Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Die Sitzung ist eröffnet.
Ich möchte, bevor wir in die Tagesordung eintreten, eines Ereignisses gedenken, das sich morgen vor 30 Jahren zugetragen hat. Am 25. Juni 1947 ist in Frankfurt am Main der Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes zu seiner ersten Sitzung zusammengetreten. Der Wirtschaftsrat war die erste parlamentarische Vertretung nach dem Kriege, die mehrere Länder, nämlich die der britischen und der amerikanischen Zone, umfaßte. Er war das gesetzgebende Organ des Vereinigten Wirtschaftsgebietes. Er bestand nur zwei Jahre, von 1947 bis zum Inkrafttreten des Grundgesetzes. Aber während dieser Zeit war er die stärkste politische Kraft in Deutschland. Die Abgeordneten wurden von den Länderparlamenten, also indirekt, gewählt.
Zahlreiche Politiker, die später das politische Leben in der Bundesrepublik Deutschland maßgeblich gestaltet haben, gehörten dem Wirtschaftsrat an. Ich erwähne die Namen Adolf Arndt, Theodor Blank, Franz Blücher, Ludwig Erhard, Erich Köhler, den ersten Präsidenten des Deutschen Bundestages, Karl Mommer, Erwin Schoettle, Robert Pferdmenges, Willi Richter, Anton Storch, Franz Josef Strauß, Georg August Zinn.
Neben dem Wirtschaftsrat trat als zweite gesetzgebende Körperschaft der Länderrat, aus dem später der Bundesrat hervorgegangen ist. Die Exekutive hieß Verwaltungsrat. An ihrer Spitze stand der Oberdirektor Hermann Pünder.
Die Leistungen des Wirtschaftsrats müssen gemessen und gewürdigt werden an den schwierigen Umständen, unter denen er seine Arbeit begann. Die deutsche Wirtschaft befand sich im Zustand der Auflösung. Das wichtigste Mittel zu ihrer Reorganisation, die Einführung einer funktionsfähigen Währung, konnte erst 1948 verwirklicht werden. So lange dauerte es, bis sich die Besatzungsmächte geeinigt hatten. Der Wirtschaftsablauf konnte daher zunächst nur durch Anordnungen mit Zwangscharakter gestaltet werden. Der Schwarze Markt beherrschte das Wirtschaftsleben. Die Versuchung der in der Wirtschaft tätigen Menschen wuchs, aus Gründen der Selbsterhaltung gegen Gesetze und Anordnungen zu verstoßen.
Es ist dem Wirtschaftsrat gelungen, mit seinen gesetzgeberischen Maßnahmen das Bewußtsein der Zusammengehörigkeit im deutschen Volk wieder zu wecken und den Gemeinschaftssinn über Einzel- und Gruppeninteressen zu stellen. In den zwei Jahren seines Bestehens hat er 171 Gesetzesvorlagen verabschiedet, von denen das Bewirtschaftungsnotgesetz und das Preisgesetz Wirkung bis in unsere Tage entfalteten.
Nach Errichtung der Bundesrepublik Deutschland trat der Bund in die Rechte und Pflichten der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes ein. Die Tätigkeit des Wirtschaftsrates endete mit der Konstituierung des 1. Deutschen Bundestages.
Meine Damen und Herren, nach einer Vereinbarung im Ältestenrat soll die heutige Tagesordnung ergänzt werden um die in der Ihnen vorliegenden Liste als Zusatzpunkte zur Tagesordnung bezeichneten Vorlagen:
I. Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP
Dritte Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen ({0})
2. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses ({1})
zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament Entschließung zu der Europäischen Konvention zur Bekämpfung des Terrorismus ({2})
Berichterstatter:
Abgeordneter Sieglerschmidt
Abgeordneter Dr. Wittmann ({3})
Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch; dann ist die Erweiterung der Tagesordnung so beschlossen.
Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit hat mit Schreiben vom 14. Juni 1977 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Hasinger, Müller ({4}), Volmer, Kroll-Schlüter, Köster, Geisenhofer, Broll, Frau Fischer, Dr. Arnold, Frau Karwatzki, Bühler ({5}), Lintner, Frau Geier, Wawrzik, Höpfinger, Zink, Dr. Blüm, Dr. Riedl ({6}), Jäger ({7}), und Genossen betr. Gesundheitsschädliche Auswirkungen des Zigarettenrauchens ({8}) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 8/662 verteilt.
Der Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen hat mit Schreiben vom 22. Juni 1977 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Milz, Dr. Waffenschmidt, Frau Dr. Wilms, Dr. Meyer zu Bentrup, Daweke, Dr. Hüsch, Dr. Hammans, Dr. Hoffacker, Braun, Dr. Möller, Tillmann, Feinendegen, Dr. Mikat, Schmitz ({9}), Krey, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Wimmer ({10}), Schmidt ({11}), Weiskirch ({12}), Schmöle, Frau Dr. Wex, Dr. Schröder ({13}), Dr. Kraske, Dr. Hennig, Dr. Unland, Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein und Genossen betr. Verwendung von
Präsident Carstens
Haushaltsresten für Straßenbaumaßnahmen in Nordrhein-Westfalen ({14}) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 8/664 verteilt.
Der Bundesminister des Innern hat mit Schreiben vom 22. Juni 1977 im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit, dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, dem Bundesminister für Wirtschaft, dem Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau sowie dem Bundesminister für Bildung und Wissenschaft die Kleine Anfrage der Abgeordneten Burger, Frau Dr. Wex, Frau Geier, Franke, Köster, Kroll-Schlüter, Frau Schleicher, Dr. George, Bühler ({15}), Neuhaus, Hasinger, Dr. Rose, Frau Karwatzki, Frau Dr. Neumeister, Frau Verhülsdonk, Niegel, Braun, Geisenhofer, Dr. Köhler ({16}), Schartz ({17}), Böhm ({18}) und der Fraktion der CDU/CSU betr. Langfristige Bevölkerungsentwicklung ({19}) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 8/680 verteilt.
Die Fragen für die Fragestunden der Sitzungswoche vom 20. Juni 1977, die gemäß Beschluß des Deutschen Bundestages in seiner 30. Sitzung schriftlich beantwortet werden, sind als Drucksache 8/601 verteilt. Die dazu erteilten Antworten sind als Anlagen dieses Stenographischen Berichts abgedruckt.
Überweisung von EG-Vorlagen
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Verordnung ({20}) des Rates
zur verlängerten Anwendung der für den Warenverkehr mit Malta geltenden Regelung nach Ablauf der ersten Stufe des Assoziierungsabkommens
zur verlängerten Anwendung der für den Warenverkehr mit der Republik Zypern geltenden Regelung nach Ablauf der ersten Stufe des Assoziierungsabkommens ({21})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft ({22}), Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates über den Abschluß von Abkommen in Form von Briefwechseln zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und Barbados, Fidschi, der Republik Guayana, Jamaika, der Republik Kenia, der Demokratischen Republik Madagaskar, der Republik Malawi, Mauritius, der Republik Surinam, dem Königreich Swasiland, der Vereinigten Republik Tansania, Trinidad und Tobago, der Republik Uganda und der Volksrepublik Kongo ({23})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft ({24}), Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Mitteilung über ein Aktionsprogramm der Gemeinschaften im Bereich der rationellen Energienutzung ({25}) - 2. Serie Richtlinien und Empfehlungen ({26})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft ({27}), Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Ausschuß für Forschung und Technologie mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({28}) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Rum, Arrak und Taffia der Tarifstelle 22.09 C I des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in den mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft assoziierten überseeischen Ländern und Gebieten ({29})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates zur Festlegung der Voraussetzungen für die Nacherhebung von noch nicht vom Abgabenschuldner angeforderten Eingangs- oder Ausfuhrabgaben für Waren, die zu einem Zollverfahren angemeldet worden sind, das die Verpflichtung zur Zahlung derartiger Abgaben beinhaltet ({30})
überwiesen an den Finanzausschuß mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Richtlinie des Rates zum Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Lebensmittelpreise ({31})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates zur Beibehaltung der vorläufigen Schutzmaßnahmen bei der Einfuhr von Baumwollgarnen, nicht in Aufmachungen für den Einzelverkauf, mit Ursprung in der Republik Indien, in das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland ({32})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates über die Einfuhrregelung für bestimmte Juteerzeugnisse mit Ursprung in der Volksrepublik Bangladesch ({33})
überwiegen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({34}) des Rates zur Beibehaltung der Regelungen, mit denen die Einfuhr bestimmter Unterkleidung aus Gewirken mit Ursprung in der Republik Indien in das Vereinigte Königreich von der Vorlage einer Genehmigung abhängig gemacht wird ({35})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({36}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({37}) Nr. 447/68 zur Festlegung der allgemeinen Regeln für Interventionen durch den Kauf von Zucker ({38})
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({39}) des Rates
über die Gewährung finanzieller Beihilfen für Demonstrationsvorhaben zur Energie-Einsparung
über die Gewährung einer finanziellen Unterstützung für Vorhaben zur Nutzung alternativer Energiequellen ({40})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft ({41}), Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Ausschuß für Forschung und Technologie, Haushaltsausschuß mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates betreffend die Erzeugergemeinschaften und ihre Vereinigungen (Gemäß Artikel 149 Absatz 2 des EWG-Vertrages von der Kommission dem Rat vorgelegt ({42})
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({43}) des Rates zur Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnung ({44}) Nr. 1267/69 zur Festlegung der Sonderbestimmungen, die bei der Einfuhr von unter die Verordnung ({45}) Nr. 1059/69 fallenden Waren aus Griechenland in die Gemeinschaft anwendbar sind ({46})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({47}) des Rates
über die Lieferung von Magermilchpulver an den Catholic Relief Service zugunsten bestimmter Bevölkerungsgruppen in Chile als Nahrungsmittelsoforthilfe im Rahmen der Verordnung ({48}) Nr. 1299/76
über die Lieferung von Magermilchpulver an den Catholic Relief Service zugunsten bestimmter Bevölkerungsgruppen in Chile als Nahrungsmittelsoforthilfe im Rahmen der Verordnung Nr. 2018/76
über die Grundregeln für die Lieferung von Butteroil an den Catholic Relief Service zugunsten bestimmter Bevölkerungsgruppen in Chile im Rahmen des Nahrungsmittelhilfeprogramms 1977 ({49})
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung Landwirtschaft und Forsten ({50}), Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Mitteilung an den Rat über Energieeinsparungen durch Modernisierung von Altbauten in der Gemeinschaft ({51})
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft ({52}), Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung ({53}) Nr. 1053/77 des Rates vom 17. Mai 1977
zur Änderung der Verordnung ({54}) Nr. 878/77 hinsichtlich
der auf Tomatenkonzentrat anwendbaren Umrechnungskurse
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen Vorschlag erhoben werden
Ich rufe nunmehr den ersten Zusatzpunkt zur Verabschiedung auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP
Dritte Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen
- Drucksache 8/661 Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Präsident Carstens
Ich rufe den zweiten soeben beschlossenen Zusatzpunkt auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses ({55}) zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament Entschließung zu der Europäischen Konvention zur Bekämpfung des Terrorismus
- Drucksachen 8/63, 8/231 Berichterstatter:
Abgeordneter Sieglerschmidt
Abgeordneter Dr. Wittmann ({56})
Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Wird das Wort anderweitig gewünscht? - Das ist auch nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag des Rechtsausschusses zustimmen wollen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Wir fahren fort in der Beratung des Haushaltsgesetzes 1977. Ich rufe auf:
Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1977 ({57})
- Drucksachen 8/100, 8/324, 8/270, 8/474, 8/491 bis 8/518 Zusammenstellung der Beschlüsse des Bundestages in zweiter Beratung
- Drucksache 8/667 Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Haase ({58}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach dem Abschluß der zweiten Lesung sollen die Gesamtausgaben des Bundes in diesem Jahre 171,3 Milliarden DM betragen, 5,9 % mehr als im letzten Jahr. Die ursprünglich von der Regierung vorgeschlagenen Ausgaben in Höhe von 171,8 Milliarden DM hätten nach dem Ergebnis der Haushaltsberatungen nicht nur um 500 Millionen DM, sondern um 2,1 Milliarden DM herabgesetzt werden können, wenn nicht die Koalitionsfraktionen auf Vorschlag der Bundesregierung ohne Vorlage eines förmlichen Ergänzungshaushalts noch in letzter Minute im Ausschuß 1 Milliarde DM für die Bahn und in der zweiten Lesung weitere 630 Millionen DM, über die im Haushaltsausschuß überhaupt nicht gesprochen wurde, für erhöhte Subventionen an die Kohle und für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen nachgeschoben hätten.
({0})
Dieses Eilverfahren - ich will mich zurückhaltend ausdrücken -, mit dem das Ergebnis der Haushaltsberatungen auf den Kopf gestellt wird,
({1})
muß - das sage ich nicht nur aus der Sicht eines Oppositionsabgeordneten, sondern das würde ich auch als Mitglied einer Regierungsfraktion sagen; darauf können Sie sich verlassen ({2})
auf schärfste Kritik stoßen.
({3})
In den monatelangen Beratungen im Ausschuß wird Ansatz für Ansatz erörtert. Wir klopfen, auch wenn wir nicht immer alle einer Meinung sind - Herr Kollege Löffler, das wissen Sie so gut wie ich - jeden Posten daraufhin ab, ob er Luft enthält oder aus zwingenden Gründen aufgestockt werden muß. Erst dann treffen wir unsere Entscheidung. Eine solche Detailprüfung wird indessen bei diesen nachgeschobenen Positionen, die ja keine Kleinigkeiten sind, völlig unmöglich gemacht. Die Verfassung sieht für Fälle dieser Art besondere Verfahren vor, nämlich den Nachtrags- und den Ergänzungshaushalt, die allein eine Prüfung durch das Parlament sicherstellen.
({4})
Hier ist letztlich eine erneute Umgehung des Etatbewilligungsrechts des Parlaments geschehen, das zwingend das Etatprüfungsrecht voraussetzt.
({5})
Das von Ihnen gewählte Schnellverfahren, das man auch „Überrumpelungsverfahren" nennen könnte,
({6})
beweist wieder einmal die Mißachtung, die diese Regierung dem Parlament als Ganzes entgegenbringt.
({7})
Ich persönlich beurteile das Verfahren, in der zweiten Lesung neuen Mehrausgaben von 630 Millionen DM zuzustimmen und die Verpflichtungsermächtigungen für den Wohnungsbau um sogar 2,2 Milliarden DM zu erhöhen, sehr kritisch. Meine Damen und Herren, ich bin nicht grundsätzlich gegen die vorgeschlagenen neuen Maßnahmen, aber ich kann für Ausgaben, deren Berücksichtigung von uns nicht sorgfältig nach allen Richtungen hin - auch was die Höhe betrifft - genau geprüft worden sind, doch kaum eine Verantwortung übernehmen.
({8})
Meine Damen und Herren, wir sollten uns künftig einmal über die Grenzen der Fraktionen hinweg in der sachlichen Atmosphäre des Ausschusses ernsthaft darüber unterhalten, wie wir gemeinsam solchen Manövern der Exekutive entgegentreten können,
({9})
die die Grenzen des verfassungspolitisch Vertretbaren nach meiner Auffassung überschreiten.
({10})
Wir - ich spreche hier auch die Kollegen der SPD und der FDP an - dürfen, meine ich, nicht zulassen, daß sich das Parlament zu einer bloßen Zustimmungsmaschine der Exekutive degradieren läßt.
Haase ({11})
Zurück zum Zahlenwerk, zu dem ich noch einige Bemerkungen machen möchte. Meine Damen und Herren, im Ausschuß haben wir die Einnahmeschätzungen um 1,6 Milliarden DM - davon 1,4 Milliarden DM Steuermehreinnahmen - heraufgesetzt. Die von der Regierung im ursprünglichen Entwurf vorgeschlagene Neuverschuldung von 22,8 Milliarden DM wurde um die Summe der niedrigeren Schätzung der Ausgaben und der Mehreinnahmen, nämlich um 2 Milliarden DM, auf 20,7 Milliarden herabgesetzt. Sie, Herr Bundesminister Apel, haben noch vor einigen Monaten - wir tun gut daran, uns zu erinnern - bei der ersten Lesung des Haushalts 1977 im Brustton der Überzeugung - wie Sie das hier immer so schön redlich vortragen - unsere Feststellung, daß auch dieser Haushalt hohe Reservepolster habe, wörtlich als „gefährlichen Irrglauben" bezeichnet.
({12})
Herr Apel, das einmütige Ergebnis der Ausschußberatungen - ich betone, es handelt sich um ein einmütiges Ergebnis - hat wieder einmal gezeigt, was von den Aussagen unseres gegenwärtigen Bundesministers der Finanzen zu halten ist.
({13})
Insgesamt betrug das Polster - ich betone nochmals: schon nach den einvernehmlich erzielten Beschlüssen des Ausschusses - immerhin 4,2 Milliarden DM - fürwahr kein Pappenstiel -, nämlich Mehreinnahmen von 1,6 Milliarden DM und Einsparungen von 2,6 Milliarden DM.
Meine Damen und Herren, die im Haushaltsausschuß erzielten Ausgabenkürzungen werden - und darauf sollte man auch einmal in Kreisen der Abgeordneten achten, die nicht zum Ausschuß gehören - im endgültigen Haushaltsplan nur deshalb nicht sichtbar, weil die Regierung die gekürzten Ausgaben sofort durch neue Ausgaben ersetzt hat,
({14})
die im ursprünglichen Regierungsentwurf nicht vorgesehen waren.
({15})
Das ändert aber nichts an der Feststellung, daß der Finanzminister wieder einmal objektiv Unzutreffendes gesagt hat, als er jegliche Reserven in dem von ihm vorgelegten Zahlenwerk geleugnet hat.
({16})
Herr Bundesminister der Finanzen, Sie sollten Ihre Äußerungen wenigstens künftig sorgfältiger wägen; Sie machen sich sonst noch unglaubwürdiger, als Sie ohnehin schon sind. Die CDU/CSU ist darüber hinaus der Auffassung, daß der Haushalt auch jetzt noch gewisse Reserven enthält; wir haben dazu ja in zweiter Lesung hier eine Fülle von Anträgen eingebracht.
Lassen Sie mich auch zur Verschuldung einige Bemerkungen machen. Auch wenn die Verschuldung im Haushalt 1977 ein bißchen herabgesetzt werden konnte, bleibt auch dieser Haushalt eine erneute
Bilanz des Versagens der Regierung Schmidt/Genscher.
({17})
Objektiv ist die Verschuldung immer noch viel zu hoch; sie ist nämlich auch in diesem einen Jahr - und das müssen wir Ihnen immer wieder sagen - weit höher als in den 20 Jahren von 1950 bis 1969 zusammen. Das ist ein Posten, den bekommen Sie von Jahr zu Jahr immer wieder vorgehalten. Die Handlungsfähigkeit unseres Staates wird immer weiter eingeschränkt. Die Zinslasten steigen ständig an. Beim Bund belief sich der Anteil der Zinsausgaben an den Steuereinnahmen 1973 auf 2,9 % 1976 waren es bereits 5,3 %. Nach dem Finanzplan soll die Zinsquote bis 1980 auf 7,9 % ansteigen. Künftige Bundesregierungen erwartet einiges aus Ihrer Hinterlassenschaft; das kann man heute schon sagen.
({18})
Unser verehrter Herr Bundeskanzler hat am Dienstag wieder einmal behauptet, die riesigen Schulden dienten der Finanzierung neuer Investitionen. Auch das ist unzutreffend, ist eine glatte Unwahrheit. Der immer größer werdende Schuldenberg dient nicht der Finanzierung zusätzlicher Investitionen, sondern der Aufrechterhaltung der nackten Zahlungsfähigkeit der Bundesrepublik im Hinblick auf die laufenden Ausgaben.
({19})
Es ist doch nicht zu bestreiten, daß die Struktur unseres Haushaltes trotz immer höherer Schulden als Folge der wenig soliden Finanzpolitik der Regierungen Brandt und Schmidt/Genscher immer schlechter wird. Das ist doch eine Tatsache. Der Anteil der investiven Ausgaben an den Gesamtausgaben, die Investitionsquote - einst von Ihnen im Jahre Null als Indikator für Ihre inneren Reformen hochstilisiert, nicht von uns - belief sich 1973 noch auf über 18 O/0. Er hat sich 1976, auf der Istbasis des Normalhaushaltes, auf 13,3 % vermindert und soll nach Ihrem Finanzplan bis 1980 auf 12 % absinken. Selbst wenn man noch das Kindergeld hinzunähme, wird das Bild dadurch nur unwesentlich verändert.
Wenn wir eine Änderung wollen, dann sind Steuer- und Abgabeerhöhungen sicher nicht der richtige Weg. Mein Kollege Carstens hat dazu gestern schon Ausführungen gemacht; ich beziehe mich darauf. Unsere Finanzkrise, die sich auch in den Zahlen des Haushaltes 1977 widerspiegelt, resultiert nicht aus einem Zuwenig an Einnahmen, sondern aus einem Zuviel an bestimmten Ausgaben.
({20})
Wir können die Staatsfinanzen nur dann dauerhaft sanieren, die Mittel für weitere Investitionen - daran kranken wir doch - nur dann erhöhen, die Verschuldung nur dann abbauen und einen weiteren Anstieg der Belastungen der Bürger mit offenen und heimlichen Steuererhöhungen nur dann verhindern, wenn die Verantwortlichen in unserem Staat äußerste Sparsamkeit nicht nur an Wochenenden geloben, sondern auch tatsächlich üben.
({21})
Haase ({22})
Wir haben doch inzwischen erkannt - Sie selbst doch auch, zumindest in weiten Kreisen Ihrer Bewegung -, daß sich das Dogma der Sozialisten, immer mehr Staat bringe auch immer mehr Glück für die einzelnen Staatsbürger mit sich, als ein böser Aberglaube erwiesen hat.
({23})
Wenn wir Sparsamkeit fordern, so gilt diese Forderung für alle Bereiche. Wir als Finanzpolitiker wissen - und die Bürger draußen im Lande spüren es doch seit langem -, daß die Grenzen unseres Wohlfahrtsstaates erreicht und nach meiner Meinung partiell auch schon überschritten sind.
({24})
- Ja, hört, hört! Nach meiner Meinung sind sie partiell überschritten, und die Bürger wissen auch selbst, daß das von uns sicher geknüpfte Netz der sozialen Sicherung schon jetzt an allen Ecken und Enden reißt, weil Sie es überfrachtet haben.
({25})
Hören Sie doch bitte auf, diejenigen, die auf diese Zusammenhänge hinweisen und die Kümmernisse andeuten, als „soziale Demonteure" zu disqualifizieren! In Wirklichkeit haben diejenigen soziale Demontage begangen, die die Belastungsfähigkeit der Wirtschaft erprobt und dadurch die Krise der Finanzen des Staates und der Sozialversicherung, die Inflation und die Arbeitslosigkeit leichtfertig herbeigeführt haben,
({26})
diejenigen, die den Staat und seine Bürger jahrelang animiert haben, über die Verhältnisse zu leben. Das ist doch unsere Crux.
({27})
Wir sollten doch immer wieder daran denken, vor allen Dingen, wenn Sie fragen, woher die Misere gekommen ist: nicht von den Scheichs, nicht von den dunklen Mächten dort im Ausland, sondern der Inflation der Versprechungen folgte die Inflation der Wünsche, der Inflation der Wünsche folgte die Inflation der Forderungen, der Inflation der Forderungen folgte die Inflation des Geldes, und der Inflation des Geldes folgte die Arbeitslosigkeit.
