Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
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Zum zweiten Male innerhalb weniger Wochen gedenkt ,der Deutsche Bundestag weiterer Opfer des Terrorismus. Hanns Martin Schleyer wurde von seinen Entführern ermordet. Mit ihm verliert unser Land einen Mann, der durch sein Wirken in fast drei Jahrzehnten. zum Aufbau der .deutschen Wirtschaft, zur Schaffung Tausender von Arbeitsplätzen, zur Verwirklichung von mehr sozialer Partnerschaft zwischen Unternehmern und Arbeitnehmern wesentlich beigetragen hat. Freiheit, Toleranz, Leistung waren die Leitmotive.
Das Leiden Hanns Martin Schleyers, der sich über sechs Wochen in den Händen der Terroristen befand, hat uns immer vor Augen gestanden. Der Deutsche Bundestag ehrt ihn und spricht Frau Schleyer und ihren 'Kindern sein tiefempfundenes Beileid aus. Hanns Martin Schleyer, dessen Tod ein Opfer für alle Bürger unseres Landes ist, wird uns unvergessen bleiben.
Wenige Tage vorher war der Flugkapitän der Lufthansamaschine „Landshut" Jürgen Schumann an Bord seines Flugzeuges von Terroristen ermordet worden. Jürgen Schumann, ein vorbildlicher Pilot, hat sich in außerordentlicher Weise, ruhig und besonnen bis zuletzt, um die Rettung der ihm anvertrauten Passagiere bemüht. Er ist in Ausübung seiner Pflicht, er ist für die Sache der Freiheit gestorben. Auch er wird uns Vorbild und Verpflichtung sein.
Der Deutsche Bundestag spricht Frau Schumann und den Angehörigen sein tiefempfundenes Beileid aus.
Wenige Stunden nach Jürgen Schumanns Tod gelang die Befreiung der 86 Geiseln auf dem Flugplatz in Mogadischu in Somalia. Der tapfere Einsatz der Beamten des Bundesgrenzschutzes verdient unseren Dank und unsere Anerkennung.
Die politisch Verantwortlichen standen in diesen Wochen vor Entscheidungen, die jeden einzelnen von ihnen schwer bedrückten. Sie trafen diese Entscheidungen gemeinsam: Regierung und Opposition, Partei- und Fraktionsvorsitzende sowie die zuständigen Ministerpräsidenten. Sie haben bewiesen, daß
unser Staat in Zeiten der Not handlungsfähig ist und daß seine Institutionen und seine demokratischen Parteien, wenn es notwendig ist, zusammenstehen. Die Bürger unseres Landes 'haben durch ihr Vertrauen geholfen, die schweren Entscheidungen zu treffen.
Dank sei an dieser Stelle auch den ausländischen Staaten ausgesprochen, die mit der Bundesrepublik Deutschland zusammengearbeitet haben. Dank , für die vielen Zeichen der Anteilnahme und der Zustimmung, die wir in den letzten Tagen aus dem Ausland erhalten haben. Sie haben gezeigt, daß die große Mehrheit der Bevölkerung aller Länder uns im Kampf gegen den Terrorismus unterstützt, unsere Entscheidungen mitträgt und uns ihr menschliches Mitgefühl schenkt.
In diesen Tagen sind tiefe Trauer über den Tod zweier tapferer Männer und Erleichterung über die Errettung von 86 Menschen unmittelbar und unbarmherzig aufeinander gefolgt. Sie haben uns den Ernst unserer Lage mit unmißverständlicher Deutlichkeit vor Augen geführt. Die Auseinandersetzung mit dem Terrorismus ist noch nicht zu Ende.
Unsere Aufgabe ist es, das Leben der Bürger, aller Bürger, noch besser zu schützen. Lassen Sie uns das 'dazu Notwendige schnell und möglichst einvernehmlich tun.
Sie haben sich zu Ehren von Hanns Martin Schleyer und Jürgen Schumann von Ihren Sitzen erhoben. Ich danke Ihnen.
Die Bundesregierung hat mir mitgeteilt, daß der Herr 'Bundeskanzler beabsichtige, zu 'Beginn der heutigen Sitzung eine Regierungserklärung zur aktuellen Situation abzugeben.
Interfraktionell ist vereinbart worden, daß die Tagesordung weiter ergänzt wird um die
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses ({1}) zu den ,dem Deutschen 'Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht
Drucksache 8/1047 -- Das Haus ist, wie ich sehe, damit einverstanden
Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zur aktuellen Situation
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht hat in den frühen Morgenstunden des 16. Oktober im Namen unseres Volkes für Recht erkannt: Die Art. 1 und 2 unseres Grundgesetzes verpflichten
den Staat, jedes menschliche Leben zu schützen. Diese Schutzpflicht ist umfassend. Sie gebietet dem Staat, sich schützend und fördernd vor dieses Leben zu stellen; das heißt vor allem, es auch vor rechtswidrigen Angriffen von seiten anderer zu bewahren. An diesem Gebot haben sich alle staatlichen Organe, je nach ihren besonderen Aufgaben, auszurichten.
- Alle staatlichen Organe! - Das Verfassungsgericht hat hinzugefügt:
Das Grundgesetz begründet eine Schutzpflicht nicht nur gegenüber dem einzelnen, sondern auch gegenüber der Gesamtheit aller Bürger.
Die Wahrnehmung dieser doppelten Pflicht setze voraus, daß die staatlichen Organe ihre Maßnahmen der Vielfalt der jeweiligen konkreten Situation ohne Festlegung auf ein bestimmtes Verhalten anpassen können.
Am gleichen 16. Oktober, nachdem dieses Urteil ergangen war, haben die Bundesregierung, die Partei- und Fraktionsvorsitzenden des Deutschen Bundestages und die Ministerpräsidenten der vier betroffenen Bundesländer öffentlich bekanntgemacht, daß sie schon bisher nach diesen Grundsätzen beraten und gehandelt hatten und daß sie in Befolgung dieser Grundsätze auch weiterhin alles tun würden, um ihrer schweren Verantwortung gerecht zu werden.
Viele Wochen früher, nämlich unmittelbar nach der Entführung Dr. Schleyers, habe ich in dem soeben erwähnten Beratungskreise mit Zustimmung aller Beteiligten damals die Orientierungspunkte, die unser Handeln bestimmen sollten, folgendermaßen umrissen, erstens Dr. Schleyer lebend zu befreien - es war zu einem späteren Zeitpunkt selbstverständlich, daß dies ebenso für die als Geiseln genommenen 82 Passagiere und 5 Besatzungsmitglieder in dem entführten Lufthansaflugzeug galt -; zweitens die Täter zu ergreifen und vor Gericht zu stellen; drittens die Fähigkeit des Staates zu sichern, seine Bürger gegen Gefahren zu schützen, das Vertrauen der Bürger, aber auch das Vertrauen der Menschen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland in diese Schutzfunktion unseres Staates zu wahren - und dies hieß, die Terroristen nicht freizulassen.
Gewiß war das damals eine sehr einfache Sprache. Gleichwohl legen wir diese von uns vor sechs Wochen erarbeiteten Orientierungspunkte heute öffentlich vor. Jedermann kann erkennen, daß es kaum vorstellbar erscheinen konnte und kaum vorstellbar erscheinen kann, alle diese Orientierungspunkte oder Maximen zugleich durch eigenes Handeln oder durch eigenes Unterlassen voll in die Wirklichkeit zu übertragen. Vielmehr war von Anfang an klar - das galt für unsere Bemühungen um das Leben und die Freiheit Dr. Schleyers, für die Rettung der 87 Geiseln im Flugzeug, und es gilt für zukünftig denkbare Fälle -, daß die Erfüllung jedes einzelnen dieser drei Orientierungspunkte nach menschlicher Voraussicht die Erfüllung der übrigen Maximen einschränken oder gar gefährden mußte.
In dieser unausweichlichen Gewißheit hatten wir unsere Entscheidungen zu treffen. Unausweichlich befanden wir uns damit im Bereich von Schuld und Versäumnis. Es ist uns gelungen, die Passagiere und die vier der fünf Besatzungsmitglieder der entführten Lufthansa-Maschine aus der Gewalt von vernichtungswilligen Verbrechern zu befreien und ihr Leben zu retten. Es ist uns nicht gelungen, die Morde in Karlsruhe, in Oberursel, in Köln, den Mord an Bord des Lufthansa-Flugzeuges und den in Mülhausen im Elsaß offenbar gewordenen Mord zu verhindern.
Ich füge hier ein, nachdem der Bundestagspräsident und der Bundestag soeben des in Mülhausen in Frankreich aufgefundenen toten Dr. Schleyer gedacht und seiner Familie das Beileid ausgesprochen haben, daß nach dem Urteil der Bundesregierung die deutsche Wirtschaft in ihm eine ihrer hervorragenden Unternehmerpersönlichkeiten verloren hat, einen Mann von hohen Führungseigenschaften, dessen Engagement, dessen Wissen, auch sein Gespür für sozialen Ausgleich ihn befähigt haben, sein Amt als Sprecher der Industrie und der Arbeitgeber auf eine Weise auszuüben, die ihm Anerkennung eingebracht hat. Für die Bundesregierung war er kein einfacher Gesprächspartner. Aber wir respektierten ihn als einen Mann, dessen klares Denken und offenes Sprechen und dessen erhrlicher Wille das Gespräch mit ihm wertvoll gemacht haben. Ich habe das bei zahlreichen Gelegenheiten auch persönlich immer so empfunden. Die Bundesregierung teilt ebenso wie der Bundestag die Trauer seiner Familie, an deren Seite wir uns stellen.
Es ist uns mit Ausnahme der Ergreifung eines mutmaßlichen Täters in Holland bisher noch nicht gelungen, die Mörder von Karlsruhe, Oberursel und Köln zu ergreifen. Immerhin sind die heute zu veröffentlichenden bisherigen Fahndungsergebnisse allerdings schon sehr erheblich.
Die elf Gefangenen, die in erster Instanz wegen Mordes verurteilt wurden oder nach Richterspruch des Mordes dringend verdächtigt sind und zu deren Freilassung die zuständigen Landesregierungen erpreßt werden sollten, haben wir nicht ausgeliefert. Ihnen liegen die Tötung von 13 Menschen und weitere 43 Mordversuche zur Last. Die Tötung von 13 Menschen und 43 weitere Mordversuche! Drei von ihnen haben gestern Selbstmord begangen. Wir mußten und müssen fürchten, daß die elf gefangenen Terroristen nach ihrer eventuellen Freilassung weitere schwere Verbrechen begehen würden, genauso, wie es diejenigen getan haben, die durch die Entführung von Peter Lorenz freigepreßt worden
Deutscher Bundeshag - 8. Wahlperiode Bundeskanzler Schmidt
sind, nachdem sie damals freigelassen wurden. Diesen letzteren werden inzwischen die Tötung von neun Personen und weitere vier Mordversuche zur Last gelegt. Das heißt: die Freilassung der elf hätte nach dieser Erfahrung eine neue Gefahr für das Leben vieler anderer Menschen heraufbeschworen.
Es ist mir am heutigen Tag wie schon in all den letzten Wochen eine große Hilfe, daß der Rat der Evangelischen Kirche Deutschlands im vorigen Monat öffentlich versichert hat, unsere Entscheidungen mit Vertrauen aufnehmen zu wollen, und eine große Hilfe, von der Bereitschaft der Kirche zu wissen, auch die Folgen gemeinsam tragen zu wollen.
Der Terrorismus ist keineswegs tot, weder in Deutschland noch irgendwo auf der Welt. Die Bundesregierung und alle Parteien und Fraktionen des Deutschen Bundestages werden - dessen bin ich gewiß - angesichts der gegenwärtigen schweren Belastung alles tun, um die Fähigkeit des Staates zu wahren, daß er seine Bürger schützen kann. Wir werden dabei, wie gestern und heute, so auch morgen den Befehlen des Grundgesetzes gehorchen. Das Urteil, auf das ich mich eingangs bezog, bestärkt uns darin, auch in Situationen größter Belastung die vom Gesetz gesetzten Grenzen zu achten und zu wahren, und das heißt: rechtsstaatlich zu handeln.
Ich möchte der Erklärung der Fuldaer Bischofskonferenz der römisch-katholischen Kirche zustimmen, die im vorigen Monat den Bundestag aufgefordert hat, „alle in der Verfassung, alle im Grundgesetz und im Rechtsstaat gegebenen Möglichkeiten auszuschöpfen und konsequent zu verwirklichen, ehe überhaupt Verfassungsänderungen in Betracht gezogen werden". Die Bereitschaft der Kirche, „jedem ein guter Partner zu sein, der sich um Überwindung des Terrors müht", stärkt uns in unserer Zuversicht. Daß der Papst, das Oberhaupt der katholischen Kirche, im ehrwürdigen Alter von 80 Jahren davon spricht, er würde sich selbst als Ersatzgeisel anbieten, falls dies von Nutzen wäre, kennzeichnet das Ausmaß des Schreckens und der Betroffenheit über die Leiden der von den Verbrechen getroffenen Menschen.
In der Nacht von Montag auf Dienstag und am ganzen gestrigen Tage haben Millionen Deutsche und Abermillionen von Menschen in aller Welt aufgeatmet, als in Mogadischu im ostafrikanischen Somalia nach einem Irrflug von 9 000 km die Befreiung von 86 Menschen aus unmittelbarer Lebensgefahr gelungen war. Auch wenn wir unsere Toten tief beklagen und mit ihren' Familien und ihren Freunden deren Trauer teilen, so dürfen wir doch auch mit Genugtuung auf die Leistung der Beamten der Grenzschutzgruppe 9 und all derer schauen, die wir nach Mogadischu entsandt hatten.
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Es wurden hier ein Beispiel und ein Vorbild für die Jungen in unserem Lande gesetzt, ein Beispiel dessen, wofür wir alle einzutreten haben, nämlich für die Erhaltung der Würde des Menschen, für die Erhaltung der unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechte, für das Recht auf Leben, für die Freiheit der Person. Ich weiß, daß viele junge
Menschen die Überbetonung materiellen Lebensgenusses mißbilligen, die angesichts unseres hohen Lebensstandards bei manchen eingetreten ist, der sich manche allzu bereitwillig hingeben und die bei manch einem die Frage nach dem Sinn seines Lebens in den Hintergrund treten läßt. Ich weiß, daß viele junge Menschen - nicht nur in unserem Staate - die Frage nach dem Sinn ihres Lebens stellen.
Jeder Mensch wird seine eigene Antwort suchen müssen. Sie kann nur in der Orientierung auf oberste Werte gefunden werden. Weil wir als einzelne nicht leben können, sondern vielmehr auf Gemeinschaft, auf Gesellschaft mit vielen anderen angewiesen sind, kann die Antwort nur im Bewußtsein jener Werte gegeben werden, auf denen Gemeinschaft beruht und auf die unser Staat gegründet ist.
Die befreiende Tat in Somalia entspringt den bewußt erlebten Grundwerten der Freiheit und der Solidarität. Es wurde hier ein Beispiel für die Bedeutung unserer Grundwerte gegeben. Es wurde Orientierung gegeben,. Es ist falsch, nur danach zu trachten, was ein einzelner oder eine Gruppe von der Gemeinschaft, von der Gesellschaft oder vom Staat empfangen oder sich verschaffen könnte. Es ist vielmehr notwendig, daß wir alle uns selbst fragen, was wir der Gemeinschaft zu geben haben und wie wir ihr dienen können.
Im Mogadischu wurde zugleich ein Zeichen für die Zusammenarbeit unter den Völkern und Staaten der Welt und für die gemeinsame Überwindung der Geißel des internationalen, lebensverachtenden, gemeinschaftszerstörenden Terrorismus gesetzt.
Wir haben in den schweren Stunden, in denen wir die drückende Last der Entscheidungen trugen, nicht allein gestanden. Tief eingeprägt hat sich uns die Bereitschaft von Regierungen im Nahen Osten und auf dem afrikanischen Kontinent, sich gemeinsam mit uns um die Befreiung der Menschen aus ihrem Leiden zu bemühen. Der besondere Dank der Bundesregierung, unseres ganzen Volks und - ich bin sicher - aller Menschen auf der Welt, welche den Terrorismus ablehnen, gilt dem Staatspräsidenten von Somalia, Siad Barre, und seiner Regierung.
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Herr Bundeskanzler, ich darf Sie an dieser Stelle unterbrechen und dem Hause mitteilen, daß der somalische Botschafter auf der Diplomatentribüne Platz genommen hat. Ich möchte ihm und seinem Land den Dank des Deutschen Bundestages für die uns geleistete Hilfe aussprechen.
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Seine Entscheidung mag dem Präsidenten Barre nicht leichtgefallen sein. Aber er war bereit, einen entscheidenden Beitrag zu leisten, um das Leben der Geiseln zu retten. Die Zusammenarbeit der Sicherheitsorgane von Somalia mit den unsrigen war ausgezeichnet, und die Hilfs3758
bereitschaft war groß. Meine Damen und Herren, wir dürfen das nie vergessen. Es hat Einfluß auf unsere zukünftigen Beziehungen zu jenem Staat und seinem Volk.
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Somalia hat ein Beispiel gesetzt für die unerläßliche internationale Zusammenarbeit, durch die 'allein eine erfolgreiche Bekämpfung des Terrorismus möglich ist. Möge dieses Beispiel in allen Ländern der Weit auf fruchtbaren Boden fallen!
Vielleicht darf ich das, was sich dort ereignet hat, mit einem biblischen Gleichnis umschreiben: Unser schwarzer Bruder war der barmherzige Samariter, der die unter die Räuber gefallenen Weißen aus ihrem Elend rettete.
Politisch heißt dies: Solidarität zeigten gerade diejenigen, denen einige in unserem Lande kritisch oder sogar ablehnend begegneten, weil sie für die Gestaltung ihrer Gesellschaft einen anderen Weg gewählt hatten als wir für die 'unsrige.
Wir in der Bundesrepublik haben erfahren, was es bedeuten kann, wenn Solidarität keine Grenzen kennt. Wir alle haben die Verantwortung dafür, daß uns nicht nachgesagt werden kann, es sei leichter, Solidarität zu empfangen, als sie zu geben.
In Dubai - auch wenn die Terroristen schließlich den Abflug der Maschine aus jenem Staat erzwangen - verdient der engagierte und umsichtige Einsatz von Verteidigungsminister Scheich Mohamed und der anderen Persönlichkeiten, die Staatsminister Wischnewski auf dem Tower und dem Flugplatz von Dubai unterstützt haben, unsere volle Anerkennung.
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König Khaled und Kronprinz Fahad von Saudi-Arabien haben uns in 'entscheidenden Augenblicken geholfen. Wir danken für ihre Hilfe.
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Es sollte übrigens nicht übersehen werden, daß sich auch der Chef der PLO, Jassir Arafat, eindeutig von der Aktion 'der Entführer distanziert hat, lange bevor sie ihr Ende fand.
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In besonderem Maße muß der selbstlose und unermüdliche Einsatz von fünf italienischen Ärzten gewürdigt werden, die nach der Befreiung die verwundeten, geschwächten und schockierten Geiseln in einem vorsorglich schnell eingerichteten Notlazarett in Mogadischu behandelt haben.
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Zu den positiven Erfahrungen zähle ich auch die Bereitschaft der Sowjetunion, sich für uns bei der Regierung von Südjemen zu verwenden. Daß die DDR hierzu gleichfalls bereit war, ist eine erfreuliche Bestätigung für die Fortschritte in unseren Beziehungen.
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Unsere Freunde im Westen standen rückhaltlos auf unserer Seite. Besonders haben wir von Premierminister Callaghan, von Präsident Giscard d'Estaing und von Präsident Carter nicht nur moralische Unterstützung, sondern auch tätige Hilfe erhalten.
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In all dieser Hilfe ist deutlich geworden, wie sehr .das Bewußtsein gewachsen ist, daß - weil kaum ein Land der Welt vom internationalen Terrorismus verschont bleibt - alle bereit sein müssen, auch international zusammenzuarbeiten, um einen wirkungsvollen Schutz der Menschen gegen Geiselnahmen zu gewährleisten.
Bereits vor einem Jahr hat der von der Bundesregierung in die Vereinten Nationen eingebrachte Entwurf einer Konvention gegen die Geiselnahme in der 31. Generalversammlung der United Nations positive Aufnahme gefunden. Wir bitten am heutigen Tage die Regierungen je einzeln und auch in New York selbst, daß alle UN-Mitgliedstaaten mit uns diese Konvention nunmehr in New York beschleunigt behandeln und verabschieden.
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In den letzten Tagen und Wochen haben außer den vorhin schon genannten Grenzschutzbeamten und außer den vorhin schon genannten ausländischen Bürgern und Regierungen auch viele Bürger unseres Staates aufopfernd gearbeitet. Unser Dank gilt Tausenden von Angehörigen der Sicherheitsorgane von Bund und Ländern, in Sonderheit denen des Bundeskriminalamtes, die alle - zum Teil ohne irgendeine Unterbrechung - nunmehr seit Wochen ihre Pflicht tun, nein, sehr viel mehr tun als ihre Pflicht.
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Er gilt ebenso den Mitgliedern der vielen Krisenstäbe in Bonn und anderswo und ihren Mitarbeitern.
Wir grüßen aber auch die Menschen, die in der entführten Maschine hundertzwanzig Stunden der Gewalt der Terroristen, hundertzwanzig Stunden schwerster physischer und psychischer Belastung in bewundernswerter Weise ertragen haben.
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Besonderes Gedenken schulden wir dem ermordeten Flugkapitän Jürgen Schumann. Der Bundestag, der Bundestagspräsident haben vorhin seiner gedacht. Wir teilen die Trauer seiner Familie. Die Bundesregierung möchte hinzufügen: Schumann hat unter tödlicher Bedrohung Mut und Umsicht bewiesen.
Gestern morgen hat Bischof Class in einer Predigt hier in Bonn gesagt, es komme darauf an, das böse Geheimnis der Gesetzlosigkeit zu überwinden. Diese Überwindung wird große Anstrengungen aller notwendig machen. Wir alle werden uns dabei nach dem Grundgesetz und nach den Gesetzen zu richten haben.
Mit großer Betroffenheit und Bestürzung hat die Bundesregierung von den jüngsten Ereignissen in dem Gefängnis Stuttgart-Stammheim erfahren. Uns ist es unvorstellbar, wieso es trotz des Kontaktsperregesetzes, das bei vielen Abgeordneten des Deutschen Bundestages die Überwindung erhebBundeskanzler Schmidt
licher Zweifel erfordert hat, möglich war, daß dort Gefangene in den Besitz von Schußwaffen kommen konnten.
Nun sind nach unserer grundgesetzlichen Ordnung der Vollzug von Strafen und das Gefängniswesen ausschließlich Sache der Bundesländer und keineswegs der Bundesregierung. Gleichwohl muß die Bundesregierung aus Gründen der Schutzfunktion des Gesamtstaates, aus Gründen der Rechtssicherheit, aus innenpolitischen Gründen und aus außenpolitischen Gründen - wegen des Ansehens Deutschlands in der Welt - dringend erwarten, daß jene Vorgänge in einer über jeden Zweifel erhabenen Form untersucht, vollständig aufgeklärt und daß die Ergebnisse öffentlich vorgelegt werden.
Die der Bundesregierung bisher durch die baden-württembergische Landesregierung mitgeteilten Umstände - der Obduktionsbefund vor allem - lassen darauf schließen, daß in Stammheim Gefange zur Verschärfung ihres terroristischen Kampfes gegen unseren Staat, gegen unsere freiheitliche Grundordnung, nach ihren früheren Hunger- und Durststreiks nunmehr auch die gewaltsame Zerstörung ihres eigenen Lebens als Kampfmittel eingesetzt haben. Offenbar wollten sie ihren Tod nicht als ein Zeichen später Einsicht, sondern vielmehr als ein Fanal für die noch in Freiheit befindlichen ihnen Gleichgesinnten. Drohungen, die schon vorher ausgestoßen worden waren, erhärten dies.
Meine Damen und Herren, die unbegreiflichen Vorgänge in Stuttgart-Stammheim dürfen und werden unseren klaren Blick in die Zukunft nicht vernebeln. Als erstes gilt es, die Erfahrungen praktischer Solidarität im Handeln der Verantwortlichen für kommende Bewährungsproben lebendig zu halten.
Mitte vorigen Monats habe ich hier die Hoffnung ausgedrückt, daß die Zusammenarbeit der Bundesregierung mit den Partei- und Fraktionsvorsitzenden Brandt, Kohl, Mischnick, Strauß und Wehner sowie den vier betroffenen Landesregierungen bis zum Ende der schlimmen Zwangslage, in die uns das terroristische Verbrechen gebracht hat, andauern möge. Daß ich den Vorsitzenden der FDP in diesem Zusammenhang nicht namentlich nenne, ergibt sich aus der Tatsache seiner Zugehörigkeit zur Bundesregierung.
Ich kann heute sagen, daß wir in den schweren Entscheidungen der letzten Wochen bis zum heutigen Tage tatsächlich alle so zusammengestanden haben. Wir haben jeden Schritt gemeinsam beraten und einmütig gebilligt. Wir haben viele Pläne gefaßt; viele haben wir verworfen; einige wurden zuschanden. Wir haben gemeinsam Wagnisse auf uns genommen. Und natürlich, meine Damen und Herren, liegt bei all dem die Verantwortung bei der Bundesregierung. Ohne diese Gemeinsamkeit aber wäre die Befreiung der Geiseln der Flugzeugentführung nicht gelungen. Ohne sie wäre aber auch ein Fehlschlag, der ebenso möglich war, nur schwer zu tragen gewesen.
Ich gehe davon aus, daß diese Solidarität am heutigen Tage, wo wir uns gemeinsam den Folgen der Ermordung Schleyers zu stellen haben, weiterlebt und auch bewahrt werden wird.
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Bundestag, Parteien und Fraktionen müssen den Maßstäben gerecht werden, die in den letzten Wochen gemeinsam gesetzt wurden, und der Besinnung auf das Wesentliche, die unser Volk von uns erwartet. Jeder prüfe sein eigenes Verhalten, und jeder trage, wo immer das nötig sein sollte, zur Entgiftung der politischen Auseinandersetzung bei.
Natürlich kann die vollständige Übereinstimmung zwischen Regierung und Opposition im Handeln und in der Verantwortung für ein demokratisches Gemeinwesen nicht die Regel sein. Sie ist vielmehr die Ausnahme, in der sich politische Vielfalt in Situationen der Not als Einheit bewährt. Ansonsten aber muß der fruchtbare Gegensatz, muß die Kontroverse fortbestehen. Die Kontroverse ist ein Wesenskern parlamentarischer Demokratie.
Wir haben also - ich sage dies, um jedes Mißverständnis auszuschließen - nicht die Absicht, für die Zukunft auf allen Gebieten große Gesetzgebungskoalitionen zu verabreden. Im Gegenteil, Verantwortungen dürfen nicht verwischt werden, und ohne parlamentarische Auseinandersetzung würden wir oft zu sachlich vernünftigen Lösungen nicht kommen. Die Bürger unseres Landes haben verschiedene politische Auffassungen, und es bleibt die Führungsaufgabe des Parlaments, diese Unterschiedlichkeit der politischen Grundströmungen vorzutragen und auszutragen.
Allerdings würde ich es begrüßen, wenn der schon eingeleitete Versuch, einzelne Vorschläge zur besseren Bekämpfung des Terrorismus nach sorgfältiger Prüfung in einer gemeinsamen Gesetzesinitiative der drei Fraktionen zusammenzufassen, fortgesetzt und zu einem konstruktiven Ende geführt würde.
Die Artikulierung der unterschiedlichen politischen Strömungen ist auch Aufgabe der Medien: der Presse, des Rundfunks, des Fernsehens. Dazu benötigen die Medien die ungehinderte Information. Um so mehr gilt vielen Zeitungen und anderen Medien des In- und Auslands unser Dank dafür, daß sie durch ihre Selbstbeschränkung bei der Befreiung der Geiseln und der Aufklärung der Verbrechen außerordentlich geholfen haben.
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Der Ablauf terroristischer Verbrechen wird wesentlich erschwert, wenn sich die Täter nicht der Massenkommunikationsmittel bedienen können, wenn sie sich nicht der weitestgestreuten Publizität bedienen können. Dafür sind jetzt Maßstäbe gesetzt.
Ich füge hinzu: Diejenigen Medien im In- und Ausland, die zeitweise glaubten, sich diese Selbstbeschränkung nicht auferlegen zu sollen, und damit Gefährdungen ausgelöst haben, sollten selbstkritisch überprüfen, wieweit sie tatsächlich den Erfolg gefährdet haben.
Die Wochen, die alle Betroffenen und unser ganzes Volk zum Teil in ohnmächtiger Wut, zum Teil in Schmerz und Leid, in der Hoffnung, in Glück und Enttäuschung, in dem Erfahren von Tapferkeit und in dem Erfahren von Mitmenschlichkeit durchlebt haben, werden ihre Spuren hinterlassen - nicht nur in Deutschland, auch international. Die Menschen in der Bundesrepublik, das spüren wir, sind näher zueinander gerückt. Opfermut, der Einsatz des eigenen Lebens für die Gesamtheit der Bürger, für die Demokratie gelten - manche hatten es vielleicht schon vergessen - mehr als das Streben nach Materiellem. Und ein Rückzug in die Innerlichkeit allein reicht für Gemeinschaft nicht aus. Was unser Volk in diesen Tagen an Haltung gezeigt hat, wird von der zivilisierten Welt in Ost und West, in Nord und Süd mit Respekt und Mitgefühl betrachtet.
Die ganze Welt erfährt in diesen Jahren, in vielen Ländern das Wiederaufleben zerstörerischer Gewalt, von der die Menschheit glaubte, daß sie durch geschichtliche Erfahrung und durch menschliche Moral überwunden sei. Es gibt kein politisches Prinzip, mit dem der Rückfall von der Menschlichkeit in die Barbarei sittlich gerechtfertigt werden könnte.
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Ich sage vor allem den jungen Menschen, daß Demokratie nicht allein aus dem Prinzip der Bildung von Mehrheiten besteht. Ihre, letztlich existentielle, Begründung findet Demokratie in der Humanisierung der Politik, das heißt in der Humanisierung des unvermeidlichen Umgangs mit der Macht. Indem die demokratische Verfassung von der Würde des Menschen ausgeht und nicht nur dem Staat, sondern auch dem einzelnen verbietet, mit der Existenz und der Würde des Menschen nach Belieben und Willkür zu verfahren, schreibt sie uns allen die Grenzen unseres Handelns vor. Diese Verpflichtung dem Ganzen gegenüber umfaßt auch, den Schwachen zu helfen, Minderheiten nicht auszuschließen und gegenüber Andersdenkenden Respekt zu bewahren. Wer aber aus dieser humanen Geschichte heraustritt, wer an die Stelle des demokratischen Rechts das Faustrecht der Gewalt setzt, der erlebt eine Ausweglosigkeit, in der vermeintliche Macht bis in Selbstzerstörung umschlagen kann.
Ich weiß, wie schwer es Älteren oft ist, Erfahrungen weiterzugeben, und wie reserviert junge Menschen häufig sind, wenn sie das Gefühl haben, belehrt werden zu sollen. Ich sage aber in großem Ernst, daß es unheilvolle Erfahrungen gibt, vor denen man sich schützen muß, die man selber nicht machen wollen darf, wo eigene Einsicht und Verantwortung gebieten, zuzuhören und zu bedenken und zu lernen.
Zum Schluß, meine Damen und Herren: Wer weiß, daß er so oder so, trotz allen Bemühens, mit Versäumnis und Schuld belastet sein wird, wie immer er handelt, der wird von sich selbst nicht sagen wollen, er habe alles getan und alles sei richtig gewesen. Er wird nicht versuchen, Schuld und Versäumnis den anderen zuzuschieben; denn er weiß: Die anderen stehen vor der gleichen unausweichlichen Verstrickung. Wohl aber wird er sagen dürfen: Dieses und dieses haben wir entschieden, jenes
und jenes haben wir aus diesen oder jenen Gründen
unterlassen. Alles dies haben wir zu verantworten.
Die Bundesregierung wird noch Gelegenheit nehmen, alle ihre Entscheidungen, ihre Gründe - auch ihre Zweifel - öffentlich darzulegen. Zu dieser Verantwortung stehen wir auch in Zukunft. Gott helfe uns!
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Kohl.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es fällt schwer, Worte zu finden, die ausdrücken, was wir in dieser Stunde empfinden. Dem feigen Mord an dem Piloten der Deutschen Lufthansa, Jürgen Schumann, ist ein ebenso feiger Mord an Hanns Martin Schleyer gefolgt. Wir alle stehen unter dem Eindruck schwerster und grausamster Verbrechen, Verbrechen, die skrupellose Terroristen an unschuldigen Mitbürgern begangen haben.
Was in diesen Tagen geschehen ist, ist in seiner barbarischen Unmenschlichkeit nicht zu begreifen. Die Taten haben erneut die ganze Brutalität und den blinden Fanatismus der Terroristen offenbart, jener Terroristen, mit denen wir uns auch in Zukunft auseinanderzusetzen haben.
Wir trauern um Jürgen Schumann, den Piloten der Deutschen Lufthansa, der nach der Entführung seines Flugzeuges weit mehr als seine Pflicht tat, der das menschenmögliche tat, um das Leben der ihm anvertrauten Menschen zu stützen. Eine Frau trauert um ihren Mann; zwei Kinder trauern um ihren Vater. Sie sollen wissen, daß wir an sie denken und an ihrem Leid Anteil nehmen.
Unsere Gedanken sind bei der Familie Hanns Martin Schleyers: bei seiner Frau, bei seinen Kindern. Viele von uns - auch ich - haben in Hanns Martin Schleyer einen guten Freund verloren. Wir in der CDU trauern um ein Mitglied, das sich unserer Idee immer leidenschaftlich verpflichtet wußte. Unser ganzes Volk verliert einen Mann, der in herausragender verantwortlicher Position unermüdlich für sein Vaterland gewirkt hat, einen Mann, der seiner Verantwortung bis 'zu seinem Tode niemals ausgewichen ist, der seiner Überzeugung treu blieb, auch wenn sie ihm nicht immer öffentlichen Beifall einbrachte, einen Mann, der - wie wenige - entscheidenden Anteil an der wirtschaftlichen Entwicklung, an der Stabilität und am sozialen Frieden unseres Landes hat. Hanns Martin Schleyer hat sich gefordert; er hat aber auch seine Mitbürger gefordert. Er hat es sich und anderen nicht leichtgemacht, und manches Mal haben es auch andere ihm nicht leichtgemacht.
Ich nenne Hanns Martin Schleyer stellvertretend als letztes Glied einer langen Kette terroristischer Mordanschläge. Die Namen, die Gesichter, die Lebenswege der Opfer sind noch ganz in unserer Erinnerung. Sie alle sind Opfer von Mordanschlägen
geworden, die sich gegen uns alle, gegen alle Bürger, richten. Es sind Anschläge, die niemanden ausnehmen, keine Gruppe, keine Schicht, überhaupt niemanden. Sie alle wurden ermordet, weil sie für die Freiheit dieses Staates standen: der Polizeibeamte, der Fahrer genauso wie der Flugkapitän und der Arbeitgeberpräsident.
Die Nachricht von dem erbärmlichen Mord an Hanns Martin Schleyer hat unser Volk in einem Augenblick erreicht, als eine Welle der Dankbarkeit und der Hoffnung durch dieses Volk ging. Es war berechtigte Dankbarkeit für den glücklichen Ausgang des Geiseldramas von Mogadischu und die Hoffnung, daß dies die Wende in der Auseinandersetzung des freiheitlichen Rechtsstaats mit dem nationalen und dem internationalen Terrorismus sein würde. Die Bürger unseres Landes, wir alle, haben in den 40 Stunden zwischen der Nachricht von Mogadischu und der Nachricht vom Mord an Hanns Martin Schleyer mit Recht tiefe Freude und Genugtuung empfunden über die glückliche Rettung von 86 Menschen, über die große internationale Solidarität, die Deutschland in den Tagen des Geiseldramas erfahren hat, für die wir dankbar sind und die wir nie vergessen werden.
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Das ganze Haus und auch wir, die CDU/CSU-Fraktion, werden jede wirksame internationale Vereinbarung und Initiative unterstützen, die den Terrorismus weltweit bekämpft. Es ist Zeit, daß die zivilisierten Völker der Welt, daß die Welt endlich begreift, was die Stunde geschlagen hat. Der Mord an Hanns Martin Schleyer hat unserem Volke deutlich gemacht, was alle Wissenden auch nach dem Erfolg von Mogadischu wissen mußten: Dies war ein Abschnitt, ein glücklicher Abschnitt, nicht weniger, aber leider auch nicht mehr. An der Herausforderung des Terrorismus hat sich nichts geändert. Der Terrorismus ist heute so gefährlich wie vor einer Woche, er ist so brutal und so menschenverachtend wie vor einer Woche. Er wird zu neuen, vielleicht noch brutaleren Schlägen ausholen, wenn wir ihn nicht mit aller Entschlossenheit ausbrennen.
Ich füge hinzu: Nicht jede bewaffnete Auseinandersetzung wird so glücklich ausgehen wie die in Somalia. Das Ende des Terrorismus ist nicht erreicht. Wir müssen mit weiteren, nicht weniger schlimmen Gewalttaten rechnen. Das müssen wir wissen, das muß uns bewußt sein, wenn wir wirklich das tun wollen, was jetzt erforderlich ist.
Die Selbstmorde von Stammheim waren kein Eingeständnis einer Niederlage oder kein letztes Fanal kurz vor der Niederlage. Sie waren nur der Ausdruck des grenzenlosen Fanatismus, mit dem die Terroristen ihren Kampf gegen jede menschliche Friedensordnung führen.
Wir alle haben vor dem Einsatz in Somalia gewußt, daß er mit einem hohen Risiko verbunden war. Er hätte auch den Tod vieler Geiseln und Retter zur Folge haben können. Dann wäre die gemeinsame Verantwortung noch deutlicher geworden. Der glückliche Ausgang ist das Ergebnis von Mut und Tüchtigkeit. Unser Dank gilt den tapferen
Angehörigen des Bundesgrenzschutzes, gilt allen, die in diesen schweren Wochen bis an die Grenze des physisch Erträglichen weit mehr als ihre Pflicht getan haben.
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Wir alle, das heißt die Bundesregierung, die Vorsitzenden aller im Bundestag vertretenen Parteien und Fraktionen, die Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg und Nordrhein-Westfalen, Regierung und Opposition haben gemeinsam das Risiko sorgfältig abgewogen und mitgetragen. Wir in der CDU/CSU haben diese Verantwortung mitgetragen, weil es unsere Pflicht war. Wir haben damit als Opposition auch unsere Solidarität im Handeln unter Beweis gestellt.
Es gab in den letzten Wochen eine wachsende Zahl von Stimmen, die da glaubten, den Begriff der Solidarität der Demokraten karikieren, ja ins Lächerliche ziehen zu müssen. Der Begriff sei überstrapaziert, so war da zu hören. Jedem bleibt es unbenommen, bessere, andere Worte zu wählen, wenn es solche gibt. Wir dürfen nur nicht an der Tatsache selber rütteln lassen. Alle innerhalb und außerhalb dieses Hauses müssen wissen, daß die Befreiung der Geiseln in Mogadischu nur deshalb möglich war, weil das vorhandene Risiko von allen Verantwortlichen gemeinsam abgewogen und gemeinsam verantwortet worden ist. In der Tat, hier wurde ein Beispiel gesetzt. Ihre Aufforderung, Herr Bundeskanzler, ein Stück dieser Solidarität auch in die Zukunft hinüberzutragen, verstehe ich als Aufforderung an uns alle in diesem Hause.
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Es gilt jetzt, so zügig, so schnell wie möglich alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, in der Gesetzgebung genauso wie bei der notwendigen Verbesserung von Organisation und Ausbildung unserer Polizei- und Sicherheitsorgane. Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch. Die jüngsten Ereignisse haben ihre Notwendigkeit erneut bestätigt. Wir, die CDU/CSU-Fraktion, sind bereit, alle Vorschläge unvoreingenommen zu prüfen und schnell und entschlossen zu handeln.
Unsere Mitbürger haben sich zu ihrem Staat bekannt und ihn in besonderer Weise unterstützt. Selten ist dies in unserer jüngsten Geschichte so eindrucksvoll deutlich geworden wie in den zurückliegenden Tagen. Selten ist die Gemeinschaft unseres Volkes so offenbar geworden: in der Sorge, im Hoffen, im Beten, in der Trauer. Das ist es, was uns Mut gibt trotz allem.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wehner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Uns verbindet die Trauer um die Opfer haßbesessener, blindwütiger Mörder, deren Lenker kalt berechnen, was geschehen soll. Uns verbindet die Verbundenheit mit den Familien der Opfer, und uns verbindet die Dankbarkeit für alle, die bemüht gewesen sind und bemüht bleiben werden, Leben
bedrohter Mitmenschen zu schützen und zu retten. Gemeinsam ist uns die Pflicht, bemüht zu bleiben, der Täter habhaft zu werden.
Wir, der Deutsche Bundestag, sind die vom Volk gewählten Abgeordneten. Wir stehen in der Pflicht des Grundgesetzes. Artikel 1 unseres Grundgesetzes gebietet:
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
Das deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
Wir haben uns, meine Damen und Herren, als Treuhänder dieses Verfassungsgebots zu bewähren und in seinem Dienst, wenn notwendig, aufzureiben.
Wir ringen im Deutschen Bundestag um die bestmöglichen Wege und Mittel, das uns anvertraute Gemeinwesen, die Bundesrepublik Deutschland, im Innern und in seinen Beziehungen zu anderen Staaten und Völkern dem Auftrag des Grundgesetzes getreu zu gestalten und zu erhalten, im Falle der Not und der Gefahr zu verteidigen. Aber wir stehen gemeinsam in der Pflicht dieses Gemeinwesens, das uns nach den bitteren Erfahrungen unseres Volkes in zwei Weltkriegen und mit ihnen einhergehenden Diktaturen anvertraut worden ist. Wir haben aus Trümmern und Schutt die Grundlagen einer freiheitlichen Ordnung errichtet. Diese werden wir unter Aufbietung aller Kräfte verteidigen.
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Unsere Bundesrepublik Deutschland würde zerbrechen, würde scheitern, ließen wir uns dazu hinreißen oder erpressen, sie zum Tummelplatz von politisch vermummten, getarnten mörderischen Banden werden zu lassen.
Wir sind in den Wochen, über die hier gesprochen worden ist und gesprochen wird, in schlimme Prüfungen gestellt worden. Nach menschlichem Ermessen sind schlimmere noch zu erwarten. Unserem Bundeskanzler, der Regierung und dem Verantwortungsbewußtsein der politisch Verantwortlichen aller Seiten im Bund und in den Ländern ist es zu danken, daß Pflichtbewußtsein und Besonnenheit auch in stürmischsten Tagen und Nächten seit dem 5. September die Oberhand behalten haben.
Wir haben weitere Anfechtungen zu bestehen. Sie werden hemmungslos die Grundlagen unseres Gemeinwesens zu zerstören versuchen, und ich meine „zerstören wortwörtlich. Doch werden wir, wenn wir uns bei allen Gegensätzen auf unsere gemeinsame Pflicht für unseren gemeinsamen Staat besinnen und ihr bewußt bleiben, stärker sein als alle Feinde der Grundfesten unseres Gemeinwesens.
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Es geht ja um die Chance unseres vielfach geprüften Volkes, Heimstätte zu sein für alle Mitbürgerinnen und Mitbürger ohne Unterschied der Klasse oder der Rasse. Es geht um die Chance, gleichberechtigt am Frieden der Welt und an den friedlichen Lösungen der Konflikte und der Gegensätze mitzuwirken. Erlahmen wir bitte nicht in dem Bemühen, durch Solidarität der Generationen in unserem Gemeinwesen die Erfahrungen der Älteren und die Hoffnungen der Jüngeren, auch Ihre Erwartungen miteinander zu verschmelzen, soweit das menschenmöglich ist, damit wir guten Gewissens bestehen können, was uns auferlegt wird.
Kurt Schumacher, der Wiederbegründer der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Kriegsversehrter des Ersten Weltkriegs, Konzentrationslagergepeinigter unter der Hitlerdiktatur, hat, bevor er vor 25 Jahren die Augen für immer schloß, gesagt:
Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands ist nach dem Zweiten Weltkrieg von der Idee ausgegangen, ein Deutschland zu schaffen, das die Wiederholung der Schrecken der Vergangenheit ausschließt.
Wir Sozialdemokraten, für deren Bundestagsfraktion ich die Ehre habe hier zu sprechen, sind in schweren Prüfungen entschlossen zu fairer Partnerschaft mit allen, die unser Volk davor bewahren möchten, in die Schrecken der Vergangenheit zurückzugleiten oder sich zurückzerren zu lassen.
Ich habe am 15. September 1977 nach einer Regierungserklärung des Bundeskanzlers zu den Ereignissen damals, zu dem schrecklichen Akt, der am 5. September mit der Entführung von Hanns Martin Schleyer und dem Mord an drei Sicherheitsbeamten und einem Kraftwagenfahrer begann, gesagt, daß Regierungsstellen und Sicherheitskräfte bei der Bekämpfung des Terrors der uneingeschränkten Unterstützung aller bedürfen. Diese Unterstützung verlangt vor allem Selbstdisziplin. Ich habe dargelegt, daß das von uns einstimmig betont und gelobt worden ist und sich die Bundestagsfraktion der SPD diszipliniert verhalten wird. Schon die nächsten Tage und Wochen werden an alle hier im frei gewählten deutschen Parlament sehr hohe Anforderungen stellen.
Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung heute einige Male dazu ermahnt, darum gebeten, daß die Jüngeren in unserem Volk angesprochen und aufgerufen sind, weil es sich um ihre eigene Zukunft, um die Zukunft des Gemeinwesens handelt, das sie weiter gestalten wollen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang auch daran, daß er uns am 15. September 1977 alle aufgefordert hat:
Lassen Sie uns den Jungen gemeinsam zurufen: Erwerben Sie auch innerlich Ihre demokratische Bürgerschaft in unserem Gemeinwesen, nehmen Sie sie an, um sie einzusetzen zur demokratischen Gestaltung des zukünftigen Lebens Ihrer eigenen Generation! Gestaltung durch Überzeugen - nicht durch Gewalt!
Ich möchte das auch jetzt, an der Schwelle weiterer schwerer Wochen, in Erinnerung bringen.
Der Herr Oppositionsführer hat den Bundeskanzler so verstanden, daß dieser von einer Aufforderung an uns alle gesprochen hat. Ich stimme in diesem Verständnis mit dem Oppositionsführer überein,
und ich möchte, daß wir alle, soweit das menschenmöglich ist - jeder auf seinem Platz, jeder mit gewissen unterschiedlichen Wertungen -, voll und ohne die eigene Geltung hervorstreichen zu wollen, unsere Pflicht tun.
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Das Wort hat der Abgeordnete Mischnick.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die kaltblütige, abscheuliche Tat an Hanns Martin Schleyer erschüttert uns alle. Es hatte keines Beweises mehr bedurft, um die Unmenschlichkeit derer zu belegen, die offensichtlich .die Gewalt zum ausschließlichen Inhalt ihres Lebens gemacht haben. Ihre Erbärmlichkeit widert jeden normal denkenden und fühlenden Menschen an. Das, was wir zu verhindern suchten, was wir aber ständig befürchten mußten, ist nun traurige Gewißheit.
Stärker noch als der Zorn über den gemeinen Mord ist in dieser Stunde die Trauer um Hanns Martin Schleyer. Wer ihn kannte, weiß um seinen rückhaltlosen Einsatz für eine gedeihliche Entwicklung in Staat und Wirtschaft und seine hochentwikkelten Fähigkeiten, die ihn wie selbstverständlich zu einer prägenden Kraft der deutschen Arbeitgeberverbände und des Bundesverbandes der Deutschen Industrie werden ließen. Die deutsche Wirtschaft hat einen schweren Verlust erlitten. Unsere besondere Anteilnahme aber gilt in dieser Stunde seiner schwer geprüften Familie.
Der Bundeskanzler hat bereits die Gründe dargelegt, warum die Bundesregierung und alle sie Beratenden auf das Verlangen der mehrfachen Mörder von Köln auf Freisetzung von elf Terroristen nicht eingegangen sind. Ich respektiere, daß sich die unmittelbar betroffene Familie damit nicht abfinden konnte. Aber der Respekt kann ebensowenig denen versagt werden, die in Abwägung aller Gefahrenmomente den Schutz der Gemeinschaft aller Bürger nicht aus den Augen verloren. Die politisch Verantwortlichen aus Regierung und Parlament wissen sich mit der öffentlichen Meinung im In- und Ausland darin einig, daß die Öffnung der Gefängnistore für elf inhaftierte Gewalttäter nicht nur die Bedrohung des Lebens einer unbestimmbaren Zahl von Mitbürgern zur Folge gehabt, sondern auch verhängnisvoll auf Staats- und .Rechtsbewußtsein unserer Bürger eingewirkt hätte.
Wir mußten den schweren Weg, den wir gegangen sind, einschlagen, gerade weil wir das in Art. 2 des Grundgesetzes erklärte Recht auf Leben nicht zur beliebigen Disposition von Terroristen stellen konnten.
Dieser Grundsatz hat auch unsere Entscheidung bestimmt, den Luftpiraten, die ebenfalls Mord einkalkulierten und praktizierten, nicht nachzugeben. Der Erfolg dieser Aktion, der uns Recht gegeben hat, war strikt an rechtsstaatlichen Prinzipien orientiert. Millionen Bürger spürten das. In ihnen wirkte die Befreiung von einem schier unerträglich lastenden Druck auch heute, am dritten Tag der Rettung der 86 Geiseln aus der Hand der Terroristen, noch immer nach, wenn auch nun überschattet durch den Tod Hanns Martin Schleyers, der auch durch noch so intensive Fahndungsarbeit nicht verhindert werden konnte.
Der gute Ausgang der Flugzeugentführung hat viele Menschen dazu gedrängt, sich mitzuteilen, sich zu bekennen. So erleben wir zahllose Bekundungen der Sympathie und der Solidarität mit den Geretteten, den Beistand der Regierungen zahlreicher Staaten für diejenigen, denen in bitteren Stunden schwerste Entscheidungen abverlangt wurden. Daß wir die mit äußerster Rücksichtslosigkeit vorgehenden Terroristen daran hindern konnten, ihre verbrecherischen Ziele in Mogadischu zu erreichen, hat ganz offenkundig das Zusammengehörigkeitsgefühl in unserem Volke verstärkt. Dies ist auch eine bewegende Antwort auf die Herausforderung einer kleinen Gruppe blindwütiger Krimineller, die sich gerade zum Ziel gesetzt haben, dieses Empfinden für Menschlichkeit und Mitverantwortung zu zerstören.
Der freiheitliche Staat hat sich beherrscht und wird sich durch konsequentes Handeln auch weiterhin behaupten. Die, die noch immer das blutige Geschäft des Terrorismus betreiben, sollten erkennen, daß sie auf Dauer keine Chance haben gegen das menschliche Verlangen nach Freiheit, Sicherheit und demokratisch verfaßter Ordnung,
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auch dann nicht, wenn sie den Weg der Selbstzerstörung wählen, wie die Vorgänge in StuttgartStammheim zeigen.
