Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Die Sitzung ist eröffnet.
Ich darf vor Eintritt in die Tagesordnung bekanntgeben, daß seitens der SPD-Fraktion vorgeschlagen wird, für den aus dem Deutschen Bundestag ausgeschiedenen Abgeordneten Sund die Abgeordnete Frau Dr. Timm als stellvertretendes Mitglied im Gemeinsamen Ausschuß gemäß Art. 53 a des Grundgesetzes zu bestellen. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Damit ist die Abgeordnete Frau Dr. Timm als stellvertretendes Mitglied im Gemeinsamen Ausschuß bestimmt.
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat soll die heutige Tagesordnung ergänzt werden um die Eidesleistung des Bundesministers für Wirtschaft. Dieser Punkt der Tagesordnung soll sofort aufgerufen werden. - Ich stelle fest, daß das Haus auch damit einverstanden ist. Die Tagesordnung ist um diesen Zusatzpunkt ergänzt.
Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat mit Schreiben vom 9. August 1977 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Burger, Braun, Geisenhofer, Frau Karwatzki, Frau Hürland, Dr. Reimers und der Fraktion der CDU/CSU betr. Erholungsfürsorge nach dem Bundesversorgungsgesetz ({0}) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 8/1000 verteilt.
Der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft hat mit Schreiben vom 28. September 1977 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die nachstehenden, bereits verkündeten Vorlagen keine Bedenken erhoben hat:
Verordnung des Rates zur Aufrechterhaltung der Genehmigungspflicht für Einfuhren von Jutegarnen mit Ursprung im Königreich Thailand in die Benelux-Länder ({1})
Verordnung ({2}) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Waren der Tarifstelle 22.09 C I des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in den AKP-Staaten ({3}) ({4})
Verordnung ({5}) des Rates zur zeitweiligen Aussetzung der autonomen Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs für einige industrielle Waren ({6})
Verordnung des Rates über die Einfuhrregelung für bestimmte Textilwaren mit Ursprung im Königreich Thailand und zur Aufhebung der Verordnungen ({7}) Nr. 845/77 und ({8}) Nr..../77 ({9})
Verordnung ({10}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({11}) Nr. 459/68 über den Schutz gegen Praktiken von Dumping, Prämien oder Subventionen aus nicht zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gehörenden Ländern ({12})
Verordnung ({13}) des Rates zur Aufrechterhaltung der Regelung für die Zulassung der Einfuhr nach Deutschland von gewissen Garnen und Bindfäden mit Ursprung in Jugoslawien ({14})
Entscheidung des Rates zur Genehmigung der Verlängerung
oder stillschweigenden Verlängerung bestimmter, zwischen
Präsident Carstens
Verordnung ({15}) des Rates zur Festsetzung des Mindestpreises und des besonderen Mindestpreises für Tomatenkonzentrate für das Wirtschaftsjahr 1977/78 ({16})
Verordnung ({17}) des Rates zur Festsetzung des Betrages der Beihilfe für die Erzeugung von Ananaskonserven und des an die Ananaserzeuger zu zahlenden Mindestpreises für das Wirtschaftsjahr 1977/1978 ({18})
Verordnung ({19}) des Rates zur Festsetzung der Schwellenpreise für Getreide für das Wirtschaftsjahr 1977/1978 ({20})
Verordnung des Rates zur Aufstellung allgemeiner Regeln für den Ausgleidi der Lagerkosten für Zucker ({21})
Verordnung ({22}) des Rates zur Festsetzung der Differenzabgabe auf rohen Präferenzzudcer und des Differenzbetrages für den in den französischen überseeischen Departements erzeugten Rohrrohzucker für das Zuckerwirtschaftsjahr 1977/ 1978 über Maßnahmen für das Zuckerwirtschaftsjahr 1977/78 zur
Erleichterung des Absatzes von in den französischen überseeischen Departements erzeugtem Zucker ({23})
Verordnung ({24}) des Rates zur Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnung ({25}) Nr. 745/77 zur Festlegung bestimmter Übergangsmaßnahmen zur Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischereiressourcen gegenüber Schiffen, die die Flagge Polens, der DDR und der UdSSR führen ({26})
Verordnung ({27}) des Rates zur Festlegung der im Rahmen der obligatorischen Destillation der Nebenerzeugnisse der Weinbereitung zu zahlenden Preise sowie des Höchstbetrags der Beteiligung des Europäischen Ausrichtungsund Garantiefonds der Landwirtschaft, Abteilung Garantie, für das Weinwirtschaftsjahr 1977/1978 ({28})
Verordnung ({29}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({30}) Nr. 1930/76 über die Destillation der Nebenerzeugnisse der Weinbereitung ({31})
Verordnung ({32}) des Rates zur zweiten Änderung der Verordnung ({33}) Nr. 1931/76 zur Aufstellung allgemeiner Regeln für die in den Artikeln 6 b, 6 c, 24 a und 24 b der Verordnung ({34}) Nr. 816/70 genannte Destillation von Wein ({35})
Verordnung ({36}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({37}) Nr. 522/77 über Sondervorschriften für den Handel mit Tomatenkonzentraten und geschälten Tomaten zwischen der Gemeinschaft in ihrer ursprünglichen Zusammensetzung und den neuen Mitgliedstaaten ({38})
Verordnung ({39}) des Rates zur zweiten Änderung der Verordnung ({40}) Nr. 2453/76 über den Transfer von gefrorenem Interventionsrindfleisch aus anderen Mitgliedstaaten an die italienische Interventionsstelle ({41})
Verordnung ({42}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({43}) Nr. 823/68 hinsichtlich der Voraussetzungen für die Zulassung einiger Käsesorten zu bestimmten Zolltarifstellen ({44})
Verordnung ({45}) des Rates zur Festsetzung der Schwellenpreise für geschälten Reis und Bruchreis für das Wirtschaftsjahr 1977/1978 ({46})
Verordnung ({47}) des Rates zur Festlegung von Übergangsmaßnahmen zur Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischbestände gegenüber Schiffen, die die Flagge Spaniens, Finnlands und Portugals führen ({48})
Verordnung ({49}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({50}) Nr. 564/77 über den Transfer von Weichweizen aus Beständen der deutschen Interventionsstelle an die italienische Interventionsstelle ({51})
Verordnung ({52}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({53}) Nr. 350/77 des Rates über die Übergangsmaßnahmen zur Erhaltung der Fischbestände in 'bezug auf das Verbot des Stintdorschfangs ({54})
Verordnung ({55}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({56}) Nr. 878/77 über die Umrechnungskurse für die Ausgleichsbeihilfe zur Umstellung der Apfelsinen- und Mandarinenpflanzungen ({57})
Verordnung ({58}) Nr. 1333/77 des Rates vom 20. Juni 1977
betreffend die Ausgleichsbeträge für Raps- und Rübsensamen
Verordnung ({59}) Nr. 1364/77 des Rates vom 21. Juni 1977 zur Festsetzung der Hauptinterventionsorte für Ölsaaten und der dort geltenden abgeleiteten Interventionspreise für das Wirtschaftsjahr 1977/1978
Verordnung ({60}) Nr. 1392/77 des Rates vom 27. Juni 1977 zur Änderung der Verordnung ({61}) Nr. 2452/76 über den Transfer von Interventionsbutter aus anderen Mitgliedstaaten an die italienische Interventionsstelle
Verordnung ({62}) Nr. 1412/77 des Rates vom 27. Juni 1977 zur Festlegung von Übergangsmaßnahmen zur Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischereiressourcen gegenüber Schiffen, die die Flagge Finnlands oder Portugals führen
Verordnung ({63}) Nr. 1413/77 des Rates vom 27. Juni 1977 zur Festlegung bestimmter Übergangsmaßnahmen zur Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischereiressourcen gegenüber Schiffen, die die Flagge Polens, der DDR oder der UdSSR führen
Verordnung ({64}) Nr. 1414/77 des Rates vom 27. Juni 1977 zur Festlegung von Ubergangsmaßnahmen zur Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischereiressourcen gegenüber Schiffen, die die Flagge Schwedens führen
Verordnung ({65}) Nr. 1415/77 des Rates vom 27. Juni 1977 zur Änderung der Verordnung ({66}) Nr. 1014/77 über einige vorläufige Maßnahmen gegenüber Schiffen, die die Flagge bestimmter Drittländer führen, zur Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischbestände in der 200-Meilen-Zone vor der Küste des französischen Departements Guayana
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Beschluß des Rates zur Änderung des Beschlusses vom
3. August 1972 ({67}) über die gemeinschaftliche Finanzierung bestimmter Sonderausgaben für die Durchführung des Nahrungsmittelhilfe-Übereinkommens von 1971 ({68})
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für andere Gewebe aus Baumwolle der Tarifnummer 55.09 des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Malta ({69}) ({70})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates zur Festlegung von Übergangsmaßnahmen zur Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischereiressourcen gegenüber Schiffen, die die Flagge Spaniens, Finnlands, Portugals, Schwedens, bestimmter Drittländer in der 200-Meilen-Zone vor der Küste des französischen Departements Guayana führen
({71})
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates zur Festsetzung von Plafonds und zur Einrichtung einer gemeinschaftlichen Überwachung der Einfuhren bestimmter Waren mit Ursprung in Ägypten, Jordanien, im Libanon und in Syrien ({72})
({73})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates zur Festsetzung von Plafonds und zur Einrichtung einer gemeinschaftlichen Überwachung der Einfuhren bestimmter Erzeugnisse mit Ursprung in Malta ({74}) ({75})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates zur vollständigen oder teilweisen Aussetzung der Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs für bestimmte Erzeugnisse der Kapitel 1 bis 24 des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Malta ({76})
({77})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für bestimmte Spinnfasern der Tarifnummer 56.04 des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Zypern ({78}), zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Oberbekleidung für Männer und Knaben der Tarifnummer 61.01 des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Zypern ({79})
({80})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehende Vorlage überwiesen:
Aufhebbare verkündete Verordnung über die Beseitigung der Depotpflicht
({81})
überwiesen an den Finanzausschuß ({82}), Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts dem Plenum am 26. Januar 1978
Ich rufe nunmehr den Zusatzpunkt der Tagesordnung auf:
Eidesleistung des Bundesministers für Wirtschaft
Präsident Carstens
Der Herr Bundespräsident hat mir mit Schreiben vom 7. Oktober 1977 mitgeteilt, daß er auf Vorschlag des Herrn Bundeskanzlers den Bundesminister für Wirtschaft, Herrn Dr. Hans Friderichs, entlassen und Herrn Dr. Otto Graf Lambsdorff zum Bundesminister für Wirtschaft ernannt hat.
Nach Art. 64 des Grundgesetzes leisten die Bundesminister bei der Amtsübernahme den in Art. 56 vorgesehenen Eid.
Ich bitte Sie, Herr Bundesminister, zur Eidesleistung zu mir heranzutreten.
({83}) Ich bitte Sie, den Eid zu leisten.
Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.
Ich beglückwünsche Sie und wünsche Ihnen alles Gute für Ihr Amt.
Vielen Dank, Herr Präsident!
({0})
Ich stelle fest, daß der Herr Bundesminister Dr. Graf Lambsdorff den im Grundgesetz für die Übernahme seines Amtes vorgeschriebenen Eid vor dem Deutschen Bundestag geleistet hat.
({0})
Ich spreche Ihnen, Herr Bundesminister Graf Lambsdorff, die aufrichtigen Wünsche des ganzen Hauses für Ihre Arbeit aus.
({1})
Diesen Wünschen füge ich den Dank des Hauses an den bisherigen Bundesminister für Wirtschaft, Herrn Dr. Hans Friderichs, an.
({2})
Ich rufe nunmehr auf Punkt 15 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung zusätzlicher Fragen der Ausbildungsplatzförderung
-- Drucksache 8/602 -
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({3}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 8/989 -
Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Stavenhagen b) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft ({4})
- Drucksache 8/972 Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Pfennig Abgeordneter Wüster
({5})
({6})
- Wir wollen noch einen Augenblick warten. Ein solches Ereignis kommt ja nicht alle Tage vor. Es tut mir leid, meine Damen und Herren, ich kann nicht eher in der Arbeit fortfahren, als Sie Platz genommen haben. Ich bitte Sie nochmals, Platz zu nehmen. Auch die Herren Bundesminister bitte ich, Platz zu nehmen.
Das Wort zur Aussprache hat der Herr Abgeordnete Dr. Pfennig.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Entwurf eines Zusatzgesetzes zum Ausbildungsplatzförderungsgesetz ist in seiner Gesamtheit, also selbst unter Einbeziehung der steuerlichen Seite der Umlagefinanzierung, ein Torso. Mit dem Gesetz sollen nicht, wie die Überschrift zunächst vermuten läßt, zusätzliche Fragen der Ausbildungsförderung geregelt werden. Vielmehr bringt der Gesetzentwurf die notwendigen Zusätze zu dem 1976 verabschiedeten Ausbildungsplatzförderungsgesetz. Es handelt sich also insoweit um ein Ergänzungsgesetz oder, besser gesagt, um 'ein Vervollständigungsgesetz, das alle die Fragen regelt, die eigentlich schon im Ausbildungsplatzförderungsgesetz hätten geregelt werden müssen. Die gesamte Materie - lassen Sie mich das noch einmal in Erinnerung rufen - ist eine Folge des 1976 im Bundesrat gescheiterten Berufsbildungsgesetzes. Es folgte dann die Aufspaltung dieses Gesetzes in ein angeblich nicht zustimmungspflichtiges Gesetz, das Ausbildungsplatzförderungsgesetz, und ein zustimmungspflichtiges Gesetz, das Gesetz zur Regelung steuerrechtlicher und anderer Fragen der Ausbidungsplatzförderung. Letzteres scheiterte erneut an der fehlenden Zustimmung des Bundesrates.
Der vorliegende Gesetzentwurf _ist nichts anderes als der Neuaufguß eben dieses letzteren, gescheiterten Zusatzgesetzes, also sozusagen des nichtehelichen Kindes des gescheiterten Berufsbildungsgesetzes. Nachdem die Steuerfreiheit der Zuschüsse aus der Ausbildungsumlage bereits gestern hier in diesem Hause durch das Steuerentlastungsgesetz geregelt worden ist, verdient der vorliegende Gesetzentwurf auch kaum noch die Bezeichnung Torso. Es handelt sich eigentlich schon um ein Nullum, mit dem lediglich die Einziehung der Berufsausbildungsabgabe unter Abänderung des Ausbildungsplatzförderungsgesetzes in der Weise geregelt wird, daß die Einziehung der Abgabe nunmehr in Bundesverwaltung unter Einschaltung der Berufsgenossenschaften
3646 Deutscher Bundestag -- 8. Wahlperiode Dr. Pfennig
anstatt in Landesverwaltung erfolgen soll. Daß die Regierungskoalition dieses Gesetz dennoch beschließen will, zeigt, wie bitter nötig das Gesetz ist, um das von der Regierungskoalition gewünschte Umlageverfahren des Ausbildungsplatzförderungsgesetzes überhaupt wirksam werden zu lassen. Dies hat in den Beratungen des Ausschusses im übrigen die Frau Kollegin Schuchardt bestätigt. Sie hat sich dann zwar selbst dahin gehend interpretiert, daß sie lediglich die Steuerfreiheit der in Aussicht gestellten Zuschüsse für notwendig halte, damit das Ausbildungsplatzförderungsgesetz überhaupt wirksam werde. Aber, meine Damen und Herren, selbst wenn es darauf ankäme, dann wäre das nur eine Bestätigung dafür, daß es sich bei dem Ausbildungsplatzförderungsgesetz um eine verfassungsrechtlich unzulässige Lex imperfecta handelt.
({0})
Und umgekehrt: Wenn nunmehr die Steuerfreiheit durch das Steuerentlastungsgesetz beschlossen ist und es nur noch um die Verfahrensregelung geht, aber diese offenbar nach Meinung der Regierungskoalition dennoch nötig ist, dann macht das noch deutlicher, daß diese Materie vom Ausbildungsplatzförderungsgesetz verfassungswidrig abgetrennt worden ist. Sollte jemand der Meinung sein - wie möglicherweise Frau Kollegin Schuchardt -, daß es nur darauf ankäme, die Steuerfreiheit hier zu regeln, dann frage ich mich, warum wir nach den Beschlüssen zum Steuerentlastungsgesetz hier überhaupt noch etwas beschließen. Dann könnten wir nämlich den Rest jetzt weglassen und bräuchten uns damit nicht mehr beschäftigen.
({1})
Aber offenbar ist es eben nicht so. Vielmehr sind sowohl die Steuerfreiheit als auch die Verfahrensregelung zur Einziehung der Abgabe notwendig, um das Ausbildungsplatzförderungsgesetz wirksam werden zu lassen. Im Grunde genommen ergibt sich dies schon aus dem Umstand, daß von der Regierungskoalition hier und heute zum zweitenmal der Versuch unternommen wird, die durch die unzulässige Abtrennung vom Ausbildungsplatzförderungsgesetz offengebliebenen Fragen, die in jedem Fall der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, endlich zu regeln, weil ohne diese Regelung das von der Regierungskoalition gewünschte Umlageverfahren nicht wirksam werden kann.
({2})
Ich nehme an, daß allein die Tatsache des zweiten Versuchs zur Vervollständigung des Ausbildungsplatzförderungsgesetzes vom Land Bayern bei seiner Klage beim Bundesverfassungsgericht entsprechend berücksichtigt werden wird.
Gegen die steuerliche Regelung im einzelnen - lassen Sie mich darauf eingehen, obwohl dies gestern schon beschlossen worden ist; aber immerhin liegt diese Regelung bis jetzt noch einmal zur Beschlußfassung vor - bestehen erhebliche Bedenken unserer Fraktion. Unserer Ansicht nach ist die vorgesehene Steuerfreiheit der Berufsausbildungsabgabe nur ein unzureichendes Instrument zur Schaffung neuer Ausbildungsplätze.
({3})
Sie ist für meine Begriffe nichts anderes als der Versuch, ein falsches Arzneimittel, nämlich die Umlagefinanzierung, durch einen Zuckerguß zu versüßen.
({4})
Nach unseren Schätzungen wird die Steuerfreiheit für die Empfänger der Zuschüsse lediglich eine Ersparnis von 7 % der Ausbildungskosten bringen, weil die Steuerfreiheit in diesem Gesetz ausschließlich an die Zuschüsse aus der Umlage gekoppelt ist. Der sogenannte Ausbildungsplatzabzugsbetrag gewährt Steuerfreiheit nur für die öffentlichen Zuschüsse aus der zuvor eingezogenen Umlage. Unserer Ansicht nach müßte sich die Steuerfreiheit durch den Abzugsbetrag mindestens auf alle finanziellen öffentlichen Hilfen erstrecken, die zur Sicherung oder Förderung von Ausbildungsplätzen gewährt werden.
Dies hielt die Regierungskoalition in den Beratungen für unvertretbar, weil sie der Meinung war, daß der Ausbildungsplatzabzugsbetrag eine einmalige Ausnahme darstellt. Das ist nur insoweit richtig, als hiermit für finanziellen Hilfen der öffentlichen Hand erstmalig Steuerfreiheit gewährt wird, ohne ihre gleichzeitige Absetzbarkeit als Betriebsausgabe zu verhindern. Aber das hindert natürlich nicht, wenn eine solche Durchbrechung eines steuerlichen Prinzips einmal erfolgt, die Steuerfreiheit auch für sonstige öffentliche Mittel zur Ausbildungsplatzsicherung zu gewähren.
Meine Damen und Herren auch von der Regierungskoalition, machen wir uns nichts vor. Auch die Zuschüsse aus der Umlage sind öffentliche Mittel. Selbst wenn sie beim Bundesinstitut nur „durchlaufen", handelt es sich nicht um Privatmittel. Die Abgabe ist eine Zwangsabgabe, die dazu dient, staatliche Mittel zu schaffen, aus denen dann wiederum Zuschüsse gewährt werden sollen. Daran ändert auch nichts, daß es sich um eine zweckgebundene Vermögensmasse handelt. Es sind öffentliche Mittel, die hier gewährt werden und für die Steuerfreiheit gewährt wird. Deshalb kann die Regelung auch auf andere öffentliche Mittel, die zur Ausbildungsplatzsicherung gewährt werden, erstreckt werden. Das würde das gesamte umständliche Umlageverfahren überflüssig machen und das Auswachsen einer neuen Bürokratie beim Bundesinstitut verhindern. Die Tatsache, daß jetzt nur bedingt Steuerfreiheit gewährt werden soll, und die zuvor geäußerten grundsätzlichen Bedenken machen eine Zustimmung der CDU/CSU zu diesem Gesetz unmöglich.
Lassen Sie mich schließlich noch einige wenige Sätze zu dem hier eingeschlagenen Gesetzgebungsverfahren sagen. Ich muß sagen, ich halte es für geradezu chaotisch, wenn ein und dieselbe Materie, nämlich die Steuerfreiheit, in zwei verschiedenen Gesetzen, dem Steuerentlastungsgesetz und dem vorliegenden Gesetzentwurf, geregelt werden soll. Es liegt zwar inzwischen ein Antrag vor, das aus diesem Gesetzentwurf hier herauszunehmen. Aber
allein die Tatsache, daß man ernsthaft bis vor wenigen Minuten versucht hat, dieselbe Materie in zwei verschiedenen Gesetzen zu regeln, läßt doch eigentlich nur einen Schluß zu. Der Schluß kann nur heißen: Die Regierungskoalition versucht sich in der Gesetzgebung neuerdings als Glücksspieler, der beim Bundesrat irgendwann einmal das große Los zu ziehen hofft.
({5})
Ich finde, das ist ein beschämendes Armutszeugnis für die Legislative der Bundesrepublik Deutschland. Wir werden uns nicht daran beteiligen. Wir werden auch aus diesem Grunde das vorliegende Gesetz ablehnen.
({6})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Wüster.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Mangel an qualifizierten Ausbildungsplätzen und die damit verbundene Berufsnot junger Menschen sind eine Herausforderung für unsere gesamte Gesellschaft. Wer keinen Beruf erlernen kann oder darf, erlebt schmerzliche Eindrücke, die zu Mutlosigkeit und Existenzangst führen können. Wir wollen und werden deshalb unsere junge Generation mit ihren Problemen der Ausbildung und des Berufslebens nicht allein lassen.
({0})
Die sozialliberale Koalition hat der beruflichen Bildung eine besondere Präferenz eingeräumt und sie als eine wichtige öffentliche Aufgabe herausgestellt, die der Staat nicht den Zufälligkeiten regionaler Wirtschaftsstrukturen und den privatwirtschaftlichen Interessen einzelner Betriebe oder Verbände allein überlassen darf.
({1})
Der Abgeordnete Dr. Pfennig bezeichnete das vorliegende Gesetz als einen Torso
({2})
- Sie haben zu früh geklatscht -, wobei er diskret verschwieg, daß es sich hier um eine Vorlage des Bundesrates handelt. Das hat er nicht gesagt. Das vorliegende Gesetz - Bundestagsdrucksache 8/602 -, das wir heute abschließend beraten, regelt zusätzliche Fragen, die sich im Rahmen der Ausbildungsplatzförderung nach dem gleichnamigen Gesetz ergeben. Es liegt deshalb nahe, das Verhältnis beider Gesetze zu betrachten und - je nach politischem Standort - eine Bewertung des einen oder des anderen vorzunehmen. Ich will nun nicht wieder auf die langwierige und auch kontrovers geführte Diskussion über das Für und Wider einer Umlagefinanzierung in der Berufsausbildung eingehen. Diese Diskussion ist ja bereits vom letzten Bundestag ausgiebig geführt worden. Ein Verweis auf die Debatte im Ausschuß und ih diesem Saale soll daher genügen.