({28})
Die Schlußerklärung in London vor 14 Tagen hat uns doch gezeigt - unser verehrter Herr Bundeskanzler hat es selbst mit in die Schlußerklärung eingebracht -: Diejenigen, die glaubten, mit 5 % Inflation 5 % Arbeitslosigkeit verhindern zu können, irrten; sie haben nun beides; sie haben Arbeitslosigkeit und Inflation, genau wie wir es Ihnen vorausgesagt haben, millimetergenau.
({29})
Einige Bemerkungen zu dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das uns auch sehr stark beschäftigt hat. Wenn die Fraktion der Unionsparteien sich so nachhaltig um die Auflösung aller versteckten Reserven und Polster im Haushalt des Bundes bemüht hat und weiter bemüht, so geht es uns nicht um kalkulatorische Einsparungen. Die in den letzten Jahren immer wieder gewollt oder ungewollt eingeplanten Reservepolster waren ein auslösender Anlaß für die Verfassungsverstöße des früheren Finanzministers und heutigen Bundeskanzlers Schmidt in den Jahren 1972 und 1973, Verstöße, die der Bundesrechnungshof kritisiert hat und die in dem mit der Klage angegriffenen Teil auch Gegenstand des Verweises des Verfassungsgerichts waren. Die Beseitigung der Polster im Haushalt ist dringend erforderlich und die vom Bundesverfassungsgericht hervorgehobene „herausragende Stellung" des Parlaments gegenüber der Exekutive wiederherzustellen.
Das neue Verfassungsurteil wird - so hoffe ich - die Bundesregierung zumindest für die Zukunft auf den Pfad der Tugend zurückführen
({30})
und zwingen, bei einem im Bundeshaushalt nicht vorgesehenen Mittelbedarf rechtzeitig die Genehmigung des Parlaments durch einen Nachtragshaushalt einzuholen. Das wäre dann die endgültige Verwirklichung eines der wesentlichen Ziele der Haushaltsrechtsreform des Jahres 1969, das damals von allen Parteien in diesem Hohen Hause, wie sich aus den Protokollen der Ausschüsse und des Plenums ergibt, verfolgt wurde.
Nun einige Bemerkungen zur Debatte vom Dienstag. Ich habe selten eine Debatte in diesem Hohen Hause verfolgt - in den 16 Jahren, in denen ich hier sein darf -, in der die Vertreter der Regierung und der Koalitionsfraktionen mit so sophistischen, teils widersprüchlichen, teils auch unwahren Argumenten
({31})
- ich komme darauf zurück, Herr Professor Schäfer, und ich werde das im Detail nachweisen - versucht haben, aus schwarz weiß zu machen und den schweren Verfassungsverstoß, dessen sich der heutige Bundeskanzler als Finanzminister schuldig gemacht hat, zu zerreden.
Nicht nur Herr Kollege Schäfer - wir werden uns gleich unterhalten -, sondern auch der Bundesjustizminister Dr. Vogel,
({32})
der berühmte Erfinder der Ministeranklage im Grundgesetz, der interfamiliär anscheinend zunehmend in den Schatten seines berühmten Bruders gerät
({33})
- ich bedaure, daß diese Säule unseres Kabinetts gegenwärtig nicht die Regierungsbank ziert -, dessen Plädoyer für mildernde Umstände am Dienstag ich nur als peinlich empfinden konnte, machte wie2888
Haase ({34})
der einmal den Versuch, so zu tun, als ob sich durch die Haushaltsrechtsreform überhaupt nichts geändert hätte.
Damit die Kolportagen einmal aus der Welt kommen, lassen Sie mich zur Klarstellung eines unterstreichen.
({35})
- Herr Kollege Schäfer, Sie sollten acht geben; dann halten Sie nämlich nicht solche Reden, die Ihren Ruf als ordentlicher Professor beeinträchtigen.
({36})
Die Haushaltsrechtsreform - wir haben sie uns an den Schuhsohlen abgelaufen - hat bewußt durch drei Verfassungsänderungen in Art. 110 und Art. 112 den endgültigen Vorrang des Haushaltsgesetzgebungsverfahrens vor Haushaltsüberschreitungen durch die Exekutive begründen wollen. Das geschah einmal durch die Anordnung der gleichzeitigen Vorlage von Haushalts- und Änderungsvorlagen an den Bundestag und den Bundesrat, zweitens durch die Privilegierung der Nachtragshaushalte durch Abkürzung der Fristen für den Bundesrat auf drei Wochen und drittens durch die Ermächtigung für den einfachen Gesetzgeber, Art. 112 des Grundgesetzes durch den § 37 der Bundeshaushaltsordnung näher zu konkretisieren.
Das war 1969 allgemeine Ansicht, Herr Kollege Professor Schäfer, sowohl bei allen Fraktionen des Deutschen Bundestages als auch bei der Bundesregierung. Ich glaube, darauf könnten wir uns doch wohl einigen.
Herr Abgeordneter, gestatte
Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schäfer?
Herr Kollege Schäfer, tut mir außerordentlich leid. Wenn Sie wieder beginnen, mir Antworten zu geben auf meine Zwischenfragen, gestatte ich Ihnen natürlich auch welche. - Nein, erst uns wieder Zwischenfragen gestatten, dann kommen Sie auch dran.
({0})
- Nein, Herr Kollege Schäfer, so wollen wir nicht verfahren. Sie sagen zu mir „Setzen!", und jetzt erwarten Sie von mir Antworten? Nein!
({1})
Nein, wir fechten hier auf gleicher Etage. Die eine Höflichkeit ist der anderen wert.
({2}) - Was haben Herr Abgeordneter?
({3}) : Ich habe doch nur noch ein Ohr.
({4})
- Herr Kollege Löffler, Sie haben die Möglichkeit, hier huldvolle Ausführungen zu machen. Wir werden Ihnen lauschen. Ich habe Ihnen doch immer an
den Lippen gehangen; hören Sie mir auch mal zu!
({5})
Herr Professor Schäfer und der Herr Bundesminister der Justiz Dr. Vogel können nicht bestreiten, daß der neue § 37 der Bundeshaushaltsordnung mit Wirkung ab 1. Januar 1970 verbindlich klargestellt hat, daß - ich zitiere wörtlich, damit es jeder begreift - eine Unabweisbarkeit nicht vorliegt, „wenn die Ausgaben bis zur Verabschiedung. des nächsten Haushaltsgesetzes oder des nächsten Nachtrags zum Haushaltsgesetz zurückgestellt werden können". Nach den Feststellungen des Bundesrechnungshofes und der Beweisaufnahme durch das Verfassungsgericht ist doch von Ihnen auch nicht zu bestreiten, daß zumindest in diesem Sinne die mit der Klage angegriffenen Ausgaben nicht unabweisbar waren. Oder, Herr Professor Schäfer, wollen Sie ernsthaft behaupten, daß man mit den Zahlungen an die Kreditanstalt für Wiederaufbau in Frankfurt, die das aus Steuermitteln erhaltene Geld ein halbes Jahr als Termingeld angelegt hat, also mit den Steuergeldern zunächst Geschäfte machte, nicht bis zu dem in § 37 der Bundeshaushaltsordnung festgesetzten Zeitpunkt hätte warten können? Es ist absurd, daß Sie sich zu diesen Behauptungen hier versteigen. Nach ihren eigenen Worten, Herr Kollege Professor Schäfer, ist der § 37 der Bundeshaushaltsordnung zumindest eine Kommentierung zu Art. 112 - in dem Sinne haben Sie sich ja wohl eingelassen -, und zwar eine Kommentierung durch den in Gesetzesform gekleideten Willen des Parlaments, die für die Regierung und damit auch für den früheren Bundesfinanzminister und heutigen Bundeskanzler verbindlich war und ist.
Wenn der heutige Bundeskanzler in Kenntnis dieser gesetzlichen Kommentierung nach den unbestreitbaren Feststellungen des Verfassungsgerichts gegen das Grundgesetz verstoßen hat, dann ist doch auch nicht mehr zu bestreiten, daß sein Verstoß vorsätzlich war, daß der Herr Schmidt einen vorsätzlichen Verfassungsverstoß begangen hat.
({6})
Jetzt kommt ein zweiter Komplex, Herr Kollege Professor Schäfer, der hier klargestellt werden muß. Vertrauensschutz im Hinblick auf die angeblich frühere Staatspraxis, die vor der Klarstellung durch die Haushaltsrechtsreform lag, konnte und kann er nicht für sich in Anspruch nehmen. Was vor und was nach der Haushaltsrechtsreform lag, sind zwei völlig verschieden gelagerte Tatbestände.
({7})
- Natürlich, vorsätzlich.
Aber durch die Haushaltsrechtsreform ist nicht nur die Rechtslage eindeutig im Sinne der Auslegung des Verfassungsgerichts klargestellt worden. Auch ein Vergleich der Zahlen vor und nach dem 1. Januar 1970 ist unzulässig; er würde eigentlich nur Äpfel mit Birnen vermengen. Bis zur Haushaltsrechtsreform war das Zahlenwerk des HausHaase ({8})
halts ganz anders zusammengestellt als heute. Darüber sollte man sich einmal informieren. Als über-
und außerplanmäßig wurde damals vielfach ausgewiesen, was in Wirklichkeit gar nicht unter Art. 112 GG fiel. Sie, Herr Professor Schäfer, haben Ihre Zahlen aus einem Gutachten übernommen, das die Bundesregierung schon im Verfassungsstreit in Karlsruhe vorgelegt hat. Der Gutachter der Regierung schreibt aber selbst, daß bei einem Vergleich zwischen früher und heute sogenannte belastungsneutrale Buchungen nicht berücksichtigt werden könnten. Es gehören namentlich die bis 1969 jeweils als überplanmäßige Ausgaben ausgewiesenen Positionen dazu, in erster Linie Positionen für die Defizitdeckung bei der Bundesbahn.
Das waren keine zusätzlichen Ausgaben des Bundes, sondern lediglich Verrechnungen von früher aus Haushaltsmitteln gewährten Liquiditätsdarlehen des Bundes gegen sein Sondervermögen Deutsche Bundesbahn. Mit diesen Verrechnungen erklärte sich das Parlament von vornherein einverstanden, indem es entsprechende Leertitel in den Haushaltsplan einstellte, so z. B. im Haushaltsplan 1958 einen Titel für die „Umwandlung von in den Rechnungsjahren 1967 und 1968 gewährten Darlehen in einen Zuschuß zur Erhöhung des Kapitals der Deutschen Bundesbahn". Nach der offiziellen Erläuterung zu diesem Titel im Haushaltsplan sollte dadurch die haushaltsmäßige Grundlage für diese im Laufe des Rechnungsjahres durchgeführten Buchungen geschaffen werden. Sie können das alles nachlesen.
({9})
Jetzt zu Ihren Beschuldigungen früherer Finanzminister. Bei Nichtberücksichtigung dieser belastungsneutralen Umbuchungen vermindert sich auch die Höhe der früher geleisteten über- und außerplanmäßigen Ausgaben ganz erheblich, für das Jahr 1968 - um ein Beispiel aus der Amtszeit von Franz Josef Strauß zu nennen - um 2,4 Milliarden DM. Setzt man diese Position von der Summe der von Herrn Professor Schäfer für 1968 genannten über- und außerplanmäßigen Ausgaben von 3,5 Milliarden DM ({10}) ab, bleiben für 1968 Haushaltsüberschreitungen von nur 1,1 Milliarden DM. Das sind 1,5 % des Ausgabensolls. Das ist alles, was von den Beschuldigungen übrigbleibt, die man gegen den seinerzeitigen Finanzminister Strauß gerichtet hat: 1,5 %!
({11})
Die Umbuchungen zwecks Defizitdeckung der Bundesbahn machten auch in den beiden von Ihnen, Herr Kollege Professor Schäfer, genannten Jahren 1958 - Haushalt Etzel - und 1962 - Haushalt Dahlgrün - den größten Brocken aus. Dazu kommen im Jahre 1962 noch 1,3 Milliarden DM als sogenannte außerplanmäßige Ausgabe für die Rückzahlung von Bundesbankkrediten in Zusammenhang mit Rückflüssen aus DM-Ziehungen des Internationalen Währungsfonds. Das ist nur ein durchlaufender Posten, der nicht Steuermittel, sondern Bundesbankmittel betrifft, die lediglich mit Rücksicht auf internationale Gepflogenheiten formell über den Bundeshaushalt geleistet werden.
Die über- und außerplanmäßigen Ausgaben aus der Zeit des Finanzministers Schäffer, Herr Kollege Professor Schäfer, die Sie genannt haben, betreffen ganz überwiegend Besatzungskosten, vor allem auch die Zuführung an die Rücklagen für Besatzungskosten. Sie erinnern sich an den Julius-Turm. 1954 wurden allein dafür 2,2 von 3,7 Milliarden DM außerplanmäßig „verausgabt".
Im Jahre 1953 wurde dieser außerplanmäßigen Rücklage für Besatzungskosten sowohl durch den Haushaltsausschuß wie auch durch den Bundesrechnungshof ausdrücklich zugestimmt, also ausdrücklich die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit von kompetenter Seite bescheinigt, wie sich in der Jahresrechnung auch nachlesen läßt.
Dazu kommen in den früheren Jahren noch eine ganze Reihe anderer Positionen, die nicht vergleichbar sind, z. B. für die vorzeitige Rückzahlung von Schulden des Bundes.
Ich will hier nicht weiter auf Zahlen eingehen. Eines steht aber fest, meine Damen und Herren: Vor 1970 hat es sicher auch die eine oder andere Beanstandung gegeben, aber niemals so krasse Beanstandungen, wie sie hier zur Entscheidung des Verfassungsgerichts gestanden haben.
({12})
Die Sozialdemokraten waren doch in der Opposition bestimmt nicht zimperlich. Herr Kollege Professor Schäfer, wenn sich damals auch nur ein Fall, nur ein einziger Fall von der dreisten Unverfrorenheit ereignet hätte, die sich später Finanzminister Helmut Schmidt geleistet hat, wenn die SPD damals wirklich nur einmal eine Chance für eine erfolgreiche Verfassungsklage gegen das Finanzgebaren der Bundesregierung, der damaligen Bundesfinanzminister gesehen hätte, ich glaube, die Sozialdemokraten hätten diese Chance ganz bestimmt wahrgenommen.
Unser Herr Bundesjustizminister - er ist leider immer noch nicht im Hause -, der Kollege Vogel, wollte zudem offensichtlich den Eindruck erwecken - das ist ein weiteres Argument unserer Bundesregierung in diesem Streit -, die CDU/CSU-geführten Länder hätten sich in den Jahren nach 1970 ähnlich verfassungsbrecherisch verhalten. Meine Damen und Herren, ich habe mich erkundigt. Das Ergebnis war: weder in Bayern noch in Baden-Württemberg noch im Saarland noch in Schleswig-Holstein ist auch nur in einem einzigen Fall eine über- oder außerplanmäßige Ausgabe vom Landesrechnungshof als unzulässig beanstandet worden,
({13})
wie das beim Bund für die Jahre 1972 und 1973 in so massiver Form geschehen ist. Das gleiche gilt auch für Niedersachsen. Nur in Rheinland-Pfalz hat es - in sechs Jahren ein einziges Mal - eine Beanstandung gegeben. Diese betraf eine Ausgabe an die Landwirtschaftskammer von 300 000 DM, also überhaupt gar keine Größenordnung im Vergleich zu dem Betrag, der hier gerügt werden muß.
Haase ({14})
Wenn man schon die Länder zum Vergleich heranzieht, dann ist wieder einmal - lassen Sie mich das als Bürger von Kassel sagen - leider das skandalträchtige Hessen vorn. Im Helaba-Skandal
({15})
bewilligte die hessische Landesregierung am 18. 12. 1974 am Parlament vorbei - Sie wissen, wie der Herr so das Gescherr; das schlechte Beispiel in Bonn verdirbt die guten Sitten im Land - außerplanmäßig 350 Millionen DM. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Ausschaltung des Parlaments in diesem Fall ist Gegenstand eines Verfahrens vor dem hessischen Staatsgerichtshof.
Gestatten Sie mir bei dieser Gelegenheit eine Zwischenbemerkung. Wenn ich an Hessen denke und wenn ich an die Helaba denke, dann kommt mir die Debatte vom Donnerstag letzter Woche in den Sinn. Der Kollege Meinike ({16}) widmete in dem Versuch, unsere Glaubwürdigkeit, die Glaubwürdigkeit der Damen und Herren der CDU/CSU, in Frage zu stellen, uns einige Zeilen Heinrich Heines. Diese sind es wert, daß wir sie uns noch einmal genüßlich anhören. Unser Kollege Meinike zitierte hier: „Ich kenne die Weise, ich kenne den Text, ich kenne auch die Verfasser. Ich weiß, sie tranken heimlich Sekt und predigten öffentlich Wasser." Ich weiß nicht recht, Herr Kollege Meinike, ob gerade die deutsche Sozialdemokratie nach allem, was sich in den letzten Monaten ereignet hat, berufen ist, die Moral der Asketen in diesem Lande zu predigen.
({17})
Ich möchte den verehrten Damen und Herren, unseren sozialdemokratischen Freunden, doch einmal raten, in die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" von vorgestern zu schauen. Da erhalten Sie unter der Überschrift „Nicht vertretbarer Luxus in Hankels Chefetage" detaillierte Einblicke in die Lebensgewohnheiten unserer sozialistischen Exzellenzen auf Chefetagen. Meine Damen und Herren, die predigten zwar auch Wasser, die tranken jedoch Champagner. Die tranken Champagner, und das gar nicht mal heimlich, sondern sehr offen.
({18})
- Unheimlich, das ist die rechte Formulierung; ich bedanke mich.
Um den sozialistischen Volksbankier - und es handelt sich ja bei Herrn Hankel um einen solchen; Sie wissen, er war auch eine Stütze hier in Bonn, und dann holte man ihn nach Hessen, diesen bedeutenden Finanzpolitiker bester sozialistischer Schule - nicht zwischen nackten Wänden arbeiten zu lassen, wurden nach Feststellungen der Rechnungsprüfer allein für gediegenen Wandschmuck Bilder und andere Pretiosen für über 500 000 DM angeschafft.
({19})
Insgesamt kostete die Ausgestaltung der Arbeitsgemächer unseres Genossen Hankel über 1 Million DM. Man muß schon sagen: Pleitesse oblige.
({20}) Für mehr als 3 Millionen DM wurde jenes Haus umgebaut, das der Verwaltungsratsvorsitzende der Hessischen Landesbank, Albert O.,
({21})
als Residenz für seinen Intimfreund Hankel zum Preis von 6 Millionen DM durch die Helaba hat erwerben lassen.
Wir haben hier ja auch so einige Erfahrungen mit der Art und Weise, wie man relativ preiswert auf hohem Niveau seine Residenzen einrichtet.
Meine Damen und Herren von der SPD, zumindest seit Albert Osswald ist doch alles anders. Dieser Mann - und das sollten Sie beachten - ({22})
- Davon habe ich gesprochen, und davon werde ich sprechen. Machen Sie Ihre Ohren auf, oder gehen Sie zu einem Ohrenarzt, Herr Kollege! Ich weiß, man hört oft schwer. Ich habe nur noch ein Ohr. Vielleicht sollten Sie auch einmal einen Facharzt zu Rate ziehen.
Dieser Mann Albert Osswald, von dem die gesamte deutsche Presse sagt, er habe sich am Vaterland gesundgestoßen,
({23})
und von dessen Lebensgewohnheiten der Volksmund - und unsere Freunde von der Sozialdemokratie beharren doch darauf, so volksverbunden zu sein - behauptet: Hier klaut der Chef die Akten selbst, - ({24})
Ich betone noch einmal: Der Volksmund sagt das. Und Volkes Stimme ist
({25})
- Gottes Stimme. Danke schön!
({26})
Diese Glanznummer Albert Osswald - ich sage das, damit Sie schweigen - war noch vor wenigen Monaten Ministerpräsident des Bundeslandes Hessen, war noch vor wenigen Wochen Landesvorsitzender der hessischen Sozialdemokraten und ist heute noch SPD-Abgeordneter im hessischen Landtag.
Meine Herren aus der Führungsriege der SPD, sieben Jahre lang haben die Führer der deutschen Sozialdemokratie uns in Hessen wärmstens empfohlen, das Schicksal dieses Bundeslandes Hessen in die gütigen und treuen Hände des Albert Osswald zu legen. Sie haben ihn uns doch empfohlen! Albert Osswald war doch eine Säule Ihrer Partei, ein Anwalt der Mühseligen und Beladenen, der Vertreter des kleinen Mannes. Kleiner Mann, was nun?
Er predigte Wasser und schlürfte Sekt.
({27})
Ich sage das, um das mal aus der Diskussion zu kriegen. Dann verstehen wir uns. Wir greifen das ja auch nicht so gern auf.
({28})
Haase ({29})
Ich empfehle Ihnen: Misten Sie Ihren Augias-Stall aus und hören Sie auf, dem Volk das Ammenmärchen zu erzählen, daß an die Führer der SPD besonders hohe moralische Qualifikationen gestellt würden. Das erzählen Sie ja landauf, landab auf Ihren Parteitagen! Die Leute verlangen von uns allen nichts Besonderes. - Sie verlangen von Ihnen so viel wie von uns, nämlich weiter gar nichts, als daß wir unsere Pflicht tun und nicht den anderen herabsetzen. Unterlassen Sie das! Dann sprechen wir auch nicht mehr von Albert O.
({30})
Ich sage Ihnen noch einmal: Unterlassen Sie es, die anderen zu disqualifizieren! Was tun Sie denn hier, auch mit der Bemerkung des Kollegen Meinike? Sie versuchen, uns die Glaubwürdigkeit zu nehmen. Sie stellen uns dar als Schleppenträger des Großkapitals und Speichellecker der Hochfinanz. Das tun Sie. Lassen Sie das! Dann werden wir Sie auch nicht mehr mit Albert O. behelligen.
({31})
Meine Damen und Herren, ich muß zum Haushalt zurückkommen.
({32})
- Das glaube ich. Aber wir werden Ihnen die Hessische Landesbank und den Albert Oswald, der ja immer noch Spitzengenosse ist, vorhalten, solange das notwendig erscheint. Darauf können Sie sich verlassen.
Nun muß ich noch einmal auf den Kollegen Dr. Vogel zurückkommen. Der Hinweis auf die CDU- Länder verdreht die Tatsachen ebenso wie Ihre Behauptung, die Klagebegründung der CDU/CSU sei vom Verfassungsgericht zweimal angemahnt worden. Das ist - ich habe mich vorsorglich noch einmal erkundigt -- wieder einmal eine glatte Unwahrheit. Herr Minister Dr. Vogel, es ist erschrekkend, wie Sie hier - er ist leider nicht da -, wie er hier im Stile - ich muß schon sagen - eines Winkeladvokaten argumentiert. Wenn ich die Rolle, die er hier in diesem Spiel gespielt hat, näher betrachte, werde ich an das Wort Ludwig Thomas erinnert: „Er war ein Einserjurist und auch sonst von mäßigem Verstand."
({33})
Sie haben sich als Verfassungsminister am Karlsruher Verfahren nicht beteiligt - irgendein Engagement war jedenfalls weder von Ihnen noch vom Kollegen Maihofer als Chef des zweiten Verfassungsressorts in Karlsruhe zu erkennen -, offenbar weil Ihnen die Rechtskundigen in Ihren Ressorts von vornherein den Mißerfolg vorhergesagt haben. So wurden Sie jetzt vom Chef zur Pflichtübung verdonnert, wenigstens im Bundestag als Advokat des Bundeskanzlers aufzutreten. Es gibt fürwahr seriösere Anwälte.