Ich will zu dieser Stunde eine eingehende Wertung der Vorgänge nicht vornehmen. Ich zitiere statt dessen aus der Rede meines Kollegen Jürgen Morlok, des Vorsitzenden der FDP-Fraktion im baden-württembergischen Landtag, der gestern in der Debatte Stellung genommen hat. Er sagte:
Das Vertrauen der Bevölkerung in die Sicherheitsorgane und die Handlungsfähigkeit dieser Organe selbst kann aber nicht nur durch die Verunglimpfungsstrategien politischer Chaoten zerstört werden, sondern auch und gerade durch unerklärbares, wenn nicht sogar unentschuldbares Handeln der Exekutive selbst. Lassen Sie mich dies auch ganz offen in dieser Stunde sagen: Dazu rechne ich auch Geschehnisse des gestrigen Tages in der Vollzugsanstalt Stammheim.
Er sagte weiter:
Die Vorgänge in Stammheim haben das durch die geglückte Geiselbefreiung gewachsene Vertrauen der Bevölkerung in die erfolgreiche Handlungsfähigkeit unserer Sicherheitsorgane erschüttert. Ich bin der felsenfesten Überzeugung, und zwar zusammen mit meiner Fraktion, daß nur eine rasche Aufklärung und gegebenenfalls ein klares Bekennen zu den Verantwortlichkeiten und den daraus zu ziehenden Konsequenzen eine fatale Minderung des Vertrauensgrades in die Sicherheit verhindern können.
Ich habe dem nichts hinzuzufügen.
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Ich möchte mit allem Nachdruck feststellen: Wer meint, wir hätten das Schlimmste schon hinter uns und der Kampf sei schon überstanden, der täuscht sich und die Öffentlichkeit. Nein, wir werden die in den zurückliegenden Schicksalstagen Wirklichkeit gewordene Solidarität noch dringend gebrauchen, gerade auch in der Abwehr der Folgen des unbegreiflichen Versagens in Stammheim, der Folgen im In- und Ausland. Zwar hat der Terrorismus mit der Befreiung der Geiseln und der Ausschaltung der mörderischen Erpresser einen schweren Schlag erlitten, doch ist damit das Ende gewalttätiger Aktionen leider nicht erreicht. Äußerste Wachsamkeit und ständige Einsatzbereitschaft tun jetzt erst recht not. Gerade deshalb ist es so wichtig, die Bereitschaft zum gemeinsamen Handeln unverzüglich zu nutzen, und zwar nicht nur national, sondern gerade auch international. Die Erfahrungen der letzten Tage sind ermutigend. Auch wir sprechen dem Präsidenten von Somalia ausdrücklich den Dank der Freien Demokraten aus. Wir werden dies nicht vergessen.
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Genauso gilt der Dank all denen, die international mitgeholfen haben und mithelfen, diesen Kampf gegen Mord und Terror zu bestehen. Die weltweite positive Resonanz muß jetzt in praktische Fortschritte auf dem Gebiet der eindeutigen Übereinkünfte und Abmachungen umgesetzt werden. Die Bundesregierung ist bereits bei den Vereinten Nationen initiativ geworden. Es muß alles darangesetzt werden, die internationale Konvention gegen Geiselnahmen jetzt endlich zustande zu bringen.
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Als weitere Ebene zur Herstellung abgestimmter und verbindlicher Grundregeln im Kampf gegen den weltweit grassierenden Terrorismus sollte die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa dienen. Hier öffnet sich ein Feld für konkrete Verbesserungen, die im Interesse aller Staaten und insbesondere deren Menschen liegen.
Der Exekutivausschuß der Föderation liberaler und demokratischer Parteien in der Europäischen Gemeinschaft hat eindringlich die Notwendigkeit unterstrichen, eine gemeinsame Politik auch in der Europäischen Gemeinschaft gegen den Terrorismus zu finden. Wir unterstützen diese Forderung. Wir teilen die Meinung der europäischen Liberalen, daß auch die demokratischen Institutionen der Europäischen Gemeinschaft Schaden nehmen werden, wenn die terroristische Bedrohung nicht zurückgedrängt wird.
Das Gefühl der Erleichterung, das alle nach der geglückten Befreiung der Passagiere empfunden haben, kann nicht unsere Trauer und Sorge verdrängen. Trauer um den tapferen, einsatzbereiten Flugkapitän Jürgen Schumann, Sorge um die Folgen eventueller Anschlußdaten, mit denen zu rechnen bleibt.
Dennoch: So viele Fragen auch noch zu klären und so manche Rückschläge zu überwinden sein werden - die gemeinsame Vorbereitung und der Einsatz auf dem Flugplatz von Mogadischu könnten ein Wendepunkt im Kampf gegen den Terrorismus sein.
Die Männer der Einsatzgruppe des Bundesgrenzschutzes haben durch ihre überlegte und mutige Aktion gezeigt, daß dem Staat das Gesetz des Handeins nicht entwunden worden ist. Sie haben durch ihren Einsatz die Beratungen in den Krisenstäben und die umsichtigen Verhandlungsführungen der politisch Verantwortlichen in diesem Fall geschickt zu einem Erfolg führen können. Die GSG 9 mit ihrem Chef Wegener verdient deshalb unser aller höchste Anerkennung.
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Ich bin auch sicher, daß der Zuspruch, den diese Beamten gefunden haben, auch für alle anderen Angehörigen der Sicherheitsbehörden Rückenstärkung bedeutet. Die Bürger stehen eindeutig auf der Seite derer, die nicht selten unter Einsatz ihres
Lebens ihre alltägliche Pflicht tun. Die überzeugende Einsatzbereitschaft der GSG 9, ihr kochentwickelter Ausbildungsstand, ihre Selbstdisziplin sprechen für sich und für die Arbeit, die hier geleistet worden ist. Spätestens seit dem 18. Oktober sind die bisweilen gepflegten Zweifel an der Nützlichkeit dieser Spezialistengruppe des Bundes nachdrücklich widerlegt.
Eine Schlußfolgerung der letzten Tage muß zwingend lauten, dieses in Jahren sorgsam geschaffene Instrument nicht etwa bei weiteren Notwendigkeiten durch aufreibende Kompetenzstreitigkeiten in seiner Wirkung zu beeinträchtigen.
Das gilt nicht zuletzt auch für die Fragen, die jetzt zu lösen sind, nämlich der vorbeugenden Verbrechensabwehr. Wir werden unsere Meinung dazu dezidiert bei der Debatte über die Einzelgesetze darlegen.
Mir scheint, daß in den letzten Tagen die Fähigkeit und die Bereitschaft zu starker sachbezogener Haltung und dafür weniger vordergründiger politischer Gestik gewachsen sind. So ist es nur zu begrüßen, wenn der CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß gestern in einem Gespräch mit der Deutschen Presseagentur erklärte, Vorschläge zur Terrorismusbekämpfung dürften nur „nach dem Maßstab ihrer Richtigkeit und Erfolgversprechung gemessen werden". Prüfen wir, ob wirklich alle Vorschläge diesem Maßstab standhalten. Wir sind zu einer objektiven Prüfung aller Vorschläge bereit.
Es wäre gut, wenn sich das wirklich beindrukkende Zusammenhalten der Repräsentanten aller demokratischen Parteien in den Stunden der äußersten Anspannung auch in weniger dramatischen Situationen bewähren würde. Ich bitte das nicht als ein Plädoyer für unpolitische Harmonieübungen mißzuverstehen, sondern als Frage an uns alle, ob wir im politischen Streit in der Vergangenheit nicht zumindest den Eindruck aufkommen ließen, daß das Gegeneinander der politischen Parteien zum Selbstzweck verkommen ist.
Das hat das gesellschaftliche Klima manchmal gereizter, aggressiver gemacht. Das hat zu Unterstellungen und Diffamierungen geführt. Dies war und ist nicht gut. Unterschätze niemand die Auswirkungen solch unverantwortlichen Tuns auf das Bewußtsein mancher Mitmenschen!
Politische Aggressivität fördert auch zwischenmenschliche Aggressivität. Politische Verteufelung weckt und verstärkt Neigungen zum Diffamieren, Verfolgen, Heimzahlen schlechthin. Dem einen oder anderen mag eine solche Schlußfolgerung überpointiert erscheinen. Einer Diskussion darüber sollten wir dennoch nicht aus dem Wege gehen.
Wir müssen uns schon die Mühe machen, tiefer zu graben als nur bis zum nächstbesten Vorurteil. Ich habe bereits in der Debatte am 6. Oktober darauf hingewiesen. Das Echo darauf war widersprüchlich und für mich gerade deshalb so aufschlußreich. Mir scheint, da sind neuralgische Punkte berührt worden, die nicht nach stillschweigender Kaschierung, sondern nach offener Diskussion verlangen.
Die Schuld bei anderen zu suchen, bei sich selbst aber nicht zu beginnen ist zwar menschlich verständlich, doch wenig hilfreich. Dies gilt für uns alle.
Meine Damen und Herren, gegenseitiges Verständnis und gegenseitiges Verstehen muß gerade in den schweren Prüfungen, die vor uns liegen, stärker in den Vordergrund unser aller Politik und für unsere Gesellschaft gerückt werden, wenn wir mehr als nur Krisenbewältigung betreiben wollen.
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Meine Damen und Herren, das Haus hat die Erklärung der Bundesregierung und die Erklärungen der drei Fraktionen gehört.
Entsprechend einer interfraktionellen Vereinbarung unterbreche ich die Sitzung bis 11.30 Uhr.
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Die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Verteidigungsausschusses ({0}) zu dem Jahresbericht 1976 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages
- Drucksachen 8/153, 8/968 - Berichterstatter:
Abgeordneter Ernesti Abgeordneter Horn
Wünschen die Berichterstatter das Wort?
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- Das Wort wird nicht gewünscht. Dann eröffne ich die allgemeine Aussprache. Zu Wort hat sich der Abgeordnete Ernesti gemeldet.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben heute den Jahresbericht des Wehrbeauftragten aus dem Jahre 1976 zu behandeln. Wir haben ihn im Verteidigungsausschuß durchdiskutiert und unseren Beschluß dem Hohen Hause vorgelegt. Ich darf mir zunächst vier Bemerkungen erlauben.
Erstens. Der Bericht beschäftigt sich mit Vorkommnissen, die im Grunde zwei Jahre zurückliegen. Insoweit ist er in allen Punkten nicht mehr aktuell und verleitet leicht zum Nachkarten.
Zweitens. Dies soll zwar nicht verhindern, daß wir uns auch heute wieder mit einer Anzahl geschilderter Probleme im nachhinein beschäftigen; der Schwerpunkt muß jedoch auf die Auseinandersetzung mit den Problemen gelegt werden, die die Bundeswehr im Augenblick beschäftigen und die in Zukunft noch auf sie zukommen werden.
Drittens. Der Wehrbeauftragte hat als ,,Frühwarnsystem" zu dienen und dazu seiner Aufgabe als Kontrollorgan des Deutschen Bundestages gerecht zu werden. Dies ist in der Vergangenheit nicht in allen Fällen erfolgt.
Viertens. Der Jahresbericht des Wehrbeauftragten verdient es, nicht nur allgemein, sondern insbesondere auch vom Bundesminister der Verteidigung mit der ihm zukommenden Ernsthaftigkeit behandelt zu werden. Der Kontrolltätigkeit wurde leider nicht immer die Aufmerksamkeit zuteil, die dem parlamentarischen Hilfsorgan auf Grund der verfassungsrechtlichen Legitimation gebührt hätte. - Inzwischen ist der Parlamentarische Staatssekretär anwesend. - Ebenfalls ist das Bundesministerium der Verteidigung nicht immer energisch genug um Abhilfe der aufgezeigten Mängel bemüht gewesen. Auch hier wird das Parlament gelegentlich mißachtet, wie auch dér Verteidigungsausschuß nicht in allen Dingen voll unterrichtet wird. Ich erinnere hier an die Stellungnahme zum Bericht des Wehrbeauftragten: Der Bericht wurde am 18. März 1977 vorgelegt; erst am 18. August 1977 wurde dem Verteidigungsausschuß die Stellungnahme des Bundesministers der Verteidigung zugeleitet.
Besondere Sorge aber bereitet die Tatsache - und" deshalb sei dieser Gedanke an den Beginn meiner Ausführungen gestellt -, daß Unabhängigkeit und Neutralität dieses Amtes in Gefahr sind, Schaden zu nehmen. Diesen ernsten Vorwurf will ich gleich aufnehmen und begründen.
Selbstverständlich zweifle ich nicht an der Ehrenhaftigkeit und den ernsten Bemühungen des Herrn Wehrbeauftragten. Wie sonst hätte meine Fraktion ihn bei seiner Wahl unterstützt und ihm das Vertrauen ausgesprochen? Dieses Vertrauen verdient er auch weiterhin. Ich sage das in der Hoffnung, daß er sich bemühen wird, Unabhängigkeit und Neutralität seines Amtes zu erhalten.
Das Grundgesetz gibt dem Wehrbeauftragten den Dauerauftrag, den Bundestag bei der Kontrolle der Armee hinsichtlich des Schutzes der Grundrechte und der Grundsätze der Inneren Führung zu unterstützen. Als Hilfsorgan des Bundestages ist der
Wehrbeauftragte an der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle mitbeteiligt. Infolge seiner Wahl durch den Bundestag aber gerät er zwangsläufig in ein politisches Kräftefeld, das seine notwendige Unabhängigkeit und Neutralität gefährden bzw. einschränken kann. Ich denke - und ich hoffe, ich bin mit Ihnen darin einig -, daß die Voraussetzung der Unabhängigkeit und Neutralität unumgängliche Forderung bleiben muß. Wir alle haben miteinander darüber zu wachen, daß sich bei diesem wichtigen Kontrollorgan des Deutschen Bundestages auf die Dauer nicht eine Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit einschleicht. Dies würde mit Recht dem Deutschen Bundestag angetastet werden.
In meiner Rede zu Ihrem ersten Jahresbericht brachte ich Verständnis dafür auf, Herr Wehrbeauftragter, daß Sie sich nach erst verhältnismäßig kurzer Amtszeit in Ihrer Kritik an der Exekutive, die Sie selbst kurz vorher noch zu vertreten hatten, eher zurückhielten. Gleichzeitig wies ich jedoch darauf hin, daß Sie sich in Zukunft vorliegenden Problemen mit größerem Nachdruck - und dies mit schonungsloser Offenheit - widmen mögen.
Ich erinnere in diesem Zusammenhang an § 2 Abs. 2 des Wehrbeauftragtengesetzes. Hiernach ist der Wehrbeauftragte gehalten, selbständig tätig zu werden, wenn Umstände bekannt werden, die auf eine Verletzung der Grundrechte der Soldaten oder der Grundsätze der Inneren Führung schließen lassen. Hierbei ist unerheblich, auf welchem Wege und auf welche Weise Verstöße oder Mißstände zur Kenntnis gelangen.
Dieser Aufforderung und diesem Auftrag ist der Wehrbeauftragte in manchen Fällen nach unserer Auffassung leider nicht nachgekommen. Im Gegenteil, er hat sich erfolgreich bemüht, jedem Konflikt mit dem Verteidigungsminister und der Regierungskoalition auszuweichen. Er blieb der treue Diener seines Herrn.
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Warum nimmt er sich nicht der vom Bundesminister der Verteidigung betriebenen einseitigen Politisierung der Bundeswehr an? Wir hätten es begrüßt, wenn er der parteipolitischen Neutralität seines Amtes gemäß zu diesen Fragen ausführlich Stellung bezogen hätte. Die eingerissenen Mißstände auf diesem Gebiet müssen bereinigt werden.
Es hätte ihm z. B. der Hinweis auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts sehr gut gestanden. In diesem Urteil wurde nämlich der Befehl des Verteidigungsministers, ein Musikkorps der Bundeswehr bei einer SPD-Veranstaltung abzustellen, für rechtswidrig erklärt. Kein Wort davon. Dies hätte sicher auch die Genossen im Bundesministerium der Verteidigung gestört.
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In diesem Urteil wird eine wichtige Grenze gezogen, bis zu der ein Minister bei seinen Befehlen Vorschriften links liegenlassen darf. Hier wird man stark an das unrühmliche Wort des damaligen Verteidigungsministers erinnert. ' Dieser forderte bekanntermaßen, daß die Bundeswehr nunmehr sozialdemokratischen Befehlen zu gehorchen habe und dadurch allein schon in ihrer Schlagkraft gestärkt werde.
Warum geht der Wehrbeauftragte so gut wie nicht auf die vorzeitige Entlassung der Generale Krupinski und Franke ein? Für die Beurteilung der Inneren Führung der Bundeswehr wäre doch in diesem Zusammenhang seine Stellungnahme wichtig gewesen. Denn in der Öffentlichkeit wurde nachhaltig die Frage diskutiert, ob hier nur die Spitze des Eisberges sichtbar geworden sei. Der Wehrbeauftragte hat diesen ganzen Fragenkomplex im Zusammenhang mit der Tradition behandelt und gesagt, er wolle sich ihr später zuwenden. Ich werde dieses Thema nachher nochmals aufgreifen.
Warum wehrt sich der Wehrbeauftragte eigentlich nicht gegen den kürzlich von einem hohen General der Bundeswehr erhobenen ernsten Vorwurf? Dieser besteht darin: Sein Amt gehe bei der pflichtgemäßen Prüfung von Vorkommnissen, die die Innere
Führung betreffen, in anmaßendem Ton vor. Sinngemäß wurde von diesem General mit dem Rücktritt gedroht, wenn man seiner Forderung, er trage in seinem Bereich allein die Verantwortung für das innere Gefüge und lehne es daher ab, die vom Amt des Wehrbeauftragten gestellten Forderungen zu erfüllen, nicht nachkommen würde. Sollte hier Rücksicht auf die bis dahin gezeigte „Linientreue" dieses Generals geübt werden? Ich halte das nicht für neutral. Darf er seine Unabhängigkeit bereits dann opfern, wenn ihm in erpresserischer Weise Konsequenzen angekündigt werden?
Wenn über die Unabhängigkeit und Neutralität des Wehrbeauftragten gesprochen wird, ist die Frage zu stellen, warum er eigentlich an SPD-Fraktionssitzungen teilnimmt. Hiermit macht er es uns sehr schwer, noch an seine Objektivität zu glauben.
Zu Beginn meiner Ausführungen beklagte ich, daß der Verteidigungsminister den Bericht des Wehrbeauftragten nicht immer in allen Fällen mit der nötigen Ernsthaftigkeit aufgreift. Liegt hier nicht ab und zu auch eine Mißachtung des Parlaments vor? Selbst der sich seinem früheren Minister gegenüber sonst durch Wohlverhalten auszeichnende Wehrbeauftragte führt diesen Mangel ausdrücklich in seinem Bericht auf.
In den letzten Jahresberichten rügte er z. B., daß eine Teilstreitkraft - ich will nicht sagen, welche - die Bestimmungen für private Veröffentlichungen und Vorträge per Erlaß über das Soldatengesetz hinausgehend verschärft habe. Der Bundesminister der Verteidigung sagte 1975 bereits eine Überarbeitung zu; sie solle das Ziel einer einheitlichen Regelung für alle Teilstreitkräfte haben. Am 2. Juni 1976 kündigte er noch die uneingeschränkte Wiederherstellung der erlassenen Regelung an. Dennoch unterblieb die Außerkraftsetzung des weitergehenden Befehls dieser Teilstreitkraft. Daher mußte die vom Wehrbeauftragten bereits einmal ausgesprochene Rüge im letzten Jahresbericht wiederholt werden.
Zwar hat das Verteidigungsministerium in seiner Stellungnahme vom 12. August 1977 festgestellt,
daß die vom Wehrbeauftragten als notwendig angesehene Vereinheitlichung inzwischen hergestellt worden sei; darüber hinaus aber werde zur Zeit eine für die gesamte Bundeswehr gültige Weisung erarbeitet. Ich glaube, dies ist dringend erforderlich. Sonst wird es weiterhin zu einer Absurdität und Ausartung der Militärbürokratie kommen.
Diese völlig unökonomische und zeitraubende Verfahrensweise und Beschäftigung von viel zu vielen - dazu noch hochbezahlten - Offizieren bis zu Kommandierenden Generalen führt zwangsläufig zu Unerträglichkeiten. Sie vergrämt intelligente und eigenständig denkende Autoren, die solche Spiele nicht mitmachen. Das führt dazu, daß das vorhandene Potential an Intelligenz der Offiziere, die mitzuarbeiten wünschen, in seinen besten Kräften nicht genutzt, sondern zurückgedrängt und teilweise völlig abgeblockt wird.
Insbesondere aber ist hierbei auch darauf hinzuweisen, daß Art. 5 des Grundgesetzes immer mehr außer Sicht gerät. Das Berufen auf Sicherheit ist höchst fragwürdig. Denn Sicherheitsbedenken wurden immer angemeldet, selbst dann, wenn alles vorher bereits in Weiß- oder Jahrbüchern nachzulesen war. Ich stimme daher mit meinem Kollegen Horn völlig überein, der im Ausschuß erklärte, daß es sehr problematisch sei, derart restriktiv vorzugehen und den Soldaten einer permanenten Zensurbehörde gegenüberzustellen. Zwischen soldatischer Tätigkeit und wissenschaftlicher Arbeit besteht keine Unverträglichkeit. Auch der Soldat muß zum schöpferischen Denken angeregt werden dürfen.
In einem weiteren Fall hatte der Wehrbeauftragte im Jahresbericht 1975 den G 1-Hinweis vom 26. November 1975 angesprochen. Darin stellte er infolge der dort getroffenen Regelung für die Behandlung von Soldaten, die den Kriegsdienst mit der Waffe verweigern, und wegen einiger darin enthaltener Ermessensbegriffe Auslegungsschwierigkeiten bei der Truppe fest. Das Bundesministerium der Verteidigung wurde über den Verteidigungsausschuß und den Wehrbeauftragten aufgefordert, die Auswirkungen des Erlasses zu beobachten und die Truppe durch Klarstellung der Begriffe gegebenenfalls von Zweifelssituationen zu befreien. Die erwünschten Anwendungshilfen oder Auslegungsregeln wurden nicht erlassen. Dies beklagt der Wehrbeauftragte in seinem letzten Bericht. Mit Recht wird hier festgestellt, daß der Bundesminister der Verteidigung den Jahresbericht des Wehrbeauftragten nicht immer mit der ihm zukommenden Ernsthaftigkeit aufgreift und um Abhilfe bemüht bleibt.
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Der Darstellung der Grundrechte der Soldaten sowie der Grundsätze der Inneren Führung wird im vorliegenden Bericht ausreichend Raum eingeräumt. Wenn auch die Eingaben gegenüber 1975 von 6 439 auf 7 319 im Jahre 1976 und damit um 880 angestiegen sind, spiegelt sich hier eine Gefährdung der Grundsätze der Inneren Führung nicht wider. Es besteht kein Zweifel daran, daß die Grundsätze von der Truppe eingehalten wurden. Man muß hier sogar ausdrücklich davor warnen, das eine oder andere Vorkommnis durch Hochspielen - was gelegentlich zu gerne unternommen wird - zur symptomatischen Bedeutung für die Bundeswehr auszulegen. Der Bericht des Wehrbeauftragten läßt erkennen, daß das innere Gefüge der Bundeswehr im wesentlichen in Ordnung ist.
Sie ist - dies ist von dieser Stelle aus von allen hier vertretenen Parteien immer wieder festgestellt worden - voll in die Gesellschaft integriert. Sie ist also nicht besser, aber auch nicht schlechter als unsere Gesellschaft. Vorkommnisse, die durch die Institution des Wehrbeauftragten und durch seine Kontrollbefugnis an die Öffentlichkeit geraten, sind nicht mehr als negative Vorkommnisse in der Gesellschaft schlechthin. Man sollte diese Einzelfälle nicht überbewerten und sie nicht - gelegentlich kritiklos - der Bundeswehr insgesamt in die Schuhe schieben.
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Meine Damen und Herren, die überwältigende Mehrheit der Soldaten der Bundeswehr erfüllen treu und beispielhaft ihre Pflicht. Von dieser Pflichterfüllung darf auch bei dieser Gelegenheit gesprochen werden, wenngleich sich der Jahresbericht logischerweise ausschließlich mit der negativen Seite der 'Bundeswehr beschäftigen muß. Die Soldaten der Bundeswehr geben in der Stille ihres täglichen harten Dienstes Zeugnis von treuer Pflichterfüllung und staatspolitischer Zuverlässigkeit, insbesondere in einer Zeit, in der mehr von Rechten als von Pflichten gesprochen wird.
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An dieser Stelle spreche ich der Bundeswehr im Namen meiner Fraktion unsere Anerkennung und unseren Dank aus.
Der Bericht stellt fest, daß bezüglich der politischen Bildung zwischen theoretischem Anspruch und praktischer Durchführung noch ein beträchtlicher Abstand besteht. Sie soll dem Soldaten Normen und Realitäten der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland verdeutlichen und Sinn und Notwendigkeit seines Dienstes verständlich machen. Aber eine Fülle von Gegebenheiten und Widrigkeiten erschweren dies.
Zur Erläuterung meiner Feststellung über die Verhaltensweise der Menschen in der Bundeswehr, die Bürger unseres Staates sind, möchte ich hervorheben, daß das, was nachweislich für die gesamte Öffentlichkeit zutrifft, auch in der Bundeswehr der Fall sein muß: das Interesse an politischen Veranstaltungen ist gering. Die These, kämpfen zu können, um nicht kämpfen zu müssen, reicht einfach nicht aus, um das notwendige Verständnis für eine Verteidigungsbereitschaft zu wecken. Die Versäumnisse anderer Teilbereiche der Gesellschaft in der politischen Bildung können nicht durch politische Bildung innerhalb der Bundeswehr in kürzester Zeit nachgeholt werden.
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Sie ist einfach überfordert, wenn man von ihr einen „nationalen Nachhilfeunterricht" erwartet. Denn sie hat weder den Auftrag hierzu, 'noch verfügt sie über Mittel und Möglichkeiten.
Auch gewisse Vorkommnisse der letzten Zeit könnten ein Indiz dafür sein, daß der politische Unterricht in unseren Streitkräften noch zu intensivieren ist. Die Einheitsführer dürfen sich gerade bei der Erteilung des politischen Unterrichts nicht auf Darstellung formaldemokratischer Vorgänge beschränken. Sie müssen durch ihre Meinung und Haltung diesen demokratischen Rechtsstaat und seine Funktionsfähigkeit glaubhaft machen. Daher ist für links- und rechtsextremistische Vorgesetzte in der Bundeswehr kein Platz.
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Wir haben gestern im Verteidigungsausschuß den Bericht des stellvertretenden Generalinspekteurs zu den Vorgängen in München entgegengenommen. Wir haben eine sachliche und, wie ich meine, von hoher Verantwortung getragene Diskussion begonnen und werden sie fortsetzen. Die Tagesbefehle des Generalinspekteurs zu den Vorgängen haben wir begrüßt. Dies war ein Vorgang, der nicht verallgemeinert werden darf. Für mich steht fest, daß politische Bildung allein das Problem nicht lösen wird. Wenn wir der Erziehung in der Bundeswehr und in der Gesellschaft nicht einen anderen Stellenwert zubilligen, wird sich die Bewußtseinsbildung schwertun.
Sosehr sich Führungsstil und Führungsverhalten in den Streitkräften durch Versachlichung und Funktionsbezogenheit auszeichnen und eine Amtsautorität zunehmend der Sachautorität Platz macht, weist der Wehrbeauftragte in seinem Bericht nach, daß Vorgesetzte ihre Position manchmal fehlinterpretieren und Untergebene dies nicht immer zu erkennen vermögen. Wenn militärische Führer auf allen Ebenen ihre Aufgabe optimal erfüllen sollen, muß in ganz besonderem Maße die Kunst der Menschenführung beherrscht werden. Neben einer vorhandenen Begabung kommt es auf die Vermittlung pädagogischen Wissens an. Beide Faktoren treffen besonders auch auf die Unteroffiziere zu, von denen der Wehrbeauftragte sagt: „Gut ausgebildete Unteroffiziere garantieren zu einem maßgebenden Teil den Ausbildungsstand der Soldaten und damit der Effektivität der Streitkräfte."
Der Verteidigungsausschuß und auch dieses Haus sollten sich seiner Anregung anschließen, daß die inhaltliche Gestaltung der Ausbildung stärker auf die Bewältigung dieser Führungsaufgaben gelegt wird. Es müssen Bemühungen unternommen werden, die Vermittlung pädagogischer, psychologischer und methodischer Lehrinhalte zu verbessern. Dem sollten verstärkt auch die Prüfungsanforderungen entsprechen, damit dem jungen Unteroffizier frühzeitig der Stellenwert dieses Teils seiner künftigen Aufgabe als Vorgesetzter deutlich bewußt wird.
Diesem Problem kommt bei einem Fehl von rund 35 000 Zeitsoldaten im mittleren Führungsbereich besondere Bedeutung zu. In diesem Jahr stellte der Kommandierende General des I. Korps, in dem mehr als 100 000 Soldaten des Heeres dienen, z. B. fest, daß derzeit über 5 000 Stellen für Zeitsoldaten, vornehmlich von Spezialisten und Unteroffizieren, nur mit Wehrpflichtigen besetzt sind. Dieser Zustand
ist eine der Ursachen einer völlig verfehlten Personalpolitik der Bundesregierung. Selbst der Bundesminister der Verteidigung hat im Dezember 1976 in. einem Schreiben an den Bundeskanzler auf diesen bedrohlichen Sachverhalt hingewiesen und um rasche Abhilfe ersucht. Er schrieb u. a.:
Nachdem nunmehr feststeht, daß die befürchtete negative Entwicklung in vollem Ausmaß eingetreten ist, sind die von mir vorgeschlagenen Maßnahmen für die Bundeswehr eine Existenzfrage, weil die Streitkräfte ohne einen ausreichenden Unteroffiziersbestand nicht ausgebildet und geführt werden können und insbesondere das hochtechnisierte Gerät nicht sachgerecht eingesetzt werden kann. Die mir für die Bundeswehr übertragene politische Verantwortung zwingt mich dazu, erneut auf die baldige Verwirklichung der vorgeschlagenen Maßnahmen zu drängen.
Soweit das Zitat aus dem Brief des Verteidigungsministers an den Bundeskanzler.
Inzwischen haben sich die Besorgnisse des Ministers voll erfüllt. Daher hatte die CDU/CSU-Fraktion am 21. Juni 1977 ein Besoldungsänderungsgesetz eingebracht. Dieses sieht vor, daß bei Soldaten, die sich für zwei Jahre verpflichten, die Besoldung mit der Ernennung zum Soldaten auf Zeit verbunden ist. Dieser Gesetzentwurf ist am 15. September 1977 von der Koalitionsmehrheit von der Tagesordnung abgesetzt worden. Heute haben wir das endlich auf der Tagesordnung und werden es anschließend sicher noch beraten. Unserer Meinung nach können wir der deutlich vorgetragenen Kritik des Wehrbeauftragten voll zustimmen, der den rapiden Rückgang an kurz dienenden Soldaten auf Zeit bemerkt. Er stellt besorgniserregend fest, daß durch diese Maßnahmen auch das Reservoir verringert wird, aus dem die Soldaten auf Zeit mit einer längeren Verpflichtungszeit gewonnen werden können.
Allerdings wird das ganze Ausmaß der Personalmisere vom Wehrbeauftragten nur unzureichend geschildert. Er stellt zwar fest, daß Ende 1975 noch keine gesicherten Erkenntnisse vorgelegen hätten, wie sich das Haushaltsstrukturgesetz auswirken würde, bestätigt aber gleichzeitig, daß nunmehr die Personalführung erhebliche Personalprobleme zu bewältigen habe.
Inzwischen ist auch der breiten Öffentlichkeit deutlich geworden, daß es offenbar nie ein langfristiges und geordnetes Personalkonzept gegeben hat. Hier wurde im allgemeinen immer nur ein Loch kurzfristig mit dem anderen gestopft. Es wurde eine Politik unter dem Gesichtspunkt „Nach uns die Sintflut" betrieben. Auch heute liegt immer noch kein Konzept auf dem Tisch. Das Bundesministerium der Verteidigung stellt zu den Ausführungen des Wehrbeauftragten lediglich lakonisch fest:
Die in dem Bericht des Wehrbeauftragten gemachten Aussagen über die Personalsituation der Streitkräfte decken sich mit den dem Bundesministerium der Verteidigung vorliegenden Erkenntnissen.
Wozu aber hat die Konzeptionslosigkeit dieser Personalführung geführt? Über die desolate Lage der Zeitsoldaten und ihre Ursachen sprach ich bereits. Die Lage der Offiziere ist mit dem Stichwort „Beförderungsstau und Verwendungsstau" zu kennzeichnen. Hier wurde in der Vergangenheit mit Augenblicksmaßnahmen reichlich Flickschusterei betrieben. „Ermächtigungsstellen" und „Weißbuchstellen" beseitigten zwar im Augenblick, aber doch nur vorübergehend den derzeit bestehenden Beförderungsstau. Mit diesem Augenblickserfolg wurde das Problem aber nur vor den Verantwortlichen hergeschoben. Die ungünstige Altersstruktur bleibt unverändert bestehen. Obwohl damals schon absehbar war, daß mit den zu erwartenden rückläufigen Zurruhesetzungen erneut Verzögerungen bei der Beförderung von Angehörigen überbesetzter Geburtsjahrgänge entstehen würden, verkaufte man im Rahmen des Haushaltsstrukturgesetzes die Maßnahme der Heraufsetzung der besonderen Altersgrenze als einen besonderen Erfolg. In 'der Truppe heißt das „das sozialliberale Pflichtjahr".
({7})
Ich meine, es ist an der Zeit, endlich den Betroffenen, der Öffentlichkeit und vor allem auch dem Verteidigungsausschuß des Deutschen Bundestages einmal zu sagen, wie diese verfahrene, auf Grund der Planlosigkeit entstandene Lage wirklich gemeistert werden soll. Jedenfalls geht es nicht mehr etwa so wie im Weißbuch 1970, als man erklärte: „Das Beförderungsalter zum Major, das normalerweise bei 32 Jahren liegen sollte, liegt in der Bundeswehr bei 37 Jahren; es muß heruntergesetzt werden." Schöne Worte, aber die Taten fehlen. Mit solchen schneidigen Formulierungen ist die Zukunft nicht zu meistern. Hier muß bald ein klares Konzept vorgelegt werden.
Ähnlich, wenn auch nicht ganz so katastrophal, ist die Lage bei den Unteroffizieren, da die Altersschichtung hier etwas ausgewogener ist. Das vorher angesprochene Personalproblem bezieht sich bei den Unteroffizieren vorwiegend auf die Entwicklung bei der Beförderung zum Hauptfeldwebel. Der Wehrbeauftragte greift wie im vorletzten Bericht wieder einmal das vielbesprochene Thema der Einweisung von 'Hauptfeldwebeln in Planstellen der Besoldungsgruppe A 9 auf. Meine Fraktion bemüht sich bekanntlich seit vielen Jahren um dieses Problem mit dem Ziel einer Anhebung der A-9-Planstellen um 30 %. Nun ist es endlich gelungen, im Haushalt 1977 eine Anhebung von 10 auf 15 % sicherzustellen. Wir gehen aber davon aus, daß zu einer befriedigenden Lösung die Anhebung von 30 % erforderlich ist.
({8})
Daher nehmen wir diesen Punkt zum Anlaß, die Bundesregierung erneut aufzufordern, 'dieser Regelung baldmöglichst näherzutreten. Das würde dann auch die Grundlage für die von uns allen wiederholt vorgebrachte Forderung bezüglich der Schaffung eines Spitzendienstgrades für Unteroffiziere bieten. Wie das Bundesministerium der Verteidigung in seiner Stellungnahme darlegt, würde diese strukturelle
Verbesserung die Schaffung des von uns geforderten Spitzendienstgrades ermöglichen. Den rechtlichen Gegebenheiten sowie dem berechtigten Interesse der Gesamtheit aller Unteroffiziere und den militärischen Erfordernissen würde man damit gerecht werden.
Es wird höchste Zeit, daß endlich durch ein Bündel aufeinander abgestimmter und langfristig auch realisierbarer Maßnahmen im Rahmen einer umfassenden Konzeption die benötigte Hilfe eingeleitet wird. Wir sind uns in dieser Richtung einig mit dem Bundeswehrverband, der diese Forderung seit langem stellte. Die komplexen Probleme sind mit Behelfsmaßnahmen wie in der Vergangenheit nicht mehr zu lösen.
Die vom Wehrbeauftragten im Kapitel „Personalanyelegenheiten" aufgenommene Frage der Versetzungshäufigkeit muß mit der von ihm dargestellten Sorge aufgenommen werden. Hierzu muß vorausgeschickt werden, daß die Notwendigkeit personeller Veränderungen anerkannt wird. Dennoch muß Zweifel bei der Feststellung von 35 535 Versetzungsverfügungen für Offiziere und Unteroffiziere erlaubt sein.
Es erhebt sich die Frage, ob es der Personalführung gelungen ist, immer einen vertretbaren Ausgleich zwischen den persönlichen Erwartungen des einzelnen Soldaten und dem Gesamtinteresse der Streitkräfte zu schaffen. Ich weiß zwar, daß vor Durchführung einer Versetzungsverfügung von den hierfür Verantwortlichen Fragen persönlichen Interesses der Soldaten sehr ernst durchdacht und nach Möglichkeit berücksichtigt werden. Dennoch scheint es mir, daß man sich in diesen Fällen noch mehr den persönlichen Dingen der Betroffenen zuwenden sollte. Diese Aufforderung sollte nicht allein an die betroffenen personalführenden Stellen gehen, sondern vor allem auch an die „Organisatoren". Ich fürchte, daß man sich an diesen Stellen bei der Vorbereitung organisatorischer Maßnahmen nicht immer mit den folgenschweren Konsequenzen auseinandersetzt, die auf dem Rücken der Betroffenen 'ausgetragen werden. Es geht hier nicht um einen Soldaten; dies betrifft ganze Familien, hierbei insbesondere den schulischen Werdegang der Kinder. Sehr häufig beeinträchtigt es auch die berufstätigen Frauen.
`Von keinem Berufsstand in der Bundesrepublik wird eine solche Mobilität verlangt wie von dem Soldaten.
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Dabei wird ihm - dies bezieht sich insbesondere auf die in Truppenverwendung stehenden Soldaten - schon von der Arbeitsleistung her häufig fast Unzumutbares aufgebürdet. Es sind viele Fälle bekannt, bei denen man leider davon ausgehen muß, daß 'sogar dem Fortbestand der Ehe hierdurch ernsthafter Schaden zugefügt wurde. Dem Wehrbeauftragten ist daher voll in seiner Kritik zuzustimmen, daß die Größe der Zahl der Versetzungen im Vergleich zum Personalumfang ,der 'Streitkräfte zu denken Anlaß gibt. Zu dieser Frage kann hoffentlich im
nächsten Jahresbericht, Herr Wehrbeauftragter, Günstigeres gesagt werden.
Die als Wohnungsfürsorge bezeichnete, praktisch aber als reine Wohnungszuteilung praktizierte Übung ist im Berichtsjahr zu einem Stein des Anstoßes geworden. Im Jahre 1976 waren bereits etwa 10 % aller Bundesbedienstetenwohnungen freigegeben. Wegen nicht mehr zeitgemäßer Ausstattung und ungünstigen Zuschnitts sowie der im Verhältnis dazu überhöhten Mieten für die Soldaten erwies sich eine große Anzahl dieser Wohnungen als unvermietbar. Dies führte dazu, daß sich in vermehrtem Maße in den .Bundeswehrstandorten die Soldaten, die neu hinzukamen, auf dem freien Wohnungsmarkt mit Wohnungen versorgten.
Nach wie vor gibt es bei der Wohnungsfürsorge in der Bundeswehr ihrem System und ihrem Verfahren nach eine große Anzahl von Problemen. Dies bezieht sich vor allem auf Soldaten in den Einsatzverbänden mit größerer Umzugshäufigkeit. Zur Milderung dieser erschwerenden Tatbestände und im Sinne einer echten Fürsorge verweise ich bei dieser Gelegenheit noch einmal auf die in der vergangenen Legislaturperiode von meiner Fraktion an die Bundesregierung gerichtete Kleine Anfrage. Hierin wurde zur Verbesserung dieser Lage im Interesse der Betroffenen vorgeschlagen, dieses besondere Problem einmal grundsätzlich und umfassend untersuchen zu lassen. Es wurde angeregt, eine Kommission einzusetzen, der auch Vertreter der Dienstgradgruppen ausgewählter Standorte und des Bundeswehrverbandes angehören sollten. In der Antwort lehnte die Bundesregierung seinerzeit die Einsetzung einer solchen Kommission ab.
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Auf diesem Wege aber könnte geprüft werden, ob die Soldaten nicht eine angemessene Wohnungsfürsorge, bei der Umfang, Zweck und Zielrichtung verbindlich festzulegen wären, erhalten könnten. Die in diesem Zusammenhang der Bundesregierung auch vom Bundeswehrverband vorgetragene Anregung, dem Bundesminister der Vereidigung die Zuständigkeit für die Wohnungsfürsorge zu übertragen, sollte nochmals 'aufgegriffen werden. Wir haben uns oft hierüber unterhalten. Auch die Globalanmietung von Bundesdarlehnswohnungen sollte noch einmal
überprüft werden.
Im Rahmen der Fürsorgeangelegenheiten befaßt sich der Wehrbeauftragte auch mit den Wehrpflichtigen. Diesem Personenkreis kommt unsere besondere Aufmerksamkeit zu. Die Wehrpflichtigen fühlen sich in vieler Hinsicht von dem gleichen Staat, der sie in die Pflicht nimmt - ich muß sagen, mit Recht -, vergessen und vernachlässigt. Die bisher trotz unserer Empfehlung und Warnung unterbliebenen Maßnahmen zur Herstellung einer gewissen Wehrgerechtigkeit haben zu Enttäuschung, Ärger, teilweise auch zu Resignation geführt. Es wurden nicht nur keine Maßnahmen eingeleitet; im Gegenteil, in jüngster Zeit wurde durch das Gesetz zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes und des Zivildienstgesetzes praktisch die Wehrpflicht abgeschafft.
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Um so mehr besteht bei den Wehrpflichtigen der Eindruck: sie dienen, und ihre nichteinberufenen Jahrgangskameraden verdienen.
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Der Bundesregierung würde es sehr gut anstehen, alle Maßnahmen zu treffen, um wenigstens im Rahmen der Fürsorgemaßnahmen gewisse Erleichterungen zu schaffen und vor allen Dingen auch materielle Verbesserungen zukommen zu lassen. Wir haben gestern im Verteidigungsausschuß darüber beraten und erfahren, daß sich das Kabinett am 2. November mit der Frage der Wehrsolderhöhung um 1 DM ab Januar beschäftigen wird. Wir haben die Hoffnung, daß es endlich gelingt, jedenfalls einen gewissen materiellen Ausgleich zu schaffen. In dem Zusammenhang muß man auch noch die Familienheimfahrten erwähnen. Auch dauber haben wir gestern im Verteidigungsausschuß gesprochen und die Regierung aufgefordert nun auch ein Konzept vorzulegen, wie man diese unzureichend geregelten Fragen der Familienheimfahrten regeln kann. Unser Ziel bleibt es jedenfalls, die Soldaten nicht auf die Straße zu bringen, sondern von ihren Standorten mit der Bundesbahn in ihre Heimatorte fahren zu lassen, um einer Gefährdung im Straßenverkehr vorzubeugen.
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Auch hierzu darf ich sagen, daß der Staat, wenn er von den Soldaten, d. h. also hier in besonderem Maße von den Wehrpflichtigen, Dienstwilligkeit und Einsatzbereitschaft erwartet, auch seine Bereitschaft erkennen lassen muß, im Rahmen seiner Fürsorgepflicht entsprechende Gegenleistungen zu erbringen.
Gleich zu Beginn seines Berichts äußert sich der Wehrbeauftragte zur Frage der Tradition in der Feststellung, daß sich Parlament und Öfentlichkeit im Berichtsjahr vor die Frage gestellt sahen, wie es um die Tradition in den Streitkräften unseres freiheitlichen demokratischen Rechtsstaates stünde und welche Faktoren die Traditionspflege beeinflussen würden. Am Ende des Berichtsjahres wäre der zugrundeliegende Sachverhalt noch nicht hinreichend deutlich geworden, so daß er sich vorbehalten habe, die Frage der Tradition zu einem späteren Zeitpunkt unter übergreifenden Aspekten zu behandeln.
Das Bundesministerium der Verteidigung äußert sich in seiner Stellungnahme hierzu mit dem Hinweis, daß im Verteidigungsministerium zur Zeit im Rahmen einer Situationsanalyse „Lagefeststellung Innere Führung" auch die Traditionspflege in der Bundeswehr überprüft werde. Das Ergebnis soll voraussichtlich Ende des Jahres vorliegen. Hier ist abzuwarten, inwieweit der ausführlich gehaltene Traditionserlaß vom 1. Juli 1965 einschneidende Änderung erfahren wird.
Wie man sich auch immer entscheiden wird, es wird kein Weg daran vorbeiführen, daß auch eine 20jährige Geschichte der Bundeswehr, die sicherlich ein gewisses Stück an Tradition beinhaltet, allein nicht genügen wird. Wenn der Horizont der Soldaten nicht verpflichtende Bilder von tapferen VorbilErnesti
dern erhält, die zu ihrer Zeit in Not und Leid ein hohes Beispiel gewissenhafter Pflichterfüllung um des sachlichen Auftrags willen gaben, dann wird man sich in der Stunde der Bewährung vergeblich bemühen. Wer kann von einer Armee Treue und Standfestigkeit erwarten, der keine Vergangenheit haben will, sondern fast nur im Augenblick leben will? Was sind da schon 20 Jahre im Raum einer im Geschichtsleben gewachsenen langen Tradition? Liebe zur Vergangenheit hat doch nichts mit reaktionärer Politik zu tun.
({14})
Es kommt doch nicht von ungefähr, daß gerade die Armeen unserer Verbündeten in der geistigen Auseinandersetzung, in der wir allesamt stehen, ihren Überlieferungen großen Wert beimessen. Ist es nicht so, daß sich eine Truppe um so ungezwungener und nicht zuletzt auch schöpferischer dem Fortschritt zuwenden kann, je entschiedener und geistiger sie sich auf verpflichtende Werte der Tradition beruft? Die Bundeswehr braucht nach unserer Meinung unbestreitbar eine Tradition in recht verstandenem Sinne wie jede andere Armee der Welt. Kein Volk, keine Armee kann ohne Geschichte leben.
({15}) Es sei hier an den Reformer Scharnhorst erinnert:
Tradition und Fortschritt sind keine Gegensätze. Sie werden nur von Dogmatikern künstlich dazu gemacht. Beide gehören im Grunde zusammen und ergänzen sich. Der Fortschritt bedarf, um sich nicht zu verlieren, der Tradition als Anknüpfungspunkt, als Grundlage, von wo er innerhalb einer Lebenseinheit wirken und weiterbauen kann. Echte Tradition aber bedarf des fortschrittlichen Geistes, um in ihren Formen lebendig, wandlungs- und anpassungsfähig sein zu können.
Ich bin davon überzeugt, daß auf die hohen Inhalte wie die Treue zum Vaterland als einen wesentlichen Bestandteil der politischen Moral und der Stehkraft eines Volkes auch in der sogenannten modernen Zeit nicht verzichtet werden kann.
Der Wehrbeauftragte wird sich in seinem nächsten Jahresbericht sicherlich mit diesem Thema auf der Grundlage des hoffentlich noch in diesem Jahr vorliegenden Untersuchungsergebnisses des Bundesministeriums der Verteidigung beschäftigen können. Ich wünsche ihm, daß kein weiteres Vorkommnis, das sinnvoller Traditionspflege zuwiderläuft, ihm hierzu Anlaß geben muß.
Zusammenfassend darf ich zum Schluß sagen: Dem Wehrbeauftragten und seinen Mitarbeitern ist Dank zu sagen für die geleistete, vielfach sicherlich sehr schwierige Arbeit. Gleichzeitig ist die Erwartung auszusprechen, daß er sich um Neutralität und Objektivität bemühen und auch der Bedeutung seines Amtes als „Frühwarnsystem" in Zukunft in stärkerem Maße gerecht wird. Wir hoffen auch, daß er die vorgetragenen Anregungen aufgreifen wird. In diesem Sinne wünsche ich ihm eine erfolgreiche Arbeit und sage für meine Fraktion: Wenn er den Wunsch hat, heute hier zu sprechen, sind wir sehr damit einverstanden.
({16})
Das Wort hat der Abgeordnete Horn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte unmittelbar an das anknüpfen, was der Kollege Ernesti zum Schluß gesagt hat: Auch die Fraktion der SPD wünscht und beantragt, daß der Wehrbeauftragte hier Stellung nimmt.
Der Bericht des Wehrbeauftragten Berkhan weist den erfahrenen Parlamentarier aus. Er ist straff gestaltet und mit einer Anzahl konkreter Anregungen versehen, die dem Parlament als Gesetzgeber und Kontrollinstanz Anleitung zu praktischer Arbeit geben. Der Jahresbericht des Wehrbeauftragten und die Stellungnahme des Bundesverteidigungsministeriums wurden im Verteidigungsausschuß eingehend behandelt. Es erübrigt sich deshalb, im Rahmen einer Plenarsitzung noch einmal auf die Details einzugehen. Um so wichtiger erscheint es mir allerdings, in diesem Zusammenhang einige Grundlinien herauszuarbeiten und sichtbar zu machen.
Einzelne Erscheinungen in der Bundeswehr haben in der Öffentlichkeit ein erhebliches Aufsehen erregt, etwa die Affäre um Rudel oder die Vorgänge an der Bundeswehrhochschule in München. Diese Vorgänge sind keineswegs symptomatisch, sondern eher_ atypisch. Dennoch müssen sie mit Sorgfalt untersucht und die Verantwortlichkeiten klar herausgestellt werden. Nazistisches Gedankengut und rassistische Hetze einzelner weniger sind in unseren Garnisonen untragbar.
({0})
Das sind wir der deutschen Bevölkerung, das sind wir aber auch den Soldaten der Bundeswehr schuldig.
Es besteht kein Anlaß zur Dramatisierung der Vorgänge, aber auch kein Anlaß zu ihrer Verniedlichung. General von Reichert hat dem Verteidigungsausschuß gestern einen vollständigen und präzisen Bericht über die Geschehnisse und die daraus abzuleitenden Konsequenzen erstattet. Für die Fraktion der SPD möchte ich ausdrücklich feststellen, daß wir die Reaktion der politischen und militärischen Führung billigen. Sie ist angemessen und richtig. Eines füge ich dem noch hinzu als ein Abgeordneter, der den Fragen der Inneren Führung immer besonderen Wert und hohe Bedeutung zugemessen hat, weil „der Geist der Bundeswehr mindestens genauso wichtig ist wie ihre Ausrüstung und Organisation", um Fritz Erler zu zitieren. Die Entscheidung der politischen und militärischen Führung wurde unabhängig von Begleittexten gewisser in-und ausländischer Presseerzeugnisse getroffen. Wir lassen es nicht zu, daß bestimmte Leute daraus ein politisches Geschäft machen - ich habe mich stets gegen Formen deutscher Großmannssucht gewendet -, wir lassen uns aber auch nicht den Stempel vom Schreckgespenst des häßlichen Deutschen auf3772
drücken. Wir bereinigen diese Angelegenheit nach den von uns selbst gesetzten Wertmaßstäben. In diesem Sinne danke ich noch einmal der politischen und militärischen Führung und besonders Herrn General von Reichert für die Vorlage des Berichtes und auch für die getroffenen Entscheidungen.
