Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 9/15/1977

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Die Sitzung ist eröffnet. Auf der Diplomatentribüne haben Seine Exzellenz der Präsident des japanischen Unterhauses und seine Delegation Platz genommen. ({0}) Ich darf Sie im Namen des Deutschen Bundestages recht herzlich begrüßen. Ich möchte den japanischen Gästen danken, daß sie der Einladung des Präsidenten des Deutschen Bundestages zu einem Besuch des Deutschen Bundestages und der Bundesrepublik Deutschland gefolgt sind. Das gibt uns die Möglichkeit, die freundschaftlichen Beziehungen des Deutschen Bundestages zum japanischen Unterhaus zu erneuern und zu vertiefen. ({1}) Herr Präsident Hori und die Delegation haben in ihren Aufenthalt einen Besuch in Berlin eingeschlossen. ({2}) Ich möchte Ihnen nochmals ein herzliches Willkommen zurufen und wünschen, daß Sie einen recht erlebnisreichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die heutige Tagesordnung um die folgenden, Ihnen in einer Liste vorliegenden Zusatzpunkte ergänzt werden: 1. Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Steuerentlastung und Investitionsförderung - Drucksache 8/900 -Überweisungsvorschlag: Finanzausschuß ({3}), Ausschuß für Wirtschaft, Ausschuß für Raumordnung," Bauwesen und Städtebau, Haushaltsausschuß mitberatend und gem. § 96 GO 2. Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Hammans, Burger, Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, Braun, Frau Karwatzki, Dr. Reimers, Frau Geier, Frau Dr. Neumeister und Genossen und der Fraktion der CDU/ CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Beruf des Logopäden - Drucksache 8/741 Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit ({4}), Ausschuß für Bildung und Wissenschaft 3. Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Reimers, Pfeifer, Frau Dr. Neumeister, Dr. Hammans, Frau Schleicher, Frau Geier, Prinz zu Sayn-Wittgnstein-Hohenstein, Dr. Becker ({5}), Burger, Hasinger, Köster, KrollSchlüter, Rühe, Damm, Metz, Frau Karwatzki, Würzbach, Eymer ({6}), Höpfinger, Dr. Hoffacker, Dr. Hüsch und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU betr. Durchführung des praktischen Jahres - Drucksache 8/697 Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit ({7}), Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Einwendungen gegen diese Ergänzung der Tagesordnung bestehen nicht. Die Ergänzung ist damit beschlossen. Für den aus dem Deutschen Bundestag ausgeschiedenen Abgeordneten Dr. Gölter hat die Fraktion der CDU/CSU als stellvertretendes Mitglied in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats den Abgeordneten Böhm ({8}) vorgeschlagen. Ist das Haus damit einverstanden? - Eine gegenteilige Meinung stelle ich nicht fest. Es ist so beschlossen. Damit ist der Abgeordnete Böhm ({9}) als stellvertretendes Mitglied in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats gewählt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich stelle fest, daß Punkt 1 der Tagesordnung, die Fragestunde, entsprechend einer Vereinbarung zwischen den Fraktionen um 14.00 Uhr aufgerufen wird. Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung Der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft hat mit Schreiben vom 7. September 1977 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die nachstehenden, bereits verkündeten Vorlagen keine Bedenken erhoben hat: Verordnung ({10}) des Rates zur Aufrechterhaltung der in der Gemeinschaft getroffenen Einfuhrmaßnahmen für Hemden und Blusen mit Ursprung in der Republik Indien ({11}) Verordnung des Rates zur Verlängerung des vorläufigen Antidumpingzolls für Kugellager, Kegelrollenlager und deren Teile mit Ursprung in Japan ({12}) Verordnung ({13}) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung von Gemeinschaftszollkontingenten für bestimmte Weine mit Ursprungsbezeichnung der Tarifstelle ex 22.05 des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Algerien ({14}) ({15}) Verordnung ({16}) des Rates über zeitweilige Aussetzung der autonomen Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs für einige landwirtschaftliche Waren ({17}) Verordnung ({18}) des Rates zur sechsten Verlängerung der in der Verordnung ({19}) Nr. 2823/71 vorgesehenen zeitweiligen teilweisen Aussetzung der Zollsätze des gemeinsamen Zolltarifs für Wein mit Ursprung in und Herkunft aus der Türkei ({20}) Verordnung ({21}) des Rates über die Aufteilung eines Gemeinschaftskontingents für zur Herstellung von Brennwein bestimmten Wein aus frischen Trauben mit Ursprung in Algerien ({22}) ({23}) Verordnung ({24}) des Rates über eine für 1977 und 1978 geltende Abweichung von einigen Vorschriften über die Bestimmung des Begriffs „Waren mit Ursprung in ..." oder „Ursprungswaren" in dem Interimsabkommen zwischen der 8. Wahlperiode Vizepräsident Stücklen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Marokko und dem Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Marokko ({25}) Verordnung ({26}) des Rates zur Aufrechterhaltung der Regelung, nach der die Einfuhr von Geweben aus Baumwolle und Geweben aus synthetischen Spinnfasern mit Ursprung im Königreich Thailand nach Italien von der Erteilung einer Genehmigung abhängig gemacht wird ({27}) Verordnung ({28}) des Rates zur Durchführung des Beschlusses Nr. 1/77 des AKP-EWGMinisterrats über die Abweichung von dem Begriff „Ursprungswaren" angesichts der besonderen Lage von Malawi hinsichtlich einiger Fischfanggeräte ({29}) zur Durchführung des Beschlusses Nr. 2/77 des AKP-EWGMinisterrats über die Abweichung von dem Begriff „Ursprungswaren" angesichts der besonderen Lage von Kenia hinsichtlich einiger Fischfanggeräte ({30}) ({31}) Verordnung ({32}) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Rum, Arrak und Taffia der Tarifstelle 22.09 C I des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in den mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft assoziierten überseeischen Ländern und Gebieten ({33}) ({34}) Verordnung des Rates zur Beibehaltung der vorläufigen Schutzmaßnahmen bei der Einfuhr von Baumwollgarnen, nicht in Aufmachungen für den Einzelverkauf mit Ursprung in der Republik Indien, in das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland ({35}) Verordnung des Rates über die Einfuhrregelung für bestimmte Juteerzeugnisse mit Ursprung in der Volksrepublik Bangladesch ({36}) Verordnung ({37}) des Rates zur Beibehaltung der Regelungen, mit denen die Einfuhr bestimmter Unterkleidung aus Gewirken mit Ursprung in der Republik Indien in das Vereinigte Königreich von der Vorlage einer Genehmigung abhängig gemacht wird ({38}) Verordnung ({39}) des Rates zur Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnung ({40}) Nr. 1267/69 zur Festlegung der Sonderbestimmungen, die bei der Einfuhr von unter die Verordnung ({41}) Nr. 1059/69 fallenden Waren aus Griechenland in die Gemeinschaft anwendbar sind ({42}) Verordnung des Rates über den Abschluß des Interimsabkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Libanesischen Republik ({43}) Verordnung ({44}) des Rates zur verlängerten Anwendung der für den Warenverkehr mit Malta geltenden Regelung nach Ablauf der ersten Stufe des Assoziierungsabkommens zur verlängerten Anwendung der für den Warenverkehr mit der Republik Zypern geltenden Regelung nach Ablauf der ersten Stufe des Assoziierungsabkommens ({45}) Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf: Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

Helmut Schmidt (Kanzler:in)

Politiker ID: 11002007

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Weder die Bürger unseres Staates noch ihre gewählten Repräsentanten im Deutschen Bundestag erwarten heute, daß ich Auskunft über Schritte gebe, die wir für sinnvoll und geboten halten, um für Hanns Martin Schleyer die Freiheit zurückzugewinnen. Aber jedermann hat einen Anspruch auf ein verantwortliches Wort des Bundeskanzlers. Dabei respektiere ich den Wunsch der Opposition, bei meiner Erklärung die für heute vorgesehen gewesenen Themen der Außenpolitik, des Wachstums und der Beschäftigung auszuklammern, wenngleich es sich dabei um Fragen von entscheidender Bedeutung für unser Gemeinwesen handelt. Ich beschränke mich auf die unmittelbare Notlage. Dabei will ich auf Ursachen und Hintergründe des Terrorismus, auf dessen Bekämpfung, auf die Vorbeugung, auf die notwendige geistig-politische Auseinandersetzung mit dem Terrorismus jetzt nicht eingehen. Ich will heute morgen keinerlei Anlaß zur Kontroverse bieten. Mir liegt am Herzen, zunächst Millionen Deutscher zu danken, die in diesen Tagen an Hanns Martin Schleyer und an seine Familie denken, insbesondere auch denjenigen zu danken, die das Handeln des Staates mit Vertrauen begleiten und die ihren gewählten Abgeordneten und den staatlichen Repräsentanten mündlich und brieflich ihr Vertrauen ausgedrückt und ihren Rat angeboten haben. Ich schließe in diesen Dank auch die Redaktionen in den Medien ein, von denen ein hohes Maß an Zurückhaltung und Kooperationsbereitschaft erwartet, aber in den meisten Fällen auch tatsächlich geleistet worden ist. Besonderer Dank gilt den Angehörigen der Polizei, der Justiz und der anderen für unsere Sicherheit tätigen Organe. Diese in gefährlichen Berufen Tätigen haben unser Vertrauen und unsere Solidarität. Ich erwähne in diesem Zusammenhang aber auch die Partei- und Fraktionsvorsitzenden, die Mitglieder des Deutschen Bundestages, die - ob Opposition oder Koalition - in diesen Tagen der Bundesregierung und den betroffenen Landesregierungen mit Ratschlag und mit Entschußkraft zur Seite stehen. Die betroffenen Ministerpräsidenten, ihre Landesminister und die Bundesregierung haben bisher, alles in allem, ein heute über zehn Tage andauerndes hohes Maß an enger Abstimmung miteinander erreicht. Ich vertraue darauf, daß diese allseitige Zusammenarbeit bis zur Lösung der schlimmen Zwangslage andauern wird, in die uns das terroristische Verbrechen gebracht hat. Die Mordanschläge und die Entführung richten sich gegen ihre unmittelbaren Opfer, richten sich aber zugleich auch - darin ist dem Präsidenten des Bundestages beizupflichten, der dies heute vor einer Woche in der Trauerbekundung des Deutschen Bundestages so gesagt hat - gegen unsere freiheitliche Ordnung im Ganzen, gegen jede menschliche Ordnung überhaupt, und sie richten sich damit gegen jeden einzelnen von uns. Deshalb stehen wir auch tatsächlich zusammen. Die Bundesregierung und die vier Ministerpräsidenten konnten sich bei allem, was in den letzten zehn Tagen zu entscheiden, zu tun oder zu unterlassen war, jeweils auf die einmütige Meinung derjenigen stützen, die uns in dieser Sache regelmäßig ihren Rat leihen. Dies geschieht übrigens nicht, um Verantwortung zu verwischen; das wäre ein Mißverständnis. Es handelt sich nicht darum, die notwendigen Entscheidungen auf so viele Schultern zu verteilen, daß nachträglich die Verantwortlichkeit nicht mehr erkennbar wäre. Vielmehr finden wir es angesichts des schweren Verbrechens und angesichts der Bedeutung des Lebens des einzelnen selbstverständlich, gemeinsam nachzudenken, gemeinsam zu beraten - unabhängig von unserer persönlichen Zugehörigkeit zu verschiedenen Verfassungs- und Staatsorganen, zu verschiedenen Parteien und verschiedenen Bundestagsfraktionen. Das haben wir zur Zeit der Entführung unseres Kollegen Lorenz so gehalten, das haben wir im Falle des Anschlages auf unsere Stockholmer Botschaft so gehalten, und dies ist auch heute und morgen so der Fall. Die eben erwähnten früheren Geiselnahmen - wie auch z. B. die Geiselnahme durch ausländische Terroristen zur Zeit der Olympiade in München - geschahen alle unter jeweils verschiedenen Umständen. Wir haben inzwischen rund 70 Fälle von Geiselnahme in anderen Staaten der Welt sorgsam analysiert, die mit Nötigung oder Erpressung gegen die jeweilige Regierung verbunden gewesen sind. Aus den gewonnenen Erkenntnissen ergibt sich, daß - von einer Ausnahme abgesehen - Regierungen nicht im Vorwege Regeln für ihr Verhalten aufstellen oder gar veröffentlichen können, sondern daß sie sich in jedem einzelnen Falle verantwortlich entscheiden müssen. Diese Verantwortung heißt: nichts zu versäumen und nichts zu verschulden. Nicht immer lassen sich diese beiden Maximen miteinander vereinbaren. Aber sie gelten sowohl für die Bundesregierung als auch für die Landesregierungen; sie gelten für Journalisten genauso wie für Politiker; sie gelten ebenso für jeden Bürger: nichts zu versäumen und nichts zu verschulden. Die Erregung über die Morde in Karlsruhe, im Taunus, in Köln und über die Entführung des Herrn Schleyer ist allenthalben in unserem Volk, sie ist ebenso im Auslande zu spüren. Zu jeder Stunde ist uns am Beratungstisch gegenwärtig, was unsere Mitbürger empfinden. Wir sind selbst tief erregt. Es braucht sich deshalb niemand zu sorgen, daß wir in unseren Überlegungen vernachlässigen könnten, was außerhalb unserer Beratungen gedacht und empfunden wird. Buchstäblich niemand braucht sich darum zu sorgen. All unser Sinnen und Planen ist darauf gerichtet, eine Lösung und ein Ergebnis zu erreichen, die mit unseren sittlichen und rechtlichen Grundüberzeugungen und mit unserem Glauben an die Grundwerte einer freiheitlichen Gesellschaft übereinstimmen. Wir werden an dieser Linie festhalten. Vor zwei Jahren habe ich bei einem ähnlichen Verbrechen gesagt, wir seien bereit, bis an die Grenzen dessen zu gehen, was uns der Rechtsstaat erlaubt und was er uns gebietet. Es entspringt dieser Bereitschaft, daß wir in der gegenwärtigen Lage nicht nur die wegen terroristischer Gewalttaten rechtskräftig Verurteilten, sondern auch die solcher Aktivitäten dringend Verdächtigen, also Strafgefangene ebenso wie Untersuchungsgefangene - und wessen Urteil noch nicht rechtskräftig ist, ist auch noch Untersuchungsgefangener -, während dieser Tage auch von dem Verkehr mit ihren Verteidigern abgeschnitten haben. Mehrere Gerichte haben dies gutgeheißen. Ein anderes Gericht hat an der Rechtfertigung dieser durch Landes- und Bundesbehörden verfügten Maßnahme gezweifelt. Uns erscheint dieser Schritt zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für Menschenleben als eine im Augenblick unabweisbare Notwendigkeit. Uns erreichen vielerlei Ratschläge, die über solche Maßnahmen weit hinausgehen wollen, bis hin zu dem Vorschlag von Repressionen und Repressalien, die sich gegen das Leben einsitzender Terroristen richten. Ich will dem Bundestag dazu meine Überzeugung nicht verhehlen: Androhen kann man nur, was man auch tatsächlich ausführen will und was man tatsächlich ausführen darf. Drohungen mit Schritten, die unsere Verfassung brechen würden, sind deshalb untauglich. Die Mitglieder der Bundesregierung und auch ich selbst haben vor dem Bundestag geschworen, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes zu wahren und zu verteidigen. Ich habe den festen Willen, diesem Eid zu gehorchen. Gleichzeitig will ich ebenso deutlich erklären, daß ich zur Erörterung jedes ernsthaften Rechtsgedankens, der uns in bezug auf zukünftige Gesetzgebung vorgetragen wird, bereit bin. Es ist klar, daß solche Erörterungen einerseits nur in Verantwortung für das Ganze und nur auf dem Fundament der tragenden Eckpfeiler unseres Grundgesetzes möglich sind; es ist andererseits klar, daß sie auch streitig geführt werden können, wenn der Zeitpunkt für solche Erörterungen gekommen sein wird. Wir alle werden dabei den Staat nicht auf den Weg zu jenem Ende drängen lassen, welches die Terroristen unserer freiheitlichen, demokratischen Grundordnung zugedacht haben. Der Staat, den sie für ohnmächtig halten, den sie zu unterminieren trachten, dieser Staat ist keineswegs ohnmächtig. Er wird am Ende den Terrorismus besiegen, weil die breitesten Massen unseres Volkes den Terrorismus verabscheuen. Wir können uns auch auf innere Zustimmung und tatsächliche Kooperation, auf öffentlich bekundete Zustimmung und Hilfsbereitschaft anderer Staaten stützen. Unsere Partnerstaaten im Bündnis und in der Europäischen Gemeinschaft haben hinsichtlich der Meinungsfreiheit eine ähnliche Grundstruktur wie wir selbst. So, wie wir ertragen müssen, daß ekelhaft-zynische Schmähschriften bei uns gedruckt und verbreitet werden können, ehe es zur Strafverfolgung kommt, so gibt es dergleichen auch im Ausland. Einige ausländische Zeitungen haben sich anläßlich der terroristischen Verbrechen besonders der geistigen, der geistig-politischen Lage in Deutschland zugewandt. Es mag hier und da, wie gestern eine unserer Zeitungen schrieb, die Neigung geben, die als ungeheuerlich empfundenen terroristischen Taten nicht nur einem extremistischen Wahnsinn zur Last zu legen, sondern, wie es dort hieß, einem deutschen Wahnsinn überhaupt, der periodisch ausbräche. In solche Feuer werden wir kein Öl schütten. Wir haben das auch im Falle der Flucht Kapplers nicht getan. Wir verurteilen Verbrechen, die 1944 in Italien oder 1977 in Deutschland begangen worden sind, mit der gleichen Abscheu. Wir verurteilen den Bruch der Rechtsordnungen unserer Partner ebenso wie einen Bruch unserer eigenen Rechtsordnung. Die Tat von Köln ist Mord. Die Täter sind Mörder. Ein Mord, bei dem behauptet wird, er diene einem politischen Zweck, bleibt nichtsdestoweniger Mord. Die Vorstellung der Terroristen, sie führten einen „Krieg", wie sie sagen, ist eine absurde Vorstellung. Die Bundesregierung will ihrer Überzeugung getreu das Recht bewahren. Sie will keine - wie sie es nennen - „militärische" Lösung; sie will, dem Auftrag des Grundgesetzes gemäß, das Recht bewahren und weiteres Blutvergießen vermeiden. Deswegen haben wir auf indirekten Wegen Kontakte mit den Entführern hergestellt; wir werden diese Kontakte mit Geduld und mit Beharrlichkeit fortsetzen. In diesen Tagen haben herausragende Personen aus unserem Geistesleben und aus den Kirchen an die Entführer appelliert, unter ihnen Bischof Moser von Rottenburg und Landesbischof Class. In ähnlicher Weise ist eindringlich appelliert worden an diejenigen, welche die Entführung unterstützt haben oder sie noch unterstützen. Ebenso ist appelliert worden an solche, die Sympathie geäußert haben. Ich kann Appelle nicht qualifizieren, die von der Absicht getragen sind, die Entführer abzubringen von der Fortsetzung ihrer Untaten, die von der Absicht getragen sind, das Leben des Entführten zu retten. In vielen Fällen stammt der Appell von wahrlich kritischen Mitgliedern unserer Gesellschaft. Gleichwohl. Wir wiederholen diesen Appell, wir wiederholen diesen Aufruf: Beenden Sie Ihr irrsinniges Unternehmen! Sie irren sich: Wir werden uns von Ihrem Wahnsinn nicht anstecken lassen. Sie halten sich für eine ausgewählte kleine Elite, welche ausersehen sei - so schreiben Sie -, „die Massen zu befreien". Sie irren sich: Die Massen stehen gegen Sie. ({0}) Sie wollen die Funktionstüchtigkeit unseres demokratischen Gemeinwesens unmöglich machen, Sie wollen demokratische Politik schlechthin unmöglich machen. Sie irren sich: Niemand im Bundestag, der die freiheitliche demokratische Grundordnung nicht verteidigen wird! Die Arbeit in unserem Lande geht weiter. Die Arbeit des Parlaments und der Regierung geht weiter. Die Bundesregierung hat gestern wichtige haus-halts-, finanz- und beschäftigungspolitische Beschlüsse gefaßt. Wir haben lange daran gearbeitet. Wir werden uns von den Terroristen keine Vernachlässigung unserer Aufgaben, keine Untätigkeit aufzwingen lassen. Ich begrüße es deshalb, daß der Bundestag heute mit der Beratung der ihm vorgelegten wichtigen Steuervorlagen beginnen wird. Es ist selbstverständlich, daß es dabei nicht ohne parlamentarischen Streit abgehen kann. Es ist eine normale und zugleich eine zentrale Führungsaufgabe des Parlaments in jeder Demokratie, streitig die verschiedenen politischen Grundströmungen eines Volkes öffentlich vorzutragen und sodann den Streit durch Mehrheit zu entscheiden. Dies wird auch zukünftig so bleiben. Aber ebenso - so vertraue ich - werden wir auch in Zukunft dann und dort zusammenstehen, wenn und wo es um die Abwehr einer uns alle gemeinsam bedrohenden akuten Gefahr geht. Wir werden entschlossen den inneren Frieden und die politische Stabilität der Bundesrepublik bewahren. Wir brauchen dazu in diesen Tagen viel an innerer, selbstauferlegter Disziplin, sogar Gelassenheit. Ich weiß, daß dies für viele schwer ist. Für mich selbst ist es auch schwer. Aber diese Selbstbeherrschung ist ein notwendiger Ausdruck unserer Gesinnung und unserer Verantwortung. Am Schluß ein Gedanke an die Jüngeren. Wir Älteren, die Diktatur und Gewalt, Zuchthäuser und Vertreibung, Elend und Not erlebt haben, wir wissen, was Krieg ist. Deshalb haben wir gearbeitet für den Frieden. Deshalb arbeiten wir heute für den Frieden für den Frieden nach außen und für den Frieden nach innen. Gewiß mögen wir Fehler machen. Gewiß mögen wir Versäumnisse begehen. Gewiß mögen die Ergebnisse unserer Arbeit die Erwartungen von Jüngeren enttäuschen. Aber eines wissen wir - wir wissen es genau: Nie hat es in Deutschland für junge Menschen so viele Rechte, so viel Freiheit, so viel soziale Sicherung, so viele Bildungs- und Lebenschancen gegeben, wie sie ihnen im Laufe der drei Jahrzehnte des Aufstiegs der zweiten deutschen Demokratie eröffnet worden sind. Lassen Sie uns den Jungen gemeinsam zurufen: Erwerben Sie auch innerlich Ihre demokratische Bürgerschaft in unserem Gemeinwesen, nehmen Sie sie an, um sie einzusetzen zur demokratischen Gestaltung des zukünftigen Lebens Ihrer eigenen Generation! Gestaltung durch Überzeugen - nicht durch Gewalt! ({1})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kohl.

Dr. Helmut Kohl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001165, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zehn Tage trennen uns bereits von dem mörderischen Terroranschlag in Köln. Vier Menschenleben wurden in sinnloser Weise ausgelöscht. Wir alle bangen zusammen mit seiner Familie um Hanns Martin Schleyer. Die Kette der terroristischen Mordanschläge ist lang geworden. Vor uns stehen die Bilder der Opfer und ihre Namen: der Gerichtspräsident, die Fahrer, die Diplomaten, der Generalbundesanwalt, die Polizeibeamten, der Bankier. Betroffen sind wir alle, nicht ein einzelner, nicht eine Schicht, nicht eine Gruppe, wir alle. Dies ist ein Anschlag auf unser ganzes Volk, auf unseren demokratischen Staat, seinen inneren Frieden und damit auf unsere Freiheit. Wir danken allen, die in diesem Kampf gegen den Terrorismus stehen, vor allem unseren Polizeibeamten, unseren Sicherungsorganen. Niemand von uns kann es zur Stunde wagen, das Ende dieses wahnsinnigen Mordens vorauszusagen. Viele Worte des Gedenkens und der Trauer sind gesprochen. Unsere Bürger, wir alle sind tief aufgewühlt. Die Bevölkerung fragt sich, wie lange wir mit dem Terror noch leben müssen. Deshalb wollen unsere Mitbürger wissen, was die Regierung, was die politisch Verantwortlichen tun, um den Terroristen endgültig das Handwerk zu legen. Reden, meine Damen und Herren, haben die Bürger genug gehört; jetzt wollen sie Taten sehen. Machen wir uns nichts vor, in unserer Bevölkerung wächst die Unruhe über die anhaltende Ungewißheit. Wir, die CDU/CSU, bekennen uns in der Bekämpfung des Terrorismus zu unserer Verantwortung. Wir sind entschlossen, unsere demokratische Pflicht zu erfüllen, so wie es uns das Grundgesetz, unsere Verfassung, auferlegt. Seine sittlichen Werte sind Richtschnur unseres Handelns. Aber ich füge hinzu: Die Solidarität der Demokraten darf sich nicht nur in Worten erschöpfen. Sie darf auch nicht immer nur von Terroranschlag zu Terroranschlag, von Mord zu Mord beschworen werden. Gefordert ist jetzt von uns allen die Solidarität im Handeln. ({0}) Ich appelliere deshalb an uns alle: Treffen wir gemeinsam und so rasch wie möglich die notwendigen und die längst überfälligen Entscheidungen. Das erwarten die Bürger von uns. Wer sich dieser Notwendigkeit jetzt noch länger verschließt, muß wissen, daß dadurch nicht nur die eine oder andere Partei in diesem Hause schaden leidet. Schaden erleidet vor allem unser Staat, Schaden erleidet die Überzeugung unserer Mitbürger, daß dieser Staat handlungsfähig ist, daß dieser Staat die Kraft und den Willen hat, sich der Herausforderung der Terroristen zu stellen und sich zu wehren. In dieser Bedrohung muß sich die Autorität unserer Staates als eine lebenssichernde und friedensstiftende Kraft erweisen. Die CDU/CSU-Fraktion hat wichtige Gesetzesvorschläge zur Verbesserung der inneren Sicherheit eingebracht. Weitere werden in Kürze folgen. Die außergewöhnliche Bedrohung erfordert dies. Herr Bundeskanzler, wir haben heute mit Interesse zur Kenntnis genommen, daß Sie jetzt offen und bereit sind, unsere Vorschläge zu erörtern. Daran werden wir Sie erinnern. Meine Damen und Herren, jedermann wird verstehen, warum wir vereinbart haben, heute im einzelnen darüber nicht zu debattieren. Aber wir müssen um unseres Staates willen bald schonungslos über Ursachen und Wirkungen des Terrorismus sprechen und notwendige Gegenmaßnahmen treffen. Schon jetzt aber appelliere ich an alle, die bisher glaubten, es mit fehlgeleiteten Idealisten zu tun zu haben, welche nur die falschen Mittel gewählt hätten: Ziehen Sie sofort und endgültig einen klaren Trennungsstrich! Für Mord, für Terror und Gewalt gibt es keine Rechtfertigung, keine Entschuldigung. Haben Sie den Mut zur Umkehr. ({1}) Alle Bürger fordere ich auf, durch ihr persönliches Engagement unsere Freiheit vor Terror zu schützen. Es gilt, unserer Polizei zu helfen, es gilt, die Staatsorgane zu unterstützen, damit sie ihre Pflicht erfüllen können. Wir alle, meine Damen und Herren, müssen unsere Pflicht tun. ({2})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wehner.

Herbert Wehner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002444, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir, die wir hier zur Plenarsitzung des Deutschen Bundestages versammelt sind, haben vieles aneinander auszusetzen und vieles, in dem wir gegeneinander stehen. Gemeinsam haben wir die Pflicht, der Bundesrepublik Deutschland mit allen unseren Kräften zu dienen. Die Bundestagsfraktion der SPD dankt dem Herrn Bundeskanzler für seine Regierungserklärung und dafür, daß er sich nicht nur mit Intensität, sondern aufopfernd den Bemühungen widmet, die seit jenem schrecklichen 5. September erforderlich sind. Seit jenem schrecklichen 5. September, seitdem sich Hanns Martin Schleyer in der Gewalt terroristischer Entführer befindet und seitdem die Polizeibeamten Reinhold Brändle, Roland Pieler, Helmut Ulmer und der Kraftwagenfahrer Heinz Marcisz ermordet worden sind. Die Sicherheitskräfte der Bundesrepublik sind seit dieser schauerlichen Tat ohne Unterbrechung um die Rettung des Lebens des Entführten bemüht. Unsere, die Meinung der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, ist es, daß mit dem Kölner Mord- und Entführungsanschlag die Auseinandersetzung mit den terroristischen Gewalttätern in eine besonders kritische Phase getreten ist. Die Morde und die Entführung vom 5. September stellen die Bundesrepublik auf eine kaum zu beschreibende Probe. Sie muß das Äußerste zur Rettung des Lebens von Hanns Martin Schleyer aufbieten, und sie darf den Terroristen keine Chance zur Fortsetzung ihrer Verbrechen bieten. Das ist die uns auferlegte Pflicht. Die von den Terroristen geforderte Freigabe von elf Terroristen aus der Haft bedeutet u. a.: Es handelt sich um die Täter von 16 Morden und 43 Mordversuchen. Diese Verbrechen gehören zu den zahlreichen weiteren Verbrechen, deren sie sich schuldig gemacht haben. Die erpresserische Forderung ist eine der schwersten Herausforderungen, mit denen es die Bundesrepublik Deutschland bisher zu tun hatte, und es ist verständlich, wenn angesichts der blutigen Ereignisse und der Brutalität der Geisel- nahme die Gefühle fast aller Mitmenschen aufgewühlt sind. Daß die vom Volk gewählten Parlamentarier von Fragen geplagt werden, die sowohl die Ahndung der Verbrechen als auch den Schutz vor weiteren Verbrechen zum Gegenstand haben, entspricht der Situation. Die Notwendigkeit der Verständigung über jeden Schritt auf dem Wege zur Rettung des Lebens von Hanns Martin Schleyer und zur Ergreifung von Verbrechern stellt auch die Parlamentarier vor ernsteste Fragen, denen wir uns gewachsen zeigen müssen, so schwer die seelische und die körperliche Belastung auch ist. Die Bundestagsfraktion der SPD, für die zu sprechen ich hier die Ehre habe, hat nach Berichten des Bundeskanzlers Helmut Schmidt und des Vorsitzenden unserer Partei, Willy Brandt, am Dienstag einstimmig betont und gelobt: Regierungsstellen und Sicherheitskräfte bedürfen bei der Bekämpfung des Terrors der uneingeschränkten Unterstützung aller. Diese Unterstützung verlangt vor allem Selbstdisziplin. Wer jetzt, während um das Leben von Hanns Martin Schleyer gerungen wird, öffentlich unausgegorene Vorschläge lanciert, vermeintliche Patentrezepte anbietet oder sich mit besonders kühnen Thesen hervorzutun versucht - nach welcher Richtung auch immer -, erschwert die Fahndung und trägt dazu bei, die Öffentlichkeit zu verwirren. Das aber ist eines der Ziele der Terroristen. Parteipolitische Polemik in einer solchen Situation ist nach unserer Auffassung würdelos. ({0}) Die Bundestagsfraktion der SPD wird sich diszipliniert verhalten. Seit den Tagen und Nächten - entnervend und aufwühlend - nach der Bluttat von Köln ist festzustellen: Das Drama liegt noch nicht hinter uns. Die Zeit der Analyse der Ereignisse und aller Faktoren, die in den Ereignissen wirksam geworden sind, die Zeit, wie sie zu beurteilen sind, ist noch nicht da. Die Sicherheitsorgane und jeder einzelne, der ihnen dient, bedürfen der Unterstützung durch alle Mitbürgerinnen und Mitbürger. Die freigewählten Parlamentarier müssen und - so nehme ich an - werden ihnen dabei ein gutes Beispiel zu geben bemüht sein. Die Verfassungsorgane haben ihre Pflicht. Zu ihrer Pflicht gehört auch, daß sie den Staat Bundesrepublik Deutschland nicht lahmlegen lassen, sondern den Notwendigkeiten gerecht werden, die sich in unserer Situation überhaupt ergeben. Das heißt: Die Bundesrepublik ist herausgefordert. Mein verehrter Vorredner hat gesagt, es wachse die Unruhe über die anhaltende Ungewißheit. Ich folge ihm bis zu einem gewissen Punkt. Aber ich erlaube mir, hinzuzufügen: Solange sich Hanns Martin Schleyer am Leben befindet, hat es mehrere Seiten, über Unruhe und Ungewißheit zu sprechen. Priorität hat, was wir zu tun vermögen und zu unterstützen vermögen, um dieses Am-Leben-Erhalten des Entführten, soweit wir es vermögen, zu gewährleisten. Wir und der Bundeskanzler sind hier aufgefordert worden - wir, die wir uns mit ihm solidarisieren, sagen auch dazu ein Wort -, die notwendigen und längst fälligen Entscheidungen zu treffen. Meine Damen und Herren, der Bundeskanzler hat hier an seinen Eid erinnert. Ich erinnere an unser aller Eid. Es gibt im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland und unserer Pflicht ihr gegenüber keinen Unterschied hinsichtlich dieser Eide. Worum es geht, ist, alles nutzbar zu machen, was die geltenden Gesetze ermöglichen, und dabei auch Lehren für gegebenenfalls weitere gesetzgeberische Schritte zu ziehen, aber nicht das eine gegen das andere auszuspielen oder ausspielen zu lassen, jeder Prüfung gegenüber aufgeschlossen zu sein und sie nicht der unterschiedlichen Parteibezeichnungen wegen von vornherein zurückzuweisen. Die Terroristen und manche, die über die Ereignisse schreiben und sie kommentieren, gebrauchen die Begriffe vom „Partisanenkampf", vom „Bürgerkrieg" und vom „Krieg". Womit wir es zu tun haben, womit es Deutschland zu tun hat, ist weder Partisanenkampf noch Bürgerkrieg oder Krieg. Diejenigen, die die Verbrechen begehen und weitere Verbrechen zu begehen sich gerüstet haben, sind keine politische Richtung oder Strömung in unserem Volk und in unserem Parteien- und Organisationsspektrum. Sie sind der organisierte und bewaffnete Versuch, Politik unmöglich zu machen. Politik, das heißt, das Notwendige für alle im Ringen um die bestmöglichen Wege nicht nur zu finden, sondern auch verwirklichen zu können. Dem Ziel, dies unmöglich zu machen, gilt der organisierte bewaffnete Versuch von terroristischen Verbrechern, damit im Chaos die destruktiven Kräfte die weitere Entwicklung beeinflussen und möglicherweise diktieren können. Niemand von uns kann, wie immer der Grad der Erregung ist, sich zum alleinigen Hüter und Sprecher dieser Bundesrepublik Deutschland und unseres Volkes in dieser schlimmen Auseinandersetzung machen. Ich verlange und wir verlangen und erwarten auch nicht, daß einer sozusagen dasselbe sagt wie der andere. Bei der Beisetzung des Kraftwagenfahrers Heinz Marcisz hat der Betriebsratsvorsitzende der Niederlassung Köln von Daimler-Benz, Heinz Bastian, gesagt: Wir leben als Bürger und Arbeitnehmer sicherlich nicht in einer Welt, in der alles vollkommen ist. Eines ist jedoch gewiß: In der Welt, die uns die Terroristen und deren Sympathisanten aufbauen möchten, wollen wir als arbeitende Menschen in diesem Land auf keinen Fall leben. ({1}) Das heißt, meine Damen und Herren, für uns alle, die wir hier zu dieser Plenarsitzung des Deutschen Bundestages zusammengekommen sind - bei aller Unterschiedlichkeit der Auffassungen über das geschichtliche Werden der freiheitlichen Arbeiterbewegung und auch ihrer Rückschläge und ihrer Eigentümlichkeiten -, daß hier ein wesentlicher Pfeiler unseres demokratischen Gemeinwesens nicht in eine Nähe zu Leuten gebracht werden will und auch nicht gebracht werden darf, die mit Mord und Entführung und schlimmeren weiteren Drohungen nicht eine andere Politik, sondern keine Politik, die vom Volk getragen werden kann und um die die Vertreter des Volkes ringen können, möglich sein lassen wollen. ({2})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Engelhard.

Hans A. Engelhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000472, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die dunklen Schatten ungesühnter Morde und die beklemmende Ungewißheit der kommenden Entwicklungen lasten auf dieser Debatte. In unsere Trauer um die Opfer des Kölner Attentats, in unsere Bedrückung und Sorge um das Leben von Hanns Martin Schleyer mischen sich Zorn und Empörung. Seit zehn Tagen vereinen diese Gefühle ein ganzes Volk, stärker denn je zuvor, in der Ablehnung des Terrors. Wir danken an dieser Stelle allen, die draußen bei der Fahndung weit mehr als ihre Pflicht tun. Wir wünschen dem kleinen Kreis der Träger höchster Verantwortung im Krisenstab Kraft für ihr schweres Amt. Unsere größte Hochachtung gilt allen, die sich dieser Verantwortung gestellt und nicht entzogen haben. Jetzt, da uns nur äußerste Konzentration aller vorhandenen Möglichkeiten hoffen lassen kann, ist Besserwisserei nicht gefragt. Dies ist nicht die Zeit, im Detail die Richtlinien unseres künftigen Handelns hier zu beraten. Der bisherige Verlauf der Aussprache hat auch gezeigt, daß alle im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen um die besondere Verantwortung wissen, die sie gerade heute zu tragen haben - trotz der Versuchungen, die unüberhörbar mitschwingen. In der Tat wäre es schon so etwas wie ein halber Erfolg der Terroristen, wenn ihre mörderischen Anschläge den Streit der Parteien anfachen würden und die von allen Politikern geforderte geistige und moralische Disziplin aus den Fugen geraten ließen. Das Ziel der Terroristen ist die Zerstörung unserer rechtsstaatlichen Ordnung. Das aber setzt voraus, daß die für die Verfassungswirklichkeit Verantwortlichen - das sind wir alle draußen im Lande und hier in diesem Hause - selbst die Fassung verlieren und tiefster eigener Überzeugungen nicht mehr gewiß sind. Das Gerede von einem angeblichen Bürgerkrieg ist nicht nur leichtfertig; es ist schlichtweg falsch. 'Bürgerkrieg - das ist eine realitätsferne Wunschvorstellung aus der Terroristen blutiger Traumwelt. An der Wirklichkeit einer Mörderbande ändert auch das Umfeld der Sympathisanten nichts. Wer angesichts vielfacher Morde auch heute noch Gewalt lobpreist, rechtfertigt, entschuldigt, beschönigt, wird eines Besseren wohl kaum noch zu belehren sein. Er ist ein Schreibtischtäter, den wir, wo auch immer, stellen und isolieren müssen. Jeder einzelne Bürger ist aufgerufen, in seinem persönlichen Lebensbereich der Gewalt in allen ihren Erscheinungsformen entgegenzutreten. Auch die Frage danach, warum dies alles so gekommen ist, richtet sich nicht nur an den Staat, seine Organe, seine Repräsentanten. Diese Frage richtet sich genauso an die Eltern und Geschwister der Täter, die Frage, warum einer der ihren so vom Wege abkommen konnte. Gegenüber dem Ausland müssen wir feststellen: Unser Kampf gegen den Terrorismus ist im Interesse aller, die sich der Menschlichkeit verpflichtet wissen. Das eben ist auch eine unserer Schlußfolgerungen aus den schrecklichen Erfahrungen mit dem Faschismus. Draußen im Lande geht die Frage um, ob unser Rechtsstaat nach seiner Anlage und Struktur den Herausforderungen des Terrorismus gewachsen ist. Ein liebenswerter Schönwetterstaat in einer friedlichen Welt sei er, meinen manche, der aber Antworten zu Zeiten des Sturms nicht bereithalte. Allen, die hier zweifeln, sei gesagt, daß der Rechtsstaat ein starker Staat ist, ja, daß letztlich und auf Dauer sogar nur er ein starker Staat sein kann. Die liberale rechtsstaatliche Demokratie ruht nicht auf den Launen der Befehle, nicht auf der Willkür der Staatsmacht von oben. Der Rechtsstaat gründet sich auf die Herrschaft des Rechts, die alle ohne Ausnahme, Wähler und Gewählte, ihrer Ordnung und Obhut unterstellt. Der Rechtsstaat hat die Zustimmung seiner Bürger, weil niemand ohne Recht menschenwürdig zu leben vermag. Ohne die Solidarität seiner Bürger aber wird kein Staat schweren Belastungen erfolgreich begegnen können. Ich sage aber auch ein Weiteres ebenso deutlich. Der Rechtsstaat erschöpft sich nicht in der Summe der Einzelrechte. Freiheit des einzelnen und Gerechtigkeit für jedermann können nur in einer Ordnung gewährleistet werden, die aus der Verpflichtung und Verantwortung ihrer Bürger lebt. Den Rechtsstaat als eine Art Naturschutzpark für Kriminelle zu verdächtigen, hieße, ihn gründlich mißzuverstehen. Rechtsstaat, das sind immer untrennbar zwei Seiten ein und derselben Medaille. Unsere Verfassung gibt allen das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Aufgabe des Staates ist es, dieses Recht der vielen mit allen zu Gebote stehenden Mitteln durchzusetzen; und erst vom Boden dieser gefestigten Ordnung aus wird auch dem Straftäter ein rechtlich geordnetes Verfahren gewährleistet. Allein der Rechtsstaat ist sich seiner selbst sicher genug, um auch hier der Willkür zu entsagen. Dazu benötigt er die Solidarität seiner Bürger. Der Bürger aber muß wissen, daß in diesem Staat niemand ungestraft das Recht mit Füßen treten darf. ({0})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Entsprechend einer interfraktionellen Vereinbarung wird die Sitzung bis 11 Uhr unterbrochen. ({0})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich rufe Punkt 4 der heutigen Tagesordnung auf: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses ({0}) zu den dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht a) Antrag der Bundestagsabgeordneten Dr. Helmut Kohl, Dr. Friedrich Zimmermann und 189 weiterer Mitglieder des Bundestages gegen das Gesetz zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes und des Zivildienstgesetzes vom 13. Juli 1977 - Bundesgesetzbl. I S. 1229 - Az. 2 BvF 1/77 Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen b) Antrag der Bayerischen Staatsregierung gegen das genannte Gesetz - Az. 2 BvF 2/77 - Drucksache 8/886 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Emmerlich Der Rechtsausschuß empfiehlt dem Bundestag mit Mehrheit, sich dahin zu äußern, daß die beiden Anträge vom Bundesverfassungsgericht abgelehnt werden sollten. Ich frage, ob der Berichterstatter eine Ergänzung des Berichts wünscht. - Das ist nicht der Fall. Das Wort wird nicht begehrt. Wer der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist mit sehr großer Mehrheit angenommen. Ich rufe den Zusatzpunkt 1 zur heutigen Tagesordnung auf: Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Steuerentlastung und Investitionsförderung - Drucksache 8/900 Überweisungsvorschlag : Finanzausschuß ({1}) Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Haushaltsausschuß mitberatend und gem. § 96 GO Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Westphal.

Heinz Westphal (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Koalitionsfraktionen legen Ihnen heute den Entwurf eines Gesetzes zur Steuerentlastung und Investitionsförderung in voller Übereinstimmung mit der Bundesregierung vor. Er zeigt Ihnen das neue Element unserer Politik im Ringen um die Belebung der Konjunktur und die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen. Wir wollen die zusätzliche Anregung von Verbrauch. Wir wollen die Massenkaufkraft stärken. Verbrauch anzuregen heißt, Kaufkraft dort zu vergrößern, wo damit gerechnet werden kann, daß sie tatsächlich in den Konsum geht, also nicht auf Sparkonten fließt. Das geschieht durch unseren Vorschlag, den Weihnachtsfreibetrag von 100 auf 400 DM zu erhöhen - dies schon für Weihnachten 1977 -, sowie durch die Anhebung des Grundfreibetrags der Lohn- und Einkommensteuer um 510 DM für Ledige bzw. um 1 020 DM für Verheiratete mit einer für alle gleichen Vergünstigung. ({0}) Dies, meine Damen und Herren, ist gleichzeitig Strukturreform bei der am stärksten wachsenden Steuer, der Lohnsteuer. Also: Dämpfung der Lohnsteuer u n d Kaufanregung an der richtigen Stelle, nämlich bei den Arbeitnehmern, bei den Beziehern der kleinen und mittleren Einkommen. Ich komme auf die anderen Teile des Gesetzentwurfs, insbesondere die Verbesserung der degressiven Abschreibung an anderer Stelle zurück. Vorher möchte ich Ihnen verdeutlichen, daß die Steuerentlastungsvorschläge dieses Gesetzentwurfs für uns Teil eines umfassenden Maßnahmenpakets sind, Teil eines Programms zur Förderung von Wirtschaftswachstum und Beschäftigung. Dazu, meine Damen und Herren, gehört ein knapper Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung. Die Daten zeigen: Der Aufschwung ist ins Stocken gekommen. Dies gilt trotz einer erheblichen Differenzierung der Konjunktur in verschiedenen Branchen und Regionen. Es wäre falsch, von einem „Einbruch" zu sprechen. Es gibt weiterhin - auch für 1978 - Wachstum der Wirtschaft. Aber ein Plus von 3 oder 3,5 % realem Wachstum des Bruttosozialprodukts reicht für unsere Zielvorstellungen nicht aus. Die Arbeitslosenzahl, die doch, meine Damen und Herren, auch im Bewußtsein von uns allen endlich stärker differenziert gesehen und von ihren unechten Teilen bereinigt werden muß, würde anwachsen. Es fehlen 1 bis 1,5 % Wachstum des Bruttosozialprodukts; es geht also um ein Nachfragedefizit in einer Größenordnung von, sagen wir, 12 bis 18 Milliarden DM. Erst bei einem stärkeren Wachstum des Bruttosozialprodukts ergeben sich positive Beschäftigungseffekte, die auch die Rationalisierungseffekte, die in jeder Investition stecken, übersteigen. Wir aber brauchen die positiven Beschäftigungswirkungen. Es gilt, darauf nüchtern zusätzliche Antworten zu geben, und zwar in Ergänzung der bisherigen Schritte der Regierung. Gestern hat die Bundesregierung im Zusammenhang mit den Beschlüssen über den Entwurf des Bundeshaushalts 1978 Inhalt und Umfang des gesamten Maßnahmenbündels deutlich gemacht. Wir begrüßen die Beschlüsse, in die unsere heutige Steuervorlage eingeordnet ist und in denen sie vollinhaltlich wiederkehrt. Meine Damen und Herren, nehmen wir die Schwerpunkte in Stichworten vorweg: erstens expansive Haushaltspolitik, also Ausdehnung des Umfangs von Investitionsausgaben in unserem Haushalt; zweitens Förderungsmaßnahmen für private und öffentliche Investitionen; drittens Stärkung der Massenkaufkraft; viertens zusätzliche steuerliche Maßnahmen zur Förderung von Forschung und Entwicklung; fünftens Einsparung von Energie durch Zuschüsse für Investitionen in Wohnbauten; sechstens verstärkte Hilfe für Selbständige durch Aufstockung des Existenzgründungsprogramms im ERP-Haushalt; siebentens Fortführung und Verbesserung der gezielten Arbeitsmarktpolitik - sieben gewichtige Programmteile, in die sich weitere wichtige Einzelmaßnahmen im Bereich der öffentlichen Investitionen und der Förderung des Wohnungsbaus einordnen. Dies ist unser Maßnahmenkatalog. Dies ist ein Katalog, der Anerkennung verdient, der sich sehen lassen kann, der nüchtern, gezielt und kraftvoll auf eine schwierige Situation antwortet und der darWestphal über hinaus zeigt, daß die Bundesregierung gewillt ist, eingegangene internationale Verpflichtungen einzulösen, weil die weltweite wirtschaftliche Entwicklung das von einem im Vergleich zu allen anderen wirtschaftlich starken Land eben verlangt. ({1}) Die nüchterne Abwägung der Lage veranlaßt uns, klar zu sagen: Jetzt ist expansive Ausgabenpolitik der öffentlichen Haushalte vorrangig erforderlich. ({2}) An dieser Stelle stellt die Regierung die Weichen neu. Wir sagen ja dazu. Von der Ausgewogenheit zwischen Ausgabenhöhe und Neuverschuldung einerseits und dem Anstreben des Konsolidierungsziels des öffentlichen Haushalts andererseits - wie wir es bisher als unsere Politik angesehen haben - schalten wir auf zusätzliches deficit spending. Die Steigerung des Haushaltsvolumens um den zweistelligen Betrag von 10,1 % auf 188,6 Milliarden DM, die das erwartete Anwachsen des nominalen Bruttosozialprodukts deutlich übersteigt, erfüllt diese Notwendigkeit. Die Tatsache, daß die Steigerung der Investitionsausgaben - natürlich wesentlich bewirkt durch die Fortführung und Weiterentwicklung des 16-Milliarden-DM-Programms für Zukunftsinvestitionen - um 5,4 Milliarden DM oder 16,5 % gegenüber der bisherigen mittelfristigen Planung dafür maßgebend ist, entspricht unserer Absicht, die öffentlichen Investitionen, die Wirtschaftsstrukturen verbessern, als einen kräftigen Motor der Belebung zu nutzen. Aber da kommt der Herr Strauß und hält dagegen: Zweistelliges Haushaltswachstum sei falsch und verhindere massive Steuerentlastung. Nachtigall, ick hör dir trapsen. ({3}) Herr Strauß, lesen Sie einmal - ich kann ihn nicht direkt ansprechen -, was die wirtschaftswissenschaftlichen Institute dazu sagen. In einem sind sie sich alle einig. Hören Sie es: DIW Berlin: Vermehrte Staatsausgaben werden vom DIW als sicherstes Konjunkturstimulanz favorisiert. Ifo München - skeptischer -: Bisher hat eine zu sparsame Haushaltsführung einen erheblichen Teil des Konjunktureinbruchs verursacht.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Köhler ({0})?

Heinz Westphal (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich würde das gern eben zu Ende führen. Danach! Denn dieser Katalog ist wichtig. Das RWI in Essen: Vermehrte Staatsausgaben nötig und sachadäquat. Und das Institut für Weltwirtschaft in Kiel: Ja zu mehr Staatsausgaben, weil bisher die öffentliche Sparsamkeit übertrieben wurde. Interessante Stellungnahmen im vollen Gegensatz zu dem, was Herr Strauß gestern abend kritisierte. Sein Argument fällt in sich zusammen. Er läuft gegen alle Sachverständigen, und zwar - das ist wohl ersichtlich - weil derjenige, dessen Kraft die privaten Investoren antreiben kann, der Staat -zumindest auf der Bundesebene -, aus seiner Sicht ausgehebelt werden soll, weil ihm die ganze Richtung nicht paßt. Nun bitte Sie.

Dr. Herbert W. Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001152, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, wie soll ich das verstehen? Wir haben hier die erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Steuerentlastung und Investitionsförderung. Bisher haben Sie vorwiegend über die gestrigen Kabinettsbeschlüsse gesprochen, über die wir ja noch keine Verlagen haben. Entspricht es Ihrer Auffassung vom parlamentarischen Brauch, über etwas zu sprechen, was nicht Gegenstand der Beratung ist?