Um es noch einmal klarzustellen: Gemahnt wurde in Karlsruhe nicht die CDU/CSU-Fraktion als Klägerin, die ein eminentes Interesse an rascher Beendigung des Prozesses hatte, gemahnt wurde aber - und das nicht nur einmal, sondern wiederholt - seitens des Bundesverfassungsgerichts die Regierung wegen ihrer fortgesetzten Versuche zur Prozeßverschleppung. Wenn Sie, meine Herren von der Regierung, nicht endlich aufhören, falsche Behauptungen über die Prozeßführung in Karlsruhe zu kolportieren, werden wir dazu einmal eine Dokumentation vorlegen.
({34})
-- Das ist auch ein wichtiger Vorschlag, meine Damen und Herren. Daran können Sie dann wieder die Unredlichkeit Ihrer Argumentation erkennen.
({35})
Herr Kollege Westphal, Sie haben uns in einer Zwischenfrage oder einem Zwischenruf den Vorwurf gemacht, wir hätten mit der Klage zu lange gewartet. Ich glaubte nicht recht zu hören, denn als wir im Juli 1974 die Klage erhoben, ging der Vorwurf in die umgekehrte Richtung. Da wurde in einer Presseerklärung der Koalition vom 25. Juli 1974 kritisiert, wir hätten übereilt gehandelt.
({36})
Wir hätten doch wenigstens bis zur Vorlage der Prüfungsbemerkungen des Bundesrechnungshofs warten sollen. So wechseln Sie, meine Damen und Herren von der SPD/FDP, die Argumente wie andere die Hemden.
Wir hätten damals zwar gern noch etwas gewartet, denn wir ahnten zwar einiges, wußten aber nicht genau, was sich im einzelnen abgespielt hatte. In der monarchischen Tradition, in der ein Helmut Schmidt regiert, wurde das alles noch zum Staatsgeheimnis erklärt. Erst der Rechnungshof hat - gottlob, daß es ihn gibt - in seinen Prüfungsbemerkungen dies alles aufgedeckt und durch die Zeugenaussagen seiner Beamten vor dem Bundesverfassungsgericht ergänzt. Daraus ging hervor, wie skandalös das alles war, mit welcher - ich wiederhole das Wort - dreisten Unverfrorenheit sich der damalige Bundesfinanzminister und heutige Bundeskanzler Helmut Schmidt in seiner Nacht-und-NebelAktion über die Verfassung hinwegsetzte und am Parlament vorbei das ihm anvertraute Geld der Steuerzahler unter die Leute brachte. Wir als Opposition mußten gewissermaßen mit der Stange im Nebel herumstochern.
({37})
Wir mußten aber damals die Klage erheben, weil sonst die gesetzliche Ausschlußfrist
({38})
--Herr Kollege Löffler, haben Sie mal was von der gesetzlichen Ausschlußfrist gehört? Dann nehmen Sie hierzu Stellung - abgelaufen und die Anrufung des Verfassungsgerichts nicht mehr möglich gewesen wäre.
Meine Damen und Herren, ich bitte doch um Ruhe und Aufmerksamkeit. Herr Kollege Haase, Ihre Redezeit nähert sich dem Ende.
({0})
Meine Damen und Herren, man hätte wenigstens erwarten können, daß der Bundeskanzler selbst näher auf die Angelegenheiten eingegangen wäre. Er hat es nicht getan. Er hat hier mal wieder als Schmidtchen-Kneifer agiert.
({0})
Wenigstens hätte man erwarten können - das ist noch ein wichtiger Punkt -, daß er die falschen Zitate aus dem Urteil richtiggestellt hätte, denen im Vertrauen auf die Ausführungen des Bundeskanzlers auch ihm politisch Nahestehende aufgesessen sind. Ich meine hier den Außenminister Genscher, der in einer Fernsehdiskussion die Behauptung des Bundeskanzlers wiederholt hat, ferner Herrn Professor Eschenburg, dem gleiches in der „Zeit" unterlaufen ist, als er das Urteil kommentierte, ohne es vorher gelesen zu haben. Auch Herr Genscher und Herr Professor Eschenburg werden noch lernen müssen, daß man Behauptungen dieses Kanzlers nicht ohne weiteres trauen darf.
Die SPD kündigte ursprünglich als Reaktion auf unseren Mißbilligungsantrag einen eigenen Antrag der Koalition an, durch den dem Bundeskanzler das Vertrauen ausgesprochen werden sollte. Mit dieser Absicht ist die SPD-Fraktionsführung wohl in den eigenen Reihen nicht durchgekommen, sonst hätte sie diesen Antrag ja gestellt. Ich kritisiere das nicht, ich begrüße es. Es zeigt, wie einige von Ihnen wirklich denken.
Der Bundeskanzler hat erklärt, er wolle das Urteil „respektieren und befolgen". Ich hoffe, daß er wenigstens dieses Mal sein Wort hält, kann aber gewisse Bedenken nicht verhehlen. Wir werden ja sehen, inwieweit das Haushaltsbewilligungsrecht des Parlaments während der Zeit der vorläufigen Haushaltsführung bis zur Verkündung des Haushaltsplanes 1977 beachtet worden ist. Bisher haben Sie die in § 37 vorgeschriebenen Vierteljahresübersichten über die über- und außerplanmäßigen Ausgaben nicht für die Zeit der vorläufigen Haushaltsführung vorgelegt. Das können Sie jetzt auch nicht mehr tun. Wir fordern - erstmals für das laufende Jahr - eine eingehende Nachweisung in der durch § 37 BHO vorgeschriebenen Form, inwieweit Sie Art. 111 und 112 GG nach den Abgrenzungskriterien, die das Verfassungsgericht und die der große Senat des Bundesrechnungshofes festgelegt haben, beachtet haben.
Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, zum Ende zu kommen.
Herr Präsident, ich werde mich bemühen.
Ein Zeichen dafür, daß die Bundesregierung zur Respektierung des Urteils wirklich bereit ist, können Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, dadurch setzen, daß Sie wirklich alles, aber auch alles tun, um von Ihrer Seite die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß der neue Haushalt bis zur Weihnachtspause im Bundestag abschließend beraten werden kann.
Herr Abgeordneter, ich bitte Sie nochmals, zum Ende zu kommen.
Die CDU/CSU-Fraktion hat in den vergangenen drei Tagen in einer Fülle von Diskussionsbeiträgen die Schwächen dieses Etats deutlich gemacht und Änderungen mit dem Ziel beantragt, einen der wirtschaftlichen Situation des Landes angemessenen Haushalt aufzustellen. Auch die Finanzpolitik gehört zu den Schwachstellen der Regierungsbilanz, die selbst im Lager der Koalition heftig umstritten ist. Selbst wenn Sie Ihre Regierungsleistung verbessern und wenn Sie eine der Situation angemessene konsequente marktwirtschaftliche Finanz- und Wirtschaftspolitik treiben würden, fürchte ich, wird sich eine Besserung in diesem Land nicht einstellen. Entscheidend für die Misere ist der enorme Vertrauensverlust, den die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien erlitten haben. Vom Rentner bis zum Unternehmer, alle fühlen sich von Ihnen betrogen und enttäuscht. Sie können praktisch machen, was Sie wollen, Sie werden das Schicksal nicht mehr wenden. Sie können diesem Lande praktisch nur noch einen letzten Dienst erweisen, nämlich die Regierungsverantwortung möglichst bald abzugeben an Kräfte, die dem Bürger der Republik wieder Hoffnung und Zuversicht zu vermitteln in der Lage sind.
({0})
Auch in der dritten Lesung lehnen wir diesen Etat ab.
Herr Abgeordneter, ich muß Sie bitten, Ihre Rede zu beenden.
({0})
- Für das Wort an die Mitarbeiter gebe ich Ihnen noch eine Minute.
Ein letztes Wort an die Mitarbeiter des Ausschusses und die Mitarbeiter der Ressorts, die uns bei den Beratungen unterstützt haben. Wir sind ihnen allen für ihre Hilfe außerordentlich verbunden. Auch dem Abgeordneten Albert Leicht, dem langjährigen Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, der uns nun verläßt, um die wichtige Aufgabe des Präsidenten des Europäischen Rechnungshofes zu übernehmen, gilt unser Dank für sein immerwährendes und erfolgreiches Engagement für die Parlamentsarbeit und seine souveräne Leitung der Beratungen des Haushaltsausschusses.
({0})
Haase ({1})
Albert Leicht hat unsere Beratungen mit großer Sachkenntnis gefördert und geführt. Er hat sich um die Haushalts- und Rechnungsprüfungspolitik in der Bundesrepublik Deutschland verdient gemacht.
({2})
Wir wünschen unserem Freund alles Gute für sein persönliches und berufliches Wohlergehen und viel Erfolg bei seinen Mühen um den Weiterbau unserer europäischen Institutionen.
({3})
Meine Damen und Herren, ich bitte um Ihr Verständnis dafür, daß ich auf die Einhaltung der Redezeit dringe. Sonst kommen wir mit unserem Programm heute nicht durch.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Westphal.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man - wobei ich die letzten Sätze, die sich an den Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, Leicht, richteten, ausnehme - die Rede von Herrn Haase Revue passieren läßt, wird man mir zugestehen, zu sagen, daß es mir jetzt noch leichter fällt, die Anfangsfloskel meiner Rede zu verwenden, die da heißt: Wir stehen am Ende der Haushaltsberatungen, und viele von uns sind froh darüber.
({0})
Überblickt man noch einmal die langen Debatten dieser Woche, so ergibt sich aus der Sicht der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion mit Blick auf das Verhalten der Opposition folgendes Resümee.
Erstens. Der ständig wiederkehrende Versuch der Opposition, unserer sozialliberalen Regierung ein Gespinst von verfassungswidrigem Verhalten, Handlungsunfähigkeit, Tatenlosigkeit und Uneinigkeit vorzuwerfen, ist gescheitert.
({1})
Bei der Aussprache über den Einzelplan eines jeden Ressorts der Bundesregierung haben die Sprecher der Koalitionsfraktionen und unsere Minister Punkt für Punkt einen Nachweis unserer Leistungen erbracht. Herr Haase hat erstmalig in dieser ganzen Debatte, wenn ich es richtig überblicke, nun auch noch alte, abgestandene Affären aufgewühlt. Herr Haase, wir fahren hier keine Retourkutschen, obwohl wir das bei diesem Thema selbstverständlich tun könnten. Wir bereinigen Fehlverhalten in unseren eigenen Reihen selbst und haben dies in all den Fragen, die Sie hier aufgeworfen haben, längst getan.
({2})
Lesen Sie z. B. die Protokolle über den Parteitag der südhessischen SPD aus der vergangenen Woche.
Zweitens. Die Opposition hat nicht aus dem unentwirrbaren Knäuel sich widersprechender Zielvorstellungen ihrer Haushaltspolitik herausgefunden, nach der unter Verzicht auf Steuererhöhungen die Ausgaben vergrößert und die Schulden vermindert werden sollen. Das geht nicht. Das kann keiner. Wer gegenüber dem steuerzahlenden Bürger so argumentiert, ist unseriös.
Drittens. Die noch bis in diese Debatte wiederholten unsinnigen Behauptungen vom desolaten Zustand der öffentlichen Finanzen oder - wie es Herr Dr. Althammer in der ersten Lesung des Haushalts am 3. März dieses Jahres in ständig unzutreffender Wiederholung formulierte - von der „Zerrüttung der Staatsfinanzen"
({3})
hat die Opposition selbst auf das schlagendste ad absurdum geführt, indem sie aus dem öffentlichen Haushalt im kommenden Jahr Steuerentlastungen in einer Größenordnung von 5,7 Milliarden DM gewissermaßen verteilen will, ohne auf der Einnahmenseite zusätzlich eine einzige Mark hereinholen zu wollen.
({4})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Althammer?
Aber gern.
Herr Kollege Westphal, sollte Ihnen trotz aller Erklärungen von unserer Seite völlig entgangen sein, daß diese geplanten Steuerentlastungsmaßnahmen in unmittelbarem Zusammenhang mit den exorbitanten heimlichen Steuererhöhungen, insbesondere bei der Lohnsteuer, stehen? Ich möchte Sie fragen, Herr Kollege, ob Sie es nicht ebenfalls für unbefriedigend halten, daß die Lohnsteuer Jahr für Jahr heimlich - also ohne Erhöhung der Steuersätze - in diesem Ausmaß steigt.
({0})
Herr Dr. Althammer, ich komme auf dieses Thema an anderer Stelle zu sprechen, kann aber auf das, was Sie eben dazu gesagt haben, schon mit Deutlichkeit folgendes antworten. Was Sie von der Entwicklung im Lohnsteuerbereich sagen, ist nur eines unserer Probleme; Sie mögen noch so sehr diese Sache zum Thema machen, aber diejenigen, die das ändern werden - zu gegebener Zeit -, sind wir.
({0})
-- Hören Sie doch bitte zu. Herr Althammer hat in dieser Debatte noch einmal versucht, uns ein Chaos der Staatsfinanzen als Schreckensgemälde an die Wand zu malen. Ich darf Sie daran erinnern, daß es dieses hier zu beantworten galt. Dabei könnte einem einfallen, daß der von Ihrer politischen Seite gestellte Finanzminister des Landes Rheinland-Pfalz im Bundesrat formuliert hat - wir haben das fast mit Erschrecken gehört -: die Staatsfinanzen verbessern sich in dramatischer Geschwindigkeit. Sie
aber reden von Chaos und wollen aus dem Haushalt Dinge finanzieren, die so gar nicht zu machen sind. Meine Damen und Herren, so gesund sind die Staatsfinanzen selbst aus unserer Sicht nicht, um ein derart chaotisches Vergehen der Opposition ertragen zu können.
Die Haushaltsdebatte dieser Woche gab uns Gelegenheit, entgegen allen Unkenrufen unsere Geschlossenheit zu demonstrieren. Zusammen mit den Liberalen stützen wir Sozialdemokraten diese Regierung, die der Wähler gewollt hat und der wir in schwieriger Zeit erneut zum Erfolg helfen. Ich sehe Herrn Kohl hier nicht vor mir, ich wollte ihm sagen, es mag sein, daß die Retourkutschen, die er hier an einem Nachmittag gefahren hat, rhetorisch geschickt waren, aber wenn man das Ganze, was er gesagt hat, nachliest, muß man feststellen: Eines fehlt bestimmt, es fehlt der Inhalt.
({1})
Der Mangel an Konzeption, an Alternative ist es nach wie vor, der die rhetorischen Bemühungen unglaubwürdig macht.
({2})
Herr Strauß hat in dieser Debatte sozusagen nur als Krisenstratege bei einem einzelnen Punkt mitgewirkt und dazu seine ganze Redezeit - ich glaube, es war mehr als eine Stunde - verwendet. Es hat wenig Sinn, hier noch einmal darauf einzugehen. Die parlamentarische Quittung ist durch Abstimmung erteilt worden. Nicht Mißbilligung der Regierung Schmidt war das Ergebnis, sondern eindeutige Zustimmung mit exakt der Zahl der Abgeordnetenstimmen, die uns der Wähler in diese Koalition mitgegeben hat. Was zählt, sind nicht Kommentare und nicht Stimmungen, sondern parlamentarische Abstimmungsergebnisse. Dreimal in dieser Woche haben wir Ihnen hier unsere Geschlossenheit gezeigt und werden das heute noch einmal demonstrieren.
({3})
Der Haushalt, den wir verabschieden, paßt in die Landschaft. Dies gilt konjunkturpolitisch genauso wie strukturpolitisch. Dies gilt auch im längerfristigen Zusammenhang. Ich sage dies im Wissen um die oft in kurzen Zeitabständen wechselnden unterschiedlichen Empfehlungen, die uns von draußen, manchmal auch von wirtschaftswissenschaftlichen Instituten gegeben werden. Ich will dies erläutern.
Wir Haushaltsleute wissen um die Folgen hoher Verschuldung. Die Zins- und Tilgungslasten wachsen und engen den Raum für neue politische Gestaltungsmöglichkeiten ein. Auch wenn wir nach wie vor mit unserer Verschuldung, die immer im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt gesehen werden muß, im internationalen Vergleich viel günstiger liegen als andere vergleichbare Industriestaaten, so gibt es dennoch keinen Zweifel: Wir müssen in Zeiten normaler Konjunktur herunter von zu hohen Verschuldungen, die zur Rezessionsbekämpfung sinnvoll waren und auch bleiben. Deshalb wird mit diesem Haushalt in dem notwendigen Ausmaß die Konsolidierungspolitik durch den Abbau der Nettokreditaufnahme im Wege sparsamer Haushaltsbewilligungen an den richtigen Stellen fortgeführt. Wir können bei diesem Prozeß der Konsolidierung die Schrittgeschwindigkeit etwas verlangsamen, weil wir auf diesem Wege schon ein gutes Stück vorangekommen sind. Wir müssen diesen Prozeß mit dem Blick auf die konjunkturelle Situation langsamer gestalten, weil die These der Opposition, die auf ein Kaputtsparen hinausläuft, falsch ist. Dieser Haushalt soll und wird seine Funktion, zum wirtschaftlichen Wachstum beizutragen und anregen, erfüllen. Dies geschieht insbesondere in den Bereichen, in denen die Ausgabeansätze des Haushalts das vorrangige Ziel dieser Bundesregierung widerspiegeln, nämlich mit den Problemen des Arbeitsmarktes fertig zu werden und wieder eine hohe Beschäftigung zu erreichen. Unsere Bemühungen, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu stützen und zu beleben, können Sie beispielhaft in drei Schwerpunkten erkennen.
Erstens. Das Sonderprogramm der Bundesregierung vom November 1976 zur Wiederbeschäftigung von längerfristigen Arbeitslosen mit seinen Geldansätzen im Bundesetat 1977 wird ergänzt und flankiert durch das arbeitsmarktpolitische Programm, das das Bundeskabinett am 25. Mai 1977 beschlossen hat und für das durch Antrag der Koalitionsfraktionen im Bundesetat 1977 die notwendigen Mittel bereitgestellt werden. Wir haben hierfür sehr bewußt die Nettokreditaufnahme um 300 Mililionen DM aufgestockt.
Zweitens. Die Nachfrage- und Beschäftigungssituation auf dem Bausektor, der in dem differenzierten Konjunkturbild noch eine Schwachstelle darstellt, wird durch die vom Bundeskabinett ebenfalls am 25. Mai beschlossene Fortsetzung des Regionalprogramms für den Wohnungsbau noch über 1977 hinaus mit dem bisherigen Förderungsvolumen von 50 000 Wohnungen im Jahr 1978 gestützt und gefördert. Im Rahmen des Regionalprogramms 1977 sollen zur Verstetigung der Bautätigkeit zusätzlich 30 000 Wohnungen, überwiegend Mietwohnungen in Stadtregionen, gefördert werden. Auch hierzu haben die Koalitionsfraktionen in dieser Woche mit einer Verpflichtungsermächtigung von 1,3 Milliarden DM die finanzielle Basis geschaffen.
Drittens. Unter strukturellen und wachstumspolitischen Gesichtspunkten ist das Programm für Zukunftsinvestitionen besonders wichtig, das in der Regierungserklärung vom Dezember 1976 angekündigt wurde und im vorliegenden Haushalt bereits tatkräftig auf den Weg gebracht wird. Der Bundeskanzler selbst hat am Dienstag dieser Woche die Bereiche anschaulich demonstriert, für die in den ' nächsten Jahren 16 Milliarden DM bereitgestellt werden und für die es wahrlich lohnt die Werbetrommel stärker zu rühren, als dies bisher geschehen ist. Das Programm soll ein ausreichendes Wirtschaftswachstum abstützen und zur Wiedergewinnung und Sicherung eines dauerhaft hohen Beschäftigungsstandes beitragen. Durch Bereitstellung einer modernen öffentlichen Infrastruktur werden die Voraussetzungen für hohe und höhere private Investitionen geschaffen.
Deutscher Bundestag - 8. Wahlperiode
Dieser Dreiklang von struktur-, konjunktur- und arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen ist die konsequente und richtige Antwort auf das uns bedrükkende Problem, all den Menschen in unserem Land, die arbeiten wollen, auch wieder einen Arbeitsplatz zu beschaffen.
({4})
Hier muß auch ein Wort zu den jetzt bevorstehenden Entscheidungen über die Umsatzsteuerneuverteilung zwischen Bund und Ländern gesagt werden. Der im Grundgesetz vorgegebene föderative Aufbau der Bundesrepublik auch und gerade auf dem Gebiet des Finanzwesens wird eine ernsthafte Bewährungsprobe zu bestehen haben. Denn - hierin stimmen wir alle sicher überein - der Bürger draußen würde kein Verständnis dafür haben, wenn sich um den einen Steuerkuchen die Gebietskörperschaften, also die verschiedenen Ebenen unseres Staates, streiten und keine Lösung erreichen würden. Die Bürger erwarten vielmehr, daß ein vernünftiger Kompromiß zur Verteilung des von der Gesamtheit unserer Steuerzahler aufgebrachten Steueraufkommens gefunden wird, der es Bund, Ländern und Gemeinden gleichermaßen erlaubt, die ihnen gesetzten öffentlichen Aufgaben zu erfüllen.
Lassen Sie mich zur Versachlichung der Diskussion über den Belastungsausgleich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden einige wenige Größenordnungen nennen. Von 1970 bis 1976 stiegen die Einnahmen der Gemeinden um glatt 100 °/o, die der Länder um rund 87 °/o, die des Bundes aber eben nur um rund 54 %. Diese unterschiedliche Einnahmenentwicklung der Gebietskörperschaften wurde vor allem durch den unterschiedlichen Verlauf ihrer Steuereinnahmen beeinflußt, die sich seit 1970 parallel zu den eben genannten Einnahmezahlen entwickelt haben.
Bei der Ausgabenentwicklung seit 1970 sieht es dagegen anders aus. Hier bleibt nicht etwa der Bund entsprechend seiner geringeren Einnahmeentwicklung hinter den anderen Gebietskörperschaften zurück; er liegt auf der Ausgabenseite vielmehr mit ihnen gleichauf. Seit 1970 stiegen nämlich die Ausgaben der Gemeinden um 86,5 %, die der Länder um 99 °/o und die des Bundes um 84 %.
Daraus ist nun leider zu folgern: Eine auch nur annähernd anhaltende unterschiedliche Entwicklung der Einnahmen bei den Gebietskörperschaften in der Zukunft - und das zeichnet sich beim Status quo in der Steuergesetzgebung deutlich ab - führt angesichts der schlechten Ausgangsposition des Bundes und bei weiterhin etwa gleichmäßigen Zuwachsraten bei den Ausgaben zu einer weiteren und zwar wesentlichen - Verschärfung der Scherenentwicklung zwischen Einnahmen und Ausgaben zu Lasten des Bundes.