({1})
In diesem Zusammenhang möchte ich auch dem Kommentator einer angesehenen deutschen Tageszeitung widersprechen, der unter dem Titel „Die falschen Ratschläge" darauf hinweist, daß diese scheußlichen Zwischenfälle nicht auf einen Mangel an politischer Bildung zurückzuführen seien. Er fährt fort, auch ohne Kenntnisse der NS-Zeit müsse doch jeder Mensch wissen, daß man nicht symbolisch Menschen verbrennen könne, ohne sich der schlimmsten Menschenverachtung, der Billigung von Morden schuldig zu machen. Diese in weiten Kreisen unseres Volkes verbreitete Auffassung bezieht sich auf die scheinbar allseits einsichtigen Werte der einfachen Sittlichkeit, wie sie etwa Friedrich Otto Bollnow beschrieb. Dabei werden die soziale Funktion, der Geist und das Klima, in dem sich solche Begebenheiten vollziehen, völlig übersehen. Die Morde an Erzberger und Rathenau in der Weimarer Republik oder der Mord an Kennedy in einem Südstaat der Vereinigten Staaten sind nicht als Zufallsprodukte krimineller Einzeltäter zu bewerten, sondern sie entstehen in einem geistig-politischen Klima, in einer sozialen Bewußtseinslage, die ein solches Verbrechen begünstigen oder gar hervorrufen. Karl Löwith hat an der Gestalt von Reinhard Heydrich die Schizophrenie einer bestimmten politischen Verhaltensweise sichtbar gemacht: Heydrich - ein Mensch, der wohl mit den bürgerlichen Gesetzen nie in Konflikt gekommen wäre, der an einem Sonntagnachmittag Mozartsonatert hört, eine Katze unter Lebensgefahr vor dem Ertrinken rettet und zur gleichen Stunde das Todesurteil über 5 000 jüdische Mitbürger unterschreibt. Zu Recht hat der deutsche Koordinierungsrat auf seine mehrfachen Warnungen hingewiesen, daß Hitler kein Betriebsunfall war, sondern das Ergebnis einer langen Geschichte.
Gewiß, die politische Bildung in der Bundeswehr vermag dies nicht allein und vor allem nicht ohne die Mitarbeit anderer wichtiger Gesellschaftsbereiche wie Elternhaus und Schule zu leisten. Die Intensivierung des politischen Unterrichts in der Bundeswehr darf nicht nur eine Sache mit Videorekordern und besseren Kassetten für die Wehrpflichtigen sein. Es ist unbestreitbar notwendig, daß der Wehrpflichtige im politischen Unterricht in der Bundeswehr mindestens erfährt, was der Sinn seines Dienstes ist. Darüber hinaus müssen jedoch Zeit- und Berufssoldaten als entscheidende Gruppe der Bundeswehr, weil sie Ausbilder der Soldaten sind und zugleich die Kontinuität der Streitkräfte sichern, in den politischen Unterricht aktiv einbezogen werden. Ich zitiere Fritz Erler: „Der Geist der Bundeswehr ist mindestens so wichtig wie ihre Ausrüstung und ihre Organisation." Wenn dieser Satz zutrifft - und wir Sozialdemokraten sind davon überzeugt -, dann muß der politischen Bildung in der Bundeswehr ein besonderer Stellenwert zugeordnet werden. Dies betrifft auch in ganz besonderem Maße die Studierenden an der Bundeswehrhochschule. Hier ist doch die Gefahr unverkennbar, daß der Fachegoismus über die eigentliche Zielsetzung dieser Hochschule triumphiert. Die Curriculum-Diskussion ist weithin durch eine Diskussion über die Prüfungsordnung und damit über die Studieninhalte ersetzt worden. Das erziehungs- und gesellschaftswissenschaftliche Anleitstudium ist bisher auf der Strecke geblieben. Die Streitkräfte sind viel aufgeschlossener als manche Verwaltungskörperschaften und Ordinarien, die zum großen Teil egozentrische und fachbezogene Kornpetenzabgrenzungen vornehmen. Es spricht doch für die Streitkräfte, daß sie das Anleitstudium fordern. Sie sind unbefangener und sehen auch das erstrebenswerte Ziel der Ausbildung klarer. Deshalb fordern wir auch das Ministerium auf, dem nachzukommen.
Es gibt zwar keine demokratische Armee, aber eine Armee in der Demokratie - und ich füge hinzu, es gibt auch eine Demokratie in der Armee.
So General a. D. Graf Kielmannsegg. In der Tat verlangt allein die technische Entwicklung neue Einsichten und Verhaltensweisen. Die militärische Hierarchie hat ihre Bedeutung sicher nicht verloren, ist aber zu einer lebendigen Gemeinschaft von Soldaten mit abgestufter, differenzierter Verantwortung und Einsicht geworden. Wir wissen doch, daß die Bedienung komplizierter Waffen und Geräte nicht nur höhere Leistungsfähigkeit erfordert, sondern auch ein höheres Maß an Selbständigkeit und an Verantwortungsbewußtsein des einzelnen, dessen Entscheidungsbereich in dem Maß der an ihn gestellten Aufgaben wächst.
Das konservative Leitbild vom herkömmlichen Troupier ist längst revisionsbedürftig geworden. Wir wissen, daß in hochtechnisierten Bereichen wie bei der Flarak und anderen Truppenteilen ein Soldat durch einen falschen Handgriff den Test für eine ganze Einheit zunichte machen kann, ohne ihm bewußtes Verschulden nachweisen zu können. Dieses Prinzip gilt doch mehr oder minder abgestuft in allen Truppenteilen. Ein Batteriechef erklärte mir kürzlich zutreffend: „Wir sind an einer Grenze angelangt, wo der Befehl allein nicht mehr ausreicht." Das heißt aber: Technische Ausbildung und Erziehung und verantwortungsbewußte Selbstentscheidung bedingen einander immer mehr. Neue Wertkategorien bestimmen den Geist der Soldaten zunehmend. Gehorsam ohne Mitdenken wird zunehmend problematischer. Gehorsam selbst ist auch weiterhin eine unerläßliche Tugend des Soldaten, aber eine Sekundärtugend. Die Technik vergrößert die Verantwortlichkeit und Selbständigkeit des Soldaten. Sie fordert Vertrauen der militärischen Vorgesetzten in die fachlichen Leistungen ihrer Untergebenen. Die Vereinzelung des Soldaten in Kampffunktion oder Unterstützung bei modernen Streitkräften erfordert das Bewußtsein kameradschaftlicher Verbundenheit zu dem anderen in gleicher oder
ähnlicher Situation. Es erfordert Mitdenken, Mithandeln, Mitentscheiden und Mitverantworten. Ohne Erziehung zu diesen Werten sind moderne Streitkräfte nicht mehr zu führen, werden sie funktionsunfähig.
Was die Frage der Mitbeteiligung, der Mitwirkung und auch der tatsächlichen Mitbestimmung anbetrifft, so ist die Truppenpraxis schon viel weiter gediehen und hat die bestehenden Vorschriften oft schon weit hinter sich gelassen. Ich möchte dem Minister hier keines der vorhandenen Modelle anbieten, aber ein ausgewogener Schritt in diese Richtung sollte noch in dieser Legislaturperiode getan werden. Hier sollten sich die aktiven Demokraten innerhalb und außerhalb der Bundeswehr auch offensiv mit dem Vorwurf der sogenannten weichen Welle auseinandersetzen. General a. D. Graf Baudissin bezeichnete ihn als Mythos, der sich häufig auf eine mangelnde Beziehung zu Freiheit und freiheitlichem Leben gründet. Der Soldat bleibt als Mensch nur dann menschlich verläßlich, wenn ihm Raum für seine Verantwortung zugestanden wird.
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Wenn wir zu Recht davon ausgehen, daß die Bundeswehr ein Spiegelbild unserer Gesellschaft darstellt, dann hat diese Gesellschaft natürlich auch die Aufgabe, die Bundeswehr mitzutragen. Gewiß sind Intensivierung der politischen Bildung, Verbesserungen des Anleitstudiums und stärkere Impulse der Schule für Innere Führung in die Truppe hinein wichtige Elemente, um den Stand der Bundeswehr auf der Höhe der Zeit zu halten. Die Bundeswehr ihrerseits bedarf jedoch der verstärkten Unterstützung durch staatliche Organe und gesellschaftliche Gruppen. Willy Brandt hat als Bundeskanzler mit seinem Brief an die Ministerpräsidenten der Länder über eine sachgerechte Behandlung der Probleme unserer äußeren Sicherheit im Sozialkundeunterricht ein Zeichen gesetzt. Wir wenden uns entschieden gegen die Diffamierung, Brandt habe das Fach Wehrkunde in die Schulpläne einführen wollen. Wir sind allerdings der Meinung, daß jeder junge Mensch, der nach dem Besuch der Berufsschule oder der allgemeinbildenden Schule vor der Frage steht, Militärdienst oder Zivildienst abzuleisten, auch ein Recht auf möglichst objektive Information und Unterrichtung durch die Schule hat.
({3})
Die Vorlage des Berichtes des Wehrbeauftragten, in dem die Fragen der Inneren Führung im Mittelpunkt stehen, ist für mich Anlaß, auch an die Gewerkschaftsjugend zu appellieren, verstärkt den Dialog mit den Soldaten der Bundeswehr zu führen. Immer wieder kommen Jugendoffiziere und Soldaten, die aufgeschlossen gegenüber der Gewerkschaftsbewegung sind, zu mir und beklagen sich darüber, daß sie bisweilen nicht die von ihnen erwünschte Resonanz finden.
Unsere Kultur hat drei geschichtliche Ströme: das Christentum, den Humanismus und die soziale Arbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts. Wir Sozialdemokraten bekennen uns zu allen drei Kulturströmen, die unsere nationale und kulturelle Existenz bis heute bestimmen. Wir sind stolz darauf, daß die soziale Arbeiterbewegung, wie sie Gewerkschaften und Sozialdemokratische Partei repräsentieren, in ihrer bisherigen Geschichte noch nie deformiert oder korrumpiert wurde. Das Verhältnis von Arbeiterschaft und Streitkräften hat in Deutschland eine wechselvolle Geschichte. Wenn die Gewerkschaften nicht wollen - und dies können sie nicht wollen -, daß die Bundeswehr in ihrer sozialen Herkunft und in ihrem Bewußtsein einseitig wird, wenn sie eine Schlagseite vermeiden wollen, dann können und dürfen sie nicht abseits stehen; dann müssen sie das kritische und konstruktive Gespräch mit unseren Soldaten der Bundeswehr auch intensiver führen.
({4})
Wir wollen das gemeinsame Erbe bewahren. Dazu bedarf es aber auch allseitiger Anstrengungen, um die gemeinsame Zukunft zu gewinnen.
Außer dem, was Staat und gesellschaftliche Bereiche für die Bundeswehr leisten können, ergeben sich auch noch Möglichkeiten in der Bundeswehr selbst, zu einer neuen Identität zu finden. Warum ist beispielsweise keine Kaserne nach Ulrich Czwalina, Gerhard Gowitzke, Manfred Bahstan, Udo Bartling, Adalbert Fischer, Klaus Hinz, Jost Andreas Sommermeyer, Wilhelm Hermanns oder Klaus-Dieter Schmidt benannt?
Vielleicht kennt heute keiner mehr die von mir genannten Namen. Es waren Soldaten, die bei der Flutkatastrophe 1962 in Hamburg unter Ausübung ihrer .Pflicht bei der Hilfe für andere Menschen ihr Leben gelassen haben.
Wir haben heute noch Kasernen, die nach Leuten benannt sind, die nachweislich heutzutage nach den Regeln des Völkerrechts nicht vor diesem Forum bestehen könnten, die international eher eine Belastung darstellen und unter deren Tun und Handeln sich kein Bundeswehrsoldat mehr etwas vorstellen kann.
Ich möchte mich hier im Namen der SPD-Bundestagsfraktion sehr herzlich bei dem Inspekteur der Luftwaffe, Herrn General Limberg, bedanken, daß er vor wenigen Tagen eine Garnison nach einem Piloten benennen ließ, der beim Absturz seines Flugzeugs sein Leben verlor, um ein bedrohtes Dorf zu retten.
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Mit ihm können sich unsere Soldaten identifizieren, ebenso wie mit den neun Soldaten der Flutkatastrophe von Hamburg.
Dem Wehrbeauftragten und auch seinen Mitarbeitern herzlichen Dank!
Für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion möchte ich sagen: Die Bundeswehr hat im Sinne von Theodor Heuss schon wesentliche Traditionen geschaffen. Ich rede, Herr Kollege Ernesti, als Historiker nicht der Geschichtslosigkeit das Wort, aber der Auswahl von Leitbildern, die uns allen Vorbilder sein können.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Möllemann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages hat uns in seinem Bericht für das Jahr 1976 auch diesmal wieder solide, im Detail gewissenhaft und in anschaulichen Beispielen die Lage auf dem Gebiet der Inneren Führung in unserer Bundeswehr dargelegt. Dafür möchte ich ihm im Namen der FDP-Fraktion sehr herzlich danken.
Ich möchte darüber hinaus auch die Aufforderung an ihn aussprechen, zu den Fragen', die an ihn gerichtet wurden und noch gerichtet werden, auch hier gegenüber dem Parlament das Wort zu ergreifen.
Sein Bericht zeigt, daß unsere Bundeswehr im Bereich der Inneren Führung im Vergleich zu den vergangenen Jahren Fortschritte gemacht hat. Dies gilt vor allem dafür, daß die „verfassungsmäßig geschützten Grundrechte der Soldaten durch Vorgesetzte im wesentlichen beachtet werden". Es gilt auch für die Handhabung der Disziplinargewalt, und es gilt für einige Maßnahmen im Bereich der Fürsorge. Es gilt schließlich für 'die Verbesserung des Rechtsunterrichts in der Truppe. Hieraus ist sicherlich die weithin rückläufige Zahl der unerlaubten Abwesenheiten zu erklären.
Wir begrüßen diese Entwicklung, und ich möchte schon an dieser Stelle für die FDP-Fraktion den Dank 'an die Bundeswehr für ihre Leistungen aussprechen, wie dies die Kollegen aus den beiden anderen Fraktionen auch getan haben.
Bei allen Verbesserungen aber gilt es nach wie vor auf dem Gebiet 'der Inneren Führung noch erhebliche Mängel. Wir haben seit geraumer Zeit immer wieder darauf hingewiesen. Lassen Sie mich einige 'Probleme, vor denen wir stehen, hier aufgreifen.
Da ist im Bericht des Wehrbeauftragten unter dem Abschnitt „Führungsverhalten" eine, wie ich finde, erstaunliche Anregung zu lesen. 'Es heißt dort: „Die Vorgesetzten sollten an die Eigenverantwortlichkeit der Untergebenen nicht zu hohe Anforderungen stellen." So fürsorglich dies gemeint sein mag - wir sehen die Dinge anders. Wir meinen, daß in der Bundeswehr auf allen Führungsebenen eher zu wenig delegiert wird. Wir fürchten, daß dies zu einer Aufweichung der Auftragstaktik führen könnte. Die gekonnte Handhabung der Auftragstaktik hat aber die Leistungen 'deutscher Armeen ganz wesentlich ausgemacht.
({0})
Wir meinen, daß hier der Erosion von vornherein Einhalt geboten werden muß.
Allerdings darf Delegation nicht auf ein Abwälzen von Verantwortung hinauslaufen. Dies geschieht aber 'besonders dann, wenn der Vorgesetzte unzureichend für seine Aufgaben ausgebildet ist. Jedermann weiß, daß 'dies beim jungen Unterführer der Fall ist. Er ist meistens als Gruppenführer bzw. Kornmandant eingesetzt. Als solcher ist er ständig mit den von ihm geführten Soldaten, meist Wehrpflichtigen ides gleichen Jahrgangs, auf Tuchfühlung. Oft muß er die Soldaten führen, mit denen gemeinsam er in der Grundausbildung ausgebildet wurde. Das macht seine Aufgabe besonders schwer. Hinzu treten 'die hohen Anforderungen der Technik von Fahrzeugen, Waffen und Geräten.
Der Gruppenführer und Kommandant bedarf daher einer ganz besonderen Ausbildung. Jedem Lehrling gibt man drei Jahre Ausbildungszeit, dem Gruppenführer und Kommandanten in der Bundeswehr nicht einmal ein Jahr. Man verlangt aber von ihm die Kenntnisse und das Können eines hochqualifizierten Gesellen. Es wird uns also nichts anderes übrigbleiben, als die Ausbildung zu intensivieren.
Da die bisher zur Verfügung stehende Ausbildungszeit schon mit Stoff überfrachtet ist, wird man die Ausbildungszeit verlängern müssen. Ein Teil der Ausbildung muß dann eben möglicherweise nach der Beförderung als Weiterbildung erfolgen. So könnte die Beförderung zum Unteroffizier weiterhin nach mindestens einem Jahr oder vielleicht 15 Monaten stattfinden. Damit ginge die Attraktivität der Laufbahn, soweit sie in der Kürze der Beförderungszeit liegt, nicht verloren.
Da die mangelnde Ausbildung und die daraus folgende mangelnde Qualifikation mancher Gruppenführer viele gute Soldaten davon abhält, sich für die Laufbahn des Unteroffiziers zu entscheiden, würde die vorgeschlagene Verbesserung der Ausbildung die Anziehungskraft der Laufbahn des Unteroffiziers wesentlich erhöhen.
Eine weitere positive Folge wäre eine Steigerung der Ausbildungsqualität der Truppe bzw. der Besatzungen, also eine Erhöhung der Kampfkraft und sicherlich auch eine Verbesserung des Betriebsklimas.
Eine Verbesserung des Betriebsklimas auch unter den Wehrpflichtigen scheint uns vor allem wichtig zu sein. Bei den Wehrpflichtigentreffen, an denen wir alle immer wieder teilnehmen, zeigt sich, daß die Wehrpflichtigen eine Vielzahl von Unzulänglichkeiten belastet, die ihnen ihren Einsatz in den 15 Monaten ihres Dienstes noch schwerer erscheinen läßt.
Da sind zunächst die häufigen Klagen über Mängel im Kantinenwesen. Den Wehrbeauftragten haben im letzten Halbjahr vor Abgabe seines Berichts keine kritischen Eingaben zum Warenangebot und zur Preisgestaltung erreicht. Er geht deshalb davon aus - ich zitiere -, „daß die Soldaten zur Zeit zufrieden sind". Mir scheint, alle Soldaten wissen noch gar nicht, daß sie so zufrieden sind. Das gilt jedenfalls für die, mit denen ich sprechen konnte. Wir werden versuchen, in diesem Punkt doch einige Konsequenzen zu ziehen.
Wesentlich scheint mir - wie meinen beiden verehrten Vorrednern auch - das Problem der Familienheimfahrten zu sein, mit dem sich vor allem die Soldaten herumschlagen müssen, die heimatfern verwandt werden und deren Stand- und Heimatorte ohne Bahnanschlüsse sind.
({1})
Diesen Soldaten hilft ihre Freifahrkarte für die Bundesbahn gar nichts. Denn sie sind gezwungen, ihren Wagen zu benutzen, es sei denn, sie wollten das ganze Wochenende auf der Bundesbahn verbringen. Hier muß etwas getan werden, was über den begrüßenswerten Vorschlag des Wehrbeauftragten hinausgeht, solchen Soldaten, die in einer Entfernung von über 300 km vom Standort wohnen, einen gestaffelten Zuschuß zu geben.
Nachdrücklich unterstützen wir auch den Vorschlag des Wehrbeauftragten, in dem er sich für Fürsorgefahrten in die Standorte ausspricht, die keine oder ungünstige Bahnanschlüsse haben.
({2})
Wir fügen dem hinzu, daß wir es für dringend geboten halten, heimatfern verwandten Soldaten einen entsprechend längeren Wochenendurlaub zu geben. Hier sind derzeit die Regelungen von Kompanie zu Kompanie innerhalb des gleichen Bataillons noch verschieden. Dies führt zu Ungerechtigkeiten, die nur durch einheitliche Regelungen beseitigt werden können.
({3})
Ein Großteil der wehrpflichtigen Soldaten befindet sich in finanziellen Schwierigkeiten. Wir begrüßen daher die geplante Erhöhung des Wehrsolds, die der hier im Parlament von allen Fraktionen erhobenen Forderung entspricht. Wir begrüßen auch die vorgesehenen Aktionen zur Erhöhung des Weihnachts- und des Entlassungsgeldes, und wir werden uns bei den parlamentarischen Beratungen um weitere Verbesserungen bemühen.
Sicher muß man - ich nehme an, darauf zielte Ihr Zuruf vorhin - immer den Haushalt im Auge behalten, wenn man Vorschläge zur finanziellen Besserstellung der Wehrpflichtigen macht.
({4})
Aber man sollte auch im Blick behalten, daß die Wehrpflichtigen die einzige Gruppe in unserer Gesellschaft sind, deren Angehörigen man einen schweren Dienst aufträgt, ohne ihn nach den heute üblichen Kriterien zu entlohnen. Wohlgemerkt, wir fordern kein Gehalt, das dem des Zeit- oder Berufssoldaten entspricht, aber der Wehrpflichtige sollte seine Grundbedürfnisse finanzieren können.
({5})
- Herr Kollege Damm, Sie rufen mir zu, wir sollten erst einmal die eine Mark mehr geben. Sie werden sehen, daß der Wehrpflichtige ab 1. Januar diese eine Mark mehr erhält.
({6})
In den letzten Sätzen war jetzt ausführlich von den Schwierigkeiten der Wehrpflichtigen die Rede.
({7}) Ja, daß Sie als Oppositionelle sagen, wenn Sie dran gewesen wären, ginge es den Wehrpflichtigen bestens, ist uns klar; wenn Sie dran wären, ginge es ja allen Leuten bestens.
({8})
- Ja, ja, Sie haben nur noch nicht erklären können, wie Sie das finanzieren.
({9})
Das Schlimme ist, im letzten Jahr haben Sie den Haushalt, mit dem das, was jetzt gemacht wird, finanziert werden sollte, abgelehnt.
({10})
Es geht aber nicht nur um die Verbesserung der Leistungen für die Wehrpflichtigen, sondern natürlich auch um die Verbesserung der Leistungen für diejenigen Soldaten, die Zeit- oder Berufssoldaten sind. Mein Kollege Ludewig hat hier in der letzten Debatte dargelegt, welche Verbesserungen wir im Bereich der Wohnungsfürsorge, des Beförderungsstaus, der Versetzungshäufigkeit und der Überstunden anstreben; ich darf an diese Ausführungen meines Kollegen erinnern.
Meine Damen und Herren, ich komme nun zu einigen Fragen bezüglich des Ausbildungsbereichs der Bundeswehr.
Die FDP-Fraktion hat die wissenschaftliche Ausbildung für die Offiziere der Bundeswehr von Beginn an unterstützt, wenn wir auch - das will ich hier offen bemerken - die Entscheidung für isolierte Bundeswehrhochschulen aus bildungspolitischen Gründen nicht gutheißen konnten. Die Ereignisse an der Hochschule der Bundeswehr in München und das Verhalten der betreffenden Offiziere haben uns u. a. gezeigt, daß sowohl die unzureichende Integration als auch die mangelnde politische Bildung mit großer Wahrscheinlichkeit auch Ursachen für diese beklemmende Aktion menschlicher Intoleranz und politischer Unreife waren.
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Aber, meine Damen und Herren, nicht allein die Studenten tragen die Schuld an diesem Fehlverhalten, das nicht hingenommen werden kann und dessen Sanktionierung wir tragen. Eine weitere Ursache ist mit Sicherheit die Tatsache, daß das Anleitstudium noch immer nicht verwirklicht ist,
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jenes einst so gefeierte Kernstück der Ausbildungs-
und Bildungsreform in den Streitkräften. Wir erwarten deshalb nicht die Klärung der Vorfälle, sondern auch eine Untersuchung ihrer Ursachen. Nur dann, wenn die offensichtlichen Mängel der Bildungsreform aufgedeckt werden, kann man die Probleme mit den bestehenden Studienschwierigkeiten - der Studiendauer, dem Leistungsdruck der studierenden Offiziere und dem Grundkonflikt zwischen der akademischen Freiheit und dem Status eines soldati3776
schen Studierenden - einer politischen Lösung näherbringen.
Wir Liberalen sind der Auffassung, daß schon die lange geforderte Öffnung der Hochschulen der Bundeswehr für die Aufnahme ziviler Studenten bei dem Prozeß nur hilfreich sein und die leider mindestens in Ansätzen bereits entstandene Ghetto-Situation der Hochschulen teilweise wieder überwinden könnte. Dabei dürfen wir auch der Frage nicht ausweichen, wie wir den bestehenden Soldatenstatus den akademischen Erfordernissen eines Hochschulstudiums besser anpassen können, um den studierenden Offizieren das Spannungsverhältnis zwischen Soldat und Student etwas zu erleichtern.
Wir sind weiter der Auffassung, daß das heute an den Hochschulen der Bundeswehr praktizierte Maß an Mitwirkung durch die studierenden Offiziere ausgeweitet und schrittweise auch an der Führungsakademie der Bundeswehr verwirklicht werden muß. Eine angemessene Mitwirkung des Konsiliums an den Entscheidungen der Führungsakademie ist aus liberaler Sicht unerläßlich.
Weiterhin würden wir es begrüßen, wenn der Grundlehrgang mehr als bisher dem geforderten Förderungscharakter als dem praktizierten Prüfungscharakter entsprechen könnte. Eine Aufteilung der dort gelehrten Fächer in Pflichtfächer, alternative Wahlfächer und Neigungsfächer könnte diese von uns unterstützte Entwicklung positiv unterstreichen.
Diese Erwägungen führen zwangsläufig zu den Überlegungen betreffend Innere Führung und politische Bildung. Ich stehe nicht an, hier zu sagen, daß dazu der Kollege Horn in sehr prägnanter und mich überzeugender Form dargelegt hat, wo Mängel sind und wo man Verbesserungen praktizieren sollte. Wir haben dies ja in den vergangenen Tagen der Diskussion in diesem Parlament aufgegriffen. Auch Sie, Herr Kollege Ernesti, haben, wie ich fand, einige unterstützenswerte Hinweise gegeben. Daher ist es nicht notwendig, daß ich dieses Problemfeld nochmals aufrolle.
Ich möchte mich aber klar noch einmal dafür aussprechen, daß es nunmehr darauf ankommt, das Konzept der Inneren Führung nicht nur mit Ankündigungen bei Jubiläumsveranstaltungen, sondern in der Praxis fortzuschreiben. Die Bundeswehr allein kann dies nicht schaffen. Sie bedarf dabei der Hilfe aller politisch tragenden Kräfte in Staat und Gesellschaft, und sie bedarf ganz besonders der Hilfe und Unterstützung des Wehrbeauftragten.
Ich möchte abschließend das Thema Tradition kurz ansprechen. Ich sage bewußt „Tradition" und nicht „Tradition in der Bundeswehr". Denn die Bundeswehr ist ein Teil dieser Gesellschaft. Man sollte deshalb nicht zu hurtig an die Aufzählung der Werte, Personen, Symbole und Ereignisse aus der Geschichte herangehen, an die eine spezielle Bundeswehrtradition anknüpfen sollte. Dies wird überhaupt erst dann möglich sein, wenn das Problem der Tradition in der Bundeswehr einmal ideengeschichtlich, ideologisch und truppenorganisatorisch aufgearbeitet ist.
Ich will hier in der Frage der Tradition deswegen keine Trennung zwischen der Bundeswehr und unserer Gesellschaft vornehmen, eben weil die Bundeswehr integrierter Bestandteil der Gesellschaft sein soll und ist. Sie sollte deshalb auch in dieser Frage nicht gesondert betrachtet werden.
Ich möchte hier wiederholen, was wir bereits nach Bekanntwerden der Münchner Vorfälle gesagt haben. Das Verhalten der betroffenen Leutnante an der Bundeswehrhochschule München-Neubiberg ist nicht typisch für das Denken und Handeln der Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere in den Streitkräften. Dennoch oder gerade deshalb ist es eindeutig zu verurteilen und mit den notwendigen Konsequenzen zu ahnden.
Ich sage aufs neue, was ich gestern im Verteidigungsausschuß dazu gesagt habe. Es kann dabei sogar eine Diskrepanz zwischen dem, was man subjektiv für den einzelnen Betroffenen als Maßregelung für angemessen hält, und dem geben, was aus übergeordneten Gesichtspunkten des Ansehens der Bundeswehr als notwendig erscheint. Ich fand die Ausführungen, die der Präsident des Deutschen Bundestages, Professor Carstens, vor der 10. Hauptversammlung des Bundeswehrverbands zu diesem Thema gemacht hat, beispielhaft und möchte sie hier nachdrücklich unterstützen.
Dennoch: Die Münchner Vorfälle wären wahrscheinlich nicht geschehen, wenn es in unserer Gesellschaft und in der Bundeswehr um den theoretischen und den praktischen Teil der politischen Bildung besser bestellt wäre. Würde den jungen Menschen in Familie, Schule und Bundeswehr mehr über die Werte und Personen gesagt, die zur Entwicklung unserer heute im Grundgesetz festgelegten Wertvorstellungen und Werte beigetragen haben, würden die jungen Menschen in den Schulen und Betrieben, aber gerade auch in der Bundeswehr mehr in die Mitwirkung einbezogen, würden sie noch mehr Recht und Gerechtigkeit erleben als bisher und würden sie angemessen über die herausragende Bedeutung des Friedens in unserer Zeit und über die Unmenschlichkeit des NS-Staats unterrichtet, dann würde die Tradition, die wir allein fördern wollen, nicht nur gelehrt, sondern auch erlebt und gelebt.
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Denn gültig dürfen für uns nur die Traditionen sein, die uns als Motivation, als Orientierungs- und Verhaltenshilfen bei der Bewahrung und Förderung von Recht und Freiheit und Solidarität und nicht zuletzt auch von Frieden helfen können.
Für die Gesellschaft und die Bundeswehr als einen Teil von ihr gilt, daß bei allen zugegebenen Mängeln diese Werte und Wertvorstellungen mehr als jemals zuvor in der Geschichte jetzt hier verwirklicht werden. Damit ist schon eine Tradition geschaffen worden, die bewußt zu machen, zu entwickeln und weiterzugeben unsere Aufgabe ist. Diese Tradition ermöglicht uns auch Kontinuität in einer demokratischen Zukunft.
Es kommt nun darauf an, diese Erkenntnis in die Tat umzusetzen. Die Kultusminister der Länder,
ganz egal, welcher Couleur - ob meiner, Ihrer oder der SPD - sie angehören mögen, sind aufgerufen, die politische Bildung, den Geschichtsunterricht und dabei die geistige Auseinandersetzung mit unserer Geschichte im Guten wie im Schlechten und mit unseren Traditionen entschlossen zu fördern. Ich sage erneut: Das Bundesministerium der Verteidigung sollte eine Sonderkommission einsetzen, die auf der Grundlage der bereits in Durchführung befindlichen Bestandsaufnahme so schnell wie möglich alle geeigneten Schritte zur Verbesserung von Innerer Führung und politischer Bildung tun muß. Diese Aufgabe sollte von einer Kommission, die sich aus Vertretern des Ministeriums und des Beirats für Innere Führung zusammensetzen könnte, geleistet werden.
Meine Damen und Herren, der Bericht des Wehrbeauftragten ist eine Aufforderung, die von ihm und von uns in der Diskussion dargelegten Schwächen in der Bundeswehr zu beheben. Wir üben hier nicht Kriktik um der Kritik willen, sondern um die Qualität der von uns gewollten und unterstützten Streitkräfte noch weiter zu verbessern. Wir möchten dazu beitragen.
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Die Fraktion der CDU/ CSU und die Fraktion der SPD haben den Antrag gestellt, dem Wehrbeauftragten das Wort zu erteilen.
Ich erteile dem Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages gemäß § 116 c unserer Geschäftsordnung das Wort.
Berkhan, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich bedanke mich, daß Sie mir Gelegenheit geben, in dieser Debatte das Wort zu nehmen, und begrüße ausdrücklich die Empfehlung des Verteidigungsausschusses, die Bundesregierung zu bitten, nicht nur den Jahresbericht des Wehrbeauftragten und die dazu gefertigte Stellungnahme des Bundesministers der Verteidigung der Truppe zugänglich zu machen, sondern auch die Ergebnisse der Beratungen des Deutschen Bundestages. Hierbei möchte ich ausdrücklich hervorheben: Beratungsergebnisse des Verteidigungsausschusses und der heutigen Plenarsitzung. Ich halte dies hinsichtlich der Ausgewogenheit und der Vollständigkeit der Unterrichtung der Truppe für unerläßlich.
Der Wehrbeauftragte vermag damit zugleich seine Chance zu wahren, seiner Seite der Meinungswaage angemessenes Gewicht zu geben. Denn die andere Waagschale drückt mit der umfänglichen Stellungnahme des Bundesministers der Verteidigung mächtig herunter. In der Truppe und bei Abgeordneten, Herr Abgeordneter Ernesti, darf aber bei wichtigen Sachfragen, die von dem Bundesminister der Verteidigung und mir mehr oder weniger kontrovers gewertet werden, nicht etwa der Eindruck entstehen, in der Sache sei der Wehrbeauftragte in seiner Replik nicht hinreichend deutlich geworden oder er hätte die Auseinandersetzung ganz gescheut. Er sei die Stimme seines Herrn, habe ich von Ihnen vernommen. Mein Herr ist der Deutsche Bundestag. Und ich erhebe die Stimme auch für Sie, Herr Abgeordneter Ernesti.
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Ich bin dankbar, daß Sie mir zugestanden haben, daß ich die Stimme meines Herrn bin.
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Lassen Sie mich ein paar Ergänzungen zu den Ausführungen der Abgeordneten machen, die hier gesprochen haben.
Ich beziehe mich auf das Grundrecht der Würde des Menschen. Ich habe in meinem Bericht dargelegt, daß die zulässigen Grenzen im Umgangston zwischen Vorgesetzten und Untergebenen auch innerhalb einer Männergesellschaft mit ihren spezifischen Besonderheiten nicht überschritten werden dürfen. Ich führte dazu aus, daß dies auf jeden Fall dann eingetreten ist, wenn einzelne Soldaten durch Vorgesetzte zum Gespött ihrer Kameraden gemacht werden. Der Bundesminister der Verteidigung teilt zwar im Grunde genommen meine Auffassung, vertritt in seiner Stellungnahme jedoch die Ansicht, daß bei den meisten der von mir erwähnten Verstöße keine Anhaltspunkte dafür bestünden, daß die Vorgesetzten die Menschenwürde der Untergebenen bewußt verletzen wollten. Obwohl es sicher nicht in der Absicht des Bundesministers der Verteidigung liegt, die in meinem Jahresbericht geschilderten Fälle zu verharmlosen, kann ich nicht ausschließen, daß seine Ausführungen mißdeutet werden.
Ein etwas rauherer Umgangston im Truppenalltag kann zuweilen zwar angemessen und angebracht sein - das wird von mir nicht bestritten -, aber entscheidend für die Frage, ob das Maß des Zulässigen überschritten wird, sind nicht die Erwartungen und Wünsche der Mehrheit oder einzelner Soldaten, sondern allgemeingültige Maßstäbe, hier insbesondere Würde und Ehre des einzelnen Soldaten. Eine scherzhafte oder gar lächerliche Bemerkung auf Kosten eines einzelnen Soldaten ist immer unzulässig, wenn sie geeignet ist, den Angesprochenen oder Betroffenen in seiner Ehre zu verletzen oder gar lächerlich zu machen. Ob seine Kameraden eine solche Bemerkung als Scherz verstehen, ist nicht entscheidend. Zwar ist bei der Würdigung eines solchen Sachverhaltes zu berücksichtigen, ob der Vorgesetzte den Untergebenen in seiner Ehre verletzen wollte oder nur gedankenlos handelte. Rechtfertigen können solche Umstände ein unzulässiges Verhalten jedoch nicht. Die von vielen Vorgesetzten häufig vertretene Rechtsauffassung, eine Beleidigung liege nicht vor, weil der Vorgesetzte keine Beleidigungsabsicht gehabt habe, ist falsch. Eine Beleidigungsabsicht ist zur Tatbestandsverwirklichung nicht erforderlich.
Herr Abgeordneter Ernesti, Sie haben über den Abschnitt betreffend die privaten Veröffentlichungen gesprochen. Ich kann mich sehr kurz fassen und will das nur ergänzen, weil ich Ihrer Ausführungen inhaltlich voll beitrete. Der Bundesminister der Verteidigung legt in seiner Stellungnahme dazu noch
Wehrbeauftragter Berkhahn
dar, daß die als notwendig angesehene Vereinheitlichung inzwischen hergestellt worden sei. Diese besteht darin, daß die von mir mehrfach für verfassungsrechtlich bedenklich gewertete Regelung gleichlautend für alle Teilstreitkräfte wirksam wurde.
Ich möchte noch einmal die Bedenklichkeit gegenüber der Verfassung darlegen und dafür das unterstreichen, was der Verteidigungsausschuß in seiner 70. Sitzung am 2. Juni 1976 beschlossen hat. Dort hieß es:
Der Auffassung des Wehrbeauftragten, daß auch in beschreibenden Artikeln eine Meinungsäußerung regelmäßig nicht vermeidbar ist und außerdem die unterschiedliche Behandlung der Teilstreitkräfte in der Frage privater Veröffentlichungen beseitigt werden solle, schlossen sich der Ausschuß und auch das Bundesministerium der Verteidigung, das eine Änderung durch Zurückgreifen auf die bereits im Jahre 1962 erlassene Regelung versprach, an.
Soweit das Protokoll des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestags. Mir ist es daher unverständlich, weshalb die Weisung einer Teilstreitkraft nicht aufgehoben, sondern im Gegenteil der Inhalt dieser Weisung auf die gesamte Bundeswehr ausgedehnt wurde. Es bereitet mir Schwierigkeiten, zu begreifen, daß der Bundesminister der Verteidigung Zusagen seines Staatssekretärs gegenüber dem Verteidigungsausschuß und gegenüber dem Wehrbeauftragten als einer Instanz des Parlaments nicht einhält und eine auch vom Verteidigungsausschuß für bedenklich gehaltene Regelung auf die gesamte Bundeswehr überträgt.
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Herr Abgeordneter Möllemann, Sie haben sich über das Führungsverhalten von Vorgesetzten geäußert. Ich darf hinzufügen: Ich hatte unter dieser Überschrift in meinem Bericht ausgeführt, daß Vorgesetzte ihre Position gegenüber Untergebenen gelegentlich fehlinterpretieren und ihre Untergebenen dies nicht immer zu erkennen vermögen. Ich hatte ferner Beispiele dafür angeführt, wie leicht ein Vorgesetzter in Gefahr gerät, seine Dienststellung unbewußt gegenüber Untergebenen auszuspielen, weil er dessen Entschlußfreiheit und dessen Bereitschaft zum gesetzmäßigen Handeln überschätzt. Das hat nichts mit Delegation zu tun - diesem Irrtum ist auch der Bundesminister der Verteidigung unterlegen -; wenn Sie die Beispiele lesen, werden Sie merken, daß ich etwas ganz anderes meine. Jedenfalls liegen die Ausführungen des Bundesministers der Verteidigung in seiner Stellungnahme zu meinen Feststellungen weitgehend neben der Sache. Es heißt dort, der Vorgesetzte müsse Aufgaben und die damit verbundenen Teilverantwortungen delegieren - Sie haben sich hier ähnlich geäußert -, um so die Voraussetzung für Mitwirkung, Mitverantwortung und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zu schaffen. Die Notwendigkeit und die Zweckmäßigkeit der Delegation von Verantwortung wird durch meine Ausführungen in keiner Weise angezweifelt oder gar in Frage gestellt. Vielmehr habe ich zum Ausdruck gebracht, daß Vorgesetzte allzu leicht dazu neigen, ihren Untergebenen die Mit- oder Teilverantwortung für eigenes unkorrektes Verhalten anzulasten. Ich habe deutlich gemacht, daß einzelne Vorgesetzte zu mißbilligende Erwartungen oder Wünsche an ihre Untergebenen herantragen. Die Untergebenen wiederum glauben, sie nicht zurückweisen zu können, weil sie dadurch negative Auswirkungen auf ihr Verhältnis zum Vorgesetzten befürchten. Das und nicht die Frage der Delegation war hier das Problem. Ein vorbildlicher, ein fürsorglicher Vorgesetzter mutet seinen Untergebenen ein pflichtwidriges Verhalten überhaupt gar nicht erst zu und bringt sie so nicht in den Konflikt, sich zwischen pflichtgemäßem Handeln und willfährigem Erfüllen unkorrekter Wünsche des Vorgesetzten entscheiden zu müssen.
Lassen Sie mich auch auf die Frage der Mitbeteiligung, die in Ihrem Beitrag eine Rolle gespielt hat, eingehen. Ich hatte zu dieser Frage in meinem Bericht dargelegt, daß sich zur Zeit der Personalratswahlen im Mai 1976 mehrere Mannschaftsdienstgrade, vornehmlich aus Depots und Werften der Luftwaffenversorgungsregimenter, bei mir beklagt haben, sie würden bei der Wahl von Soldatenvertretern zum Personalrat benachteiligt und wären daher im Personalrat nicht angemessen vertreten. Ich hatte ferner festgestellt, daß die derzeitige Rechtslage in militärischen Dienststellen mit quasi-zivilem Dienstbetrieb, in denen nach § 35 des Soldatengesetzes Soldatenvertreter zum Personalrat zu wählen sind, zu unbefriedigenden und als ungerecht empfundenen Ergebnissen geführt hat, wenn dort eine größere Zahl von Wehrpflichtigen oder kurzdienenden Zeitsoldaten eingesetzt ist - häufig mehr als die Hälfte der dort Beschäftigten -, und diese infolge der Gesetzeslage keine Möglichkeit haben, auf die Dauer der gesamten Amtszeit im Personalrat vertreten zu sein. Maximal sind sie neun Monate im Personalrat, dann ist ihre Dienstzeit zu Ende.
Ich hatte daher angeregt, die §§ 35 und 35 a des Soldatengesetzes dahin gehend zu ändern, daß auch in Dienststellen, in denen Soldatenvertreter nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz gewählt werden, die dort eingesetzten Mannschaften Vertrauensmänner nach dem Vertrauensmännerwahlgesetz wählen. In seiner Stellungnahme dazu führt der Bundesminister der Verteidigung aus, daß ein solcher Vorschlag Nachteile für die Mannschaften bringen würde. Dem vermag ich nicht zu folgen. Die Soldatenvertretung im Personalrat durch die Berufs- und die längerdienenden Zeitsoldaten bleibt bestehen. Die Mannschaften können ihre Interessen meines Erachtens sowohl durch ihre Vertrauensmänner als auch durch die Soldatenvertreter, die nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz die Interessen aller in der Dienststelle tätigen Personen zu vertreten haben, wahrnehmen lassen. In der Sache würde dadurch keine Ausweitung der Beteiligungsrechte eintreten. Ich begrüße es, daß der Verteidigungsausschuß meine Anregung unterstützt hat. Zur Unterstreichung meines Vorschlags führe ich grundsätzlich folgendes aus.
Erstens. Es entspricht nicht dem Sinn und dem Zweck des Bundespersonalvertretungsgesetzes und
Wehrbeauftragter Berkhahn
des Vertrauensmännerwahlgesetzes, wenn nahezu eine ganze Laufbahngruppe praktisch vom passiven Wahlrecht ausgeschlossen wird. Dies gibt es im zivilen Bereich nirgends; jedenfalls ist mir nichts bekanntgeworden. Betroffen sind also die Mannschaften, meines Erachtens die Schwächsten in der Kette der Laufbahngruppen, die dort vertreten werden sollen. Sie bilden teilweise - ich führte das aus - sogar die Mehrheit der Dienststellenangehörigen.
Zweitens. Aus der Wehrbeschwerdeordnung -§ 10 - , der Wehrdisziplinarordnung - § 28 - und dem Soldatengesetz - § 35 a - ist der Grundsatz zu entnehmen, daß die Anhörungsrechte des Vertrauensmannes in Angelegenheiten nach der Wehrdisziplinarordnung und Wehrbeschwerdeordnung grundsätzlich von einem Angehörigen der Laufbahngruppe des Beschwerdeführers bzw. des beschuldigten Soldaten wahrgenommen werden sollen. Nur für den Ausnahmefall, daß ein Angehöriger der Laufbahngruppe nicht vorhanden ist, nimmt diese Befugnis das Vorstandsmitglied der Soldatenvertretung wahr. Die derzeitige Regelung bewirkt jedoch, daß in Dienststellen, in denen Soldatenvertreter gewählt werden, die vorgesehene Ausnahme zur Regel wird. In einem Grenzfall führt das zu dem eigenartigen Ergebnis, daß in einem Disziplinarvorgang das Vorstandsmitglied der Gruppe Soldaten, beispielsweise ein Offizier, der eventuell sogar noch Vorgesetzter des zu disziplinierenden Soldaten ist und zudem dessen Dienstvergehen festgestellt hat, nach der Wehrdisziplinarordnung auch noch zur Person und zur Sache gehört wird. Das ist ein Verfahren, das mit rechtsstaatlichen Praktiken nicht das Geringste zu tun hat. - Herr Präsident, Sie entschuldigen bitte die harte Kritik am Gesetzgeber.
Drittens. Der Gesetzgeber wollte durch § 35 a des Soldatengesetzes, der die Wahl von Soldatenvertretern zum Personalrat statt der Wahl von Vertrauensmännern regelt, die Beteiligungsrechte aller Soldaten, auch der Mannschaften, erweitern. Durch die derzeitige Rechtslage werden die Rechte der Mannschaften jedoch nicht erweitert, sonderen eingeschränkt, weitgehend sogar aufgehoben.
Viertens. Lassen Sie mich schließlich auf einen psychologischen Aspekt dieser Frage eingehen. Wenn die Laufbahngruppe der Mannschaften nicht Vertreter aus ihren Reihen in die Soldatenvertretung wählen und entsenden kann, wird ihr Interesse, von dem Wahlrecht Gebrauch zu machen, gering werden. Sie dürften sich dann auch kaum davon überzeugen lassen, daß ihre speziellen Belange durch Angehörige höherer Dienstgradgruppen ebenso gut zu vertreten wären wie durch Dienstgradgleiche. Dabei spielt meines Erachtens eine entscheidende Rolle, daß der Abstand zwischen den Laufbahngruppen der Mannschaften einerseits und denen der Unteroffiziere und Offiziere andererseits im militärischen Bereich wegen der umfassenden Vorgesetzteneigenschaften größer ist als im zivilen Bereich. Zudem weiß der wählende Wehrpflichtige, daß seine Stimmabgabe nicht von vornherein die Repräsentanz seiner Laufbahngruppe für die Dauer der Amtszeit der Personalvertretung sicherstellt.
Dies scheint mir ein bedenklicher Einbruch in die einer freien Wahl innewohnenden Grundprinzipien zu sein.
Aus all diesen Gründen vermag ich nicht recht einzusehen, warum sich der Bundesminister der Verteidigung gegen eine Änderung der entsprechenden Bestimmungen wendet. Von den betroffenen Dienststellen des nachgeordneten Bereichs wurde mein Vorschlag im übrigen begrüßt.
Die fortgeschrittene Zeit, Herr Abgeordneter Möllemann, erlaubt es mir nicht, auf alle Bemerkungen einzugehen und meine Meinung vorzutragen. Aber der Herr Abgeordnete Ernesti wird sicher erwarten, daß ich auf ein paar seiner Bemerkungen eingehe.
Sie haben in Ihren Ausführungen zweimal, wenn ich es richtig verfolgt habe, die Vokabel „Frühwarnsystem" eingeführt. Hierzu muß ich Sie 'darauf aufmerksam machen, daß der Gesetzgeber die Rechte des Wehrbeauftragten eingegrenzt hat. Nach § 2 Abs. 2 des Wehrbeauftragtengesetzes kann ich mich nämlich vorbeugend überhaupt nur dann äußern, wenn der vorgegebene Sachverhalt auf eine Verletzung 'der Grundrechte der Soldaten oder auf eine Verletzung 'der Grundsätze der Inneren Führung schließen läßt. Ansonsten habe ich nicht das Recht, mich zu äußern.
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Ich werde mich bemühen, Herr Abgeordneter Ernesti, die Neutralität meines Amtes zu erhalten. Ich will zugeben, daß wir alle Menschen und mit menschlichen Schwächen belastet sind. Vielleicht erheben Sie ein paar Vorwürfe nicht ganz ohne Grund. Dennoch darf ich hier sagen: Selbstverständlich werde ich mit Offenheit, aber eben, wie es 'dieses Amt verlangt, in gebührendem Ton dazu Stellung nehmen. Der streitbare Ton einer Parlamentsdebatte ist mir verwehrt. Herr Abgeordneter Ernesti, verstehen Sie bitte, wenn ich sage: er ist mir leider verwehrt.
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Ansonsten wüßte ich mich hier besser meiner Haut zu wehren. Ich habe mich des Tones zu bedienen, der im Umgang zwischen Behörden auch in kontroversen Angelegenheiten nicht 'nur üblich, sondern auch angemessen und ratsam ist.
Es war gottlob nicht das Bundesverfassungsgericht, Herr Abgeordneter Ernesti, sondern es war der Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in München, 'der die Entscheidung gefällt hat, die Sie mir hier vorhalten. Aber wenn ich jetzt doch einmal aus der Schule plaudere und Ihnen meinen Führungsstil klarlege, dann werden Sie merken, daß das praktizierte Innere Führung ist.
Ich habe bei der Redaktionsbesprechung meinen Referenten - sie waren alle anwesend - erklärt, daß ich befangen sei, da ich mit einem anderen Amt betraut an der Sache beteiligt war. Ich habe gesagt: Ich werde bei diesem Punkt der Tagesordnung die Redaktionssitzung verlassen; was Sie entscheiden und was Sie beschließen, wird von mir vorbehaltlos gedeckt. Daher fühle ich mich hier verpflichtet,
Wehrbeauftragter Berkhahn
Herr Abgeordneter Ernesti, zu sagen: Ich halte den Bericht auch in diesem Punkt für richtig. Meine Beamten haben gut gehandelt, und ich stehe nicht mir vor ihnen, ich stehe hinter und neben ihnen.
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Ich unterstreiche, daß es strittig sein kann, ob man das hätte aufnehmen sollen oder nicht. Aber ich bin gerne bereit, Sie darüber informieren zu lassen, wie die Sache gelaufen ist.
Sie wissen ganz genau, daß die Entlassung zweier Generale von mir nicht behandelt werden konnte, weil die Sache erstens noch gerichtsanhängig war - und auch noch ist - und zweitens der Verteidigungsausschuß zu erkennen gegeben hatte, daß man diese Frage infolge der Erkrankung des Ministers erst im Januar oder Februar 1977, glaube ich, behandeln könne. Das ist der Sachverhalt. Daher konnte ich mich dazu im Jahresbericht 1976 auch nicht äußern.
