dr. Schwörer
Seiters
Sick
Spilker
Spranger Dr. Sprung Stahlberg Dr. Stark ({51})
Dr. Stavenhagen
Stommel Straßmeir Strauß
Stücklen Stutzer
Susset
de Terra Tillmann Dr. Todenhöfer
Frau Tübler
Dr. Unland
Frau Verhülsdonk
Vogel ({52})
Vogt ({53})
Volmer Dr. Voss Dr. Waffenschmidt
Dr. von Wartenberg Weber ({54}) Weiskirch ({55})
Dr. von Weizsäcker Werner
Frau Dr. Wex
Frau Will-Feld
Frau Dr. Wilms
Wimmer ({56})
Windelen
Frau Dr. Wisniewski Wissebach
Wissmann
Dr. Wittmann ({57}) Baron von Wrangel Würzbach
Dr. Wulff Dr. Zeitel Ziegler
Dr. Zimmermann
Zink
Nein
SPD
Ahlers Amling Arendt Augstein
Baack Bahr
Dr. Bardens
Batz
Dr. Bayerl
Becker ({58}) Biermann
Bindig Blank
Dr. Böhme ({59}) Frau von Bothmer Brandt
Brandt ({60}) Brück
Buchstaller
Büchler ({61})
Bühling
Buschfort
Dr. Bußmann
Collet Conradi Coppik Dr. Corterier
Curdt
Frau Dr. Däubler-Gmelin Daubertshäuser
Dr. Dübber
Dürr
Egert
Dr. Ehmke
Dr. Ehrenberg Eickmeyer
Frau Eilers ({62}) Dr. Emmerlich
Engholm
Esters Ewen
Fiebig
Dr. Fischer
Franke ({63}) Friedrich ({64}) Gansel
Gerstl ({65})
Gertzen
Dr. Geßner
Glombig
Gobrecht
Grobecker
Grunenberg
Gscheidle
Dr. Haack
Haar
Haehser Hansen
Frau Dr. Hartenstein Hauck
Dr. Hauff
Henke Heyenn Höhmann
Hoffmann ({66}) Hofmann ({67})
Horn
Huonker
Ibrügger
Immer ({68}) Jahn ({69})
Jaunich
Dr. Jens ({70}) Junghans Jungmann
Junker
Kaffka
Kirschner
Klein ({71})
Koblitz
Konrad
Kratz
Kretkowski
Dr. Kreutzmann
Krockert Kühbacher Kuhlwein Lambinus Lange
Lattmann
Dr. Lauritzen
Leber
Lenders
Frau Dr. Lepsius
Liedtke
Dr. Linde Löffler
Lutz
Männing Mahne
Marquardt Marschall
Frau Dr. Martiny-Glotz Matthöfer
Mattick
Dr. Meinecke ({72}) Meinike ({73}) Meininghaus
Menzel
Möhring
Müller ({74}) Müller ({75})
Dr. Müller-Emmert Müntefering
Nagel
Neumann Dr. Nöbel Offergeld Oostergetelo
Paterna
Pawelczyk Peiter
Dr. Penner Pensky
Polkehn Porzner
Rapp ({76})
Rappe ({77}) Ravens
Frau Renger Reuschenbach
Rohde
Saxowski
Dr. Schachtschabel Schäfer ({78})
Dr. Schäfer ({79}) Scheu
Schirmer Schlaga
Frau Schlei Schluckebier
Dr. Schmidt ({80}) Schmidt ({81}) Schmidt ({82})
Dr. Schmitt-Vockenhausen Dr. Schmude
Dr. Schöfberger
Schreiber Schulte ({83})
Schulze ({84})
Dr. Schwenk ({85}) Seefeld
Sieler
Frau Simonis Simpfendörfer
Dr. Sperling
Dr. Spöri
Stahl ({86})
Dr. Staudt
Dr. Steger
Frau Steinhauer Stockleben
Stöckl Sybertz Thüsing Frau Dr. Timm
Tönjes Topmann
Frau Traupe
Ueberhorst
Urbaniak
Dr. Vogel ({87}) Vogelsang
Voigt ({88}) Waltemathe
Walther
Dr. Weber ({89})
Wehner Wendt Dr. Wernitz
Westphal
Wiefel Wilhelm
Wimmer ({90}) Wischnewski
Dr. de With
Wittmann ({91}) Wolfram ({92}) Wrede
Würtz Wüster Wuttke Wuwer Zander Zebisch Zeitler
FDP
Angermeyer
Baum Cronenberg
Eimer ({93})
Engelhard
Ertl
Dr. Friderichs
Gärtner Gallus Gattermann
Grüner
Frau Dr. Hamm-Brücher Dr. Haussmann
Hölscher
Hoffie Hoppe Kleinert Ludewig
Dr. Dr. h. c. Maihofer
Frau Matthäus-Maier Mischnick
Möllemann
Paintner
Peters ({94}) Schmidt ({95})
von Schoeler
Frau Schuchardt Spitzmüller
Dr. Wendig
Wolfgramm ({96}) Wurbs
Zywietz
Präsident Carstens
Der Antrag ist damit abgelehnt.
