Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 6/23/1977

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die heutige Tagesordnung um die in der Ihnen vorliegenden Liste „Zusatzpunkte zur Tagesordnung" bezeichneten Vorlagen ergänzt werden: 1. Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes ({0}) zum Gesetz zur Zwanzigsten Rentenanpassung und zur Verbesserung der Finanzgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung ({1}) ({2}) Berichterstatter: Abgeordneter Müller ({3}) 2. Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes ({4}) zum Gesetz zur Dämpfung der Ausgabenentwicklung und zur Strukturverbesserung in der gesetzlichen Krankenversicherung ({5}) ({6}) Berichterstatter: Abgeordneter Müller ({7}) 3. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses ({8}) zu einer dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht ({9}) Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Lenz ({10}) Ich frage das Haus, ob es damit einverstanden ist. - Ich höre und sehe keinen Widerspruch. Dann ist die Erweiterung der Tagesordnung um diese drei Punkte beschlossen. Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung Der Bundesminister des Innern hat mit Schreiben vom 21. Juni 1977 im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Justiz die Kleine Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Asylverfahren (Drucksache 8/537 ({11}) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 8/654 verteilt. Der Vermittlungsausschuß hat in seiner Sitzung am 15., 16. und 20. Juni 1977 das vom Deutschen Bundestag am 13. Mai 1977 beschlossene Neunte Gesetz über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes ({12}) bestätigt. Sein Schreiben wird als Drucksache 8/656 verteilt. Ich rufe erneut Punkt I der Tagesordnung auf: Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1977 ({13}) - Drucksachen 8/100, 8/324, 8/270, 8/474 Beschlußempfehlungen und Berichte des Haushaltsausschusses ({14}) Wir kommen zu Einzelplan 08 Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen - Drucksache 8/498 Berichterstatter: Abgeordneter Grobecker dazu Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses ({15}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Finanzplan des Bundes 1976 bis 1980 - Drucksachen 8/101, 8/325, 8/612 Berichterstatter: Abgeordneter Löffler Abgeordneter Hoppe Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung - Drucksache 8/517 Berichterstatter: Abgeordneter Löffler Abgeordneter Dr. Dübber Abgeordneter Hoppe Abgeordneter Simpfendörfer Einzelplan 32 Bundesschuld - Drucksache 8/513 Berichterstatter: Abgeordneter Augstein Einzelplan 33 Versorgung - Drucksache 8/514 Berichterstatter: Abgeordneter Metz Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte - Drucksache 8/515 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Dübber Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Carstens ({16}).

Manfred Carstens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000322, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren. Im bisherigen Verlauf der Haushaltsdebatte haben wir erneut und speziell vom Bundeskanzler am ersten Debattentag kräftige Worte zu den großen Problemen ringsum in der Welt gehört. Die Bundesregierung benutzt diese Kulisse weltweiter Krisen immer wieder, um der deutschen Öffentlichkeit zu suggerieren, wie relativ gut es uns doch immer noch geht. ({0}) Ja, er hat uns mit geradezu unnachahmlicher Arroganz aufgefordert, Länder zu benennen, die sich mit uns vergleichen könnten. Ich frage mich, woher der Bundeskanzler den Mut, ich möchte sagen, die Unverfrorenheit nimmt, um sich im Plenum derart prahlerisch zu geben, ({1}) und das angesichts der hohen Arbeitslosigkeit, der Konkurse Zehntausender mittelständischer Betriebe, der enormen Staatsverschuldung und des Rentenfiaskos. Meine Damen und Herren, der Bundeskanzler möge sich doch einmal in eine Familie begeben, in der der Familienvater arbeitslos ist. Er möge sich doch einmal mit den Menschen unterhalten, die keine Lehrstellen finden. Oder er möge sich einmal erkundigen, wie denen zumute ist, die erleben, daß ihr langjähriger Familienbetrieb in Konkurs geht. Dann kann er sich vorstellen, wie die darüber denken. Die empfinden es als Hohn, wenn sich der Bundeskanzler hier im Deutschen Bundestag derart prahlerisch gibt. ({2}) Ich will Ihnen, meine Damen und Herren, im Laufe dieser halben Stunde nachweisen, daß es uns so lange wirklich gut ging, wie Sie aus dem vollen schöpfen konnten, nämlich bis 1972/73. Danach verschlechterten sich sämtliche Indikatoren. Als nämlich Ihre Politik zu wirken anfing, ging es bergab. ({3}) Aber die Regierung wird nicht aufhören, an diesem Krisenbewußtsein weiter zu malen, denn es soll von der Pflicht befreien, die Probleme ernsthaft anzufassen. Es sichert den relativen Erfolg der eigenen Politik und erschwert lästige Kritik. Meine Damen und Herren, im Grunde ist dies genau das Klima einer Politik, die längst selber die Probleme schafft, die zu lösen sie vorgibt. ({4}) Die Entwicklung unseres Gemeinwesens wird, so will mir scheinen, zunehmend als die einzig richtige und denkbare, als die einzig notwendige und mögliche zementiert. In diesem Denken liegt das Scheitern der Politik der Regierung, der Konjunktur- und Steuerprogramme begründet. Auf ihm gründet die Widerlegung der sozialliberalen Schuldenphilosophie. Meine Damen und Herren, Keynes würde sich im Grabe herumdrehen; ({5}) denn bei solch enormen Schulden müßte die Konjunktur doch längst angesprungen sein. Aber dieses ihr Denken erklärt auch die Halbherzigkeit bei den Sparmaßnahmen des Haushaltsstrukturgesetzes, ihre Einstellung zum Rentendebakel und ihren Umgang mit dem Steuerpaket. Das erklärt auch das Gerangel in der Frage der Kostendämpfung im Gesundheitswesen. In all diesen Bereichen, meine Damen und Herren, offenbart sich immer deutlicher eine Politik, die zum angeblichen Schutz der freiheitlichen Institutionen oftmals ihre schleichende Verstaatlichung betreibt. Diese Denkart hat auch der Haushaltspolitik der Vergangenheit zugrunde gelegen. Sie liegt ebenfalls dem Haushalt 1977 zugrunde. Ich sage hier schlicht und einfach, daß der Haushalt 1977 ohne Konzeption und ohne Perspektiven ist, ohne Prioritäten und Zielvorgaben. ({6}) Ich glaube, Herr Kollege Grobecker, Sie sind dran. Ich bedaure Sie, wenn Sie gleich diesen Gesamtetat verteidigen müssen. ({7}) Aber wie soll der Bundeshaushalt klare Aussagen machen, wo doch die gesamte Politik der Bundesregierung in sich nicht mehr geschlossen ist! ({8}) Sehen wir uns den Haushalt an! Sieht man einmal von dem Erinnerungsposten der Nettokreditaufnahme von ca. 21 Milliarden DM ab, dann deutet in diesem Haushalt fast nichts darauf hin, daß wir eine Million Arbeitslose haben. Dem ganzen Haushalt ist es in der Struktur gar nicht anzusehen, ob Sie sich bemühen oder nicht, mit diesem Problem fertigzuwerden. Die Einnahmen sprudeln. Die Ausgaben steigen züchtig. Aber der Lack, den frühere Finanzminister zu dick aufgetragen haben, fehlt heute. Das ist die Problematik, mit der wir zu tun haben. Sie stellen dann noch 527 Millionen DM für das Infrastrukturprogramm zur Bewältigung der großen Probleme ein. Dank einer nach oben revidierten Steuerschätzung wurde noch schnell formlos 1 Milliarde DM für die Bundesbahn in den Haushalt eingestellt. Zusammen mit der Kürzung weniger Etatansätze erschöpfen sich darin schon alle Koalitionsbemühungen, mit dem Problem fertigzuwerden. Die notwendige Konsolidierung der öffentlichen Haushalte will die Bundesregierung dem Steuerbürger über die Mehrwertsteuererhöhung aufhalsen; und das lehnen wir ab. ({9}) Meine Damen und Herren, ich will es noch einmal unmißverständlich sagen: Ja zur Konsolidierung, aber nicht einseitig zu Lasten des Bürgers. ({10}) Es ist doch geradezu unsinnig, was die Ministerin Frau Huber gestern abend hier noch gesagt hat. Das hat doch nichts damit zu tun, daß wir z. B. die Erhöhung des Kindergeldes ablehnen. Das ist doch blanker Unsinn. ({11}) Carstens ({12}) Wir sind lediglich dagegen, daß vom Bürger zunächst einmal doppelt das genommen wird, was ihm nachher - einfach - zurückgegeben werden soll. ({13}) Verehrte Kollegen von der SPD und der FDP, sehen Sie sich doch einmal den Lohnstreifen eines Arbeitnehmers an! Die Bruttosumme ist ja ganz schön hoch; aber dann kommt es doch: Lohnsteuer, Kirchensteuer, Rentenversicherung, Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung. Die Parole darf nicht mehr heißen, weiter zu belasten, sondern muß heißen: der Staat muß bei den konsumtiven Ausgaben sparen. ({14}) Aber das Thema heißt hier nicht „Steuererhöhung", sondern das Thema ist, eine Politik zu stoppen, die erwiesenermaßen mehr Probleme schafft als löst. ({15}) Die Schnelligkeit, mit der die Bundesregierung dem verbesserten Einnahmeergebnis jene Milliarde für die Bundesbahn nachgeschoben hat, verrät allzu deutlich, daß, wenn neue Finanzierungsspielräume entstehen, sie ganz schnell wieder auf dem Verschiebebahnhof der Bundesregierung verschwinden. Deswegen habe ich den Eindruck, daß es die Bundesregierung als ihr gutes Recht betrachtet, den von der Verfassung gezogenen Kreditfinanzierungsrahmen ohne Rücksicht auf die Verpflichtungen aus dem Stabilitätsgesetz auszuschöpfen. Das heißt dann aber konkret: auch in Normallagen und Boomphasen der Konjunktur wird die Nettokreditaufnahme des Staates nur noch durch die Investitionen begrenzt. Ich habe manchmal den Eindruck, als wenn der Finanzminister bei der Aufstellung eines Haushalts in den letzten Jahren so verfahren ist, daß er zunächst errechnen ließ, wieviel Nettokredit er aufnehmen durfte, um danach dann alles weitere im Haushalt aufzubauen. Aber das ist doch die falsche Art; so darf man nicht vorgehen. Die Bundesregierung scheint noch gar nicht zu wissen, wohin das insgesamt - auf Dauer - führt, wenn man so stark und so rapide ansteigend in die Schuldenlasten hineingeht. Bei einer Nettokreditaufnahme von 20,7 Milliarden DM in diesem Jahr steigt der sich aus der Gesamtverschuldung ergebende Zinsaufwand nach der vorgelegten Finanzplanung von in diesem Jahre rund 9 Milliarden DM auf 15 Milliarden DM im Jahre 1980. Diese 15 Milliarden sind dann schon die gesamte Nettokreditaufnahme. Das muß man sich doch einmal so richtig zu Gemüte führen. Das kann man fast gar nicht begreifen. Das heißt doch, daß all die Kredite, die 1980 in Höhe von 15 Milliarden DM aufgenommen werden müssen, nur aufgenommen werden, damit die dann fälligen Zinsen bezahlt werden können. ({16}) 15 Milliarden DM - ich sagte eben, daß das fast unvorstellbar ist. Wenn man Tausendmarkscheine - verehrte Kolleginnen und Kollegen, größere Scheine haben wir nicht - aufeinanderlegt, wenn man sie preßt, dann ergibt das eine Höhe von 3 Kilometern. ({17}) 3 Kilometer Tausendmarkscheine muß diese Regierung 1980 an Schulden machen, nur um die dann fälligen Zinsen bezahlen zu können. Was ist das für eine Politik, meine Damen und Herren! ({18}) Ich will Ihnen noch Weiteres sagen: das, was Sie in einem Jahr ab 1980 an Zinsen ausgeben müssen, das haben die von der CDU geführten Regierungen in insgesamt 20 Jahren an Schulden aufgenommen, um unser Land aufzubauen. ({19}) Das spricht Bände. Wenn wir das noch weiter durchdenken, führt es zu dem Schluß, daß Sie Ihre Haushalte zunächst über den Kapitalmarkt aus dem gesparten Geld der Bürger finanzieren - der Finanzminister betont ja, der Bürger möge gefälligst dankbar dafür sein, daß ihm das Geld überhaupt abgenommen wird -, ({20}) später aber diese Schulden nur so zurückgezahlt werden können, daß der Finanzminister die Abgaben und die Steuern erhöht, wie er es schon mehrere Male getan hat, damit er über die vermehrten Steuern, die er dann auch wieder den Bürgern abnimmt, den Bürgern das selbstgesparte Geld überhaupt wieder zurückzahlen kann. ({21}) Das wird auf Dauer bei dieser Politik herauskommen. Ich hätte dafür sogar Verständnis, wenn damit zukunftsweisende Investitionen durchgeführt würden, wenn z. B. in der Energieforschung ein Durchbruch erzielt würde, oder wenn man die Krebskrankheit bekämpfen oder ähnliche Dinge tun könnte. Aber nein, das ist ja nicht der Fall; dieses Geld wird nur aufgenommen, damit die Löcher, die im Haushalt durch die schlechte Politik dieser Regierung entstanden sind, gestopft werden können, und für sonst nichts. ({22}) Meine Damen und Herren, das staatliche Schuldenmachen erweist sich, um ein Wort Heinrich Irmlers zu gebrauchen, schon wegen seiner enormen Größe allmählich als self-defeating. Die enorme staatliche Schuldenfinanzierung hält den Kapitalzins hoch und die Privatinvestitionen niedrig. Sie macht die Unterbeschäftigung zur Normallage. ({23}) - Sie können es ja gleich widerlegen, Herr Westphal. ({24}) Carstens ({25}) - Auch eine Geldpolitik der langen Leine vermag daran nichts zu ändern. Billiges Geld hilft nicht, denn die Geldpolitik kann schlechterdings nicht das Vertrauen wiederherstellen, das die Finanzpolitik zerstört hat, Herr Westphal. ({26}) Wir sind daher davon überzeugt, daß dieses Vertrauen nur durch eine Konsolidierung der Staatsfinanzen über die Ausgabenseite, nicht über die Geldpolitik und schon gar nicht über Steuererhöhungen zurückgewonnen werden kann. ({27}) Zu groß sind die Disproportionalitäten zwischen den Belastungen von Bürger und Wirtschaft auf der einen und den Segnungen des Staates auf der anderen Seite.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Sperling?

Manfred Carstens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000322, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich kann das auf keinen Fall zulassen, Herr Präsident; meine Fraktionskollegen haben mich in der Zeit sowieso schon um zehn Minuten beschnitten. ({0}) Beide zusammen bewirken ein zu hohes Kostenniveau, das Beschäftigung freisetzt bzw. verhindert, und beide täuschen mittels Staatsverschuldung ein Einkommensniveau vor, das längerfristig nicht zu halten ist und die Probleme früher oder später eher noch verschärft. Meine Damen und Herren, die Belastung durch und die Verteilung über den Staat haben einen Umfang angenommen, der mit den fundamentalen Grundsätzen der Sozialen Marktwirtschaft nicht mehr übereinstimmt. Das ist unsere gemeinsame Überzeugung in der Union. Diese Überzeugung ist höher zu veranschlagen als die unterschiedlichen Auffassungen zu einem Teil des Arbeitsbeschaffungsprogramms der Union. Diese gemeinsame Überzeugung steht über diesen Dingen. Ich sage für mich ganz freimütig: Ich glaube, daß die Verkürzung der Arbeitszeit, in welcher Form auch immer, keinen Ausweg aus der Unterbeschäftigung bietet. ({1}) Das sage ich ganz eindeutig als meine Meinung; ich möchte das hier im Plenum offen zum Ausdruck bringen. Unsere Gesellschaft hat sich in den letzten Jahren mehr, als es Wachstum und Beschäftigung zuträglich war, für eine massive Verbesserung der Einkommensverteilung eingesetzt. Dieser einkommenspolitischen Überforderung noch die freizeitpolitische Forderung aufpfropfen zu wollen hieße nach meiner Ansicht, den Teufel mit dem Beelzebub austreiben wollen. ({2}) Arbeitslosigkeit, meine Damen und Herren, läßt sich nach dem kleinen Einmaleins der Volkswirtschaftslehre nur durch Wachstum beseitigen und durch nichts sonst. ({3}) Unsere Forderung kann daher nur lauten: weg mit den Wachstumshemmnissen, Schluß mit den ständig steigenden Steuer- und Abgabelasten, ({4}) Schluß mit dem perfektionistischen Wohlfahrtsstaat, der die Probleme aus sich heraus doch nur vermehrt, indem er unter Berufung auf ihre Lösung immer neue und umfassendere Eingriffsvollmachten an sich zieht! ({5}) Dieser Kreislauf muß durchbrochen werden; darauf, meine Damen und Herren, wird es ankommen. ({6}) Da liegt das eigentliche Dilemma jeder Politik, die sich „sozialistisch" nennt. Ganz gleich, wie Sie sich selbst bezeichnen: Das Dilemma jeder sozialistischen Politik liegt darin begründet, daß ein Glaube an eine quasi allwissende - und doch immer irrende - zentrale Planungsinstanz vorhanden ist, die alles durchdenkt, plant und organisiert. ({7}) Das ist das eigentliche Dilemma jeder solchen Politik. Sehen Sie sich all das an, was Sie in den letzten Jahren beschlossen haben, wie viele Gesetze durchgepaukt wurden, was Sie vorgeschrieben haben, was genehmigt werden muß, wie viele Formulare und wie viele Genehmigungsverfahren - wie ich sagte - notwendig sind. Das alles bedeutet mehr Lenkung, mehr zentrale Planung, dem einzelnen wird immer mehr aus der Hand genommen. Die Dynamik der Wirtschaft läßt nach. Das Ganze muß dann finanziert werden, muß bezahlt werden, weil es immer teurer wird. Es bleibt nichts anderes übrig, als immer wieder in die Taschen der Bürger zu greifen, um über erhöhte Abgabenlasten das alles bezahlen zu können. ({8}) Meine Damen und Herren, ich habe Sie aufgefordert, die Abgaben nicht weiter zu erhöhen, sondern Einsparungen dort vorzunehmen, wo es möglich ist. Dazu will ich Ihnen folgendes sagen - das kann ich hier als Haushaltsausschußmitglied in aller Ruhe und mit gutem Gewissen vortragen -: ohne besondere Bewirtschaftungsmaßnahmen konnten in den letzten Jahren bei einer ganz normalen Haushaltsführung erhebliche Milliardenbeträge erwirtschaftet werden: 1974 3,6 Milliarden DM, 1975 5,9 Milliarden DM und 1976 4,9 Milliarden DM. Auch im Haushalt 1977 sind noch erhebliche Einsparungen möglich. Das wird der Kollege Leicht als Vorsitzender des Ausschusses sicherlich bestätigen. Wir haben im Haushaltsausschuß weitergehende Kürzungsanträge gestellt. Aber die wurden fast ausnahmslos niedergestimmt. Wir haben neben den Änderungsanträgen im PersonalbeCarstens ({9}) reich 68 Änderungsanträge gestellt. Das Kürzungsvolumen einschließlich der im Plenum gestellten Anträge beträgt gut 3 Milliarden DM und erwirtschaftet etwa 1,6 Milliarden DM zusätzliche Einnahmen. Das macht mit dem Ergänzungshaushalt, den wir einmütig mit eingestellt haben, über 5 Milliarden DM an Haushaltsverbesserungen. Wenn Sie, meine Damen und Herren, unserem Votum, unseren Kürzungsvorschlägen und unserem finanzpolitischen Wollen gefolgt wären, ({10}) dann hätten wir mittlerweile nur noch eine Nettokreditaufnahme, die 6 Milliarden DM niedriger liegen würde als bei Aufstellung des Haushalts; sie würde nur noch bei 16,6 Milliarden DM liegen. In einem Jahr sind das 6 Milliarden weniger. Da können Sie einmal sehen, wie das Wort des Bundesfinanzministers zu werten ist, der noch vor 31/2 Monaten sagte: „Es ist keine Luft mehr im Haushalt" ; er warnte davor, an die Etatposten heranzugehen. Wir waren innerhalb von drei Monaten in der Lage, diese Gesamtschau um erhebliche Milliardenbeträge zu verbessern. Ferner konnte im Haushaltsausschuß eine Reihe von Änderungsanträgen, die durch die Berichterstatter vorbereitet worden waren, einvernehmlich angenommen werden. Wie schon gesagt, haben wir die Umschichtung des Infrastrukturprogramms akzeptiert und von dem Zuschuß an die Bundesbahn Kenntnis genommen. Kurz gesagt, wir haben uns wochenlang im Haushaltsausschuß aufgeschlossen, sachbezogen und kompromißbereit gezeigt. Wie ich meine, sind uns auch einige Verbesserungen gelungen. Aber wenn ich mir nun ansehe, was uns heute bzw. gestern im Deutschen Bundestag vorgelegt wurde, dann weiß ich nicht mehr, was ich empfinden soll. ({11}) - Entschuldigen Sie, meine Herren, ich meine diese Drucksache 8/615. Ich empfinde es als blanken Hohn, in welcher Weise dem Haushaltsausschuß die Hörner aufgesetzt werden. Da diskutieren wir monatelang, wochenlang, tagelang von morgens bis spätabends, und zu allerletzter Stunde wird uns hier eine Ausgabenflut auf den Tisch gelegt, die wir dann in Minutenschnelle akzeptieren sollen. Wir haben hier Mittel für die Kokskohle eingestellt: 230 Millionen DM, arbeitsmarktpolitisches Programm: 400 Millionen DM, Neubau von Handelsschiffen, Reederhilfe: 153 Millionen DM Verpflichtungsermächtigungen, zusätzliche Förderung von Wohnungen: 1,3 Milliarden DM Verpflichtungsermächtigungen. ({12}) Man kürzt kurzerhand einige Ansätze und erhöht flugs noch einmal die Nettokreditaufnahme um 300 Millionen DM. Was ist das eigentlich für eine Finanzpolitik? ({13}) Noch nach Abschluß der Haushaltsberatungen bringen Sie es fertig, trotz hoher Einsparungsmöglichkeiten, trotz Steuermehreinnahmen die Nettokreditaufnahme noch einmal um 300 Millionen DM zu erhöhen. Vor allen Dingen passiert hier folgendes - was doch an sich überhaupt nicht angehen kann -: Bei Etatansätzen, die wir zur Kürzung vorgeschlagen hatten, von Ihnen aber im Haushaltsausschuß abgelehnt wurden, bringen Sie hier die Deckungsvorschläge. Auf einmal ist Luft drin, zumindest in einem Etat; das kann ich Ihnen gerne nachweisen. An sich hat das nur deutlich gezeigt, wie wenig bei Ihnen mittelfristig vorbereitet wird und wie sehr Sie in Ihrer Finanzpolitik von der Hand in den Mund leben. Das möchte ich einmal deutlich zum Ausdruck gebracht haben, meine sehr verehrten Damen und Herren. Niemand wird behaupten können, ein absolut sicheres Rezept zur Überwindung der wirtschaftlichen Probleme zu besitzen; das ist völlig klar. Aber sicher ist, daß nur jene Therapie Erfolg versprechen kann, die bei einer Diagnose des beschäftigungspolitischen Dilemmas beginnt. Wer sich einmal die Mühe macht, jene Zusammenhänge zu analysieren, die eine neuerliche Revision der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung durch das Statistische Bundesamt aufzeigt, der wird sich bewußt, welche Fehlentwicklung unser Gemeinwesen unter der sozialliberalen Führungsverantwortung in den letzten Jahren genommen hat, und der wird erkennen, wie berechtigt unser Argwohn gegen den Marsch in den totalen Wohlfahrtsstaat ist. Diesen Punkt möchte ich näher erläutern. Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen gesagt, ich würde Ihnen nachweisen, daß es bis 1972/73 mit der wirtschaftlichen Entwicklung verhältnismäßig gut lief, daß sie dann aber zusammenbrach. Die Wohlstandsmehrung in den Jahren seit 1970 ist ausgesprochen bescheiden. Zwar stieg der Wohlstand, gemessen am Bruttosozialprodukt nominal um 65 %. Real waren es aber nur 16,3 %, da drei Viertel des Wachstums inflationär verpufften. Das ging aber noch an, das war noch etwas. Wenn man aber die Zeit von 1973 bis heute nimmt, so mag man es fast nicht glauben, aber es stimmt: Das reale Versorgungsniveau ist insgesamt nur um 3,5 % gestiegen. Hier wird deutlich: Die sozialliberalen Regierungen konnten den Wohlstand des Volkes nur mehren, solange sie aus der Substanz des Erbes der CDU/CSU nehmen und verteilen konnten. ({14}) Die ultima causa dieser Fehlentwicklung war der unbändige Ausgabendrang der sogenannten Reformpolitik. ({15}) Mit dem politischen Vorrang der Ausgaben - Herr Kollege Löffler, hören Sie gut zu, das ist gerade für Sie als Obmann der SPD wichtig - wurden die Einnahmen zu einer abhängigen, beliebig manipulierbaren Variablen der Finanzpolitik. Steigende Steuer- und Ausgabenbelastungen, Staatsverschuldung und Inflation wurden als politisch unvermeidlich legitimiert, anstatt daß man an die Ursachen für die Ausgabenexplosion heranging. Das kommt mir so vor, wie wenn im Kellerraum Wasser steht und Carstens ({16}) man nicht zunächst den laufenden Wasserkran abstellt, bevor man zu pumpen anfängt. ({17}) Am wenigsten ist diese Politik den 21 Millionen Arbeitnehmern bekommen; das möchte ich unter Beweis stellen. Effektiv ist für die Arbeitnehmer in diesem Zeitraum, in dem Sie die Regierungsverantwortung tragen, in sechs Jahren nur 11,2 % real zugewachsen, weil durch Inflation und vermehrte Sozialabgaben das meiste wieder aufgefressen wurde. Das Geld der Bürger - das muß man wohl als Abschluß zu diesem Bereich sagen - hat sozialliberalen Regierungen nie gelangt. Trotz Steuerreform und trotz einer Million Arbeitslosen stiegen die laufenden Einnahmen mit fast 89 % überdurchschnittlich. Und nun weist die jüngste Steuerschätzung darauf hin, daß die Steuerquote die höchste sein wird, die wir seit 1960 gehabt haben, nämlich in diesem Jahr 24,48 %, und sie wird bald auf 25 % steigen. Dem einzelnen Bürger verbleibt von seinem Lohn immer weniger. Von dem, was er neu hinzuverdient, verbleibt ihm oftmals nicht einmal mehr 50 %. Das kann doch nicht eine Politik für Arbeitnehmer sein! Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang ein offenes Wort an die deutschen Gewerkschaften, deren oberste Aufgabe es sein muß, die Interessen der Arbeitnehmerschaft zu vertreten. ({18}) Nachdem die Regierung mit der Arbeitslosigkeit nicht fertig wird, die Belastungen der Arbeitnehmer immer weiter ansteigen, sie real immer weniger in der Lohntüte haben, eine riesige Staatsverschuldung einsetzt und ein gutes Ende gar nicht abzusehen ist, die Regierung praktisch am Ende ist, wäre es nun nicht an der Zeit, daß die Gewerkschaften mit Blick auf die Interessen der Arbeitnehmer mit Nachdruck auf einen Regierungswechsel hinarbeiten? ({19}) Das muß die logische Konsequenz sein, damit es in unserem Land endlich mal wieder bergauf geht, wie es 20 Jahre vorher der Fall gewesen ist, ({20}) damit wieder Arbeitsplätze geschaffen werden, damit die Arbeitslosigkeit aufhört, damit die Reallöhne steigen und die großen Aufgaben unserer Zeit endlich wieder gemeistert werden können. Das zu diesem Punkt. Ich habe noch ein paar Anmerkungen zur Investitionsquote zu machen. ({21}) Wir haben im Etat des Bundes insgesamt Schwierigkeiten bei den Schulden, und vor allem beim Anteil der Investitionsquote an diesem Haushalt. Dieser geht in einem erschreckenden Maß zurück. Sie fordern von der Wirtschaft Investitionen, aber im Haushalt bringen Sie selber keine zustande. Noch 1973 betrug der Anteil der Investitionen 18 %. Nach der mittelfristigen Finanzplanung sackt diese Investitionsquote bis 1980 auf 12,1 % ab; dann ist nicht mal mehr ein Achtel des Haushalts für Investitionen angesetzt - und das bei einem Gesamtfinanzierungsdefizit von über 106 Milliarden DM. An diesem Punkt wird deutlich, wie verantwortungslos in all den Jahren nur dem Augenblick gelebt worden ist und welchen miserablen Stellenwert sozialliberale Regierungen der Zukunftsvorsorge eingeräumt haben. ({22}) Die Staatsbürger können überhaupt nicht mehr übersehen, in welcher Weise sie durch Steuern und Abgaben begünstigt oder belastet werden. Es muß bedenklich stimmen, wenn Steuerbelastungen mit gleichzeitigen Steuerentlastungen angeboten werden. ({23}) Der Bürger durchschaut die Gesamttendenz der Belastung überhaupt nicht mehr. Aber ein Großteil der Bürger spürt, daß ihnen das in die Tasche gesteckt wird, was ihnen zuvor aus der anderen Tasche genommen wurde. ({24}) Unbestritten, wenn auch nicht in aller Bewußtsein, sind die erheblichen Verwaltungs- und Personalkosten der staatlichen Umverteilung. Von 1 DM, die der Bürger zahlt, bleiben am Schluß nur 70 oder 80 Pfennige übrig, weil das Eintreiben 10 bis 15 Pfennige und das Verwalten und Wiederausgeben dieselbe Summe kostet. ({25}) Es wird höchste Zeit, im Bundestag nicht etwa zu überlegen, welche neuen Gesetze wir beschließen müssen und was in den nächsten Tagen noch alles wichtig ist. Vielmehr sollten wir daran denken, eine Kommission einzusetzen, die überprüft, welche unsinnigen und unnötigen Vorschriften abgebaut werden können. ({26}) Ich möchte dem Bundestagspräsidenten vorschlagen, zu erwägen, ob es nicht möglich ist, einen Preis des Deutschen Bundestages für jenen Abgeordneten auszusetzen, der sich auf diesem Gebiet die meisten Verdienste erwirbt. ({27}) Ich komme zum Schluß. Durch die staatliche Umverteilung wird weiterhin erreicht, daß es in vielen Fällen wie z. B. für einen Familienvater, der vier Kinder - davon zwei Studenten - hat, völlig gleichgültig ist, ob er brutto 18 000 oder 30 000 DM verdient. Durch die nivellierende Gesetzgebung bleibt für den einzelnen fast dasselbe. ({28}) Man braucht sich nicht zu wundern, wenn sich hieraus eine gewisse Mentalität entwickelt. Im Moment ist das noch nicht so sehr der Fall.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Herr Abgeordneter, darf ich Sie bitten, zum Ende zu kommen.

Manfred Carstens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000322, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Es muß erreicht werden, daß leistungshemmende Vorschriften möglichst schnell abgebaut werden. Es muß darüber hinaus endlich Schluß sein mit Vorschriften, die mehr Belastung und mehr Einengung der Entscheidungsfreiheit des einzelnen Bürgers bedeuten. ({0}) Wenn es uns nicht gelingt, den Bürger, sein Wollen und Streben in den Mittelpunkt unseres wirtschaftlichen Handelns zu stellen, dann werden wir niemals wieder zu einer blühenden Wirtschaft kommen. Diese Grundsätze sind im Gesamtetat nicht gewahrt. Deswegen lehnen wir ihn ab. ({1})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Das Wort hat der Abgeordnete Grobecker.