Ich bin gern bereit, Ihnen in einer anderen Frage die Akten offenzulegen und Ihnen in Rede und Antwort zur Verfügung zu stehen. Ich gebe nicht deshalb nach, weil einer „linientreu" ist. Was ist denn das? Hoffentlich ist jeder Soldat linientreu und erfüllt seine Pflicht, die ihm kraft Gesetzes vorgeschrieben ist. Ich bin gerne bereit, Ihnen das alles zu zeigen. Hier bin ich daran gehindert, weil ich aus Akten, die sich mit Personalien beschäftigen, zitieren müßte, und dafür ist hier nicht der geeignete Ort.
Eine letzte Bemerkung, und damit will ich abschließen. Es ist richtig, daß ich von Zeit zu Zeit Sitzungen der SPD-Fraktion besucht habe, und ich bitte dafür auch um Verständnis. Nur dort kann ich einen politischen Bericht des Bundeskanzlers oder eines verantwortlichen Ministers entgegennehmen. Ein Wehrbeauftragter, der sich in einem freien, fast unpolitischen Raum nur den Fragen der Inneren Führung und der Grundrechte zuwenden würde, wäre sehr bald isoliert. Ich würde auch, Herr Abgeordneter Ernesti, der Bitte oder der Aufforderung folgen, in Ihrer Fraktion bei einem Bericht zuzuhören, jeden Tag. Sie wissen ganz genau, daß ich beispielsweise den Parteitag der CDU besucht habe. Und jetzt verzeihen Sie mir eine Polemik: Ich wollte auch zu einer bestimmten Tagung gehen. Ersparen Sie es mir, hier eine gewisse Peinlichkeit vortragen zu müssen, wie die Enladung und Ausladung erfolgte. Ich habe Rücksicht genommen auf die Belange einer großen demokratischen Partei, die in diesem Hause einen erheblichen Anteil hat.
Was ich eben über SPD und CDU gesagt habe, Herr Abgeordneter Möllemann, würde selbstverständlich auch für die FDP Geltung haben. Ich werde auf Ihrem Parteitag in Kiel dabei sein und werde mich informieren, ob es Dinge gibt, die für das Amt des Wehrbeauftragten interessant sein können.
Lassen wir diesen Streit, Herr Abgeordneter Ernesti! Ich kann nicht ausschließen, daß ich vielleicht Fehler gemacht habe. Wer wäre ohne Tadel?
({6}) Aber Sie sollten zur Kenntnis nehmen, und Sie haben es ja auch unterstrichen, daß ich mir Mühe gebe. Mehr als Mühe kann man von diesem Amtsträger nicht erwarten. Herzlichen Dank!
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Entsprechend einer interfraktionellen Vereinbarung soll die Mittagspause um zehn bis zwölf Minuten gekürzt werden, damit wir diese Debatte im Zusammenhang abschließen können. Ich darf daher bitten, sich in diese Zeitordnung einzupassen.
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär von Bülow. - Sie werden sich große Sympathien erwerben, wenn Sie Ihre Redezeit vielleicht sogar noch verkürzen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin mir des Drucks hinter und vor mir durchaus bewußt und werde deshalb unter Auslassung einer ganzen Reihe von sehr wichtigen Themen hier nur noch einige Dinge anfügen.
Der Bundesminister der Verteidigung dankt dem Wehrbeauftragten für seine hilfreiche Kritik, die nicht nur in dem jährlichen Bericht ihren Niederschlag findet, sondern auch in fast täglichen Aktionen. Diese Hilfe ist für uns deshalb wichtig, weil wir so rechtzeitig Konfliktpotentiale erkennen können, die allein auf dem hierarchischen Weg oft nicht nach oben kommen würden.
Herr Kollege Ernesti, dieser Bericht wird durchaus ernst genommen, was natürlich nicht heißt, daß jede Kritik akzeptiert werden muß. Dieses Schicksal teilt der Bericht des Wehrbeauftragten mit dem Bericht des Bundesrechnungshofes. Im Verteidigungsausschuß und im anderen Fall im Rechnungsprüfungsausschuß wird sehr genau darüber debattiert, was davon akzeptiert werden muß, was bleibt und was nicht. Die Beispiele, die Sie für das Gegenteil genannt haben, Herr Ernesti, sind für mich nicht überzeugend.
Der G-1-Hinweis von 1975, den Sie angezogen haben, über die Behandlung von Soldaten, denen das Dienen an der Waffe eine unzumutbare Härte bringen würde, zieht deshalb nicht, weil wir im Jahr 1976 400 Fälle gehabt haben, die ohne jede Problematik gelöst werden konnten. In diesen Fällen sind die Pfarrer, Sanitätsoffiziere, Rechtsberater, Vertrauensmänner hinzugezogen worden, und die Problematik ist ohne Rest aufgelöst worden. Jetzt ist diese Regelung, die Gegenstand des Erlasses gewesen war, sogar in das Gesetz hineingenommen worden, so daß wir keinen Anlaß haben können, noch einen Erlaß zu fertigen. Die Auslegung dieses Gesetzes wird nun der Praxis und der Überprüfung durch die Gerichte überlassen.
Der zweite Punkt, den Sie genannt haben, betraf die Veröffentlichungsrichtlinien. Es ist richtig, wir haben die etwas schärfere Linie einer Teilstreitkraft auf alle Teilstreitkräfte erstreckt. Insofern ist eine
einheitliche Lösung gefunden worden. Diese einheitliche Lösung soll auch auf die übrigen Bereiche des Bundesverteidigungsministeriums und seiner nachgeordneten Behörden erstreckt werden.
Der Hintergrund hierfür ist, daß etwa bei einem großen Industriekonzern wie BASF oder Hoechst kein Mensch auf die Idee käme, seinen Angehörigen ohne jede Kontrolle zu erlauben, über Patente, Gebrauchsmuster, Verfahren in der Öfentlichkeit zu schreiben. Da muß es auch im Interesse des Soldaten, der an die Öffentlichkeit geht, eine Regelung geben, muß ein Verfahren eingerichtet werden, das es ermöglicht, die Interessen des Dienstherrn, die Interessen der Bundeswehr, die Interessen der Allgemeinheit gegen die Interessen des einzelnen an einer ungehinderten Veröffentlichungspraxis abzuwägen. Das hat nichts damit zu tun, daß natürlich jeder in einem wissenschaftlichen Streit über Strategie seine Äußerungen machen kann. Aber gerade im technischen Bereich wird es außerordentlich sensibel. Da brauchen wir Verfahren, die natürlich zu einer Einschränkung der Grundrechte führen, jedoch fair durchgeführt werden und auch im Interesse der Beteiligten sind.
Ich kann mich nicht daran erinnern, daß wir darüber unter den Mitgliedern des Verteidigungsausschusses kontrovers diskutiert haben. Das ist angesprochen worden, die Regierung hat ihre Meinung vertreten, und es ist kein Widerspruch von seiten der Parlamentarier gekommen. Wenn das unsererseits ein Irrtum sein sollte, bin ich gerne bereif, diese Frage bei der nächsten Diskussion über den Wehrbeauftragtenbericht - ich nehme an, daß das ein Dauerbrenner bleiben wird - erneut aufzugreifen und dann intensiv zu diskutieren.
Nun zur Frage Verwendungs- und Beförderungsstau. Herr Kollege Ernesti, das Problem liegt ja sehr, sehr tief, historisch auch sehr lange zurück. Wenn Sie sagen, es gebe keine Konzepte zur Regelung des Problems, so werden wir sie in den nächsten Monaten sicher überraschen, sofern wir vom Kabinett grünes Licht bekommen werden.
({0})
Das ist die entscheidende Frage. Aber bevor mit Steinen geworfen wird, möchte ich Sie daran erinnern, daß die Probleme, die wir jetzt lösen müssen, die Folge von Fehlentscheidungen früherer Verteidigungsminister sind.
({1})
Wir müssen das Problem, das darin besteht, daß man zehn Jahre lang zu wenige Soldaten auf Zeit bekommen und dafür Berufssoldaten mit der Folge genommen hat, daß wir in diesen Jahrgängen jetzt im Verhältnis viel zu viele Berufssoldaten haben und zu wenige Zeitsoldaten - diese Jahrgänge sind ja teilweise um 300 % stärker mit Berufssoldaten besetzt, als das nach der ursprünglichen, vernünftigen Planung vorgesehen war -, jetzt einer sehr, sehr kritischen Öffentlichkeit unterbreiten, um endlich zu einer Lösung zu kommen, die zu Ihrer Zeit nicht erreicht worden ist. Das Problem steht an, muß gelöst werden, aus der Sicht des Verteidigungsministers bis spätestens zum Jahr 1979/80; denn dann wird es ganz drängend.
Zur Versetzungshäufigkeit: Das ist ein sehr ernstes Problem. Die Frauen der Soldaten, die jetzt in viel stärkerem Umfang berufstätig sind, damit sehr viel stärker integriert sind, in den verschiedenen Standorten sehr viel stärker Wurzeln schlagen, die Kinder - all diese Probleme sehen wir. Aber auch da Zahlen von früher und von heute: Vor 1969 hatten wir im Durchschnitt 60 000 Versetzungen pro Jahr; wir haben heute 35 000. Wir möchten diese Zahl natürlich gerne unterschreiten. Ob wir das erreichen werden, ist zweifelhaft, zumal dann, wenn es zur Reorganisation der Wehrstruktur kommen sollte. Dann wird es natürlich eine Phase häufigerer Versetzungen geben, so daß die an sich gemeinsam getragenen Bemühungen, diese Zahl zu senken, wohl nicht so schnell Erfolg haben werden.
Die Wehrgerechtigkeit: Ich kann die Ergebnisse der Adorno-Kommission nicht unterbreiten. Aber die Adorno-Kommission hat doch wohl mit Zustimmung aller hier im Parlament vertretenen Parteien festgestellt, daß das Problem, in welcher Richtung man es auch angeht, nahezu unlösbar ist;
({2})
ob es rechtliche oder steuerrechtliche Möglichkeiten usw. sind.
({3})
- Auf jeden Fall: Leichte, praktizierbare, durchsetzbare Verfahren sind von der Adorno-Kommission nur in Ansätzen vorgewiesen worden.
Heimatferne Einberufungen: Ein leidiges Thema. Bei uns laufen Studien. Wir wollen noch einmal überlegen, ob man nicht zu einer stärkeren Bündelung der Wehrdienstströme entlang der großen Transportstrecken kommen kann. Vielleicht ist es möglich, da noch einiges zu tun. Auch im Bereich der Familienheimfahrten wird zu überlegen sein, ob man nicht bei einer stärkeren Bündelung dazu kommen kann, statt der bisherigen Lösungen an den Wochenenden Militärzüge einzusetzen. Es ist völlig klar, daß der Wehrpflichtige, der heimatfern eingesetzt ist und zudem noch in der Provinz wohnt und einen schweren Zugang zu den Hauptstrecken der Bundesbahn hat, natürlich nicht auf die Bundesbahn zurückgreift, sondern sich einen alten Pkw kauft und sich zusammen mit vier Kameraden dort hineinsetzt. Wir haben ja erschreckende Unfallzahlen. Wir wollen versuchen, das zu verbessern. Aber auch da können Wunder nicht erwartet werden.
Ich muß es mir versagen, auf politische Bildung, Menschenführung, Anleitstudium, Tradition einzugehen. Diese Themen bedürfen einer eigenen Debatte, einer sehr ausführlichen Debatte. Wir wollen uns davor nicht drücken und uns dagegen nicht sträuben; aber ich kann nicht mehr in den mir zugestandenen weiteren drei Minuten darauf eingehen. Die im Jahresbericht in dankenswerter Deutlichkeit genannten Probleme aus dem Aufgabenbereich des Wehrbeauftragten werden durch das Bundesministe3782
Parl. Staatssekretär Dr. von Billow
rium sorgfältig beobachtet und weiter verfolgt. Die Zusammenarbeit aller Teile und Dienststellen der Bundeswehr mit dem Amt des Wehrbeauftragten ist gut. Die Empfehlungen im Jahresbericht werden sorgfältig geprüft. Der Bericht selbst wird an die Truppe verteilt werden.
({4})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses auf Drucksache 8/968. Der Ausschuß empfiehlt unter Nr. 1 und Nr. 2, den Jahresbericht 1976 des Wehrbeauftragten zur Kenntnis zu nehmen und dem Wehrbeauftragten für seine Arbeit im Berichtsjahr zu danken. Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Einstimmig so entschieden.
({0})
Der Ausschuß empfiehlt weiter auf Drucksache 8/968 unter Nr. 3 die Annahme einer Entschließung. Wer der Entschließung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer ist dagegen?
Enthaltungen? - Es ist einstimmig angenommen.
Ich vertage die Sitzung auf 14 Uhr. Dann wird die Fragestunde beginnen.
({1})
Wir fahren in den Beratungen fort.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
- Drucksache 8/1015 Wir behandeln zunächst die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Haehser steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 54 des Herrn Abgeordneten Dr. Langner auf:
Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den Zinsgewinn der deutschen Banken durch die Laufzeiten von Überweisungen, und reichen diese Gewinne aus, um die entsprechenden Kosten der Kontoführung zu decken?
Herr Kollege, die Höhe der Zinsgewinne, die Kreditinstitute während der Laufzeit von Überweisungen ziehen, ist der Bundesregierung nicht bekannt. Wie sie wissen, unterliegt die Kosten- und Ertragskalkulation der Kreditinstitute keiner staatlichen Aufsicht oder Kontrolle. Aus diesem Grunde ist es mir auch nicht möglich, Ihre Frage zu beantworten, ob die Kosten der Kontoführung durch die Zinsgewinne gedeckt werden.
Bitte, Herr Abgeordneter, eine Zusatzfrage.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, können Sie vielleicht Auskunft darüber geben, welcher Teil von Laufzeiten von Überweisungen zwischen Lastbuchung und Gutschrift auf den Verrechnungsverkehr der Deutschen Bundesbank entfällt und ob auch hier beachtliche Zinsgewinne anfallen?
Herr Kollege, es ist so, daß wir nicht den Auftrag und auch nicht die Vollmacht haben, die Laufzeiten zu beobachten, es sei denn, der Staat wäre bei Überweisungen oder bei Geldern, die er empfängt, unmittelbar tangiert; dann werden wir sicher darauf achten. Weil uns der Auftrag und die Vollmacht fehlen, fehlen uns auch die Instrumente, so daß ich Ihre Frage zumindest nicht so beantworten kann, wie Sie es sich vielleicht wünschen.
Bitte, Herr Abgeordneter, eine zweite Zusatzfrage.
Wären Sie - dies einmal akzeptiert - bereit, dieser Frage nachzugehen und dabei auch einmal zu prüfen, ob trotz der Einrichtung sogenannter Datenclearingstellen der Deutschen Bundesbank zwischen der Abwicklung bei der Bundesbank und diesen Datenclearingstellen bisweilen ein Tag Wertstellung verstreicht und dadurch erhebliche Zinsgewinne anfallen?
Herr Kollege, ich bin gerne dazu bereit, diesen Dingen nachzugehen, wie ich dem Hohen Hause überhaupt gerne mitteile, daß in Einzelfällen, in denen Betroffene den Eindruck haben, daß die Zeitspannen des Überweisungsvorgangs zu lang sind, durchaus das zuständige Bundesamt eingeschaltet werden kann. Sollten Ihnen Einzelfälle geläufig sein, so wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mich darüber unterrichteten.
Ich rufe die Frage 55 des Herrn Abgeordneten Dr. Spöri auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, ob das Bayerische Finanzministerium Spendenorganisationen wie dem „Wirtschaftsbeirat der Union", der „Gesellschaft zur Förderung der sozialen Marktwirtschaft e. V." und dem „Schutzverband des Erwerbstätigen Eigentums e. V." Steuerfreiheit zuerkannt hat, und wie bewertet die Bundesregierung gegebenenfalls eine derartige Auslegung von Steuergesetzen des Bundes angesichts der Tatsache, daß es sich hierbei nicht um ordnungsgemäße Berufsverbände, sondern eindeutig um finanzielle Hilfsorganisationen einer politischen Partei handelt?
Herr Kollege Dr. Spöri, bei den von der Körperschaftsteuer befreiten Berufsverbänden handelt es sich um Vereinigungen von natürlichen Personen oder von Personen, die allgemeine, aus der beruflichen oder unternehmerischen Tätigkeit erwachsene ideelle und wirtschaftliche Interessen des Berufsstandes oder Geschäftszweiges wahrnehmen. Mit Rücksicht auf das Steuergeheimnis kann ich mich jedoch nicht dazu äußern,
ob die von Ihnen aufgeführten Organisationen die vorgenannten Voraussetzungen erfüllen und von der Finanzverwaltung des Freistaates Bayern als steuerfreie Berufsverbände anerkannt worden sind.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Spöri.
Herr Staatssekretär, hat sich die Bundesregierung - unabhängig von dem von mir angesprochenen Einzelsachverhalt - in diesem Zusammenhang mit den übrigen 21 problematischen Punkten, die der Bundesrechnungshof im Zusammenhang mit der Überprüfung des Gebarens des bayerischen Finanzministeriums hervorgehoben hat, befaßt?
Es ist so, Herr Kollege Dr. Spöri, daß hier keine Beziehung zwischen dem Bundesrechnungshof und der Bundesregierung, sondern eine Beziehung zwischen dem Bundesrechnungshof und der Bayerischen Staatsregierung besteht. Es wäre also eher Sache des Bayerischen Landtags oder von Einrichtungen des Bayerischen Landtags, sich gegebenenfalls mit diesen Dingen zu beschäftigen.
Ich mache Ihnen aber das Angebot, daß ich sowohl Ihre Fragen als auch die Antworten der Bundesregierung auf Ihre Fragen dem Bundesrechnungshof zur Kenntnisnahme und gegebenenfalls zur Beachtung übersende.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, ist es vor dem Hintergrund der Tatsache, daß es bei den betrachteten Vorgängen schließlich um die Ausführung von Bundesgesetzen geht, nicht richtig, daß die Beobachtung dieser Vorgänge der Bundesregierung wichtig sein müßte, und wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund die Tatsache, daß der Bundesrechnungshof von der Prüfung dieser Vorgänge vom bayerischen Finanzministerium ausgeschlossen worden ist?
Zwischen dem Bundesrechnungshof und der Bayerischen Staatsregierung - ich sage das mit den nötigen Vorbehalten, weil ich ja weder von der einen noch von der anderen Instanz eine Vollmacht habe, mich zu äußern -finden bezüglich des zuletzt geäußerten Sachverhalts Gespräche statt, von denen .mir angedeutet wurde - hier wieder der Vorbehalt -, daß gewisse Erfolgsaussichten bestehen, was die zukünftige Zusammenarbeit angeht.
Nun aber zu Ihrer Frage. Sie zielt ja darauf ab, ob es steuerrechtlich zulässig ist, Hilfsorganisationen politischer Parteien Steuerfreiheit zu gewähren. Ich vermute, daß ich mit dieser Annahme richtig liege.
Hier gilt meine Antwort, daß dies nicht zulässig ist. Genau das zu überprüfen ist nun Sache des Bundesrechnungshofs. Die Überprüfung findet statt. Die
Bundesregierung ist neugierig genug, um den Rechnungshof zu bitten, sie vom Ergebnis seiner Überprüfungen zu informieren.
Zusatzfrage, Herr Kollege Ey.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung dann bereit, in 'die Überprüfung auch .das Spendenverhalten einer hessischen Bank gegenüber anderen politischen Organisationen im Zusammenhang mit einer möglichen Steuerpflicht einzubeziehen?
Ich hätte gern mit einem alten Pfadfindergruß geantwortet: Allzeit bereit, Herr Kollege.
Ich rufe die Frage 56 des Herrn Abgeordneten Curdt auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß deutsche Transportunternehmer in Italien zwar theoretisch und unter erschwerten Voraussetzungen eine Mehrwertsteuererstattung für die von ihnen in Italien in Anspruch genommenen Warenlieferungen und Dienstleistungen erhalten können, daß diese Erstattungsmöglichkeit aber praktisch nidit zur Auszahlung führt, weil die von der Finanzverwaltung freigegebenen Erstattungsbeträge auf Grund einer Verfügung des italienischen Devisenamtes vom 24. Mai 1977 nicht ausgezahlt, sondern nur für Zwecke verwendet werden dürfen, die bei deutschen Transportunternehmen in der Regel nicht anfallen, und wenn ja, welche Folgerungen zieht sie daraus?
Herr Kollege Curdt und Frau Präsident, vielleicht darf ich wegen des engen Sachzusammenhangs die Fragen 56 und 57 zusammen beantworten.
Dann rufe ich auch die Frage 57 des Herrn Abgeordneten Curdt auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die genannten Praktiken mit Artikel 17 Abs. 2 b der 6. Richtlinie zur Harmonisierung der Umsatzsteuer vom 17. Mai 1977 und auch mit dem Geist der Römischen Verträge nicht vereinbar sind, und welche Maßnahmen wird die Bundesregierung gegebenenfalls ergreifen, um die italienische Regierung zu veranlassen, diese die Wettbewerbsbedingungen der Transportwirtschaft verzerrenden Vorschriften abzuändern?
Die von Ihnen, Herr Kollege Curdt, geschilderten Schwierigkeiten für deutsche Transportunternehmen auf Grund der Verfügung des italienischen Devisenamts vom 24. Mai 1977 sind der Bundesregierung bekannt. Nach Auffassung der Bundesregierung ist diese Verfügung weder mit Art. 11 Abs. 1 Buchst a) der 2. Richtlinie noch mit Art. 17 Abs. 3 Buchst. b) der 6. Richtlinie zur Harmonisierung der Umsatzsteuer vereinbar.
Zwischen den beteiligten Bundesministerien haben Beratungen über das weitere Vorgehen der Bundesregierung stattgefunden, die gestern abgeschlossen worden sind. Die zwei wichtigsten Ergebnisse dieser Beratungen will ich Ihnen gern nennen:
1. Es soll eine Einschaltung der EG-Kommission vorgenommen werden.
2. Es ist an eine Note an das italienische Außenministerium gedacht.
Sie werden verstehen, daß ich Ihnen nicht alle Ergebnisse der Beratungen hier mitteile, nicht zuletzt im Hinblick darauf, daß ich den Erfolg der
Mittel, die wir einzusetzen gedenken, nicht in Frage stellen oder beeinträchtigt sehen möchte.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Curdt.
Herr Staatssekretär, sehen Sie sich heute, nachdem erst gestern - wofür ich Verständnis habe - diese Besprechungen geendet haben, die einen vorläufigen Charakter hatten, trotzdem in der Lage, mir die Frage zu beantworten, welchen Zeitraum Sie sich für eine befriedigende - um nicht zu sagen: abschließende - Regelung dieses Vorgangs vorgenommen haben?
Herr Kollege, Ihnen ist, da Sie sich ja intensiv mit der Angelegenheit befaßt haben - das geht aus Ihren Fragen hervor -, sicher bekannt, daß sich die Bundesregierung schon einmal vor drei Jahren, 1974, genötigt sah, zu intervenieren. Dies hatte damals einen Erfolg. Allerdings sind in der Zwischenzeit neue Schwierigkeiten hinzugetreten. Bitte legen Sie mich nicht -. Sie wollen es auch nicht - auf ein Datum fest, sondern lassen Sie sich von mir sagen, daß es selbstverständlich im Interesse der Bundesregierung liegt, wenn die Regelung, die wir anstreben, so bald wie nur irgend möglich vorgenommen wird.
Keine weitere Zusatzfrage.
Die Frage 58 des Herrn Abgeordneten Hansen wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe Frage 59 des Herrn Augeordneten Wimmer ({0}) auf:
Kann die Bundesregierung die Gründe für die Absicht der Bundesvermögensverwaltung angeben, nach denen ohne Absprache mit den betroffenen Gemeinden, z. B. der Stadt Mönchengladbach, die auf gemeindeeigenen Grundstücken errichteten bundeseigenen Schutzbauten in die alleinige Zuständigkeit der betroffenen Gemeinden mit allen sich daraus ergebenden Unterhaltungsverpflichtungen durch eine einseitige Besitzaufgabeerklärung der Bundesvermögensverwaltung übergehen sollen?
Herr Kollege Wimmer, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - Urteil vom 28. Mai 1971 - und des Bundesverwaltungsgerichts - Urteil vom 30. November 1973 - handelt es sich bei den vom Deutschen Reich auf fremden Grundstücken errichteten Schutzbauwerken grundsätzlich nicht um Eigentum des Bundes, sondern um Eigentum der Grundstückseigentümer.
Die Absicht der Bundesvermögensverwaltung, die Verwaltung der auf gemeindeeigenen Grundstücken errichteten und somit gemeindeeigenen ehemaligen Schutzbauwerke durch den Bund zu beenden, ist die notwendige Konsequenz dieser höchstrichterlichen Entscheidungen.
Die Bundesvermögensverwaltung war im Besitz der ehemaligen Schutzbauwerke, weil sie mit anderen Beteiligten zunächst der - wie sich nunmehr ergeben hat - unzutreffenden Rechtsauffassung war, diese seien Eigentum des Bundes. Sie ist nach
Klarstellung der Rechtslage weder befugt noch interessiert, weiterhin fremdes Eigentum zu verwalten.
Die demzufolge 1974 eingeleiteten Maßnahmen der Bundesvermögensverwaltung sind inzwischen weitgehend abgeschlossen. Die Bundesvermögensverwaltung hat sich auch in dem von Ihnen zitierten Fall intensiv darum bemüht, die Übergabe der Verwaltung der gemeindeeigenen ehemaligen Schutzbauwerke im Einvernehmen mit den Eigentümern vorzunehmen. Das ist nicht in jedem Falle geglückt.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wimmer.
Herr Staatssekretär, können Sie Aufschluß darüber geben, wie sich die Bundesregierung bzw. die Bundesvermögensverwaltung im Falle von privaten Grundstückseigentümern verhält? Ist diese Absprache auch da vorgenommen worden?
Es ist interessant, Herr Kollege Wimmer, daß die Urteile, die ich zitierte, nicht etwa von der Bundesregierung veranlaßt worden sind. Würde es diese Urteile nicht geben, dann wäre die Bundesregierung immer noch der Meinung, die Aufbauten seien ihr Eigentum. Aber die Urteile gibt es. Sie sind ausgerechnet von privaten Eigentümern erwirkt worden, so daß Sie sich auf Grund dieser Mitteilung die Frage, die Sie gestellt haben, beantworten können.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie weiterhin darüber Aufschluß geben, wie die planungsrechtlichen Zuständigkeiten für diese Schutzbauten in Zukunft geregelt werden sollen? Werden die Gemeinden in eigener Kompetenz über Grund und Boden hier verfügen können, ohne daß die Bundesvermögensverwaltung bezüglich des Bau- und Planungsrechtes Einspruch einlegen oder Bedenken vortragen könnte?
Es wird sicher darauf ankommen, welche Verwendung man in Zukunft für das eine oder andere Bauwerk haben wird.
Herr Kollege Wimmer, ich möchte Ihre Frage jetzt nicht aus dem Handgelenk beantworten. Sie haben Anspruch auf gründliche Information. Ich sage Ihnen eine schriftliche Information zu.
Ich rufe die Frage 60 des Herrn Abgeordneten Wimmer auf:
Kann die Bundesregierung angeben, mit welchen jährlichen Unterhaltungskosten die Gemeinden für diese Schutzbauten rechnen müssen, und ist diese Absicht der Bundesvermögensverwaltung mit dem Bundesministerium des Innern insoweit abgestimmt, als dadurch Überlegungen zur Zivilverteidigung betroffen sind?
Bitte schön.
Herr Kollege Wimmer, der bauliche Zustand der ehemaligen Schutzbauwerke ist sehr verschieden. Im übrigen hängen die Art und Weise und der Umfang der anfallenden baulichen Unterhaltungen von den Absichten des jeweiligen Verfügungsbefugten ab. Hier wird das Problem angerissen, das wir vorhin angedeutet haben. Die Bundesregierung ist deshalb nicht in der Lage, anzugeben, mit welchen jährlichen Unterhaltungskosten künftig gerechnet werden muß.
Sie weist auch bei dieser Gelegenheit noch einmal auf folgendes hin: An baulicher Unterhaltung werden, soweit keine Absicht zur Nutzung der ehemaligen Schutzbauwerke besteht, wenn überhaupt, in absehbarer Zeit im wesentlichen nur Kosten im Zusammenhang mit der Verkehrssicherungspflicht anfallen. Von diesen Kosten wird der Bund die zur Abwendung von Gefahren nach § 19 Abs. 2 des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes erforderlichen Aufwendungen nach wie vor tragen. Sobald die ehemaligen Schutzbauwerke für Zivilschutzzwecke instandgesetzt worden sind, werden sämtliche zur baulichen Unterhaltung der Bauwerke notwendigen Zweckausgaben vom Bund getragen werden.
Bei den Maßnahmen der Bundesvermögensverwaltung handelt es sich um rein zivilrechtliche Maßnahmen zur Bereinigung von Liegenschaftsangelegenheiten. Gleichwohl sind die grundlegenden Entscheidungen in vollem Umfange mit dem Bundesministerium des Innern abgestimmt worden. Angesichts dessen, daß die zivilrechtlichen und die zivilschutzmäßigen Aspekte hier ohne jede sachliche Berührung nebeneinanderstehen, ist im übrigen nicht ersichtlich, daß durch die Maßnahmen der Bundesvermögensverwaltung Überlegungen zur Zivilverteidigung getroffen werden könnten.
({0})
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Möller.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung, wie zugesagt, noch im Laufe dieses Jahres die Konzeption über die zivile Verteidigung und damit auch über die Schutzbauten vorlegen können?
Davon, Herr Kollege Möller, werden Sie ausgehen können. Die Arbeiten an diesen Berichten sind im Gange.
Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe jetzt Frage 61 des Herrn Abgeordneten Niegel auf:
Ist die Bundesregierung noch der Überzeugung, daß die finanzielle Lage der Gemeinden keinen Anlaß zur Besorgnis gebe, die Finanzausstattung der Gemeinden keiner Besserung bedürfe und daß es lediglich zu den Eigenschaften der Kommunalpolitiker gehöre, über die Finanznot der Gemeinden zu klagen und Forderungen zur Verbesserung zu erheben, wie sich Staatssekretär Karl Haehser nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung äußerte?
Herr Kollege Niegel, die Bundesregierung veröffentlicht in periodischen Abständen Berichte über die finanzielle Entwicklung der Gebietskörperschaften. Sie bewertet die Ergebnisse einer einzelnen Ebene entsprechend der verfassungsrechtlichen Zuständigkeit des Bundes nur im Vergleich mit den übrigen Gebietskörperschaften des Gesamtstaates. Bei der jährlichen Berichterstattung des Bundesministeriums der Finanzen über die Entwicklung der Gemeindefinanzen im abgelaufenen Jahr hatte ich im April darauf hingewiesen, daß für Städte und Gemeinden das Jahr 1976 finanzpolitisch ein Jahr der Konsolidierung war.
Sie zitieren nun im Oktober einen Zeitungsausschnitt vom April. Ich nehme nicht an, daß es zu Ihrer Herbstoffensive gehört, jetzt auf diesen Artikel zurückzukommen. In diesem Artikel hatte ich übrigens nicht von den Eigenschaften der Kommunalpolitiker, über die Finanznot der Gemeinden zu klagen, sondern von den Aufgaben gesprochen. In dem ausgedruckten Text meiner Pressemitteilung ist davon übrigens nicht die Rede. Vielmehr habe ich diesen Text erläutert und aus der Erfahrung eines ehemaligen Kommunalpolitikers gesprochen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Niegel.
Herr Staatssekretär, seit April ist eine gewisse Zeit vergangen, wir haben jetzt etwas mehr Abstand, und wir haben auch das Steuerpaket hinter uns, das die Gemeinden erheblich belastet. Können Sie uns jetzt konkret zur finanziellen Situation der Gemeinden etwas sagen? Denn die Zahlen, die mir vorliegen, sind alles andere als so, daß man sagen könnte, es gebe hinsichtlich der finanziellen Entwicklung in den Gemeinden keine Besorgnis.
Herr Kollege Niegel, die seinerzeit von mir vertretene Auffassung, die Entwicklung der Gemeindefinanzen sei besser als von den Gemeinden und Gemeindeverbänden vermutet, ist von autorisierter Seite, nämlich von den Sprechern der Gemeinden und Gemeindeverbände, bestätigt worden. So heißt es beispielsweise in einer Eingabe der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände an den Deutschen Bundestag vorn 23. September 1977:
Es ist richtig, daß durch intensive Sparbemühungen eine gewisse Konsolidierung der kommunalen Haushalte erreicht werden konnte.
Und in einer Entschließung der kommunalen Spitzenverbände vom 10. Oktober 1977 stellen diese fest:
Eine relativ günstige Entwicklung ,der effektiven Steuereinnahmen seit 1976 hat die Konsolidierungsanstrengungen unterstützt.
Sie fragen aber nicht nur nach der Vergangenheit, sondern auch nach der Gegenwart. Dazu kann ich Ihnen sagen, daß die ersten uns vorliegenden Ergebnisse aus 1977 darauf hindeuten, daß sich die
Konsolidierungstendenzen in den gemeindlichen Haushalten im laufenden Jahr fortsetzen werden. So betrug im ersten Halbjahr 1977 die Nettokreditaufnahme der Gemeinden nur 1,5 Milliarden DM; das sind 40 0/0 weniger als im ersten Halbjahr 1976. Gewiß verkenne ich nicht, daß die Nettokreditaufnahme der Gemeinden auch mit 'dem die Kreditaufnahme betreffenden Leistungsvermögen zusammenhängt. Aber sie hängt auch damit zusammen, daß - nicht zuletzt durch die Gemeindefinanzreform - den Gemeinden Mittel ,des Bundes oder aus Bundessteuern zufließen, 'die sie vor der Gemeindereform nicht hatten.
Ich nenne Ihnen gern einmal .die Zahlen. Durch die Gemeindefinanzreform ist die den Gemeinden gegebene Summe von 1,97 Milliarden DM im Jahr 1970 auf nunmehr 8,3 Milliarden DM gestiegen. Hinzu kommt - ich gebe das durchaus nicht vollständig an -, daß natürlich das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz oder das Krankenhausfinanzierungsgesetz oder die Konjunkturprogramme, aber auch 'die Gemeinschaftsaufgaben durch andere öffentliche Hände den 'Gemeinden Lasten wegnehmen, die sie früher allein zu tragen hatten. Damit sind Leistungen bewerkstelligt worden, die früher gar nicht möglich waren.
Haben Sie noch eine Zusatzfrage? Bitte.
Herr Staatssekretär, da Sie von der Eingabe der Spitzenverbände sprechen, so darf ich 'demgegenüber auch einige Sätze zitieren, die Sie vielleicht wohlweislich nicht vorgetragen haben. Dort heißt es:
Durch das 'im Sommer verabschiedete Steuerpaket 1977 werden die Kommunen schon 1978 mit 1,6 Milliarden DM belastet. Es ist abzusehen, daß eine Abdeckung über die Finanzausgleiche in ,den Ländern auch nicht annähernd erreicht wird. Die jetzt bevorstehenden Steuererleichterungen kosten die Städte, Gemeinden und Kreise bereits 1978 mindestens zusätzlich 1,6 Milliarden DM. In den folgenden Jahren steigen diese Haushaltsmehrbelastungen noch erheblich.
Ich hatte, Herr Kollege Niegel, in meiner Antwort wohlweislich nicht darauf 'Bezug genommen, damit ich dies als Material für eine Zusatzfrage von Ihnen habe, die Sie denn auch prompt gestellt haben.
({0})
Die Auswirkungen des vor 'der Sommerpause verabschiedeten Steuerpakets dürfen nicht isoliert betrachtet werden, sondern müssen im Zusammenhang mit der Umsatzsteuerneuverteilung und der Übernahme von Kindergeldzahlungen durch den Bund gesehen werden. Eine zusammenfassende, nicht umstrittene Betrachtung der drei genannten finanzwirksamen Maßnahmen zeigt, daß der Bund mit 1,7 Milliarden DM und die Gemeinden mit rund 300 Millionen DM betroffen sind, während die Länder sich 'um knapp 1 Milliarde DM verbessern konnten.
Die Vertreter der Länder - auch des Landes, aus dem ich komme - haben im übrigen gesagt oder zu erkennen gegeben, daß sie das, was sie durch die Umsatzsteuerneuverteilung „eingeheimst" haben - bitte, entschuldigen Sie den saloppen Ausdruck -, zum Teil den Gemeinden wieder abgeben wollen. Insofern sind manche Besorgnisse, die von den Gemeinden im Zusammenhang mit diesem Steuerpaket geäußert worden sind, wohl verständlich, aber nicht in dem Ausmaß berechtigt gewesen; denn die Länder zeigen sich gegenüber den Gemeinden, für die sie zuständig sind, zahlungswillig.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kühbacher.
Herr Staatssekretär, Sie haben über die Nettokreditaufnahme der Gemeinden gesprochen. Sind Sie mit mir der Ansicht, daß der Rückgang der Nettokreditaufnahme möglicherweise auf ein Einwirken der kommunalen Aufsichtsbehörden zurückzuführen ist? Oder läßt sich hier die Erkenntnis bestätigen, daß die Gesamtzusammensetzung des Vermögenshaushalts in seiner Einnahmesituation eine größere Kreditaufnahme der Gemeinden nicht erfordert, weil andere Finanzierungsmöglichkeiten des Bundes - Zuweisungen, Selbstfinanzierungsquote - zur Verfügung stehen?
Nun, ich will hierzu, um diesen Teil der Fragestunde nicht über Gebühr auszudehnen, gern bemerken, daß ich mit Ihnen der Meinung bin, daß die kommunalen Aufsichtsbehörden den Investitionswillen und den Kreditaufnahmewillen der Gemeinden manchmal bremsen. Insofern haben Aufsichtsbehörden - wer darin einen Vorwurf sehen will, der mag das bitte tun - den Weg der Bundesregierung nicht immer begleitend unterstützt, antizyklisch zu wirken. Das muß ich zugeben.
Im übrigen ließe sich natürlich, Herr Kollege Kühbacher, zu Ihrer Frage noch vieles sagen. Ich habe mir auch dazu meine Notizen gemacht. Aber Ihnen kam es sicher darauf an, von mir bestätigt zu bekommen, daß ich der Meinung bin, daß die kommunalen Aufsichtsbehörden die Gemeinden und die Gemeindeverbände oft daran hindern, Kredite in dem Maße aufzunehmen, wie es die Selbstverwaltungskörperschaft für richtig hält.
Ich bitte die nächsten Fragesteller, kurze Fragen zu stellen. Ich bitte auch den Herrn Staatssekretär, so kurz wie möglich zu antworten.
Herr Kollege Ey.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung Vorstellungen, in welcher Höhe auf lange Sicht kommunale Steuererhöhungen zwangsläufig dadurch stattfinden müssen, daß für öffentliche Maßnahmen umfangreiche Konjunkturmittel, die ja begrüßenswert sind, in Anspruch genommen worden sind?
Nun, Herr Kollege, ich sehe nicht ganz den Zusammenhang mit den gestellten Fragen, die sich mit einem Artikel befaßten. Und dieser Artikel vom April befaßte sich wiederum mit Ausführungen von mir vor einer Pressekonferenz. Ich habe deswegen auch die Ubersicht, wenn es sie gibt, nicht zur Hand, will aber gerne prüfen, ob es eine solche Ubersicht gibt.
Ich muß natürlich auch einmal sagen dürfen, daß in den Gemeinden und Gemeindeverbänden, Herr Kollege, zwischenzeitlich - Gott sei Dank - mit aller Hilfe auch schon viel erledigt worden ist.
Danke. Herr Staatssekretär, Sie haben recht, daß das weit über den Inhalt der Frage hinausging. - Das Wort zu einer Zusatzfrage haben noch Herr Dr. Möller und Herr Glos.
Zuerst Herr Möller.
Herr Staatssekretär, darf ich aus dem ersten Teil Ihrer Antwort und aus Ihren Ausführungen über die Verschuldung der Gemeinden folgern, daß die Bundesregierung der Auffassung ist, eine noch höhere Verschuldung der Gemeinden vertretbar oder gar wünschenswert ist?
Ich antworte mit dem, was der Bund für sich für richtig hält, nämlich in Zeiten, in denen es die wirtschaftlichen Abläufe erfordern, fehlende private Nachfrage durch öffentliche Nachfrage zu ersetzen.
({0})
Das kann der Bund nur durch eine erhöhte Kreditaufnahme tun.
Sie sind in diesen Tagen mit einem Haushaltsentwurf konfrontiert worden, der genau diesem Gedanken Rechnung trägt. Als Folge dieses Gedankens gibt es die erhöhte Kreditaufnahme. Wir wünschten, daß andere Gebietskörperschaften - selbstverständlich im Rahmen ihrer Möglichkeiten - dem Beispiel des Bundes folgen und nicht, wie oft zu beobachten, seine Absichten unterlaufen würden.
({1})
Eine letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Glos.
Herr Staatssekretär, teilen Sie die Kritik des Herrn Bundeskanzlers an der mangelnden Investitionsbereitschaft der Gemeinden, und würden Sie mir darin zustimmen, wenn ich ausführe, daß die Ursache dafür die berechtigte Angst der Gemeinden vor den Folgekosten öffentlicher Investitionen ist? Die Gemeinden sind jetzt schon nicht mehr in der Lage,
Danke, danke! Keine Begründung!
- - dies aus ihrem laufenden Haushalt zu bestreiten.
Es ist so, Herr Kollege, daß sich die Bundesregierung bei allen Programmen, beispielsweise Konjunkturprogrammen, in engem Einvernehmen mit den Ländern und den Spitzenverbänden bemühte, nur solche Bereiche in den Kreis der Förderung einzubeziehen, für die mit keinen oder nur geringen Folgelasten zu rechnen ist. Insofern ist also dem Vorbringen von Gemeinden und Gemeindeverbänden Rechnung getragen worden.
Ich habe im übrigen nicht den Eindruck, daß es bei Gemeinden und Gemeindeverbänden Angst gibt, zu investieren, sondern ich habe eher den Eindruck, daß es Hemmnisse gibt, z. B. solcher Art, wie wir sie vorhin im Zusammenhang mit der Frage des Kollegen Kühbacher erörtert haben.
Ich rufe die Frage 62 des Herrn Abgeordneten Böhm ({0}) auf:
Trifft es zu, daß in der Bundesrepublik Deutschland für Beiträge und Spenden an die Deutsche Kommunistische Partei, den Kommunistischen Bund Westdeutschland, die Kommunistische Partei Deutschland, die Kommunisten Deutschlands - Marxisten - Leninisten, die Sozialistische Einheitspartei Westberlin und an andere verfassungsfeindliche Parteien die steuerliche Abzugsfähigkeit nach § 10 b Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes gestattet ist, und wenn ja, welche Folgerungen zieht die Bundesregierung daraus?
Herr Kollege Böhm, bereits in den Antworten auf die schriftlichen Anfragen Ihrer Fraktionskollegen Vogel für die Fragestunde im Juli 1974 und Biehle für die Fragestunde im September 1974 ist dargelegt worden, daß kraft Gesetzes - § 10 b Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes - jede politische Vereinigung zum Empfang steuerbegünstigter Spenden berechtigt ist, die eine Partei im Sinne des § 2 des Parteiengesetzes darstellt und die nicht durch Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts für verfassungswidrig erklärt worden ist. Wegen der Einzelheiten darf ich auf die Bundestagsdrucksache 7/2492, Seite 8, verweisen. Die in Ihrer Frage aufgeführten politischen Vereinigungen sind Parteien im Sinne des Parteiengesetzes. Sie können deshalb vom Empfang steuerbegünstigter Spenden nicht ausgeschlossen werden.
Eine Zusatzfrage, bitte, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, sind Sie angesichts der Entwicklung in der Zeit seit 1974 bereit, aus dieser Rechtslage, die Sie soeben geschildert haben, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen und eine Novellierung des Einkommensteuergesetzes mit dem Ziel vorzusehen, vom Bundesminister des Innern als verfassungsfeindlich erkannte Parteien von solchen finanziellen Wohltaten auszuschließen?
Herr Kollege, Gesetzesinitiativen sind nicht nur Sache der Bundes3788
regierung, sondern sie können aus sehr gut erwogenen Gründen auch aus der Mitte des Parlaments kommen. Ich wundere mich, daß, nachdem solche Antworten, wie ich sie jetzt gegeben habe, bereits 1974 Ihren Fraktionskollegen Vogel und Biehle gegeben worden sind, Sie die Möglichkeit einer Gesetzesinitiative nicht ergriffen haben.
Eine zweite Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihrer Antwort schließen, daß die Bundesregierung eine solche Initiative nicht plant und sie der Opposition überläßt?
Sie dürfen aus meiner Antwort genau das schließen, was ich gesagt habe.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jäger ({0}).
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihrer Antwort schließen, daß die Bundesregierung deswegen eine Novellierung des Einkommensteuergesetzes zur Vermeidung von verfassungsfeindlichen Staatsausgaben an entsprechende Parteien nicht vornimmt, weil sie etwa selber beabsichtigt, dafür zu sorgen, daß das Bundesverfassungsgericht diese Sache durch eine entsprechende Verfassungswidrigkeitserklärung überflüssig macht?
Auch Sie, Herr Kollege Jäger, dürfen aus meinen Antworten nur das schließen, was ich gesagt habe; aber da ich mich nicht damit begnügen will, zwei Kollegen gegenüber nur das gleiche zu sagen, möchte ich noch eine Variante hinzufügen: Hierbei geht es nicht nur um die Änderung eines Steuergesetzes, sondern z. B. auch um eine Änderung des Parteiengesetzes. Hier wäre gegebenenfalls eine Initiative der Parteien eher als eine Initiative der Bundesregierung angebracht. Ich selber habe mit dem Parteiengesetz z. B. bei Wahlen oft umzugehen und muß Ihnen sagen: Dieses enthält unter Umständen einige Dinge, die reformwürdig sind.
Ich rufe die Frage 63 des Herrn Abgeordneten Schmidt ({0}) auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Neuregelung der Umsatzbesteuerung für Altenheime ({1}) ab 1. Januar 1977 zu einer erheblichen Verschlechterung der Rechtslage für diejenigen kirchlichen Altenheime geführt hat, die in der Form einer juristischen Person des Privatrechts betrieben werden?
Frau Präsidentin, wenn der Herr Kollege einverstanden ist, möchte ich gern beide Fragen zusammen beantworten.
Das ist der Fall. Dann rufe ich auch die Frage 64 des Herrn Abgeordneten Schmidt ({0}) auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um diese Benachteiligung gegenüber den in Eigengesellschaften geführten Altenheimen zu beseitigen?
Herr Kollege Schmidt, die von Ihnen angesprochene Änderung der Umsatzsteuerbefreiung für Altenheime gemäß § 4 Nr. 16 des Umsatzsteuergesetzes ist im Rahmen des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung 1977 erfolgt. Durch diese Änderung wurde die Umsatzsteuerbefreiung an die gewerbesteuerrechtliche Regelung für Altenheime angepaßt. Nach dem Gewerbesteuerrecht waren und sind nur die Altenheime, die unmittelbar von juristischen Personen des öffentlichen Rechts betrieben werden, ohne weitere Voraussetzung von der Gewerbesteuer befreit. Werden Altenheime von juristischen Personen des öffentlichen Rechts in der Form privatrechtlicher Gesellschaften betrieben, sind sie nur dann gewerbesteuerfrei, wenn sie die für private Altenheime erforderlichen Voraussetzungen erfüllen. Die wesentliche Voraussetzung besteht darin, daß die privaten Altenheime nur dann gewerbesteuerfrei sind, wenn mindestens zwei Drittel ihrer Leistungen wirtschaftlich bedürftigen Personen zugute kommen.
Bei der Beratung des genannten Einführungsgesetzes haben die gesetzgebenden Körperschaften die gewerbesteuerrechtliche Regelung als sachgerecht angesehen. Sie wurde deshalb für das Gebiet der Umsatzsteuer übernommen. Die Bundesregierung teilt diese Auffassung des Gesetzgebers, zumal die Regelung zu einer gleichmäßigen Behandlung aller privatrechtlich organisierten Altenheime bei beiden Steuerarten führt.
Übrigens ist der Bundesregierung nicht bekannt, daß die Änderung der Rechtslage allgemein zu einer steuerrechtlichen Mehrbelastung der in privatrechtlicher Form organisierten kirchlichen Altenheime geführt hat. Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, den gesetzgebenden Körperschaften eine Änderung der Rechtslage vorzuschlagen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, in der Praxis bereitet die gegenwärtige Regelung erhebliche Schwierigkeiten dadurch, daß es notwendig ist, nachzuweisen, daß zwei Drittel dieser Leistungen begünstigten Personenkreisen wirklich zugute kommen, und -
Bitte eine Frage stellen!
Darf ich Sie fragen, ob es möglich ist, die Nachweispflicht an dieser Stelle so festzusetzen, daß es den Altenheimen erspart bleibt, alle vier Wochen oder alle Vierteljahre erneut eine solche Befreiung beantragen zu müssen?
Herr Kollege Schmidt, ich sehe in Ihrer Frage nicht den Wunsch, auf die Nachweispflicht künftig zu verzichten, sonParl. Staatssekretär Haehser
dern Sie wollen, daß überprüft wird, ob man das nicht praktikabler, einfacher machen kann. Ich bin gern bereit, eine solche Überprüfung zuzusagen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kuhlwein.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, darüber nachzudenken und zu prüfen, ob nicht durch die eben angesprochene Umsatzbesteuerung bei Altenheimen - da ja die Umsatzsteuer auf den Verbraucher überwälzt wird - eine Ungleichbehandlung zwischen Bewohnern privater Altenheime und Bewohnern öffentlich-rechtlich organisierter Altenheime entstehen könnte?
Die Bundesregierung, Herr Kollege, ist natürlich bereit, darüber nachzudenken. Sie hat ja auch gemeinsam mit Ihnen allen darüber nachgedacht und ist zu eben den gesetzlichen Regelungen gekommen, die wir einvernehmlich, soviel ich weiß sogar einstimmig, getroffen haben.
Keine weitere Zusatzfrage. Die Behandlung Ihres Geschäftsbereiches ist damit beendet. Ich bedanke mich für die ausführliche Beantwortung der vielen Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes auf. Herr Staatssekretär Bölling steht zur Beantwortung der Frage 166 des Herrn Abgeordneten Niegel zur Verfügung:
Trifft es zu, daß das Bundespresseamt dem Vorsitzenden der Bayerischen Gesellschaft zur Förderung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion, Erwin Essel, geraten hat, zu dem Vorfall in München, bei dem der sowjetische Informationsminister und Generalsekretär der TASS, Samjatin, einem russischen Emigranten, dessen acht Familienangehörige bei der Oktoberrevolution umgebracht wurden, erklärte: „Es tut mir leid, daß Sie nicht der neunte waren!", keine Stellungnahme abzugeben, und welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus?
Herr Abgeordneter Niegel, Ihre Frage kann ich mit einem klaren Nein beantworten. Deshalb sehe ich auch keine Veranlassung für die Bundesregierung, irgendwelche Konsequenzen zu ziehen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Niegel.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß jetzt mit Ihrer Antwort zwei Behauptungen im Raum stehen, eine Behauptung praktisch, daß ein Bediensteter des Bundesamtes mit Herrn Essel nicht telefoniert hat, und zum zweiten hat der Herr Essel, ehemaliger Gewerkschaftsführer in Bayern und jetzt Vorsitzender dieser Freundesvereinigung, erklärt, und zwar gegenüber einem Journalisten des Bayerischen Rundfunks, dem Fernsehjournalisten Herrn Below, er habe mit dem Bundespresseamt telefoniert, und das Bundespresseamt habe ihn gebeten, keine Stellungnahme zu dem Vorgang abzugeben, bei dem Herr Samjatin gesagt hat: „Es tut mir leid, daß Sie nicht der neunte waren, der bei der Oktoberrevolution umgebracht wurde"?