Nur in einem Punkte muß das Verhältnis des Ausbildungsplatzförderungsgesetzes zu dem heute beratenen Gesetz näher beleuchtet werden. Ich will damit einer Legendenbildung entgegenwirken, die auch der Abgeordnete Pfennig hier vorzunehmen versuchte. Ich will der falschen Behauptung entgegentreten, es handele sich bei dem Ausbildungsplatzförderungsgesetz um eine unvollständige, nicht praktizierbare Regelung, also um eine sogenannte Lex imperfecta, die zu ihrer Vollziehbarkeit erst des heute zu beratenden Gesetzes bedürfe.
({3})
- Hören Sie doch einmal zu, damit Sie es auch begreifen! Die Materie ist ja nicht so ganz einfach.
Meine Damen und Herren, das Ihnen vorliegende Gesetz zur Regelung zusätzlicher Fragen der Ausbildungsplatzförderung behandelt nämlich zwei Fragenkomplexe, die steuerliche Behandlung der finanziellen Hilfen nach dem Ausbildungsplatzförderungsgesetz und die Übertragung des Einzugsverfahrens der Ausbildungsplatzabgabe auf die Berufsgenossenschaften.
({4})
- Diese Genossenschaften wurden bestimmt nicht von Genossen gegründet;
({5}) aber Ihre historischen Kenntnisse in Ehren.
Da die Regelung zur Steuerfreiheit der Finanzhilfen bereits im gestern verabschiedeten Gesetz zur Steuerentlastung und Investitionsförderung - Drucksache 8/900 - beschlossen wurde, legen wir einen interfraktionellen Änderungsantrag vor - er liegt auf Ihren Pulten -, der diesen Komplex aus dem vorliegenden Gesetzentwurf - Drucksache 8/602 - herausnimmt, denn wir wußten ja nicht, welches Gesetz zuerst verabschiedet werden würde.
Erlauben Sie mir, wegen der Einheitlichkeit des Themas bei meinen Ausführungen trotzdem auch auf diese Regelungen Bezug zu nehmen. Das heute zu behandelnde Gesetz lehnt sich an das vom 7. Deutschen Bundestag in seiner 255. Sitzung beschlossene Gesetz zur Regelung steuerrechtlicher und anderer Fragen der Ausbildungsplatzförderung -. Drucksache 7/5237 -, das wegen Zustimmungsverweigerung des Bundesrates seinerzeit nicht in Kraft treten konnte, an. Die Ihnen vorliegenden Vorschläge gemäß der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft sind dabei sicherlich geeignet, das Instrument der Finanzierung, wie wir es im Ausbildungsplatzförderungsgesetz geschaffen haben, wirkungsvoller und auch erfolgreicher einzusetzen.
Ebenso sicher ist aber auch, meine Damen und Herren, daß die Wirksamkeit und die Durchführbarkeit des Ausbildungsplatzförderungsgesetzes - konkret gesagt, Herr Dr. Pfennig, der Finanzierungs3648
regelung, in diesem Gesetz - von diesen Regelungen überhaupt nicht abhängen. Oder will jemand ernsthaft die Auffassung vertreten, bei der Ausbildungsplatzfinanzierung seien die Länder nicht in der Lage, ein Bundesgesetz auszuführen, also eine Aufgabe zu erfüllen, die ja vom Grundgesetz als Regelfall vorgesehen ist? Selbstverständlich können die Länder dies tun; dieses Zutrauen habe ich in die Funktionsfähigkeit und auch in die Tüchtigkeit der Länderverwaltungen. Dies haben sie auch im Rahmen des sogenannten kooperativen Föderalismus bisher stets bewiesen. Es handelt sich hier deshalb keineswegs um die Alternative, die Berufsgenossenschaften zu beauftragen oder das Gesetz überhaupt nicht auszuführen, sondern es geht einzig und allein darum, eine Lösung zu schaffen, die kostengünstiger, unaufwendiger und damit auch besser funktioniert. Diese Lösung soll durch den vorliegenden Gesetzentwurf ermöglicht werden, und nur darum, meine Damen und Herren, geht es.
Ebenso ist es ein grundlegender Irrtum - ich will es milde formulieren und nicht von einer bewußten Unredlichkeit sprechen - zu meinen, ohne die gestern verabschiedete steuerliche Regelung könne die Umlagefinanzierung nach dem Ausbildungsplatzförderungsgesetz nicht durchgeführt werden. Ich bin versucht zu fragen: Was muß denn überhaupt noch in der Wirtschaft geschehen, ohne daß man den Verantwortlichen Zucker in das Hauptbuch bläst?
({6})
Richtig ist daher: Ohne die verabschiedete Regelung würden durch Besteuerung der finanziellen Hilfen - das sind die Beträge, die im Rahmen der Umlagefinanzierung der ausbildenden Wirtschaft zugute kommen - runde 300 Millionen weniger gezahlt werden, wenn man von den heute vorliegenden Daten ausgeht. Es blieben aber immer noch 500 bis 600 Millionen DM übrig, die für die Zwecke der Finanzierung der Berufsbildung zur Verfügung gestellt werden könnten. Daß ein Betrag in dieser Höhe völlig ohne Wirkung auf das Angebot an Ausbildungsplätzen bleiben müßte, kann doch wirklich nicht ernsthaft behauptet werden. Auch in dieser Frage geht es wiederum nur um die Verbesserung der Wirksamkeit des Ausbildungsplatzförderungsgesetzes, keineswegs aber um seine Funktionsfähigkeit.
Selbstverständlich begrüße ich als Bildungspolitiker eine steuerliche Regelung, die für die Zwecke der Berufsausbildungsplatzfinanzierung 300 Millionen DM mehr zur Verfügung stellt. Noch vor wenigen Tagen hätte ich es so formuliert: Welcher Bildungspolitiker kann angesichts der bestehenden und sich in Zukunft noch verschärfenden Probleme des Ausbildungsplatzangebotes einer solchen Regelung nicht zustimmen? Angesichts des Verhaltens der Bildungspolitiker der Unionsfraktionen bei der bisherigen Behandlung des vorliegenden Gesetzentwurfes im Ausschuß für Bildung und Wissenschaft habe ich diese Unbefangenheit allerdings nicht mehr. Die Dinge bekommen offenbar bei Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, ein anderes Aussehen, wenn man sie durch eine ideologische Brille betrachtet.
({7})
Lassen Sie mich daher noch einmal präzisieren. Die gestern verabschiedete steuerliche Regelung und die vorgesehene Beauftragung der Berufsgenossenschaften mit dem Einzug der Berufsbildungsabgabe dienen dem Zweck, die Wirksamkeit der Umlagefinanzierung nach dem Ausbildungsplatzförderungsgesetz zu stärken und seine Ausführung verwaltungsmäßig zu erleichtern, nicht aber dazu, seine Durchführbarkeit erst herbeizuführen.
Wenn wir im Zusammenhang mit der Umlagefinanzierung nach dem Ausbildungsplatzförderungsgesetz schon von ideologischen Fehlleistungen sprechen, darf nicht die von den unionsregierten Ländern durchgesetzte Vorschrift im Gesetzentwurf des Bundesrates unerwähnt bleiben - darauf hat Herr Dr. Pfennig überhaupt nicht Bezug genommen -, nach der das Ausbildungsplatzförderungsgesetz am 31. Dezember 1982 außer Kraft treten soll. Diese Regelung wird von der CDU/CSU-Mehrheit des Bundesrates damit begründet, daß die Berufsausbildungsabgabe sonst aus bürokratischen Zwängen heraus auf Jahrzehnte hinaus erhoben würde. Man wolle das Ausbildungsplatzförderungsgesetz auf die konkret zu lösende Problematik des sogenannten „Schülerbergs" beschränken. Deshalb sei die zeitliche Befristung bis zum 31. Dezember 1982 vorzunehmen. Ich weiß nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, worüber ich mich mehr wundern soll, über den recht bedenkenlosen Umgang mit jüngsten Entscheidungen des Bundesgesetzgebers
({8})
oder über die Nichtberücksichtigung der Konzeption, die der Finanzierungsregelung des Ausbildungsplatzförderungsgesetzes zugrunde liegt. Selbstverständlich kannte der Bundesgesetzgeber alle die Tatsachen, die die Mehrheit des Bundesrates jetzt zum Anlaß nehmen will, eine zeitliche Befristung der Geltung des Ausbildungsplatzförderungsgesetzes vorzunehmen. Aus welchem Grunde, so frage ich mich, soll denn eigentlich der Bundesgesetzgeber die damals getroffenen Entscheidungen nun revidieren?
({9})
Nur deshalb, weil dies aus ideologischen Gründen von den CDU/CSU-regierten Bundesländern gewünscht wird? In der Sache besteht überhaupt kein Anlaß, eine solche zeitliche Begrenzung auszusprechen. Das dürfte jedem klar sein, der sich der Mühe unterzieht, sich einmal genauer das Ausbildungsplatzförderungsgesetz anzusehen. Ich frage daher: Wollen die CDU/CSU-regierten Länder das Bundesinstitut für Berufsbildung, das wichtige Aufgaben der BerufsWüster
Bildung zu erfüllen hat, im Jahre 1982 ersatzlos wegfallen lassen?
({10})
- Soll es von diesem Zeitpunkt an keine Forschung im Bereich der Berufsbildung mehr geben, Herr Dr. Probst?
({11})
- Soll sich keine Einrichtung des Bundes mehr mit der Vorbereitung von Ausbildungsordnungen befassen, Herr Pfeifer? Soll es von diesem Zeitpunkt ab keine Zusammenarbeit mehr zwischen den an der Berufsbildung Beteiligten, nämlich Bund, Ländern, Arbeitgebern und Arbeitnehmern, geben, die bisher innerhalb des Bundesinstitutes für Berufsbildung doch reibungslos vonstatten ging. Soll die Bundesregierung nicht mehr vom Hauptausschuß des Bundesinstitutes in grundsätzlichen Fragen der beruflichen Bildung beraten wenden? Wollen die unionsregierten Länder tatsächlich auf die auch von ihnen bisher immer gefordete Transparenz in der beruflichen Bildung verzichten, die auf der Grundlage der Statistikregelung des Ausbildungsplatzförderungsgesetzes erst herbeigeführt werden soll?
({12})
Das Kommissarat der deutschen Bischöfe ist in diesem Zusammenhang im Verein mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund völlig anderer Meinung als Sie, meine Damen und Herren von der Opposition. Sie stellen fest, daß die statistischen Daten im Bereich der Berufsbildung und des Arbeitsmarktes nach wie vor mangelhaft seien. Ein unzureichendes statistisches Instrumentarium biete nur unzulängliche Informationsmöglichkeiten.
({13})
Vielfach sei ihre Beurteilung eine reine Zweckinterpretation, die von einer Verharmlosung der Situation ausgehe. Ich stelle fest: Wer hier eine aus der Sache heraus begründete Antwort geben will, welche sich den Interessen der Jugendlichen verpflichtet fühlt, der kann doch nur ein klares Nein zu den CDU/CSU-Vorschlägen aussprechen.
({14})
Meine Fraktion spricht ein klares Nein aus.
Aber selbst wenn man zugunsten der Unionsparteien und der Unionsmehrheit im Bundesrat annehmen wollte, daß hier nur die Regelung über die Umlagefinanzierung gemeint ist, dann gäbe es dafür ebenso keinen triftigen Grund; denn diese Regelung ist bereits nach geltendem Recht befristet, und zwar jeweils immer auf die Dauer eines Jahres. Das ist wichtig, und das muß man hiler ganz klar sehen. Nur, wenn die Voraussetzung, die das Arbeitsplatzförderungsgesetz nennt, nämlich eine Disparität zwischen Angebot und Nachfrage bei den Ausbildungsplätzen festgestellt wird, dann wird die Umlagefinanzierung nur für die Dauer eines Jahres durchgeführt. Die
Vorbedingungen für die Auslösung der Ausbildungsplatzumlagefinanzierung müssen streng und sorgfältig nach den Vorschriften geprüft werden.
Die Befürchtungen der Bundesratsmehrheit, bürokratischer Übereifer könne einen Mechanismus auslösen, der Eigengesetzlichkeit erlange, teilen wir jedenfalls ganz und gar nicht. Einen Beweis dafür liefert bereits die von der Bundesregierung getroffene Entscheidung, im Jahre 1977 die Umlagefinanzierung nicht anzuwenden, und zwar im Vertrauen auf die Zusage der Wirtschaftsverbände, 100 000 Ausbildungsplätze mehr bereitzustellen.
({15})
Sollte diese Zusage nicht eingelöst werden, so sind aus der Verantwortung für unsere junge Generation heraus Konsequenzen allerdings unvermeidbar.
Der einzige Grund für den Vorschlag der Mehrheit des Bundesrates, das Ausbildungsplatzförderungsgesetz zeitlich zu befristen, ist meines Erachtens ganz woanders zu suchen, nämlich in der von CDU und CSU vertretenen Auffassung, an die Stelle einer Umlagefinanzierung eine andere Lösung zu setzen.
({16})
Dieses Vorhaben ist aber bereits von der Mehrheit des Bundestages bei den Beratungen des Ausbildungsplatzförderungsgesetzes abgelehnt worden.
Wie bereits einleitend sagte, will ich diese Diskussion an dieser Stelle nicht wiederholen, sondern verweise auf die Gründe, die ich anläßlich der zweiten Lesung des Berufsbildungsgesetzes in diesem Saale vortrug.
Ich erbitte Ihre Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf mit Ausnahme der steuerlichen Regelung gemäß der Beschlußempfehlung.
({17})
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Schuchardt.
Frau Schuchardt ({0}) Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Pfennig, Ihnen ist es gelungen, Ihrer Fraktion und diesem Hause zu verheimlichen, daß Sie hier einen Antrag des Bundesrates in toto ablehnen wollen. Sie überraschen uns nun damit, daß Sie das, was Ihre Freunde aus dem Bundesrat eingebracht haben, also ablehnen wollen. Sie können versuchen, das anderswo zu begründen; hier ist es Ihnen jedenfalls nicht gelungen, eine vernünftige Begründung dafür zu geben. Wir haben schon häufiger Gelegenheit gehabt, über dieses Thema zu sprechen. Deswegen möchte ich mich kurz fassen, aber doch noch auf eines hinweisen.
Das Ausbildungsplatzförderungsgesetz hat zweierlei Wirkungen. Es greift nicht, wenn die Wirtschaft einen Überhang von 12,5 % an Ausbildungsplätzen gegenüber der Nachfrage bereitzustellen in der Lage ist. Dann werden wir keine Finanzierung haben. Ich glaube, man kann wohl ganz eindeutig feststellen, daß die enormen Anstrengungen, die im Bereich der Wirtschaft ohne Frage in den letzten Jahren und
gerade auch in diesem Jahr stattgefunden haben, sicherlich auch ein Erfolg dieses Gesetzes sind.
({1})
Ob Ihnen das nun paßt oder nicht: dieses ist nun einmal ein Tatbestand. Erst wenn es nicht gelingen sollte, die starken Jahrgänge, die heute die Schulen verlassen, hinreichend mit Ausbildungsplätzen zu versorgen, soll eine Finanzierung greifen, so daß in dem Bereich der Wirtschaft, in dem die Ausbildungsanstrengungen besonders stark sind, nämlich bei den kleineren und mittleren Betrieben, profitiert wird. Denn nur Betriebe ab 400 000 DM Lohn- und Gehaltssumme haben in diesen Fonds zu zahlen, trotzdem bekommen sie aber etwas aus diesem Fonds, wenn sie zusätzliche Ausbildungsanstrengungen unternehmen. Ich finde, dieses ist ein außerordentlich mittelstandsfreundliches Gesetz. Man kann zwar immer von Mittelstandsfreundlichkeit reden; aber man muß auch einmal danach handeln.
(Beifall bei der FDP und der SPD - Dr.
Sie sollten einmal hören, was der Mittelstand sagt!)
Für mich war es außerordentlich bedrückend, festzustellen - das habe ich schon einmal an dieser Stelle gesagt -, daß sich im Anhörverfahren diejenigen, die eigentlich das Interesse der kleinen und mittelständischen Betriebe hätten intensiv vertreten müssen, sich in ihrer Meinung mit den Interessenvertretern gleichgeschaltet haben, die sich allein der Großindustrie verpflichtet fühlen.
({0})
Es war für mich außerordentlich bedrückend, dies festzustellen, weil ich es für schlimm halte, daß sich die kleineren und mittleren Betriebe nach meiner Meinung nicht hinreichend durch ihre Funktionäre vertreten lassen.
({1})
- Herr Probst, Sie haben doch dieses Anhörverfahren damals geleitet; Ihnen wird das doch nicht entgangen sein.
Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Daweke?
Ja.
Frau Schuchardt, wenn Sie schon den Interessenvertretern der kleinen und mittleren Betriebe nicht glauben, daß sie ihre Interessen selbst darstellen können, woher. haben Sie denn die Kenntnis, was für kleine und mittlere Betriebe gut ist?
Das ergibt sich aus der Logik des Gesetzes.
({0})
Es ergibt sich daraus, daß diese Betriebe z. B. nichts in den Fonds zu zahlen haben, sehr wohl aber etwas aus diesem Fonds erhalten, wenn sie ihre Ausbildungsanstrengungen steigern.
({1})
Hier wird also das Interesse der kleinen und mittleren Betriebe durch das Gesetz objektiv geregelt, und wenn dies von den Funktionären nicht zur Kenntnis genommen wird, die diese Betriebe nach meiner Meinung vertreten sollen, dann finde ich das eigentlich nicht mehr vertretbar.
Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Probst?
Aber ja..
Frau Kollegin, könnte der Schluß Ihrer Logik nicht darauf beruhen, daß sich Ihre Theorie meilenweit von der Praxis entfernt bewegt?
({0})
Meine Auffassung begründet
({0})
sich objektiv durch den Wortlaut des Gesetzes. Herr Probst reduziert seine Auffassung auf reine Ideologie. Das ist der entscheidende Punkt.
({1})
Im übrigen darf ich die Union auch vielleicht daran erinnern, daß sie das Umlageverfahren auf ihrem Hamburger Parteitag selber beschlossen hat
({2})
und Ihr jetziger Fraktionsvorsitzender - damals noch als Ministerpräsident - dieses Umlageverfahren intensiv gefordert hat. Wir haben das in der Form, in der er es damals gefordert hat, noch nicht einmal verwirklicht, sondern wir haben es lediglich als einen Übergangsmechanismus ausgestaltet.
({3})
Ich möchte nur auf drei Dinge eingehen. Ich beginne mit der Steuerfreiheit. Es ist natürlich klar, daß die Mittel, die über diese Umlage finanziert werden, besser greifen, wenn sie steuerlich begünstigt sind. Wir machen keinen Hehl daraus, daß wir sehr wohl der Auffassung sind, daß sich auch hier die öffentliche Hand etwa in Höhe von 300 Millionen DM engagieren sollte. Das ist gut so. Es ist gestern zusammen mit dem Steuerpaket beschlossen worden. Wir hätten das vermutlich in dem vorliegenden Gesetz regeln müssen, wenn nicht gleichzeitig das Steuerpaket in der Diskussion gewesen wäre. Insoweit, Herr Dr. Pfennig, ist dies also nichts Unverständliches, sondern ergibt sich
aus dem Gang der Diskussion, die wir zur Zeit im
Deutschen Bundestag über die Steuerpolitik haben.
Der zweite Punkt ist die bundesgesetzliche Regelung des Einzuges. Was ist denn das Problem? Sie als Union fordern immer, es sollte möglichst wenig Verwaltungsaufwand stattfinden. Wir sehen jetzt eine Änderung der vom Bundesrat beschlossenen Fassung vor, die beinhaltet, den Verwaltungsaufwand durch eine bundeseinheitliche Regelung auf ein Minimum zu beschränken. - Herr Rühe, wir beide kennen uns ja aus der Hamburger Bürgerschaft. Der Bundesrat schlägt vor, die Länder zu einer einheitlichen Gesetzgebung auf diesem Gebiet aufzufordern. Wenn das geschieht, sitzen die armen Abgeordneten in den Parlamenten der Länder und sind nichts anderes als Erfüllungsgehilfen für das, was ihre Verwaltungen bundeseinheitlich ausgearbeitet haben.
({4})
Dies ist eine Grauzone des Parlamentarismus, die uns absolut nicht paßt. Deshalb sollten wir überall dort, wo bundeseinheitliche Regelungen zwingend notwendig und auch einsichtig sind, unsere Kompetenz und damit eine parlamentarische Kontrolle sicherstellen.
Wenn wir die Berufsgenossenschaften mit dem Einzug beauftragt haben, so eben aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung. Aber dieser Scheinparlamentarismus, bei dem jedem Landesparlament ein Gesetzeswortlaut vorgelegt wird, an dem es nur dann etwas verändern kann, wenn es eine Erhöhung der Verwaltungskosten in Kauf nimmt, kann doch wohl kein sinnvolles Verfahren sein.
({5})
- Ich mache keine Länderschelte. Ich nehme im Augenblick nur die Abgeordneten der Landtage in Schutz gegen das, was einheitlich von der Bürokratie ausgearbeitet und ihnen dann nur noch zum Absegnen vorgelegt wird.
({6})
Wir kennen dieses Verfahren ja hinlänglich von Staatsverträgen und was weiß ich alles. Das schreit doch hier geradezu nach einer einheitlichen Regelung.
({7})
Dritter und letzter Punkt: Der Bundesrat hat eine zeitliche Begrenzung gefordert.
Das objektive Kriterium dafür, daß das Ausbildungsplatzförderungsgesetz eingreift, ist, daß der Überhang an Ausbildungsplätzen, gemessen an einer bestimmten Nachfrage, geringer als 12,5 % und daß auch im nächsten Jahr kein stärkerer Überhang zu erwarten ist. An dieses Kriterium möchten wie die Regelung gekoppelt sehen, nicht an einem Zeitraum. Der Bundesrat meint, am 31. Dezember 1982 hätten wir in bezug auf die Ausbildungsplatzsituation keine Probleme mehr.
({8})
In dem Anhörverfahren über die Berufschancen der jungen Generation waren sich aber alle Institute hinsichtlich der Unsicherheit ihrer Prognosen einig. Deshalb halte ich eine zeitliche Begrenzung an dieser Stelle für nicht gerechtfertigt. Die FDP-Fraktion wird diesem Gesetz zustimmen.
({9})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache in der zweiten Beratung.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe die §§ 1 bis 4 in der Fasssung der Beschlußempfehlung des Ausschusses auf. - Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; die aufgerufenen Bestimmungen sind angenommen.
Ich rufe die §§ 5 und 6 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 8/1001 ein interfraktioneller Antrag vor. Es wird beantragt, die §§ 5 und 6 zu streichen, da Bleichlautende Regelungen im Gesetz zur Steuerentlastung und Investitionsförderung getroffen worden sind. Wird hierzu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer mit dem interfraktionellen Antrag auf Drucksache 8/1001 einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist dies einstimmig so beschlossen; die §§ 5 und 6 sind gestrichen.
Ich rufe die §§ 7 und 8, Einleitung und Überschrift auf. - Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit. Das Gesetz ist damit in zweiter Beratung angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; das Gesetz ist damit angenommen.