Claus Grobecker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000730, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Carstens, das ist so eine Sache, wenn man seine große Stunde morgens um 9 Uhr hat. Die Geschäftsführer haben große Schwierigkeiten gehabt, die Redezeiten einzuteilen. Ich muß sagen, daß Sie nun noch durch das Ende Ihrer Redezeit beschnitten worden sind, ist bedauerlich. Wir hätten das gern noch ein paar Minuten länger gehört. ({0}) Wie ich gerade mitgekriegt habe, haben Sie inzwischen weltweite Reaktionen ausgelöst. Mir wurde gerade ein Zettel hereingereicht. Da ist von einer 86jährigen Dame aus München die Rede, die anfragt - sie hört uns mit Sicherheit jetzt auch noch -, ob Sie das alles, was Sie gesagt haben, selber glauben. ({1}) - Herr Riedl, vielleicht können wir Ihnen die Adresse geben. Dann könnten Sie in München bei der Dame einmal einen Hausbesuch machen. ({2}) Ich wollte auch noch sagen, daß die Dame sich etwas drastischer ausgedrückt hat, als ich es Ihnen als vornehmer Hanseat hier wiedergeben kann. ({3}) Jetzt einmal ohne Flachs: Nach dem, was Sie hier aufgemalt haben, muß das, worin wir leben, ein Trümmerfeld sein. ({4}) Ich nehme Sie gern einmal mit in den Hafen, auf die Werft, zu den Arbeitnehmern. Dann erzählen Sie das alles noch einmal! Wenn Sie dort so reden, wie Sie hier geredet haben, werden Sie die Betriebsversammlung nicht überstehen. ({5}) Es ist inzwischen eine alte Sache - wenn es nicht so schlimm wäre, könnte man sich daran gewöhnen -, daß je ein Sprecher von der Opposition zu jedem Beratungsgegenstand genau das Gegenteil von dem sagt, was der vorhergehende Sprecher gesagt hat. Was wir in den Fachdebatten gestern erlebt haben, hörte sich genau anders an. Der Einzelplan 08 ist ein Einzelplan, bei dem sozusagen die „große Finanzpolitik" gemacht wird. Sie hatten nun die Chance, die „große Finanzpolitik" zu machen. Bei den Fachdebatten sieht das genau anders aus. ({6}) Da wird hieran herumgemacht und daran herumgemacht. Wenn man das Revue passieren läßt, wenn man einen Strich unter dem zieht, was Sie in der letzten Woche bei der Beratung des Steuerpaketes und hier bis zu dieser Stunde zum Einzelplan 08 gesagt haben, gefordert und nicht gefordert haben, dann kommt man zu drei Punkten. Erstens. Die Opposition verzichtet auf Steuereinnahmen. Das war das Resultat ihrer Ausführungen in der letzten Woche. Zweitens. Die Opposition will mehr Ausgaben. Das ist im Haushaltsausschuß deutlich geworden. ({7}) Drittens. Die Opposition will die Schulden senken. ({8}) Meine Damen und Herren, das ist die Quadratur des Kreises. Das geht nicht, was Sie hier machen. ({9}) Solange Sie so bleiben, wie Sie sind, haben wir überhaupt nichts zu befürchten. Das steht nun mal fest. ({10}) Herr Carstens, das hier wäre die Stunde für Sie gewesen, einmal zu versuchen, eine halbwegs objektive Beurteilung dessen vorzulegen, was in der Haushaltspolitik in diesem und im letzten Jahr gelaufen ist. Das wäre Ihre Chance gewesen. Ich habe gestern schon einmal versucht, klarzumachen, daß immer ein Unterschied zwischen den Beratungen im Plenum und im Haushaltsausschuß besteht. Der Haushalt 1977 hat eine doppelte Aufgabe. Das können Sie nicht bestreiten. Einerseits müssen wir die Konsolidierung der öffentlichen Finanzen weiter vorantreiben, und andererseits muß der Haushalt in die konjunkturelle Landschaft eingepaßt werden. Daß da nicht alles nur so blüht, will ich Ihnen gern zugeben. Wir können den Haushalt also nicht nur restriktiv fahren, sondern wir müssen ihn auch offensiv fahren, damit er als Instrument der Konjunkturpolitik nicht völlig ausfällt. Dazu hätte ich gern ein paar Takte von Ihnen gehört, wie Sie sich das denn nun vorstellen. Ich finde, wir haben mit unserer Art, die Haushalte 1976 und 1977 zu fahren, den Versuch gemacht, genau dazwischen durchzukommen. Wir haben die Konsolidierung schon mit dem Haushaltsstrukturgesetz 1975 begonnen. Wir haben die Ausgaben eingeschränkt, insbesondere die konsumtiven Ausgaben - das können Sie nicht bestreiten -, um mehr Raum für investive Ausgaben zu haben, mit denen wir die Konjunktur stützen können. Dazu hätte ich gern Kritik von Ihnen gehört, wie Sie sich vorstellen, wie das anders gehen kann. Ich finde, es ist schlimm, wozu Sie Ihre kostbare Redezeit hier benutzt haben. ({11}) Ich finde, wir hätten offen darüber debattieren können, wo Sie Umverlagerungen für notwendig halten, damit der Haushalt das, was er nach Ihrer Meinung leisten soll, auch wirklich leisten kann. ({12}) Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen haben mit dem Haushaltsstrukturgesetz die Konsequenz aus dem gezogen, was wir -1973 alle gemeinsam erlebt haben. ({13}) Wir stellen fest, daß der Haushalt 1976 mit einem Zuwachs von nur 3,5 % in seinen Gesamtausgaben erheblich abgesenkt worden ist und daß das Finanzierungsdefizit im letzten Jahr durch die Maßnahmen, die wir gemeinsam im Haushaltsausschuß beschlossen haben, ebenfalls um 7 Milliarden DM abgesenkt werden konnte. Statt 33 Milliarden DM sind es jetzt nur noch 26 Milliarden DM. Dennoch ist in diesem Jahr zusätzlich - einmal abgesehen von dem Arbeitsmarktprogramm im letzten Herbst - das große 16-Milliarden-DM-Programm für die Zukunftsinvestitionen aufgelegt worden. Dabei haben Sie nicht gesagt ich habe jedenfalls nichts davon gehört -, was daran falsch sei und ob man das anders machen könnte. ({14}) Auch haben Sie überhaupt nicht erwähnt, daß wir einerseits im Haushalt Einschränkungen vorgenommen haben und andererseits mit solch einem Programm versuchen, nicht nur die Investitionstätigkeit der öffentlichen, sondern auch der privaten Hand anzureizen, um damit multiplikatorische Effekte zu erzielen. Davon haben Sie mit keinem Wort geredet. ({15}) Gerade weil Sie, Herr Carstens ({16}), als Berichterstatter zum Einzelplan 08 heute morgen um 9 Uhr die Chance hatten, eine halbe Stunde lang eine große Rede zu halten, hätte man erwarten können, daß Sie dazu etwas sagen. ({17}) Sie machen es genau umgekehrt: Sie bemäkeln, daß wir in der zweiten Lesung ganz gezielt Anträge stellen, die sich aus dem Verlauf der Haushaltsberatungen und dem, was zwischen der Bereinigungssitzung, der Schlußsitzung und jetzt geschehen ist, ergeben haben. In der Tat haben wir ausgabewirksame Anträge gestellt. Sie sagen: Das können wir nicht machen. Ich will das nicht polemisch ausbaldowern. Sie kommen ja nicht ganz von der Küste; denn Süd-Oldenburg hat mit der Marine nichts mehr zu tun. Ich möchte aber einmal sagen, was das bedeutet, was Sie schlicht als Reederhilfe bezeichnen. Wir wollen nicht den Reedern den Hintern vergolden, sondern wir haben eine Werfthilfe geschaffen. Sie wissen genau, was auf den Werften an der Küste los ist; das ist die Ruhrkohle der Küste. ({18}) Wenn Sie sagen, wir sollten diese Ausgaben nicht vornehmen, so müssen Sie berücksichtigen, daß wir damit gezielt Arbeitsmarktpolitik betrieben haben. Das wird beim Einzelplan 12 nachher auch noch beraten. ({19}) Es gibt überhaupt kein Programm, das so wirksam ist. Sie haben es doch mitbekommen: Wir haben mit einem kleinen Betrag angefangen, dann haben wir abgewartet, wie das Programm laufen würde, und als wir nach dem Abgabeschluß am 31. Mai wußten, daß die Mittel nicht ausgeschöpft waren, haben wir das Geld gezielt hier eingeplant. Wir verplempern das Geld nicht, sondern wir legen es gezielt an, und wir denken, daß wir damit vernünftige Arbeitsmarktpolitik betreiben. ({20}) Sie haben z. B. beim Steuergesetz in der letzten Woche ebenfalls verhindert, daß wir Mehreinnahmen haben, um den Haushalt zu konsolidieren. Sie haben gleichzeitig Ausgaben abgelehnt, die ganz besonders dann eingerechnet werden müssen, wenn Sie von der Steuerquote reden. In dem Augenblick, in dem das Kindergeld erhöht wird - Sie können schlechterdings nicht sagen: Die Steuerquote ist stark angestiegen -, muß das eingerechnet werden. Ich will Ihnen sagen, was das ausmacht. Die zusätzliche Auszahlung des Kindergeldes verringert die allgemeine Steuerquote fast um 1 %. Daran gibt es gar keinen Zweifel, aber das können Sie nicht wissen, weil Sie sich drei Tage lang auf eine andere Rede vorbereitet haben, von der Sie glaubten, daß Sie sie hier halten müssen. ({21}) Das finde ich nicht in Ordnung. Trotz allem, was Sie uns sonst vorwerfen könnten, haben wir es nicht verdient, daß diese gute Zeit um 9 Uhr so vergeben wird. ({22}) Ich bleibe dabei: Die Alternativen der Opposition zu der Finanz- und Haushaltspolitik der sozialliberalen Koalition sind bisher nicht überzeugend dargelegt worden. Ihre Kürzungsvorschläge im Haushaltsausschuß sind nicht substantiiert und beziehen sich im wesentlichen auf Schätzungsansätze der großen Etatposten. Das muß insbesondere für die Kollegen noch einmal klargestellt werden, die da nicht so genau durchschauen. Damit gehen Sie hausieren und sagen, Sie hätten Kürzungsanträge gestellt. Bei den großen Schätzposten, wo es um Milliardenbeträge geht, beispielsweise Rentenversicherung, Wohngeld, Kindergeld und ähnliches, und wo natürlich keine Administration, kein Beamter, auch wenn er noch so genau rechnet, exakt feststellen kann, was er am 31. Dezember des Jahres ausgegeben haben wird, ziehen Sie ein paar Millionen ab und sagen, Sie hätten Kürzungsanträge gestellt. Das geht so natürlich nicht. Wir werden auch in diesem Haushalt immer etwas Luft haben, weil diese Schätzposten nicht so berechnet werden können, daß man exakt sagen kann, das und das Geld wird bis zum 31. Dezember ausgegeben. Ihr Antrag auf Erhöhung der globalen Minderausgabe um eine halbe Milliarde DM auf 3 Milliarden DM kann sicherlich auch nicht als Argument herangezogen werden. Ich bestreite nicht, daß globale Minderausgaben - und da gibt es häufig einen Clinch zwischen uns Haushältern und dem Finanzminister - ein Mittel der Haushaltspolitik sind. Sie können aber kein Mittel sein, um Ihrer Kritik am Haushalt Genüge zu tun. Sie können nicht einfach sagen: Wir erhöhen die globale Minderausgabe, und dann ist das alles geglättet, und wir können sozusagen mit der globalen Minderausgabe im Rücken über alles Mögliche polemisieren und alles Mögliche erzählen, wie sparsam man ist. Das geht nicht. Dafür ist dieses Instrument der globalen Minderausgabe nicht da. ({23}) Ich finde, Sie überschreiten den Rahmen, wenn Sie sagen, diese Minderausgabe solle auf 3 Milliarden DM erhöht werden. Dabei muß zusätzlich gesehen werden, daß zahlreiche Schätzansätze, die wir gemeinschaftlich behandelt haben, sorgfältig auf ihre genaue Bemessung geprüft und, wo vertretbar, auch gekürzt worden sind. Herr Wittgenstein ist ja Berichterstatter zum Einzelplan 11. Das ist so ein Einzelplan, wo wir viele Schätzansätze haben, und dort haben wir gemeinsam in den Berichterstatterbesprechungen gekürzt. Ihr arbeitsmarktpolitisches Programm liegt immer noch nicht vor. Hier wäre eine Gelegenheit gewesen, einmal darüber zu reden, soweit es das Geld angeht. In der Sache überlassen wir das den Fachleuten. Wir möchten aber wissen, was das kostet. Darüber wird geredet und gerätselt. Vielleicht sagen Sie gleich ein paar Takte dazu, Herr Wohlrabe, Sie sind ja der nächste Redner. Wenn es so ist, daß das 15 Milliarden DM kostet, können Sie nicht heute morgen sagen, dieser Haushalt sei nicht in Ordnung; denn diese 15 Milliarden DM, die Ihr vermeintliches Programm kostet, müssen ja auch finanziert werden. Ich finde, so geht es nicht; Sie müssen hier schon klipp und klar sagen, was Sie meinen, was denn los ist. Das geht nicht so nach dem Motto: eine Hand wäscht die andere, und wir machen ein Programm, veröffentlichen es aber nicht, damit man in der Debatte nicht darauf eingehen kann. Das funktioniert nicht, das ist nach meiner Auffassung nicht solide. ({24}) Meine Damen und Herren, die konjunkturpolitische Lage in der Bundesrepublik und die Wirkungen, die der Haushalt auf die Entwicklung der Konjunktur hat, lassen es nicht zu - das ist unsere Auffassung -, willkürlich Kürzungen vorzunehmen. Die Möglichkeiten, Kürzungen vorzunehmen, haben irgendwo ihre Grenze. Die öffentlichen Aufgaben können in dieser Lage nicht übermäßig eingegrenzt werden. An diese Linie halten wir uns. Ich glaube, die Ausgabenstruktur ist zugunsten der Investitionen so verbessert worden, daß die Nettokreditaufnahme entsprechend zurückgeführt werden kann. An dieser gesamtwirtschaftlichen Linie gehen wir entlang. Nun ist es richtig, daß die Verschuldung des Bundes insgesamt natürlich an die Grenzen des Art. 115 GG stoßen könnte. Sie stößt nicht daran, könnte es aber. Jeder weiß - das ist richtig -, daß wir inzwischen eine Kreditaufnahme in Höhe von 125 Milliarden DM haben. Die Höhe der Gesamtverschuldung und ihr schnelles Anwachsen in den letzten Jahren sind durch die Weltrezession bedingt. ({25}) Hätten wir uns nicht verschuldet, hätten wir natürlich alle die Programme zur Arbeitsplatzbeschaffung und Ankurbelung der Wirtschaft nicht finanzieren können. Das muß klar sein. - Sie bestreiten das. Es tut mir leid, daß Sie das nicht einsehen. Vielleicht müssen wir das im Haushaltsausschuß noch einmal ausfechten. Ich wollte aber darauf hinweisen, daß die Grenzen, die uns das Grundgesetz setzt, nach meiner Einschätzung der Lage deutlich signalisieren, daß auch die antizyklische Haushalts- und Finanzpolitik ihre Grenzen hat, daß man also nicht nur mit dem Haushalt antizyklisch fahren kann, daß wir, indem wir diese hohe Verschuldung haben und möglicherweise weiter ankurbeln müssen, auf Grenzen der antizyklischen Haushaltspolitik, d. h. der Haushaltspolitik für die Konjunktur, stoßen. Das ist ein Signal, das nicht nur die Regierung und die Koalitionsfraktionen angeht, sondern auch die Opposition zur Kenntnis nehmen muß. Ich bin sicher, Sie werden es zur Kenntnis nehmen, so daß man z. B. darüber reden muß, ob der Begriff der Investitionen und das, was man dafür ausgeben muß und kann, verändert werden muß. Ich weiß, daß der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Herr Leicht, eine sehr positive Einstellung dazu hat. Ich denke, daß wir darüber noch reden müssen. Diese verhältnismäßig hohe Gesamtverschuldung steht dennoch, was die Bundesrepublik angeht, im Vergleich zu den Ländern der OECD nicht an vorderster Stelle, sondern eher hinten. Mir liegt daran, das noch einmal klarzumachen. Selbst wenn ein solcher Vergleich problematisch ist, steht fest, daß die Gesamtverschuldung der Bundesrepublik, also aller öffentlichen Haushalte, im Augenblick 24 % des Bruttosozialprodukts ausmacht, in Belgien 50 %, in Frankreich nur 12 %, in Großbritannien 69 %. Die Niederlande sind mit 40 % verschuldet und die USA mit 53 %. Niemand wird bezweifeln, daß die USA für uns, was die Wirtschaftspolitik und die Haushaltspolitik angeht, eine besondere Leitfunktion haben. Sie sind mit 53 % des Bruttosozialprodukts verschuldet, während wir mit 24 % verschuldet sind.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Haase?

Claus Grobecker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000730, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Es tut mir leid. Das ist der letzte Satz. Außerdem ist die Zeit abgelaufen. Herr Haase, wir können ja nachher darüber klönen; das ist ja nicht so schlimm, das sind wir ja gewöhnt. Mit finanzpolitischem Augenmaß ist es nach unserer Einschätzung der gegenwärtigen Lage der Bundesregierung gelungen, ein Ergebnis zu erzielen, das sowohl den haushaltspolitischen als auch den wirtschaftspolitischen Erfordernissen gerecht wird und gleichzeitig die richtigen Weichen für zukünftige Haushalte, für das stellt, was nach 1977 kommt. Meine Damen und Herren, der Bundesfinanzminister Hans Apel hat es bei dieser Lage nicht verdient, daß er in kleinkarierter Weise bekrittelt wird, wie das heute morgen hier passiert ist. Im Gegenteil, er braucht eine breite Unterstützung. Die hat er verdient, damit er seinen soliden Kurs fortsetzen kann. Was die sozialdemokratische Bundestagsfraktion angeht, so wird sie das, was sie leisten kann, auch leisten, um diesen Kurs durchhalten zu können. ({0})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Das Wort hat der Abgeordnete Gärtner.

Klaus Gärtner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000627, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Carstens ist leider nicht mehr im Raum. Ich wollte ihm eine persönliche Vorbemerkung widmen. Als Neuling im Haushaltsausschuß darf man das ja wohl. Ich habe mich ein bißchen gewundert, wie sich viele meiner Kollegen aus dem Haushaltsausschuß, die dort sehr nett, sehr kooperativ, sehr freundlich mit uns in der Sache verhandeln, hier an diesem Pult zu uns verhalten. Ich finde diesen Unterschied - auch bei Ihnen, Herr Kollege Schröder, so leid es mir tut - bemerkenswert. In der Rede des Kollegen Carstens war ein Satz, den ich unterschreiben möchte, nämlich der Satz, daß sich seit 1973 die Indikatoren verändert haben. Der Satz, den Herr Carstens ausgesprochen hat, hat allerdings bei ihm nicht die notwendigen und richtigen Konsequenzen. Sie müssen nämlich hinzufügen, was 1973 passiert ist. Da ist etwas passiert, wofür diese Bundesrepublik Deutschland nun wahrlich nicht die Verantwortung tragen kann. Ich weiß nicht, ob Ihnen das entgangen ist. Die Preisexplosionen von damals sind nicht von uns ausgegangen. Den Haushalt, der hier heute und morgen zur Beratung und Abstimmung vorliegt, kann man mit Recht als einen Haushalt der abgestimmten Konsolidierung bezeichnen. Er ist ein Haushalt, der auf der einen Seite den konjunkturpolitischen Erfordernissen entspricht und auf der anderen Seite dem Rechnung trägt, was die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien schon im Jahre 1975 erklärt haben. Damals ging es darum, die Haushaltsstruktur zu verbessern und die Defizite der öffentlichen Hand behutsam abzubauen. Heute morgen hat der Kollege Carstens dann wieder darauf hingewiesen, daß die Defizite der öffentlichen Hand stärker und schneller abgebaut werden sollten. Wenn man sich allerdings einmal ansieht, was Sie in Form von Anträgen sowohl im Plenum als auch im Haushaltsausschuß vorgelegt haben bzw. vorlegen, muß man feststellen, daß das alles wenig geeignet ist, die Defizite der öffentlichen Hand abzubauen. Sie haben im übrigen eine Vorliebe dafür, dauernd ungedeckte Verbesserungsvorschläge auf der Ausgabenseite vorzulegen. ({0}) Ich verstehe das ja auch. Es ist natürlich besser, allen Leuten alles zu versprechen, ihnen aber nicht zu sagen, wie das bezahlt werden soll. Sie erklären hier dauernd, die Ausgabenstruktur müsse durchforstet werden, sagen aber nicht, wo das genau passieren soll. Sie wollen offensichtlich niemandem auf die Füße treten. Das ist ein verständliches Verfahren, aber es ist meines Erachtens nicht ehrlich. ({1}) Wir haben im Haushaltsausschuß vieles gemeinsam getan, wir haben in vielen Bereichen auch gemeinsam gespart. Mit wenigen Ausnahmen: Beispielsweise haben die Koalitionsfraktionen dem Antrag der Opposition nicht zugestimmt, weitere 1 000 Stellen im öffentlichen Bereich einzusparen bzw. wegzurationalisieren. Ich finde, man kann nicht guten Gewissens auf der einen Seite beklagen, daß überall Arbeitsplätze wegrationalisiert werden, um dann in seinem eigenen Bereich daranzugehen, ebenfalls Arbeitsplätze einzusparen. Das kann man nicht machen. Die Einsparungs- und Einnahmeverbesserungsvorschläge des Bundesrates haben wir alle sehr kritisch, sachlich und nüchtern diskutiert. Gelegentlich sind wir uns auch in dem einen oder anderen Punkt nähergekommen. Herr Carstens, insofern bestehen ja gar nicht so große Meinungsunterschiede zwischen uns. Deshalb haben wir nach den gesamten Beratungen im Haushaltsausschuß wenig Verständnis dafür, daß der Haushalt von Ihnen immer noch abgelehnt wird. Wir haben uns im Haushaltsausschuß auf vieles gemeinsam verständigt. Wir haben uns z. B. darauf verständigt - obwohl Sie in der ersten Lesung noch davon gesprochen haben, daß Milliardenbeträge eingespart werden müßten; das ist mittlerweile auch weniger geworden -, auf die Abführung der Deutschen Bundespost in Höhe von 1 Milliarde DM an den Bund zu verzichten. Das haben wir gemeinsam beschlossen. In der Sache haben wir uns keinen wesentlichen Änderungsanträgen der Opposition widersetzen müssen; es gab ja auch nicht sehr viele. ({2}) - Herr Schröder, Sie haben nachher ja noch einmal die Gelegenheit, all das zu begründen, was Sie schon in der Zeitung verkauft haben. Das, was der Kollege Carstens im Zusammenhang mit den Werfthilfen kritisiert hat, haben Sie in der Zeitung als Ihre Erfindung verkauft. Das finde ich bemerkenswert. Sie sind fix, das gebe ich zu. Bei den Beratungen des Ausschusses haben wir die Nettokreditaufnahme um 2 Milliarden DM verringert, und wir haben, ohne Zustimmung der Opposition, rund 1 Milliarde DM als Investitionszuschuß an die Deutsche Bundesbahn freigegeben. Von einem politischen Alternativprogramm, einem - wenn man so will - Oppositionshaushalt, war währen der gesamten Beratungen im Ausschuß kaum die Rede. Vieles ist bei Ihnen natürlich auch sehr spät zu Papier gekommen. So sind die Arbeitsmarktbeschaffungsmaßnahmen Ihres Generalsekretärs nicht synchron mit den Haushaltsberatungen gelaufen, aber offenkundig auch nicht synchron mit den Überlegungen des Vorsitzenden der Bayerischen Schwesterpartei. Und da machen Sie uns noch Vorwürfe, daß wir das, was wir relativ früh beschlossen haben, in den Haushalt mit einbringen! Das paßt auch nicht ganz zusammen. Herr Kollege Carstens, Sie haben auch jetzt wieder - allerdings nicht so gut wie der Kollege Waigel in der ersten Lesung - das mehrjährige öffentliche Investitionsprogramm der Bundesregierung kritisiert. Ich darf daran erinnern - ohne jetzt noch einmal im einzelnen auf das Programm einzugehen -, daß Sie dieses Programm, wie Sie in der ersten Lesung und auch jetzt wieder angekündigt haben, ablehnen werden, daß aber natürlich, nachdem das Programm verabschiedet sein wird - ebenfalls schon in der ersten Lesung und auch im Haushaltsausschuß angekündigt -, die Projektlisten aus den CDU/CSU-geführten Ländern eingereicht werden. Wir haben ja im Ausschuß eine ganz nette Diskussion über ein Autobahnanschlußstück in Baden-Württemberg gehabt, die deutlich machte, daß Sie ein Programm, das Sie im Grunde genommen ablehnen, nachträglich doch noch gutheißen. Wenn ich z. B. an Hessen denke, wo der dortige Fraktionsvorsitzende der CDU im Landtag bei den Beratungen des Nachtragshaushaltes erklärt hat, die CDU lehne zwar das gesamte Programm ab, sie stimme dem Nachtragshaushalt jedoch zu, damit die Mittel des Bundes nicht verfielen, so frage ich mich, ob das ein überzeugender Beitrag zu einer politischen Gesamtleistung ist. Dies ist meines Erachtens nicht völlig miteinander in Einklang zu bringen und erinnert manchmal ein bißchen an politische Wegelagerei. ({3}) - Ich bin gern bereit, Herr Schröder, auf Ihre Zwischenfragen und Bemerkungen zu reagieren. Das wissen Sie. Das macht mir immer besonderen Spaß. ({4}) - Das ist doch eben der Punkt. Man kann doch nicht unehrlich sein. Sie stimmen in diesem Plenum gegen das mehrjährige Investitionsprogramm. In Hessen stimmen Sie zu. Das finde ich prima. Warum bringen Sie es denn hier nicht fertig und sagen einfach zu guten Sachen einmal ja? Hier sind Ihnen doch eine Menge guter Sachen vorgelegt worden. ({5}) Es gibt noch eine Menge anderer Koordinationsschwierigkeiten, die man hier aufführen kann. Lassen Sie mich nur noch ein Beispiel nennen. Wir saßen im Haushaltsausschuß und haben uns über die Vorlage zur Erhöhung der BAföG-Sätze unterhalten. Dieser Vorlage haben Sie im Haushaltsausschuß nicht zugestimmt. Am selben Tage wurde hier im Plenum ein Antrag, unterschrieben von Kohl, Zimmermann und Genossen, verteilt, der darauf hinauslief, die BAföG-Sätze zu erhöhen. Das alles halten Sie für glaubwürdig? Ich muß sagen: das ist unehrlich. ({6}) Sie haben, Herr Kollege Carstens, auch heute wieder die Konkurse angesprochen. Das hat Herr Kollege Schröder in der ersten Lesung auch schon getan. Lassen Sie sich doch einmal von dem Kollegen Schröder die wissenschaftliche Untersuchung geben. Da können Sie nachlesen, woran das liegt, daß beispielsweise gerade im mittelständischen Bereich die Konkurszahlen sehr hoch sind. Lassen Sie es doch bitte sein, alles, was in diesem Lande schlecht läuft, dieser Regierung in die Schuhe zu schieben. ({7}) Ich bin sicher, bei den Beratungen des nächsten Haushaltes geben Sie uns auch noch die Schuld, wenn wir bei der Fußballweltmeisterschaft 1978 nicht gewinnen. ({8}) Sie reden hier immer von Anspruchsinflation und allem, was dazu gehört. Sie haben aber bisher noch nicht den Beweis dafür geliefert, daß Sie zu begreifen versuchen, daß beispielsweise die Leute, die das „Risiko" des Gewinnes auf sich nehmen, die Unternehmer, natürlich auch das Risiko der Pleite haben können. Dies dürfen Sie bitte nicht übersehen. Man kann Marktwirtschaft nicht als jene berühmte Schönwetter-Veranstaltung begreifen, wie Sie das gelegentlich und hier meistens tun. ({9})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Meine Damen und Herren, ich bitte um etwas mehr Ruhe.

Klaus Gärtner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000627, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Lassen Sie mich noch auf einen Punkt hinweisen, damit der Kollege Waigel noch darauf eingehen kann, wenn er nachher über die regionale Wirtschaftsförderung spricht. In dem Arbeitsbeschaffungsprogramm der CDU gibt es auch Vorschläge zur Regionalpolitik. Herr Waigel, lesen Sie einmal durch, was dort steht. Sie werden sich wundern, das kommt Ihnen unheimlich bekannt vor. Es ist eine Kurzfassung des Rahmenplanes zur Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur. Mehr ist das nicht. Gerade die Freien Demokraten sind natürlich gerne bereit, sich über einige Mißgeburten der Großen Koalition zu unterhalten. Dieses war mit Sicherheit eine. Darüber kann man aber auch noch vernünftig reden. Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, zum Abschluß sagen: Der Bundeshaushalt 1977 wird in diesem Hause morgen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen verabschiedet werden. Ich gehe davon aus, daß Sie bis zur Einbringung des nächsten Haushaltes eine gute Sommerpause hinter sich bringen, damit die Beratungen im Haushaltsausschuß im nächsten Jahr vernünftig anfangen und - das hoffe ich - im Plenum dann vernünftig enden werden. ({0})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Das Wort hat der Herr Abgeordneter Wohlrabe.