Meine Damen und Herren, diese Daten machen die Haltung des Bundesfinanzministers deutlich: Auch wenn er noch so sehr mit uns gemeinsam daran interessiert ist, daß gerade für die Gemeinden und Gemeindeverbände ein Ausgleich von Belastungen erzielt wird, und er sich dabei selbstverständlich an die Aussage des Bundeskanzlers in der Regierungserklärung zu dieser Frage hält, muß er eben nicht nur in gesamtstaatlicher Verantwortung handeln, sondern auch wohlabgewogen die Interessen des Bundes wahren, damit Bundeshaushalt und Finanzplanung des Bundes vertretbar und verantwortbar bleiben. Wir wünschen dem Bundesfinanzminister und letztlich dem die Entscheidungen treffenden Bundeskanzler bei ihren Bemühungen um einen vertretbaren, vernünftigen Kompromiß einen guten Erfolg.
({5})
Dem Bundeskanzler Erfolg wünschen heißt auch ihn auffordern, seine Politik auf der Grundlage der Regierungserklärung vom 16. Dezember 1976 fortzusetzen und ihn dabei, wie wir es bisher getan haben, unterstützen. Gegen alles Negative und Abwertende, was da geredet und vielfach auch geschrieben wird, gilt es doch einmal das zu setzen, was in den ersten sechs Monaten einer vierjährigen Legislaturperiode schon gemacht worden ist. Neben den hier schon angesprochenen Förderungsprogrammen, die wir in Start gestoßen haben, um unser Hauptziel zu erreichen, stehen auch noch:
erstens die Tatsache, daß der Londoner Wirtschaftsgipfel den hervorragenden Beitrag der Bundesrepublik Deutschland zur wirtschaftlichen Belebung in der Welt unterstrichen und die enge internationale Zusammenarbeit zur Bewältigung der Krise bestätigt hat;
zweitens die Tatsache, daß die Berlin-Erklärung vom 10. Mai 1977 die Einhaltung des Viermächteabkommens sowie die weitere Politik für Entspannung und Sicherheit in ganz Europa bekräftigte;
drittens die Tatsache, daß die Bundesrepublik Deutschland gut vorbereitet - und gerade in bezug auf die praktische Durchsetzung von Menschenrechten und deren Einhaltung im eigenen Bereich - mit gutem Gewissen in die KSZE-Folgekonferenz in Belgrad geht;
viertens die Tatsache, daß auf der Grundlage der von der Bundesregierung rechtzeitig vorgelegten Grundlinien und Eckwerte zur Energiepolitik und der Debatte dieses Hauses darüber ausreichende Energie für mehr wirtschaftliches Wachstum und Beschäftigung zur Verfügung stehen und gleichzeitig für sparsame und rationelle Verwendung der Energie gesorgt werden wird;
fünftens die Tatsache, daß neben der Erhöhung des Kindergeldes, der Ausbildungsförderungsbeträge sowie den Wirkungen des Steuerpakets - einschließlich der Regelungen des Einkommensteuerparagraphen 7 b für die Altbauten und die Grunderwerbsteuerbefreiung - ein verbessertes und sozial gerechteres Wohngeld weiterhin angemessenes Wohnen für alle sichert und
sechstens, daß gerade auch durch die Haushaltsbeschlüsse beim Bund alles getan wird, um für die jungen Menschen eine ausreichende Zahl qualifizierter Ausbildungsplätze in allen Bereichen unseres Bildungswesens zu schaffen.
Wie sieht es dagegen am Ende dieser Haushaltswoche mit der Politik der Opposition aus, nachdem
wir die Fülle ihrer Behauptungen, ihrer Forderungen und ihrer Widersprüchlichkeiten in so vielen Reden an uns haben vorüberziehen lassen? Die Opposition wirft - das hat Herr Haase heute morgen nochmals versucht - dem Bundeskanzler Verfassungsverstoß vor und will nicht gelten lassen, daß er 1973 eine Staatspraxis fortgesetzt hat, die andere vor ihm zur Gewohnheit gemacht hatten. Wie auch immer argumentiert und wenn auch versucht wurde, aus dem Urteil etwas anderes herauszukristallisieren - lesen Sie es nach. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen Ausführungen zur langjährigen Staatspraxis, um die es in diesem Zusammenhang geht, selbst festgestellt, daß sich diese Praxis zu einer extensiven Handhabung des Art. 112 des Grundgesetzes
- also der Bestimmung -, in der es um die überplanmäßigen und außerplanmäßigen Ausgaben geht
- entwickelt hat. Das steht auf den Seiten 39 und 40 des Urteils. Auch an anderer Stelle, z. B. auf Seite 64, kann man noch einmal eine nähere Begründung zu diesem Fragenkomplex lesen.
Die zitierten Stellen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts, im Zusammenhang mit weiteren Aussagen dieses Urteils gelesen, ergeben demnach die Richtigkeit der von uns aufgestellten Behauptung, das Bundesverfassungsgericht habe auch die Staatspraxis früherer Finanzminister gerügt. Das ist vom Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts in öffentlicher Kommentierung des Urteils auch noch einmal ausdrücklich bestätigt worden. Wir machen daher, was die Vorwürfe der Opposition betrifft, nicht mit, sondern wir werden die durch das Urteil getroffene Klarstellung in der künftigen Praxis beachten und daraus nüchterne Folgerungen ziehen. Das tun wir, auch ohne daß wir einer Entschließung zustimmen werden, die Sie von der Opposition uns unterbreitet haben und in der doch nur wieder versucht wird, Ihre Polemik neu aufzuwärmen.
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Die Opposition kritisiert die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung, verschweigt aber geflissentlich, daß das Urteil die Länderregierungen in gleicher Weise trifft. Wir jedoch ziehen die Konsequenzen aus dem Urteil durch konkrete Vorschläge zur sinnvollen Bewirtschaftung der Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit, deren Notwendigkeit auch vom Bundesverfassungsgericht bejaht wird. Wir begrüßen dabei, daß die Bundesregierung ihr Vorgehen mit den ebenso betroffenen Länderregierungen koordiniert.
Die Opposition lehnt auch die moderate Erhöhung der Umsatzsteuer ab, die der Wähler schon akzeptiert hatte. Sie will die von ihr in der vorigen Woche abgelehnten, in dieser Woche von ihr dann wieder geforderten Steuerentlastungen aus dem laufenden Haushalt finanzieren. Dessen Volumen und die Kreditfinanzierung will sie schon in diesem Jahr, am liebsten durch Kürzungen bei Schätzansätzen und durch die Erfindung globaler Mehreinnahmen in der Verwaltung - wider die volkswirtschaftliche Vernunft, muß man hier wohl einfügen -, absenken. Wir aber halten einen soliden Ausgleich zwischen Einnahmen und Ausgaben für erforderlich und ermöglichen dadurch gesellschaftspolitisch wichtige Entlastungen wie z. B. die Erhöhung des Kindergelds.
Die Opposition kritisiert die Bundesregierung wegen der Auswirkungen des Steuerpakets auf Länder und Gemeinden, aber ihr eigener Gesetzentwurf belastet diese Gebietskörperschaften rund dreimal so stark,
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nämlich mit gut 3 Milliarden DM, ohne daß von der Opposition den Ländern und Gemeinden ein Ausgleich angeboten wird. Sie geht dabei den berühmten Weg des „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß". Wir aber lehnen ein solches verantwortungsloses Vorgehen ab und stützen unseren Finanzminister bei seinen Bemühungen um einen vernünftigen Kompromiß mit den Ländern.
Die Opposition weist auf die großen Risiken bei den Bürgschaftsverpflichtungen des Bundes zur Ausfuhrförderung hin. Aber sie hält es gleichzeitig für möglich, 400 Millionen DM Mehreinnahmen aus diesen angeblichen Risikogeschäften zu ziehen. Wir aber geben der Wirtschaft einen ausreichenden Bürgschaftsrahmen für Arbeitsplätze schaffende Exportaufträge und bleiben bei der bisherigen risikoabsichernden Veranschlagungspraxis.
Die Opposition akzeptiert nicht das Ergebnis des Vermittlungsausschusses für die Konsolidierung unseres Rentenversicherungssystems und die Kostendämpfung im Gesundheitswesen. Wir aber gehen unseren Weg, der künftige Rentenerhöhungen sichert und der die Position des Versicherten, um dessen Gesundheit es ja geht, gegenüber den Anbietern von Gesundheitsleistungen endlich verstärkt.
Die Opposition mißt mit zweierlei Maß, wenn sie Diskussionen über Sachfragen, die von zwei miteinander koalierenden Parteien zu führen sind, hochspielt, aber zum gleichen Zeitpunkt so tut, als ob nichts gewesen wäre, wenn der Vorsitzende der einen Schwesterpartei, Herr Strauß, von Sonthofen über Kreuth bis zu den ABM-Vorschlägen der CDU gegen den Vorsitzenden der anderen C-Partei, Herrn Kohl, wettert und wenn Herr Tandler fragt, ob die Fraktionsgemeinschaft noch sinnvoll ist. - Nein, meine Damen und Herren von der Opposition, mit diesem Zickzackkurs und Durcheinander Ihrer Politik sind Sie keine Alternative. - Herr Kohl, auch Ihr Lachen ändert das nicht.
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Die Regierung der sozialliberalen Koalition steht für eine lange Reihe positiver Tatsachen, die ich am Ende meiner Ausführungen auf folgenden knapp gefaßten Nenner bringen möchte.
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- Das kommt jetzt, Herr Kohl, weil es berechtigt ist.
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- Es ist schön, wie weit Sie voraussehen können, wie gut wir sind. Ich will es Ihnen noch einmal vortragen:
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Die Bundesrepublik Deutschland ist mit der Rezession am besten fertiggeworden - das können Sie nicht bestreiten, Herr Kohl -, und dies trotz der noch unbefriedigenden Arbeitslosenquote. Sie ist zum Beispiel in Belgien, Dänemark und Frankreich, in Großbritannien, Italien, Kanada und den USA höher als bei uns. Die Bundesrepublik kann anderen bei der Überwindung ihrer Schwierigkeiten helfen und tut dies tatkräftig.
Hier sei hinzugefügt: Ich meine, wir müssen dies gegenüber den ärmsten Ländern der Dritten Welt künftig noch deutlich stärker tun als bisher.
Um noch deutlicher zu machen, wie es in dieser Republik steht, sei hier gesagt: Unser Rat wird weltweit gesucht und gehört. Wir sind offen für den Import und haben Protektionismus anderer abwenden können. Unsere Unternehmer und Arbeiter halten den hohen Exportanteil, auch entscheidend auf Grund der Qualität und Liefersicherheit.
Wir haben nun schon über mehrere Jahre nach der Schweiz die geringste Inflationsrate, und unser Geldwert ist relativ am stärksten gestiegen.
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Wir haben die höchsten Devisenreserven, obwohl wir fast alle Rohstoffe von draußen hereinholen müssen. Unser Zinsniveau liegt kostengünstig niedrig.
Die Reallöhne unserer Arbeitnehmer sind hoch. Wir haben erwiesenermaßen ein hervorragendes Netz sozialer Sicherheit. Wir sind im Vergleich zu vielen anderen - lassen Sie mich das so sagen - ein wohlhabendes Land, auf das wir stolz sein können.
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Das kann sich doch wohl als eine Feststellung von Tatbeständen sehen lassen. Das verdient doch wohl Zustimmung.
Beim Haushalt wird über die Politik der Regierung entschieden. Meine Damen und Herren, wir empfehlen Ihnen deshalb, dem Haushalts für 1977 Ihre Zustimmung zu geben.
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Am Schluß bleibt mir die Aufgabe, Dank abzustatten. Dank zuerst Ihnen, Herr Kollege Leicht, als dem Vorsitzenden unseres Haushaltsausschusses! Sie haben unsere Beratungen fair, freundlich und zielstrebig geleitet. Danke schön dafür.
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Dank auch an den Bundesfinanzminister und an alle seine Mitarbeiter, die uns unermüdlich und sachkundig zur Verfügung gestanden haben.
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Dank an die Mitarbeiter im Sekretariat des Haushaltsausschusses, deren stille, schnelle und praktische Zuarbeit oft bis tief in die Nacht hinein unsere Beratungen begleitete.
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Dank aber auch schließlich an unsere Mitarbeiter in den Arbeitskreisbüros der Fraktionen, deren schnelles Reagieren und großes Fachwissen uns Abgeordnete in unserer Arbeit unterstützte.
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Meine Damen und Herren, Sie haben mir geduldig zugehört. Ich bedanke mich dafür.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Hoppe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Mitarbeit der Opposition am Haushalt 1977 war im Haushaltsausschuß sehr viel sachdienlicher, als es die starken Worte im Plenum vermuten lassen. Weder die geschichtliche Ablehnung des Verteidigungsetats noch die kabarettistische Einlage des Kollegen Haase ändern etwas an der Berechtigung dieser Feststellung.
Der Haushaltsplanentwurf der Bundesregierung war der erkennbare Versuch, zwischen den Erfordernissen der Konsolidierung und der konjunkturellen Belebung so gekonnt hindurchzusteuern, daß eine tragfähige Basis für die Fortsetzung einer erfolgreichen Wirtschafts- und Finanzpolitik geschaffen werden konnte.
Dabei waren die schwachen Stellen in diesem Entwurf allerdings nicht zu übersehen. Für die dritte Lesung liegt jetzt aber ein so verändertes und in wichtigen Punkten so verbessertes Zahlenwerk vor, daß der Haushalt in seiner neuen Fassung als wirklich geglückter finanzpolitischer Kompromiß bezeichnet werden kann.
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Dieses Ergebnis ist in einem Dialog zwischen Regierung und Parlament zustande gekommen. Denn niemand wird leugnen wollen, daß starke Impulse zur Veränderung von den Programmen der Bundesregierung zur Sicherung der Zukunftsinvestitionen und zur Arbeitsplatzsicherung ausgegangen sind. Die Umschichtung von konsumtiven auf investive Ausgaben wird dem Haushalt gut bekommen. Schließlich ist es gelungen, mehr als eine Milliarde DM unseres Haushalts wirtschaftspolitisch sinnvoll umzutestieren. Die weitere Milliarde, die wir als Investitionszuschuß an die Bundesbahn geben, stärkt diesen !Effekt.
Insgesamt ist die Haushaltsstruktur auf der Ausgabenseite durch die Kürzungen konsumtiver Leistungen und die Finanzierung zusätzlicher investiver Maßnahmen spürbar verbessert worden. Gleichzeitig konnte die Nettokreditaufnahme um 2 Milliarden DM reduziert werden. Dies ist nicht der große Durchbruch, aber es ist schon sehr bemerkenswert, daß wir an zwei Stellen zugleich einen - wenn
auch bescheidenen - Schritt nach vorn tun konnten. Der Bewegungsspielraum, der durch Steuermehreinnahmen und durch Ausgabenkürzungen in den Haushaltsberatungen gewonnen wurde, ist unter Berücksichtigung der gesamtwirtschaftlichen Daten, in die sich eine Haushaltspolitik nun einmal harmonisch einfügen muß, in guter Weise genutzt worden.
Es war eine richtige finanzpolitische Entscheidung, bei der Aufstellung des Haushalts von einem nur sehr flachen Anstiegswinkel der Kurve des Wirtschaftswachstums auszugehen. Dies hat uns Enttäuschungen erspart und der Notwendigkeit enthoben, rigorose Korrekturen im negativen Sinne vornehmen zu müssen. Im Gegenteil, die sehr vorsichtige Steuerschätzung ist erfreulicherweise übertroffen worden. Allerdings hatte ich die Erwartung einer gewissen positiven Entwicklung schon in der ersten Lesung geäußert, und die Verbesserung fiel dann noch günstiger aus, als gemeinhin angenommen wurde.
Die durch Einnahmeverbesserungen und Ausgabenkürzungen gewonnene Entlastung schien zunächst die Möglichkeit zu eröffnen, die Nettokreditaufnahme des Bundes fühlbar unter die 20-Milliarden-Grenze zu drücken. Die Verhältnisse waren dann aber doch nicht so, daß wir uns diesen Rigorismus hätten leisten können. Die konjunkturelle, arbeitsplatz- und kreditmarktpolitische Situation verlangte vom Haushalt gegensteuernde Maßnahmen. So ist es dann bei mehr als 20 Milliarden DM Kreditbedarf des Bundes geblieben.
Meine Damen und Herren, während nun in den vergangenen Jahren die Verschuldensgrenze allgemein als bedrohlich empfunden wurde, gilt heute, hier und da jedenfalls, schon wieder die Parole: Schuldenmachen tut not. Ich bin allerdings nicht bereit, die bisher eingenommene Position kurzerhand zu verändern. Was für die besorgten Feststellungen der Vergangenheit richtig war, trifft für den Haushalt und seine Verschuldensproblematik auch heute noch zu.
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Ich wiederhole deshalb an dieser Stelle noch einmal die Warnung aus der ersten Lesung: Wir alle und auch primär wirtschaftspolitisch orientierte Kollegen müssen erkennen, daß sich eine weitere Kreditexpansion allein von der Zinsbelastung her für den Haushalt verbietet. Die dafür zu veranschlagenden Ausgaben des Bundes steigen bei gleichbleibend günstigem Zinssatz nach der Finanzplanung von 4 Milliarden DM im Jahre 1974 auf über 15 Milliarden DM im Jahre 1980. Es dürfte daher kaum zu verantworten sein, diese schon jetzt exorbitante Vorbelastung der Ausgabenseite noch weiter in die Höhe zu „jubeln". Der Bundesfinanzminister hat also gute Gründe, wenn er immer wieder so betont auf die Konsolidierung der öffentlichen Finanzen hinweist. Wir sollten diese Mahnung nicht leichtfertig in den Wind schlagen.
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Erfreulich ist denn auch, daß wir uns durch drastische Ausgabenkürzungen den notwendigen
Bewegungsspielraum für zusätzliche Investitionen schaffen konnten. Noch in der ersten Lesung schien mir diese Aufgabe nur durch einen weiteren Zugriff am Kapitalmarkt lösbar. Es spricht für ein gutes Stück finanzpolitischer Gemeinsamkeit zwischen allen Fraktionen dieses Hauses, daß es gelungen ist, die Finanzierung der zusätzlichen Investitionsausgaben sicherzustellen, ohne erneut einen kräftigen Schub am Kapitalmarkt zu produzieren. Insofern kann die Beratung des ersten Haushalts der 8. Legislaturperiode ganz froh stimmen. Zwar hat es hin und wieder mal gewittrige Entladungen gegeben, aber insgesamt sind doch wohl Ansätze für eine Zusammenarbeit deutlich geworden, die sich an der gemeinsamen Verantwortung in der Sache orientiert.
Das bewährte kollegiale Klima hat auch die inhaltliche Arbeit des Haushaltsausschusses günstig beeinflußt. Maßgeblichen Anteil daran hat der langjährige Vorsitzende des Haushaltsausschusses, unser Kollege Albert Leicht.
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Mit großer fachlicher Kompetenz und der Weisheit des altgedienten Praktikers hat er jede noch so kontroverse Diskussion immer wieder versöhnlich ausklingen lassen. Ihm im Namen der Fraktion der Freien Demokraten dafür zu danken, ist mir eine angenehme Pflicht.
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Mit einem weinenden und einem lachenden Auge sehen wir deshalb Albert Leicht aus seiner Arbeit im Haushaltsausschuß scheiden. Wir hoffen aber, daß er auch künftig als praktizierender Europäer dem Deutschen Bundestag und dem Haushaltsausschuß verbunden bleiben wird.
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Umstritten blieb in den Beratungen der Investitionszuschuß an die Deutsche Bundesbahn. Die Opposition hätte die Milliarde lieber in der Kasse behalten. Sie wendet gegen die Ausgabe ein, daß besondere Investitionsanreize von dieser finanztechnischen Maßnahme nicht ausgehen. Dies ist richtig. Es geht hier in der Tat nur darum, wie die bei der Bundesbahn vorgesehenen Investitionen finanziert werden. Entweder geschieht dies über den Zuschuß aus dem Bundeshaushalt, wie jetzt vorgesehen, oder durch von der Bundesbahn selbst aufzunehmende Kreditmittel.
Nun ist allen bekannt, daß die Deutsche Bundesbahn für den Bundeshaushalt in der Zukunft noch ein großes Haushaltsrisiko bereithält. Der Entwurf des Haushaltsplans 1977 hat sich an diesem Problem sehr bewußt vorbeigedrückt. Die Sanierung der Bahn muß erst noch eingeleitet werden. In dieser Situation die durch Steuermehreinnahmen überraschend gewonnene Fähigkeit für eine finanzpolitische Entlastungsaktion zu nutzen, schien uns deshalb ein Gebot der Vernunft zu sein.
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Es gilt, jede Möglichkeit auszuschöpfen, den Druck der hier liegenden Zukunftsproblematik zu verringern.
Da die Opposition der Verschuldensthematik
sonst so viel Aufmerksamkeit widmet, sollte sie es eigentlich auch an dieser Stelle tun können. Angesichts der hohen Verschuldensquote der Bundesbahn von 30 Milliarden DM war es nach unserer Auffassung jedenfalls bitter nötig, der Bahn zu einer Verbesserung der betriebswirtschaftlichen Situation zu verhelfen. Aber vor allen Dingen helfen wir dem Bundeshaushalt. Im Vorgriff auf einen schwierigen Sanierungsfahrplan konnten wir schon in diesem Jahr den ersten Zug abfahren lassen.
Im übrigen sollte für die Bundesbahn vernünftig sein, was bei der Bundespost offenbar auch nach Meinung der Opposition finanzpolitisch vernünftig ist. Bei der Bundespost wurde im Einvernehmen mit allen Fraktionen noch einmal auf eine Abgabe an den Bundeshaushalt verzichtet, und dies, obschon die Post im Jahr 1976 wieder einen kräftigen Gewinn erwirtschaftet hat. Dennoch waren alle Fraktionen der Meinung, daß die Bundespost erst wieder richtig auf die Beine kommen sollte, bevor, wieder Beträge an den Bundeshaushalt abzuführen sind. Was der Bundespost billig ist, sollte der Bundesbahn recht sein.
Vielleicht würde die Sonne der Opposition ebenso über der Bundesbahn scheinen, hätten sich auch hier Fürsprecher vom Rang der Kollegen Dollinger und Stücklen gefunden. Da hat es die Post offenbar besser als die Bahn.
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Die Freien Demokraten bekennen sich jedenfalls zu dieser Vorableistung an die Bundesbahn. Bereits in der ersten Lesung ist dieser Punkt von mir mit gewisser Sorge angesprochen worden. Ich bin deshalb froh, daß schon vor der grundlegenden Sanierung ein wenig praktische Hilfe geleistet werden konnte.
Der Haushaltsausschuß hat auch an einer anderen Stelle einen wichtigen politischen Akzent gesetzt. Die Entwicklungshilfe hat finanziellen Rückenwind bekommen. Die Leistungen auf dem Gebiet der Kapital- und der Soforthilfe, die Arbeit der politischen Stiftungen sowie der privatwirtschaftliche Kapitaltransfer auf dem Feld der wirtschaftlichen Zusammenarbeit können sichtbar gesteigert werden. Durch Erhöhung der Barmittelansätze und durch Ausweitung der Verpflichtungsermächtigungen sind die erforderlichen Voraussetzungen dafür geschaffen worden.
Wer die Beschlüsse der 7. Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen als Meßlatte anlegt, darf auch jetzt noch nicht zufrieden sein. Aber es wird der politische Wille signalisiert, auch auf diesem Gebiet mit Absichtserklärungen der Bundesregierung ernstzumachen.
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Die Diskussion über die Leistungen der Industrieländer wird sich nach dem Ergebnis des Nord-Süd-Dialogs in Paris sicher noch verschärfen. Und bei der in die Vereinten Nationen zurückverlagerten Auseinandersetzung werden wir so lange keine gute
Figur machen, wie wir mit unseren Leistungen weit hinter der Zielprojektion zurückhängen.