Ich rufe Punkt 16 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Dr. Wisniewski, Pfeifer und der Fraktion der CDU/CSU
Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses an den Hochschulen
- Drucksache 8/822 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Bildung und Wissenschaft
Wird das Wort dazu gewünscht? - Frau Dr. Wisniewski.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der CDU/CSU-Fraktion zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses steht in dem größeren Zusammenhang der Sicherung der Chancen der jungen Generation. Zu allen Zeiten galt die Förderung der Wissenschaft und Kunst durch Regierungen als Kennzeichen guter, nämlich auch um die kulturellen und geistigen Belange besorgter Ausübung von Macht. Wissenschaft und Forschung waren es, die die Welt veränderten. Sie haben auch den modernen Industriestaat herbeigeführt. Sie sind notwendig, ihn zu erhalten, fortzuentwickeln und den Menschen geistige und materielle Instrumente bereitzustellen, mit denen sie die Anforderungen des Lebens bewältigen können, auch wenn diese sich ständig wandeln. Sie sind notwendig, diesen Industriestaat fortzuentwickeln und, wie gesagt, den Menschen geistige und materielle Instrumente bereitzustellen, damit sie die sich ständig wandelnden Anforderungen des Lebens bewältigen können.
Das ist es, was in diesem Prozeß auch ständig neue Berufsmöglichkeiten und Arbeitsplätze entstehen läßt. Das zeigte sich in der Vergangenheit deutlich, das zeigt sich in der Gegenwart ebenso. Wir erleben täglich, daß neue Berufsbilder entstehen. Hier liegt eine große Chance für die Ausweitung der Arbeitsplatzmöglichkeiten, um die wir alle besorgt sind.
Wissenschaft und Forschung werfen ständig neue, den Zeitgenossen oft sinnlos erscheinende Fragen auf und suchen nach Antworten, die vielfach nicht verstanden werden, oft als nichtig empfunden, oft verlacht werden. Manchmal wird die Bedeutung der wissenschaftlichen Erkenntnisse für den einzelnen Menschen und für die menschliche Gesellschaft erst spät erkannt.
In diesem Zusammenhang ist es wichtig, darauf hinzuweisen, daß namentlich junge, noch nicht anerkannte und noch nicht in festen Stellungen etablierte Wissenschaftler das Verständnis und die materielle Hilfe der politisch Verantwortlichen brauchen. Wer wissenschaftlich tätig sein will, braucht Muße: nicht zum Müßiggang, sondern zum Denken, zum Analysieren, zum synthetischen Zusammenschauen. Wie gesagt, es war stets das Zeichen guter Herrschaft und guter Regierung, wenn diese Erfordernisse verstanden wurden und wenn den wenigen, die, durch wissenschaftliche Begabung ausgezeichnet, sich diesem Streben hingeben wollten, Arbeitsmöglichkeiten in dem genannten Sinne eröffnet worden sind.
Man kann feststellen, daß zu allen Zeiten diese Notwendigkeit gesehen, aber in verschiedenem Maße beachtet wurde. Es war immerhin - wir sprechen ja so oft von Aufstiegsmöglichkeiten - die Chance, die sich vielen bot, in einer Zeit aufzusteigen und gesellschaftliches Ansehen und höchste Ämter zu erlangen, als Herkunft und Familienabkunft häufig diese Aufstiegschancen bestimmten. Ausgerechnet heute aber, in einer Zeit, die zu Recht die Chancengleichheit junger Menschen im Auge hat, zeichnet sich ein Rückfall in wenig erfreuliche Zustände des 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts ab. Wir haben sicher alle noch die Erscheinung des Privatdozenten in Erinnerung, der auf eine reiche Heirat oder auf eine reiche Erbschaft oder eben auf eine reiche Herkunft angewiesen war, wenn er eine wissenschaftliche Laufbahn einschlagen wollte; denn er mußte fünf bis zehn Jahre - manchmal noch länger - auf eine Berufung oder feste Anstellung warten, und er mußte diese Zeit ohne irgendeine staatliche Hilfe überstehen. Er mußte überdies in dieser Zeitspanne nicht nur sein Leben fristen, sondern sich einen Namen als Wissenschaftler machen.
Die Gefahr des Rückfalls in diese Zustände droht, wenn wir sie nicht abzuwenden verstehen. Durch eine verfehlte Hochschulpolitik sind die Chancen des hochqualifizierten, durch die Habilitation oder eine gleichwertige selbständige wissenschaftliche Leistung ausgewiesenen wissenschaftlichen Nachwuchses an den Hochschulen einfach katastrophal.
({0})
Die Altersstruktur der Hochschullehrer ist unausgewogen. 1972 waren nach den Erhebungen der Fachverbände, der Kultusministerkonferenz und der Bund-Länder-Konferenz 12,5 % der Hochschullehrer zwischen 50 und 54 Jahre alt, 8,2 % der Hochschullehrer zwischen 55 und 59 Jahre alt, 12,2 % der Hochschullehrer zwischen 60 und 68 Jahre alt,
({1})
aber 69,1 0/0 der Hochschullehrer bis zu 49 Jahre alt. Ich wiederhole diese letzte Zahl: 69,1 % der Hochschullehrer sind bis zu 49 Jahre alt. Das bedeutet, daß in den nächsten zehn Jahren nur 2 % der jetzigen Stellen für junge, nachrückende Hochschullehrer an den Universitäten frei werden. Bezieht man das auf die Zahlen von 1975, dann heißt dies, daß von 15 298 Stellen jährlich ungefähr 300 frei werden. Das ist ein Verhältnis, wie es schlimmer kaum denkbar ist. Die Situation wird sich erst im Jahre 1990 etwas bessern.
Diesen wenigen frei werdenden Stellen steht nun eine enorme Zahl von Aspiranten gegenüber. 1972 hatten wir ungefähr 25 000 wissenschaftliche Assistenten, Assistenzprofessoren, wissenschaftliche Angestellte. Nimmt man an, daß 20 % davon ausscheiden und in andere Bereiche des Beschäftigungssystems überwechseln, dann bleiben immer noch 2 500 Bewerber jährlich, die in diese 300 frei werdenden Hochschullehrerstellen streben.
Die Ursachen dafür sind natürlich die finanziellen Schwierigkeiten, weil sie den weiteren Ausbau der Universitäten und Hochschulen stoppen; sie wurden, wie wir alle wissen, zum großen Teil durch eine falsche Wirtschaftspolitik der Bundesregierung hervorgerufen. Die außeruniversitäre Forschung, die sonst eine Menge aufnehmen konnte, wird durch eine falsche Politik restriktiv behandelt. Eine unglaublich kurzsichtige und unqualifizierte Bildungspolitik hat in einigen Ländern, in denen SPD und FDP regieren, dazu geführt, daß scharenweise junge - teils gut, aber teils auch bedenklich wenig qualifiziert ausgewiesene - wissenschaftliche Nachwuchskräfte zu Beamten auf Lebenszeit ernannt wurden, die die
Stellen nun auf Jahre hinaus blockieren. Das Hochschulrahmengesetz sieht die für die Sicherung des wissenschaftlichen Nachwuchses so überaus wichtige Einrichtung von Übergangsstellen für Habilitierte nicht vor. Die Stelle eines Universitätsdozenten war eine der großen Hoffnungen derer, die sich der wissenschaftlichen Arbeit widmen.
Der Ausbau des sogenannten akademischen Mittelbaus in den vergangenen Jahren des Universitätsbooms, die Vernachlässigung des Ausbaus der Stellen im oberen Bereich der Hierarchie der Universitäten und Hochschulen, vor allem aber auch die zu wenig beachtete Notwendigkeit, Durchlässigkeit zu schaffen - die die Angehörigen des akademischen Mittelbaus in das Bildungssystem außerhalb der Hochschulen führt -, sind einige, aber wohl die wichtigsten Ursachen für diese katastrophale Lage. Man kann erwarten, daß der kommende Studentenberg noch ein übriges tun wird und daß sich noch mehr junge Menschen, die gern in die Wissenschaft hineingingen, um diese Stellen bewerben, so daß die Schere zwischen Stellenangebot für Habilitierte und Nachfrage eher noch größer als erwartet wird.
Das alles hat nun zu einer Situation geführt, die in ihrem katastrophalen Ausmaß nicht mehr allein von den Betroffenen gesehen wird, sondern auch von den bildungspolitisch Verantwortlichen. Das zeigen die in diesen Tagen verabschiedeten Empfehlungen der Bund-Länder-Kommission und der Kultusministerkonferenz. Auch Bundestag und Bundesregierung dürfen nicht länger zögern, die den deutschen Hochschulen drohende Gefahr abzuwenden; denn die Gefahr, daß die Kontinuität unterbrochen wird und damit erschreckende Folgen für die geistigen, wirtschaftlichen, technischen Belange unseres Volkes heraufbeschworen werden, liegt nahe.
Der vorliegende Antrag geht von zwei hochschulpolitischen Voraussetzungen aus. Erstens. Die Forschung bleibt in den Hochschulen, und ihr wird eine wichtige Funktion in den Hochschulen zuerkannt. Zweitens. Es gibt keine sogenannte Hochschullehrerlaufbahn, etwa so, daß am Beginn der wissenschaftliche Assistent eintritt und am Ende der C 4-Professor, mit regelmäßiger Beförderung in bestimmten Zeitabständen, steht. Der vorliegende Antrag fordert, von diesen Voraussetzungen ausgehend, von der Bundesregierung, im Zusammenwirken mit den Ländern ein Programm zu entwickeln, wie es etwa unter dem Namen Heisenberg-Programm in weiten Kreisen bekanntgeworden ist. Es handelt sich um ein Förderungsprogramm für Nachwuchswissenschaftler, die die Habilitation oder eine gleichwertige Leistung aufzuweisen haben. Da vielen von ihnen die Entlassung aus der Hochschule nach acht- bis zehnjähriger Assistentenzeit droht, weil sie keine feste Anstellung als habilitierte Hochschullehrer finden können, wird gefordert, ein Stipendienprogramm auszubringen, das es habilitierten Nachwuchswissenschaftlern ermöglicht, die Zeit bis zur festen Anstellung als Hochschullehrer oder außerhalb der Hochschule zu überbrücken.
Da es sich um ein Stipendienprogramm handelt, sollte die Deutsche Forschungsgemeinschaft maßgeblich eingeschaltet werden und die Aufteilung der Kosten entsprechend der bei Stipendienprogrammen üblichen Aufteilung im Verhältnis 75 ({2}) zu 25 ({3}) erfolgen. Finanzierungsberechnungen und Vorschläge sollten von der Regierung so schnell wie möglich vorgelegt und bei den Ländern inauguriert werden. Ein solches Förderprogramm wird dazu beitragen, daß wissenschaftlich begabten und wissenschaftlich ausgewiesenen jungen Menschen die nach der Habilitation dringend notwendigen Jahre der Konzentration auf eigene Forschungsarbeiten und der Grundlegung ihrer zukünftigen wissenschaftlichen Arbeit gewährt werden. Jede Lehre bleibt auf diese Forschungszeit angewiesen; denn später in den überaus großen Beanspruchungen als akademischer Lehrer ist diese Grundlegung wichtig. Lehre aber ohne Forschung bleibt steril, ohne Innovation und ohne weiterführende Anregungen.
Ein solches Förderungsprogramm kann nicht verhindern, daß mancher Wissenschaftler im Alter von 40 bis 45 Jahren immer noch ohne feste Anstellung sein wird. Daher ist es notwendig, nach Möglichkeiten zu suchen, die Stellensituation der Wissenschaftler zu verbessern.
Der Antrag enthält ferner unter Punkt 4 die Aufforderung an die Bundesregierung, Vorstellungen zu entwickeln, die Promotionsförderung effizienter zu gestalten. Der Rückgang der Inanspruchnahme der Graduiertenförderung ist höchst bedenklich. Auch hier droht ein Verlust für die Bundesrepublik in doppelter Hinsicht. Die Breite des Auswahlangebots für die wissenschaftlich weiter Qualifizierbaren wird erheblich eingeengt, und die breite Streuung des durch wissenschaftliche Arbeit erworbenen Wissens und Könnens geht unserer Gesamtgemeinschaft verloren.
Dies sind die Anliegen des Antrags. Es wird sicherlich nur ein durch die finanzielle Notlage begrenztes Programm möglich sein. Aber auch dieses wird dazu beitragen, die deutsche Forschung und Wissenschaft in ihrer Effizienz und ihrer Kontinuität zu sichern und zu erhalten.
Es ist nicht möglich, daß eine demokratische Gesellschaft sich nicht des Anliegens annimmt, die Erben unserer großen und bedeutenden wissenschaftlichen Tradition zu fördern und ihnen die Zukunftsaussichten so weit wie möglich zu sichern.
({4})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lattmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte die Kollegen im Haus angesichts der realen Lage, in der wir uns heute morgen im Plenum befinden, und angesichts der knappen Besetzung um Verständnis dafür, daß wir unseren Redner, den Kollegen Thüsing, der zum nächsten Punkt der Tagesordnung sprechen wird, gebeten haben, auch auf diesen Punkt einzugehen, weil es einen Zusammenhang gibt. Deswegen bitte ich auch um Verständnis dafür, daß ich nur eine kurze Erklärung abgebe.
Frau Kollegin Wisniewski, ich habe mir aus Ihrem Beitrag natürlich das Stichwort „verfehlte Hochschulpolitik" notiert. Das ist eine sehr pauschale Aussage, und es ist natürlich eine Aussage, die im Lichte der verfassungsmäßigen Zuständigkeit gewertet werden muß, wie sie sich im Föderalismus in unserem Land ergibt. Insofern haben Sie ja sicherlich hier auch eine sehr deutliche Kritik an der Hochschulpolitik der CDU und der CSU geübt.
Ich finde das berechtigt, und ich finde, daß die Kritik insgesamt hier ausgesprochen werden muß. Aber das muß natürlich gesehen werden im Zusammenhang mit der unendlich schwierigen Realisierbarkeit überhaupt jeder Hochschulpolitik in der Bundesrepublik angesichts der unterschiedlichen Mehrheiten im Bundestag und im Bundesrat. Es ist der Bevölkerung der Bundesrepublik leider zu wenig bekannt, daß die generellen Schuldzuweisungen im Blick auf eine verfehlte Hochschulpolitik auf eine Situation stoßen, in der dies eigentlich und immer zu allererst an die Mehrheit der Bundesländer gerichtet werden würde. Die Bevölkerung der Bundesrepublik hat in den zurückliegenden Jahren viel Verdruß an die falsche Adresse abgeladen. Wir können hier nur für das geradestehen, wofür wir die Kompetenz haben.
Was die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und speziell die Möglichkeiten und Vorhaben des Heisenberg-Programms anlangt, ist es doch wohl so, daß es keinen Dissens gibt. Vielmehr haben sich hier die Gremien von Ländern und Bund im wesentlichen so zueinander verhalten, daß eine Möglichkeit der Übereinstimmung und der Verwirklichung besteht, jedenfalls dann, wenn wir Vernunft walten lassen. Das ist ja auch das, was uns die reale Lage in der Bund-Länder-Kommission sowie im Bundestag und im Bundesrat empfiehlt. Deswegen lassen Sie uns Ihren Antrag im Ausschuß in aller Diffenziertheit beraten.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Voigt.
Ja, bitte sehr.
Herr Kollege Lattmann, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß Ihre Feststellung, daß eine Kritik an die verkehrte Adresse gerichtet worden ist, zumindest für die Kollegin Wisniewski nicht getroffen werden kann, weil sie als Baden-Württembergerin gesagt hat, daß dort eine verkehrte Hochschulpolitik gemacht worden ist?
Ich glaube doch, Herr Kollege Voigt, daß wir dieses Detail nicht im Plenum erörtern können. Aber ich sehe, die Frau Kollegin Frau Wisniewski hat sich gemeldet.
Sind Sie mit einer Zwischenfrage der Frau Kollegin Wisniewski einverstanden?
Selbstverständlich.
Herr Lattmann, haben Sie zur Kenntnis genommen, daß ich gesagt habe: durch eine verfehlte Hochschulpolitik einiger von SPD und FDP regierter Länder?
({0})
Wenn Sie diesen Vorbehalt so exklusiv machen, Frau Kollegin, finde ich das nicht den Tatsachen entsprechend.
({0})
Darf ich noch einmal ganz deutlich sagen, diese Zweifrontenauseinandersetzung, die geführt wird, und zwar solange die sozialliberale Koalition die bundesbildungspolitische Kompetenz verantwortet, ist ein nicht offenes Spiel, und es ist dringend notwendig, die Bevölkerung der Bundesrepublik ständig erneut darauf hinzuweisen, daß, wer Beschwernisse in Richtung Bildungspolitik hat, diese in allererster Linie bei der Mehrheit des Bundesrates abladen muß und daß es dort kontinuierlich eine Verantwortung einer Mehrheit von CDU und CSU gibt.
({1})
Wie denn anders hätten wir mit größter Anstrengung Kompromisse schließen müssen, vom Hochschulrahmengesetz bis zum Ausbildungsplatzförderungsgesetz. Sie wissen doch so gut wie ich, meine Damen und Herren von der Opposition, daß dies keine Gesetze sind, die mit einer durchgehenden Bund-Länder-Mehrheit der sozialliberalen Koalition Gesetz geworden wären, sondern daß dann Gesetze in Kraft getreten wären, die denen, die an den Hochschulen die Betroffenen sind, sehr, sehr viel besser gefallen hätten.
({2})
Meine Damen und Herren, ich hatte angekündigt, daß dies bewußt kein differenzierter Debattenbeitrag sein soll, sondern daß wir Sie bitten, diese Differenzierung im Ausschuß vorzunehmen.
({3})
Ein weiterer Sprecher unserer Fraktion wird sich hier noch äußern. Ich fordere uns alle miteinander auf, daß wir den sachlichen Inhalt Ihres Antrages gemeinsam beraten, der ja einen Teil von dem aufgreift, was längst vorgesehene gemeinsame Sache ist, nämlich die intensive Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses an den Hochschulen, ausgehend von der Situation, daß durch die starken Jahrgänge eine Benachteiligung des wissenschaftlichen Nachwuches entstanden ist, wogegen etwas getan werden muß.
Abschließend möchte ich noch einen Aspekt anführen. Von der jungen Generation, die jetzt in der Situation ist, Hochschullehrer zu sein - Anfangdreißiger, Mittdreißiger -, von denjenigen, die sich in der unruhigen Generation ab Mtte der 60er Jahre gerührt haben und den intensiven Appell für eine Hochschulreform in allen Bereichen haben laut werLattmann
den lassen, gibt es allerdings sehr viele, die sehr rasch in Professuren und in sehr wohlbestellte Positionen hineingekommen sind. Es gibt einen Generationenbruch. Wir haben also damit zu tun, daß die bloße Tatsache, der Zufall, daß jemand heute 25 und nicht 35 ist, ihn unter Umständen erheblich benachteiligt. Genauso kann es nach weiteren zehn Jahren so sein, daß einer als begehrtes Mitglied sehr schwacher Jahrgänge wieder in die zufälligen Vorzüge einer solchen Halbgeneration kommt. Wir werden ja in allen Fragen, bis hin zur Besoldung in der Bildungspolitik, diese Zehn-Jahres-Erscheinung haben. Nehmen wir auch das in den Blick!
Im übrigen noch einmal: Unser Ausschuß ist der Ort, an dem wir so konstruktiv miteinander weiterreden, wie das nur möglich ist.
({4})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Laermann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema, das hier im Antrag der Opposition angesprochen worden ist, erscheint mir in der Tat außerordentlich wichtig. Ich glaube, daß hier Übereinstimmung über die Beurteilung der Notwendigkeit der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses nicht nur an unseren Hochschulen, sondern auch in allen anderen außeruniversitären Forschungseinrichtungen besteht.
Der Antrag ist vom Prinzip her richtig. Aber wenn man ihn genauer durchliest, dann meine ich, daß er doch sehr oberflächlich gehalten ist und auch wenig Konkretes enthält. Hier werden immer nur Aufforderungen an die Bundesregierung gerichtet, Vorstellungen zu unterbreiten oder gemeinsam mit den Ländern Überlegungen anzustellen. Damit wird in der Tat sicherlich sehr richtig auf die Länderzuständigkeit gerade im Bereich der Hochschulen hingewiesen. Ich kann nur mit Verwunderung hinnehmen, daß hier an dieser Stelle von der verehrten Frau Kollegin Wisniewski davon gesprochen wird, es handele sich hierbei im Hinblick auf die Chancen des wissenschaftlichen Nachwuchses um die Auswirkungen einer verfehlten Hochschulpolitik.
({0})
Unbestritten! Hier wurde vom Kollegen Voigt schon auf die Situation in Baden-Württemberg hingewiesen. Ich bin selbst Hochschullehrer und praktiziere auch noch. Daher kann ich Ihnen sagen: Ich habe in den letzten Wochen Versprengte aus Baden-Württemberg aufnehmen müssen und aufgenommen. Die haben wir in Nordrhein-Westfalen aufgenommen, weil die baden-württembergische Landesregierung eine sehr restriktive Personalpolitik betreibt und dabei ist, eine Reihe Hunderte von Hochschulstellen im Mittelbau abzubauen. Ich frage mich, ob
Sie mit Ihrem Antrag hier in der Tat den richtigen Adressaten erwischt haben.
({1})
Sie haben von den Schwierigkeiten in der Vergangenheit gesprochen, wenn jemand Privatdozent war: Ich sehe da gar keine Schwierigkeit. Denn auch heute gibt es noch den Privatdozenten. Ich selbst bin sechs Jahre lang als Privatdozent tätig gewesen. Ich habe nicht am Hungertuche genagt und brauchte auch nicht reich zu heiraten. Aber ich halte es in der Tat nach wie vor für richtig und geboten, daß man sich als Wissenschaftler erst einen Namen erwerben muß, bevor man dann in hochdotierte Positionen aufrückt. Ich glaube, darauf können wir trotz aller Forderungen nach Förderung auch in Zukunft nicht verzichten. So sehen es ja auch die Vorschläge im Heisenberg-Programm vor.
Lassen Sie mich hier einige Worte zur Entwicklung des wissenschaftlichen, des hochqualifizierten wissenschaftlichen Nachwuchses sagen. Unabhängig vom Wirtschaftswachstum, jedoch zweifellos beschleunigt durch die wirtschaftliche Situation der zurückliegenden Jahre ergab sich für die von öffentlichen Haushalten abhängigen Forschungseinrichtungen sowie für die Wissenschafts- und Forschungsförderungsorganisationen ein kurzfristiger, diskontinuierlicher Übergang aus einer Phase schnellen Ausbaus und beachtlicher finanzieller Zuwachsraten in die derzeitige Phase mit nur noch geringen Steigerungsraten. Insbesondere wuchs in der Vergangenheit die Zahl der Mitarbeiter in den Forschungseinrichtungen stark an, so daß für junge Wissenschaftler und Nachwuchskräfte genügend Positionen zur Verfügung standen und damit auch relativ gute Aufstiegschancen gegeben waren.
Parallel dazu ist eine ähnliche oder vielleicht noch rasantere Entwicklung an den Hochschulen und Universitäten verlaufen. Hier wurde mit dem gleichzeitigen Abbau von zeitlich befristeten Positionen im Mittelbau die Zahl der Dauerpositionen erhöht, die Stellen für Hochschullehrer wurden mit durchweg relativ jungen Wissenschaftlern besetzt.