Jürgen Wohlrabe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002550, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Wert einer finanzpolitischen Debatte steht und fällt ja auch ein bißchen damit, wie wir miteinander umgehen, Herr Kollege Grobecker. Ich glaube, es wäre für uns alle heute morgen recht hilfreich gewesen, wenn Sie sich nicht nur mit einem großen Wortschwall auf den Kollegen Carstens gestürzt hätten. ({0}) Worte allein machen es doch nicht; sie müssen auch ein bißchen Inhalt haben, Herr Kollege Löffler. ({1}) Die Worte vom Kollegen Grobecker waren inhaltslos. Wir hätten uns ja gern mit ihm auseinandergesetzt. Aber das, was herauskam, war unheimlich dünn. ({2}) Ich habe hier nicht die Zeit, ihn ganz auseinanderzunehmen, aber drei Punkte möchte ich ansprechen. Ich glaube, daß wir darüber miteinander ohne persönliche Gegnerschaft und an der Sache orientiert sprechen sollten. Herr Kollege Grobecker hat eine interessante Einsicht mitgebracht. Ich fand sie sehr bemerkenswert, weil es sich gestern und vorgestern noch ganz anders anhörte. Er sagte nämlich, wenn ich es richtig verstanden habe: Die Konjunktur blüht nicht. Vom Bundeskanzler und vom Bundesfinanzminister hören wir das landauf, landab ganz anders. Daß das der Kollege Grobecker für die Fraktion der SPD einmal deutlich sagt, verrät immerhin eine Einsicht, von der ich meine, daß wir sie uns merken sollten. Sie ist auch der Beginn zum Weg der Besserung für eine solide Finanzpolitik. ({3}) Dafür sind wir also dankbar. Der zweite Punkt. Sie trugen vor, Herr Kollege Grobecker, daß wir mit dem Haushalt auch Konjunkturpolitik machen und daß dies in den letzten Jahren so gewesen sei. Sie begründen die Verschuldung der öffentlichen Haushalte, insbesondere des Bundeshaushalts, ja auch damit, sie sei notwendig, um die Konjunktur anzukurbeln. Ich frage nur: Wie sieht das Ergebnis aus? Da ziehe ich nur einen einzigen Schluß ich will die Polemik der Jahre nicht wiederholen -: Seit Jahren wollen Sie die Arbeitslosen beseitigen, aber die Zahl von 1 Million steht; mal sind es mehr, mal etwas weniger, wahrscheinlich leider meist mehr. Das heißt: das Mittel, das Sie anwenden, hat keinen Erfolg gehabt. Die Konjunktur ist nicht angesprungen. Insofern haben Sie an dieser Stelle versagt. Entschuldigen Sie, daß ich Ihnen das so deutlich ins Stammbuch schreiben muß. ({4}) Da bleibt doch die Frage, die Herr Kollege Carstens ({5}) ausgesprochen hat - da müssen Sie ihn verstehen -: Wie soll das denn weitergehen? Wo soll das enden? Erträgt der öffentliche Haushalt dieses Verfahren für die Ewigkeit? Wir müssen doch, wenn ein Konzept nicht läuft, hier einmal in aller Ruhe darüber reden, ob man nicht ein anderes anwenden kann. Seine Rede sehe ich eben als einen Beitrag dazu, einen Denkanstoß in die Mehrheitsfraktionen hineinzutragen, wenn er sagt: Denken Sie doch ein bißchen darüber nach! ({6}) Der dritte Punkt. Es war ganz klar, daß Sie sich die Chance nicht entgehen lassen, das Arbeitsmarktprogramm der CDU/CSU - ich sage schon: CDU/ CSU - hier anzusprechen. ({7}) - Ja, ich weiß, ich komme gleich darauf; Sie erhalten gleich eine entsprechende Antwort, Herr Sperling; einen ganz kleinen Moment. - Ich finde das auch gut so. Denn was wir draußen diskutieren, muß auch hier drinnen seine Erörterung finden. Ich gebe auch zu, daß ich zu denen gehöre, die die Vorschläge es sind Vorschläge, meine Damen und Herren -, die bis heute gemacht worden sind, nicht erfreut haben. Sie haben viele unserer Freunde nicht erfreut. Aber wo kommt denn ein demokratisches Gemeinwesen hin, insbesondere eine lebendige Partei, wenn sie noch nicht einmal Vorschläge machen darf? ({8}) Zu Vorschlägen - und da nehme ich Sie beim Wort; auch ich sitze hier schon acht Jahre - gehört ja auch eine Kostenschätzung. Die Schätzung belief sich auf 14 oder 15 Milliarden DM. Sie heute in diese Haushaltsdebatte einzuführen, halte ich für völlig unzulässig. Wir führen die Kosten Ihres Orientierungsrahmens '85 auch nicht in die Debatte ein, meine Damen und Herren von der SPD. ({9}) Das ist die Situation. Herr Kollege Graf Lambsdorff würde sich sehr wundern, wenn ich ihn hier darauf verpflichten wollte, das Parteiprogramm oder die Vorschläge der SPD zum gemeinsamen Regierungsprogramm der Mehrheitsfraktionen zu machen. ({10}) - Genauso bei uns, sehen Sie! Darum habe ich es gesagt, damit klar wird, ,daß wir in der Diskussion sind. Dies gehört zu einem demokratischen Stil, und ich bitte, dies hier nicht zu verteufeln. Ich wäre dem Herrn Kollegen Grobecker sehr dankbar gewesen, wenn er dies auch in seiner Rede respektiert hätte. Aber beim Etat des Bundesministers der Finanzen sind ja noch andere Gebiete anzusprechen. Nicht nur die Zahlen, sondern auch einige Gebiete, die uns in der Öffentlichkeit große Sorgen machen. Herr Bundesminister Apel, ich denke da insbesondere an die Personalsituation in Ihrem Hause. Dies ist ein ganz trübes Kapitel. Wir hätten uns nämlich gewünscht, daß Sie die Personalpolitik des Bundesministeriums der Finanzen mit etwas ruhigerer Hand steuern. ({11}) - Herr Kollege Haase ruft, es sei grausam. Ich wollte dieses harte Urteil erst am Ende fällen und einen Appell an Sie richten. Aber ich bin, nachdem gerade gestern Herr Kollege Dr. Riedl auch zum Bundesministerium des Innern sehr viele bedenkenswerte Punkte hier vortragen mußte, einfach verpflichtet, Ihnen in aller Kollegialität ein paar Worte zu sagen. Die Beförderungspraktiken Ihres Hauses stehen hier zur Debatte. Ich denke insbesondere an die Beförderung des als dem Parlamentarischen Staatssekretär Offergeld sehr nahestehend bekannten Beamten zum Unterabteilungsleiter in der Steuerabteilung. Sie führte zum großen Protest des Personalrats. Sie selbst sind in der Personalversammlung ausgebuht worden, wie man in der Zeitung lesen konnte. Uns stört nicht nur die Art und Weise, wie Sie mit dem Personalrat umgehen, sondern insbesondere die Art absolutistischer Herrschaft, mit der Sie die Meinung des Personalrats einfach beiseite schieben und noch das Wort draufsetzen, daß Sie auch beim nächsten Mal so verfahren. ({12}) Dieses Wort, Herr Minister Apel, zeigt eine von Parteibuchpolitik bestimmte Bevorzugung unter Übergehung älterer und befähigterer Beamter. Wir haben es bei der Besetzung der Stelle des Unterabteilungsleiters I b erlebt. Eine in einer weiteren Personalversammlung verlesene, vom Personalrat unterstützte Protestresolution der Beamten seines Hauses interessierte Herrn Minister Apel nicht. Einen Höhepunkt erreichte diese Art der Personalpolitik durch jene berüchtigte Hausverfügung 3/77 vom 3. Februar 1977. Von - ich glaube, das muß hier einmal gesagt werden - 10 zu ernennenden Unterabteilungsleitern oder Referenten entfielen 7 auf Genossen oder - in zwei Fällen - auf ihnen gleichzusetzende Beamte. Ich greife hier nur die besonders krassen Fälle heraus. Dabei wurde sogar ein Genosse mangels SPD-Zugehörigkeit der Zöllner hier ins Bundesministerium der Finanzen eigens von der OFD München hereintransportiert, damit das Tableau auch voll stimmt. ({13}) Ich finde es sehr bedauerlich, dies vortragen zu müssen. Diese Wirtschaft ist unerträglich. Sie entspricht auch nicht dem, was die Mitarbeiter Ihres Hauses erwarten können, wenn sie in Zukunft Leistungssteigerungen erbringen und in Ihrem Hause freundschaftlich zusammenwirken wollen. ({14}) Geht es um die Grundsätze einer vernünftigen Personalpolitik, so haben Sie sich, sehr verehrter Herr Minister, dadurch ausgezeichnet, daß Sie rücksichtslos und sehr selbstherrlich alle Bedenken beiseite schieben. Bei der Durchsetzung in Ihrem Hause haben Sie gute Gehilfen gefunden. Ich denke dabei an den Abteilungsleiter I, den Abteilungsleiter V, den Abteilungsleiter VIII. Zwei davon sind sehr gut belohnt worden. Einer zum Staatssekretär ernannt, der andere mit einem Vorstandsamt in einem bundeseigenen Betrieb bedacht. Ich meine nur, dies alles sollte man nicht tun. ({15}) Ich zitiere - ich will es einfach kurz machen - wörtlich, was der Personalrat des Bundesministeriums der Finanzen dazu sagt: Im Falle der Besetzung der Stellen der Abteilungsleiter I und VIII ist der Personalrat weder unterrichtet noch angehört worden. Der Personalrat hat von diesen Stellenbesetzungen erst durch die „Finanznachrichten" Nr. 32/77 vom 25. Mai erfahren. ({16}) Sie treten für mehr Demokratie, für mehr Mitbestimmung ein. Das hört sich draußen in den Betrieben alles dufte und großartig an; nur im eigenen Haus, da gilt es nicht, Herr Minister. ({17}) Das wollen wir beendet wissen. Ich finde es auch wenig schicklich, daß Sie mit dem Argument durch das eigene Haus gehen, es gebe nicht genügend qualifizierte Mitarbeiter im Bundesministerium der Finanzen. ({18}) Ich meine, genügend qualifizierte Mitarbeiter gibt es dort. Es gibt natürlich nicht genügend qualifizierte SPD-Angehörige. Deshalb mußten Sie nach draußen greifen. Das wollen wir nicht. ({19}) Wir haben eine herzliche Bitte an Sie. Als Mitberichterstatter für den Etat sage ich dies in aller Ruhe. Wir haben die herzliche Bitte an Sie: Stellen Sie diese Beförderungspraktiken ein. Kehren Sie zu vernünftigen Grundsätzen der Personalpolitik zurück! Der Leistungswille vieler gutwilliger Beamten wird sonst zerstört. Resignation und Lustlosigkeit sind die Folge. Das nützt uns allen nicht, Herr Bundesminister Apel. ({20}) Und verkehren Sie nach Recht und Gesetz! ({21}) - Einen so dummen Spruch, Herr Löffler, habe ich lange nicht gehört. ({22}) Meine weitere Bitte ist: der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 des Grundgesetzes und das Verbot der Bevorzugung wegen Parteizugehörigkeit nach § 8 Abs. 1 des Bundesbeamtengesetzes müssen auch beim Bundesminister der Finanzen gelten. Sie haben dagegen verstoßen - das wissen Sie -, und das geht nicht. Wir finden, Sie sollten auch mit der Verfassung auf gutem Fuß stehen und nicht auf Kriegsfuß. ({23}) Und als Berliner darf ich zu einem Hamburger noch sagen - Sie kommen zwar nicht aus Altona, das früher zu Preußen gehörte, aber, wenn ich recht orientiert bin, aus Barmbek -: richten Sie sich ein wenig nach guten alten preußischen Tugenden. Setzen Sie wieder Leistung vor Parteibuch! Dies wird uns allen - beim Bundesministerium der Finanzen und allen Mitarbeitern draußen im Lande, die ja auf Sie schauen - sehr gut tun. Lassen Sie sich diese Chance um Ihrer selbst willen nicht entgehen! ({24}) Ein dritter Punkt - die Zeit, die mir zur Verfügung steht, ist heute relativ knapp bemessen -, der auch in den Bereich des Bundesministers der Finanzen, aber insbesondere in den der allgemeinen Finanzverwaltung gehört, ist folgende Frage: Es sind die Leistungen, die wir an die DDR erbringen. Ich spreche das Thema deshalb gern an, weil vorgestern abend Minister Genscher in einer Auseinandersetzung bei der Erörterung seines Etats darauf einging. Er sagte - und auch andere Kollegen aus dem Hause versuchen, uns an dieser Stelle immer wieder zu nageln -, wir würden immer nur verbal für die Verträge einstehen, und in Wirklichkeit seien wir mit der Tat nicht dabei. Für uns ist wichtig - und es ist, glaube ich, notwendig, dies heute zu sagen -: Die CDU/CSU hat auch bei diesem Etat in den Einzelberatungen im Haushaltsausschuß allen Leistungen, die wir mit der DDR vertragsgemäß vereinbart haben, zugestimmt. Das reicht von der Transitpauschale bis zu den Erneuerungsmaßnahmen auf der Autobahn. Wir meinen jedoch - und dies bitte ich als unsere grundsätzliche Haltung zu sehen -: wenn wir auf dem Boden ausgehandelter Verträge stehen, können und werden wir getrocknete Unterschriften unter Verträgen nicht wieder wegwischen. Wir verlangen aber mit Entschiedenheit, daß die Verträge und Abmachungen von seiten der DDR auch eingehalten werden und daß Leistungen unsererseits mit wohlversprochenen guten Gegenleistungen der anderen Seite beglichen werden. Wir sind damit einverstanden, daß in diesem Jahr z. B. rund 80 Millionen DM für die Autobahnerneuerung zwischen Helmstedt und Berlin und auf dem Ring gezahlt werden. Wir können von der DDR erwarten - nachdem dies in der Presse eine Rolle gespielt hat, kann ich es hier auch offen aussprechen; das Thema gilt als sensibel, wir wissen das -, daß die Leistungsverzeichnisse, die die DDR mit uns abgeschlossen hat, eingehalten werden, daß die Güteklasse die der Bundesrepublik Deutschland ist und daß wir nicht in drei oder vier Jahren für das, wofür wir Millionen ausgeben, Bruch vorfinden. ({25}) Wir wissen, daß eine neue Verhandlungsrunde bevorsteht. Dies ist sicher notwendig und auch gut. Wir haben, nachdem bisher jährlich mehr als 500 Millionen für die DDR erbracht worden sind, darunter zum Teil Vorkasse, die große Hoffnung, daß der nunmehrige Verhandlungsführer, der Herr Staatsminister Wischnewski, der ja wohl die neue Verhandlungsrunde leiten wird, dies mit pragmatischer, fester und entschlossener Hand macht. Ich bin ganz sicher, daß ein Mann, der mit so vielen Wassern gewaschen ist und an so vielen Verhandlungstischen gesessen hat, die Sache besser macht, als sie in der Vergangenheit gehandhabt worden ist. Wir haben aber auch die Bitte - und dies wäre mein großer Wunsch -, daß die Bundesregierung nicht nur ein reines Fertigkeitsdenken praktiziert. Egon Bahr hat es so stets gemacht. Er hat immer gesagt: noch einen Vertrag, noch einen Vertrag. Denken Sie, lieber Herr Staatsminister, bitte an die Substanz, die darin steckt. Darauf - nicht nur auf das unterschriebene Papier - kommt es allen Bürgern in beiden Teilen Deutschlands an. ({26}) Wenn dies die Grundhaltung ist, werden Sie uns - dies sage ich namens unserer Fraktion - auch in Zukunft an Ihrer Seite sehen, wenn es darum geht, finanzielle Auswirkungen, die wir gemeinsam mit der DDR aushandeln, zu tragen. Es kommt darauf an, daß Leistung und Gegenleistung ausgewogen sind, daß die DDR vertragsgemäß, vertragskonform verfährt und daß die Zeit der ständigen Vorleistungen dann unter der Verhandlungsführerschaft von Herrn Staatsminister Wischnewski aufgehört hat. ({27})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Löffler.

Lothar Löffler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001360, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind so ziemlich am Ende einer langen und wichtigen Debatte, und in vielen Beiträgen von seiten der Opposition haben wir viel Polemik und keine Alternativen gehört. ({0}) Dabei, lieber Herr Kollege Ritz, räume ich ein, daß Sie natürlich zwei objektive Schwierigkeiten hatten, mit Alternativen hier aufzuwarten. ({1}) Die erste objektive Schwierigkeit war, daß sich die beiden leitenden Herren Ihrer Fraktion ja nicht darüber einig sind, ob sie Alternativen anbieten sollen oder nicht. ({2}) Herr Kohl hat in einer Pressemitteilung vom 16. Juni erklärt: „Die Bundesrepublik braucht so schnell wie möglich eine neue handlungsfähige Regierung, die mit alternativen Konzepten an die Bewältigung der Schwierigkeiten herangeht." Herr Strauß - Sonthofener Rede; ich verkürze das Zitat etwas, aber ohne seinen Inhalt zu verändern, und zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten - sagte: „Das blöde Gerede ,Ihr habt ja keine Alternativen' interessiert die 95 % der Wähler nicht. Sie müssen sich zunächst einmal klarwerden: wollen sie eine Alternative?" Ich will dabei jetzt nicht eingreifen in die Debatte: wer ist die Nummer 1, die Nummer 2, die Nummer 4 oder die Nummer 0 in der Fraktion der CDU/CSU; das machen Sie besser unter sich aus. Damit Sie aber nun wieder zurückkehren: Mein zweiter Punkt wäre - ({3}) - Sie haben es natürlich auch schwer, eine Alternative zu finden. Denn wie soll man zu einer erfolgreichen Regierungspolitik eine positive Alternative finden? Das ist ja schwierig für eine Opposition. ({4}) Damit wir die Gewichte so ein bißchen geraderücken, die auch Sie, Herr Kollege Carstens, heute morgen ziemlich verschoben haben, darf ich vielleicht noch einmal in einigen wenigen Punkten zusammenfassen, worin die Erfolge unseres Landes und unserer Gesellschaft bestehen. Erstens. In der Entwicklung der Verbraucherpreise liegen wir mit knapp unter 4 % an zweiter Stelle der mit uns vergleichbaren Staaten. Das heißt, der deutsche Arbeitnehmer, aber auch der deutsche Unternehmer kann Vertrauen zur Deutschen Mark haben, die dank ihrer Stabilität überall auf der Welt ein recht begehrtes Zahlungsmittel ist. Zweitens. Auch mit unserer Arbeitslosenquote nehmen wir, so bedauerlich und beklagenswert das Schicksal derjenigen ist, die von der Arbeitslosigkeit betroffen sind, einen guten mittleren Platz im internationalen Vergleich ein. Das Bestreben dieser Regierung und dieser Koalition bleibt es, auch den letzten Arbeitslosen von der Straße zu bekommen. Die wichtigsten Maßnahmen dazu - Anlaufen des Programms für Zukunftsinvestitionen und ein arbeitsmarktpolitisches Programm - sind in diesem Haushalt enthalten. Ihre Alternativen haben Sie nicht vorgelegt. Drittens. Unter den großen Industrieländern liegen wir mit den Einkommen plus Sozialleistungen eindeutig mit an der Spitze. Viertens. Von 1975 bis 1976 hatten die Arbeitnehmer in der Bundesrepublik mit den höchsten realen Zuwachs Ihrer Einkommen - anders als in anderen Ländern, in denen die Lohnerhöhungen von den Inflationsraten verschlungen wurden oder mitunter sogar wegen dieser hohen Inflationsraten unter dem Strich ein Minus für die Arbeitnehmer herausgekommen ist. Fünftens. Wir sind das demokratische Land mit den wenigsten Streiktagen in der Welt. Sechstens. Unsere Außenhandelsbilanz ist in Ordnung. Die Nachfrage nach deutschen Gütern unterliegt zwar internationalen Schwankungen - das ist klar -, sie ist aber nach wie vor zufriedenstellend. Lediglich mit den Staatshandelsländern und mit den Entwicklungsländern, die kein Erdöl fördern, nahm der Export in den letzten Monaten geringfügig ab, und zwar wegen des Anstiegs der Verschuldung dieser Länder. Deswegen ist auch die Ausweitung des Bürgschaftsrahmens um 35 Milliarden auf 110 Milliarden von so großer Bedeutung, da allein 100 Millionen DM Exportvolumen 2 130 Arbeitsplätze für ein Jahr bedeuten. Die Bundesbank prognostiziert zu Recht in ihrem Monatsbericht im April dieses Jahres, daß die außenwirtschaftliche Entwicklung weiterhin relativ ruhig verläuft und das Gleichgewicht in der deutschen Zahlungsbilanz anhält. Wohin man also auch schaut, nicht die schwarzen Gemälde der Opposition, sondern Sicherheit - Sicherheit, soweit der Staat und diese Regierung durch ihre Maßnahmen den Bürgern im weitesten Sinne Sicherheit zu leisten vermag. ({5}) Dieses Sicherheitsmoment kehrt natürlich auch in diesem Haushalt wieder. Gestern hat der Herr Kollege Westphal Herrn Dr. Kohl den Rat gegeben, er möchte doch einmal in den Haushalt hineingukken; dann würde nämlich Herr Dr. Kohl folgendes sehen. Wir haben uns bemüht, Sicherheit im weitesten Sinne in diesem Haushalt festzuschreiben; nicht mit irgendwelchen Floskeln, mit irgendwelchem Wortgeklingel, sondern konkret mit Zahlen. Ich darf Ihnen einmal fünf wichtige Blöcke der Sicherheit nennen. An erster Stelle steht die soziale Sicherheit, für die wir mehr als 62 Milliarden DM ausgeben. Das ist - zur Orientierung der CDU/CSU-Kollegen - derjenige Block, von dem Herr Strauß sagt, daß das Gratifikationen sind. An zweiter Stelle steht unsere äußere Sicherheit, für die wir 34,6 Milliarden DM ausgeben. An dritter Stelle steht die Sicherheit für die Wahrung der Lebensverhältnisse durch Wirtschaftsförderung, durch Strukturmaßnahmen, durch Verkehrswegebau, durch die Entwicklung unseres Nachrichtenwesens und durch Wohnungsbau. Diese Sicherheit lassen wir uns in diesem Jahr zirka 30 Milliarden DM kosten. An vierter, wenn auch in der Bedeutung nicht an letzter Stelle steht die Sicherheit für die zukünftige Entwicklung unseres Landes, unserer Wirtschaft und unserer Gesellschaft durch Forschung und Bildung, so wie sie bereits heute durch diese Maßnahmen entschieden wird. Dafür geben wir zirka 8,5 Milliarden DM aus. Als Berliner sei mir gestattet, auch einen fünften Bereich zu nennen. Für die Sicherheit der wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Entwicklung in Berlin gibt der Bund über 7 Milliarden DM aus. ({6}) Das sind, meine sehr verehrten Damen und Herren, kurz zusammengefaßt die Fakten, mit denen wir uns in diesen Tagen zu beschäftigen haben und nicht mit jenem schrecklichen Bild, das die Herren Kohl, Strauß und andere zu malen versucht haben. Wenn man ein Bild nur mit schwarzer Farbe malt, wird das eben kein Bild; dann sind keine Konturen mehr darauf zu erkennen, und der Bürger fragt mit Recht: Von welchem Lande sprechen die von der Opposition denn eigentlich? Aber nach den heftigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden schwarzen Schwestern - schöne Schwestern, möchte man meinen - war damit zu rechnen, daß von Ihnen kein sachlicher Beitrag zu der anstehenden politischen Problematik dieser Tage zu erwarten war. Gehandelt hat die Opposition so, wie das einmal Anthony Eden geschildert hat: Jeder erwartet vom Staat Sparsamkeit im allgemeinen und Freigiebigkeit im besondern. In dieser Debatte haben Sie eine Reihe von neuen Wünschen geäußert, die in Milliardenhöhe gehen. Aber Sie haben wieder nicht gesagt, wie Sie denn nun eigentlich diese Wünsche bezahlen wollen. Keine Mehrwertsteuererhöhung, volle steuerliche Entlastungen, Einsparungen im Milliardenhöhe, Senkung der Nettokreditaufnahme - ja, meine Damen und Herren von der Opposition, befinden Sie sich überhaupt noch auf dem realitätsbezogenen Boden einer soliden Finanzpolitik ({7}) - ich stelle diese Frage allen Ernstes - oder schweben Sie nicht vielmehr in einem versponnenen Wolkenkuckucksheim der Opposition? Es wurde soviel über das Vertrauen und über die Nettokreditaufnahme gesagt. Dazu darf ich Ihnen mal folgendes sagen. Als Anfang der dreißiger Jahre der Präsident der Vereinigten Staaten Franklin Delano Roosevelt, den Forderungen und Lehren des bedeutenden Nationalökonomen Keynes folgend, Arbeitsbeschaffungsprogramme in den USA anlaufen ließ und in die öffentliche Verschuldung ging, bekam er in seinem Lande sehr viel Kritik zu hören. Dann sagte ein sehr bekannter Bankier in den USA, der mehrfach Finanzminister war, Andrew Mellon, dem Präsidenten: „Herr Präsident, Sie brauchen sich keine Sorge zu machen." Eine Nation ist nicht in finanziellen Schwierigkeiten, bloß weil sie sich selber Geld schuldet. An diesen Satz sollten Sie bei dem, was Sie noch auszuführen haben, denken. ({8}) Das Geld, das wir aufnehmen, gibt uns der Bürger in vollem Vertrauen darauf, daß wir es für seine Sicherheit im weitesten Sinn - ich habe das vorhin darzulegen versucht - gut anwenden. ({9}) - Sie können ruhig schreien. Auch Ihr Geschrei bringt keine Alternative. Eben war Herr Wohlrabe hier oben. Ich dachte, er werde zu den Anträgen etwas sagen. Sie haben ja ein paar Wunderwaffen, z. B. globale Ansätze, globale Mehrausgaben, globale Minderausgaben. Das ist, nebenbei gesagt, sehr interessant im Zusammenhang mit dem von Herrn Dr. Kohl apostrophierten Königsrecht des Parlaments, Globalansätze zu machen und es der Regierung zu überlassen, wo sie spart und wo sie einnimmt. Das ist - zum Teufel noch mal! - die Aufgabe dieses Souveräns, des Parlaments. ({10}) - Wir haben, sehr geehrter Herr Dr. Barzel, anders als die Kollegen Ihrer Fraktion Posten für Posten sehr sorgfältig durchgearbeitet und sind zu dem Ergebnis gekommen: Da ist nichts mehr drin - weder bei globalen Minderausgaben noch bei globalen Mehreinnahmen. Ich muß deshalb das Haus bitten, den Antrag 8/627 aus diesem Grund abzulehnen. Dann haben Sie gesagt: Wir wollen bei der EG einiges sparen; da können wir 500 Millionen DM sparen. Zunächst einmal meine Feststellung: Schöne Europäer, die ansonsten an dieser Stelle sich ihrer europäischen Gesinnung nicht genug brüsten können, aber dann sagen: Wir wollen einmal 500 Millionen DM von dem, was an die EG geht, absetzen! - und dies, obwohl die Fachleute, und Sie haben doch Fachleute in Ihrer Fraktion, wissen, daß die im Haushalt für die EG ausgewiesenen Mittel jetzt schon knapp unter dem von der EG bei uns anzufordernden Mittelbedarf liegen! Ich nehme an, der Kollege Ritz und der Kollege Schmitz werden sich angesichts dieser Tatsache dafür einsetzen, daß es bei den landwirtschaftlichen Produkten keine Preiserhöhungen gibt, die dann bezahlt werden müssen. ({11}) - Ja natürlich; wir müssen denen doch das Geld zur Verfügung stellen, damit die Intervention fließen kann. Aber Sie wollen ja 500 Millionen DM absetzen. Man muß einmal klar und deutlich sagen, daß Sie nur Sprüche klopfen können, aber keine in sich geschlossene Politik haben. ({12}) Auch bei den Sparprämien wollen Sie einiges herunternehmen, obwohl wir dort bereits gekürzt haben. Wir sind der Auffassung: Das ist spitz durchgerechnet; da gibt es jetzt nichts mehr zu kürzen. Wir müssen deshalb bitten, auch Ihren Antrag auf Drucksache 8/628 abzulehnen. Wir haben noch einige Veränderungen an diesem Haushalt vorzunehmen. Ich möchte, einem guten Brauch folgend, unseren Antrag zum Einzelplan 60 begründen. Wir bitten um Ihre Zustimmung dafür, daß von dem Titel 642 31 50 Millionen DM heruntergenommen werden, weil durch genaue Berechnungen inzwischen festgestellt worden ist, daß der so verminderte Ansatz von 1,056 Milliarden DM ausreicht. Das Geld brauchen wir u. a., um Arbeitsplätze in diesem Land zu schaffen und Hilfen zu geben. ({13}) Wir machen es nicht wie Sie: Der Herr Carstens stellt sich hierher und spricht in negativem Sinn über die Werfthilfe, und wenn Sie nachher draußen an der Küste sind - und Sie sind ja nicht weit weg von der Küste -, dann drehen Sie das ganz anders. ({14}) Nein, es muß mit gleicher Stimme gesprochen werden, in diesem Saal wie draußen. Es kommt gerade beim Haushaltsgebaren darauf an, daß der Bürger das ehrliche Wollen aller in diesem Haus vertretenen Parteien und Mitglieder spürt. Das hat er bei Ihnen nicht gespürt. Deshalb wünsche ich Ihnen ein noch recht langes Sitzvergnügen auf der Oppositionsbank. ({15})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Das Wort hat Frau Abgeordnete Matthäus-Maier.

Ingrid Matthäus-Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001436, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nur zu zwei Punkten einige kurze Anmerkungen: Herr Carstens, Sie konnten es auch heute wieder nicht lassen, auf die Steuerquote einzugehen. Wir haben dieses Thema doch an dieser Stelle schon mehrfach abgehandelt. Wir müssen aber immer wieder darauf eingehen, weil Sie dieses Argument in der Öffentlichkeit leider immer wieder bringen. ({0}) Sie wissen doch wohl, daß die Steuerquote im Jahre 1969, dem letzten Jahr der Großen Koalition, laut Finanzbericht 1977 am höchsten war. Sie betrug 24 %. Dann ist es folgendermaßen weitergegangen: 1970: 22,5 %, 1971: 22,6 %, 1972: 23,6 %, 1973: 24,2 %, 1974: 24,0 %, 1975: 23,2 %, 1976: 23,5 % und 1977: 23,8 %. Das heißt also, die Steuerquote lag nur in einem dieser Jahre über der Steuerquote des letzten Jahres, in dem die Union in der Großen Koalition regiert hat. ({1}) - Langsam! Wenn man Ihnen Zahlen zur Steuerquote bringt, wollen Sie auf die Sozialabgaben eingehen. Wir sprechen jetzt von der Steuerquote. ({2}) Das ist auch kein Zufall mit dem Jahre 1969. Man sollte einmal nachlesen, wer Finanzminister war, als - das wird von Ihnen leider immer unterschlagen - zum 1. Juli 1968 die Mehrwertsteuer um einen Prozentpunkt erhöht wurde, als zum 1. Januar 1968 die Ergänzungsabgabe kam, als zum 1. Januar 1967 die Kilometergeldpauschale gesenkt wurde, als zum 1. Januar 1967 die Mineralölsteuer erhöht wurde, als zum 1. Juli 1967 die Tabaksteuer erhöht wurde usw. Ich will gar nicht sagen, daß ich diese Maßnahmen nicht für richtig gehalten habe. Einen Großteil dieser Maßnahmen halte ich für richtig. Es muß aber doch endgültig klar sein, daß Sie vor diesem Hintergrund nicht mit der Steuerquote argumentieren können. Es wurde auch schon darauf hingewiesen, daß die Steuerquote 1975 noch um etwa 1,3 Prozentpunkte niedriger gelegen hätte, wenn im Zusammenhang mit dem Kindergeld - wie von uns verlangt - die steuerrechtliche Lösung gewählt worden wäre, also die Kindergeldzahlung durch Abzug von der Steuerschuld über die Finanzämter erfolgt wäre. ({3}) Daß Sie das alles ganz genau wissen, sieht man, wenn man in andere Gremien geht. Es ist ganz sinnvoll, einmal nachzulesen, was Sie im Bundesrat sagen. Dann merkt man nämlich, daß Sie diese Zusammenhänge kennen, entsprechend reagieren und insofern widersprüchlich operieren. ({4}) Am 3. Juni 1977 stand im Bundesrat der vom Land Schleswig-Holstein eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Erhaltung und Modernisierung kulturhistorisch und städtebaulich wertvoller Stadtkerne durch Steuervergünstigungen zur Beratung an. Da war es Ihr Herr Gaddum, der an eben diesem 3. Juni 1977 im Bundesrat gegen den Vorschlag des Landes Schleswig-Holstein vorgebracht hat: Das Ziel, Stadtkerne in ihrer Gesamtheit zu erhalten, kann wirksam nur durch unmittelbare Subvention verwirklicht werden, nicht aber durch eine partiell wirkende Steuervergünstigung. Er wies in seiner Rede darauf hin, daß eine Steuervergünstigung schlechter wäre, z. B. wegen der Progressionswirkungen und auch aus anderen Gründen. Was ich damit sagen will: Herr Gaddum und Sie alle wissen, daß das Einführen einer direkten Subvention bei der Förderung der Erhaltung von Stadtkernen zu einer Erhöhung der Steuerquote führen würde, daß aber umgekehrt eine Steuervergünstigung in diesem Zusammenhang zu einer Senkung der Steuerquote führen würde. Obwohl Sie dies ganz genau wissen, operieren Sie aus Gründen der Polemik und Demagogie mit der Steuerquote. Das weisen wir zurück. ({5}) Ein zweiter Punkt: Herr Carstens hat freundlicherweise darauf hingewiesen, daß Ihre Fraktion bereit sei zu sparen, ({6}) Ich habe in der dritten Lesung des Steuerpakets eine ganze Menge Vorschläge gemacht, durch deren Akzeptierung Sie sich am Sparen beteiligen könnten. Diese will ich hier nicht wiederholen. Nur eines muß ich noch einmal sagen: Auch hier kommt - wie vorher - Ihre Unglaubwürdigkeit zum Ausdruck. Es mutet doch ein bißchen komisch an, wenn man im Finanzausschuß Herrn Köhler ({7}) reden hört, der zu der Frage, ob der Vorwegabzug für Beamte gestrichen werden soll, sagt, das komme überhaupt nicht in Betracht, das sei eine Steuererhöhung für die Beamten, und wenn der gleiche Mann sicher an anderer Stelle intensiv darüber Klage führt, daß es den selbständig Tätigen in unserem Lande so schlecht - und den Beamten so gut gehe. ({8}) Das heißt: Je nachdem, bei wem Sie sich gerade befinden, wird beredt Klage über das eine oder das andere geführt. ({9}) Herr Köhler, davon, daß Sie die Streichung des Vorwegabzugs für Beamte kritisiert und abgelehnt haben, der nur im Blick auf die selbständig Tätigen eingeführt worden ist, werden Sie so schnell nicht herunterkommen. Ich komme zum letzten Punkt. Es ist für einen Neuling ziemlich beeindruckend und auch etwas bedrükkend, wenn man sieht, daß diejenigen, die die Unternehmensbesteuerung erleichtern wollen, hier in diesem Hause in der letzten Woche die Gewerbesteuersenkung und auch die Kindergelderhöhung - dabei sagen Sie immer, sie wären der Familie so freundlich gesonnen - abgelehnt haben. ({10}) Wenn man das als Neuling merkt, so kann man dazu nur sagen: Wir merken tagtäglich, daß es Ihnen nicht um die Sache, sondern einzig und allein darum geht, diese Regierung zu kippen. ({11}) Dazu kann ich Ihnen nur folgendes sagen. Je deutlicher das wird, um so mehr ziehen Sie Stützbalken in diese Koalition. So hat es vor einem Jahr mein Kollege Graf Lambsdorff treffend ausgedrückt. Gerade als Neuling kann ich nur wiederholen: Je mehr auch diejenigen, die nachweislich nicht immer alles mit einer rosaroten Brille sehen, was die eigene Koalition und die eigene Fraktion machen, dies spüren, um so mehr scheint mir dies klar zu sein: Machen Sie so weiter, denn damit stützen Sie diese Koalition auf Dauer! ({12})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.