Heinz Westphal (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, mein Verständnis vom Parlamentarier, das ich Ihnen zur Nachahmung empfehle, ist: Wenn die Bundesregierung zu Fragen, die im Zusammenhang mit unserer Gesetzgebung stehen, etwas Wichtiges sagt - und das hat sie offensichtlich gestern getan -, werde ich mir als Parlamentarier nie das Recht nehmen lassen, dies am nächsten Tag zu kommentieren. ({0}) Wenn Sie das nicht wollen, schalten Sie sich aus der Debatte aus. ({1}) Ich komme zurück zu der von uns beabsichtigten, jetzt mit einem Ja belegten expansiven Haushaltspolitik. So schwer - lassen Sie mich das so sagen - es Haushältern fällt, obwohl sie keine Fiskalisten sind: Jetzt müssen die öffentlichen Haushalte expansiv gefahren werden. Dabei geht der Appell an die Länder und Gemeinden, dies dem Bund nicht allein zu überlassen. Mehr kann und muß bei den anderen Gebietskörperschaften geschehen, zumal da der Bund bereit ist, eine die anderen Ebenen mehrfach übersteigende zusätzliche Neuverschuldung in einer Größenordnung von fast 28 Milliarden DM einzuplanen, und außerdem durch seine Zugeständnisse bei der Umsatzsteuerneuverteilung geholfen hat, dafür finanzielle Voraussetzungen zu. schaffen. Ich habe auf die auf die Arbeitnehmer gezielten Inhalte des heute vorgelegten Steuerentlastungsgesetzes schon hingewiesen und sie genannt: Vervierfachung des Weihnachtsfreibetrages und eine für alle die gleiche Entlastung bringende Anhebung des Grundfreibetrages. Wir haben - das ist wichtig - den positiven Kommentar der Gewerkschaften gehört, die erkannt haben, daß dies in dieser Situation der richtige Schritt ist und die das darin zum Ausdruck kommende Element der Gerechtigkeit voll aufgenommen haben, so daß man ihre Bereitschaft erkennen kann, Verwässerungsabsichten im Hinterkopf der Opposition entschieden entgegenzutreten. Eine lineare Steuersenkung, auf die sich die Opposition versteift, erreicht das gleiche Ziel nicht. ({2}) Sie entspricht nicht der konjunkturellen Situation, sie hilft nicht, die Struktur der Lohnsteuer zu verbessern, sie würde den Gutverdienenden in großem Maße mehr als den Bezieher eines kleinen Einkommens entlasten, sie würde nach der Körperschaftsteuerreform die Körperschaften nochmals erheblich begünstigen, und sie ist mit ihrem Umfang von 15 Milliarden DM für Bund, Länder und Gemeinden einfach nicht verkraftbar. ({3}) Die Vermögensteuerreform, Erleichterungen im Bereich der ertragsunabhängigen Steuern - auch die Vermögensteuersenkung gehört nun dazu -, carry back und weiteres haben bereits die Rahmenbedingungen der Wirtschaft, in der sie ihre eigenen Entscheidungen zu treffen hat, wesentlich verbessert. Trotzdem gehen wir in diesem unseren Gesetzentwurf nochmals an die Verbesserung der Investitionsbedingungen für die private Wirtschaft heran. Gerade auch um die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber dem Ausland zu erleichtern, bei der unsere Wirtschaft in der Welt fast allein unter dem Druck der Abwertung anderer Währungen steht, werden wir nun die Verbesserung der Abschreibungsbedingungen rückwirkend ab 1. September 1977 hinzufügen. Das bedeutet nicht nur die Erhöhung der degressiven AfA für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens vom Zweifachen auf das Zweieinhalbfache der linearen Abschreibung, sondern auch die Wiedereinbeziehung der Wirtschaftsbauten und des freifinanzierten Mietwohnungsbaus in die degressive Abschreibung. Wir können, wir müssen erwarten, daß die private Wirtschaft dieses Zeichen versteht und zu Investitionen nutzt, die Arbeitsplätze bringen. ({4}) Wir freuen uns darüber, daß die Bundesregierung diesem unseren Entwurf eines Gesetzes zur Steuerentlastung und Investitionsförderung, der auch die Freistellung von Steuern für die Ausbildungsplatzförderungszuschüsse enthält, eine steuerlich konstruierte Regelung hinzufügen wird, die die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit insbesondere in kleineren und mittleren Unternehmen verstärkt fördern wird. Die Investitionszulage für entsprechende Investitionen bis zur Höhe von 500 000 DM jährlich je Unternehmen soll von 7,5 auf das Doppelte, auf 15 °/o, erhöht werden. Daß diese Zulage auch für die Anschaffung von Patenten und ähnlichem verwendet werden kann, ist ein neuer, interessanter und, wie ich hoffe, hilfreicher Aspekt. Die Kombination von Maßnahmen zur Energieeinsparung mit der Anregung von Investitionen in Wohnbauten, die von der Bundesregierung in einem weiteren Programmteil als Gemeinschaftsaktion von Bund und Ländern für die Jahre 1978 bis 1981 geplant wird, scheint uns ein gelungener Ansatz gezielter Förderung am richtigen Ort zu sein. Wenn diese Aktion mit einem Volumen von 4,3 Milliarden DM von den Bürgern so angenommen wird, wie dies bei den Programmen der Wohnungsmodernisierung der Fall gewesen ist, dann heißt das Belebung der Bauwirtschaft mit neuen Arbeitsplätzen und Strukturverbesserung unseres Wohnungsbestandes und Einsparung von Energie durch Wärmedämmung, Wärmepumpen und Sonnenkollektoren zur gleichen Zeit mit einer Vielzahl von Kleininvestitionen. Meine Damen und Herren, nach unserer Ansicht ist es auch richtig, daß in dem Maßnahmenbündel ein weiterer Schritt zur Verstetigung der Bautätigkeit im Wohnungsbau durch verstärkte Förderung und Fortführung des Regionalprogramms und durch die Ausstattung des Sozialprogramms mit 510 Millionen DM unternommen wird, während für das Regionalprogramm 1,3 Milliarden DM zur Verfügung stehen sollen. Wenn es der Bundesregierung gelingt, die Länder zum Mitmachen zu bewegen, kommen deren zusätzliche Leistungen und ihre Belebungswirkung im sozialen Wohnungsbau noch hinzu. Daß auch die Bundespost ihre Investitionstätigkeit durch Beschaffungen im Fernmeldebereich vergrößern will, begrüßen wir. Es gibt keinen Zweifel, daß die Gründung neuer selbständiger Existenzen eines unserer Probleme ist. Auch hier macht die Regierung einen verstärkten Ansatz, um zu ermutigen. Eine Fast-Verdoppelung des Ansatzes im ERP-Programm auf eine halbe Milliarde DM und eine Verbesserung der Förderungsvoraussetzungen können sicher helfen und werden auch in dieser wichtigen Gruppe unserer Bürger das Zeichen setzen, daß die Regierung der sozialliberalen Koalition erkannte Probleme schnell und kräftig angeht, um schwache Stellen der Entwicklung auszuräumen. Für uns Sozialdemokraten ist klar, daß zu diesem Konzert von Hilfen selbstverständlich die gezielte Beschäftigungspolitik gehört, die bei den Problemgruppen unseres Arbeitsmarktes ansetzt, um ihnen den Weg ins Arbeitsleben konkret zu ebnen. Zu dem bereits beschlossenen Programm gehört auch die Förderung von Tätigkeiten in sozialen Diensten. Auch wenn dies heute möglicherweise keine Debatte über diesen besonderen Aufgabenbereich sein wird, muß seine Wichtigkeit und Dazugehörigkeit hier unterstrichen werden. Das gleiche gilt für die sich im Patentwurf widerspiegelnden weiteren Schritte, um im Berufsbildungsbereich voranzukommen. Das Bundesangebot für die Schaffung von Ausbildungsplätzen in berufsbildenden Schulen in Höhe von 650 Millionen DM steht und muß mit der Aufforderung an die Länder verbunden werden, die in ihrer Verantwortung liegende berufliche Grundbildung schulischer Art zügig auszubauen, um auch dadurch zur Entlastung am Arbeitsmarkt beizutragen. Dieses Gesamtpaket ist unsere Antwort auf die gegebene Lage, bei der, wie Sie sehen können, die steuerpolitischen Vorschläge einen Teil des Ganzen darstellen. Lassen Sie mich am Schluß noch einmal auf diese Vorschläge zurückkommen und unter Einbeziehung der schon im Frühsommer beschlossenen Gesetze für unsere Bürger zusammenfassen, was für sie am Ende dieses Jahres geschieht, ohne dabei - das gebieten die Ehrlichkeit und die Nüchternheit der Lagebeurteilung - die halbierte Erhöhung der Umsatzsteuer zu verschweigen: Erhöhung des Kindergeldes für die Familie mit zwei und mehr Kindern ab 1. Januar 1978, eine bereits wirkende Verbesserung der Ausbildungsförderung, Aufstockung des Wohngelds ab 1. Januar 1978, Erhöhung der Sonderausgabenhöchstbeträge einschließlich der Vorsorgepauschale in der Lohn- und Einkommensteuer zum gleichen Datum, Vervierfachung des Weihnachtsfreibetrages ab 1977, für alle gleiche Entlastung bringende Erhöhung des Grundfreibetrages in der Lohn- und Einkommensteuer, ebenfalls zum 1. Januar 1978, mehr öffentliche Aufträge aus einem expansiv gefahrenen Haushalt, weitere Investitionsanregungen für die private Wirtschaft, verbesserte und vermehrte Existenzgründungsdarlehen für Selbständige, Fortsetzung und Ausbau der gezielten Beschäftigungspolitik. Meine Damen und Herren, wir halten dieses große Engagement für notwendig, um die vor uns liegende Etappe der wirtschaftlichen Entwicklung zu meistern. Ich wende mich an diejenigen, die als freie Kräfte den Wirtschaftsablauf in viel größerem Maße als der Staat selbst bestimmen, diese Anstöße, Hilfen und Entlastungen positiv aufzunehmen. Alle, insbesondere die Arbeitnehmer, werden erkennen, daß dieses Programm konsequent und vernünftig ist. Sie werden auch ersehen können, daß jede Änderung, die eine ungleichere Verteilung zugunsten höherer Einkommen beinhalten würde, auf ihre Gegenwehr stoßen muß. Im Interesse derjenigen, die Arbeitsplätze suchen, ja, im Interesse von uns allen kann und muß gesagt werden: Die Rahmenbedingungen sind gegeben. Wir erwarten mutiges Mitmachen von Unternehmern und Verbrauchern. ({5}) Es darf kein Abwarten und kein Verzögern geben. Die Investitions- und die Kaufentscheidungen müssen jetzt getroffen werden. ({6})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Abgeordnete Schäuble.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001938, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Gegensatz zu meinem verehrten Herrn Vorredner möchte ich gerne zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Steuerentlastung und Investitionsförderung, das von den Fraktionen der SPD, FDP eingebracht wurde, sprechen. ({0}) Ich denke, dies ist der Tagesordnungspunkt dieser Debatte. Herr Kollege Westphal, ich finde auch, daß wir es uns schuldig sind, daß wir die Dinge nicht verdrehen und wegschieben, und daß wir uns mit den jeweiligen Argumenten gegenseitig auseinandersetzen. ({1}) Deswegen, finde ich, ist es ein schlechter Stil, wenn Sie in dem Vorblatt zu diesem Gesetzentwurf unter dem von der Geschäftsordnung vorgeschriebenen Punkt „C. Alternativen" so einfach schreiben: „keine" ; denn wir haben am vergangenen Freitag hier in diesem Hause sehr ausführlich über die Alternative der CDU/CSU debattiert. Ich meine, wenn wir die richtige Lösung suchen, dann müßten wir fragen, ob Ihr Weg oder der unsere der richtige ist. Ich meine auch, daß insbesondere die Rede des Herrn Bundesfinanzministers vom vergangenen Freitag kein gutes Beispiel dafür gewesen ist, wie wir miteinander umgehen sollten. ({2}) Die Art, wie der Herr Bundesfinanzminister geglaubt hat, unseren Vorschlag einer sofort wirkungsvollen, durchschlagenden steuerlichen Entlastung mit Beispielen aus Einkommensbereichen in der Höhe der Sozialhilfe verdrehen und vernebeln zu müssen, war der Sache nicht angemessen. Sie haben nichts anderes versucht, als gegen einen sachlich richtigen Vorschlag mit dem billigen Appellieren an Neidkomplexe Emotionen zu wecken. ({3}) Dann muß ich Ihnen folgendes sagen, meine Damen und Herren von der Koalition: Wenn es Ihnen bei dem Weg aus der wirtschaftlichen Krise so sehr um die soziale Gerechtigkeit geht, dann müssen Sie sich fragen lassen, wo diese Ihre Antriebskraft gewesen ist, als Sie vor wenigen Monaten in diesem Hause die Mehrwertsteuererhöhung beschlossen haben. ({4}) Sie müssen doch endlich einmal kapieren, daß das Wichtigste im Sinne sozialer Gerechtigkeit in diesem Lande jetzt ist, diese Krise zu überwinden, damit wir aus der Arbeitslosigkeit herauskommen, damit wir etwa auch die Renten dauerhaft finanzieren können. Meine Damen und Herren von der Koalition, wer jetzt glaubt, primär Verteilungspolitik, verteilungsideologische Experimente starten zu können, der übersieht, daß wir unsere Wirtschaft erst wieder in Ordnung bringen müssen, damit wir in diesem Lande auf Dauer etwas zu verteilen haben. Meine Damen und Herren, ich denke, wir sind uns in dem Ziel einig, die Arbeitslosigkeit zu überwinden, einen dauerhaften Aufschwung zu sichern. Ich hoffe auch, daß wir uns in den Ursachen, in der Analyse der Ursachen einig sind. Sprecher aus Ihren Reihen haben genügend Sonntagsreden gehalten, in denen sie je nach dem Publikum die Ursachen ganz ähnlich dargelegt haben, wie wir sie sehen, die Ursachen der Krise, die darin bestehen, daß wir unsere Wirtschaft, die Bürger in unserem Lande mit Kosten, mit Steuern, mit Abgaben über3174 fordert haben. Wir haben eine Inflation von Erwartungen und Ansprüchen geweckt, die nicht zu finanzieren waren. Diese Entwicklung zu hoher Kosten und Abgaben und eine unerfüllte Summe von geweckten Wünschen haben in diesem Lande eine tiefgreifende Vertrauenskrise verursacht. ({5}) - Herr Kollege Huonker, natürlich gibt es auch außenwirtschaftliche Einflüsse. Sie werden aber doch nicht bestreiten, daß der Export bis heute immerhin noch die wichtigste Stütze unserer konjunkturellen Entwicklung gewesen ist und heute noch ist. ({6}) Natürlich haben wir auch - das werden Sie jetzt auch gleich rufen - strukturelle Anpassungsprobleme. Eine Marktwirtschaft, die Ordnung ist, kann und wird aber solche Anpassungsprobleme meistern. Das Problem ist, daß Sie unsere Wirtschaftsordnung mit Ihrer fehlgeleiteten Politik gestört und dadurch die Krise herbeigeführt haben. .Jetzt erschweren und verhindern Sie den Weg aus der Krise. Meine Damen und Herren, Ihr Weg, den Sie heute erneut vorschlagen, besteht im wesentlichen darin, zur Lösung dieser unserer Probleme noch mehr staatliche Lenkung zu versuchen. Dabei wollen Sie dann - das klang bei Ihnen an, Herr Kollege Westphal - dem Bürger, wenn sie ihm 9,35 DM monatlich geben, gleich noch vorschreiben, was er mit diesen 9,35 DM anzufangen hat, ob er sie zu konsumieren oder zu investieren hat, ob er sie sparen darf oder nicht. Dieser Weg ist genau der falsche Weg. Der Bürger in unserem Lande hat es satt, von Ihnen immer mehr bevormundet zu werden. ({7}) Ihr Versuch zur Lösung der Probleme ist gescheitert. Sie können doch unsere Probleme nicht dadurch lösen, daß Sie jetzt pro Steuerpflichtigen eine Entlastung von monatlich 9,35 DM einführen, daß Sie zu Weihnachten einen kleinen Konsumstoß über die Erhöhung des Weihnachtsfreibetrages machen und daß Sie die Abschreibungsbedingungen ein bißchen verbessern. Damit lösen Sie doch unsere Probleme nicht. Sie setzen doch nur Ihren Weg kurzatmiger halbherziger Maßnahmen fort, die alle nicht anschlagen und die die Unsicherheit in diesem Lande nur vergrößern.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001938, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte schön.

Dr. Dieter Spöri (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002203, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Schäuble, Sie haben soeben die Entlastungswirkungen des Steuerpakets für Bezieher niedriger Einkommen minimalisiert und abqualifiziert. Ich möchte an Sie die Frage richten: Sind Sie der Auffassung, daß die von Ihnen beabsichtigten steuerpolitischen Initiativen größere Entlastungswirkungen bei Beziehern niedriger Einkommen nach sich ziehen werden? ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001938, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Aber natürlich, Herr Kollege. Ich werde Ihnen gleich beispielhaft Zahlen nennen. Es ist doch überhaupt nicht, auch von Ihnen nicht, bestritten worden, daß die Entlastungswirkung in unserer Alternative sehr viel größer und spürbarer ist als in Ihrer. ({0}) - Warum schreien Sie denn so? Herr Roth, auf Ihr Papier komme ich auch gleich noch zu sprechen. Haben Sie ein bißchen Geduld. Ich habe im übrigen die Entlastungswirkung Ihrer Vorschläge nicht minimalisiert, sondern ich habe gesagt: Es sind monatlich 9,35 DM. Das können Sie nicht bestreiten, und nun geben Sie damit zu, daß das minimal ist. Meine Damen und Herren, unser Vorschlag, die Probleme zu lösen, besteht darin, daß wir die Überbelastung unserer Wirtschaft, die Überforderung der Steuerzahler dauerhaft abbauen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Bitte, Herr Kollege, Ihre Frage läßt der Redner zu.

Dr. Rolf Böhme (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000221, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Schäuble, nachdem Sie wieder die Zahl gebracht haben, möchte ich fragen, ob Sie bereit sind zuzugeben, daß die genannte Zahl von 9,35 DM sich nur auf den Grundfreibetrag bezieht und daß die Gesamtentlastungswirkung bei allen Steuererleichterungen wesentlich größer ist?

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001938, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Böhme, wir sprechen von Ihrer Vorlage, nicht von dem, was in den letzten sieben Jahren in diesem Hause beschlossen worden ist. Ich habe gesagt: der Weihnachtsfreibetrag kommt hinzu, das ist klar, und 9,35 DM je Steuerpflichtigen - das haben Sie selbst ausgerechnet - werden ja wohl stimmen. ({0}) Meine verehrten Damen und Herren, wenn Sie glauben, wie in den vergangenen Jahren den Weg fortsetzen zu können, die Probleme mit kurzatmigen konjunkturpolitischen Maßnahmen zu lösen, dann täuschen Sie sich. Es geht primär gar nicht darum, da oder dort jetzt etwas mehr konsumtive oder investive Nachfrage zu stimulieren - alle diese kurzatmigen Programme sind in den zurückliegenden Jahren fehlgeschlagen -, sondern es geht darum, die strukturelle Krise, durch die Kostenexplosion verursacht, zu lösen, zu einem dauerhaften Abbau der Überforderung unserer Wirtschaft zu kommen. Nur so werden wir die Weichen in die Richtung stellen, daß es uns gelingt, das verlorengegangene Vertrauen unserer Bürger zurückzugewinnen, das Vertrauen, das Sie durch die WechselDr. Schäuble bäder Ihrer ständigen Stop-and-go-Maßnahmen zerstört haben, das Sie aber auch - und der Bundesfinanzminister ganz vorrangig - durch Ihre ständigen Reden zerstört haben. Herr Finanzminister, es ist geradezu bedrückend, wenn man einmal nachliest, was Sie im Zeitablauf der letzten acht oder zehn Monate alles zur steuerpolitischen Landschaft in diesem Lande erklärt haben. Ich denke daran, wie Sie vor wenigen Wochen für die Erhöhung der Mehrwertsteuer gefochten haben und daß Sie uns jetzt erklären, was richtig ist - das haben wir damals schon gesagt -, daß nicht Steuererhöhungen, sondern Steuersenkungen not tun. Ich will nur ein einziges Beispiel nennen. Ich habe hier zwei Meldungen von der Pressedokumentationsstelle des Deutschen Bundestages, eine vom 15. Juli dieses Jahres. Darin wird Herr Finanzminister Apel im ZDF mit dem Satz zitiert: „Wir brauchen jetzt Ruhe an der Steuerfront." In einer Meldung vom 18. Juli, also drei Tage später, heißt es, der Bundesfinanzminister habe am vergangenen Wochenende, also einen Tag nach seiner Erklärung im ZDF, geäußert, daß zum 1. Januar 1980 die Steuern gesenkt werden sollten. Wie Sie so Ruhe an der Steuerfront schaffen wollen, das müssen Sie erst einmal erklären. ({1}) Es sind nicht nur das unbeherrschte Gerede und die ständigen Wechselbäder, es ist auch das politische Milieu, ({2}) das das Investitionsklima, das Vertrauen in diesem Lande gestört hat. ({3}) In einer Meldung im „Handelsblatt" von vorgestern lese ich die Überschrift: „SPD wünscht mehr Kontrolle über Investitionen." ({4}) Herr Kollege Westphal, dann können Sie Ihren Entwurf gleich zurückziehen; ({5}) denn das, was Sie bewirken wollen, haben Sie damit schon zerstört. ({6}) Der Wirtschaftsexperte der SPD, Wolfgang Roth, ist sicher der richtige Vertreter dieser Partei, um uns gemeinsam aus dieser Krise zu führen. ({7}) Im übrigen wird ja ein neuer Wirtschaftsminister gesucht. Der nächste Punkt, der zu diesem politischen Milieu gehört, ist das ständige klassenkämpferische Nivellierungsgerede, das Sie hier immer wieder in diese steuerpolitischen Debatten einfügen. Sie appellieren an Neidkomplexe und glauben, Sie müßten ständig neu bei jeder Maßnahme Verteilungspolitik machen, obwohl Sie doch mit Ihrem falschen Weg erreicht haben, daß wir immer weniger zu verteilen haben. Der Bundesfinanzminister hat auch gelegentlich richtige Erkenntnisse. So hat er am 4. August im „Vorwärts" breit erklärt: „Man muß als Sozialdemokrat erkennen, daß die Umverteilung über Steuern deutliche Grenzen hat." Meine Damen und Herren von der SPD, erkennen Sie das doch endlich einmal! Er hat auch erklärt - das ist in der heutigen Diskussion bemerkenswert; ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten die „Frankfurter Rundschau" vom 18. Juli -: „Die Steuersenkung muß sich deutlich auf dem Lohnstreifen bemerkbar machen; es hat doch keinen Zweck," - man höre zu - „einige Milliarden auszugeben, um den Bürger dann nur um 3,50 DM im Monat zu entlasten." Den Unterschied in der Wirkung zwischen 3,50 und 9,35 DM müssen Sie wohl noch ein bißchen genauer erklären. ({8}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, es kann in dieser Situation - ich will das noch einmal betonen - nicht darum gehen, daß wir jetzt eine neue Runde der verteilungspolitischen Diskussion in diesem Lande führen. Vielmehr sollten wir gemeinsam unsere Kraft, unsere Erfindungskraft darauf konzentrieren, die Wirtschaft wieder flottzumachen, damit wir in diesem Lande wieder mehr zu verteilen haben. ({9}) - Wir haben am Freitag darüber diskutiert. Ich bin die ganze Zeit dabei. ({10}) Dies geht nur, Herr Kollege, indem Sie den zu hoch gewordenen Druck der Steuern und Abgaben dauerhaft und spürbar mindern. ({11}) Dies geht eben nicht mit nivellierenden 9,35 DM, sondern nur mit einer, insbesondere in den mittleren Einkommensbereichen, in der Progressionszone des Steuertarifs, spürbaren, dauerhaften Entlastung. Meine Damen und Herren, tun Sie doch nicht so, als ginge es um die Einkommen in der Größenordnung der Sozialhilfesätze oder um die Einkommen, Herr Bundesfinanzminister, wie Sie argumentiert haben, jenseits von 200 000 DM. Das ist doch nicht die Masse in diesem Lande. Die Probleme liegen doch im Bereich der mittleren Einkommen, wo die Progressionszange die Bürger besonders wirkungsvoll zur Kasse bittet. ({12}) Meine Damen und Herren, wir haben - man muß das einmal nachlesen, zusammengestellt nachlesen - seit 1969, seitdem diese Regierung im Amt ist, bei Steuern und Abgaben einen explosionsartigen Anstieg. 25 direkte Steuer-, Abgaben- und Gebührenerhöhungen mit einem Volumen von, wenn Sie das alles zusammenrechnen, insgesamt annähernd 180 Milliarden Deutsche Mark jährlich haben in diesem Lande seit 1969 unter Ihrer Regierung stattgefunden. Dies ist die Realität. Dieser Situation, dieser Belastung für Wirtschaft, Arbeitnehmer und Verbraucher müssen wir doch in dem, was wir heute tun, gerecht werden. In diese 180 Milliarden DM, meine Damen und Herren, sind noch nicht einmal die heimlichen, die unheimlichen Steuererhöhungen eingerechnet, die aus dem Zusammenwirken von Inflation und Progression insbesondere die Lohnsteuerpflichtigen Jahr für Jahr in der Größenordnung von 5 Milliarden DM zusätzlich belasten.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001938, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte schön!

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000342, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Schäuble, würden Sie zugeben, daß die Steuerlastquote in diesem Lande seit 1969 gesunken und nicht gestiegen ist? ({0}) Dies ist wichtig im Zusammenhang mit dem Vertrauen, für das Sie werben.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001938, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, die Frage wird oft gestellt, und sie ist oft beantwortet worden. Es ist richtig, daß die Steuerlastquote 1969 über 24 % lag. Es ist auch richtig, daß wir gerade dabei sind, die 25 %-Marke zu überschreiten. Infolgedessen kann sie wohl nicht zurückgegangen sein. Aber noch viel mehr richtig ist, daß die entscheidende Ziffer nicht die Steuerlastquote, sondern die Abgabenquote ist. Für den Arbeitnehmer in unserem Lande, meine Damen und Herren, ist doch nicht entscheidend, wieviel Lohnsteuer und wieviel Sozialversicherungsbeiträge abgezogen werden, ({0}) sondern für ihn ist der Unterschied zwischen brutto und netto entscheidend, meine Damen und Herren. ({1}) Und diese Abgabenquote liegt eben inzwischen bei 42 %. Wenn Sie einmal in den Sozialbericht der Bundesregierung vom 1. April 1976 hineinschauen wollen, ({2}) wenn Sie einmal lesen wollen, Herr Roth, Sie Wirtschaftsexperte Ihrer Fraktion, ({3}) was die Bundesregierung selbst zur Grenzbelastung sagt, zu dem, was dem Arbeitnehmer von jeder zusätzlich verdienten Mark netto bleibt, dann ist in diesem Bericht ausgewiesen, daß die Grenzbelastung schon 1975 52 % betragen hat, so daß von einer Mark Lohnerhöhung 52 Pfennige an Steuern und Abgaben zusätzlich einbehalten werden. Die Bundesregierung selbst sagt in diesem Sozialbericht voraus, daß die Grenzbelastung bis 1979 auf 60 °/o ansteigen wird. Von jeder zusätzlich verdienten Mark werden also 60 Pfennig einbehalten. Dies ist doch die entscheidende Zahl. Dann brauchen Sie sich nicht zu wundern, daß der Leistungswille, die Leistungsbereitschaft in unserem Lande immer geringer werden. Meine verehrten Damen und Herren, das Lohnsteueraufkommen in unserem Lande steigt doppelt so schnell wie das Volkseinkommen. Und da können Sie dadurch, daß Sie an Neidgefühle appellieren, im Grunde nichts erreichen. ({4}) Meine Damen und Herren, wie sehr dies gemeinsame Erkenntnis all derjenigen ist, die sich um unsere Wirtschaft, um die wirtschaftliche Entwicklung in diesem Lande Sorge machen, müßten Sie selbst doch daran ermessen, daß sich selbst der Herr Bundespräsident ganz eindeutig in diesem Sinne ausgesprochen hat. Sie sollten doch nicht so tun, als sei dies alles etwas, was Sie nicht berühre. Wenn demnächst 60 % aller Steuerpflichtigen nicht mehr nur nach dem Proportionaltarif mit 22 % besteuert werden, sondern durch die inflationäre Entwicklung in die Progressionszone des Tarifs hineinrutschen, ist es doch höchste Zeit, daß wir diese gefährliche Entwicklung erkennen und bekämpfen. Dann hat es doch keinen Sinn, mit einer nivellierenden Entlastung von 9,35 DM monatlich diese Probleme angehen zu wollen. Ich sage noch einmal: Es geht nicht um die - in Ihrer Sprache so genannten - Großverdiener in diesem Lande, sondern es geht um die breiten Bereiche mittlerer Einkommen, um die Facharbeiter, um die leistungswilligen, aufstiegsbereiten Arbeitnehmer, für die Leistung und Aufstieg lohnend erscheinen müssen, damit, nicht Leistung in diesem Lande bestraft wird. ({5}) Ich darf zitieren: „Einer Gesellschaft, in der sich die bessere Leistung nicht mehr lohnt, einer solchen Gesellschaft geht der Leistungswille des einzelnen als Antriebsmotor des gesellschaftlichen Fortschritts verloren." Dies, meine Damen und Herren, hat niemand anders gesagt als der Vizekanzler dieser Bundesregierung. Aber er hat es natürlich nicht in der Steuerdebatte des Deutschen Bundestages hier gesagt, sondern auf dem Parteitag in Oberhausen. Was wir brauchen, ist, daß Parteitagsreden endlich einmal in diesem Hause hier realisiert werden, insbesondere auch von der FDP. Was hilft es denn dem Facharbeiter, der - um eine Zahl zu nennen - als Lediger bei einem monatlichen Bruttolohn von 2 500 DM allein an Lohnsteuer 533 DM monatlich zahlen muß, wenn er um 9,35 DM entlastet wird? Oder was hilft dem Ehepaar, bei dem die Frau mitverdient und das zusammen 3 500 DM brutto hat und 566 DM Lohnsteuer zahlt, eine Entlastung von 18,70 DM? Deswegen ist unser Ansatz der richtige. Er ist derjenige, der uns wirkungsvoll Entlastung bringt und uns eine Hilfe, einen Weg aus der Krise zeigt. Nach unserem Vorschlag würde der Ledige statt 533 DM bei 2 500 DM Einkommen nur 480 DM Lohnsteuer zu zahlen haben. Das Ehepaar mit zusammen 3 500 DM statt 566 DM Lohnsteuer nur 509 DM. Dies allein ist die notwendige und erforderliche und angemessene steuerliche Entlastung. ({6}) Wenn Sie glauben, durch das Appellieren an Neid, durch das demogogische Einführen nivellierender Tendenzen unsere Probleme lösen zu können, setzen Sie Ihren Irrweg nur fort; dann helfen Sie uns nicht aus der Krise, sondern Sie führen uns immer weiter in diese Krise hinein. Meine Damen und Herren, der Bundesfinanzminister selbst hat noch im Mai und Juni davon gesprochen, daß der Marsch in den Lohnsteuerstaat gestoppt werden müsse. Aber, Herr Finanzminister, das können Sie doch nicht mit 9,35 DM machen! Der Marsch in den Lohnsteuerstaat besteht doch eben darin, daß immer mehr Arbeitnehmer progressiv höher besteuert werden. Wenn Sie den Marsch stoppen wollen, müssen Sie infolgedessen die Progression stoppen. Infolgedessen müssen Sie, wenn Sie wirkungsvoll helfen wollen, progressiv entlasten. Wir haben heute einen Anteil der Lohnsteuer am gesamten Steueraufkommen von rund 31 % - trotz der Steuerreform 1975 -, während wir 1969 noch 18,6 % hatten. ({7}) Sie sollten endlich aufhören, uns zu erzählen, diese Ergebnisse Ihrer Politik seien sozial gerecht, dies sei eine Politik für die Arbeitnehmer gewesen. Sie haben die Arbeitnehmer in diesem Lande Schritt für Schritt stärker belastet. Ich sage noch einmal: Es geht jetzt nicht primär um Verteilungspolitik, sondern es geht darum, die Wirtschaft in Gang zu bringen über eine wirkungsvolle Entlastung, über die Rückgewinnung von Vertrauen und über den Ansporn, die Ermunterung von Leistungswillen. Wenn heute plötzlich, vor allen Dingen aus der SPD, gesagt wird, das Stabilitätsgesetz und sein Instrumentarium seien etwas sozial Ungerechtes, dann muß man doch einmal fragen, wer denn dieses Stabilitätsgesetz gemacht hat. Wir haben es doch gemeinsam in der Großen Koalition gemacht. Wir haben es als ein konjunkturpolitisch wirksames Instrument, aber damit eben auch als ein sozialpolitisch richtiges und wirkungsvolles Instrument gefeiert. Wir haben es doch auch gemeinsam angewendet, als es darum ging, die Konjunktur zu dämpfen. Jetzt lassen Sie es uns doch auch gemeinsam anwenden, wenn es darum geht, die Konjunktur zu beleben! Wenn Sie, was insbesondere der Finanzminister getan hat, alle diejenigen, die für unseren Ansatz eines zehnprozentigen sofort wirksamen Abschlags von der Lohn- und Einkommensteuer plädieren, in das Reich der sozialpolitischen Bösewichte abschieben, die immer nur die Kleinen belasten und die Großen entlasten wollen und die sozial etwas ganz Furchtbares sind, dann muß sich die Regierung sehr genau überlegen, was sie in der Frage der Nachfolge für den Herrn Bundeswirtschaftsminister macht. Denn der vorgesehene designierte Nachfolger hat sich ja noch vor wenigen Tagen mit der ihm angemessenen Schlagzeile in einer bekannten Sonntagszeitung dafür eingesetzt, daß genau diese Maßnahme, die die Opposition beantragt, verwirklicht wird. Sie können doch nicht sagen, wenn es der Herr Lambsdorff fordere, sei es sozial gerecht, nur wenn die CDU/CSU es fordere, dann sei es sozial ungerecht. ({8}) Sie müssen endlich erkennen, daß ein progressiv wirksames Steuersystem eben auch erfordert, daß man bei Entlastungen ebenfalls progressiv entlastet. Das sind doch keine Geschenke an die Steuerzahler, über die wir reden - diese Optik müssen Sie endlich einmal richtig sehen -, sondern es geht doch darum, daß wir den Steuerzahler etwas weniger belasten. Es geht doch nicht darum, den Bürgern in diesem Lande etwas zu schenken, sondern es geht darum, ihnen nicht immer noch mehr und zuviel aus ihren Taschen zu nehmen. ({9}) Nur so werden wir gemeinsam einen Beitrag leisten können zur Überwindung des anderen Problems, das unsere konjunkturellen Schwierigkeiten so entscheidend beeinflußt, nämlich des Problems, daß die Lohnkosten zu stark gestiegen sind. Wir haben heute die höchsten Lohnkosten in der Welt, wenn Sie die Nebenkosten mitrechnen. Wie wollen Sie denn Verteilungspolitik betreiben, wenn Sie weiter auf diesem Wege voranschreiten wollen? Wenn heute - bestellte oder unbestellte - Vertreter der Gewerkschaften sagen, der Vorschlag der CDU/CSU bringe in der Tarifrunde des nächsten Jahres keine Entlastung, dann müssen sich diese Vertreter doch einmal fragen lassen, wie es denn angehen kann, daß man bei jeder Tarifrunde in den letzten Jahren die eigenen Forderungen damit begründet hat, daß eine solche Bruttoerhöhung in der bekannten Höhe, richtig gerechnet, notwendig sei, weil von etwa 7,3 % z. B. im letzten Jahr wegen der hohen Abgabenbelastung netto nur 3,7 % übriggeblieben seien. Wenn man so bei Lohnforderungen argumentiert hat, dann müßte man, wenn den Vorschlägen der CDU/CSU Rechnung getragen wird, auch in der nächsten Lohnrunde konsequenterweise seine Argumentation entsprechend korrigieren und das berücksichtigen. Wer heute noch den unauflösbaren Zusammenhang zwischen zu hohen Lohnkosten und Arbeitslosigkeit bestreitet, leistet einen Beitrag dazu, daß wir nicht in der Lage sein werden, die Arbeitslosigkeit zu überwinden. Auch das muß klar und deutlich gesagt werden. Wer schnell gibt, gibt doppelt. Deswegen brauchen wir schnell Klarheit. Die Wirtschaft, die Bürger in unserem Lande müssen schnell wissen, woran sie sind. Es ist schon lange viel zuviel, viel zu Widersprüchliches geredet worden, insbesondere von der Regierung und vom Bundesfinanzminister. Die CDU/CSU ist bereit, schnelle Klarheit zu schaffen. Wir haben bereits gestern im Finanzausschuß angeboten, den Weihnachtsfreibetrag zu verabschieden. Sie haben dieses Angebot bisher nicht angenommen. Wir sind auch bereit, im Zusammenhang mit dem Ausbildungsplatzabzugsbetrag schnell zur Entscheidung zu kommen. Wir sind bereit, in der Frage der degressiven Abschreibung schnell zur Entscheidung zu kommen. Aber wir sind auf keinen Fall bereit, Ihre nivellierende, gleichmacherische Erhöhung des Grundfreibetrages mitzutragen. Wenn Sie, Herr Kollege Westphal, den Grundfreibetrag erhöhen - Sie haben ja wenig davon gesprochen; das ist wohl auch nicht in erster Linie Ihr Fachgebiet; das sei Ihnen nicht übelgenommen -, dann machen Sie - auch das müssen die Steuerpolitiker klar sehen - jede Chance einer wirkungsvollen Reform des Einkommen- und Lohnsteuertarifs heute schon kaputt. Denn jedermann, der weiß, daß wir die Probleme dieser zu scharfen Progression im mittleren Einkommensbereich durch eine Reform des Einkommen- und Lohnsteuertarifs ernsthaft angehen müssen - das ist ja auch in Ihren Reihen bisher nicht bestritten gewesen -, der muß auch wissen, daß er jede Chance dazu jetzt zerstört, wenn er den Grundfreibetrag erhöht, damit die Progressionswirkung verstärkt und das Gegenteil von dem tut, was in unserer Lage notwendig ist, nämlich die Progressionszone im Steuertarif zu entlasten. Wenn Sie die Erhöhung des Grundfreibetrags um 510 DM fordern, machen Sie den Abbau der auch verfassungsrechtlich immer schwieriger werdenden unterschiedlichen Besteuerung von Renten, von Pensionen und von Alterseinkünften etwa freiberuflich Tätiger immer schwerer. Ich will Ihnen einmal wenige Zahlen zu diesem Thema vorlesen. Ein Rentner hat nach der ab 1. Januar ohne Ihre jetzigen Vorlagen geltenden Rechtslage die Möglichkeit, unter Ausnutzung aller Freibeträge 78 948 DM Einkünfte zu beziehen, ohne eine Mark Steuern zu zahlen. Ein Pensionär hat unter Ausnutzung aller Freibeträge ab 1. Januar 1978 schon beim heutigen Recht die Chance, nur bis zu 22 323 DM steuerfrei zu beziehen. Ein Steuerpflichtiger, der seine Alterseinkünfte aus eigenen Ersparnissen, also mit, steuerlich gesehen, Einkünften aus Kapitalvermögen, bestreiten muß, der kann, wenn es sich um Ehegatten handelt, die beide über 64 Jahre alt sind, 20 179 DM steuerfrei beziehen. Wenn Sie jetzt das beschließen, was Sie heute im Bundestag einbringen, dann kann der Rentner in Zukunft 88 090 DM steuerfrei beziehen, der Pensionär immer noch nur 24 543 DM und der Steuerpflichtige, der seinen Lebensunterhalt im Alter aus Kapitaleinkünften bestreiten muß, nur 22 099 DM. Sie können sich ausrechnen, was dies steuerlich bedeutet. Bei gleich hohen Einkünften muß der Pensionär 23 636 DM bezahlen, der Freiberufler 22 343 DM und der Rentner Null DM. Meine Damen und Herren, wie Sie das auch verfassungspolitisch durchhalten wollen, ist eine schwierige Frage. Sie verschärfen diese Problematik, indem Sie jetzt den Grundfreibetrag erhöhen wollen. Ich sage noch einmal: Wenn Sie schnell Klarheit wollen, lassen Sie uns das Unstreitige im Finanzausschuß schnell verabschieden. Wenn Sie dann unbedingt über Ihre Ideologie streiten wollen, dann lassen Sie uns über Ihren ideologischen Ansatz länger streiten. Unser Konzept ist besser als Ihr sozialistischer Irrweg mit immer mehr Interventionen und immer mehr Belastungen. Dieser Ihr Irrweg ist in den vergangenen Jahren sichtbar und von jedermann erlebt gescheitert. Er ist widerlegt. Was Sie als Verbreiterung des öffentlichen Korridors gefordert haben, hat sich als Irrweg erwiesen. Sie haben ja Ihre eigenen Rekordmarken längst übertroffen. 1969 hatten wir eine Staatsquote von 37 %; in Ihrem Orientierungsrahmen 85 fordern Sie 45 %, und heute haben wir eine Staatsausgabenquote von bereits 47,5 %. Sie haben Ihre eigenen Zielvorgaben weit überzogen und unsere Wirtschaft in eine dauerhafte Krise geführt. Meine verehrten Damen und Herren, Sie haben in all den Jahren unsere Warnungen, unsere Alternativen in den Wind geschlagen. Sie haben noch im Juni, als wir hier um die Mehrwertsteuererhöhung rangen und als wir sagten, sie sei konjunkturpolitisch falsch, gesagt, nein, sie sei konjunkturpolitisch richtig. Sechs Wochen später haben Sie von veränderten Daten geredet, an denen sich die Steuerpolitik des Finanzministers anpassen müsse. Dies kann doch nicht Ihr Ernst sein. Es ist die Frage, ob Sie überhaupt in der Lage sind, unser Land aus dieser Krise herauszuführen. Viele in diesem Lande bezweifeln das. Aber damit eine Chance besteht, müssen Sie endlich die Ursachen erkennen, und müssen Sie endlich bereit sein, von unseren besseren Alternativen Gebrauch zu machen. Wir sind dazu bereit. Wir haben unsere Vorschläge vorgelegt. Es ist höchste Zeit, daß Sie sich Ihren ideologisch versperrten Blick für die Wirklichkeit in diesem Lande öffnen. ({10})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat Frau Kollegin Funcke.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000620, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Wer die Lage auf dem Arbeitsmarkt und die Lage in der Wirtschaft heute vorurteilsfrei und objektiv, jedenfalls vorurteilsfreier und objektiver als der Herr Vorredner, analysiert, der wird feststellen, daß wir es mit sehr differenzierten Tatbeständen und Ursachen zu tun haben. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt und die wirtschaftliche Lage sind bestimmt erstens durch konjunkturelle Einbrüche - weltwirtschaftlich überall gleich -, zweitens durch strukturelle Schwierigkeiten - Herr Schäuble hat sie angedeutet -, die mit dem plötzlichen Abbruch der Hochkonjunktur auf Grund des Ölschocks ohne Übergang eingetreten oder zutage getreten sind. Drittens ist die Lage demographisch bestimmt, d. h. durch die besonders starken, jetzt in den Beruf drängenden Jahrgänge. Weiterhin wirken sich eine mangelnde oder nicht hinreichende Ausbildung vieler Kräfte, die bei besserer Ausbildung einen Arbeitsplatz finden könnten, und die mangelnde Mobilität aus. Dabei ist jetzt nicht nach Schuld zu suchen; denn sonst könnten wir uns in langen Diskussionen auch noch mit der Bundesratsbank über die Ausbildungs- und Bildungsprobleme unterhalten. Es ist aber eine Lage, die die derzeit Verantwortlichen vorfinden und die man nicht einfach auf eine vereinfachte Formel bringen kann. Dies alles zusammengenommen und richtig analysiert, sollte die Erkenntnis bringen, daß man mit einer einzigen Maßnahme nicht wirksam zu Lösungen kommen kann. ({0}) Darum begrüßen wir seitens der FDP die Kombination unterschiedlicher gezielter Maßnahmen der Bundesregierung und der Koalitionsparteien, die sich bemühen, die Schwerpunkte der Schwierigkeiten mit den richtigen und differenzierten Mitteln anzugehen. Da haben wir auf der einen Seite die steuerlichen Entlastungen. Meine Damen und Herren, nun kommen Sie doch nicht immer nur mit 9,30 DM! Tatsache ist doch, daß, wenn zum 1. Januar die jetzt vorgelegten Vorschläge der Koalition in Kraft treten, verbunden mit den dann ebenfalls in Kraft tretenden Steueränderungen, die bereits beschlossen sind, es sehr viel höhere Entlastungen für den einzelnen gibt. Dabei erinnere ich auch an das Kindergeld, die Anhebung der Sonderausgaben und den Weihnachtsfreibetrag. Die Entlastung beträgt z. B. bei einem kinderlosen Ehepaar zwischen knapp 300 und 700 DM je nach Einkommenshöhe. Es liegt eben keine absolute Nivellierung vor, es werden sowohl Grundbedürfnisse als auch Differenzierungsnotwendigkeiten zum Leistungsanreiz berücksichtigt. Es handelt sich hier nicht um einen „sozialistischen Irrweg", sondern hier liegt durchaus eine Ausgewogenheit vor zwischen dem, was an Grundentlastung erforderlich ist, um z. B. Lohnsteigerungen in Grenzen zu halten, ({1}) und den auch von uns bejahten Notwendigkeiten des Leistungsanreizes und der Leistungsbelohnung. Man erreicht das Ziel nicht, wenn man oben viel wegnimmt, man muß auch daran denken, daß der Verheiratete mit Kindern entlastet wird, nicht nur der hochverdienende Alleinstehende. ({2}) Ihre Maßnahme hingegen geht dahin, daß der alleinverdienende Familienvater am allerwenigsten entlastet wird. Ich könnte mir denken, daß Gewerkschaften bei Tarifverhandlungen aber gerade auf diesen einen besonderen Blick werfen, weil der Lebensunterhalt ja von seinem Nettogehalt bestritten werden muß. Unsere steuerlichen Maßnahmen setzen sich aus verschiedenen Teilen zusammen. Wir sind der Meinung, daß der Weihnachtsfreibetrag fühlbar angehoben werden sollte, weil hier eine große Chance besteht, daß die dadurch geschaffene Kaufkraft in der Tat in den Konsum geht und zur Anschaffung von sonst nicht finanzierbaren Dingen auch etwas größeren Umfangs genutzt wird. Außerdem wollen wir den Grundfreibetrag anheben, weil damit eine Entlastung für jeden Steuerpflichtigen und seine Ehefrau eintritt, d. h. die Grundbedürfnisse des Menschen berücksichtigt werden. Nun tun Sie bei der Opposition doch nicht so, als gäbe es solche gleichmäßige Entlastung nicht schon und als hätten wir nicht auch schon mit Ihrer Zustimmung den Grundfreibetrag als das steuerfreie Existenzminimum gelegentlich angehoben! ({3}) Das ist doch nun wirklich kein „sozialistischer Irrweg". Sonst müßten Sie hier zunächst einmal den Finanzminister von Bayern, Streibl, zitieren; denn Herr Streibl hat doch in seinen veröffentlichten Überlegungen zur Tarifänderung die Anhebung des Grundfreibetrages um 600 auf 3 600 DM drin. Es müßte dort in Bayern unter der derzeitigen Mehrheit doch ein ungeheuer starker sozialistischer Irrweg beschritten werden, wenn das tatsächlich so aufregend wäre, wie Sie das hier gerade darstellen. ({4}) - Bitte schön.

Prof. Dr. Reinhold Kreile (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001209, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin Funcke, wären Sie bereit, zuzugeben, daß der bayerische Finanzminister seine Forderung nach einer Erhöhung des Grundfreibetrages mit der Forderung verknüpft hat, die Steuersätze insgesamt zu revidieren, daß man es also nicht so isoliert darstellen darf, wie Sie das soeben getan haben? ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000620, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege, Sie sind immer sehr hilfreich mit Ihren Zwischenfragen. Ihre Frage gibt mir die Veranlassung, gerade das auszuführen, was ich mir vorgenommen hatte. Gewiß, Herr Streibl hat das in der Kombination mit einer Tarifänderung gesehen. Diese Tarifänderung werden wir zweifellos vornehmen. Und deshalb ist es verkehrt, was der Herr Schäuble sagt, daß nämlich die Anhebung des Grundbetrages eine spätere Tarifreform unmöglich mache oder durchkreuze. Das Gegenteil ist der Fall. Wenn wir jetzt den Grundfreibetrag anheben, können wir uns bei einer Tarifreform um so intensiver der Frage der Abschwächung der Progression zuwenden. ({0}) Auf jeden Fall aber gibt es doch wohl keine Partei und wohl auch kein Land, das etwa bei einer Tarifreform den Grundfreibetrag dort lassen würde, wo er ist. ({1}) Folglich ist diese Vorwegnahme ganz im Sinne einer zufriedenstellenden Tarifreform, während das, was Sie vorschlagen, eine sorgfältige Betrachtung aller steuerlichen Tatbestände - Freibeträge usw. -- verhindert, weil dann neben der vorgeschlagenen Entlastungsmasse für differenzierte Maßnahmen überhaupt kein Raum bleibt, d. h. keine Masse mehr zur Verfügung steht und damit eine Reihe von Bevölkerungsteilen - das müßten Sie sich einmal anschauen - aus einer solchen Berücksichtigung herausbleibt. In Verbindung mit den steuerlichen Entlastungen sind, wie gesagt, weitere Maßnahmen erforder3180 lich und vorgesehen. Das Gesamtprogramm sieht staatliche Mehrausgaben, verstärkte Anreize zur Mobilisierung privaten Geldes und rein arbeitsmarktorientierte Maßnahmen vor. Ich kann von diesem Bündel jetzt nur ein paar Stichworte nennen: verstärkte Ausgaben der öffentlichen Hand in dem 16-Milliarden-Programm, das ja vorliegt, eine Verstärkung der Ausgaben der Bundespost mit jetzt über 6,8 Milliarden, eine Verstärkung im Wohnungsbau durch staatliche Mittel sowohl im Sozialprogramm wie im Regionalprogramm; dann die Anreize, die privates Kapital mobilisieren, wozu wir bereits den § 7 b erweitert haben. Dazu kommen Anreize zur Förderung von Einbauten und Anlagen, die in Gebäuden Energie sparen. Es soll die Forschungsförderung angereizt und intensiviert werden; es ist eine Verbesserung der degressiven Abschreibung für Gebäude und Anlagen vorgesehen. Nehmen wir noch das hinzu, was doch auch von uns allen beschlossen worden ist, nämlich die Senkung der Vermögensteuer sowie den niedrigen Zinssatz, der der Wirtschaft doch eine sehr fühlbare Entlastung von Zinsbelastungen bringt, und die damit in Verbindung stehende Gewerbesteuersenkung auch für die Großen, weil die Zurechnung der Dauerschuldzinsen entsprechend geringer ist, so ergibt sich neben den sonstigen Entlastungen bei der Gewerbesteuer doch eine sehr nachdrückliche Verbesserung der Finanzkraft in den Betrieben. Von hier aus gesehen, meine Damen und Herren, stellt sich folgende Frage. Sie sagen immer, es wird nicht investiert, weil wegen der steuerlichen Belastung zu wenig nachbleibt. Wenn es möglich wäre, Investitionen durch steuerliche Maßnahmen zu fördern, dann doch mit den Maßnahmen, wie sie hier vorgesehen sind, nicht aber durch allgemeine Steuersenkung. Denn es ist ja nicht gesichert, sondern nur Glaube - glauben darf man sicher -, daß eine allgemeine Steuersenkung Investitionen bewirkt. Sie haben dafür nicht einen einzigen Beweis geliefert, auch nicht in der Rede von Herrn Schäuble, daß Ihre Maßnahmen, zu denen z. B. die Verbesserung der AfA nicht gehört, tatsächlich zu einer Verstärkung der Investitionen und der Nachfrage führen. Darüber könnte man sehr wohl glaubhafte Beweise von Ihnen erbitten dürfen. Es handelt sich im Paket der Bundesregierung und der Koalition auch um arbeitsmarktpolitische Entscheidungen, wie Sie wissen, um eine gezielte Verstärkung des Personals im öffentlichen Dienst dort, wo Sachaufgaben dies zwingend erfordern, etwa im Bereich der inneren Sicherheit, um ein Sonderprogramm, das besonders gegen die Frauenarbeitslosigkeit zielt, und um 1 600 mehr Stellen im Bereich der Arbeitsverwaltung zur Verbesserung und Intensivierung der Vermittlung. Und es ist ein Aufruf an die Länder gerichtet - da können wir ja leider nichts tun; Herr Westphal hat darauf hingewiesen -, daß in den Ländern die stärkeren Schulabgangsjahrgänge mit zusätzlichen Maßnahmen der Grundausbildung bedacht werden, wo ein Ausbildungs- oder Arbeitsplatz nicht zur Verfügung steht. Auf der anderen Seite müssen wir uns auch mit dem Geld befassen. Was die Opposition fordert, bedeutet eine Mindereinnahme von 20 Milliarden DM in Bund, Ländern und Gemeinden. Wenn wir den von Bayern dem Bundesrat vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zum Abbau steuerlicher Hemmnisse bei der Vermögensbeteiligung der Arbeitnehmer hinzunehmen, dann erhöht sich der Steuerausfall um weitere 2 Milliarden DM auf gut 22 Milliarden DM, die Bund, Ländern und Gemeinden fehlen. Wenn ich die Beratungen in diesem Haus über die äußere Sicherheit in der vorigen Woche richtig verfolgt habe, bestand zudem der Beitrag der Opposition durchgängig in einer Anklage, daß der Bund zu wenig tue, und einer Forderung, der Bund möge mehr ausgeben. Es war keineswegs ein Sparappell. Von der Sache her mag das ja gerechtfertigt sein; aber Sie können nicht einfach überall Forderungen stellen, ohne die Auswirkungen auszurechnen. Und diese Rechnung ergibt, daß die Verwirklichung Ihrer Wünsche speziell im steuerlichen Bereich zu einer Ausgabenminderung um 22 Milliarden DM führen würde. Sie wissen sehr genau, daß Bund, Länder und Gemeinden an diesem Ausfall zu bestimmten Prozentsätzen beteiligt sind. Wie ich ausgerechnet habe, hätten die Gemeinden bei diesem Paket einen Ausfall von 4,5 Milliarden DM. ({2}) - Ja, das würde den Gemeinden fehlen. Allerdings gibt es - gerechtigkeitshalber muß ich da sagen - einen Antrag, in diesem Fall den Anteil der Gemeinden am Aufkommen der Lohn- und Einkommensteuer um 1 % auf 15 % zu heben. Dabei geht natürlich ein bißchen vom Anteil der Gemeinden an den Ländereinnahmen ab, so daß im Ergebnis 1,3 oder 1,4 Milliarden DM auf Kosten von Bund und Ländern an die Gemeinden gingen. Aber es bliebe weiterhin ein klares Minus von 3 Milliarden DM zu Lasten der Gemeinden. Und da reden Sie von Gemeindefreundlichkeit und all den Hilfen, die die Gemeinden bekommen sollen. ({3}) Hier muß man doch einfach die Frage stellen, wie das zusammenkommt. Man kann ja nicht einfach sagen, das geht den einen oder den anderen nichts an. Die von Ihnen befürworteten starken Ausfälle bedeuten die Gefahr, daß nicht, wie wir alle 'wollen, Herr Schäuble, ein Schwerpunkt in der Arbeitsbeschaffung gesetzt wird. Dies ist ein Programm gerade zur Verhinderung von Beschäftigung. Denn das jetzt ausfallende Geld wird den Ländern und Gemeinden fehlen, um Nachfrage wirksam werden zu lassen. Wir haben es erlebt - ich sage das ohne irgendeine Kritik, sondern einfach als Feststellung -, daß sich in den Jahren der Rezession zwar der Bund antizyklisch verhalten hat, aber die Länder und Gemeinden, als das Geld knapp wurde, praktisch weniger ausgegeben haben. Und sie sparen gerade in den Bereichen, in denen die Ausgaben nicht durch Gesetz oder durch festliegende Besoldung festgelegt sind, d. h. bei Bauaufträgen, im Hoch- und Tiefbau, bei der Anschaffung von Anlagen, also bei solchen Dingen, die beschäftigungsintensiv sind. Das werden sie auch weiterhin tun. Da von dem Steuerausfall in Höhe von 22 Milliarden DM über die Hälfte auf die Länder und Gemeinden entfällt, werden Länder und Gemeinden etwa 12 bis 13 Milliarden DM weniger ausgeben. Das hat nicht nur zur Folge, daß am Markt die Nachfrage in Höhe von 12 bis 13 Milliarden DM ausfällt, sondern dann werden auch die vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel zur Mitfinanzierung von Gemeinde- und Länderaufgaben ebenfalls nicht abgerufen; denn wenn Länder und Gemeinden nicht bereit oder nicht in der Lage sind, ihren Anteil zu zahlen, wird der Bund nicht finanzieren. Aus diesen Gründen kann es sich bei dem Vorschlag der linearen Steuersenkung nur um ein Programm zur Schaffung, aber nicht zur Verhinderung von Arbeitslosigkeit handeln, und deshalb müssen wir der linearen Steuersenkung um der Gesamtverantwortung willen widerstehen, so symphatisch ein solches Wunschprogramm auch erscheinen und so gern das in der Bevölkerung sicherlich auch gehört werden mag. Das Zeitargument wurde in die Debatte geworfen. Herr Schäuble, ich gebe Ihnen recht: Wir müssen bald und schnell etwas tun. Aber das kann doch nicht bedeuten, daß wir nur den Weihnachtsfreibetrag vorziehen; denn die Verbesserung der Abschreibung muß ebenso schnell verabschiedet werden, da ein solider Kaufmann, auch wenn im Gesetz eine Rückwirkung vorgesehen ist, die letzte Entscheidung für eine Investition erst dann fällen wird, wenn die entsprechenden Regelungen wirksam sind. Deshalb ist die Verbesserung der Abschreibung ebenso eilbedürftig wie die Veränderungen im Tarifbereich; denn die Steuertabellen müssen gedruckt werden, und ein Arbeitgeber muß Anfang Januar wissen, nach welcher Tabelle er die Steuer berechnen muß.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000620, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte schön.