Dies bedeutet nun in der Tat und in der Folge, daß für den Nachwuchs sowohl an den Forschungsanstalten, den Zentren als auch an den Hochschulen eine bedenkliche Verschlechterung der Tätigkeits- und Aufstiegschancen eingetreten ist. Dies wird wahrscheinlich noch für längere Zeit so sein. Bedenklich einmal, weil in den kommenden ein bis anderthalb Jahrzehnten steigende Zahlen von Akademikern in allen Disziplinen zu erwarten sind, zum anderen aber auch, weil die Personalstruktur im Forschungsbereich durch eine allmähliche Überalterung in den Dauerpositionen entscheidend verändert wird. Wir müssen davon ausgehen, daß sich das von Ihnen, verehrte Frau Kollegin, angesprochene Durchschnittsalter natürlich von Jahr zu Jahr um ein Jahr erhöht, so daß wir das Problem der biologischen Überalterung haben. Abgesehen davon, daß damit nicht unbedingt ein Kreativitätszuwachs zu erwarten ist, und wegen fehlender Anreize und Motivationen neue Ideen, neue Impulse entgegen der schon postulierten Notwendigkeit ausbleiben, wird über 20 bis
25 Jahre hinweg ganzen Akademikergenerationen, aus denen sich der wissenschaftliche Nachwuchs doch rekrutieren muß, der Zugang zur Forschung und zur wissenschaftlichen Entfaltung-blockiert. Es ist weiterhin zu befürchten, daß bei dem Generationenwechsel gegen Mitte der neunziger Jahre die besten und fähigsten Kräfte nicht mehr zur Verfügung stehen, um die lebensnotwendigen großen Aufgaben in Forschung und Entwicklung weiterzuführen. Von den Vertretern der Wissenschaftsorganisationen ist auf diese Entwicklung wiederholt und nachdrücklich hingewiesen worden. Es sind auch bereits konkrete Vorschläge erarbeitet worden.
Daraufhin hat nun die Bund-Länder-Kommission vor wenigen Tagen den Regierungschefs von Bund und Ländern die Durchführung eines Programms zur Förderung des hochqualifizierten wissenschaftlichen Nachwuchses unter der Bezeichnung Heisenberg-Programm empfohlen. Danach soll die Deutsche Forschungsgemeinschaft jährlich bis zu 200 Stipendien über fünf Jahre lang vergeben. Die Bund-LänderKommission hat dazu- bereits sehr konkrete und, wie ich meine, sehr vernünftige und begrüßenswerte Vorschläge zur Durchführung gemacht. Ich möchte dies hier noch einmal nachdrücklichst begrüßen.
Ich darf für meine Fraktion feststellen, daß wir uns für eine möglichst umgehende und rasche Realisierung dieses Programms einsetzen. Ich kann der Opposition nur dringend empfehlen, sich im Sinne ihres Antrages bei den CDU-regierten Ländern ebenso für die Realisierung dieses Programms einzusetzen. Ich darf noch einmal wiederholen: Dies alles kann nur in Gemeinsamkeit zwischen Bund und Ländern geschehen. Bisher haben wir von den Ländern in dieser Richtung keine deutlichen Signale erhalten.
Wichtig an dem ganzen Förderungsprogramm ist der Grundgedanke, wissenschaftliche Lebendigkeit und die Leistungfähigkeit in der Forschung durch eine, wenn auch notwendigerweise geringere, Vermehrung der Stellen für Nachwuchskräfte unter gleichzeitiger Sicherung der Aufstiegschancen zu erhalten. Verehrte Frau Kollegin, wenn Sie darauf hinweisen, daß wir 1972 25 000 wissenschaftliche Assistenten und wissenschaftliche Mitarbeiter im Hochschulbereich hatten, so war es nie und zu keiner Zeit so, daß alle diese Mitarbeiter und Wissenschaftler im Mittelbau davon ausgehen konnten und durften, eine Hochschullehrerstelle, die Stelle eines ordentlichen Professors oder die Stelle einer Leitungsfunktion in einer wissenschaftlichen Organisation zu erhalten. Dies war nie und zu keiner Zeit so. Es wird auch zu keiner Zeit so sein. Dies müssen wir doch einmal in aller Deutlichkeit ansprechen, um hier nicht ein falsches Bild entstehen zu lassen.
Aber nicht durch Stellenzuwachs und auch nicht durch Stipendien alleine werden die angesprochenen Probleme gelöst werden können. Hier muß das Problem der Mobilität der Wissenschaftler und Forscher angesprochen werden. Den Empfehlungen des Wissenschaftsrates entsprechend sollte es zu einem wesentlich intensiveren Verbund und im Zusammenhang damit zu einem wesentlich stärkeren personellen Austausch zwischen Hochschulen, außenuniversitären Forschungseinrichtungen und der Industrie kommen.
({2})
- Ich widerspreche dem nicht. Ich darf die Bedeutung, die Wichtigkeit noch einmal nachdrücklich betonen. Ich habe Ihnen ja eingangs gesagt, vom Prinzip her stimme ich diesem Antrag zu.
({3})
- Danke schön, Herr Kollege Pfeifer.
Dies sichert neben der bereits erwähnten kontinuierlichen Überleitung in die einzelnen Entwicklungsphasen weitgehend interdisziplinäre Kooperation wie auch mehr Mobilität. Der Wissenschaftler und Forscher folgt seinen Entwicklungen bis in die Vermarktungsphase, wie umgekehrt eine wirkungsvolle personelle Erneuerung bis in die Grundlagenforschung hinein aus einem unmittelbar praxisbezogenen Tätigkeitsbereich heraus erfolgen kann. Diese personalen Wechselbeziehungen, die in der Vergangenheit durchaus existierten und in einem gewissen Umfange auch heute noch existieren, haben einen Wandel derart erfahren, daß auch der „Forscher" zu einer Berufslaufbahn zu werden droht. Dies gilt es zu verhindern. Dazu müssen geeignete Modelle entwickelt werden, zu denen auch aus dem politischen Raum von Bund und Ländern entscheidende Hilfen
gewährt werden müssen.
Dies bezog sich auf den hochqualifizierten wissenschaftlichen Nachwuchs; lassen Sie mich nun ein Wort zu denjenigen sagen, die wir bisher im Graduiertenförderungsprogramm erfaßt haben. Das Bundeskabinett hat vor wenigen Tagen den Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Änderung des Graduiertenförderungsgesetzes beschlossen, der eine Verlängerung dieses Gesetzes in der bisherigen Fassung um vier Jahre vorsieht, allerdings ab 1979 mit einer Änderung des Finanzierungsschlüssels im Verhältnis Bund/Länder.
Im Hinblick darauf, daß das Graduiertenförderungsgesetz anderenfalls Ende dieses Jahres ausgelaufen wäre, ist dieser Beschluß sicherlich sehr zu begrüßen. Aber im Hinblick auf die Auswirkungen der Umstellung auf die Darlehnsförderung im Haushaltsstrukturgesetz und im Hinblick auf die Auswirkungen des Hochschulrahmengesetzes auf die Personalstruktur muß ich feststellen, daß es sich hierbei nur um eine Übergangslösung handeln kann.
({4})
Das Graduiertenförderungsgesetz muß im Rahmen eines Gesamtprogramms zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses zu einem wirksamen Instrument werden, das auch der Personalstruktur nach dem Hochschulrahmengesetz entspricht. Das Hochschulrahmengesetz des Bundes, das jetzt Stück für Stück in die Praxis umgesetzt wird, hat den sogenannten personellen Mittelbau an den Hochschulen grundlegend neu gestaltet. Den alten wissenschaftlichen Assistenten, dem neben den ihm obliegenden Dienstverpflichtungen in Forschung und Lehre auch
Gelegenheit zu selbstbestimmter Forschung, insbesondere zur Arbeit an einer Dissertation, gegeben ist, wird es nicht mehr geben. In Zukunft gibt es die Hochschulassistenten und die wissenschaftlichen Mitarbeiter, wobei die wissenschaftlichen Mitarbeiter voll in den Dienstbetrieb der Hochschule integriert sind und nicht die Möglichkeit haben, während der Dienststunden eigene wissenschaftliche Arbeiten durchzuführen oder eine Promotion abzuschließen. Und von den Hochschulassistenten neuer Art wird erwartet, daß sie ihre besondere wissenschaftliche Leistungsfähigkeit schon - in der Regel durch eine Promotion - unter Beweis gestellt haben; sie erhalten dann Gelegenheit zur Habilitation.
Diese Neustrukturierung des wissenschaftlichen Mittelbaus erfordert eine entsprechende Gestaltung der Graduiertenförderung, um damit einem angemessenen Kreis begabter Hochschulabsolventen die Möglichkeit zu eigener wissenschaftlicher Arbeit und zu einer Promotion zu geben. Es kann nicht darum gehen, praktisch jedem Hochschulabsolventen die Promotion von Staats wegen zu finanzieren. Es muß aber erreicht werden, daß besonders qualifizierte Hochschulabsolventen - darauf ist besonderer Wert zu legen: qualifizierte Hochschulabsolventen - für die wissenschaftliche Arbeit zur Erhaltung des Forschungs- und Entwicklungspotentials und als mögliche Reserve für den Hochschullehrernachwuchs gewonnen werden. Wollte man diese Aufgaben den wissenschaftlichen Mitarbeitern neuer Art übertragen, würde dies wegen deren anderer Aufgaben im Rahmen der Hochschule zu erheblichen Verzögerungen im Werdegang junger Wissenschaftler führen. Dieser Weg wäre meiner Meinung nach deshalb nicht der richtige, weil dann Planstellen, die für die Funktion der Hochschule insgesamt von Bedeutung sind, durch Dotoranden blockiert würden.
Der Weg über eine verbesserte, leistungsorientierte Graduiertenförderung ist darum eine zwingende Konsequenz aus der Neuordnung des Mittelbaus an den Hochschulen und aus den aktuellen Aufgaben der Hochschulen überhaupt. Bei der Beratung der Novelle des Graduiertenförderungsgesetzes ist daher zu prüfen, ob sich die Umstellung der Stipendien auf eine Darlehnsregelung bewährt 'hat. Genau dies ist angesichts der rückläufigen Entwicklung in diesem Bereich eher zu bezweifeln. Auch von anderen Hochschulabsolventen erwartet man nicht, daß sie für ein Darlehen arbeiten; sie erhalten vielmehr zumindest einen Unterhaltszuschuß, wie beispielsweise im Vorbereitungsdienst, oder sogar feste Bezüge. Auch der Öffentlichkeit muß deutlich gemacht werden, daß es sich beim Graduiertenförderungsgesetz nicht darum handelt, eine privilegierte Gruppe noch mehr zu privilegieren, sondern darum, die Leistungsfähigkeit der Hochschulen und die Qualität ihres Nachwuchses dauerhaft zu sichern.
Im übrigen müßte auch einmal überprüft werden, ob die Einziehung der jetzt vorgesehenen Förderungsdarlehen nicht zu einem Verwaltungsaufwand führt, der im Verhältnis zu den wieder eingezogenen Beträgen unerträglich hoch ist;
({5})
der Bundesrechnungshof hat in ähnlichen oder vergleichbaren Fällen bereits mehrfach auf diese Problematik hingewiesen.
Meine Damen und Herren, der vorliegende Antrag der Opposition deckt sich, wie ich meine, mit den Bemühungen der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen. Ich schließe daraus, daß sich eine von Bund und Ländern getragene Lösung - nur eine solche ist möglich - herbeiführen läßt, um die Probleme der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses insgesamt und nicht nur an den Hochschulen - das betone ich noch einmal - zu lösen.
Meine Fraktion stimmt daher der Überweisung an den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft zu. Ich hoffe, daß es bei den Beratungen zu vernünftigen und von allen Seiten des Hauses getragenen Überlegungen und Abmachungen kommen kann.
({6})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Bildung und Wissenschaft.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will Ihre Zeit in dieser Sache nicht über Gebühr in Anspruch nehmen, zumal sich in der Debatte abgezeichnet hat, daß es eine weitgehende Übereinstimmung in der Einschätzung der Notwendigkeiten der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses gibt. Mir liegt nur daran, an dieser Stelle deutlich zu machen, daß sich diese Aufgabe nicht mehr in der Schwebe befindet.
Die Bund-Länder-Kommission hat eine Empfehlung beschlossen, die eine Verwirklichung des sogenannten Heisenberg-Programms zum Ziel hat. Die Schwerpunkte dieser Empfehlung bauen weithin auf den Vorschlägen der Wissenschaftsorganisationen auf. Ich habe heute morgen als Vorsitzender der Bund-Länder-Kommission das Schreiben an die Regierungschefs, die sich mit der Empfehlung befassen werden, unterschrieben. In diesem Schreiben habe ich die Hoffnung zum Ausdruck gebracht, daß die Entscheidungen von Bund und Ländern es ermöglichen werden, dieses Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses bereits 1978 wirksam werden zu lassen.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ältestenrat schlägt vor, den Antrag dem Ausschuß für Bildung und Wissenschaft zu überweisen. Wer diesem Vorschlag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Dann ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Punkt 17 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/ CSU
Programm zur Sicherung und Weiterentwicklung des Ausbildungsplatzangebotes und zur
Präsident Carstens
Verbreiterung der Arbeitsmöglichkeiten für Jugendliche
- Drucksache 8/439 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Bildung und Wissenschaft ({0}) Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit
Ausschuß für Wirtschaft
Haushaltsausschuß
Das Wort in der 'Aussprache hat Frau Abgeordnete Dr. Wilms.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bildungsprobleme und die Berufsnot unserer Jugend haben sich in den letzten Jahren unter SPD /FDP-Regierungen zunehmend verschlimmert. Selten waren Sorge und Resignation der jungen Menschen über ihre berufliche Zukunft so verbreitet wie heute. Seit Monaten verzeichnen wir rund 90 000 bis 100 000 jugendliche Arbeitslose. Die Suche nach Ausbildungsplatzmöglichkeiten in Schule, Betrieb und Hochschule hat zu nie gekannten Streßsituationen und zu Angstgefühlen vor einer ungewissen Zukunft bei den Jugendlichen und ihren Eltern geführt. Diese uns allen bekannten und schwerwiegenden Tatbestände sind keineswegs ausschließlich eine zwangsläufige Folge der jetzt auf uns zukommenden geburtenstarken Nachwuchsjahrgänge, wie es von der Regierung immer wieder gesagt wird.
({0})
Wir sehen heute, daß sich drei Entwicklungslinien in verhängnisvoller Weise kreuzen.
Wir erleben erstens die Folgen einer verfehlten weil einseitig ideologisch geprägten Bildungspolitik der Bundesregierungen seit 1969. Durch die Propagierung eines egalitären Begabungsbegriffes, verbunden mit einem gesellschaftspolitisch verfälschten Begriff von Chancengleichheit, wurde das Bildungswesen einseitig auf Abitur und Studium ausgerichtet.
({1})
Die berufliche Bildung wurde lange Jahre in eine politische und pädagogische Zweitrangigkeit verwiesen.
({2})
Viele SPD- und FDP-Bildungspolitiker hatten übersehen, daß nur ein höchst differenziertes und vielseitig gegliedertes allgemeines und berufliches Bildungswesen in der Lage ist, den verschiedenartigen Begabungen und Neigungen junger Menschen Rechnung zu tragen.
({3})
Zweitens leiden wir auch an den Folgen einer schlechten Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierungen, die sich u. a. in Arbeitslosigkeit und Investitionslücke bemerkbar machen. Wir haben das in den letzten Tagen hier in diesem Hohen Hause hinlänglich diskutiert.
({4})
Drittens machen sich selbstverständlich auch die Folgen der demographischen Entwicklung bemerkbar. Aber festzuhalten bleibt, daß sich die Regierung und die sie tragenden Parteien keinesfalls ihrer Mitverantwortung für die unerfreuliche Lage der Jugend entziehen können.
({5})
Deshalb muß hier und heute noch einmal der Finger auf die Wunde der bildungspolitischen Fehlentwicklungen der letzten Jahre gelegt werden. Das Hohe Haus sollte heute aber auch ein Signal setzen, das der Jugend wieder Hoffnung gibt, sie vor der Resignation bewahrt, ihr wieder Zukunftschancen aufweist.
({6})
Dies ist Sinn und Zweck unseres Antrags.
Es geht hierbei nicht so sehr um die einzelne Maßnahme, sondern es geht darum, durch die Annahme dieses Antrags, durch die Diskussion der anstehenden Fragen und Probleme unserer Jugend deutlich zu machen, daß wir bereit sind, alle Energien in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft auf die Sicherung und Erweiterung der Ausbildungsmöglichkeiten zu konzentrieren.
Von den Vertretern der Koalitionsparteien wird uns sicherlich gleich entgegengehalten werden, die Fragen der beruflichen Bildung würden heute von der Bundesregierung hinlänglich behandelt. Was wir Ihnen in diesem Zusammenhang vorwerfen, ist, daß sich die Bundesregierung viel zu spät und noch nicht ausreichend der Weiterentwicklung des beruflichen Bildungswesens und der Förderung des dualen Systems zugewandt hat
({7})
und daß sie in ihren Maßnahmen zwar vielfach das richtige Ziel angepeilt hat, aber auf dem Wege dorthin das Ziel verfehlt hat, was verhängnisvolle Folgen hatte, die bis heute nachwirken.
({8}) - Ich komme sofort darauf.
Ich erwähne als Beispiele dafür die inzwischen ausgesetzte Ausbildereignungsverordnung, die im Ziel richtig war, die aber ihr Ziel verfehlt hat, und die mit den beteiligten Ländern und Sozialpartnern seinerzeit nicht genügend abgesprochene und nicht weiterentwickelte Anrechnungsverordnung zum Berufsgrundbildungsjahr. Die Jugendlichen sind hierbei allemal die Leidtragenden.
Ideologisch geprägte und wirklichkeitsferne überzogene Forderungen, Verordnungen und Maßnahmen haben viel zur Verunsicherung und zur Resignation in der ausbildenden Wirtschaft beigetragen. Vertrauen und Gutwilligkeit sind mancherorts verspielt worden.
Eine gewisse bildungspolitische Kurskorrektur, die die Bundesregierung seit einiger Zeit verfolgt, reicht unseres Erachtens noch nicht aus und vermag die Spätfolgen ihrer Bildungspolitik von Anfang der 70er Jahre keineswegs von heute auf morgen zu beseitigen.
Woran uns heute gelegen sein muß, meine Damen und Herren, ist die Wiederherstellung eines Klimas
des Vertrauens bei allen Beteiligten und Betroffenen im System der beruflichen Bildung,
({9})
das auf der Kooperation von Schule und Betrieb beruht und gleichwertig neben der allgemeinen Bildung steht.
({10})
Dieses duale System hat sich in der Vergangenheit bewährt und zeigt auch in diesen schwierigen Monaten ein hohes Maß an Effektivität und Anpassungsfähigkeit, wie das wachsende Angebot an Ausbildungsstellen zeigt. Wir vertrauen auch für die Zukunft auf die freie Initiative und die schöpferischen Kräfte dieses dualen Systems.
Alle Maßnahmen der Regierung müßten darauf abgestellt sein, dieses System heute und morgen qualitativ und quantitativ zu stützen und zu fördern. Dabei ist der enge Verbund zwischen Bildungs-, Wirtschafts- und Sozialpolitik besonders zu beachten; denn Bildungspolitik ist kein isolierter Gestaltungsbereich.
({11})
Ich nenne im folgenden einige Grundforderungen, die unserer Meinung nach in der Berufsbildungspolitik in den nächsten Monaten erfüllt sein müssen, um allen Jugendlichen auch in den kommenden Jahren eine Ausbildungs- und Berufschance zu sichern.
Wir richten an alle für eine Ausbildung geeigneten Betriebe der Wirtschaft und der öffentlichen Hand die dringende Bitte, jetzt und in den nächsten Jahren alle Ausbildungskapazitäten voll auszuschöpfen und selbst dann einen Ausbildungsplatz anzubieten, wenn im Einzelfall eine Übernahme in ein Beschäftigungssystem vorab noch nicht gesichert ist.
({12})
Wir wissen alle, daß Ausbildung der beste Schutz vor Arbeitslosigkeit und die erste Voraussetzung für berufliches Fortkommen ist. Dies dürfen wir keinem Jugendlichen, weder Jungen noch Mädchen, vorenthalten.
({13})
Aus dem gleichen Grunde würden wir es auch sehr begrüßen, wenn auch die Länder die schulischen Kapazitäten weiter voll ausschöpfen und unter gegebenen Umständen sogar überlasten würden.
({14})
Es ist ein Gebot der Solidarität, daß alle in den nächsten Jahren ein wenig enger zusammenrücken.
Ein Einführung eines 10. Pflichtschuljahres ausschließlich im allgemeinbildenden Schulwesen ist für uns allerdings kein geeigneter Weg, die Ausbildungsprobleme in den nächsten Jahren zu lösen.
({15})
Statt dessen sollte allen Jugendlichen die Chance
einer beruflichen Grundbildung in organisatorisch
und didaktisch unterschiedlichen Formen geboten werden.
Wichtig erscheint es uns, daß der weitere Ausbau des beruflichen Bildungswesens so erfolgt, daß die Durchlässigkeit des Bildungswesens und die Aufstiegsmöglichkeiten für die Jugendlichen auf allen Stufen und von allen Stufen und Ausgangspositionen im Bildungswesen wie im Beschäftigungssystem erhalten und verbessert werden.
({16})
Jeder Geeignete muß auch in den nächsten Jahren trotz aller Schwierigkeiten seine Fortkommenschance realisieren können. Leistungsstreben und Aufstiegswille, Kreativität und Initiativfähigkeit müssen bei den jungen Menschen auch in schwieriger Zeit erhalten und gefördert werden,
({17})
auch bei Hauptschulabgängern und jungen Facharbeitern und nicht nur bei Abiturienten und Hochschulabsolventen.
({18})
Diesem Gedanken der gerechten Chancenverteilung muß auch die Weiterentwicklung der Ordnungsmittel der Ausbildung, insbesondere der Ausbildungsordnungen, Rechnung tragen. Ausbildungsordnungen müssen deshalb schneller als bisher weiterentwickelt und in ihrer Zielsetzung differenzierter werden, wenn sie den unterschiedlichen Begabungen und Neigungen junger Menschen gerecht werden wollen, und zwar den theoretisch begabten ebenso wie den mehr praktisch begabten.
({19})
Dies entspricht auch der Bedarfsstruktur unserer Gesellschaft.
Das alles - das möchte ich ausdrücklich unterstreichen - hat nichts mit einer höheren oder minderen Qualität einer Ausbildung
({20})
und auch nur sehr begrenzt etwas mit der Dauer der Ausbildung zu tun. Wir halten es für untragbar, wenn eine wachsende Anzahl theoretisch weniger begabter Menschen keinen Ausbildungsplatz mehr findet, weil gerade die theoretischen Anforderungen in neuen Ausbildungsordnungen häufig zunehmend höher und höher geschraubt werden.
({21})
Auch schwach begabte Jugendliche müssen ihre reguläre Ausbildungschance haben, ebenso wie hochbegabte Jugendliche einer besonderen Leistungsanforderung genügen müssen.
({22})
Deshalb und auch, um die Hochschulen zu entlasten, fordern wir den weiteren Ausbau berufsqualifizierender Bildungsgänge für Abiturienten außerhalb der Hochschule und wünschen uns hier mehr Unter3660
stützung des Bundes für die Bemühungen der Länder bei entsprechenden Modellversuchen.
({23})
Besondere Aufmerksamkeit ist dem weiteren Ausbau überbetrieblicher Ausbildungsstätten und -maßnahmen zu widmen. Sie sind allerdings nicht Selbstzweck oder eine dritte Säule im dualen System, sondern dine hervorragende Ergänzung der betrieblichen Ausbildung. Weitere Betriebe können an die Ausbildung herangeführt werden, wenn sie einzelne Ausbildungsabschnitte an überbetriebliche Institutionen delegieren können. Nicht überall brauchen dazu neue Gebäude mit kompletter Einrichtung errichtet zu werden. Viel schneller und wirkungsvoller lassen sich oft überbetriebliche Maßnahmen einführen, die zudem geringere Folgekosten mit sich bringen und bei denen auch nicht die Gefahr von Überkapazitäten etwa ab Mitte der 80er Jahre besteht, wenn die geburtenschwachen Jahrgänge in die Ausbildung kommen.