Herr Abgeordneter, ich weiß nicht, wieviel Zeit Sie für Ihre Recherchen über diesen Vorgang in München gehabt haben. Ich jedenfalls habe mir die Mühe gemacht, sehr gründlich zu recherchieren und habe Ihnen meine Antwort wohlüberlegt gegeben. Der ehemalige DGB-Vorsitzende in Bayern und jetzige Vorsitzende der Gesellschaft, unter deren Dach sich der Vorfall zugetragen hat, hat zu keiner Zeit mit dem Bundespresseamt oder irgendeinem Bediensteten dieses Amtes gesprochen. Deshalb entfällt die Prämisse Ihrer Frage.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wollen Sie damit behaupten, daß Herr Essel, Senator in Bayern, gegenüber dem Bayerischen Rundfunk nicht die Wahrheit gesagt hat?
Nein, Herr Abgeordneter, das behaupte ich nicht. Herr Essel hat mir gesagt, daß er von einem Reporter des Bayerischen Rundfunks gefragt worden sei, ob er sich in der Lage sehe, eine Stellungnahme zu dem Zwischenfall in der Gesellschaft in München abzugeben. Er hat eine solche Stellungnahme abgelehnt, aber nicht etwa mit der Bemerkung, er sei durch das Bundespresseamt gebeten worden, sich zu dieser Thematik nicht zu äußern. Das hat er mir gestern in einem Telefonat klipp und klar gesagt.
Er hat mir allerdings mitgeteilt, er habe nach dem Zwischenfall, nach der Kontroverse zwischen dem sowjetischen Informationsminister und einem russischen Emigranten, der in der von Hitler beschäftigten Wlassow-Armee gedient hat, gesagt, daß er bei allem Respekt vor dem Gast dessen Äußerung, die im Zustand emotionaler Erregung gefallen zu sein scheint, als Vorsitzender der Gesellschaft nicht einfach übergehen könne. Herr Essel hat mir überdies mitgeteilt - Herr Abgeordneter, es wäre für Sie vielleicht nicht uninteressant, das in München in Ihre Recherchen einzubeziehen -, daß der bayerische Wirtschaftsminister Jaumann, Mitglied der Christlich-Sozialen Union, in der Diskussion nach der Äußerung des sowjetischen Informationsministers von der Notwendigkeit und dem Nutzen der deutschsowjetischen Handelsbeziehungen gesprochen, deren Verbesserung gefordert und im übrigen festgestellt hat, die Sowjetunion sei ein verläßlicher Partner. Vielleicht ist diese Information für Sie ganz nützlich.
({0})
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger ({0}).
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihrer verneinenden Antwort auf die Frage des Kollegen Niegel den Schluß ziehen, daß die Bundesregierung genauso wie jeder menschlich empfindende Zeitungsleser die Äußerungen des Herrn Ministers Samjatin für unglaubliche und zynische Entgleisungen hält, die man ungerügt nicht hätte durchgehen lassen dürfen?
Herr Abgeordneter Jäger, ich habe bereits deutlich gemacht, mit welchem Kommentar der Vorsitzende der Gesellschaft, nämlich Herr Essel, den Vorgang kommentiert hat, während Herr Jaumann mit keiner Silbe zu dem Vorgang Stellung genommen hat.
({0})
Im übrigen habe ich auch in der Antwort auf die Frage des Abgeordneten Niegel gesagt, daß nach der Darstellung der Beteiligten der sowjetische Informationsminister ganz offenkundig im Zustand emotionaler Erregung diese Äußerung getan hat. Ich halte es immerhin für möglich, daß er beim Überdenken dieser Äußerung anderntags vielleicht bedauert hat, sich so ausgedrückt zu haben.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Glos.
Herr Staatssekretär, warum hat die Bundesregierung auf Grund des Kommentars von Herrn Franz Schönhuber im Bayerischen Fernsehen vom 12. Oktober 1977, der diese Intervention des Bundespresseamtes scharf angegriffen hat, dann nicht mit einer Gegendarstellung reagiert?
Herr Abgeordneter, bei allem Respekt vor der Tüchtigkeit der bayerischen Journalisten, die im „Bayern-Journal" arbeiten und ja auch immer sehr auf Ausgewogenheit achten,
({0})
wofür der Redakteur Schönhuber in München ja gerade sprichwörtlich ist:
({1})
Wir beobachten sehr viel im Bundespresseamt. Sie erhalten selber in Gestalt unserer Kommentarübersicht Kenntnis davon. Aber ich muß bekennen, daß ich diesen Kommentar erst vorgestern auf den Schreibtisch bekommen habe, weil wir uns auf die überregionalen Sendungen konzentrieren müssen. 'Sonst würde das den Steuerzahler noch mehr Geld kosten.
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Letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka.
Herr Staatssekretär, ist es eine neue Gepflogenheit des Bundespresseamtes, eine Nachzensur journalistischer Arbeiten vorzunehmen?
Nein, Herr Abgeordneter Dr. Hupka. Sie kennen mich doch leidlich oder ganz gut und wissen, daß ich zur Nachzensur so wenig aufgelegt bin und es je war wie zur Vorzensur. Aber ich halte es immerhin für bedenklich, wenn ein verantwortlicher Redakteur irgendeines deutschen Senders oder eines anderen Mediums Behauptungen verbreitet, die nicht der Wahrheit entsprechen.
Damit ist diese Frage beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen auf. Frau Staatsminister Dr. Hamm-Brücher steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Frage 104 des Herrn Abgeordneten Hansen wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Frage 136 des Herrn Abgeordneten Blumenfeld:
Welche Beweggründe haben die Bundesregierung veranlaßt, die jüngste amerikanisch-sowjetische Erklärung zur Lage im Nahen Osten zu unterstützen?
Bitte sehr, Frau Staatsminister.
Frau Präsidentin, die Frage 136 beantworte ich wie folgt.
Bundesminister Genscher hatte am Sonntag, dem 2. Oktober, ein ausführliches Gespräch mit dem jordanischen Kronprinzen Hassan, der sich auf Einladung der Bundesregierung in Bonn aufhielt. Dabei wertete Kronprinz Hassan die amerikanisch-sowjetische Erklärung als wichtigen Schritt auf dem Wege zur Wiedereinberufung der Genfer Konferenz, die bekanntlich die Kopräsidentschaft der Vereinigten Staaten von Amerika und der Sowjetunion vorsieht.
Bundesminister Genscher benutzte seine Tischrede bei einem Essen zu Ehren des jordanischen Kronprinzen am 3. Oktober dazu, folgendes auszuführen:
Wir begrüßen es, daß die USA und die Sowjetunion gemeinsam in ihrer Erklärung vom 1. Oktober 1977 den baldigen Beginn der Genfer Konferenz gefordert haben. Wir begrüßen es ferner, daß diese Erklärung im wesentlichen mit den Grundsätzen übereinstimmt, die die Bundesrepublik Deutschland und die anderen Staaten der Europäischen Gemeinschaft wiederholt als notwendige Bestandteile einer Friedenslösung bezeichnet haben.
In den Ausführungen Bundesminister Genschers sind somit bereits die Gründe genannt, die die Bundesregierung zu einer positiven Wertung der amerikanisch-sowjetischen Erklärung bewogen haben. Ihre Vorstellung von einer Friedensregelung hatten die Staaten der Europäischen Gemeinschaft am 29. Juni 1977 und in der Rede des belgischen Außenministers in der diesjährigen Generalversammlung der Vereinten Nationen am 26. September 1977 in New York dargelegt. Bundesminister Genscher hatte sich hierzu in seiner Rede in New York am 29. September gleichfalls geäußert.
Zusatzfrage, Kollege Blumenfeld.
Darf ich die Bundesregierung fragen, ob ihr, als sie diese Erklärung durch den Außenminister abgab, bekannt war, daß zur selben Zeit die USA schon von der gemeinsamen Erklärung mit der Sowjetunion in einigen wichtigen Bereichen abgerückt war bzw. sie durch die Erklärung modifiziert hatte, die Präsident Carter mit dem israelischen Außenminister Dayan vereinbart hatte.
Herr Kollege, mir ist jetzt natürlich nicht bekannt, ob dies Herrn Bundesminister Genscher bei dem Mittagessen bekannt war. Mir ist aber die Erklärung, auf die Sie eben Bezug genommen haben, bekannt. Sie ist in der Tat eine wichtige Erklärung, die aber doch nun wohl im einzelnen keine substantielle Änderung der Erklärung der Sowjetunion und der Vereinigten Staaten enthält. Sie stellt vielmehr noch einmal in drei Punkten klar - ich habe die Erklärung vorsorglich mitgebracht -, daß die Resolutionen 242 und 338 die Grundlage der Genfer Konferenz bleiben - das war ja wohl die Ausgangsposition -, daß die amerikanisch-israelischen Zusatzvereinbarungen zum zweiten Sinai-Abkommen Gültigkeit behalten und daß von Israel nicht verlangt wird, sich die sowjetisch-amerikanische Erklärung zu eigen zu machen. In dieser Form der Interpretation hat es wohl eine, wie ich meine, erfreuliche Verständigung zwischen dem israelischen Außenminister und dem amerikanischen Präsidenten gegeben.
Zusatzfrage, Herr Kollege Blumenfeld.
Würde es die Bundesregierung nicht als hilfreich und richtig ansehen, wenn sie in Zukunft bei dem sonst so eifrig von ihr verfolgten Bemühen um gemeinsame europäische außenpolitische Erklärungen zu Spannungsgebieten bleibt und nicht mit einseitigen Erklärungen von dieser Tragweite vorprellt?
Herr Abgeordneter Blumenfeld, dies ist ja nicht geschehen. Bundesaußenminister Genscher hat sich vielmehr auf die Erklärung bezogen, die der Kronprinz Hassan begrüßt hatte. Er hatte rekurriert auf die gemeinsame Erklärung der Neun und auf die Rede des belgischen Außenministers vor den Vereinten Nationen. Er hat also keine eigene Stellungnahme abgegeben, sondern sich nur darauf bezogen.
Herr Abgeordneter Dr. Mertes zu einer Zusatzfrage.
Frau Staatsminister, hat es spontane Zustimmungserklärungen dieser Art auch von anderen Staaten und Regierungen der Europäischen Gemeinschaft gegeben?
Herr Kollege, ich bedaure, Ihnen hierzu im Augenblick nur antworten zu können: abgesehen von den vorher genannten meines Wissens nicht.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Graf Huyn.
Frau Staatsminister, ist es dann nicht doch richtig, daß das eine isolierte Erklärung eines Mitglieds der Europäischen Gemeinschaft gewesen ist?
Nein, Herr Kollege Graf Huyn, das ist nicht der Fall. Ich habe ja wiederholt gesagt, worauf sich Außenminister Genscher bezogen hat und daß er sich in voller Übereinstimmung mit den genannten Erklärungen befindet.
Ich rufe die Frage 137 des Herrn Abgeordneten Blumenfeld auf:
Kann die Bundesregierung erläutern, was sie bei ihrer Nahostpolitik unter der allgemeinen Aussage „die legitimen Rechte des palästinensischen Volks anzuerkennen" konkret versteht?
Die Frage 137 beantworte ich, Frau Präsidentin, wie folgt.
Die Bundesregierung hat zusammen mit ihren europäischen Partnern in der Erklärung vom 29. Juni 1977 erläutert, daß das palästinensische Volk ein legitimes Recht auf effektiven Ausdruck seiner nationalen Identität hat und daß dieses Recht in die Wirklichkeit umgesetzt werden soll. Die Neun sind übereinstimmend der Auffassung, daß dabei der Notwendigkeit eines Heimatlandes für das palästinensische Volk Rechnung zu tragen ist. Die Bundesregierung hat wiederholt darauf hingewiesen, daß diese Rechte der Palästinenser und das Recht Israels auf Existenz in sicheren und anerkannten Grenzen einander nicht ausschließen, sondern als gleichrangig miteinander in Einklang gebracht werden müssen. Ich darf darauf hinweisen, daß sich die Neun hierbei - wie vorhin schon diskutiert, Herr Kollege - in Übereinstimmung mit der amerikanischen Regierung und dem weitaus überwiegenden Teil der Staatengemeinschaft befinden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Blumenfeld.
Frau Staatsminister, können Sie bestätigen, daß das Königreich Jordanien im Zusammenhang mit der von mir gestellten grundsätzlichen Frage auch in Bonn hat durchblicken lassen, daß es keinen unabhängigen Palästinenserstaat wünscht, sondern eine mit Jordanien verbundene palästinensische Einheit?
Herr Kollege Blumenfeld, auf diese Frage ist in keiner der heute hier diskutierten Resolutionen Bezug genommen. Diese Frage bleibt Gegenstand der Genfer Nahostverhandlungen.
Eine zweite Zusatzfrage.
Frau Staatsminister, welche Feststellung trifft die Bundesregierung angesichts des Tatbestandes, daß seit der Gründung des Staates Israel, also von 1948 bis 1967, die arabischen Staaten und Ägypten jede Gelegenheit hatten, das Problem des Heimatrechts der Palästinenser in eigener Verantwortung zu lösen, ohne sich an die Vereinten Nationen zu wenden und ohne mit Israel im Streit zu liegen?
Herr Abgeordneter, ich muß dazwischenschalten: Ihre Zusatzfrage geht wirklich über die von Ihnen eingereichte Frage hinaus, in der Sie danach fragen, was unter den legitimen Rechten des palästinensischen Volkes verstanden wird. Aber wenn Frau Staatsminister diese Frage beantworten will, selbstverständlich.
Herr Kollege Blumenfeld, da ich sehr gut ermessen kann und verstehe, was Sie dabei bewegt, ich hierauf aber nur eine persönliche und keine verbindliche Antwort geben könnte, schlage ich vor, daß wir uns darüber gelegentlich unterhalten.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mertes.
Frau Staatsminister, ist der Bundesregierung bekannt, wegen welcher Passagen der sowjetisch-amerikanischen Nahosterklärung sich die amerikanische Regierung dahin gehend geäußert hat, sie mute der israelischen Regierung nicht zu, diese Erklärung zu übernehmen bzw. sich inhaltlich mit ihr zu identifizieren?
Verzeihen Sie, Herr Kollege, das ist eine Zusatzfrage zur ersten von Herrn Blumenfeld eingereichten Frage, nicht jedoch zur zweiten von ihm eingereichten Frage, wenn ich das richtig sehe.
({0})
- Aber Sie sprechen doch von der Erklärung, die von den Sowjets und den Amerikanern abgegeben worden ist. Diese Erklärung hat Herr Blumenfeld in seiner ersten Frage angesprochen.
({1})
- Wenn Sie es so sehen, natürlich. Das wiederholt sich dann allerdings.
Frau Präsidentin, ich gehe davon aus, daß immer Erklärungen von Dritten und Vierten keine Verbindlichkeit für die Adressaten haben.
Keine weitere Zusatzfrage dazu. Ich rufe die Frage 138 des Herrn Abgeordneten Dr. Mertes auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung unter bündnispolitischen Gesichtspunkten militärischer und psychologischer Natur den Abschluß des Abkommens zwischen den Streitkräften der UdSSR und Frankreichs über die gegenseitigen Beziehungen in den Jahren 1977/78 vom 21. Juni 1977 ({0}) ?
Bitte sehr, Frau Staatsminister.
Frau Präsidentin, die Frage 138 beantworte ich wie folgt.
Das von Ihnen genannte Abkommen zwischen den Streitkräften der UdSSR und Frankreichs, Herr Kollege Mertes, ist lediglich eine technische Vereinbarung zur Regelung desgegenseitigen militärischen Besuchsaustauschs. Diese Regelung ist die zweite ihrer Art und stellt nur eine Fortschreibung der Vereinbarung für die Jahre 1975 und 1976 dar. Der Vereinbarung kommt aus westlicher Sicht keine besondere militärpolitische Bedeutung zu. Ich darf im übrigen darauf hinweisen, daß der Besuchsaustausch von Militärpersonen und -delegationen in der KSZE- Schlußakte in dem Abschnitt über vertrauensbildende Maßnahmen ausdrücklich vorgesehen ist.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Marx.
Frau Staatsminister, Sie sagten eben, aus westlicher Sicht habe die Sache keine besondere militärpolitische Bedeutung. Würden Sie dieses Urteil auch aufrechterhalten, wenn Sie sich die Bilder vergegenwärtigen, die in der sowjetischen Presse bei der Unterzeichnung dieses Vertrages abgedruckt worden sind, die eine Reihe besonders hochrangiger sowjetischer Offiziere und Marschälle zeigen und deutlich machen, daß der Sache zumindest von der östlichen Seite her doch offensichtlich eine besondere militärpolitische Bedeutung beigemessen wird.
Herr Kollege Marx, ich habe diese Bilder nicht gesehen. Ich weiß nur, daß diese technische Vereinbarung über Besuchsaustausch von keinem anderen westlichen NATO- oder Nicht-NATO-Bündnispartner bisher eingegangen worden ist. Es ist also eine einmalige Sache.
Ich rufe die Frage 139 des Herrn Abgeordneten Dr. Mertes auf:
Welche anderen Mitgliedstaaten des Atlantischen Bündnisses haben vergleichbare Abkommen abgeschlossen oder planen ähnliche Vereinbarungen mit der UdSSR oder/ und anderen Staaten des Warschauer Pakts?
Bitte, Frau Staatsminister.
Die Frage 139 beantworte ich wie folgt.
Außer der genannten Vereinbarung mit Frankreich ist von keiner vergleichbaren Vereinbarung eines Warschauer-Pakt-Staates mit einem anderen NATO-Staat etwas bekannt. Allerdings haben
NATO- und Warschauer-Pakt-Staaten in Einzelfällen militärische Besuche ausgetauscht. So haben z. B. im Oktober dieses Jahres zwei norwegische Fregatten Leningrad und zwei sowjetische Zerstörer Oslo besucht.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Mertes.
Frau Präsidentin, ich hatte auch nach eventuellen Planungen von Staaten des Atlantischen Bündnisses auf diesem Gebiet gefragt.
Herr Abgeordneter, derartige Planungen sind uns nicht bekannt.
Herr Dr. Marx, eine Zusatzfrage.
Frau Staatsminister, ich möchte fragen, ob die Bundesregierung auf den ihr dabei zukommenden Wegen mit unserem französischen Verbündeten über den Inhalt und die Bedeutung dieses Abkommens gesprochen hat und ob es dazu Antworten gibt, die Ihnen die Möglichkeit geben, zu sagen, Sie seien über die Antwort befriedigt.
Herr Kollege Marx, da ich nicht das Glück habe, ein Militärexperte wie Sie zu sein, und Ihre Frage so hart an der Nahtstelle zwischen außenpolitischen und militärpolitischen Geschichtspunkten steht, muß ich Ihnen leider eine Antwort schuldig bleiben.
Ich rufe die Frage 140 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf:
Auf welche Erkenntnisse und Erfahrungen bezüglich des innerdeutschen Verhältnisses stützt sich die Bundesregierung, wenn ihr Vertreter in Belgrad auf dem KSZE-Überprüfungstreffen am 6. Oktober 1977 erklärt hat, daß die Bundesregierung „die tatsächlich erreichten Fortschritte, insbesondere bei den Bestimmungen über Freizügigkeit, menschliche Kontakte, Familienzusammenführung, Verwandtenbesuch, Reiseerleichterungen und Eheschließungen zu schätzen weiß„?
Bitte sehr, Frau Staatsminister.
Die Frage 140, Frau Präsidentin, beantworte ich wie folgt.
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts hat in der deutschen Eingangserklärung zum KSZE-Folgetreffen am 5. Oktober in Belgrad unter anderem ausgeführt - jetzt zitiere ich, Herr Kollege Hupka :
Angesichts der besonderen Probleme, die sich nach dem Kriege in Mitteleuropa ergaben und die auch heute noch die Lage der Menschen stark beeinflussen, weiß die Bundesrepublik Deutschland die tatsächlich erreichten Fortschritte, insbesondere bei den Bestimmungen über Freizügigkeit, menschliche Kontakte, Familienzusammenführungen, Verwandtenbesuche, Reiseerleichterungen und Eheschließungen, zu
schätzen und legt großes Gewicht auf weitere Fortschritte in diesem Bereich. Die Vereinbarungen, die am Rande der KSZE in Helsinki mit der Volksrepublik Polen getroffen werden konnten, haben uns auf diesem Wege ein gutes Stück vorwärtsgebracht.
In der der Zusammenarbeit im humanitären Bereich - Korb III der Schlußakte - gewidmeten allgemeinen Debatte hat dann der Leiter der deutschen Delegation am 13. Oktober unter anderem folgendes gesagt - ich zitiere wieder - :
Dabei wollen wir nicht die zahlreichen Schwierigkeiten verschweigen, die es auch auf diesem Felde und insgesamt im humanitären Bereich bei Ausreisen, Verwandtenbesuchen und Eheschließungen weiterhin gibt. Wir werden in den entsprechenden Arbeitsorganen darauf zurückkommen. Die ungelösten Fälle der Familienzusammenführung liegen uns insofern besonders am Herzen. So sehr wir uns freuen über die gestiegene Zahl von gelösten Fällen, so sind wir doch betroffen von der Erfolglosigkeit, mit der sich viele getrennte Familien um eine Zusammenführung bemühen. Ausreisewillige Familienmitglieder werden nicht selten beruflich benachteiligt und angefeindet.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Bundesregierung hat damit eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß der jetzt erreichte Stand der Zusammenarbeit im humanitären Bereich - insbesondere hinsichtlich der menschlichen Kontakte - sie nicht zufriedenstellt. Dennoch hat es Fortschritte gegeben, die, so begrenzt sie bezüglich einzelner Staaten oder Bereiche auch sein mögen, auch als solche zu bezeichnen und durchaus anzuerkennen sind. Dies gilt auch in dem insoweit vornehmlich auf bilateralen Regelungen beruhenden Verhältnis zur DDR. Die Bundesregierung wird sich künftig bilateral und im Rahmen des KSZE-Folgetreffens um weitere Fortschritte im humanitären Bereich im Interesse der vielen Menschen bemühen, die unter den gegenwärtigen Zuständen Europas noch immer leiden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka.
Frau Staatsminister, so kann man, glaube ich, keine Frage beantworten.
Herr Kollege, es ist nicht zulässig, daß Sie dies kritisieren. In der Fragestunde können nur Fragen gestellt werden.
Dann muß ich die Bundesregierung fragen, in welcher Weise sie denn zu dem Stellung nimmt, was Herr van Well als der offizielle Vertreter der Bundesrepublik Deutschland in seiner Rede tatsächlich gesagt hat, in der er die völlig ungelösten menschlichen Probleme zwischen den beiden Teilen Deutschlands mit keinem Wort zur Sprache gebracht hat.
Herr Kollege Hupka, wir müssen doch bei dieser Gelegenheit immer unterscheiden, was insgesamt bei diesen ersten Diskussionsrunden in Belgrad gesagt wurde. Man kann das eine nicht ohne das andere sehen. Wir sind der Ansicht, daß - wie ich ja eben zitiert habe - mit aller Deutlichkeit auch auf die nicht zureichenden Erfolge im humanitären Bereich hingewiesen wurde.
Eine zweite Zusatzfrage.
Unabhängig davon, daß auch Herr Fischer ein zu rosiges Bild gezeichnet hat - aber darüber können wir uns in der nächsten Fragestunde unterhalten -
Herr Kollege, stellen Sie doch bitte nur Fragen.
Eine Einleitung brauche ich aber auch.
Sie brauchen sie nicht. Wenn Sie sich nicht an die Regeln der Fragestunde halten, kann ich Ihre Frage überhaupt nicht zulassen. Ich bitte, Fragen zu stellen.
Frau Staatsminister, können Sie mir dann die Frage-beantworten, warum bei dem ersten Auftritt nicht auch nur mit einem Wort auf die unmenschlichen Verhältnisse in Mitteldeutschland eingegangen wurde?
Herr Kollege Hupka, ich habe meiner ersten Antwort auf Ihre Frage nichts mehr hinzuzufügen. Ich habe Ihnen die Zitate gegeben;. sie sind, wie ich glaube, Dokumente dessen, was Sie wünschen und was wir alle wünschen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger ({0}).
Frau Staatsminister, wie kann man von Fortschritten - wie dies eben aus Ihrer Antwort hervorging - sprechen, wenn, um nur einen einzigen Punkt anzusprechen, in der Frage der Reiseerlaubnisse und Besuchserlaubnisse für Familienangehörige, die den Antrag auf Familienzusammenführung gestellt haben, jetzt, nach über zwei Jahren seit Vereinbarung der Schlußakte von Helsinki, überhaupt noch nichts geschehen ist, obwohl es nur einer einfachen Verwaltungsanordnung der DDR-Regierung und sonst nichts bedurft hätte?
Herr Kollege Jäger, Sie wissen genau wie ich, daß die Frage der Familienzusammenführung aus der DDR ja keine Folge der Helsinki-Vereinbarung ist, sondern der Vereinbarungen, die bilateral getroffen worden sind.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mattick.
Frau Staatsminister, sind Sie darüber unterrichtet, daß sich der Auswärtige Ausschuß in Gegenwart von Herrn Staatssekretär van Well zweieinhalb Stunden oder noch etwas länger mit der Frage des Verhaltens der Bundesregierung in Belgrad beschäftigt hat und Herr van Well auf dieser Konferenz bisher genauso verfahren ist, wie das im Auswärtigen Ausschuß besprochen wurde? Die Opposition hat am Schluß eine zufriedenstellende Antwort bekommen, wie sie selbst festgestellt hat.
Ja, Herr Kollege, ich bin darüber natürlich voll unterrichtet. Ich habe es deshalb um so mehr bedauert, daß Herr Kollege Hupka glaubte, nicht befriedigt sein zu können.
Zusatzfrage, Abgeordneter Dr. Czaja.
Frau Staatsminister, nachdem Herr Fischer in dankenswerter Weise, wie Sie eben ausführten, die Schwierigkeiten ,als nicht mehr verschweigbar bezeichnet und die Betroffenheit der Bundesregierung über die vielen Erfolglosigkeiten in schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen zum Ausdruck gebracht hat, frage ich Sie, ob die Bundesregierung bereit ist, im Auswärtigen Ausschuß diese Schwierigkeiten und die Erfolglosigkeit, die Herr van Well dort nicht dargelegt hat, eingehender darzulegen und das ganze Material, das von den Abgeordneten des Ausschusses dargeboten wird, zu verwerten.
Ich bitte, kurze Fragen zu stellen. Meine Herren Kollegen, das geht doch wirklich nicht in dieser Weise. Das waren drei Fragen. Sie mißbrauchen wirklich meine Geschäftsführung; ich bitte sehr um Entschuldigung. Ich bitte herzlich, daß Sie sich in kurzen Fragen an die Regierung wenden.
({0})
Herr Abgeordneter Czaja, der Ausschuß des Parlaments ist souverän, alle Fragen, die Ausschußmitglieder stellen, im Ausschuß beantwortet und geklärt zu erhalten. Das dürfte doch selbstverständlich sein.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Corterier.
Frau Staatsminister, trifft es nicht zu, daß in Belgrad die Vertreter aller Teilnehmerstaaten auf der einen Seite die nach wie vor bestehenden Schwierigkeiten bei der Durchführung der KSZE-Schlußakte gewürdigt haben, auf der anderen Seite aber auch die ganz klar erzielten Erfolge, so daß demgemäß die Opposition mit ihrer einseitig negativen Einschätzung in der Welt völlig isoliert ist?
Ich bitte ebenfalls, nur Fragen zu stellen.
Herr Kollege, wir haben doch im Ausschuß und im Plenum des Bundestags wiederholt dargelegt, daß es darauf ankommt, bei der Nachfolgekonferenz in Belgrad immer abzuwägen, was im Interesse der betroffenen Menschen gesagt werden muß, mit welcher Deutlichkeit es gesagt werden muß und was im Interesse der Notwendigkeit des Fortgangs des Entspannungsprozesses eben in der Form gesagt werden muß, daß die Entspannung weitergehen kann.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Graf Huyn.
Frau Staatsminister, sind Sie mit mir der Meinung, daß es zu dem von Ihnen gerade apostrophierten, aber nicht von jedem erkennbaren sogenannten Entspannungsprozeß auch gehören würde, wenn unabhängig von den bilateralen Abmachungen Korb III Ziffer 1 der Schlußakte von Helsinki erfüllt würde, nämlich daß diejenigen, die Anträge auf Familienzusammenführung gestellt haben, wenigstens Besuchsreisen durchführen können?
Herr Kollege Graf Huyn, dies geschieht ja in großem Umfang, nur nicht in allen Fällen, wie die Zahlen ausweisen.
({0})
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Marx.
Frau Staatsminister, können Sie mir bitte helfen, einen Widerspruch aufzuklären, den ich darin sehe, daß Sie vorhin bei einer Ihrer Antworten sagten, die Familienzusammenführung sei nicht eine Sache der KSZE, sondern der innerdeutschen Vereinbarungen, daß aber trotzdem zu diesem Thema auf der KSZE der Vertreter der Bundesregierung gesprochen hat, wie Sie in einer anderen Antwort zitiert haben?
Herr Kollege Marx, Sie wissen doch genau, daß sich KSZE- Zielsetzungen, insbesondere Korb III - Familienzusammenführung, menschliche Erleichterungen -, und bilaterale Vereinbarungen stets überlagern. Sie wissen genau wie ich, daß wir von vornherein - in Übereinstimmung mit der Opposition - die KSZE niemals zu einem Forum für innerdeutsche Auseinandersetzungen machen wollten.
Ich lasse noch zwei Zusatzfragen zu.
Herr Dr. Mertes, bitte.
Frau Staatsminister, ist die Bundesregierung bereit, dem Auswärtigen Ausschuß und dem Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen den Wortlaut aller Erklärungen zuzuleiten, die der deutsche Delegationsleiter in nichtöffentlichen Sitzungen des Überprüfungstreffens vortragen wird?
Vorbehaltlich der Zustimmung des Ministers sind wir dazu bereit.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Friedrich.
Frau Staatsminister, darf ich in korrekter Anlehnung an die gestellte Frage, auf welche Erkenntnisse und Erfahrungen sich der Vertreter stütze, fragen, ob sich die Bundesregierung auch auf die Erfahrungen und Erklärungen der Kirchen in Osteuropa gestützt hat, wonach sich die Situation seit der KSZE sehr gewandelt habe?
Herr Kollege Friedrich, ich bin nach einer gründlichen Durchsicht aller Erklärungen von Vertretern der EG-Staaten, der NATO-Bündnisstaaten, anderer uns befreundeter europäischer Länder und der kirchlichen Erklärungen zu der Erkenntnis gekommen, daß wahrscheinlich nur noch die Opposition im Deutschen Bundestag nicht anerkennt, daß seit der Unterschrift unter die Schlußakte von Helsinki in diesem Bereich erhebliche Fortschritte erzielt worden sind.
({0})
Ich rufe die Frage 141 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf:
Wie groß ist die Zahl der mit Bundesmitteln bezahlten Stipendien für Studenten und Wissenschaftler aus den Staaten des Warschauer Pakts im Jahr 1977, und wieviel der angebotenen Stipendien oder Studienfreiplätze wurden 1977 abgerufen oder belegt?
Die Frage 141 beantworte ich wie folgt.
Im Jahre 1977 wurden insgesamt 610 Studenten und Wissenschaftler aus Staaten des Warschauer Pakts als Stipendiaten aus Bundesmitteln gefördert. Die angebotenen Stipendien werden im Regelfall voll in Anspruch genommen und belegt. Nur die CSSR und in geringem Umfange Rumänien nutzten die ihnen angebotenen Langzeitstipendien - also Stipendien mit einer Dauer von über sieben Monaten - nicht in vollem Umfang, wohl aber die Kurzzeitstipendien.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka, bitte.
Haben Sie einen Überblick, Frau Staatsminister, wie es umgekehrt mit Stipendien aussieht, die seitens der Ostblockstaaten deutschen Studenten gewährt werden?
Herr Kollege, ich habe versucht, mich in Sie hineinzuversetzen, und Ihnen die Zahl gleich mitgebracht.
({0})
Erfreulicherweise waren es sogar mehr Studenten, die aus der Bundesrepublik zu Studien oder wissenschaftlichen Aufenthalten in osteuropäische Staaten gegangen sind. Es waren insgesamt 797 im Vergleich zu 610, die in die Bundesrepublik gekommen waren. Ich glaube, meine Damen und Herren, auch das ist eine gute Bilanz.
({1})
Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka.
Weil Sie Rumänien genannt haben, Frau Staatsminister: Sind es nur die langfristigen Stipendien, die nicht abgerufen werden? Ich weiß bezüglich Rumäniens, daß von 20 Stipendien nur 7 abgerufen worden sind.
Ich habe Zahlen hier, Herr Kollege Hupka. Von den 91 Rumänen, die in der Bundesrepublik Deutschland sind, sind 18 Langzeitstipendiaten. Von uns sind zur Zeit 34 Studenten und Wissenschaftler nach Rumänien gegangen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 142 des Abgeordneten Waltemathe auf:
Trifft es zu, daß die bayerische Trachtenkapelle „Schwäbische Bläserbuben" auf Kosten des Auswärtigen Amtes zur 125-JahrFeier der deutschen Einwanderung nach Chile fliegt, und wie ist dann die dem Deutschen Bundestag in der 39. Sitzung am 8. September von Staatsminister Frau Hamm-Brücher gegebene Auskunft zu verstehen, das Auswärtige Amt werde keinen finanziellen Beitrag zu einer Delegationsreise nach Chile leisten?
Bitte, Frau Staatsminister.
Frau Präsidentin, die Anfrage 142 beantworte ich wie folgt.
Wie ich bereits in der 39. Sitzung am 8. September mitteilte, leistete das Auswärige Amt keinen finanziellen Beitrag zu einer Delegationsreise nach Chile. Die bayerische Trachtenkapelle „Schwäbische Bläserbuben Gersthofen" hat vom Deutschen Musikrat einen Zuschuß zu einer Reise nach Chile erhalten, um dort anläßlich des 125jährigen Zurückliegens der ersten Einwanderung von Deutschen nach Chile zu musizieren.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Waltemathe.
Frau Staatsminister, darf ich Sie nach dieser Antwort fragen, ob es zutrifft, daß die Mittel, die der Deutsche Musikrat zur Verfügung stellt, in Wahrheit Mittel des öffentlichen Haushalts des Auswärtigen Amtes sind?
Das stimmt, Herr Kollege, aber die Mittel werden vom Deutsche Musikrat in eigener Zuständigkeit verteilt.
Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Waltemathe.
Frau Staatsminister, teilt die Bundesregierung meine Einschätzung, daß diktatorische Regimes überhaupt nicht unterstützt werden sollten
({0})
und daß, da hier öffentliche Mittel eine Rolle spielen, die Reise der Bläserbuben den Eindruck erweckt, daß die Bundesregierung das Pinochet-Regime aufwerten möchte?
({1})
Herr Kollege, wir bemühen uns - in Übereinstimmung auch mit der Stellungnahme des Hohen Hauses zum Enquete-Bericht Auswärtige Kulturpolitik -, internationale kulturelle Beziehungen, wo immer und wann immer möglich, zu pflegen, eben im Interesse der Begegnung der Menschen. Ich gehe davon aus, daß das Jubiläum der Chile-Deutschen keine offizielle staatliche Unternehmung war und wir als Zeichen der Verbundenheit mit ehemaligen Deutschen in Form der Entsendung einer Trachtenkapelle einen sehr kleinen und sehr bescheidenen Beitrag zu diesen Feierlichkeiten geleistet haben.
({0})
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Graf Huyn.
Frau Staatsminister, sind Sie mit mir der Meinung, daß es richtig ist, gerade der Deutschen in Chile zu gedenken, die unmittelbar nach dem Kriege unter sehr schweren finanziellen und sonstigen Opfern schiffsladungsweise dem notleidenden Deutschland Unterstützung und humanitäre Hilfe aus eigenen, aus privaten Mitteln geleistet haben?
Herr Kollege, ich habe hierzu ja schon in einer früheren Fragestunde die unmißverständliche Meinung der Bundesregierung vorgetragen, und ich möchte hinzufügen, daß auch viele Emigranten, die vor dem Terror-Regime Hitlers aus Deutschland ausgewandert sind, in Chile eine neue Heimat gefunden haben.
({0})
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Broll.
Frau Staatsminister, teilen Sie meine Meinung, daß man dann, wenn man der Meinung des Kollegen Waltemathe folgen wollte, den gesamten kulturellen Austausch zwischen uns und z. B. allen Ostblockstaaten sofort einstellen müßte?
Herr Kollege, ich glaube, wir müssen doch immer zwischen unserer persönlichen Einschätzung und Wertschätzung verschiedener Regierungen und den international üblichen offiziellen diplomatischen Beziehungen unterscheiden, die wir mit möglichst vielen Staaten einfach deshalb pflegen wollen, weil uns an einem friedlichen Zusammenleben in der Welt gelegen sein muß.
Eine letzte Zusatzfrage, Frau Abgeordnete von Bothmer.
Frau Staatsminister, da Sie ja erklärt haben, die Bundesregierung wolle keinen Zuschuß geben: Ist es denn der Bundesregierung etwa in einem Falle, in dem sie es politisch nicht gut findet, wenn der Musikrat eine solche Entscheidung trifft, und da die Mittel von der Bundesregierung kommen, nicht möglich, dem Musikrat einen Tip zu geben, daß das nicht gerade erwünscht sei?
({0})
Frau Kollegin von Bothmer, ich muß Ihnen sagen, wir haben ja keine Delegation im politischen Sinne unterstützt, sondern haben dieser Vereinigung der Deutsch-Chilenen, die die 125. Wiederkehr ihrer Gründung gefeiert hat, einen kulturellen Wunsch erfüllt, und wir sahen keine Veranlassung - und würden sie auch in Zukunft nicht sehen -, einen Zuschuß des Deutschen Musikrates deshalb nicht zu gestatten oder ihn nachträglich zu rügen.
Ich rufe die Frage 143 des Abgeordneten Waltemathe auf:
Gedenkt die Bundesregierung, gegebenenfalls dem in der Öffentlichkeit entstandenen Eindruck ({0}) entgegenzutreten, daß durch den aus Bundesmitteln finanzierten Besuch der „Bläserbuben" in Chile die Pinochet-Diktatur aufgewertet werde, und, wenn ja, in welcher Form?
Es können noch viele Fragen dazu gestellt werden, mit denen Sie jetzt vielleicht nicht zum Zuge gekommen sind.
({1})
- Nur eine höfliche Geste.
Frage 143 beantworte ich wie folgt - das ist eine Ergänzung des Vorhergehenden -.
Kulturelle Vorhaben im Ausland sind grundsätzlich nicht als Unterstützung der Regierung des betreffenden ausländischen Staates zu verstehen. Das gilt insbesondere dann, wenn es sich um das Vorhaben eines privaten Vereins handelt. Solche Vorhaben dienen vielmehr der kulturellen Begegnung zwischen Völkern und Menschen. In diesem Fall handelt es sich vor allem um die Begegnung von Jugendlichen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Waltemathe.
Frau Staatsminister, wenn ich Ihre soeben gegebene Antwort zugrunde lege, darf ich Sie ergänzend fragen, ob, da der Botschafter an dieser Feier eines privaten Vereins offiziell teilnimmt und da die Bundesregierung auf ihre Kosten über den Musikrat eine Trachtenkapelle hinschickt, nicht der Eindruck doch richtig ist, es handle sich um eine offizielle Veranstaltung und es würden damit das gastgebende Land und dessen Regime aufgewertet.
Herr Kollege, ich bin wirklich nicht dieser Ansicht. Ich habe dazu alles Notwendige schon bei vorherigen Zusatzfragen gesagt.
Die zweite Zusatzfrage. Bitte, Herr Abgeordneter Waltemathe.
Sind Sie, Frau Staatsminister, nicht der Auffassung, daß in der Öffentlichkeit, auch in der Weltöffentlichkeit, der Eindruck eines guten Verhältnisses zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Chile dem Ansehen der Bundesrepublik schaden könnte?
Die Bundesregierung ist um ein gutes Verhältnis zu jenen Chilenen bemüht, die entweder die deutsche Staatsangehörigkeit haben oder sich zu ihrer deutschen Abstammung bekennen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Mertes.
Frau Staatsminister, sieht die Bundesregierung bei der Förderung von Entsendungen von Bläser-, Buben-, Trachtengruppen und ähnlichem eine Möglichkeit, durch eine Art von musikalisch-völkerrechtlichem Disclaimer Aufwertungswirkungen der Art, wie sie der Kollege Waltemathe befürchtet, auszuschließen?
({0})
Herr Kollege, ich möchte mich einer Antwort hier enthalten.
({0})
Die letzte Zusatzfrage hat der Herr Abgeordnete Dr. Marx.
Darf ich fragen, Frau Staatsminister: Ist es der Bundesregierung jemals in den Sinn gekommen, daß eine kulturelle Veranstaltung, gleich in welchem Land, oder z. B. eine Buchausstellung in der Sowjetunion dazu angelegt sein könnten,
das in dem jeweiligen Land herrschende Regime zu unterstützen? Oder glauben Sie nicht, daß dies die Erfüllung einer Pflicht ist, die dieses ganze Haus der Bundesregierung für ihre auswärtige Kulturpolitik aufgetragen hat?
Herr Kollege Marx, Sie haben mit anderen Worten das wiederholt, was ich vorhin schon ausgeführt hatte. Ich danke Ihnen,
({0})
daß Sie das so schön wiederholt haben, und möchte hinzufügen, meine sehr geehrten Kollegen: Ich glaube, daß eine Trachtenkapelle von Bläsermusikanten niemals zur Aufwertung irgendeines Regimes beitragen kann.
({1})
Die Fragen 144 und 145 des Herrn Abgeordneten Coppik werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 146 pdes Herrn Abgeordneten Thüsing auf:
Welche Aktionen plant die Bundesregierung, um deutsche Sportler und die fußballinteressierte Öffentlichkeit über das argentinische Militärregime aufzuklären und die Gefahren deutlich zu machen, die möglicherweise deutschen Touristen auf Grund der bürgerkriegsähnlichen Zustände in Argentinien während der FuBballweltmeisterschaft 1978 drohen?
Bitte sehr, Frau Staatsminister.
Frau Präsidentin, die Frage 146 beantworte ich wie folgt.
Das Auswärtige Amt erteilt grundsätzlich keine Auskünfte über die politische Situation in anderen Ländern und gibt auch nicht entsprechende Ratschläge, Empfehlungen usw. an Deutsche, die ins Ausland reisen wollen.
Die Bundesregierung geht davon ,aus, 'daß unsere Bürger politisch mündig sind, sich selbst informieren
({0}) und sich selbst ein Urteil bilden können.
({1})
Im Zusammenhang mit der Fußbaliweltmeisterschaft 1978 prüft der Deutsche Fußballbund dem Vernehmen nach die Sicherheitslage in Argentinien sehr eingehend. Der Deutsche Fußballbund hat eigens einen Referenten mit der Vorbereitung der deutschen Teilnahme und, soweit möglich, mit der Vorbereitung des Besuchs der zu erwartenden deutschen Schlachtenbummler - man rechnet mit mindestens 4 500 - betraut.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Thüsing.
Stellt sich, abgesehen von der allgemeinen Auskunft, die Frage nicht doch anders? Ich möchte Sie fragen, ob nicht angesichts der elf in
Argentinien im Augenblick verschwundenen Deutschen, über 'die keine Auskunft zu erhalten ist, und angesichts des Falls Käsemann die Bundesregierung andere Pflichten hat, als zu sagen: Wir zensieren nicht und warnen nicht in allgemeiner Form?
Aber Herr Kollege, wir leben in einem freien Land. Jeder kann sich entschließen, wohin er fahren will und zu welchem Zweck er fahren will.
-({0})
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Thüsing.
Sehen Sie nicht auch die Gefahr, daß sich, wie vor einigen Jahren in Mexiko, im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft die Repression in Argentinien verstärkt, um den Touristen, auch den ,deutschen Besuchern, ein, wenn ich so sagen darf, „sauberes" Argentinien präsentieren zu können?
Ich sehe keinen Zusammenhang.
Eine weitere Zusatzfrage Herr Abgeordneter Kühbacher.
Frau Staatsminister, trifft meine Vermutung zu, daß eine solche Fragestunde, wie sie hier im Bundestag abläuft, von den ausländischen Botschaften sehr aufmerksam beobachtet wird, und stimmen Sie mir zu, daß die Art der Fragestellung geeignet ist, nicht unbedingt Deutschfreundlichkeit im Ausland zu erzeugen?
({0})
Herr Kollege, es ist nicht üblich, daß wir hier in diesem Hause in der Fragestunde gegenseitige Kritik üben. Ich bitte die Frau Staatsminister, darauf keine Antwort zu geben.
Ich rufe nunmehr die Frage 147 des Herrn Abgeordneten Thüsing auf:
Welche konkreten Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, zusammen mit ihren europäischen Partnern und ihren übrigen Freunden und Verbündeten, gemeinsame Schritte dahin gehend zu unternehmen, daß die Menschenrechte in Argentinien respektiert werden?
Bitte, Frau Staatsminister.
Die Frage 147, Frau Präsidentin, beantworte ich wie folgt.
Die Bundesregierung hat sich ebenso wie ihre europäischen Partner seit Jahren darum bemüht, daß die Menschenrechte in Argentinien respektiert werden. Wie Sie wissen, reichen Terrorismus und seine Bekämpfung in die frühen 70er Jahre zurück, d. h. in
die Zeit von Perón, ja sogar seines Vorgängers Campora und seiner Nachfolgerin Isabel Perón. Schon damals waren etwa 30 Terroropfer pro Woche zu beklagen.
Seit der Übernahme der Macht durch die Streitkräfte 1976 ist die Bundesregierung durch unsere Botschaft Buenos Aires laufend im Gespräch über Menschenrechtsfragen mit der argentinischen Regierung. Dabei hat sich jedoch herausgestellt, daß es diplomatischen Vertretungen nicht möglich ist, sich ein vollständiges Bild über den Umfang der Verletzung von Menschenrechten in Argentinien und auch anderswo zu machen. Diese Erfahrung haben auch andere, mit uns befreundete europäische Regierungen gemacht.
Abgesehen von unseren laufenden Bemühungen gab es noch zusätzliche persönliche Anstrengungen. So hat z. B. mein Vorgänger, Staatsminister Moersch, vor etwa einem Jahr Argentinien besucht und bei dieser Gelegenheit dem argentinischen Präsidenten dargelegt, daß die Bundesregierung von der Notwendigkeit überzeugt ist, daß bei Terroristenbekämpfung rechtsstaatliche und demokratische Grundregeln unbedingt zu beachten sind.
Zusammengefaßt hat also die Bundesregierung auch in Argentinien - wie überall in der Welt - keine Gelegenheit vorübergehen lassen, um unmißverständlich für die Beachtung der Menschenrechte einzutreten.
Keine Zusatzfragen.
Die Fragen 148 und 149 werden auf Wunsch des Fragestellers, des Abgeordneten Weißkirchen ({0}), schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 150 des Herrn Abgeordneten Kuhlwein auf:
Ist die Bundesregierung bereit, sich dafür einzusetzen, daß den Eltern von Elisabeth Käsemann die persönliche Habe der Ermordeten übergeben wird, und welche konkreten Schritte hat die Bundesregierung in dieser Richtung unternommen?
Bitte, Frau Staatsminister.
Die Frage 150 beantworte ich wie folgt.
Die Bundesregierung ist selbstverständlich bereit, sich dafür einzusetzen, daß die persönliche Habe von Frau Käsemann ihren Eltern übergeben wird. Sie hat die Botschaft in Buenos Aires angewiesen, zunächst festzustellen, was aus den fraglichen Sachen geworden ist. Die Botschaft konnte mit konkreten Nachforschungen jedoch leider erst am 22. September beginnen, nachdem Herr Professor Käsemann die letzte Anschrift seiner Tochter mitgeteilt hatte.
Zusatzfrage? - Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 151 des Herrn Abgeordneten Kuhlwein auf:
Welches sind die konkreten Gründe der Bundesregierung, trotz mangelnder Kooperationsbereitschaft der argentinischen Behörden bei der Suche nach den „verschwundenen" deutschen Staatsbürgern nicht über die bisherigen Schritte hinauszugehen ({0}), obwohl die bisher verfolgte Politik die Probleme nicht lösen konnte?
Die Frage des Herrn Kollegen Kuhlwein beantworte ich wie folgt.
Die Bundesregierung vermag nicht zu erkennen, welche über die bisher verfolgte Politik hinausgehenden Schritte zur Aufklärung des Schicksals der in Argentinien verschollenen deutschen Staatsbürger tatsächlich erfolgversprechender wären.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Ist die Bundesregierung bereit, über die Botschaft in Buenos Aires direkt beim argentinischen Präsidenten vorstellig zu werden, um auf die Menschenrechtsverletzung in diesem Fall hinzuweisen?
Herr Kollege, meiner Erinnerung nach sind bereits zweimal zwischen dem hiesigen Bundeskanzler oder Außenminister und dem Staatspräsidenten von Argentinien Briefwechsel erfolgt. Außerdem hat es in diesem Jahr mindestens zwei Briefwechsel in dieser Sache zwischen Bundesaußenminister Genscher und seinem argentinischen Kollegen gegeben.
Eine zweite Zusatzfrage, bitte, Herr Kollege Kuhlwein.
Frau Staatsminister, in der Antwort auf eine Anfrage meines Kollegen Karsten Voigt vom 17, Juni dieses Jahres sind weitere Schritte der Bundesregierung angedeutet worden. Sind diese Schritte bereits erfolgt, und welcher Art sind sie gewesen?
Diese Schritte waren das zuletzt genannte Schreiben von Bundesaußenminister Genscher, das kürzlich beantwortet wurde. Wir überprüfen gerade, ob ein neuerliches Schreiben erforderlich ist. Sie können versichert sein, daß wir alle und ich persönlich alles Mögliche tun.
Die Fragen 152 und 153 des Herrn Abgeordneten Engelsberger werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Die Fragen 154 und 155 des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja sind zurückgezogen worden.
Die Fragen 156 und 157 des Herrn Abgeordneten Dr. Wittmann ({0}) werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 158 des Herrn Abgeordneten Jäger ({1}) auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung im Hinblick auf das deutschsowjetrussische Verhältnis und im Hinblick auf das Viermächteabkommen über Berlin den Versuch der UdSSR bei der IPU-Konferenz in Sofia, die Leitung der deutschen Delegation durch den Berliner Abgeordneten Franz Amrehn und seine Wahl zum Vizepräsidenten der IPU-Konferenz wegen seiner Eigenschaft als Berliner Abgeordneter zu verhindern, und wird die Bundesregierung diesen Vorfall beim bevorstehenden Besuch des sowjetischen Partei- und Staatschefs Breschnew in Bonn zur Sprache bringen?
Herr Kollege Jäger, die Frage 158 beantworte ich wie folgt.