Dr. Hans Apel (Minister:in)

Politiker ID: 11000043

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich, bevor ich zur Sache spreche, einige Bemerkungen zu Herrn Wohlrabe machen. Herr Kollege Wohlrabe, es ist eigentlich zu bedauern: Sie gehören nun schon so lange diesem Deutschen Bundestag und dem Haushaltsausschuß an, und Sie haben sich immer noch nicht über die Spalte „Klatsch und Tratsch" erheben können. Es wäre wirklich vernünftig, wenn Sie einmal versuchten, zur Sache zu sprechen; denn beides, was Sie hier gesagt haben, sowohl zur DDR als auch zu unserer Personalpolitik im Finanzministerium, gehört in diese Spalte „Klatsch und Tratsch". ({0}) Zur DDR-Problematik muß ich fragen: Gegen was haben Sie hier eigentlich polemisiert? Um was ging es eigentlich? Ging es darum, Pappkameraden aufzustellen, damit Sie auf sie schießen können? Dann war das ein trefflicher Versuch. ({1}) Ansonsten kann ich nicht verstehen, über was Sie eigentlich geredet haben. Wir bauen in der DDR zusammen mit der DDR, gemeinsam finanziert, eine Autobahn. Wir überwachen den Fortgang des Baus, ({2}) wir kontrollieren die Qualität. ({3}) Was Sie hier vorgeführt haben, war wenig überzeugend. Was die Personalpolitik im Finanzministerium anbelangt, so haben Sie an preußische Tugenden erinnert. Ich bitte darum, daß Sie als Berliner - Sie fühlen sich sicherlich als Preuße - eine preußische Tugend ganz besonders beherzigen, nämlich nicht die Unwahrheit zu sagen. ({4}) - Ja, das will ich gerade tun. Herr Kollege Wohlrabe, Sie sollten auch das achte Gebot beachten: Rede kein falsches Zeugnis wider deinen Nächsten. ({5}) Ich komme nun zur Sache selbst. Sie haben auf eine Personalversammlung abgehoben, Herr Kollege Wohlrabe, die im Jahre 1975 stattgefunden hat. Im Jahre 1977 führen Sie diese in die Haushaltsdebatte ein. Ich kann mich nur darüber wundern, daß es so lange gedauert hat, bis Sie diese Personalversammlung hier paraphrasieren wollen. Nun komme ich auf meine letzten personalpolitischen Entscheidungen zu sprechen. Es gab zwei Abteilungsleiterstellen zu besetzen. Sie wissen alle, daß Abteilungsleiter politische Beamte sind. ({6}) - Ich möchte erst einmal ,den Fall darstellen. Dann sind Sie sehr herzlich eingeladen, eine Zwischenfrage zu stellen. Es gab also zwei Abteilungsleiterstellen zu besetzen, und zwar in der Grundsatzabteilung und in der Abteilung Bundesvermögen. Derjenige, der ab 1. Juli die Grundsatzabteilung im Finanzministerium leiten wird, hat folgende berufliche Vergangenheit: Er war mehrere Jahre lang Generalsekretär des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung; er war anschließend mehrere Jahre lang in einer leitenden Funktion bei der Weltbank in Washington tätig; er ist anschließend bei der Europäischen Gemeinschaft Direktor in der Abteilung Wirtschaft und Finanzen gewesen; jetzt hat er die Leitung der Grundsatzabteilung des Finanzministeriums übernommen. ({7}) Glauben Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß diesem Mann die Fähigkeit abgeht, diese Abteilung zu leiten? Ist es nicht ein Mann, der auf Grund seines Herkommens, seiner Sprachkenntnisse, seiner vielfältigen Tätigkeiten geradezu prädestiniert ist, der Bundesrepublik Deutschland zu dienen? Nehmen wir den zweiten Fall, die Stelle des Leiters der Abteilung Bundesvermögen. Hier haben wir einen Mann genommen, der nach einer dreijährigen Lehre bei Siemens, nach einem Studium der Volkswirtschaft und der Betriebswirtschaft - er ist Diplomkaufmann und Diplomvolkswirt - für mehrere Jahre Assistent an der Göttinger Universität und anschließend Prokurist bei einem bundeseigenen Unternehmen gewesen ist. Glauben Sie, daß dieser Mann nicht in der Lage ist, diese Abteilung glänzend zu leiten? Sind Sie nicht der Meinung, daß Sie, wenn Sie hier so pauschal reden, in der Tat gegen das Achte Gebot verstoßen - nicht mir gegenüber, sondern diesen beiden tüchtigen Beamten gegenüber? Das ist doch die entscheidende Frage. ({8})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Herr Bundesminister, gestatten Sie jetzt eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wohlrabe?

Dr. Hans Apel (Minister:in)

Politiker ID: 11000043

Jetzt möchte ich noch einen Satz sagen, und dann darf Herr Wohlrabe seine Zwischenfrage gerne stellen. ({0}) Ich meine also, Herr Kollege Wohlrabe, Sie müßten etwas nuancierter argumentieren. Ich füge im übrigen hinzu, daß alle Entscheidungen im Finanzministerium mit Parteipolitik überhaupt nichts zu tun haben. ({1}) - Ja, natürlich. Wenn Sie das Gegenteil behaupten, verstoßen Sie erneut gegen das Achte Gebot. ({2}) Wenn Sie, hochverehrter Herr Kollege Wohlrabe, jetzt Zitate aus der Tageszeitung „Die Welt" benutzen, dann ist dieses genausowenig überzeugend. In jedem Falle wissen Sie ganz genau, daß ich als Bundesfinanzminister nicht, wie Sie sagen, gegen Recht und Gesetz verstoßen habe. Eine letzte Bemerkung zu diesem Thema, dann sind Sie herzlich zu Ihrer Zwischenfrage eingeladen. Der Personalrat des Bundesfinanzministeriums, der sich bereits auf der letzten Personalversammlung mit aller Deutlichkeit und Kraft gegen eine öffentliche Debatte der Personalpolitik im Finanzministerium gewehrt hat, wird sich mit Ihnen in Verbindung zu setzen haben, weil es sicherlich nicht im Interesse des Finanzministeriums und des Personalrats ist, einen Anwalt ausgerechnet Ihres Kalibers zu haben. ({3}) Bitte, jetzt sind Sie mit Ihrer Zwischenfrage an der Reihe.

Jürgen Wohlrabe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002550, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Daß Sie dieses Thema trifft, Herr Bundesfinanzminister, kann ich verstehen. Ich habe nur folgende Frage: Trifft es zu, daß es sich bei den in der Hausverfügung Nr. 3/77 - Sie werden sicher einsehen, daß ich natürlich etwas mehr zu diesem Thema gesagt und nicht nur dieses Papier genannt habe - unter der Überschrift „Personelle Veränderungen im Bundesministerium der Finanzen" ausgewiesenen Beförderungen in der Mehrzahl, nämlich 7 von 10, um Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei handelt? Das war meine Frage. Können Sie das bestätigen, ja oder nein?

Dr. Hans Apel (Minister:in)

Politiker ID: 11000043

Es trifft nicht zu, Herr Kollege Wohlrabe. ({0}) - Ich weise dieses mit aller Entschiedenheit zurück, Herr Kollege Wohlrabe. Ich bin nicht bereit, mich mit Ihnen auf dieser Ebene zu unterhalten, damit wir uns hier klar verstehen. ({1}) Ich unterstreiche, daß wir die Personalpolitik des Finanzministeriums künftig wie bisher an folgenden Kriterien orientieren werden: 1. Befördert wird nach Recht und Gesetz, nach Qualität und natürlich auch nach Anciennität. 2. Das Ministerium muß ein Interesse daran haben, daß ein Austausch mit anderen Institutionen, insbesondere mit der freien Wirtschaft, möglich und erhalten bleibt. Ich möchte jetzt zur Sache reden, zur Finanzpolitik, die hier durch den ersten Debattenredner eingeführt worden ist. Hierzu möchte ich sieben Bemerkungen machen. Bemerkung Nummer eins. Sie, Herr Kollege Carstens, haben gesagt, wir benutzten die weltweite Krise, um die Probleme bei uns zu verniedlichen. ({2}) Dazu ist folgendes festzustellen. Es kann wohl nicht übersehen werden, daß es eine weltweite Rezession gibt. Es kann ja wohl nicht übersehen werden, daß alle internationalen Institutionen dieses deutlich machen. Es kann ja wohl nicht übersehen werden, daß die Situation in der Bundesrepublik in der Tat überragend besser ist als bei unseren Partnern. Dieses liegt im wesentlichen daran, Herr Kollege Carstens, daß diese Bundesregierung gehandelt hat. Diese Bundesregierung hat mehrfach gehandelt. Ich werde jetzt einige der Beispiele vorführen. Wir haben seit Beginn der Rezession 30 Milliarden DM für Konjunkturprogramme ausgegeben, davon 62 % zu Lasten des Bundes, obwohl der Bund nur 48 % des Steueraufkommens hat. Dieses hat ausgelöst und wird auslösen Investitionen in einer Größenordnung von 80 Milliarden DM. Die Steuerreform des Jahres 1975 ist in diese Zahlen nicht eingerechnet; sie hat aber konjunkturpolitisch stabilisierend gewirkt. Wir setzen Mittel des Bundeshaushaltes, unsere Währungsreserven ein, um auch international unsere Solidarität zu bewahren und zu bewähren, weil wir wissen, daß wir in unserem eigenen Wachstum von der weltweiten Entwicklung abhängig sind. Wenn 40 % unseres gesamten Industrieumsatzes direkt oder indirekt vom Export abhängig sind, dann wird das deutlich. Es gibt auch überhaupt keinen Grund, die Erfolge der letzten Jahre nicht deutlich zu erkennen. Wir hatten doch in diesen Jahren ein Wirtschaftswachstum von real 5,5 %. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung sagt heute, in diesem Jahre werden wir ein Wirtschaftswachstum von real 5 % haben. Warten wir ab. Es wird vielleicht 4,5 oder 5 % betragen; auch dieses ist eine beträchtliche Zahl. Ich meine also, hochverehrte Damen und Herren von der Opposition, wir haben allen Grund, auf unsere Leistungen stolz zu sein. Wir haben allen Grund, selbstbewußt in die Zukunft zu sehen, ohne allerdings die Probleme zu verniedlichen. Dieses will ich sehr wohl zugeben. ({3}) Eine zweite Bemerkung. Herr Carstens, Sie sagten, bis Anfang der 70er Jahre ging es uns gut. Ich muß Ihnen sagen, von einer Opposition, die im Jahre 1977 immer nur noch eines kann, nämlich ununterbrochen in die Vergangenheit zu schauen, ihre eigene Vergangenheit zu belobigen und zu beschönigen, ,die also im Jahre 1977 immer noch retrospektiv denkt und guckt, die die Probleme der Gegenwart nicht sieht und nicht in die Zukunft schaut, können wir allerdings keine Antworten für die Probleme der Gegenwart erwarten. Dieses ist für mich völlig klar. ({4}) Wenn Sie sagen, wir hätten über unsere Verhältnisse gelebt, dieses sei in ,den Jahren 1974, 1975 und 1976 deutlich geworden, dann sind Ihnen, Herr Kollege Carstens, augenscheinlich die Zahlen nicht bekannt. Wir haben in den vier Haushaltsjahren von 1970 bis 1973 ungefähr 10 Milliarden DM Nettokreditaufnahmen gebraucht. Wir haben in dem gleichen Zeitraum ungefähr 10 Milliarden DM Steuerüberschüsse aus konjunkturpolitischen Gründen stillgelegt. Wo haben wir denn eigentlich über die Verhältnisse gelebt? Können Sie mir das an Hand dieser Zahlen einmal erläutern oder reden Sie erneut über die Probleme hinweg und wollen nicht die Realitäten sehen? Daß dann allerdings die Nettofinanzierungssalden beim Bund hochgesprungen sind, ist richtig. Dieses war konjunkturpolitisch geboten. ({5}) Damit bin ich bei meinem dritten Punkt. Ich bitte um etwas mehr ökonomische und finanzpolitische Logik, meine Damen und Herren von der Opposition. ({6}) Sie haben in Ihrer Rede in 25 Minuten ein hervorragendes Beispiel dafür geliefert, wie es mit Ihrer Logik bestellt ist. Sie kriegen es fertig, in 25 Minuten nacheinander folgendes zu sagen. Erstens: Diese Bundesregierung tut nicht genug gegen die Arbeitslosigkeit. Das haben Sie gesagt. Aber dieses hieße doch wohl: mehr Staatsausgaben und mehr Steuersenkungen. ({7}) - Herr Kollege Haase, auch Sie bekommen Ihre Zwischenfrage, wenn ich meine Argumentation beendet habe. ({8}) In derselben Rede sagen 'Sie - wenige Minuten später -, wir würden nicht genug sparen. ({9}) Das heißt doch: weniger Staatsausgaben, weniger Staatsaktivität. Können Sie mir bitte einmal auseinandersetzen, wie das zusammenpaßt? Wenn Sie jetzt dazwischenrufen, das bedeute weniger Steuern für die investierende Wirtschaft, dann bin ich bei dem vierten Widerspruch: Wie wollen Sie das eigentlich finanzieren? ({10}) Wie wollen Sie denn eigentlich die Milliarden aufbringen? ({11}) Wir haben eine Aufstellung über das gemacht - ganz ruhig und ohne daß wir uns darüber aufgeregt haben -, was Sie seit Beginn der Legislaturperiode in sieben Monaten entweder offiziell oder durch Ihre finanzpolitischen Sprecher oder durch Ankündigungen der Landesregierungen, insbesondere der Bayerischen Staatsregierung, an Steuererleichterungen und Steuersenkungen versprochen haben. Das sind sage und schreibe 15,9 Milliarden DM. ({12}) Wollen Sie mir diese Logik erklären: weniger Staat, auf mehr Steuern verzichten, den Staat für die Arbeitslosigkeit verantwortlich machen und gleichzeitig den Haushalt konsolidieren? ({13}) Das paßt vorne und hinten nicht zusammen. ({14}) Das macht nur deutlich, daß Sie nicht begriffen haben, worum es geht. ({15}) Ich muß Ihnen sagen: Das ist ein trauriges Kapitel der Finanzpolitik der Opposition. ({16}) Sie sagen, dieser Haushalt sei ohne Perspektive. Übersehen Sie eigentlich, Herr Kollege Carstens, daß wir beim Bund im Jahre 1975 30 Milliarden DM Nettokreditaufnahme und in diesem Jahre 20,5 Milliarden DM gemacht haben, daß wir die Konjunktur gleichzeitig massiv über antizyklische Programme - 30 Milliarden DM - angekurbelt haben? Was wäre eigentlich passiert, wenn wir Ihre Politik verfolgt hätten? Wir hätten auf der einen Seite 16 Milliarden DM ausgegeben, wir hätten auf der anderen Seite auf die Mehrwertsteuererhöhung verzichtet. Wir wären ins finanzpolitische Chaos gelaufen. Sie können sich diesen Zirkus nur leisten, weil Sie genau wissen, daß Sie in absehbarer Zeit nicht die Verantwortung für die Finanzpolitik übernehmen müssen. ({17}) Ich meine, Sie müssen sich endlich einmal entscheiden. Wenn Sie weniger Staat und mehr Marktwirtschaft wollen, können Sie nicht gleichzeitig den Staat, die öffentlichen Hände für die Wirtschaftslage, für die Arbeitslosigkeit, für die Probleme, die wir haben, verantwortlich machen. Entweder - oder. ({18}) Fünftens. Frau Kollegin Matthäus hat das Thema der Staatsquote bereits aufgegriffen. Ich kann mir dazu Bemerkungen ersparen. Ich bin Ihnen ausdrücklich dankbar dafür, daß Sie daran erinnert haben, wie die Zahlen wirklich aussehen. Ich komme damit zu meinem sechsten Punkt. Sie, Herr Kollege Carstens, haben beklagt, daß die Investitionen des Bundes so zurückgegangen seien. ({19}) - Gut. Schauen wir uns bitte auch hier die Zahlen an. Ich bin immer für Genauigkeit und nicht für allgemeine Bemerkungen. ({20}) Das Haushaltsjahr 1977 ist noch nicht abgeschlossen. Am Ende des Jahres werden wir wissen, wie viele Investitionen der Bund getätigt haben wird. Das hängt z. B. auch vom Ablauf des Investitionsprogramms, des Infrastrukturprogramms ab. Wir müssen also auf 1976 zurückgreifen. Der Bund hat im Jahre 1966 15,5 % seiner Ausgaben für Investitionen ausgegeben, im Jahre 1976 waren es 14,5 %; das ist eine Abnahme um einen Prozentpunkt. Die Länder haben 1966 26,1 % ihrer Ausgaben für die Investitionen ausgegeben, im letzten Jahre waren es 17,4 0/0; das ist eine Abnahme um 9 Prozentpunkte. ({21}) - Bei den Kommunen ist sogar eine Abnahme um 18 Prozentpunkte zu verzeichnen. Nun tun Sie doch bitte nicht so, als sei der Rückgang der Investitionsquote ein typisches Bundesthema. Das betrifft alle Gebietskörperschaften, wie auch immer sie strukturiert sind. ({22}) - Das ist doch auch wieder eines der Märchen. Als wenn nicht der Bundesrat an der Gesetzgebung beteiligt ist und nicht Sie im Bundesrat die Mehrheit haben. Ich möchte hier jetzt eine andere Bemerkung anschließen. Es gibt eine sehr interessante Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Die müssen wir uns einmal sehr ernst zu Gemüte führen, wenn wir über öffentliche Investitionen und ihre Konsequenzen reden. Das DIW sagt: Straßenbau, Kanalbau, öffentliche Investitionen dieser Art mit nur geringen Folgekosten sind gut, aber lösen nur einmal einen Investitions- und damit einen Beschäftigungsstoß aus. Da werden einmal Stahl und Zement verbaut und Arbeiter beschäftigt. Es gibt also einen Investitionsstoß. Dann flacht sich die Konsequenz dieser Art von öffentlicher Investition ab. Das kann nicht bestritten werden. Das DIW sagt weiter: Es gibt eine andere Art von öffentlichen Investitionen: Schulbau, Krankenhausbau, Altenheimbau. Dort ist die Konsequenz für die Konjunktur und für die Beschäftigungspolitik positiver, weil es dort nicht nur den einmaligen Investitionsstoß gibt, sondern konjunkturelle Folgewirkungen sichtbar und wirksam bleiben. Dort braucht man Ersatzinvestitionen; dort werden Menschen beschäftigt. Ich meine also, wenn dies stimmt, dann kann ich uns alle nur davor warnen, diese einseitige Betrachtung zu wollen, nach der Investitionen ohne oder mit geringen Folgekosten gut sind, Investitionen mit personellen Folgekosten von vornherein schlecht sind. Ich kann uns davor nur warnen. ({23}) Wenn dies so ist, dann versteht sich auch, warum bei den Gebietskörperschaften, insbesondere bei den Ländern und Gemeinden, die Investitionsquote zurückgeht: weil natürlich als Folge von öffentlichen Investitionen im Schulbau, im Krankenhausbau, im Altersheimbau anschließend der Personalkostenanteil folgt. Aber dann hören Sie doch mit dieser urinuancierten Polemik über die Investitionsquote auf. ({24}) Hören wir damit auf und nehmen bitte auch die Konsequenzen von Investitionen, nämlich Personalkostenausgaben, anschließend zur Kenntnis. Ich fasse meinen siebten Punkt zusammen. Mir ist nicht deutlich geworden, was Sie nun eigentlich wollen. Wollen Sie weniger Ausgaben der öffentlichen Hände und damit eine Abnahme der Beschäftigung? Wollen Sie die Konjunktur kaputtsparen? Oder wollen Sie mehr öffentliche Ausgaben oder Verzicht auf öffentliche Einnahmen über Steuersenkungen? Dann müssen Sie sagen, woher das Geld kommen soll. Sind wir nun in einem Finanzchaos oder haben wir, wie Herr Gaddum im Bundesrat vor einigen Wochen sagte, rapide Verbesserungen der öffentlichen Einnahmen zu verzeichnen'? Was stimmt? Sie müssen sich entscheiden. Wenn Sie weiterhin bei der Meinung bleiben, es gäbe ein Finanzchaos, dann müssen Sie Ihr Steuerpaket, das Sie demnächst debattieren wollen, zurückziehen. Wenn es aber um eine rapide Verbesserung der öffentlichen Finanzen geht, dann müssen Sie auf die CDU-regierten Länder einwirken, daß sie einen Teil dieser rapiden Verbesserung dem Bund bei der Umsatzsteuerneuverteilung für seine internationalen Verpflichtungen zur Verfügung stellen. ({25}) Ich meine also, hier muß ein Klärungsprozeß her. Sie können nicht in 25 Minuten jedem alles versprechen, sondern Sie müssen sich entscheiden. Nur dann sind Sie eine Alternative zu uns. ({26}) - Ich werde Ihnen gerne diese lange Tabelle überreichen. Warum soll ich Ihnen denn das alles vorführen? Sie kennen das doch alles. ({27}) Es sind insgesamt 13 Positionen. ({28}) Meine Damen und Herren, wir dagegen - wir werden das ja morgen in der dritten Lesung noch einmal darzustellen haben - machen eine Finanzpolitik, eine Haushaltspolitik, die zwei Prinzipien sicherstellen soll. Einmal geht es darum, die Haushaltskonsolidierung auch in Zukunft nicht aus dem Auge zu verlieren. Aber wir lassen es nicht zu, daß Sie die Konjunktur kaputtsparen wollen. Wir lassen es auch nicht zu, daß sich Konjunkturstabilisierung nicht auch durch die öffentlichen Haushalte vollzieht. Es ist eben doch - das hat diese Kurzdebatte heute morgen deutlich gemacht - ein großer Unterschied zwischen widersprüchlichen Reden, die jedem etwas versprechen, und verantwortlicher Politik für unser Land und für die Welt. ({29})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über Einzelplan 08 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Gegenprobe! - Einzelplan 08 ist damit angenommen. Meine Damen und Herren, der Haushaltsausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/612, die Unterrichtung durch die Bundesregierung betreffend den Finanzplan des Bundes 1976 bis 1980 - Drucksachen 8/101 und 8/325 - zur Kenntnis zu nehmen. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen. Wir kommen nunmehr zu Einzelplan 60. Hierzu liegen vier Änderungsanträge der Fraktion der CDU/CSU und ein Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und der FDP vor. Ich rufe zuerst den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 8/626 zu Kap. 60 01 sowie zu Anlage E zu Kap. 60 06 auf. - Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. Ich rufe nunmehr den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU Drucksache 8/627 zu Kap. 60 02 auf. Ich frage, ob das Wort zur Begründung gewünscht wird. - Das ist nicht der Fall. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Auch dieser Änderungsantrag ist abgelehnt. Ich rufe jetzt den Änderungsantrag Ziffer VII der Fraktionen der SPD, FDP auf Drucksache 8/615 zu Kap. 60 04 Tit. 642 31 auf. - Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist gegen die Stimmen der Opposition angenommen. Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen Ich rufe nun den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU Drucksache 8/628 zu Kap. 60 04 Tit. 698 01 auf. - Das Wort zur Begründung wird nicht begehrt. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. Ich rufe den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU Drucksache 8/629 zu Kap. 60 06 auf. - Das Wort zur Begründung wird nicht begehrt. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Zeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Auch dieser Antrag ist abgelehnt. Jetzt können wir zur Abstimmung über Einzelplan 60 kommen. Wer Einzelplan 60 in der Ausschußfassung mit den soeben auf Grund des Antrags der SPD und der FDP beschlossenen Änderungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist Einzelplan 60 mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Opposition angenommen. Wir kommen zu Einzelplan 32. Hierzu liegen auf Drucksache 8/615 unter den Ziffern V und VI Änderungsanträge der Fraktionen der SPD, FDP vor. - Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Meine Damen und Herren, wer diesen Änderungsanträgen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Die Änderungsanträge sind mit den bisherigen Mehrheitsverhältnissen angenommen. Wir kommen zur Abstimmung über Einzelplan 32. Wer Einzelplan 32 in der Ausschußfassung mit den soeben auf Grund der Änderungsanträge auf Drucksache 8/615 beschlossenen Änderungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Einzelplan 32 ist mit den Stimmen der Regierungsparteien gegen die der Opposition angenommen. Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über Einzelplan 33. Hierzu liegen keine Anträge vor. Wer Einzelplan 33 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Einstimmig gebilligt. Wir kommen zur Abstimmung über Einzelplan 35. Wer Einzelplan 35 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Der Einzelplan 35 - Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte - ist einstimmig gebilligt. Damit sind die mit Einzelplan 08 verbundenen Beratungen abgeschlossen. Nunmehr rufe ich auf: Einzelplan 09 Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft - Drucksache 8/499 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Waigel Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir treten in die allgemeine Aussprache ein. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Waigel.