Das Ergebnis von Paris läßt schon jetzt in Umrissen künftige Perspektiven für den Bundeshaushalt erkennen; und sie stimmen finanzpolitisch nicht gerade fröhlich. Der gemeinsame Fonds eines integrierten Rohstoffprogramms ist drauf und dran, zu einem eminent bedeutsamen Instrument der internationalen Wirtschafts- und Finanzpolitik zu werden. Jedenfalls wurde er als „Schlüsselinstrument zur Erreichung der Ziele eines integrierten Rohstoffabkommens" qualifiziert. Der von der deutschen Bundesregierung gegen eine Entwicklung zum Dirigismus und für die Wahrung marktwirtschaftlicher Prinzipien erneut geltend gemachte Vorbehalt wird die für den Haushalt negativen Folgen wohl kaum noch abwenden können. Es dürfte nur schwer zu verhindern sein, daß sich mit dem gemeinsamen Fonds ein Hebel der Weltwirtschaftspolitik entwikkelt, mit dem eines Tages Milliardenbeträge aus dem Bundeshaushalt herausgepumpt werden. Aber diese Sorge der Zukunft ist noch kein aktuelles Thema des Haushalts 1977; auch wenn wir die Augen vor der drohenden Entwicklung nicht verschließen dürfen.
Dennoch darf uns der Nord-Süd-Dialog mit seiner Ungewißheit über die finanziellen Lasten nicht unwillig oder gar unfähig machen, mit anderen entwickelten Staaten gemeinsam die Not in den ärmsten Ländern der Welt nach Kräften zu lindern.
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Meine Damen und Herren, es ist ein Gebot der Menschlichkeit, ihnen zu helfen, und es ist zugleich ein Gebot der politischen Vernunft, dafür zu sorgen, daß die Gesamtheit der Entwicklungsländer steigende Lebensbedürfnisse daheim und auf dem Weltmarkt zunehmend decken kann. Es wird uns nicht viel Zeit bleiben, die schönen Worte guter Absichten endlich auch in handfeste Taten umzusetzen. Bundespräsident Walter Scheel wird deshalb nicht müde, unsere Mitbürger immer wieder mit allem Ernst zu mahnen:
Wenn wir heute nicht bereit sind, unseren Wohlstand mit anderen zu teilen, so werden wir morgen Not und Mangel teilen müssen.
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Zu dieser internationalen Solidarität sind wir befähigt, weil die Bundesrepublik Deutschland ein Hort der wirtschaftlichen Stabilität und des sozialen Friedens ist.
Wir haben unsere eigenen gewichtigen Probleme. Aber sie lassen unsere politische und wirtschaftliche Leistungskraft unangetastet. Und doch haben wir im Inneren unseres Landes noch viel zu leisten. Wir müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, daß die Lebensangst der Bürger wieder überwunden werden kann. Dabei dürfte der geistig-moralische und sozialökonomische Zustand unseres Gemeinwesens eine maßgebliche Rolle spielen.
Es ist, wie mir scheint, ein Verdienst der Gräfin Dönhoff, in ihrer Darstellung politischer Schicksale George F. Kennan mit seiner analytischen Prägnanz
uns allen in Erinnerung gebracht zu haben. Kennan war der Auffassung, daß die innere Verfassung eines freiheitlich-demokratisch geordneten Gemeinwesens wichtiger sei als seine militärische Stärke. Gehe man von der tiefsitzenden Angst der Leute aus und gehe man diesem Phänomen nach, so meinte er, stelle man fest, daß sie sich gar nicht von außen bedroht fühlten, sondern daß ihre Unsicherheit vielmehr aus dem Inneren wachse, aus der Schwäche einer übertrieben materiellen Zivilisation, aus der Unfähigkeit, sich zusammenzureißen und der Bevölkerung im Frieden irgendeine Disziplin oder gar ernsthafte Opfer abzuverlangen.
Die hier aufgeworfenen Fragen reichen weit über das Haushaltsjahr hinaus. Wir werden stärker als bisher die lebendigen Kräfte unserer demokratischen freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung freisetzen müssen, um mit ihren Inhalten und ihren Idealen jene Faszination auszulösen, die den Kulturpessimismus unserer Tage überwinden kann. Um dafür die rechte Lösung zu finden, darf ich noch einmal auf Kennan zurückgreifen. Die Frage, warum der Marxismus für die Jugend trotz Prag und Solschenizyn noch immer soviel Anziehungskraft besitzt, beantwortete er so:
Ich kann mir dies nur als die sublimierte Form einer Aversion gegen die moderne Gesellschaft erklären, gegen ihren Materialismus, ihren Mangel an Idealen, ihren ständigen Appell, den sie nicht an die Bereitschaft, für das Ganze Opfer zu bringen, richtet, sondern an private egoistische Zielsetzung.
Meine Damen und Herren, aber es ist nicht nur die Jugend in unserem Lande, die diese Unsicherheit verspürt. Wir werden den Zustand allgemeiner Verunsicherung erst dann hinter uns lassen, wenn die politischen Repräsentanten dieses Staates auf die mit der zweiten industriellen Revolution aufgeworfenen Fragen endlich auch die passenden Antworten parat haben.
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Es wäre vermessen zu behaupten, daß dies bereits der Fall sei.
Hier sind Regierung und Opposition in einen harten politischen Wettbewerb gestellt. Ich vermag noch nicht zu sehen, daß es der Opposition dabei gelungen wäre, sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Aber auch für die Koalition ist Selbstgefälligkeit nicht am Platze. Die überzeugenden Antworten auf viele offene Fragen stehen noch immer aus. Zeigen wir die Bereitschaft und die Fähigkeit zu konstruktiver Politik.
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Meine Damen und Herren, nach einer interfraktionellen Vereinbarung gebe ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Warnke zu dem Antrag auf Drucksache 8/668. Fünf Minuten sind angemeldet worden, Herr Kollege Warnke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der Antrag hat zum Schwerpunkt, die 10 %ige Kürzung der Arbeitsplatzförderung in den strukturschwachen Gebieten und im Zonenrandgebiet wieder rückgängig zu machen. Wenn Sie, Herr Minister Apel, und Ihre Regierung uns erst die Grundausstattung um 10 % kürzen und anschließend mit diversen Arbeitsplatzbeschaffungsprogrammen beglücken wollen, dann heißt das doch im Klartext: Sie nehmen erst mit der rechten Hand 10 °/o weg und legen dann mit der linken Hand wieder etwas dazu, in der Hoffnung, daß die Bevölkerung dies überhaupt nicht merkt. Das ist unehrlich. Das ist ein Schwindel. Das machen wir nicht mit.
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Deshalb legen wir Ihnen diesen Antrag heute zum zweiten Male vor.
Er hat gestern früh dem Unterausschuß Zonenrand vorgelegen. Mit der Mehrheit der Koalition hat der Unterausschuß Nichtbefassung beschlossen. Er hat versucht, mit einer fehlerhaften Auslegung der Geschäftsordnung jegliche Sachdebatte über diesen Antrag abzuwürgen. Meine Damen und Herren, die SPD- und FDP-Abgeordneten des Unterausschusses Zonenrand haben gestern früh nicht nur die Geschäftsordnung mißbraucht; sie haben vor allen Dingen eine Tradition gefährdet, die es in diesem Hause ein Vierteljahrhundert gegeben hat, nämlich interfraktionelle Zusammenarbeit, Einstimmigkeit, Konsens in Angelegenheiten des Zonenrandgebietes. Wir brauchen heute nicht weniger Konsens, wir brauchen mehr Konsens in diesem Hause. Sie haben ein Stück davon demontiert. Das verurteilen wir.
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Schlimmer noch, meine Kollegen von der Koalition: Sie haben gestern gezeigt, daß der SPD und der FDP weitgehend die Verbindung zu ihren Wählern abhanden gekommen ist;
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denn diese Wähler haben Ihnen doch ihre Stimmen und damit ihr Vertrauen gegeben, damit Sie ihre Lebensrechte hier im Parlament vertreten. Sie erwarten von Ihnen gemeinsames Ringen über die Grenzen Ihrer Fraktion hinweg um die bestmögliche Gestaltung der Lebensverhältnisse. Sie erwarten, wenn es darauf ankommt, auch einmal den Mut, gegen Ihre eigene Fraktion, gegen Ihre eigene Regierung zu stimmen, wenn es um die Lebensrechte der Menschen in den strukturschwachen Gebieten geht.
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Früher hat man von Mannesmut vor Königsthronen gesprochen. Heute sollten Sie wenigstens das bißchen Zivilcourage aufbringen, um vor den Ministersesseln Ihrer eigenen Regierung nicht immer im Rückgrat einzuknicken, wenn es um Ihre eigenen Wähler geht.
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- Es mag ja unbequem sein, Herr Kollege Immer. Aber jenes bißchen Mut gibt dem Abgeordnetenmandat erst seinen Rang und seine Würde. Das vermissen wir bei Ihnen.
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Gestern hat der Kollege Sperling während der Haushaltsberatungen blanke Augen der Metallarbeiter erhofft, weil dieses Haus mit den Stimmen aller Fraktionen das Werfthilfeprogramm aufgestockt hat. Herr Kollege Sperling, ich halte nichts von dieser Weihnachtsmannmentalität, die sich blanke Augen bei den Wählern erhofft, bloß weil wir hier unsere Pflicht getan haben.
Die Metallarbeiter im Zonenrandgebiet und in den strukturschwachen Gebieten werden aber keine blanken Augen haben. Ihnen wird vielmehr - und dies nicht zum erstenmal -, die Zornesader schwellen, wenn Sie ihnen die Mittel für die Schaffung der Arbeitsplätze, die sie dringender brauchen als andere, nicht nur nicht aufstocken, sondern sogar noch um 10 % kürzen. Deshalb haben wir den Antrag gestellt, diese 10%ige Kürzung rückgängig zu machen. Meine Damen und Herren von der SPD, die Metallarbeiter und mit ihnen alle Menschen in den strukturschwachen Gebieten und im Zonenrandgebiet wollen von Ihnen keine Almosen. Sie wollen die Gerechtigkeit, auf die sie Anspruch haben und die Sie ihnen vorenthalten haben.
Ich fordere die Kolleginnen und Kollegen aus dem Zonenrandgebiet und den strukturschwachen Gebieten - dies gilt insbesondere für die Kolleginnen und Kollegen aus den Koalitionsfraktionen von SPD und FDP, an die ich appelliere, einmal das Parteibuchdenken zurückzustellen - auf, für diesen Antrag der CDU/CSU zu stimmen und damit den Interessen der Menschen in ihren Wahlkreisen den Vorrang zu geben.
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Zum weiteren Ablauf der Debatte möchte ich mitteilen, daß ich jetzt zunächst dem Herrn Abgeordneten Sperling zu diesem Antrag, sodann dem Abgeordneten Leicht und abschließend dem Bundesminister der Finanzen das Wort erteilen werde. Herr Kollege Sperling!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn Sie die Fraktion der SPD aufspalten wollten, müßten Sie einen Antrag auf Mißbilligung der Regierung einbringen, weil sie den Kollegen Leicht nach Europa schickt. Wir würden angesichts dieses Tatbestandes dann zwar einen Billigungsantrag stellen, aber wir wären in dieser Frage jedenfalls gespalten, weil wir es zugleich billigen und mißbilligen, daß Sie, Herr Leicht, uns verlassen werden. Dies wäre im übrigen auch kein Schaufensterantrag, den Sie dann stellten; wir wären mit ganzem Herzen auf Ihrer Seite.
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Der Antrag, den Sie hier gestellt haben, ist nun aber wirklich ein Schaufensterantrag, der aus Weihnachtsmannmentalität entspringt. Aber dicke!
Was unsere Wähler angeht, ist folgendes zu sagen. Es gibt Fernschreiben zwischen der SPD-Bundestagsfraktion und dem Zentralverband des Deutschen Handwerks, dessen Interessen hier ja angeblich auch mit diesem Antrag vertreten werden, die zeigen, daß man der Haltung, die wir hier eingenommen haben, voll vertraut. Wir machen mit dem langjährigen Brauch des Nachbesserns Schluß und erwarten, daß die Bundesregierung eine sorgfältige und wirklichkeitsgerechte Prüfung der Anliegen, die in Ihrem Antrag vertreten werden, vornehmen wird.
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- Nein! Wie weihnachtsmannartig - und dies sogar noch mit der falschen Mär darüber - Ihr Antrag ist, ergibt sich doch ganz einfach aus folgender Tatsache: Selbst wenn wir diesem Antrag zustimmen würden, würden Sie nachher den ganzen Haushalt ablehnen. Warum sollen wir den Haushalt hier denn erst ändern, den Sie anschließend ablehnen werden?
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Wir wollen, daß klare Verhältnisse geschaffen werden. Vielleicht gibt es später dann einen Nachtragshaushalt, dem Sie zustimmen. Ihren Antrag lehnen wir ab.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Leicht.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lob freut; zu viel Lob könnte eitel machen. Ich freue mich, aber ich habe nichts weiter getan als das, was jeder von Ihnen tut: dort, wo man - vom Wähler nämlich - hingestellt wird, die Arbeit so gut wie möglich zu verrichten.
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Ich hoffe auch, daß es kein Abgesang war, der hier mit dem Lob verbunden war. Zunächst bin ich noch hier.
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Zunächst werde ich auch noch hierbleiben. Sollte sich eine Änderung ergeben, so kann ich allen Seiten des Hauses jetzt schon versprechen, daß die Kontakte zu diesem Hause und insbesondere - dies darf ich jetzt wohl so sagen - zu meinem Ausschuß regelmäßig gepflegt werden. Konsultationen können für mich, aber auch für Sie sicherlich von Wert sein, zumal wir das, was hier angesprochen wurde, zu einem sehr gewichtigen Teil sowohl finanziell als auch geistig tragen.
Ich möchte am Schluß der teilweise sehr hektischen Bundestagsdebatte über den Haushalt 1977 einige Bemerkungen aus der Sicht des Vorsitzenden des Haushaltsausschusses machen. Zunächst ist es
mir - und das ist, glaube ich, ein Gebot für mich - ein aufrichtiges Bedürfnis, allen Kolleginnen und Kollegen des Haushaltsausschusses dafür recht herzlich zu danken, daß auch bei den diesjährigen Etatberatungen Sachbezogenheit, Fairneß und Kollegialität klimabestimmend waren. Hier denke ich an ein Wort meines Fraktionsvorsitzenden Helmut Kohl von gestern abend, es müßten noch gewisse Gemeinsamkeiten in diesem Parlament gefunden oder erhalten werden. Im Haushaltsausschuß gibt es diese Gemeinsamkeiten noch, die menschliche Begegnung trotz harter Auseinandersetzung.
In nur sechs Wochen haben wir den Etatentwurf von 172 Milliarden DM zuzüglich des Ergänzungshaushaltes in Höhe von 527 Millionen DM in intensiver Beratung durchforstet. Die Tatsache, daß Haushaltsverbesserungen von rund 4 Milliarden DM einvernehmlich erzielt worden sind - die nachgeschobenen Mehrausgaben zunächst einmal unberücksichtigt gelassen -, verdeutlicht, ein welch hohes Maß an Arbeitsdisziplin für die Kollegen erforderlich war. Ich muß sagen, es stünde diesem Haus gut an, diesen Kollegen ein herzliches Wort des Dankes zu sagen.
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Ich schließe in diesen Dank die Mitarbeiter des Ausschußsekretariats und die Mitarbeiter der Fraktionen und der Ministerien ein, ohne deren Mitwirkung der diesjährige Bundeshaushalt wohl kaum in so kurzer Zeit hätte beraten werden können.
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Ich halte es trotzdem für eine Zumutung für alle Beteiligten, daß sie Jahr für Jahr einem besonderen psychischen Streß dadurch ausgesetzt werden, daß das Parlament auf Grund der Verspätungen bei der Etateinbringung gezwungen wird, die Haushaltsberatungen in zeitlichen Kraftakten zu bewältigen. Dies sollte - und das ist das erste, was ich erbitten möchte - in Zukunft nicht nur aus arbeitsökonomischen Gründen geändert werden.
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Bei aller unterschiedlichen Auslegung des Bundesverfassungsgerichtsurteils, das in diesen Haushaltsberatungen natürlich eine wesentliche Rolle gespielt hat, hinsichtlich der im Jahre 1973 über-und außerplanmäßig bewilligten Ausgaben dürfen in diesem Hohen Hause - und das ist ein Blick nach vorne - die Auffassungen über die grundsätzlichen Ausführungen des Urteils zur Finanzverfassung nicht kontrovers sein. Die vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Maßstäbe lassen die Haushaltsrechtsreform des Jahres 1969 nachträglich Rechtswirklichkeit werden. Das gilt erstens für die Aussage, daß die Praxis der verspäteten Etateinbringung eine Beschneidung von Parlamentsrechten darstellt. Das gilt zweitens für die Feststellung, daß eine extensive Handhabung des Notbewilligungsrechts durch den Bundesfinanzminister die parlamentarische Haushaltshoheit einschränkt. Das gilt drittens für den Grundsatz, daß wir als Parlament die herausragende Stellung im Bereich der Budgetbewilligung und der Haushaltskontrolle innehaben. Unser verstorbener SPD-Kollege
Schoettle, von dem ich persönlich vieles gelernt habe, erklärte am 28. Juni 1968 anläßlich der ersten Beratung zur Haushaltsreform von dieser Stelle aus - ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren -:
Verfassungsänderung und neue Ordnungen des Haushaltsrechts sind notwendig. Aber ihre Absichten werden nur dann verwirklicht werden können, wenn bei allen Beteiligten der politische Wille vorhanden ist, im Alltag der Gesetzgebung nicht nur dem Buchstaben, sondern auch dem Geist der Gesetze gerecht zu werden.
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Es wäre nie zu einer Verfassungsklage gekommen, wenn die Bundesregierung diese Einlassung meines Amtsvorgängers beherzigt und die Rechte des Parlaments - das sind wir alle - in vollem Umfang respektiert hätte und wenn wir uns alle, das Parlament in seiner Gesamtheit, gegen derartige Eingriffe in unsere Rechte zur Wehr gesetzt hätten.
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Aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts sollten meiner Überzeugung nach für die Zukunft folgende Konsequenzen gezogen werden. 1. Die Bundesregierung sollte sich bei der Etateinbringung genau an die gesetzlichen Fristen halten. Die vorläufige Haushaltsführung muß nach Art. 111 des Grundgesetzes auf den Ausnahmefall beschränkt werden. 2. Die §§ 37 und 38 der Bundeshaushaltsordnung sind entsprechend dem Spruch der Verfassungsrichter strikt einzuhalten, damit ein für allemal eine Einschränkung der Budgethoheit des Parlaments ausgeschlossen wird. 3. Wir werden uns als Legislative kurzfristig darüber zu verständigen haben, in welcher Weise der Bundesfinanzminister seiner Kommunikations- und Konsultationspflicht gegenüber dem Parlament zu genügen hat. Dabei soll natürlich - auch das muß berücksichtigt werden - die Handlungsfähigkeit der Regierung selbstverständlich nicht eingeschränkt werden. 4. Wir müssen alsbald Verfahrensregelungen für das neue Rechtsinstitut der Teilhaushalte während der haushaltslosen Zeit schaffen. 5. Die Haushaltskontrolle muß gegenüber der bisherigen Praxis eine erhebliche Stärkung erfahren. Vernachlässigen wir nämlich als Parlament die Haushaltskontrolle oder - allgemeiner - unsere Kontrollfunktion gegenüber der Regierung, dann begeben wir uns eines unserer fundamentalen Rechte.
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Wenn wir von fundamentalem Recht sprechen, sollten wir auch selbstkritisch genug sein, zuzugeben, daß wir leider Gottes auch in diesen Tagen - allerdings besser als im Vorjahr - von diesem vornehmsten Recht, das wir haben, oft wenig Gebrauch gemacht und oft Interesselosigkeit durch Leere dieses Hauses bekundet haben.
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Ich appelliere an die Gesamtheit des Hohen Hauses, 1. durch zeitnahe Prüfungen der Haushaltsrechnungen, 2. durch vermehrte Effizienzkontrollen von Regierungsmaßnahmen und Gesetzen und 3. durch eine stärkere Wahrnehmung der RegierungskonLeicht
trolle diesem Recht wieder eine größere Bedeutung im Parlamentsgeschehen beizumessen.
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Dazu ein Vorschlag: Die aus dem Gesetzentwurf entstehenden Folgekosten sollten durchsichtiger gemacht und für Bund, Länder und Gemeinden sowie für Bürger und Wirtschaft aufgeschlüsselt und dargestellt werden, damit das Ganze auch draußen verständlich wird.
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Ich meine, es wäre ein großer Gewinn für diese unsere Demokratie, wenn durch das Bundesverfassungsgerichtsurteil alle Bundesregierungen den Anstoß erhielten, zukünftig die Rechte der Legislative in vollem Umfang zu wahren, und wenn wir als Abgeordnete daraus die Lehre zögen, daß die Wahrung unserer Kompetenzen und das Ansehen des Parlaments letztlich von der vollen Wahrnehmung unserer Rechte abhängen.
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Wir als Parlament haben aber neben der Aufgabe, unsere Rechte wahrzunehmen, insbesondere die Pflicht, darauf zu achten, daß sowohl Inhalt als auch Folgen der von uns verabschiedeten Gesetze den Bürgern in unserem Lande zum Wohle gereichen. Das aber bedeutet, daß die vom Bundestag beschlossenen Gesetze auch finanzwirtschaftlich vertretbar sein müssen und daß sie auch dem Bürger verständlich sein müssen. Schließlich gilt es ja, die so entstehenden Ausgaben auch zukünftig - und zwar inflationsfrei - zu finanzieren.
Neben anderen Gründen hat die Tatsache, daß wir zu Beginn der 70er Jahre gar nicht bzw. zu spät antizyklisch gesteuert haben, dazu geführt, daß die seit drei Jahren währende Rezession in dieser Schwere über unser Land einhergegangen ist. Hätten wir alle in den Jahren 1970 bis 1973 auch und gerade in diesem Hohen Hause mehr Augenmaß für finanzpolitische Notwendigkeiten gezeigt, hätten wir die in dem Steuereinnahmenrausch dieser Zeit an uns herangetragenen Reformen unter dem Aspekt finanzieller Auswirkungen kritischer geprüft und wären wir als Parlament selber mit kostenträchtigen Reformgesetzen, die den Sockel festgelegter Ausgaben ständig erhöhten, vorsichtiger gewesen, dann hätte zu Beginn \der Krise ein größerer finanzieller Spielraum zu ihrer Bekämpfung und Überwindung bestanden.
Dadurch aber, meine Damen und Herren, daß auf Grund der rezessionsbedingten Steuerausfälle die Finanzierung des aufgeblähten Staatshaushalts bei weitem nicht mehr sichergestellt werden konnte und zusätzlich konjunkturstützende Maßnahmen erforderlich wurden, mußte der Haushaltsausgleich durch eine hohe Verschuldung herbeigeführt werden. Das mag kurzfristig vertretbar sein; über mehr als zwei, vielleicht drei Jahre geht das nicht, führt doch eine hohe Kreditaufnahme schon mittelfristig wegen der Schuldendienste zu einer solchen Einengung der ohnehin schon geringen Manövriermasse des Bundeshaushalts, daß der Etat als Instrument antizyklischer Finanzpolitik ausfällt. Zwar sind den Kreditaufnahmen auch durch die Verfassung gewisse Grenzen gesetzt; die Erfahrung der letzten Jahre aber lehrt, daß diese Grenzen in vielfältiger Form ausgelegt werden können. Mir erscheint deshalb eine Definition dessen, was öffentliche Investitionen sind, unerläßlich, und zwar so schnell wie möglich.