Dr. Hansjörg Häfele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000774, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Funcke, könnte aus Ihrem berechtigten Argument der Eilbedürfigkeit nicht die Kritik abgeleitet werden, daß die Bundesregierung nicht weitschauend genug war, um diese Gesetzesvorlage hier schon vor Monaten rechtzeitig vorzulegen?

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000620, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Was den Finanzausschuß angeht, ist es uns - lieber Herr Kollege, darin sind sind wir uns sehr einig - immer lieb, wenn wir genügend Zeit für die Beratung von Steuergesetzen haben; aber so lange ich im Bundestag bin - in Zeiten unterschiedlicher Regierungen -, haben wir immer eilbedürftige Steuervorlagen gehabt. Dieses muß wohl nicht nur an der jeweiligen Regierung, sondern an den Verhältnissen liegen. Die Steuern machen nicht nur zur Zeit der sozialliberalen Regierung 24 % des Bruttosozialprodukts aus, sondern auch zu den Zeiten, in denen wir einen Finanzminister aus der CSU hatten. Wenn das so ist, muß eine solche Masse zur Steuerung der wirtschaftlichen Entwicklung mit herangezogen werden, auch wenn sie nicht der einzige Ansatzpunkt für eine solche Steuerung ist. Da man nun die Entwicklung der Wirtschaftslage nicht immer drei Jahre im voraus kennen kann, ergibt sich - leider -, daß Steuervorlagen häufig eilbedürftig sind. Herr Schäuble, zu Ihren Ausführungen möchte ich noch eine kleine Korrektur anbringen. Sie sagten mit Recht, die Ausgabenquote oder die Staatsquote, wie Sie immer sagen, sei nicht mit der Steuerquote identisch. Dabei unterstellen Sie immer, daß die Beiträge zur Sozialversicherung Beträge seien, von denen der Bürger nichts habe, die er einfach abgeben müsse, da eine höhere Gewalt das bestimme. Wir wissen aber alle, daß die Leistungen in der Krankenversorgung entscheidend gestiegen sind und sich daher Leistung und Gegenleistung gleichgewichtig gegenüberstehen. Wenn die Leistungen verstärkt in Anspruch genommen und angeboten werden, ergeben sich auch höhere Kosten. Ihre Argumentation dagegen ist etwa so: Bisher kam ich ohne Auto aus, jetzt habe ich ein Auto, und auf einmal ist mein Nettoeinkommen kleiner, weil das Auto eben auch finanziert werden muß. Und um auch das parteipolitisch aus dem Raum zu schaffen: Die Anhebung im Rentenversicherungsbereich von 14 auf 18 % ist zwar in der Zeit der jetzigen Koalition wirksam geworden, aber beschlossen wurde sie ja wohl vor 1969 - das wissen Sie sehr genau -, das heißt in der Regierungszeit der CDU, nicht in der Zeit der sozialliberalen Koalition. Meine Damen und Herren, die FDP ist der Meinung, daß die differenzierte Lage am Arbeitsmarkt und in der Wirtschaft eines verantwortlichen Gesamtkonzepts bedarf, eines Konzepts, das seine Popularität nicht aus dem Versprechen unerfüllbarer Wünsche mit Blick auf den Schlitz der Wahlurne bezieht, sondern aus einem sorgfältig ausgewogenen Programm mit der Zielrichtung auf die von uns allen doch wohl gemeinsam als dringlich angesehene Verbesserung der Beschäftigung und der Stärkung und langfristigen Sicherung unserer volkswirtschaftlichen Leistung. ({0})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.

Dr. Hans Apel (Minister:in)

Politiker ID: 11000043

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst eine mehr prozedurale Vorbemerkung machen. Nachdem der erste Debattenredner von seiten der CDU gefragt hat, ob denn in gehöriger Weise zur Tagesordnung geredet wurde, und Herr Kollege Westphal ihm darauf die entsprechende Antwort gegeben hat, habe ich dann bei dem zweiten Debattenredner der Opposition festgestellt, daß er über vieles geredet hat, u. a. auch über Steuern. Ich möchte daraus überhaupt keine Kritik ableiten, sondern nur darauf aufmerksam machen, daß dies natürlich bedingt, daß die Bundesregierung in gehöriger Form auch Antworten auf Fragen gibt, die über den engeren Tagesordnungspunkt hinausreichen. Ich sage das nur, Herr Professor Köhler, damit ich Ihnen eine entsprechende Zwischenfrage erspare, die Sie natürlich bei Ihrem Fraktionssprecher hätten stellen müssen. ({0}) Nun zur Sache selbst. Ich beginne mit dem ersten Vorwurf des Herrn Kollegen Schäuble, der Finanzminister habe, stellvertretend für die Bundesregierung, wiederholt seine Meinung geändert. Ich glaube, man kann sicherlich objektiv feststellen, daß wir im Laufe der letzten drei bis vier Jahre mehrmals Kurskorrekturen an der Finanzpolitik haben vornehmen müssen. Das ist richtig. Wir sind nach der Phase hoher, gebotener Defizite aller öffentlichen Hände, die im übrigen Voraussetzung für den Wiederaufstieg aus der tiefen Talsohle 1975 war - Sie haben das damals massiv kritisiert und zu keinem Zeitpunkt die ökonomische Notwendigkeit dieser Defizitpolitik akzeptiert -, in eine Phase relativ hohen Wachstums gekommen. 1976 betrug das reale Wachstum des Bruttosozialprodukts 5,6 °/o. Deshalb war es schon geboten, zu einer gewissen Dämpfung der Expansion der öffentlichen Ausgaben zu kommen. Wir haben jetzt wieder umgeschaltet. Von daher kann ich verstehen, was Sie - wie ich meine, allerdings polemisch und nicht sachbezogen - sagen, hier seien Kurskorrekturen vorgenommen worden. Kurskorrekturen sind in der Tat erfolgt. Es wäre merkwürdig, wenn sich Finanzpolitik nicht an ökonomischen Gegebenheiten orientierte, sondern stur ihren Weg verfolgte. ({1}) - Lassen Sie mich noch eine Sekunde weiterreden, dann bin ich sehr gern bereit, Ihre Zwischenfrage entgegenzunehmen. Nun möchte ich mich auch mit der von Ihnen speziell angesprochenen Frage der Mehrwertsteuererhöhung befassen. Vielleicht bezieht sich auch Ihre Zwischenfrage darauf. Wir führen hier in einem gewissen Maße Debatten, die wir schon geführt haben. Das soll uns aber keineswegs daran hindern, erneut unsere Meinung auszutauschen. Dazu ist einfach festzustellen - das ist auch hier, glaube ich, am letzten Freitag von Herrn Böhme vorgetragen worden -, daß die Lohnsteuer zunehmend tragende Säule unserer Steuereinnahmen wird, 1972 25 % aller Steuereinnahmen erbracht hat und, wenn wir nichts täten, 1980 36,4 % erbringen würde, während die Einnahmen bei den indirekten Steuern ununterbrochen abnehmen, und zwar in gleichem Zeitraum von einem Anteil von 43 % auf 35 %. Insofern war die Operation „Anhebung der Mehrwertsteuer, Zurückgabe des vollen Mehrertrags" - wir haben sogar mehr zurückgegeben als das, was wir eingenommen haben - geboten. Im übrigen: Wenn wir nicht mehr zurückgegeben hätten, hätten die Länder auch bei der Umsatzsteuerneuverteilung keine Forderungen an den Bund richten können. Ich meine also, diese Operation war steuerstrukturpolitisch wie auch konjunkturpolitisch geboten. Wir schaffen dort zusätzliche Leistungsanreize durch Steuersenkungen, wo die Lohnsteuer drückt. Wenn Sie jetzt eine Frage hätten, wäre ich sehr gerne bereit, diese Frage zu debattieren.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Bitte, Herr Kollege.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001938, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesfinanzminister, sind Sie in der Lage, zu erklären, welche wirtschaftspolitischen Rahmendaten sich seit dein Zeitpunkt verändert haben, da Sie eine Mehrwertsteuererhöhung von 2 % ohne volle Auskehr gefordert haben und wie sich die wirtschaftspolitischen Daten seit dem Zeitpunkt Ende Juli verändert haben, zu dem Sie gefordert haben: Steuersenkungen nicht vor 1980?

Dr. Hans Apel (Minister:in)

Politiker ID: 11000043

Wenn Sie gestatten, Herr Schäuble, möchte ich auf den ersten Punkt dieser Frage, auf das Problem „Mehrwertsteuererhöhung um zwei Punkte ohne Steuerentlastung", sofort eingehen und dann das Ergebnis darstellen. Zu dem Punkt, was sich in der Sommerpause geändert habe, möchte ich in einem zweiten Abschnitt meiner Rede Stellung nehmen, weil das in den Kontext meiner Rede besser hineinpaßt. Sie können dann sehr genau kontrollieren, ob ich ausgewichen bin oder nicht. Zu dem ersten Punkt: Sie alle erinnern sich an die Situation, die wir im Ausgang der Weltwirtschaftsrezession hatten, mit Finanzierungsdefiziten aller Gebietskörperschaften von 65 bis 70 Milliarden DM - allein beim Bund 35 Milliarden DM. Zu dieser Zeit war es unbedingt geboten, nicht zuletzt angesichts eines sehr hohen Wirtschaftswachstums in 1976, die Konsolidierung der öffentlichen Finanzen in den Vordergrund treten zu lassen. Es hat sich dann allerdings gezeigt, daß sich die wirtschaftliche Marschgeschwindigkeit in 1977 reduziert hat. Dies war, wenn Sie so wollen, der Zeithorizont 1975 bis heute. Über den Zeithorizont - sagen wir - Ende Juni bis heute werde ich gerne anschließend in einem anderen Zusammenhang debattieren. Wir werden auch in Zukunft - und das ist der Unterschied zwischen Regierenden und Opposition - Kurskorrekturen vornehmen müssen. Sie haben es da leichter. Sie können sich hier herstellen, Unvereinbares fordern und sich dann wieder hinsetzen und hoffen, daß die Presse das auch entsprechend würdigt. Wir müssen für unsere Handlungen einstehen. Insofern werden wir auch in Zukunft Kurskorrekturen machen. ({0}) - Es ist nicht so einfach. Das gebe ich Ihnen ohne weiteres zu. Es ist sogar sehr schwierig. Es ist in jedem Falle sehr viel schwieriger, als diesen Zwischenruf zu machen. Das ist richtig. ({1}) Nun möchte ich zu einem zweiten Punkt der Ausführungen des Herrn Schäuble kommen. Er hat von den Neidkomplexen gesprochen. Nun hat Frau Funcke schon die entsprechende Veröffentlichung der Bayerischen Landesregierung, nämlich das „Bulletin" der Bayerischen Staatsregierung vom 3. August vorgetragen. Ich brauche dem eigentlich nichts hinzuzufügen. Nur noch eines: Herr Gillies - sicherlich ein sehr kluger Journalist, der sowohl von seiner Orientierung wie auch vom Organ her, in dem er schreibt, der „Welt", eher Ihnen zuneigt - schreibt heute in der „Welt" folgendes zu diesem Thema: Was am 3. August noch trefflich war, nämlich die Erhöhung des Grundfreibetrages, kann eigentlich am 13. September nicht allein deswegen schlecht sein, weil die Sozialliberalen es vorschlagen. ({2}) Der Abgeordnete Böhme - er bezieht sich auf Ihren Debattenbeitrag vom Freitag letzter Woche macht den steuerpolitischen Nachholbedarf der Union deutlich. Ich glaube, dem haben wir überhaupt nichts hinzuzufügen. ({3})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Bundesfinanzminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kreile?

Dr. Hans Apel (Minister:in)

Politiker ID: 11000043

Ja, natürlich.

Prof. Dr. Reinhold Kreile (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001209, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, ich muß so ähnlich fragen wie bei Frau Funcke. Sie haben nämlich nicht vollständig und damit nicht das Wesentliche zitiert. Ich frage Sie, ob das, was der Bayerische Staatsminister erklärt hat, auch nach Ihrer Meinung gelautet hat: Um eine Tarifreform bei der Einkommensteuer und Lohnsteuer zu gestalten, muß man die Schwerpunkte beim Grundfreibetrag und bei den Steuersätzen setzen, und nur in der Kombination Grundfreibetrag plus Steuersätze kann das neue steuerpolitische Konzept liegen. - Nur dort! Das ist doch wohl auch Ihre Auffassung? Und, um die zweite Frage zu sagen, -

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege, Sie können nur eine Frage stellen. ({0}) - Sie können nicht zwei Fragen auf einmal stellen. Es tut mir leid. Die Geschäftsordnung sieht das nicht vor.

Dr. Hans Apel (Minister:in)

Politiker ID: 11000043

Ich finde es natürlich sehr nett, daß Sie versuchen, den bayerischen Finanzminister Streibl hier herauszureißen. Das gehört sich auch so, schließlich gehört er Ihrer Partei an. Das finde ich sehr in Ordnung. Nur geht es darum gar nicht. Es geht ausschließlich um die Frage, ob Sie es einem Fraktionskollegen, dem Herr Schäufele, gestatten wollen ({0}) - Schäuble; na, bitte schön, es gibt anschließend eine Flasche Korn oder was Sie wollen als Entschädigung -, in dieser Art und Weise gegen das steuerpolitische Instrument Grundfreibetrag zu polemisieren. Das ist doch die entscheidende Frage. ({1}) Ich muß sagen, da wäre es vernünftiger, wenn man sich innerhalb der Unionsparteien einigte, was man zum Thema Grundfreibetrag will. Im übrigen hat Frau Funcke die Antworten gegeben, die ich sonst auch geben müßte, daß das eine und das andere sicherlich in ein Paket hineingehört, aber deswegen doch nichts dagegen einzuwenden ist, einen Schritt jetzt zu tun und einen anderen Schritt, nämlich den der Tarifreform, später zu tun. Ich weiß gar nicht, weswegen Sie mich ununterbrochen auf dieselben Dinge aufmerksam machen wollen. ({2})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Minister, würden Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Kreile gestatten?

Dr. Hans Apel (Minister:in)

Politiker ID: 11000043

Ja, natürlich, Herr Präsident.

Prof. Dr. Reinhold Kreile (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001209, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesfinanzminister, sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß der Fehler in der isolierten Betrachtungsweise Ihres Gesetzentwurfs liegt, der nur den Grundfreibetrag behandelt, und daß es die richtige Methode wäre, Grundfreibetrag und Steuersätze in einem neu zu gestalten?

Dr. Hans Apel (Minister:in)

Politiker ID: 11000043

Der Fehler muß bei Ihnen liegen. Sie lesen augenscheinlich Initiativgesetzentwürfe der Koalitionsfraktionen nicht ordentlich. Da geht es nicht nur um Grundfreibetrag, da geht es auch um Weihnachtsfreibetrag, da geht es auch um degressive Abschreibungen. ({0}) - Entschuldigen Sie, so geht es nicht. Der Präsident wird Sie sonst ermahnen müssen, denke ich, und das möchte ich in Ihrem Interesse nicht. ({1})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Bundesfinanzminister, einen Zwischenruf auch eines Zwischenfragers wollen wir entgegennehmen, zumal Sie von der Regierungsbank liebenswürdigerweise auch einen Zwischenruf unbeanstandet an das Plenum gerichtet haben. ({0})

Dr. Hans Apel (Minister:in)

Politiker ID: 11000043

Ja, das ist wahr, Herr Präsident. So streng ist der HS - - Na, gehen wir nicht in die Fußballerwelt! ({0}) Ich nehme das gerne auf. Ich möchte darauf zurückkommen, wenn ich über das rede, was Herr Schäuble hier vorgetragen hat und was ich unfair finde. Er hat immer nur von den 9 Mark und ein paar Pfennigen geredet. Es geht um sehr viel mehr. Es wird auch deutlich werden, sehr verehrter Herr Kollege, daß dieses, was am Jahresanfang in Kraft tritt, eine glückliche Kombination von Entlastung -({1}) - Augenblick, jetzt möchte ich einmal einen Augenblick im Zusammenhang reden. So geht das ja nicht, Sie können ja hier nicht mit mir debattieren. ({2}) - Ich bitte Sie! Lassen Sie mich einmal fünf Minuten reden, und werden Sie nicht so nervös, weil Sie merken, daß Ihre Argumente zerpflückt werden. Dann dürfen Sie wieder eine Zwischenfrage stellen. ({3}) Es geht also darum, eine glückliche Kombination zu finden, die so aussieht, daß konjunkturpolitisch dort am meisten entlastet wird, wo die Wahrscheinlichkeit, daß die Steuerersparnis in den Konsum geht, am größten ist, nämlich bei den geringeren und mittleren Einkommen, aber gleichzeitig auch gewisse Progressionswirkungen herauszubringen. Ich werde Ihnen anschließend an Zahlenbeispielen deutlich machen, daß das so ist. Es geht hier also nicht um Neidkomplexe - augenscheinlich ist das das neue Stichwort der Unionspolitik -, sondern es geht darum, konjunktur- und steuerpolitisch etwas Vernünftiges zu machen. Sie sagen nun, ich hätte bei meinen Zahlen mit gezinkten Karten gearbeitet, ich hätte mit zu niedrigen Einkommen angefangen. Nehmen wir also einmal andere Einkommen. Ihr Vorschlag: Jahreseinkommen 16 000 DM, Steuerentlastung 219 DM; Jahreseinkommen 100 000 DM, Steuerentlastung 3 444 DM. Das ist dann das Zehnfache. ({4}) Ob Sie dieses in der Tat für ausgesprochen gerecht halten, auch für konjunkturpolitisch wirksam, überlasse ich Ihrer eigenen Bewertung. Ich will eines hinzufügen, Herr Professor Köhler: Es muß uns doch alle stören, wenn wir an das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz denken: daß wir eine solche lineare Steuersenkung auch für die Körperschaften durchzuziehen hätten. Zumindest dieses muß ich an dem geltenden Stabilitäts- und Wachstumsgesetz monieren, weil ich das nach einer Körperschaftsteuerreform nicht mehr für sinn- und zeitgemäß halte. Wir sollten bei Gelegenheit darüber nachdenken, ob wir das nicht ändern können. ({5}) Ich komme jetzt zu dem, was wir soeben schon andebattiert haben, nämlich zu der Frage: Ist das wirklich so schrecklich egalitär, haben wir uns hier von Neidkomplexen bewegen lassen? Ich nehme zwei Einkommensgruppen, die durchaus im Bereich der Durchschnittseinkommen liegen - eine sehr weit unten, eine schon sehr hoch, das gebe ich zu -, und dann schauen wir uns doch einmal die Wirkung an. Der verheiratete Familienvater in der Steuerklasse III wird bei einem Jahreseinkommen von 24 000 DM nach unserem Paket, wie es am 1. Januar 1978 in Kraft treten wird, um 330 DM im Jahr entlastet, wenn er 60 000 DM verdient, um 698 DM. Also bitte, meine Herren, hören Sie erstens auf, immer von den neun Mark und soundso viel zu reden, nehmen Sie endlich die Zahlen, die stimmen. Was soll diese Verkleinerung von Maßnahmen, die wir alle gemeinsam beschließen und tragen? ({6}) Hören Sie zweitens auch einmal mit dem Thema „Neidkomplex" auf. Immerhin kriegt der Bezieher von 60 000 DM Jahreseinkommen als Verheirateter ohne Kinder - Steuerklasse III /1 - das Doppelte an Steuerentlastung. Sie sehen also, hier gibt es durchaus auch mit steigendem Einkommen steigende Entlastung, nur nicht in der ungerechten Art und Weise, wie Sie es wollten. ({7}) Es gibt ein zweites Element, das ich sehr zu beachten bitte. Ich nehme nun den gleichen verheirateten Arbeitnehmer mit vier Kindern. Sie können diese Tabelle haben, wir werden sie veröffentlichen; sie ist sicherlich für Ihre Argumentation sehr hilfreich Er erhält bei 24 000 DM Jahreseinkommen unter Einrechnung der Anhebung des Kindergeldes, nicht des gesamten Kindergeldes, 1 130 DM entweder über das Kindergeld und/oder über die Steuerentlastung mehr, bei 60 000 DM Jahreseinkommen 1 300 DM. Sie sehen hier die zweite Komponente: Das, was am 1. Januar 1978 in Kraft tritt, ist nicht nur nicht ausschließlich egalitär, sondern es hat noch eine eindeutige familienpolitische Komponente. Ich meine also, das ist ein vernünftiges Paket. Sie werden es weiterhin kleinmachen, davon gehe ich aus. Nur, ich weiß nicht, ob Sie sich damit einen guten Dienst erweisen, denn die Zahlen sprechen gegen Sie. ({8}) Nun möchte ich eine zweite Bemerkung machen, die durchaus von Belang ist. Sie reden immer von der Abgabenquote. Ich bin sehr gern bereit, mit Ihnen die Debatte darüber erneut aufzugreifen. Aber trennen wir doch bitte einmal Sozialbeitragsquote und Steuerquote. ({9}) - Ich komme zur Sozialbeitragsquote sofort. Bei der Steuerlastquote, hochverehrter Herr Professor Köhler, werden Sie eines nicht bestreiten können: Wenn wir die richtige Rechnung aufmachen, nämlich das Kindergeld, das früher über Freibeträge gleich abgezogen wurde, das jetzt dazukommt, damit durch die öffentlichen Kassen läuft und die Steuerquote erhöht, abziehen und die Maßnahmen abziehen, die jetzt in Kraft treten, dann ist die Steuerlastquote - so nenne ich sie einmal - in etwa konstant. Sie war in den 50er und 60er Jahren höher, sie ist danach abgesunken, sie ist dann wieder gestiegen. Sie oszilliert um 24 % herum. Das können Sie nicht bestreiten. Worüber wir reden müssen, ist die Sozialbeitragsquote. Sie ist in der Tat in den letzten 25 Jahren gestiegen. Aber hier muß ich darauf hinweisen, daß wir bisher im Bereich der Sozial- und Gesellschaftspolitik - ich hoffe, daß das so bleibt - weitgehend immer einer Meinung waren, daß wir das Netz sozialer Sicherheit, das über Solidaritätsbeiträge der großen Mehrheit der Bürger finanziert wird, brauchen, daß wir hier eine Privatisierung nicht wollen, daß wir die Demokratie der Rabiaten ablehnen, daß gerade auch aus der Sicht der katholischen Soziallehre die Starken für die Schwachen dazusein haben. Wollen Sie dies alles in Frage stellen? Ich würde mich sehr darüber wundern. ({10}) Im übrigen, hochverehrte Herren von der Opposition, ist das z. B. der Grund dafür, weswegen die Koalition, wie ich finde, zu Recht gesagt hat: Wir nehmen mögliche zusätzliche Fehlbeträge bei der Sozialversicherung in den Bundeshaushalt, was dem Bundesfinanzminister natürlich durchaus schwerfällt: Schulden vorzeitig zu tilgen - Schulden, die in 1982 und 1983 fällig gewesen wären -, ({11}) um eben die Sozialbeitragsquote nicht steigen zu lassen. Ich füge hinzu: Wie war denn die Debatte am Beginn dieses Jahres? War es nicht der Herr Kollege Katzer, der als letzten Ausweg auch eine Beitragserhöhung bei der Rentenversicherung anvisiert hatte? Ich werfe Ihnen dieses alles gar nicht vor. Ich bitte Sie nur darum, mit der Demagogik endlich aufzuhören, die Dinge beim Namen zu nennen ({12}) und klarzumachen, daß Rentenversicherung, Krankenversicherung und Arbeitslosenversicherung ein politischer Wert an sich Sind. Wenn Sie daran tasten wollen, dann sagen Sie es offen und reden Sie nicht immer in Abgabenquoten! ({13}) Ich möchte jetzt zu dem kommen, was Herr Schäufle angesprochen hat. ({14}) - Herr Schäuble! ({15}) - Sind das jetzt schon zwei Flaschen? Ist versprochen! Jetzt muß ich mir das aber wirklich sehr merken. Denn Sie wissen ja, ich bin ein relativ sparsamer Mensch. Ich muß daher jetzt wirklich aufpassen. Jetzt möchte ich also gerne auf das zu sprechen kommen, was Herr Schäuble angesprochen hat. Sie werden morgen in Ihren Fächern den neuesten Bericht - vielleicht haben Sie ihn heute schon gefunden -, den Monatsbericht der Deutschen Bundesbank finden. Ich glaube, wir können uns hier gemeinsam auf die ökonomische Basis der Aussagen dieses Monatsberichtes stellen. Die Deutsche Bundesbank sagt folgendes: Das reale Bruttosozialprodukt, das zu Jahresbeginn noch verhältnismäßig kräftig gestiegen ist, habe nach ersten Berechnungen im zweiten Quartal - ersten Berechnungen! -, die wir jetzt haben, kaum noch zugenommen. Deswegen werde ,das ursprüngliche Wachstumsziel für 1977, das auch die Bundesbank mit 5 % real anvisiert hatte, aller Voraussicht nach nicht unwesentlich unterschritten. Und da haben Sie die Antwort auf Ihre Frage, Herr Schäuble. Die Bundesbank sagt uns in ihrem neuesten Monatsbericht, der morgen für die Presse frei ist, uns aber heute vorliegt - auch den Journalisten -: Es hat sich hier etwas getan, und zwar etwas Dramatisches; nach kräftigem Anstieg des Bruttosozialprodukts im ersten Quartal Stagnation im zweiten Quartal. Und: Wir gehen davon aus, daß das Wachstumsziel, das wir anvisiert haben, nicht erreicht wird. Ich füge hinzu: Dieses Wachstumsziel ist nicht nur von zentraler Bedeutung für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in unserem Lande, sondern wir sind hier internationale Verpflichtungen eingegangen. Das ist der Grund, weswegen wir hier etwas Zusätzliches tun, weswegen es eine Kursveränderung - Kursveränderung, nicht Kurswechsel! - in der Finanzpolitik von Ende Juni bis Mitte September gegeben hat. ({16}) Nun bin ich zwar gern bereit, mir Zitate aus der damaligen Zeit vorhalten zu lassen. Jedoch ändert dies nichts daran, daß ich das, was hier auf Grund der Basis der Aussagen der Bundesbank angesprochen worden ist, mit vollziehe. Nun kommen die Gründe - Sie können das morgen alles nachlesen -, die die Bundesbank nennt. Ich finde sie sehr bemerkenswert. Sie sagt erst einmal, die Abflachung der Konjunkturkurve sei in erster Linie auf die Entwicklung der Auslandsnachfrage zurückführen. Sie macht dann dazu Bemerkungen. Ich will dazu nur folgendes sagen: Um so wichtiger ist es, daß wir in der nächsten und übernächsten Woche, wenn wir uns in Washington bei der Jahresversammlung des Internationalen Währungsfonds treffen, die Solidarität ,der westlichen Industrienationen in ihrer Verantwortung für schwächere Partner, aber auch für die Entwicklungsländer erneut schmieden. Wir Deutschen sind bereit, hier nicht nur über nationale Maßnahmen viel zu tun, sondern auch international in einem hohen Maße unsere Devisenreserven einzusetzen, um die Abflachung der Weltkonjunktur - auch im Interesse der deutschen Volkswirtschaft - zu begrenzen. ({17}) Im übrigen: Ich will hier zwar nicht in Optimismus machen, aber einige internationale Daten sehen ja so schlecht nicht aus. Die Devisenreserveposition der Engländer hat sich wesentlich verbessert. Die Italiener haben zum erstenmal seit längerer Zeit einen Leistungsbilanzüberschuß. In einer ganzen Reihe von Ländern, in Japan wie auch bei uns, wird die Konjunktur antizyklisch belebt. Wir sollten hier also zwar nicht in Optimismus machen, aber unsere Verpflichtung - international wie national - sehen, auch die Chancen und Möglichkeiten. ({18}) Dann kommt eine zweite sehr interessante Aussage des Monatsberichts der Deutschen Bundesbank, nämlich: Neben der Verschlechterung der Exporterwartungen sei mitverantwortlich, daß seit längerem eine zunehmende Zahl von Investitionsvorhaben durch anhängige Gerichtsverfahren verzögert oder völlig blockiert werde. ({19}) Dieses ist, glaube ich, ein Thema, das uns alle angeht, bei dem wir alle allen Grund haben, etwas zu tun. Es ist bedauerlich, daß die Regierungserklärung des Bundeskanzlers zu Fragen der Wirtschaft heute nicht abgegeben werden konnte, sonst wäre dazu sicherlich einiges an Aussage gekommen. Aber wir werden das sicherlich nachholen. Damit bin ich beim Punkt. Ich bin sehr dafür, die öffentlichen Ausgaben weiter zu steigern. Auf den Bundeshaushalt werde ich noch kurz zu sprechen kommen. Aber wir müssen sehen, daß die administrativen Investitionshemmnisse natürlich auch die öffentlichen Hände treffen. Allein bei den Ländern bleiben nach unserer Schätzung im Finanzministerium runde 10 Milliarden DM an Investitionsmitteln, die bereitgestellt worden sind, liegen, weil sie nicht umgesetzt werden können. Das ist ein Thema, das uns alle ganz energisch angeht. Ich meine, wenn wir hier nicht vorankommen, können wir manches, was wir flankierend in der Finanz- und Steuerpolitik machen, vergessen. Ich möchte damit zu meinem letzten Debattenpunkt kommen. Sie, Herr Schäuble - ({20}) - Zwei Flaschen erst! Das hält sich noch in Grenzen. Sie werden sicherlich nicht zu anspruchsvoll sein. ({21}) - Ich beziehe das nicht auf Ihren Debattenbeitrag, sondern auf das, was wir miteinander verwettet haben. ({22}) Sie haben gesagt, Sie wollten uns Alternativen vorzeigen. Außer der Alternative, linear die Steuern um 10 % für alle zu senken, auch für die AGs und GmbHs, habe ich nichts gehört; denn über Vertrauen und Überbelastung zu reden, ist ja wohl keine Alternative, sondern dieses sind, wenn Sie so wollen, Sprüche. Es hat im übrigen ein Spruch gefehlt: Kohl muß Kanzler werden! Auf den haben Sie verzichtet. Ich kann das verstehen angesichts der Meinungsumfragen, die wir zu diesem Thema haben. ({23}) Aber nun laßt uns doch mal über Alternativen reden. ({24}) Hier gibt es die Beschlüsse der Bundesregierung von gestern zur Förderung von Wirtschaftswachstum und Beschäftigung. Meine Vorredner haben darüber schon gesprochen. Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, halten diese für kurzatmig; ich zitiere Sie. Nun will ich Sie abfragen, ob Sie schon eine Alternative haben: Wir betreiben eine Expansion der Investitionsausgaben beim Bundeshaushalt. Herr Strauß hält dieses im übrigen, wie ich gelesen habe, für den falschen Weg. Aber ist es nicht so, daß die Opposition immer wieder eine Verstärkung der investiven Ausgaben gefordert hat? Ist es nicht so, daß Sie uns immer wieder auf den Weg verweisen, mehr für die Entwicklungshilfe zu tun? Die Steigerungsrate gegenüber dem letzten Jahr beträgt jetzt 22 %, nicht zuletzt um unserer deutschen Wirtschaft zu helfen. Ist es nicht so, daß Sie immer mehr Verteidigungsausgaben gefordert haben? Ist es nicht so, daß wir alle der Meinung sind, daß die Personalausstattung und auch die Sachausgaben für die innere Sicherheit verstärkt werden müssen? Ich kann also folgendes feststellen - wir werden die Haushaltsberatungen ja noch haben -: Erstens. Ich sehe keine Alternative. Herr Strauß sagt: 10 % Haushaltswachstum sind zuwenig! - Sie müssen allen diesen Einzelmaßnahmen, die im Bundeshaushalt stehen - das werden wir in der Haushaltsdebatte erleben -, zustimmen, weil sie zu einem guten Teil Ihren Forderungen entsprechen. Ich komme zum zweiten Punkt, nämlich zur Steuerentlastung. Wir haben inzwischen dank der Hilfe von Herrn Streibl die Debatte über den Grundfreibetrag relativiert; darauf will ich nicht zurückkommen. Drittens. Ich wüßte eigentlich nicht, was Sie gegen Steuerentlastungen haben. Viertens. Sind Sie gegen degressive Abschreibungen? Weitere Punkte: Sind Sie gegen verbesserte Investitionszulagen für Forschung und Entwicklung? - Doch wohl nicht. Sie haben doch einen Antrag vorgelegt. Sind Sie für staatliche Aufwendungen in Milliardenhöhe für die Energieeinsparung? Sind Sie gegen die Fortsetzung des sozialen Wohnungsbaus? Sind Sie gegen zusätzliche Investitionen bei der Bundespost? Sind Sie gegen das Existenzgründungsprogramm für kleine und mittlere Betriebe, das der Herr Friderichs eingebracht hat? Sind Sie für die Stabilisierung der Sozialversicherung? Sind Sie nicht auch der Meinung, daß Beitragserhöhungen Gift gewesen sind? ({25}) Mit anderen Worten: Hier haben Sie eine Position. Diese Position müssen Sie nicht übernehmen. Aber auf diese Position dürfen Sie nicht mit Floskeln, auch nicht mit Verdächtigungen, auch nicht mit falschen Zahlen, sondern Sie müssen mit einer anderen Position antworten. Wenn Sie uns diese andere Position so vorlegen, daß sie debattenfähig ist, und die einen nicht etwas anderes sagen als die anderen - am 3. August ist der Grundfreibetrag wünschenswert, heute wird er verketzert -, dann finden Sie uns offen. Nur, wir müssen schnell handeln. Das, was Sie uns vorschlagen, führt uns in die falsche Richtung. ({26})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Meine Damen und Herren, wir treten in die Mittagspause ein. Ich mache darauf aufmerksam, daß die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts möglicherweise etwas früher als vorgesehen beantwortet sein werden, so daß die Plenardebatte unter Umständen etwas früher wiederaufgenommen werden kann. Ich unterbreche die Sitzung. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Wir setzen die Sitzung fort. Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde - Drucksache 8/885 Es ist vorhin schon gesagt worden, daß, sollte die Fragestunde früher zu Ende sein als nach den 1 1/2 Stunden, die dafür angesetzt sind, wir in der Beratung fortfahren. Wir machen dann also keine Pause. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen auf. Zur Beantwortung Herr Staatsminister von Dohnanyi. Ich rufe die Frage 9 des Herrn Abgeordneten Dr. Wittmann auf: Welche internationalen Konventionen, Abkommen und zweiseitigen Verträge zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus bestehen, und welche von ihnen hat die Bundesrepublik Deutschland bisher nicht gezeichnet bzw. noch nicht ratifiziert? Bitte schön, Herr Staatsminister.

Not found (Gast)

Die Bundesrepublik Deutschland gehört folgenden mehrseitigen Übereinkommen zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus an: Abkommen über strafbare, an Bord von Luftfahrzeugen begangene Handlungen vom 14. September 1963 - die sogenannte Tokio-Konvention -; Übereinkommen zur Bekämpfung der widerrechtlichen Inbesitznahme von Luftfahrzeugen vom 16. Dezember 1970 - DenHaag-Konvention - Übereinkommen über die Verhütung, Verfolgung und Bestrafung von Straftaten gegen völkerrechtlich geschützte Personen vom 14. Dezember 1973 - die sogenannte Diplomatenschutzkonvention -. Die Bundesrepublik hat unterzeichnet das Übereinkommen über die Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrt vom 23. September 1971 - die sogenannte Montreal-Konvention; das Zustimmungsverfahren läuft hier seit 1975 - und das Europäische Übereinkommen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Januar 1977; das Vertragsgesetz wird vorbereitet. Nicht unterzeichnet hat die Bundesrepublik Deutschland die von der Organisation Amerikanischer Staaten in Washington am 2. Februar 1971 aufgelegte Konvention gegen Terrorismus. Die Bundesregierung nimmt maßgeblichen Anteil an der Ausarbeitung einer Konvention der Vereinten Nationen gegen Geiselnahme, über die noch in einem Sonderausschuß bei den Vereinten Nationen beraten wird.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage.

Dr. Fritz Wittmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002540, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, wann wird die Europäische Konvention über Terrorismusbekämpfung dem Bundestag vorgelegt, damit sie alsbald ratifiziert werden kann? Denn ich erinnere mich, daß zwei oder drei Staaten genügen, um diese Konvention in Kraft zu setzen.

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich kann Ihnen den Zeitpunkt nicht genau sagen. Aber ich kann Ihnen versichern, daß die Bundesrepublik ihren Anteil dazu leistet, so schnell wie möglich zu den entsprechenden Gesetzgebungsakten zu kommen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Fritz Wittmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002540, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, wird die Bundesregierung, abgesehen von den Vorschlägen in den Vereinten Nationen, an Nachbarstaaten und sonstige Staaten mit Vorschlägen herantreten, weitergehende Konventionen abzuschließen?

Not found (Gast)

Ich glaube, Herr Kollege, daß es im Augenblick in der Tat darauf an3188 kommt, die bei den Vereinten Nationen anhängige Vorlage so schnell wie möglich und so umfassend wie möglich zu verabschieden. Vizrpräsident Frau Funcke: Keine Frage? - Dann rufe ich die Frage 84 des Herrn Abgeordneten von Geldern auf: Teilt die Bundesregierung die Ansicht, die besonders von den USA vertreten wird, daß der vom Konferenzpräsidenten Amerasinghe nach Abschluß der 6. Tagung der Dritten Seerechtskonferenz vorgelegte Text - Informal Composite Negotiating Text ({0}) - in entscheidenden Punkten vom vorherigen Verhandlungsstand abweicht?

Not found (Gast)

Die Antwort lautet: Ja. Diese Abweichungen vom Verhandlungsstand finden sich insbesondere in Teil XI - Internationales Meeresbodenregime - des Informellen Zusammengefaßten Verhandlungstextes, auch ICNT genannt, nicht aber in anderen Teilen des neuen Textes.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine Zusatzfrage? - Dann rufe ich die Frage 85 des Herrn Abgeordneten von Geldern auf: Wenn ja, in welchen konkreten Punkten sind Abweichungen zum Nachteil der am Tiefseebergbau interessierten Industrieländer erfolgt, und wie beurteilt die Bundesregierung diese Abweichungen im einzelnen?

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Herr Kollege, ich will fünf Abweichungen benennen, die wesentlich erscheinen. Eine Abweichung findet sich im Bereich des Technologietransfers. Bisher gingen wir davon aus, daß dieser für das teilnehmende Unternehmen zwischen dem Antragsteller und der Behörde verhandelbar sein werde. Der Text jetzt läßt den Technologietransfer als eine Bedingung für den Vertragsabschluß erkennen, so daß nur über Umfang und Qualität verhandelt werden kann. Ein zweiter Bereich: das sogenannte Einheitsregime. Bisher war davon auszugehen, daß eine Revisionskonferenz, sollte sie scheitern, den Status quo belassen würde. Nach dem jetzt vorliegenden Text würde nach dem Scheitern einer Revisionskonferenz der Zugang nur für die Behörde bestehen. Dritter Bereich: Beschränkung der Meeresbergbauproduktion. Bisher gingen wir davon aus, daß bei der Weltnickelbedarfs-Zuwachsrate eine Quote von 66 2/3 % ab 1987 angesetzt werde. Jetzt sollen es für den gleichen Zeitpunkt, also zum 1. Januar 1987, nur 60 % sein. Vierter Bereich: Operationalisierung bisheriger Programmsätze. Bisher sollte die Behörde beachten, daß der Grundsatz eines vernünftigen Managements der Rohstoffe eingehalten wird, daß das Fernziel des Erlös- und Technologietransfers und des Wunsches nach Preisstabilität sowie das Ziel des Ausgleichs von Angebot und Nachfrage angesteuert werden. Nach dem jetzt vorliegenden Text soll die Behörde dies sicherstellen. Die Kompetenzen der Behörde sind damit nach dem neuen Text angewachsen. Fünfter Bereich: Gewinnverteilung. Bisher hieß es: besondere Berücksichtigung der Entwicklungsländer. Nun heißt es zusätzlich: auch der Nichtvertragsparteien. Im allgemeinen - dies läßt sich erkennen - sind diese Veränderungen für unsere Position nachteilig.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Zusatzfrage.

Dr. Wolfgang Geldern (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000656, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, nachdem Sie meine Frage bejaht haben, daß der ICNT in entscheidenden Punkten vom bisherigen Verhandlungsstand abweicht, und einige dieser Punkte genannt haben, frage ich Sie, ob Sie auch meine Bewertung teilen, daß der ICNT aus deutscher Sicht so überhaupt nicht akzeptabel ist.

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Es ist sicherlich richtig, Herr Kollege, daß die Bundesregierung weiterhin die Position bezieht, daß der jetzige Vertragstext nicht der Text ist, den wir anstreben. Wir werden daher in unseren Bemühungen fortfahren, im Verhandlungsweg den Text entsprechend zu ändern.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Wolfgang Geldern (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000656, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Haben Sie Ansatzpunkte oder begründeten Anlaß zu der Hoffnung, daß es künftig möglich sein wird, statt weiterhin Verschlechterungen hinnehmen zu müssen, zu einem akzeptablen Text zu kommen?

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Herr Kollege, ich kann Ihre Feststellung nicht akzeptieren, daß es bei den Beratungen nur Verschlechterungen gegeben habe. Ich möchte doch darauf hinweisen, daß die Verhandlungen während der letzten Monate z. B. eine Verstärkung der Hohe-See-Freiheit in der Wirtschaftszone möglich gemacht haben und daß es eine einschränkende Definition der Küstenstaatenhoheit in der Wirtschaftszone gibt. Es gibt z. B. eine Eingrenzung des Rechts der Küstenstaaten, für fremde Schiffe Standards zu setzen, die nicht den international anerkannten Normen entsprechen. Wir haben eine entscheidende Stärkung der Rolle der Intergovernmental Maritime Consultative Organization im Zusammenhang mit der Festsetzung spezieller Umweltschutzgebiete in den Wirtschaftszonen erreicht. Ich würde also Ihre Auffassung zunächst nicht teilen, daß in der Vergangenheit alles nur schlechter geworden ist. Aber in welchem Umfang es gelingt, an den entscheidenden Punkten die Ergebnisse zu verbessern, hängt natürlich nicht allein von der Verhandlung der Bundesrepublik Deutschland ab.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Corterier.

Dr. Peter Corterier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000339, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, besteht nicht die Möglichkeit, daß die Bundesregierung schon vor Beginn der nächsten Verhandlungsrunde durch diplomatische Aktivitäten bei verschiedenen Teilnehmerstaaten darauf hinwirkt, daß die für uns ungünstigen und nicht akzeptablen Teile des Textes modifiziert werden?

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Herr Kollege Corterier, dies wäre allerdings keine neue Praxis; denn genau so ist die Bundesregierung bisher verfahren. Auch auf unserem Arbeitskalender der kommenden Monate stehen eine Reihe von Konsultationen mit wichtigen Partnerländern im Bereich der Seerechtskonferenz. Dies ist genau der Weg, den wir beschreiten.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Breidbach.

Ferdinand Breidbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000258, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, nachdem Sie vorhin auf Fragen meines Kollegen von Geldern einige nach Auffassung der Bundesregierung positive neue Elemente im ICNT aufgezeigt haben, möchte ich Sie konkret fragen, ob die Bundesregierung auch akzeptiert, daß es im Bereich des Tiefseebergbaus im Verhältnis etwa zu dem Evensen-Papier gehörige Verschlechterungen gibt?

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Zunächst, Herr Kollege Breidbach, hatte ich ja schon darauf hingewiesen, daß es solche Verschlechterungen gibt; die hatte ich sogar aufgelistet. Zum anderen werden wir, glaube ich, im Verlauf der Fragestunde genau zu diesen Punkten noch kommen. Selbstverständlich gibt es gerade auf dem von Ihnen angeschnittenen Sektor die entscheidenden Probleme.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Rapp.

Heinz Rapp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001774, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, ist es nach Ihrer Auffassung denkbar, daß wir bessere Texte haben hönnten, wenn es ein internationales Konsortium unter Beteiligung auch von Rohstoffproduzenten aus Entwicklungsländern gäbe?

Not found (Gast)

Ich glaube, Herr Kollege, daß man bei allen Fragen der Neufassung des Seerechts davon ausgehen muß, daß die Interessenstrukturen nicht den klassischen Aufteilungen - Entwicklungsländer /Industrieländer, Ost/ West, Nord /Süd - entsprechen. Die Tatsache, daß es in allen diesen Gruppen Länder mit langen Küsten und Länder mit geringem Küstenzugang gibt, und ähnliche Faktoren mehr führen zu einer sehr differenzierten Interessenstruktur. Ich bin also nicht sicher, ob es wirklich einen Unterschied ausmachen würde, wenn es das von Ihnen beschriebene Konsortium gäbe.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Mertes ({0}).

Dr. Alois Mertes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001482, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, sehen Sie in der Tat im Text über die Rechtsnatur der Wirtschaftszone eine Verbesserung oder einen Erfolg der Bemühungen der Bundesregierung?

Not found (Gast)

Man kann Ergebnisse solcher Verhandlungen niemals allein auf einen Verhandlungspartner zurückführen; insofern würde ich das nicht allein auf die Bundesregierung beziehen. Aber es ist kein Zweifel, daß gewisse Verbesserungen erreicht worden sind, indem z. B. die Formulierungen der Rechte der Küstenstaaten im Rahmen der Wirtschaftszone so lauten, daß Rechte und Bewegungsfreiheit von Schiffen, die nicht zu den Küstenstaaten gehören heute sicherer verankert sind, als dies nach den ursprünglichen Formulierungen hätte sein können. Viezpräsident Frau Funcke: Eine Frage des Herrn Abgeordneten Ewen.

Carl Ewen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000504, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, teilen Sie meine Meinung, daß die nachteiligen Abweichungen im Text des ICNT gegenüber dem RSNT nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen sind, daß die internationalen Konsortien der Unternehmen, die die Technologieentwicklung des Tiefseebergbaus betreiben, das gesamte Know-how in der Meerestechnologie besitzen und gleichzeitig auch kapitalmäßig allein in der Lage sind, den Meeresbergbau zu betreiben?

Not found (Gast)

Dies spielt sicher eine wichtige Rolle. Die Ausgangsposition, die diese Konsortien haben, bedeutet natürlich einen Vorsprung hinsichtlich der zukünftigen Ausbeutung des Meeresbodens, und von daher gesehen spielt das sicher eine Rolle.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Hüsch.

Dr. Heinz Günther Hüsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000977, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, unterstellt, es käme im Bereich des Tiefseebergbaus nicht mehr zu den auch von Ihnen als wünschenswert angesehenen Änderungen des Textes: Wäre dies ein Grund für die Bundesregierung, dem Vertragswerk insgesamt nicht beizutreten?

Not found (Gast)

Herr Kollege, wir befinden uns mitten in einer Verhandlungsphase. Ich würde meinen, das Haus hat das Recht von der Bundesregierung zu erwarten, daß sie während einer wichtigen Verhandlung nicht bekanntgibt, wie sie sich verhalten würde, wenn. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Sie hatten nur eine Frage, Herr Kollege. - Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 86 des Herrn Abgeordneten Kittelmann auf: Vizepräsident Frau Funcke Wie beurteilt die Bundesregierung die optimistische Beurteilung des Konferenzergebnisses durdi Staatssekretär Dr. Hermes vom 15. Juli 1977, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt war, daß nicht einmal der Kompromißvorschlag des Norwegers Evensens von der Konferenz akzeptiert wurde und dieser Kompromißvorschlag bereits in wesentlichen Punkten den Interessen der am Tiefseebergbau interessierten Industrieländer nicht gerecht wurde?

Not found (Gast)

Die Beurteilung vom 15. Juli 1977 trug dem Verhandlungsstand, wie wir ihn aufgenommen hatten, Rechnung. Sie enthielt die positiven Elemente des tatsächlichen Verhandlungsstandes und verschwieg die Ungewißheiten und Sorgen, die auch wir hatten, nicht. Am 15. Juli 1977 war der ICNT noch nicht erschienen; er wurde erst am 20. Juli 1977 in New York herausgegeben. Nach dem Gang der Verhandlungen der sechsten Session konnte am 15. Juli 1977 mit Recht erwartet werden, daß der Text des Konferenzpräsidenten und der Ausschußvorsitzenden ein Kompromißpaket aus den vier Sachbereichen der Konferenzausschüsse darstellen würde, welches dann die Grundlage für eine insgesamt akzeptable Lösung bilden könnte. Dieser Erwartung ist der ICNT - zur Überraschung übrigens zahlreicher Delegationen - nicht gerecht geworden. Ich darf in diesem Zusammenhang z. B. insbesondere auf die enttäuschte öffentliche Reaktion des amerikanischen Delegationsleiters Richardson hinweisen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage.

Peter Kittelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001106, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Würden Sie mir zustimmen, daß die Öffentlichkeit auf Grund der Erklärung des Delegationsleiters am Ende einer Session darauf vertrauen konnte, daß der Einfluß der deutschen Delegation stark gewesen sein mußte, und daß man zumindest optimistische Erklärungen nur dann abgeben kann, wenn man darauf vertrauen kann, daß das Ergebnis ihnen in etwa entspricht?

Not found (Gast)

Herr Kollege, die deutsche Delegation hatte Einfluß auf die Verhandlungen, aber nicht auf die Abfassung des vorliegenden Textes. Genau dies ist das Problem. Der jetzt vorliegende Text war eine Überraschung - nicht nur für die Delegation der Bundesrepublik.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Sie haben eine zweite Frage. Bitte schön, Herr Kittelmann. Kittelmann ({0}) Kann ich Ihre Meinung dazu erfahren, ob es Herrn Staatssekretär Hermes bei seiner Presseerklärung mehr darum ging, die richtige Einschätzung der CDU-Abgeordneten Geldern, Breidbach, Dr. Mertes und Kittelmann, die in den Presseerklärungen schon von einem negativen Ausgang gesprochen hatten, in der Öffentlichkeit abzufangen, als darum, hier einen objektiven Bericht über die Lage zu geben?

Not found (Gast)

Herr Staatssekretär Hermes ist ein der Bundesrepublik Deutschland verpflichteter Beamter. Ich kann mir nicht vorstellen, daß er parteipolitische Absichten hat. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Breidbach.

Ferdinand Breidbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000258, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, nachdem klargeworden ist, daß Staatssekretär Hermes diese Erklärung über die positive Einschätzung vor Ablauf der Konferenz abgegeben hat und diese positive Einschätzung durch die Tatsachen nicht gerechtfertigt wurde, frage ich Sie konkret, ob sichergestellt ist, daß künftig ein Beamter der Bundesrepublik Deutschland nicht vor Abschluß von Konferenzen solche positiven Stellungnahmen abgibt, die dem tatsächlichen Konferenzstand bzw. dem Konferenzergebnis widersprechen.

Not found (Gast)

Der Leiter der Delegation der Bundesrepublik Deutschland wurde beim Abschluß der mündlichen Konferenz gebeten, das Konferenzergebnis zu beurteilen. Er hat der Sache sicher nicht dadurch geschadet, daß er versucht hat, auch in der Öffentlichkeit unsere Auffassung von dem Verhandlungsergebnis festzuhalten.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Corterier.

Dr. Peter Corterier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000339, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, darf ich Sie bitten, zur Kenntnis zu nehmen, daß in einem Gespräch, das ungefähr zum selben Zeitpunkt stattfand, als Staatssekretär Hermes seine Erklärung abgab, der amerikanische Chefdelegierte Richardson mit Kollegen dieses Hauses eine noch viel optimistischere Beurteilung des Konferenzstandes als Staatssekretär Hermes gegeben hat und daß das Problem darin liegt, daß der Konferenztext so, wie er vorgelegt worden ist, mindestens in Sachen Meeresbodenbergbau nicht dem entspricht, was während der Konferenz verhandelt worden ist?

Not found (Gast)

Herr Kollege Corterier, ich stimme mit dieser Beurteilung voll überein.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Rapp.

Heinz Rapp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001774, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, beschränkt sich die Kritik am Konsensusverfahren auf die deutsche Delegation, oder ist es denkbar, daß allgemeine Kritik dazu führt, daß man zu einer anderen Handhabung der Meinungsbildung kommt?

Not found (Gast)

Der Präsident der Konferenz, Herr Amerasinghe, hat selber auf Befragen erklärt, er könne sich ein besseres Verfahren vorstellen, aber es fehle hier noch an einem Konzept. Die Schwierigkeiten bestehen ja darin, daß etwa 150 beteiligte Delegationen mit sehr unterStaatsminister Dr. von Dohnanyi schiedlichen Interessenstrukturen miteinander verhandeln und daß am Ende der für die jeweils nächste Etappe verbindliche Text durch einen Ausschuß aus dem Verhandlungsergebnis destilliert wird, ohne daß zuvor schriftliche Formulierungen vorgenommen wurden. Dies ist das Problem. Ich glaube, es gibt niemanden - einschließlich des Präsidenten Amerasinghe -, der mit diesem Verfahren zufrieden ist. Aber es ist sehr schwer, ein anderes Verfahren für eine so schwierige Materie zu entwickeln.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Köhler.