({97}) Ich rufe den Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Beratung und Unterrichtung durch den Bundesrechnungshof
Bemerkungen des Bundesrechnungshofes zur Bundeshaushaltsrechnung ({98}) für das Haushaltsjahr 1975
- Drucksache 8/373 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Haushaltsausschuß
Ich bin unterrichtet worden, daß auch hierzu eine Aussprache nicht gewünscht wird. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch dagegen.
Der Ältestenrat schlägt vor, die Vorlage an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. - Es ist so beschlossen.
Darf ich die Herren auf der Regierungsbank bitten, Platz zu nehmen!
Ich rufe den Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs -eines Gesetzes über die Durchführung einer Repräsentativstatistik auf dem Gebiet des Wohnungswesens ({99})
-Drucksache 8/921 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({100}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 8/1102 Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Riedl ({101})
b) Beschlußfassung und Bericht des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau ({102})
- Drucksache 8/1054 - Berichterstatter: Abgeordneter Ibrügger ({103})
Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Wird sonst das Wort gewünscht? - Auch das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung in zweiter Beratung. Ich rufe die §§ 1 bis 4 und 6 bis 8 in der Ausschußfassung sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. -Enthaltungen? - Das Gesetz ist in zweiter Beratung einstimmig angenommen.
Wir treten in die dritte Beratung ein.
Wird das Wort gewünscht? Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Meine Damen und Herren, ich muß noch einmal darauf hinweisen: Diejenigen, die jetzt stehen, werden als mit Nein stimmend gewertet. - Enthaltungen? - Ich stelle fest, daß das Gesetz einstimmig angenommen worden ist.
Ich rufe die Punkte 8 bis 14 der Tagesordnung auf:
8. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 26. November 1974 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Paraguay über den Luftverkehr
- Drucksache 8/1034 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen
9. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 19. September 1973 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Saudi-Arabien über den Luftverkehr
- Drucksache 8/1035 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen
10. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und den Mitgliedstaaten dieser Gemeinschaft einerseits, der Tunesischen Republik, der Demokratischen Volksrepublik Algerien und dem Königreich Marokko andererseits sowie zu den Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und 'diesen Staaten
- Drucksache 8/1036 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Wirtschaft ({104}) Auswärtiger Ausschuß
Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Haushaltsaussdhuß gemäß § 96 GO
11. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Äinderung des Biersteuergesetzes
- Drucksache 8/1040 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Finanzausschuß
12. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ergänzungsprotokoll vom 15. Juni 1973 zur Änderung des Abkommens vom 23. August 1958 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxem4084
Präsident Carstens
burg zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern sowie seines Schlußprotokolls
- Drucksache 8/1042 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Finanzausschuß
13. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 14. Dezember 1976 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Korea zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen
- Drucksache 8/1043 Überweisungsvorschlag des Altestenrates:
Finanzausschuß ({105})
Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit
14. Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur
- Drucksache 8/1101 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Innenausschuß ({106})
Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Haushaltsausschuß
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Die Überweisungsvorschläge des Ältestenrats ersehen sie aus der Tagesordnung. Ist das Haus mit den Überweisungsvorschlägen einverstanden? - Ich sehe und höre nur Zustimmung und keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich rufe nunmehr Punkt 15 der Tagesordnung auf:
Beratung der Sammelübersicht 11 des Petitionsausschusses ({107}) über Anträge zu Petitionen
- Drucksache 8/1011 Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wer der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses auf Drucksache 8/1011, die in der Sammelübersicht 11 enthaltenen Anträge anzunehmen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 16 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({108}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht über die Art, den Umfang und den Erfolg der von ihr oder den Länderregierungen vorgenommenen Beanstandungen betreffend die Anwendung des Artikels 119 EWG-Vertrag
- Drucksachen 8/547, 8/1002 - Berichterstatterin:
Abgeordnete Frau Steinhauer
Wünscht die Frau Berichterstatterin das Wort? - Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zur Sache gewünscht? - Auch nicht.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlungen des Ausschusses. Wer den Beschlußempfehlungen des Ausschusses auf Drucksache 8/1002 unter Nr. 1 und 2 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlungen des Ausschusses sind einstimmig angenommen.
Dann kommen wir zu den Tagesordnungspunkten 17 bis 19:
17. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({109}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag einer Richtlinie zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit
- Drucksachen 8/56, 8/1013 - Berichterstatter:
Abgeordnete Frau Verhülsdonk
18. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({110}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag einer Verordnung des Rates zur
Errichtung einer europäischen Agentur für handelspolitische Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern
- Drucksachen 7/5847, 8/1038 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Ahrens
19. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses ({111}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über den Standard-Austauschverkehr für zur Ausbesserung ausgeführte Waren
- Drucksachen 8/799, 8/1048 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Voss
Präsident Carstens
Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Wird sonst das Wort gewünscht? - Das ist ebenfalls nicht der Fall.
Ist das Haus damit einverstanden, daß wir über die Vorlagen gemeinsam abstimmen? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch; dann wird gemeinsam abgestimmt.
Wer den Beschlußempfehlungen der Ausschüsse auf den Drucksachen 8/1013, 8/1038 und 8/1048 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen?
Damit sind auch diese Beschlußempfehlungen einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, wir haben damit die Tagesordnung, soweit sie für heute vorgesehen war, abgewickelt.
Ich berufe die nächste Plenarsitzung auf Freitag, den 28. Oktober 1977, 9 Uhr ein und schließe die heutige Sitzung.