Daß die überbetrieblichen Einrichtungen in wirtschaftsstrukturschwachen Gebieten gerade auch für das Handwerk eine besondere Bedeutung haben, sei hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt.
Die weitere Verbesserung des Informations- und Beratungssystems, besonders auch auf regionaler und örtlicher Ebene, ist vordringlich. Die Träger der Selbstverwaltung der Wirtschaft und die Schulen sollten bemüht sein, die Transparenz auf dem regionalen und örtlichen Ausbildungsmarkt - wenn ich das so sagen darf - noch zu erhöhen. Dadurch kann auch die so dringend notwendige Verbreiterung der individuellen Berufswünsche junger Menschen unterstützt werden. Geholfen wird dadurch aber auch schwer vermittelbaren Jugendlichen wie auch den Mädchen, die sich noch immer schwerer tun, geeignete Ausbildungsmöglichkeiten zu finden.
({24})
Ich möchte hier ganz besonders auf die besorgniserregende Tatsache verweisen, daß die Mädchen insgesamt viel stärker als die Jungen unter den Ausbildungsschwierigkeiten zu leiden haben und daß Frauen heute auch aus diesen Gründen rund 50 0/o der Arbeitslosen insgesamt stellen.
({25})
Bislang vermisse ich seitens der Bundesregierung ein in sich geschlossenes und überzeugendes Konzept von Maßnahmen, wie gerade die Situation der berufs- und arbeitssuchenden Mädchen und Frauen verbessert werden kann.
({26})
Wir fordern die Bundesregierung auf, mehr als bislang gezielt Modelle zur Ausbildung von Mädchen anzuregen und zu fördern.
Meine Damen und Herren, um schon laut gewordenen, vielleicht sogar gewollten Fehlinterpretationen vorzubeugen, möchte ich hier noch ein erläuterndes Wort sagen zu unseren Vorschlägen zur
Überprüfung ausbildungsrelevanter Gesetze und Verordnungen, auch des Jugendarbeitsschutzgesetzes. Hierbei geht es nicht um einen Abbau von Qualität der Ausbildung oder gar des Schutzes der Jugend - dies wäre eine böswillige Unterstellung -, sondern es geht um die Erwägung notwendiger Korrekturen an Vorschriften, die die Ausbildung hindern,
({27})
weil sie realitätsfern oder an der Entwicklung vorbei konzipiert worden sind.
({28})
Sie alle wissen es, konkrete Einzelbeispiele aus der Praxis belegen es.
Auch die Weiterentwicklung der Ausbildungsordnungen hat neben anderem zu berücksichtigen, daß dadurch Betriebe zur Ausbildung ermuntert und nicht von der Ausbildung abgestoßen werden.
({29})
Unsere besondere Sorge wird immer den Jugendlichen gelten, die über eine längere Zeit arbeitslos sind, und denen, die, behindert oder weniger begabt und leistungsfähig, heute eine geringere Chance haben, einen normalen Arbeitsplatz zu finden. Ist Arbeitslosigkeit an sich schon unerträglich, so ist die von Jugendlichen ein unverzeihliches Versäumnis einer Bildungs- und Wirtschaftspolitik.
({30})
Die Bundesregierung muß sich den Vorwurf gefallen lassen, daß sie dieses Problem viel zu lange nicht gesehen oder verharmlost hat.
({31})
Frau Abgeordnete, kommen Sie bitte zum Ende!
Ja, ich komme zum Ende. - Zu lange sind nicht ausreichende Hilfsmaßnahmen auf Bundesebene veranlaßt worden. Wir bitten die Bundesregierung, die finanziellen Mittel auf diesem Gebiet weiter aufzustocken und auch die pädagogischen Maßnahmen zur Integration dieser Personenkreise weiter zu fördern.
An dieser Stelle sei ein Wort des Dankes an die freien Träger der Jugendsozialarbeit erlaubt, die sich gerade auf diesem Gebiet besondere Verdienste erworben haben.
({0})
Lassen Sie mich zum Schluß betonen, daß nur durch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit aller Beteiligten die Ausbildungsmöglichkeiten auf einem qualitativ hohen Niveau in breiter Differenzierung ausgeweitet werden können. Die CDU/CSU-Fraktion schlägt Ihnen deshalb die Annahme ihres Antrages vor.
({1})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Bildung und Wissenschaft.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den letzten Jahren hat sich, und zwar ausnahmslos, in den Ländern der Europäischen Gemeinschaft und darüber hinaus herausgestellt, daß Jugendarbeitslosigkeit nicht nur ein konjunkturelles Problem ist, wie Konservative behaupten.
({0})
Rund 2 Millionen arbeitslose Jugendliche in der Europäischen Gemeinschaft sind mehr als ein sogenanntes „konjunkturelles Phänomen", um ein Wort aus den Reformdebatten im letzten Bundestag zu zitieren. Hier werden Strukturprobleme der Industriegesellschaft sichtbar, die allein mit Sofortmaßnahmen, mit „Feuerwehr-Maßnahmen" und Appellen nicht aus der Welt zu schaffen sind.
Zum anderen ist in den Industrieländern deutlich geworden, daß Jugendarbeitslosigkeit nach Art, Dauer und Umfang entscheidend damit zusammenhängt, ob die jungen Menschen nach Verlassen der allgemeinbildenden Schulen ein zeitlich und inhaltlich gegliedertes Angebot beruflicher Ausbildung erhalten. Zwischen Jugendarbeitslosigkeit und Berufsausbildung bestehen also enge Beziehungen.
In den Debatten der letzten Legislaturperiode aber haben die Sprecher der CDU/CSU von mir immer wieder verlangt, ich solle erklären, daß zwischen Jugendarbeitslosigkeit und Berufsausbildung keine Zusammenhänge bestehen. Diese Auffassung hat sich als töricht erwiesen, weil allein eine Untersuchung der Zahl der jugendlichen Arbeitslosen zeigt, daß der weitaus überwiegende Teil von ihnen Ungelernte sind, die in früheren Jahren keine Chance der beruflichen Qualifikation gehabt haben. Die Opposition benutzte in der letzten Legislaturperiode diese These, weil sie eine Begründung dafür brauchte, warum sie in den letzten Jahren zusammen mit der CDU/CSU-Mehrheit im Bundesrat jeden Ansatz zur Reform der beruflichen Bildung abgelehnt hat.
({1})
Ich will hier sagen, und zwar in vollem Widerspruch zu der gestrigen Rede des Fraktionsvorsitzenden Kohl: Wer die Zukunftschancen der jungen Generation sichern will, der darf Reformen in diesem Staate nicht verketzern. Wer in demagogischer und verfälschender Weise die Politik der Reformen und der Veränderungen geradezu mit dem Stigma des Sympathisantentums und der geistig-politischen Komplizenschaft mit dem Terrorismus versieht,
({2})
der vergiftet nicht nur die deutsche Innenpolitik, sondern der schadet damit auch der jungen Generation.
({3})
In diesem Zusammenhang muß ich fragen, was eigentlich in den letzten Monaten landauf, landab von Ressentiments durchzogene Kampagne der CDU/ CSU gegen Bildungsexpansion und Bildungsreform soll. Wenn in den letzten Jahren nicht mit enormen Mitteln das deutsche Bildungswesen ausgebaut worden wäre, wenn wir noch die Strukturen aus der Mitte der 60er Jahre hätten, dann würden heute 1,5 Millionen junge Menschen zusätzlich und ohne zulängliche Ausbildung auf dem Arbeitsmarkt sein. Ohne Reform und allein mit marktwirtschaftlichen Mitteln lassen sich die Probleme nicht lösen.
Sicherlich gibt es schwerwiegende bildungspolitische Probleme: daß z. B. viele Jugendliche die Hauptschulen in den Ländern ohne Abschluß verlassen, daß die Berufsschulen nicht zügig genug ausgebaut worden sind, daß es in den Fachschulen der Länder oft einen sehr viel härteren Numerus clausus gibt als an den Hochschulen. Ja, das gehört alles dazu. Aber wenn ich mich des gestrigen Vokabulars des Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU bedienen würde, müßte ich angesichts dieser Probleme an dieser Stelle sagen: Wie „verlogen" ist das Vorgehen einer Partei, die in der Mehrzahl der mit Kulturhoheit ausgestatteten Länder die bildungspolitische Verantwortung trägt und gleichzeitig alle Bildungsprobleme dem Bund anlastet, dem eben genau diese Mehrheit immer wieder Kompetenzen im Sinne gesamtstaatlicher Verantwortung verweigert?
({4})
Herr Bundesminister, ich möchte Sie darauf hinweisen, daß der Ausdruck „verlogen" in bezug auf eine politische Partei parlamentarischer Übung nicht entspricht.
({0})
Herr Präsident, ich hatte mir erlaubt, darauf hinzuweisen, daß, wenn ich die Sprache des Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU in seinem gestrigen Debattenbeitrag aufnehmen würde, das dann auch in einer solchen Weise skizziert und kritisiert werden müßte.
({0})
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hauser?
Bitte sehr.
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß das Land Nordrhein-Westfalen aus dem Konjunkturprogramm der Bundesregierung der Stadt Krefeld, die Geld für den Ausbau eines Berufsschulzentrums angefordert hat, Mittel für den Bau eines Elefantenhauses im Zoo genehmigt und das Berufsschulzentrum abgelehnt hat?
({0})
Herr Kollege Hauser, ich kann hier nicht auf alle Fragen eingehen, die Entscheidungen von Landesregierungen betreffen; sonst würde ich einen nahezu ganztägigen- Beitrag über die Merkwürdig3662
keiten des deutschen Bildungsföderalismus leisten müssen.
({0})
Wenn heute im Bundestag über die Zukunftschancen der jungen Generation gesprochen wird, dann erfordert dies, konkret zu werden; dann reicht es nicht, nur allgemeine Erwartungen und Appelle auszusprechen und Prüfungsaufträge zu erteilen. Was die CDU/CSU in der Überschrift ihres Antrages ein „Programm" nennt und was heute zur Begründung des Antrages gesagt worden ist, wird einem solchen Anspruch nicht gerecht. Die Opposition hat neun Seiten Papier beschrieben, aber sie hat die Sache nicht vorangebracht. Wo Sie noch fordern, handeln wir 'bereits, und wo Sie noch nachdenken und Prüfungen einleiten wollen, haben wir, wie ich darlegen werde, konkrete Konzepte.
Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang zunächst eine allgemeine Bemerkung. Wer sich die bildungspolitische Situation in der Bundesrepublik vergegenwärtigt, muß zunächst feststellen, daß sie nicht in erster Linie unter dem Mangel an Programmen leidet. Ihr eigentliches Problem ist die Entscheidungsschwäche des deutschen Bildungsföderalismus.
({1})
Die Zukunftschancen der jungen Generation könnten in diesem Lande besser sein, wenn die Chancen, im Bildungsföderalismus zu Entscheidungen zu kommen, besser wären.
({2})
Wie die Inhalte des 10. Pflichtbildungsjahres in den
Ländern der Bundesrepublik gestaltet werden sollen,
({3})
ob der Numerus clausus abgebaut wird, wie ein neues Verfahren der Zulassung zu den Hochschulen aussieht, wie sich die Studienreform enwickelt, die auch bessere Übergänge aus dem Bildungs- in das Beschäftigungssystem bringen soll, wie das Berufsgrundbildungsjahr mit anschließender Fachbildung zusammengeordnet werden soll, diese und viele andere Fragen sind heute Gegenstand des Tauziehens in einer Fülle von bildungspolitischen Gremien in der Grauzone zwischen Bund und Ländern. Es ist die Bürokratisierung des Bildungsföderalismus, die uns heute so schwer zu schaffen macht.
({4})
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Pfeifer?
Bitte sehr.
Herr Bundesminister, sind Sie sich darüber im klaren, daß viele dieser Probleme, die Sie jetzt angesprochen haben - z. B. das 10. Schuljahr als Berufsgrundbildungsjahr und die Hochschulzugangsregelung - längst gelöst wären, wenn Sie sich mit Ihrer Konzeption in Ihrer Partei ein bißchen mehr durchsetzen könnten?
Herr Kollege, das liegt daran, daß eine Reihe von politischen Entscheidungen aus der Ebene parlamentarischer Verantwortung in die Grauzone der Bildungsgremien und -institutionen zwischen Bund und Ländern abgeglitten ist. Worauf es ankommt - dazu sage ich noch ein Wort -, ist, daß wir zu bildungspolitischen Entscheidungen kommen, daß die Regierungschefs und nicht nur Regierungsräte in diesem Lande politische Entscheidungen für die Zukunft vorbereiten.
({0})
Wir wollen - um eine Bemerkung von Frau Dr. Wilms aufzugreifen - weder Jugendliche auf eine Einbahnstraße zur Hochschule drängen, noch wollen wir allerdings Wahlmöglichkeiten beschneiden, wo Ausbildungskapazitäten vorhanden sind. Uns kommt es darauf an, alle Bildungsreserven - und das heißt sowohl die mit enormen Milliardenbeträgen ausgebauten Bildungseinrichtungen von der Schule bis zur Hochschule als auch die Ausbildungsreserven in der Wirtschaft - für die geburtenstarken Jahrgänge zu mobilisieren. Das aber ist das Gegenteil jener Tendenzen in der CDU/CSU, die auf eine Behinderung der Öffnung der Hochschulen und auf eine permanente Kritik an unseren Schritten zur Verbesserung des Lehrstellenangebots gerichtet sind.
Schon ein erstes Durchlesen des CDU/CSU-Antrages macht deutlich, daß konkrete Zielsetzungen fehlen. Unsere Leitlinien sind klar.
Erstens wollen wir das Angebot an Lehrstellen für die Jugendlichen ausweiten und sicherer machen. Deshalb haben wir das Ausbildungsplatzförderungsgesetz verabschiedet; denn allgemeine Appelle genügen nicht. Das Lehrstellenangebot kann nicht zu einer Marktfrage reduziert werden, und die Berufsaussichten der Jugendlichen dürfen nicht von konjunkturellen Verläufen und regionalen und sektoralen Strukturen abhängig sein.
Zweitens müssen mehr Mittel für den Ausbau beruflicher Bildungseinrichtungen investiert werden, von den Berufsschulen bis hin zu den überbetrieblichen Ausbildungsstätten. Es kann weder übersehen noch verschwiegen werden, daß die Berufsschulen in den Ländern der Bundesrepublik im ersten Abschnitt der Bildungsexpansion eher Schwachpunkte als Schwerpunkte des Ausbaus gewesen sind.
Drittens ist die Qualität der Bildung weiterzuentwickeln; denn man kann nicht Gleichwertigkeit der beruflichen 'Bildung fordern und gleichzeitig die Anstrengungen zur Verbesserung der Qualität als ein ausbildungshemmendes Vorhaben hinstellen.
Viertens kommt es darauf an, neben dem Ausbau des beruflichen Bildungswesens eine Nutzung aller Kapazitäten in anderen Bildungsbereichen zu erreichen. Wer ausgerechnet in der Zeit der geburtenstärksten Jahrgänge in der Berufsbildung - das ist die Zeit von 1977 bis 1982 - den Numerus clausus
an den Hochschulen verschärft, würde damit einen harten, ja gnadenlosen Verdrängungswettbewerb in der Berufsbildung vor allem zu Lasten der Hauptschüler organisieren.
({1})
Diese unsere Leitsätze setzen wir in konkrete Politik um. Ich werde nun an Hand Ihres Antrages nachweisen, daß wir dabei weiter sind als die CDU/ CSU mit ihrem sogenannten Programm.
Erstens ein Wort zur Sicherung des Lehrstellenangebots: 1976 wurden fast 500 000 Ausbildungsverträge abgeschlossen. Das sind 30 000 mehr, als selbst in den Boomjahren, in den Jahren der Hochkonjunktur 1971/72, erreicht wurden. Diese Entwicklung haben wir mitten in einer weltwirtschaftlichen Rezession erreicht. Nach der Verabschiedung des Ausbildungsplatzförderungsgesetzes ist also eine Tendenzwende im Angebot von Ausbildungsplätzen eingetreten. Die wirklich demagogische Vokabel, dieses Gesetz sei ein „Ausbildungsplatzverhinderungsgesetz" - von der Opposition dutzende Male von diesem Podium gesprochen -, ist durch die konkreten Erfahrungen widerlegt worden. Die Zahl der Ausbildungsplätze ist nicht zurückgegangen, sie ist angestiegen.
({2})
In diesem Jahr können wir mit einem weiteren Anstieg des Lehrstellenangebots rechnen.
({3})
Der Tatbestand, daß durch ein neues Bundesgesetz an die Wirtschaft konkrete Anforderungen für die Entwicklung der Ausbildungsstellen gerichtet werden, hat sich also in der Praxis positiv ausgewirkt.
({4})
Die Schlußbilanz des Ausbildungsjahres 1977, die wir in diesen Wochen mit allen Beteiligten vorbereiten, wird zeigen, wie stark die Zunahme des Lehrstellenangebots in diesem Jahr gewesen ist und ob diese Zunahme ausreicht, die Anforderungen für 1978 angesichts weiter wachsender Zahlen von Schulabgängern zu erfüllen.
Die Wirtschaft hat mit ihrer Zusage, 100 000 zusätzliche Ausbildungsplätze zu schaffen, gegenüber den Jugendlichen eine Verpflichtung übernommen, mit der auch Fragen nach der Glaubwürdigkeit verbunden sind.
Alle weiteren Schritte, die wir zu bedenken und zu entscheiden haben, werden daran gemessen, wie diese Zusage der Wirtschaft erfüllt worden ist. Dies bedeutet nicht - um ein Wort von Ihnen aufzugreifen -, Druck auszuüben, sondern Verantwortung für die Jugendlichen wahrzunehmen, die für ihr künftiges Arbeitsleben einen berufsqualifizierenden Abschluß brauchen.
Bei jeder Gelegenheit - das lassen Sie mich noch zum ersten Punkt unserer heutigen Tagesordnung nachtragen - verlangen CDU und CSU vom Bürger - mit Recht - Respekt vor den Gesetzen. Von Ihnen aber, meine Damen und Herren, ist zu erwarten, daß Sie Respekt auch vor dem verabschiedeten Ausbildungsplatzförderungsgesetz haben und endlich darauf verzichten, mit immer neuen parlamentarischen Manövern eine wichtige Sache zu behindern.
({5})
Mehr Ausbildungsplätze in der Wirtschaft - damit komme ich zu einem anderen Punkt Ihres Antrags - haben auch in einem dualen System der beruflichen Bildung Konsequenzen für die Berufsschulen. Darüber sind wir uns sicher einig. Sie appellieren in Ihrem Antrag an die Länder. Wir aber appellieren nicht nur; wir helfen. Die Bundesregierung stellt den Ländern für die nächsten Jahre 650 Millionen DM zum Ausbau ihrer Berufsschulen zur Verfügung, um Defizite abzubauen.
({6})
Zusammen mit einem entsprechenden Länderanteil bedeutet das zusätzlich 1,3 Milliarden DM für die deutschen Berufsschulen. Wenn die Vokabel „auffordern" hier immer gebraucht wird, will auch ich sie einmal verwenden: Ich fordere die CDU/CSU auf, in den von ihr regierten Ländern dafür einzutreten, daß diese Mittel zügig abgerufen werden, um die damit zu erreichenden Verbesserungen so schnell wie möglich für die Jugendlichen wirksam werden zu lassen.
Drittens fordern Sie uns auf, für überbetriebliche Ausbildungsstätten die notwendigen Mittel bereitzustellen. Wer Ihren Antrag draußen gelesen hat und die Verhältnisse nicht präzis kennt, muß bei diesem Punkt den Eindruck haben, die Bundesregierung leiste auf diesem Feld überhaupt nichts und bedürfe der Aufmunterung, ja des Drängens der Opposition. Haben Sie wirklich nicht verfolgt, daß für überbetriebliche Ausbildungsstätten von' der Bundesregierung ein Programm vorgelegt worden ist, das weit über Ihre allgemeinen Antragsformulierungen hinausreicht? Fast 1 Milliarde DM - nicht nur einige Millionen - und ein Bündel konkreter Planungshilfen für den Bau und die Einrichtung dieser Stätten werden von der Bundesregierung zur Verfügung gestellt. Von Schleswig-Holstein bis Bayern entsteht in diesen Jahren ein immer dichter werdendes Netz überbetrieblicher moderner Ausbildungsstätten, die vor allem die Ausbildungsleistungen und -kapazitäten der kleinen und der mittleren Betriebe abstützen und erweitern und es ihnen auch ermöglichen, Qualitätsstandard zu erfüllen.
({7})
Die CDU/CSU war bei der Entwicklung dieses Milliardenprogramms alles andere als eine parlamentarisch-politische Hilfe. Meine Kollegen werden sich erinnern, wie in Debatten im Plenum und im Ausschuß der Eindruck erzeugt werden sollte, diese überbetrieblichen Ausbildungsstätten seien, wie es hieß, „sozialistische Experimente". Ich bin heute den Trägern der überbetrieblichen Ausbildungsstätten dankbar, daß sie sich von dieser Ideologie nicht
anstecken ließen, sondern das Notwendige getan haben und Stätten bauen.
({8})
Sie schreiben ferner: Freie Kapazitäten überbetrieblicher Ausbildungsstätten müssen voll genutzt werden. Dafür haben wir auch bereits ein konkretes Programm auf den Weg gebracht. Im kommenden Jahr sollen 20 Millionen DM und in den Jahren darauf jeweils 25 Millionen DM bereitgestellt werden, um die volle Auslastung und Nutzung der Kapazitäten dieser überbetrieblichen Ausbildungsstätten zu erreichen und dabei vor allem lernschwächeren Jugendlichen eine Ausbildungschance zu eröffnen, weil auch das ein konkreter Beitrag gegen die Jugendarbeitslosigkeit ist.
({9})
- Herr Kollege, wie können Sie denn „theoretisch" sagen, wenn im Haushalt des Jahres 1978 - hoffentlich mit Ihrer Zustimmung - 20 Millionen DM für die Träger überbetrieblicher Ausbildungsstätten zur vollen Nutzung der Kapazität stehen? Das ist keine theoretische Spekulation, das ist praktische Politik.
({10})
Viertens stimme ich mit all denen überein, von denen die Auffassung vertreten wird, daß auch der öffentliche Dienst in diesen Jahren über den eigenen sogenannten Bedarf hinaus ausbilden muß. Als ich das öffentlich erklärt habe, hörte ich aus dem Kreis der Kultusminister der Union, es sei eine unverantwortliche These, derartige Expansionsanforderungen an den öffentlichen Dienst zu richten. Hier darf es kein Doppelspiel geben. Man kann nicht bei einer Gelegenheit - wie auch bei der Gelegenheit dieses Antrages - mehr Ausbildungsanstrengungen der öffentlichen Hand fordern und dann bei der anderen eine größere Aufnahmefähigkeit des öffentlichen Dienstes aus „ordnungspolitischen Gründen" grundsätzlich ablehnen. Die Bundesregierung hat dafür gesorgt, daß bei Bahn und Post in diesem Jahr 5 000 Jugendliche mehr eine Ausbildung beginnen, als es dem kurzfristig kalkulierten Bedarf entsprechen würde. Der Bundesinnenminister hat mich darüber unterrichtet, daß derartige zusätzliche Leistungen auch in anderen Bereichen des Bundes erfolgen. Aber eine solche Politik - das muß ich hinzufügen - kann sich nicht nur auf den Bund beschränken, sie muß auch in den Ländern und in den Gebietskörperschaften zum Ausdruck kommen, wenn sie in der Ausbildungsbilanz für das gesamte Bundesgebiet überzeugend zu Buche schlagen soll. Hier hätte die CDU/CSU in den von ihr regierten Ländern ein weites Betätigungsfeld. Sie braucht sich nicht darauf zu beschränken, nur Anträge im Bundestag zu stellen.