Dr. Volkmar Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001154, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, wenn ich an das Klima und den Stil eines solchen Verhandlungskontinuums denke, würde mich interessieren, wie Sie diese „Überraschung" - ich benutze Ihren Ausdruck -, die Ihnen Präsident Amerasinghe mit diesem Papier offenbar beschert hat, qualifizieren.

Not found (Gast)

Als eine Überraschung, Herr Kollege, wie ich soeben gesagt habe. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ewen.

Carl Ewen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000504, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist es denkbar, daß die positive Beurteilung des Verhandlungsverlaufs, nicht des Ergebnisses, durch Herrn Staatssekretär Hermes auch darauf zurückzuführen ist, daß die Ergebnisse in den übrigen Sachgebieten der Konferenz, etwa Schiffahrtsfragen und Umweltschutz, durchaus positiver zu bewerten sind und daß gleichzeitig das Klima, in dem die deutsche Verhandlungsdelegation arbeiten mußte, gegenüber den vorherigen Sessionen deutlich verbessert war?

Not found (Gast)

Ich fasse noch einmal zusammen, Herr Kollege: Ja, der Leiter der deutschen Delegation konnte am Ende dieser Session der Konferenz den Eindruck haben, daß insgesamt auch in den kritischen Fragen das Ergebnis für uns positiver sei, als wir erwartet hatten, und insofern war die Abfassung des Textes durch den Präsidenten und die Ausschußvorsitzenden eine Überraschung.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten von Geldern.

Dr. Wolfgang Geldern (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000656, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, stimmen Sie mit mir überein, wenn ich die Äußerung des Herrn Staatssekretärs Hermes, daß sich während ,der 6. Session das eingeschränkte Parallelsystem durchgesetzt habe, bevor der Text vorlag, als zumindest voreilig qualifiziere?

Not found (Gast)

Herr Staatssekretär Hermes hat den Stand - ich wiederhole das - der mündlichen Verhandlung mit seiner Erwartung für eine entsprechende Zusammenfassung wiedergegeben. Diese Erwartung wurde vom Leiter der Delegation der Vereinigten Staaten, Herrn Richardson, geteilt; beide waren dann von der Zusammenfassung überrascht.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hüsch.

Dr. Heinz Günther Hüsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000977, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, nachdem Sie die Überraschung als neues Stilelement der Bundesregierung in der Beurteilung von Konferenzergebnissen eingeführt haben, frage ich Sie, in welcher Weise die Bundesregierung dieser ihrer Überraschung offiziellen Ausdruck verliehen hat.

Not found (Gast)

Unsere Aufgabe besteht darin, sowohl mit dem zuständigen Präsidenten Amerasinghe als auch dem Ausschußvorsitzenden und den Delegationen in Richtung auf ein dem Abschluß der 6. Session eher entsprechendes Ergebnis weiter zu verhandeln. Ich habe das Verfahren geschildert, nach dem hier vorgegangen wird. Wir müssen also jetzt von diesem Text ausgehen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Mertes.

Dr. Alois Mertes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001482, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, kann man Näheres über das Ausmaß und die Qualität dieser Überraschung, von der Sie soeben sprachen, erfahren?

Not found (Gast)

Sie haben insofern Näheres erfahren, Herr Kollege Mertes, als ich Ihnen die Punkte aufgelistet habe, in denen Veränderungen eingetreten sind, die 'wir in diesem Umfang nicht als Ergebnisse der mündlichen Verhandlungen angesehen haben. Wenn Sie wollen, daß ich jetzt die emotionalen Dimensionen der Überraschung definiere, so muß ich Ihnen sagen, daß ich hierzu im Augenblick aus dem Stegreif und ohne Vorbereitung durch meine Beamten außerstande bin. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine weitere Zusatzfrage. Wir kommen zur Frage 87 des Herrn Abgeordneten Blumenfeld. Da der Herr Abgeordnete nicht im Saal ist, werden seine Fragen 87 und 88 schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt. Ich rufe die Frage 89 des Herrn Abgeordneten Hüsch auf: Welche Ressourcen und mineralischen Rohstoffe sollten nach Auffassung der Bundesregierung in das Meeresbodenregime aufgenommen werden?

Not found (Gast)

Nach Auffassung der Bundesregierung sollte das internationale Meeresbodenregime zunächst nur für die in den Manganknollen enthaltenen Rohstoffe Nickel, Kup3192 fer, Kobalt und Mangan gelten. Nach dem Wortlaut des ICNT werden alle Mineralien des Meeresbodens jenseits nationaler Jurisdiktion, einschließlich 01 und Gas, vom Meeresbodenregime erfaßt. Wir geben der Beschränkung auf die genannten vier Mineralien den Vorzug.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage.

Dr. Heinz Günther Hüsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000977, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Stellt der Wortlaut für die Bundesregierung auch wieder eine Überraschung dar?

Not found (Gast)

In diesem Falle -- wenn ich das richtig erinnere, ergibt sich das auch aus der Darstellung von Herrn Hermes - hat in der Tat die Verhandlung zu dieser Erweiterung geführt; wir haben uns hier nicht durchgesetzt.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Heinz Günther Hüsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000977, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Haben Sie Gelegenheit genommen, auf diese abweichende Auffassung der Bundesregierung in Verhandlungen auch in der gebotenen und international üblichen Form hinzuweisen?

Not found (Gast)

Aber sicherlich, sehr ausdrücklich; dies war ein wichtiges Verhandlungsziel. Das ist keine Frage.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 90 des Herrn Abgeordneten Hüsch auf: Fühlt sich die Bundesregierung an die Moratoriumsresolution der VN ({0}) gebunden, wenn nein, hat die Bundesregierung in den bisherigen Verhandlungen Widerspruch gegen diese Resolution erhoben, und wird die Ansicht der Bundesregierung von den übrigen Mitgliedsländern der EG geteilt?

Not found (Gast)

Die Moratoriumsresolution der Vereinten Nationen ist zwar völkerrechtlich nicht verbindlich - diesen Standpunkt haben wir auch im Frühjahr 1975 im Lenkungsausschuß der Konferenz ausdrücklich vertreten -; gleichwohl muß man feststellen, daß dieser Resolution politisch inzwischen eine hohe Bedeutung zukommt. Diese politische Einschätzung wird übrigens auch von unseren Partnern in der Gemeinschaft geteilt.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Zusatzfrage.

Dr. Heinz Günther Hüsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000977, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, welche Voraussetzungen müßten nach Ihrer Auffassung vorliegen, damit diese Resolution nicht mehr als politisch verbindlich anzusehen ist?

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Die Antwort hierauf ist nicht leicht, Herr Kollege. Vermutlich würde das Zustandekommen einer internationalen Konvention dem Moratorium gewissermaßen die Geschäftsgrundlage entziehen, d. h., wenn eine Konvention geschlossen wird, entfällt wohl die Geschäftsgrundlage für das Moratorium. Ob man dann aber außerhalb der Konvention so agieren könnte, als habe es kein Moratorium gegeben, ist wiederum eine politische und keine rechtliche Frage.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Heinz Günther Hüsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000977, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, sehen Sie Anhaltspunkte dafür, daß ein reiner Zeitablauf, ohne daß eine Konvention zustande kommt, einen Grund darstellen würde, sich vom Moratorium zu lösen?

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Aus dem Moratorium 'selbst ergibt sich - soweit ich mich jetzt daran erinnern kann - hierfür kein Anhaltspunkt. Ich glaube, daß das Moratorium bis zur Neuregelung des Seerechts Geltung haben sollte, aber ich möchte hier keine verbindlichen Interpretationen für die Bundesregierung abgeben. Ich war auf diese Frage nicht vorbereitet.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine weitere Zusatzfrage. Dann rufe ich die Frage 91 des Herrn Abgeordneten Sick auf: Welche Rolle soll nach Auffassung der Bundesregierung der Meeresbodenbehörde beim Abschluß und bei der Durchführung von Rohstoffabkommen zufallen, und kann die Bundesregierung einem Recht der Meeresbodenbehörde zur selbständigen Politik auf dem Weltrohstoffmarkt zustimmen?

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Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Internationale Meeresbodenbehörde für ihren Teil der Produktion, d. h. für die vom Unternehmen der Behörde, von der sogenannten Enterprise, geförderten Mineralien, Vertragspartner in Rohstoffabkommen werden könnte. Entsprechend hätte die Behörde auch für die Durchführung der Rohstoffpolitik zu sorgen. Wir sind aber dagegen, daß die Behörde in Rohstoffabkommen die gesamte Tiefseeproduktion vertritt.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage.

Willi Peter Sick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002169, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, wenn Sie so entschieden antworten, wie bringen Sie diese Überzeugung mit den Bestimmungen des Art. 150 ff., Annex II, in Einklang, die, wie ich Iglaube, nach üblicher Lesart der Behörde ein absolutes Recht geben, selbständig zu handeln?

Not found (Gast)

Ich tue das dadurch, Herr Kollege, daß ich feststelle, daß hier eine Konzeption vorläufige Verankerung gefunden hat, die nicht unserer Auffassung entspricht. Wir haben deswegen versucht, mit den Mitteln der Verhandlung, die uns zur Verfügung stehen, unsere Konzeption durchzusetzen, ohne in diesem Punkt voll erfolgreich zu sein.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage.

Willi Peter Sick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002169, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Stimmen wir, Herr Staatsminister, dann darin überein, daß die jetzige Regelung so nicht akzeptabel ist und daß die Bundesregierung bemüht bleiben muß, eine akzeptable Regelung herbeizuführen?

Not found (Gast)

Ja.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Breidbach.

Ferdinand Breidbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000258, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich möchte noch einmal fragen, ob ich Ihre letzte Antwort so interpretieren kann, daß die Bundesregierung einer internationalen Regelung nicht zustimmt, wenn das Parallelsystem nicht in der internationalen Regelung verankert ist.

Not found (Gast)

Herr Kollege Breidbach, ich habe vorhin bereits an anderer Stelle gesagt, daß der Deutsche Bundestag erwarten kann, daß die Bundesregierung als verantwortlicher Verhandler ihre möglichen Positionen nicht zu einem Zeitpunkt bekanntgibt, in dem die Verhandlungen noch geführt werden.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine weitere Zusatzfrage. Dann rufe ich die Frage 92 des Herrn Abgeordneten Sick auf: In welchem Umfang ist für die Bundesregierung ein Inspektionsrecht der Meeresbodenbehörde tragbar?

Not found (Gast)

Alle übrigen Hauptindustrieländer, unsere Partner in der Gemeinschaft eingeschlossen, vertreten hier die Ihnen bekannte Ausgangsposition. Wir erkennen, daß es problematische Aspekte im Zusammenhang mit dem Inspektionsrecht der Meeresbodenbehörde gibt. Ihre Frage, ob dies tragbar sei oder nicht, kann aber nur im Zusammenhang mit einem Gesamtergebnis beantwortet werden.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage.

Willi Peter Sick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002169, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, dieses Ergebnis ist insoweit bereits eingetreten, als in Art. 151 ein völlig neuer Abs. 5 eingearbeitet wurde, der - ich hoffe, wir ,stimmen darin überein - ein Inspektionsrecht in einem solchen Ausmaß gewährt, daß ich Sie frage, ob die Bundesregierung das für tragbar hält.

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich wiederhole noch einmal: Sie kennen unsere Position, die sicherlich nicht unterschiedlich von der Ihren ist. Ich kann mich hier aber nicht auf einen einzelnen Punkt festlegen. Dieser Punkt entspricht wiederum nicht unserem Verhandlungsziel. Ob das am Ende tragbar sein wird, im Sinne der Zustimmung oder Nichtzustimmung, kann ich hier nicht festlegen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Zusatzfrage.

Willi Peter Sick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002169, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, Sie lassen also auch insoweit die Position der Bundesregierung offen, als man bemüht ist, zu besseren Ergebnissen zu gelangen, als sie heute festgeschrieben sind?

Not found (Gast)

Die Position der Bundesregierung in dieser Frage ist klar. Wir versuchen in allen Punkten bei der jeweiligen Weiterverhandlung das Ziel zu erreichen, das unseren Interessen entspricht. In dieser Frage der Beurteilung unserer Interessen, Herr Kollege, stimmen Bundesregierung und Opposition ganz sicherlich überein.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Ein Frage des Herrn Abgeordneten Rapp.

Heinz Rapp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001774, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, ist es die Auffassung der Bundesregierung, daß die Frage nach der Inspektion im Parallelsystem für den Enterprise-Part anders beantwortet werden müßte als für den anderen Teil?

Not found (Gast)

Das ist richtig, Herr Kollege.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Da Sie Ihre Frage offenbar nicht vollständig stellen konnten, gestatte ich Ihnen eine weitere Zusatzfrage.

Heinz Rapp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001774, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, könnten Sie schildern, wie die derzeitige Haltung der Staatshandelsländer zum Parallelsystem aussieht?

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich glaube wiederum nicht, daß man die Staatshandelsländer über einen Leisten schlagen kann. Ich unterstreiche, daß es auch dort auf Grund der unterschiedlichen Lage, der unterschiedlichen Küsten, des unterschiedlichen Technologiestandes usw. unterschiedliche Interessen gibt. Ich habe jedoch den Eindruck - wenn ich das einmal sehr vorsichtig ausdrücken darf -, daß die Staatshandelsländer in einigen Fragen, in denen es eine relativ breite gemeinsame Basis der Industrieländer gab, gleichgültig in welchem Lager - dem der Staatshandelsländer oder dem der marktwirtschaftlich orientierten Länder - sie angesiedelt sind, inzwischen in einem etwas größerem Umfang bereit sind, den Positionen der Entwicklungsländer entgegenzukommen. Ich weiß nicht, ob das Ihre Frage beantwortet.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Mertes.

Dr. Alois Mertes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001482, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, ist es nicht üblich, daß Regierungen gegenüber Parlamenten und der Öffentlichkeit nicht negoziable Positionen bekanntgeben, um damit die Dr. Mertes ({0}) Position der eigenen Verhandlungsführung zu stärken?

Not found (Gast)

Herr Kollege Mertes, Sie sind ein so erfahrener Fachmann des Völkerrechts und des Verhandelns, daß ich sicher bin, daß das eine rhetorische Frage war. Es gibt solche Situationen und es gibt andere. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage der Frau Abgeordneten Erler.

Brigitte Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000487, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, hält die Bundesregierung das Interesse der Entwicklungsländer daran, die Ausbeutung des gemeinsamen Erbes der Menschheit international zu kontrollieren, für legitim oder nicht? ({0})

Not found (Gast)

Frau Kollegin, aus der Perspektive der Entwicklungsländer ist manches durchaus verständlich. Aber man muß die unterschiedlichen Interessenpositionen auch hier sehen. Natürlich sind diejenigen, die nicht über die Technologien verfügen, besorgt, daß in den nächsten Jahrzehnten diejenigen, die die Technologien haben, auch vom Meeresboden Besitz ergreifen - mit Folgen, die dann nicht mehr zu ändern wären. Aus dieser Perspektive kann man die Position der Entwicklungsländer verstehen. Seine Verhandlungspartner zu verstehen, ist eine Voraussetzung dafür, daß man erfolgreich verhandelt.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten von Geldern.

Dr. Wolfgang Geldern (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000656, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, wenn Sie schon nicht bereit sind, künftige Entscheidungen der Bundesregierung hier anzudeuten, wären Sie dann vielleicht bereit, wenigstens den Maßstab zu beschreiben, an dem sich die Bundesregierung orientieren wird, wenn es um die Entscheidung geht, ob ein Verhandlungsergebnis akzeptabel ist oder nicht?

Not found (Gast)

Die Sicherung der Rohstoffversorgung der Bundesrepublik Deutschland und die Aufrechterhaltung eines Systems, das nicht durch Dirigismus die internationale Rohstoffversorgung gefährdet, ist das Verhandlungsziel. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Narjes.

Dr. Karl Heinz Narjes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001582, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, angesichts Ihrer Antwort an den Herrn Kollegen Sick über die Definition dessen, was tragbar ist, und Ihre Antwort an den Kollegen Mertes über das, was nicht negoziabel ist, frage ich Sie: Wären Sie so liebenswürdig, mir darin zuzustimmen, daß für Sie nunmehr alles negoziabel ist?

Not found (Gast)

Nein, Herr Kollege Narjes. Ich möchte mein positives Urteil über Verhandlungskenntnisse auf seiten der Opposition jetzt nicht zurücknehmen, aber Sie können ganz sicher nicht erwarten, daß dies die Position ist, die ich beschreiben wollte.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Kittelmann.

Peter Kittelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001106, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wären Sie in der Lage aufzuzeigen, was sich in der Qualität der Verhandlungsführung der deutschen Delegation in der Zukunft ändern muß, um die von Ihnen angestrebten Ergebnisse noch zu erreichen, wenn in den letzten Sessionen unsere Position durch die Papiere laufend schlechter geworden ist?

Not found (Gast)

Ich sagte Ihnen, Herr Kollege, daß z. B. auch die Delegation der Vereinigten Staaten von der schriftlichen Fassung der jetzigen Vorlage enttäuscht war. Sie könnten natürlich dann auch eine qualitative Verbesserung für all die Delegationen verlangen, die ihre Ziele nicht voll durchgesetzt haben. Da, wenn Sie das Papier betrachten, keine Delegation ihre Ziele voll erreicht hat, müßten Sie alle Delegationensleitungen austauschen. Soviel Fachleute gibt es aber nicht auf der Welt, Herr Kollege. ({0}) -- Wir werden natürlich an der qualitativ hochstehenden Delegationsleitung festhalten, Herr Kollege.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Corterier.

Dr. Peter Corterier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000339, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, würden Sie mir nicht zustimmen, wenn ich feststelle, daß in der Frage, die eben gestellt worden ist, ein völliges Unverständnis für das Problem zum Ausdruck gekommen ist, das darin besteht, die deutschen Interessen bei Verhandlungen durchzusetzen, in denen wir es mit 149 anderen Verhandlungspartnern zu tun haben?

Not found (Gast)

Herr Kollege Corterier, ich kann Ihnen deswegen nicht zustimmen, weil es der Bundesregierung nicht zusteht, ein qualitatives Urteil über die Opposition abzugeben.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Ich möchte noch eine Frage zulassen. Wir entfernen uns allmählich aber ein bißchen von der Frage von Herrn Abgeordneten Sick. - Bitte schön, Herr Kollege Hüsch.

Dr. Heinz Günther Hüsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000977, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, mit welchem Ergebnis hat die Bundesregierung auszuloten versucht, was die Sowjetunion veranlaßt hatte, von dem ursprünglichen Standpunkt hinsichtlich des Tiefseebergbaus, der dem der Bundesrepublik nahestand, abzurücken und nunmehr eine dem Extrem entgegengesetzte Auffassung zu vertreten?

Not found (Gast)

Durch bilaterale Gespräche und Konsultationen, die auch für die nähere Zukunft wieder ins Auge gefaßt sind. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine Zusatzfrage. Ich rufe jetzt Frage 93 des Herrn Abgeordneten Lenzer auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die derzeit vorgeschlagene Regelung einer verstärkten eigenständigen Kompetenz der Meeresbodenbehörde für wissenschaftliche Forschung?

Not found (Gast)

Herr Kollege, wir sind an sich gegen Forschungskompetenzen bei der Behörde. Eine gewisse Zuständigkeit für Forschung mag am Ende der Preis im Rahmen eines umfassenden Kompromisses sein. Es wäre jedoch sicherlich falsch, eine Forschungskompetenz so weit zu erstrecken, daß die Behörde Zuständigkeiten für Harmonisierung und Koordinierung in vollem Umfange erhielte.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage.

Christian Lenzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001327, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, können Sie auf diesem Hintergrund einmal etwas präzisieren, was Sie als eine Conditio sine qua non in diesem Punkte ansehen würden?

Not found (Gast)

Unser Ziel ist es, Herr Kollege, die Forschung so frei wie möglich zu halten. Wir sind nicht der Meinung, daß eine zentrale Behörde hier der Vielfalt der Forschungsinteressen entsprechen könnte. Was wir eventuell auf dem Kompromißwege in den Verhandlungen zugestehen müßten, will ich aus denselben Gründen hier nicht beschreiben, aus denen ich vorher versucht habe, einer Festlegung auf Verhandlungspositionen zu entgehen. Unsere Ziele sind klar.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine Zusatzfrage. Ich rufe Frage 94 des Herrn Abegordneten Lenzer auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die Forderung nach der Möglichkeit eines Zwangstransfers von Technologien durch die Meeresbodenbehörde?

Not found (Gast)

Die Bundesregierung verschließt sich nicht dem Wunsch der Entwicklungsländer, Technologien zu erhalten. Sie setzt sich hierfür sogar ausdrücklich im Rahmen der UNCTAD, in anderen internationalen Gremien und im Rahmen unserer eigenen Entwicklungspolitik ein. Die Bundesregierung lehnt aber einen Zwangstransfer von Technologien an die Meeresbodenbehörde als Zugangsbedingung ab.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Zusatzfrage.

Christian Lenzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001327, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, darf man unterstellen, daß diese Haltung in ihren wesentlichen Punkten auch von unseren Partnern mit gleichen Interessen geteilt wird und mit ihnen abgestimmt ist?

Not found (Gast)

Sie können davon ausgehen, daß die Partner, die die gleichen Interessen haben, ebenfalls diese Position beziehen und daß wir in jedem dieser Fälle versuchen, unsere Position mit den gleichgerichteten Interessen unserer Partner abzustimmen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Zweite Zusatzfrage.

Christian Lenzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001327, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, obwohl Sie sich bisher in allen Zukunftsbetrachtungen etwas vorsichtig ausgedrückt haben, möchte ich Sie dennoch bitten, vielleicht doch einmal zu präzisieren, was Sie in diesem Punkte und auf welche Weise Sie es für erreichbar halten.

Not found (Gast)

Herr Kollege, das ist im Augenblick wirklich schwer abzuschätzen. Worauf es für uns ankommt, ist, die Freiheit der Forschung so weit wie möglich zu sichern. Es gibt bestimmte mögliche Kompromißpositionen. Ich will ganz ehrlich sein: Eine war mir hier aufgeschrieben worden; ich habe sie durchgestrichen und nicht benutzt, weil ich der Meinung bin, daß dies nicht der Ort ist, an dem man mögliche Kompromißpositionen preisgeben kann.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Breidbach.

Ferdinand Breidbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000258, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, ist den an der Seerechtskonferenz beteiligten Verhandlungspartnern, insbesondere denen der Dritten Welt, der Gruppe der 77, in hinreichendem Maße klargemacht worden, daß es nach der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland wohl kaum möglich sein wird, einen Technologiezwangstransfer über internationale Vereinbarungen herbeizuführen?

Not found (Gast)

Ich will Ihre Bemerkung über die Rechtsordnung der Bundesrepublik in dieser Frage nicht bewerten, weil die von Ihnen bezogene Position unsere Verhandlungsposition stärken könnte.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Narjes.

Dr. Karl Heinz Narjes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001582, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, darf ich Sie darauf hinweisen, daß Ihre Antwort auf die Frage des Kollegen Lenzer, in der Sie den Zwangtransfer nur als Zugangsbedingung ausgeschlossen haben, die Deutung zuläßt, daß Sie unter anderen Umständen einen Zwangstransfer ins Auge fassen. ({0})

Not found (Gast)

Herr Kollege Narjes, in gewisser Weise haben Sie natürlich inso3196 fern recht, als ich den Versuch gemacht habe, bei möglichen Kompromissen im Bereich der Forschung, die vielleicht erforderlich sind, den Punkt hervorzuheben, an dem uns am meisten liegt. Aber das bedeutet nicht, daß die anderen Fragen, die damit verbunden sind, von uns nicht mit gleicher Energie in den Verhandlungen vertreten werden.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Rapp.

Heinz Rapp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001774, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, in welchem Verhältnis steht Ihre dem Herrn Kollegen Lenzer gegebene Antwort zu dem früheren Vorhaben - früher heißt, zu der Zeit, als das Parallelsystem noch zur Debatte stand -, das „Enterprise" durch Übergabe von Technologien überhaupt erst wirksam werden zu lassen?

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich kann Ihre Frage nicht ganz verstehen. Ich will nur eines bemerken: Das Parallelsystem steht für uns immer noch zur Debatte. Das muß ich hier ganz klar sagen. Es ist nicht so, daß wir dieses Ziel in den Verhandlungen aufgegeben hätten. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine weitere Frage? ({0}) - Eigentlich nicht. Aber vielleicht ergibt sich später eine Gelegenheit dazu. Keine Zusatzfrage. Dann rufe ich die Frage 95 des Herrn Abgeordneten Kittelmann auf: In welchem Ausmaß hält die Bundesregierung den Gedanken eines Monopolschutzes in der Form einer Reglementierung zum Schutz der Landproduzenten für vertretbar, und teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß es ordnungspolitisch untragbar ist, der Meeresbodenbehörde eine Garantenstellung für den Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage für die auf dem Land und im Meer produzierten Rohstoffe zuzuerkennen?

Not found (Gast)

Die Bundesregierung hält das Konzept eines Monopolschutzes für unzweckmäßig. Sie hält daher auch eine Garantenstellung der Meeresbodenbehörde für falsch.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine Zusatzfrage? - Dann rufe ich die Frage 96 des Herrn Abgeordneten Breidbach auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die vorgeschlagene Möglichkeit der Meeresbodenbehörde, einen finanziellen Dauerschutz, auch unrentabler Produktionen, durch das vorgesehene kompensatorische System vorzunehmen?

Not found (Gast)

Nach dem ICNT sollen die Landproduzenten viel weniger durch ein kompensatorisches System als durch Produktionsbeschränkungen geschützt werden. Die Bundesregierung, Herr Kollege, ist gegen einen finanziellen Dauerschutz eventuell auch unrentabler Produzenten.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Zusatzfrage? ({0}) - Dann rufe ich die Frage 97 des Herrn Abgeordneten Breidbach auf: Hält die Bundesregierung es für vertretbar, daß nach der neuen Regelung des ICNT keine nationale Produktion auf dem Gebiet des Meeresbodenbergbaus mehr möglich wäre und für interessierte Industriestaaten und private Unternehmen ein Zugang zum Meeresbodenbergbau nur unter der Voraussetzung eines Technologie- und Finanztransfers an die Meeresbodenbehörde möglich ist?

Not found (Gast)

Die Bundesregierung tritt weiterhin dafür ein, daß auch Staaten und Unternehmen gesicherten Zugang zum internationalen Tiefseebergbau erhalten. Sie lehnt, wie ich bereits sagte, einen Zwangstransfer von Technologie ab, ist aber bereit, in den Beratungen zu einem funktionsfähigen, der Meeresbodenbehörde angehörigen Unternehmen, „Enterprise" genannt, beizutragen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Zusatzfrage.

Ferdinand Breidbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000258, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gehe ich recht in der Annahme, Herr Staatsminister, daß die Bundesregierung ihre Ablehnung damit begründet, daß es der deutschen Industrie wohl kaum zumutbar ist, in einem solchen Fall, wie er im ICNT im Moment vorgesehen ist, überhaupt Investitionen im Meeresbergbau zu tätigen?

Not found (Gast)

Das wäre in der Tat für die deutsche Industrie ein Problem. Für die Entwicklungsländer oder diejenigen, die eine andere Position beziehen, sind auf der anderen Seite die Beteiligung der deutschen Unternehmen und das Einbringen der deutschen Technologie ein wichtiger Bestandteil des Vorantreibens des Meeresbodenbergbaus. Aus diesen beiden Faktoren müssen wir die entsprechende Politik machen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine Zusatzfrage? Dann rufe ich die Frage 98 des Herrn Abgeordneten Köhler auf: Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die nunmehr vorgesehenen Präferenzen für joint ventures das Parallelsystem aushöhlen, und hält sie dies für tragbar?

Not found (Gast)

Ein solcher Zwang würde das Parallelsystem aushöhlen. Gegen ein freiwilliges Eingehen von joint ventures durch Bewerber haben wir dagegen keine Bedenken. Die Bundesregierung lehnt aber jede Ausübung von Zwang gegenüber Bewerbern mit dem Ziel, joint ventures einzugehen, ab.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage.

Dr. Volkmar Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001154, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, angesichts der positiven Vorstellungen, die sich allgemein mit dem Begriff „joint venture" als Form der Zusammenarbeit zwischen Entwicklungsländern und uns verbinden, möchte ich Sie fragen, ob Sie nicht - wie ich - die Befürchtung haben, daß die hier angesprochene Regelung in der überwiegenden Zahl der Fälle dazu führen wird, daß es zwar zwischen der Behörde und einer europäischen Dr. Köhler ({0}) Firma, keinesfalls aber, wie ich soeben gesagt habe, zwischen einem Entwicklungsland und einem europäischen Unternehmen zu einem joint venture kommen wird.

Not found (Gast)

Das ist, wenn es in der Schlußkonvention - ich unterstelle, daß es zu einer kommt - eine solche Konzeption der Behörde geben wird, sicherlich auch möglich.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine Zusatzfrage. Ich rufe dann die Frage 99 des Abgeordneten Narjes auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die im ICNT vorgesehene Zuständigkeitsverteilung innerhalb der Meeresbodenbehörde zwischen Versammlung und Rat?

Not found (Gast)

Herr Kollege, die Versammlung würde aus etwa 150 beteiligten Delegationen, der Rat nach der jetzigen Konzeption aus 36 Mitgliedern bestehen. Nach unserer Auffassung sollte der Rat eine oberste Legislativ- und Exekutivfunktion haben, weil wir glauben, daß nur auf diese Weise die Funktionsfähigkeit sichergestellt werden könnte.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage.

Dr. Karl Heinz Narjes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001582, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, was wird die Bundesregierung tun, um der Antwort, der ich zustimme, eine möglichst breite Geltung im Kreise der Europäischen Gemeinschaft zu verschaffen?

Not found (Gast)

Sie wird - wie bisher - in dieser Frage mit unseren Partnern in der Gemeinschaft weiterhin im Sinne unserer Auffassung verhandeln und den Versuch machen - wie bisher -, eine gemeinschaftliche Position mit Gewicht in die Verhandlungen der nächsten Session einzubringen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine zweite Zusatzfrage.

Dr. Karl Heinz Narjes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001582, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, wird die Bundesregierung bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen, daß die Gefahr der Totalpolitisierung, die bei einer zu starken Gewichtsverlagerung auf die Versammlung gegeben ist, für künftige Institutionen und institutionelle Regelungen der Weltwirtschaftsordnung von erheblicher Konsequenz sein kann?

Not found (Gast)

Aber ganz sicherlich!

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Grunenberg.

Horst Grunenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000743, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bezüglich der Koordination in der EG, Herr Staatsminister, möchte ich Sie fragen: Können Sie meine Vermutung bestätigen, daß sich die Koordinationsbemühungen in der EG deshalb erschweren, weil einige Partnerländer Kolonialmächte waren und bis heute noch Bindungen - materieller wie immaterieller Art - an die Entwicklungsländer, also auch an Rohstoffproduzenten der ehemaligen Machtsphäre, bestehen?

Not found (Gast)

Ich widerspreche Ihnen nicht, Herr Kollege. Ich glaube aber, daß Ihre Interpretation doch eine Verkürzung der Zusammenhänge darstellt. Es ist natürlich so, daß heute eine Vielzahl von Interessenverflechtungen zwischen den Industriestaaten, den Entwicklungsländern, zwischen Ost und West besteht und daß es sehr unterschiedliche Ausgangspositionen hinsichtlich der auf der Seerechtskonferenz wahrzunehmenden Interessen gibt. Ich würde das nicht in erster Linie auf einen kolonialen Zusammenhang, sondern auf eine Verankerung von Interessen zurückführen, die es auch bei uns - ohne diesen geschichtlichen Hintergrund - geben kann.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Breidbach.

Ferdinand Breidbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000258, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, sieht die Bundesregierung die Gefahr, daß die vorgesehene Regelung bezüglich der Zuständigkeitsaufteilung in Kombination mit dem ebenfalls vorgesehenen Abstimmungsmodus in Rat und Versammlung zu einer Präjudizierung bei anderen internationalen Behörden führen kann, die schon vorhanden sind oder noch geplant werden?

Not found (Gast)

Die Gefahr einer solchen Präjudizwirkung besteht immer. Ich habe soeben dem Herrn Kollegen Narjes eine entsprechende Antwort auf eine, wie ich glaube, inhaltlich fast gleiche Frage gegeben.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Rapp.

Heinz Rapp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001774, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, habe ich Ihre Herrn Narjes und Herrn Breidbach gegebene Antwort so zu verstehen, daß die Bundesregierung der Meinung ist, alle für die Weltwirtschaft relevanten internationalen Organisationen müßten eine gleichartige innere Struktur haben?

Not found (Gast)

Meine Antwort dürfen Sie sicherlich nicht so verstehen. Ich würde Sie bitten, die Kollegen zu fragen, was sie in der Tat gemeint haben. Ich habe die Kollegen nicht so verstanden.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 100 des Herrn Abgeordneten Narjes auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die Einrichtung des sog. Enterprise als Organ der Meeresbodenbehörde und nicht als unabhängiges Erwerbsunternehmen?

Not found (Gast)

Eine Organstellung des behördlichen Unternehmens - auch „Enterprise" genannt - ist mit einem echten Parallelsystem, demzufolge das Unternehmen mit Privat- oder Staatsunternehmen wettbewerbsgleich konkurrieren würde, nach unserer Auffassung nicht vereinbar.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Zusatzfrage.

Dr. Karl Heinz Narjes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001582, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Was wird die Bundesregierung tun, um dieser Erkenntnis möglichst weitgehendes Verhandlungsgewicht zu geben?

Not found (Gast)

Sie wird in bilateralen Gesprächen und Konsultationen unsere Auffassung interpretieren und unterstreichen. Ich füge hinzu, daß das in einigen bilateralen Gesprächen besonders notwendig sein wird.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Zweite Zusatzfrage.

Dr. Karl Heinz Narjes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001582, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, können Sie mir darin zustimmen, daß angesichts der irreversiblen Marktverfälschungen, die eine solche Behörde für die von ihr produzierten Rohstoffe bewirken kann, irgendwann ein Punkt gekommen ist, an dem die Grenzen der Tragbarkeit denkbarer Kompromisse erreicht sind und das bekanntgegeben werden müßte?

Not found (Gast)

Die Position, die ich hier eben bezogen habe, Herr Kollege, ist doch sehr eindeutig. Ich habe gesagt: Wir halten das Ziel mit einer Organstellung dieses behördlichen Unternehmens - „Enterprise" - für nicht vereinbar. Das ist doch eine sehr klare Aussage. Ich will aber wiederum unterstreichen: Ich kann damit nicht Verhandlungspositionen in der einen oder anderen Richtung für die nächste Session in New York preisgeben.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Köhler.

Dr. Volkmar Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001154, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, darf ich Ihre Stellungnahme so verstehen, daß Sie auch der Auffassung sind, daß die Einrichtung des „Enterprise" als Organ meine Besorgnisse in Fragen der joint ventures verschärfen würde?

Not found (Gast)

Ich würde vermuten, daß das so ist.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Kittelmann.

Peter Kittelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001106, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, wieweit und wann werden die von Ihnen häufiger erwähnten bilateralen Verhandlungen geführt werden? Angesichts des Umfangs von 150 teilnehmenden Staaten frage ich Sie: Welche Konzeption haben Sie bei der Beteiligung der Länder?

Not found (Gast)

Herr Kollege, es kommt natürlich darauf an, daß wir uns in erster Linie auf die Partner oder die Sprecher der Gruppen konzentrieren, die mit entsprechendem Gewicht in der nächsten Session mit zu verhandeln haben. Ich kann Ihnen hier sagen, daß wir z. B. schon für Anfang des nächsten Monats eine Konsultation mit der Delegation der Vereinigten Staaten auf unserem Terminkalender haben. Ich könnte Ihnen eine Reihe von anderen Konsultationsterminen verlesen, möchte das aber hier schon aus Zeitgründen nicht tun.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine weitere Frage. Die Fragen 101 und 102 werden auf Wunsch des Fragestellers, des Herrn Abgeordneten Todenhöfer, schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe die Frage 103 des Herrn Abgeordneten Hoffacker auf: Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß nach der nunmehr im ICNT vorgesehenen Regelung eine Abbaubeschränkung der Gefahr von Engpässen auf den Rohstoffmärkten verstärkt wurde? Bitte schön, Herr Staatsminister.

Not found (Gast)

Auf Grund der vorhandenen Daten betreffend bereits aufgeschlossene oder noch aufzuschließende terrestrische Rohstoffvorkommen rechnet die Bundesregierung für die nächsten 25 bis 50 Jahre nicht mit Engpässen, die eine unmittelbare wirtschaftliche Gefahr darstellen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine Zusatzfrage. Dann rufe ich die Frage 104 des Herrn Abgeordneten Hoffacker auf: Wie groß ist die Anzahl der Abbaustätten, die nach dieser neuen Regelung in den nächsten 15 Jahren betrieben werden können?

Not found (Gast)

Diese Frage kann erst zuverlässig beantwortet werden, wenn der im ICNT nicht ausdrücklich festgesetzte Prozentsatz des Zuwachses des Weltnickelbedarfs feststeht. Nach hypothetischen Berechnungen beträgt die Anzahl der Abbaustätten im Jahre 1992 10, im Jahre 2000 etwa 18.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 105 des Herrn Abgeordneten Köhler auf: Wann wird die Bundesregierung den im Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP ({0}) geforderten Bericht über die Ergebnisse der 6. Tagung der Dritten Seerechtskonferenz vorlegen?

Not found (Gast)

Die Bundesregierung wird über die Ergebnisse der 6. Tagung der Dritten Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen dem Auswärtigen Ausschuß des Deutschen Bundestages in einer der nächsten Sitzungen Bericht erstatten.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Zusatzfrage.

Dr. Volkmar Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001154, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, betrachten Sie, nachdem der gesamte Deutsche Bundestag in seinem Antrag diesen Bericht alsbald angefordert hat, Ihre Auskunft, die jetzt ja nach mittlerweile zwei verstrichenen Monaten erfolgt, als eine zeitliche Erfüllung dieses Auftrags?

Not found (Gast)

Ich glaube, ja, Herr Kollege Köhler. Erstens kann es doch durchaus sinnvoll sein, erst dann zu berichten, wenn sich auch die Positionen anderer im Hinblick auf die nächsten Schritte etwas deutlicher abzeichnen. Zweitens: Angesichts der offenen Punkte, die eben, auch deutlich geworden sind, ist es vielleicht wirklich zweckmäßig, zunächst dem Auswärtigen Ausschuß zu berichten. Der Auswärtige Ausschuß wird dann auch imstande sein zu sagen, ob es zweckmäßig ist, den gesamten Bericht dem Plenum des Deutschen Bundestages vorzulegen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine zweite Zusatzfrage.

Dr. Volkmar Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001154, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, hätten Sie auf Grund dieses Zeitablaufs und der Einengung der Berichterstattung auf nur einen Ausschuß Verständnis dafür, daß ich mich nicht so sehr in Ihrem Sinne überrascht - Sie erwähnten das vorhin mehrfach -, sondern mehr im Sinne des amerikanischen Delegationsleiters enttäuscht fühle?

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich bin sicher, daß nach der Berichterstattung im Auswärtigen Ausschuß die Möglichkeit bestehen wird, dem Plenum des Deutschen Bundestages einen zusammengefaßten schriftlichen Bericht vorzulegen, der auch das ergänzt, was ich heute gesagt habe. Ich glaube nur, daß alle Seiten dieses Hauses daran interessiert sind, dafür Sorge zu tragen, daß in dieser Berichterstattung nicht eventuell Kennzeichnungen von Positionen stattfinden, die unsere Verhandlungsposition - übrigens eventuell auch die unserer Partner - schwächen würden.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jens.

Prof. Dr. Uwe Jens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001026, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, glauben Sie, daß es richtig ist, diese sehr detaillierten Fragen des Seerechts in dieser Weise coram publico ausführlich zu behandeln, und daß dies im Interesse aller deutschen Beteiligten liegen kann? Meinen Sie nicht auch, daß es sinnvoller ist, sich erst einmal die Interessen der Beteiligten in einem Hearing anzuhören?

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich glaube nicht, daß es mir ansteht zu sagen, was in diesem Hause richtig ist. Diese Fragen sind von Kollegen gestellt worden. Ich habe versucht, sie nach bestem Wissen und Gewissen zu beantworten. Aber ich habe bei der Beantwortung auch dort Zurückhaltung geübt, wo ich glaubte, daß das Interesse des ganzen Hauses Zurückhaltung gebietet.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kittelmann.

Peter Kittelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001106, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, welche Rolle spielte die Seerechtskonferenz bei den Gesprächen zwischen Herrn Präsident Carter und Herrn Bundeskanzler Schmidt, und werden die Ergebnisse dieses Gespräches über dieses Thema in den Bericht der Bundesregierung mit eingehen?

Not found (Gast)

Der Bundeskanzler hatte Gelegenheit, mit Präsident Carter über diese Fragen auf dem Stand der allerletzten Verhandlungsergebnisse zu beraten. Die deutsche Delegation hatte dem Bundeskanzler aus New York einen entsprechenden Bericht nach Washington zukommen lassen, der Gegenstand intensiver Beratungen mit dem amerikanischen Präsidenten war.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Grunenberg.

Horst Grunenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000743, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, sind Sie mit mir der Meinung, daß die gestern von der SPD- und der FDP-Fraktion beantragte Anhörung bezüglich des Gesamtkomplexes „Seerecht" im Wirtschafts- und im Auswärtigen Ausschuß wohl besser geeignet ist, die ganze Palette der Probleme zu erörtern, als jetzt in der Fragestunde, und ist es nicht so, daß die Fragen, die hier gestellt worden sind, überhaupt nur einen Teil eines Riesenkomplexes betreffen, der seinen Niederschlag in einem informellen Text gefunden hat und über den - das gilt auch für den anderen Bereich, den man als annehmbar bezeichnet - immerhin noch verhandelt werden kann?

Not found (Gast)

Die Anhörung, die angeregt wurde und die wohl im Wirtschaftsausschuß und im Auswärtigen Ausschuß stattfinden wird, wird sicherlich Gelegenheit geben, eine Vielzahl von Einzelfragen noch intensiver und noch informierter diskutieren zu können.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten von Geldern.

Dr. Wolfgang Geldern (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000656, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, angesichts der Tatsache, daß wir es bisher immer mit informellen Texten zu tun haben, scheint es ja um so wichtiger zu sein, daß ein offizieller Bericht der Bundesregierung erstellt wird. Können wir davon ausgehen, daß dieser Bericht rechtzeitig vor dem voraussichtlichen Beginn der 7. Session am 22. März 1978 vorliegen wird?

Not found (Gast)

Ich will den Beschlüssen der Bundesregierung nicht vorgreifen. Aber ich sagte schon, daß nach der Berichterstattung im Auswärtigen Ausschuß dem ganzen Haus ein schriftlicher Bericht vorgelegt werden kann. Ich bin sicher, daß er so rechtzeitig vorgelegt wird, daß man sich auch auf die nächste Phase der Verhandlungen vorbereiten kann.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hüsch.

Dr. Heinz Günther Hüsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000977, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, da das Ergebnis der Seerechtskonferenz auch erhebliche entwicklungspolitische Konsequenzen haben dürfte: Können Sie für die Bundesregierung zusagen, daß sie diesen Konsequenzen in der Berichterstattung nach Inhalt und Form dadurch Rechnung tragen wird, daß sie nicht allein den Auswärtigen Ausschuß und korrespondierend das Auswärtige Amt als zuständig für die Sache ansieht?

Not found (Gast)

Herr Kollege, man muß doch in den Zuständigkeiten der Bundesregierung zwischen Federführung und Einbeziehung der Sachkompetenz unterscheiden. Es ist bisher schon selbstverständlich so gewesen, daß der Sachverstand der ganzen Bundesregierung, ob des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit oder des Wirtschaftsministeriums oder anderer Ministerien, in diesen Vorgang eingebracht wurde, für den die Federführung, aber nicht der ganze Sachverstand, beim Auswärigen Amt liegt.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Mertes.

Dr. Alois Mertes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001482, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, nachdem der Kollege Grunenberg der Bundesregierung nahegelegt hat, die Fragerechte des Bundestages möglichst restriktiv zu interpretieren, möchte ich die Bundesregierung fragen, ob sie die Fragen der Opposition als hilfreich empfunden hat.

Not found (Gast)

Herr Kollege Mertes, die Fragen des ganzen Hauses haben wir als hilfreich empfunden. Ich weiß nicht, warum ich dies abschlägig bescheiden sollte.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine Zusatzfrage? - Die Fragen 106 und 107 werden auf Bitte des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe die Frage 108 des Herrn Abgeordneten Czaja auf: Wird die Bundesregierung in ihrer Sorge um den freien Teil Berlins bei den verbündeten Westmächten, die diplomatische Beziehungen zu Ost-Berlin unterhalten, dahin gehend vorstellig werden, daß diese als Vertragspartner des Viermächteabkommens von der DDR die Unterlassung der ständigen juristischen und politischen Aggressionen gegen dieses Abkommen fordern, indem Ost-Berlin dieses Abkommen amtlich konstant als „vierseitiges Abkommen über West-Berlin" bezeichnet?

Not found (Gast)

Die drei Westmächte haben nie einen Zweifel daran gelassen, daß sich das Viermächteabkommen - dies ist die authentische deutsche Übersetzung - vom 3. September 1971 als solches auf ganz Berlin erstreckt, während die in dem Abkommen vorgesehenen praktischen Regelungen sich auf die Westsektoren Berlins beziehen. Die drei Westmächte bringen diese Auffassung im Zusammenwirken mit der Bundesregierung auch im internationalen Bereich in jeweils angemessener Form zur Geltung.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, ich habe gefragt, ob die Bundesregierung mit unseren westlichen Verbündeten darüber Kontakt aufgenommen hat, daß sie bei der DDR auf die Unterlassung der dem Vertragstext und dem Völkerrecht nicht entsprechenden Nomenklatur hinwirken, nachdem sie diplomatische Beziehungen mit der DDR haben.

Not found (Gast)

Herr Kollege, es ist ständige Übung der drei Westmächte, sich auf Auseinandersetzungen über Interpretationsversuche und Zitierweisen von Staaten, die nicht zu den Unterzeichnerstaaten des Viermächteabkommens gehören, nicht einzulassen. Diese Haltung wird von der Bundesregierung geteilt.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine zweite Zusatzfrage.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, stimmen Sie mir in der Auffassung zu, daß unablässig klargestellt werden muß, daß die Rechte und Verantwortlichkeiten den vier Mächten zustehen, aber nicht vier Seiten, daß also nicht der DDR, auf der Seite der Sowjetunion stehend, irgendwelche Rechte und Verantwortlichkeiten gegenüber Berlin ({0}) zustehen?

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich habe eben von dieser Stelle noch einmal unterstrichen, daß die authentische Übersetzung „Viermächteabkommen" heißt. Ich glaube, deutlicher kann man das nicht sagen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine Zusatzfragen. Dann rufe ich die Frage 109 des Herrn Abgeordneten Czaja auf: Welche Haltung hat - unter Berücksichtigung sowohl verfassungsrechtlicher, staatspolitischer und gesamtdeutscher sowie sogenannter „hochpolitischer" und protokollarischer Gründe - der Bundeskanzler eingenommen, als der ungarische Parteichef Kadar bei einem Staatsbesuch auf das Wohl „des Volkes der Bundesrepublik Deutschland", unter ausdrücklicher Absetzung von dem im Grundgesetz als Souverän genannten Deutschen Volk, seinen Trinkspruch ausgebracht hat ({0})?

Not found (Gast)

Herr Kollege Czaja, ich kann Ihre Frage offen gesagt nicht ganz verstehen. Der Bundeskanzler hat den Toast des Ersten Sekretärs Kadar natürlich in aufrechter Haltung entgegengenommen. Er hat gestanden. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, sind Sie nicht der Auffassung, daß es die Selbstachtung unseres Staates, unseres Volkes und seiner Zusammengehörigkeit gebietet, in einer geeigneten Form seitens unserer Vertretung auf unseren Souverän, das Deutsche Volk, aufmerksam zu machen?

Not found (Gast)

Herr Kollege Czaja, wir sprechen unsere Sprache. Aber mir scheint, es ist nicht unsere Aufgabe, bei dem Toast eines Gastes Korrekturen vorzunehmen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine zweite Zusatzfrage.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sind Sie nicht der Auffassung, daß ein Parteichef, der Gast der Bundesrepublik Deutschland ist und es sein will, ihre verfassungsmäßige Ordnung bei diplomatischen Handlungen respektieren muß?

Not found (Gast)

Gerade weil der Erste Sekretär, Herr Kadar, Gast der Bundesrepublik Deutschland war, haben wir uns, wie gesagt, so verhalten, wie wir uns verhalten haben.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Jäger.

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, nachdem der Herr Bundeskanzler heute in diesem Haus bereits an seinen Eid erinnert hat, den er hier geschworen hat, frage ich Sie: Meinen nicht auch Sie, daß es die mit diesem Eid verbundene Pflicht verlangt, Schaden vom deutschen Volk dadurch abzuwenden, daß solche gezielten verbalen Angriffe sofort mit dem konfrontiert werden, was nach unserem Verfassungsrecht die einzige mögliche Bezeichnung für das deutsche Volk ist?

Not found (Gast)

Ich teile Ihre Auffassung, Herr Kollege, ganz ausdrücklich nicht. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine Zusatzfrage mehr. Die Frage 110 des Abgeordneten Coppik wird schriftlich beantwortet, da der Fragesteller nicht im Saal ist. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ich rufe die Frage 111 des Abgeordneten Dr. Hupka auf: Trifft es zu, daß die Bundesregierung veranlaßt hat, daß keine Zahlen über die Ausreisewilligen in den Oder-Neiße-Gebieten und den Ländern Ost- und Südosteuropas durch amtliche Stellen oder das Deutsche Rote Kreuz der Öffentlichkeit mitgeteilt werden, und wenn ja, was hat die Bundesregierung dazu bewogen?

Not found (Gast)

Es trifft nicht zu, daß die Bundesregierung veranlaßt hat, daß der Öffentlichkeit keine Zahlen durch amtliche Stellen oder durch das Deutsche Rote Kreuz mitgeteilt werden.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Zusatzfrage.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Worauf führt es die Bundesregierung denn zurück, daß sich das Deutsche Rote Kreuz unter Berufung auf die Bundesregierung nicht mehr in der Lage sieht, Zahlen über die Ausreisewilligen öffentlich bekanntzugeben, und sie sogar Bundesländern nicht mehr bekanntgibt?

Not found (Gast)

Das Deutsche Rote Kreuz befindet sich gegenwärtig in Gesprächen mit dem Roten Kreuz der CSSR über die Ermittlung der Zahl der Ausreisewilligen, derjenigen also, die umgesiedelt werden wollen. Solange diese Ermittlungen im Gange sind, sieht sich, so vermute ich, das Deutsche Rote Kreuz nicht imstande, eine genaue Zahl zu nennen; denn es ist ja dabei, die Zahl zu ermitteln.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Offenbar sind Sie, Herr Staatsminister, nicht ganz auf dem laufenden. Es handelt sich hier nämlich nicht nur um die Zahl der Ausreisewilligen aus der Tschechoslowakei. Was ist nun nach Ihrer Beurteilung der Grund dafür, daß von einem bestimmten Zeitraum an, etwa ab Januar/ Februar vorigen Jahres, Zahlen über die Ausreisewilligen in der deutschen Öffentlichkeit nicht mehr bekanntgegeben werden und auch Dienststellen von Bundesländern, die danach fragen, die Antwort erteilt wird, das könne nur noch in Ausschüssen des Deutschen Bundestages geschehen?

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich habe Ihre Frage eben noch einmal durchgelesen. Es ist richtig, daß sich das nicht nur spezifisch auf die Tschechoslowakei bezog; das gilt für Ihre nächste Frage. Es gibt - ich habe es gesagt und unterstreiche es - eine solche Veranlassung durch die Bundesregierung nicht.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine Zusatzfrage mehr. Dann rufe ich die Frage 112 des Abgeordneten Dr. Hupka auf: Ist die Bundesregierung bereit, angesichts der nach Abschluß des Prager Vertrags nicht nur gering gebliebenen, sondern immer geringer werdenden Aussiedlerzahl von Deutschen aus der Tschechoslowakei unter Hinweis auf den Briefwechsel über humanitäre Fragen über eine spürbare Erhöhung der Aussiedlerquote zu verhandeln?

Not found (Gast)

Die Größe einer realistischen Zahl der Aussiedler bemißt sich nach der Zahl derjenigen, die übersiedeln wollen, und nicht nach historischen Zahlen. Wie Ihnen bekannt sein dürfte, führt das Deutsche Rote Kreuz auf Grund einer Anfang des Jahres mit dem Tschechoslowakischen Roten Kreuz getroffenen Absprache zur Zeit Ermittlungen mit dem Ziel der Aktualisierung seiner Unterlagen durch. Die Ergebnisse dieser laufenden Aktualisierung werden voraussichtlich in zwei bis drei Monaten vorliegen. Erst auf Grund dieser Ergebnisse wird es sinnvoll sein, eine Entscheidung darüber zu treffen, inwieweit Kontakte mit der tschechoslowakischen Seite auf Regierungsebene im Sinne Ihrer Frage aufgenommen werden sollten.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Zusatzfrage.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, ist es nicht auffallend, daß vom Jahr 1973/74, als der Prager Vertrag ausgehandelt wurde, bis heute zumindest statistisch 13 000 Aussiedlungswillige plötzlich verschwunden sind? Das muß ja wohl seine Gründe haben. Fragt die Bundesregierung nicht nach den Gründen, oder überläßt sie das ausschließlich dem Deutschen Roten Kreuz?