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Schädliche Auswirkungen kann eine zu hohe Staatsverschuldung ferner auf dem Kapitalmarkt haben. Der Bundesfinanzminister selbst hat vor einigen Monaten darauf hingewiesen, daß eine einprozentige Zinssteigerung unsere Betriebe mit zirka 5 Milliarden DM Kosten belasten und damit ihre Investitionsfähigkeit weiter vermindern würde. Eben diese aber gilt es wiederherzustellen. Deshalb wird es in den nächsten Monaten entscheidend darauf ankommen, daß wir, dieses Parlament und die Regierung, die Prämissen dafür schaffen, daß der deutsche Konjunkturzug wieder erheblich an Fahrt gewinnt.
Wir haben in dieser Frage heute hoffentlich in allen Parteien, allen Fraktionen den dafür entscheidenden Grundkonsens, daß nämlich die Grenzen der Belastbarkeit bei Arbeitnehmern und Betrieben zumindest erreicht, wenn nicht gar überschritten sind.
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Es bedarf daher, wie ich meine, ausgewogener steuerlicher Entlastungen für alle am Wirtschaftsleben Beteiligten, wenn wir unser gemeinsames Ziel, ein angemessenes Wirtschaftswachstum und die notwendige Investitionstätigkeit, erreichen wollen. Beide sind aber, wie wir wissen, unerläßliche Voraussetzungen für die Schaffung von sicheren, dauerhaften Arbeitsplätzen.
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Ich warne aber davor - und damit ist es mir sehr ernst -, die arbeitsmarktpolitischen Probleme dadurch bewältigen zu wollen, daß die vorhandene Arbeit auf mehr Arbeitskräfte verteilt wird.
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Wer sich dafür einsetzt - das ist meine persönliche Meinung -, schafft keine Lösungen, sondern Scheinlösungen, er geht nicht an die Wurzel des Übels, sondern kuriert Symptome. Ich für meine Person möchte so weit gehen und sagen: Wer so verfährt, erschüttert Grundpfeiler unserer ordnungspolitischen Wertvorstellungen.
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Darüber hinaus nimmt er in Kauf, daß entweder die Belastung der deutschen Wirtschaft unvertretbar anwächst oder aber - irgendeiner muß ja die Kosten tragen - daß das Staatsbudget eine erneute gefährliche Aufblähung erfährt. Beides aber darf in der Situation, in der wir uns befinden, nicht geschehen.
Ich halte es für unerläßlich, daß bei allen Beteiligten die Einsicht in die Notwendigkeit wächst, die im marktwirtschaftlichen System vorhandenen Grenzen für das Wachstum der Staatsausgaben stärker als bisher zu beachten, wird doch im Finanzplan 1976
bis 1980 - er wurde bisher noch nicht angesprochen - der Versuch unternommen, den Anstieg der Staatsausgaben unter dem Wachstum des Bruttosozialprodukts zu halten, also dessen, was die Gesamtheit unserer Bürger jährlich zu erarbeiten vermag. Wenn dieser Finanzplan verwirklicht wird, die darin enthaltenen positiven Ansätze dadurch verstärkt werden, daß wir die Leistungsfähigkeit von Bürgern und Wirtschaft durch eine gesamtwirtschaftlich ausgewogene Entlastung im Abgabenbereich erhöhen, wenn ferner die dadurch entstehenden Mehrlasten für die öffentliche Hand weitgehend durch Reduzierung der konsumtiven Staatsausgaben kompensiert werden - daß das geht, hat der auch im Etat 1977, also dem Etat, den wir jetzt beraten, vorhandene Freiraum gezeigt; ich bin davon überzeugt, es ist noch mehr dieses Freiraums vorhanden -, dann, meine ich, sind wir auf dem richtigen Weg.
Wenn wir uns aber als Parlament nicht in diese Pflicht nehmen, wie häufig in der Vergangenheit, aus welchen Motiven auch immer, Gesetze verabschieden, die nicht im Einklang mit langfristigen finanzpolitischen Notwendigkeiten stehen, dann könnte am Ende einer solchen Entwicklung das stehen, was Hölderlin einmal klassisch so formulierte:
Immer hat das den Staat zur Hölle gemacht, daß ihn der Mensch zu seinem Himmel machen wollte.
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Meine sehr geehrten Damen und Herren! In fast 28 Jahren hat der Haushaltsausschuß nur zwei Vorsitzende gehabt. Unser unvergessener Kollege Erwin Schoettle hat ihn zwei Jahrzehnte in vorbildlicher Weise geleitet und dem Ausschuß einen festen Platz im Parlament gegeben. Sie, lieber Herr Kollege Leicht, haben in seinem Sinne in den letzten Jahren den Ausschuß in vorbildlicher Weise geführt. Dies haben die Fraktionen in übereinstimmender Weise heute deutlich zum Ausdruck gebracht. Ich möchte Ihnen auch sehr herzlich danken und Ihnen alles Gute für die neue Aufgabe im europäischen Bereich wünschen. Mit Ihrer Berufung hat die Bundesregierung deutlich gemacht, wie sehr sie Ihre Objektivität bei der Erfüllung Ihrer Aufgaben in diesem Hause gesehen hat.
Herzlichen Dank! Alles Gute für Ihren weiteren Weg!
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Wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Namen der Bundesregierung möchte ich mich ausdrücklich den Worten anschließen, die Sie Herr Präsident, eben für den hochverehrten Herrn Kollegen Leicht gefunden haben. Ich selber bin jetzt gut drei Jahre Bundesfinanzminister, dies ist meine vierte dritte Lesung des Bundeshaushalts, und ich habe stets hohen Respekt gehabt vor der fachlichen Leistung, der menschlichen Substanz, dem Versuch, ausgleichend zu wirken bei aller parteipolitischen Unterschiedlichkeit. Ich weiß, Herr Kollege Leicht, daß die Bundesregierung eine gute Wahl getroffen hat, als sie beschloß, Sie als den deutschen Vertreter im Europäischen Rechnungshof zu benennen.
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Ich möchte allerdings bei dieser Gelegenheit auch darauf aufmerksam machen, daß diese Entscheidung der Bundesregierung ein deutlicher Beweis dafür ist, daß wir uns bei unseren personalpolitischen Entscheidungen, wo auch immer, nicht von Parteipolitik, sondern von Sachkompetenz leiten lassen.
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Ich kann es angesichts der Bemerkungen des Herrn Kollegen Leicht nur bedauern, daß die größte Fraktion dieses Hauses in der dritten Lesung des Bundeshaushalts 1977 augenscheinlich nicht in der Lage gewesen ist, Sie oder einen anderen Kollegen der Oppositionsfraktion zum einzigen Sprecher der CDU/CSU-Fraktion zu machen, und anstelle eines politisch gewichtigen Mannes uns eine dreiviertel Stunde lang Politclownereien hat vortragen lassen.
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Herr Kollege Haase, ich habe ja nichts gegen einen aufgelockerten Stil. Aber ich habe etwas dagegen, wenn in menschlich schäbiger Weise Kollegen - seien es Mitglieder der Regierung oder seien es Mitglieder dieses Hauses - so von Ihnen behandelt werden, wie Sie es hier gemacht haben. Dies fällt auf Sie selbst zurück, hochverehrter Herr Kollege.
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Ich möchte eine zweite Bemerkung machen. Die dritte Lesung des Bundeshaushalts ist nach meiner Einschätzung dazu angetan, eine generelle politische Bewertung zu machen. Ich verachte das, was der Herr Professor Hankel in der Chefetage der Helaba gemacht hat, genausosehr wie Sie. Nur erstens gehört es in diese Beratung nicht hinein, und zweitens: wenn wir uns auf dieses Niveau begeben wollten, dann könnten wir vielleicht doch mal über Kostenexplosion und Personalkostenexplosion in der rheinland-pfälzischen Landesvertretung reden.
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Nur, dieses ist nicht das Niveau dieses Hauses, hochverehrter Herr Kollege; deswegen führe ich diese Debatte nicht fort.
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Zur Sache kann ich dann nur noch eine dritte Bemerkung zu Ihrer fast einstündigen Ausführung machen. Was stimmt denn nun eigentlich? Stimmt es, daß das Steuerpaket, das Sie hier vorgelegt haben und das 7 Milliarden DM an Steuerausfällen kosten soll, aus den laufenden Steuereinnahmen zu finanzieren ist, daß wir dazu keine Einnahmeverbesserungen brauchen? Stimmt es, wie Herr Kollege Gaddum meint, daß wir eine rapide Verbesserung der Staatsfinanzen haben? Oder stimmt das, was Sie sagen: daß wir in einer tiefgreifenden Finanzkrise sind? Ich bitte Sie auch hier, für KläBundesminister Dr. Apel
rung in Ihrem eigenen Verstand und im Verstand der CDU/CSU zu sorgen.
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Denn auch dieses geht ja nicht. Da hören wir in den letzten Monaten: Anhebung der BAföG-Sätze, Verbesserung der Entwicklungshilfe. Gestern haben wir klare Bekenntnisse zu einer weiteren Aufstockung der Verteidigungshilfe gehört, abends hat der Vertreter der CDU/CSU sich über den Straßenbau und die Bundesbahn ausgelassen. Hier werden heute, wenn auch in einem bescheidenen Maße, das gebe ich zu, neue ausgabenträchtige Anträge gestellt. Und Sie sagen, wir hätten zu viel an Ausgaben. Ich bitte auch in diesem Punkte, daß wir uns endlich einmal einig werden, welche Logik stimmt, und daß hier eine einheitliche Position bezogen wird.
Ich selber möchte am Ende dieser Debatte zur Sache selbst fünf Bemerkungen machen. Bemerkung Nummer 1. Es kann nicht bestritten werden - und der Vorsitzende des Haushaltsausschusses hat darauf zu Recht hingewiesen -, daß das Urteil des Bundesverfassungsgerichts neue Daten gesetzt hat. Ich füge hinzu: neue Daten für alle Finanzminister aller Ebenen, nicht nur für den Bundesfinanzminister, sondern natürlich für die Landesfinanzminister ganz genauso. Aus diesem Grunde wird es meine Aufgabe sein, bei der nächsten Sitzung des Finanzplanungsrates, die für den 7. Juli einberufen ist, dieses Thema - vielleicht nicht in einer offiziellen Sitzung - mit meinen Kollegen durchzusprechen. Denn dieses Urteil richtet sich ja ausdrücklich an alle Ebenen unserer Staatlichkeit und an die Finanzpraxis aller Ebenen unserer Staatlichkeit. Vielleicht sollten wir das einmal zur Kenntnis nehmen, um auch hier eine miese persönliche Art der Debatte im Deutschen Bundestag zu vermeiden.
Für meine Person sage ich Ihnen - insofern wird ein Antrag, der hier vorliegt, nach meiner Einschätzung gegenstandslos -: es wird meine Aufgabe sein, künftig die Bundeshaushalte - 1978, 1979 und folgende - sehr viel früher dem Deutschen Bundestag vorzulegen.
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Es sollte unser Ziel sein, den Haushaltsplan des jeweiligen Jahres vor Beginn des Haushaltsjahres hier beschlossen zu haben.
Ich bedaure sehr, daß dies allerdings für 1978 noch nicht möglich sein wird. Das liegt an sehr naheliegenden Gründen. Einmal ist das Steuerpaket mit seinen unabweisbaren fiskalischen Konsequenzen noch nicht beschlossen und damit nicht einkalkulierbar. Zum zweiten stehen dem Bund schwierige Umsatzsteuer-Neuverhandlungen ins Haus, den Ländern genauso. Insofern wollen wir versuchen, meine hochverehrten Damen und Herren, Anfang Oktober Ihnen hier die Möglichkeit zur ersten Lesung des Bundeshaushalts 1978 zu geben.
Zweitens bin ich der Meinung, daß wir künftig bei überplanmäßigen und außerplanmäßigen Ausgaben in einer ganz anderen Weise miteinander zu sprechen und zu entscheiden haben. Dieses heißt allerdings - Sie haben darauf hingewiesen, Herr Kollege Leicht -, daß wir nach praktikablen Regelungen suchen müssen. Es hat ja wohl keinen Zweck, jede 10 000 oder 20 000 oder 30 000 DM, oder Beträge von 1 oder 2 Millionen DM hier vorher über Nachtragshaushalte genehmigen und bewilligen zu wollen. Wir werden uns bemühen, mit allen Fraktionen dieses Hauses - ich unterstreiche: mit allen Fraktionen dieses Hauses - eine einvernehmliche Regelung zu finden, z. B. durch Obergrenzen, in deren Rahmen der Bundesfinanzminister sein verfassungsgemäßes Recht ohne Zuständigkeit des Parlaments ausüben kann.
Wir werden in Zukunft - das liegt auf der Hand - Nachtragshaushalte haben. Ich habe hier bereits 1975 einmal, einen Nachtragshaushalt vorgelegt und genehmigt bekommen. Dieses sollte uns Vor- und Nachteile heute bereits deutlich sehen lassen. Der Vorteil liegt darin, daß das Parlament die Chance hat, eine zeitgerechte Haushaltspolitik zu machen. Das Parlament erhält mehr Rechte. Ich füge aber hinzu: Das Parlament begibt sich damit auch sehr viel stärker in Verantwortlichkeiten; denn es kann natürlich überhaupt nicht übersehen werden, daß Nachtragshaushalte geradezu dazu verlocken, Nachteile, vermeintliche Niederlagen, Fehler, die bei der Beschlußfassung des ordentlichen Haushaltes entstanden sind, nachzubessern. Hier werden wir in einem hohen Maße finanzpolitische Solidität brauchen,
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indem wir dann nicht augenzwinkernd sagen dürfen: Geben wir ruhig beim ordentlichen Haushalt nach, wir holen dies beim Nachtragshaushalt schon herein. Hier sind Kabinett, Koalition und Parlament gefordert. Für den Finanzminister werden die Dinge schwieriger, für Sie aber auch, meine Damen und Herren, denn Sie werden noch stärker als bisher Propagandaanträge und Partikularinteressen abwehren müssen. Seien Sie sich bitte auch darüber im klaren.
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Ich möchte eine zweite Bemerkung machen. Wir können am Ende dieser Haushaltsberatungen feststellen, daß wir auch mit diesem Haushalt 1977 die Haushalts- und Finanzpolitik der letzten Jahre fortgesetzt haben, indem wir nämlich die beiden Aufgaben, die hier von Herrn Kollegen Westphal angesprochen worden sind, weiterhin im Auge behalten: konjunkturelle Absicherung und Haushaltskonsolidierung.
Meine Damen und Herren, die konjunkturelle Absicherung ist schon übersehbar: 30 Milliarden DM öffentliche Mittel in den verschiedenen Investitions- und Infrastrukturprogrammen mit ihrer Auslösung von 80 Milliarden DM Investitionsvolumen, einer Steuerreform inklusive einer Körperschaftsteuerreform, die in diesen Jahren fortgewirkt hat, und - auch dieses bitte ich endlich ins Bewußtsein zu übernehmen - eine Reihe von steuerpolitischen Maßnahmen, die insbesondere unsere Wirtschaft entlasten. Hier denke ich an den Verlustrücktrag, an die Körperschaftsteuerreform, an die Senkung der Vermögensteuer. Ich meine also, niemand drau2906
ßen oder hier in diesem Hause kann und darf verkennen, in welch umfassenden Maße, in welch eindrucksvoller Weise wir bei den ertragsabhängigen Steuern - Körperschaftsteuer - wie bei den ertragsunabhängigen Steuern - Gewerbesteuer und Vermögensteuer - der schwierigen Lage unserer Wirtschaft Rechnung getragen haben, obwohl wir in großen steuerlichen, fiskalischen Schwierigkeiten sind. Ich füge allerdings hinzu: Mit der Senkung der Vermögensteuer ist für diese Legislaturperiode - dieses hat zumindest ein Sprecher der SPD, Herr Dr. Böhme, wie ich glaube, klargemacht - die Möglichkeit, angesichts der finanziellen Situation des Bundeshaushaltes für die Wirtschaft weitere Entlastungen in dieser Legislaturperiode vorzusehen, erschöpft. Es gibt keine weiteren Pläne. Dieses sollte unsere Wirtschaft wissen, damit sie sich darauf einstellen kann.
Herr Finanzminister, erlauben Sie, daß ich hier einen Augenblick unterbreche. Auf der Diplomatentribüne hat der Vizepräsident der Republik Botsuana, Herr Dr. Quett K. J. Masire, Platz genommen.
({0})
Der Herr Vizepräsident hält sich zu einem Informationsbesuch in Bonn auf. Ich habe die Ehre, Sie, Herr Vizepräsident, sehr herzlich bei uns hier begrüßen zu dürfen.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist in diesen Tagen über die Problematik der Lohnsteuer geredet worden. Ich bin der letzte, der bezweifeln kann, daß die Lohnsteuer zu einem wesentlichen Träger öffentlicher Einnahmen geworden ist. Nur bitte ich Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch hier die Zahlen zur Kenntnis zu nehmen, damit die Probleme sich, ich will nicht sagen, erleichtern, aber vielleicht relativieren. Das Lohnsteueraufkommen in unserem Land betrug im Jahre 1974 72 Milliarden DM. Es ist auf Grund der Lohn- und Einkommensteuerreform des Jahres 1974 in 1975 auf 71 Milliarden DM gefallen. Es betrug 1976 80 Milliarden DM. Aber - und dieses bitte ich sehr zu beachten - diese 80 Milliarden DM Lohnsteueraufkommen haben auch etwas damit zu tun, daß wir jetzt auf Grund der Steuerreform das Kindergeld über die öffentlichen Kassen den Arbeitnehmern, den Bürgern mit Kindern zuführen. Dieses muß natürlich bei der Lohnsteuerbelastung berücksichtigt werden. Wenn Sie von diesen 80 Milliarden DM des letzten Jahres nicht die vollen 14 Milliarden DM, die das Kindergeld gekostet hat, abziehen, sondern ein Drittel oder 40 °/o, dann sehen Sie, daß die Lohnsteuerbelastung zwar weiter steigt, das Thema sich aber relativiert.
Im übrigen - dieses ist für mich interessant und ist in der Debatte bisher unterschlagen worden, das ist auch meine Schuld - bringt natürlich das Steuerpaket der Bundesregierung für jeden Lohnsteuerpflichtigen eine steuerliche Entlastung, für jeden!
Denn es wird ja nicht nur die Obergrenze der Sonderausgabenhöchstbeträge angehoben, sondern verbunden mit diesem Paket ist eine Ausweitung der Vorsorgepauschale von jetzt 16 auf 18 %. Allein dieses ergibt für einen ledigen Arbeitnehmer bei einem Monatseinkommen von 2000 DM 13 DM Lohnsteuer weniger. Wenn Sie einen Verheirateten mit zwei Kindern nehmen, kommen zu diesen 13 DM noch die 10 DM mehr Kindergeld hinzu. Bei einem verheirateten Arbeitnehmer mit vier Kindern und einem Monatseinkommen von 2000 DM macht das sogar über 900 DM Kindergeld plus Vorsorgepauschale aus. Ich sage dieses nicht, um die Probleme der Anhebung der Mehrwertsteuer zu verniedlichen, sondern deswegen, damit Sie sehen, daß schon dieses Steuerpaket zu einer gewissen Umstrukturierung unseres Steuersystems führt.
Ich sagte, es kommt darauf an, die Haushaltskonsolidierung fortzusetzen. Wir hatten im Jahre 1975 30 Milliarden DM Nettokreditaufnahme, im Jahre 1976 25,5 Milliarden DM; in diesem Jahr sind es 20,5 Milliarden DM. Wir haben also das Defizit abgebaut. Aber dieses muß deutlich werden, wir können nicht über eine Prozyklik, über ein zu starkes Zurücknehmen öffentlicher Defizite den beginnenden Aufschwung selbst in Gefahr bringen.
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Hier kann man allerdings bedauern, daß der Bund mit einem Steueranteil von 48 % über 62 % der Kosten des neuesten Konjunkturprogramms übernehmen muß. Hier muß bedauert werden, daß wir in der Tat mehrere Monate gebraucht haben, bis dieses Infrastrukturprogramm endlich von allen Bundesländern unterschrieben wurde und damit in Aktion treten kann. Ich sage Ihnen ganz offen: Ich werde mir sehr überlegen, ob wir, falls die konjunkturelle Lage es erfordert, erneut mit den Ländern gemeinsam Investitionsprogramme machen. Diese Art von Partikularismus und diese Art von Zeitverzögerung um mehrere Monate, bis überhaupt die erste Mark fließen kann, ist schlimm und von unseren Arbeitnehmern überhaupt nicht zu verstehen.
({1})
Dennoch kann der Erfolg dieser Politik nicht bestritten werden. Es ist in dieser Debatte so getan worden, als hätten diese vielfältigen Konjunkturprogramme und diese 30 Milliarden DM nichts bewirkt. Ich muß zurückfragen: Was wäre eigentlich passiert, wenn wir diese Programme nicht gestartet hätten?
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- Und ich muß Sie weiterhin fragen, hochverehrter Herr Carstens: Haben Sie nicht allen diesen Konjunkturprogrammen zugestimmt?
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Wird hier nicht erneut eine politische Schizophrenie ersten Grades sichtbar?
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Natürlich bleibt die Arbeitslosigkeit hoch. Wir werden hier weiterhin handeln. Der Finanzminister wird sich keinem vernünftigen Programm widersetBundesminister Dr. Apel
zen. Er ist kein Fiskalist. Er muß auf die Finanzen achten, aber er weiß, daß die Rückgewinnung einer hohen Beschäftigung oberstes Ziel ist.
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Damit bin ich bei meiner dritten Bemerkung: Die zentrale Frage, vor der die Finanzpolitik des Bundes in diesem Jahr und in den nächsten Jahren steht, ist eine andere, nämlich ob sich die föderale Finanzverfassung in unserem Land bewährt und den Herausforderungen unserer Zeit gerecht werden kann. Wir sind in einer unmöglichen Situation. Die Parallelität von Steuerpolitik, Einnahmen und Ausgaben des Bundes ist nachhaltig gestört. Es kann doch nicht angehen, daß über die Frage der Anhebung oder Nichtanhebung der Mehrwertsteuer bis zu zwei Jahre lang debattiert wird. Schließlich sind auch Steuersenkungen und Steuererhöhungen Teile der Gesellschaftspolitik, der Konjunkturpolitik und der Sozialpolitik. Diese Art von Abkoppelung der beiden Ebenen Einnahmenpolitik und Ausgabenpolitik des Bundes muß, wenn es so bleibt, diese Förderation auf Dauer zur partiellen politischen Handlungsunfähigkeit führen.
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Es muß auch gefragt werden, wie wir denn eine angemessene außenpolitische Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland erhalten wollen, wenn auf diese Art und Weise partikulare Interessen vor die Interessen des Gesamtstaats - der Föderation - und seiner Verpflichtung in der Welt gesetzt werden. Es darf nicht so weit kommen, daß am Ende in unserem Land und in diesem Haus eine Debatte darüber zu führen ist, ob ein Mehr an Entwicklungshilfe - das ich bejahe - entweder über ein Mehr an Schulden oder über ein Weniger an sozialer Sicherheit zu finanzieren sein soll. Denn wenn wir in dieser Debatte sind, dann hören wir auf, außenpolitisch und entwicklungspolitisch handlungsfähig zu sein, und dann werden wir einen schlimmen Weg gehen.