Dr. Theodor Waigel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002412, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Obwohl die finanzpolitische Diskussion des Einzelplanes 08 und der damit zusammenhängenden Einzelpläne abgeschlossen ist, scheint es mir doch notwendig, noch einige wenige Bemerkungen zum Herrn Bundesfinanzminister und seinem vorigen Auftritt zu machen. Seine Ausführungen zur Finanzpolitik und den entsprechenden Einzelplänen waren ebenso schlecht wie seine Interpretationsversuche zum Achten Gebot. ({0}) Es grenzt, Herr Bundesminister, schon an peinliche Blasphemie, wenn Sie sich hier zum Interpreten von Bibel und Geboten aufwerfen. ({1}) Mir ist nämlich noch gut Ihre theologische Auslegung des Achten Gebots auf den Evangelischen Kirchentag in Erinnerung, wo Sie, wenn Presseberichte zutreffen, erklärt haben sollen, Sie seien auch bereit, dann und wann zu lügen, wenn es Ihrer Partei dient. Sich dann hier hinzustellen und mit solcher Geste und ehrlichem Blick etwas zum Achten Gebot zu sagen, ist schon ein starkes Stück, und das sollten Sie sich mit uns nicht erlauben. ({2}) Ihre Entrüstung auf diesem Gebiet ist jedenfalls unglaubwürdig. Herr Bundesfinanzminister, vielleicht könnten Sie diesbezüglich auch Ihrem Bundeskanzler einen kleinen Nachhilfeunterricht geben; denn der hat in den letzten Monaten mit diesem Gebot auch nicht übermäßig viel Erfolg gehabt. ({3}) Meine Damen und Herren, der Einzelplan 09, über den wir jetzt diskutieren, schließt mit Einnahmen von 97,860 Millionen DM und Ausgaben von 2 825 Millionen DM ab. Er enthält eine Steigerungsrate gegenüber dem Vorjahr, wenn man die durch die Ausschußberatung und Anträge herbeigeführten Änderungen einbezieht, von 5,4 %. Diese Steigerungsrate ist zwar der Gesamtsteigerung des Haushalts angemessen; aber als Investitionshaushalt ist er, wie ich meine, nicht dazu angetan, die Investitionstätigkeit zu verstärken. Herr Bundeswirtschaftsminister, weder Ihre konkrete Politik noch dieser Etat tragen die Handschrift eines Liberalen. ({4}) Sie haben in einer Rede vor dem Industrieclub in Düsseldorf zum Thema liberale Politik für Wirtschaft und Gesellschaft die öffentliche Investition pro Arbeitsplatz als erheblich teurer bezeichnet als die Investition im produzierenden Bereich und im Dienstleistungsbereich. Herr Wirtschaftsminister, wie können Sie dann eigentlich die Konjunktur- und Arbeitsprogrammflut dieser Regierung seit 1969 und insbesondere in den letzten Jahren mit tragen? ({5}) Sie haben in Ihren Reden darauf hingewiesen, wie notwendig Ertragsverbesserungen in der Wirtschaft, wie notwendig höhere Investitionen für ein steigendes Wachstum seien, um der Verteilungsproblematik einigermaßen gerecht zu werden. Nur eines hat bisher bei Ihnen und damit natürlich bei der Regierung gefehlt, nämlich ein überzeugendes wachstumspolitisches Paket, das allgemeine Wirkungen zeigen könnte. Die Programmflut hat bisher viele Milliarden gekostet, ohne die notwendige Wirkung zu zeigen. ({6}) Auch das Zukunftsprogramm, das wir - auch von der Opposition - haben laufen lassen ({7}) - Natürlich, weil ja die Länder mit dabei sind und weil sie, um Mittel nicht verlorengehen zu lassen, gar nicht aus dem Zwang herauskönnen, den die Regierung ihnen auferlegt. Das ist doch die miserable Situation! ({8}) Dieses Investitionsprogramm ist kein echtes wachstumspolitisches Programm; es ist ein Vorzieh-Programm. Die Kritik des Sachverständigengutachtens trifft zu, daß diese Programme in den Normalhaushalten wieder eingespart werden, so daß kein echter Effekt erzielt wird. ({9}) - Herr Roth, Sie sollten sich in dem Punkt mit Ihrem Koalitionspartner Graf Lambsdorff unterhalten. Wenn ich richtig informiert bin, hat er oder jemand aus Ihrer Partei - ich glaube, es war sogar Herr Wehner - gesagt, dieses Programm sei von Bayern mustergültig angegangen worden; das gleiche hat er bei SPD-regierten Ländern vermißt. ({10}) - Nein, der Landtagswahlkampf war vorher; wir gewinnen Wahlkämpfe mit Argumenten und nicht mit Programmen. ({11}) Zur Ausbildungssituation im mittelständischen Bereich und in der Wirtschaft haben Sie, Herr Bundesminister, in einer Rede auf der Handwerksmesse in München gesagt, hier drohe die Gefahr, daß der Druck so groß werde, daß jede Regierung, die Verantwortung trage, öffentliche Lösungen bekomme, die Sie nicht wollten. Und was ist als Ergebnis herausgekommen? Noch in einem Brief an Ihre Kollegen von der FDP haben Sie gewarnt und sich für ein Zulagensystem, finanziert aus öffentlichen Mitteln, eingesetzt. Herausgekommen ist am Ende ein Ausbildungsplatzförderungsgesetz mit der Möglichkeit einer Zwangsumlage, etwas, was doch nicht zur Handschrift eines liberalen Wirtschaftsministers passen sollte. ({12}) Herr Minister, in Ihre Zeit als Wirtschaftsminister fällt das Faktum, daß sich die Staatsabgabenquote bis auf 47 O/o im Jahre 1977 erhöht hat. Sie haben viel von privaten Investitionen gesprochen; in Wirklichkeit hat sich nur die Staatsabgabenquote entscheidend verbessert. Das sind die großen Diskrepanzen auch in diesem Zusammenhang. Noch ein Wort zur Frau Kollegin Matthäus: Frau Kollegin, Ihre Ausführungen vorhin standen im inhaltlichen Bereich in umgekehrt proportionalem Verhältnis zu dem von Ihnen manchmal an den Tag gelegten Charme. ({13}) Denn Sie haben nur von der Steuerquote gesprochen, aber in dem Zusammenhang nicht die Gesamtabgabenquote berücksichtigt, und das ist doch das Datum, das bei der Belastung entscheidend ist. ({14}) Dieser Einzelplan 09, meine sehr verehrten Damen und Herren, besitzt keine politische Programmfunktion. Regierungshandeln und Haushaltsplanung liegen nicht in einer Hand, und das Prinzip der Vollständigkeit des Haushalts - ein altes Prinzip der Haushaltsplanung - geht zusehends verloren. Dieser Wirtschaftshaushalt ist kein zahlenmäßiger Ausdruck des politischen Willens und des Arbeitsprogramms dieser Regierung. Wirtschaftspolitik vollzieht sich leider weitgehend außerhalb der Etatansätze; das Budget ist nicht mehr Instrument wirtschaftspolitischer Zielsetzungen. Das gleiche gilt auch für die prognostischen Aussagen zum Wirtschaftsetat. Die Verschätz-Quote wird immer größer. Während man uns sagt: da ist nichts mehr drin, sind plötzlich wieder die Mittel für Teile eines Investitionsprogramms da, jetzt für die Kohleförderung und für viele andere Dinge. Es ist ein großes Problem, daß Sie uns im Haushaltsausschuß über kleine Ansätze diskutieren, reden und dabei sparen lassen und dann mit den großen Blöcken kommen, ohne sie überhaupt noch in die Haushaltsberatungen einführen zu können. ({15}) Das ist unseriös! ({16}) - Herr Löffler, Sie waren gestern abend viel charmanter, und wenn Sie deutlicher reden würden, könnte ich Sie auch verstehen und darauf eingehen. ({17}) - Herr Wehner darf sich nur noch zu Dingen äußern, die außerhalb der eigenen Partei angesiedelt sind. ({18}) - Er sagt „natürlich" ; das spricht Bände. ({19}) - Herr Wehner, Sie bestätigen uns und sind für uns die beste Wahllokomotive. ({20}) Es blieb dem Haushaltsausschuß vorbehalten, das Thema Entsorgung konkret anzusprechen und einer gewissen Lösung zuzuführen. Die Regierung hatte nicht den Mut, die entsprechenden Personalansätze für die Entsorgung bei der PhysikalischTechnischen Bundesanstalt in Ansatz zu bringen. Wir haben - obwohl sonst zur Sparsamkeit verpflichtet - für diese nationale Aufgabe einstimmig im Haushaltsausschuß die Mittel und die Personalstellen bereitgestellt. ({21}) - Das tue ich immer, wenn es der Wahrheitsfindung und der Objektivität dient. Dies zeigt deutlich, daß aber die Regierung an dieses Thema nur halbherzig herangeht und nicht den Mut und den Willen hat, das energiepolitische Konzept für das nächste Jahrzehnt offenzulegen oder auch in die Tat umzusetzen. ({22}) Nun liegt uns im Energiebereich ein Antrag der Koalition vor, die Kokskohle-Förderbeihilfen um 230 Millionen DM zu erhöhen. Ich will dazu namens unserer Fraktion feststellen, daß wir dem zustimmen, wenn man uns schlüssig begründen kann, daß dies unter sektoralen und energiepolitischen Gesichtspunkten notwendig ist. Nur eines will ich zu diesem Verfahren sagen: formal ist dieses gewählte Verfahren korrekt, aber es ist nicht die Art und Weise, wie man mit dem Parlament und wie man insbesondere mit dem Haushaltsausschuß umgehen kann. ({23}) Es ist unzumutbar, ohne Information der Berichterstatter, ohne Information des Haushaltsausschusses einen solchen Riesenblock, der den ganzen Etat entscheidend verändert, ohne Beratung, ohne Vorinformation, ohne die notwendigen Daten, im Schnellverfahren in die Diskussion einzubeziehen. ({24}) Eine solche Form von Information, Herr Bundesminister, waren wir bisher von Ihnen nicht gewöhnt. Das ist schlechter Stil, offensichtlich in Angleichung an das, was überhaupt an Informationspolitik in den letzten Monaten und Jahren passiert ist. Diese Form des Vorgehens kann auch durch die Notwendigkeit der Entscheidung, so meine ich, nicht entschuldigt werden. Es wäre Zeit gewesen, uns rechtzeitig auf dieses Haushaltsrisiko aufmerksam zu machen. ({25}) - Dies ist nicht geschehen, Herr Löffler. Ich weiß nicht, ob Sie informiert waren. Wir waren jedenfalls nicht rechtzeitig informiert. Wenn der Haushaltsausschuß nicht einmal mehr die Möglichkeit hat, ein einziges Mal darüber zu diskutieren, dann beweist das doch einen miserablen Stil, den wir nicht hinnehmen. ({26}) Das wirft Konsequenzen auf. Während wir bisher willens waren, ausgabenwirksame Anträge nicht mehr in die Diskussion einzubringen, obwohl wir im Haushaltsausschuß dafür Deckungsvorschläge hatten, kommen Sie nun auf einen Schlag mit einem großen Brocken. Da stellt sich die Frage, ob nicht auch die anderen Dinge, die nicht mehr in die Diskussion eingebracht werden sollten, noch einmal diskutiert werden müssen. Daher unser Antrag. Ich bedaure eines sehr. Gerade die Kokskohle, die Förderung, die Kohlepolitik, all die Dinge haben Auswirkungen auch auf die regionale Strukturpolitik, Auswirkungen auf die revierfernen Gebiete. Wenn heute früh im Unterausschuß für Zonenrandhilfe nicht einmal mehr die Bereitschaft vorhanden war, darüber zu diskutieren, darüber zu reden, ({27}) dann hat sich offensichtlich ein neuer Stil hier eingebürgert, für ,den die Regierung, für den auch Sie, Herr Bundeswirtschaftsminister, die Verantwortung tragen. Gut ist das im Sinne dieser wichtigen Anliegen jedenfalls nicht, wo immerhin bis jetzt noch ein Konsens über wichtige Grunderfordernisse bestand. ({28}) Ich appeliere deshalb an Sie, Herr Bundesminister, und an die Koalition, auf unseren Antrag auf Erhöhung der Frachthilfe, auf unseren Antrag zur Förderung des Handwerks und auf unseren Antrag zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur einzugehen. Sie sind ein Korrelat, sie gehören hier mit herein, und sie sind notwendig, um eine regional ausgewogene Investitions- und Wirtschaftspolitik in unserem Lande zu erreichen. ({29}) Noch ein Wort zur Gemeinschaftsaufgabe. Hier zeigt sich eigentlich ganz deutlich das Durcheinander von Finanz- und Wirtschaftspolitik. Während wir noch bei der Haushaltsberatung nicht erreichen konnten, daß die Kürzung von 10 % der Mittel für diese Investitionen in den schwach strukturierten Gebieten rückgängig gemacht wird, werden auf der anderen Seite Programme eingebracht, die genau das Gegenteil von dem aussagen. Im Normalhaushalt kürzen wir um 10 %. Im Ergänzungshaushalt sind wieder 25 Millionen DM mehr dafür drin. Hier stimmt doch nichts mehr zusammen. Das ist ein Durcheinander von Normalhaushalt, von Nebenhaushalt, von Ergänzungshaushalt, von Finanzplanung und von Sonderprogrammen, ({30}) bei dem die Programmfunktion, die Klarheit des Haushalts längst verlorengegangen ist zum Schaden einer verstetigten Konjunkturpolitik, die wir gerade in diesem schwach strukturierten Räumen dringend brauchten. ({31}) Dieses Faktum offenbart auch die ganze Krise der Strukturpolitik. Herr Bundeswirtschaftsminister, es wird Zeit, daß endlich ein Konzept auf den Tisch gelegt wird, wie Sie sich die regionale Strukturpolitik in den nächsten Jahren vorstellen. Sie müssen dann sagen, was Sie wollen: Wollen Sie die sektorale Strukturpolitik in der regionalen Strukturpolitik haben, oder wollen Sie die Reduzierung der Förderkulisse? Dann können Sie aber nicht so weitermachen, wie Sie es bisher gemacht haben. Hier findet ein Durcheinander von sektoraler und von regionaler Strukturpolitik statt, und es wäre dringend notwendig, daß Sie uns endlich sagen, wie hier ein besseres Instrumentarium geschaffen werden soll. Entweder werden schwerwiegende Sektoralprobleme in die Gemeinschaftsaufgabe einbezogen - dann müssen aber auch die Mittel, die zugunsten einer Förderung im sektoralen Bereich eingesetzt werden, voll in die Gemeinschaftsaufgabe einbezogen werden - oder sektorale Probleme werden generell aus der Gemeinschaftsaufgabe ausgegliedert; das würde zur Reduzierung der Fördergebiete führen, die ohnehin mit 60 % weit überfrachtet sind. Auch hier wäre es endlich an der Zeit, neben Papiervorlagen, die kaum jemand versteht, zur Frage der Erfolgskontrolle ein echtes, brauchbares und lesbares Papier vorzulegen. Zum Thema Mittelstands- und Handwerkspolitik wird mein Kollege Hauser bei der Begründung des Antrags ein paar Bemerkungen machen. Nur eines ist unverständlich. Eine Politik, die in angeblich liberalen Reden immer wieder darauf hinweist, wie wichtig die möglichst große Zahl von selbständigen Existenzen ist, muß auch bereit sein, dafür Mittel zur Verfügung zu stellen. ({32}) Es ist unerträglich, daß hier jedes Jahr dieses Feilschen um wenige Millionen stattfindet, wo jeder weiß, daß gerade diese Investitionen Wachstumsinvestitionen sind, weil kein anderer Bereich wie der Mittelstand bereit ist, Erweiterungsinvestitionen durchzuführen und gerade im Bereich der beruflichen Bildung jetzt und in der Vergangenheit Hervorragendes geleistet hat. ({33}) Ich begreife eines nicht ganz, Herr Bundeswirtschaftsminister. Vor zwei Tagen ist von Ihren Augen gesprochen worden. ({34}) - Von denen der Unternehmer! Schön! Aber wenn ich zu Ihren Augen kommen darf, Herr Minister: Ich bedauere etwas, daß eines Ihrer beiden rehbraunen Augen, nämlich das rechte, zwinkernd dem Handwerk immer signalisiert: „Aber natürlich mache ich mit. Wir werden das noch etwas erhöhen", während das linke in Koalitionsräson geschlossen gehalten wird, damit man sich an die Aussage des rechten Zwinkerns nicht zu halten braucht. ({35}) Herr Minister, wir geben Ihnen heute die Möglichkeit, dem Handwerk zu signalisieren, daß Sie für die notwendige Erhöhung dieser Mittel sind, indem Sie vom hohen Podest des Ministers herabsteigen und für den CDU/CSU-Antrag stimmen. ({36}) Ich fasse zusammen: Dieser Einzelplan 09 und die Wirtschaftspolitik tragen keine liberale Handschrift. Es besteht eine erhebliche Diskrepanz zwischen den Reden des Ministers und seiner Politik. Dieser Haushalt ist perspektivenlos. Er zeigt weder im Energiebereich noch im Rohstoffbereich noch bei der Strukturförderung schlüssige Lösungsmöglichkeiten für die bestehenden Probleme auf. Für die drängenden Probleme des Wirtschaftswachstums, der Investitionen, des Arbeitsmarktes werden keine überzeugenden Lösungen angeboten. Dieser Haushalt spiegelt das wirtschaftspolitische Geschehen nicht umfassend wider. Entscheidende wirtschaftspolitische Vorgänge finden außerhalb dieses Haushalts statt. Dieser Haushalt führt zu einer weiteren Benachteiligung gerade strukturschwacher Räume. Dieser Einzelplan 09 enthält in zu geringem Umfang Umschichtungen vom konsumtiven zum investiven Bereich. Das sind Punkte und Gründe genug, diesen Einzelplan abzulehnen. ({37})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Sperling.

Dr. Dietrich Sperling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kohl hat gesagt, die Unternehmer im Land kriegten feuchte Augen, wenn unser Wirtschaftsminister vor ihnen spreche. Das war sicher eine der artigen Formulierungen, wie sie der Kollege Kohl häufiger gebraucht. ({0}) Sie war sicher als ein Lob dafür gemeint, daß man von unserem Wirtschaftsminister immer kluge Gedanken und realistische Einsichten in die volkswirtschaftlichen Entwicklungen zu hören bekommt. Nur, wenn Sie dies schon sagen, Herr Kohl, dann dürfen wir uns ja fragen, was die Unternehmer wohl für Augen kriegen, wenn Sie jemanden losschicken. ({1}) Wenn Sie gehen, müssen sich die Unternehmer wahrscheinlich Sand aus den Augen reiben. Denn im Gegensatz zu dem hohen Viskositätsgrad der Reden des Herr Kollegen Barzel, der ein paar Ölspuren auf den Pupillen hinterlassen würde, muß man bei Ihnen mit Kratzwirkungen rechnen. Wenn ich mir überlege, wen Sie noch schicken können, muß ich sagen: Da es diese leicht filzigen Verbindungen zur großen Industrie bei der Institutsgründung gibt, wäre das Vernünftigste und der Richtige wohl der Herr Biedenkopf, zumal da der Kontakt mit der großen Wirtschaft Einsichten vermitteln kann. Er hat das für den außenpolitischen Bereich gezeigt. ({2}) Wenn Sie ein bißchen von Herrn Biedenkopf lernten und wenn er mit mehr von dem, was man über die Zustände in unserem Land auch im Bereich der Wirtschaft denkt, lernt, dann wäre manches gewonnen. Ein altes Sprichwort sagt: Wem Gott gibt ein Amt, dem gibt er auch Verstand. ({3}) Es wäre schön, wenn Sie von der Opposition ein bißchen Amtsverständnis dafür entwickelten. Denn das, was Sie zur Zeit machen, ist eigentlich eine Inflationspolitik der Unionen. Ich rede nicht von der gerade in Mönchengladbach entwickelten, sondern von den Unionen, die Sie uns hier in der Debatte vorführen. ({4}) Da gibt es die Ausgaben-Union. Letztes Exemplar: Herr Burger gestern nacht, der kräftig mehr Geld wollte. Allerletztes Exemplar in einer zumindest teilweise bayerischen Fassung: Herr Waigel, auch ein Politiker der Ausgaben-Union. Herr Carstens ({5}) dagegen ist ein Vertreter der Spar-Union. Und die kriegen Sie nie unter einen gemeinsamen Hut, wie auch immer Sie den umkrempeln wollen. ({6}) Herr Kohl, wenn ich mir so anschaue, was Sie so alles an Wirtschaftspolitikern ins Land schicken, dann meine ich, unsere Unternehmer müssen eigentlich schielen lernen, wenn sie bei Ihnen durchblicken wollen - so kreuz und quer geht das. ({7}) Ich bin im übrigen zufrieden, wenn Unternehmeraugen glänzen - obwohl ich mich freuen würde, wenn auch Gewerkschafteraugen mehr glänzten, wenn der Wirtschaftsminister durch die Lande geht. Aber ich bin auch zufrieden, wenn Unternehmeraugen glänzen, falls dies unser Wirtschaftsminister bewirkt. Meine Nebenbemerkung, Herr Friderichs, sagt nur: Ich sehe es lieber, daß Sie u n s bremsen, als daß Sie d i e beflügeln müssen. ({8}) Unser Wirtschaftsminister hat darüber hinaus - und Herr Friderichs wird mir auch das, hoffe ich, nachsehen - einen Riesenvorteil: ({9}) Er hat einen Kanzler, der von dem Geschäft auch etwas versteht, das er zu betreiben hat. ({10}) Damit bin ich bei einem entscheidenden Punkt der Wirtschaftspolitik, den Sie im Haushalt nicht finden. Ich überschreibe das mit „Londoner Gipfelkonferenz". ({11}) Überlegen Sie einmal, wie es mit der Wirtschaftspolitik nicht nur unseres Landes, sondern der der industrialisierten Welt aussähe, wenn unser Land dort einen anderen Kanzler hinschicken müßte. Was an internationaler Abstimmung der Wirtschaftspolitik erfolgt - und dies in einem guten Einvernehmen zwischen den Partnern -, wurde in London deutlich. Wie nötig eine solche Konferenz wie die von London für eine internationale Abstimmung der Wirtschaftspolitik ist, wird sich hier auch im Zusammenhang mit einem dicken Ausgabenbrocken zeigen. Herr Waigel hat darüber gesprochen. Für mich stehen das, was mit Kokskohle zu tun hat, und die Ergebnisse der Konferenz von London tatsächlich in einem Zusammenhang. ({12}) Wir können erkennen, daß die Arbeitsplätze der Stahlkocher auf Grund dessen, was sich in der Weltwirtschaft tut, in Gefahr geraten sind. Dann kommt eine Automatik zum Zuge, die diese Fraktion, der ich angehöre und, glaube ich, auch die Fraktion der FDP nicht willfährig, aber mit Nachdenken mitvollziehen. Deswegen werden für die Sicherung der Arbeitsplätze der Stahlkocher in unserem Lande jene 230 Millionen DM zur Verfügung gestellt, über die wir auch gerne länger hätten diskutieren können. Nur, dann müßten wir uns fragen, wieviel Zeit der Haushaltsausschuß auf Grund der Wahltermine im vergangenen Jahr gehabt hat, um diesen Haushalt zu behandeln. Ich will hier nicht weiter darauf eingehen. Ich bin gern für mehr Diskussion. Nur müssen wir auch einsehen: Viel mehr Zeit, um mit noch mehr Stoff fertig zu werden, hat der Haushaltsausschuß dem Wirtschaftsminister auch nicht lassen können, und dies aus gutem Grund; denn der Haushalt sollte möglichst in der ersten Jahreshälfte verabschiedet werden, dies noch dringlicher, nachdem das Bundesverfassungsgericht einiges dazu gesagt hat. ({13}) Der Haushalt des Wirtschaftsministers enthält eine erhebliche Zahl von Posten. Man fragt sich aber, ob eigentlich die Instrumente, die darin stehen, ausreichen - Herr Waigel hat darauf auch hingewiesen -, um unsere Wirtschaft steuern zu können. Sie reichen nicht aus. Deshalb ist es auch vernünftig, daß der Wirtschafts- und der Finanzminister gemeinsam, über die anderen Haushalte hinweg, über die Staatsquote gemeinsam Wirtschafts- und Finanzpolitik betreiben. Der Haushalt des Wirtschaftsministers enthält aber eine ganze Menge. Er enthält ganz erhebliche Beträge zur Sicherung der Arbeitsplätze der Kumpel an der Ruhr und an der Saar. ({14}) Er enthält ferner - und dies gehört mit zur Wirtschaftspolitik dazu - fast 1 Milliarde DM für die Kohle. Die Förderung der Kokskohle in Höhe von 230 Millionen DM kommt hinzu. Da stehen ferner erhebliche Beträge - über 420 Millionen DM - für zwei Wirtschaftssektoren, um deren Förderung es uns in der Tat geht. Da könnten manche Metallarbeiter im Schiffsbau, auf den Werften und im Flugzeugbau von mir auch einmal glänzende Augen kriegen. In diesem Haushalt sind 420 Millionen DM für die Förderung von Schiffsbau und Luftfahrttechnik veranschlagt. Wir haben im Haushalt eine Vielzahl von Beträgen zur Förderung des Mittelstands. Herr Waigel, die Art, wie Sie das hier abgetan haben, wird dem Sachverhalt nicht gerecht. Dieser Haushalt des Wirtschaftsministeriums enthält Mittel für die Förderung kleiner mittelständischer Unternehmen, kleiner Gewerbebetriebe, der Handelsbetriebe, der Betriebe, die vom Fremdenverkehr leben. Dort hat der Haushaltsausschuß die Ansätze auch aufgestockt. Nun, Herr Minister, möchte ich eine kritische Anmerkung machen. Wenn man die Entwicklung bestimmter Titel des Haushalts über die Jahre hinweg verfolgt, kann der Eindruck entstehen, daß Ihr Ministerium sagte: Da legen die Jungs aus dem Haushaltsausschuß mit Sicherheit zu, da brauchen wir von der Regierung her gar nicht erst aufzustocken; die sparen sowieso irgendwo etwas ein, und das legen sie uns dann auf die entsprechenden Titel drauf. Am deutlichsten wird dies bei dem Titel für das Handwerk. Sozusagen mit gelassenem Gottvertrauen setzt das deutsche Handwerk darauf: Dieser Haushaltsausschuß wird es schon richten, wenn es beim Ministerium nicht ganz gelangt hat. Meine Aufforderung ist, daß die Regierungsvorlage wirklichkeitsgerecht sein soll und daß man nicht diesen merkwürdigen Lobbymechanismus auftreten läßt. ({15}) Möglicherweise ist der geäußerte Verdacht nicht gerechtfertigt; aber wir sollten dafür sorgen, daß der Ansatz der Regierung wirklichkeitsgerecht ist. ({16}) - Ja, das ist ganz richtig, auch Herr Apel darf ruhig zuhören und sich als mitgemeint betrachten. Dies gilt insbesondere für das, was das Handwerk über die überbetriebliche Ausbildung geschrieben hat. Nun möge Herr Apel noch einmal genau zuhören: Ich bin dafür, daß ein Nachtragshaushalt in diesem Bereich sogar etwas enthalten kann. Wir werden ja einen bekommen, und dort sollte die Regierung sich das sehr sorgfältig überlegen. ({17}) Nicht: Hic Rhodos, hic salta! Wir müssen auch den Freunden vom Handwerk deutlich machen, daß es sinnvoller ist, vorher mit der Regierung zu reden, als nach Schluß der Haushaltsausschußsitzung zu uns zu kommen. Wir erklären unsere Bereitschaft, uns die sorgfältige Prüfung der Regierung noch einmal zu Gemüte zu führen. ({18}) - Nein, Herr Stücklen, es gibt Bräuche, die irgendwann um der korrekten Gestaltung willen einmal durchbrochen werden müssen. Dem Handwerk geht nach meiner Meinung in diesem Jahr nichts verloren. ({19}) Ich sage dazu: Die Denkschrift mit dem Verweis auf die überbetriebliche Ausbildung, die uns das Handwerk nach Schluß der Beratungen im Haushaltsausschuß geliefert hat, verdient Beachtung. Das verdient auch im Lichte der Ausführungen Beachtung, die der frühere Mainzer Ministerpräsident und Parteivorsitzende der CDU in diesen Rollen einmal gemacht hat, wovon man nichts wiederfindet, wenn er hier als Fraktionsvorsitzender tätig werden darf; denn das, was im Mainzer Landtag zur überbetrieblichen Ausbildung gesprochen wurde und was CDU-Parteitagsbeschlüsse in Hamburg gewesen sind, darf er hier nicht exekutieren. Zum Forum über die Zukunftschancen der jungen Generation, Herr Kohl, hätten Sie Ihren Herrn Zimmermann schicken sollen, damit er sagt, was alles nicht geht, weil die es nicht wollen. ({20}) Nun haben wir noch einen Punkt, den ich ein bißchen erläutern muß: die regionale Wirtschaftspolitik. Dazu liegen Anträge zur Frachthilfe vor. Da gilt derselbe Mechanismus, Herr Minister; auch Herr Minister Apel möge dies hören. Wir sollten mit dem jährlichen Aufstocken an bestimmten Stellen Schluß machen. Es ist richtig, daß der Haushaltsausschuß dort tätig wird, wo inzwischen neue Entwicklungen eingetreten sind; aber wo es sich um vorher absehbare Entwicklungen handelt, gehört das von vornherein in die Regierungsvorlage. Zur regionalen Wirtschaftsförderung, inklusive Zukunftsinvestitionsprogramm, steht in diesem Haushalt in der Tat eine ganze Menge. Wenn die Länder und die Gemeinden hierbei so mitziehen, wie Sie es sollen, und den Bundeshaushalt nicht als eine andere Finanzierungsquelle für Vorhaben betrachten, die sie sonst hätten selber finanzieren müssen, dann haben wir - das ist in einem föderalistischen System richtig - eine konzertierte Wirtschaftspolitik auch zwischen Regierungen, die nicht aus denselben Parteien kommen. Daran krankt es in unserem Land, wenn es um föderalistische Wirtschaftspolitik geht: daß Länderregierungen gegen den Kurs des Bundes steuern. Nun sei mir auch ein Wort zum Problem der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte im Zusammenhang mit dem, was an Wirtschaftspolitik betrieben wird, erlaubt. Die Regierung macht ja nicht alle Wirtschaftspolitik in diesem Land; es gibt dabei auch noch den Partner Bundesbank. Die Bundesbank hat in ihrem Bericht darauf verwiesen, daß die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte ein erhebliches Problem ist. Sie könnte helfen, indem sie selbst noch ein bißchen mehr Druck dahin gehend ausübte, daß die Zinsen für jene Kredite sinken, die der Bund aufnehmen muß. Nachdem auf einen Mehrwertsteuerpunkt verzichtet und eine VermöDr. Sperling gensteuersenkung betrieben wurde, läßt sich fragen, ob die Banken insgesamt so hohe Erträge erwirtschaften müssen, die dann von den Firmen als Fremdkapital aufgenommen werden müssen, oder ob nicht eine Zinssenkung insgesamt und weniger Erträge der Geschäftsbanken nützlich wären, um den Eigenkapitalanteil bei Investitionen zu stärken. Ich würde mir wünschen, daß die Bundesbank eine Politik treiben würde, die sie auch einmal angedeutet hat, als sie sagte, die Geschäftsbanken müßten ihre Zinsen senken. Die Bundesbank könnte dabei helfen. Ich hielte es für sinnvoll, auf diese Weise einen Beitrag der Wirtschaftspolitik zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte zu leisten. ({21}) Schließlich haben wir im Haushalt des Wirtschaftsministers etwas, was vorher nicht enthalten war, nämlich die Wirtschaftsforschungsinstitute. Ich muß sagen, durch die Art, wie das gelaufen ist, habe ich ein Stück bayerischen Filzes kennengelernt. ({22}) Es gibt in München ein Wirtschaftsforschungsinstitut, das Beratungsaufgaben übernimmt und nun aus dem Bundeshaushalt institutionell gefördert wird. Dieses Institut hat gerade noch einmal Postenpolitik gemacht. Da wurde, ohne daß ersichtlich ist, warum dies qualitativ so sein muß, schnell noch einmal befördert. Da rutschte man in erstaunlichem Ausmaß von unten nach oben. Wir haben dann im Haushaltsausschuß gemeinsam einen ku-Vermerk anbringen müssen. Meine Nachbetrachtung hat ergeben, es sind noch gar nicht genug ku-Vermerke angebracht. Da ist noch etwas viel Schlimmeres passiert; da ist auf viel breiterer Basis etwas geschehen, als wir bei der Sitzung des Haushaltsausschusses zugrunde legen konnten, weil wir uns an der herausragenden B 11-Stelle orientiert hatten.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege Sperling, wollen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Waigel zulassen?

Dr. Dietrich Sperling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, gerne, Herr Waigel.

Dr. Theodor Waigel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002412, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Sperling, sind Sie bereit, zuzugeben, daß das, was Sie eben gegeißelt haben, nämlich die Anhebung einer Stelle, gegen den Widerstand des Vertreters des Freistaates Bayern in diesem Institut erfolgt ist, und sind Sie dann bereit, den Vorwurf der Filzokratie zurückzunehmen?

Dr. Dietrich Sperling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein, dann hätte nämlich der Freistaat Bayern diese merkwürdige Personalmaßnahme von vornherein, mit seiner Geißel unterschrieben, uns zuleiten und sagen können: Dies ist nicht in Ordnung. Sie haben in Bayern angeblich sehr durchsetzungskräftige Politiker. Könnten die bei dem Institut nichts bewirken? Was dort geschehen ist, ist nicht in Ordnung. Das wird deutlich, wenn man sich anschaut, aus welchen Wirtschaftsforschungsinstituten wir den Ratschlag bekommen, konsumtive Ausgaben einzuschränken. Wenn dieselben Leute zunächst einmal die konsumtiven Ausgaben erhöhen, indem sie sozusagen ihre eigenen Gehälter erhöhen, dann ist der Ratschlag nicht sehr solide. ({0}) Dies möchte ich diesem bayerischen Institut ins Stammbuch schreiben, damit die sich genau überlegen, was sie uns sagen. Denn den Ernst einer Theorie kann man an der Praxis dieser Theoretiker, wenn es um die eigenen Gehälter geht, genau erkennen. Da haben die ein bißchen gesündigt. Ich glaube, wir können mit dem, was im Haushalt des Wirtschaftsministers steht, eine vernünftige beschäftigungswirksame Wirtschaftspolitik machen. Ich wünsche dem zweiten Halbjahr dieses Haushalts viel Erfolg mit dem, was an Absichten in dem Haushalt steckt. Machen wir es kurz: Wir stimmen unseren Anträgen zu und lehnen Ihre Anträge ab. ({1})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Haussmann.