Ein fünfter Punkt. Hinter der tatsächlichen Entwicklung hinkt auch Ihre Forderung her, die Sie, Frau Wilms, hier noch einmal ausgebreitet haben, die Mittel für Modellvorhaben in der beruflichen Bildung verstärkt zur Erweiterung des Ausbildungsangebotes und für betriebliche Ausbildungsinhalte einzusetzen. 300 Millionen DM stellen wir in den nächsten Jahren dafür bereit. Die Konditionen für die sogenannten Wirtschaftsmodellversuche sind erheblich verbessert worden. Ein Schwerpunkt ist dabei, den Mädchen neue Berufsbildungswege zu eröffnen. Das Abdrängen der Mädchen auf die traditionellen Frauenberufe ist der wesentliche Grund für deren Berufsbildungsdefizite. Aber, meine Damen und Herren von der Opposition, helfen Sie uns, in der Wirtschaft Bereitschaft zu wecken, Modellvorhaben für die Ausbildung junger Mädchen durchzuführen, damit sie eben nicht mehr allein auf Berufe wie Verkäuferin, Friseuse und ähnliche abgedrängt werden, sondern daß auch im Bereich der gewerblich-technischen Berufe, wo die größte Zahl der Auszubildenden anzutreffen ist, in Zukunft Mädchen eine bessere Chance erhalten. Helfen Sie uns dabei!
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Wir brauchen also hier die Aufgeschlossenheit der ausbildenden Wirtschaft.
In der Schlußbilanz des Jahres 1977 werden wir insbesondere die Probleme darzustellen und aufzunehmen haben, die sich für die lernschwächeren Hauptschüler ohne Abschluß und für Jugendliche in wirtschaftlich schwächeren Regionen ergeben. In den Beratungen mit den Ländern über den Ausbau der beruflichen Bildungsangebote und den Abbau der Beschäftigungsrisiken von Jugendlichen haben wir Wert darauf gelegt, daß Berufsschulangebote und Sondermaßnahmen insbesondere auf Jugendliche ohne Ausbildung und Arbeitsplatz konzentriert werden.
Meine Damen und Herren, wie ist die Lage? Durch gemeinsame Anstrengungen ist damit zu rechnen, daß im Jahre 1978 rund 100 000 Plätze im Berufsgrundbildungsjahr, im berufsvorbereitenden Jahr und in ähnlichen Angeboten zur Verfügung stehen werden. Dazu kommen die nach dem Arbeitsförderungsgesetz eingeleiteten Sondermaßnahmen und berufsvorbereitenden Lehrgänge, in denen sich 1976 zirka 39 000 Jugendliche befanden und die weitergeführt werden. Ich unterstreiche noch einmal unsere Auffassung, daß diese Hilfen insbesondere benachteiligten und lernschwächeren Jugendlichen zugute kommen sollen.
Was also in den gemeinsamen Beratungen und Planungen von Bund und Ländern an Perspektiven und Ausbauzielen erklärt und definiert worden ist, geht weit über die allgemeinen Formulierungen Ihres Antrags hinaus, den Sie ein „Programm" nennen. Hier gibt es offensichtlich ein Informationsdefizit der Opposition.
Mit allem Nachdruck muß ich mich .dagegen wenden, daß im Lager der CDU/CSU unter der Überschrift „Ausbildungshemmende Vorschriften" erneut eine Verunsicherungskampagne in der Berufsbildung eingeleitet wird. Frau Kollegin Wilms, ich bescheinige Ihnen gern, daß Sie sich in dieser Beziehung heute sehr viel zurückhaltender ausgedrückt haben,
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als das von Vertretern der CDU/CSU sonst in der oftmals grobkörnigen Auseinandersetzung auf Kammerversammlungen geschieht.
Zunächst dies: Eine Ausbildungsordnung ist keine ausbildungshemmende, sondern eine ausbildungsfördernde Vorschrift. Keine dieser Ordnungen ist ohne gründliche Beratung und ohne Zustimmung der Arbeitgeber und Gewerkschaften in Kraft gesetzt worden. Die Opposition arbeitet an vielen Stellen der öffentlichen Auseinandersetzung - ich sage noch einmal, Frau Kollegin Wilms, daß das bei Ihnen heute erfreulicherweise nicht so war - mit der Unterstellung, weniger Qualitätsanforderungen brächten mehr Quantität. Die Erfahrungen, die wir gemacht haben, sprechen dagegen. Das Lehrstellenangebot ist gerade in den Bereichen zurückgegangen, in denen die Qualität hinter den Anforderungen der Praxis zurückgeblieben ist. Umgekehrt verzeichnen wir vor allem dort einen Zuwachs von Plätzen, wo sich neue Ausbildungsordnungen auswirken konnten. Ausbildungsordnungen unterliegen ständiger Überprüfung, um sie an gewandelte Arbeits- und Berufsanforderungen anzupassen. Das aber ist etwas ganz anderes als gezielter Qualitätsabbau.
Ein Wort zum Jugendarbeitsschutz, von dem Sie in Ihrem Antrag sprechen. Das neue Arbeitsschutzgesetz für die Jugendlichen ist vor der Wahl im Bundestag nahezu einstimmig angenommen worden. Jeder - auch Sie, meine Damen und Herren von der Opposition - müßte sich fragen, welche Reaktion, ja welchen Vertrauensverlust es bei den Jugendlichen auslösen müßte, wenn ein Gesetz vor der Wahl als jugendfördernd hingestellt wird, nach der Wahl aber als ausbildungshemmend bezeichnet oder gar diffamiert wird. Vor der Wahl annehmen, nach der Wahl abbauen - das ist keine vertretbare Politik.
Bei der Umsetzung dieses Gesetzes in konkrete Durchführungsverordnungen wird der Bundesarbeitsminister auch die Bedingungen der Ausbildungspraxis berücksichtigen.
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Dies aber ist wiederum etwas anderes, als sozialpolitische Wertentscheidungen zum Schutze von Jugendlichen in Frage zu stellen.
Ähnlich ist es beim Schwerbehindertengesetz. Die Bundesregierung hat deutlich gemacht, daß seine Auswirkungen auf die Ausbildungsbedingungen in Klein- und Mittelbetrieben geprüft werden. Auch dies ist etwas anderes als eine schematische Eingrenzung der Wirksamkeit eines Sozialgesetzes. Dieser Punkt muß im übrigen im Zusammenhang mit der Entwicklung der Leistungen und Hilfen gesehen werden, die für die behinderten Jugendlichen in der Berufsbildung notwendig sind. Darüber muß man mit den Rehabilitations-, Behinderten- und Kriegsopferorganisationen sprechen. Das kann man nicht allein in der Diskussion mit den Kammern erledigen.
Wir könnten heute im übrigen auf dem Feld der Berufsbildung für Behinderte weiter sein, wenn von der CDU/CSU in der letzten Legislaturperiode des Bundestages nicht alle Paragraphen über die. Einbeziehung der Behinderten in das berufliche Bildungssystem abgelehnt worden wären.
Wenn Sie sich über Ausbildungshemmnisse große Sorgen machen, sollten Sie Ihr Augenmerk vor allem darauf konzentrieren, eine verbesserte Abstimmung betrieblicher und schulischer Ausbildungsinhalte zu erreichen, d. h. konkret, auf die Länderregierungen der CDU/CSU einzuwirken, alsbald mit dem Bund ein Verwaltungsabkommen über die gleichzeitige Erarbeitung und Inkraftsetzung von Ausbildungsordnungen und schulischen Rahmenlehrplänen abzuschließen. Hier ist nicht die Bundesregierung im Verzuge. Sie wenden sich insofern mit Ihrem Antrag an die falsche Adresse.
In diesen Zusammenhang gehört auch, daß die Länder und die ausbildende Wirtschaft zu einem Konsens bei der Gestaltung des Berufsgrundbildungsjahres und der darauf aufbauenden Fachbildung im Betrieb gebracht werden. Es sollte unser gemeinsames Interesse sein, daß dieser für die Jugendlichen so wichtige Punkt nicht in einem Dauerstreit zwischen Kammerbürokratie und Kultusbürokratie steckenbleibt. Deshalb habe ich den Kultusministern vorgeschlagen und erfreulicherweise - das erkenne ich dankbar an - auch Unterstützung dabei gefunden, daß wir im Oktober /November mit den Vertretern der ausbildenden Wirtschaft, den Kultusministern, den Vertretern des Bundes auf sogenannter hoher Ebene zusammenkommen, um diese Frage der Zusammengehörigkeit von Berufsgrundbildungsjahr und Fachbildung zu erörtern. Wir mußten die Erfahrung machen, daß ein weiteres Delegieren in Expertengremien die Aufgaben nicht löst, die von der Politik zu lösen und zu bewältigen sind, nämlich für die Entwicklung auf diesem Felde Weichen zu stellen.
Der Vollständigkeit halber will ich sagen, daß all die Fragen, die in der Debatte behandelt worden sind - Meldung von Ausbildungsplätzen, Blockierung durch bestimmte Meldeverfahren und mehr Transparenz des Ausbildungsplatzangebots - Gegenstand der Beratungen im Bundesinstitut für berufliche Bildung sein werden. Dort müssen die Erfahrungen dieses Jahres offen auf den Tisch gelegt werden, um für die Zukunft eine größere Überschaubarkeit des sogenannten Lehrstellenmarktes für die Jugendlichen zu erreichen.
Meine Damen und Herren, ich habe heute zu den Hauptlinien des Antrags im Vergleich zu unserer Politik Stellung genommen. Was, so muß man fragen, bleibt eigentlich von den neun beschriebenen Seiten übrig, was den Anspruch erheben könnte, „Programm" zu sein? Die Leistungen des Bundes zu ignorieren, die Verantwortung der Länder für die Bildungspolitik auszuklammern, Ressentiments unter der Überschrift „Ausbildungshemmende Vorschriften" zu entwickeln und allgemeine Prüfungsvermerke zu erteilen, ist noch kein Programm für die Zukunftssicherung der jungen Generation. Diese Einsicht scheint Ihnen inzwischen selbst gekommen zu sein, denn ich lese in der Einladung zu dem CDU-
Bildungskongreß im Oktober, diese Veranstaltung solle dazu dienen, ein „Konzept zu erarbeiten, das
konkrete Schritte" aufzeigt. Das kann nur empfohlen werden.
Ich will an den Anfang meiner Rede zurückkommen: Was uns vor allem fehlt - das sage ich nach meinen Erfahrungen seit 1974 in der Bildungspolitik - sind nicht in erster Linie weitere Programme, sondern sind Entscheidungen in der Bildungspolitik. Die Planungen der Bund-Länder-Kommission mit ihren konkreten Zieldaten müssen erfüllt werden. Der Bund wird seine aus diesen Plänen zur beruflichen Bildung erwachsenden Verpflichtungen erfüllen. Außerdem sind berufsbildungspolitische und hochschulpolitische Entscheidungen fällig, die nicht mehr den Bürokratien überlassen werden können, sondern die auf die Ebene der Regierungschefs gehören. Darüber werden wir am 14. Oktober im Kreis der Regierungschefs zu diskutieren haben. Dann werden die Leistungen für die Berufsbildung, die Fragen des Beschäftigungssystems, der Abbau des Numerus clausus und die anderen hochschulpolitischen Entscheidungen ,bis hin zur Studienreform die Regierungschefs beschäftigen. Dann stehen alle Beteiligten vor der Frage, ob sie über die Zukunftschancen der jungen Generation nur reden oder ob sie sich für sie entscheiden wollen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schedl.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren ! Herr Bundesminister Rohde, Sie haben nach einer, wie ich meine, fachlich fundierten und außerordentlich sachlichen Einlassung der Kollegin Wilms hier eine Rede losgelassen, auf die eigentlich Ihr Wort „grobkörnig" am besten zutrifft.
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Sie haben an den Anfang einige - wie wir das mit unserer südlichen Sprachfarbe nennen würden - Feuerschläge gesetzt, die auf gar keinen Fall unwidersprochen bleiben dürfen.
Ich weiß überhaupt nicht, was hier und heute der Vorwurf soll, Konservative würden in diesem Bereich konjunkturelle Probleme in den Vordergrund stellen, wohingegen es ja in Wirklichkeit tiefgreifende strukturelle Probleme seien. Herr Bundesminister, wenn Sie es so wollen, können Sie das haben: Hätten Sie eine bessere Wirtschafts- und Finanzpolitik betrieben, hätten im Jahr nicht 8 000 bis 10 000 Betriebe dichtmachen müssen, und Sie hätten zumindest diesen Teil erhalten können - und das ist ein konjunkturelles Problem!
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Sie haben darüber hinaus harte Vorwürfe an den Bundesrat gerichtet und haben dabei ein für mich absolut unverständliches Zitat gebracht, indem Sie sagten - ich zitiere jetzt frei -: „Wer solche, die von Reformen reden, in Sympathisantenkreise oder in die Nähe von Sympathisanten rückt ...". Ich muß Ihnen schon sagen, Herr Bundesminister, ich bezweifle sehr, daß es heute bei dem Ernst dieser
Frage notwendig war, wirklich schwere Probleme mit einer so tiefen Polemik anzugehen.
Ich bin der Meinung, daß manche Ihrer Reformen von uns sachlich mit überprüft und überlegt worden sind; wir tun dies ja auch heute noch. Aber es gibt „Reformen", mit denen Sie gewachsene Strukturen planmäßig kaputtmachen und die dann von uns kritisiert und hart bekämpft werden. Deswegen sagen wir noch lange nicht, daß die, die Reformen durchführen wollen, in irgendwelche Kreise - wie Sie das zitiert haben - gehören. Ich möchte Sie einmal hören, wenn jemand von uns in einer solchen Form Zusammenhänge herstellen würde!
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So etwas sollten Sie tunlichst bleiben lassen.
Sie haben sich über die Grauzone der Bildungspolitik zwischen Bund und Ländern ausgelassen. Hier gibt es sicher einige Dinge, auf die die parlamentarischen Einflüsse deutlicher und stärker sein könnten. Nur, Herr Bundesminister, von den ganz engagierten Bildungspolitikern auf dem sehr hohen Level der Hochschulpolitik lasse ich mir immer sagen - und ich lese in der Richtung auch einiges nach -, daß die Grauzone viel schneller aufgelichtet wäre, wenn gerade in den Bereichen, in denen Ihre Partei in den Ländern die breite Regierungsmehrheit stellt, schnellere und bessere Klärung herbeigeführt würde.
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Das gilt gerade auf dem hier anstehenden Feld, auf dem anders schwerlich Lösungen gefunden werden können.
Sie haben in diesem Zusammenhang den Ländern Versäumnisse bei den Berufsschulen vorgeworfen. Ich rede hier nicht als Bayer; ich rede als Mitglied der Unionsfraktion. Aber Sie werden mir doch den Vergleich gestatten: Ich habe mir Zahlen zeigen lassen, wonach die Berufsschulstunden und der Berufsschulraumvorhalt in Bayern ein Vielfaches dessen in Nordrhein-Westfalen ausmachen. Sie haben eigentlich die Adresse, an die Sie sich wenden müssen,
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wenn Sie die Länder beflügeln wollen, hier einiges mehr und besser zu tun.
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Ich würde hier ein Telefongespräch mit Ihrem Herrn Rau empfehlen. Ich meine, dann könnte man einiges tun, ohne die Bühne des Bundestages für eine Gesamtbeschimpfung der Länder zu benutzen.
Ich jedenfalls weiß, daß auch Bildungspolitiker aus den Reihén der -Koalition durchaus anerkennen, daß z. B. das bayerische Berufsschulgesetz und die daraus abgeleiteten Leistungen als mustergültig angesehen werden und daß manches andersherum regierte Land froh wäre, wenn es ähnliches - nicht nur in Gesetzesform, sondern vor allem auch bei den Dingen, die den Gesetzen folgen müssen - vorzuweisen hätte.
Sie haben sich hier als der mitentscheidende Macher eines Gesetzes dargestellt, das 30 000 AusbilSchedl
dungsplätze mehr gebracht hat. Herr Bundesminister, warum haben Sie denn an dieser Stelle nicht zumindest einmal - wenn es notwendig ist, über Ihren Schatten springend - ein Wort des Dankes für die über 100 000 Plätze mehr gesagt, die heuer wieder aus der Wirtschaft herausgepreßt worden sind, nicht wegen Ihres Gesetzes, sondern trotz Ihres Gesetzes, Herr Bundesminister?
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So sieht es doch aus! Ich muß Ihnen eines sagen: Manches an Dickicht hätte aus Ihrem Gesetz beseitigt werden können! Ich selber und viele meiner Freunde von der CDU/CSU haben Ihnen doch x-mal angeboten, vernünftig und an den Problemen des Tages orientiert miteinander zu reden. Sie hätten es ja vielleicht getan; aber die Mehrheiten in Ihrer Partei und in Ihrer Fraktion haben längerfristige ideologische Ziele gesehen; deswegen war es doch nicht möglich, sich praktisch zu orientieren.
In diesem Zusammenhang muß die Frage nach den ausbildungshemmenden Vorschriften gestellt werden. Sie haben die grobkörnige Argumentation vor den Kammern angeführt. Damit war sicher auch ich gemeint, gar nicht zu unrecht; ich liebe die grobkörnige Argumentation. Nur, über eines müssen wir uns völlig im klaren sein: Gerade kleine und mittlere Unternehmer wollen kein Jugendarbeitsschutzgesetz, das den Schutz eklatant abbaut. Aber sie wollen in der Praxis einfach nicht anwendbare Paragraphen im Sinne der Eltern der Auszubildenden und der Auszubildenden selbst aus dem Wege geräumt sehen. Das soll nicht zuungunsten der Jugendlichen gehen, dadurch soll die Möglichkeit eröffnet werden, die fugendlichen besser beschäftigen zu können. Wenn ein junger Mann morgens um 7 Uhr an seinem Arbeitsplatz ankommt, ist er durch das Gesetz gezwungen, bis viertel vor acht in der Bahnhofshalle zu gammeln; denn wenn er sich im Betrieb nur aufhält und nicht einmal arbeitet, läuft der Unternehmer Gefahr, einen Bußgeldbescheid zu erhalten. Bewegen Sie Ihren Kollegen Ehrenberg doch dazu, durch den Erlaß von Rechtsverordnungen endlich etwas zu tun. Anträge dafür liegen doch stoßweise in seinem Haus.
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Er hat das doch zugesagt. Was erklärt er jetzt? Jetzt muß er wieder mit Experten reden. Die Zahl der Geburten entwickelt sich Gott sei Dank in kurzer Zeit in eine andere Richtung. Ich habe das trübe Gefühl, bis Ehrenberg die Überlegungen mit seinen Experten abgeschlossen hat, ist in diesem Bereich wirklich nichts mehr zu tun. Auf der einen Seite danken Sie Frau Dr. Wilms, daß Sie dieses Problem so klar und sachlich zum Ausdruck gebracht hat, aber andererseits schwingt doch unterschwellig wieder mit: In Wirklichkeit wollt ihr ja doch die Qualität aushöhlen. Uns geht es darum, Herr Minister, daß zusammen mit allen Beteiligten Ausbildungsordnungen erlassen werden, die nicht nur von Forschungsinstituten für richtig erachtet werden, sondern die auch in der Praxis anwendbar sind und
die in der Zukunft noch mehr Ausbildungsplätze als bisher ermöglichen.
Ein Wort zum Schwerbehindertengesetz. Es tut mir leid, wenn Sie sagen, die Experten meinten, das sei nicht der Revidierung bedürftig.
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Ich kenne Hunderte von Handwerkern, die keinen Auszubildenden mehr einstellen, weil sie nämlich dann über 15 Beschäftigte hinauskommen und die Abgabe bezahlen müssen. Und dies in einer Zeit, in der der Kostendruck gerade in diesen kleinen Unternehmungen ins Unermeßliche gestiegen ist. Nennen wir die Dinge doch beim Namen! Unternehmen Sie etwas zusammen mit Ihren Kabinettskollegen und mit diesem Haus - dann werden Sie sofort sehen, wieviel mehr Ausbildungsplätze Sie bekommen können.
Sie haben festgestellt - das scheint mir der Sache nicht sonderlich angemessen zu sein -, daß unser Antrag aus neun Seiten bedrucktem Papier bestehe, daß aber keine Anregungen gegeben und keine Maßnahmen vorgeschlagen würden. Wir haben auf drei Feldern - Frau Dr. Wilms hat das an Einzelbeispielen dargetan - einen ganzen Katalog von Maßnahmen aufgelistet. Herr Bundesminister, wenn Sie Ihren Einfluß im Kabinett und in Ihrer Fraktion geltend machen, könnten die Maßnahmen verhältnismäßig schnell, unkompliziert und auch - die finanzielle Seite ist ja angesichts der mißlichen Situation, in der wir uns befinden, besonders zu berücksichtigen - ohne großen Aufwand getroffen werden. Das alles könnten Sie zügig erledigen, wenn Sie nur wollten und wenn Sie nur über eine gewisse Zeit von Ihrem Konzept der beruflichen Bildung, mit dem wir nicht übereinstimmen, etwas Abstand nähmen, um die aktuellen Probleme zu lösen.
Noch eine Randbemerkung zu den überbetrieblichen Ausbildungsstätten. Hier haben doch die Handwerker begonnen, lange bevor Sie darüber geredet haben, Herr Bundesminister.
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Wir wollen ja die überbetriebliche Ausbildungsstätte als eine flankierende Maßnahme. Nur, wir wollen sie nicht - das könnte doch auch Ihr Weg sein - zu einer dritten Säule machen, mit der der Staat dann Berufsausbildung betreibt. Das wollen wir nicht.
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Dabei werden wir Ihnen nie helfen. Das werden auch die nicht tun, die, lange bevor Sie daran gedacht haben, schon hunderte überbetriebliche Ausbildungsplätze geschaffen haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht Ihnen nicht darum, daß in unserem Antrag angeblich nichts steht. Es geht auch nicht darum, daß nicht vieles in diesem Papier stünde, was nicht machbar wäre. Es geht auch nicht darum, daß in erster Linie finanzielle Fragen zu regeln sind, denn dafür haben Sie nach wie vor nur die eine Antwort, allen eine Umlage abzunehmen, dann viel in der Verwaltung zu verschleißen und wenigen etwas zu
geben. Es gäbe auch andere Mittel und Möglichkeiten, z. B. der steuerlichen Erleichterungen des Kostendrucks der Ausbildung.
Es geht darum, daß Sie sich im Bereich der beruflichen Bildung natürlich verbal zum dualen System bekennen - ich weiß nicht, wie Sie persönlich, Herr Minister Rohde, im letzten darüber denken -; aber die, die Ihnen in Partei und Fraktion die Mehrheit liefern müssen, denken im letzten anders als wir. Deswegen sind Sie an diesen Kurs gebunden. Das ist aber gerade im Sinne der jungen Leute der falsche.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Thüsing.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist erfreulich, daß sich der Bundestag einen ganzen Morgen lang mit Ausbildungs- und Berufschancen der jungen Generation beschäftigt, wenn das auch nach einer strapaziösen Woche in Bonn vor nahezu leerem Haus geschieht.