Not found (Gast)

Herr Kollege Hupka, wir müssen zunächst das Ergebnis der Recherchen des Deutschen Roten Kreuzes in Zusammenarbeit mit dem Tschechoslowakischen Roten Kreuz abwarten. Wir werden, wenn sich entsprechende Zahlenunterschiede ergeben, dann darüber zu beraten haben, wie diese eventuell zu erklären sind.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Zusatzfrage.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, wäre aber nicht schon im Hinblick auf das Belgrader Nachfolgetreffen die Notwendigkeit gegeben, sich darum Sorge zu machen, daß die Zahl der Aussiedlungen aus der Tschechoslowakei nicht in erschrekkender Weise rückläufig ist, zumal gemäß Korb III der KSZE-Schlußakte die Familienzusammenführung erleichtert und nicht erschwert werden soll?

Not found (Gast)

Herr Kollege Hupka, ich verweise noch einmal auf den Teil meiner Antwort, in dem ich gesagt habe, daß historische Zahlen keine Auskunft über eine realistische Abschätzung der heute vorhandenen Zahl potentieller Aussiedler geben können. Insofern kann man einen solchen Vergleich nicht anstellen. Es kommt darauf an, wie groß die Zahl derjenigen ist, die h e u t e ausgesiedelt werden möchte, die übersiedeln wollen. Diese Zahl zu ermitteln hat das Deutsche Rote Kreuz jetzt unternommen. Die Ergebnisse werden wir abwarten. Wenn die Ergebnisse vorliegen und sich dabei Unterschiede ergeben, von denen wir meinen, daß sie der Erklärung bedürfen, werden wir uns um diese Erklärung bemühen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Czaja.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, sind Sie nicht der Auffassung, daß durch den deutschtschechoslowakischen Briefwechsel Rechtsverpflichtungen für beide Seiten entstanden sind? Ist der Bundesregierung denn nicht bekannt, daß in einer Reihe von Kreisen, aus denen Aussiedler herauswollen, die Antragsformulare nicht ausgegeben werden, und müssen Sie als Bundesregierung nicht doch auch zu dem frappanten Unterschied zwischen dem, was Sie als „realistische", und dem, was Sie als „historische Zahl" - das war 1974 - bezeichnen, Stellung nehmen?

Not found (Gast)

Herr Kollege Czaja, ich habe eben Herrn Kollegen Hupka auf dieselbe Frage - zwar mit anderen Worten gestellt, aber identischen Inhalts - eine Antwort gegeben, und ich würde Sie bitten, von dieser Antwort Gebrauch zu machen. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Ey.

Richard Ey (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, wie erklärt sich die Bundesregierung die Rückläufigkeit der Zahlen der Ausreisewilligen?

Not found (Gast)

Herr Kollege, Sie unterstellen das Ergebnis. Ich sagte vorhin: Die Frage, wie groß die Zahl derjenigen, die übersiedeln wollen, in der Tat ist, ist ja gerade die Frage, die es jetzt aufzuklären gilt. Das Deutsche Rote Kreuz ist bemüht, dies zu tun. Erst dann können wir eine Antwort auf Ihre Frage geben.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine weiteren Fragen. Ich rufe Frage 113 der Abgeordneten Frau Erler auf: Welche Länder haben bisher bei der Bundesregierung wegen des Exports nuklearer Anlagen angefragt?

Not found (Gast)

Der Bundesregierung liegen keine Anfragen von Ländern wegen des Exports nuklearer Anlagen vor. Die Bundesregierung erfährt von den Lieferwünschen bestimmter Länder in der Regel durch die Ausfuhrgenehmigungsanträge, die die deutsche Privatindustrie auf Grund von Lieferverträgen stellt. Diese Anträge werden aus Gründen der internationalen Konkurrenz vertraulich behandelt. Ich bin damit, Frau Kollegin, bereits beim Übergang zur nächsten Frage. ({0}) - Ja, ich würde gern zusammenfassen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Beide Fragen zusammen? - Sie sind damit einverstanden, Frau Kollegin? - Dann rufe ich Frage 114 der Abgeordneten Frau Erler auf: Welchen Stand haben die entsprechenden Verhandlungen oder Genehmigungsverfahren bisher erreicht?

Not found (Gast)

Zu Ihrer zweiten Frage: Verhandlungen werden gegenwärtig über die Lieferung einer nuklearen Anlage an Spanien geführt. Die Verhandlungen über ein bilaterales Kooperationsabkommen für die friedliche Nutzung der Kernenergie können bald abgeschlossen werden.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage.

Brigitte Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000487, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sind entsprechende Presseberichte falsch, daß ein nigerianischer Minister mit dem Bundeskanzler über den Export von Nuklearanlagen nach Nigeria verhandelt hat, und wie steht der Besuch des nigerianischen Außenministers Garba in dieser Woche im Verhältnis dazu, daß er vor kurzem eine Pressekonferenz in Nigeria gegeben hat, in der er eindeutig die Atombombe für Nigeria gefordert hat?

Not found (Gast)

Frau Kollegin, es steht mir hier nicht an, und es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, Pressekonferenzen der Kollegen in anderen Staaten zu interpretieren oder Urteile über sie abzugeben. Ich verweise auf den Teil meiner Antwort, in dem ich gesagt habe: Die Bundesregierung erfährt von den Lieferwünschen bestimmter Länder in der Regel durch die Ausfuhrgenehmigungsanträge, und diese Anträge werden aus Gründen internationaler Konkurrenz vertraulich behandelt.

Brigitte Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000487, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darf ich den ersten Teil meiner Zusatzfrage wiederholen: Treffen die Presseberichte, daß der von mir genannte Minister in der Bundesrepublik wegen der Lieferung von Nuklearanlagen verhandelt hat, also nicht zu?

Not found (Gast)

Frau Kollegin, wenn ich hier auf eine solche Frage Antwort gäbe, würde ich ja Rückschlüsse darauf erlauben, ob in Zukunft entsprechende Fragen mit Ja oder mit Nein zu beantworten sind. Ich würde dann genau das nicht tun, was meine Aufgabe ist: nämlich Sorge dafür tragen, daß Auskunft über diese Anträge aus Gründen der internationalen Konkurrenzlage nicht gegeben wird. Sie können also aus dieser Auskunft keine Rückschlüsse im Hinblick auf Ihre Frage ziehen.

Brigitte Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000487, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Trifft es zu, daß die iranische Regierung in früheren Verhandlungen ein Interesse am Bezug von Wiederaufbereitungsanlagen angemeldet hat?

Not found (Gast)

Frau Kollegin, es tut mir leid, mich wiederholen zu müssen, aber ich muß dieselbe Antwort geben.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine weitere Zusatzfrage. Frage 115 des Abgeordneten Böhm ({0}) soll auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ich rufe Frage 116 des Abgeordneten Gerster ({1}) auf: Was hat die Bundesregierung unternommen, um der von linken Parteien und Gruppen in den westlichen Partnerstaaten mit wahrheitswidrigen Behauptungen angeheizten Stimmungskampagne gegen die Bundesrepublik Deutschland zu begegnen, und auf welche Weise will sie den dadurch bereits entstandenen Schaden wiedergutmachen?

Not found (Gast)

Die Bundesregierung erkennt die Probleme, denen sich die Bundesrepublik Deutschland sowohl auf Grund unserer Geschichte als auch auf Grund unserer jetzigen Rolle in der Welt gegenübersieht. Sie versucht, durch die Politik selbst und durch die Darstellung dieser Politik das Vertrauen unserer Partner in der Welt für uns zu erhalten und zu stärken. Sie bittet alle Bürger im Lande und selbstverständlich auch alle Abgeordneten des Deutschen Bundestages, die Bundesregierung bei dieser schwierigen Aufgabe zu unterstützen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage.

Dr. h. c. Johannes Gerster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000671, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, würden Sie bitte meine Frage beantworten, was die Bundesregierung nach der jüngsten Entwicklung im westlichen Ausland, vor allem in befreundeten Partnerstaaten, unternommen hat, um dieser von linken Gruppen und Parteien angeheizten Stimmungsmache entgegenzuwirken? Würden Sie diese Frage bitte beantworten!

Not found (Gast)

Ihre Frage enthält eine Feststellung, der ich nicht so umfassend, wie sie hier formuliert ist, zustimmen kann. Wenn Sie fragen, was die Bundesregierung tut, um das Bild unseres Landes draußen zu stärken und entstehende Probleme zu beseitigen oder ihnen zu begegnen, dann wiederhole ich, was ich sagte: Sie versucht, durch die Politik, z. B. durch ihre Friedenspolitik und durch die Darstellung dieser Politik das Vertrauen in die Bundesrepublik Deutschland bei unseren Partnern zu stärken und zu erhalten.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Die zweite Zusatzfrage.

Dr. h. c. Johannes Gerster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000671, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, muß ich demzufolge Ihrer ausweichenden Antwort entnehmen, daß die Bundesregierung etwa nach den bekannt-berüchtigten Artikeln in „Le Monde" nichts unternommen hat, um einer mit offenbar wahrheitswidrigen Behauptungen aufgebauten Stimmungskampagne entgegenzuwirken?

Not found (Gast)

Das konnten Sie daraus nicht entnehmen. Ihre Frage war viel zu allgemein, als daß ich imstande gewesen wäre, präzis zu dem Vorgang „Le Monde" Stellung zu nehmen. Selbstverständlich sind wir bemüht, ausländischen Zeitungen - denen wir das Recht auf Pressefreiheit so wenig absprechen können wie Zeitungen im eigenen Land - durch Informationen und Hinweise zu einer korrigierten und sachgerechteren Darstellung zu verhelfen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Jäger.

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, wird die Bundesregierung die Regierung der französischen Republik darauf hinweisen, daß die Zurverfügungstellung des staatlichen französischen Rundfunks für hetzerische Angriffe auf die Bundesrepublik Deutschland nicht im Einklang mit dem deutsch-französischen Freundschaftsvertrag steht?

Not found (Gast)

Die Bundesregierung wird selbstverständlich in ihren Gesprächen mit der französischen Regierung darauf hinweisen, was den deutsch-französischen Beziehungen nach unserer Auffassung dienlich ist. Aber auch hierzu möchte ich unterstreichen, daß die Pressefreiheit, die wir in unseren eigenen Medien respektiert und gewahrt wissen wollen, natürlich auch für die Medien anderer Länder gilt. Auf jeden Fall solcher Länder, die über eine derartige Pressefreiheit verfügen. Es kommt für uns darauf an, die Journalisten, die Redakteure und die Meinungsbildner durch eine sachgemäße Darstellung unserer Politik und unseres Landes dazu zu bringen, sachgerecht, wahrheitsgemäß und korrekt über unser Land zu berichten.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Möller.

Dr. Franz Möller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001522, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, wird die Bundesregierung die Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit im Ausland aufstocken, nachdem sie in den vergangenen Jahren zugunsten der InlandsWahlpropaganda gesenkt worden sind?

Not found (Gast)

Wir sind dabei, zu prüfen, welche Rolle die Auslandsinformation bei der Bewältigung der Probleme spielen kann, die in der Frage des Kollegen Gerster angeschnitten worden sind.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Frage des Herrn Abgeordneten Ey.

Richard Ey (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000507, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, sollte der Brief des ehemaligen Kanzlers Brandt an den gegenwärtigen Kanzler Schmidt, in dem er von rechtsradikalen Tendenzen in der Bundesrepublik spricht, von den Angriffen linker Kräfte von außen ablenken? ({0})

Not found (Gast)

Sie wissen, von welchem Zeitpunkt der Brief des Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, des Abgeordneten Brandt, stammt. Sie können einen solchen Zusammenhang nicht mit gutem Gewissen herstellen, Herr Kollege. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Bitte schön, eine Zusatzfrage.

Dr. Ottfried Hennig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000871, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, können Sie die Meldung bestätigen oder dementieren, daß sich der Herr Bundeskanzler in einem Telefongespräch mit Präsident Giscard ausdrücklich für die Art und Weise bedankt hat, in der die Franzosen die Affäre Croissant handhaben?

Not found (Gast)

Hinsichtlich Presse und Fernsehinterview kann ich das ausdrücklich dementieren.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Corterier.

Dr. Peter Corterier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000339, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, da hier von einigen Vertretern der Opposition mit dem ständigen Hinweis auf linke Gruppen offenbar eine billige Stimmungsmache versucht wird, frage ich Sie, ob Sie bereit wären, die Kollegen der Opposition darauf hinzuweisen, daß es heftige und ungerechtfertigte Kritik an der Bundesrepublik auch aus rechten Kreisen, etwa der französischen Gaullisten, gibt?

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, ich muß die Frage in diesem Punkte zurückweisen; sie enthielt eine Bewertung, und das ist nicht Sache der Fragestunde. ({0}) Ich rufe die Frage 117 des Herrn Abgeordneten Gerster auf: Warum hat sich die Bundesregierung nicht sofort bei der französischen Regierung dagegen verwahrt, daß Herr Croissant im staatlichen französischen Fernsehen die Bundesrepublik Deutschland als ein verschleiertes faschistisches System bezeichnen konnte?

Not found (Gast)

Ihre Annahme trifft nicht zu. Bereits am Tage nach der Ausstrahlung des Interviews von Croissant durch das französische Fernsehen hat sich die Bundesregierung an die französische Regierung gewandt. Das Interview war danach Gegenstand weiterer Gespräche mit Vertretern der französischen Regierung.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage.

Dr. h. c. Johannes Gerster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000671, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, würden Sie es nicht mit Rücksicht auf die Wirkungen, die dieses Interview gerade auch auf die interne Diskussion in unserem Lande hat, für notwendig halten, daß das, was die Bundesregierung unternommen hat, der Öffentlichkeit auch tatsächlich dargestellt wird, und sind Sie jetzt bereit, konkret zu sagen, was die Bundesregierung unternommen hat?

Not found (Gast)

Herr Kollege Gerster, ich habe darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung Schritte unternommen hat, um zu diesem Vorfall ihren Kommentar zu geben und darauf hinzuwirken, daß jeder Beteiligte weiß, welche mittelbaren und unmittelbaren Folgen mit derartigen Ausstrahlungen verbunden sein können. Es ist hier nicht der Ort über die Einzelheiten dieser Gespräche zu berichten.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. h. c. Johannes Gerster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000671, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, wären Sie bereit, das folgende Zitat des französischen Außenministers, das ich mit Genehmigung der Frau Präsidentin hier zitieren darf, als offizielle Meinung der Bundesregierung zu bestätigen und entsprechend darzutun, daß sie auch in dieser Weise Gerster ({0}) gegenüber dem französischen Partner vorstellig wurde? Guiringaud hat wörtlich ausgeführt, es gebe kein wirkliches Wiederaufleben beunruhigender Tendenzen. - Er tat dies im Hinblick auf behauptete extreme Rechtsentwicklungen in unserem Land. - Die Bundesregierung könne zu Recht am Ton Anstoß nehmen, den gewisse französische Zeitungen und Rundfunkanstalten bei ihrer Berichterstattung über Tendenzen zur Gewalt an den Tag legten. Können Sie mir bestätigen, daß die Bundesregierung beim französischen Partner auch in diesem Sinne vorstellig wurde?

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Ich habe das doch gesagt, Herr Kollege. Ich habe gesagt, daß wir die Art und Weise dieses Interviews und seinen Inhalt nicht gutheißen können, aber daß wir auf der anderen Seite auch nicht die Möglichkeit haben, unmittelbar auf das französische Fernsehen einzuwirken.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jäger ({0}).

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, teilen Sie meine Auffassung, daß es seitens der französischen Regierung weit über die auch von uns in Anspruch genommene Presse- und Medienfreiheit hinausgeht, wenn sie es zuläßt, daß ein Mann, gegen den ein Auslieferungsersuchen deutscher Behörden in Frankreich vorliegt, ungehindert und ungestört die Gebäude und Sendeanlagen des französischen Rundfunks betreten und wieder verlassen und dort seine antideutschen Hetzreden halten kann?

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Herr Kollege, ich wiederhole: Wir verurteilen dieses Interview. Seinen Inhalt und die Tatsache, daß es veröffentlicht werden konnte. Aber es wäre falsch und steht der Bundesregierung nicht zu, mit dieser Feststellung ein Urteil über die französische Regierung zu verbinden.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Möller.

Dr. Franz Möller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001522, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, nachdem sich der Herr Bundeskanzler beim französischen Staatspräsidenten für die Kooperationsbereitschaft bei der Bekämpfung des Terrorismus bedankt hat, frage ich: Wie konkretisiert die französische Regierung diese Kooperationsbereitschaft?

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Herr Kollege, das geschieht z. B. durch Kooperation in der Fahndung nach Terroristen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Erler.

Brigitte Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000487, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, teilen Sie meine Auffassung, daß die Bundesregierung nicht die Polizeigewalt in Frankreich hat?

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Diese Auffassung kann ich teilen, Frau Kollegin.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Czaja.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie sprachen von der Kooperation in der Fahndung. Hat denn die Bundesregierung gefragt, wieso Croissant während der Fernsehsendung nicht verhaftet worden ist?

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Herr Kollege Czaja, Sie wissen vermutlich, daß es immer wieder Fälle gegeben hat, in denen Personen, die für die Polizei nicht aufspürbar waren, dennoch in der Lage waren, mit der Presse Kontakt aufzunehmen. Hierfür gibt es Beispiele aus vielen Ländern der Welt, auch aus solchen, bei denen - wie im Falle Frankreich - überhaupt kein Zweifel daran bestehen kann, daß Fahndungsersuchen und Fahndungsaufgabe ernst genommen werden.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Eine Zusatzfrage. - Aber das ist dann die letzte.

Dr. Ottfried Hennig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000871, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, halten Sie es für sehr wahrscheinlich, daß der französischen Regierung der Aufenthaltsort von Herrn Croissant nach wie vor nicht bekannt ist?

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Ich gehe davon aus, daß Herr Croissant, wenn sein Aufenthaltsort der französischen Regierung bekannt wäre, verhaftet würde.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Keine weitere Zusatzfrage. Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Fragestunde. Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Staatsminister. Wir fahren jetzt gleich in der ersten Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Steuerentlastung und Investitionsförderung - Drucksache 8/900 - fort. Das Wort hat der Abgeordnete Köhler ({0}).

Dr. Herbert W. Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001152, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatte von heute vormittag aufzugreifen, noch dazu in Abwesenheit des Finanzministers, ({0}) fällt mir ein wenig schwer, insbesondere wenn ich daran denke, daß wohl die meisten von Ihnen eine Linsensuppe gegessen haben. Ich möchte deshalb die persönliche Bemerkung, die ich an den Minister richten wollte, bis zum Schluß meiner Ausführungen zurückstellen. Allerdings wollte ich nur etwas weniger Ernstes zu seiner Bemerkung über die Professoren hier im Hause sagen. Ich möchte eine zweite Vorbemerkung machen. Ich bin meinem Kollegen Westphal sehr dankbar Dr. Köhler ({1}) für die von mir durchaus erwünschte Antwort, die er auf meine Frage gegeben hat, ob man sich in der Debatte nicht auf den vorliegenden Tagesordnungspunkt beschränken sollte. Er hat, wie ich im Protokoll noch einmal nachgelesen habe, die ausdrückliche Empfehlung gegeben, die Diskussion nicht auf den vorliegenden Tagesordnungspunkt zu beschränken, sondern auch auf alles andere einzugehen, z. B. auf die gestrigen Beschlüsse der Bundesregierung. Ich werde dieser Empfehlung folgen und also auch das sagen, was ich in diesem Zusammenhang für richtig halte. In Wahrheit unterhalten wir uns nicht über alternative Gesetzentwürfe zur Konjunkturpolitik - das tun wir schon, mit wechselnden Abständen, seit neun Jahren -, sondern wir diskutieren über die Frage, ob Ihre Vorschläge oder unsere Anregungen besser geeignet sind, das eigentliche Grundübel der völligen Demotivierung der Bürger zu beseitigen, das wir in unserem Lande feststellen müssen. ({2}) Daß das nötig ist, will ich Ihnen beweisen. Der Kollege Böhme hat am letzten Freitag zum Beispiel von den Selbständigen gesprochen und das Vorurteil zum Ausdruck gebracht, sie hätten eine Menge Privilegien, z. B. bei der Besteuerung. Ich frage mich, welche Motive die 900 000 Selbständigen, die ihre Selbständigkeit und damit ihre vielen, vielen Privilegien, die sie in Ihren Augen haben, aufgegeben haben, wohl hatten, unselbständig tätig zu werden, sich also in die ganz unbequeme Lage ihrer eigenen Mitarbeiter zu begeben. Haben sie gegen ihr Interesse gehandelt, oder haben sie abgewogen, ob es heute in diesem Lande günstiger ist, als Selbständiger Risiken auf sich zu nehmen oder unselbständig tätig zu sein? Bei der Beantwortung dieser Frage sollten wir daran denken, daß inzwischen gut ein Drittel unserer sogenannten Unselbständigen über unkündbare Arbeitsverträge verfügt.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Häfele?

Dr. Herbert W. Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001152, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja.

Dr. Hansjörg Häfele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000774, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Dr. Köhler, darf ich Ihnen mitteilen, daß der Herr Bundesfinanzminister im Augenblick in einer Pressekonferenz ist und es nicht für richtig hält, hier Rede und Antwort zu stehen ({0}) - „darf ich Ihnen mitteilen ...?" -, nachdem er noch vor ,der Mittagspause hier die Erklärung abgegeben hat, daß er bei der Antwort anwesend sein werde?

Dr. Herbert W. Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001152, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich bedanke mich für diese Mitteilung. Ich kann nur der Hoffnung Ausdruck geben, daß er sein Versprechen einhält, das es mir zum Ende der Vormittagssitzung gegeben hat, nämlich bei meiner Erwiderung dabei zu sein. Ich will fortfahren. Ich frage mich auch, ob Sie sich mit der Frage beschäftigen, wie die Motivationslage im übrigen aussieht. Ich habe dafür schon im Finanzausschuß wenigstens einige Beispiele genannt. Ich gehöre zu denen, die im Wahlkreis wirklich mit den Menschen reden. Es gibt doch bei Ihnen eine Menge Theoretiker, die die Beschäftigung mit der Praxis als eine Verunreinigung ihrer theoretischen Vorstellungen ansehen. ({0}) Ich frage die Leute, z. B. die Arbeitslosen, warum sie ein Angebot nicht annehmen. Ich sage Ihnen auch die Antwort, die mir gegeben wurde: Aber Herr Köhler, für 100 oder 200 DM netto soll ich jetzt einen ganzen Monat arbeiten und die Differenz zwischen 'dem Arbeitslosengeld und meinem Bruttoverdienst an den Staat abführen? Das entspricht nicht meinem vernünftigen Interesse. ({1}) Ich sage ausdrücklich: Der Mann verhält sich vollkommen korrekt. Wehe, einer macht ihm einen Vorwurf! Der Vorwurf muß anderen gemacht werden: Denen, die diesen Mann 'demotivieren! ({2}) Nächster Fall: Fragen Sie mal den Facharbeiter, der 2036 DM brutto verdient ({3}) - Herr Kollege Schäuble hat heute als Beispiel genannt, wieviel Steuern er davon zu zahlen hat -, ob es richtig sei, daß er 50 Pfennig von einer mehrverdienten Mark dafür abführen muß, daß der Sozialhilfeempfänger in der gleichen Lage - zwei Kinder - diesen selben Betrag - netto - beanspruchen kann. Sie wissen vielleicht, daß er alle zwei Jahre den Anspruch auf einen neuen Wintermantel hat. Fragen Sie einmal 'den arbeitenden Facharbeiter, ob er imstande ist, sich alle zwei Jahre einen neuen Wintermantel zu leisten! Das nächste Beispiel: Fragen Sie mal die Aktiven, wie sie darüber denken, daß der Kollege, der in Pension gegangen ist und vorher denselben Arbeitsplatz besetzt hatte, in nicht allzulanger Zeit sie in seinem Nettoeinkommen eingeholt und danach überholt hat! Fragen Sie sie mal, was sie darüber denken, dann sind Sie auf dem richtigen Wege. Fragen Sie mal danach, warum der private Mietwohnungsbau zusammengebrochen ist. Wenn Sie die Gründe festgestellt haben, dann werden Sie auch die Methode finden, dies zu ändern. Die Gründe liegen darin, daß wir dem Vermieter alle Rechte und jedes Interesse genommen haben, noch solche Häuser zu bauen. Dann regen Sie sich darüber auf, wenn der Mann nach seinem Interesse handelt und auf deli Bau verzichtet. ({4}) So könnte ich die Ausbilder und das Jugendarbeitsschutzgesetz und vieles, vieles andere aufführen, was ich mir jetzt hier ersparen möchte. Alles steht dafür, daß Sie in den vergangenen Jahren mit fast jedem Gesetzesvorhaben eines erreicht haben, nämlich die Menschen zu demotivieren, statt sie zur Dr. Köhler ({5}) Leistung zu motivieren. Das ist das eigentliche Streitthema zwischen uns. ({6}) Nach dieser Einleitung möchte ich nun auf den konkreten Gesetzentwurf kommen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Huonker?

Dr. Herbert W. Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001152, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Da es paßt, ja.

Gunter Huonker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000981, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Köhler, sind Sie der Meinung, daß der Betrag, der im Rahmen der Sozialhilfe für die Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 288 DM im Schnitt gezahlt wird, in der Weise zu einer Demotivation derer führt, die einen Arbeitsplatz und einen guten Verdienst haben?

Dr. Herbert W. Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001152, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

In der Tat sollen Sie sich fragen, was dieser Facharbeiter denkt. Fragen Sie ihn! Ich übermittle Ihnen gern die Antworten. Ich werfe Ihnen vor, daß Sie nicht diese Antworten von Menschen in ihrer Interessenlage zur Kenntnis nehmen, sondern Ihr Menschenbild nach Vorstellungen formen, die mit der Wirklichkeit keinerlei Zusammenhang haben. ({0}) Ich will nun ein paar Worte zu dem Gesetzentwurf sagen, weil dieser Gesetzentwurf auf eine hochinteressante Weise diesen Demotivationsprozeß ebenfalls einbaut. Das haben auch der Kollege Böhme und der Herr Minister - Herr Professor - ({1}) Ich komme darauf noch zurück. - Sie haben das also heute und auch am vergangenen Freitag gebracht. Sie haben nämlich die Ablehnung der Anwendung des Stabilitätsgesetzes nicht etwa konjunkturpolitisch begründet - auch, wie ich nachgelesen habe -, sondern vor allem verteilungspolitisch. Da habe ich einen neuen Lehrsatz entdeckt, einen vulgärsozialistischen Lehrsatz, der heißt: „Bei der Belastung wende man die Progression an und bei der Entlastung die Degression." Das heißt, es wird leistungsfeindlich und neidorientiert gleich zweimal zugefaßt. Das ist das, was in diesem Lande demotivierend wirkt. Und da stellen Sie sich hin, Herr Minister, und sagen, das würden doch nur die Reichen bekommen. Ich will die Minister hier einmal ausnehmen. In der Tat würde ich es sehr begrüßen, wenn man bei einem Konjunkturabschlag Minister insbesondere dieser Regierung von dieser Regel ausnähme, erstens weil sie soviel bekommen - nicht verdienen -, ({2}) und zweitens weil ich der Meinung bin, daß sie mehr zur Demotivierung als zur Ankurbelung der Konjunktur beitragen. ({3}) Das Schlimme aber daran ist, daß das auch bei Ihnen nicht anders gesehen wird. Es ist ja keineswegs so, daß da eine Linie in diesem Hohen Hause ist, und hier ist es dann so und da so. Nein, der Streit geht bei Ihnen quer durch die Reihen. Und wenn Sie es wissen wollen, ein Kollege aus dem Finanzausschuß hat daraus gar kein Hehl gemacht. Er hat das öffentlich ausgedrückt. Ich lese Ihnen zwei Sätze vor - sie sind nur kurz -: Seitdem die Leistungsgesellschaft in Verruf geraten ist, steht im Mittelpunkt sozialdemokratischer Ideologie die Bestrafung beruflicher Leistung. Hinzu kommt die eklatante Wirtschaftsfeindlichkeit der meisten führenden Sozialdemokraten. Sie wissen natürlich, es ist Ihr Kollege Conrad Ahlers, der das gesagt hat. Er hat recht, denn er war ein Jahr lang im Finanzausschuß dabei. Dann ist er offenbar vor Erschrecken über das, was sich da abspielte, entwichen. ({4}) Ich sage Ihnen, es wird auch niemals anders werden. Es wird Schritt für Schritt so weitergehen, wenn Sie dies nicht erkennen. Dieses Volk und dieses Land, nicht die „Masse", von der heute zweimal die Rede war und die ich nicht kenne - ich kenne nur Bürger und den großen Durchschnitt der Bürger -, will etwas anderes. Den Durchschnitt der Bürger treffen wir am härtesten. Ihre Statistik, Herr Minister, wird doch hoffentlich noch in Ordnung sein. Addieren wir einmal gemeinsam die Einkommen der Minister und der Reichen auf und reden dann davon, wie lange Sie von den Steuern dieser Gruppierung Ihre Aufgaben bestreiten könnten. Wer zahlt in diesem Lande das, was der Staat verbraucht? Es sind die Facharbeiter, die von der Mark Mehrverdienst 50 Pfennig an den Staat abführen, es sind die Aufsteiger, es ist der Mittelstand. Das ist diese große Gruppe, die über Mehrwertsteuer und Lohnsteuer den Staat und alle Aufgaben finanziert, die sich dieser Staat vornimmt. Ich denke, es ist nicht nur demagogisch, es ist leistungsfeindlich, wenn Sie dann sagen: Die Minister müssen wir ausnehmen und die Reichen im übrigen auch. Es wurde auch noch argumentiert, der lineare Abschlag träfe nicht die Richtigen; er träfe nicht nur die Reichen, nein, auch die Unternehmer, die ja auch Einkommensteuer zahlen, und die Unternehmen, die Körperschaftsteuer zahlen. Ja, du meine Güte, was haben wir denn hier vor? Haben wir ein Konjunkturprogramm vor, oder was? Konjunkturpolitisch wäre dies jedenfalls motivierender oder wenigstens nicht so demoralisierend wie das, was Sie uns hier zu verabschieden vorschlagen. Zu den Einzelheiten werde ich natürlich noch differenziert etwas sagen, ({5}) damit nicht der eine oder andere schon jetzt einen Schrecken bekommt. ({6}) Wenn Sie so weitermachen, daß Sie alle Gesetze immer im gleichen Sinne konzipieren, werden wir Dr. Köhler ({7}) uns alle halbe Jahre in diesem Hause treffen und uns über neue sogenannte Ankurbelungsmaßnahmen unterhalten, ({8}) und dann wird jedesmal das gleiche eintreten, daß einige von Ihnen sagen: Wir müssen das Stabilitätsgesetz anwenden. Daraufhin werden einige Steuerrebellen und andere von Ihnen sagen: Nur über unsere Leiche; wir wünschen Verteilungspolitik. So wird das Spiel weitergehen, bis es zum grausamen Ende gekommen sein wird. Das muß ich Ihnen hier vorwerfen. ({9}) Wenn Sie glauben, daß das eine Einzelmeinung sei, dann lesen Sie einmal, was in den Zeitungen von heute sowohl über diesen Gesetzentwurf als auch über das Paket von gestern nachmittag steht. ({10}) Ich habe meine Kenntnis darüber nur aus der etwas vergröbernden Presseschau des WDR. Das ist - für die weniger Informierten - ein Sender, der jedenfalls der CDU nicht besonders wohlgesonnen ist, die Presseschau schon gar nicht. ({11}) Die Auswahl spricht in der Regel schon für sich oder für Sie. Aber heute gab es auch nicht eine einzige Stimme für Ihre Programme. ({12}) Im Gegenteil! Wenn in allen Zeitungen Kriitk, in allen Zeitungen Skepsis steht, dann kann selbst der freundlichste Reporter nicht behaupten, es sei anders. ({13}) Ich möchte noch etwas zu zwei Einzelmaßnahmen dieses Gesetzentwurfs sagen. Für das Weihnachtsgeld müssen wir uns natürlich bedanken. Das ist eine der wenigen Anregungen, die Sie von uns übernommen haben. Was gelobt werden muß, das muß gelobt werden. Das tue ich hiermit. ({14}) Ich hoffe nur, daß das in der Bevölkerung auch deutlich genug ankommt. Wir haben das natürlich aus ganz anderen Motiven als etwa aus konjunkturpolitischen Gründen vorgeschlagen. Meine Damen und Herren, was macht Ihr Konjunkturprogramm, die paar Mark, ob auf einen Monat umgerechnet oder mit dem sogenannten Konsumstoß zu Weihnachten, aus, gemessen an den Parteitagsbeschlüssen zur Kernenergie? Was macht das aus? Gar nichts! Denn die Demotivation, die aus anderen Bereichen kommt, ist zehn-, zwanzigmal - Sie merken die Identität der Zahlen - größer als die Motivierung durch solche Gesetzentwürfe. Ich will auch noch etwas zu dem zweiten Vorschlag sagen, nämlich zur degressiven Abschreibung. Ich beziehe dabei natürlich das mit ein, was das Kabinett gestern beschlossen hat. Dazu kann ich nur sagen: es ist höchste Zeit, daß man so etwas macht. Aber ich hoffe nicht, daß einer von Ihnen glaubt, nun werde aber kräftig zugelangt. Wir haben in den vergangenen Monaten eine Zinssatzsenkung gehabt, die um ein Vielfaches größer ist als das bißchen Zinsgewinn durch diese degressive Abschreibung. Wer ein nüchterner Kaufmann ist und angesichts so elementarer Zinssenkungen nicht zur Investition neigt, wird nun nicht den großen Sturm auf die Investitionen ansetzen, nur weil eine neue, kleine Zinsverbilligung durch die vorgezogene Abschreibung hinzukommt. Es liegt wiederum daran, daß Sie die eigentlichen, wirklich eigentlichen Ursachen verkennen. Zu dem Thema der Grundfreibeträge hat mein Kollege Schäuble heute alles Nötige gesagt. Dem kann ich mich nur anschließen. Ich möchte nun noch etwas sagen, von dem ich glaube, daß ich es sagen sollte, auch wenn es für einige nicht so angenehm ist. Die Einigung, die Sie gefunden haben und die ich als eine Einigung auf dem kleinsten aller denkbaren Nenner verstehe -da hat ja nachher sogar noch die Entwicklungshilfe ihren Teil als Konjunkturförderungsprogramm abbekommen; das ist eine neue, für mich sehr interessante, überraschende Idee -, den Sie gegenüber den linken Flügeln Ihrer beiden Fraktionen haben durchsetzen können, kann nicht verdecken, daß sich der noch amtierende Wirtschaftsminister, daß sich der künftige Wirtschaftsminister, daß sich die Deutschen Angestellten-Gewerkschaft, daß sich eine große Zahl von Sachverständigen und Herr Loderer - allerdings schon im Vorfeld des Sommertheaters - ausdrücklich für die Anwendung des Stabilitätsgesetzes ausgesprochen haben. Damit werden Sie leben müssen, demnächst, wenn der Wechsel hier passiert ist. Ferner kann diese Einigung nicht verdecken, daß Sie diesen Immobilismus unter sich beseitigen müssen, wenn Sie erkannt haben, daß es darauf ankommt, die Bevölkerung vor allem wieder zur Leistung zu motivieren. Das ist das Problem Ihrer Dissidenten; das ist sehr freundlich ausgedrückt. Ich sage Ihnen noch einmal - darauf können Sie mich festnageln -, daß wir uns wegen der Wirkungslosigkeit Ihrer Maßnahmen in absehbarer Zeit, spätestens im nächsten Jahr, mit absoluter Sicherheit wieder unter dem gleichen Thema zusammenfinden werden. Und dann werden wir folgendes erleben: ({15}) Sie ratlos - das ist keine Überschrift von mir - und ideologisch verklemmt, Herr Westphal, ({16}) wir mit einem guten Konzept, aber, was ich lebhaft beklagen muß - das sage ich in das Land hinaus -, ohne parlamentarische Mehrheit. Von Mal zu Mal wird es schlimmer werden, wenn wir uns hier seDr. Köhler ({17}) hen, weil Sie die Menschen nicht so nehmen, wie sie sind. ({18}) Erst wenn Sie sie so nehmen, wie sie sind, sie, die nicht wollen, daß der Faule, der Leistungsverweigerer wie ein sozial Benachteiligter oder ein sozial Schwacher behandelt wird, für den unser Herz genauso schlägt wie Ihres, erst dann können Sie auf Besserung hoffen. Wenn Sie nicht anfangen, umzuschalten und Leistung wieder zu belohnen, dann wird die Wende nur durch den Regierungswechsel möglich sein. Ich traue halt dem Flügel da drüben weniger zu als andere Freunde in meiner Partei. Und nun, Frau Präsidentin, erlauben Sie, daß ich zum Abschluß hier eine persönliche Bemerkung an den Herrn Professor richte.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Sie haben das Wort und können sagen, was immer Sie glauben verantworten zu können.

Dr. Herbert W. Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001152, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, ich habe es nicht genau gezählt, aber ich glaube, fünfmal haben Sie mich heute mit dem Titel „Professor" geschmückt. Einmal habe ich mich gerächt, also bleiben noch viermal. Sie kommen aber in dieser Frage nicht ganz so billig weg wie gegenüber meinem Kollegen Schäuble. Da hat Sie das zwei Flaschen Korn, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, gekostet. Ich biete Ihnen folgende Alternative an. Sie entschuldigen sich mit einer Kiste Rotwein, natürlich Lafitte-Rothschild; unter Kapitalisten, wie Sie einer sind, ist das natürlich der normale Umgangston. Die Alternative heißt, Sie rufen Ihren Parteigenossen Rau an und beweisen, daß Sie recht haben. Reden Sie ihm gut zu, vielleicht verleiht er mir den Titel. Denn nachdem ich gelernt habe, daß man heute durch Ihre Gesetzgebung Professor an einer Universität auch ohne Habilitation, ja selbst ohne Promotion werden kann ({0}) - es genügt ein sachverständiges Urteil; so die Praxis -, vertraue ich auf Ihr sachverständiges Urteil und nehme demnächst die Ernennungsurkunde gern entgegen. ({1})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Abgeordnete Roth.

Wolfgang Roth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001891, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde, es wäre der wirtschaftlichen Lage und auch der Situation am Arbeitsmarkt angemessen, wenn man hier keine Schaugefechte vorführte und wenn man das nicht abgleiten ließe in eine Plauderstunde. ({0}) Jedenfalls fände ich es angesichts der auch bestehenden Krisengefahren der Weltwirtschaft und der strukturellen Probleme, die wir vor uns haben, gut, wenn die Opposition vielleicht doch noch einen Redner hochschickte, der zur Sache redet. Nur noch zwei Bemerkungen zu den Vorrednern der Opposition. Herr Schäuble, Sie haben mich zweimal auf Ihre Weise als „Wirtschaftsexperte" angesprochen. ({1}) Ich bedanke mich sehr. Ich kann das Kompliment nicht zurückgeben. Sie haben hier eine verengte steuerpolitische Diskussion versucht, die überhaupt keinen Bezug zur wirtschaftlichen Wirklichkeit in diesem Lande gestattet hat. Ich werde das auszuführen haben. Zweitens. Zu Herrn Köhler: Da ist man versucht, in die heitere Stimmung einzutreten, die er vermittelt hat. Ich will das überhaupt nicht machen. Was er am Anfang seiner Rede erstens an Verleumdung der Arbeitnehmerschaft in diesem Land und vieler Arbeitsloser, die täglich am Arbeitsamt stehen und nach Arbeit suchen, geboten hat, ist unglaublich. ({2}) Zweitens. In dieser Art von Argumentation klang genau das an, was wir hin und wieder bei Ihnen zu kritisieren haben, nämlich das Herbeireden der sozialen Demontage. ({3}) Drittens. Es wurde deutlich, daß Ihnen überhaupt bei dieser Art von Steuerdiskussion, die Sie vorgeführt haben, die Möglichkeit fehlt, sich in eine Familie hineinzudenken, die unter 2 000 DM Haushaltseinkommen hat. Das wurde sehr deutlich. Zum vierten Punkt: Solidarität ist für Sie tatsächlich ein Fremdwort. Sie haben noch nicht begriffen, daß viele Arbeiter genau wissen, daß es gut ist, daß wir die Arbeitslosenversicherung und das Arbeitslosengeld in dem jetzigen Umfang haben, weil sie genau wissen, daß sie auch Betroffene sein können. Sie sind bereit dazu. ({4}) Gerade die kleinen Leute, von denen Sie ganz wenig wissen, sind sich der Qualität unserer sozialen Sicherheit bewußt und wollen sie erhalten. Es ist vielleicht ganz gut, daß so deutlich geworden ist - auch unprogrammgemäß bei manchen deutlich geworden ist; ich habe das durchaus gesehen -, was in der CDU/CSU zuweilen im Hinblick auf das soziale Netz gedacht wird. Ich komme zur wirtschaftspolitischen Problemstellung und komme dann auf steuerploitische Fragen zurück. Ich glaube, drei Punkte muß man als Ausgangslage einfach festhalten. Erstens. Dies ist eine komplizierte weltwirtschaftliche Krisenlage, die in manchen Ländern der Situation Ende der 20er, Anfang der 30er Jahre durchaus gleicht. Deutschland spielt jedoch im Gegensatz zu damals heute auf allen Gebieten der Wirtschaftspolitik - sowohl was Preispolitik als auch was Expansions-, Vollbeschäftigungspolitik betrifft - international eine stabilisierende Rolle und ist nicht Krisenfaktor. Zweitens. Wir haben Strukturprobleme, die dazu führen, daß keine, auch nicht die genialste wirtschaftspolitische Maßnahme von heute auf morgen, also sofort wirkt. Alles, was wir tun, braucht Zeit und wirkt sich erst schrittweise aus. Drittens. Wegen der auseinanderlaufenden Branchenkonjunktur - Automobilindustrie im Boom, Stahl in der Krise - und sehr differenzierter Strukturprobleme gibt es keine Patentrezepte, sondern nur Kombinationen von Maßnahmen, die erst zusammen vernünftig wirken. Ich finde, die schrecklichen Vereinfacher, die heute oft Patentrezepte feilbieten, werden dieser schwierigen Konstellation nicht gerecht. Was beispielsweise Sie in Ihren steuerpolitischen Reden an Poujadismus bieten, ist angesichts der Lage in Europa schlicht Unfug. Wenn Sie nämlich mit Ihrer Devise „Steuern runter, Staatsanteil am Sozialprodukt runter, und die Probleme sind gelöst, und die Vollbeschäftigung ist wieder da" recht hätten, so müßte sich das ja international belegen lassen. Es läßt sich jedoch leicht belegen, daß Ihre These schlicht falsch ist. Norwegen: hohe Staatsquote - unstreitig -, hohe Steuerquote - unstreitig, Herr Köhler -, sehr geringe Arbeitslosigkeit. Österreich: unstreitig hohe Staatsquote, hohe Sozialquote, geringe, sehr niedrige Arbeitslosigkeit. Bundesrepublik Deutschland: relativ hohe Staatsquote - zugegeben -, relativ niedrige Arbeitslosigkeit im internationalen Maßstab. ({5}) - Vergleichen Sie das doch mit den USA mit niedrigerer Staatsquote und niedrigerer Steuerquote. Sie werden das doch zugeben. ({6}) Das heißt, Ihr Patentrezept „Runter mit den Steuern, runter mit der Staatsquote ist gleich Vollbeschäftigung" ist schlicht falsch. Das läßt sich international belegen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage.

Wolfgang Roth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001891, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte, Herr Narjes immer.

Dr. Karl Heinz Narjes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001582, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Roth, wollen Sie bitte beim Vergleich der Arbeitslosenzahlen berücksichtigen, daß die amerikanische Statistik mit der deutschen nicht vergleichbar ist und dieser Vergleich keine Aussagekraft hat, weil die Arbeitslosenzahl in Amerika mit anderen Methoden erhoben wird?

Wolfgang Roth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001891, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Es gibt vernünftige Leute, die sagen, daß in der Tat die verborgene, die versteckte Arbeitslosigkeit in Amerika noch höher ist als in der Bundesrepublik Deutschland. Sie wissen das auch. Ich will Ihnen nur sagen: Jagen Sie uns doch nicht in die Scheindiskussion im Stile von Herrn Glistrup hinein, sondern reden Sie über wirtschaftspolitische Fragen, und machen Sie nicht den zehnten Aufguß der Brüningschen Dummheiten im Deutschen Bundestag; Herr Köhler, speziell an Sie und Herrn Schäuble gerichtet. ({0}) ({1}) Öffentliche Nachfrage, die sich eben auch aus Steuern finanziert, sichert Arbeitsplätze. Wer in der Krise verantwortungslos in großem Umfang Steuersenkungen verspricht und den Staatsanteil senken will, produziert gewollte Arbeitslosigkeit. Wer in dieser Krise wegen der unerläßlich notwendigen höheren Nettoverschuldung ständig die Finanzkrise des Staates beschwört, der will die Krise.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Narjes?

Wolfgang Roth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001891, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Narjes immer.

Dr. Karl Heinz Narjes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001582, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Roth, Sie haben eben die Brüningsche Politik mit der Politik verglichen, die die CDU/CSU-Fraktion empfohlen hat. Können Sie mir erklären, wie die 14 Milliarden DM Expansion heute mit Ihrer Aussage in Einklang zu bringen ist?

Wolfgang Roth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001891, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich bitte Sie. Ich habe diesen Vorwurf nicht gegen die CDU/CSU-Fraktion erhoben. Ich lese z. B. hin und wieder Stellungnahmen Ihres Herrn Professor Biedenkopf; ich muß sagen, da ist manches vernünftiger als das, was die Steuerpoujadisten Ihrer Fraktion, Häfele, Schäuble usw., vertreten. Ich will Sie nicht in einen Topf mit diesen Herren werfen. Ich will Ihnen auch sagen: Jeder, der jetzt hergeht und in einem Jahr 14 Milliarden DM verschenken will ({0}) - Sie können sich ruhig aufregen; ob Sie wollen oder nicht, ich rede weiter -, der muß wissen - Frau Funcke hat das sehr klar ausgeführt -, daß das z. B. zum Ruin der Gemeindefinanzen, der Gemeindeausgaben führen und damit eine weitere Ursache der Arbeitslosigkeit bedeuten würde. ({1}) Das ist nämlich genau Brüningsche Politik, Herr Narjes.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Wolfgang Roth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001891, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich möchte gerne weiterreden. ({0}) Wo bleibt denn im übrigen Ihre Logik? Seit zwei Jahren beschwört die CDU/CSU in bombastischen Appellen - ich höre noch die Reden von Herrn Strauß - die Finanzkrise, das Finanzchaos, den Zusammenbruch des Staates wegen fehlender öffentlicher Mittel. Heute verlangt sie Steuersenkungen in Höhe von 14 Milliarden DM. Wo ist da die Logik Ihrer Politik? Oder wo ist die Logik Ihrer Politik, wenn Sie vom Neid sprechen, und gleichzeitig bereit sind, einem Einkommensmillionär 50 000 DM im Jahr und dem durchschnittlichen Arbeitnehmerhaushalt 300 DM zu geben?

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Köhler?

Wolfgang Roth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001891, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident, ich möchte an sich sehr gern meine Rede ein Stück lang halten. Ich weiß, daß der Herr Abgeordnete Köhler und viele andere erregt sind. Ich kann mir vorstellen, daß sie manche Antwort noch mehr erregen würde.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Herr Abgeordneter, Sie sind völlig frei in der Entscheidung, ob Sie eine Frage zulassen wollen oder nicht. Ich muß Sie nur pflichtgemäß jedesmal fragen. Bitte schön, fahren Sie fort, Herr Abgeordneter. Die Frage ist nicht zugelassen. ({0})

Wolfgang Roth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001891, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte schön, Herr Köhler. - Er ist sehr traurig. Ich habe sein Gesicht gesehen.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Herr Abgeordneter Köhler, Sie haben das Wort.

Dr. Herbert W. Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001152, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe mich überhaupt nur getraut zu fragen, weil Sie gesagt haben, Sie ließen immer eine Frage zu. ({0}) Herr Abgeordneter, ist Ihnen bekannt, daß die Lohnsteuern doppelt so hoch steigen wie die Löhne, und ist Ihnen auch bekannt, daß der größte Teil dieser Steigerung eben nicht aus dem Bevölkerungsteil stammt, den Sie eben angesprochen haben?

Wolfgang Roth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001891, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Dazu will ich Ihnen eines sagen. Der Herr Bundesfinanzminister hat ja im Winter und in diesem Frühjahr die sicher nicht sehr populäre Maßnahme vorgeschlagen und dann in bezug auf einen Prozentpunkt auch durchgesetzt, die Mehrwertsteuer zu erhöhen. Ich halte das in der Tendenz in der jetzigen Situation, gerade wenn man ständig von zu hohen Lohnsteuern redet, für eine richtige Maßnahme. Ich bin der Auffassung, daß Sie, wenn Sie schon die Dramatik beschwören, daß die Lohnsteuer einen hohen Anteil am Gesamtsteueraufkommen gewonnen hat, dann diesen Aspekt der Apelschen Finanzpolitik besonders würdigen müßten.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Gestatten Sie noch eine Frage des Herrn Abgeordneten Köhler?