Die Bundesregierung ist über den Protest der Gruppe der UdSSR auf der IPU-Konferenz in Sofia gegen die Leitung der deutschen Delegation durch den Berliner Bundestagsabgeordneten Amrehn befremdet und erklärt sich ausdrücklich mit der Haltung, die die deutsche Delegation in Sofia eingenommen hat, solidarisch. Die von sowjetischer Seite in diesem Zusammenhang aufgestellte Behauptung, daß Herr Amrehn kein Abgeordneter des Deutschen Bundestages sei, widerspricht in klarer Weise der insbesondere im Genehmigungsschreiben der Militärgouverneure der Drei Mächte zum Grundgesetz vom 12. Mai 1949 definierten Rechtslage, von der auch das Viermächteabkommen ausgeht.
Die Wahl von Herrn Amrehn zum Vizepräsidenten der Konferenz konnte bekanntlich in Sofia nicht verhindert werden. Mithin hat die Angelegenheit in einer für uns befriedigenden Weise ihren Abschluß gefunden.
Können Sie sich mit einer Zusatzfrage begnügen, weil wir schon am Ende der Zeit sind? Bitte, Herr Jäger.
Frau Staatsminister, wird die Bundesregierung darauf achten, daß bei der nächsten Konferenz dieser Art, von der man hört, daß sie in Ost-Berlin stattfinden soll, die Sowjetunion und mit ihr verbündete Staaten nicht unter Verstoß gegen die Regeln des deutsch-sowjetischen Verhältnisses ähnliche Vorstöße unternehmen, um der Teilnahme von Berliner Abgeordneten entsprechend entgegenzuarbeiten?
Das ist selbstverständlich, Herr Abgeordneter. Im übrigen sind wir der Meinung, daß es sich um eine Parlamentarierkonferenz gehandelt hat und daß sich unsere Parlamentarierdelegation in Sofia erfolgreich durchgesetzt hat.
({0})
Damit sind wir am Ende der Fragestunde. Danke schön, Frau Staatsminister.
Die Fragen 82 des Herrn Abgeordneten Dr. Becker ({0}), 83 des Herrn Abgeordneten Kraus, 90 und 91 des Herrn Abgeordneten Dr. Voss, 92 der Frau Abgeordneten Erler, 93 und 94 des Herrn Abgeordneten Gierenstein, 96 und 97 der Frau Abgeordneten Krone-Appuhn, 118 des Herrn Abgeordneten Josten, 159 und 160 des Herrn Abgeordneten Dr. Hennig und 161 und 162 des Herrn Abgeordneten Kunz ({1}) sind von den Fragestellern zurückgezogen worden.
Die Fragen 132 und 133 des Herrn Abgeordneten Wüster sind nach Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde unzulässig.
Die übrigen nicht behandelten Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Zusatzpunkte 1 a und b der Tagesordnung auf:
a) Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/ CSU eingebrachten Entwurfs eines Besoldungsänderungsgesetzes
- Drucksache 8/771 Überweisungsvorschlag:
Innenausschuß ({2}) Verteidigungsausschuß
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes
- Drucksache 8/1027 Überweisungsvorschlag :
Innenausschuß ({3}) Verteidigungsausschuß
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
Das Wort hat der Herr Abgeordnete de Terra.
de Terra ({4}) : Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie einen Blick auf die Vorlage der CDU/CSU-Fraktion Drucksache 8/771 werfen und wenn Sie die Vorlage der Bundesregierung 8/1027 in die Betrachtung einbeziehen, wird der unbefangene Leser zunächst Unbehagen darüber verspüren, daß durch ein Besoldungsgesetz bzw. eine Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes offenbar für den öffentlichen Dienst erneut mehr Geld verlangt wird. Der kundige Betrachter der Bundestagsdrucksachen sieht unter Buchstabe D sofort, daß es sich um ansehnliche Beträge handelt: 90 Millionen DM, sagt der Entwurf der CDU/CSU; 92,6 plus 4 Millionen DM, sagt der Entwurf der Bundesregierung.
Aber die Vorlagen sind zugleich ein Lehrstück dafür, daß etwas, was lediglich nach der Beseitigung von Unebenheiten innerhalb des Besoldungsgefüges des öffentlichen Dienstes aussieht, in Wirklichkeit mehr ist. Kleine Änderungen der Bestimmungen des Besoldungsgesetzes haben nicht nur innerhalb des Besoldungsgefüges enorme Auswirkungen. Wenn der öffentliche Dienst in seiner Gesamtheit - hier speziell die Bundeswehr - bestimmte Männer für eine bestimmte Zeit gewinnen will, darf man dabei die Beziehungen des einzelnen zu seiner Umgebung nicht ungestraft außer Betracht lassen. Anders ausgedrückt, man muß in das Gefüge der öffentlichen Besoldung einen finanziellen Anreiz einbauen, wenn man dieses Ziel erreichen will.
Dies ist also ein Lehrstück dafür, daß man solche Grundsätze nicht außer Betracht lassen darf. Man wird sich als Opposition, selbst wenn man fröhlich im Angriff ist, doch so harte Formulierungen, wie wir sie in unserer Vorlage gebraucht haben, sorgsam überlegen. In der allgemeinen Begründung zu dem Problem haben wir schon gesagt, daß andernfalls die Verteidigungsbereitschaft der Bundeswehr absinkt. Deshalb waren wir in der Formulierung nicht zurückhaltend, sondern haben deutlich gesagt: Wenn diese Auswirkungen fortbestehen, haben sie
de Terra
auf die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr existenzbedrohende Wirkungen.
Wir wollen gemeinsam noch einen Blick darauf werfen, daß unsere Vorlage vom Juli dieses Jahres ist, die Vorlage der Bundesregierung vor drei Tagen, am 17. Oktober 1977, eingebracht wurde.
Was ist der Kern? Der Kern ist - und das ist wieder lehrstückartig -, daß wir damals alle bei der Bemühung, den Haushalt zu sanieren, das Haushaltsstrukturgesetz beraten und beschlossen haben. Jedes Ressort war damals bemüht, in seinem Bereich Vorschläge zu entwickeln, die als Beitrag zum Gesamtwerk des Haushaltsstrukturgesetzes dienen sollten. Wir alle meinten damals, einen großen Wurf gemacht zu haben, um die Staatsausgaben insgesamt zu beschränken und den Bundeshaushalt entlasten zu können. Es ist ein Lehrstück dafür, daß man, wenn man Teilbereiche in ihren Auswirkungen nicht richtig beurteilt und in ein Gesamtwerk einbaut - hier das Haushaltsstrukturgesetz -, sich hinterher schwertut, wenn man die Fehler, die gemacht worden sind, wieder korrigieren will.
Im übrigen ist es ein Lehrstück dafür - ich hoffe, ein Lehrstück für die Bundesregierung -, daß es, wenn solche Erkenntnisse gewonnen sind, selbst wenn sie im Verteidigungsausschuß einmütig erkannt worden sind, noch sehr lange Zeit dauert, bis solche Fehler korrigiert werden. Der Verteidigungsausschuß hat am 17. März und am 23. Juni des vergangenen Jahres einmütig den Fehler, der im Haushaltsstrukturgesetz gemacht worden ist, herausgestellt und eine entsprechende Änderung nahegelegt. Dann dauerte es weit über ein Jahr, bis die Bundesregierung ihren Entwurf nunmehr vorlegen konnte.
Es ist aber auch ein Lehrstück dafür, daß man ganz allgemein in der Regierungsarbeit einen Blick - einen lernenden Blick - auf die Opposition werfen sollte, wenn sie zu einer Teilfrage ihre schweren Bedenken so offen ausspricht. Herr Kollege Ernesti, den wir heute morgen bei der Erörterung des Berichts des Wehrbeauftragten hörten, hat dabei auch diesen Punkt herausgestellt. Im Oktober 1975, als wir uns noch alle um das Haushaltsstrukturgesetz bemühten, hat Herr Kollege Ernesti, nachdem unsere Vorschläge im Verteidigungsausschuß, obwohl sie begründet und mit Ersatzvorschlägen vorgebracht wurden, nicht zum Erfolg geführt hatten, in seiner Pressemitteilung, die ich mit Genehmigung der Frau Präsidentin wörtlich zitieren darf, folgendes gesagt:
Die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien haben es nun zu verantworten, daß die Bereitschaft zu freiwilliger Verpflichtung nachläßt, daß sich die extrem ungünstige Altersstruktur der Streitkräfte wiederum verschlechtert, daß Zeitsoldaten nur noch in stark vermindertem Umfang als Berufssoldaten übernommen werden können, daß ein zunehmender Verwendungsstau und zwangsläufig ein großer Beförderungsstau in der Bundeswehr auf uns zukommt. Mit den beabsichtigten Maßnahmen greift die Bundesregierung entscheidend in die Personalstruktur der Streitkräfte ein. In den nächsten Jahren ist mit negativen Folgewirkungen zu rechnen, die nur durch zusätzliche finanzielle Aufwendungen wieder ausgeglichen werden können.
Ein Weiteres kommt hinzu, und auch das haben wir damals zum Ausdruck gebracht. Wir hatten zu der Problematik, nämlich der - ich will es einmal vereinfacht ausdrücken - schlechteren Besoldung der Zeitsoldaten, der SaZ-2-Soldaten, in den Jahren 1967 und 1969 ein Vorerlebnis. Schon einmal mußte dasjenige, was beschlossen worden war, nach zwei Jahren wieder geändert werden, weil es nicht zu dem gewünschten Ergebnis führte, sondern weil im Gegenteil damals schon die Zahl der freiwilligen Verpflichtungen rapide abnahm. Eine Gegenüberstellung ergab damals, daß es am Anfang 65 000 und am Ende dieser Periode nur noch 7 500 waren. Man hätte daraus lernen können, und deswegen habe ich bei diesen Vorlagen immer wieder auf das Wort abgestellt: Dies ist ein Lehrstück.
Nachdem wir nun die ergänzenden Prüfungen und die Erörterungen innerhalb der Bundesregierung mühsam hinter uns gebracht haben, meine ich, daß wir dasjenige, was der Verteidigungsausschuß einmütig bereits seit März vorigen Jahres für notwendig hält, und was nunmehr auch bis zur langsam, ich hoffe, aber sicher mahlenden Mühle des Finanzministers durchgedrungen ist, nun auch tun sollten.
Aber es gibt eine neue Schwierigkeit; ich weiß nicht, ob das eine Besonderheit der Finanzminister ist. Nun will man hier nicht den klaren Weg gehen, indem man etwa sagt: dies wird behoben, sondern man will Zwischenwege gehen. Ich halte das für Halbheiten, die in dieser Sache, wie ich meine, nicht gerade glücklich sind. Man sollte, wenn man erkannt hat, daß etwas nicht gut geht, nicht sagen: wir wollen es einmal versuchsweise oder auf Widerruf oder mit der Hälfte des Betrages oder auf Zeit anders machen,
({5})
sondern man sollte sagen: dies muß anders geregelt werden.
({6})
Aber der Entwurf der Bundesregierung will nun doch erst für eine Übergangszeit von zunächst zwei Jahren etwas Gesetz werden lassen, was wir einmütig im Verteidigungsausschuß so nicht für richtig gehalten haben. Man könnte sagen: er ist immerhin auf dem richtigen Wege. Wir wollen hoffen, daß wir bei der gemeinsamen Beratung hier noch eine bessere Lösung finden.
Die Bundesregierung hat im übrigen in ihren Gesetzentwurf - ich darf das gleich mit einbeziehen - auch die Erhöhung der Stellenzulage für Luftfahrzeugführer und Kampfbeobachter in strahlgetriebenen Kampfflugzeugen einbezogen. Sie greift damit einen Teil heraus, den wir im Hinblick auf das gesamte Zulagenwesen in der Bundeswehr schon lange im Blick haben. Sie zieht diesen Punkt, der sicherlich einer der wichtigsten ist, vor, läuft aber dadurch Gefahr, daß dies, losgelöst von ande3802
de Terra
ren Überlegungen, wiederum zu Verzerrungen in anderen Bereichen führt.
Ich darf Ihnen meine persönliche Meinung dazu sagen. Ich bin der Auffassung, daß man bei Zulagen außerordentlich vorsichtig sein sollte. Das Zulagenwesen ist immer wie Nebel, der über der Landschaft des echten und richtigen Besoldungsgefüges liegt. Das kann leicht dazu führen, daß derjenige, der am lautesten im Nebel ruft, im Zulagenwesen einen Erfolg oder einen Teilerfolg an sich reißt. Es ist die Pflicht des Dienstherrn, die Pflicht der Bundesregierung, unser aller Pflicht, auch an diejenigen Personengruppen zu denken, die, auch wenn sie nicht laut rufen, trotzdem in gleicher Lage gleiche Hilfe - man kann hier sagen: gleiche Zulagen - erwarten können. Gehen wir z. B. von der Luft aufs Wasser. Ich würde meinen Blick z. B. auf einzelne Personengruppen bei der Marine richten und fragen: Wie sieht es eigentlich mit den Kampfschwimmern . und den Tauchern aus? Aber der Anfang ist gemacht, der Anfang ist gut, dieser Teil soll erledigt werden, die Stellenzulage soll gewährt werden.
Dies wollte ich beiden Entwürfen auf den Weg geben. Wenn ich das Fazit ziehe, muß ich sagen: Endlich ist etwas geschehen; endlich ist das durchgeführt, von der Bundesregierung in Angriff genommen worden, was wir im Verteidigungsausschuß - ich wiederhole es zum dritten- oder vierten- oder fünftenmal - einmütig als richtig befunden hatten. Wir wollten einmütig diese Einbußen in der Bundeswehr nicht hinnehmen, wollten einer als falsch erkannten Entwicklung nicht tatenlos zusehen. Wir hoffen, daß wir nun auf einem guten und richtigen Wege sind.
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Das Wort hat der Abgeordnete Liedtke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das scheint ja hier eine der ungewöhnlichen Stunden des Parlaments zu werden, denn aus Herrn de Terras Ausführungen entnahm ich ein hohes Maß an gemeinsamer Einsicht in die Notwendigkeiten, die in diesem Gesetz manifestiert sind. Es gehört zum Stil der Opposition, jedes noch so kleine Gesetz zu benutzen, um wenigstens ein paar Nadelstiche in Richtung Bundesregierung zu versuchen. Da diese Regierung anderes von Ihnen gewöhnt ist, wird sie die gar nicht bemerken, und ich gehe auf Ihre Vorbemerkungen folgerichtig gar nicht ein.
Wir teilen die Ansicht - und das soll den Bundesverteidigungsminister und auch die Bundeswehr fröhlich stimmen -, daß die nicht nur bei uns, sondern auch bei den NATO-Freunden anerkannte Ausbildungsqualität der Bundeswehr im wesentlichen von den Ausbildern abhängt, die im persönlichen täglichen Kontakt mit den Soldaten umgehen. Wenn sich diese mittlere Ausbilderebene entsprechend der Vorlage des Verteidigungsministers arg verdünnt, sind wir die letzten, die nicht bereit sind, hier Abhilfe zu schaffen. Im Prinzip tun wir nichts anderes, als daß wir den Angeboten des Arbeitsmarktes nachgehen. Wir haben vor zwei Jahren dieses Gesetz ein bißchen zurückgefahren, weil wir ein Überangebot von draußen hatten. Der Verteidigungsminister hat das sogar selbst angeboten. Wenn das nun nachläßt, gehen wir wieder auf die alte Qualität. Da sind wir uns also einig.
Schwieriger wird es bei dem zweiten Teil des Entwurfs der Bundesregierung, nämlich der Erhöhung der Zulage für Luftfahrzeugführer und Kampfbeobachter bei Strahlflugzeugen. Wir sind bereit, das offen zu prüfen, wissen aber auch, Herr de Terra, daß die Zulagen in der ohnehin schon komplizierten Besoldungslandschaft einen Dschungel darstellen. Hier treten auch in unvergleichlicher Weise die Sprachschöpfungen unserer Bürokratie deutlich hervor. Kein Mensch kann das mehr übersehen. Da gibt es allgemeine Zulagen, da gibt es besondere Zulagen, da gibt es Stellenzulagen, Amtszulagen, da gibt es Zulagen für Sicherheit, Erschwerniszulagen, Schmutzzulagen, Zulagen für Dienst zu ungünstigen Zeiten, für Sicherheit in der Luft, unter Wasser, auf dem Wasser und und und. Wenn man diese nun noch sehr geschickt mit Sternchen und Verweisungen versieht und in dem dicken Besoldungsgesetz schön gestreut unterbringt, wird das selbst für die sogenannten Experten eine Geheimwissenschaft. Wenn man dann noch die allgemeinen Zulagen mit besonderen Begründungen versieht und die besonderen mit allgemeinen und dann noch die Höhe untereinander als fein ausgewogen hinstellt, passiert sehr leicht folgendes: Wenn man dort ein Glöckchen an-tickt - und das könnte hier sein -, klingelt der ganze Stellenbaum, und es wird eine sehr teure Musik.
Kurzum, zu diesem zweiten Teil darf ich für meine Fraktion sagen: wir werden auch das offen prüfen, aber die Sorgfältigkeit wird hier sehr viel größer sein als bei Teil 1, zu dem wir die Notwendigkeit einsehen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Ludewig.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der technische Fortschritt hat uns moderne und hochwertige, technisch anspruchsvolle, komplizierte Waffen und Gerätesysteme in der Bundeswehr gebracht. Zu ihrer Bedienung und Wartung müssen längerdienende, qualifizierte, positiv motivierte Soldaten herangezogen werden. Das sind die Soldaten auf Zeit. Die Soldaten auf Zeit erhalten Dienstbezüge. Damit wird diese Angelegenheit teurer, als wenn Wehrpflichtige eingesetzt werden.
Der wehrpflichtige Soldat bekommt als Grenadier 165 DM, er bekommt als Gefreiter 210 DM und als Obergefreiter 225 DM, wenn er es in 15 Monaten bis zum Obergefreiten schafft. Ein Z-2-Soldat erhält als Grenadier 1 153 DM, als Gefreiter 1 199 DM und als Obergefreiter 1 257 DM.
Sinn der Änderung im Rahmen des Haushaltsstrukturgesetzes ab 1. Januar 1976 war es, diese
Mehrkosten einzusparen. Wir haben daraufhin den- jenigen, die bereit waren, sich auf zwei Jahre als Soldat zu verpflichten, in den ersten sechs Monaten auch nur die Grundwehrdienstbezüge gegeben. Das hat dazu geführt, daß die Freiwilligmeldungen und die Weiterverpflichtungen zurückgegangen sind. Innerhalb dieser eineinhalb Jahre, seit dem 1. Januar 1976, hat sich der Personalfehlbestand von 21 000 auf 36 000 Mann erhöht.
Dieser Fehlbestand muß abgebaut werden. Erst- und Weiterverpflichtungen müssen aus den genannten Gründen wieder steigen. Dafür ist der Anreiz nötig, die Dienstbezüge wieder ab dem ersten Monat zu zahlen. Die Anzeichen sprechen dafür, daß diese Maßnahme die gewünschten Auswirkungen hat. Gespräche bei der Truppe bestätigen das. Die FDP-Fraktion will, daß bestes Gerät auch auf die bestmögliche Art und Weise bedient und einsatzbereit gehalten wird. Deshalb stimmen wir diesem Teil des Gesetzentwurfes zu.
Der Gesetzentwurf sieht zweierlei vor: Erstens die Wiedereinsetzung der Dienstbezüge für Z-2-Soldaten ab dem ersten Monat, außerdem die Aufstokkung der Zulagen für Strahlflugzeugführer. Eine Erhöhung dieser Zulage wird damit begründet, daß die Anforderungen an die Leistungen der Strahlflugzeugführer und Kampfbeobachter von ein- und zweisitzigen Kampfflugzeugen gestiegen sind. Zu Recht wird aber gefragt, ob wir diesen Fall nicht zum Anlaß nehmen sollten, noch einmal das ganze Zulagewesen einer kritischen Überprüfung zu unterziehen; denn Kampfschwimmer, U-Boot-Fahrer und auch Hubschrauberpiloten könnten möglicherweise die gleichen Ansprüche stellen. Die FDP-Fraktion ist der Ansicht, daß eine isolierte Betrachtung dieser Frage eigentlich nicht zu vertreten ist.
Wir wollen die allgemeine Zulagensituation eindeutig geklärt wissen, insbesondere die Relationen zwischen den einzelnen Zulagen einer eingehenden Untersuchung durch das Parlament unterziehen. Vorher wollen wir mit einer Zulagenerhöhung nicht beginnen. Ich hoffe, daß die Gesamtübersicht über das Zulagewesen baldmöglichst zum Gegenstand einer parlamentarischen Diskussion gemacht wird, damit dann - eventuell zusammen mit anderen Zulagenerhöhungen - über diese sogenannte Fliegerzulage entschieden werden kann.
Es gibt noch einen Grund, der dagegen spricht, diese Zulage schon jetzt überstürzt zu beschließen. Auf eine entsprechende Frage eines Kollegen - es war Herr Jung - hat das Bundesministerium der Verteidigung erklärt, daß nichts dagegen spreche, wenn ein Strahlflugzeugführer in der wegen der besonderen Belastung verordneten Ruhe- und Regenerationszeit eine Nebenbeschäftigung in Form von zwei Vollerwerbsberufen ausübt. Das ist ein Beispiel, das der isolierten Betrachtung dieser einen Zulage ganz eindeutig entgegensteht.
Ich empfehle daher, diese Frage zu prüfen und die Stellenzulage jetzt nicht zu beschließen. Dagegen sollten wir beschließen, daß die Soldaten auf Zeit ab 1. Januar 1978 vom ersten Tage der Verpflichtung an ihre Dienstbezüge bekommen. Dieser
Anreiz muß gegeben werden. Wir machen das zunächst für zwei Jahre, um dann zu prüfen, ob die Maßnahme gegriffen hat. Wir legen uns also nicht für alle Zeit fest.
Ich bitte Sie, der Überweisung des Gesetzentwurfs an die zuständigen Ausschüsse zuzustimmen.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Überweisungsvorschlag des Ältestenrates liegt Ihnen vor. Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich rufe den Zusatzpunkt 2 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Graduiertenförderungsgesetzes ({0})
- Drucksache 8/1026 -Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
Wird hierzu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Der Überweisungsvorschlag liegt Ihnen vor. Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich rufe Zusatzpunkt 3 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung energierechtlicher Vorschriften
- Drucksache 8/1030 Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Wirtschaft ({1}) Finanzausschuß
Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
Auch dazu wird das Wort nicht gewünscht Der Überweisungsvorschlag des Ältestenrates liegt Ihnen vor. Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 10. März 1976 zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen
- Drucksache 8/764 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({2})
- Drucksache 8/967 Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Kunz ({3}) ({4})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schmidt ({5}).
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Namens der Mitglieder des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gebe ich zur Verabschiedung des Ratifikationsgesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 10. März 1976 zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen eine Erklärung ab. Dies geschieht auch in der Absicht, gegenüber der Öffentlichkeit darzulegen, daß die Mitglieder dieses Ausschusses sehr wohl bereit und in der Lage sind, sich mit allem Ernst und dem notwendigen Sachverstand der Probleme des Tierschutzes anzunehmen und sie tierschutzgerechten Lösungen zuzuführen.
Als wir 1972 hier einmütig das in aller Welt gelobte Tierschutzgesetz verabschiedeten, baten wir die Bundesregierung, die Bestrebungen zur Harmonisierung des Tierschutzes in Europa nachdrücklich zu fördern. Dabei gingen wir von der Erwägung aus, daß die weitaus überwiegende Zahl der gehaltenen Tiere auf den Bereich der tierischen Agrarproduktion entfallen und hier strenge nationale Tierschutzregelungen, die im europäischen Vergleich richtungweisend sind, im Bereich der landwirtschaftlichen Produktion zu unvertretbaren Wettbewerbsverzerrungen führen müßten.
({0})
Wir alle waren uns darüber einig, daß selbstverständlich der Tierschutz sämtliche Bereiche unserer Gesellschaft erfassen müsse, also auch die Landwirtschaft. Aber wir haben damals betont, daß das Selbsterhaltungsinteresse des Menschen Lebensbeschränkungen für das Tier ethisch rechtfertige.
({1})
Unter diesem Aspekt sind auch die ernährungswirtschaftlich unumgänglichen modernen Tierhaltungsformen gesehen worden. Wir waren und damals als nationaler Gesetzgeber aber darüber einig, daß es insoweit keinen tierschutzfreien Raum geben darf - nicht in der Bundesrepublik und auch nicht bei unseren Nachbarn und Mitbewerbern auf dem Agrarmarkt der Europäischen Gemeinschaft. Deshalb haben wir die Bundesregierung ersucht, auf europäische Lösungen hinzuwirken.
Nun sind wir mit dem vorliegenden Übereinkommen und seiner heute beabsichtigten Ratifikation durch den Deutschen Bundestag einen weiteren Schritt auf dem Wege zu einem europäischen Tierschutz gut vorangekommen. Zuvor hatten wir bereits 1974 das Europäische Tier-Transport-Übereinkommen ratifiziert, und außerdem ist in Brüssel die Richtlinie über die Betäubung vor dem Schlachten erlassen worden.
Dem vorliegenden Übereinkommen kommt insbesondere im Hinblick auf die gegenwärtige Tierschutzdiskussion in der Bundesrepublik um die sogenannte Massentierhaltung eine große Bedeutung zu. Hier werden erstmalig internationale Grundsätze für die Haltung, Pflege und Unterbringung landwirtschaftlicher Nutztiere in modernen Tierhaltungen festgeschrieben. Dabei sind wir uns bewußt, daß durch dieses internationale Übereinkommen die in unserem Tierschutzrecht immer noch klaffende Lükke bezüglich neuzeitlicher Intensivhaltungssysteme nicht ausgefüllt wird.
Das Übereinkommen enthält nur Grundsätze, deren Ausfüllung durch die Teilregelungen für die einzelnen Tierarten über Haltung, Pflege und Unterbringung einem internationalen Ständigen Ausschuß beim Europarat vorbehalten bleibt. Sobald das Übereinkommen durch Ratifikation in Kraft gesetzt ist, können diese Detailregelungen in einem vereinfachten Verfahren durch diesen Ständigen Ausschuß völkerrechtlich verbindlich getroffen werden. Hierin liegt die besondere Bedeutung dieses _Übereinkommens. Sie liegt aber auch in der Tatsache begründet, daß das Übereinkommen nicht bloß die EG-Länder umfaßt - die EG ist überdies selbst Partner des Übereinkommens -, sondern alle Mitgliedstaaten des Europarates, also alle europäischen Länder - außer denen des Ostblocks -, von Island bis Zypern, von der Türkei bis Portugal. Die Tatsache, daß die Europäische Gemeinschaft als Institution beigetreten ist, bringt Brüssel in den Zug- zwang, eine einheitliche Lösung der Tierschutzprobleme in sogenannten Massentierhaltungen zu finden und durchzusetzen.
Meine Damen und Herren, im Bewußtsein der europäischen Wirklichkeit müssen wir aber sehen, daß gemeinschaftliche Regelungen nicht kurzfristig zu erreichen sind. Dieser Umstand darf für die Bundesregierung jedoch kein Anlaß sein, den Erlaß der in § 13 des Tierschutzgesetzes vorgesehenen Rechtsverordnungen über Massentierhaltungen zurückzustellen. Verzögerungen, die nicht allein in der sachgerechten Behandlung einer äußerst schwierigen Materie begründet sind, würden bei weiten Kreisen der deutschen Tierfreunde zu Recht auf Unverständnis stoßen. Beachtlich ist zudem, daß ohne konkretisierende Rechtsverordnung über Haltung, Pflege und Unterbringung von Tieren diejenigen, die mit der behördlichen Durchführung und richterlichen Auslegung des Tierschutzgesetzes betraut sind, auf unbestimmte Rechtsbegriffe in der Generalklausel nach § 2 des Tierschutzgesetzes über artgemäße Pflege und Bewegungsbedürfnis sowie verhaltensgerechte Unterbringung angewiesen sind, also auf Begriffe, deren Auslegung im Einzelfall häufig nur durch höchstrichterliche Entscheidungen möglich ist. Wie wir hören, ist die Konkretisierung für die Bereiche der Schweine- und Kälberhaltung nunmehr nach fachwissenschaftlicher Klärung zuvor noch offener Fragen möglich. Im Geflügelbereich, der die Öffentlichkeit besonders bewegt, sollte die wissenschaftliche Klärung zügig vorangetrieben werden.
In diesem Zusammenhang 'dürfen wir nicht übersehen, daß durch die Erarbeitung dieser nationalen Rechtsverordnungen gewichtige Steuerungselemente für künftige internationale oder EG-Tierschutzbestimmungengeschaffen werden. Durch entsprechende UÜbergangsregelungen kann der Anschluß an das künftige harmonisierte Recht geschaffen werden.
Lassen Sie mich abschließend feststellen, daß aus der Rückschau 'der von uns in diesem Hause einvernehmlich 'beschrittene Weg, ein modernes nationales Tierschutzrecht zu schaffen, richtig gewesen ist. Die Mitgliedèr des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hegen gemeinsam die HoffDr. Schmidt ({2})
nung, daß der Deutsche Bundestag mit seiner Gesetzgebung Leitlinien für eine Harmonisierung in Europa gezogen hat.
({3})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Einzelberatung und zur Abstimmung in zweiter Beratung, mit der die Schlußabstimmung verbunden wird. Ich rufe Art. 1, 2, 3, 4 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer dem Gesetzentwurf in zweiter Beratung und in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.
Ich rufe nunmehr Punkt 9 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Dollinger, Dr. Schulte ({0}), Leicht, Damm, Straßmeir und der Fraktion der CDU/CSU
Bericht über Telefon-Nahbereichsversuche - Drucksache 8/991 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen
Zur Begründung des Antrags hat der Herr Abgeordnete Damm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dies ist die vierte Debatte, die in diesem Hause über den Komplex „Zeittakt" geführt wird und geführt werden muß. Die Öffentlichkeit erinnert sich noch daran, daß ursprünglich ein VierMinuten-Zeittakt eingeführt werden sollte. Dieser Deutsche Bundestag hat es fertiggebracht, den Zeittakt wenigstens auf acht Minuten auszuweiten, wenngleich man bezweifeln darf, daß dieser Postminister seine öffentliche Erklärung auch tatsächlich einhält, daß, solange er Postminister sei, acht Minuten niemals unterschritten würden. Aber darauf werden wir später noch zu sprechen kommen müssen.
Ich will zunächst deutlich machen: Durch die Einschaltung dieses Parlaments ist es gelungen, sowohl die ursprüngliche Absicht, diesen kurzen Zeittakt einzuführen, zu verhindern, als auch Sonderregelungen für Berlin, für die Grenzgebiete und - jedenfalls angekündigt - für die Telefonseelsorge zu erreichen.
Jetzt haben wir Grund, uns mit dieser Angelegenheit erneut zu beschäftigen, weil der Postminister Gscheidle in einer Art Rückfall in die absolutistische Zeit wie eine Art Ludwig XIV.
({0})
dieses Parlament überspielen und in einer Nacht- und Nebelaktion von vor wenigen Wochen die ganze Geschichte nun endgültig fixieren will.
({1})
- Das ist wirlich unerhört. Es ist im Grunde viel schlimmer: Es ist eine Mißachtung des Parlaments. Darüber wird nachher natürlich auch noch zu sprechen sein.
Ich will, bevor ich das tue, meine Damen und Herren, drei Fragen behandeln, die mit diesem Komplex unmittelbar zusammenhängen. Es handelt sich zum einen um die Frage, ob es ein Junktim, eine unauflösliche Verbindung geben muß zwischen der Erweiterung von. Nahbereichen, die dringend notwendig ist, und der Einführung des Zeittakts.
Die zweite Frage, die ich beantworten will, lautet: Sind eigentlich die vorgesehenen Investitionen wirklich sachlich gerechtfertigt?
Drittens ist zu fragen: Wem nützt eigentlich der Zeittakt?
Wie ist das: Kann man erweiterte Nahbereiche nur dann haben, wenn man den Zeittakt einführt? Das ist ja die Behauptung dieses Ministers. Viele Fachleute und meine Fraktion sind folgender Meinung: Es wird höchste Zeit, daß in den ländlichen Gebieten größere Gerechtigkeit für die Telefonkunden Platz greift.
({2})
Das kann und muß geschehen, ohne die bisherigen Vorteile im Telefonortsverkehr zu beseitigen. Es bedarf keines Zeittakts im Nahverkehrsbereich, um in den ländlichen Räumen größere Telefonortsnetze zu schaffen.
({3})
Der Postminister spricht nun immer von unübersehbaren technischen und finanziellen Risiken, wenn der Zeittakt im Nahbereich nicht eingeführt würde. Um welche Summen handelt es sich? Mit welchen Mindereinnahmen rechnet die Post, meine Damen und Herren, wenn sie entweder gar keinen Zeittakt einführt oder unterschiedliche Zeittakte hätte? Bei der ursprünglichen Absicht des Vierminutentakts hätten nach Berechnungen der Post die Mindereinnahmen jährlich 206 Millionen DM ausgemacht; beim Achtminutentakt wären es 532 Millionen DM, und wenn man gar keinen Zeittakt einführte - das ergibt sich aus der Anzahl der über acht Minuten hinausgehenden Gespräche; das sind rund 3 % aller Gespräche -, ergäben sich 582 Millionen DM Mindereinnahmen.
582 Millionen DM sind eine Menge Geld. Woher soll die Post das Geld nehmen, um diese Mindereinnahmen auszugleichen? Das ist ja die logische Frage, wenn man, wie wir das tun, sagt: Wir wollen keinen Zeittakt!
Meine Damen und Herren, die Antwort ist so einfach wie einleuchtend: aus den Einnahmen der Post im Fernmeldebereich. Hat denn die Post in diesem Bereich Überschüsse? Ja, seit 1975 macht die Bundespost wieder Milliardenüberschüsse. Im Fernmeldebereich waren es 1975 3,45 Milliarden DM, im Jahr 1976 3,824 Milliarden DM. Das sind sehr hohe Überschüsse.
Nun weiß aber jeder von uns, daß die Post notwendigerweise andere Dienste durch die Überschüsse aus dem Fernmeldebereich subventionieren muß. Das hat sie in den beiden zurückliegenden Jahren getan. Dennoch sind am Ende unter dem Strich viele hundert Millionen Plus übriggeblieben.
1975 waren es 629 Millionen DM Gewinn und 450 Millionen DM Rücklagen. 1976 waren es 1,177 Milliarden DM und 900 Millionen DM Rücklagen. Die Bundespost hat also am Ende mehr als 2 Milliarden DM erwirtschaftet, Plus gemacht. Für das laufende Geschäftsjahr will die Post einen Gewinn von 912 Millionen DM erwirtschaften - das ist die Schätzung - und erneut 900 Millionen DM, also annähernd so viel wie im vergangenen Jahr, Rücklagen bilden.
Die Antwort auf die Frage, wie die Post die Mindereinnahmen ausgleichen solle, kann mit gutem Gewissen lauten: aus den Überschüssen, deren Ursache übrigens in den extrem hohen deutschen Telefongebühren liegt. Was also liegt näher, als die Finanzierung einer höheren Telefonqualität aus den Fernmeldeeinnahmen durchzuführen?
Bleiben die technischen Risiken, meine Damen und Herren. Der Minister hat seine technischen Argumente nie präzisiert. Wenn die laufenden Versuche in den sechs Bereichen mit den Zeittakten und den erweiterten Nahbereichen wirklich unvoreingenommen geplant und durchgeführt worden wären, dann hätte dieser Minister seine Zustimmung auch zu unserer Forderung im Sommer dieses Jahres geben müssen, in einem Fall einen Versuch ohne jeden Zeittakt zu machen; denn wenn seine Behauptung, das berge unübersehbare technische Risiken in sich, zuträfe, wenn er ganz sicher wäre, brauchte er nicht zu befürchten, daß ein solcher Versuch ihn widerlegte - ganz logisch. Dann hätte er am Ende der Versuche ein Tatsachenargument, das auch die unbelehrbare Opposition endlich auf den Pfad der Tugend - jedenfalls wie die Post sie versteht - bringen würde.
Aber die Tatsache, daß sich dieser Minister geweigert hat und die Koalition dazu gebracht hat, dieser Weigerung beizutreten und unseren Antrag abzulehnen, in einem Bereich auch einen Versuch ohne jeden Zeittakt zu machen, zeigt, daß sein Argument, hier gebe es unüberwindbare technische Risiken, nicht zutrifft. Dieser Minister ist eben gar nicht sicher, daß seine Annahme zutrifft. Er muß befürchten, daß er von der Fachwelt der Voreingenommenheit bezichtigt werden könnte, wenn ein solcher Versuch abgeschlossen wäre.
Es ist auch so, daß die ursprüngliche Konzeption der Erweiterung der Nahbereiche, wie sie unter dem damaligen Postminister Dollinger als Prüfungsauftrag gegeben worden ist, keinerlei Junktim zwischen erweiterten Nahbereichen und Zeittakt vorgesehen hat.
Bleiben also die tatsächlichen technischen Engpässe. Wir wissen, das es vielerorts mittags, abends oder an Sonn- und Feiertagen Überlastungen des Netzes gibt. Dieser Zustand würde auch durch Zeittakte nicht verändert, sondern bestenfalls zu Lasten der sozial Schwachen reglementiert. Die Post muß also investieren, um diese Engpässe zu beseitigen. Verstärkung der Kabelwege und der Schaltglieder wäre die richtige Devise, ferner eine schnellere Einführung des elektronischen Wählsystems.
Bleibt das Problem des Mißbrauchs durch Datenübertragung. Da profitierten nach Herrn Gscheidle die Firmen von stundenlangen Datenübertragungen innerhalb der Ortsnetze für 23 Pfennige. Sie blokkierten, wie er sagt, auch noch zusätzlich die Leitungen. Zunächst muß man einmal sagen: Das hat die Post bisher nicht verboten, sondern das ist nach geltenden Regeln der Post zulässig. Der Minister sollte in seiner Wortwahl sehr sorgfältig sein. Wenn es wirklich Mißbrauch wäre, dann sollte er es abstellen.
({4})
- Er kann es nämlich abstellen. Er kann es erstens durch die Fernmeldeordnung verbieten. Damit müßte man anfangen.
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- Nein, natürlich nicht. Ich weiß - wie jeder Autofahrer -, daß sich nicht alle an die Verkehrsregeln halten. Aber es gibt technische Möglichkeiten zu überprüfen, ob sich alle daran halten. Der Minister sollte sie nutzen. Dann könnte er diesen - wie er es nennt - Mißbrauch ganz schnell abstellen.
({6})
Der Minister hat schon mehrfach behauptet, dieses oder jenes ginge nicht, und nach einiger Zeit kam er selbst und sagte: Nun geht es doch.
Ich nenne Ihnen ein Beispiel, Herr Hoffie: Dieser Minister hat noch im November 1975 erklärt, es sei völlig ausgeschlossen, für die Telefonseelsorge Sonderregelungen zu schaffen.
({7})
- Aber natürlich hat er gesagt - so wörtlich am 24. November -, daß es praktisch nicht möglich sei, Anrufe zur Telefonseelsorge von Münzfernsprechern aus von der Zeitzählung auszunehmen. Jetzt kommt er und sagt, das gehe doch; jetzt kommt er und sagt, für die Telefonseelsorge würden Ausnahmen gemacht werden. Meine Damen und Herren, er wird auch wissen, daß er technische Möglichkeiten im .Bereich der Standleitungen und des angeblichen oder tatsächlichen Mißbrauchs der Ortsleitungen findet.
Ich will jetzt die Frage beantworten, ob die Investitionen, die der Minister vorsieht, nämlich die 1,6 Milliarden, von denen er sagt, sie seien bereits in Auftrag gegeben, gerechtfertigt sind. Ich denke immer noch, daß die treffendste Charakterisierung dieses Investitionsvorhabens von Frau Dr. Julia Dingwort-Nusseck stammt. Es ist anderthalb Jahre her, daß sie gesagt hat: „Es wird nicht etwa investiert, um mehr Leistung zu schaffen, sondern um die Leistung zu verkürzen; das ist so richtig die Mentalität eines Monopolisten." - Ich meine, daß Frau Dr. Julia Dingwort-Nusseck mit dieser Charakterisierung der Investitionen von 1,6 Milliarden DM völlig recht hat: Die Ausgabe dieser Riesensumme soll nicht dazu führen, die Leistungsfähigkeit der Post zu verstärken, sondern lediglich dazu dienen, Zeitzähler einzubauen, um gegenüber den Telefonkunden bisherige Leistungen verkürzen zu können.
Richtig angelegt wären diese 1,6 Milliarden für Zukunftsinvestitionen, die die Leistungen der Post erhöhen.
Bleibt, meine Damen und Herren, das Argument: Sicherung der Arbeitsplätze, Konjunkturförderung. Der Bundespostminister beruft sich bei seinen Entscheidungen auf die - wie er sagt - Tatsache, mit dieser Investition würden 5 000 Arbeitsplätze gesichert. Ich glaube aber, daß er mit dieser Argumentation so nicht durchkommen darf. Denn betrachtet man seine bisherigen normalen Investitionen, so ergibt sich, daß die Investitionen der Bundespost in den Jahren seit 1973 nicht nur real, sondern auch nominal .zurückgegangen sind. 1973 hat die Bundespost 6,555 Milliarden DM investiert, und im Jahre 1977, also in diesem Jahr, will und wird sie 5,089 Milliarden DM investieren. Wenn es darum gegangen wäre, daß diese Bundespost - wie mit Recht von allen großen Betrieben erwartet wird, und im Augenblick gibt es ja eine Anzeigenkampagne der Post, die deutlich macht, daß die Bundespost das größte Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland ist, was ja zutrifft - Arbeitsplätze sichert, hätte man erwarten dürfen, daß diese Deutsche Bundespost in den zurückliegenden Jahren mehr investiert hätte, jedenfalls eine Steigerung vorgenommen hätte, die der Steigerung ihres Etats entsprochen hätte. Er soll sich jetzt nicht hinstellen und sagen, er sei derjenige, der Arbeitsplätze sichere. Notwendige Investitionen, mit denen er Arbeitsplätze längst hätte sichern können, sind unterblieben.
Meine Damen und Herren, wenn der Minister diese 1,6 Milliarden in richtiger Weise für zukunftsträchtige Maßnahmen bei der Post ausgäbe, würde er vermutlich noch mehr als 5 000 Arbeitsplätze zusätzlich sichern. Es geht also gar nicht um die Frage: 5 000 zusätzliche Arbeitsplätze schaffen oder sichern oder nicht, sondern darum, die richtigen Investitionen vorzunehmen und mindestens 5 000 Arbeitsplätze - wahrscheinlich sogar noch mehr - zu sichern.
Bleibt schließlich die Frage: Wem nützt der Zeittakt und wem schadet er? Eines ist ja sicher: Gewinner bei der Einführung des Zeittaktes ist in jedem Falle die Bundespost. Sie bekommt nämlich höheren Gebühren. Wieviel das sein wird, muß man abwarten; aber das ist ja auf jeden Fall auch der eigentliche Sinn dieser Unternehmung. Es ist keine Frage, daß die Wirtschaft von der Gebührenerhöhung getroffen wird. Aber sie wird mit Sicherheit weniger hart getroffen als die sozial Schwachen, die Alten und die Kranken, für die das Telefon häufig der einzige Außenkontakt ist. Diese Menschen sind ja auch nicht selten die Langtelefonierer, die laut Minister Gscheidle zu „geradezu mißbräuchlicher Benutzung der teuren Fernmeldeeinrichtungen" angereizt würden, wenn das Telefonieren nicht verteuert würde.
Und die Telefonseelsorge! Plötzlich soll es Sonderregelungen geben. Aber wie, das sagt Kurt Gscheidle nicht. Er weiß nämlich inzwischen, daß allein in München von 200 verschiedenen Anschlüssen aus Telefonseelsorge betrieben wird. Mit einer Nummer, die mit „11" beginnt, kommt man da also nicht weiter. Denn die kann logischerweise nur an eine einzige Stelle leiten, nicht aber an 200 an verschiedenen Stellen befindliche Telefone, die in der Regel von unterschiedlichen Gruppen und Kreisen bedient werden.
Der große Zulauf der Aktion „Billiges Telefon" beweist, daß es die einfachen und die sozial engagierten Bürger dieses Landes sind, die sich von Herrn Gescheidles Zeittakt-Plänen betroffen fühlen. Was der Postminister und diese Regierung planen, ist deswegen wirklich soziale Demontage und Abbau notwendiger Lebensqualität.
({8})
Darum ist es kein Wunder, daß der Vorsitzende der Hamburger SPD-Fraktion am 20. September 1977 im Norddeutschen Rundfunk gesagt hat - ich zitiere wörtlich mit Ihrer Genehmigung, Herr Präsident -:
Wir befürchten, daß durch die Einführung des Zeittaktes den sozialen Randgruppen unserer Gesellschaft insofern schwerer Schaden zugefügt wird, als eben das Telefonieren im Großstadtbereich wesentlich teuer wird.
({9})
Ein Mitglied Ihrer Partei, der Vorsitzende der Fraktion der SPD in der Hamburger Bürgerschaft, spricht davon, daß hier schwerer Schaden gerade für die sozialen Randgruppen eintreten wird. Schwerer Schaden für die sozialen Randgruppen ist doch wohl das, was man mit anderen Worten soziale Demontage nennen kann und nennen muß. Oder?
({10})
Es bleibt also das Ausgeliefertsein aller Telefonkunden an den Postminister.
Einmal eingebaute Zeitzähler sind für jeden Postminister eine Versuchung, schleichende Gebührenerhöhungen durchzuführen. Es ist natürlich ganz einfach, von acht Minuten auf sieben, auf sechs, auf fünf, auf vier Minuten herunterzuschalten.
({11})
- Ich würde diesem Minister sogar diesen Unsinn zutrauen, muß ich mal ehrlich sagen, auf Null-Zeittakt zu gehen.
({12})
Aber es wäre schon schlimm genug, wenn es auf vier Minuten heruntergehen würde - was ja seine ursprüngliche Vorstellung war und was, wie ich denke, im geheimen seine Vorstellung nach wie vor ist; er will nur erst mal die Uhren da haben; dann hat er uns in dem Griff, den er braucht, um jederzeit an dieser Zeitschwelle drehen zu können.
Die CDU/CSU lehnt den Zeittakt ab. Wir wollen die Erweiterung der Nahverkehrsbereiche ohne jeden Zeittakt.
Und nun zu unserem formalen Antrag. Wir begehren die Zustimmung des Deutschen Bundestages dazu, daß, bevor die Versuche mit einem Acht-Minuten-Zeittakt für beendet erklärt werden und die
Aufträge für die Einrichtung der Zeitzählung in den bisherigen Ortsnetzen vergeben werden, dem Plenum des Deutschen Bundestags über die Ergebnisse der Versuche berichtet werden soll.
Warum eigentlich beantragt die Opposition diese Selbstverständlichkeit? Denn es sollte doch eine Selbstverständlichkeit sein, daß dieser Minister, der hier vor eineinhalb Jahren erklärt hat, er werde von der unmittelbaren Einführung des Vier-MinutenZeittakts absehen und erst einmal einen Ein-JahresVersuch in sechs Bereichen durchführen, nach Ablauf dieser Versuche hierher kommt und an dieser Stelle, wo er das angekündigt hat, darüber berichtet.
({13})
- Daß er den Kopf schüttelt, wundert mich bei diesem Minister nicht. Denn, meine Damen und Herren, ich finde, daß das eine Frage des politischen Stils, des Umgangs zwischen Regierung und Parlament ist.
({14})
Aber lassen wir das noch einmal einen Augenblick beiseite. Er muß ja schon aus Prinzip das, was ich sage, für nicht richtig halten.
({15})
- Weil ich von der Opposition bin, deswegen. - Aber es gibt doch unter dem Datum 4. Mai 1977 einen Antrag von Ihnen, einen Antrag der Abgeordneten Mahne, Wuttke, Stahl ({16}), Topmann, Ollesch, Hoffie und der Fraktionen der SPD und der FDP.
({17})
- Der ist angenommen worden, ja. Das macht doch die Sache nicht einfacher, sondern schwieriger und schlimmer. Denn in diesem Antrag steht unter zweitens:
... nach Vorliegen sämtlicher Versuchsergebnisse des Probebetriebes dem Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen des Deutschen Bundestages alternative Regelungen zu unterbreiten, um besondere soziale Gruppen, die auf Telefonkommunikation dringend angewiesen sind, durch geeignete Maßnahmen zu entlasten.
Und unter drittens steht:
... nach Vorliegen sämtlicher Versuchsergebnisse die beabsichtigte räumliche und zeitliche Vorgehensweise bei der bundesweiten Einführung des Nahdienstes darzulegen.
Das alles hat der Minister doch gar nicht gemacht. Er hat vor vier Wochen öffentlich erklärt, der Zeittakt werde am 1. Januar 1978 eingeführt.
({18})
- Aber natürlich haben Sie das erklärt! Sie haben dann ja auch gesagt, Sie hätten bereits die Aufträge vergeben. Im übrigen haben Sie erklärt, daß es auch Ihre Absicht gewesen sei, die Gegner des Zeittaktes mit dem Mittel der Konjunkturförderung
- wie Sie wörtlich gesagt haben, wie man in den Zeitungen lesen konnte - zu überfahren.
({19})
Meine Damen und Herren, kein Wunder also, daß sich der schleswig-holsteinische Wirtschaftsminister Dr. Westphal als Mitglied des Postverwaltungsrates gegen diese Art des Postministers in einem Telegramm ausdrücklich verwahrt hat. Denn: Wenn der Minister schon nicht akzeptieren will, daß er aus politischen Gründen gehalten ist, nach Abschluß der einjährigen Versuche - was ja erst Ende März nächsten Jahres wäre - hier ins Parlament zu kommen und über die Ergebnisse zu berichten, dann hätte er ja wohl mindestens die Pflicht, seinem Postverwaltungsrat darüber zu berichten. Aber auch das hat er ja nicht getan. Darum verwahrt sich das Mitglied des Postverwaltungsrates, der schleswig-holsteinische Wirtschaftsminister Dr. Westphal, ausdrüçklich gegen die öffentliche Ankündigung, er, der Minister, habe nun entschieden, daß jetzt die Dinge tatsächlich durchgeführt werden sollten, und zu diesem Zweck die entsprechenden Aufträge erteilt.
Meine Damen und Herren, wenn man sich noch einmal vergegenwärtigt, welche Antworten Bürger dieses Landes z. B. vom SPD-Parteivorsitzenden Brandt, vom Chef des Bundeskanzleramtes, von Mitgliedern dieses Hauses, aus dem Bundespräsidialamt oder von Außenminister Genscher - immer zu dem Thema: Wie wird das mit dem Zeittakt? - erhalten haben, dann wird es einem noch unverständlicher, daß hier diese Nacht-und-Nebel-Aktion betrieben und durchgeführt werden soll. Ich zitiere nur aus einer Antwort, die im Auftrag des Außenministers Genscher am 7. Dezember 1976 erteilt worden ist. Wie Ihnen sicher bekannt ist, heißt es, wenn ich zitieren darf, Herr Präsident, in diesem Brief:
... wird nach einem Beschluß des Bundeskabinetts von Anfang 1977 an für die Dauer eines Jahres ein Nahdienstversuch in sechs Regionalbereichen ausgeführt. Erst im Anschluß daran
- erst im Anschluß daran! -wird die Auswertung der auf diese Weise gewonnenen Erkenntnisse möglich sein. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind dagegen keinerlei endgültige Regelungen zu behandeln oder zu beschließen.