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Wir werden in den nächsten Tagen sehen, ob der Art. 106 des Grundgesetzes eingehalten wird, der für Bund und Länder gleichermaßen einen Anspruch auf Deckung der notwendigen Ausgaben festlegt.
Lassen Sie mich zu meiner vierten Bemerkung kommen. Ich bin dem Haushaltsausschuß ausdrücklich dankbar dafür, daß er gegenüber dem, was ihm im Haushaltsplanentwurf und in den Vorlagen der Bundesregierung vorgelegt wird, zunehmend kritischer wird. Dies ist nicht nur ein Recht, sondern seine Pflicht. Aber wenn ich diese dreitägige Debatte Revue passieren lasse, dann kann ich nicht den Eindruck verdrängen, als werde von Teilen des Hauses, insbesondere von der Opposition, eine Verketzerung der Staatsausgaben versucht und als werde beim Bürger der Eindruck erweckt, Staat, Staatlichkeit, Staatsausgaben seien von vornherein von Übel, das Private und das Privatsein seien das Ideale.
Ich warne Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, vor dieser Tonart und Gangart. Denn sie führen Sie unweigerlich in die Isolierung und die falsche Richtung.
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Es darf doch nicht übersehen werden, daß eine Demokratie mit weniger Staat, mit weniger sozialer Sicherheit, mit weniger finanzieller Solidarität am Ende die Demokratie der Rabiaten, die Demokratie der Starken und der Gesunden ist und nicht die Demokratie, die wir wollen, die Demokratie für alle, der Staat für die Schwächeren. Ich bitte Sie, nachzudenken, ob Sie eigentlich Ihrem eigenen sozial- und gesellschaftspolitischen Auftrag gerecht werden.
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Wenn Sie sagen, Sie wollten diesen Bundeshaushalt ablehnen, dann müssen Sie vorher auch wissen, was Sie ablehnen. Von jeweils 100 DM, die heute hier bewilligt werden sollen, gehen fast 40 DM in den Bereich der Sozialpolitik, gehen 14 DM an unsere Rentner, gehen 8 DM an die Eltern mit Kindern für das Kindergeld -, gehen 7 DM in die Unterstützung der Kriegsopfer. Ich frage Sie: Wollen Sie diese 40 DM von 100 DM für die sozial Schwächeren in unserem Lande nicht bewilligen? Können Sie dieses mit Ihrem politischen Auftrag vereinbaren, ja oder nein?
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Obwohl - ich füge hinzu: leider - das Grundgesetz den Bundesgesetzgeber im Bereich der Bildungspolitik keine originäre Kompetenz gibt, gehen von 100 DM, die Sie heute bewilligen sollen, 5 DM in den Bereich der Bildungspolitik, etwa für den Ausbau von Hochschulen, die Ausbildungsförderung und die berufliche Bildung. Ich frage Sie erneut: Können Sie es verantworten, nein zu sagen zu mehr beruflicher Bildung, zu einem besseren Ausbau der Hochschulen, zu einer besseren Ausstattung unserer Schüler und Studenten? Sie werden dieses bei der namentlichen Abstimmung für sich entscheiden müssen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
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Ich frage Sie, ob Sie der Meinung sind, daß Sie uns die 20 DM von den 100 DM, die für die innere und äußere Sicherheit dieses Landes ausgegeben werden sollen, versagen können.
Ich komme zu meiner fünften und letzten Bemerkung. Ich stelle am Ende dieser Debatte fest, daß es in den Debattenreden der Opposition drei Widersprüche gegeben hat, die nicht aufgelöst werden konnten.
Erster Widerspruch. Auf der einen Seite die Aussage: Wir haben zuviel Einnahmen, wir können die Steuern senken und die Leistungen verbessern. Dagegen auf der anderen Seite: Das Defizit ist zu hoch, wir müssen sparen.
Zweiter Widerspruch: Die Regierung muß mehr für die Konjunktur tun. Aber wir brauchen gleichzeitig weniger Staat.
Dritter Widerspruch - Herr Haase, der ist heute morgen bei Ihnen in aller Deutlichkeit klargewor2908
den -: Da sagen die einen, wir hätten eine neue soziale Frage in unserem Lande, es gebe ein neues Problem der Armut. Sie, Herr Haase, haben dagegen heute morgen erklärt, die Grenzen des Sozialstaates seien bereits erreicht, ja, nach Ihrer Meinung sogar überschritten. Ich bitte, daß Sie auch diesen Widerspruch aufklären.
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Wir dagegen, meine Damen und Herren, werden unsere Finanzpolitik fortsetzen: Konjunkturstützung, Sicherung der sozialen Sicherheit, Konsolidierung der öffentlichen Ausgaben.
Wir haben jetzt vier Tage lang die Haushaltsdebatte geführt. Ich kann Ihnen sagen, daß wir bereits Anfang Oktober erneut vier Tage Haushaltsdebatte haben werden. Wir sind doch nun alle darin geübt. In jedem Falle werden wir an die Stelle der Polemik, die kein Geld bringt, an die Stelle der persönlichen Angriffe, die uns nicht weiterbringen, unsere Konzeptionen und unsere Führungskraft setzen. Wir werden uns von Ihnen nicht beirren lassen. Wir sind aus diesen Haushaltsberatungen gestärkt hervorgegangen.
({13})
Wenn ich mich am Ende meiner Ausführungen bei allen Kollegen, ausnahmslos bei allen, bedanke, insbesondere bei den Mitarbeitern in den Fraktionen, im Haushaltsausschuß, aber auch bei meinen Mitarbeitern im Finanzministerium, dann ist das für mich keine leere Floskel. Ich weiß, unter welchem Druck, nicht nur Zeitdruck, sondern auch Sachdruck, wir gestanden haben. Wir werden weiterhin gemeinsam unsere Pflicht tun.
Jeder Nachfolger im Vorsitz des Haushaltsausschusses wird sich an Ihren Qualitäten, Herr Leicht, messen lassen müssen. Das ist wahrlich schwer.
({14})
Meine Damen und Herren, Wortmeldungen zur allgemeinen Aussprache in der dritten Beratung liegen nicht mehr vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Ich rufe die Einzelpläne auf, zu denen Änderungs- oder Entschließungsanträge vorliegen.
Ich rufe zunächst den Einzelplan 09 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft - auf. Hierzu liegt auf der Drucksache 8/668 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf der Drucksache 8/668 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe nunmehr Einzelplan 10 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - auf. Hierzu liegt auf Drucksache 8/655 eine Ergänzung zur Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses auf der Drucksache 8/500 vor. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer der Empfehlung des Haushaltsausschusses auf Drucksache 8/655 - Ergänzung einer Entschließung - zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! -Stimmenthaltungen? - Bei einer größeren Zahl von Gegenstimmen mit sehr großer Mehrheit angenommen.
Ich rufe Einzelplan 12 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr - auf. Hierzu liegen zwei Entschließungsanträge der Fraktion der CDU/ CSU vor. Ich rufe zunächst den Entschließungsantrag auf Drucksache 8/639 auf. Der Antrag ist bereits in der allgemeinen Aussprache begründet worden. Wird sonst noch das Wort dazu gewünscht?
- Das ist nicht der Fall.
({0})
- Es wird vorgeschlagen, den Antrag dem Haushaltsausschuß - federführend - und dem Verkehrsausschuß - mitberatend - zu überweisen. Allgemeine Zustimmung? - Es ist so beschlossen.
Ich rufe nunmehr den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 8/640 zu Einzelplan 12 auf. Auch dieser Antrag ist bereits begründet. Das Wort wird nicht begehrt. Es ist beantragt, ihn an den Verkehrsausschuß - federführend - und an den Haushaltsausschuß - mitberatend - zu überweisen.
({1})
- Über den Überweisungsantrag muß ich zunächst abstimmen lassen. Wer dem Überweisungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Überweisung des Antrages ist abgelehnt.
Ich komme damit zur Entscheidung in der Sache. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe nunmehr den Einzelplan 14 - Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung - auf. Hierzu liegt auf der Drucksache 8/641 ein Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor, der bereits begründet worden ist. Das Wort wird nicht zusätzlich gewünscht. Es wird vorgeschlagen, den Antrag dem Haushaltsausschuß - federführend
- und dem Verteidigungsausschuß - mitberatend
- zu überweisen. Wer dem Überweisungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Der Überweisungsantrag ist abgelehnt.
Wer den Antrag in der Sache mit Ja bescheiden will, den bitte ich nunmehr um das Zeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe nunmehr Einzelplan 15 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit - auf. Hierzu liegen ebenfalls zwei Entschließungsanträge der Fraktion der CDU/CSU vor.
Ich rufe zuerst den Entschließungsantrag auf Drucksache 8/642 auf. Das Wort zur Begründung
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
wird nicht gewünscht. Es ist beantragt, den Antrag dem Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit - federführend - und dem Haushaltsausschuß - mitberatend - zu überweisen. - Ich höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Wir kommen nunmehr zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 8/666. Das Wort wird hierzu nicht gewünscht. Es wird Überweisung des Antrages an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit - federführend - und den Haushaltsausschuß - mitberatend - beantragt. Wer dem Überweisungsantrag zustimmmen will, den bitte ich um das Zeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zur Entscheidung in der Sache. Wer dem Antrag auf Drucksache 8/666 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe nunmehr Einzelplan 31 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft - auf. Hierzu liegen zwei Entschließungsanträge der Fraktion der CDU/CSU vor.
Ich rufe zunächst den Entschließungsantrag auf Drucksache 8/644 zu Kap. 3104 auf. Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Es ist beantragt, diesen Antrag dem Ausschuß für Bildung und Wissenschaft zu überweisen. - Ich höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Wir kommen nunmehr zu dem Entschließungsantrag auf Drucksache 8/643 zu Kap. 31 05. Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Es ist beantragt, diesen Antrag ebenfalls dem Ausschuß für Bildung und Wissenschaft zu überweisen. - Ich höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich rufe nunmehr den Entwurf des Haushaltsgesetzes 1977 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 8/663 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor, der darauf abzielt, nach § 4 einen § 4 a einzufügen. Ich frage, ob hierzu das Wort gewünscht wird. - Das ist nicht der Fall. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 8/663 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Der Herr Abgeordnete Porzner hat zur Geschäftsordnung das Wort erbeten.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Es ist interfraktionell vereinbart, die Sitzung nach Abschluß der Abstimmung zu unterbrechen, weil die Fraktionen Sitzungen abhalten wollen. Zur Begründung will ich kurz folgendes sagen. Die Fraktionen müssen eventuell Tagesordnungspunkte behandeln, die augenblicklich im Bundesrat behandelt werden. Wir könnten erreichen, daß in der nächsten Woche womöglich eine Sondersitzung des Bundestages vermieden wird, wenn die Entscheidungen, die in dieser Sondersitzung zu treffen wären, heute um 13 Uhr oder 13.30 getroffen werden könnten.
Wir kommen nunmehr zur Schlußabstimmung über das Haushaltsgesetz. Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Ich eröffne die namentliche Abstimmung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich frage, ob noch ein Mitglied im Hause ist, das seine Stimmkarte bisher nicht abgegeben hat. - Das ist offensichtlich nicht der Fall; dann schließe ich die Abstimmung.
Gleichzeitig darf ich Ihnen mitteilen, daß der Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung jetzt sofort zu einer kurzen Sitzung in Zimmer 119 P zusammentritt.
Ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über das Haushaltsgesetz 1977 in dritter Lesung bekannt. Mit Ja haben 252 uneingeschränkt stimmberechtigte Mitglieder des Hauses und 9 Berliner Abgeordnete gestimmt. Mit Nein 240 uneingeschränkt stimmberechtigte Mitglieder des Hauses und 10 Berliner Abgeordnete. Keine Enthaltungen.
Ergebnis
Abgegebene Stimmen 492 und 19 Berliner Abgeordnete; davon
ja: 252 und 9 Berliner Abgeordnete, nein: 240 und 10 Berliner Abgeordnete
Ja
SPD
Adams Ahlers Dr. Ahrens
Amling Dr. Apel
Arendt Augstein
Baack Bahr
Dr. Bardens
Batz
Dr. Bayerl
Becker ({0}) Biermann
Bindig Blank
Dr. Böhme ({1}) Frau von Bothmer Brandt
Brandt ({2}) Brück
Buchstaller
Büchler ({3})
Büchner ({4})
Dr. von Bülow
Buschfort
Dr. Bußmann
Collet Conradi Coppik Dr. Corterier
Curdt
Frau Dr. Däubler-Gmelin Daubertshäuser
Dr. von Dohnanyi
Dürr
Dr. Ehmke
Dr. Ehrenberg Eickmeyer
Frau Eilers ({5}) Dr. Emmerlich
Dr. Enders Engholm
Frau Erler Esters
Ewen
Fellermaier Fiebig
Dr. Fischer Flämig
Frau Dr. Focke
Franke ({6})
Friedrich ({7})
Gansel
Gerstl ({8})
Gertzen
Dr. Geßner Glombig
Gobrecht Grobecker Grunenberg Gscheidle Dr. Haack Haar
Haase ({9})
Haehser
Hansen
Frau Dr. Hartenstein
Hauck
Dr. Hauff Henke
Heyenn
Höhmann
Hoffmann ({10}) Hofmann ({11})
Dr. Holtz
Horn
Frau Huber Huonker
Ibrügger
Immer ({12})
Jahn ({13})
Jaunich
Dr. Jens ({14})
Junghans Jungmann
Vizepräsident Frau Funcke
Junker
Kaffka
Kirschner
Klein ({15})
Koblitz
Konrad
Kratz
Kretkowski
Dr. Kreutzmann
Krockert Kühbacher Kuhlwein Lambinus Lange
Lattmann
Dr. Lauritzen
Leber
Lemp
Lenders
Frau Dr. Lepsius
Liedtke
Dr. Linde Lutz
Mahne
Marquardt Marschall
Frau Dr. Martiny-Glotz Matthöfer
Dr Meinecke ({16}) Meinike ({17}) Meininghaus
Menzel
Möhring
Müller ({18})
Müller ({19})
Müller ({20}) Müller ({21})
Dr. Müller-Emmert Müntefering
Nagel
Neumann Dr. Nöbel Offergeld Oostergetelo
Paterna
Pawelczyk Peiter
Dr. Penner Pensky
Peter
Polkehn
Rapp ({22})
Rappe ({23})
Ravens
Frau Renger Reuschenbach
Rohde
Rosenthal Roth
Saxowski
Dr. Schachtschabel
Schäfer ({24})
Dr. Schäfer ({25}) Scheffler
Scheu
Schirmer Schlaga
Schluckebier
Dr. Schmidt ({26}) Schmidt ({27}) Schmidt ({28}) Schmidt ({29}) Schmidt ({30})
Dr. Schmitt-Vockenhausen Dr. Schmude
Dr. Schöfberger
Schreiber Schulte ({31})
Schwabe
Dr. Schwencke ({32}) Dr. Schwenk ({33})
Seefeld Sieler
Frau Simonis Simpfendörfer
Dr. Spöri
Stahl ({34})
Dr. Staudt
Dr. Steger
Frau Steinhauer Stockleben
Stöckl Sybertz Thüsing Frau Dr. Timm
Tönjes Topmann
Frau Traupe
Ueberhorst
Urbaniak
Dr. Vogel ({35}) Vogelsang
Voigt ({36}) Waltemathe
Walther
Dr. Weber ({37})
Wehner
Weißkirchen ({38}) Wendt
Dr. Wernitz
Wiefel Wilhelm
Wimmer ({39}) Wischnewski
Dr. de With
Wittmann ({40}) Wolfram ({41}) Wrede
Würtz Wüster Wuttke Wuwer Zander Zebisch Zeitler
Berliner Abgeordneter
Bühling
Dr. Diederich ({42}) Dr. Dübber
Egert
Löffler
Männing
Frau Schlei
Schulze ({43})
FDP
Angermeyer
Dr. Bangemann
Baum Cronenberg
Eimer ({44})
Engelhard
Dr. Friderichs
Gärtner Gallus Gattermann
Genscher
Grüner
Frau Dr. Hamm-Brücher Dr. Haussmann
Hölscher
Hoffie Jung
Kleinert
Dr.-Ing. Laermann
Dr. Graf Lambsdorff
Ludewig
Dr. Dr. h. c. Maihofer Frau Matthäus-Maier Mischnick
Möllemann Ollesch
Paintner
Peters ({45}) Schmidt ({46})
von Schoeler Frau Schuchardt Spitzmüller
Dr. Vohrer Dr. Wendig
Wolfgramm ({47}) Wurbs
Zywietz
Berliner Abgeordnete Hoppe
Nein
CDU/CSU
Dr. Abelein
Dr. van Aerssen Dr. Aigner
Alber
Dr. Althammer Dr. Arnold
Dr. Barzel
Bayha
Dr. Becher ({48})
Dr. Becker ({49}) Frau Benedix
Benz
Berger
Biechele
Dr. Biedenkopf Biehle
Dr. von Bismarck
Dr. Blüm
Böhm ({50})
Dr. Bötsch
Braun
Breidbach
Broll
Bühler ({51})
Burger
Carstens ({52}) Carstens ({53}) Conrad ({54})
Dr. Czaja
Damm
Daweke
Dr. Dollinger Dr. Dregger Dreyer
Engelsberger
Erhard ({55}) Ernesti
Dr. Evers
Ey
Eymer ({56}) Dr. Eyrich
Feinendegen Frau Fischer
Francke ({57}) Franke
Dr. Friedmann Dr. Früh
Dr. Fuchs
Frau Geier
Geisenhofer
Dr. von Geldern Dr. George
Gerlach ({58}) Gerstein
Gierenstein Glos
Dr. Gölter Dr. Gruhl Haase ({59})
Haberl
Dr. Häfele Dr. Hammans
Handlos
Hanz
Hartmann Hasinger
von Hassel Hauser ({60}) Hauser ({61}) Helmrich
Dr. Hennig
von der Heydt Freiherr
von Massenbach Höffkes
Höpfinger
Dr. Hoffacker
Frau Hoffmann ({62}) Dr. Hornhues Horstmeier
Dr. Hubrig Frau Hürland
Dr. Hüsch Dr. Hupka Graf Huyn Dr. Jaeger Jäger ({63})
Dr. Jahn ({64}) Dr. Jahn ({65})
Dr. Jentsch ({66}) Dr. Jobst
Josten
Frau Karwatzki
Kiechle
Dr. h. c. Kiesinger
Dr. Klein ({67}) Klein ({68})
Dr. Klepsch Klinker
Dr. Köhler ({69}) Dr. Köhler ({70}) Köster
Kolb
Krampe
Dr. Kraske Kraus
Dr. Kreile Krey
Kroll-Schlüter
Frau Krone-Appuhn
Dr. Kunz ({71}) Lagershausen Lampersbach Landré
Dr. Langguth Dr. Langner Dr. Laufs
Lemmrich
Dr. Lenz ({72}) Lenzer
Link
Lintner
Löher
Dr. Luda
Lücker
Dr. Marx
Dr. Mende
Dr. Mertes ({73}) Metz
Dr. Meyer zu Bentrup Dr. Mikat
Dr Miltner Milz
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Dr. Möller
Dr. Müller
Müller ({74})
Müller ({75})
Dr. Müller-Hermann
Dr. Narjes
Neuhaus
Frau Dr. Neumeister
Niegel Nordlohne
Frau Pack
Petersen
Pfeffermann
Pfeifer Picard Pieroth Dr. Pinger
Pohlmann
Prangenberg
Dr. Probst
Rainer Rawe
Reddemann
Regenspurger
Dr. Reimers
Frau Dr. Riede ({76}) Dr. Riedl ({77})
Dr. Riesenhuber
Röhner Dr. Rose Rühe
Russe
Sauer ({78})
Sauter ({79})
Prinz zu SaynWittgenstein-Hohenstein Dr. Schäuble
Schartz ({80})
Schedl
Frau Schleicher
Schmidhuber
Schmidt ({81})
Schmitz ({82}) Schmöle
Dr. Schneider
Dr. Schröder ({83}) Schröder ({84}) Schröder ({85}) Dr. Schulte ({86})
Schwarz
Dr. Schwarz-Schilling
Dr. Schwörer
Seiters Sick
Dr. Freiherr Spies von Büllesheim
Spilker Spranger
Dr. Sprung
Stahlberg
Dr. Stark ({87})
Dr. Starke ({88})
Graf Stauffenberg
Dr. Stavenhagen
Dr. Stercken
Stommel Strauß
Stücklen Stutzer
Susset
de Terra Tillmann Dr. Todenhöfer
Frau Tübler
Dr. Unland
Frau Verhülsdonk
Vogel ({89})
Vogt ({90})
Volmer Dr. Voss Dr. Waffenschmidt
Dr. Waigel Frau Dr. Walz
Dr. von Wartenberg Wawrzik
Weber ({91}) Weiskirch ({92})
Dr. von Weizsäcker
Werner
Frau Dr. Wex
Frau Will-Feld
Frau Dr. Wilms
Wimmer
({93}) Windelen
Frau Dr. Wisniewski Wissebach Wissmann
Dr. Wittmann ({94})
Dr. Wörner
Baron von Wrangel Würzbach
Dr. Wulff Dr. Zeitel Zeyer
Ziegler
Dr. Zimmermann
Zink
Berliner Abgeordneter Amrehn
Frau Berger ({95})
Dr. Gradl
Kittelmann Luster
Müller ({96})
Dr. Pfennig Frau Pieser Straßmeir Wohlrabe
Damit ist das Haushaltsgesetz in dritter Lesung angenommen.
({97})
Wie Sie sehen, haben die Fraktionen bereits mit den Fraktionsberatungen begonnen. Wir unterbrechen die Beratungen des Deutschen Bundestages zunächst bis 13 Uhr; ich lasse über den Lautsprecher bekanntgeben, ob eventuell eine Verlängerung notwendig ist.
Die Sitzung ist unterbrochen.
({98})
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. - Meine Damen und Herren, ich bitte Platz zu nehmen.
Der Bundesrat hat in seiner 447. Sitzung am heutigen Tage mit der Mehrheit seiner Stimmen beschlossen, gegen das vom Deutschen Bundestag am 23. Juni 1977 verabschiedete Gesetz Einspruch gemäß Art. 77 Abs. 3 GG einzulegen.
Daher ist interfraktionell vereinbart worden, die heutige Tagesordnung um die Beratung des Einspruchs des Bundesrates zum Zwanzigsten Rentenanpassungsgesetz - Drucksache 8/682 - zu ergänzen. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Zuvor rufe ich aber noch die Entschließungsanträge der Fraktion der CDU/CSU zum Haushaltsgesetz auf. Zunächst handelt es sich um den Entschließungsantrag Drucksache 8/653. - Das Wort zur Begründung wird nicht mehr gewünscht.
Es ist Überweisung an den Haushaltsausschuß beantragt worden. Wer dieser Überweisung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Überweisungsantrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen damit zur Abstimmung über diesen Antrag. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe nunmehr den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 8/665 auf. Das Wort zur Begründung wird nicht begehrt.
Es ist Überweisung an den Haushaltsausschuß vorgeschlagen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! -Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist einmütig an den Haushaltsausschuß überwiesen.