Wolfgang Roth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001891, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich möchte jetzt wirklich weiterfahren.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Bitte schön, Herr Abgeordneter, fahren Sie fort. ({0})

Wolfgang Roth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001891, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nicht besser ist es um die Logik des zweiten Patentrezeptes der Union - ich muß hier vielleicht einschränkend sagen: des Wirtschaftsrates der Union - bestellt. Zu Herrn Blüm komme ich noch später. Diese Argumentationslinie ist heute ja auch zweimal angeklungen. Man müßte nach Möglichkeit die Löhne einfrieren bzw. Lohnsteigerungen mehr als bisher begrenzen. Ich habe dazu einmal drei Fragen. Das erste ist: Was geht eigentlich eine Partei wie die CDU/CSU in unserem Verfassungssystem ständig die Tarifpolitik an? ({0}) - Sie tun mir leid, daß Sie nicht einmal Ihrem Herrn Schäuble zuhören. Er hat genau zu dem Thema etwas gesagt. - Zweitens: Stehen nicht unter Tarifverträgen stets zwei Unterschriften? Drittens, das ist die wirtschaftspolitische Seite der Medaille: Ist der Lohn nicht der entscheidende Bestandteil des Masseneinkommens und damit der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage? Glaubt jemand tatsächlich, durch Lohnverzicht oder durch Stagnation der Löhne die wirtschaftlichen Probleme der nächsten Jahre lösen zu können? ({1}) Die größte Industriegewerkschaft der Bundesrepublik Deutschland, die IG Metall, beginnt in diesen Tagen ihren Gewerkschaftstag 1977. Sie soll zweierlei wissen: Erstens. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird sich nicht in die tarif- und gewerkschaftspolitischen Entscheidungen einmengen. Zweitens. Unsere unveräußerliche Bindung an. die deutschen Gewerkschaften, mit der sich Herr Biedenkopf so wenig abzufinden vermag, bedeutet, daß wir die wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Anregungen der IG Metall ernster nehmen als alles, was in diesen Tagen formuliert wird. ({2}) Wir wissen, welche Verantwortung gerade diese Gewerkschaft für Wirtschaft und Staat bisher getragen hat und sicher auch zukünftig trägt. ({3}) Aus dem Parlament heraus wünschen wir dem Gewerkschaftstag der IG Metall Erfolg. Ich glaube, das liegt in unser aller Interesse. Die dritte, die Blümsche Ebene der CDU-Patentrezepte soll nur kurz - so geziemt es sich angesichts der Machtverhältnisse in der Union - erwähnt werden. Ich will nur knapp sozialdemokratisch antworten. Wir halten Verkürzung der Lebensarbeitszeit für eine, aber eben nicht für die primäre Maßnahme im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. Was Herr Blüm mit Hilfe von Herrn Geißler, soweit es zu sehen ist, dem ahnungslosen Herrn Kohl untergeschoben hat, trägt nicht wirklich weiter. Interessant ist, daß der Parteivorstand der CDU - Bundesvorstand heißt es da ja wohl - in einem Beschluß die Senkung des Renteneintrittsalters verlangt hat; Vorsitz: Kohl. Aber die CDU/CSU bringt das nicht als Gesetzesvorlage ein; Vorsitz: auch Kohl. Es fragt sich: Welche Bedeutung haben Beschlüsse des Bundesvorstands der CDU überhaupt? Ich weiß nun sehr gut, daß Abmeiern der anderen Position keine Alternative darstellt. Deshalb ein paar Bemerkungen zu den Ursachen der Arbeitslosigkeit. Auf Grund der starken weltwirtschaftlichen Verflechtung beeinflussen außenwirtschaftliche Ereignisse und Strukturwandlungen der Weltwirtschaft in entscheidendem Maße die wirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik. Auf Grund der Ölpreisexplosion müssen die Ölverbraucherländer hohe Milliardenbeträge zur Bezahlung der Ölrechnungen aufwenden, ohne daß diese Beträge in gleichem Umfang als zusätzliche Exportnachfrage auftreten. Gleichzeitig setzt ein Strukturwandel der Weltwirtschaft dadurch ein, daß in der Entwicklung begriffene Länder in zunehmendem Maße zu einer exportorientierten Industrialisierung übergehen. Viele Länder, darunter auch ein Teil der hochentwickelten Industrieländer, sind in eine wirtschaftspolitisch schwierige Lage geraten. Auf hohe Inflationsraten und Zahlungsbilanzschwierigkeiten reagieren sie zunehmend mit einer restriktiven Wirtschaftspolitik, die zu reduziertem Wirtschaftswachstum und hoher Arbeitslosigkeit führt. Zwar ist die Bundesrepublik auf Grund der Politik der sozialliberalen Koalition von der weltweiten Rezession weit weniger betroffen als vergleichbare Länder; dennoch sind die Probleme auch bei uns nicht überwunden. Auf Grund des internationalen Charakters der Krise reicht es nicht aus, allein mit nationalen Maßnahmen zu reagieren. Deshalb hat sich die Bundesregierung in der Vergangenheit zu Recht in hohem Maße an währungs- und wirtschaftspolitischen Stützungen beteiligt und gemeinsame Aktionen nicht nur mitgemacht, sondern auch in Gang gesetzt. Wirtschaftliches Eigeninteresse und die Verpflichtung zu internationaler Solidarität machen es erforderlich, daß wir diese internationale Wirtschaftspolitik fortsetzen. Wir haben deshalb durch eine verstärkte Fortsetzung der expansiven Wirtschaftspolitik einen positiven Beitrag zur weiteren weltwirtschaftlichen Entwicklung zu leisten. Wir haben - das ist der Bezug, Herr Köhler, zur Entwicklungshilfepolitik - durch weitere Unterstützung auf währungspolitischer Ebene zu erreichen, daß diese Länder zahlungsfähig bleiben, genauso wie wichtige europäische Partnerländer. ({4}) Im nationalen Zusammenhang sind die Ursachen für die Arbeitslosigkeit einerseits eine generelle Nachfrageschwäche, zum anderen Strukturveränderungen. Hier ist insbesondere eine starke Rationalisierungstätigkeit zu nennen, die vor allem auch im Dienstleistungsbereich eingesetzt hat. Diese Rationalisierung wäre an und für sich unproblematisch, wenn das Mengenwachstum ausreichend groß wäre. Wir haben zweitens eine unzureichende Zunahme der Zahl der Arbeitsplätze im öffentlichen Bereich; wir haben drittens relative Nachfragegrenzen in einzelnen Bereichen, vor allem bei langlebigen Konsumgütern, und wir haben viertens Unsicherheiten und Hemmnisse beim Infrastrukturausbau vor allem im Energie- und Umweltbereich. All diese Probleme werden, was den Arbeitsmarkt betrifft, durch die demographische, durch die Bevölkerungsentwicklung noch verschärft. Der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit muß daher sowohl durch Globalsteuerung als auch verstärkt durch gezielte Maßnahmen für bestimmte Wirtschaftsbereiche oder -regionen sowie durch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen geführt werden. Dabei ist eine gerechte Verteilung der Aufstiegs- und Beschäftigungschancen notwendig. Es ist also auf Grund der Lage richtig: mehr private Nachfrage bei denen, die das Geld auch tatsächlich ausgeben, ich sage es noch einmal: bei den kleinen Leuten. Notwendig ist eine expansive Finanzpolitik. Es ist notwendig, daß wir auch mehr Arbeitsplätze in öffentlichen und sozialen Diensten einrichten. Es sind mehr öffentliche Investitionen notwendig, und es steht im Bereich der öffentlichen Nachfrage gerade das Thema „rationelle Energieverwendung, alternative Energiequellen, Umweltschutz und Modernisierung der Wirtschaft" auf der Tagesordnung. Und das alles kostet Geld. Es geht um die Verbesserung der Investitionschancen; ich nenne hier gerade die kleinen und die mittleren Unternehmen. Es ist mit Recht gesagt worden, daß sich die Zinspolitik in den letzten Monaten positiv auswirkt. Ich glaube, daß diese Tendenz fortgesetzt werden muß. Die Wiedererlangung der Vollbeschäftigung erfordert also eine aktive und breit angelegte Politik. Wir sagen, eine defensive Strategie, über Lohnverzicht strukturschwache und arbeitsintensive Branchen einfach zu erhalten, ist nicht annehmbar. Wir müssen eine Modernisierungspolitik für unsere Volkswirtschaft betreiben. Nur das verhindert Wohlfahrtsverluste und schafft neue Arbeitsplätze. ({5}) Wir haben deshalb auf verschiedenen Aktionsfeldern Strukturpolitik begonnen, z. B. auch eine sturkturorientierte Steuerpolitik bei der Stärkung der Konsumgüternachfrage. Ich halte die Erhöhung des Weihnachtsfreibetrages und des Grundfreibetrages unter wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten - gerade in der Mischung - für optimal. Ich glaube, es ist notwendig, die Infrastrukturpolitik, die Umweltpolitik und die Humanisierung der Arbeitswelt als Aufgaben im Rahmen eines Wirtschaftswachstums, das humanitätsorientiert ist, durchzusetzen. ({6}) Das 16-Milliarden-Programm für Zukunftsinvestitionen, das die Bundesregierung aufgelegt hat, wirkt sich positiv aus. Ich möchte hier ausdrücklich folgendes bemerken: Ich halte die Diskussion für grotesk. Im März wird dies von der Bundesregierung beschlossen. Die Verhandlungen mit den Ländern ziehen sich bis Juni hin, und man erwartet wirtschaftspolitische Wirkungen auf die Arbeitsplätze im September. ({7}) Das verkennt die Einkommens- und Investitionsperioden in unserer Wirtschaft. Wir werden aber die Wirkung dieses Programms haben. An die CDU/CSU gerichtet will ich nur eines sagen: Es ist doch völlig verlogen, im Wahlkreis hinzugehen und ständig zu sagen, dieses und jenes Projekt aus dem Zukunftsinvestitionenprogramm haben wir in Bonn durchgesetzt, und anschließend das Zukunftsinvestitionenprogramm generell madig zu machen. Darin ist ein Widerspruch! ({8})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Herr Abgeordneter, der Ausdruck „verlogen" entspricht nicht parlamentarischen Gepflogenheiten. Ich habe Ihnen im Hinblick auf die Zwischenfragen, die an Sie gestellt worden sind, einen Zuschlag zu Ihrer Redezeit gegeben. Ich bitte Sie nun aber, allmählich zum Ende zu kommen. ({0}) - Wünschen Sie noch Zwischenfragen zu beantworten?

Wolfgang Roth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001891, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein!

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Nein, Herr Kollege Köhler.

Wolfgang Roth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001891, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wir glauben also, daß die Bundesregierung mit ihrer Wirtschaftspolitik und mit ihrer Steuerpolitik auf dem richtigen Wege ist. Wir glauben, daß die Arbeitsmarktpolitik, die entwickelt wurde, positive Auswirkungen hat. Uns bedrängt besonders die Jugendarbeitslosigkeit in diesem Lande. Auch hier habe ich eine Empfehlung in die Richtung der CDU/CSU auszusprechen. Unsere sozialdemokratischen Freunde in Nordrhein-Westfalen haben zusammen mit ihrem Koalitionspartner FDP beschlossen, in einem Mehrjahresprogramm das 10. Pflichtschuljahr als berufsorientierende Schulstufe einzuführen. Ich halte das für eine positive Maßnahme gegen Jugendarbeitslosigkeit ({0}) und wäre dankbar, wenn die Opposition in Bonn mithelfen würde, daß in München, Stuttgart, Mainz, Saarbrücken, Hannover und Kiel endlich diese Maßnahme mitgetragen wird, damit wir eine gemeinsame Schulsituation im ganzen Bundesgebiet haben. ({1}) Gestern hat die Bundesregierung trotz der unerträglichen Belastung konsequent gehandelt. Sie hat in ihren Beschlüssen zur Förderung des Wachstums und der Beschäftigung sowohl im Haushaltsplanentwurf als auch bei den steuer- und ausgabenpolitischen Entscheidungen das Vernünftige getan. Der Zuwachs von gut 10 % bei den Bundesausgaben im Jahr 1978 ist notwendig und mutig. Das Energieeinsparungsprogramm, der soziale Wohnungsbau und die anderen öffentlichen Investitionen schaffen Arbeitsplätze. Die steuerpolitischen Beschlüsse stärken die Massenkaufkraft und verbessern Investitionsmöglichkeiten. Ich appelliere an Sie: Helfen Sie mit, daß sie schnell den Bundesrat passieren. Alle irgendwo bestehenden Hoffnungen auf Handlungsunfähigkeit des Staates und dieser Regierung sind widerlegt. Es gibt keine Staatskrise, auch nicht im wirtschaftspolitischen Bereich, und es wird sie zu Zeiten der sozialen und liberalen Koalition nie geben. ({2}) Die Koalition ist auch in diesen Tagen wirtschaftspolitisch handlungsfähig. Dafür bedankt sich meine Fraktion bei der Regierung. ({3})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Das Wort hat Frau Abgeordnete Matthäus-Maier.

Ingrid Matthäus-Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001436, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe vor einer Woche die meisten Argumente sowohl zum Steuerpaket der Koalitionsfraktionen als auch zum Vorschlag der Opposition eines Konjunkturabschlages vorgetragen. Ich möchte mich deswegen kurz fassen, weil ich nichts davon halte, daß wir im Ausschuß und im Plenum immer alles doppelt machen, Herr Köhler. ({0}) Aber eines möchte ich doch anmerken. Ich glaube, daß bei der jetzigen Diskussion der Zusammenhang der Steuervorschläge mit der Arbeitslosigkeit etwas verlorengeht. Wir diskutieren hier doch nicht im leeren Raum. ({1}) Anlaß der jetzigen Diskussion sind der Wille zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ({2}) und die Suche nach einem Bündel von Maßnahmen, ({3}) das einerseits die Nachfrage ankurbelt und andererseits die Investitionen fördert, öffentliche Investitionen und öffentliche Dienstleistungen verstärkt. Das heißt, wir müssen alle Maßnahmen einzig und allein daran messen, ob sie dem Ziel der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit dienen, also ökonomisch tauglich sind. Wir nun sind der Ansicht, daß der Vorschlag eines Konjunkturabschlags nach dem Stabilitätsgesetz ökonomisch nicht tauglich ist, weil er -- lassen Sie mich kurz die Gründe erwähnen - erstens die Gemeinden in ihrer Investitionsbereitschaft und Investitionsfähigkeit beeinträchtigt, weil zweitens die Maßnahme zu teuer ist, weil drittens die Maßnahme über einen Zwei-Jahres-Zeitraum technisch nicht oder nur sehr schwer durchführbar ist, weil viertens konjunkturpolitisch nicht viel zu erwarten ist, da der größte Teil wegen der Progressionswirkung in die Sparquote geht, weil fünftens die Senkung der Körperschaftssteuer nicht sinnvoll ist, weil sechstens der Einkommensteuertarif dadurch erschwert wird und weil siebentens die von Ihnen erwartete Berücksichtigung bei den Lohnverhandlungen nicht gegeben sein, sondern das Gegenteil eintreten wird. Sie haben gefragt, wann denn sonst und ob überhaupt die Koalitionsfraktionen bereit seien, das Stabilitätsgesetz einmal anzuwenden. Dazu ist zweierlei zu sagen. Erstens. Selbstverständlich hat das Stabilitätsgesetz seinen Wert. Aber diese spezielle Maßnahme des Stabilitätsgesetzes ist in der jetzigen wirtschaftspolitischen Situation eben nicht tauglich. Die Situation ist nicht durch eine plötzliche generelle Abflachung oder durch einen plötzlichen generellen Einbruch in der Nachfrage gekennzeichnet. Dann wäre unter Umständen eine solche Maßnahme sinnvoll. Da dies nicht so ist, wollen wir aus ökonomischen, aus konjunkturpolitischen Gründen das Stabilitätsgesetz in diesem Punkte nicht anwenden. Zum zweiten wenden wir ja das Stabilitätsgesetz durchaus an. Wir führen z. B. den dort vorgesehenen Auftrag durch, verstärkt Investitionsprogramme zu fahren, deficit spending durchzuführen. Wir verwirklichen also viele Punkte des Stabilitätsgesetztes, nur nicht denjenigen, den Sie vorschlagen, weil er nicht tauglich ist. Herr Schäuble, Sie haben gesagt, wir wären in den Ursachen einig. Spätestens nach der Diskussion im Finanzausschuß, in dem wir uns sehr lange über die Ursachen unterhalten haben, kann ich dem nicht folgen; ({4}) denn Sie haben dort wie auch heute hier gesagt, das Problem liege nicht auf der Nachfrageseite, sondern auf der Angebotsseite. Ich halte diese Analyse nicht für richtig; denn es wird genug angeboten, aber zu wenig nachgefragt. ({5}) Heute ist die mangelnde Auslastung der Kapazitäten das Hauptproblem. Herr Schäuble, ich unterstelle einmal, daß das Problem auf der Angebotsseite läge. Da Sie und wir gemeinsam die Investitionen fördern wollen, stellt sich bei Ihrem Vorschlag die Frage - Sie haben die Körperschaftsteuersenkung und nicht eine Verbesserung der degressiven Abschreibung vorgeschlagen; das ist ein Vorschlag im Paket der Koalition -, ({6}) ob eine solche Körperschaftsteuersenkung dem Problem am besten gerecht wird. Wir wollen eine Verbesserung der degressiven AfA. Sie wissen auch, daß in den Reihen der Koalition Zweifel darüber bestehen, ob mit dieser Maßnahme wirklich die angestrebte Wirkung einer nachhaltigen Investitionsgüternachfragebelebung erreicht werden wird. Das wird die Zukunft zeigen. Jedenfalls ist es aber der Vorteil der degressiven AfA gegenüber Ihrem Vorschlag der Senkung der Vermögensteuer, daß die degressive Abschreibungserleichterung an Investitionen geknüpft ist. ({7}) Das heißt: In den Genuß der verbesserten Abschreibungserleichterungen kommt nur das Unternehmen, das überhaupt investiert, in den Genuß der Körperschaftsteuersenkung kommt aber jedes Unternehmen, das Gewinn macht, unabhängig davon, ob es investiert, ob es entschuldet oder ob es anspart. Herr Köhler, im letzten Jahr haben die Unternehmen für fünf Milliarden DM festverzinsliche Wertpapiere gekauft, also angespart, und dies würden sie bei einer Körperschaftsteuersenkung zweifellos noch verstärkt tun. Hinzu kommt folgendes. Die vorgeschlagene Körperschaftsteuersenkung würde denjenigen am meisten zugute kommen, die den höchsten Gewinn machen. Es ist nun einmal so: Wenn ein Unternehmen eine Million DM Gewinn macht, muß es 560 000 DM Steuern zahlen - ({8}) - Entschuldigen Sie, Sie können gern Zwischenfragen stellen; aber so kommen wir schlecht zu Rande. - Der erwähnte Unternehmer hätte dann eine Steuerersparnis von 56 000 DM. Ein Unternehmen das wenig oder keinen Gewinn macht, hat dementsprechend eine sehr viel geringere oder überhaupt keine Ersparnis. Sie werden mir aber zugestehen, Herr Köhler, daß Abschreibungserleichterungen auch von solchen Unternehmen in Anspruch genommen werden können, denen es nicht so gut geht, die Schwierigkeiten haben und die z. B. mit der Möglichkeit des Verlustvortrages und des Verlustrücktrages diesen Vorteil in andere Jahre hineinnehmen können.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Köhler?

Ingrid Matthäus-Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001436, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja, gern, Herr Köhler.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Bitte schön, Herr Köhler.

Dr. Herbert W. Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001152, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wir sprachen schon vorhin von dem Problem der unterschiedlichen Beurteilung von Menschen und ihrem Handeln. Sie sind also der Auffassung, daß verlustmachende Unternehmen einen größeren Anreiz zu Investitionen haben werden, wenn Sie Ihren Vorschlag der degressiven Abschreibung verwirklichen. Dagegen würden gewinnmachende Unternehmen unerhörterweise einen Vorteil haben, aus dem sie vielleicht sogar den Entschluß ziehen könnten, Investitionen in Gang zu setzen. Habe ich das richtig verstanden?

Ingrid Matthäus-Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001436, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Köhler, ich nehme als erstes den kritischen und unsachlichen Ton interessiert zur Kenntnis, mit dem Sie über degressive Abschreibungserleichterungen sprechen. ({0}) Das ist doch verwunderlich. Zweitens. Selbstverständlich ist es nicht das Ziel von Unternehmenstätigkeit, Verlust zu machen; aber wir halten nichts davon, in einer Situation, die durch sehr unterschiedliche konjunkturelle Verhältnisse in den verschiedenen Branchen gekennzeichnet ist, denen den größten Vorteil zu geben, denen es ohnehin schon am besten geht. ({1})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Köhler? - Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Dr. Herbert W. Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001152, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wie verträgt sich diese Antwort mit Ihrer Absicht, die Investitionen in der Wirtschaft zu fördern, wenn Sie genau das nicht erreichen können?

Ingrid Matthäus-Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001436, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Köhler, vielleicht drücke ich mich unklar aus. Ich habe soeben darzulegen versucht, daß der Vorteil der Abschreibungserleichterungen gegenüber Ihrem Vorschlag gerade der ist, daß jene an die tatsächliche Vornahme von Investitionen gekoppelt ist. Nach Ihrem Vorschlag braucht man keine Investitionen zu machen, da muß man nur einen hohen Gewinn machen und bekommt dann noch etwas drauf. ({0}) An dem Paket wurde dann noch bemängelt, es enthalte eine Progression bei der Belastung und eine Degression bei der Entlastung. Wir haben das im Finanzausschuß schon alles durchdiskutiert. Aber ich würde doch darum bitten, daß Sie zur Kenntnis nehmen, daß, wenn man auch die Maßnahmen einbezieht, die wir bereits im Juni beschlossen haben, der Grundfreibetrag die einzige Maßnahme ist, abgesehen vom Kindergeld - aber ich nehme nicht an, daß Sie auch das noch kritisieren wollen -, die für alle absolut die gleiche Entlastung bringt. ({1}) Sämtliche anderen Maßnahmen, sowohl der Weihnachtsfreibetrag als auch die Vorsorgehöchstbeträge als auch die Erhöhung der Vorsorgepauschale als auch der § 7 b - ich darf darauf hinweisen, daß § 7 b eine unterschiedliche Entlastung bewirkt, je nach Progression zwischen 13 200 und 33 600 DM - mildern die Progression, entlasten also progressiv. ({2}) - Nein, überhaupt nicht. Denn wir alle haben dem zugestimmt, im Gegensatz zu Ihnen, Herr Köhler. Müssen wir denn jedesmal darauf hinweisen, daß Sie das alles abgelehnt haben? ({3}) Eine solche Kombination von Maßnahmen, die progressiv entlasten, und Maßnahmen, die jedem den gleichen Betrag auf die Hand geben, entspricht durchaus unserem Steuersystem. Unser Steuersystem ist ja heute schon gekennzeichnet durch eine Kombination von Grundfreibetrag, Proportionalzone und Progression. Wenn wir also ein Entlastungspaket vorlegen, das in der Struktur unserem Steuersystem entspricht, dann ist Ihr Vorwurf des „Vulgärsozialismus" doch wohl abwegig. Wenn ich heute in der „Wirtschaftswoche" lese, daß nach einer Umfrage 68 %der Bürger sich dafür ausgesprochen haben, durch die bevorstehenden Steueränderungen die niedrig Verdienenden stärker, die höher Verdienenden aber geringer zu entlasten, muß ich sagen: Wenn 68 %der Bevölkerung Vulgärsozialisten sind, so ist das Ihr Problem. Vielleicht aber sollten Sie doch einmal Ihr Vokabular ändern. ({4}) - Ich habe die Frage gerade nicht hier. ({5}) - Entschuldigen Sie, ich habe sie noch vor drei Minuten nachgelesen. Die Frage ist genau so gestellt worden, wie ich es hier dargelegt habe. Die Koalition wird ein ganzes Bündel von Maßnahmen in den nächsten Tagen und Wochen zur Dis3216 kussion stellen und verabschieden. Wer sich in dieser Diskussion auf ein einziges, ein Allheilmittel beschränkt, wie Sie es tun, nämlich auf den Konjunkturabschlag, liegt ökonomisch schief. Es tut mir leid, aber ich muß es einmal so offen sagen: Wenn man sich auf diese eine Maßnahme beschränkt, so ist das nicht sehr sinnvoll, sondern ein Zeichen von Einfallslosigkeit und von mangelnder Einigungsfähigkeit in der Opposition. Der Bundesvorstand der CDU hat ein umfangreiches Papier zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit vorgelegt. Ich will mich zu den einzelnen Maßnahmen gar nicht äußern; in diesem Papier sind sicher Maßnahmen enthalten, die von mir und von uns unterstützt werden. In diesem Paket steht aber originellerweise gar nichts darüber, daß z. B. die Körperschaftsteuer gesenkt werden soll. Es steht auch nicht darin, daß die Lohnsteuer gesenkt werden soll. Auf diese Idee sind Sie anscheinend erst gekommen, nachdem der Bundesfinanzminister und die Koalitionsfraktionen dies ins Gespräch gebracht haben. ({6}) Wenn Sie ein so großes Paket von Vorschlägen im Bundesvorstand verabschiedet haben und das einzige, was jetzt übrigbleibt, ein solcher Konjunkturabschlag nach dem Stabilitätsgesetz ist, dann - meine ich - ist dies für eine Fraktion wie die Ihre zu wenig. Wir halten es für politisch untauglich. Die FDP unterstützt die Vorschläge der Koalitionsfraktionen und der Regierung. ({7})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Sprung.

Dr. Rudolf Sprung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002208, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ohne stärkeres Wachstum wird es keinen Abbau der Arbeitslosigkeit geben. Es ist erfreulich, daß darüber offensichtlich Einigkeit in diesem Hause herrscht. Einigkeit gibt es allerdings nicht darüber, wie wir am besten zu mehr Wachstum kommen können. Meine Damen und Herren, das, was soeben Frau Matthäus gesagt hat, kann so nicht stehenbleiben. Dazu muß etwas gesagt werden. Deshalb bin ich hier noch einmal nach oben gegangen. Es ist richtig, daß alle Maßnahmen einzig und allein daran gemessen werden sollten, ob sie tauglich sind, die Konjunktur wieder in Gang zu bringen. Die Regierung sagt in ihrer Begründung zum Gesetzentwurf, daß es in der gegenwärtigen Situation darauf ankomme, die Konsumnachfrage über eine ausreichende Erhöhung der Massenkaufkraft zu fördern, ohne damit die Wirtschaft zu belasten. Die Anwendung des Stabilitätsgesetzes - so wird hinzugefügt - scheide aus, weil man damit nicht genügend differenzieren könne. Meine Damen und Herren, das ist schlicht und einfach falsch. Wir schlagen seit langem z. B. eine Erhöhung des Weihnachtsfreibetrages vor. Weitere Steuersenkungen sollten nicht - wie Sie es vorschlagen - über eine Erhöhung des Grundfreibetrages vorgenommen werden, sondern über eine lineare allgemeine Steuersenkung. Der von uns beantragte zehnprozentige Steuerabschlag ist eine konjunkturpolitische Maßnahme. Dies bedeutet gleichzeitig, daß er primär weder sozialpolitisch noch verteilungspolitisch noch gesellschaftspolitisch motiviert sein kann und sein sollte. Es kommt vielmehr auf eine Veränderung - das ist immer wieder in der letzten Woche zum Ausdruck gebracht worden, von Herrn Häfele z. B. - des Gesamtklimas an. Es kommt auf ein Signal an. Es kommt darauf an, eine Wende in der Steuerpolitik herbeizuführen, eine großangelegte Offerte an die Arbeitnehmer und an die Wirtschaft zu machen. Meine Damen und Herren, wir befinden uns mit diesem Vorschlag durchaus - ich darf es einmal so sagen - in einer guten Gesellschaft, in der Gesellschaft früherer SPD-Finanz- und -Wirtschaftsminister. Lesen Sie doch einmal den Kommentar von Alex Möller zum Stabilitätsgesetz, das, was er dort über einen Steuerabschlag sagt. Er sagt: Eine lineare Steuersenkung bei den mittleren und höheren Einkommen bedeutet, daß dort die Nachfrage nach Investitionsgütern steigt, nicht so sehr die Nachfrage nach Verbrauchsgütern. Herr Alex Möller wird, glaube ich, von Ihnen allen als ein kompetenter Mann in dieser Frage akzeptiert. Ein anderer SPD-Finanzminister hat zu diesem Kommentar hinzugefügt: Da dachte man natürlich auch an die kleinen und mittleren Unternehmer, die auch Einkommensteuer zahlen und die dann mehr Möglichkeiten zum Investieren haben.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Spöri?

Dr. Rudolf Sprung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002208, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, bitte schön.

Dr. Dieter Spöri (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002203, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Dr. Sprung, nur, weil Sie eben Alex Möller und seinen Kommentar zum Stabilitätsgesetz zitiert haben: Ist Ihnen bekannt, daß Alex Möller in einer der letzten Nummern der „Wirtschaftswoche" eindeutig gegen die Anwendung des Stabilitätsgesetzes in der von Ihnen vorgeschlagenen Form Stellung bezogen hat, einfach deswegen, weil er die gegenwärtigen Schwierigkeiten nicht einfach als Konjunkturproblem betrachtet hat, sondern als langfristiges Strukturproblem?

Dr. Rudolf Sprung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002208, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Spöri, können Sie sich vorstellen, daß die Stellungnahme von Herrn Alex Möller im Kommentar zu diesem Gesetz die Stellungnahme eines Wissenschaftlers war, die Äußerung in der „Wirtschaftswoche" jedoch dazu diente, Ihnen vielleicht eine 'Unterstützung in der Diskussion mit uns zu geben? Nun einige Zahlen dazu, wie sich der von uns vorgeschlagene zehnprozentige Steuerabschlag auswirkt, zu dem Verhältnis, in dem die Entlastung der Arbeitnehmerhaushalte zur Entlastung der Betriebe steht. Der von uns geforderte Konjunkturabschlag bringt rund 10 Milliarden DM in die Kassen der privaten Haushalte. Rund 4 Milliarden DM entfallen - über eine Erleichterung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer - auf die Betriebe. Demgegenüber steht Ihr Vorschlag einer degressiven AfA, die sich, wenn sie voll in Anspruch genommen wird, auf einen Betrag von lediglich etwa 1,5 Milliarden DM, und zwar nur Steuerstundung, nicht Steuerentlastung, beläuft. ({0}) Meine Damen und Herren, was wir für richtig halten und daher fordern, wurde bis vor kurzem auch noch von der FDP für richtig gehalten und gefordert. Am 4. September, also vor nur 10 Tagen, forderte Herr Genscher auf dem Außerordentlichen Parteitag der FDP Nordrhein-Westfalen in Oberhausen „fühlbare und zum Jahresende wirksame Steuersenkungen". Dies schaffe die zur Konjunkturbelebung nötige private Nachfrage ohne Kostenerhöhungen, dürfe andererseits jedoch die dringend notwendige Reform der Steuertarife nicht verhindern oder in eine falsche Richtung, etwa im Sinne einer Nivellierung - dies die Worte von Herrn Genscher - laufen. Die Reform der Steuertarife müsse zum 1. Januar 1979 als dem nächstmöglichen Zeitpunkt wirksam werden und jene leistungsfeindliche Entwicklung stoppen, durch die immer mehr Bürger von der Steuerprogression betroffen würden. Meine Damen und Herren, eines Ihrer Argumente ist, die Sparneigung der Haushalte mit niedrigen Einkommen sei geringer als die der Haushalte mit höheren Einkommen, und mit der von Ihnen vorgeschlagenen Erhöhung des Grundfreibetrags könne er-recht werden, daß die Steuerentlastung weitgehend in den Konsum fließen würde. Auch dazu hat die Regierung oder ein Teil der Regierung, ein Regierungsmitglied bzw. ein Ministerium, bis vor kurzem noch eine ganz andere Meinung gehabt, die Dinge ganz anders gesehen. Wenn Sie einmal in den Veröffentlichungen des Bundeswirtschaftsministeriums aus den letzten Wochen zurückblättern, dann stellen Sie fest, daß dort Ende August zu diesem Vorschlag ganz anders gesprochen wurde. Da wird nämlich folgendes festgestellt: Wenn ein zeitlich begrenzter Einkommensteuerabschlag als Vorgriff auf eine Tarifreform verkauft wird, ist es unwahrscheinlich, daß der überwiegende Teil eines Steuerabschlags in die Sparquote geht. Meine Damen und Herren, genau dies ist es, was wir fordern: ein Steuerabschlag für ein Jahr und dann eine Tarifreform, die sich nahtlos anschließt. Arbeitnehmer und Betriebe können also auf Dauer, so wie hier vom Bundeswirtschaftsministerium gefordert, mit einer Entlastung rechnen. Meine Damen und Herren, gestern in der Diskussion im Finanzausschuß ist noch ein anderes Argument von Herrn Offergeld vorgebracht worden - Frau Funcke hat das Argument heute aufgenommen, und es ist auch von Frau Matthäus gebracht worden -, nämlich daß die Probleme, mit denen wir es zu tun haben, Probleme langfristiger Natur seien; wir hätten es beim Wachstumsverlust und bei der Arbeitslosigkeit mit Strukturproblemen zu tun; entsprechend müßten auch die Maßnahmen aussehen, d. h., wir müßten längerfristige, längerfristige Maßnahmen ergreifen. Deshalb, so haben Sie geschlußfolgert, komme auch die Anwendung des Stabilitätsgesetzes nicht in Frage. Meine Damen und Herren, ich vermag beim besten Willen nicht zu sehen, in welchem Ausmaß Ihre Maßnahmen langfristiger Natur sind. Das gilt vor allem für die Erhöhung des Grundfreibetrages. Bei der degressiven Abschreibung kann man darüber noch sprechen, aber für die anderen Maßnahmen ist das beim besten Willen nicht zu erkennen. Ich meine, da sieht einer Ihrer früheren Minister die Dinge wesentlich klarer. Ich meine Herrn Schiller, der dazu vor etwa 14 Tagen folgendes gesagt hat: Unser Heil liegt darin, über Steuersenkungen, Investitionserleichterungen und Kostensenkungen den Umstellungsprozeß in unserer Wirtschaft zu fördern und die Unternehmer in eine Situation hineinzubringen, bei der sie wieder Mut fassen. Meine Damen und Herren, genau das ist das Problem, und darauf zielt unsere Maßnahme ab.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Steger?

Dr. Rudolf Sprung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002208, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte schön, Herr Steger.

Dr. Ulrich Steger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002227, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Sprung, würden Sie Schiller bitte vollständig zitieren und hinzufügen, daß Schiller einleitend gesagt hat: „Die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung hätte gar nicht besser sein können, als sie gewesen ist." So wörtlich Schiller in demselben Interview. ({0})

Dr. Rudolf Sprung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002208, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Steger, er hat dies gesagt, völlig richtig. Er kann auch eine solche Aussage in bezug auf andere Dinge machen. Nur, in bezug auf dieses Problem, auf diesen Vorschlag, steht nun einmal das im Raum, was ich Ihnen hier vorgetragen habe. Darüber reden wir im Augenblick, und nicht über andere Dinge. Meine Damen und Herren, auch das, was Herr Schiller gesagt hat, lassen Sie nicht gelten. Sie bringen zwei Argumente: Sie sagen erstens: Für die kommende Lohnrunde wären Steuersenkungen ohne Belang; im Gegenteil, eine lineare Steuersenkung könnte die Lohnrunden sogar anheizen. Das ist die Meinung von Frau Matthäus. Ich glaube, Sie haben, wenn Sie das so sagen, wenn Sie sich so ausdrücken, keine gute Meinung von den Gewerkschaften, wenn Sie damit unterstellen, daß die Gewerkschaften das ignorieren würden, was sich im Bereich der Steuern tut. Ein Argument in den Lohnrunden ist doch immer wieder der Hinweis auf die reale Kaufkraft. Weil sich die reale Kaufkraft durch unseren Vorschlag für alle erhöht, in der gleichen Weise wie durch eine prozentuale Lohnerhöhung, ist dies ein Weg, den auch die Gewerkschaften in der Argumentation, mit der sonst Lohntarifvertragsverhandlungen geführt werden, akzeptieren können. Sie sagen zweitens, meine Damen und Herren - das ist jetzt ein wichtiges Argument; wir haben es zum Schluß wieder gehört, und dazu möchte ich noch einmal etwas ausführlicher Stellung nehmen -: Auch wenn man den kleinen und den mittleren Unternehmen über eine lineare Steuersenkung zusätzliche Investitionsmittel zur Verfügung stellte, würden sie nicht investieren, weil die Kapazitäten in unserer Volkswirtschaft nicht voll ausgenutzt seien. Dies ist in der Argumentation, in der Diskussion Ihr zweites Hauptargument. Nun, auch dieses Argument ist falsch. Hier sollten wir uns an das halten, was Frau Funcke heute gefordert hat, nämlich die Lage in der Wirtschaft vorurteilsfrei und objektiv zu sehen. Tun wir das doch einmal, sehen wir uns doch einmal an, was uns dazu unsere Institute zu sagen haben. Sehen Sie sich den Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung vom 18. August an. Darin finden Sie allerneueste Zahlen über Kapazitätsauslastung in unserer Volkswirtschaft. Diese besagen etwas ganz anderes als das, was Sie in der Diskussion immer wieder vorbringen. Sie besagen, daß die Kapazitätsauslastung der gesamten verarbeitenden Industrie im zweiten Quartal 1977 bei 87,8 %lag. - Herr Spöri, ich verstehe, daß Sie jetzt die Mundwinkel herunterziehen. ({0}) - Diese Tatsache hat Konsequenzen, Herr Spöri. Ich sage noch etwas dazu, ich bin noch nicht am Ende. Diese Kapazitätsauslastung entspricht exakt der Kapazitätsauslastung im zweiten Quartal 1972 mit 87,9 % Im zweiten Quartal 1971 lag sie mit 88,7 % nur ganz kurz darüber. Die Spitze der Kapazitätsauslastung in den letzten zehn Jahren wurde im Jahr 1973, im Jahr der Höchstkonjunktur, mit 91,8 % erzielt. Im Rezessionsjahr 1975 dagegen betrug die Kapazitätsauslastung nur 79 % Das heißt, die Kapazitäten sind im Jahre 1977 - das ist eine wichtige Erkenntnis, die wir hier alle gewinnen sollten; das DIW, Herr Spöri, ist doch sicherlich auch Ihrer Meinung nach ein renommiertes Wirtschaftsforschungsinstitut - nahezu ebensogut ausgelastet wie in der Hochkonjunktur des Jahres 1973. Es kann also keine Rede davon sein, daß die Ausnutzung der Kapazitäten zu gering sei und daß die Konjunktur deshalb - das ist doch die Grundlage Ihrer Argumentation, Herr Bundesfinanzminister - von der Nachfrageseite her angekurbelt werden müsse. Ich gebe zu, das ist ein erstaunliches Ergebnis; aber dieses Ergebnis liegt nun einmal auf dem Tisch. Bei näherem Hinsehen gibt es, meine ich, dafür auch eine sehr vernünftige Begründung; es ist die Begründung des Instituts. Dieses Ergebnis ist nämlich darauf zurückzuführen, daß sich das Kapazitätswachstum seit 1972 stetig verlangsamt hat. 1970, 1971 hatten wir noch einen jährlichen Zuwachs der Kapazitäten der Industrie von 5 % Für dieses Jahr schätzt man den Kapazitätszuwachs, den Zuwachs des Produktionspotentials, nur noch auf 1% Ich lese Ihnen jetzt mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten vor, was das Institut dazu sagt: Besonders kraß war die Entwicklung bei den Verbrauchsgüterindustrien. Während die Kapazitäten 1970 noch um 4,4 % erweitert worden sind, betrieb man in den Jahren danach eine Investitionspolitik, die bereits 1976 einen insgesamt leichten Rückgang des Produktionspotentials zur Folge hatte. Für den gesamten Zeitraum von 1970 bis 1977 ergibt sich damit rechnerisch eine durchschnittliche jährliche Abnahme von 6,4 %. Dies ist - diese Sätze sollten wir uns vor Augen halten die höchste Schrumpfungsrate, die in der verarbeitenden Industrie jemals erreicht worden ist. Investitionssteigerungen, wie sie 1976 registriert wurden und wie sie für 1977 erwartet werden, genügen nicht, um eine weitere Verringerung - Verringerung, meine Damen und Herren des Produktionspotentials aufzuhalten. Meine Damen und Herren, in diesen Zahlen schlägt sich die vielbeklagte Investitionslücke nieder, die Sie so nicht sehen wollen. Hier, meine Damen und Herren, bei den Investitionen, muß angesetzt werden, wenn Sie die Konjunktur wieder in Gang bringen wollen. Hier, bei den Investitionen, muß angesetzt werden, wenn Sie die Arbeitslosigkeit abbauen wollen. Hier, bei den Investitionen, muß angesetzt werden, wenn Sie Preissteigerungen vermeiden wollen, weil die Nachfrage jetzt sehr schnell an Kapazitätsgrenzen stößt.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, zum Ende zu kommen.

Dr. Rudolf Sprung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002208, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Eine Minute noch, Herr Präsident. Ihre Maßnahmen sind ungeeignet, dies zu erreichen. Stimmen Sie unserem Vorschlag zu, und die Erfolge werden besser sein. Meine Damen und Herren, zum Abschluß: Bundeswirtschaftsminister Friderichs, der heute nicht hier ist, obgleich wir heute eine Steuerdebatte konjunkturpolitischer Natur haben ({0}) - denn dieses Steuerpaket ist auf die konjunkturelle Situation ausgerichtet -, hat laut „Münchener Merkur" vom 5. September - ich zitiere jetzt Herrn Friderichs - folgendes gesagt: Es darf nicht dazu kommen, daß aus einem von mir nicht geteilten Demokratieverständnis, nach dem eine Regierung nichts anderes sei als der Aktionsausschuß des Parlaments, wirtschaftspolitisch als notwendig und dringend erkannte Entscheidungen verzögert oder von vornherein auf die zweit- und drittbeste Lösung zurückgeschnitten werden. Meine Damen und Herren, dem ist nichts hinzuzufügen. Die Erkenntnisse und die starken Worte der FDP im Vorfeld der Entscheidungen - ich habe Ihnen ein paar Zitate gebracht - waren richtig. Dann kam - unter dem Druck der Linken in SPD und FDP - der Umfall. Dann kam konsequenterweise die Resignation des Wirtschaftsministers, der sich einem solchen imperativen Mandat nicht noch einmal beugen wollte. Er hat erkannt, meine Damen und Herren: Bei den gegenwärtigen Kräfteverhältnissen in der Regierungskoalition ist Regieren in der Wirtschaftspolitik nur mit zweitbesten oder drittbesten Lösungen möglich. ({1})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Diederich.

Dr. Nils Diederich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000382, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich nicht dem Kollegen Sprung anschließen und hier ein Kolleg mit Verlesen von Statistiken und Zeitungsberichten führen, weil ich davon ausgehe, daß wir alle die relevanten Unterlagen lesen und wissen, ({0}) wie sehr man mit vergleichenden Zusammenstellungen jeweils die beliebigen Argumente finden kann. Ich sehe meine Aufgabe hier darin, noch einmal in aller Geduld das zusammenzufassen, was unsere Auffassung zu der Sache ist. Denn als Hochschullehrer habe ich gelernt, ({1}) daß man im Umgang mit Studenten sehr geduldig immer wiederholen muß, damit irgendwann einmal die Einsicht wächst. Es scheint mir, daß über die Notwendigkeit einer nachhaltigen Konjunkturbelebung weitgehend Einigkeit besteht. Das habe ich auch aus dem herausgehört, was der Kollege Sprung hier gesagt hat. Der Streit, den wir führen, ist der Streit um die richtige Methode. Allerdings - so darf ich hier jetzt mein Urteil zusammenfassen - gewinnt man den Eindruck, daß es der Opposition gar nicht so sehr darum geht, die richtige Methode zu finden, sondern darum, unter dem Deckmantel ökonomischer Argumentation gruppenpolitische Süppchen zu kochen, und zwar auf Kosten der gesamten Volkswirtschaft. ({2}) Wir meinen, daß die Regierung den richtigen Weg beschritten hat, indem sie versucht, mit einem Maßnahmenbündel die Antwort auf ein komplexes Problem mit vielfältigen Ursachen zu finden. Die Vorlage der Koalition folgt diesem Weg. Sie reiht sich ein. Wir haben als Haupterscheinung erkannt - das haben Sie ja auch nicht bestritten -, daß die Investitionszurückhaltung der Unternehmer auf Grund mangelnder Gesamtnachfrage und einer weiterhin eher skeptischen Einschätzung der mittelfristigen Entwicklung zugunsten größerer Investitionsfreudigkeit überwunden werden muß. Die gesamtwirtschaftlichen Ursachen hat hier der Kollege Roth in aller Ausführlichkeit erörtert. Ich möchte - um mir auch das Recht zum Zitat zu nehmen - eine namhafte Zeitung zitieren, die eine Erhebung des Münchener Ifo-Instituts referiert und zu der Schlußfolgerung kommt: Zusätzlich zu ökonomischen Maßnahmen wie Steuer- und Abschreibungserleichterungen sowie gezielten Arbeitsmarktprogrammen ist eine generelle Verbesserung des Klimas der Wirtschaft nötig. Solche Maßnahmen der Klimaverbesserung können z. B. darin bestehen, daß man sich in der Steuer-, Sozial- und Ordnungspolitik auf langfristige, akzeptable Zielvorstellungen einigt. Es handelt sich um das „Handelsblatt". Genau darum geht es. Das, was in der Vorlage der Regierung hier vorgegeben wird, reiht sich nämlich ein in langfristige ordnungspolitische Vorstellungen und ist nicht eine Augenblicksmaßnahme, die in einem halben Jahr oder in einem Jahr umgeworfen werden muß. Daher kann auch das Bündel, das hier vorliegt, das eben nicht nur in der einen Vorlage zu sehen ist, sondern im Zusammenhang mit der übrigen ökonomischen Politik der Bundesregierung, nicht auseinandergeschnitten und aufgeschnürt werden. Insofern ist das Angebot der Union, meine Damen und Herren, das Steuerpaket in einen „streitigen" und einen „nicht streitigen" Teil zu zerlegen, wobei wir dann über den Arbeitnehmerweihnachtsfreibetrag vorab befinden sollen, ein durchsichtiges Manöver. ({3}) Ich muß der Opposition sagen: es besteht der Eindruck, daß Sie hier nur blockieren wollen; Sie wollen nicht helfen. Wir wollen im Gegensatz zu Ihnen keine billigen Steuergeschenke machen. Wir wollen volkswirtschaftliche Effekte erzielen, aber in einer Richtung, die die notwendige Korrektur des Einkommensteuertarifs, über den Sie ja auch gesprochen haben, Herr Kollege Sprung, nicht verhindert. Mit der Anwendung des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes, also einer linearen Steuersenkung, wäre dies aber nicht zu erreichen. Die Opposition will - das haben wir heute gehört - ungefähr das Doppelte im Bereich der Steuern aufwenden wie die Koalition. Wir fragen: Mit welchem Effekt? Lassen Sie uns von einer Eckzahl ausgehen. Der Gesamtdurchschnitt der Bruttoeinkommen - Löhne und Gehälter - liegt irgendwo zwischen 24 000 DM und 30 000 DM jährlich. Ich will jetzt hier nicht um Di. Diederich ({4}) einige Mark streiten. Die von der CDU vorgeschlagene lineare Steuersenkung würde Einkommen unter 1 800 DM weniger, Einkommen unter 2 400 DM bei Verheirateten mit zwei Kindern etwa gleichviel bringen wie der Vorschlag der Koalition. Allerdings würden Ledige in dieser Einkommenskategorie, also bis 2 400 DM, bereits das Doppelte dessen erhalten, was die Koalition gewähren will, und bedeutend mehr als etwa ein Familienvater mit zwei Kindern. Hohe Einkommen erhielten ein Vielfaches dessen, was die durchschnittlichen Steuerzahler erhielten. Nehmen Sie ein anderes Beispiel. Ein Einkommensteuerzahler mit einem Bruttoeinkommen von 6 000 DM würde als Lediger schon etwa 220 DM bekommen; als Verheirateter allerdings nur 150 DM, wenn er zwei Kinder hat. ({5}) Da muß man natürlich fragen: Wo ist hier die soziale Gesinnung der Union? Es wird ganz klar und durchsichtig: Der große Teil dessen, was sie zusätzlich verteilen will, geht in die hohen Einkommenskategorien hinein. Der Kollege Köhler hat ja auch in schöner Offenheit gesagt, wen er da bedienen will. Ich kann Ihnen ganz klar sagen: Wir Sozialdemokraten werden in dieser Richtung nicht mitmarschieren. (Beifall bei der SPD und der FDP - Dr. ({6}) Es wird von der Opposition gesagt - genau wie von uns man müsse etwas für die Investitionsbereitschaft tun. Das ist richtig, da stimmen wir völlig zu. Nur - und daran muß ich Sie ja wohl nicht erinnern -: Nicht alle Einkommensteuerzahler investieren, sondern Unternehmer, und diese machen bekanntlich nur einen sehr kleinen Teil aller Einkommensteuerzahler aus. Ein großer Teil der höheren Einkommen - ich glaube, das ist doch auch gemeinsame Erkenntnis -, und zwar ein zunehmender Anteil des jeweiligen Einkommenszuwachses, geht in die Vermögensbildung und nicht in die Nachfrage. Insofern ist die Rechnung, die Herr Sprung aufgemacht hat, falsch. Was die Opposition will, ist, die Staatskasse zugunsten der wenigen zu schröpfen, die nachher dem Staat die ersparten Steuern auf dem Kapitalmarkt gegen Zinsen über den Tresen reichen. Von den 14 Milliarden DM, Herr Sprung, die Sie ausschütten wollen, geht der größere Teil eben nicht in die Nachfrage. Ich kann das im Moment nicht ausrechnen - dazu war noch nicht die Zeit -, aber ich möchte behaupten, daß das, was die Bundesregierung an steuerpolitischen Maßnahmen ergreift, wahrscheinlich zu einem größeren Teil in die Nachfrage geht - als von mindestens dem Doppelten, das Sie nach Ihrem Vorschlag herüberreichen wollen. Ich wiederhole noch einmal: Investitionsentscheidungen beruhen - das wurde gesagt - auf aktueller Nachfrage. Darin sind wir uns völlig einig. Sie beruhen aber zu einem größeren Teil auf der Erwartung künftiger Gewinne, d. h. auf gesamtwirtschaftlichen und auf branchenspezifischen Entwicklungserwartungen. Sie beruhen schließlich auf der Einschätzung der Investitionskosten bzw. des Investitionsrisikos im Verhältnis zu künftigen, zu erwartenden Erträgen. Das ist die Logik, mit der ein Unternehmer entscheidet. Jeder, der einmal mit Investitionen zu tun gehabt hat, wird das bestätigen müssen. Zum letzten ist zu sagen: Wir haben die Vermögensteuer gesenkt; das haben wir vor der Sommerpause gemeinsam beschlossen. Wir wollen die Abschreibungsmöglichkeiten für Anlageinvestitionen verbessern. Das schlägt sich - gemeinsam mit dem, auf das Herr Kollege Köhler hingewiesen hat: daß die Geldkosten relativ niedrig sind - beim Investitionskostenrisiko nieder. Das Kostenrisiko der Unternehmen wird gemindert. Durch erhöhte Staatsausgaben - das haben wir heute morgen vom Kollegen Westphal gehört - und die steuerlichen Maßnahmen werden wir die Nachfrage beleben und damit die Absatzerwartungen der Unternehmer stabilisieren, Herr Kollege Sprung. Es geht doch nicht um die Auslastung der vorhandenen Anlagen, sondern es geht darum, wie die Unternehmen disponieren, ob sie ihre Anlagen erweitern. Da schaffen wir die dazugehörige Nachfrage. ({7}) Die Steuervorlage der Koalition weist daher langfristig in die richtige Richtung. Sie zielt auf Nachfragewirksamkeit, sie läßt der Regierung Luft für die notwendige Erhöhung der staatlichen Nachfrage, und sie verhindert nicht die weiterhin notwendige Tarifreform, über die wir uns im übrigen einig sind. Die Steuervorlage der Regierung ist in ihrem Kern kein Geschenk an eine kleine Gruppe - was Sie wollen -, sondern ein wirtschaftspolitisch zu rechtfertigendes Maßnahmenbündel. Herr Köhler, wenn Sie von Vulgärsozialismus sprechen und versuchen, diesen auf die linke Seite herüberzureichen, so trifft uns das nicht; denn wir können sehr klar zeigen, daß wir uns von der sozusagen gemeinsamen Erkenntnis in bezug auf wirtschaftspolitische Mechanismen leiten lassen. Ich bin allerdings versucht - ich weiß nicht, ob das unparlamentarisch ist - zu sagen, daß das, was Sie vorgetragen haben, als Vulgärökonomie bezeichnet werden könnte. Wie gesagt, ich weiß nicht genau, ob das unparlamentarisch ist. ({8})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Ich habe keinen Anlaß, dazu einen Kommentar zu geben.

Dr. Nils Diederich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000382, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wir haben heute wiederholt von der Reform des Einkommensteuertarifs gesprochen. Die Opposition spricht vom Abbau der Überbesteuerung, als wenn diese jedermann gleich beträfe. Es geht doch darum zu verhindern, daß die Mehrzahl der Arbeitnehmer, die heute in einer Einkommensklasse ist, in der noch der überwiegende Teil für den normalen Unterhalt benötigt wird, sprunghaft in eine hohe Progression gerät. Das ist ein steuertechnisches Phänomen; darDr. Diederich ({0}) über sind wir uns wohl einig. Auch die Opposition wird nicht bestreiten können, daß die vorgesehenen Maßnahmen, nämlich Erhöhung des Grundfreibetrages und des Weihnachtsfreibetrages, Elemente einer Tarifkorrektur sind, die genau dieses Problem betrifft, die also ganz gezielt und spezifisch in die richtige Richtung weist und gleichzeitig die konjunkturpolitischen Effekte erreicht. Die von Ihnen vorgeschlagene lineare Entlastung kommt den vielzitierten Arbeitnehmern mit Kindern, die sich mit ihrem Einkommen an der Grenze der Proportionalzone zur Progression befinden, überhaupt nicht zugute. Sie wollen - das ist bei den Ausführungen des Kollegen Köhler besonders klargeworden - in einer Art Huckepackverfahren die hohen Einkommen entlasten. Sie benutzen den durchschnittlichen Arbeitnehmer als Alibi. Das werden wir immer wieder darstellen. ({1}) Sie sind unredlich, wenn Sie versuchen, die notwendige Korrektur im unteren Progressionsbereich dazu zu benutzen, den Beziehern sechsstelliger Einkommen noch ein kräftiges Extra zu verschaffen. ({2}) Was die Körperschaftsteuer betrifft, so hat die Kollegin Matthäus-Maier hier das Richtige gesagt; denn nur wer Gewinne macht, zahlt Körperschaftsteuer. Der Konjunkturabschlag hilft also nicht den fußkranken Unternehmen oder den Grenzbetrieben, den Betrieben, die an der Ertragsschwelle arbeiten, sondern denen, bei denen es läuft und die große Gewinne abschöpfen. Da frage ich, was die mit der Liquidität machen. Die bringen sie auf dem Geldmarkt unter. Wir sind dann bei dem Mechanismus, den ich schon dargestellt habe.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Köhler?