Das ist der Tenor aller dieser Antworten, einschließlich derer, die im Namen des Bundespräsidenten erteilt worden sind. Es ist wirklich eine Stillosigkeit sondergleichen, daß dieser Minister nach Ablauf eines halben Jahres sagt: Das alles gilt natürlich überhaupt nicht, ich mache das jetzt; ich überfahre jedermann, der je ,die Absicht hatte, das, was ich will, zu blockieren.
({20})
- Meine Damen und Herren, falls Ihnen das immer noch nicht glaubwürdig erscheint, sollte es Sie vielDamm
leicht nachdenklich stimmen - das ist natürlich ein zeitlicher Zufall -, daß an demselben Tag, an dem Postminister Gscheidle seine Pressekonferenz mit der Ankündigung gegeben hat, jetzt werde der Zeittakt eingeführt, die Post dieses Flugblatt „Post von der Post" in viele Haushaltungen geschickt hat. Ich selber habe .das sowohl hier als auch in Hamburg in meiner Post vorgefunden. Es heißt in diesem Flugblatt:
Hier sagt Ihnen Ihre Post Näheres zum Telefonnahbereich und zum Zeittakt.
Es heißt weiter:
Halbzeit beim Nahdienst-Probebetrieb. Das erste halbe Jahr des Probebetriebs Telefonnahdienst mit Zeittakt in -den sechs Versuchsbereichen ist vorbei.
Im letzten Absatz heißt es:
Wie geht es nun weiter? Die Post geht für Sie auf Nummer sicher. Die Versuche werden noch für ein halbes Jahr fortgeführt. Dabei werden, einem Beschluß des Deutschen Bundestages entsprechend, zusätzlich auch noch 12- und 16-Minuten-Takte erprobt, am Abend und am Wochenende. Danach werden die Ergebnisse ausgewertet. Dann wird der Bundespostminister einen Vorschlag vorlegen über die Einführung des Nahdienstes mit Zeittakt im Bundesgebiet.
Es steht dort also: nach einem halben Jahr. Am selben Tage kündigte er an: Jetzt ist das eine beschlossene Sache. An dem Tage, an dem er die Auftrage für die Uhren erteilt, läßt er das an alle Haushaltungen verteilen. Deshalb ist es kein Wunder, daß in der „Wirtschaftswoche" stand: „Eine Serie von Unwahrheiten".
Ich frage mich in diesem Zusammenhang natürlich auch: Wo bleibt denn der Einfluß der Hamburger SPD und der Hamburger FDP auf die SPD-Mitglieder und FDP-Mitglieder dieses Parlaments und dieser Regierung? Denn die Hamburger SPD erklärte im März dieses Jahres: Wir werden alles in unseren Kräften Stehende tun, um die Einführung des Zeittaktes für Hamburg zu verhindern.
({21})
Ich habe doch richtig in Erinnerung, daß dem Hamburger Landesverband der SPD maßgebliche Mitglieder dieser Regierung und dieses Bundestages angehören. In der Hamburger SPD muß doch nachgedacht worden sein, bevor sie beschlossen und öffentlich erklärt hat, daß sie erreichen will, daß dieser Zeittakt verhindert wird. Wo ist denn der Einsatz des Bundeskanzlers, der ein Hamburger ist und sich dessen rühmt. Dasselbe gilt für den Finanzminister. Es fehlt auch der Einsatz des Vorsitzenden der SPD-Fraktion, um, der größeren Einsicht der Hamburger SPD entsprechend, das zu verhindern, was ein Schaden für alle Telefonkunden ist und, wie die Hamburger SPD es sagt, die Gefahr eines schweren Schadens für die sozialen Randgruppen in den Großstädten enthält.
({22})
- Nein, das ist nicht nötig, verehrter Herr Wehner; aber es wäre leicht, wenn Sie und diejenigen, die die Einsicht der Hamburger SPD teilen, mit uns zusammen gegen den Zeittakt stimmten, denn dann hätten wir eine Mehrheit und könnten diese falsche Entwicklung noch rechtzeitig stoppen.
({23})
Ich möchte die Sache für die FDP komplettieren. Die Vorsitzende der Hamburger FDP-Fraktion hat auch im März dieses Jahres erklärt:
Die FDP hat bereits in der Vergangenheit die Pläne der Bundespost mit aller Entschiedenheit abgelehnt. Es ist den Bürgern nicht zuzumuten, durch die Einführung des Acht-Minuten-Takts die Defizite in anderen Bereichen der Bundespost abzudecken.
Es ist berechtigt, daß eine Wochenzeitung - „Die Zeit" - nach der Ankündigung des Ministers, er werde die ganze Geschichte nun endgültig in Gang setzen, am 23. September dieses Jahres als Überschrift schrieb: „Der selbstherrliche Minister" und im letzten Absatz sagte:
Die oft genug beobachtete Selbstherrlichkeit dieses Ministers verblüfft immer wieder aufs neue. Da Gscheidle seine Sache vor der Wahl im Bundestag vertreten hat, wäre es, vom demokratischen Selbstverständnis ganz abgesehen, zumindest ein Akt der Courtoisie gewesen, dem Parlament jetzt zu erläutern, warum er nun doch schon vorzeitig handeln will oder muß. Es ist ein Jammer,
- heißt es in der „Zeit" weiter daß die Koalitionsfraktionen ihrer Regierung nahezu alles, aber auch alles durchgehen lassen. Wäre es anders, Kurt Gscheidle wäre nicht mehr lange Minister.
Ich stimme dieser Schlußfolgerung sehr zu. Es ist ein Jammer, daß offenbar auch dies wieder dem Minister durchgehen soll. Wenn wir in diesem Parlament noch einen Funken Selbstachtung haben, dann muß diesem Minister klargemacht werden, daß er mindestens die Versuche durchlaufen zu lassen hat, sie zu bewerten und dann dem Parlament zu berichten hat, wie sie abgelaufen sind. Dann kann er dem Parlament Vorschläge machen, wie man diesem Komplex beikommen soll. Dann erst dürfte er Entscheidungen treffen, wenn er, wie es mindestens die Courtoisie ihm vorschreibt, hier berichtet und dargelegt hat, was sich in diesem Jahr ergeben hat. So wäre es wünschenswert, daß die Koalitionsfraktionen ihm den Laufpaß geben. Denn er behandelt sie genauso schlecht wie uns.
({24})
Das
Wort hat der Herr Abgeordnete Wuttke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe Verständnis dafür, daß Herr Damm gegen den Zeittakt ist, denn er ist ein Langsprecher.
({0})
Ich will nicht im einzelnen auf das eingehen, was der von mir trotzdem sehr geschätzte Herr Vorredner mehr aus Hamburger Sicht als aus fachlicher Sicht ausgeführt hat. Denn was er gesagt hat, war ein Nachklatsch dessen, was hier schon immer wieder von Unionsrednern dargeboten wurde.
Ich stelle folgendes fest. Der Antrag der CDU/ CSU-Fraktion ist sachlich unverständlich und unbegründet. Der Deutsche Bundestag hat sich in seiner Sitzung am 16. Juni 1977 eingehend mit der Frage des Nahdienstes und der Ortszeitzählung befaßt. In dieser Sitzung hat der Bundestag die Bundesregierung aufgefordert,
1. außerhalb der Hauptverkehrszeiten Zeittakte mit einer Länge von 12 und 16 Minuten zu erproben,
2. nach Vorliegen sämtlicher Versuchsergebnisse des Probebetriebs dem Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen des Deutschen Bundestages alternative Regelungen zu unterbreiten, um besondere soziale Gruppen durch geeignete Maßnahmen zu entlasten,
3. nach Vorliegen sämtlicher Versuchsergebnisse die beabsichtigte räumliche und zeitliche Vorgehensweise bei der bundesweiten Einführung des Nahdienstes darzulegen und
4. die in Erprobung befindlichen Sonderregelungen auf ihre Zweckmäßigkeit und Sozialverträglichkeit hin auszuwerten, unter Umständen weitere Sonderregelungen vorzuschlagen.
In der Begründung des angenommenen Antrags ist ausgeführt worden, daß die Einführung des Nahdienstes erforderlich ist, um eine größere Tarifgerechtigkeit im Verhältnis zwischen Stadt und Land herzustellen, die im Fernsprechwesen aus den kommunalen Gebietsreformen erwachsenen Unzuträglichkeiten zu beseitigen und die Schwierigkeiten der Ortsnetzabgrenzungen an den Rändern der Großstädte aufzuheben. Ausdrücklich wurde darauf hingewiesen, daß wegen der Gefahr von Blockaden des Fernsprechnetzes dies nur mit einer Zeitzählung im Nahbereich und im Ortsnetz möglich sei. Dieses Hohe Haus hat sich gleichzeitig ausdrücklich gegen Versuche ohne Zeitzählung ausgesprochen.
Der Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost hat mit seinem einstimmigen Beschluß am 15. September 1977, während des zweiten Halbjahres des Probebetriebs verlängerte Zeittakte für die Nachttarife I und II zu erproben, die rechtliche Grundlage zur Realisierung des angenommenen Antrags geschaffen.
Auf der Grundlage dieser Beschlüsse hat der Bundespostminister erklärt, daß die erste Versuchsphase, die vom 15. März bis 15. September 1977 ganztägig mit 8-Minuten-Zeittakten lief, abgeschlossen sei. Es ist nämlich nicht auszuschließen,
daß die Einführung von Zeittakten mit 12 und 16 Minuten erhebliche Verkehrsverschiebungen zwischen den Zeiten des Tages sowie der Nachttarife I und II bringen wird. Ohne die Ergebnisse bereits im einzelnen auszuwerten, könne die Frage, ob ein derartiger Zeittakt von acht Minuten für die Deutsche Bundespost technisch und wirtschaftlich verkraftbar sei, mit Ja beantwortet werden. Die zweite Versuchsphase werde nunmehr Aufschluß darüber geben, ob außerhalb der Hauptverkehrszeiten ein noch längerer Zeittakt realisierbar sei.
Ebenfalls auf der Grundlage eindeutiger Aussagen des Deutschen Bundestages und des Verwaltungsrats der Deutschen Bundespost beruht auch die Zustimmung des Bundeskabinetts zu dem Vorschlag des Bundespostministers, im Rahmen der Bemühungen zur Förderung von Wirtschaftswachstum und Beschäftigung, zur Sicherung von rund 5 000 Arbeitsplätzen in der Fernmeldeindustrie die für die Einführung des neuen Tarifsystems erforderlichen Investitionen der Deutschen Bundespost in Höhe von rund 1,6 Milliarden DM vorzuziehen. Diese Investitionen dienen zum überwiegenden Teil dem Ausbau der Netze - hier ist soeben etwas anderes gesagt worden -, denn nur 25 % entfallen auf Zeitzähleinrichtungen. Da die entwickelten technischen Einrichtungen Zeittakte bis 16 Minuten liefern können, präjudizieren die getroffenen Maßnahmen weder die Ergebnisse der vom Deutschen Bundestag gewünschten Versuche mit längeren Zeittakten als acht Minuten noch die dem Bundestag vorzulegenden Vorschläge für Sonderregelungen. Ich denke dabei insbesondere an Sonderregelungen für Alte und Behinderte sowie für die Telefonseelsorge.
Der zuständige Staatssekretär im Bundespostministerium hat am 16. September 1977 im Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost die Absicht des Bundespostministers erläutert, Investitionen für den Nahdienst, die Ortszeitzählung und den Nachttarif II aus konjunkturpolitischen Gründen vorzuziehen und . die entsprechenden Aufträge zu erteilen. Es gab daraufhin nicht etwa Widerspruch, sondern im Gegenteil von verschiedenen Seiten sogar lebhafte Zustimmung.
Zur Information der Mitglieder dieses Hauses, die nicht dem Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost angehören, muß ich in diesem Zusammenhang etwas über die finanzielle Abwicklung der Investitionsaufträge der Deutschen Bundespost sagen. Verpflichtungen für das folgende Haushaltsjahr dürfen vom Grundsatz her nur eingegangen werden, wenn und soweit in dem vom Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost genehmigten Voranschlag der Deutschen Bundespost - hier also im Voranschlag 1977 - Vorausermächtigungen - beim Bund werden sie Verpflichtungsermächtigungen genannt - ausgebracht sind. Der Voranschlag der Deutschen Bundespost für das Jahr 1977 weist in der einschlägigen Gruppe Fernmeldeanlagen Vorausermächtigungen bis zum Betrage von insgesamt 3 Milliarden DM aus. In diesem Gesamtbetrag finden auch die Aufträge für Ortszeitzählungseinrichtungen ihre Deckung. Mit diesen Aufträgen
geht die Verwaltung Verpflichtungen ein, die zunächst nur im Haushaltsjahr 1978 zu Ausgaben führen werden. Anschlußaufträge für die Folgejahre werden dann später erteilt.
Ich frage mich also, was der Antrag der CDU/CSU-Fraktion eigentlich soll. Es ist richtig, daß es sich bei der Einführung eines Zeittaktes in den Fernsprechortsnetzen um eine wesentliche Änderung des Tarifsystems handelt, um eine größere Tarifgerechtigkeit zwischen Stadt und Land zu erreichen und zukunftsorientiert die Dauer des Gesprächs zum Maßstab der Gebührenberechnung zu machen. Dies ist politisch von der Mehrheit dieses Hauses so gewollt und wird der Deutschen Bundespost mehrere hundert Millionen DM Mindereinnahmen pro Jahr bringen. Wir alle wissen - ich habe es wiederholt gesagt -, daß insbesondere Fernsprechkunden der Deutschen Bundespost in kleinen Ortsnetzen, in dünner besiedelten Gebieten von diesem neuen Tarifsystem profitieren werden. Dies wird überall im Lande anerkannt, wie die Vielzahl der Anträge von Gemeindevertretern - die zum größten Teil von Kollegen der CDU/CSU-Fraktion unterstützt werden -, bei der Umstellung möglichst frühzeitig berücksichtigt zu werden, beweist. Fernsprechkunden, die bisher von übergroßen Ortsnetzen profitieren konnten, werden diesen Vorteil in Zukunft nicht mehr im gleichen Maße haben. Dennoch garantiert Ihnen die Regelung, daß selbst sehr große Ortsnetze, die mit ihren angrenzenden Ortsnetzen zu Nahbereichen zusammengefaßt werden, Vorteile haben.
({1})
Dazu ist in den Debatten des Deutschen Bundestages zu anderen Anträgen, und zwar am 5. Mai und am 16. Juni, genügend gesagt worden.
({2})
- In Stuttgart steigt die Teilnehmerzahl gegenüber dem bisherigen Ortsnetz um über 100 °/o, d. h., die Zahl der Teilnehmer, die im Nahbereich zu erreichen sind, wird sich verdoppeln. In Hamburg sind es, wenn ich auf Herrn Damm eingehen darf, mehr als 100 000 Fernsprechteilnehmer zusätzlich, die im Nahbereich zur Ortsgebühr sprechen können.
Die Kollegen von der Opposition behaupten, es wäre zukunftsträchtiger, durch Modernisierungs- und Erweiterungsinvestitionen Engpässe zu beseitigen und damit zur Erhaltung von Arbeitsplätzen beizutragen, statt Aufträge für Zeitzähleinrichtungen zu vergeben. Abgesehen davon, daß diese Abgeordneten Beschlüsse des Bundestages außer acht lassen, nicht der Bundespostminister, wie ihm vorgeworfen wird, bauen sie eine Scheinalternative auf. Um ein funktionierendes Fernsprechnetz sicherzustellen, ist es nämlich notwendig, das eine zu tun, ohne das andere zu lassen.
Modernisierung- und Erweiterungsinvestitionen sind keine Alternative zu den Investitionen für den Nahdienst mit Ortszeitzählung, sondern im Hinblick auf Teilnehmerzugänge von 1,4 Millionen im Jahr 1977 absolut notwendige Voraussetzung. Für Modernisierungs- und Erweiterungsinvestitionen werden im Jahr 1978 bereits rund 5 Milliarden DM investiert. Im Zusammenhang mit dem Programm der Bundesregierung zur Förderung von Wirtschaftswachstum und Beschäftigung ging es dem Bundespostminister aber darum, darüber hinaus schon jetzt Investitionen zu tätigen.
({3})
- Ich habe Sie akustisch nicht verstanden, Herr Kollege.
({4})
- Ich habe gerade 14 Minuten gesprochen; Herr Kollege Damm hat 30 Minuten gebraucht.
({5})
14 Minuten. Ich glaube, die Uhr geht noch richtig.
({6})
- Sie sehen, wie billig hier das Sprechen ist.
Ich sagte, daß der Bundespostminister im Zusammenhang mit dem Programm der Bundesregierung zur Förderung von Wirtschaftswachstum und Beschäftigung zwei Vorhaben vorgeschlagen hat: erstens die Beseitigung der kritischen Engpässe zur Zeit des Nachttarifs II, des sogenannten Mondscheintarifs, mit rund 510 Millionen DM Investitionsvolumen; zweitens die Einführung des Nahdienstes mit Ortszeitzählung. Dabei handelt es sich um ein Investitionsvolumen von rund 1,6 Milliarden DM, von denen 75 % auf den Ausbau der vorhandenen Netze und, wie ich vorhin schon sagte, 25 % auf die Beschaffung und den Einbau technischer Einrichtungen der Ortszeitzählung entfallen.
Diese Zusammenhänge sind an dieser Stelle wiederholt aufgezeigt worden. Ich gehe deshalb davon aus, daß sie allen Vertretern der Opposition geläufig sind. Weil jedoch nicht sein kann, was nicht sein darf, werden diese Zahlen munter manipuliert. Anders ist es doch nicht zu erklären, daß der Kollege Straßmeir in seiner für die Fragestunde am 28./29. September 1977 eingebrachten Frage den Eindruck zu erwecken versucht, daß die Deutsche Bundespost 1,6 Milliarden DM für Zeittakteinrichtungen auszugeben gedenke, die besser für Erweiterungsinvestitionen genutzt würden. Ich gebe allerdings zu, Herr Kollege Straßmeir, die nüchternen Zahlen hätten nicht zu der in der Frage verpackten Unterstellung gepaßt, ja, sie hätten die Frage sogar überflüssig gemacht.
Herr Dr. Dollinger glaubt ja, das Problem möglicher Blockaden infolge von Standverbindungen lösen zu können, indem nur für die Firmen ein Zeittakt eingeführt wird, die Daten über das Fernsprechnetz übertragen. Auch das ist jedoch eine Scheinalternative. Es gibt nämlich praktisch keine Möglichkeit, diese Firmen zu überprüfen. Entsprechende Kontrollen ließen sich mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand nicht durchführen. Ein solches Verfahren kann auch nicht Sinn einer zukunftsorientierten Unternehmenspolitik sein. Die Deutsche Bundespost bemüht sich jedenfalls, die zukunftsträchtigen Techniken der Datenübertragung und
vergleichbare Dinge zu fördern. Der Datenverkehr wird mit dem künftigen Tarifsystem entsprechend der Inanspruchnahme von Leistungen der Deutschen Bundespost mit Gebühren belastet und nicht entsprechend Ihren Vorschlägen administrativ reglementiert.
Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie haben bisher keine brauchbaren Alternativen zu den von der SPD-Fraktion unterstützten Plänen des Bundespostministers.
({7})
- Mein lieber Herr Kollege, Sie sollten doch wissen, daß all das, was gesagt wurde, immer wieder an Ihnen vorübergegangen ist. Das zeigen auch jetzt die Diskussionen. Sonst wäre nämlich Ihr Antrag nicht nötig gewesen und ich brauchte hier heute nicht zu stehen und das zu wiederholen, was ich schon einmal hier in diesem Hause gesagt habe.
({8})
Nicht wir sind an der jetzigen Situation schuld, sondern Sie. Sie sind falsch gebettet, wenn Sie ständig über Zeittakt sprechen. Der Zeittakt ist nämlich nicht das Primäre - hier wiederhole ich mich wieder -, sondern die Nahbereiche. Der Zeittakt ist nur eine zwangsläufige Folge der Nahbereiche.
({9})
Was wollen Sie denn? Wenn die Unionsfraktion geschlossen gegen den Zeittakt stünde, dann brauchte man nicht auf einen Debattenredner zurückzugreifen, der weder dem zuständigen Ausschuß angehört noch für dieses Thema prädestiniert erscheint. Das zeigt doch, auf welch schwachen Füßen ihre Argumentation steht.
({10})
- Im Ausschuß für Verkehr, bitte.
Meine Damen und Herren, Sie erwecken mit Ihrem Antrag den Eindruck, der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen habe die Versuche für abgeschlossen erklärt. Das ist nicht der Fall. Er hat lediglich die Beendigung der ersten Versuchsphase mit einem ganztägigen Acht-Minuten-Zeittakt wegen der nun anderen Versuchsbedingungen festgestellt und entsprechend den Beschlüssen dieses Hauses und des Verwaltungsrats der Deutschen Bundespost ab 15. September 1977 den Beginn der zweiten Versuchsphase mit verlängerten Zeittakten außerhalb der Hauptverkehrszeiten angeordnet.
Der Bundespostminister hat auch formal-haushaltsrechtlich absolut einwandfrei gehandelt. Im Rahmen der ihm zustehenden haushaltsrechtlichen Kompetenzen hat der Minister verbindliche Absprachen mit der Fernmeldeindustrie über Preis und Menge der zu liefernden Zeittakteinrichtungen getroffen. Es wäre deshalb für die Fernmeldeindustrie unzumutbar, wenn die formale Erteilung der Einzelaufträge unnötig hinausgezögert würde.
Aus wohlerwogenen Gründen hatte der Deutsche Bundestag in seinem Beschluß vom 16. Juni 1977 einen Bericht nach Auswertung aller Ergebnisse des gesamten Versuchsbetriebs verlangt. Da er in seinen Entscheidungen durch die Maßnahmen des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen in keiner Weise präjudiziert wird, ist es sinnvoll, an diesem Beschluß festzuhalten und nicht aus durchsichtigen, sachfremden Erwägungen für die Erörterung des Gesamtkomplexes nicht ausreichende Teilergebnisse hier bzw. im zuständigen Ausschuß vortragen zu lassen.
Ich kann also nur feststellen: Erstens. Der Bundesminister hat entsprechend den Beschlüssen dieses Hohen Hauses und des Verwaltungsrates der Deutschen Bundespost gehandelt. Zweitens. Der Bundespostminister hat bei allen Maßnahmen die haushaltsrechtlichen Bestimmungen beachtet. Drittens. Eine Berichterstattung vor Abschluß des Gesamtversuchs ist nicht aussagefähig.
({11})
Es besteht für den Deutschen Bundestag deshalb keine Veranlassung, von seinem am 16. Juni 1977 gefaßten Beschluß abzuweichen.
Die Fraktion der SPD hält deshalb den Antrag der Opposition für unbegründet. Vorerst stimmen wir jedoch der Überweisung zu, um im Ausschuß noch einmal unseren Standpunkt und die Fehlhaltung der Unionsvertreter darzulegen.
Ich danke Ihnen für Ihre Geduld, obwohl ich noch in der Zeit einige Minuten unter Herrn Damm geblieben bin.
({12})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hoffie.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Schon die Tatsache, daß der Deutsche Bundestag in diesen für unseren Staat außergewöhnlichen und schweren Tagen und Prüfungen beispielsweise erneut über diesen Antrag der CDU/CSU-Fraktion über Telefon-Nahbereichsversuche debattiert, dokumentiert sehr deutlich den politischen Willen zur Normallage. Die alltäglichen Aufgaben der Exekutive und Legislative, der politische Alltag und die Arbeit gehen weiter, und ich meine, das ist gut so. Allein von daher gewinnt die parlamentarische Behandlung des vorliegenden Antrags einen allerdings von der Sache selbst losgelösten Sinn; denn materiell, meine Damen und Herren von der Opposition, stellt Ihr Antrag schlicht doch nur eine schlecht kaschierte wiederholte Beschäftigungstherapie für dieses Haus dar, wenn Sie ehrlicherweise zugeben, wie der Sach- und Beschlußstand hinsichtlich der Einführung der Telefonnahbereiche sowohl im Deutschen Bundestag als auch im Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost objektiv ist.
Sofern Ihr Antrag aber Ausfluß und Bestandteil der mehr angekündigten und beschworenen als erfolgreich inszenierten Herbstoffensive der Opposition sein soll, werden Sie sich eingestehen müssen, daß dies eine Fehlanzeige war, da Ihre Doppelstrategie - oder ist es schon bewußtes Doppelspiel? - nicht nur nicht aufgeht, sondern sich sogar gegen Sie selbst richtet. In den letzten beiden Bundestagsdebatten über den Telefonnahbereich kurz vor der letzten Sommerpause wurde ja nach eingehender Beratung im zuständigen Fachausschuß der Antrag der CDU/CSU-Fraktion über Telefonnahbereiche ohne Zeittakt abgelehnt und - der Beschlußempfehlung des Ausschusses folgend - der Antrag der Koalitionsfraktionen über den Versuchsbetrieb im Telefonnahbereich mit den Stimmen von FDP und SPD angenommen. Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, Ihre politischen Vorstöße mit einem höheren Maß an Sorgfalt vorbereiten würden und Sie sich die sicherlich nicht unzumutbare Mühe gemacht hätten, den Inhalt des vom Plenum angenommenen Antrages - es war der Antrag auf Drucksache 8/342 - sowie der Beschlußempfehlung und des Berichtes des Ausschusses -Drucksache 8/567 - nachzulesen und zur Kenntnis zu nehmen
({0})
- Herr Straßmeir, ich komme gleich darauf -, wäre Ihnen nicht verborgen geblieben, daß der Deutsche Bundestag in diesen beiden Dokumenten in der Begründung ausdrücklich der Einführung des Zeittaktes grundsätzlich zugestimmt hat, vor allem deshalb, weil die generelle Einführung der Nahbereiche, die ja alle wollen, von der zeitabhängigen Tarifierung nicht zu trennen ist. Deshalb hatte auch das Plenum Ihren Gegenantrag betreffend Telefonnahbereiche ohne Zeittakt verworfen. Diese Beschlußlage hatte der Postverwaltungsrat dann am 14. Juni 1977 übernommen.
Auch beweist das von Ihnen in dem Antrag zitierte Schreiben vom 16. Mai 1977, das von meinem Referenten in meinem Auftrag übrigens nicht, wie Sie fälschlicherweise schreiben, an die Aktion „Billiges Telefon", sondern an den Seniorenrat von Hannover gegangen war, keine Widersprüchlichkeit in meiner Haltung zum Nahbereich und Zeittakt. Sie werden mir keine einzige Äußerung nachweisen können, in der ich nach dem 16. Juni, also dem Tag der Verabschiedung des Koalitionsantrages, erklärt hätte, daß der Zeittakt als solcher überhaupt noch zur Disposition stünde.
Meine Damen und Herren von der Opposition, es ist uns schlechterdings unverständlich, wieso Sie heute erneut und immer noch den Vorwurf erheben, es habe keine Legitimation für die Auftragsvergabe der für die Zeitzählung erforderlichen Geräte gegeben. Geben Sie doch bitte nun endlich den fruchtlosen und untauglichen Versuch auf, sozusagen mit Trick 17 der teilweise nicht so umfassend informierten Bevölkerung, der teilweise auch nicht so umfassend informierten Presse, dem Funk und dem Fernsehen die falsche Tatsache vorzuspiegeln, der Bundespostminister verstoße gegen anderslautende Beschlüsse oder agiere zumindest im luftleeren Raum ohne die notwendige Absicherung. Dieses Verhalten, meine Damen und Herren, ist schlichtweg unseriös, wie auch der Vorwurf zurückgewiesen werden muß, Herr Kollege Damm, es handele sich um eine Mißachtung dieses Parlaments.
Ein Weiteres. In Ihrem Antrag, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, versuchen Sie den Eindruck zu erwecken, der Bundespostminister habe eigenmächtig die laufenden Probeversuche vor Ablauf der vorgesehenen Versuchsfrist für beendet erklärt. Auch hier fischen Sie, wie so oft, im Trüben. Tatsache ist, daß die Versuche mit dem Acht-Minuten-Takt in den sechs Telefonnahbereichen am 15. März 1977 aufgenommen wurden. Durch die Annahme des bereits erwähnten Koalitionsantrags und die entsprechenden Beschlüsse des Postverwaltungsrates am 14. Juni 1977 wurde - Herr Kollege Straßmeir, ich sage das, weil Sie nach der Zeit fragten - die ursprünglich geplante einjährige Versuchsphase auf ein halbes Jahr verkürzt. Ab 15. September werden die Tests im zweiten sechsmonatigen Versuchszeitraum in den sechs Bezirken mit einem tageszeitsowie sonn- und feiertagsabhängigen Acht- bzw. Zwölf- bzw. Sechzehn-Minuten-Takt verändert durchgeführt, um festzustellen, ob außerhalb der Hauptverkehrszeiten auch ein längerer Zeittakt als acht Minuten, um den wir uns ja alle gemeinsam bemüht hatten, möglich ist.
Der Bundespostminister hat sich bei seinem Vorgehen strikt an den Wortlaut und den Sinn der Bundestagsresolution gehalten, nämlich in den sechs Nahbereichen möglichst bald außerhalb der Hauptverkehrszeiten eine längere Gesprächsdauer für eine Gebühreneinheit zu testen. Er hielt sich ebenso an die am 14. Juni im Postverwaltungsrat beschlossene Änderungsverordnung, auf deren Grundlage ab 15. September der Probeversuch modifiziert wurde. Diese Verordnung wurde - Herr Kollege Stücklen wird sich mit Sicherheit daran erinnern - einstimmig, also auch mit der Stimme des Vertreters der Oppositionsfraktion, gebilligt. Ich frage mich, Herr Damm, was Ihr Finassieren danach jetzt eigentlich noch soll.
Ich stelle hier namens der FDP-Fraktion nochmals in aller Deutlichkeit fest:
Erstens. Die zweite Phase des Versuchverlaufs in den sechs Testgebieten wird ordnungsgemäß bis zum 15. März 1978 fortgeführt.
Zweitens. Danach wird ungeachtet des bereits gefaßten Grundsatzbeschlusses für den Zeittakt und gemäß dem Bundestagsbeschluß vom 16. Juni 1977 auf Grund eines umfassenden Untersuchungsberichts des Bundespostministeriums im Bundestagsausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen wie auch im Postverwaltungsrat, der ja in dieser Frage die originäre und letzte Zuständigkeit hat, eingehend darüber diskutiert, wie die endgültigen Modalitäten im Nahbereich mit dem Zeittakt aussehen sollen. Es ist also noch keine Entscheidung gefallen über die Dauer des Zeittakts und dessen Staffelung nach den Verkehrszeiten. Ebenfalls gibt es noch keinen Beschluß über die endgültige Ausgestaltung der sozialen Komponenten für Härtefälle oder für örtliche Sonderverhältnisse, für die möglicherweise und gegebenenfalls systemgerechte
Sonderregelungen getroffen werden müssen. Auch darin sind wir uns alle einig.
Drittens. Die Regelung muß im Rahmen dessen liegen, meine Damen und Herren, was für das Unternehmen Deutsche Bundespost auch finanziell und betriebswirtschaftlich tragbar und zumutbar ist. Dieser Tatbestand wird auch durch die konjunktur- und arbeitsmarktpolitisch bedingte verstärkte Auftragsvergabe für die Einrichtungen des Nahdienstes mit Zeittakt nicht verändert. Bedingung für und bei Auftragsvergabe war, daß die zu bestellenden Zeittakteinrichtungen die Ergebnisse der derzeit laufenden Versuche mit Zeittaktintervallen bis zu 16 Minuten nicht präjudizieren durften, das heißt, die zu bestellenden Zeittakteinrichtungen müssen Zeittakte mit einer Dauer bis zu 16 Minuten gewährleisten. Ein längerer Zeittakt war zu keiner Zeit ernsthaft - auch nicht von Ihnen - in der politischen Diskussion, so daß der Bundespostminister diese denkbare Variante vernachlässigen konnte, zumal zweifelsfrei feststeht, daß uns ein Zeittakt von mehr als 16 Minuten mit ähnlichen Problemen wie Nahbereiche ohne Zeittakt konfrontieren würde. Er läge über dem finanziell und technisch Tragbaren.
Das Investitionsvolumen für die bundesweite Einrichtung des zeitabhängigen Nahbereichs beläuft sich auf insgesamt etwa 1,6 Milliarden DM. 1,3 Milliarden DM dienen der Einrichtung der Nahbereiche, werden also in erster Linie für notwendige Kapazitätserweiterungen verwendet. Weitere 300 Millionen DM kostet die Beschaffung der Zeittaktgeräte.
({1})
Diese verstärkt vorgenommenen und teilweise vorgezogenen Investitionen haben einen arbeitsmarktpolitischen Effekt, der darin zum Ausdruck kommt, daß während der Investitionszeit jährlich 5 000 Arbeitsplätze entweder gesichert oder überhaupt neu geschaffen werden. Diese Zahlen - schon verschiedentlich vorgetragen - blieben bisher auch unwidersprochen. Sie täten gut daran, dieses Vorhaben nicht länger zu blockieren.
Ich möchté an dieser Stelle der Vollständigkeit halber noch anmerken, daß der Postverwaltungsrat in seiner Sitzung am 16. September 1977 diese vorgeschlagenen Investitionsmaßnahmen zustimmend und begrüßend zur Kenntnis genommen hat. Ich darf wohl davon ausgehen, daß sich nicht nur unsere Kollegen aus den Fraktionen, die in diesem Gremium tätig sind, sondern auch alle anderen Mitglieder des Postverwaltungsrates, Herr Kollege Damm, der Tragweite ihres Handelns voll bewußt waren. Man darf ihnen wohl auch unterstellen, daß sie niemals ihre Zustimmung für Investitionen gegeben hätten, bei denen absehbar gewesen wäre, daß sie Investitionsruinen werden würden.
Durch Ihre zustimmende Mitwirkung an dem Investitionsbeschluß haben letztlich auch Sie von der Opposition durch faktisches Tun und incidenter den Zeittakt - wenn auch sehr spät, aber immerhin - selbst gebilligt. Herr Kollege Damm, und da reden Sie von „Nacht-und-Nebel-Aktion". Ich halte dies für mehr als unseriös.
Nicht unwidersprochen kann schließlich die Behauptung in Ihrem Antrag bleiben, bei der Einführung eines Zeittaktes in den Telefonortsnetzen handle es sich um einen wesentlichen Eingriff in den bisherigen Besitzstand der Telefonkunden. Korrekt ist - und dies allein entspricht einer der Sache angemessenen differenzierten Betrachtungsweise -, daß erstens das bisherige Ortsnetz durch seine Zusammenfassung mit mehreren anderen Ortsnetzen zu einem einheitlichen Tarifgebiet, dem sogenannten Nahbereich, seine heutige Bedeutung und Signifikanz verliert.
Zweitens steht fest, daß der neu geschaffene Nahbereich, in dem als Ganzem und immer nur gleichzeitig der Zeittakt eingeführt werden soll, nicht mit dem heutigen Ortsnetz identisch und damit vergleichbar ist.
Drittens steht fest, daß der bisherige aus der Konzeption des Ortsnetzes resultierende Besitzstand des einzelnen Telefonkunden neben der Belastung durch den Zeittakt die sehr viel größere Begünstigung durch den neuen, vorteilhaften Nahbereich, an den er geknüpft ist, erfährt.
Deshalb ist der negative Touch, den Sie der Sache durch einen unzulässigen Vergleich offenbar unbedingt geben wollen, in der Tat unseriös.
Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, auch wenn es schwer sein sollte: Mogeln Sie sich bitte nicht weiterhin an der doch nicht so bitteren Erkenntnis vorbei, daß die Einführung des Telefonnahbereichs ohne Zeittakt für die Deutsche Bundespost finanziell nicht verkraftbar ist; denn die ohne Zeittakt notwendigen Erweiterungsinvestitionen im Netz gingen in die Milliarden, und der noch hinzukommende Verlust an Gebühreneinnahmen läge noch um etliches über den 800 bis 1 000 Millionen DM, die die Bundespost auf Grund der Zahlen aus den sechs Versuchsbereichen während der ersten Testphase als Gebührenausfall für das gesamte Bundesgebiet hochgerechnet hat.
Die kaufmännische Rechnung allein läßt also Ihren Widerstand sinnlos erscheinen, und für die überwältigende Mehrheit unserer Bevölkerung stehen die unbestreitbaren Vorteile, die aus dem zeitabhängigen Nahbereich resultieren, im Vordergrund.
Für den Bürger und auch für die Entscheidung der Freien Demokraten ist - das muß hier noch einmal verdeutlicht werden - wesentlich, daß ein ungerechtes, ein veraltetes Tarifsystem endlich abgelöst wird. Mehr Kommunikationsgerechtigkeit wollen wir dadurch schaffen, daß man - . eben nicht wie heute noch in jeder dritten Gemeinde, wo man, und das muß man immer wieder sagen, von der einen zur anderen Straßenseite ein Ferngespräch führen muß, weil man heute in vielen Ortsnetzen nur höchstens 50 Hauptanschlüsse erreichen kann, während man in vielen Großstädten 100 000, ja bis zu 800 000 Teilnehmer für 23 Pfennige über Entfernungen ansprechen kann, bei denen man, um beispielsweise bis zu acht Minuten sprechen zu können, in ländlichen Bereichen heute noch 3,68 DM bezahlen muß - Nahbereiche einrichtet, die ja mit einem Radius von 20 km durchschnittlich achtzehnHoffie
mal größer als die bisherigen Ortsnetze sein werden, wodurch wir nicht nur Vorteile für das flache Land und die Randgemeinden der Großstädte schaffen, die bisher besonders hart betroffen waren, sondern auch, Herr Kollege Damm, für die Großstadtbewohner, die durch die Einbeziehung der benachbarten Ortsnetze doppelt so viele - wie in Frankfurt - oder sogar viermal so viele Gesprächspartner - wie in Heidelberg - im Nahbereich billiger erreichen können; und selbst Hamburg - das sich ja oft und aus allen möglichen Ecken so laut beklagt hat und das hier als Beispiel eine Rolle gespielt hat - hat noch einen Zuwachs von 13 % auf dann fast 900 000 Hauptanschlüsse, und da reden Sie, Herr Kollege Damm, von „sozialer Demontage".
({2})
- Weil auch Kollegen aus anderen Fraktionen und Parteien, soweit sie den Hamburger Raum spezifisch herausnehmen, ohne die volle Information über das tatsächlich auf sie Zukommende zu haben,
({3})
leichtfertig und voreilig in die Welt posaunen, was nicht stimmt, etwa so wie z. B. Sie sich auch heute noch hier hinstellen und behaupten, daß für den Bereich Hamburg keine Verbesserung erzielt würde. Ich habe Ihnen gesagt, Tatsache ist: Vergrößerung der Zahl der Hauptanschlüsse um 13 % auf 900 000; dies ist eine Verbesserung und keine Verschlechterung.
({4})
Der Mißbrauch z. B. durch Dauerverbindungen wird unterbunden, da kostengerecht kassiert werden kann, was sonst eben nicht - wie hier fälschlicherweise dargestellt wurde - so ohne weiteres kontrolliert werden kann. Es wäre ganz interessant, Herr Kollege Damm, wenn Sie in Ihrem neu herausgegebenen oder zur Herausgabe anstehenden Informationsdienst, von dem so viel die Rede ist, einmal dieses technologische Problem angingen und einmal einen Vorschlag machten, wie man eigentlich eine solche Kontrolle durchführen will; die Technologen jedenfalls, die damit bisher fachkundig befaßt sind, haben dazu noch keinen wirtschaftlichen Weg aufzeigen können.
Last but not least: Mit dieser neuen Tarifstruktur wollen wir die Post in die Lage versetzen, mutig der Bevölkerung den Weg zu den neuen Telekommunikationsmöglichkeiten, die ein erhebliches und auch rasant steigendes Verkehrsaufkommen ausmachen werden, zu öffnen. Das eben ist ein Teil der Leistungssteigerung, die Sie, Herr Damm, nicht erkennen wollen oder nicht erkennen können. Nehmen Sie doch nun bitte endlich auch zur Kenntnis, daß nach repräsentativen Meinungsumfragen in den sechs Versuchsbereichen ja immerhin 92 % den Nahbereich mit Zeittakt durchweg positiv beurteilen und daß nach komplementären Befragungen im gesamten Bundesgebiet bereits 86 % der Bevölkerung diese neue Struktur begrüßen.
Die Fernmelderechnungen sind in den Versuchsbereichen im Durchschnitt um 10 bis 15 % niedriger als vor der Einführung des Nahdienstes mit Zeittakt. Sehen Sie, Herr Damm, Sie sind im Schnitt um diesen Prozentsatz billiger auch für diese sozialen Randgruppen, von denen Sie vorhin gesagt haben, sie würden so ganz pauschal benachteiligt. Das Gegenteil ist der Fall - auf dem flachen Land wie in den Großstädten. Ein wesentlicher Faktor auf der Haben-Seite ist auch, daß dieser Trend bundesweit unterstellt werden kann.
Entsinnen Sie sich auch der Äußerungen Ihrer Kollegen, die anläßlich der Vorführung moderner Nutzungsformen des Fernsprechnetzes vor dem Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen, nachdem sie dort eine breit angelegte Demonstration erlebt hatten, erklärt haben - Herr Sick, Sie sitzen hier -: Wenn man uns das alles früher gezeigt hätte und wenn wir gewußt hätten, was man damit alles machen kann und daß man, wenn man das machen will, einen Zeittakt braucht, dann hätten wir anders Stellung bezogen. Das waren ja nicht nur einzelne aus Ihrer Fraktion, die so gesprochen haben, sondern es war eine ganze Reihe. Herr Damm war bei der Demonstration - wie bisher auch in diesem Ausschuß - leider nicht anwesend; sonst hätte er heute seine falschen Erklärungen nicht wiederholt.
({5})
Schon daher sollte es Ihnen nicht unmöglich sein, meine Damen und Herren von der Opposition, auf den Boden der Resolution vom 21. Februar 1974 zurückzukehren, in der auf Vorschlag des Ausschusses für Forschung und Technologie und des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen alle drei Fraktionen die Deutsche Bundespost einmütig aufgefordert haben, einen zeitabhängigen Tarif für den einzuführenden Nahverkehr zu konzipieren.
Das Petitum Ihres Antrags, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, ist durch den Koalitionsantrag vom 16. Juni 1977 schon längst vorweggenommen worden. Sie karten eigentlich nur nach. Bei dieser Sachlage wäre das einzig Sinnvolle, daß Sie Ihren Antrag zurückzögen.
Andernfalls sind wir jedoch sehr gespannt darauf, was Ihr starrsinniger Vorstoß bei den Ausschußberatungen substantiell bringt. Es wäre schön, Herr Kollege Damm, Sie dann dort zum erstenmal begrüßen zu können.
({6})
Das
Wort hat der Herr Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Damm, Ihr Umgang mit den Tatsachen veranlaßt mich, hier ganz kurz einige Ausführungen zu machen.
Zunächst: Daß wir die Sache hier schon mehrmals behandelt haben, hat Sie ja nicht gehindert, Dinge noch einmal zu behaupten, die nach dem Pro3816
tokoll schon widerlegt waren. Ich verstehe das nicht..
({0})
- Hier erscheint im Protokoll, was von hier gesprochen wird, Herr Kollege. Oder haben Sie daran Zweifel?
({1})
Es gibt doch überhaupt keinen Zweifel daran, daß in diesem Parlament die Opposition gegen Nahdienst mit Zeittakt ist und die Mehrheit dieses Hauses erkennt, daß man den Nahdienst nur dann einführen kann, wenn man gleichzeitig den Zeittakt einführt. Jeder Versuch unter der Überschrift „Mißbräuchliches Verhalten gegenüber dem Parlament" führt an der Tatsache vorbei, daß wir auch nicht durch mehrmalige Behandlung an dieser Tatsache etwas ändern können.
({2})
Eine andere Frage ist, warum Sie den Versuch unternehmen, in diesen Debatten immer neue Kollegen Ihrer Fraktion als Redner zu bestimmen. Das erscheint uns nachdenkenswert. Wer sich in dieser Frage öfters geschlagen hat, erscheint offenbar nicht mehr als Redner. Aber die Zeitdauer, die notwendig wäre, um alle Kollegen der verehrten Opposition durch Debatte und Widerspruch zu überzeugen, daß sie hier besser wegbleiben, ist zu lang, um eine anstehende Entscheidung rechtzeitig vollziehen zu können.
({3})
- Das war ein Beitrag polemischer Art. Zur Sache hat er nicht Stellung genommen.
({4})
- Wissen Sie, mich stört es nicht, wenn Sie mich für arrogant halten. Ich würde Sie nur warnen, anzunehmen, daß eine sachliche Meinungsverschiedenheit oder die Behauptung, daß jemand die Tatsachen nicht zur Kenntnis nimmt, etwas mit Arroganz zu tun hat.
({5})
Ich darf zur Sache zurückkommen: Sie sagen, wir hätten behauptet, die Verwendung von Münzfernsprechern im Zusammenhang mit Telefonseelsorge sei deshalb nicht möglich, weil Münzfernsprecher dies nicht gestatten. Tatsache, Herr Kollege Damm, ist: Zu dem Zeitpunkt, in dem auf Forderung der Telefonseelsorge eine Überlegung dahin anstand, ob man sie aus dem Zeittakt mit unterschiedlichen Nummern vollständig herausnehmen kann, haben wir gesagt, daß das technisch nicht gehe. Deshalb unser Angebot: Einführung einheitlicher Rufnummern für die Telefonseelsorge; darüber wird verhandelt. Das geht auch mit Münzfernsprechern.
Sie sagen, unser Angebot hinsichtlich der Einführung des Nahdienstes werde dem Bürger nichts bringen. Tatsache ist das Gegenteil. Ich brauche es nicht zu wiederholen. Die Zahlen hat man Ihnen genannt.
({6})
Sie sagen: Die Randgebiete bringen nichts. Hier kann ich nur sagen: Das stimmt nicht. Alle Städte, einschließlich Hamburg, gewinnen auch in den Randgebieten.
Sie sagen: Die Post will verdienen. Ich sage Ihnen: Dies stimmt nicht. Es wurde mehrmals erklärt: Mit Einführung des Nahdienstes, einschließlich des Zeittaktes, geht die Bundespost davon aus, daß sie jährlich Verluste erleidet: Beim Vier-Minuten-Takt hatten wir - das sind alles nur Schätzungen mit einer vermutlichen Abweichung von ± 10 % - 500 Millionen DM im Jahr geschätzt. Beim Acht-Minuten-Takt gehen wir davon aus, daß sich der Ausfall auf 800 Millionen bis auf 1 Milliarde DM steigern wird. Dies setzen wir ein, bezogen auf unsere Situation im Fernmeldewesen, um mehr Gerechtigkeit zwischen den Ortsnetzen, zu den kleinsten Ortsnetzen herzustellen.
({7})
Sie sagen, dies hätte, nach meinem Verhalten zu urteilen, nur das Prädikat verdient: Mißbrauch des Parlaments. Herr Kollege Damm, die Geschäftsgrundlage dieses Parlaments ist: Annahme der Drucksache 8/342. Hinsichtlich all der Punkte, die dieses Parlament mehrheitlich angenommen hat, stehe ich im Wort. Dies werde ich eindeutig so abwickeln, wie das hier von mir gefordert wurde.
({8})
Zum Schluß kann ich Ihnen nur sagen: Ihr Umgang, Herr Damm, mit den Tatsachen - das werden Sie mir zugeben - ist nicht gerade geeignet, Ihnen hinsichtlich Stil, Gedächtnis und Vorbereitung einer Debatte ein sehr gutes Zeugnis auszustellen. Es ist auch nicht meine Sache, dies zu tun. Das werden andere tun.
({9})
Nur: Eignen wird sich Ihre Debatte vermutlich auch nur in einem unkritischen Kreis. Denn auch in Hamburg ist es schwierig, mit solch undifferenzierten Auffassungen zu Tatsachen jemanden zu überzeugen, wie der Besuch von groß angekündigten Veranstaltungen und die tatsächliche Beurteilung der Situation nach unseren Erkenntnissen zeigen. Da ist noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten. Das gebe ich zu. Aber wir gehen davon aus - ich bin gern bereit, Ihnen die Grundlage, warum ich davon ausgehen kann, zugänglich zu machen -, daß mehr als 50 °/o der Hamburger Bevölkerung der Einführung
des Nahdienstes - trotz Zeittakt - positiv gegenüberstehen.
({10})
Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache und schlage Ihnen vor, den Antrag an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen zu überweisen. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich rufe nunmehr Punkt 10 unserer Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses ({0}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung zu dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland, Kanada und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland über die Durchführung von Manövern und anderen Übungen im Raum Soltau-Lüneburg ({1}) vom 3. August 1959
- Drucksachen 8/262, 8/961 Berichterstatter:
Abgeordneter de Terra
Abgeordneter Dr. Schwencke ({2})
Ich gehe davon aus, daß die beiden Herren Berichterstatter, die ja in der Aussprache sprechen wollen, keine Ergänzung des schriftlichen Berichtes wünschen. - Ich danke den Herren Berichterstattern und eröffne die Aussprache.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete de Terra.
de Terra ({3}) : Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses ist, wie der Herr Präsident schon durch die sehr geraffte und eilige Wiedergabe des langen Titels dieser Vorlage erkennen ließ, ein Anschluß an die Vorgänge des Jahres 1955 - hier des Jahres 1961 -, nämlich eines der Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut. Wir sind also in die damalige Zeit zurückversetzt und tragen das gemeinsam und mit, was erforderlich war, um das NATO-Truppenstatut in seiner Gesamtheit in der Bundesrepublik einzuführen und hier auch für Teilfragen eine feste vertragliche Grundlage zu bekommen.
Die ersten Worte in unserer Beschlußempfehlung und in dem Bericht des Innenausschusses lauten: „Zum Schutze der Zivilbevölkerung". Dem steht das Ziel dieses Abkommens gegenüber, den britischen und kanadischen Streitkräften in diesem Raum besondere Übungsmöglichkeiten zu geben. Um es kurz zu sagen: Hier sind für die britischen und kanadischen Streitkräfte vorzügliche Übungsmöglichkeiten bereitgestellt. Dies ist eine einzigartige Regelung in der Bundesrepublik. Für das, was hier geregelt worden ist, was sich hier an Übungen entfaltet und was die Bevölkerung als deren Folgen ertragen muß, gibt es in der Bundesrepublik kein Beispiel.
Ich will diese beiden Pole gegenüberstellen: auf der einen Seite die britischen und kanadischen Streitkräfte, die üben müssen, üben dürfen, üben sollen, auf der anderen Seite die Tatsache, daß dies von dem Verständnis der Bevölkerung getragen wird und getragen werden muß. Ich meine, an beide Seiten, an beide Teile dieser Balance sollten wir zunächst ein Wort des Lobes, des Dankes und der Anerkennung richten, und zwar trotz aller Einschränkungen, auf die ich noch zu sprechen kommen werde. Wir wollen den britischen Streitkräften uneingeschränkt und ohne Vorbehalt sagen, daß wir sie gern in unserem Lande sehen, daß wir Verständnis für ihre Übungen haben, daß -wir wissen, daß eine gut ausgebildete Truppe, ein gut ausgebildeter Panzerfahrer, ein gut ausgebildeter Panzerzug, eine Gruppe, als Baustein einer gemeinsamen guten Verteidigung wichtig sind. Da Jahr für Jahr Übungen in diesem Raum stattfinden, wissen wir auch, daß das Üben im freien Gelände - ich darf es einmal etwas untechnisch so nennen - eine hervorragende Übungsmöglichkeit für den einzelnen Fahrer ist. Er muß sich in einem Gelände, das ihm meistens neu ist, orientieren, er muß sich Tag und Nacht den Gegebenheiten der Übungen anpassen, Entschlüsse fassen, sich entfalten. Auch im kleinen Verband muß das Führen geübt werden, die Beweglichkeit muß deutlich sein. Hinzu kommt das Zusammenwirken zwischen Luftwaffe und Erdtruppen, das wir in den ersten Jahren des Soltau-Lüneburg-Abkommens und seiner Praktizierung noch nicht in diesem Maß hatten.