Prof. Dr. Helmut Haussmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000836, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind heute hier aufgefordert, den Einzelplan 09 des Bundesministers für Wirtschaft zu beurteilen. Ich möchte fragen: Welche Programmfunktion - darauf ist bereits Herr Waigel eingegangen - kommt diesem Haushalt zu? Neben verschiedenen kleineren interessanten Ansätzen sind es vor allem drei Hauptziele, die ich in meinem Beitrag kurz beurteilen möchte. Zum ersten gibt es hier beschäftigungspolitische Anstrengungen, zum zweiten gibt es wichtige Maßnahmen zur Energiesicherung, und zum dritten, aber nicht zuletzt, sind darin Ansätze für verbraucherpolitische Maßnahmen. Zum ersten: Mein Kollege Sperling hat bereits darauf hingewiesen, daß bei den strukturpolitischen Programmen ein wesentlicher Anteil Industrien zukommt, die derzeit nicht ohne staatliche Hilfen existieren könnten. So haben die deutschen Werften mit weltweiten Wettbewerbsverzerrungen und strukturellen Überkapazitäten zu kämpfen. Weil diese Werftarbeitsplätze für bestimmte Küstenregionen eine sehr hohe beschäftigungspolitische Priorität haben, werden hierfür über 80 Millionen DM bereitgestellt. Um technologisch hochwertige Arbeitsplätze in der Luftfahrtindustrie langfristig zu sichern, werden in diesem Haushalt über 330 Millionen DM als Förderungshilfen für zivile Projekte in Ansatz gebracht. Um die Beschäftigungslage in den Revieren, nicht zuletzt auch im Hinblick auf die Energiesicherheit, zu sichern, wurden über 830 Millionen DM zur Förderung des Steinkohlebergbaus in den Haushalt eingestellt. 1977 wurden über 150 Millionen DM für die hier angesprochene Mittelstandsförderung bereitgestellt. Für uns Freie Demokraten werden in diesem Bereich immer stärker prophylaktische Hilfen zur Selbsthilfe wichtig. Dies sind vor allem Maßnahmen zur Verbesserung der Unternehmensführung sowie zur Aktivierung des Forschungs- und Innovations-potentials. ({0}) Die Steigerungsrate in diesem Mittelstandsbereich mit über 10 % gegenüber 1976 ist fast doppelt so hoch wie die im Einzelplan 09 insgesamt. Einer darüber hinausgehenden Aufstockung, wie sie ja die Opposition in den Ausschußberatungen und auch heute wieder beantragt hat, können die Freien Demokraten wegen fehlender Deckungsvorschläge nicht zustimmen. Ich möchte einige allgemeine Bemerkungen zur Strukturpolitik machen. Es ist sicherlich unstrittig, daß der Staat ständig und vermehrt regionale, sektorale und betriebsgrößenbezogene Strukturpolitik betreibt. Ich glaube, wir können uns auch dahin verständigen, daß diese Interventionen oft nicht genügend aufeinander abgestimmt sind. Ich begrüße daher ausdrücklich die Reihe von Vorschlägen, die im Moment aus dem wissenschaftlichen und politischen Raum für eine effizientere Strukturpolitik gemacht worden sind. Die FDP wird diese Vorschläge mit sehr großer Sorgfalt prüfen. Richtschnur wird für uns sein, daß das System der Sozialen Marktwirtschaft durch strukturpolitische Maßnahmen den sich ändernden Rahmenbedingungen angepaßt wird. ({1}) Ich möchte auch eine Bemerkung zu dem machen, was mein Kollege Waigel hier angesprochen hat. Ich glaube, dieser Einzelplan 09 bietet eine sehr gute Möglichkeit, sehr konkret um das bessere strukturpolitische Konzept zu ringen. Es wäre zu fragen, wo die konkreten Vorschläge der Union für eine bessere Abstimmung der einzelnen Strukturpolitiken sind. Es wäre interessant, zu wissen, wo die Vorschläge zu einer besseren Erfolgskontrolle sind. Es wäre sehr wichtig, zu wissen, welche konkreten Umschichtungsvorschläge Sie machen, um von den auch für mich zu dominanten Erhaltungssubventionen verstärkt zu Innovationshilfen zu kommen. ({2}) Ich habe hierzu sehr wenig Konkretes gehört, und Sie, Herr Waigel, haben ja von einer Programmflut gesprochen. Sie sind insoweit konsequent geblieben, als Sie als CSU-Abgeordneter diese Programmflut im Moment nicht erhöhen, während das arbeitsmarktpolitische Konzept der CDU mit etwa 15 Milliarden DM zu dieser Programmflut beiträgt. ({3}) Dann haben Sie gesagt, Herr Waigel, man müsse endlich zu einem Wachstumspaket kommen. Dieser Begriff des Wachstumspakets ist meines Erachtens sachlich richtig, ist aber ein Widerspruch zu dem, was Sie vorher sagten. Denn die Begriffe Programmflut und Wachstumspaket bedeuten ja, daß wir auf dem Gebiet der Beschäftigungspolitik verschiedene Komponenten, verschiedene Ansätze strukturpolitischer, arbeitsmarktpolitischer und wachstumspolitischer Art brauchen. Wachstumspaket deutet auch darauf hin, daß wir zeitlich gesehen die Möglichkeit haben müssen, einzelne Programme immer wieder zu überprüfen und anzupassen. Deshalb wird es so etwas wie ein absolutes und einmaliges Wachstumsprogramm nicht geben. ({4}) Sie haben ferner gesagt, daß das Infrastrukturprogramm seine ursprüngliche wachstums- und beschäftigungspolitische Funktion verloren habe. ({5}) Ich muß Sie aber fragen, ob nicht zur Denaturierung dieses Programmansatzes die Länder sehr maßgeblich beigetragen haben. Zweitens. Weiterer Schwerpunkt des Einzelplans 09 sind energiepolitische Maßnahmen, für die in diesem Jahr ohne die Maßnahmen des Infrastrukturprogrammes über 1,4 Milliarden DM vorgesehen wurden. Wichtige Stichworte sind hier: Kohlehilfen, Mineralölhilfen, insbesondere Rohölbevorratung und neuerdings Förderungsprojekte für Fernwärme. Dies sind bewußte Ausgaben einmal zur Sicherung unserer heimischen Energieträger und zum anderen zur Erhöhung unserer Vorsorgesicherheit, Ausgaben, die wir ausdrücklich begrüßen. Drittens und nicht zuletzt sind in diesem Haushalt Ansätze für verbraucherpolitische Maßnahmen. Verbraucherpolitik ist nach unserer Auffassung Ordnungspolitik im besten Sinne. Denn die Legitimation einer dezentralen Wirtschaftsordnung gründet sich auf die Entscheidungsfähigkeit der einzelnen Wirtschaftssubjekte, also auch und gerade auf den Verbraucher. ({6}) Es ist meine Auffassung, daß manche staatliche Hilfsmaßnahme sich vermeiden ließe, wenn wir nur konsequenter dem Verbraucher Bildung, Information und bessere Möglichkeiten zur Artikulation seiner Bedürfnisse einräumten. Auf diese Weise würde sich dezentral eine neue und verstärkte Binnennachfrage am Markt bilden, die mittelfristig wiederum zu den so dringend erwünschten zusätzlichen Arbeitsplätzen in zukunftsorientierten Dienstleistungsbereichen führen würde. ({7}) Dies bisher nach unserer Ansicht zu wenig erkannte Beschäftigungswirksamkeit bestimmter verbraucherpolitischer Maßnahmen muß in Zukunft forciert werden. Im Einzelplan 09 konnten einige verbraucherpolitische Ansätze verstärkt werden, die in die richtige Richtung weisen. Schwerpunkt bleibt nach wie vor die Förderung der „Stiftung Warentest", die ihre für den Verbraucher so wichtigen Vergleichsuntersuchungen noch stärker auf den Bereich der Dienstleistungen ausweiten wird. Für Maßnahmen der Rechtsberatung durch die Verbraucherzentralen und für die Wahrnehmung der Klagebefugnis gegen unzulässige allgemeine Geschäftsbedingungen wurden zusätzlich 850 000 DM bereitgestellt. Genauso begrüßenswert ist, daß für die Beratung von gewerblichen und privaten Verbrauchern auf dem Gebiet des Energieeinsparens 1,5 Millionen DM angesetzt wurden. Ich glaube aber, daß diese allgemeinen Aufklärungsmaßnahmen allein nicht ausreichend sind, um ein aktives Energiebewußtsein zu erreichen. Daher müssen verstärkt neue und mehr auf einzelne Verbrauchergruppen bezogene Formen der Beratung über Energiesparen entwickelt werden. Das wird im Zusammenhang mit der Aufstellung des Haushalts 1978 zu entscheiden sein. Ich komme zum Schluß und fasse zusammen: Wir sehen in diesem Einzelplan sehr wichtige Ansätze, die beschäftigungspolitischen, energiewirtschaftlichen und nicht zuletzt verbraucherpolitischen Notwendigkeiten Rechnung tragen. Die Fraktion der Freien Demokraten stimmt daher dem Einzelplan 09 des Wirtschaftsministers zu. ({8})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Abgeordnete Pieroth.

Elmar Pieroth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001716, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hat man den Kollegen Löffler und Sperling heute morgen zugehört, dann muß man den Menschen draußen im Lande, den Unternehmern und Arbeitnehmern recht geben, die sagen: Wir haben keine Krise der Wirtschaft, sondern haben eine Krise der Wirtschaftspolitik. ({0}) Die Haushaltsdebatte sollte Gelegenheit für eine Bestandsaufnahme geben. Dazu fehlt es dieser Koalition an Mut. Schlimmer noch: Die größere Fraktion, Sie, meine Damen und Herren von der SPD, entwickeln politische Phantasie nur noch beim Erfinden von Ausreden, bei der Suche nach Sündenböcken, beim Abschieben von Verantwortung, nicht aber bei der Entwicklung von wirtschaftspolitischen Konzepten. ({1}) Es ist eben etwas anderes, auf dem Gipfel in London über Marktwirtschaft zu reden, als sie in der eigenen Fraktion durchzusetzen. ({2}) Statt dessen empfiehlt man Sprachregelung. Die erste: Das Ausland sei an allem schuld. Wir haben das heute morgen wieder hören können. Diese Ausrede klingt plausibel, wenn man uns mit Italien oder etwa England vergleicht. Aber da gibt es Länder wie die Vereinigten Staaten, Kanada, Japan, die doppelte, drei- und vierfache Wachstumsraten aufweisen. ({3}) Wir haben in den letzten zwei Jahren - zusammengerechnet - 3 % Wachstum erreicht, Japan 9 %, Kanada 5,5 %, die Vereinigten Staaten 5 °/o. Das sind schließlich keine unbedeutenden Länder, wo ein paar Indianer oder Eskimos oder feudale Samureis ein kümmerliches Sozialprodukt erwirtschaften. Diese drei Länder erwirtschaften rund 60 % des Sozialprodukts der westlichen Welt. Wenn es dort besser aussieht, stellt sich die Frage, warum es nicht auch bei uns besser aussieht. Stellt man einen Zeitvergleich an, wird die Misere der deutschen Wirtschaft noch deutlicher. Im ersten Jahrfünft der 70er Jahre ist das reale Wachstum bei uns doppelt so stark gesunken wie im Durchschnitt der Industrieländer, dafür aber die Arbeitslosigkeit doppelt so rasch gestiegen. Die Amerikaner haben von 1973 bis 1976 über 5 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen, wir im gleichen Zeitraum 800 000 verloren. Meine Damen und Herren, es dauert eben einige Zeit, bis man eine so gesunde Wirtschaft, wie wir sie dieser Koalition hinterlassen haben, ruiniert hat. Aber die Geschwindigkeit, mit der das geschieht, ist dann doch erstaunlich. ({4}) Für den Fall, daß da ein folgsamer Kollege im Wahlkreis mit dem Märchen vom Ausland nicht mehr ankommt, wird von der Regierung dann gleich eine zweite Ausrede geliefert: ein zu schneller Strukturwandel habe zu unserem Beschäftigungseinbruch geführt. Das genaue Gegenteil ist richtig. Der Strukturwandel war in den 50er und 60er Jahren schneller als in den Siebzigern. Er war Voraussetzung und Ursache für Wachstum und Vollbeschäftigung. In den 50er Jahren konnten so Arbeitsplätze für mehr als 5 Millionen Flüchtlinge und Arbeitskräfte aus der Landwirtschaft neu geschaffen werden. Weil das anders geworden ist, gibt es in der Tat heute ein Strukturproblem. Nun sieht das ganz anders aus, als Sie von der SPD uns das weismachen wollen. Das Strukturproblem besteht darin, daß weniger Arbeitsplätze rentabel sind, als für die Vollbeschäftigung notwendig wären. Professor Giersch drückte es so aus ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren -: Bei dem gegebenen Reallohn fallen zu viele marginale Arbeitsplätze und Grenzbetriebe dem Strukturwandel zum Opfer. Genau das ist die wirkliche strukturelle Arbeitslosigkeit. Im Gegensatz zu früher gehen also diese Arbeitsplätze verloren, und neue werden weniger geschaffen. Auch durch eine Nachfragebelebung können diese Arbeitsplätze nicht wieder neu besetzt werden; sie sind ja nicht mehr da. ({5}) - Hören Sie gut zu. Jetzt will ich es Ihnen noch einmal genauer erklären. Arbeitsplätze können nur durch Erweiterungsinvestitionen neu geschaffen werden. Das gelingt, wenn erstens die Tarifpartner ihrer beschäftigungspolitischen Verantwortung nachkommen und zweitens die Strukturpolitik das unternehmerische Suchen und Aufspüren von neuen Chancen besser als bisher erleichtert. ({6}) - Das müssen Sie einmal beweisen. Politisch ist Ihre Strukturkrisentheorie noch viel gefährlicher als die Legende von der Auslandsschuld; denn Ihre Strukturkrisentheorie soll die Investitionslenkung vorbereiten, meine Damen und Herren. Es ist aber sehr, sehr wenig wahrscheinlich, daß Ministerialräte, Strukturräte oder gar Investitionsräte mehr produktive Investitionen aufspüren werden als Unternehmer mit ihren Mitarbeitern. ({7}) Der Herr Bundeskanzler rühmt sich gern, er habe den Brüningschen Fehler vermieden; er habe in der Krise nicht gespart, sondern zusätzlich die Nachfrage belebt. Geld ausgeben ist immer einfach. Entscheidend ist nur, wie man es ausgibt. Es wurden Konjunkturprogramme gestartet, erst episodisch, dann periodisch, jetzt schon permanent. Sieben Konjunkturprogramme zur Nachfragebelebung gab es seit 1974. ({8}) - Das ist eine Leistung, ich kann es Ihnen bestätigen. Die sind nämlich seit 1974 verpufft, weil nicht die Nachfrage das eigentliche Problem war. Nachfragepotential gibt es ja bei uns genug. Die hohe Sparquote beweist es. Diese Regierung hat nie erkannt, obwohl es ihr der Sachverständigenrat deutlich ins Stammbuch geschrieben hat, daß Nachfrage und Angebot nicht voneinander getrennt gesehen werden dürfen. Vielleicht sollte ich Ihnen deutlicher sagen: Unternehmer sind nun einmal keine postkeynesianisch ausgebildeten Volkswirte, die abends vorm Fernsehapparat sitzen und auf das nächste Konjunkturprogramm warten, um dann ihre Produktionsentscheidungen zu treffen. ({9}) Unternehmer machen sich Gedanken über Produkte, Märkte und Bedürfnisse. Sie überlegen, welche Angebote sie entwickeln müssen, damit sich Nachfrage bildet. Hätte diese Regierung dieses Bild vom Unternehmer, so wäre sie nicht in ständig hektischer werdende Nachfragebelebungsprogramme geflüchtet. Meine Damen und Herren, unser Programm kennt drei Schwerpunkte: 1. Kostendämpfung in der Wirtschaft, 2. massive Investitionsförderung als Voraussetzung für mehr Arbeitsplätze, 3. ein Programm für mehr Selbständige. Unser Ziel lautet: Die Konsumrate muß herunter. Die Zahl der Grenzbetriebe, die scheitern, ist zu hoch. Wir halten deshalb erstens an unseren Vorschlägen zur Senkung der ertragsunabhängigen Steuern fest. Zweitens fordern wir ein Programm zur Verminderung des Bürokratieaufwandes, die den Betrieben im Zuge expansiver staatlicher Gesetzgebung, staatlicher Eingriffe und behördlicher Auflagen zugemutet wird. Meine Damen und Herren, wir wollen, ,daß Unternehmer und ihre Mitarbeiter ihre Zeit weniger mit der Bewältigung von Steuererhöhungen oder neuen bürokratischen Verordnungen verbringen müssen und dafür wieder mehr Zeit bekommen, über Verbesserungen, Erfindungen und neue Produkte für neue Märkte nachzudenken. ({10}) Für Erweiterungsinvestitionen ist das Risiko besonders hoch. Deshalb muß unsere Grundidee sein, daß der Staat dieses hohe Risiko mitträgt. Es ist und bleibt Aufgabe der Unternehmer, richtige Investitionen vorzunehmen. Aber der Staat, der ja über Steuern in hohem Maße an den Gewinnen beteiligt sein wird, sollte sich über die Steuerpolitik auch am Innovations- und Investitionsrisiko beteiligen. ({11}) Der richtige Weg hierfür besteht darin: 1. Die degressive Abschreibung muß verbessert werden. 2. Bei der Förderung von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben muß von der reinen Projektförderung Abschied genommen werden. 3. Die Vermögenspolitik spielt in unserer Wachstumsstrategie eine Hauptrolle. Die Investitionsrisiken werden auch dann gemindert, wenn die Tarifpartner einen Teil der Lohnerhöhungen von den Gewinnen der Unternehmen abhängig machen. Dadurch würde die Eigenkapitalausstattung der Unternehmen verbessert. Die Verteilungskämpfe würden entschärft. Die Arbeitnehmer wären am Erfolg beteiligt. Die Haftungsbasis im ganzen würde verbreitert. Das Gewinninteresse würde Angelegenheit aller. Unser Programm läuft aber dann ins Leere, wenn es zu wenig Ansprechpartner findet. Neben 10 000 Unternehmen durch Konkurse verlieren wir Jahr für Jahr per saldo weitere 20 000 Unternehmen durch freiwillige Aufgabe. Ich sage Ihnen: wenn wir nicht die Voraussetzungen dafür schaffen, daß mehr tüchtige, dynamische, erfindungsreiche junge Menschen selbständig werden können, dann wird unsere Talfahrt immer weitergehen. Die einzige Ressource, die wirklich knapp ist, ist die Ressource Köpfchen. Verschwendung dieses „Rohstoffs" können wir uns immer weniger erlauben. Wir brauchen also eine breit angelegte Selbständigkeitspolitik und eine konzentrierte Förderung von Unternehmensneugründungen. Wollen wir mehr Selbständigkeit, dann haben wir vier Sperren zu beseitigen: 1. die Politsperre - das beginnt schon in den Schulen -, 2. die Ausbildungssperre, 3. die Bürokratiesperre und 4. die Sozialsperre. Ein letzter Gedanke. Finden denn mehr Selbständige auch mehr Käufer für ihre Waren und Dienste, wenn Erhard Eppler doch bezweifelt, daß - ich darf zitieren - irgend jemand noch sagen könne, wo die Absatzmärkte der kommenden Jahre liegen sollten? Meine Damen und Herren, die Phantasie der Epplers hat nie ausgereicht, die Vielfalt der Güter, die produziert und verkauft werden können, zu erahnen. ({12}) Lassen Sie mich deshalb nur noch fünf Felder nennen, wo wir Wachstumsnotwendigkeiten und -möglichkeiten sehen: 1. die armen Regionen dieser Welt, 2. energie- und rohstoffeinsparende Erfindungen und Techniken, 3. Maßnahmen zur Sicherung und Wiederherstellung einer lebenswerten Umwelt, ({13}) 4. Ausbau der öffentlichen und sozialen Infrastruktur und 5. - jetzt hören Sie noch genauer zu - der vorhandene Aufholbedarf breitester Schichten. Die Bedarfssättigung, von der Sie so gern sprechen, ist vielleicht einmal das Problem des Jahres 2077, aber nicht unserer Zeit, wo nur jede vierte Familie ein Tiefkühltruhe und jede vierzehnte eine Geschirrspülmaschine und noch lange nicht jede Familie in Urlaub fahren kann, nicht zu vergessen die 6 Millionen Armen, die mit dem Einkommen unterhalb der Richtsätze der Sozialhilfe leben müssen. Mir ist unverständlich, warum ausgerechnet die sogenannte Arbeiterpartei die Bedürfnisse und Wünsche derjenigen nicht sieht, die sie angeblich vertreten will. Deutschlands Arbeitnehmer brauchen sich nicht Marktsättigung einreden zu lassen und die Zukunft miesmachen zu lassen von denjenigen, die mit ihrer Wirtschaftspolitik gescheitert sind, von denjenigen, die ,die Schuld nicht bei sich, sondern beim Schicksal suchen, denjenigen, die, nachdem sie das moderne Deutschland versprochen haben, bei der biblischen Erkenntnis gelandet sind, daß nach zwanzig fetten sieben magere Jahre folgen müßten. Für Wachstumspessimismus gibt es keinen Anlaß. Wenn es einen Engpaß gibt, dann nicht in der Wirtschaft, sondern in der Wirtschaftspolitik. Aber das läßt sich ändern. ({14})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Reuschenbach.

Peter W. Reuschenbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001827, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Pieroth hat gesagt: Köpfchen braucht man. Da kann ich ihm nur zustimmen; aber nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Politik, und da wäre es ganz nützlich, sich ein bißchen anzustrengen. Denn das ist, finde ich, ein merkwürdiges Argument, zu sagen: Da ist ja genug Kaufkraft im Lande. Und Beweis dafür sei, daß die Sparquote außergewöhnlich hoch ist. Diesen Widerspruch verstehe ich überhaupt nicht. Ich verstehe auch den Widerspruch nicht, der darin liegt, daß man einerseits für Strukturwandel, politische Aktivitäten und Initiativen eintritt und auf der anderen Seite das, was Sie zuviel Staat nennen, kritisiert und ablehnt. Das eine oder das andere, aber bitte nicht beides zur gleichen Zeit! Denn das eine bedingt das andere. Wie soll sonst Planmäßigkeit in eine Strukturpolitik hineinkommen, wenn sich nicht Parlamente, Regierungen und Kommissionen - und wenn es nur Bund-Länder-Kommssionen sind - mit solchen Fragen befassen? ({0}) Herr Pieroth, auch Sie konnten der Versuchung nicht widerstehen, jahrelang geführte Gespensterschlachten wieder aufzuführen. Eine dieser Gespensterschlachten ist überschrieben: Zuviel Staat in der Wirtschaft. Genau an dieser Stelle gibt es zunächst einmal eine die Zuhörer irritierende Doppelstrategie in den Beiträgen der Union. Da sagt sie auf der einen Seite, dieser Staat nimmt viel zuviel Zuständigkeiten, viel zuviel Maßnahmen, viel zuviel Initiativen für sich in Anspruch. Und im gleichen Augenblick sagen Sie: Seine selbst gesetzten Ziele hat er nicht erreicht. Da kann ich doch nur sagen: Wer der Auffassung ist, daß der Staat bei seinen Zielen nicht zum ausreichenden Ergebnis gekommen ist, der muß dafür eintreten, daß eine weitere Latte von Instrumenten angelegt wird, um diese Ziele zu erreichen. Oder aber er muß einräumen, daß vieles von dem, was auf dem Felde der Wirtschaftspolitik und der Wirtschaftsabläufe geschieht, eben nicht so, wie Sie es augenscheinlich wünschen, vom Staat unmittelbar und durchschlagend beeinflußt werden kann. Diese Auseinandersetzung um Staat in der Wirtschaft müßten ausgerechnet Mitglieder und Anhänger der Christlich Demokratischen Union ein bißchen sauberer und ein bißchen besser begründet führen. Sie sagen ja von sich selbst, daß Ihre Politik auf christlicher Grundlage basiere. Wenn Sie das sagen, müssen Sie doch wohl zur Kenntnis nehmen, daß dazu dann sicherlich auch z. B. die katholische Soziallehre gehört. Wenn Sie diese wirklich ernsthaft als einen Bestandteil, als eine Basis Ihrer Betrachtungen akzeptieren, frage ich Sie: Wie kommen Sie dann dazu, Ihre politischen Konkurrenten deshalb, weil diese bei der Einschätzung der Rolle des Staates in der Wirtschaft ganz dicht bei den Positionen der katholischen Soziallehre liegen, zu diffamieren? Ich bin sicher, Sie haben sich das eine Weile nicht mehr angesehen. Aber Sie sollten es mal tun und sich ansehen, was da in der Sozialenzyklika „Mater et Magistra" steht. Es gibt da viele Stellen, aber ich will Ihnen aus der Stelle, wo es um die Frage Staat und Wirtschaft geht, zwei Zitate vortragen. Erstens: Wo in der Wirtschaft die gebotene wirtschaftspolitische Aktivität des Staates gänzlich fehlt oder unzureichend ist, kommt es schnell zu heilloser Verwirrung. Da herrscht die freche Ausbeutung fremder Not durch von Skrupeln wenig gehemmte Stärkere, die sich leider allzeit und allenthalben breitmachen wie Unkraut im Weizen. Und dann kommt die Schlußfolgerung, die aus dieser Feststellung gezogen ist: Darum ist es von der staatlichen Führung, die für das Gemeinwohl verantwortlich ist, immer wieder zu fordern, daß sie sich in vielfältiger Weise umfassender und planmäßiger als früher wirtschaftspolitisch betätigt und dafür angepaßte Einrichtungen, Zuständigkeiten, Mittel und Verfahren ausbildet. Nun stellen Sie sich einmal vor, Sozialdemokraten würden heute, würden in diesen Tagen solche Sätze in eine ihrer programmatischen Aussagen hineinschreiben! ({1}) - Ja, natürlich. Aber ich kann ja hier „Mater et Magistra" nicht ganz vortragen, obwohl das gar nicht so weit weg vom Godesberger Programm wäre. Ich wollte nur sagen: Man stelle sich vor, Sozialdemokraten würden so etwas in ihr Programm oder in irgendein Papier schreiben; da wäre es doch sehr wahrscheinlich, daß einige Herren - Strauß, Biedenkopf und Bismarck - das mit Wollust als neue Beweise für staatsdirigistische Lüsternheit charakterisieren würden. ({2}) Wenn die Union diesen Anspruch ihrer sittlichen und grundsätzlichen Fundierung wirklich ernst nähme und solche Betrachtungen mit in die aktuellen Debatten einbezöge, wären manche Diskussionen - auch solche in Sachen Dirigismus - leichter. Es wäre dann z. B. viel leichter und sachgerechter - ich sage das, weil vor mir Herr Dr. Köhler sitzt -, über Ihre Aktivitäten hier in Bonn und in Brüssel, die Weichen in Richtung eines Stahlkartells zu stellen, zu debattieren, über die Aktivitäten, von denen das „Handelsblatt" sagt, das sei aber schon ganz schön staatlicher Dirigismus. Keine Mißverständnisse, ich halte das für erörterungswürdig und erörterungsbedürftig. Nur, wenn Männer wie Sie an solchen Weichenstellungen mitwirken, finde ich es reichlich perfide, wenn Ihre Parteifreunde den Sozialdemokraten oder anderen das Stigma „Planwirtschaftler" oder „Staatsvergötzung" aufdrücken wollen. In der praktischen Politik sind die Fronten ohnehin andersherum. Beim Kartellrecht z. B. waren selten die Unionspolitiker die treibenden Kräfte; da mußten die angeblichen Gegner die Verbesserung des Wettbewerbsrechts durchsetzen. ({3}) Und wir werden einmal abwarten, wie das bei der Novelle zur Fusionskontrolle und zur Mißbrauchsaufsicht sein wird, ({4}) wie sich da die Herren Marktwirtschaftler und Wettbewerbspolitiker im Wirtschaftsausschuß verhalten werden.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege Reuschenbach, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Köhler zu?

Peter W. Reuschenbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001827, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Jawohl.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Bitte!

Dr. Herbert W. Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001152, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, daß es gerade die deutsche Seite ist - und zwar alle drei Parteien, die Bundesregierung, die Erzeuger, die Verbraucher und die Gewerkschaften -, die in Brüssel versucht, ein liberales Konzept gegen die Wünsche anderer europäischer Partner auf mehr Dirigismus durchzusetzen, und würden Sie dann bestätigen, das das, was Sie eben gesagt haben, polemisch war?

Peter W. Reuschenbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001827, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein. Ich kann wohl bestätigen, daß sich die deutsche Seite im übrigen darum bemüht, Interessen und Absichten anderer zurückzuweisen. Aber ich kann nicht bestätigen, daß die Vereinigung Eisen- und Stahlindustrie in der Bundesrepublik Deutschland nicht an der Spitze oder mindestens im Mittelfeld derer marschierte, die für ein Stahlkartell eintreten. ({0})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Ich möchte nur darauf aufmerksam machen, daß ich weitere Zusatzfragen nicht in die Redezeit einbeziehen könnte. ({0})

Peter W. Reuschenbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001827, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich will auf einen zweiten Punkt aufmerksam machen, der in dieser Diskussion ein Phänomen in der Argumentation der Union ist: das völlige Aussparen der außenwirtschaftlichen, der internationalen Dimension. Das ist zwar verständlich, aber die Union steht mit dieser allein auf die Binnenwirtschaft verengten Sicht einsam in der wirtschaftspolitischen Landschaft herum, und alle Regierungen in Europa, die Gewerkschaften, die Wirtschaftsverbände stehen gegen die Union. Ich hatte in der vorigen Woche - und ich bin recht froh darüber - Gelegenheit, drüben im Steigenberger-Hotel an einer Tagung der Konrad-Adenauer-Stiftung teilzunehmen. ({0}) - Es hat mindestens Einsichten in die Gemütslagen Ihrer Kollegen gezeitigt. - Da befaßte man sich mit der wirtschaftlichen Lage und der Wirtschaftspolitik bei uns und in den Vereinigten Staaten. Und dort - mehr oder weniger unter Ausschluß der Öffentlichkeit, jedenfalls außerhalb des Lichts der breiten Öffentlichkeit - gaben sich die Unionspolitiker über die Ausmaße und über die Auswirkungen der internationalen Verflechtung unserer Wirtschaft überhaupt keinen Illusionen hin. Herr Wörner, dort wohl stellvertretender Vorsitzender, sagte in seiner Eröffnungsrede - natürlich militärisch zackig Von einem Minenfeld der internationalen wirtschaftlichen Interdependenzen muß man sprechen, in dem wir uns befinden, mit tausend gravierenden Auswirkungen und Gefahren. Der Mann hat ja auch durchaus Recht. Nur hier im Plenum sind solche Reden nicht zu hören. Herr Geißler betonte da nachdrücklich und unter Beifall, daß ohne internationale Zusammenarbeit keine wirtschaftliche Gesundung möglich sei. Dies ist heute morgen hier wieder einmal heftig bestritten worden. ({1}) Der amerikanische Arbeitsminister Marshall, Ehrengast und Hauptsprecher, hat die führende Rolle der deutschen Regierung bei dem Ringen um internationale wirtschaftliche Kooperation, ohne WiderReuschenbach spruch zu ernten, beschrieben; so etwa, wie die „Zeit" es ausdrückte: Die Abschlußerklärung von London liest sich stellenweise so, als ob Helmut Schmidt sie geschrieben hätte. Wissen Sie was mich an dieser Konferenz besonders interessierte? Daß Sie dort im trauten Kreis so selbstverständlich und sachlich zutreffend über diese internationalen Verflechtungen reden, hier aber im Plenum das aussparen nach dem Motto: „Und so schloß er messerscharf, daß nicht sein kann, was nicht sein darf." Ich verstehe natürlich gut: in dem Augenblick, in dem Sie diese Dimension in die Debatte einführen würden, in dem Sie akzeptieren und einräumen würden, daß das eine dominierende Dimension ist, in dem Augenblick würde Ihre ganze Strategie, nämlich die wirtschaftlichen und Arbeitsmarktprobleme, als ausschließlich hausgemacht zu charakterisieren, wie ein Kartenhaus zusammenfallen. ({2}) Das ist der Punkt. Ich verstehe da Ihre Zurückhaltung durchaus, wenn ich sie auch mißbilligen und kritisieren muß. Der dritte Punkt, auf den ich abheben will, ist der, daß das Stichwort „Vertrauenslücke" von der Union natürlich beibehalten werden muß. Da ist es so einfach, zu sagen: Wenn die Unternehmer, die Unternehmensleitungen nur mehr Vertrauen zur Regierungspolitik haben könnten, dann wären die Probleme überwunden. Ich muß Ihnen ganz ehrlich sagen: wenn Sie Unternehmensleitungen, Vorstandsmitglieder, Manager und Aufsichtsratsmitglieder so einschätzen, daß deren Entscheidungen von den jeweiligen parlamentarischen Mehrheiten abhängen, dann ist das ein Skandal. Es ist auch ein Skandal, wenn Sie auf solche Verhaltensweisen spekulieren. Aber Ihre Einschätzung wird ja von keiner Seite gestützt. Sie behaupten einfach, daß Unternehmensleitungen sich so verhalten. Der Arbeitgeberpräsident hat vor drei Wochen gesagt: die Sozialliberalen sind auf dem richtigen Weg. Der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer hat in Kiel erklärt, er vertraue auf das wirtschaftspolitische Konzept der sozialliberalen Regierung. Auch die Deutsche Bank sagt das. Nun sage ich nicht: Diese Äußerungen allein sind schon Beweis für die Richtigkeit der Regierungspolitik. Da käme ich ja auch ins Schleudern innerhalb des Spektrums der Sozialdemokratischen Partei. Aber ich kann sagen: Diese Äußerungen und diese Zitate entziehen den ständigen Unkenrufen der Union den Boden. Denn Sie finden mit Ihrer Behauptung, die Politik verunsichere die Wirtschaft, keinen ernst zu nehmenden Zeugen im betroffenen Bereich selbst. Die These von der angeblichen politischen Vertrauenslücke ist nichts anderes als die Krücke, die über fehlende konkrete wirtschaftspolitische Argumente und Alternativen hinwegtäuschen soll. Letztes Stichwort: Strukturpolitik! Wer sich den Kopf darüber zerbricht, wie man all die internationalen Anstrengungen, verstärkte Investitionstätigkeit, gezielte Arbeitsmaßnahmen noch ergänzen, noch verbessern könnte, der kommt am Stichwort „Strukturpolitik" überhaupt nicht vorbei. In der Theorie hat die Union das ja auch begriffen. Da lese ich in dem Entwurf Ihres Grundsatzprogramms: Der technisch, wirtschaftliche und gesellschaftliche Wandel hat sich beschleunigt und vertieft. Die Bedeutung der Strukturpolitik wächst. Die zunehmende Verflechtung unserer Volkswirtschaft im internationalen Bereich bedarf der Berücksichtigung bei allen Planungen und Entscheidungen unserer Wirtschaftspolitik. Wie wahr! Man müßte sich nur an sein eigenes Programm im politischen Alltag erinnern! Nicht so, wie Herr Zimmermann das jüngst getan hat: wenn andere politische Gruppierungen, z. B. die Sozialdemokraten, sich überlegen, was denn auf dem Felde passieren muß, von einem erneuten Anlauf, sozialistische Ziele in die Praxis umzusetzen, und von sozialistischen Zauberformeln zu reden, die da im Gange seien. Wir bilden uns überhaupt nicht ein, Zaubermittel zur Bewältigung der wirtschaftlichen Aufgaben erfinden zu können. Wer kann das schon? Aber wir halten es für unsere Pflicht, über die Ergänzung und Straffung der bisher schon vorhandenen Instrumente nachzudenken, denn das alles ist ja nicht etwas Neues. ({3}) Strukturpolitik gibt es schon lange. Ihre Regierungen haben sie auf Teilgebieten gemacht, regionale Wirtschaftsförderung, Agrarpolitik und was alles dazugehört, und sie wird fortgeführt. Da finde ich, daß es wirklich ein Treppenwitz ist, wenn die Union von den Vorschlägen der SPD - was Sie im einzelnen immer davon halten - spricht, als sei hier ein neues planwirtschaftliches Abenteuer im Gange. Insgesamt: Die Union war bisher und auch in der heutigen Debatte nicht imstande, die Widersprüche zwischen ihren programmatischen Aussagen und ihrem tatsächlichen Verhalten in der Politik zu überwinden. Wenn man ansieht, welche Funktion die neue Strategiekommission in der Union haben wird, dann scheint die Zukunft auch nicht zu größeren Hoffnungen Anlaß zu geben. Da muß man Herrn Kohl und seinen Mannen zu diesem Dienstweg, wie der Herr Zimmermann das gestern in der „Welt" genannt hat, über den alles gehen müsse, schon jetzt tiefes Mitgefühl aussprechen. Wir möchten Bundesregierung und Bundeswirtschaftsminister ermuntern, den eingeschlagenen wirtschaftspolitischen Weg weiter zu gehen. Im Bemühen, Folgen der wirtschaftlich bedingten Rezession hierzulande zu überwinden, brauchen wir und braucht die Koalition keinen Nachhilfeunterricht, am wenigsten von einer Union, deren wahrer Führer bei früherer Gelegenheit Arbeitslosigkeit als „Gnade der Stunde der Angst" gefeiert hat. ({4})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Abgeordnete Graf Lambsdorff.