Ich will - wie angekündigt -. zunächst noch einige Bemerkungen zum Programm „Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses an Hochschulen" machen. All diese Probleme sind im Zusammenhang zu sehen. Wir haben auch von dieser Stelle aus schon oft gefragt, wo wir heute im Bereich des beruflichen Bildungswesens stünden, wenn wir nicht in den letzten Jahren den Hochschulbereich so stark ausgeweitet hätten, wie das geschehen ist. Auch was den wissenschaftlichen Nachwuchs angeht, sind durch die starke Ausweitung des Hochschulbereiches vielen Talenten Lehr- und Forschungsmöglichkeiten im Hochschulbereich eingeräumt worden, die vorher nicht bestanden.
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- Herr Daweke, ich verkenne die Probleme nicht. Deshalb beraten wir gemeinsam mit Ihnen den Antrag, das sogenannte Heisenberg-Programm. Dieses Programm schmeckte uns zunächst zu sehr nach Elfenbeinturm-Programm. Das wurde inzwischen etwas differenziert. Die Bund-Länder-Konferenz hat dieses Programm beraten, und wir werden es hier mit Ihnen beraten.
Wir sind der Meinung, daß über die freien Stellen hinaus - das sind etwa 2 000 im Jahr - zusätzliche Stellen geschaffen werden müssen, damit der hochbegabte wissenschaftliche Nachwuchs zusätzliche Chancen hat. Darüber besteht weitgehend Konsens. Wir brauchen darüber keine große parlamentarische Auseinandersetzung an dieser Stelle.
Ich möchte deshalb in fünf Punkten sagen, worauf es uns bei diesem Programm ankommt.
Erstens sollten wir das Programm so schnell wie möglich beraten und in Kraft setzen. Es sollte möglichst schon 1978 wirksam werden.
Dann sollten wir so viele junge Wissenschaftler wie möglich fördern. Wir denken an mindestens 200. Auch darüber wird noch zu reden sein.
Über den nächsten Punkt wird es sicherlich eine Auseinandersetzung geben. Hier tragen CDU/CSU angesichts ihrer Mehrheiten in den Länderparlamenten eine besondere Verantwortung. Wir sollten uns auf eine Kostenverteilung von - so lautet unser erster Vorschlag - 50 : 50 einigen.
Weiter wird es drauf ankommen, bei der Auswahl der Geförderten demokratische Verfahren einzuführen. Dieses Auswahlverfahren sollte die Deutsche Forschungsgemeinschaft durchführen.
Schließlich sollte dieses Programm auch einen Beitrag zur Kapazitätserweiterung in der Lehre leisten, nicht nur in der Forschung, zwar vornehmlich in der Forschung, aber auch in der Lehre; denn wir können es uns angesichts der Kapazitätsprobleme der Hochschulen nicht erlauben, einen Teil des geförderten wissenschaftlichen Nachwuchses total von den Lehrverpflichtungen zu entbinden.
Nun zu Ihrem Antrag, der die Sicherung und Weiterentwicklung des Ausbildungsplatzangebots und die Verbreiterung der Arbeitsmöglichkeiten für Jugendliche zum Inhalt hat.
Es ist erfreulich - um das zunächst einmal grundsätzlich zu sagen -, daß das Problem der Jugendarbeitslosigkeit und des Lehrstellenmangels nun auch die CDU/CSU-Fraktion dazu veranlaßt hat, noch einmal - und tiefer als das früher geschehen ist - darüber nachzudenken, wie derzeitig und zukünftig für die Jugend die Ausbildung gesichert werden kann. Wir stimmen wohl alle darin überein, daß die berufliche Bildung im Zusammenhang mit der Wirtschafts-, Sozial- und Bildungspolitik gesehen werden muß, um ein zukunftsorientiertes Ausbildungssystem in der Bundesrepublik zu erreichen. Auf Grund der eklatanten Defizite, die wir in diesem Bereich feststellen müssen, wurde bereits vor Jahren von dieser Bundesregierung erkannt, daß in der Bundesrepublik zum Teil fundamentale Veränderungen im Bereich der beruflichen Bildung notwendig sind, will man weiterhin den qualitativen Ansprüchen und der Zukunft der jungen Generation gerecht werden. Da nützt es nichts, Frau Wilms, wenn man hier erneut den Versuch macht, diese Anstrengungen der Regierung als „einseitig ideologisch geprägt" zu diffamieren oder einen Begabungsbegriff einführt, der höchst zweifelhaft ist, um das nur am Rande zu bemerken.
Sie haben eine Reihe von Bemerkungen gemacht, auf die ich eingehen will. Vorher möchte ich aber noch darauf zu sprechen kommen, was CDU und CSU in den letzten Jahren geleistet haben. An dieser Stelle hat Herr Strauß vor wenigen Tagen eine lange Rede gehalten und dabei - ich darf zitieren -- gesagt:
Soweit bei der Bundesregierung Erkenntnisse über Ursachen und Zusammenhänge sporadisch - oder sagen wir verstreut - bestehen, fehlt es an Mut, fehlt es an der moralischen Entschlossenheit oder fehlt es an der politischen Kraft, diese Erkenntnisse in die Wirklichkeit, in konkludentes Handeln umzusetzen.
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- Ich begrüße es, daß Sie diesen Satz von Ihrer Seite aus noch einmal unterstreichen; denn man sollte diesen Satz, diese Forderung, einmal auf die Berufsbildungspolitik der Union in den letzten Jahren ummünzen: Soweit bei der Union Erkenntnisse im Bereich der beruflichen Bildung, über Ursachen und Zusammenhänge, sporadisch vorhanden waren oder, sagen wir, verstreut bestanden, fehlte es an Mut, fehlte es an der moralischen Entschlossenheit und an der politischen Kraft, diese Erkenntnisse in die Wirklichkeit, in konkludentes Handeln umzusetzen. Ich glaube, man sollte solche Sätze nicht allzu leichtfertig aussprechen; die Sätze können gegen die eigene Fraktion zurückschlagen.
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Wie war das in den letzten Jahren? Sie sind doch bei der letzten Wahl im Herbst 1976 mit leeren Händen vor die junge Generation getreten.
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Sie haben unausgegorene Ideen und Propagandaanträge vorgeschlagen, von denen Sie heute auch gar nicht mehr reden. Die jeweils Anfang 1975 und 1976 eingebrachten Anträge zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und zur Sicherung des Ausbildungsplatzangebotes enthielten ausschließlich von der Regierung längst eingeleitete Maßnahmen und den unseriösen Vorschlag - ich will daran erinnern -, für die Ausbildungsplätze eine „Kopfprämie" zu zahlen.
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Ihre in der letzten Legislaturperiode vorgeschlagene Berufsbildungsnovelle kam zeitlich zu spät und war ebenfalls - das stellte sich heraus; Sie haben das selbst gar nicht weiter verfolgt - inhaltlich völlig undiskutabel. Sie sind in der letzten Periode sogar hinter dem zurückgeblieben, was Sie im Berufsbildungsteil Ihres Berliner Programms selbst festgelegt und festgeschrieben hatten. Hätten Sie unserem Gesetz zugestimmt und nicht nur Alibianträge formuliert, so wären wir heute ein gutes Stück weiter.
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So mußten wir ein Ausbildungsplatzförderungsgesetz machen, um in der letzten Legislaturperiode überhaupt etwas Konkretes, praktisch Wirksames zu tun.
Es gibt in Ihrem heutigen Antrag eine Reihe von neuen Erkenntnissen. Das führt tatsächlich weiter als das, was Sie in der letzten Legislaturperiode .gemacht haben. Wir hoffen, daß sich die Dinge, die dort stehen, auch bei Prüfung als das herausstellen, was sie sind, nämlich teilweise ein Zugeständnis, daß diese Regierung das Richtige gemacht hat.
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Teilweise sind das Erkenntnisse, die wir seit Jahren versucht haben, Ihnen nahezubringen, und teilweise sind es Dinge, die neue Probleme behandeln, über die wir natürlich gemeinsam zu reden haben.
Wir haben allerdings die Sorge, daß auch dieser Antrag bei Appellen und Bitten stehenbleibt. Es nützt nichts, Frau Wilms, wenn Sie sagen: Wir richten die dringende Bitte an alle, mehr Ausbildungskapazitäten zur Verfügung zu stellen. Da kann man nicht nur dringend bitten, da muß man handeln. Sie haben nicht gehandelt und das Handeln der Regierung an allen Stellen, wo es möglich war - ich habe soeben kurz daran erinnert -, verhindert.
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Sie haben dann über die schulischen Kapazitäten gesprochen. Wir erinnern uns ziemlich genau: Wenn wir immer wieder gefordert haben, es müsse auch vollschulisch ausgebildet werden und die schulischen Kapazitäten müßten erhöht werden, haben Sie immer mit dem Schlagwort „Verschulung" geantwortet.
Drittens haben Sie gefordert, die Ausbildungsordnungen müßten differenzierter werden. Auch wir meinen, daß weiter an den Ausbildungsordnungen gearbeitet werden muß. Wir haben das jahrelang getan. Auch die Regierung hat es getan, aber nicht sie allein. Es ist ja nicht so, wie Sie jahrelang versucht haben, in der Öffentlichkeit darzustellen, daß da in Bonn einige wild gewordene Bürokraten sitzen, die versuchen, Ausbildungsordnungen zu machen. Vielmehr sind alle Ausbildungsordnungen mit Zustimmung der Tarifpartner, also der Gewerkschaften und der Arbeitgebervertreter, verabschiedet worden.
Natürlich werden wir uns, wenn Fehler geschehen sind und wenn noch weiter differenziert werden muß, dem nicht verschließen. Das hat die Regierung an vielen Stellen erklärt. Allerdings werden wir uns nicht auf das Geschäft einlassen, das der DIHT in seinem Berufsbildungsbericht vorgeschlagen hat: Abbau von inzwischen erreichter Qualität der Ausbildung, dafür mehr Ausbildungsplätze.
Was die überbetriebliche Ausbildung angeht, Frau Wilms, begrüßen wir Ihre Feststellung ausdrücklich. Was Sie hier gesagt haben, ist aus unserer Sicht wirklich ein Fortschritt. Jahrelang haben Sie das in eine andere Richtung gedrängt. Herr Schedl hat es heute erneut versucht.
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- Ich habe sehr genau zugehört, da ich mir vorgenommen hatte, auf Ihre Rede zu antworten. Jahrelang sind aus der CSU - weniger aus der CDU - Vorwürfe gekommen, die überbetriebliche Ausbildung zerstöre das duale System. Wir können dazu auch heute nur sagen: Ohne die überbetrieblichen Ausbildungsstätten wären Teile des dualen Ausbildungssystems längst bankrott.
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Frau Wilms, weshalb haben Sie - und da spreche ich auch die CDU an - sich denn bei den Beratungen über das Berufsbildungsgesetz in der letzten Legislaturperiode entschieden dagegen gewehrt, daß wir die überbetrieblichen Ausbildungsstätten in das Gesetz aufnehmen wollten? Wenn das inzwischen anders ist, freut uns das.
Sie haben dann die weitere Verbesserung des Beratungssystems gefordert. Das findet ebenfalls un3670
sere Zustimmung. Die Regierung hat gehandelt. Gerade jetzt sind nahezu 2 000 weitere Stellen bewilligt worden. Hier genügen aber nicht Programme, sondern diese Programme müssen auch durch entsprechend ausgebildete Berater gestützt werden können. Auch da fehlt es.
Sodann haben Sie das Defizit bei der Ausbildung der Mädchen angesprochen. Was Sie gesagt haben, stimmt. Nur hätte ich von Ihnen gern gehört, was Sie denn auf diesem Gebiet konkret machen wollen.
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Die Bundesregierung sucht doch verzweifelt nach Trägern, die bereit sind, solche Programme speziell für Mädchen als Modellprogramme überhaupt durchzuführen. Es fehlt doch an den Konzepten; es liegt doch nicht daran, daß die Regierung so borniert wäre, das Problem nicht zu sehen.
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Sie haben sich gegen den Vorwurf gewehrt, Sie wollten die Qualität der Ausbildung und die Jugendschutzbestimmungen abbauen, um die Zahl der Ausbildungsplätze zu erhöhen. Allerdings sind die Formulierungen in Ihrem Antrag sehr weich und lassen zumindest die Möglichkeit von Mißverständnissen offen. Das will ich hier ganz offen sagen. Sie haben das klargestellt.
Wir hätten uns aber an dieser Stelle von Ihrer Seite eine deutliche Distanzierung von dem gewünscht, was der Deutsche Industrie- und Handelstag in seinem Berufsbildbericht geschrieben hat. Da steht ganz offen: weniger Schutz der Jugend, dafür mehr Ausbildungsplätze. Da dieser Bericht ja in der Diskussion war, wäre es gut gewesen, auch von Ihrer Fraktion aus einmal darauf einzugehen. Wir jedenfalls werden das, was der DIHT vorgeschlagen hat, zurückweisen. Bei uns gibt es nicht mehr Ausbildungsplätze um den Preis von weniger Qualität und weniger Schutz der Jugend.
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Der letzte Punkt, den Sie angesprochen hatten, war die Frage der Behinderten. Da geschieht schon Erhebliches. Sehen Sie hinein in das Arbeitsförderungsgesetz, sehen Sie hinein in die Programme der Bundesanstalt! Da gibt es 30 000 Plätze, die mit mehr als 350 Millionen DM ausgestattet sind. Hier fehlt weniger das Geld, hier fehlen Konzepte. Das Problem ist hier so ähnlich wie bei der Ausbildung von Mädchen.
Insgesamt sind Sie in Ihrem Programm quer durch den Garten der Berufsbildungs-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik gegangen und haben sich einen bunten Blumenstrauß gepflückt, darunter viele schwarze Blumen. Bei diesen Blumen handelt es sich um Forderungen, die längst überholt sind, die die Regierung längst erfüllt hat, um Dinge, die in Arbeit sind, und um einige aktuelle Probleme, über die wir zu reden haben.
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- Ich habe meinen Schmeil gerade nicht dabei; sonst würde ich das schnell nachsehen. Ich bin ja kein Biologe.
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- Da kommt das schon wieder mit dem „Ideologen". Das ist nur ein billiges Argument. Aber ich hoffte, daß hier etwas mehr Geist herrscht - tut es auch - als gestern in der Rede, die Ihr Fraktionsvorsitzender gehalten hat. Die war vom Ungeist geprägt. Ich sage das nur als Klammerbemerkung.
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- Danke schön für das Kompliment.
Wir stehen hier heute, um für die breiteste Schicht unseres Landes, für unsere Jugend die Zukunft zu sichern, zur individuellen Befriedigung und zum kollektiven Wohlergehen. In diesem Sinne ist und war die Bildungspolitik dieser Regierung angelegt.
In Ihrem Antrag sagen Sie, daß durch eine falsch angelegte Berufs- und Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung die Gefahr bestehe, daß in den nächsten Jahren junge Menschen keine Ausbildungsplätze finden. Ich kann Ihnen nur raten, Ihre Sorge an andere Gruppen zu richten, die Ihnen sehr nahestehen, und nicht an diese Regierung.
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Berufsausbildungspolitik - so bewiesen Sie durch Ihr Stimmverhalten bei allen Gesetzen zur beruflichen Bildung - ist in Ihrem Sinne doch -immer schon dann falsch, wenn sie gemacht wird. Immer dann, wenn die Regierung mit Blick auf die Verbesserung der beruflichen Bildung Vorlagen gemacht hat, waren Sie es, meine Damen und Herren von der CDU, die das blockiert und nein gesagt haben. Daran muß heute auch erinnert werden.
Wir hoffen, daß bei Ihnen neue Erkenntnisse gereift sind. Einiges davon schlägt sich in dem Antrag
- das soll nicht verkannt werden - nieder. Wir hoffen, daß wir mehr Gemeinsamkeit erreichen auf diesem wichtigen Felde, daß Sie ja sagen auch zu einigen notwendigen Schritten und nicht all das niederstimmen, was die Regierung oder die die Regierung tragenden Parteien vorschlagen.
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Das Wort
hat Frau Abgeordnete Schuchardt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst zwei Bemerkungen zu Frau Wilms. Die Ausbildereigungsverordnung, die Sie hier angesprochen haben, ist eine Folge des von der Großen Koalition verabschiedeten Berufsbildungsgesetzes 1969. Man kann das, was damals geschehen ist, für nicht mehr richtig halten. Wir halten es nach wie vor für richtig. Aber man darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß man entscheidend daran mitgearbeitet hat. Von Ihnen ist zwar nicht die Initiative ausgegangen, aber es war immerhin ein Minister von Ihnen, der die Feder geführt hat.
Zur Anrechnungsverordnung des Berufsbildungsjahres! Dies ist so ein berühmtes Ding, das in der Grauzone ausgehandelt worden ist, nämlich in der Kultusministerkonferenz. Wenn ich richtig informiert bin, gibt es eine Reihe von Kultusministern, die Ihr Parteibuch tragen, die daran kräftig mitgewirkt haben.
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Jetzt stellen Sie sich hier vorne hin und sagen, das sei aber eine ganz schlimme Sache. Dann wenden Sie sich mal an die richtigen Adressaten. Wir jedenfalls finden, daß die Zustimmung unserer Kultusminister eine gute Sache war und man auch versuchen sollte, sie so weit wie möglich durchzuhalten.
Zur Bundeskompetenz hat, glaube ich, Herr Schedl gesagt, diese sei ja im wesentlichen an den SPD-Ländern gescheitert. Soll das etwa bedeuten, daß die CDU-Länder für eine Bundeskompetenz eintreten?
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Mich würde das außerordentlich erfreuen. Vielleicht können wir daran gemeinsam arbeiten.
Frau Kollegin, würden Sie eine Zwischenfrage zulassen?
Ja.
Frau Kollegin Schuchardt, wären Sie bereit, mir zu bestätigen, daß ich zur Bundeskompetenz konkret nichts gesagt habe und daß Sie davon ausgehen müssen, daß eine Einlassung in dieser Form von mir auch nicht zu erwarten ist?
Herr Schedl, Sie haben sich auf eine Bemerkung von Bundesminister Rohde über die Bundeskompetenzen und Grauzonen bezogen. Sie meinten, dies sei besonders das Problem sozialdemokratisch geführter Länder. Ich nehme zur Kenntnis, daß Sie also weiterhin dafür sind, daß diese Grauzonen so beibehalten werden. Ich habe das auch nicht anders erwartet.
Nun zu dem Antrag, der hier behandelt wird. Ich würde die Vorschläge wie folgt katalogisieren. Es wird eine Reihe von Maßnahmen gefordert, die die Bundesregierung mit ihrer Politik bereits ergriffen hat. Ferner ist darin eine Reihe von Appellen enthalten, und zwar auch, was besonders bemerkenswert ist, an von der CDU geführte Landesregierungen. Ich frage mich natürlich, was dieser Adressat im Hinblick auf das soll, was Sie hier an Appellen aneinandergereiht haben. Selbstverständlich haben wir die üblichen Klischees drin; denn man muß ja auch ein bißchen von der Ideologie, die man so schön pflegt, weitertragen. Wir haben eine Reihe von Forderungen drin, deren Verwirklichung in der Vergangenheit an der CDU gescheitert ist. Wir haben die Aufforderung drin, die Bundesregierung möge sich über das eine oder andere Gedanken machen, offenbar deshalb, weil das eigene Nachdenken nicht zu Erfolgen geführt hat. Sie lassen also sozusagen nicht einmal mehr im eigenen Laden denken.
Ich finde es außerordentlich bemerkenswert, daß Sie das Denken der Bundesregierung für erfolgreicher halten. Wir nehmen das zur Kenntnis.
Ich möchte nur einmal an einem Punkt die umwerfenden Vorschläge skizzieren, die in diesem Antrag gemacht worden sind: „Der Bundestag fordert alle an der Berufsausbildung Beteiligten auf, die faktischen Nachteile, die heute noch Mädchen bei der Berufsausbildung hinnehmen müssen, zu beseitigen." Antwort: Fehlanzeige. Wenn man dabei gleichzeitig bedenkt, daß die Bayerische Landesregierung die Berufschancen weiblicher Jugendlicher durch ein hohes Angebot im hauswirtschaftlichen Bereich zu heben versucht, weiß man ungefähr, was mit dieser Aufforderung gemeint ist, die Nachteile von Mädchen aufzuheben.
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Es ist auf die demographische Entwicklung, mit der wir es zu tun haben, auf die starken Jahrgänge, die die Schulen verlassen, hingewiesen worden. Das fordert von uns außerordentliche Mittel und Methoden für die Schaffung eines hinreichenden Ausbildungsplatzangebots.
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Frau Kollegin, würden Sie eine weitere Zwischenfrage zulassen? Ich mache aber vorsorglich darauf aufmerksam, daß ich die Redezeit nicht verlängern werde.
Dann muß ich leider ablehnen, Herr Kollege, es tut mir leid; aber ich glaube, Sie haben Verständnis dafür.
Wir haben bei der Anhörung zur Frage der Entwicklung der Berufschancen junger Menschen eindeutig feststellen können, daß die Bildungsexpansion, die uns jetzt plötzlich auch noch zum Vorwurf gemacht wird, ganz erheblich dazu beigetragen hat, daß dieses Problem nicht schon früher aufgetreten ist und das Gesamtproblem, nämlich die Versorgung Jugendlicher mit Ausbildungsplätzen, insgesamt sogar etwas entschärft hat, und zwar eben einfach infolge der längeren Berufszeiten. Im Jahre 1976 war der Zuwachs an Ausbildungsstellen größer als in den konjunkturell besten Jahren, und vermutlich wird das auch im Jahre 1977 der Fall sein. Ich finde, man muß dies positiv würdigen, und wir sollten für die Anstrengungen der Wirtschaft außerordentlich dankbar sein. Wir wissen ja, daß dies im Augenblick über den prognostizierten Bedarf hinaus geschieht.
Sie werden bei allem, was Sie hier sagen, dennoch nicht bestreiten können, daß das nicht eingetreten ist, was Sie vor einigen Jahren der erstaunten Öffentlichkeit mitgeteilt haben, daß nämlich das Gesetz zur Ausbildungsplatzförderung, das wir verabschiedet haben, ein Arbeitsplatzvernichtungsgesetz sei. Dies ist so nicht eingetreten. Wenn man dann entgegnet: „Ich habe trotzdem recht, es ist trotz dieses Gesetzes so gekommen", kann ich nur sagen, man kann ja mit jedem Argument kommen, Herr Schedl.
Ich möchte versuchen, auf einige Einzelpunkte einzugehen. Wir haben in dem Antrag den Appell an die Länder, im Bereich der berufsbildenden Schulen Überkapazität zu fahren. Dies ist nichts Neues. Darüber hat man sich zwischen Bund und Ländern bereits geeinigt; dem kann man sich auch anschließen.
Ich möchte nur noch eines hinzufügen. Wir sollten nicht zu schnell mit dem Argument kommen: Achtet aber bitte schön darauf, daß nicht die berühmten leeren Schulen auf der grünen Wiese entstehen. Ich glaube, gerade im Bereich der beruflichen Schulen sollte man die Kapazität langfristig an der Einführung des Berufsgrundbildungsjahres ausrichten, über das wir uns ja alle einig sind. Wir haben also hier erhebliche Anstrengungen zu machen, nur nicht im Bundestag, sondern in den Ländern, Frau Wilms. Hier ist der falsche Adressat.