Jahr für Jahr werden hier in einer - ich wiederhole es - einzigartigen, besonderen Form Übungen durchgeführt. Das bedeutet, daß die Bevölkerung eine außerordentlich schwere Belastung auf sich nehmen muß. Jedes Jahr sind die klimatischen Verhältnisse anders; Übungen im Frühjahr oder Übungen im Herbst können je nach der Witterungslage größere oder kleinere Schäden hervorrufen. Jedes Jahr sind zumindest im Schwergewicht andere Truppen da, die sich neu einfühlen und - ich darf es so salopp sagen - mit Land und Leuten vertraut machen müssen. Sie müssen sich in die zum Schutz der Zivilbevölkerung festgelegten einengenden Bestimmungen einfühlen und einfügen. Jahr für Jahr entstehen auch für die Bevölkerung neue Probleme, wenn die Übungen anders angelegt oder anders abgewickelt werden.
Dies ist ich darf das in den Mittelpunkt stellen
- nicht ein bewohnter Truppenübungsplatz, sondern dies ist ein Teil der Landkreise Lüneburg, Soltau und Harburg, der für Übungen in besonderer Weise zur Verfügung gestellt wird. Hier wird man auch der übenden Truppe sagen müssen - das wird von der Bevölkerung immer wieder mit Recht her- vorgehoben -: Diese Linie, diese Grenze darf nicht überschritten werden. Weder ein militärischer Befehlshaber noch ein Soldat, noch eine militärische Übungseinheit dürfen dies außer acht lassen: dies ist kein bewohnter Truppenübungsplatz!
Die schweren Belastungen der Bevölkerung durch das Panzerfahren, durch die Erosionsschäden, durch das .Zerstören der Straßen, durch das Fahren durch
de Terra
die Ortschaften, durch den Fluglärm, durch die Entfaltung von Übungen in der Nähe von Dörfern und Gehöften, durch den Einsatz der Luftwaffe, haben uns seit vielen Jahren beschäftigt. Der Präsident hat noch einmal unterstrichen: das Abkommen ist vom Jahre 1959. Wer die Verhältnisse kennt, weiß, daß schon Jahre vorher Übungen im gleichen Umfange, in gleicher Entfaltung, in gleicher Intensität stattgefunden haben. Es ist daher recht, wenn die Bevölkerung sagt: wir tragen diese Last seit 30 Jahren.
Wir haben uns als Bundestag dieser Sache immer mit besonderer Anteilnahme angenommen und haben gesagt: Wenn etwas geschieht - und es muß geschehen; ich will einmal von diesem Fundament ausgehen -, dann muß aber auch von den Kreisen, von den örtlichen Stellen, vom Land, vom Bund alles getan werden, um diese Belastungen zu erleichtern, zu beheben, auszugleichen. Das ist das Minimum. Während wir sonst mit unseren Hilfen für einzelne Teile der Bundesrepublik, die hinter der normalen Entwicklung anderer Gebiete zurückgeblieben sind, Beträge aufgestockt haben, dreht es sich hier zunächst darum, daß die eingetretenen Schäden beseitigt werden müssen.
Im Jahre 1975 hat der Bundestag die Bundesregierung in sehr detaillierter Form aufgefordert, einen Bericht zu geben. Auf diese unsere detaillierten Forderungen hin hat die Bundesregierung im April dieses Jahres einen Bericht vorgelegt. Er hat wie auch in den Vorjahren dem Auswärtigen Ausschuß, dem Innenausschuß, dem Verteidigungsausschuß vorgelegen. Der Innenausschuß ist federführend.
Wie auch im Jahr 1975 sind - wenn ich dies hier vorschalten darf - alle Entscheidungen der drei beteiligten Ausschüsse einstimmig erfolgt. Der Auswärtige Ausschuß hat erkannt, daß es gut wäre, wenn in den Bericht auch die besonderen Erfahrungen der Übungen des Jahres 1977 einbezogen würden. Wir waren uns im Verteidigungsausschuß aus unserer Sicht darüber einig - lassen Sie mich dies als Mitglied des Verteidigungsausschusses sagen -, daß die britische Seite darüber keinen Zweifel haben sollte, daß wir ihren in der Bundesrepublik befindlichen Einheiten nach wie vor die Möglichkeit gewährleistet sehen wollen, ihre Truppen in der von ihnen für richtig gehaltenen Art und Weise üben zu lassen und auszubilden. Aber wir waren uns ebenfalls im Innenausschuß, dem anzugehören ich auch die Ehre habe, darüber einig, daß wir nicht die Belastungen der Bevölkerung außer Betracht lassen dürfen und auch in den Einzelheiten darauf zu achten haben, daß für einen Ausgleich gesorgt wird.
Da schien uns der Bericht der Bundesregierung etwas zu grdßzügig über die Dinge hinwegzugehen. Er war, wenn ich diese Formulierung gebrauchen darf, in manchen Dingen etwas zu einfach abgefaßt. Er erschien uns unzulänglich; ich will dieses Wort hier deutlich aussprechen.
Wir haben auf die Ausführungen zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur und auf die Ausführungen hinsichtlich der Zonenrandförderung hingewiesen. Wir glauben sogar, daß das, was wir gesagt haben - alle drei Ausschüsse -, verkannt worden ist. Wir haben z.B. nicht gesagt, daß dieses Gebiet Zonenrandgebiet ist, sondern wir haben nur gesagt: es möge eine Förderung erfolgen, die derjenigen der Zonenrandgebiete gleicht oder angenähert gleichkommt, eine Förderung, als ob dieses Gebiet Zonenrandgebiet wäre.
Mit Erstaunen haben wir die Ausführungen gelesen, denen zufolge das mehrjährige Programm nicht aufgestellt werden könne - wie die Bundesregierung gesagt hat - wegen des beschränkten Umfanges der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel. Auch wenn wir die Gesamtlage in Betracht gezogen haben, andererseits die steigenden Kosten, die größeren Schwierigkeiten berücksichtigen müssen, so schien uns doch der lapidare Satz nicht ausreichend zu sein, die Erhöhung des Haushaltansatzes in dem einen Titel sei wegen der schlechten Haushaltslage nicht möglich.
Deshalb haben sich die Ausschüsse entschlossen, abweichend von früherer Praxis, von der Bundesregierung zwei Berichte zu fordern. Der erste Bericht soll zum April des nächsten Jahres vorgelegt werden, der darauffolgende Bericht dann in dem üblichen Zwei-Jahres-Turnus zum 1. April 1979, wenn ich das etwas vereinfacht so sagen darf. Wir meinen, daß der Bericht, der zum 1. April 1978 fällig sein soll, die besonderen Erfahrungen des Jahres 1977 einbeziehen müßte, daß das nachgetragen werden soll, was nach unserer Überzeugung nachzutragen ist, und daß wir im Jahre 1979 dann, auf die Bedeutung der Sache abgestellt, einen umfassenden Bericht haben.
Wir haben in unserer Beschlußempfehlung vier Punkte herausgestellt, denen wir besondere Bedeutung beimessen. Wir haben uns bei der Formulierung Mühe gegeben und nicht gesagt, die übrigen Punkte, die angeführt sind, könnten ins Dunkel oder ins Halbdunkel zurücktreten, weil sie nicht so wichtig seien, sondern wir haben gesagt: dies sind vier Komplexe, die die besondere Aufmerksamkeit aller beteiligten Stellen des Bundes verdienen. Dazu gehört erstens die Frage - ich habe das soeben schon ausgeführt - der bereitzustellenden Mittel. Die übrigen drei Komplexe sind für die örtliche Bevölkerung von besonderer Bedeutung. Dazu gehören der Komplex des Ausbaus von Straßen und Wegen, der Komplex der Sommerpause und letztlich der Problembereich der Biwakräume. Ich darf zu diesen drei Bereichen noch einige ergänzende Ausführungen machen.
Der Ausbau der Straßen und Wege ist ein Zentralproblem; denn wenn kleinere, mittlere und größere Panzereinheiten in diesem Raum fahren, ist ein panzerfester Ausbau von Straßen und Wegen notwendig. Ein solcher panzerfester Ausbau wird auch seit vielen Jahren vorgenommen. Wir sind aber - das zeigen die Anlage und die Ausführung der Übungen - noch bei weitem nicht soweit, daß auch zur Minderung der Schäden insgesamt der Ausbau des Straßennetzes in dem Umfang erfolgt ist, wie es notwendig wäre, um in Abwägung der Interessen der Truppe und der Belange der Bevölkerung von der bestmöglichen Regelung sprechen zu können.
de Terra
Wir haben - die Ausschüsse haben sich dazu etwas kritisch geäußert - schon im Soltau-Lüneburg-Abkommen eine besondere Regelung getroffen, indem wir eine Kommission „Straßen" gebildet haben. Aber diese Kommission „Straßen" ist, wenn ich richtig unterrichtet bin, zum letztenmal im Jahre 1973 zusammengetreten. Das kann nicht mit der Begründung hingenommen werden, die Mittel, die wir haben, seien verplant oder seien gut verplant, sondern durch das Tätigwerden, das Sichtbarwerden, durch die Arbeit dieser Kommission „Straßen" soll jedermann, soll der gesamten Bevölkerung deutlich werden, daß wir uns dieses Problems besonders annehmen.
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Wir wissen, daß die Landkreise Soltau, Harburg und Lüneburg fertige Entwürfe haben. Wir wissen auch, daß der Bau insbesondere einiger Ortsumgehungen oder einiger Verbindungsstraßen von besonderer Bedeutung ist. Wir sind der Meinung, daß wir uns hier nicht darüber streiten sollten, wo und wie lange ein Planfeststellungsverfahren gelegen oder nicht gelegen hat, sondern wir sollten dafür sorgen, daß ein Projekt, wenn es baureif ist, auch tatsächlich durchgeführt wird.
Das zweite Problem bezeichne ich mit dem Schlagwort „Sommerpause". Dies hat eine längere Geschichte, und ich könnte sehr detaillierte Ausführungen über die Frage machen: Was ist denn nun die Sommerpause? Wenn Sie sich das Soltau-Lüneburg-Abkommen ansehen, so finden Sie darin, ich muß sagen, nicht sehr ausgewogene, sondern sehr konfliktreiche Bestimmungen, die außerordentlich vielfältige Interpretationen ermöglichen. Die Bestimmung, daß nicht über Getreidefelder gefahren werden sollte, die noch nicht abgeerntet worden sind, bedeutet allerdings nach unserer Auffassung keine Sommerpause. Die örtlichen Stellen bemühen sich darum, indem sie fragen: Könnte denn nicht eine - in den Sommer eingeschnitten - feste Zeit vereinbart werden, beispielsweise die Zeit vom 15. Juli bis zum 15. September, in der nun wirklich keine Übungen stattfinden?
Ich bin kühn genug zu meinen, daß hier die auf den ständigen Anlagen durchgeführten Panzerübungen einbezogen werden müßten, Übungen, die auf den sogenannten roten Flächen stattfinden. Diese Flächen tragen ihren Namen seit 20 Jahren, weil sie, als darüber zum erstenmal verhandelt wurde, in die Karten rot eingezeichnet wurden. Damals wurden die Straßen zum Teil blau, zum Teil rot eingezeichnet. Es ist eine spaßige Unterhaltung, wenn Fachleute von roten Flächen und blauen Straßen und von der Benutzung von roten und blauen Straßen bzw. roten Flächen sprechen. Das ist eine Geheimsprache zwar mit deutschen Worten, aber trotzdem nur für Eingeweihte verständlich. Aber ich glaube, die Bevölkerung weiß durchaus, ob die einzelne Straße eine rote oder eine blaue Straße ist.
Ich meine also, daß wir dem Komplex der Straßenpflege, der Sommerpause und einer wirklichen Entlastung dieses Raumes besondere Bedeutung zumessen sollten.
Ein anderes Problem, das man noch etwas erläutern sollte, sind die Biwakräume, die uns in zunehmendem Maße Schwierigkeiten machen. Biwakräume sind Plätze, wo die Truppe möglichst ständig Biwak beziehen soll. Das will sie aber nicht auf den roten Flächen tun. Wir wünschen das zwar immer; aber sie tut es zum Teil in der Nähe der roten Flächen. Diese Flächen werden teilweise in einem Zustand hinterlassen, der kein Musterbeispiel für saubere Umwelt und freundliche Landschaft ist. Wir haben uns im Jahr 1975 der Säuberung und Räumung der Biwakräume zugewandt. Wir meinen aber, daß das Problem tiefer reicht, daß es auch noch die Aspekte hat: Sind die Biwakräume überhaupt richtig gelegen, sind sie an dieser Stelle richtig, müßte man sie zu festen Anlagen machen?
Wir meinen also, daß die Bundesregierung, wenn wir den Bericht 1979 bekommen, ihre besondere Aufmerksamkeit auf diese vier Komplexe richten und uns in Kenntnis setzen sollte, was zu tun notwendig ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Freunde, ich möchte hier mit einer Zusammenfassung und nochmaligen Beleuchtung der drei Ebenen schließen, die unter allen Umständen berücksichtigt werden müssen, wenn wir hier zum Erfolg kommen wollen.
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- Ich freue mich über die Reaktion der Kollegen, weil ich „liebe Freunde" sagte. Da ich aber weiß, daß sich alle, die im Raum sind, sicher mit Herz und Verstand der Nöte des Raumes Soltau-Lüneburg annehmen,- so ist das Wort „Freunde" durchaus gerechtfertigt.
Herr
Kollege, vertreiben Sie uns die anderen nicht aus dem Raum.
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de Terra ({1}) : Der Herr Präsident hat Sorge, daß die „Überfülle" hier gemindert würde und durch das Wort „Freunde" einzelne zum Verlassen des Raumes veranlaßt würden. Ich bin sicher, daß dies nicht der Fall sein wird.
Ich meine also, wenn wir die Problematik lösen wollen, müssen wir dies auf drei Ebenen tun.
Die erste ist die örtliche Ebene. Dort wird die Bereitschaft vorausgesetzt, in gutem Zusammenwirken zwischen der übenden Truppe, den Vertretern der Gemeinde und den Vertretern des Kreises die kleinen Schwierigkeiten auszuräumen.
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- Der erste Freund, der geht, ist kein Freund des Raumes Soltau-Lüneburg, wie ich sehe, aber er hat seine Anteilnahme bisher kundgetan. Wir wünschen ihm einen guten Weg nach Soltau-Lüneburg in den nächsten Ferienaufenthalt, was die Damen und Herren dort sehr freuen würde.
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de Terra
Wir wissen also, daß wir einen guten Schritt weiterkommen, wenn auf der örtlichen Ebene miteinander gearbeitet wird. Er geht um Kleinigkeiten, etwa daß der Panzerfahrer auf seiner Karte eingezeichnet haben muß, welche Straße, welchen Weg - panzerfest ausgebauten - er fahren sollte. Ich meine, dort könnte sich durch den Austausch von Erfahrungen und von richtigem Kartenmaterial manches erreichen lassen.
Ich möchte hier auch vier Kollegen, den Herren Helmrich und Schröder von unserer Fraktion und den Herren Neumann und Möhring von der sozialdemokratischen Fraktion, einen besonderen Dank aussprechen; denn sie sind es, die in ihrer täglichen politischen Arbeit den Unmut der Bevölkerung verspüren, die beschwichtigen, verstehen, helfen, die Brücken schlagen müssen zwischen dem, . was der britischen Seite nach dem Vertrag zusteht, und dem, was wir hinnehmen müssen, was aber nichtsdestoweniger als große Last empfunden wird.
Die zweite Ebene ist die des Landes Niedersachsen. Es hat nicht nur die Aufsicht über die Kreise - ich meine die Aufsicht hier nicht im technischen Sinne. Es hat den Blick auf die drei Landkreise und sollte sie führen, daß sie in der richtigen Weise das Verständnis für die Bestimmungen aufbringen und sie entsprechend handhaben; das Land sollte auch mit seinen eigenen Kräften helfen. Ich hätte gern Herrn Minister Gross hier auf der Bundesratsbank gesehen. Ich hätte ihm dann mit auf den Weg gegeben, er möchte doch bei seinem nächsten Besuch ruhig einmal ein Feuerwehrfahrzeug mitbringen - ich glaube, der Kollege Neumann hat darauf hingewiesen - und es der Gemeinde Bispingen oder Behringen geben und sagen: „Freunde, hier habt ihr ein Feuerwehrauto." Wir wissen natürlich, daß durch die Übungen verstärkt Brände entstehen und deswegen auch in diesem Punkte geholfen werden muß.
Wir haben letztlich die Bundesebene, wo Bundesregierung und Bundestag zusammenwirken und helfen müssen. Ich nehme an, daß Herr Staatsminister von Dohnanyi gleich das Wort ergreifen wird. Ich möchte ein paar Gedanken beisteuern, wie ich meine, daß die Bevölkerung das sieht, und wie ich die Dinge sehe. Ich weiß, daß wir vieles im Verhältnis zu den britischen Streitkräften erledigen, es zu einem tragbaren Ergebnis führen können, wenn wir einfache Vereinbarungen treffen, die gleichsam unechnisch sind, Zwischenvereinbarungen, die also keine Änderung des völkerrechtlichen Vertrages zur Folge haben, die aber unter Umständen ein festeres Fundament sind, als es eine Änderung des völkerrechtlichen Vertrages mit vielleicht neuen Schwierigkeiten und Problemen bringen kann.
Wir meinen aber, daß die Problematik in Gesprächen des Bundesaußenministers mit der britischen Seite oder sogar in Spitzengesprächen zwischen dem Bundeskanzler und dem britischen Ministerpräsidenten immer wieder aufgegriffen werden sollte. Wir sagen, es ist verständlich, daß die britische Seite an dem festhält, was ihr damals im Soltau-Lüneburg-Abkommen zugestanden worden ist. Aber die Last ist groß, und vielleicht kann man doch zu einer Einigung, sei es zu einer Einschränkung der roten Flächen, sei es zu einer Einschränkung der Übungen, sei es überhaupt zu Erleichterungen, kommen. Die Bevölkerung würde sie mit großer Freude aufnehmen, weil die Lasten vielfältig und schwer sind und auf die Dauer immer mehr drücken.
Ich meine also, daß wir auch auf dieser Ebene, mit dieser Hilfe zu dem Ergebnis kommen, das wir uns wünschen.
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- Herr Rawe wird sicherlich bleiben, und Herr Mischnick hat seine innere Anteilnahme eben schon durch seine Blicke kundgetan.
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- Sehen Sie, Sie haben das ohne Grund unterstellt.
Durch das Zusammenspiel von örtlichen Stellen, Landkreisen, Bundesregierung und Bundestag könnten wir die bestehende Problematik bewältigen. Das ist keine Aufgabe, die von heute auf morgen zu lösen ist, aber wir müssen gemeinsam den Weg zum Ziel gehen. Dabei sollten wir es uns - das ist allerdings meine herzliche Bitte - wirklich nicht zu einfach machen, wie d'as nach meiner Auffassung in dem Bericht der Bundesregierung getan wird, wenn sie nämlich unter nochmaliger Darlegung der allgemeinen verteidigungspolitischen Gesichtspunkte sagt: Das muß sein. Das genügt nicht, das 'ist zuwenig, das darf nicht sein; denn die Bevölkerung trägt die Last schon seit langem,
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und worum es geht, ist, die Folgen zu mindern. Insofern muß der Bevölkerung geholfen werden.
Die Grundlagen unserer Verteidigung, unserer NATO-Verpflichtungen kennen wir alle, wollen wir alle anerkennen. Wir wissen natürlich 'auch, 'daß neue Aspekte der Vorneverteidigung, die Änderung der taktischen Ausbildung 'der Truppe, die stärkere Einsetzung der Luftwaffe Änderungen der militärischen Übungen mit sich bringen, die man im Jahre 1959 nicht voraussehen konnte.
Wenn wir diesen Weg gemeinsam gehen, auf diesen Ebenen wirken, werden wir das erreichen, was im Interesse der bedrängten Bevölkerung - das Wort „bedrängte Bevölkerung" erscheint mir hier angebracht - notwendig ist, ohne daß unsere Vertragstreue, unser Wille, zur Verteidigung 'beizutragen, in Zweifel gezogen wird, und trotzdem die besondere Last, die die Bevölkerung im Raum SoltauLüneburg erträgt, mildern. Meine Bitte ist also, daß wir der Empfehlung des Innenausschusses im Plenum so einmütig zustimmen, wie das in den drei zuständigen Ausschüssen geschehen ist.
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Das
Wort hat 'der Abgeordnete Dr. Schwencke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Von den Auswirkungen ides Abkommens Soltau-Lüneburg sind mehr oder minder 30 000 Mitbürger in unserem Land betroffen und nicht nur 13 000, wie es der Bericht angibt.
Es gibt Zitate aus jener Gegend, die hier zum Teil besser nicht verlesen werden,aber die deutlich machen könnten - ein paar werde ich dennoch vortragen -, wie sehr die dortige Bevölkerung von den Auswirkungen betroffen ist. Es gibt z. B.einen Ausspruch, der mir bei dem Studium der Zeitungsartikel aus der Gegend mehrfach begegnet ist und folgendermaßen lautet: „Bei uns ist der Krieg noch nicht zu Ende." Nun, sicherlich nicht der Krieg, aber immerhin der Kleinkrieg, und der ist hart genug.
Ich glaube, unsere Mitbürger haben einen Anspruch darauf, daß diese Probleme so weit wie überhaupt nur möglich gelöst werden. Die Zeitungsmeldungen jedenfalls sind voll des Ausdrucks des Zorns, des Ärgers und auch des Gefühls, alleingelassen zu sein. Ich habe vorhin mit Freude gehört, daß der Vorredner, Herr de Terra, schon die Kollegen genannt hat, die idort mit diesen Problemen besonders zu tun haben. Herr Neumann und Herr Möhring von meiner Fraktion haben mich mehrfach über die Protestversammlungen informiert.
Um eine der Reaktionen, die über den Raum hinaus bekanntgeworden sind, mindestens zu erwähnen, zitiere ich aus der Hamburger „Morgenpost" vom 4. Juni dieses Jahres. Überschrift: „Stocksauer- Soltaus Bauern boykottieren Queen-Parade". Und eine wörtliche Passage eines Landwirtes: „Ich protestiere bei dieser Gelegenheit auf das schärfste gegen die Mißachtung Ihrer Zusage, unsere Felder weitmöglichst zu schonen." Offensichtlich ist das Schonen der Felder gerade in diesem Jahr kaum gelungen. Ein anderer sagt es noch deutlicher.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, es ist wichtig, daß wir nach den grundsätzlichen Ausführungen von Herrn de Terra noch ein paar Zahlen und Zusammenhänge sehen. Um was geht es? Am 3. August 1959 ist dieser Vertrag geschlossen worden. Der genaue, um ständliche Titel muß nicht zitiert werden. Vorher gab es den noch schlimmeren, den vertragslosen Zustand, so daß das ganze nun schon über 30 Jahre anhebt. Die Fläche, die dort als Übungsgebiet zur Diskussion steht, hat eine Größe von 34 500 ha, ist 40 km lang und acht bis zehn km breit und liegt nördlich der Truppenübungsplätze Munster-Nord. Die Landkreise Soltau, Lüneburg und auch Harburg sind betroffen. Weiterhin ist - das ist in den letzten Wochen und Monaten wegen eines anhängigen Prozesses gegen die Bundesrepublik Deutschland gezielt durch die Zeitungen gegangen - der Naturschutzpark Lüneburg mit 10 % der Gesamtfläche betroffen.
Das mag alles in Relation zu dem, was hier sonst zur Debatte steht, nur ein Problemchen sein; aber, ich glaube, im Blick auf die Betroffenen sind das Probleme. Wir müssen alles tun, was wirksam sein könnte, um diese Situation für die Betroffenen zu erleichtern.
Der ständige Ausschuß, den es nach diesem Vertrag gibt, und der „zur wirksamen Koordinierung der zivilen und militärischen Belange" eingerichtet ist, ist in der Regel nur auf dem Papier wirksam gewesen. Durchgreifende Maßnahmen sind jedenfalls nirgends erkennbar gewesen. Die Betroffenen haben insbesondere in Briefen an den Bundeskanzler, an die Minister immer wieder dort angestoßen, wo sie hier in Bonn nicht den Gesprächspartner gefunden haben. Das hat sich, Herr Staatsminister, auch nicht geändert, seitdem die sozialliberale Koalition Außenminister und Verteidigungsminister stellt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Innenausschuß hat mit großer Deutlichkeit gesagt, und zwar einmütig, wie auch stets zuvor, daß die Bundesregierung aufgefordert ist, nicht nur diese Berichte vorzulegen, sondern auch tatsächlich nachzuweisen, wo es Verbesserungen gegeben hat. Sehen wir uns diesen Bericht an. Der letzte war vom 5. August 1974. Der neue, der hier vorliegt und zur Debatte steht, ist vom 5. April 1977. Keine Lichtblicke. Eine vierseitige Drucksache, die viele Einzelthemen andeutet, die aber nirgends für uns erkennbar werden ließ, daß tatsächliche Verbesserungen eingetreten sind. Wir wenden uns als Innenausschuß - Sie alle werden sicherlich dieser Empfehlung zustimmen - energisch an die Vertragspartner, daß sie zumindest das, was im Bericht steht, so bald wie möglich, so gründlich wie möglich anpacken und zu verbessern versuchen.
Lassen Sie mich ein Zitat aus dem Bericht bringen. Da heißt es in der Einleitung:
Dank der guten Zusammenarbeit der deutschen und britischen Stellen und des erkennbaren Willens der Truppenführung sind unnötige Schäden vermieden und ist auf die Belange der Bevölkerung weitgehend Rücksicht genommen worden. Grundlegende Änderungen des im letzten Bericht dargestellten Zustands im bewohnten militärischen Übungsgelände konnten jedoch nicht erzielt werden. Die ständigen Übungen der britischen Truppen im Soltau-Lüneburg-Gebiet stellen nach wie vor eine erhebliche Belastung dar, ...
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will mir erlauben, fünf Punkte herauszugreifen, die in diesem Zusammenhang wohl der Erwähnung wert sind.
Erstens. Unnötige Schäden sind nicht vermieden worden. Dazu gibt es eine Fülle von Belegen, die
nachprüfbar sind.
Zweitens. Nicht immer haben selbst Gutwillige - ich gehe davon aus, daß auch im Gebiet Soltau-Lüneburg die Zahl der Gutwilligen, durch die Einsicht in die Notwendigkeit bestimmt, beträchtlich ist - einen guten Willen zur Vermeidung von Schäden haben erkennen lassen.
Drittens. Auf die Belange der Bevölkerung ist keineswegs, wie es in dem Bericht heißt, „weitgehend Rücksicht genommen worden". Schilderungen meines Kollegen Neumann und die schon zitierten Zeitungsberichte belegen das Gegenteil. In einem Bericht, den mein Kollege Neumann mitgebracht hat,
Dr. Schwencke ({0})
heißt es, daß nächtliche Schießübungen in den Dörfern keine Seltenheit sind. Ich glaube, wir müssen dies hier so deutlich ansprechen und insbesondere die Bundesregierung darauf hinweisen, daß dieses dort zum täglichen Geschehen gehört. Es kommt dann auch zu antibritischen Aktionen, die wir alle nicht wollen und nicht wollen dürfen.
Viertens. Grundlegende Änderungen - so heißt es - konnten nicht erzielt werden. Genauer gesagt: Es sind gar keine Änderungen im politiven Sinne erkennbar. Es sind, wie schon gesagt und mit Zitaten belegt wurde, gerade in diesem Jahr, im Jahr 1977 erhebliche weitere Belastungen entstanden, so daß unfreundliche Bemerkungen über unsere NATO- Verbündeten an der Tagesordnung sind. Wir müssen dem entgegenwirken, soweit wir dazu durch dieses Haus und durch die Bundesregierung in der Lage sind.
Fünftens. Wir müssen darauf achten, daß der Vertrag strikt eingehalten wird. Er wird nicht überall strikt eingehalten. Mein Kollege Neumann hat daher ein ausführliches Gespräch mit dem britischen Verteidigungsminister geführt und ihn auf alle diese Probleme. hingewiesen. Ihm ist eine Prüfung zugesichert worden. Er hat mit dem Chef des Verbindungsstabs, Generalmajor Plummer, geredet und von ihm ebenfalls eine Prüfung zugesagt bekommen. Wenn sich in den letzten Wochen und Monaten, wie ich mir das habe sagen lassen, erkennbare Verbesserungen im Verhalten der Truppen abgezeichnet haben, so ist dies sicherlich auch ein Stück weit das Verdienst unseres Kollegen Neumann.
Ich hebe fünf Punkte, die besonders wichtig sind, hervor.
Erstens: Striktes Einhalten der Verträge. Herr Kollege de Terra hat darauf schon hingewiesen.
Zweitens: Man sollte in dieser Gegend ein ähnliches Modell wie das der Zonenrandförderung anstreben, um wenigstens die wirtschaftlichen Auswirkungen positiver zu gestalten.
Drittens: Erhöhung des Haushaltsansatzes.
Viertens: Es ist dringend notwendig, die Sommerpause zu verlängern. Dieser Zielsetzung kommt eine hohe Priorität zu. Wir haben es mit einem Feriengebiet in einer strukturschwachen Gegend zu tun. Wir müssen darauf achten, daß Feriengäste - auch weiterhin - in dieses Gebiet kommen.
Fünftens: Wir müssen den Naturschutzpark Lüneburg im Auge haben. Es handelt sich dabei um ein riesiges Gebiet in der Umgebung von Hamburg. Der Initiative von Herrn Dr. Toepfer, der für seinen Verein jetzt den Prozeß gegen die Bundesrepublik Deutschland führt, kommt eine besondere Bedeutung zu. Dieser Naturschutzpark ist außerordentlich wichtig und notwendig für die ganze Gegend.
Herr Staatsminister, es müßte doch eigentlich eine Kleinigkeit sein, in Verhandlungen auszuloten, ob es nicht sinnvoll wäre, die 1 500 ha des Übungsgebietes, die innerhalb dieses Naturschutzgebietes liegen - es handelt sich nur um ein Dreißigstel dieses Gebietes -, in dieser strukturschwachen Gegend durch einen Austausch in das Naturschutzgebiet zu überführen. Der Prozeß läuft; ich will und darf in ihn nicht eingreifen. Ich glaube aber, es ist wichtig, daß wir wissen, daß hier eigentlich alle Möglichkeiten gegeben sein könnten. Bei gutem Willen käme man, wie ich glaube, bei einer konsequenten Haltung auch zu einer weiteren Verbesserung. Die niedersächsische Landesregierung hat wissen lassen, daß sie Schritte in dieser Richtung unterstützt und alles ihr Mögliche zur Erreichung des Zieles beitragen will.
Ich komme zum Schluß. Der Innenausschuß empfiehlt, daß ein Zwischenbericht erstattet und weitere Berichte im April 1978 und im Jahre 1979 gegeben werden. Herr Kollege de Terra hat darauf hingewiesen. Hoffentlich haben wir dann einen besseren Bericht vorliegen, der die Interessen der Betroffenen mehr in den Mittelpunkt stellt und nicht so sehr ein Sammelsurium von teils wichtigen, teils weniger wichtigen Dingen - diese Dinge sind durchaus nicht unwichtig, betreffen aber nicht den Kern der Sache - darstellt.
Also: Erstens sollte die Sommerpause verlängert werden. Zweitens sollte der Versuch unternommen werden, daß das Gelände im Naturschutzpark geräumt wird. Drittens sollte so etwas wie eine Zonenrandförderung für die Betroffenen eingerichtet werden. Viertens müßte die Arbeit des ständigen Ausschusses intensiviert werden. Man müßte eine gezielte, genaue und auch ansprechbare Stelle für die Bürger in Bonn haben.
Unsere Mitbürger im Raum Lüneburg-Soltau und im Landkreis Harburg verdienen eine solche Behandlung nicht, wie sie ihnen bis jetzt zuteil wurde. Sie verdienen es vielmehr, daß wir unter dem Aspekt der Notwendigkeit alles tun, was getan werden kann, um ihre schlechte Situation so weit zu verbessern, da ß sie ein Stück weit mehr menschenwürdig ist.
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Das
Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Wendig.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Für die Fraktion der Freien Demokratischen Partei darf ich zu die-, sem Punkt der Tagesordnung noch einige kurze ergänzende Bemerkungen machen.
Zum Schutz der Interessen der Zivilbevölkerung -- das war ja der Ausgangspunkt - wurde am 3. August 1959 dieses bewußte Abkommen, das diesen langen Namen hat, geschlossen. Zwar hat dieses Abkommen, wie Sie alle wissen, beträchtliche Erleichterungen gebracht gegenüber dem Zustand vor 1959, der, wie Herr Kollege Schwencke eben gesagt hat, ein vertragsloser Zustand war.
Gleichwohl sind aber nach wie vor diese ständigen militärischen Übungen im Bereich Soltau-Lüneburg für die Einwohner dieses Gebiets eine mannigfaltige und oft unerträgliche Belastung. Trotz dieser Belastung muß aber davon ausgegangen werden, daß das Soltau-Lüneburg-Abkommen aus mehreren Gründen bestehen bleiben muß. Daran kann wohl
auch bei niemandem ein Zweifel bestehen; das ist auch nicht der Fall.
Die Stationierung von Streitkräften mehrerer Bündnispartner der Bundesrepublik auf unserem Territorium ist für die gemeinsame Sicherheit des westlichen Bündnisses unerläßlich. Hierdurch gewinnt das politische Handeln unseres Staates und unserer Allianz an Glaubwürdigkeit. Diese Glaubwürdigkeit wird durch den hohen Ausbildungsstand der verbündeten Truppen gewährleistet. Dieser Ausbildungsstand ist - das ist eine Frage, die außer Zweifel steht - nur durch ständige Übungen und Manöver aufrechtzuerhalten.
Nun verweisen - davon war schon die Rede - die Einwohner des betroffenen Gebiets mit sehr ernst zu nehmenden Gründen auf die Folgen der Manövertätigkeit im Bereich Soltau-Lüneburg. Es gibt hier verschiedene Aspekte, die alle schon angesprochen wurden. Als erstes nenne ich die Frage des Naturschutzes und des Naturschutzparks Lüneburger Heide. Wegen der sicherlich sehr ernst zu nehmenden Absichten dieses Vereins ist ja, wie wir schon gehört haben, ein Rechtsstreit anhängig. Das Gericht wird sich mit diesem Streit befassen und in diesem Zusammenhang zu prüfen haben, welche Berücksichtigung die ebenso verständlichen Forderungen der in Soltau-Lüneburg lebenden Forst- und Landwirte zu finden haben.
Da spielen wieder andere Interessen eine Rolle. Es geht um die Forderung, wenn schon das geschützte Gebiet ausgedehnt werden soll, diejenigen Gebiete aus der Gesamtfläche herauszunehmen, die land- und forstwirtschaftlich am besten genutzt werden können. Beachtung verdient auch die Frage, ob nicht beispielsweise die Stadt Schneverdingen, die direkt an die roten Flächen angrenzt, bezüglich der Lebensqualität, die sie ihren Bürgern bieten will, dahin gehend unterstützt werden sollte, daß die roten Flächen vom Stadtrand zurückgedrängt werden.
Es ist uns Freien Demokraten sehr wohl bewußt, welche Belastungen materieller und immaterieller Art für die Bevölkerung des betroffenen Gebiets die ständigen Manöver und Übungen darstellen. So haben im Jahre 1976 die britischen Truppen in Niedersachsen als diejenigen, die dort am meisten Übungen und Manöver durchführen, zur Kompensation von Straßenschäden und Straßenmanöverschäden 3,2 Millionen DM gezahlt und für sonstige Manöverschäden 2,8 Millionen DM. Bei diesen Zahlungen handelt es sich aber um reine Schadenersatzleistungen.
Die für die wirtschaftliche Förderung dieses Gebiets Verantwortlichen sind dennoch - ich glaube, das muß man auch einmal sagen - nicht ganz tatenlos geblieben, auch ohne ein besonderes, der Zonenrandförderung vergleichbares Programm, das ich allerdings ebenso wie meine Vorredner vermisse.
Immerhin sind doch für die Zeit vom 1. Januar 1972 bis zum 30. Juni 1977 im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" folgende Mittel in dieses Gebiet geflossen; das waren Bundes- wie Landesmittel. Im Kreis Soltau wurden mit 77 Millionen DM Investitions- und 1,2 Millionen DM weiterer Zuschüsse 53 Investitionsvorhaben finanziert. Im Kreis Lüneburg waren es 148 Vorhaben, die mit 349 Millionen DM Investitions- und 20,8 Millionen DM weiterer Zuschüsse finanziert wurden. Damit wurden 3 500 neue Arbeitsplätze geschaffen sowie 1 500 Arbeitsplätze gesichert.
Meine Damen und Herren, aber auch wenn hier einiges geschehen und erreicht worden ist, so bleibt sicherlich noch sehr vieles zu tun. Ich möchte bei der erneuten Überprüfung dieses Gesamtkomplexes noch einmal die Frage in die Debatte werfen, ob hier nicht etwas der Zonenrandförderung Vergleichbares für diesen Raum geschaffen werden müßte.
Die Bundesregierung ist aufgefordert, zur Entlastung der Bürger und Gemeinden des Gebietes um Soltau und Lüneburg von ihren materiellen Sorgen weiter beizutragen. Vergessen wir dabei nicht, daß wir alle Nutznießer der Übungen und Manöver sind, die unsere Bündnispartner in diesem Gebiet abhalten. Hierdurch wird der Schutz der westlichen Allianz für jeden einzelnen von uns gewährleistet. Solange aber der einzelne oder Gruppen von Bürgern im Lande dafür Opfer bringen müssen, sind wir alle gehalten, ihnen für diese Opfer eine Kompensation zu verschaffen. Das sind wir der Bevölkerung dieses Raumes schuldig.
Abschließend möchte ich an die Entschließung des Deutschen Bundestages vom 13. März 1975 erinnern, die noch nicht befriedigend aufgearbeitet ist. Ich denke hier insbesondere auch an das wirklich noch nicht befriedigend gelöste Problem einer strikten Einhaltung der einzelnen Bestimmungen dieses Vertrages. Ich will hierauf nicht näher eingehen. Eine Konkretisierung bestimmter Schwerpunkte erwarten wir in diesem Zusammenhang von den Zwischen- und Endberichten, die die Bundesregierung zum 1. April 1978 und zum 1. April 1979 erstatten wird. Dann werden wir weiter darüber zu sprechen haben.
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Das
Wort hat der Staatsminister im Auswärtigen Amt von Dohnanyi.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich ergreife das Wort in erster Linie, um zu unterstreichen, welches Gewicht die Bundesregierung den hier geschilderten Sorgen der betroffenen Bevölkerung beimißt. Ich möchte dabei betonen - und dies ist auch in der Debatte deutlich geworden -, daß die Bundesregierung nur einen Teil der Probleme lösen kann, die hier angeschnitten wurden.
Die Redner haben gesagt, der Bericht der Bundesregierung sei unbefriedigend. Ich nehme das mit Bedauern zur Kenntnis. Es ist selbstverständlich, daß wir der Aufforderung folgen werden, im nächsten April einen Zwischenbericht und im Jahr darauf den „Routine"-Bericht zu geben.
Statsminister Dr. von Dohnanyi
Sie werden verstehen, wenn ich in diesem Augenblick - obwohl einige der Punkte hier vielleicht aufgegriffen werden könnten - auch angesichts des anhängigen Rechtsstreites in den Details Zurückhaltung üben werde.
Ich möchte zu einigen Grundsätzen etwas sagen. Zunächst muß man, was den Bericht angeht, bedenken, Herr Kollege de Terra, daß sich die Einzelheiten, die Sie zum Teil erwähnt haben und die auch der Kollege Schwencke erwähnt hat, auf die Zeit nach der Erstellung des Berichts beziehen, also auf den Sommer dieses Jahres. Ich habe zur Kenntnis genommen, daß Sie darauf hingewiesen haben, es habe Rücksichtslosigkeit - ich will es einmal so ausdrücken - oder nicht voll vertragsgemäßes Verhalten gegeben. Wir werden dem nachgehen.
({0})
Wir werden versuchen, das nicht nur aufzuklären, sondern abzustellen.
Ein zweiter Punkt, den ich unterstreichen will, ist der - und ich bin dankbar dafür, daß alle Kollegen, die hier gesprochen haben, darauf hingewiesen haben -, daß es in einem engbesiedelten Land wie der Bundesrepublik Deutschland, das im Bündnis eine wichtige Verteidigungsaufgabe zu bewältigen hat, Opportunismus wäre, zu sagen, alle Probleme, die angeschnitten wurden, lösen zu können. Das sollten alle immer berücksichtigen.
Zum Dritten: Ich bin dankbar, daß der Kollege Wendig schon auf die finanziellen Mittel hingewiesen hat, die in die Region geflossen sind. Wir werden selbstverständlich die zusätzlichen Anregungen prüfen, die heute und in der Entschließung vorgetragen wurden. Man kann die Haushaltsprobleme, die damit verbunden sind, natürlich nicht bagatellisieren. Ich werde mich auch darum bemühen, daß die Arbeit der Kommission „Straßen"; die offenbar, wie ich hier eben zum erstenmal gehört habe, seit 1973 unterbrochen ist,
({1})
wieder aufgenommen wird. Hier zeigt sich, wenn ich das sagen darf, nicht nur das Problem des Föderalismus, sondern doch auch das Problem verzweigter Zuständigkeiten, deren Verbindung vielleicht etwas besser bewältigt werden kann.
_Einen vierten Punkt will ich noch anschneiden: Der Herr Bundeskanzler hat dreimal mit dem britischen Premierminister über das Problem einer „Sommerpause" oder einer für die Bevölkerung günstigeren Organisation der Manöver gesprochen. Die Bundesregierung verfolgt diese Bemühungen, und wir hoffen, daß wir sie erträglichen Lösungen zuführen können, insbesondere natürlich, Herr Kollege Schwencke, in den Fremdenverkehrsgebieten.
Meine Damen und Herren, 'die Ungeduld aller Fraktionen ides Deutschen Bundestages ist für mich heute noch verständlicher geworden, als sie nach Studium der Akten sein konnte. Herr Kollege de Terra, Sie haben - wenn ich das aufgreifen darf in dieser Sachesozusagen noch einen zusätzlichen Freund gewonnen.
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Ich will hier versprechen, daß ich versuchen werde, die 'angeschnittenen Fragen im Interesse der Betroffenen - Soltau-Lüneburg und Landkreis Harburg - aufzugreifen, und daß die Bundesregierung zusagt, die Lösungen zu finden, die im Rahmen der Grenzen, die uns gesteckt sind, möglich sind.
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Herr
Staatsminister, nach Ihren letzten Ausführungen gehe ich davon aus, daß der Bericht 1979 weniger ein Routinebericht als vielmehr der reguläre Bericht sein wird.
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Meine Damen und Herren, ich schlage vor, daß wir die Abstimmung über die Beschlußempfehlung zu den Ziffern 1 und 2 zusammen vornehmen. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Wer den Ziffern 1 und 2 der Beschlußempfehlung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Ich danke Ihnen. Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe nunmehr den Zusatzpunkt 5 zur Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses ({1}) zu den dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht
a) Antrag der Bundestagsabgeordneten Dr. Helmut Kohl, Dr. Friedrich Zimmermann und 189 weiterer Mitglieder des Bundestages gegen das Gesetz zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes und des Zivildienstgesetzes vom 13. Juli 1977 - BGBl. I S. 1229 -
Az. 2 BvF 1/77
b) Antrag der Bayerischen Staatsregierung gegen das genannte Gesetz
Az. BvF 2/77
c) Antrag der Landesregierung von Rheinland-Pfalz gegen das genannte Gesetz Az. 2 BvF 4/77
d) Antrag der Landesregierung von BadenWürttemberg gegen das genannte Gesetz
Az. 2 BvF 5/77
- Drucksache 8/1047 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Emmerlich
Ich danke Herrn Dr. Emmerlich für seinen Bericht. Er wünscht keine Ergänzung des Berichts.
Die Beschlußempfehlung auf Drucksache 8/1047 lautet:
Der Bundestag wolle beschließen, für die Abgabe der Stellungnahme des Bundestages zu den
Verfassungsstreitsachen 2 BvF 1/77, 2 BvF 2/77,
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
2 BvF 4/77 und 2 BvF 5/77 gegen das Gesetz zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes und des Zivildienstgesetzes vom 13. Juli 1977 ({2}) als Prozeßvertreter Herrn Prof. Erhard Denninger, Am Wiesenhof 1, 6240 Königstein, zu bestellen.
Das Wort zur Aussprache wird nicht gewünscht. Wer dem Vorschlag zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Bei einer Stimmenthaltung angenommen.
Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses ({3}) zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1977
- Drucksachen 8/665, 8/975 - Berichterstatter: Abgeordneter Löffler
Ich danke dem Herrn Berichterstatter Löffler für seinen Bericht.
Der Haushaltsausschuß schlägt vor, den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU für erledigt zu erklären. Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer dem Vorschlag zustimmt, den bitte ich um sein Zeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Es ist gegen die Stimmen der Opposition entsprechend beschlossen.
Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf:
Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({4}) zu den Verordnungen der Bundesregierung
Sechzigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste
- Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz Einundsechzigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste
- Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz -- Drucksachen 8/714, 8/821, 8/973 Berichterstatter: Abgeordneter Junker
Der Herr Abgeordnete Junker, dem ich für seinen Bericht danke, wünscht keine Ergänzung des Berichts.
Hier ist keine Beschlußfassung notwendig, sondern nur Kenntnisnahme, wenn nicht aus der Mitte des Hauses ein anderer Antrag vorliegt. - Ein solcher Antrag ist nicht gestellt.
Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({5}) zu der Verordnung der Bundesregierung
Zustimmungsbedürftige Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs ({6})
- Drucksachen 8/781, 8/957 - Berichterstatter: Abgeordneter Scheu
Der Kollege Scheu, dem ich für seinen Bericht danke, wünscht keine Ergänzung des Berichts.
Es wird vorgeschlagen, der Verordnung auf der Drucksache 8/781 zuzustimmen. - Das Wort wird nicht begehrt. Wer dieser Verordnung zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.
Ich rufe die Punkte 14 bis 16 der heutigen Tagesordnung auf:
14. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({7}) zu den Unterrichtungen durch die Bundesregierung
Entwurf einer Verordnung ({8}) des Rates über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Kolophonium, einschließlich „Brais résineux", der Tarifstelle 38.08 A des Gemeinsamen Zolltarifs ({9})
Vorschlag einer Verordnung ({10}) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für Zeitungsdruckpapier der Tarifstelle 48.01 A des Gemeinsamen Zolltarifs ({11}) und zur Ausdehnung dieses Kontingents auf bestimmte andere Papiere
Vorschlag einer Verordnung ({12}) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für getrocknete Weintrauben in unmittelbaren Umschließungen mit einem Gewicht des Inhalts von 15 Kilogramm oder weniger, der Tarifstelle 08.04 B I des Gemeinsamen Zolltarifs ({13})
Vorschlag einer Verordnung ({14}) des Rates über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für bestimmtes Sperrholz aus Nadelholz der Tarifnummer ex 44.15 des Gemeinsamen Zolltarifs ({15})
- Drucksachen 8/811, 8/810, 8/727, 8/813, 8/954 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Unland
15. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({16}) zu den Unterrichtungen durch die Bundesregierung
Vorschlag einer Verordnung ({17}) des Rates zur Festsetzung von Plafonds und zur Einrichtung einer gemeinschaftlichen Überwachung der Einfuhren bestimmter Waren mit Ursprung in Algerien, Marokko und Tunesien ({18})
Vorschlag einer Verordnung ({19}) des Rates zur Aussetzung der Anwendung der Bedingung, von der die Einfuhr bestimmter Zitrusfrüchte mit Ursprung in Spanien und Zypern in die Gemeinschaft gemäß der Abkommen zwischen der Gemeinschaft und jedem dieser Länder abhängt
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Vorschlag einer Verordnung ({20}) des Rates über die Bestimmung des Ursprungs von Reißverschlüssen
Vorschlag einer Verordnung ({21}) des Rates über die Einfuhrregelung für bestimmte Textilerzeugnisse mit Ursprung in Japan
- Drucksachen 8/815, 8/854, 8/674, 8/853, 8/955 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Unland
16. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({22}) zu den Unterrichtungen durch die Bundesregierung
Vorschlag einer Verordnung ({23}) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Aprikosenpülpe der Tarifstelle ex 26.06 B II c) 1 aa) des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Tunesien ({24})
Vorschlag einer Verordnung ({25}) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Agrikosenpülpe der Tarifstelle ex 20.06 B II c) 1 aa) des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Marokko ({26})
Vorschlag einer Verordnung ({27}) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Aprikosenpülpe der Tarifstelle ex 20.06 B II c) 1 aa) des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Israel ({28})
Vorschlag einer Verordnung ({29}) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für „Cyprus sherry" genannte Weine der Tarifstelle ex 22.05 C III des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Zypern und zur Einführung von Beihilfen für gleichartige Weinbauerzeugnisse in der Gemeinschaft ({30})
Vorschlag einer Verordnung ({31}) ,des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Haselnüsse, frisch oder getrocknet, auch ohne äußere Schalen oder enthäutet, der Tarifstelle ex 08.05 G des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in der Türkei ({32})
Vorschlag einer Verordnung ({33}) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für vollständig in Griechenland gewonnenen Wein aus frischen Weintrauben und mit Alkohol stummgemachten Most aus irischen Weintrauben der Tarifnummer 22.05 des Gemeinsamen Zolltarifs
Vorschlag einer Verordnung ({34}) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung von Gemeinschaftszollkontingenten für Portweine der Tarifstelle ex 22.05 des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Portugal ({35})
Vorschlag einer Verordnung ({36}) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Madeira-Weine der Tarifstelle ex 22.05 des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Portugal ({37})
Vorschlag einer Verordnung ({38}) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Moscatel-de-Setubal-Weine der Tarifstelle ex 22.05 des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung 'in Portugal ({39})
Vorschlag einer Verordnung ({40}) 'des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung von Zollkontingenten für bestimmte Papiere Pappen der Tarifstellen ex 48.01 C II und 48.01 F des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Portugal ({41})
Drucksachen 8/737, 8/706, 8/687, 8/688,
8/861, 8/700, 8/832, 8/956 -Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Unland
Wünscht der Berichterstatter für diese drei Tagesordnungspunkte das Wort? - Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zur Aussprache begehrt? - Auch das ist nicht der Fall.
Ich schlage vor, daß wir der Einfachheit halber über die drei Tagesordnungspunkte gemeinsam abstimmen. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlungen des Ausschusses für Wirtschaft auf den Drucksachen 8/954, 8/955 und 8/956. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Zeichen. -Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Gegen eine Stimme so beschlossen.
Wir sind damit am Ende der heutigen Tagesordnung.
Ich schließe die Beratungen des Deutschen Bundestags und berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestags auf Mittwoch, den 26. Oktober 1977, 13 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.