Dr. Otto Lambsdorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001272, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Vor etwa an2798 derthalb Jahren habe ich Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, vorgeworfen, Sie hätten keine Alternative und Sie seien auch keine. Jetzt machen Sie offensichtlich den Versuch, so viele Alternativen zu entwickeln, daß man sich überhaupt nicht mehr durchfindet. Ich will das nicht mit meinem eigenen Urteil belegen, sondern ich will zitieren, was die deutsche Öffentlichkeit zu dem gesagt hat, was Sie in den letzten Tagen produziert haben; wegen der gebotenen Kürze der Zeit will ich mich mit den Zitaten sehr kurzfassen. So schrieb zum Arbeitsmarktprogramm der CDU die „Süddeutsche Zeitung" über den verehrten Kollegen Dellinger, er halte dieses Programm für gefährlich. Franz Josef Strauß im „Bayernkurier" am 11. Juni: es sei unbedacht, unrealistisch und der SPD entlehnt. „Bild am Sonntag" überschreibt: „Strauß zerreißt das Konzept der CDU", und der Kollege Jenninger wird gleichzeitig zitiert, vieles an dem Programm sei ja gar nicht so beschlossen und so beabsichtigt; da wird also etwas vorsichtiger operiert. ({0}) Im „Bayernkurier" kann man lesen - ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten -: ({1}) Hier hat sich eine fatale Denkweise offenbart, die nach schlechten sozialistischen Vorbildern in erster Linie darauf aus ist, bestehende Mängel zu verwalten und staatlich zu organisieren, während darauf verzichtet wird, mit echtem politischem Handeln den verfahrenen Karren der Wirtschaftspolitik wieder in Gang zu bringen. ({2}) Wohlgemerkt, meine Damen und Herren, so wird ein CDU-Programm beurteilt, nicht etwa die Politik der Regierung. Auch die Sozialausschüsse fehlen nicht in diesem Chor. Der Kollege Katzer fordert Erhöhung der Beiträge zur Altersversorgung. Das CDU-Parteipräsidium und die Fraktion sind dagegen. Der Hauptgeschäftsführer der Sozialausschüsse fordert eine dauerhafte Senkung der Altersgrenze. Das CDU-Präsidium ist für eine flexible Regelung. Der Hauptgeschäftsführer Hasinger meint dazu: „Die Gestaltung des Lebensabends ist keine Lotterie." Wir sind dieser Meinung. Nur die CDU-Politik ist offenbar eine solche Lotterie, bei der man allerdings meist nur Nieten, gelegentlich mal ein Freilos zieht. ({3}) Zu all dem kann man doch nur zitieren, was der verehrte Kollege Professor Carstens am Dienstag an dieser Stelle gesagt hat; dies in Ihr Gedächtnis: Eine politische Gruppe, die mit vielen unterschiedlichen Stimmen spricht, mag sich bei manchen Sympathien erwerben, ihre politische Wirkung steigert sie dadurch gewiß nicht. Oder etwas volkstümlicher, wie der Kollege Franz Josef Strauß in „Bild am Sonntag" vom 5. Juni: „In jeder politischen Partei sollte auch die linke Hand wissen, was die rechte tut." ({4}) Wie wahr! ({5}) Meine Damen und Herren, wir haben jahrelang und auch heute wieder von Ihnen gehört: konsolidieren, Haushalt zurückfahren, Einsparungen vornehmen und weniger Staat. Und jetzt? Der CDU-Generalsekretär Geißler beziffert die Kosten dieses Programms mit maximal 13,9 Milliarden DM und meint: Bei Beachtung der volkswirtschaftlichen Zusammenhänge kosten die von der Union vorgeschlagenen Maßnahmen unter dem Strich nichts. Meine Damen und Herren! Hat Herr Geißler je im Leben etwas von einer Liquiditätsrechnung und deren Finanzierungskosten gehört? Und woher nimmt er die in meinen Augen abenteuerliche Gewißheit, daß sich bei einem solchen Vorschlag Ausgaben und Ersparnisse wie zwei kommunizierende Röhren bewegen? Aber Sie sind auch da für Trost immer wieder gut. Ich zitiere die „Westfälische Rundschau" vom 8. Juni: „Haushaltsexperte Leicht: ,Das CDU-Programm ist zusätzlich zum 16-Milliarden-Programm finanziell nicht zu verwirklichen.'" Ja, meine Damen und Herren, kommen die Herren Leicht und Geißler aus derselben Partei, gar aus demselben Landesverband, etwa aus dem des Herrn Kohl? Welch ein Glück, daß Herr Leicht zum Europäischen Rechnungshof geht und nicht Herr Geißler! Denn von der Seriosität des Herrn Leicht in Finanzfragen sind wir voll überzeugt. Nach der Darbietung, die Herr Geißler gegeben hat, können wir bei ihm davon zur Zeit noch - so will ich freundlicherweise sagen - nicht überzeugt sein. Ich habe damals formuliert: Sie haben keine Alternative, und Sie sind keine. Jetzt haben Sie so viele Alternativen, daß Sie deswegen keine Alternative sind. ({6}) Aber Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, betreiben dieses Verwirrspiel ja keineswegs nur sachlich. Sie betreiben es auch personell. Wer eigentlich spricht für Sie jetzt verantwortlich für Wirtschaftspolitik? Die Kollegen Narjes, Müller-Hermann und Russe haben ihr wirtschaftspolitisches Interesse gleich abgelegt. Sie sind gar nicht mehr hier. Die haben Sie nach der Bundestagswahl ja ziemlich gnadenlos abserviert. Sie betreiben Personalpolitik offensichtlich so, wie andere Leute Champignons züchten: alles schön im Dunkeln im Keller halten, gelegentlich kräftig Mist draufschütten und jeden Kopf, der ans Tageslicht kommt, abschneiden. ({7}) Nunmehr haben wir es mit dem Kollegen Professor Biedenkopf als dem wirtschaftspolitischen Sprecher der CDU zu tun. Aber der ist im Augenblick offenbar gerade außenpolitisch tätig und deswegen nicht hier. Wir haben es heute mit den Kollegen Hauser und Pieroth zu tun. Herr Kollege Pieroth, sehr viel Neues haben Sie heute in der Debatte nicht beigetragen. ({8}) Der Kollege Barzel wird uns heute auch noch mit Wirtschaftspolitischen Auslassungen informieren und zu überzeugen versuchen. Wir freuen uns darauf. Der von Ihnen gewählte wirtschaftspolitische Sprecher, nämlich der Vorsitzende des Arbeitskreises Ihrer Fraktion für Wirtschaftspolitik, der Kollege Dollinger, hat bisher nur einige wenige - ich glaube, an den Fingern zweier Hände abzählbare - Minuten in der wirtschaftspolitischen Diskussion dieser Wahlperiode hier sprechen dürfen. ({9}) In Wahrheit spricht dann der Kollege Franz Josef Strauß. Sie werden sich nicht wundern, wenn wir uns fragen, ob das nun die Vielfalt in der Eintracht oder die Einfalt in der Zwietracht ist, die Sie uns personell bieten. ({10}) Herr Kohl hat gestern den Vortrag zitiert, den ich beim Institut für Finanzen und Steuern zu Fragen der Ordnungspolitik gehalten und bei dem ich gesagt habe: Wir haben eine ordnungspolitische Diskussion, die wir ernsthaft miteinander führen müssen. Er hat mich aufgefordert, diese Diskussion zuvörderst mit Willy Brandt zu führen. Meine Damen und Herren, wenn ich mir ansehe, was der Professor Biedenkopf zu den ordnungspolitischen Kategorien Ihres Arbeitsmarktprogramms in aller Öffentlichkeit gesagt hat, dann, meine ich, tut Herr Kohl besser daran, sich um den ordnungspolitischen Standpunkt in Ihren Reihen Kummer zu machen, als uns Missionierungsversuche in anderer Richtung zu empfehlen. ({11}) Allerdings empfehle ich, auf den Unterschied zwischen ordnungspolitischen Theoriegesängen und ordnungspolitischer Alltagspraxis auch bei dem verehrten Kollegen Biedenkopf zu achten. Uns stellt sich das z. B. so dar. Ich zitiere - mit Genehmigung des Herrn Präsidenten - auszugsweise aus einem Interview des Kollegen Biedenkopf am 11. Juni im Süddeutschen Rundfunk: Die Ablehnung der Vermögensteuersenkung ist eine strategische Maßnahme zur Beschleunigung des Prozesses der Aushöhlung der marktwirtschaftlichen Ordnung mit dem Ziel, praktisch den Beweis führen zu können, daß die Marktwirtschaft nicht funktioniert. Wenige Tage später wird an dieser Stelle von demselben Redner in der Einzelabstimmung nur über die Senkung der Vermögensteuersätze mit der roten Karte des Nein votiert. Für mich bleibt es ein unvergeßliches Bild, die Kollegen Strauß, Biedenkopf, von Bismarck und Kohl hier alle mit NeinKarten an den Stimmurnen stehen zu sehen. ({12}) Dies ist bloße opportunistische Taktik und hat mit Ordnungspolitik und Grundsatztreue überhaupt nichts zu tun. ({13}) Im übrigen, meine Damen und Herren, war dies die erste praktische Mitentscheidung über einen Gesetzesparagraphen, bei der ich den Kollegen Biedenkopf in Aktion gesehen habe. Dies ist eben der Weg zwischen Wollen und Können oder auch, etwas boshafter ausgedrückt, zwischen Wahn und Wirklichkeit. Statt dessen werfen Sie - und insbesondere Herr Biedenkopf - dem Herrn Bundeswirtschaftsminister Sonntagsreden vor. Natürlich tat er das selber in einer Sonntagsrede im „Deutschlandfunk". Das verstehe ich. Ich verstehe, daß sich die CDU/CSU über den Bundeswirtschaftsminister Friderichs und seine klaren ordnungspolitischen und marktwirtschaftlichen Reden ärgert. Denn was sagen die Leute draußen? Die Leute sagen: „Der Mann ist gut, der ist in Ordnung; einen besseren Wirtschaftsminister können wir uns eigentlich nicht wünschen." Das ist die Reaktion draußen. ({14}) Warum geschieht das, meine Damen und Herren? Doch nicht deshalb, weil er tränenfeuchte Unternehmeraugen erzeugt. So emotional, wie Sie das für Ihre Verwirrungsreden gerne hätten, sind die deutschen Unternehmer in ihrer Mehrzahl gar nicht. ({15}) Die Leute sagen es deswegen, weil ein klares wirtschaftliches Konzept verkündet wird, weil vorausschauende Wirtschaftspolitik betrieben wird und weil dieser Wirtschaftsminister das richtige Augenmaß für die Chancen und Risiken der Bundesrepublik in der Weltwirtschaft hat. Aber das ist nicht alles. Der Ärger dieser Opposition geht noch weiter. Sie ärgern sich auch darüber, daß es innerhalb der Bundesregierung eine erfolgreiche Mannschaft gibt, die in erster Linie die Verantwortung für die Wirtschafts-, Währungs- und Konjunkturpolitik trägt. Das sind der Bundeskanzler, der Bundeswirtschaftsminister und der Bundesfinanzminister. Sie ärgern sich über die Reputation, die sie draußen haben. Das verstehen wir. ({16}) Ich will kurz zwei Beispiele für die Position des Bundeswirtschaftsministers in diesen letzten Jahren bringen. Herr Kohl hat hier die Wettbewerbsgesetz2800 gebung kritisiert. Er hat das Bundeskartellamt und die Monopolkommission zitiert. Meine Damen und Herren, was glauben Sie, wie die Wettbewerbslandschaft aussähe, wenn wir Sie in der letzten Legislaturperiode nicht auf Initiative dieses Ministers hin gezwungen hätten, endlich der Kartellnovelle zuzustimmen? Was stünde dann wohl im Bericht der Monopolkommission oder - da es die dann nicht gäbe - im Bericht des Bundeskartellamts? ({17}) Zur Voraussicht struktureller Entwicklungen: Ich habe mich manchmal gefragt: Was fährt dieser Bundeswirtschaftsminister eigentlich so häufig gerade in die Länder des Mittleren Ostens? Inzwischen ist wohl jedem aufgegangen, was das für einen Zweck hatte, was deutsche Aktivitäten an den Erdölbohrlöchern bedeuten, was die Sicherung dieser Exportmärkte in der Rezession durch diesen Mann bedeutet hat. Wir sehen eine Auswirkung davon auch im Aufbau der DEMINEX in der Bundesrepublik, die, langfristig geplant, heute in einer Form agieren kann, die vorher nicht möglich war. Die Einsparung von Energie ist eine politische Notwendigkeit ersten Ranges. Darüber ist hier gesprochen worden. Wir verdanken es nicht zuletzt der Aktivität des Bundeswirtschaftsministers, daß die Vereinbarungen zwischen der Steinkohle und den Elektrizitätsversorgungsunternehmen zustande gekommen sind. Herr Bundeswirtschaftsminister, wir wären dankbar, wenn wir das Dritte Verstromungsgesetz zum Überarbeiten möglichst schnell in den Ausschuß bekommen würden. Hier liegt auch - um auf die Frage, Herr Waigel, zu antworten - die Bedeutung der Kokskohlensubvention in Höhe von 230 Millionen DM. Eines muß dazu gesagt werden: Das ist auch eine Folge internationaler Wettbewerbsverzerrungen. Andere Länder subventionieren ihre Stahlindustrie in einer Weise, wie sie bei uns glücklicherweise bisher nicht der Fall gewesen ist und hoffentlich auch nicht sein wird. ({18}) Dieses Risiko einer zusätzlichen Haushaltsbelastung ist Ihnen bei Beginn der Haushaltsberatungen, nach meinen Informationen, vom Parlamentarischen Staatssekretär Haehser aufgezeigt worden. ({19}) - Ich sage: nach meinen Informationen, Herr Kollege.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege Lambsdorff, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Dr. Otto Lambsdorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001272, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Eine lasse ich zu. Aber bitte ganz kurz, Herr Kollege Breidbach.

Ferdinand Breidbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000258, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Graf Lambsdorff, nachdem Sie von den Aktivitäten dieses Bundeswirtschaftsministers gesprochen haben, möchte ich Sie fragen, wessen Aktivitäten wir es eigentlich verdanken, daß zur Zeit Steinkohlekraftwerke mit einer Kapazität von 1 800 MW nicht gebaut werden können und daß, nachdem nun schon auf Grund dieser Wirtschaftspolitik Kohle auf Halde produziert wird, demnächst auch noch Kohlekraftwerke auf Halde produziert werden?

Dr. Otto Lambsdorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001272, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Breidbach, Sie dürfen nicht verwechseln, daß im wesentlichen Kokskohle auf Halde liegt und nur relativ wenig Kraftwerkskohle. Es liegt an Immissionsschutzbestimmungen, ungelösten Standortfragen, Ländergesetzgebung und Verwaltungsschwierigkeiten, daß Steinkohlekraftwerke nicht in dem Umfang gebaut werden können, wie das auch aus meiner Sicht wünschenswert wäre. Deshalb können wir das 6 000-MW-Programm nicht so schnell realisieren, wie wir wollen. Das wissen Sie wie ich. ({0}) - Es tut mir leid, Herr Breidbach, aber meine Zeit ist begrenzt. Ich möchte betonen: Das Gesamtergebnis dieser Politik - darauf hat Herr Sperling mit Recht hingewiesen - war auf der Londoner Konferenz deutlich absehbar. In der politischen Diskussion der ganzen westlichen Welt ist die Bundesrepublik neben den Vereinigten Staaten und Japan die stärkste Volkswirtschaft. Dies soll das Ergebnis planloser, falscher, ordnungspolitisch schlechter Wirtschaftspolitik sein? Nein, dies ist das Ergebnis einer zielbewußten marktwirtschaftlichen Politik von Bundesregierung und Bundesbank. Es ist die gekonnte Bündelung von Konjunktur-, Fiskal- und Geldpolitik, die sich national und international sehen lassen kann. Wir behaupten nicht, daß wir unsere Probleme überwunden hätten. Es stellen sich immer wieder neue Anforderungen und neue Probleme. Auch solche, die wir heute noch gar nicht kennen, werden wir im nächsten Jahr zu behandeln haben. Aber in erster Linie ist das Problem der Vollbeschäftigung zu lösen. Für die Fraktion der Freien Demokraten kann ich nur sagen: Wir haben der Bundesregierung, ihrer Wirtschaftspolitik und ihrem Wirtschaftsminister in der Vergangenheit unser Vertrauen gegeben. Die Bundesregierung und der Wirtschaftsminister haben dieses Vertrauen gerechtfertigt, Sie haben unser Vertrauen auch in Zukunft. ({1})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Barzel.

Dr. Rainer Barzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000102, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Lassen Sie mich mit folgendem Satz beginnen: In den letzten zehn bis zwölf Jahren haben wir zuviel an marktwirtschaftlichen Entwicklungen, an marktwirtschaftlichen FunktionsabläuDr. Barzel fen demontiert, sie manipuliert, in sie eingegriffen. ({0}) - Da kommt ein Zuruf von der FDP: Wo denn? Dieser Satz ist gar nicht von uns, er ist aus einer der letzten Bundestagsreden des Grafen Lambsdorff. ({1}) Weil das die Wirklichkeit ist, Herr Kollege Lambsdorff, kann ich es verstehen, daß Sie soeben über die Dörfer gegangen sind und alle möglichen Popanze aufgebaut haben. ({2}) Die Zeit ist knapp. Es wäre eine große Versuchung, jetzt den Verschönerungsabsichten der Bundesregierung entgegenzutreten, da mancher Redner der Koalition offensichtlich nicht weiß, wie die Lage junger Menschen, die Lage der Arbeitslosen ist, wie es um die Staatsfinanzen aussieht. Herr Kollege Apel, nachdem Sie sich hier besonders mit einem Bibelzitat hervorgetan haben, das mit der Wahrheit zu tun hat, hatten Sie wenig später die Freundlichkeit, das Berliner Institut zu loben, das ein bestimmtes Wachstum voraussagt Dies ist richtig; aber, Ihren Wahrheitsbegriff unterstellt, hätten sie das Ganze zitieren müssen. Damit die Sache rund wird, darf ich es tun. Dieses Institut moniert die Finanzpolitik, weil diese in ihrer Grundtendenz „den Aufschwung eher gebremst als gefördert" habe. Und so geht das weiter: Hier fehlt die Kontinuität, hier ist Mißtrauen und Pessimismus erzeugt worden. Es fehlt die Zeit, das ganze Zitat in die Debatte einzubringen, weil ich gern meinem Kollegen Reuschenbach eine Antwort auf einen Punkt geben möchte, dessen Einführung in die Debatte mir grundsätzlich wichtig erscheint. ({3}) Sie, verehrte Kollegen von der SPD, haben unlängst einen Energiekongreß gehabt, auf dem am 28. April Erhard Eppler gesprochen hat. Ich las darüber in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 29. April folgenden Bericht - ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten -: Es sei zunächst politisch zu entscheiden, wieviel und welches Wachstum nötig sei. Daraus seien der Energiebedarf und die Vorkehrungen für die Energieversorgung herzuleiten. Die Politik also müsse das Wachstum steuern. Eppler scheut sich nicht, das Beispiel zu nennen, daß eben die Politik auch den Hausfrauen anordnen müsse, wann sie ihre Waschmaschinen einstellen. Ich wollte diesen Rückfall in einen autoritären Sozialismus nicht glauben; ich habe deshalb dankenswerterweise von Ihrer Fraktion die ganze Schrift über diesen Kongreß bekommen; ich habe dies alles nachgelesen. Die Sache ist noch schlimmer: Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" ist korrekt; sie hätte es härter sagen können. Auf die Ausführungen von Herrn Eppler folgt der verehrte Kollege Schmidt von der IG Bergbau, Ihr stellvertretender Fraktionsvorsitzender. Er weist diesen ordnungspolitischen Angriff, diese Forderung nach einer anderen Republik, nicht zurück. Man blättert weiter in der Meinung: Da muß doch einer kommen, der das tut. Am Schluß findet man den Herrn Bundeskanzler, der sagt: Ich habe die Vorträge gelesen. Er hebt aber nicht etwa die Faust und haut auf den Tisch, weil hier eine andere Republik gefordert wird, ({4}) sondern er unkt, hebt sanft den Finger und sagt wörtlich - dies muß man in die Debatte einführen -: Wenn auf Grund staatlicher Prognosen zukünftig Entscheidungsfreiheiten eingeengt werden, zukünftige Möglichkeiten der Entwicklung abgeschnitten werden, dann kann sich das bitter rächen. Er sagt nicht, daß dies nicht geschehen soll. Er wendet sich nicht dagegen, daß diese Wirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland eine auf die private Entscheidung gegründete private Veranstaltung in einem staatlichen Rahmen ist. Dieses hier ist das Gegenteil. Wo Politik absichtlich, wo der Staat absichtlich Energie zuteilt, hört Freiheit auf - nicht nur in der Wirtschaft, sondern da hört auch die Demokratie auf. ({5}) Diese Debatte wird im einzelnen zu führen sein, vielleicht wenn wir über unser Wirtschaftsprogramm diskutieren. ({6}) - Herr Reuschenbach, es geht nicht. Sie wissen, ich habe nicht einmal zehn Minuten Zeit für meine Rede. Diese Debatte wird zu führen sein. Auch die über unser Wirtschaftsprogramm, das in der Öffentlichkeit bisher unter einem ganz falschen Eindruck behandelt wird. Ich möchte mich direkt und unmittelbar dem Herrn Bundeswirtschaftsminister, dessen Etat wir lesen, dem sehr geschätzten Kollegen Friderichs, zuwenden. Seit der letzten Debatte, Herr Kollege Friderichs, über den Jahreswirtschaftsbericht sind wir uns einig, daß der nötige und mögliche Aufschwung allein von der Wirtschaftskraft kommt - oder ausbleibt, wenn diese fehlt; daß kein anderes Programm, kein lautes und kein leises, kein gigantomanisches und kein schleichendes, daran vorbeikommt oder sich darum herummogeln kann. Wir waren uns einig, daß unsere Arbeitsplatzlücke eine Folge der Investitionslücke ist; daß Wachstum und Vollbeschäftigung davon abhängen, daß die private Wirtschaft wieder lebendiger wird; kurzum: daß nicht eine weltwirtschaftliche Verschwörung auf uns einwirkt, sondern überwiegend Probleme mit heimischen Wirkursachen. Denn: Unsere Löhne, unsere Abgaben, unsere Probleme sind überwiegend hier gemacht und nicht draußen produziert. In diesen Dingen waren wir uns weitgehend einig, Herr Kollege Friderichs, obwohl der Kanzler in diesen Fragen alles allein dem Ausland zuschreibt. Ich möchte Ihnen deshalb eines sagen, Herr Kollege Friderichs: ich glaube, daß das, was sich in Westeuropa als Krise der Wirtschaft darstellt - wenn Sie das Wort Krise nicht mögen, dann nehmen Sie es eine Nummer kleiner -, in Wahrheit eine Krise der Politik ist. Und diese Krise der Politik ist eine Krise von Politikern. Denn es gibt eine Menge unter Ihnen, die sich nicht des Vorwurfs erwehren können, daß sie die Anspruchsinflation geweckt haben, sich nicht dagegengestellt haben, als dann die Inflation galoppierte, weil sie das scheinbar Populäre für das Richtige hielten. Ein solcher Politiker, der sich dies vorwerfen lassen muß, ist dieser Bundeskanzler; und der ist im Amt, weil Sie, Herr Kollege Friderichs, und Sie, Graf Lambsdorff, und Sie alle dies wollen. Deshalb ist diese Krise der Politik von Ihnen zu vertreten. ({7}) Meine verehrten Damen und Herren, die Hauptwachstumsbremse ist für die Bundesrepublik Deutschland in der Lage in Bonn zu suchen. Die Krise kommt aus der Politik. In Italien wird kein Produktivitätszuwachs, in Frankreich keine Inflationsrate, in Großbritannien kein Kredit die Probleme lösen. Sie kommen aus der Politik. In der Bundesrepublik Deutschland kommen sie daher, daß Bonn keine Führung und keine Perspektive bietet, sondern Nebel und Unklarheit. Wenn dann die Männer draußen im Lande den Fuß vom Gashebel nehmen, dann sind sie nicht „Unterlasser", sondern reagieren auf eine schlimme Situation, die andere herbeigeführt haben. ({8}) Verehrte Damen und Herren, in dieser Lage sollte eigentlich -({9}) - Ja, die Regierung sollte aufhören. Sie haben meinen Gedanken erraten. ({10}) Ich wollte Ihnen das gerade vorschlagen. Nachdem sich zunächst nur die Koalition im Zustande mißtrauischen Belauerns befand, ist das nun auf Ihre Partei übergegangen. Herr Kollege Wehner, Sie haben mir einmal in einer bestimmten Situation gesagt: Übertragen Sie nicht eine Krise Ihrer Fraktion oder Partei auf den Staat! Ich gebe Ihnen dies heute zurück: Sie sind dabei, Ihre Krise auf diesen Staat zu übertragen. Die Leidtragenden sind die Bürger draußen. Haben Sie Mut und Verantwortung, den Weg zu einem neuen Anfang freizugeben, indem Sie sich in der Opposition erneuern, Herr Wehner! Das ist die Sache, um die es hier geht. ({11}) Ich möchte mich wieder dem Kollegen Friderichs zuwenden. ({12}) - Ich bin da nicht so altmodisch. Sie verwechseln den Griff von Herrn Eppler in die Mottenkiste des Sozialismus mit einer Zukunftsperspektive. Aber das war ein Triumph der Träume über die Erfahrung, was Herr Eppler da vorhat. Wir werden das später ja diskutieren. Ich möchte mich Herrn Friderichs zuwenden. Ich verstehe, daß Sie ahnen, was jetzt kommt. Herr Kollege Friderichs, niemand in diesem Hause bestreitet, daß Sie den Instrumentenkasten der Ökonomie beherrschen. Ich bin auch sicher, daß Sie hinsichtlich der ökonomischen Arzneimittel völlig auf dem Stand der neuesten Entwicklung sind. So fragen Sie sich vielleicht, wo die Vollbeschäftigung bleibt. Denn Sie lesen - wie wir auch -, daß z. B. das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung feststellt, was die Nürnberger Anstalt unter die Leute bringt - ich zitiere -, „daß gegenwärtig bei voller Auslastung aller Sachkapazitäten noch genügend Arbeitsplätze für Vollbeschäftigung zur Verfügung stehen, weil z. B. die verarbeitende Industrie 700 000 und das Baugewerbe 250 000 Personen einstellen könnte" - wenn ausreichend Wachstum da wäre. Dieses Wachstum, diese Nachfrage - einverstanden. Verehrte Damen und Herren, da komme ich nun wieder auf den Punkt. Wenn das stimmt, was ich hier nur extemporieren kann, daß diese krisenhafte Zuspitzung politisch verursacht ist, dann nützt eben, Herr Kollege Friderichs, kein Griff in den ökonomischen Medikamentenkasten. Da müssen Sie schon in die politische Kiste greifen. Deshalb wiederhole ich hier das, was ich am 24. März in der Debatte über das Sachverständigengutachten gesagt habe. Ich habe damals gesagt: „Herr Bundeswirtschaftsminister, bei aller Wertschätzung, der Sie sich weithin erfreuen, können wir nicht übersehen, daß Sie die volle Verantwortung für die grundlegende Wirtschaftspolitik dieser Regierung tragen, für die Tatsache, daß es diese Koalition gibt, wie sie wirkt, zu welchen Ergebnissen sie geführt hat." Dieses Urteil, Herr Kollege Friderichs, ist inzwischen erhärtet. Im Interesse einer möglichen besseren Politik lehnen wir Ihren Haushalt ab - einer besseren Politik, die, wenn Sie nur wollen, möglich ist. Ihre Verantwortung ist groß. Sie ist nicht zu groß für Ihre herausragende Persönlichkeit. ({13}) Es liegt an Ihnen, Ihre Kraft entweder gegen Herrn Eppler und dessen Genossen zu verschwenden oder das zu tun, was jetzt objektiv nottut, was unserem Lande nützt, was die Basis des Aufschwungs ist: der neue politische Anfang. Den einfachen, den bequemen Weg gehen, das kann jeder. Die Geschichte, Herr Kollege Friderichs, fragt nach den anderen, nach denen, die den Mut hatten, den Weg zu weisen. ({14})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Herr Bundeswirtschaftsminister.