Dr. Nils Diederich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000382, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich glaube, daß ist jetzt nicht mehr angebracht. Lassen Sie mich zusammenfassen. Die Vorlage der Koalition hat wenig mit Ideologie und Bestrebungen zur Umverteilung zu tun. Sie ist ein ausgewogenes Ergebnis wirtschaftspolitischer Vernunft, nichts mehr und nichts weniger. ({0})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Das Wort hat Herr Abgeordneter Cronenberg.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000342, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen, verehrte Kollegen! Lassen Sie mich zunächst in dieser „Debatte der Wiederholungen" auf die Schilderungen des Kollegen Köhler eingehen, die er von der Wirtschaft in unserem Lande gemacht hat. Wenn man wie ich als mittelständischer Unternehmer seine Waren draußen im Ausland zu verkaufen hat, wenn man sich bemüht, für diese Wirtschaft und in dieser Wirtschaft tätig zu sein, und sich dann draußen anzuhören hat oder anhören darf, möchte ich besser sagen, wie dieses Land und seine Wirtschaft beurteilt werden, und dann die Ausführungen hört, die Sie, verehrter Herr Kollege Köhler, hier von unserer Wirtschaft und von unserem Land gemacht haben, dann kann ich nur sagen, man hat das Gefühl, Sie sprechen von einem anderen Land. In diesem Land gibt es eine mittelständische Industrie, hier gibt es Handel, Handwerk und Gewerbe, das hart arbeitet und erfolgreich arbeitet, das Geld verdient, und zwar, wie ich meine, gutes Geld, stabiles Geld verdient. Dies sollte man bei allem Respekt vor dem Problem, mit dem wir uns zu beschäftigen haben, doch einmal mit dieser Deutlichkeit sagen. Natürlich habe ich in der letzten Debatte am Freitag hier gesagt, uns fehle Wachstum. Wir bemühen uns, dieses Wachstum herbeizuführen. Wir haben mehrmals gemeinsam festgestellt, daß es eine Frage der klimatischen Behandlung dieser Angelegenheiten ist, wie das Wachstum in diesem Lande vorankommt, wie Wachstum entsteht. Ihr Beitrag, Herr Köhler, war kein Beitrag zur Klimaverbesserung: Ihr Beitrag war, wenn Sie so wollen, in diesem Sinne wachstumsschädlich. Wer sich ernsthaft mit den Problemen dieser Wirtschaft, die wir zweifelsohne haben, auseinandersetzt, muß fairerweise auch anerkennen, daß wir es nicht nur, wie Sie behaupten, mit konjunkturpolitischen Problemen zu tun haben - die wären in der Tat durch das Stabilitätsgesetz zu lösen -, sondern mit strukturellen Problemen zu tun haben, wo eben gezielte Maßnahmen erforderlich sind. Damit hier keine Geschichtsklitterei entsteht, möchte ich mit aller Deutlichkeit und Klarheit sagen: Der amtierende Bundeswirtschaftsminister hat sich eben nicht für das Stabilitätsgesetz eingesetzt. Es ist richtig, daß Graf Lambsdorff sehr ernsthaft erwogen hat, ob auch dieses Stabilitätsgesetz eine Möglichkeit bietet, aktiv zu werden, und sich ernsthaft mit den Dingen auseinandergesetzt hat mit dem Ergebnis, daß er gesagt hat, einige Elemente aus diesem Stabilitätsgesetz, nämlich diejenigen, die wir jetzt durchführen, seien vorzunehmen, daß wir aber mit den strukturellen Problemen, die doch zweifelsohne vorhanden sind und die einer anderen Therapie bedürfen, hier nicht zurechtkommen. Aus diesem Grunde legen wir Ihnen hier dieses Paket vor. Wiederholen wir noch einmal kurz, worum es geht. Es geht darum, daß wir ca. 20 Milliarden DM mehr in den Kreislauf der Wirtschaft hineinbekommen, um das notwendige Wachstum zu bekommen. Wie machen wir das? Wir geben Steuerentlastungen in Höhe von ca. 7,5 Milliarden DM, wobei es aus konjunkturpolitischer Sicht, Herr Köhler, überhaupt keine Rolle spielt, ob dies über den Weg des Grundfreibetrages oder des Konjunkturabschlages erfolgt. Zunächst einmal ist es konjunkturpolitisch entscheidend, daß diese Mittel in den Wirtschaftskreislauf hineinkommen. Ich möchte Sie doch sehr herzlich bitten, nicht immer wieder hier zu argumentieren, das seien nur 20, 25 DM, die dem einzelnen zufließen. ({0}) - Natürlich ist das nicht falsch. Nur ist es in der Bedeutung und in der Beurteilung falsch. Stellen Sie sich doch einmal neben jemanden in der Lohnbuchhaltung, der das ausrechnet; dann sehen Sie, wie schwierig es ist, für einen Mitarbeiter 20 oder 30 DM mehr netto ins Portemonnaie zu bekommen. Sie müssen wissen, wie schwierig es für die Leute ist, solche Beträge zu bekommen. ({1}) Wo sind denn die Ursachen? Sie brauchen 2 bis 3 % Lohnerhöhung, um diesen Zweck zu erfüllen. ({2}) Das sind keine Mini-Maßnahmen, sondern das sind genau die Maßnahmen. Wir sagen Ihnen deswegen doch: Wir brauchen das. Genauso hat es der Kollege Dr. Sprung von hier aus erklärt ({3}) - darauf komme ich noch -, was Genscher auf dem außerordentlichen Parteitag in Oberhausen gesagt hat. Genau dies sind doch die Maßnahmen, die wir wollen. Sie wissen genauso gut wie ich, daß entscheidender Bestandteil der notwendigen Tarifreform natürlich die Veränderung des Grundfreibetrags ist. Wollen Sie denn, meine Herren, in einem halben Jahr die Tarifreform beraten und uns dann erklären, daß man den Grundfreibetrag ändern müsse? Wir nehmen hier doch nicht mehr und nicht weniger ein möglichst schnell wirkendes und praktikables Stückchen Tarifreform vorweg, das von Ihnen im Zusammenhang mit dem gesamtwirtschaftlichen Erfolg, den Sie sich wünschen, immer verlangt wird. Im übrigen möchte ich noch einmal ausdrücklich feststellen, daß die Anwendung des Stabilitätsgesetzes nach unserer Auffassung, wenn sie in der gebührenden Form, nämlich mit mindestens über 6 % - Sie meinen: 10 % -, erfolgt, praktisch die viel wirksamere und notwendigere Abschreibungserleichterung fast unmöglich macht, es sei denn, Sie reden einer weiteren und erhöhten Staatsverschuldung das Wort, was Sie hoffentlich auf keinen Fall machen werden. Nun möchte ich aber auch einige kritische Bemerkungen an den Kollegen Roth richten. Er hat hier Ausführungen betreffend die Tarifverträge gemacht. Er hat die Frage gestellt, ob die Tarifverträge nicht von zwei Parteien unterschrieben würden. Dies ist zweifelsohne richtig und auch wünschenswert. Aber, Herr Kollege Roth, in diesem Zusammenhang muß natürlich auch einmal festgestellt werden, daß es nicht angeht, Tarifverträge abzuschließen, die letztlich nicht den gesamtwirtschaftlichen Daten entsprechen bzw. die - so ist es nach meiner Meinung - die Produktivitätsrate überschreiten. ({4}) Denn wir alle haben gemeinsam die Folgen solchen Handelns auszubaden, und es ginge nicht an, wenn wir dann noch nicht einmal das Recht haben sollten, hierzu kritisch Stellung zu nehmen. Aus diesem Grunde ist es sehr wohl die Aufgabe des amtierenden und, wie ich meine, auch des zukünftigen Bundeswirtschaftsministers, hier, ohne in die Verhandlungen einzugreifen, sehr kritisch zu erklären, welche Erwartungen er an solche Tarifverträge hat, welche Tarifverträge er für zumutbar hält und welche nicht. Wenn er dies nicht täte, würde er sich jedenfalls nach meiner Betrachtungsweise der Verantwortung entziehen.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Köhler?

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000342, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Aber selbstverständlich.

Dr. Herbert W. Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001152, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, ich bitte Sie, meine Frage um Gottes willen nicht als Entlastung des Roth zu verstehen, ({0}) wenn ich bei aller Zustimmung zu dem, was Sie eben gesagt haben, frage, wie Sie interpretieren - ich muß das leider ablesen - die „gesellschaftliche Nützlichkeit von erwünschten Beschäftigungsfeldern". Das ist ein Zitat aus dem Baum-Papier Ihrer Partei. - Darf ich es noch einmal sagen? ({1}) - Ich verstehe, daß Ich das wiederholen muß. Ich verstehe es nämlich auch nicht, auch wenn ich es mehrfach lese. Ich frage also, was man unter „gesellschaftlicher Nützlichkeit von erwünschten Beschäftigungsfeldern" verstehen soll.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000342, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ohne hier eine Diskussion über die in einem geringen Umfang zweifelsohne vorhandenen unterschiedlichen Auffassungen zwischen den Kommissionen führen zu wollen, meine ich, daß die Baum-Kommission nicht zu Unrecht das Problem anfaßt, daß wir natürlich Wachstumsbereiche in unserer Wirtschaft haben, die aus gesellschaftlichen Überlegungen heraus wünschenswert sind, und andere, die nicht wünschenswert sind. Anders gesprochen: Ich kann mir vorstellen, daß es in diesem Lande Leute gibt, die es beispielsweise nicht für besonders wünschenswert halten, den Individualverkehr gezielt zu fördern, während andere wiederum der Meinung sind, das sei notwendig und richtig. Abgesehen von der Quantität des Wachstums ist also selbstverständlich seine Qualität zu untersuchen. Ob es die Aufgabe des Staates ist, hier gezielt einzugreifen, mag einer anderen Debatte vorbehalten sein, verehrter Kollege Köhler. Denn gerade Ihre Betrachtungsweise der Ursachen unseres jetzigen Dilemmas ist ja die, daß wir generell zu wenig Wachstum haben. Darum bemühen wir uns hier ja mit diesen konjunkturellen Maßnahmen um das Wachstum, das fehlt bzw. von dem wir erwarten, daß es fehlt; denn es handelt sich hier um eine Prophylaxe, über die wir reden. Aus dieser Sicht sind diese konjunkturellen Maßnahmen richtig.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000342, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Aber selbstverständlich!

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Bitte schön, Herr Abgeordneter Köhler.

Dr. Herbert W. Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001152, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darf ich die sehr komplizierte Antwort in die Frage fassen: Darf ich davon ausgehen, daß Sie persönlich auch weiterhin dafür sind, daß der Markt darüber entscheiden soll?

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000342, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich kann Ihnen, Herr Kollege Köhler, mit aller Klarheit und Deutlichkeit sagen, daß diese Marktwirtschaft mein Credo ist und daß ich - wie in Oberhausen - gemeinsam mit Ingrid Matthäus sagen kann: im Zweifel für den Markt. Und ich hoffe, hierfür auch Ihre Zustimmung zu finden. ({0}) - Nun möchte ich doch bei dieser Debatte den Herrn Kollegen Köhler nicht noch auf Grund seiner beruflichen Tätigkeit in Verlegenheit bringen. ({1}) - natürlich die Zwischenfrage zielte darauf hin -, nachdem er hier so erfolgreich tätig gewesen ist. Denn es ist doch wohl eine Leistung, zu der man herzlich gratulieren kann, wenn man bei einem Titel, der einem nicht zusteht, für die Ernennung, statt selber einen auszugeben, sich vom Finanzminister eine Kiste Rotwein holt. Das ist allerdings eine Leistung, die unverkennbar und gut ist.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten von Wartenberg? - Bitte.

Dr. Ludolf Georg Wartenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002431, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, Sie sagten: im Zweifel für den Markt. Sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß Frau Kollegin Matthäus bei Staatseingriffen häufig weniger Zweifel hätte als Sie?

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000342, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich möchte mich jetzt nicht mit Ihnen darüber streiten, wo irgendwelche Zweifel einsetzen. Aber das ist doch wohl eine klare Äußerung! Und daß es in allen Fraktionen unterschiedliche Meinungen darüber gibt, wo und wie in einzelnen Detailfragen der Markt wirksam werden kann, wie z. B. beim Bergbau oder in der genannten Stahlindustrie, wissen wir doch alle. Entscheidend ist doch - und das sollte man auch dem politischen Gegner zuerkennen -, daß das grundsätzliche und klare Bekenntnis zu dieser Marktwirtschaft, zu diesem Markt Grundlage unseres Erfolges in der Vergangenheit und hoffentlich auch unseres gemeinsamen Erfolges in der Zukunft ist. Lassen Sie mich zum Schluß noch zwei Bemerkungen machen, die Sie bitte als ehrlich gemeinte Bitte an Sie verstehen wollen: Sie sagen zu Recht, wir brauchen schnelle Entscheidungen, und Sie sagen zu Recht, wir brauchen klimatische Verbesserungen. ({0}) - Natürlich richtige. Sie haben Herrn Friderichs zu Recht zitiert, der gesagt hat, wir brauchen nicht die zweitbeste oder die drittbeste Lösung. Wir stehen hier in der Gewißheit, Ihnen die beste Lösung vorzuschlagen. Aber auch dann, wenn Sie sich nicht dazu verstehen können, festzustellen, daß es die beste Lösung ist - und bei Ihrem Verständnis von Opposition habe ich für diese Haltung meinerseits ein gewisses Verständnis -, sollten Sie doch mindestens den Lauf der Dinge, die in Ihrem Sinne vielleicht die zweitbeste Lösung sind, in unserem Sinne die beste Lösung, nicht behindern. Sie sollten Ihrem eigenen Argument, wir sollten schnell handeln, ({1}) nicht dadurch die Kraft nehmen, daß Sie uns bei diesen Maßnahmen, was die Schnelligkeit anlangt, nicht unterstützen. Nochmals möchte ich auch - gerade Sie, Herr Kollege Köhler - bitten, doch zu den klimatischen Verbesserungen dadurch beizutragen, daß Sie eine objektivere Schilderung unseres Ist-Zustandes geben, der sicher seine Probleme hat. Da tun Sie nicht nur uns, da tun Sie auch dieser Gesellschaft und dieser Wirtschaft einen großen Dienst. Hierfür bedanke ich mich herzlich im voraus. ({2})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Meine Damen und Herren, wir kommen damit zu Punkt 3 der Tagesordnung: Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/ CSU Förderung von Forschung und Entwicklung in der Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland - Drucksache 8/709 Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gerstein.

Ludwig Gerstein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000668, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielleicht ist doch der eine oder der andere von Ihnen nach dieser intensiven Steuerdebatte glücklich, wenn wir uns jetzt auch einem anderen Thema zuwenden können, wobei ich allerdings vorausschicken möchte, daß dieses Thema, Förderung von Forschung und Entwicklung in der Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland, zwar ein wichtiges Spezialthema ist, aber auch nahtlos an die steuerpolitische und konjunkturpolitische Diskussion anschließt, die wir heute hier haben erleben dürfen. ({0})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Herr Abgeordneter, ich bitte um Entschuldigung, daß ich Sie unterbreche. Wir müssen noch über den vorangegangenen Punkt der Tagesordnung befinden. Es ist vorgeschlagen worden: Überweisung an den Finanzausschuß - federführend -, an den Ausschuß für Wirtschaft, an den Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau und an den Haushaltsausschuß - mitberatend und gemäß § 96 der Geschäftsordnung. Ich bitte diejenigen, die mit diesem Vorschlag einverstanden sind, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen. Entschuldigen Sie die Unterbrechung, Herr Abgeordneter. Sie haben wieder das Wort.

Ludwig Gerstein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000668, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich werde es in meinen Erinnerungen als einen besonderen Reiz betrachten, daß der Anfang meiner ersten Rede auf diese Weise durch eine Abstimmung verschönt worden ist. ({0}) Meine Damen und Herren, der Antrag auf Drucksache 8/709, den die Fraktion der CDU/CSU vorgelegt hat, hat zum Ziel, die Bundesregierung zu veranlassen, zum Gesamtproblem der steuerlichen Forschungsförderung konkrete gesetzliche Vorschläge vorzulegen. Die meisten von Ihnen wissen, daß eine Vielzahl solcher Vorschläge vom Sachverständigenrat, von der Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel, vom Ifo-Institut in München und anderen Institutionen seit längerem vorgetragen worden ist. Ich möchte es mir ersparen, hier alle diese Vorschläge aufzuführen. Aber im Zusammenhang mit der jüngsten Konjunkturentwicklung hat der Sachverständigenrat vor wenigen Tagen erneut betont - ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten -: Die Chance sollte nicht ausgelassen werden, mit einer verstärkten Förderung von Forschung und Entwicklung sowie einer wirksameren Unterstützung junger Unternehmen die Nutzung neuer Produktions- und Beschäftigungsmöglichkeiten zu erleichtern. Gerade darum geht es uns bei diesem bereits im Juni dieses Jahres vorgelegten Antrag. Wir stellen fest, daß bei allen Sachverständigen Einigkeit darüber besteht, daß betriebliche Forschung und Entwicklung einer Stärkung bedürfen. Wir stellen aber auch fest, daß in dieser Sache die Bundesregierung nicht ausreichend gehandelt hat. Wir beobachten mit Sorge den Rückgang der Forschungsaktivitäten in der Wirtschaft seit 1973. Die realen Forschungsausgaben haben sich ebenso verringert wie die Zahl der in der Forschung der Wirtschaft Beschäftigten. Wir wissen, daß dies begleitet und möglicherweise sogar beeinflußt ist von dem von der Bundesregierung veranlaßten Abbau steuerlicher Forschungsförderung. Ich darf ein paar Zahlen nennen. Im Rahmen der bis zum Jahr 1974 gültigen Forschungsförderung durch Sonderabschreibungen und Investitionszulagen sind die Leistungen von 428 Millionen DM im Jahr 1973 auf 106 Millionen DM im Jahr 1976 nach Wegfall dieser Sonderabschreibungen zurückgegangen. Dies ist ein Abbau steuerlicher Forschungsförderung um mehr als 300 Millionen DM pro Jahr. Dem steht natürlich die Ausweitung der direkten Forschungsförderung der Bundesregierung gegenüber. Die direkten Zuwendungen des Bundes an die Wirtschaft sind auf 1,55 Milliarden DM im Jahr 1976 gestiegen. Aber was uns hier interessiert, ist die Veränderung des Verhältnisses der indirekten Forschungsförderung über Steuern zu diesen direkten Zuwendungen. Und dieses Verhältnis hat sich durch die geschilderten Verschiebungen von 1 : 2 auf 1 : 15 geändert. ({1}) Die indirekte Forschungsförderung ist damit praktisch eingestellt. Wir bezweifeln sehr, daß dies wirklich zu besseren Forschungsergebnissen und zu einer besseren Forschungsförderung geführt hat. Ich glaube, das Gegenteil ist eher der Fall. ({2}) - Man kann dies sehr gut und relativ einfach nachrechnen, wenn man die Forschungsberichte der Bundesregierung daraufhin durchsieht. Es steht jedenfalls fest - dies ist belegbar, Herr Stahl -, daß sich die Einflußnahme des Staates im gesamten Bereich wirtschaftseigener Forschung und Entwicklung erheblich verstärkt hat. Wir halten dies allerdings für bedenklich. ({3}) Hinzu kommt, daß Schwierigkeiten der Antragsverfahren häufig dazu führen, daß die besten Antragsteller und nicht die besten Forscher den Großteil der direkten Zuwendungen erhalten. Viele kleine und mittlere Unternehmen - gerade diese haben Schwierigkeiten bei der Antragstellung; wir wissen, wie kompliziert diese Antragstellung ist - kommen sehr oft erst gar nicht zum Zuge. Die weitere Verstärkung direkter Forschungsförderung birgt aber vor allem die Gefahr in sich, daß Forschungspolitik mehr und mehr zu einem Instrument für kurzfristige konjunkturpolitische MaßnahGerstein men ausartet, obwohl eigentlich gerade Forschung von der Natur der Sache her immer eine sehr langfristige Aufgabe ist. Natürlich gibt es insbesondere im Bereich der Großtechnologie eine Reihe von Projekten, für die nur eine direkte Forschungsförderung in Frage kommt. Dies bestreiten wir nicht, und hier besteht sicherlich Übereinstimmung. Uns erscheint jedoch eine ausgewogene Verteilung der zur Verfügung stehenden Mittel für Forschung und Entwicklung auf die direkte und die indirekte Forschungsförderung notwendig, und dies geschieht nicht. Ich glaube, dies wird auch trotz der bemerkenswerten Ansätze für die indirekte Forschungsförderung im Haushaltsentwurf 1978, die nach Meldung des „Handelsblatts" vorgesehen sind, nicht erreicht, selbst wenn - was wir für richtig halten würden - diese Ansätze Wirklichkeit werden würden. Wir möchten daher noch einmal sagen: Der Abbau indirekter Forschungsförderung, der in den letzten Jahren erfolgt ist, ist ein Weg in die falsche Richtung, und wir fordern daher entsprechend unserem Antrag, gestützt auf die genannten Gutachten und Untersuchungen, die teilweise vom Bundesforschungsminister selbst veranlaßt worden sind, sich aber dort offenbar, ohne verwertet zu werden, stapeln, eine grundsätzliche Umkehr der Forschungspolitik der Bundesregierung, d. h. wir fordern den Ausbau indirekter steuerlicher Forschungsförderung. Zu der Frage, wie Forschungsförderung durch steuerliche Vorschriften erfolgen kann, liegt ebenfalls eine Reihe von Vorschlägen vor. Wir sind insbesondere der Auffassung, daß bei dieser notwendigen Neugestaltung die Forschung der kleinen und mittleren Unternehmen ebenso wie die Vertragsforschung durch steuerliche Anreize neue Impulse erhalten muß. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die bisherige einseitige steuerliche Begünstigung von Investitionen für Forschung und Entwicklung gerade bei den kleinen Unternehmen nicht ausreichend ist; denn hier sind es doch vor allem Personalausgaben, die für Forschung und Entwicklung getätigt werden und die häufig viel stärker ins Gewicht fallen als Investitionen. Nach unserer Auffassung müssen gerade diese Kosten in eine Forschungsförderung, die Wirkung zeigen soll, die arbeitsmarktpolitisch auch wirken könnte, mit einbezogen werden. Dies hat der Forschungsminister bisher abgelehnt. Wenn sich, wie das der Haushaltsansatz 1978 zeigt, hier eine Änderung vollziehen würde, dann möchten wir den Minister ermuntern, in dieser Richtung indirekter Forschungsförderung fortzufahren. Nun sind im Zusammenhang mit diesen Vorschlägen einige Ansätze zu dieser Verbesserung vorhanden. Wir haben das mit Interesse zur Kenntnis genommen, aber wir meinen, für eine wirkliche, langfristige Lösung der anstehenden Probleme genügt dies nicht. Ich möchte gerade in bezug auf die kleinen und mittleren Unternehmen wiederholen: Ist es denn nicht so, daß hier eine ganze Anzahl von Arbeitsplätzen für Forschung und Entwicklung vorhanden sind, die nur besetzt werden müssen? Dazu bedarf es gar keiner neuen Investitionen. Wenn wir das wissen, müßten wir eigentlich Instrumente finden, durch die wir einen Anreiz für die Besetzung solcher Arbeitsplätze ohne Investitionen erhalten können. Bei den großen Unternehmen besteht überdies die Gefahr, daß Investitionszulagen eher zur Finanzierung vielleicht bereits geplanter Technologiegroßprojekte benutzt werden als zu einer wirklich langfristigen Verbesserung von Forschung und Entwicklung. Ich nenne das Beispiel des Schnellen Brutreaktors in Kalkar, für den nach den gültigen Bestimmungen ja auch eine Investitionszulage anfällt, die, wenn man das durchrechnet, höher ist als die gesamten Investitionszulagen für Forschung und Entwicklung aller deutschen Unternehmen im letzten Jahr. Wir erwarten, daß die Bundesregierung die ihr vorliegenden Gutachten auswertet und konkrete Vorschläge in einer Gesamtfassung für die indirekte Forschungsförderung erarbeitet. Wir sollten dabei nicht übersehen - darauf möchte ich hinweisen -, daß Wettbewerbsfähigkeit und Innovationsfähigkeit der deutschen Wirtschaft durch Mängel in der Forschungs- und Entwicklungsförderung der Bundesrepublik beeinträchtigt sind. In den Hauptkonkurrenzländern Japan und den Vereinigten Staaten sind die Forschungsausgaben gestiegen und - das können wir auf vielen Märkten feststellen - auch die aus Forschung und Innovation entstandenen Leistungen. In der Wirtschaft der Bundesrepublik - das haben wir in den letzten Tagen und auch heute noch sehr deutlich und oft gehört - herrscht Investitionsmüdigkeit. Ich meine, zu dieser Investitionsmüdigkeit gehört gewissermaßen auch eine Forschungsmüdigkeit. Es besteht sicherlich ein Zusammenhang zwischen Förderung von Forschung und Entwicklung und Forschungsmüdigkeit. Lassen Sie mich zum Schluß noch das Problem der Anwendung der Forschungsergebnisse anschneiden. Hier sind wiederum für kleine und mittlere Unternehmen die Schwierigkeiten bei der Einführung neuer Produkte besonders gravierend. Das Risiko hat sich auf Grund der ungewissen allgemeinen Erwartungen bezüglich der Wirtschaftsentwicklung erhöht. Die Größe des Risikos wird deutlich, wenn wir feststellen, daß heute die Kosten für die Einführung eines neuen Produktes auf dem Markt weit höher sind als die Kosten für die Forschung. Die Schwierigkeiten gelten verstärkt in einer Zeit, in der es häufig nicht so sehr um die Einführung eines neuen Produktes an sich geht. Wir wissen, heute geht es häufig um die Einführung technischer Problemlösungen, etwa zur Verbesserung des Umweltschutzes oder zur Einsparung von Energie, deren Durchsetzung am Markt schwierig zu beurteilen ist, deren Einführung große Kosten verursacht und die bei Erfolg von anderen Wettbewerbern leicht übernommen werden können. Meine Damen und Herren, wir meinen, gerade hier müßte den Unternehmen in der schwierigen Wirtschaftslage, in der wir uns nun einmal befinden, Hilfestellung gegeben werden. Bei allen Überlegungen und Maßnahmen zur Verbesserung von Forschung und Innovation muß der direkte Einfluß des Staates gering gehalten werden. Es kommt darauf an, die Marktkräfte zu stärken, Eigeninitiativen zu fördern und die Bürokratie bei der Verwaltung von Forschungsgeldern zu minimieren. Dies ist nach unserer Auffassung nur durch ein Gleichgewicht zwischen indirekter und direkter Forschungsförderung zu erreichen und nicht durch das zunehmende Ungleichgewicht zugunsten der direkten Forschungsförderung. Forschung, Entwicklung und Innovation in der Wirtschaft sind entscheidend für die Sicherung der Arbeitsplätze der Zukunft. Die Bundesregierung hat durch die Möglichkeiten einer abgewogenen Forschungs- und Entwicklungspolitik einen wichtigen Schlüssel - ich meine die 4,8 Milliarden DM, die für 1978 vorgesehen sind -, einen goldenen Schlüssel in der Hand, um diese wichtigen Aufgaben der Wirtschaft zu fördern. Die Bundesregierung muß diesen Schlüssel, den sie in der Hand hat, nur nutzen und, wie ich meine, richtig herumdrehen. ({4})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Das Wort hat der Herr Abgeordneter Dr. Steger.

Dr. Ulrich Steger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002227, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! An sich müßte jedermann in diesem Hause wissen, daß der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung vom 19. Dezember 1976 ein Gesamtprogramm zur Forschungs- und Technologiepolitik für kleinere und mittlere Unternehmen angekündigt hat. Zumindest die Mitglieder des Fachausschusses, Herr Gerstein, sollten auch wissen, daß dieser Auftrag von Minister Matthöfer mit der gewohnten Präzision und der gewohnten Qualität am Ende dieses Jahres erfüllt sein wird. ({0}) Deswegen kommt mir die CDU/CSU so ein bißchen wie jemand vor, der nach dem Motto des Igel „Ich bin all da" kurz vor Toresschluß noch einmal tingeln geht und dann einen Antrag einbringt, der doch - das haben Ihre Ausführungen, Herr Gerstein, hier gezeigt - ein bißchen dünn ist. Sie von der Opposition sagen jetzt doch nur: Regierung, nun mach doch einmal Vorschläge!, obwohl jedermann weiß, daß binnen kürzester Zeit sehr präzise Vorschläge kommen werden. ({1}) Ich muß sagen, daß wir den Ausführungen der CDU/CSU zu diesem Thema nicht im entferntesten folgen können, und zwar im wesentlichen aus zwei Gründen. Erstens. Die Umschichtung der Forschungs- und Technologiepolitik hin zur direkten Projektförderung wird von uns positiv bewertet. Wir glauben, Herr Minister, nach dem, was Sie auf dem Gebiet der Energieforschung geleistet haben - ich meine die Ausweitung auf die Forschung im Bereich der Nichtnuklearenergie -, ist dies die zweite große Leistung, die Sie in wenigen Jahren vollbracht haben. ({2}) - Herr Lenzer, es ist doch so, daß Sie z. B. gegen die einzelnen Fachprogramme überhaupt nichts oder nur sehr wenig sagen. Wenn Sie einmal, wie gestern im Ausschuß, versuchen, sich an die Kritik des Bundesrechnungshofs anzuhängen, fallen Sie dabei auch meistens auf die Nase. ({3}) Wenn der Minister eine Politik gemacht hätte, die dem, was Herr Gerstein mit dem dynamischen Charme, der nun einmal preußisch-deutschen Bergassessoren eigen ist, als Politik der CDU/CSU vorgetragen hat, entspräche, dann hätte die Schachtanlage, auf der Sie sitzen, Herr Gerstein, längst dichtgemacht; denn für den hydromechanischen Abbau - das war eines der größten Förderungsprojekte nach den Nukleartechnologien - hätte es dann überhaupt kein Geld gegeben. Der Pütt, auf dem Sie heute sitzen, wäre dicht. Deswegen sollten Sie, gerade weil Sie aus dem Bergbau kommen und für Strukturprobleme doch ein bißchen mehr Fingerspitzengefühl haben müßten, nicht eine solche Politik vertreten.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gerstein?

Dr. Ulrich Steger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002227, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Aber gerne, vor allen Dingen wenn sie mir nicht auf die Redezeit angerechnet wird.

Ludwig Gerstein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000668, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Steger, wissen Sie eigentlich, wie hoch der Anteil der von der Bundesregierung zur Verfügung gestellten Förderungsmittel für das Projekt Hydrogrube am gesamten Investitionsvolumen dieses Projektes ist?

Dr. Ulrich Steger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002227, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Gerstein, das ist mir bekannt. Nur eines ist doch sicher: Mit dem von Ihnen vorgeschlagenen Instrumentarium wäre dieses Projekt mit Sicherheit nicht verwirklicht worden. Darum geht es doch. Wir wollen doch hier gar nicht um Anteile streiten, die Sie im übrigen nicht aus Ihrer eigenen Tasche bezahlt haben. ({0})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter?

Dr. Ulrich Steger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002227, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Gerne.

Ludwig Gerstein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000668, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Glauben Sie wirklich, daß ein solches Projekt, bei dem der Anteil der vom Ministerium kommenden Zuwendungen weniger als 5 % beträgt, nicht durchgeführt worden wäre, wenn diese Zuwendungen weggefallen wären?

Dr. Ulrich Steger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002227, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Die Zahl 50/0 möchte ich bei dem eigentlichen Projekt entschieden bestreiten, Herr Gerstein. ({0}) Sie können doch nicht das gesamte Investitionsvolumen einer Zeche auf ein Forschungsprojekt beziehen. ({1}) Das eigentliche Projekt wäre ohne diese Förderung nicht durchgeführt worden. ({2}) - Ja, und die haben wir nur durch die Mitbestimmung bekommen. ({3}) Zum zweiten. Die angeführten wissenschaftlichen Gutachten sind hier in einem Ausmaß vergewaltigt worden, daß man wirklich fragen muß: Wer hat sie eigentlich ausgewertet? Ich will hier nicht vom Sachverständigenrat reden, der ja auch nicht mehr das ist, was er einmal war, ({4}) sondern vor allen Dingen auf die beiden speziellen Gutachten zu diesem Problem eingehen, nämlich die Gutachten vom IFO-Institut und von der Kornmission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel. Darin steht ja nun eindeutig, daß erstens nicht die indirekte Förderung im Bereich der Forschungs- und Technologiepolitik dominieren sollte, sondern daß gerade auf Grund der gezielten strukturellen Wirkungsmöglichkeiten die direkte Projektförderung so, wie sie vom BMFT betrieben wird, den Vorrang haben soll. Es steht zweitens darin - das können Sie in dem Gutachten sehr ausführlich nachlesen -, daß selbst dort, wo es Bereiche gibt - und es bestreitet niemand, daß es sie gibt -, wo die indirekte Forschungsförderung aus Zweckmäßigkeitsgründen eingesetzt werden kann, nicht auf die strukturpolitische Differenzierung und Orientierung verzichtet werden sollte. Es ist doch widersinnig, daß im Oppositionsantrag auf der einen Seite bestimmte Problemfelder definiert werden, für die gefordert wird, die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit zu intensivieren, und Sie auf der anderen Seite mit der großen Gießkanne kommen, die doch nur einen Effekt haben kann, daß nämlich bei dem begrenzten Umfang der staatlichen Mittel, die zur Verfügung stehen, wichtige Projekte unter den Tisch fallen, die unter Umständen für einen technologischen Durchbruch entscheidend sind. Aus diesem Grunde müssen wir hier ganz deutlich sagen, daß Sie erheblich mehr an Argumentationskraft aufbringen müssen, wenn Sie uns in den Ausschußberatungen von Ihrem Konzept überzeugen wollen. Wir glauben, daß die Schiene, der in der Vergangenheit in der Forschungs- und Technologiepolitik gefolgt wurde, die richtige war. Es bedarf dort keines Kurswechsels. In diesem Zusammenhang begrüßen wir es, daß die Bundesregierung in dem hier zur Diskussion stehenden Bereich mit ihren jüngsten Beschlüssen gezielt für kleine und mittlere Unternehmen die Investitionszulage zunächst von 7,5 auf 15 % verdoppeln will, begrenzt auf 0,5 Millionen DM, die Bauinvestitionen auch dann einbeziehen will, wenn das Nutzungsvolumen für Forschung und Entwicklung nur ein Drittel beträgt - das hat seine Bedeutung für die kleinen und mittleren Unternehmen -, und auch den Kauf von Know-how fördern will, indem die Anschaffung von immateriellen Wirtschaftsgütern - wie z. B. Patenten - in den Zulagenkatalog aufgenommen wird, allerdings auch hier beschränkt auf eine Summe von 0,5 Millionen DM. ({5}) - Nein, Herr Lenzer. Der Unterschied ist doch folgender: Hier helfen Sie ganz gezielt kleinen und mittleren Unternehmen, wo es in der Tat zwar nicht auf einzelne, für die gesamte Volkswirtschaft wichtige strategische Projekte ankommt, wo aber eben die Vielzahl der Innovationen letztlich für die Leistungsfähigkeit bedeutsam ist. Hier wird also gezielt bei den kleinen und mittleren Unternehmen angesetzt und nicht mit der großen Gießkanne über das Land gegangen. Das ist doch der Punkt. Sie haben doch im Entwurf nur stehen: Steuern herunter für alle - für Siemens genauso wie beispielsweise für die Happel KG. Ich weiß nicht, ob es zulässig ist, Firmen zu nennen. Wie dem auch sei. Deswegen meinen wir, daß wir, wenn wir hier noch zusätzlich etwas tun müssen, an den eigentlichen Kern herangehen müssen, der kleine und mittlere Unternehmen daran hindert, die in einer hochmodernen Wirtschaft notwendigen Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen zu unternehmen. Was soll der Kalauer von dem „bürokratischen Antragsverfahren"? Machen Sie doch einmal Vorschläge, wie es vereinfacht werden kann! Wir sind ja gerne bereit, darüber zu reden. Aber wenn es vereinfacht wird, gibt es auch immer Fälle, wo eine gewisse Grauzone besteht, und dann kommt wieder eine Geschichte wie bei der EDV hoch, daß Sie sagen: Die Regierung hat wieder Steuergelder verschwendet. Sie müssen sich irgendwann einmal entscheiden, ob Sie es einfacher haben oder ob Sie eine präzise Kontrolle von Steuergeldern haben wollen, und sollten nicht immer hin und her huschen. ({6}) - Ja. Aber, Herr Lenzer, Sie wissen auch, wie schlecht der Bundesrechnungshof in der gestrigen Ausschußdebatte ausgesehen hat. Auf die Frage nach den ökonomisch operationalen Kriterien, an denen er seine Kritik wirklich fundiert aufhängen könne, folgte doch Schweigen im Walde. ({7}) - Ich bin sicher, daß wir beide in derselben Ausschußsitzung gewesen sind, ({8}) und ich bin sicher, daß auch Sie mittlerweile, obwohl Sie früher bekanntlich Lehrer waren, was man heute immer noch ein bißchen merkt, ({9}) genug von Ökonomie wissen, um gemerkt zu haben, daß die Position des Bundesrechnungshofes hundsmiserabel war, um es in dieser Deutlichkeit zu sagen. ({10}) - Das kann auch andere Gründe haben. Vielleicht bereitet er schon den hessischen Landtagswahlkampf vor. Das kann auch sein. ({11}) Wir meinen, man muß im Bereich der Forschung und Entwicklung bei kleinen und mittleren Unternehmen, in der Frage, in welchem Bereich sie mit indirekter Forschungsförderung arbeiten können, an das Management-Problem herangehen. Wir wissen auch aus den Untersuchungen des Instituts für Mittelstandsforschung, daß dies das Hauptproblem ist, an dem kleine und mittlere Unternehmen kranken, nämlich daß die Fähigkeit fehlt, technologische Entwicklungen rechtzeitig zu erkennen - schade, daß Herr Stavenhagen heute nicht hier ist; er könnte aus eigener Erfahrung Bilderbuchbeispiele erzählen -, und daß es oft auch an der nötigen Initiative und am Organisationstalent fehlt, Innovationen am Markt wirklich durchzusetzen. Deswegen, Herr Minister, kommt es nach unserer Auffassung - ich bitte Sie, das in Ihre Überlegungen einzubeziehen - bei der Vorlage und der Beratung des Gesamtprogramms zur Forschungs- und Entwicklungsförderung bei kleinen und mittleren Unternehmen -- darauf wollen wir das präzise beschränkt sehen - im Sinne der bisherigen Konzeption auf drei Schwerpunkte an, erstens auf das Problem der direkten Personalförderung. Irgendwie hat sich in dieser Republik das merkwürdige Verständnis breitgemacht, daß Dinge nur dann zu fördern sind, wenn es in Stahl und Beton gegossene Investitionen sind. Die neuere Entwicklung in den Wirtschaftswissenschaften ist aber längst darüber hinweggegangen. Wir wissen, daß die Investition in human capital mindestens genausowichtig ist. Wenn wir wünschen, daß auch kleine und mittlere Unternehmen „ihren" Physiker, Chemiker oder Ingenieur einstellen, der sich mit diesen Fragen befaßt, ist es, meinen wir, der Diskussion wert, wie hier auch präzise gefördert wird, wobei man sich natürlich auf zusätzliche Einstellungen und ähnliches mehr beschränken kann. Zweiter Punkt: Zuschüsse für Auftragsforschung. Ich glaube, es ist eine positive Arbeitsteilung, daß wir die Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen im öffentlichen Sektor, auch in den Universitäten, in der Vergangenheit stark ausgebaut haben. Es kommt jetzt aber darauf an, die dort gewonnenen Ergebnisse wirklich für die Praxis zu nutzen, damit eine beschleunigte Innovation zustande kommt. Das heißt, der Umsetzungszeitraum zwischen einer Erfindung und der Durchsetzung der eigentlichen Innovation am Markt muß verkürzt werden. Ein ganz hervorragendes Projekt - wir haben es mittels der direkten Projektförderung wieder ausprobiert, meine Herren von der Opposition -, das uns in der Lage zu sein scheint, hier wesentliche Fortschritte zu bringen, ist die Ausdehnung der Innovationsberatung, damit der Zeitabstand zwischen der Erfindung und ihrer Durchsetzung am Markt verkürzt wird. Dies, insbesondere die Innovationsberatung, wäre eine Möglichkeit, gerade den kleinen und mittleren Unternehmen gezielt zu helfen. So wäre man in der Lage, die Leistungsfähigkeit und die dynamische Anpassungsfähigkeit der mittelständischen Wirtschaft zu nutzen, soweit sie vorhanden ist. Denn eines wissen wir auch: Niemand kann einen Unternehmer, von dem Sohmen einmal gesagt hat, daß er die Schlafmützenkonkurrenz am liebsten hätte, dazu zwingen, als dynamischer Unternehmer im Schumpeterschen Sinne aufzutreten und sich nicht mit der Rolle des „Wirtes” zufrieden zu geben. Diese Konzeption, meine Damen und Herren, scheint uns erheblich erfolgversprechender zu sein. Deswegen können wir uns mit dem Gießkannenprinzip der Opposition nicht befreunden. Ich möchte Sie herzlich bitten, in den Ausschußberatungen einmal ein bißchen mehr an Argumenten auf den Tisch zu legen. Sonst lohnt sich eine ernsthafte Beratung Ihres Antrages in den Ausschüssen wirklich kaum. ({12})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Laermann.

Prof. Dr. - Ing. Karl Hans Laermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001266, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst einmal den Kollegen Gerstein zu seiner ersten Rede hier im Plenum beglückwünschen. ({0}) Ich meine, daß dies auch hier - ebenso wie im Ausschuß - zu unserem Stil gehören sollte. Ich möchte sodann einmal versuchen, das, was hier an Vorschlägen zur Forschungs- und Technologiepolitik und neuen Ansätzen vorgetragen worden ist, zusammenzufassen. Es dürfte in diesem Hause wohl unstreitig sein, daß Forschung und Technologie für die Zukunft unseres Landes von entscheidender Bedeutung sind. Dies muß - zum wiederholten Male - in aller Deutlichkeit hervorgehoben werden. Ich darf dies auch für die FDP-Fraktion nochmals besonders betonen und möchte dabei auch auf die Ausführungen, die ich am 22. Juni dieses Jahres in der Haushaltsdebatte gemacht habe, verweisen. Wenn ich mir den vorliegenden Antrag der Opposition und die Begründung, die der Herr Kollege Gerstein dazu gegeben hat, ansehe und dazu das in Vergleich setze, was mein Vorredner, Herr Kollege Dr. Steger, an konkreten Vorschlägen gemacht hat, so meine ich, daß die Feststellung, daß wir die Situation der Forschung, die Notwendigkeit der Forschung und Entwicklung sowie ihre staatliche Förderung einhellig beurteilen, durch diese Ausführungen nachdrücklich belegt wird, wenn auch in den Nuancen Unterschiede bestehen. Aber lassen Sie mich, meine Damen und Herren von der Opposition, etwas kritisch sagen: Während Sie nun erst beginnen, Anträge betreffend neue, zweifellos auch notwendige Förderungsansätze zu stellen, und Aufträge erteilen, haben die Bundesregierung und die Koalitionsparteien seit langem über neue Möglichkeiten nachgedacht, haben sie bereits neue Lösungsvorschläge entwickelt, haben sie bereits gehandelt. In Ausfüllung der Ziffer 19 der Regierungserklärung vom 16. Dezember 1976 hat das Kabinett gestern ein Gesetz zur Änderung des Investitionszulagengesetzes als ersten Teil eines Gesamtkonzeptes zur Stärkung der Innovationskraft von kleinen und mittelständischen Unternehmen beschlossen, das bis Ende des Jahres abgeschlossen sein wird. Ich darf hier noch einmal kurz wiederholen, welche Maßnahmen darin vorgesehen sind: Verdoppelung des Zulagensatzes von 7,5 auf 15 v. H. für begünstigte Investitionsaufwendungen bis zur maximalen Höhe von 500 000 DM im Wirtschaftsjahr; Ausdehnung der Begünstigung auf Gebäude sowie Ausbauten und Erweiterungen von Gebäuden - das erscheint besonders wichtig -, die zu einem Drittel bis zu zwei Dritteln der Forschung und Entwicklung dienen; Ausdehnung - das ist ein ganz wichtiger Punkt - der Begünstigung auf bestimmte immaterielle Wirtschaftsgüter, die der Forschung und Entwicklung dienen. Hier ist insbesondere an den Erwerb von Patenten und Lizenzen gedacht. Dies alles halte ich für einen wesentlichen Schritt. Ich glaube, daß dies auch Ihre Zustimmung, die Zustimmung der Opposition, finden kann. Die Anhebung der Investitionszulage - in der Höhe begrenzt - kommt insbesondere den kleinen und mittleren Unternehmen zugute, bei denen die bisherigen steuerlichen Vergünstigungen wegen Umfang und wirtschaftlicher Lage nicht zu den erwarteten Wirkungen führen konnten. Auch gab und gibt es bei diesen mittelständischen Unternehmen selten eine Nutzung von Gebäuden für Forschung und Entwicklung über zwei Drittel Gebäudeanteil hinaus, so daß gerade die Herabsetzung der Untergrenze auf ein Drittel eine wesentliche Verbesserung für diese kleinen und mittleren Unternehmen darstellen wird. Mit diesen Maßnahmen, welche die FDP-Fraktion ausdrücklich begrüßt, wird sicherlich ein deutlicher Schritt zur Verbesserung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit gerade der kleineren und mittleren Unternehmen getan werden. Die Einbeziehung erworbener aktivierungspflichtiger immaterieller Wirtschaftsgüter in die Begünstigung wird ebenfalls den Unternehmen zugute kommen, die nicht über eigene Forschungs- und Entwicklungskapazität verfügen. Dadurch wird eine wünschenswerte und seit langem immer wieder auch von der FDP geforderte Verbesserung des Transfers von Forschungsergebnissen, eine Verbesserung der Verfügbarkeit insbesondere der staatlich geförderten technischen Entwicklungen zu erzielen sein. Aber sicherlich, meine Kollegen von der Opposition, wird es nicht allein mit steuerlichen Maßnahmen, die Sie im Antrag fordern, getan sein, sondern es muß hier noch flankierende Maßnahmen geben. Diese sollen und können die Anreize zur eigenen Forschungsförderung und Forschung und Entwicklung noch wesentlich verstärken, ohne - ich betone ausdrücklich: ohne - daß dadurch zusätzliche finanzielle Belastungen entstehen müssen. Ich könnte mir im Gegensatz zu den Ausführungen des Kollegen Steger vorstellen, daß es sehr wohl für Projekte kleineren Umfangs möglich ist, den bürokratischen Aufwand, der, wie ich auch erfahren habe, in der Tat viele Unternehmen abschreckt, überhaupt Förderungsanträge zu stellen, zu reduzieren, daß man für diese kleineren Projekte das Beantragungs- und Bewirtschaftungsverfahren vereinfacht. ({1}) Man könnte auch überlegen, ob nicht überhaupt für kleinere Projekte und für kleinere Unternehmen Zuwendungen auf Kostenbasis möglich sein sollten. Ich meine, daß hier noch einige Überlegung notwendig ist. Aber die Sache scheint es mir wert, daß wir dieses im Ausschuß einmal mit aller Intensität angehen. Ich nehme an, daß sich auch der Bundesminister für Forschung und Technologie ähnlichen Überlegungen nicht verschließen wird.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Steger?

Dr. Ulrich Steger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002227, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Laermann, stimmen Sie mit mir darüber überein, daß natürlich alle Parteien den Abbau von bürokratischen Hemmnissen wollen, daß aber die Schwierigkeit - wir erwarten hier auch konstruktive Vorschläge von der Opposition - darin liegt, zu verhindern, daß der Abbau von bürokratischen Hemmnissen nicht zugleich dem Mißbrauch von Forschungs- und Technologiemitteln Tür und Tor öffnet? Stimmen Sie mir zu, daß wir zur Lösung dieses Zielkonflikts zwischen Einfachheit und Mißbrauchsmöglichkeit gemeinsam Vorschläge entwickeln und diesen Zustand nicht nur beklagen sollten?

Prof. Dr. - Ing. Karl Hans Laermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001266, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Steger, ich stimme Ihnen zu, daß wir uns gemeinsam darum bemühen sollten, hier Lösungsvorschläge zu ent3230 wickeln. Ich meine, daß wir dabei auch sehr wohl überprüfen müssen, ob die Höhe einer Zuwendung für die Durchführung eines Projekts noch in einem vernünftigen Rahmen zu den Aufwendungen für die Kontrollen und Kontrollmaßnahmen steht. ({0}) Wir sollten im Detail darüber durchaus beraten. Hier ist sicherlich nicht der Ort, dies zu tun. Lassen Sie mich noch einen zweiten Punkt anführen. Ich meine, daß es notwendig ist, daß die Selbstverwaltungsorganisationen von Industrie und Handwerk stärker initiativ und aktiv werden bei Hilfe und Beratung über Innovations- und Forschungsförderungsmöglichkeiten, bei Hilfe und Beratung zur Herstellung von Kontakten zu öffentlichen und privaten Forschungseinrichtungen wie z. B. der Arbeitsgemeinschaft Industrieller Forschungsvereinigungen, der Fraunhofer-Gesellschaft oder auch zu den Hochschulen. Diese Selbstverwaltungsorganisationen sollten stärker koordinierend wirken und könnten wesentlich zur Verbesserung des Austausches von Forschungs- und Entwicklungsergebnissen beitragen. Einzelne Industrie- und Handelskammern haben hier bereits sehr erfolgversprechende Ansätze entwickelt. Das RKW und auch der VDI haben sich mit um diese Aufgabe bemüht. Unter Berücksichtigung des Umstands, daß in den kleinen und mittleren Unternehmen nicht immer ein ständiger Bedarf an Forschungs- und Entwicklungskapazität vorhanden ist, daß es daher aus ökonomischen Gründen nicht immer vertretbar und sinnvoll erscheint, solche Kapazitäten aufzubauen, müßte bei den Beratungen der Regierungsvorlage und bei den Beratungen über Ihren Antrag überlegt werden, wie die Auftragsforschung, also die externe Forschung in die Begünstigung mit einbezogen werden kann. Forschungs- und Entwicklungspotential bei den öffentlichen und privaten Institutionen, besonders aber bei den Hochschulen, sollte vorhanden sein. Eine verstärkte Förderung der Vertragsforschung wird der Kooperation zwischen Wirtschaft und Industrie und den genannten Forschungseinrichtungen neue Impulse geben und wird damit auch wesentlich zum besseren und schnelleren Transfer von Ergebnissen und so unter Umständen zur praxisnäheren Forschung an den Hochschuleinrichtungen führen können. Er erscheint uns weiterhin notwendig, die Lohn- und Gehaltssumme für Forschungs- und Entwicklungsvorhaben in die Begünstigungen einzubeziehen; denn gerade die Personalkosten im Forschungs- und Entwicklungsbereich sind enorm angestiegen. Sie stellen den größten Kostenfaktor dar, der gerade die kleinen und mittleren Unternehmen erheblich belastet. Wie bei der Investitionszulage könnte auch hier an eine Begrenzung nach oben gedacht werden. Der beschäftigungspolitische Effekt einer solchen Maßnahme darf dabei nicht außer Betracht bleiben. Bei Schaffung einer Personalstelle für einen hochqualifizierten Spezialisten fallen zugleich fünf bis sechs nachgeordnete Arbeitsplätze, etwa für Laboranten, an. Bei dem notwendigen und unvermeidbaren Strukturwandel fallen zukünftig weitere Arbeitsplätze im Produktionsbereich weg. ({1}) Dafür sind im Dienstleistungsbereich, besonders aber im Forschungs- und Entwicklungsbereich wegen des steigenden Anteils im Bereich des Engineering neue Arbeitsplätze mit unterschiedlichen Qualifikationsanforderungen zu schaffen. Die zuletzt gemachten Vorschläge lassen sich zwar aus gesetzessystematischen Gründen mit einer Änderung des Investitionszulagengesetzes nicht erfassen; sie sollten aber Bestandteil des Gesamtkonzeptes sein und bei den Beratungen des Antrages und der Regierungsvorlage im Ausschuß berücksichtigt werden. Lassen Sie mich abschließend eine grundsätzliche Bemerkung zum Verhältnis der direkten zur indirekten Forschungs- und Entwicklungsförderung machen. Herr Kollege Gerstein, Sie haben vorhin festgestellt, daß sich das Verhältnis der direkten zur indirekten Forschungsförderung von 1 : 2 auf 1 : 18 verändert habe. Aber dabei müssen Sie doch bitte berücksichtigen, daß der Mittelansatz im Forschungshaushalt für die direkte Forschungsförderung insgesamt in den Haushalten der letzten Jahre erheblich gestiegen ist und daß auch nach dem Haushaltsvorschlag dieses Jahres eine sehr hohe Steigerung - um nahezu 15 % - vorgesehen ist. Sie können doch, wenn Sie solche Zahlen nennen, diese Tatsache nicht verschweigen. Das ist der Nachteil einer Statistik, wenn man die Bezugsgröße nicht nennt. ({2}) Lassen Sie mich noch eine Bemerkung dazu machen. Ich gehe davon aus, daß auch die Opposition bei ihrem Antrag die Situation der kleinen und mittelständischen Unternehmen im Auge gehabt hat; ({3}) denn sie hat in der jüngsten Vergangenheit in der Öffentlichkeit immer wieder dargestellt, daß die wesentlichen Mittel aus dem Forschungshaushalt für die Projektförderung den wenigen Großunternehmen zugute gekommen und die kleinen und mittleren Unternehmen daran eben nicht beteiligt gewesen seien, wie es geboten gewesen wäre. Diese Darstellung führt mich zu der Vermutung, daß Sie sich auch bei der indirekten Forschungsförderung sehr wohl für Vorschläge und Maßnahmen einsetzen, die den kleinen und mittleren Unternehmen zugute kommen. Das kann bei dem bisherigen Verfahren der indirekten Forschungsförderung wohl nicht mit Fug und Recht behauptet werden. Ich meine deshalb, daß die Ansätze der Bundesregierung in diesem Bereich durchaus in die richtige Richtung zielen; denn sie stärken die Anpassungs- und Reaktionsfähigkeit der kleinen und mittleren Unternehmen im technologischen Wandel, sie stellen eine besondere Begünstigung der kleinen und mittelständischen Unternehmen durch Einführung der Höchstbegrenzung dar, sie garantieren einen besseren Technologietransfer zwischen forschungsintensiven Stellen und den kleinen und mittelständischen Unternehmen, und sie verbessern den Zugang zur externen Forschung und zu technologischen Dienstleistungen. Die Ergebnisse und Erkenntnisse von Forschungen - gerade dann, wenn sie staatlicherseits gefördert wurden - müssen - darüber sind wir sicher einer Meinung - kontinuierlich in den Markt überführt und damit volkswirtschaftlich nutzbar gemacht werden. In dieser kommerziellen Phase der Technologieförderung muß die politische Stützung entsprechend den Prinzipien unserer Wirtschaftsordnung aus dem Bereich „Forschung" in die Verantwortlichkeit der Wirtschaftspolitik überführt werden. Der Staat hat sich zurückzuziehen, hat nur noch Hilfen zum Markt zu geben. Andernfalls besteht die große Gefahr, daß Forschungsförderung den Charakter von Subventionen erhält und zur Investitionslenkung entartet. ({4}) Dabei wächst einerseits die Gefahr einer Förderung am Markt vorbei, zum anderen aber werden unter Umständen notwendige Strukturbereinigungen verhindert. Es erscheint daher folgerichtig, grundsätzlich im marktnahen Entwicklungsbereich die direkte finanzielle Förderung zugunsten einer verstärkten indirekten Forschungsförderung zurückzufahren. Ich meine aber, daß mit einem Ausbau der indirekten Förderung ein Abbau der direkten Förderung nicht notwendigerweise verbunden sein darf. Direkte Forschungsförderung und indirekte Förderung haben jeweils spezifische Wirkungen. Sie sind keine substituierbaren Alternativen. Es ist auch seitens der Bundesregierung nicht beabsichtigt, eine Alternative zwischen direkter und indirekter Forschungsförderung zu stellen, wie sehr wohl die Erhöhung des Forschungsetats mit annähernd 15 % deutlich beweist. Diese Erhöhung soil überwiegend für die Projektförderung eingesetzt werden. Ich meine, daß die Vorlage der Regierung bereits eine vernünftige Grundlage für eine Änderung der Forschungspolitik und Förderungspolitik ist und im Grunde genommen Ihrem. Antrag wohl im wesentlichen entspricht. Wir empfehlen die Überweisung an den Ausschuß. ({5})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Überweisungsvorschlag des Äitestenrates liegt Ihnen vor. Erhebt sich dagegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Es ist so beschlossen. Ich rufe den zweiten Zusatzpunkt zur Tagesordnung auf: Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Hammans, Burger, Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, Braun, Frau Karwatzki, Dr. Reimers, Frau Geier, Frau Dr. Neumeister und Genossen und der Fraktion der CDU/ CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Beruf des Logopäden - Drucksache 8/741 -Überweisungsvorschlag Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit ({0}) Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Dazu hat Herr Abgeordneter Dr. Hammans das Wort.