Auch hinsichtlich des 10. Schuljahres sind wir absolut unzuständig. Dennoch können wir uns dazu äußern. Wir sind der Auffassung, daß das 10. Schuljahr eingeführt werden sollte, allerdings als Teil der Sekundarstufe I, d. h. nicht als Bestandteil der Ausbildung. Darüber, daß darin mehr praxisbezogene Anteile enthalten sein müssen, brauchen wir uns, glaube ich, nicht lange in divergierender Weise zu unterhalten.
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- Das heißt auch ein Berufsgrundbildungsjahr, aber nicht notwendigerweise in Form des 10. Schuljahres; also nicht Teil der Ausbildung.
Was die Kapazitäten eines 10. Schuljahres im Augenblick betrifft, so müssen sie zunächst gezielt für jene Jugendlichen eingesetzt werden - das ist die Priorität -, die noch keinen Hauptschulabschluß haben; denn bei diesen Jugendlichen treten ja im Augenblick die Probleme auf.
Nun zu einem Klischee: Natürlich steht hier wieder: einseitige Bevorzugung von. Abitur und Studium. Da kann ich nur an Herrn Rühe erinnern, der dem Hamburger Senat einmal in einer Bürgerschaftssitzung vorgeworfen hat, zuwenig für die Hochschulen zu tun. Das war nach 1970. Von 1970 bis 1972 war ich Mitglied der Hamburger Bürgerschaft und mußte mir das häufiger anhören. Damals wurde sogar sehr deutlich darauf hingewiesen, welch ungeheure Verdienste die CDU/CSU-regierten Länder an dem Ausbau der Hochschulen hätten. Nun auf einmal heißt es, es sei ganz schlimm, daß da soviel getan worden sei. Mit dieser Kritik meinen Sie wohl zunächst einmal sich selbst. Ich halte es im übrigen nach wie vor für richtig, daß dieser Ausbau stattgefunden hat.
Nun sagt ausgerechnet die CDU, wie bedauerlich es doch sei, daß nicht rechtzeitig etwas für die berufliche Bildung getan worden sei. Ich glaube, ich bin unverdächtig, wenn ich als Nichtsozialdemokratin dennoch darauf hinweise: Von 'den drei Parteien, die im Bundestag vertreten sind, waren es mit Sicherheit die Sozialdemokraten, die das als erste als politischen Schwerpunkt akzeptiert haben. Wir haben sehr viel länger gebraucht - genauso wie
Sie -, das mit all den Anstrengungen zu akzeptieren, die damit verbunden sind.
Heute geht es im wesentlichen darum, die Bildungschancen starker Jahrgänge nicht sehr viel kleiner ausfallen zu lassen als die Bildungschancen schwacher Jahrgänge, d. h., hier müssen wir sehr viel mehr tun, als es sonst nötig wäre.
Wenn nun gesagt wird, wir hätten eine Facharbeiterlücke, wir müßten jetzt unbedingt darauf achten, weniger Akademiker und Abiturienten, dafür aber sehr viel mehr Facharbeiter auszubilden, dann kann ich nur sagen: Fangen Sie einmal bei den eigenen Kindern an. Es ist natürlich unheimlich bequem, für die eigenen Kinder wie selbstverständlich jedes Privileg in Anspruch zu nehmen und von den anderen Eltern zu verlangen, ihre Kinder mit der Facharbeiterausbildung zu versehen.
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Werden Sie glaubwürdig, d. h., machen Sie das zunächst mit Ihren Kindern. Dann dürfen Sie sich anschließend hier hinstellen und das als politische Forderung vertreten. Es ist jedoch unzulässig, für sich selber Privilegien in Anspruch zu nehmen und zu sagen: Für die anderen soll das andere gelten.
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- Ich habe diesen Vorwurf ja nicht erhoben - falls Ihnen das nicht aufgefallen sein sollte. Ich betone noch einmal: Ich halte es für unzumutbar ,anderen Eltern zu sagen, schickt eure Kinder mal lieber woandershin.
Zur Frage der Prognosen: Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, daß derjenige, der meint, man müsse sich sehr viel stärker am Beschäftigungssystem ausrichten, natürlich auch gleichzeitig der Auffassung ist, daß wir uns an die Prognosen, die zur Verfügung stehen, halten und die Ausbildung danach gestalten sollen. Das wird auf keinen Fall unsere Zustimmung erhalten; denn die Prognosen haben uns immer dadurch überrascht, daß sie sich anschließend als nicht zutreffend erwiesen haben. Ich glaube, wir würden auch unserer Wirtschaft einen schlechten Dienst erweisen, wenn wir unsererseits nicht dafür sorgten, die Menschen in der Bundesrepublik hinreichend gut auszubilden.
Zur Frage der überbetrieblichen Maßnahmen: Meine beiden Vorredner, Herr Rohde und Herr Thüsing, haben bereits darauf hingewiesen, aber ich glaube, man sollte es doch noch einmal betonen: Bis 1981 wird die Bundesregierung allein 1 Milliarde DM in die überbetrieblichen Ausbildungsmaßnahmen hineingesteckt haben. Das ist in der Tat eine ganz enorme Anstrengung von seiten des Bundes. Das ist sehr viel mehr pro Jahr als das, was in der Summe in den letzten zwanzig Jahren getan worden ist. Hier 'sind das eigentliche Problem aber die Folgekosten. Wir sollten uns einmal darüber unterhalten, ob man nicht im Bereich der Folgekosten bei den überbetrieblichen Maßnahmen einiges erreichen könnte.
Zur Frage der freien Kapazitäten in den überbetrieblichen Ausbildungsstätten, die nun nach Ihrem Vorschlag für Ausbildungsprogramme für arbeitslose Jugendliche bereitgestellt werden könnten: Dies nehme ich außerordentlich erfreut zur Kenntnis. Denn Sie waren es, die bei den letzten Debatten ganz eindeutig gewarnt haben, die überbetrieblichen Ausbildungsstätten gewissermaßen als eigenständige Säule der Ausbildung heranzuziehen. Ich stelle fest, daß Sie jetzt der Auffassung sind, man sollte die freien Kapazitäten dort genau dafür einsetzen. Wir sollten als etwas Positives zur Kenntnis nehmen, daß Sie dazugelernt haben.
Zur Frage der Ausbildungsordnung: Keine Ausbildungsordnung ist gegen den Willen der Wirtschaft verabschiedet worden. Das bedeutet: Ausbildungsordnungen bedürfen der sorgfältigen Abstimmung. Das muß weiterhin geschehen. Wenn die Fachleute, die diese Ausbildungsordnungen erarbeitet haben, im Lauf der Zeit zu allzu großem Perfektionismus gekommen sind, dann muß hier natürlich einiges korrigiert werden, ohne daß die Qualität darunter leidet. Wir sollten uns eindeutig dazu verpflichten, die starken Jahrgänge nicht durch Zurücknahme von Qualität in den Ausbildungsordnungen gegenüber den schwachen Jahrgängen zu benachteiligen.
Zur Frage der Entwicklung der berufsfeldbreiten Grundbildung: Dies fordern wir alle schon sehr lange. Wenn wir dies einführen und Wirklichkeit werden lassen, dann sollten wir uns aber nicht nach einem Jahr oder zwei Jahren wieder mit dem Vorwurf der Union auseinandersetzen müssen, man müsse bei diesen Ausbildungsordnungen zurückschrauben, da die hier gemachten großen Anstrengungen leider dazu führten, daß einige nicht mehr ausbilden dürften. Auch hier möchte ich Sie schon vorweg darum bitten, konsequent bei Ihren Auffassungen zu bleiben.
Zur Frage der vielen Anstrengungen, die wir auch durch die Bundesanstalt für Arbeit zu unternehmen haben, um Korrekturen wegen der Versäumnisse an den Hauptschulen vorzunehmen: Auch hier wenden Sie sich eigentlich an den falschen Adressaten. Gehen Sie in die Länder und sorgen Sie dort dafür, daß die Qualität der Hauptschulen endlich steigt; dann werden Sie viele zusätzliche Anstrengungen sparen können, die Leute zu einer vernünftigen Ausbildung überhaupt erst zu befähigen.
Ich möchte zum Schluß kommen. Ganz wichtig ist die Verzahnung von Ausbildungsordnungen und Rahmenlehrplänen. Aber was soll man eigentlich verzahnen, wenn zwar die Ausbildungsordnungen, nicht aber die Rahmenlehrpläne der Länder da sind? Folglich hatten wir im Berufsbildungsgesetz vorgesehen, daß für die gemeinsame Erarbeitung von beiden das Bundesinstitut für Berufsbildung zuständig sein soll. Nur dann wäre die Verzahnung sinnvoll gewesen. Sie aber haben dieses Gesetz abgelehnt.
Wir werden diesen Antrag und alle Anregungen, die darin möglicherweise enthalten sind und für die Jugendlichen ausgeschöpft werden können, kritisch prüfen und hoffentlich gemeinsam Erfolge haben.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Pfeifer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundestag hat heute vormittag drei Vorlagen zur Bildungspolitik beraten. Zwei dieser Vorlagen behandeln in ganz konkreten Bereichen die Zukunftschancen der jungen Generation, nämlich zum einen die Zukunftschancen des wissenschaftlichen Nachwuchses und zum zweiten die Zukunftschancen jener jungen Menschen, die über die berufliche Bildung ihren Weg in den Beruf finden wollen.
Ich möchte zunächst einmal feststellen, daß diese für unsere junge Generation zentralen Themen im Plenum des Bundestags heute, ein Jahr nach der Bundestagswahl, überhaupt nicht behandelt worden wären, wenn nicht wir, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, dazu die Initiative ergriffen hätten.
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Die einzige Vorlage, Herr Minister Rohde, die der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft diesem Haus in den letzten 12 Monaten zugeleitet hat, war eine Vorlage zum BAföG. Deutlicher kann man in meinen Augen nicht machen, wie wenig Bedeutung in der Arbeit dieser Bundesregierung die Zukunftschancen der jungen Generation tatsächlich haben. Dieser Regierung fehlt es schlicht an der eigenen Initiative. Unserer Initiative ist es zu verdanken, daß wir heute wenigstens ein Jahr nach einer Wahl, in der die junge Generation in einer besonderen Weise umworben wurde, überhaupt Themen dieser Art im Bundestag behandeln. Wenn wir auf Initiativen oder Vorlagen von Ihnen gewartet hätten, dann wäre es auch heute nicht der Fall gewesen.
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- Ich warte noch darauf, daß der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft wenigstens seinen Haushalt vorlegt. Im übrigen war der Haushalt des Jahres 1977 ja nicht so, daß er gerade ein Ruhmesblatt für den Bundesminister für Bildung und Wissenschaft gewesen wäre.
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Ich möchte eine zweite Bemerkung machen. Was uns fehlt, so haben Sie gesagt, Herr Minister Rohde, seien nicht Programme, sondern Entscheidungen. Sie haben dann auf die Vorlage für die Konferenz der Regierungschefs am 14. Oktober hingewiesen. Dazu will ich dies sagen. Diese Vorlage war von einer Kommission unter dem Vorsitz von Herrn Ministerpräsidenten Goppel erstellt worden. In dieser Kommission war vereinbart, über die Vorlage zunächst in den Kabinetten des Bundes und der Länder eine
Meinungsbildung herbeizuführen. Aber bevor dies überhaupt beginnen konnte, stand nach einer Indiskretion - es ist unschwer festzustellen, woher sie kam - diese ganze Vorlage bereits in den Zeitungen. Sie wissen, daß dies eine massive Intervention des bayerischen Ministerpräsidenten ausgelöst hat. Ich finde, mit Recht. Denn wer so mit den Ministerpräsidenten der Länder glaubt umgehen zu können, darf sich nicht wundern, wenn er am Ende nichts erreicht.
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Ich möchte eine dritte Bemerkung machen. Wir wissen, daß uns in der beruflichen Bildung die eigentliche Bewährungsprobe noch bevorsteht, wenn in den nächsten Jahren die jungen Menschen aus den geburtenstarken Jahrgängen nach mehr Ausbildungsplätzen suchen, und wir wissen, daß wir noch nicht genügend Ausbildungsplätze zur Verfügung haben. Genau deshalb schlagen wir in unserem Antrag ein Bündel von Maßnahmen vor, mit denen alle Energien in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft darauf konzentriert werden sollen, daß wir diese Bewährungsprobe bestehen. Denn die jungen Menschen in diesem Land dürfen nicht den Eindruck gewinnen, sie seien deshalb, weil sie zu den geburtenstarken Jahrgängen gehören, für uns eine unwillkommene Belastung. Unsere Aufgabe ist es, den jungen Menschen in unserem Land die bittere Erfahrung zu ersparen, daß sie am Beginn ihres Berufslebens auf eine Welt von verschlossenen Türen und von vergebenen Plätzen stoßen. Deswegen möchte ich hier deutlich sagen, die jungen Menschen aus den geburtenstarken Jahrgängen sind für unser Land keine Belastung. Unser Land braucht diese jungen Menschen, die ihm und damit uns allen auf der Grundlage einer qualifizierten Ausbildung mit Kraft, mit Mut, mit Bereitschaft zur Leistung und mit Besonnenheit die Zukunft sichern sollen. Unser Land braucht junge Menschen, die ihm wieder Ansporn zu neuen Entwicklungen geben. Unsere Zukunft gründet nur dann auf einem soliden Fundament, wenn sie auf eine zuversichtliche Jugend gründen kann.
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Der Jugend ein Stück Zuversicht zurückzugeben, dies vor allem ist das Ziel der Initiativen, die wir heute hier vorgelegt haben. Und ich muß schon sagen, ich verstehe nicht, warum der Bundesregierung und den beiden Koalitionsparteien in der Debatte zu diesen Vorlagen nichts Besseres eingefallen ist, als an einigen Details herumzumäkeln und darüber hinaus von gewiß sehr fleißigen dienstbaren Geistern zusammengestellte Additionen vorzutragen, was die Bundesregierung geleistet hat und was sie nicht geleistet hat. Niemand in diesem Hause bestreitet, daß sich alle Mühe geben. Aber wenn Sie mit jungen Menschen im Lande draußen, mit ihren Eltern, mit den Familien, mit ihren Freunden sprechen, dann sehen Sie doch, daß das, was Regierung und Koalition heute hier als ihre Leistungsbilanz vorgetragen haben, daß das, was nach den Worten von Herrn Rohde alles bereits geschehen ist, alles Mögliche bewirkt haben mag, aber
eines mit Sicherheit nicht, nämlich daß diese junge Generation wieder mit mehr Zuversicht in ihre eigene Zukunft blickt.
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Statt hier beckmesserisch herumzumäkeln, statt auf den Ländern und allen möglichen anderen herumzuprügeln, hätte die Regierung besser getan, wenn sie endlich einmal ein eigenes, in sich geschlossenes Programm zur Sicherung der Ausbildungsplätze vorgetragen hätte. Aber genau darauf warten wir bis heute vergeblich. Die Regierungserklärung vom Dezember 1976 enthält ein solches Programm nicht. Seither hat es hierzu keine Erklärung der Bundesregierung mehr gegeben. Meine Damen und Herren, wenn in diesem Lande immer wieder nach Alternativen gefragt wird, dann möchte ich die Bundesregierung jetzt einmal konkret fragen: Wann endlich sehen wir eine in sich geschlossene Alternative der Bundesregierung zu dem Programm, das die CDU/CSU-Bundestagsfraktion heute morgen hier vorgetragen hat? Daran fehlt es in erster Linie!
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Nun, meine Damen und Herren, dreht sich ein beträchtlicher Teil der Debatte über die berufliche Bildung gegenwärtig um die Frage, ob die Wirtschaft zum Herbst dieses Jahres tatsächlich 100 000 zusätzliche Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt hat oder nicht. Ich habe heute schon Zweifel, ob auf diese Frage angesichts dessen, was wir hier an unterschiedlichen Statistiken bereits jetzt präsentiert bekommen haben, überhaupt eine unstrittige Antwort gelingen wird.
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Aber davon abgesehen: Die entscheidende Frage ist dies ja auch nicht. Die entscheidende Frage ist nicht, was in der Statistik steht. Entscheidend ist, ob die jungen Menschen in diesem Herbst Ausbildungsplätze in ausreichender Zahl gefunden haben oder nicht.
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In diesem Zusammenhang habe ich mit großem Interesse Zahlen gelesen, die der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft Anfang September veröffentlicht hat. Daraus ergibt sich, daß in diesem Jahr rund 30 000 Schulabgänger mehr einen Ausbildungsplatz gesucht haben als im vergangenen Jahr. Gleichzeitig gab der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft bekannt, daß von der Bundesanstalt für Arbeit bereits am 31. Juli 1977 33 100 Ausbildungsplätze mehr registriert worden sind als 1976.
Nun wird man diese Zahlen mit großer Vorsicht bewerten müssen. Aber mir scheint hier eine Tendenz sichtbar zu sein - Herr Minister Rohde hat das heute morgen im Grunde bestätigt; ich habe da genau zugehört -, nämlich eine Tendenz, nach welcher sich die Zahl der von der Wirtschaft in diesem Jahr zusätzlich zur Verfügung gestellten AusPfeifer
bildungsplätze nicht nur deutlich nach oben entwickelt hat, sondern auch die Zahl der Ausbildungsplätze insgesamt wohl stärker gestiegen ist als die Zahl der einen Ausbildungsplatz suchenden jungen Menschen. Ich meine, meine Damen und Herren, es wäre an der Zeit, daß die Bundesregierung - die Debatte wäre heute eine Chance gewesen - auch diese Anstrengungen unserer Ausbildungsbetriebe endlich einmal positiv bewertet und anerkennt.
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Denn wir müssen doch auch sehen, daß diese zusätzlichen Ausbildungsplätze - in unseren Betrieben, im Handwerk, im Handel und in der Industrie - in einer Zeit geschaffen worden sind, die auf der anderen Seite durch zusätzliche Probleme auf dem Arbeitsmarkt, durch fast 1 Million Arbeitslose, durch eine Konjunkturflaute gekennzeichnet ist. Wir müssen weiterhin sehen, daß damit nach der ganz erheblichen Ausweitung der Zahl der Ausbildungsplätze im Jahre 1975 und im Jahre 1976 auch 1977 wieder neue Ausbildungsplätze in großer Zahl geschaffen worden sind, obwohl die Bundesregierung bis zum heutigen Tage nichts oder jedenfalls nichts Wesentliches getan hat, um z. B. immer wieder genannte bestehende Hindernisse für die Erweiterung des Ausbildungsplatzangebotes zu verringern oder die Rahmenbedingungen für die Vermehrung der Ausbildungsplätze zu verbessern. Wenn das Ausbildungsplatzangebot in diesem Jahr dennoch erneut deutlich angestiegen ist, dann bestätigt dies ein weiteres Mal Effizienz, Elastizität und Flexibilität des dualen Ausbildungssystems, zu dem es keine Alternative gibt,
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und dann bestätigt dies aber vor allem auch, daß
letztlich in der Wirtschaft die Solidarität mit der
jungen Generation lebendig ist. Dies gehört, meine
auch in einer solchen Debatte einmal positiv hervorgehoben.
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Wer allerdings in dieser Situation - das ist heute morgen auch mehrfach geschehen - wieder unterschwellig die Diskussion über die Einführung der Ausbildungsplatzumlage beginnt, der gefährdet damit ausreichende Ausbildungsplätze in den nächsten Jahren; denn es wäre doch geradezu widersinnig, wenn die Bundesregierung jetzt angesichts allseits als notwendig bezeichneter Steuerentlastungen damit begönne, selbst solche Betriebe, die ausbilden, mit einer neuen Ausbildungsplatzabgabe zu belasten. Ich halte es auch für widersinnig, wenn angesichts der schwierigen konjunkturellen Situation der Wirtschaft die Betriebe mit dem sogenannten Ausbildungsplatzförderungsgesetz gezwungen werden sollen, im Bereich der Ausbildungsplätze einen Überhang von 12,5 % - das sind immerhin 50 000 Ausbildungsplätze - bereithalten zu müssen. Eine solche Überproduktion von im Augenblick nicht zu besetzenden Ausbildungsplätzen, wie sie das sage-. nannte Ausbildungsplatzförderungsgesetz verlangt, wäre in der gegenwärtigen Situation kaum zu verantworten. Meine Damen und Herren, das ist auch einer der Gründe, weswegen wir in der letzten Legislaturperiode dieses sogenannte Ausbildungsplatzförderungsgesetz nicht mit getragen haben.
Die Bundesregierung sollte endlich zu einem Umdenken in der Frage der Finanzierung der Berufsbildung gelangen. Nicht eine Umlage, die von den Betrieben aufgebracht werden muß, kann jetzt helfen, sondern helfen kann sehr viel eher eine auch mit steuerlichen Maßnahmen erzielbare Kostenentlastung der Betriebe, die ihrer Ausbildungsverpflichtung gerecht werden. Die Bundesregierung hat bisher leider zu wenig getan, um ein Vertrauensklima für die ausbildenden Betriebe zu schaffen. Sie hat nichts getan, um die Opferbereitschaft der Betriebe zugunsten der Ausbildungsplätze zu fördern. Dies vor allem, meine Damen und Herren, muß anders werden.
Ich möchte einen letzten Punkt anschneiden. Trotz allem, was es angesichts der derzeitigen Zwischenergebnisse an Positivem über die Entwicklung auf ,dem Ausbildungsstellenmarkt im Jahre 1977 zu sagen gibt, sind doch einige Probleme deutlich hervorgetreten. Eines möchte ich nennen. Wie im letzten Jahr hat es auch 1977 für benachteiligte und leistungsschwache Jugendliche, für Behinderte, für Hauptschüler ohne Abschluß und für Sonderschüler besondere Schwierigkeiten gegeben. Ohne den massiven Einsatz vieler Lehrer, z. B. vieler Sonderschullehrer, sähe es für diese jungen Menschen noch schlechter aus. Wir haben, um diesen jungen Menschen zu helfen, in unserem Antrag ein umfassendes Bündel von Vorschlägen unterbreitet. Viele dieser Vorschläge haben inzwischen auch :die Unterstützung der Bundesanstalt für Arbeit gefunden. Wir fordern die Bundesregierung auf, dieses Konzept schnell zu verwirklichen.
Meine Damen und Herren, in den letzten zehn Jahren haben die beiden Regierungsparteien mit großer Intensität darauf hingewirkt, daß die Zahl der Abiturienten mancherorts nicht mehr vertretbare Größenordnungen erreicht hat. Ich meine, wir sollten uns in den nächsten zehn Jahren endlich mit der gleichen Intensität darum kümmern, den leistungsschwächeren und behinderten Jugendlichen vermehrt zu einem Abschluß ihrer Berufsausbildung zu verhelfen.
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Dies liegt jetzt sehr viel mehr im Interesse der sozialen Symmetrie als vieles von dem, was die Bundesregierung sonst in ihrer Bildungspolitik initiiert hat.
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Ich komme zum Schluß. Die Bilanz des heutigen Vormittages macht eines deutlich. Die Bundesregierung macht es sich zu leicht, wenn sie vor den Wahlen in diesem Land den jungen Menschen alles Mögliche verspricht, aber nach den Wahlen die konkreten Konzepte nicht vorlegt. Seit diese Bundesregierung regiert, haben sich die Zukunftschancen der jungen Generation von Jahr zu Jahr ver3676
schlechtert. Ich stelle nach den heutigen Einlassungen der Bundesregierung und der sie tragenden Parteien mit Bedauern fest, daß eine Wende zum Guten nicht in Sicht ist.
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Weitere
Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, den Antrag an den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft - federführend -, an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung, den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit, den Wirtschaftsausschuß und den Haushaltsausschuß - mitberatend - zu überweisen. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Wir stehen am Ende der Plenarsitzung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages für Mittwoch, 19. Oktober 1977, 13 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.