Meine Damen und Herren, damit ist dieser Tagesordnungspunkt abgeschlossen. Ich rufe nunmehr den soeben auf die Tagesordnung gesetzten Punkt auf:
Beratung des Einspruchs des Bundesrates zum Zwanzigsten Rentenanpassungsgesetz
- Drucksache 8/682 Das Wort hat Herr Abgeordneter Jahn.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Namen der Fraktionen der Sozialdemokratischen Partei und der Freien Demokratischen Partei beantrage ich, den Einspruch des Bundesrates gegen das Gesetz zur Zwanzigsten Rentenanpassung und zur Verbesserung der Finanzgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung zurückzuweisen.
({0})
Meine Damen und Herren, wir sind der Auffassung, hier ist eine klare und eindeutige Entscheidung des Deutschen Bundestages erforderlich. Wir wollen mit unserer Entscheidung klar und deutlich aussagen, daß wir dafür Sorge tragen, daß die er2912
Jahn ({1})
höhten Renten zum 1. Juli 1977, wie zugesagt, pünktlich ausgezahlt werden können,
({2})
und beantragen deshalb, die Entscheidung in namentlicher Abstimmung zu treffen.
({3})
Das Wort zu einer Erklärung hat Herr Abgeordneter Franke.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der Fraktion der CDU/CSU erkläre ich, daß wir dem Anliegen, das Herr Kollege Jahn hier vorgetragen hat, nicht zustimmen können.
({0})
Dabei ist der gesamten Öffentlichkeit klar, daß die CDU/CSU-Fraktion bei der Beratung des Zwanzigsten Rentenanpassungsgesetzes in zweiter und dritter Lesung nie ein Hehl daraus gemacht hat, daß sie der Rentenerhöhung zum 1. Juli 1977 zustimmen wird.
({1})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist Ihre Absicht, die Absicht der Bundesregierung gewesen, die Wähler trotz des Versprechens vor der letzten Wahl zu betrügen und diese Renten nicht
auszuzahlen.
({2})
Sie können die informierte Öffentlichkeit mit diesem Trick, den Sie jetzt in der Begründung des Herrn Jahn anwenden, nicht irreführen. Wir sind für die Auszahlung der Beträge aus der Rentenversicherung zum 1. Juli 1977.
({3})
Wenn wir bzw. die Mehrheit des Bundesrates Bedenken angemeldet haben, dann wegen der struktur- und systemverändernden Maßnahmen in den weiteren Artikeln des Zwanzigsten Rentenanpassungsgesetzes.
({4})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie recht die Mehrheit des Bundesrates hat, ergibt sich doch wohl aus der Erklärung, die der Herr Bundesarbeitsminister Ehrenberg heute morgen im Namen der Bundesregierung vor dem Bundesrat abgegeben hat.
({5})
Ich darf mit Genehmigung der Frau Präsidentin zitieren:
Im übrigen erklärt die Bundesregierung, daß sie bereit ist, im Zusammenhang mit dem 21. Rentenanpassungsgesetz einen Krankenversicherungsbeitrag der Rentner in Erwägung zu ziehen und im Zusammenhang damit auch die in der
Regierungserklärung vom 12. Dezember 1976 vorsorglich, d. h., wenn die finanzielle Entwicklung der Rentenversicherung es notwendig machen sollte, in Erwägung gezogene Abweichung von der bruttolohnbezogenen Anpassung zu überdenken.
Meine Damen und Herren, das heißt nichts anderes, als daß das unsolide, das unseriöse Finanzierungskonzept dieser Bundesregierung durch diese Erklärung des Bundesarbeitsministers heute morgen vor dem Bundesrat außer Kraft gesetzt worden ist. Dank der Initiative der Christlich Demokratischen und der der Christlich-Sozialen Union ist das erreicht worden.
({6})
Ich wiederhole, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Unionsparteien sind für die Erhöhung der Renten zum 1. Juli 1977 und lassen sich durch Ihren Trick hier nicht irremachen.
({7})
Das Wort zu einer Erklärung hat der Herr Abgeordnete Jahn ({0}) .
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Erklärung, die hier soeben abgegeben worden ist, soll offenbar jene Täuschungsmanöver fortsetzen, deren sich die Union in dieser Frage seit langem befleißigt.
({0})
Die Erklärung, die der Bundesarbeitsminister abgegeben hat und die Sie hier zitiert haben, spricht nichts aus, was nicht schon immer von ihm, von der Bundesregierung und den Mitgliedern der SPD und FDP in diesem Zusammenhang gesagt worden ist, daß selbstverständlich bei weiteren Gesetzgebungsvorhaben alle Fragen, von wem sie auch aufgeworfen werden mögen, sorgfältig geprüft werden. Dieses war so und dieses wird auch so bleiben.
({1})
Das ist eine pure Selbstverständlichkeit und verdient nicht den Aufwand, der hier damit getrieben worden ist. Im übrigen halten wir fest: heute haben Sie Gelegenheit, mit Ihrer Abstimmung deutlich zu machen, was Sie wollen. Wer die zugesicherte Erhöhung der Renten zum 1. Juli 1977 haben will, der muß mit der blauen Karte und Ja stimmen.
({2})
Zu dieser Entscheidung sind Sie aufgefordert. Jede Entscheidung, die anders lautet, ist ein Nein zur planmäßigen Erhöhung der Renten.
({3})
Meine Damen und Herren, es tut mir leid, daß ich keine weitere Wortmeldung zulassen kann, es sei denn, eine Erklärung der FDP.
({0})
Vizepräsident Frau Funcke
1 Das Wort zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Jenninger.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe nach § 92 der Geschäftsordnung, wo es heißt, daß vor der Abstimmung über den Einspruch des Bundesrates Erklärungen abgegeben werden können, soeben die Wortmeldung für den Vorsitzenden der Fraktion der CDU/CSU abgegeben. Ich bin der Auffassung, daß dies möglich ist, daß der Vorsitzende der CDU/CSU- Fraktion hier eine Erklärung nach § 92 abgeben kannn.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Schäfer zur Geschäftsordnung.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! § 92 unserer Geschäftsordnung regelt diesen Vorgang. In diesem § 92 heißt es ausdrücklich:
Über den Einspruch des Bundesrates stimmt der Bundestag nach Artikel 77 Abs. 4 des Grundgesetzes ohne Aussprache ab.
({0}) - Entschuldigen Sie, ich lese doch weiter!
Vor der Abstimmung könnnen lediglich Erklärungen abgegeben werden.
({1})
Die Abstimmung erfolgt durch ...
({2})
- Entschuldigen Sie, warum erregen Sie sich? Ich lese Ihnen den § 92 vor.
({3})
Vor der Abstimmung können Erklärungen abgegeben werden.
({4})
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Leicht.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Geschäftsordnung ist sicher deutlich. Wenn es aber diese Geschäftsordnung zuläßt, daß, wie durch die Entscheidung der Präsidentin wohl geschehen, ein zweites Mal von derselben Fraktion eine Erklärung abgegeben wird, dann muß, falls dieses Parlament Gleichbehandlung noch als Prinzip ansieht, auch die Opposition zweimal reden dürfen.
({0})
Meine Damen und Herren! Auf der Tagesordnung stand die Beratung des Einspruchs des Bundesrates. Daraufhin ist von dem Kollegen Jahn namens seiner Fraktion der Antrag gestellt und begründet worden - und das betraf seine Wortmeldung -, diesen Einspruch zurückzuweisen. Jede Fraktion hat Gelegenheit, zu diesem Antrag eine Erklärung abzugeben.
({0}) So ist das behandelt worden.
({1})
Wenn das Haus des bezweifelt, unterbreche ich die Sitzung und bitte den Geschäftsordnungsausschuß, darüber zu befinden. - Der Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung tagt in 119 P.
Die Sitzung ist unterbrochen.
({2})
Meine Damen und Herren, wir nehmen die unterbrochene Sitzung wieder auf.
Ich darf Ihnen folgende Erklärung abgeben. Vorbehaltlich einer endgültigen Interpretation des § 92 der Geschäftsordnung,
({0})
die vom Ausschuß als notwendig angesehen wird, trage ich Ihnen folgende interfraktionelle Vereinbarung für heute vor. Der § 92 der Geschäftsordnung sieht eine Abgabe von Erklärungen zu dem Einspruch des Bundesrates vor. Obwohl eine Beschränkung der Erklärungen in der Geschäftsordnung nicht vorgesehen ist, wurde in der Praxis bisher von jeder Fraktion nur je eine Erklärung abgegeben. Ohne Präjudiz war man sich aber darüber einig, daß für heute die Wortmeldungen der Kollegen Jahn und Franke nicht als Erklärungen im Sinne des § 92 gewertet, sondern daß sie als eine Antragsbegründung angesehen werden sollen.
Ich gebe damit zur Abgabe einer Erklärung für die CDU/CSU das Wort dem Herrn Abgeordneten Kohl.
({1})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir das Wort zu dieser kurzen Erklärung.
Der Abgeordnete Jahn hat vor der Unterbrechung der Sitzung in seiner Erklärung namens seiner Fraktion dargelegt, daß er die offizielle Erklärung, die der Herr Bundesarbeitsminister heute früh im Bundesrat abgegeben hat und die in sieben Punkten zusammengefaßt ist, in wesentlichen Punkten in Zweifel zieht.
Ich darf hier erklären, daß ich noch heute - in der jetzt anschließenden Sitzung der CDU/CSU-Fraktion - der Fraktion empfehlen werde, die hier festgelegten Punkte, die der Herr Bundesarbeitsminister namens der Bundesregierung heute im Bundesrat
vortrug, in Gesetzesform in das Gesetzgebungsverfahren im kommenden Herbst einzubringen.
({0})
Das Wort zu einer Erklärung hat der Abgeordnete Mischnick.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die FDP-Bundestagsfraktion weist den Einspruch des Bundesrates zurück. Die Freien Demokraten wollen mit dem Koalitionspartner sicherstellen, daß am 1. Juli 1977 die erhöhten Renten ausgezahlt werden können.
({0})
Wer dem widerspricht, gefährdet diese Auszahlung.
({1})
Die Freien Demokraten begrüßen die Erklärung von Bundesarbeitsminister Ehrenberg im Bundesrat. Sie stellen dazu fest, daß die hier zitierten Sätze und die Gesamtrede des Bundesarbeitsministers Ehrenberg im Bundesrat klarstellen, daß selbstverständlich mit der Verabschiedung des Zwanzigsten Rentenanpassungsgesetzes all die Fragen, die mit der langfristigen Sicherung und mit den Auswirkungen des Verfassungsgerichtsurteils über die Frage der Hinterbliebenenversorgung zusammenhängen, noch nicht gelöst werden konnten, sondern von der Koalition im weiteren Gesetzgebungsverfahren gelöst werden.
({2})
Dabei geht die FDP-Bundestagsfraktion davon aus, daß sowohl von den Koalitionsparteien wie von der Opposition alle Fragen, die in der Diskussion waren, eingebracht werden, um sie nüchtern und sachlich zu diskutieren, wie dies der Bundesarbeitsminister in Aussicht gestellt hat.
({3})
Die Freien Demokraten sind der Überzeugung, daß der Weg, der gefunden worden ist, um dieses Rentenanpassungsgesetz zu verabschieden und das Kostendämpfungsgesetz in Kraft treten zu lassen, beschritten werden mußte, denn eine Rentensanierung auf Dauer ist ohne eine Verbindung beider Gesetze nicht möglich. Deshalb gehen die Freien Demokraten davon aus, daß die Ankündigung des Herrn Kollegen Kohl, gesetzgeberische Initiativen in bestimmten Punkten zu ergreifen, mit dem Ziel erfolgt, insgesamt die Kostendämpfung noch sorgfältiger und noch weiterreichender zu gestalten, als es bisher im Vermittlungsverfahren zwischen Bundestag und Bundesrat möglich war.
({4})
Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung über die Zurückweisung. Um den Einspruch des Bundesrates zurückzuweisen, bedarf es der Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder dieses Hauses, d. h., es müssen mindestens 249 Stimmen für die Zurückweisung des
Einspruchs abgegeben werden. Ich bitte, mit der Abgabe der Stimmkarten zu beginnen.
Meine Damen und Herren, haben alle Mitglieder, die hier sind, ihre Stimmkarte abgegeben? - Dann schließe ich die Abstimmung und bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
Wir haben noch eine kleine Ergänzung der Tagesordnung. Es ist interfraktionell vereinbart, noch folgenden Punkt auf die heutige Tagesordnung zu setzen:
Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({0})
Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Deutschen Bundestages
- Drucksache 8/683 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Bötsch
Ich frage, ob wir diesen Punkt auf die Tagesordnung setzen sollen. - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Eine Wortmeldung dazu wird nicht begehrt. Wir kommen zur Abstimmung über die Ihnen vorliegende Drucksache 8/683. Wer seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist bei 2 Gegenstimmen und 1 Enthaltung so beschlossen.
Ich gebe das Ergebnis der Auszählung bekannt. Abgestimmt haben insgesamt 490 uneingeschränkt stimmberechtigte und 19 Berliner Abgeordnete. Mit Ja haben 252 uneingeschränkt stimmberechtigte und 9 Berliner Abgeordnete gestimmt, mit Nein 235 uneingeschränkt stimmenberechtigte und 10 Berliner Abgeordnete. Drei der uneingeschränkt stimmberechtigten Kollegen haben sich der Stimme enthalten.
Ergebnis
Abgegebene Stimmen 490 und 19 Berliner Abgeordnete; davon
ja: 252 und 9 Berliner Abgeordnete, nein: 235 und 10 Berliner Abgeordnete, enthalten: 3
Ja
SPD
Adams Ahlers Dr. Ahrens
Amling Dr. Apel
Arendt Augstein
Baack Bahr
Dr. Bardens
Batz
Dr. Bayerl
Becker ({1}) Biermann
Bindig Blank
Dr. Böhme ({2}) Frau von Bothmer Brandt
Brandt ({3})
Brück
Buchstaller Büchler ({4})
Büchner ({5})
Dr. von Bülow
Buschfort
Dr. Bußmann
Collet
Conradi
Coppik
Dr. Corterier
Curdt
Frau Dr. Däubler-Gmelin
Daubertshäuser
Dr. von Dohnanyi
Dürr
Dr. Ehmke
Dr. Ehrenberg
Eickmeyer
Frau Eilers ({6})
Dr. Emmerlich
Dr. Enders
Vizepräsident Frau Funcke Engholm
Frau Erler Esters
Ewen
Fellermaier Fiebig
Dr. Fischer Flämig
Frau Dr. Focke
Franke ({7}) Friedrich ({8}) Gansel
Gerstl ({9})
Gertzen Dr. Geßner Glombig Gobrecht Grobecker Grunenberg
Gscheidle Dr. Haack Haar
Haase ({10})
Haehser Hansen
Frau Dr. Hartenstein Hauck
Dr. Hauff Henke
Heyenn
Höhmann
Hoffmann ({11}) Hofmann ({12})
Dr. Holtz Horn
Frau Huber Huonker Ibrügger
Immer ({13})
Jahn ({14})
Jaunich
Dr. Jens ({15}) Junghans Jungmann
Junker
Kaffka
Kirschner
Klein ({16})
Koblitz
Konrad
Kratz
Kretkowski
Dr. Kreutzmann
Krockert Kühbacher Kuhlwein Lambinus Lange
Lattmann
Dr. Lauritzen
Leber
Lemp
Lenders
Frau Dr. Lepsius
Liedtke
Dr. Linde Lutz
Mahne
Marquardt Marschall
Frau Dr. Martiny-Glotz Matthöfer
Dr. Meinecke ({17}) Meinike ({18}) Meininghaus
Menzel
Möhring
Müller ({19})
Müller ({20})
Müller ({21}) Müller ({22})
Dr. Müller-Emmert Müntefering
Nagel Neumann
Dr. Nöbel
Offergeld
Oostergetelo
Paterna
Pawelczyk
Peiter
Dr. Penner
Pensky Peter Polkehn
Rapp ({23})
Rappe ({24}) Ravens
Frau Renger Reuschenbach
Rohde Roth
Saxowski
Dr. Schachtschabel Schäfer ({25})
Dr. Schäfer ({26}) Scheffler
Scheu Schirmer
Schlaga
Schluckebier
Dr. Schmidt ({27}) Schmidt ({28}) Schmidt ({29}) Schmidt ({30}) Schmidt ({31})
Dr. Schmitt-Vockenhausen Dr. Schmude
Dr. Schöfberger
Schreiber
Schulte ({32})
Schwabe
Dr. Schwencke ({33}) Dr. Schwenk ({34}) Seefeld
Sieler
Frau Simonis Simpfendörfer
Dr. Spöri
Stahl ({35})
Dr. Staudt
Dr. Steger
Frau Steinhauer Stockleben
Stöckl Sybertz Thüsing Frau Dr. Timm
Tönjes Topmann
Frau Traupe
Ueberhorst
Urbaniak
Dr. Vogel ({36}) Vogelsang
Voigt ({37}) Waltemathe
Walther
Dr. Weber ({38})
Wehner
Weißkirchen ({39}) Wendt
Dr. Wernitz
Wiefel Wilhelm
Wimmer ({40}) Wischnewski
Dr. de With
Wittmann ({41}) Wolfram ({42}) Wrede
Würtz Wüster
Wuttke Wuwer Zander Zebisch Zeitler
Berliner Abgeordnete
Bühling
Dr. Diederich ({43}) Dr. Dübber
Egert
Löffler
Männing
Frau Schlei
Schulze ({44})
FDP
Angermeyer
Dr. Bangemann
Baum
Cronenberg
Eimer ({45})
Engelhard
Ertl
Dr. Friderichs
Gärtner
Gallus
Gattermann
Genscher
Grüner
Frau Dr. Hamm-Brücher Dr. Haussmann
Hölscher
Hoffie
Jung
Kleinert
Dr.-Ing. Laermann
Dr. Graf Lambsdorff Ludewig
Dr. Dr. h. c. MaihoferFrau Matthäus-Maier Mischnick
Möllemann
Ollesch
Paintner
Peters ({46}) Schmidt ({47}) von Schoeler
Frau Schuchardt Spitzmüller
Dr. Vohrer
Dr. Wendig
Wolfgramm ({48}) Wurbs
Zywietz
Berliner Abgeordnete Hoppe
Nein
CDU/CSU
Dr. Abelein
Dr. van Aerssen
Dr. Aigner Alber
Dr. Arnold Dr. Barzel Bayha
Dr. Becher ({49})
Dr. Becker ({50}) Frau Benedix
Benz
Berger Biechele
Dr. Biedenkopf
Biehle
Dr. von Bismarck
Dr. Blüm
Böhm ({51})
Dr. Bötsch Braun
Breidbach
Bühler ({52})
Burger
Carstens ({53}) Carstens ({54}) Conrad ({55})
Dr. Czaja Damm
Daweke
Dr. Dollinger
Dr. Dregger Dreyer
Engelsberger
Erhard ({56}) Ernesti
Ey
Eymer ({57})
Dr. Eyrich Feinendegen
Frau Fischer
Francke ({58}) Franke
Dr. Friedmann
Dr. Früh
Dr. Fuchs Frau Geier Geisenhofer Dr. von Geldern
Dr. George Gerlach ({59}) Gerstein
Gierenstein Glos
Dr. Gölter Dr. Gruhl Haase ({60})
Haberl
Dr. Häfele Dr. Hammans
Handlos
Hanz
Hartmann Hasinger von Hassel Hauser ({61})
Hauser ({62}) Helmrich
Dr. Hennig
von der Heydt Freiherr
von Massenbach Höffkes
Höpfinger
Dr. Hoffacker
Frau Hoffmann ({63})
Dr. Hornhues
Horstmeier Dr. Hubrig Frau Hürland
Dr. Hüsch Dr. Hupka Graf Huyn Dr. Jaeger Jäger ({64})
Dr. Jahn ({65}) Dr. Jahn ({66})
Dr. Jentsch ({67}) Dr. Jobst
Josten
Frau Karwatzki
Kiechle
Dr. h. c. Kiesinger
Dr. Klein ({68})
Klein ({69})
Vizepräsident Frau Funcke
Dr. Klepsch Klinker
Dr. Köhler ({70})
Dr. Köhler ({71}) Köster
Kolb
Krampe
Dr. Kraske Kraus
Dr. Kreile Krey
Kroll-Schlüter
Frau Krone-Appuhn
Dr. Kunz ({72}) Lagershausen Lampersbach Landré
Dr. Langguth Dr. Langner Dr. Laufs
Lemmrich
Dr. Lenz ({73}) Lenzer
Link
Lintner
Löher
Dr. Luda
Lücker
Dr. Marx Dr. Mende
Dr. Mertes ({74}) Metz
Dr. Meyer zu Bentrup
Dr. Mikat Dr. Miltner Milz
Dr. Möller
Müller ({75}) Müller ({76})
Dr. Müller-Hermann
Dr. Narjes
Frau Dr. Neumeister Niegel
Nordlohne Frau Pack Petersen Pfeifer
Picard
Pieroth
Dr. Pinger
Pohlmann
Prangenberg
Dr. Probst
Rainer
Rawe
Reddemann
Regenspurger
Dr. Reimers
Frau Dr. Riede ({77}) Dr. Riedl ({78})
Dr. Riesenhuber
Dr. Ritz
Röhner
Dr. Rose
Rühe
Russe
Sauer ({79})
Sauter ({80}) Prinz zu SaynWittgenstein-Hohenstein Dr. Schäuble
Schartz ({81})
Schedl
Frau Schleicher Schmidhuber
Schmidt ({82}) Schmitz ({83}) Schmöle
Dr. Schneider
Dr. Schröder ({84}) Schröder ({85}) Schröder ({86}) Dr. Schulte ({87})
Schwarz
Dr. Schwarz-Schilling Dr. Schwörer
Seiters
Sick
Dr. Freiherr Spies von Büllesheim
Spilker
Spranger
Dr. Sprung
Stahlberg
Dr. Stark ({88}) Dr. Starke ({89}) Graf Stauffenberg Dr. Stavenhagen
Dr. Stercken
Stommel
Strauß
Stücklen
Stutzer
Susset
de Terra
Tillmann
Dr. Todenhöfer
Frau Tübler Dr. Unland Frau Verhülsdonk
Vogel ({90})
Vogt ({91}) Volmer
Dr. Voss
Dr. Waffenschmidt
Dr. Waigel Frau Dr. Walz
Dr. von Wartenberg Wawrzik
Weber ({92}) Weiskirch ({93})
Dr. von Weizsäcker Werner
Frau Dr. Wex
Frau Will-Feld
Frau Dr. Wilms
Wimmer
({94}) Windelen
Frau Dr. Wisniewski Wissebach Wissmann
Dr. Wittmann ({95}) Dr. Wörner
Baron von Wrangel Würzbach
Dr. Wulff
Dr. Zeitel
Zeyer
Ziegler
Dr. Zimmermann Zink
Berliner Abgeordnete
Amrehn
Frau Berger ({96}) Dr. Gradl
Kittelmann Luster
Müller ({97})
Dr. Pfennig Frau Pieser Straßmeir Wohlrabe
Enthaltungen
CDU/CSU
Dr. Evers
Neuhaus
Pfeffermann
Damit ist der Einspruch des Bundesrates mit dem erforderlichen Quorum der Mehrheit der Mitglieder dieses Hauses zurückgewiesen.
({98})
Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung und zugleich der Sitzungsperiode vor der Sommerpause.
Ich wünsche allen Kollegen eine recht erholsame und frohe Ferienzeit.
Ich berufe das Haus für Mittwoch, den 7. September 1977, 13 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.