Dr. Hugo Hammans (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000794, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich mich der Problematik dieses Gesetzentwurfs über den Beruf des Logopäden zuwende, gestatten Sie mir ein Wort zum Wort. ({0}) - Herr Kollege, genau das wollte ich gerade tun. Das Wort „Logopäde" stammt aus zwei griechischen Wortstämmen, nämlich λόγος und πaιδεvειν, und bedeutet soviel wie „Sprech-" oder „Spracherzieher". Den Begriff Logopäden haben wir eigentlich sehr ungern übernommen. Er entspricht aber einer Bitte der Berufsvertretung. Wir haben uns schließlich diesen Wünschen nicht verschließen können. Im übrigen aber möchte ich durchaus meine Freude darüber zum Ausdruck bringen, daß es, wenn es schon ein Fremdwort ist, einmal aus dem klassischen Griechischen stammt, und nicht, wie neuerdings sonst immer üblich, aus dem Angloamerikanischen. Bereits in der vergangenen Legislaturperiode hatte die CDU/CSU-Fraktion mit der Vorlage eines Gesetzentwurfs über den Beruf des Logopäden den Versuch unternommen, für die Zulassung zu diesem Beruf eine bundeseinheitliche Regelung zu schaffen. Obwohl die Bundesregierung wiederholt auf die Notwendigkeit hingewiesen hatte, daß für diesen nichtärztlichen Heilberuf zu wenig Fachkräfte zur Verfügung stehen, hat sie sich mit allen nur erdenklichen Tricks dagegen gesträubt, diesen Gesetzentwurf zu verabschieden. So hat sie noch vor Abschluß der letzten Legislaturperiode im zuständigen Bundestagsausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit durch ein völlig überflüssiges Anhörungsverfahren von Sachverständigen am 23. Juni 1976 die Verabschiedung des Gesetzentwurfes so verzögert, daß eine Erlangung der Gesetzeskraft in der letzten Legislaturperiode nicht mehr möglich war. Meine Frage am Ende der Anhörung, ob nicht auch die Sachverständigen der Meinung seien, daß dieses Anhörungsverfahren überflüssig gewesen sei, wurde von allen Anwesenden bejaht. Meine Damen und Herren, die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien vernachlässigen die Probleme der nichtärztlichen Teilberufe seit Jahren in gravierender Weise. Sie begründet dies mit Personalknappheit, die in diesen Bereichen in der Tat besteht. Wir möchten als Opposition der Bundesregierung empfehlen, aus dem Grundsatzbereich des Ministeriums und aus den Bereichen, in denen die Selbstdarstellung dieses Hauses betrieben wird, eine Reihe von Sachverständigen abzuziehen und sie in den anderen Bereich zu versetzen. Ich bin überzeugt, daß dann in Kürze auch in anderen Bereichen wie bei den Hebammen und anderen, die auf eine Neuerung des Berufsbildes warten, endlich Gesetzesvorlagen aus Ihrem Hause kommen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär. Beim Berufsbild des Logopäden handelt es sich um einen dem medizinischen Bereich zugehörigen nichtärztlichen Heilberuf, dessen Tätigkeit in erster Linie die Erkennung von Hör-, Stimm- und Sprachkrankheiten umfaßt. Seine Arbeit geschieht auf der Grundlage einer naturwissenschaftlichen Betrachtung der von ihm behandelten Krankheiten und Behinderungen unter Hinzunahme von Kenntnissen über die psychologischen und pädagogischen Zusammenhänge der Störungskomplexe. Die zunehmende Bedeutung dieses Berufs ergibt sich aus der ständig steigenden Zahl hör-, stimm- und sprachgeschädigter Patienten, hier insbesondere auch bei Kindern aus nicht intakten Familien. Gegenwärtig gibt es in der Bundesrepublik etwa 1,2 Millionen Personen, die auf Grund von Sprachoder Stimmstörungen behandlungsbedürftig sind. Sie sind als körperlich kranke Menschen anzusehen, bei denen geistige oder seelische Ursachen und Folgen die Relevanz einer fachmedizinischen Vorsorgeuntersuchung und unter Umständen auch einer Therapie nicht zu entkräften vermögen. Es ist nicht zu bestreiten, daß zur Zeit für die betroffenen Personen eine ungenügende medizinische Betreuung besteht und somit eine beängstigende Unterversorgung vorhanden ist. Besonders im Bereich der Universitätskliniken ist oftmals nicht sichergestellt, daß dringende Fälle versorgt werden können. Die Folge im ganzen ist eine ungenügende geistige, soziale und berufliche Entwicklung zahlreicher Kinder, Jugendlicher und auch erwachsener Menschen. Zur Betreuung dieser kranken Menschen sind Logopäden vor allem in Kliniken, Rehabilitationseinrichtungen im öffentlichen Gesundheitsdienst, Sonderschulen, Kindergärten und Erziehungsberatungsstellen, aber auch in eigenen Praxen tätig. Die Forderung nach einer bundeseinheitlichen Regelung ergibt sich aus der Notwendigkeit, eine gleichmäßige Versorgung der Krankenhäuser, Rehabilitationsstätten und ähnlicher Einrichtungen mit entsprechend ausgebildeten Personen auf Dauer sicherzustellen. Bei dem aufgezeigten Bedürfnis nach fachmedizinischer Betreuung ist festzustellen, daß der gegenwärtig großen Zahl von Patienten in der Bundesrepublik eine nicht ausreichende Zahl von ausgebildeten Logopäden gegenübersteht. Wie ich in der Begründung des bereits in der 7. Legislaturperiode vorgelegten Gesetzentwurfs ausführte, stehen dem geringen Angebot an Ausbildungsplätzen eine Vielzahl von Bewerbern gegenüber. Meine Damen und Herren, es ist beschämend, wenn sich in unserem Land, das sich durch einen hohen Stand der medizinischen Forschung auszeichnet, zwar die Diagnose- und Therapieverfahren gerade bei der Behandlung von hör- und stimmgeschädigten Personen ständig verbessert haben, es aber andererseits nicht möglich ist, die medizinische Versorgung selbst durch ein ausreichendes Angebot an qualifiziertem Fachpersonal sicherzustellen. Mir erscheint es unverständlich, warum die Bundesregierung nach wie vor nicht bereit ist, die notwendigen Maßnahmen zu treffen. Dieses Mißverhältnis zwischen vorhandenem Bedarf an ausgebildetem Fachpersonal und der Zahl zu behandelnder Patienten soil durch den vorgelegten Gesetzentwurf zur bundeseinheitlichen Regelung des Berufsbildes des Logopäden beseitigt werden. Meine Damen und Herren, die Einbringung des Gesetzentwurfes, den wir vorlegen, wäre eigentlich Aufgabe der Bundesregierung gewesen. Auch ist nicht einzusehen, warum bei den minimalen Kosten, die bei der Schaffung eines solchen einheitlichen Berufsbildes in den Ländern entstehen, eine bundeseinheitliche Regelung ständig hinausgeschoben werden soil. Wie verworren die Konzeption der Bundesregierung auch auf diesem Gebiet ist, zeigt sich mit aller Deutlichkeit darin, daß die Bundesregierung auf die Frage des SPD-Abgeordneten Dr. Geßner in der Drucksache 8/778, ob die Bundesregierung die Absicht habe, zum Schutze der Berufsbezeichnung ,, Logορäde" eine Initiative zu ergreifen, durch den Parlamentarischen Staatssekretär Zander lapidar antwortet, daß sich die Bundesregierung schon seit längerem mit der Möglichkeit einer bundeseinheitlichen Regelung der Zulassung zum Beruf des Logopäden befasse und die Notwendigkeit einer bundesgesetzlichen Regelung anerkenne; besonders auffällig ist hierbei die Einlassung, daß sie das Gesetzgebungsverfahren zum Beruf des, Logopäden bei ihrer Arbeitsplanung als besonders dringlich eingestuft habe. Soweit die Äußerungen der Bundesregierung. Meine Damen und Herren, kein Hinweis in der Antwort auf die Frage des Kollegen Geßner darauf, daß die Opposition bereits in der 7. Legislaturperiode einen Gesetzentwurf eingereicht hatte; kein Wort davon, daß zwei Tage vor der Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs auf die Frage des Kollegen die Drucksache der CDU/CSU-Fraktion im 8. Deutschen Bundestag vorlag! Es bleibt allerdings abzuwarten, inwieweit die Bundesregierung nunmehr bereit ist, den jetzt vorgelegten Gesetzentwurf zügig zu beraten und ihre bislang geübte Verzögerungstaktik aufzugeben. Ich hoffe, daß es gelingen wird, diesen Gesetzentwurf recht bald im Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit zu beraten, und ich darf Sie bitten, Frau Präsidentin, daß über einen entsprechenden Überweisungsvorschlag abgestimmt wird. ({1})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jaunich.

Horst Jaunich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001022, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte mir in Anbetracht der Tatsache, daß wir die grundsätzlichen Ausführungen, die in einer ersten Lesung zu machen sind, hier seitens aller Parteien bereits in der 7. Wahlperiode abgegeben haben, eigentlich vorgeJaunich nommen, es ganz kurz zu machen, und ich wollte eigentlich auch - da Herbert Wehner heute morgen in der Aussprache über die Regierungserklärung von Bundeskanzler Helmut Schmidt einmal etwas zu seinem und unserem Verständnis von Politik ausformuliert hat - bei der Regelung dieser Frage auf jegliche polemische Äußerung verzichten. Ich muß davon Abstand nehmen, nachdem sich Herr Dr. Hammans hier in maßloser Polemik ergangen hat. ({0}) - Ja, ja, nun seien Sie mal nicht so empfindlich, Herr Dr. Hammans! ({1}) - Hören Sie doch zu! Haben Sie doch die Souveränität, zuzuhören! ({2}) - Ich kann Sie nicht verstehen, aber versuchen Sie nicht, mir meine Redezeit zu stehlen. Es wird Ihnen nicht gelingen. Zur Sache: Sie haben sich hier dazu verstiegen, die Koalitionsfraktionen zu beschuldigen, wir hätten die Verabschiedung dieses Gesetzes in der 7. Legislaturperiode dadurch torpediert, daß wir eine unsinnige Anhörung veranstaltet hätten. ({3}) Ich muß dies auf das schärfste zurückweisen, und ich muß sagen, daß das, was Sie hier als Ergebnis dieser nichtöffentlichen Anhörung zitieren, daß nämlich die Sachverständigen gesagt hätten, dies sei eine überflüssige Veranstaltung gewesen, so dort überhaupt nicht erkennbar gewesen ist. ({4}) Im Gegenteil, Sie selbst und die Kolleginnen und Kollegen Ihrer Fraktion haben sich durch Fragen an die Sachverständigen aktiv an dieser Anhörung beteiligt, und - das werden Sie doch wohl nicht bestreiten wollen - Sie haben ja auch aus dieser Anhörung Erkenntnisse gezogen, die Sie bei der Wiedereinbringung Ihres damaligen Entwurfs im 8. Deutschen Bundestag realisiert haben. Sie haben sich also selbst ad absurdum geführt, wenn Sie eben gesagt haben, daß die Anhörung überflüssig gewesen sei. Zum zweiten möchte ich mit einer Legende aufräumen, die sich bilden könnte. Denn Sie haben eben hier den Eindruck zu erwecken versucht, den 1,2 Millionen sprach- und stimmgestörten Menschen in unserem Land könne es nur darum gehen, daß dieser Beruf eine gesetzliche Fundierung erhalte. Dies ist eine völlig falsche Betrachtungsweise. Sie führt in die Irre. Denn so wichtig eine bundeseinheitliche Regelung dieses nichtärztlichen Heilberufs ist, bleibt es doch auch nach Verabschiedung dieses Gesetzes Tatsache, daß es zu wenig Ausbildungsplätze für diesen Beruf geben wird. Deshalb ist aufs neue, wie ich bereits bei den Beratungen in der 7. Wahlperiode des Deutschen Bundestags ausgeführt habe, nachdrücklich an die Bundesländer zu appellieren, die entsprechende Ausbildungskapazität zu schaffen. Herr Dr. Hammans, es besteht hier ja auch nicht etwa eine Nachfragehemmung, weil dieses Berufsbild nicht geregelt ist. Sie haben selbst darauf hingewiesen, wie groß das Mißverhältnis zwischen jenen, die diesen Beruf erlernen wollen, und der Ausbildungskapazität ist. Es kommt also nicht darauf an, den Beruf durch die Schaffung des Berufsbilds so attraktiv zu machen, daß sich die Menschen zur Verfügung stellen, die wir für diese Betreuung sprach- und stimmgeschädigter Mitbürger benötigen. Aus unseren Beratungen darf sich also nicht der Eindruck verfestigen, durch die Verabschiedung dieses Gesetzes würde die Mangelsituation in der Therapie dieser geschädigten Menschen verbessert. Vor dieser Legende muß nachdrücklich gewarnt werden. Der von Ihnen vorgelegte Entwurf vergrößert, wenn er so Gesetz würde, sogar allenfalls die Gefahr, daß künftig weniger Therapeuten zur Verfügung stehen, um sprach- und stimmgeschädigten Menschen zu helfen. Denn Sie haben als Vorlage für Ihren Gesetzentwurf - das ist ja nicht zu bestreiten; darüber haben wir ja schon in der 7. Wahlperiode debattiert - den Gesetzentwurf der Bundesregierung bezüglich der Beschäftigungs- und Arbeitstherapeuten genommen. Herr Dr. Hammans, es wäre besser gewesen, Sie hätten nicht den Entwurf zur Vorlage Ihres Gesetzentwurfs genommen, sondern das verabschiedete Gesetz. Dort haben wir - Herr Burger wird mir zustimmen - in der Schlußphase der Beratungen in § 8 Abs. 4 als Übergangsregelung die Bestimmung aufgenommen, die solchen Menschen, die fünf Jahre lang die Tätigkeit eines Beschäftigungs- und Arbeitstherapeuten ausgeübt haben, die Möglichkeit eröffnet, nach Nachholung einer Prüfung die Tätigkeit als Beschäftigungs- und Arbeitstherapeut unter dieser Berufsbezeichnung auszuüben. Eine ähnliche Bestimmung fehlt in Ihrem Entwurf. Wir werden bei den Ausschußberatungen darauf drängen, daß sie aufgenommen wird. Denn wir wissen aus der Anhörung und aus Eingaben, daß es neben denen, die zum Zentralverband der Logopädie gehören, eine große Zahl von anderen gibt, bei denen die Ausrichtung nicht so eindeutig medizinisch wie bei den Logopäden ist. Es ist völlig klar, daß wir, wenn wir dieses Berufsbild endgültig geregelt haben, jenen die Gelegenheit geben, den medizinischen Teil nachzuholen, damit auch sie für die Behandlung dieser 1,2 Millionen Menschen zur Verfügung stehen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hammans?

Horst Jaunich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001022, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja.

Dr. Hugo Hammans (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000794, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Jaunich, glauben Sie nicht, daß mit der in § 8 Abs. 2 des Gesetzentwurfs vorgesehenen Regelung, wonach derjenige, der bereits eine Erlaubnis zur Führung einer bestimmten Berufsbezeichnung besitzt, zum Weiterführen dieser Berufsbezeichnung berechtigt ist, auch gemeint ist, daß wir bei den Ausschußberatungen ganz präzis feststellen werden, welche in der Vergangenheit schon genannten Berufe hier einbezogen werden können? Genau das ist damit gemeint.

Horst Jaunich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001022, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Dr. Hammans, ich kann dem nicht zustimmen. Dies wird von Ihnen möglicherweise so ausgelegt. Ich wäre mit dieser Regelung nicht zufrieden. Denn ich erwarte von jenem Personenkreis auch, daß er ein Prüfungsergebnis nach diesen Regelungen zustande bringt. Wir sollten ihm jedoch die Möglichkeit eröffnen, dies innerhalb einer Übergangsfrist zu tun. ({0}) - Natürlich. Ich kann das hier nicht anders darlegen. Ich will nur noch eines sagen. Diese Fragen werden im Vordergrund unserer Beratungen im zuständigen federführenden Ausschuß stehen. Nun ist ja die Bundesregierung zwischenzeitlich an die Arbeit gegangen und hat die Arbeiten an der Ausbildungs- und Prüfungsordnung aufgenommen. Dies war auch ein Hemmnis für die endgültige Verabschiedung. So sind also die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß wir in Kürze zu einer abschließenden Beratung dieses Gesetzentwurfes kommen werden. An die Bundesregierung möchte ich die Aufforderung richten, sich bei den Arbeiten an der Ausbildungsordnung konzeptionell darauf einzustellen, daß ein einheitliches Grundbildungsjahr für mehrere Berufszweige, die im Bereich der Rehabilitation tätig sind, durch diese Ausbildungsordnung nicht unmöglich gemacht wird. Für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion kann ich erklären, daß wir, gestützt auf die Vorarbeiten in der 7. Legislaturperiode, auf die wichtigen Erkenntnisse in der Anhörung, die wir dort gefunden haben, an einer zügigen Beratung und Verabschiedung dieses Gesetzentwurfes interessiert sind. An Sie habe ich eine Bitte, Herr Dr. Hammans. Beim Abschreiben des Entwurfes aus der 7. Legislaturperiode ({1}) - gut, beim Umschreiben - für die 8 Legislaturperiode ist Ihnen ein gravierender Fehler unterlaufen. ({2}) - § 10 fehlt wohl nur als Ausformulierung; das wollte ich noch durchgehen lassen. Aber in der Begründung zu § 4 sagen Sie: Als Voraussetzung für die Zulassung zu dieser Ausbildung wird eine abgeschlossene Realschulbildung und eine sozialpädagogische oder pflegerische Ausbildung .. oder eine andere gleichwertige Ausbildung vorausgesetzt, damit ist u. a. auch das Abitur zu verstehen. In Ihrem neuen Entwurf haben Sie in § 4 das Abitur expressis verbis vorgesehen, so daß diese Erwähnung sicherlich herausgenommen werden muß. Ich hätte Ihnen eigentlich gewünscht, daß Sie diese Unkorrektheit selbst bemerkt hätten und für eine entsprechende Korrektur gesorgt hätten. ({3})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Spitzmüller.

Kurt Spitzmüller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002202, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsident! Verehrte Frau Schriftführerin! Meine Herren! Wir beschäftigen uns heute in erster Lesung mit einem Gesetzentwurf der Opposition, den sie fast in der gleichen Fassung im August 1975 schon in den letzten Bundestag eingebracht hatte. Meine damalige Kollegin Frau Barbara Lüdemann hat für meine Fraktion in der ersten Beratung dieses Entwurfes im November 1975 ausführlich dazu Stellung genommen, so daß ich mich heute kurz fassen kann. Vorab möchte ich ein kurzes Wort zu den Vorwürfen des Sprechers der Opposition sagen. Die Anhörung im Ausschuß war sicherlich nützlich und notwendig; denn sie schafft uns eine ganze Menge Voraussetzungen für die Beratungen in diesem Bundestag; das ist damals vom Vorsitzenden und von anderen festgestellt worden. Zu den Vorwürfen an die Regierung kann ich nur bemerken: Auch wir Freien Demokraten sind nicht glücklich darüber, daß es dem Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit trotz zahlreicher Ankündigungen während der letzten Jahre nicht gelungen ist, einen eigenen Gesetzentwurf vorzulegen. Wir beklagen auch bei anderen Berufsbildern, die dringend neu geregelt werden müßten, einen allzu schleppenden Fortgang der Vorarbeiten, so z. B. bei den Psychologen. Ich möchte an dieser Stelle aber auch die Erwartung aussprechen, daß es meiner verehrten Kollegin Frau Minister Huber mit ihrer kürzlich verfügten Neuordnung und personellen Verstärkung in diesem Bereich gelingen wird, frühere Versäumnisse auszubügeln. Andererseits - insoweit muß ich das Ministerium nachdrücklich in Schutz nehmen - kann die Regierung bei der Vorlage eines Gesetzentwurfs nicht mit ebenso leichter, ja leichtfertiger Hand vorgehen, wie dies die Opposition im 7. und 8. Deutschen Bundestag getan hat. ({0}) So ist es der CDU/CSU-Fraktion offensichtlich auch in den beiden Jahren seit Einbringung ihres ersten Entwurfs nicht gelungen, zu der schlechterdings doch auch entscheidenden Frage der Kosten wesentlich mehr als die Binsenweisheit zu verkünden, daß überhaupt Kosten entstehen. ({1}) So nachzulesen im Vorblatt des Entwurfs. Dabei ist Ihnen sogar noch ein kleiner Fehler unterlaufen. Sie schreiben dort: „Dem Bund entstehen keine Kosten". Natürlich entstehen auch dem Bund Kosten, wenn, was wir alle wollen, mehr Ausbildungsplätze angeboten werden. Die Kosten entstehen dem Bund dann über das BAföG. Diese Kosten würden wir aber gern tragen. Man sollte allerdings feststellen, daß die Entstehung von Kosten für den Bund im Bereich des Möglichen, ja im Bereich des Wünschenswerten liegt. ({2}) In der Begründung wird das Kernproblem der Kosten geflissentlich mit keinem Wort erwähnt. So, Herr Dr. Hammans, kann man natürlich die Vorlage eines Gesetzentwurfs sehr einfach beschleunigen und dann der Bundesregierung Vorwürfe machen, daß sie nicht schneller handle als die Opposition. Meine Damen und Herren von der Opposition, lassen Sie mich unter diesem Gesichtspunkt einmal von einer einfachen Überlegung ausgehen. Nach der im wesentlichen unbestrittenen und auch bei der Anhörung im vergangenen Jahr bestätigten Statistik auf diesem Gebiet - Sie haben das noch einmal ausgeführt - verfügen wir bei rund 1,2 Millionen sprech-, stimm- und gehörgestörten Menschen in der Bundesrepublik nur über rund 300 ausgebildete Logopäden, die an gegenwärtig nicht mehr als acht entsprechenden Schulen mit wenig mehr als 50 Plätzen jährlich ausgebildet werden. Der tatsächliche Bedarf an Logopäden wird dagegen auf mindestens 3 000 geschätzt. Um die Zahl der benötigten Fachkräfte von 300 auf 3 000 zu erhöhen - es fehlt zwar bloß eine Null, die rechts steht, aber dabei geht es um eine Verzehnfachung dessen, was jetzt vorhanden ist -, brauchen wir, wenn die Ausbildungskapazitäten nicht vergrößert werden, 54 Jahre, also bis zum Jahre 2031. Hinzurechnen müssen wir noch den Abgang von Fachkräften wegen Erreichung der Altersgrenze und aus anderen Gründen, so daß ohne Erweiterung der Ausbildungskapazitäten die Bedarfsdeckung noch viele Jahre später eintreten würde. Wenn wir außerdem die Ausbildungsdauer, die heute zum großen Teil noch bei zwei oder zweieinhalb Jahren liegt, dem Vorschlag der Opposition entsprechend auf drei Jahre verlängern, brauchen wir bis zur Mitte des nächsten Jahrhunderts, um den Bedarf an Logopäden zu decken. Daß dies, meine Damen und Herren von der Opposition ihr Ziel nicht ist, weiß ich; das will ich Ihnen auch gar nicht unterstellen. Es kann also nur die Schlußfolgerung gezogen werden, daß das Angebot an Ausbildungsplätzen merklich erhöht werden muß. Das aber fällt in die Zuständigkeit und Verantwortlichkeit der Länder. Gottlob geschieht ja da und dort einiges, z. B. in Heidelberg, wo im Oktober eine Ausbildungsstätte für zunächst 20 Bewerber eröffnet wird. Die notwendige merkliche Vermehrung der Ausbildungsplätze wird aber zur Folge haben, daß erhebliche Mehrkosten nicht nur, wie die Opposition in ihrem Entwurf behauptet, bei denjenigen Ländern entstehen, die Lehranstalten mit weniger als drei Jahren Ausbildungszeit unterhalten, sondern bei allen Ländern. Jedenfalls will ich hoffen, daß das Ausbildungsplatzangebot in allen Ländern vermehrt wird, also für alle Länder Mehrkosten entstehen. Mit meiner etwas schockierenden Rechnung wollte ich vor allem eines herausarbeiten: Machen wir uns von der Versuchung frei, das Berufsbild des Logopäden in jeder Hinsicht - Vorbildung, Ausbildung und nicht zuletzt auch Bezahlung - auf Anhieb und im ersten Anlauf optimal regeln zu wollen! Selbstverständlich müssen die Voraussetzungen der Vor- und Ausbildung der Logopäden in einer sinnvollen Relation zu den Anforderungen an vergleichbare Ausbildungsgänge stehen. Unter Umständen erreichen wir aber für viele Patienten - auch das muß überlegt werden -, die heute und auf absehbare Zeit noch auf eine qualifizierte logopädische Behandlung verzichten müssen, mehr, wenn wir uns für die nächsten Jahre zunächst mit einer etwas bescheideneren Lösung, mit der Deckung des allerdringendsten Bedarfs, begnügen. Ich meine, lieber schon in unmittelbarer Zukunft mehr ordentlich ausgebildete Logopäden als auf lange Sicht wenige, dafür optimal ausgebildete Absolventen! Schließlich ist auch die Nachfrage nach diesem Beruf außerordentlich groß. Es warten zur Zeit Tausende von Bewerbern, von denen gegenwärtig durch den faktischen Numerus clausus nur eine Handvoll die Chance hat, in diesen Berufsgang hineinzukommen. Daß die dreijährige Ausbildung wünschenswert und als Ziel erstrebenswert und notwendig ist, möchte ich hier gar nicht in Abrede stellen. Doch es muß gefragt werden: Wäre es eigentlich für die Patienten so schlimm, wenn wir sozusagen den ersten großen Schub der in den nächsten Jahren so besonders dringend benötigten Logopäden kürzer als drei Jahre ausbildeten? Wir müßten ihnen nur zugleich - und das wird in § 8 Ihres Entwurfs ein bißchen angesprochen - die Möglichkeit einer Fortbildung eröffnen, die ihnen den Anschluß an den Stand länger ausgebildeter Kollegen ermöglichte. Diese schwierige Frage sollten Koalition und Opposition im Ausschuß unvoreingenommen und mit Vorrang behandeln. Für die sachliche Beratung im Ausschuß aber, meine Damen und Herren von der Opposition, müssen wir auch die Meinung der Bundesländer kennen; denn sie haben die Verantwortung für die erforderliche Ausweitung der Ausbildungskapazitäten. Dem Überweisungsvorschlag des Ältestenrates stimmen wir selbstverständlich zu. ({3})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit - federführend -, Ausschuß für Bildung und Wissenschaft - mitberatend Ich höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen. Ich rufe Zusatzpunkt 3 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Reimers, Pfeifer, Frau Dr. Neumeister, Dr. Hammans, Frau Schleicher, Frau Geier, Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, Dr. Becker ({0}), Burger, Hasinger, Köster, Kroll-Schlüter, Rühe, Damm, Metz, Frau Karwatzki, Vizepräsident Frau Renger Würzbach, Eymer ({1}), Höpfinger, Dr. Hoffacker, Dr. Hüsch und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU Durchführung des praktischen Jahres - Drucksache 8/697 -Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit ({2}) Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Reimers.

Dr. Stephan Reimers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001807, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion hat ihren Antrag zum praktischen Jahr eingebracht, damit 75 C00 Medizinstudenten ihre Ausbildung überzeugend und mit Erfolg abschließen können. Genau dies ist gegenwärtig nicht gewährleistet; denn die erstmalige Durchführung des praktischen Jahres hat eine Fülle von Schwierigkeiten und Widersprüchen deutlich gemacht. Dies wird wohl jetzt auch die Bundesregierung nicht mehr ernsthaft bestreiten können. Damit geht eine lange Zeit der Beschwichtigungsstrategie zu Ende, die die Bundesregierung den vielen Initiativen und Anregungen meiner Fraktion in den vergangenen Jahren entgegengehalten hat. Wir hätten viel Zeit sparen können, wenn diese Anregungen der Opposition rechtzeitig aufgegriffen worden wären. Aber leider mußten erst 40 000 Studenten auf die Straße gehen, damit die Bundesregierung aus ihrer Tatenlosigkeit aufschreckte. Meine Damen und Herren, wir sehen drei Schwerpunkte, an denen etwas geschehen muß. Erstens geht es darum, die quantitativen Probleme zu lösen. Angesichts der Studentenzahl des ersten Durchlaufes steht uns jetzt die eigentliche Bewährungsprobe erst bevor, denn im Wintersemester werden Tausende zusätzlicher Ausbildungsplätze gebraucht. ({0}) - Die Qualität ist ganz sicher genauso wichtig wie die Quantität; aber Qualität kann es nicht geben, wenn die Plätze nicht vorhanden sind. Deshalb sind Qualität und Quantität mit Sicherheit untrennbar miteinander verbunden. Meine Damen und Herren, wir stehen vor der Frage - und diese Frage muß geklärt werden -: Gibt es heute genügend Abschlüsse mit Lehrkrankenhäusern, um wirklich sicherzustellen, daß jeder Student, der im Wintersemester in den dritten Abschnitt seiner Ausbildung eintreten will, auch tatsächlich einen Ausbildungsplatz erhalten kann? Zweitens. Damit komme ich zu den qualitativen Problemen. Hier gilt es, die bundeseinheitliche Qualitat der Medizinerausbildung abzusichern. Für uns ist die Vorstellung unerträglich, daß in Bayern, Hessen oder Hamburg angehende Ärzte unterschiedlich gut auf ihre Berufspraxis vorbereitet werden. Hier sehen wir zwei Probleme. Finmal geht es um die gleichmäßige sachliche und personelle Ausstattung der Lehr- und Universitätskrankenhäuser. Davon sind wir noch weit entfernt. Aber nicht nur die Ausstattung ist unterschiedlich, sondern auch die Inhalte und die Intensität der Ausbildung fallen gegenwärtig noch auseinander. Ein Beweis dafür ist ja die höchst unterschiedliche Kritik, die die ersten Absolventen des praktischen Jahres geäußert haben. Ein Teil von ihnen sagt, daß man ihnen zuwenig eigenverantwortliche Tätigkeiten in dieser Ausbildung überträgt und überläßt, ein anderer Teil der Studenten wiederum hat den Eindruck, daß sie so gefordert werden, als wären sie schon voll qualifizierte Ärzte. Meine Damen und Herren, der Widerspruch hat seine Ursache nicht zuletzt darin, daß die Fragen der Haftpflicht für Schäden, die ein Student schuldhaft bei einer Behandlung anrichten kann, heute noch ungeklärt sind. Die Bundesregierung hat sich in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der CDU/ CSU-Fraktion dazu folgendermaßen geäußert - ich zitiere mit Genehmigung der Frau Präsidentin -: In einem Teil der Länder besteht keine Haftpflichtversicherung der Studierenden, die in Universitätskliniken ausgebildet werden. Es wird insoweit darauf verwiesen, daß eine Notwendigkeit für eine solche Versicherung nicht bestehe, weil der Studierende Verrichtungen, die eine Schädigung des Patienten herbeiführen können, nicht eigenverantwortlich, sondern nur unter ständiger Aufsicht und Verantwortung des zuständigen Ausbilders durchführen dürfe, der im Schadensfall verantwortlich sei. ({1}) Meine Damen und Herren, dies ist aber ein sehr wenig hilfreicher Hinweis, denn damit wird ja dem ausbildenden Arzt der Schwarze Peter zugeschoben. Das hat dann zur Folge, daß die Risikobereitschaft des ausbildenden Arztes im Einzelfall darüber entscheidet, ob eben dem Studenten viel oder wenig Freiraum für eigenverantwortliches Handeln eingeräumt wird. ({2}) Darum lauten unsere Forderungen: Erstens. Die Regreßfragen müssen versicherungsrechtlich geklärt werden. Zweitens. Durch eine Abstimmung der Ausbildungspläne zwischen den Ländern ist sicherzustellen, daß die Studenten im praktischen Jahr überall in der gleichen Weise an eigenverantwortliches Handeln herangeführt werden, was sie ja wenige Wochen später nach Abschluß des praktischen Jahres können sollen. Dieser Prozeß muß eben einheitlich und in Stufen überall vollozgen werden und darf nicht abhängig gemacht werden von der Risikobereitschaft eines einzelnen Ausbilders. Meine Damen und Herren, der dritte Komplex, der für uns wesentlich ist, ist die soziale Absicherung der Studenten. Sie muß verbessert werden. Das praktische Jahr mit den 40 Stunden Präsenzpflicht pro Woche läßt dem Studenten mit Sicherheit keine Zeit mehr zum Nebenverdienst. Wir wissen aber gleichzeitig, daß über 50 % der Studierenden darauf angewiesen sind, für ihren Lebensunterhalt solchen Zuverdiensten nachzugehen. Es ist auch ganz sicher, daß die Kosten, die der einzelne Studierende hat, im praktischen Jahr nicht geringer werden, sondern eher höher ausfallen dürften. Ich darf nur an die tägliche Fahrt zum Lehrkrankenhaus oder aber den Umzug dorthin oder aber die Berufskleidung erinnern. Das sind einige Beispiele dafür, daß die Kosten wachsen, während gleichzeitig die Möglichkeiten des Studenten, sich durch Nebenverdienste seine ihm zur Verfügung stehenden Mittel aufzubessern, entfallen; denn er hat ja nur insgesamt vier Wochen Frist. Wenn diese Freifrist von vier Wochen innerhalb des Jahres nicht durch Κrankheit oder ähnliches aufgezehrt wird, braucht er sie dringend, um sich auf sein Abschlußexamen vorzubereiten, und kann hier nicht noch Ferienarbeit machen. Meine Damen und Herren, zur sozialen Sicherung der Studierenden gehört für uns auch die Regelung des Mutterschutzes. Wir meinen, daß sich der Fall einer Heidelberger Studentin nicht wiederholen soll, die auf Grund dieser Vier-Wochen-Regelung gezwungen war, praktisch bis zu ihrer Entbindung Dienst zu tun und sich dann gewissermaßen zwischen ihre eigenen Patienten zu legen. Ein letzter Punkt, den ich hier ansprechen möchte. Fine offene Frage ist nach wie vor: Wie ist der einzelne Student gegen das Risiko einer Berufskrankheit und den denkbaren Fall seiner Berufsunfähigkeit abgesichert? Meine Damen und Herren, das sind eine Reihe von Fragen zum Bereich der sozialen Sicherung. Selbstverständlich müssen im Rahmen der ausschußberatungen auch die Betroffenen und die Sachverständigen die Möglichkeit haben, hierzu ihre Meinung zu äußern. Das inhaltliche Ziel des praktischen Jahres, nämlich das Lernen am Krankenbett, ist das Herzstück der Reform der medizinischen Ausbildung. Es muß scheitern, wenn es nicht gelingt, die offen zutage liegenden Probleme und Schwierigkeiten zu beseitigen. Daher sollten auch die Koalitionsfraktionen unseren Antrag unterstützen. ({3})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Fiebig.

Udo Fiebig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000539, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Problem, über das wir heute auf Grund des Antrags der Opposition debattieren, hat in der Tat in weiten Kreisen der Studentenschaft der medizinischen Fakultäten zu erheblicher Unruhe geführt. Deshalb sind wir Sozialdemokraten für die Gelegenheit dankbar, heute abend hier noch einiges klarstellen zu können. Die Durchführung des sogenannten praktischen Jahres für Medizinstudenten nach der neuen Approbationsordnung ist auf Grund mangelnder Vorbereitung ins Zwielicht geraten. Das stellen auch wir fest. Eigentlich ist dies aber unverständlich. Deshalb müssen drei Punkte zur korrekten Beurteilung des Sachverhaltes zunächst einmal festgehalten werden. Erstens. Das der Approbationsordnung zugrunde liegende Bundesgesetz, die Bundesärzteordnung also, ist, um die neue Approbationsordnung in dieser Form zu ermöglichen, im Bundesgesetzblatt am 3. September 1969 in geänderter Fassung veröffentlicht worden. Zweitens. Die auf dieser Basis einvernehmlich erarbeitete Approbationsordnung stammt aus dem Oktober 1970. Drittens. Wegen mangelnder Vorbereitung in den dafür zuständigen Bundesländern mußte die erstmalige Durchführung des praktischen Jahres nach der neuen Approbationsordnung bereits einmal im Jahre 1975 um ein Jahr verschoben werden. Ich rufe diese Punkte in Erinnerung, um zu einer korrekten Beurteilung der Sachlage zu kommen. Diese Sachlage bedeutet erstens, daß für die Durchführung des praktischen Jahres die Bundesländer verantwortlich sind, nicht die Bundesregierung und auch nicht als Gesetzgeber der Deutsche Bundestag, ({0}) zweitens, daß die Bundesländer für die Vorbereitung des praktischen Jahres sechs Jahre Zeit hatten und diese sechs Jahre ungenutzt haben verstreichen lassen. Wenn hier jemand verantwortlich zu machen ist, dann sind es die Länderregierungen. Ich will hier gar nicht zwischen Länderregierungen, die von Sozialdemokraten, und solchen, die von Christdemokraten geführt werden, unterscheiden. Ich stelle das zunächst einmal in toto so fest. Wer also heute hier so tut wie Sie, verehrter Herr Kollege Dr. Reimers, als würden in diesem Hause Gesetze oder Verordnungen in ihrer Durchführung übers Knie gebrochen, als würde unsauber gearbeitet, der befindet sich im Widerspruch zur tatsächlichen Situation. Die Verantwortlichkeit ist klar; sie liegt bei den Bundesländern, da sich Art. 74 Nr. 19 des Grundgesetzes nicht mehr auf Maßnahmen erstreckt, die unmittelbar die Durchführung der ärztlichen Ausbildung durch die Hochschulen betreffen. Die Bundesländer selber haben in ihren Verhandlungen mit dem Fachministerium immer wieder auf Art. 5 des Grundgesetzes hingewiesen, nämlich auf die garantierte Lehrfreiheit der Hochschulen. Von daher gehört auch die Durchführung des praktischen Jahres für die Medizinstudenten in die Verantwortung der Hochschulen und damit in die der Länderregierungen. Die Opposition hätte gut daran getan, das Grundgesetz besser zu studieren, um die Kompetenzen für dieses Problem klar zu erkennen. ({1}) Sie wollen also jetzt plötzlich, nachdem die Länder sechs Jahre nichts getan haben, im 7. Jahr ,die Versäumnisse hier im Bundestag aufholen. So geht es nicht! So können Sie mit Ihren eigenen politischen Freunden in den Ländern nicht umspringen. Wenn dies so ist, muß ich mich fragen, was die im Antrag der Opposition enthaltene Forderung soil, !die Approbationsordnung so zu ändern, daß die Bereitstellung einer ausreichenden Zahl von Ausbildungsplätzen durch Vertragsabschlüsse mit Lehrkrankenhäusern gewährleistet wird. Selbst wenn der Bund dies wollte, könnte er auf Grund der Gesetzeslage nicht in Länderaufgaben eingreifen. Das geht nach unserem föderalen System nicht. Im übrigen muß darauf hingewiesen werden, daß das Vorhandensein von Ausbildungsplätzen für das praktische Jahr von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedlich ist. Das Land Berlin hat in dieser Sache außerordentlich befriedigende Vorarbeiten geleistet. Zum 1. Oktober 1976 haben alle Medizinstudenten einen Ausbildungsplatz für das praktische Jahr erhalten. Auch im zweiten Punkt verstehe ich den Oppositionsfantrag nicht. Was soll die Forderung nach einer besseren sozialen Absicherung? Mit dieser Forderung unterstellt man doch, als sei diese Absicheriing überhaupt nicht oder nur unvollständig gegeben. Die Studenten selber konkretisieren dann auch diesen Vorwurf etwa durch die Behauptung - Herr Kollege Dr. Reimers, Sie haben das aufgegriffen -, die Versicherung gegen Berufsunfälle sei nicht gegeben. Ich kann hier nur auf § 539 Abs. 1 Nr. 14 der Reichsversicherungsordnung hinweisen. Ich empfehle Ihnen die Lektüre dieses Paragraphen. Dort steht nämlich genau das Gegenteil Ihrer Behauptung. Wir haben eine solche Versicherung auch gegen sogenannte Berufsunfälle und Berufskrankheiten. Ein weiterer Punkt, den die Studenten in diesem Zusammenhang immer anführen, ist die Entlohnung für ihre Tätigkeit im praktischen Jahr. Die Opposition geht in ihrem Antrag hierüber schamhaft hinweg. Sie beziehen keine Stellung, sagen weder ja noch nein. Es ware sehr schön gewesen, wenn wir das von Ihnen hätten hören können. Dabei steht doch fest: Die Tätigkeiten am Krankenbett dürfen nur Ausbildungszwecken dienen und keine Arbeitsleistungen etwa in dem Sinne sein, wie ausgebildete Ärzte isle verrichten. Von daher ist auch die Frage nach der Haftung, die Sie gestellt haben, Herr Kollege Dr. Reimers, völlig überflüssig. Der Student behandelt nicht. Das machen die im Krankenhaus angestellten Ärzte, denen die Ausbildung der Studenten anvertraut ist. Im übrigen: Die Medizinstudenten im praktischen Jahr - ich möchte das noch einmal unterstreichen - sind Studenten und nicht Praktikanten ({2})der Referendare, etwa wie im Staatsdienst. ({3}) Deshalb können die Medizinstudenten auch Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalten. Die Antwort der sozialdemokratischen Fraktion auf Forderung nach einer Entlohnung in dieser Phase des Studiums ist ein deutliches Nein, ({4}) schon wegen der Gleichbehandlung aller Studenten. Wir meinen, Medizinstudenten spielen hier keine besondere Rolle. Da gibt es dann noch - Sie haben das erwähnt, Herr Kollege Dr. Reimers - weitere Forderungen. Wir meinen, daß sich in den Ländern sicherlich einiges verbessern läßt. Die Länderregierungen können den Medizinstudenten hier und dort sicherlich entgegenkommen. Nur meinen wir, einen tariflichen Urlaub Ζ. B., wie er auch gefordert worden ist, kann es für Medizinstudenten nicht geben. Weil sie keine Arbeitnehmer sind, kann es, wie gesagt, auch keinen tariflichen Urlaub geben. Wir meinen, daß hier eine Perversion des Anspruchsdenkens deutlich wird, der wir allesamt entgegentreten müssen. Niemand verwehrt den Medizinstudenten die Erfüllung ihrer berechtigten Wünsche. Aber solche Forderungen veranlassen uns, mit aller Entschiedenheit darauf hinzuweisen und noch einmal mit in die Prüfung der Fragen einzubeziehen: erstens was ein Medizinstudium dem steuerzahlenden Bürger kostet, zweitens wie die Verdienstaussichten derjenigen Berufsgruppe sind, in die diese Medizinstudenten einmal hineinwachsen. Von daher meinen wir, daß man also durchaus auch in dieser Frage die Medizinstudenten wie alle anderen Studenten behandeln sollte. Ich empfehle der Opposition zum Abschluß noch eine Drucksache des schleswig-holsteinischen Landtags unter der Nr. 8/761 vom 16. Juni 1977. Da hat ein sozialdemokratischer Landtagsabgeordneter die schleswig-holsteinische Landesregierung, die nicht von uns gestellt wird, nach der Durchführung des praktischen Jahres der Medizinstudenten gefragt. Ich empfehle Ihnen sehr die Lektüre der Antwort Ihrer Parteifreunde, der schleswig-holsteinischen Landesregierung. Dann werden Sie entdecken, daß Sie überhaupt nicht konform gehen mit Herrn Ministerpräsidenten Stoltenberg, sondern da können Sie alle die Fragen, die Sie angeschnitten haben, von Ihren eigenen Parteifreunden konkret und zutreffend beantwortet bekommen. Da wird darauf hingewiesen, wie in Schleswig-Holstein in den Krankenhäusern die Ausbildung der Medizinstudenten im praktischen Jahr geregelt ist, daß 180 000 DM jährlich für 20 belegte Ausbildungsplätze aufzubringen sind von der schleswig-holsteinischen Landesregierung, bzw. da die Landesregierung nicht gewillt ist, das aus eigenem Portefeuille zu zahlen, legt man das auf die Pflegekosten urn. Das führt zu einer Erhöhung der Pflegesätze urn 0,40 DM pro abzurechnenden Pflegetag pro Patient. Sie sehen also, wenn Sie hier Forderungen erheben, wer das am Ende zu finanzieren hat. Das ist dann nämlich der Patient bzw. es sind die Krankenkassen. Auch stellt die Landesregierung von SchleswigHolstein fest: „Es besteht nicht die Absicht, den Studierenden eine Vergütung zu zahlen." Dann gibt es allerdings auch ein gewisses Entgegenkommen: Die Krankenhausträger sollen die Studenten in die Krankenhausverpflegung einbeziehen und ihnen die gleichen Vorteile gewähren wie dem Krankenhauspersonal. Ebenso sollen die Krankenhausträger entgegenkommend sein bei der zusätzlichen Bekleidung. Die Krankenhausträger sollen auch bei der Wohnraumbeschaffung behilflich sein. Sie sehen, meine sehr geehrten Herren von der Opposition: Ihr Schwarzweißbild trifft nicht zu. ReiFiebig sen Sie in die von Ihnen regierten Bundesländer, und sie werden dann erfahren, was Sache in unserem Land in dieser Sache ist. Wir sind gern bereit, im Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit diese Fragen ausführlich zu behandeln. Wir stimmen dem Überweisungsvorschlag zu. ({5})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Zander.

Karl Fred Zander (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002581

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist vorgesehen, den vorliegenden Antrag der Fraktion der CDU/CSU an die zuständigen Ausschüsse zu überweisen. Dieser Beschluß könnte falsch gedeutet werden. Darum halte ich es für angebracht, einige Bemerkungen zu machen, um moglichen Mißdeutungen vorzubeugen. Ein Mißverständnis wäre es, wenn man die Behandlung dieses Antrags und seine Überweisung dazu benutzte, anzunehmen, die Bundesregierung sähe untätig zu, wie es im Text heißt, wie sich zunehmend Schwierigkeiten bei der Durchführung des praktischen Jahres auftürmen würden. Dies ist nicht der Fall; weder ist die Bundesregierung untätig, noch nehmen die Schwierigkeiten zu. Die Überweisung des Antrags an den zuständigen Ausschuß würde auch mißverstanden, wenn man aus diesem Beschluß die Absicht herauslesen würde, daß nun die Approbationsordnung für Ärzte geändert werden solle. Es ist allerdings richtig, daß sich bei der Durchführung der Approbationsordnung hinsichtlich des praktischen Jahres im letzten Abschnitt des Medizinstudiums Probleme gezeigt haben. Der Antrag signalisiert also ein durchaus begründetes Bedürfnis nach Information über diese Schwierigkeiten, über die Möglichkeiten, sie abzustellen, und über die weitere Entwicklung auf diesem Gebiet. Die Bundesregierung ist gern bereit, alle Überlegungen, die gemeinsam mit den für die Durchführung dieses Gesetzes zuständigen Bundesländern angestellt worden sind und noch angestellt werden, dem Ausschuß eingehend darzulegen, zur Diskussion zu stellen. Das ist selbstverständlich außer Frage. Für die heutige Debatte im Plenum des Deutschen Bundestages möchte ich nur auf einige wenige grundsätzliche Gesichtspunkte ganz kurz eingehen. Die Bundesregierung hat die Probleme wiederholt mit den Vertretern der Bundesländer erörtert. Die letzte Besprechung fand in der vergangenen Woche mit den zuständigen Vertretern der Bundesländer, und zwar aus dem Gesundheits- und aus dem Kultusbereich der Landesbehörden, in unserem Hause statt. Bei dieser Diskussion in der vergangenen Woche war selbstverständlich auch die vorliegende Drucksache, die heute behandelt wird, Gegenstand der Erörterungen mit den Bundesländern. Als Ergebnis wurde erneut und wiederholt festgestellt, daß für eine Änderung der Approbationsordnung für Ärzte im Sinne Ihres Antrages keine Notwendigkeit vorhanden ist. Für eine gewünschte Koordinierung von Ausbildungsplänen, Herr Dr. Reimers, gibt es im übrigen auch keine Bundeskompetenz. Die schon angesprochene Regelungskompetenz des Art. 74 Nr. 19 des Grundgesetzes, die die Zulassung zu den Heilberufen betrifft, erstreckt sich nicht auf Maßnahmen, die unmittelbar die Durchführung der ärztlichen Ausbildung betreffen und die Hochschulen unmittelbar verpflichten würden. Auch praktische Überlegungen - neben der fehlenden Regelungskompetenz -sprechen gegen eine Koordinierung von Ausbildungsplänen zum jetzigen Zeitpunkt. Es ist unzweckmäßig, etwas festzuschreiben, was sich gerade jetzt noch in der Erprobung befindet; denn der erste Ausbildungsgang von Medizinstudenten endet erst Ende des Monats. Es wird dann Aufgabe sein, die vorhandenen Erfahrungen der Universitäten, der Lehrkrankenhäuser zusammenzutragen, sich einen Überblick zu verschaffen, die Erfahrungen auszuwerten. Dann kann man selbstverständlich prüfen, ob darüber hinaus eine Notwendigkeit besteht, mit Mitteln des Bundes - etwa über die Bereitstellung von Forschungsmitteln - zu einer Koordinierung beizutragen. Wir von uns aus können das jedoch nicht machen; wir haben keine Rechtsgrundlage dafür. Die Mehrheit der Ländervertreter hat sich in der letzten Woche in der von mir erwähnten Sitzung auch gegen eine Herabsetzung der in § 4 der Approbationsordnung niedergelegten Anforderungen an die Lehrkrankenhäuser ausgesprochen. Bisher ist in keiner Weise nachgewiesen, daß die Regelung des § 4 die Ursache für Schwierigkeiten beim Abschluß von Verträgen mit den Lehrkrankenhäusern ist. Für diese Schwierigkeiten gibt es ganz sicher eine Reihe von Ursachen; sonst wären diese Schwierigkeiten nicht vorhanden. Auch diese Probleme - die im übrigen in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich sind - können wir selbstverständlich im einzelnen im Ausschuß erörtern. Wir werden die für die Berichterstattung, die Sie wünschen, notwendigen Informationen bei den Bundesländern anfordern müssen; denn für die Schwierigkeiten, die sich ergeben haben, sind nach unserer Verfassung nun einmal die Bundesländer zuständig. Insofern richtet sich der Antrag zu einem erheblichen Teil an die falsche Adresse. Wo die Bundesregierung allerdings behilflich sein kann, die bestehenden 'Schwierigkeiten zu überwinden, tut sie es. Ich möchte Sie darauf hinweisen, daß wir zur Zeit eine zweite Änderungsverordnung zur Approbationsordnung für Ärzte vorbereiten, die am 1. März 1978 in Kraft treten soll. Wir halten den Erlaß dieser Verordnung für dringlich, weil durch die vorgesehene Verkürzung der praktischen Ausbildung im letzten Jahr von 12 Monaten auf 48 Wochen künftig einige der hier angesprochenen Schwierigkeiten vermieden werden können, Schwierigkeiten, die sich eben beim Beginn des Durchlaufs eines neuen Ausbildungsjahres im Frühjahr dieses Jahres ergeben haben. Ferner ist in unserem Verordnungsentwurf eine Entlastung des schriftlichen Teils des letzten Ab3240 schnitts der ärztlichen Prüfung, die nach der praktischen Ausbildung stattfindet, vorgesehen. Auch hier wird der Druck etwas gemildert, der von uns sicher nicht übersehen werden sollte. Damit soll erreicht werden, daß sich die schriftliche Prüfung nur auf Gegenstände erstreckt, die auch Gegenstände der Ausbildung im letzten Jahr des Medizinstudiums sind. Dieser Verordnungsentwurf, den wir vorbereiten, zieht also schon erste Konsequenzen aus Schwierigkeiten, die wir erkannt haben und an deren Abstellung wir gerne mitwirken wollen. Der Verordnungsentwurf bezieht sich aber auf keine der Fragen, die in Ihrem Antrag angesprochen worden sind. Ich möchte also auch insofern vor falschen Erwartungen warnen. Selbstverständlich werden wir die Entwicklung weiter sorgfältig beobachten. Wir werden mit den Ländern in ständiger Beratung bleiben, und wir werden, wo es nötig ist und wo wir auf Grund unserer Erkenntnisse und unserer Kompetenzen handeln können, selbstverständlich gerne dazu beitragen, Mängel abzustellen. Sie sehen daraus, daß die Bundesregierung dem Problem die auf der Grundlage ihrer Möglichkeiten erforderliche Aufmerksamkeit geschenkt hat, daß sie entschlossen ist, dieses Problem auch welter im Auge zu behalten. Sie können versichert sein, daß wir auch künftig nichts unterlassen, was in unserer Möglichkeit, was in unserer Kompetenz liegt, um eine reibungslose und im Interesse der Studierenden inhaltlich und auch organisatorisch einwandfreie Abwicklung des Medizinstudiums zu ermöglichen. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Überweisungsvorschlag des Ältestenrates ist aus der Vorlage ersichtlich. - Ich höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen. Ich rufe die Punkte 5 bis 8 der Tagesordnung auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften ({0}) - Drucksache 8/819 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Innenausschuß ({1}) Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Haushaltsausschuß Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes - Drucksache 8/870 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Innenausschuß ({2}) Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Haushaltsausschuß Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Arbeitsplatzschutzgesetzes - Drucksache 8/885 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Verteidigungsausschuß ({3}) Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Innenausschuß Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über technische Arbeitsmittel - Drucksache 8/856 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Hierzu wird das Wort auch nicht gewünscht. Die Überweisungsvorschläge liegen Ihnen vor. - Es ergibt sich kein Widerspruch. Dann ist das ebenfalls so beschlossen. Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf: Beratung der Sammelübersicht 8 des Petitionsausschusses ({4}) über Anträge zu Petitionen - Drucksache 8/859 Die Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses lautet, die in der Sammelübersicht enthaltenen Anträge anzunehmen. - Kein Widerspruch. Es ist so beschlossen. Damit sind wir am Ende der Tagesordnung. Die nächste Plenarsitzung findet am 28. September, 13 Uhr statt. Die Sitzung ist geschlossen.