Dr. Hans Friderichs (Minister:in)

Politiker ID: 11000586

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen! Meine Herren! Trotz der Kürze der Zeit will ich versuchen, auf die einzelnen Argumente kurz einzugehen. Vor" ab möchte ich den Berichterstattern aus allen drei Fraktionen für ihre Eingangsbemerkungen danken und gleich zu einigen dieser Punkte etwas sagen. Erstens die Kokskohle-Beihilfe, die der Abgeordnete Waigel angesprochen hat. Ich will klarstellen, daß es sich aus meiner Sicht bei der KokskohleBeihilfe nicht in erster Linie um eine Maßnahme der Energiepolitik handelt. Kokskohle ist ein Rohstoff, der zur Herstellung von Stahl benötigt wird. Die deutsche Stahlindustrie ist daran gehindert, diese Kokskohle am Weltmarkt zu kaufen, weil wir ihr die entsprechende Erlaubnis aus wohlüberlegten Gründen nicht geben. Wenn dann der Weltmarktpreis wesentlich niedriger ist als der deutsche Listenpreis - dies war in den beiden letzten Jahren nicht der Fall, früher war es der Fall, jetzt ist es wieder der Fall -, gewährt die Bundesregierung einen entsprechenden Ausgleich, um die Wettbewerbsgleichheit wiederherzustellen. Die Stahlindustrie nimmt einen Selbstbehalt hin, weil sie durch die Sicherheit der Versorgung auch einen gewissen Vorteil hat. Herr Abgeordneter Waigel, Sie haben kritisiert - dafür habe ich Verständnis -, daß die jetzt vorgesehene Aufstockung des Kokskohle-Titels mit einem Antrag hier im Hause geschieht und nicht im Ausschuß. Ich bedaure das, muß Ihnen aber doch eines sagen: Die Sache ist ausweislich des Ausschußprotokolls vom 23. März 1977 im Haushaltsausschuß angesprochen worden. ({0}) Mein Mitarbeiter, Herr Braubach, und ich haben damals gesagt: Wir wissen noch nicht, wie die Sache ausgeht, aber bitte geht davon aus, da kommt noch ein Brocken auf den Haushalt zu. ({1}) Wir haben dann am 2. Mai 1977 den Antrag des Kohlebergbaus auf die Kokskohle-Beihilfe bekommen. Die Verhandlungen haben sich über den Monat Mai bis Anfang Juni erstreckt. Am 13. Juni 1977 war das entscheidende Staatssekretärgespräch, kurz vor Abschluß der Verhandlungen. Die abschließenden Verhandlungen fanden am 15. Juni 1977 statt. Aber die Sprecher der Fraktionen wurden bereits am 13. Juni 1977 vorinformiert und am 15./16. Juni 1977 genau unterrichtet. Ich glaube, daß die Dinge insoweit einigermaßen ordentlich, wenn auch spät gelaufen sind. ({2}) Zweite Bemerkung. Sie haben, Herr Abgeordneter Waigel, die Investitionsprogramme kritisiert. Dazu ist von den Vorrednern alles gesagt worden. Ich füge nur hinzu: Wenn ich mich recht entsinne, hat die Opposition - wie ich meine, aus wohlüberlegten Gründen - allen diesen Programmen ihre Zustimmung gegeben. Sie haben sodann die regionale Wirtschaftspolitik kritisiert. Ich stehe hier und bekenne in aller Offenheit: Wenn ich die regionale Wirtschaftspolitik alleine machen könnte, sähe sie anders aus, als sie aussieht. ({3}) Das bestreite ich überhaupt nicht. Sie geschieht auf der Basis des Gemeinschaftsaufgabengesetzes. Ich brauche im Planungsausschuß - z. B. auch für den 6. Rahmenplan, in dem alles steht - 17 Stimmen, die 11 Stimmen des Bundes und 6 Stimmen der Länder. Sie werden sich unschwer ausrechnen könen, daß z. B. die Auswahl der Schwerpunktorte, die Gebietsabgrenzungen ein mühsames Austarieren von Länderinteressen ist. Ich mache das den Kollegen nicht zum Vorwurf; das ist im Gesetz so angelegt. Das, was ich lieber täte, laufend vorübergehend demonstrative Schwerpunkte zu setzen, so wie wir das jetzt beispielsweise im Rahmen des Investitionsprogramms beim Dollart-Hafen versucht haben, erlaubt das Gesetz nicht. Wenn es möglich wäre, das Gesetz zu ändern - bitte schön, mich hätten Sie an Ihrer Seite. Die Zahl der Schwerpunktorte wird, wenn sie erhöht wird, immer gegen meinen Willen erhöht. Das wissen die Länder. Sie wissen ganz genau, Herr Abgeordneter, daß gerade im Lande Bayern sehr oft gegen die Bundesregierung mit der Begründung polemisiert oder operiert wird, wir ließen eben zu wenige Schwerpunktorte in den strukturschwachen Gebieten zu. ({4}) Das zur Regionalpolitik. Eine sektorale Steuerung mittels der Regionalpolitik lehne ich ab. Sektorale Strukturpolitik soll sauber danebenstehen. Das einzige, was wir nicht tun: Wir fördern dann nicht, wenn durch die Maßnahme in der Region die Monostruktur verstärkt würde. Wir geben z. B. keine Beihilfen für die Ansiedlung von Automobilbranchen oder ihr verwandter Betriebe in Wolfsburg, weil wir uns bemühen, die Monopolstruktur dort aufzulockern, nicht jedoch sie zu verstärken. Dann ist die Mittelstandspolitik - sprich: auch die Handwerkspolitik - angesprochen worden, und zwar auch von Herrn Kollegen Sperling und vom Kollegen Haussmann. Herr Kollege Waigel, der Einzelplan 09 ist im Haushaltsausschuß, wenn ich richtig unterrichtet bin, mit ganz wenigen Ausnahmen einvernehmlich von allen Fraktionen verabschiedet worden. Wenn ich mir Ihre Anträge anschaue - Erhöhung der Titel beim Handwerk, der Frachthilfe usw. -, dann stelle ich fest - lassen Sie uns doch Gemeinsamkeiten, die da sind, nicht vertuschen -, daß sich diese Anträge in Wahrheit alle auf Titel beziehen, die bereits in meinem Haushaltsplan, so wie er jetzt vorliegt, überproportional erhöht worden sind, d. h., in der strukturellen Ausgestaltung des Haushalts gibt es offensichtlich keine Meinungsverschiedenheit. Die Frage lautet nur: Erhält der Wirtschaftsminister noch 43 Millionen DM mehr oder nicht? Denn um genau diese Zahl geht es. Welcher Minister nähme sie nicht gerne? Aber ich muß doch auch zugeben, daß es eine Obergrenze des Gesamthaushaltes und innerhalb des Gesamthaushaltes eben nicht nur meinen Einzelplan gibt, sondern auch andere Einzelpläne, für die mit demselben guten Recht Prioritäten angemeldet wer2804 den. So kommt dann einfach die Entscheidung zustande. Herr Abgeordneter Sperling, mir liegt daran, nicht den Eindruck entstehen zu lassen, daß seitens des Wirtschaftsministeriums bestimmte Titelansätze bewußt oder wie auch immer niedrig gefahren werden, weil man sich sagt: Das machen die schon im Haushaltsausschuß. So ist es nicht gewesen. Hinter der Zahl, die den Haushaltsausschuß zunächst erreicht, steht häufig auch ein Ringen zwischen Kollegen Apel und mir, und zwar freundschaftlich, wie ich zugebe, weil ich mich in seine Lage sehr wohl versetzen kann. Mir liegt daran, daß das, was vorgelegt wird, nicht mit einem derartigen Trick versehen ist, um es ganz offen zu sagen. So hat es keinen Sinn. Es gibt allerdings Titel, die ich selbst lieber höher gesehen hätte, wo aber die Finanzmasse im Jahr nicht ausgereicht hat. Alles in allem aber, meine Damen und. Herren, steigt der Bereich Mittelstandsförderung in meinem Haushalt auch in diesem Jahr in der prozentualen Rate genau doppelt so schnell wie der Gesamthaushalt. ({5}) Damit muß doch zugegeben werden, daß eine Priorität gesetzt worden ist. Dies zu diesem Bereich. Zum Thema öffentliche Investitionen brauche ich nur hinzuzufügen: Das Programm, das wir beschlossen haben und von dem ich hoffe, daß es endlich in die Tat umgesetzt wird, nachdem alle Länder es nun unterschrieben haben, ist kein Ersatz für private Investitionen. Das hat weder der Bundeskanzler noch der Finanzminister noch der Arbeitsminister je behauptet. Aber: Sie müssen doch zugeben, daß öffentliche Investitionen in einem Zusammenhang mit privaten Folgeinvestitionen stehen. Sie brauchen eine ganz bestimmte Infrastruktur, wenn Sie erwarten wollen, daß darauf auch private Investitionen aufgebaut werden. Das ist das Ziel des Programms. Außerdem ist der Hintergedanke dabei, auf diese Weise zu erreichen, daß der investive Anteil wieder etwas stärker steigt als der konsumtive. Im übrigen handelt es sich zum Teil ja auch um einen Bereich echter Umweltvorsorge, z. B. bei der Frage der Abwasserbeseitigung und Trinkwasserversorgung, die ihrerseits beide Voraussetzung sind für das Wachstum für die nächste Generation in einem dichtbesiedelten Industrieland. Wir reden über Energie und anderes sehr viel; über die Frage, ob wir im nächsten Jahrzehnt oder Ende dieses Jahrhunderts ausreichende Mengen hinreichend guten Wassers haben, diskutieren wir, wenn überhaupt, höchstens am Rande. Dieses Programm dient exakt diesem Ziel. ({6}) Herr Dr. Barzel, Sie haben dann das DIW herangezogen, um darzulegen, daß der Finanzminister oder die Finanzpolitik - ich drücke es überspitzt aus - den Aufschwung hemme. Ich gehe gerne darauf ein, weil dieser Bericht in der Tat lesenswert ist. Direkt nach dem Satz, den Sie Ihrer Aussage zugrunde gelegt haben, sagt das Institut weiter: Die erneute Abnahme der öffentlichen Bauinvestitionen im ersten Quartal spricht jedenfalls dafür, daß der Bausektor von den öffentlichen Haushalten keine Impulse erhält. Kritisieren Sie nun das öffentliche Investitionsprogramm, oder kritisieren Sie es nicht? Denn öffentliche Bauinvestitionen erfordern öffentliche Mittel. Anders entstehen sie nicht. ({7}) Meine Damen und Herren, Herr Kollege Apel und ich kämpfen doch seit Monaten darum, daß nicht unsere Ausgabenerhöhungen im investiven Bereich so wie im vorigen Jahr durch Einsparungen bei den Gebietskörperschaften und deren prozyklisches Verhalten kompensiert werden. Das ist doch die Wahrheit. ({8}) Man kann sich auch kaputtkonsolidieren, meine Damen und Herren. Ich will das einmal ganz deutlich sagen, wenn ich die Bauausgaben der Gemeinden und der Länder des letzten Jahres sehe. ({9}) Es hat doch Gründe, warum die Baunachfrage der Privaten nicht ausreicht. Auch demographische Kurven spielen dabei eine Rolle. Hier ist der Staat gefordert. Ich nenne ein Beispiel. Ich habe in der vorigen Woche eine Verbandsgemeinde in meinem Wahlkreis mit, wenn ich mich recht entsinne, 25 Gemeinden besucht. Ganze sechs dieser Gemeinden besitzen eine Kläranlage. Alle anderen besitzen keine. Dann ist es doch in einer Zeit schwacher Baunachfrage eigentlich eine Selbstverständlichkeit, daß man diese Zukunftsinvestition, die sowieso irgendwann getätigt werden muß, in eine Zeit ausreichenden Kapazitätsangebots vorzieht, um damit gleichzeitig der eigenen Daseinsvorsorge zu dienen. ({10}) Nun, Herr Dr. Barzel, darf ich noch einen Satz von derselben Seite des DIW zitieren. Es ist der nächste Satz: Die mit der Erhöhung der globalen Minderausgabe geplante weitere Kürzung des Bundeshaushalts 1977, wie sie zur Entscheidung ansteht, zeigt, daß sich die Einsicht in die konjunkturpolitischen Notwendigkeiten keineswegs schon überall durchgesetzt hat. ({11}) Meine Damen und Herren, das ist ein Satz nur an die Adresse der Opposition, wenn ich es richtig sehe. Denn Sie operieren mit der globalen Minderausgabe von Haushalt zu Haushalt, weil Ihnen der politische Mut fehlt, klar zu sagen, wo ansonsten gestrichen werden müßte, ({12}) denn dann träten Sie notwendigerweise einmal einer Gruppe auf den Fuß. Wegen der vereinbarten Zeit möchte ich zum Schluß kommen. Lassen Sie, Herr Dr. Barzel, mich noch eine Bemerkung zu meiner persönlichen und politischen Rolle und zu derjenigen meiner Freunde in diesem demokratischen Staat machen. Sie saBundesminister Dr. Friderichs gen, dieser Bundeskanzler, den Sie kritisieren und gern durch einen anderen ersetzt sähen, was Ihr gutes Recht ist, sei nur deshalb im Amt, weil meine Freunde und ich dies wollten. Dies ist richtig. ({13}) Denn die Sozialdemokratische Partei Deutschlands hat bei der letzten Bundestagswahl im Deutschen Bundestag nicht die Mehrheit errungen, ebensowenig wie Sie. Aber waren wir wirklich noch frei in unserer Entscheidung - ich hätte fast gesagt: hatten wir eine Privatentscheidung zu treffen -, nachdem wir einen Wahlkampf mit einer klaren, unzweideutigen politischen Aussage geführt haben, nämlich, daß wir die Absicht hätten, wenn uns der Wähler dies ermöglicht, mit der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und diesem Bundeskanzler auch in der nächsten Legislaturperiode gemeinsam zu arbeiten. So hatten wir es dem Wähler vorher gesagt. ({14}) Er wußte ganz genau: wenn er dies nicht will, muß er den Unionsparteien die Mehrheit geben. Dies hat er nicht getan. Damit haben wir einen Auftrag des Wählers, das zu tun, was wir ihm versprochen haben. ({15}) Ich würde es als einen Betrug am Wähler bezeichnen, meine Damen und Herren, sechs Monate nach einer so unmißverständlichen, so eindeutigen Aussage zu sagen: Was kümmert mich das Geschwätz von gestern; der Wähler wird sich auch an neue Gesichter gewöhnen, wenn wir sie ihm nur servieren! ({16}) Ich möchte nicht wissen, wie die Union operieren würde, wenn wir mit ihr in der Koalition säßen und die Sozialdemokraten dies verlangen würden. Meine Damen und Herren, die Zeit haben wir doch hinter uns. Wir haben doch den Vorzug, daß wir uns alle kennen, weil wir alle schon einmal miteinander gearbeitet haben. Oder etwa nicht? ({17}) Ich persönlich habe den besonderen Vorzug, Staatssekretär bei Ihrem Vorsitzenden gewesen zu sein, so daß ich die Zusammenarbeit auch mit ihm aus eigener Anschauung kenne. Nein, meine Damen und Herren, eine klare Aussage vor einer Bundestagswahl ist anschließend zu honorieren. Denn sonst bekommen wir das, was viele der deutschen Öffentlichkeit einzureden versuchen. Dann bekommen Sie in der Tat die Legitimationskrise, die Demokratiekrise oder die Parteienkrise. Der Wähler muß sich darauf verlassen können, daß das, was man ihm sagt, auch gemacht wird. ({18}) Deshalb stehen meine politischen Freunde und ich für diese Legislaturperiode zu dieser Koalition. ({19}) - Herr Warnke, wenn ich - die rote Lampe leuchtet auf - Ihren fragenden Zwischenruf „Die ganze Legislaturperiode?" aufgreifen darf, dann kann ich nur sagen: In den letzten Tagen haben Sie es uns wahnsinnig leicht gemacht, mit Freude bei dieser Haltung zu bleiben. ({20})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Zu Einzelplan 09 liegen zwei Änderungsanträge vor. Zuerst rufe ich den Änderungsantrag der Fraktionen der SPD, FDP Drucksache 8/615 Ziffer I zu Kap. 09 02 Tit. 683 04 auf. - Das Wort zur Begründung wird nicht begehrt. Wer diesem Änderungsantrag der Fraktionen der SPD, FDP zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist angenommen. Ich rufe nunmehr den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 8/618 zu Kap. 09 02 Tit. 685 10, 652 51 und Titelgruppe 05 auf. Das Wort zu einer kurzen Begründung hat der Abgeordnete Hauser.

Hansheinz Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000833, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Zeitdruck, unter dem diese Debatte stattfinden muß, steht sicherlich in einem diametralen Gegensatz zu der Bedeutung, die das Thema eigentlich verdient. Wir haben einen Antrag eingebracht, der die Positionen für das Handwerk betrifft. Die anderen Positionen sind schon von meinem Kollegen Dr. Waigel behandelt worden. Zum Mittelstandsbericht, Herr Minister, der hier vor einem Jahr diskutiert wurde, wurde von mir die Feststellung getroffen, daß dieser Bericht ein Aktionsprogramm ohne Aktionen enthält, Nun, nach 12 Monaten, müssen wir feststellen, daß sich dies in vollem Umfang bewahrheitet hat; denn in diesem Bericht steht unter anderem: Im Mittelpunkt der Berufsbildungspolitik der Bundesregierung steht die Sicherung eines ausreichenden Angebots an qualifizierten Ausbildungsplätzen. In unserem Antrag geht es um die Frage, ob die Qualität der Ausbildungsplätze mit Hilfe von Bundesmitteln erhöht werden kann, oder ob man hier Maßnahmen, die eingeleitet sind, unter Umständen wieder zurückdrehen muß. Heute morgen hat der Kollege von der SPD von einem Lobbymechanismus des Handwerks gesprochen. Herr Kollege Sperling, ich muß dies entschieden zurückweisen. ({0}) - Lassen Sie mich mal ausreden. Das Handwerk hat nämlich am 15. Mai dieses Jahres vom Bundeswirtschaftsminister auf einen entsprechenden Antrag hin die Zusage bekommen, daß in diesem Haushaltsplan 16 Millionen DM für diese überbetrieblichen Maß2806 Hauser ({1}) nahmen zur Verfügung stehen. Es kann also überhaupt keine Rede davon sein, daß erst kurz vor Abschluß der Haushaltsberatungen jemand auf die Idee gekommen sei, einen Antrag auf Erhöhung der Mittel einzubringen. Das Handwerk hat nachgewiesen, daß 19,5 Millionen DM notwendig sind, um die in diesem Jahr vorgesehenen 22 200 Maßnahmen zu finanzieren. Wenn dann vorläufig 16 Millionen DM bewilligt werden und im Haushaltsplan nur 12 Millionen DM stehen, frage ich, Herr Minister: Was ist von dieser Ihrer Zusage im Mittelstandsbericht übriggeblieben? Der Haushaltsausschuß hat zwar noch 1,5 Millionen DM zugelegt, bleibt aber damit immer noch unter dem, was bereits im vorigen Jahr an Mitteln zur. Verfügung stand. Insofern, Herr Minister, ist es falsch, wenn Sie sagen, daß diese Ansätze höher anstiegen als der übrige Haushalt. Das ist einfach nicht richtig; denn in diesem Jahr stehen, wenn das hier beschlossen wird, weniger Mittel zur Verfügung, als im vorigen Jahr bereitgestellt worden sind. ({2}) Dies gilt für beide Positionen, die in unserem Antrag angesprochen worden sind. Ich meine, daß gerade au der Behandlung dieses Themas und dieses Antrags heute morgen in diesem Hause und an den dazu gemachten Bemerkungen ablesbar ist, welchen Stellenwert bei Ihnen Mittelstandspolitik, Ausbildungsplatzsicherung und alle damit zusammenhängenden Fragen in Wirklichkeit haben. Da nützen die schönen Bekenntnisse überhaupt nichts, wenn Sie dort, wo es möglich ist, die Dinge zu fördern, das dann ablehnen. ({3})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wer dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 8/618 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. Wir kommen zur Abstimmung über Einzelplan 09. Wer dem Einzelplan 09 in der Ausschußfassung mit den soeben beschlossenen Änderungen - ich erinnere an den angenommenen Antrag der Fraktionen der SPD und der FDP zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! Stimmenthaltungen? - Der Einzelplan 09 ist mit den Stimmen der Regierungsparteien gegen die der Opposition angenommen worden. Wir unterbrechen die Beratungen des Deutschen Bundestages bis 14 Uhr. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Meine Damen und Herren, die Sitzung wird fortgesetzt. Ich rufe den Zusatzpunkt 1 der Tagesordnung Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes ({0}) zum Gesetz zur Zwanzigsten Rentenanpassung und zur Verbesserung der Finanzgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung ({1}) - Drucksache 8/651 Berichterstatter: Abgeordneter Müller ({2}) und, verbunden damit, den Zusatzpunkt 2 auf: Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes ({3}) zum Gesetz zur Dämpfung der Ausgabenentwicklung und zur Strukturverbesserung in der gesetzlichen Krankenversicherung ({4}) - Drucksache 8/652 Berichterstatter: Abgeordneter Müller ({5}) Sie sind damit einverstanden, daß wir darüber gemeinsam beraten und befinden? - Dann hat zur Berichterstattung der Abgeordnete Müller ({6}) das Wort.

Adolf Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001542, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als Berichterstatter des Vermittlungsausschusses habe ich zunächst über die Beschlußempfehlung zum Zwanzigsten Rentenanpassungsgesetz, damit verbunden aber auch gleich über das Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz zu berichten. Der Bundesrat hat in seiner 446. Sitzung am 3. Juni 1977 beschlossen, zu dem vom Deutschen Bundestag am 13. Mai 1977 verabschiedeten Zwanzigsten Rentenanpassungsgesetz zu verlangen, daß der Vermittlungsausschuß gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes in 14 Einzelvermittlungsbegehren einberufen wird. Der Vermittlungsausschuß hat am Mittwoch, dem 15. Juni, am Donnerstag, dem 16. Juni, und am Montag, dem 20. Juni, überleitend in die frühen Morgenstunden des 21. Juni, diese Vermittlungsbegehren behandelt. Die Beschlüsse des Vermittlungsausschusses liegen Ihnen in der Drucksache 8/651 vor. Insoweit darf ich auf diese Vorlage verweisen. Zum Vermittlungsverfahren an sich trage ich Ihnen noch folgendes vor. Der Vermittlungsausschuß hat 13 der insgesamt 14 Vermittlungsbegehren zum Teil mit Stimmengleichheit, zum Teil mit der Mehrheit der Stimmen abgelehnt. Das Vermittlungsbegehren Nr. 3 aus der Drucksache 223/77 des Bundesrates, in dem dieser an Hand verschiedener Einzelvorschriften fordert, daß die berufliche Rehabilitation bei den Trägern der Rentenversicherung verbleiben und nicht auf die Bundesanstalt für Arbeit übergehen soll, ist im eigentlichen Vermittlungsbegehren mit Mehrheit abgelehnt worden. Jedoch beschloß der Vermittlungsausschuß ebenso mit Mehrheit eine Fassung, die zum Inhalt hat, daß die Rentenversicherungsträger berufsfördernde MaßnahMüller ({0}) men in Zukunft nur noch bei den Versicherten durchführen, die eine Versicherungszeit von 180 Kalendermonaten zurückgelegt haben oder bereits eine Rente beziehen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen, die Plätze einzunehmen und die Gespräche einzustellen. Wir sind bei der Berichterstattung über den Vermittlungsausschuß. Bitte schön, Herr Kollege Müller.

Adolf Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001542, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bei einer völligen Übertragung berufsfördernder Maßnahmen von den Trägern der Rentenversicherung auf die Bundesanstalt für Arbeit müßte mit personellen und organisatorischen Schwierigkeiten gerechnet werden. Der Beschluß des Vermittlungsausschusses bedeutet in der Praxis, daß alle Versicherten, die die große Anwartschaft von 180 Kalendermonaten erworben haben oder bereits eine Rente beziehen, berufsfördernde Maßnahmen bei den Trägern der Rentenversicherung durchführen können, während für alle übrigen Versicherten die Bundesanstalt für Arbeit für die berufliche Rehabilitation zuständig ist. Die vielfältigen Änderungen in den Einzelvorschriften des Gesetzes sind notwendige Folgeänderungen. Der Vermittlungsausschuß hat folgende Anrufungsbegehren des Bundesrates abgelehnt: Nr. 1: Der Bundesrat hatte gefordert, daß die Kinderzuschüsse nicht auf den heutigen Stand eingefroren werden sollen. Nr. 2: Der Bundesrat hatte einen Krankenversicherungsbeitrag der Rentner und eine Dynamisierung der KVDR-Leistungen der Rentenversicherung gefordert. Nr. 4: Der Bundesrat hatte gefordert, daß es bei der Waisenrente keine Einkommensgrenzen geben dürfe, weil eine Bedürftigkeitsprüfung bei Hinterbliebenenrenten nicht angebracht wäre. Nr. 5: Der Bundesrat hatte gefordert, daß die Versicherungsfreiheit pensionierter Beamter erst bei 75 v. H. statt wie im Gesetz beschlossen 65 v. H. des Ruhegehaltes eintreten soll. Nr. 6: Der Bundesrat wollte eine Beibehaltung des Anspruchs rentenversicherter Beamter auf Rehabilitation. Nr. 7: Der Bundesrat verlangte einen Fortfall der Einschränkung der Verdienstmöglichkeiten bei vorgezogenem Altersruhegeld. Nr. 8: Der Bundesrat wollte die Teilaktualisierung bei der Rentenanpassung 1979 gestrichen haben, d. h., er wollte keine Herausnahme der Einkommensentwicklung im Jahre 1974 bei der Berechnung der Rentenanpassung. Nr. 9: Der Bundesrat wollte keine Nivellierung bei der Anrechnung beitragsloser Ausbildungszeiten. Nr. 10: Der Bundesrat wollte die Einschränkung der Zahlung von Auslandsrenten an Vertriebene und Flüchtlinge gestrichen haben, um damit eine Gleichstellung mit Verfolgten zu erreichen. Nr. 11: Der Bundesrat wollte einen langsameren Anstieg des Mindestbeitrags, als im Gesetz vorgesehen. Nr. 12: Der Bundesrat wollte keine Verkürzung der Nachentrichtungsfrist für freiwillige Beiträge. Nr. 13: Der Bundesrat wollte eine Beitragszahlung der Bundesanstalt für Arbeit an die Rentenversicherung bei Arbeitslosigkeit auch für die von der gesetzlichen Versicherungspflicht befreiten berufsständisch Versicherten. Nr. 14: Der Bundesrat wollte eine Streichung der Dreijahresfrist für die Beitragsnachentrichtung vertriebener Selbständiger. Sehen Sie mir als Berichterstatter nach, daß ich das bei der Vielzahl der Vermittlungsbegehren nur stichwortartig anreißen konnte. Der Vermittlungsausschuß schlägt gemäß seiner Geschäftsordnung vor, über den Vermittlungsvorschlag in seiner Gesamtheit abzustimmen. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Einen Augenblick, bitte, Herr Kollege! - Darf ich alle Mitglieder des Hauses bitten, sich hinzusetzen und dem Berichterstatter zuzuhören. ({0}) - A 11 e Mitglieder dieses Hauses würde ich gern bitten. - Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Adolf Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001542, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich berichte jetzt über das Kostendämpfungsgesetz. Zunächst gilt einleitend das, was ich auch für das 20. Rentenanpassungsgesetz gesagt habe, was die Sitzung des Bundesrates und die Sitzungen des Vermittlungsausschusses angeht. Ich erläutere zunächst die Punkte des gesamten Vermittlungsbegehrens des Bundesrates, zu denen im Vermittlungsausschuß das Gesetz ändernde Beschlüsse gefaßt worden sind. Die Beschlüsse liegen Ihnen in der Drucksache 8/652 vor. 1. Zu Nr. 2 des Vermittlungsbegehrens wurde beschlossen, daß die Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung nicht angehoben wird. 2. Nr. 3 des Vermittlungsbegehrens wurde insoweit positiv entschieden, daß nach § 185 RVO häusliche Krankenpflege gewährt wird durch Krankenpfleger, Krankenschwestern und andere, wenn Krankenhauspflege geboten, aber nicht durchführbar ist oder Krankenhauspflege dadurch nicht erforderlich wird. 3. Nr. 8 des Vermittlungsbegehrens des Bundesrates wollte die vom Bundestag beschlossene Ausdehnung der kassenärztlichen Versorgung auf nachgeordnete Krankenhausfachärzte wieder einengen. Dieses Begehren wurde mit Mehrheit abgelehnt. Statt dessen wurde über die Frage der Teil2808 Müller ({0}) habe der Krankenhausfachärzte an der kassenärztlichen Versorgung mit Mehrheit wie folgt beschlossen: Angestellte oder im Beamtenverhältnis stehende leitende Krankenhausärzte sowie zur Erbringung besonderer ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden auch andere Krankenhausärzte, welche nach den berufsrechtlichen Vorschriften zum Führen einer bestimmten Gebietsbezeichnung berechtigt sind, sind vom Zulassungsausschuß auf ihren Antrag hin, längstens für die Dauer ihrer Tätigkeit an dem Krankenhaus, an der kassenärztlichen Versorgung unmittelbar oder auf Überweisung durch Kassenärzte zu beteiligen, sofern eine solche Beteiligung notwendig ist, um eine ausreichende ärztliche Versorgung der Versicherten zu gewährleisten. 4. Nr. 9 des Vermittlungsbegehrens wurde entsprochen. Hier ging es um die Streichung der unmittelbaren Beteiligung der Krankenhäuser in besonderen Fällen und bei besonderen Untersuchungsmethoden an der kassenärztlichen Versorgung. 5. Nr. 10 und 11 des Vermittlungsbegehrens müssen gemeinsam gesehen werden. In Nr. 10 ging es um die Kriterien der Vereinbarung der Arzthonorare und in Nr. 11 um die bundeseinheitlichen Empfehlungen für ärztliche Vergütung. Das ursprüngliche Vermittlungsbegehren wurde in beiden Fällen mit Mehrheit abgelehnt und eine Änderung des § 368 f Abs. 3 und 4 RVO mit Mehrheit angenommen. An Stelle der Kriterien des Jahreswirtschaftsberichtes soll die Entwicklung der durchschnittlichen Grundlohnsumme bei Vereinbarungen der ärztlichen Vergütungen berücksichtigt werden. Eine Bundesempfehlung soll nur dann abgegeben werden, wenn in der Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen eine entsprechende Empfehlung nicht zustande kommt, bei der die Vertreter der Krankenkassen und der Kassenärzte zugestimmt haben. Außerdem können bei den Vereinbarungen über die ärztlichen Vergütungen auch die besonderen Verhältnisse der einzelnen Kassenarten berücksichtigt werden. Beide Vorschriften müssen in Verbindung mit den Ziffern 19 und 20 ({1}) gesehen werden. 6. Nr. 12 des Vermittlungsbegehrens wollte die Streichung des Arzneimittelhöchstbetrages. Das ursprüngliche Anrufungsbegehren wurde mit Mehrheit abgelehnt, eine neue Formulierung mit Mehrheit angenommen. Wenn der vereinbarte Arzneimittelhöchstbetrag nicht nur geringfügig überschritten wird, sind die Vertragsparteien verpflichtet, die Ursachen der Überschreitung festzustellen. Soweit die Überschreitung des Höchstbetrages nicht auf einen Anstieg der Ausgaben infolge von unvorhergesehenen und allgemeinen erheblichen Zunahmen der Krankheitshäufigkeit zurückgeht - z. B. Grippeepidemie -, haben die Vertragsparteien zu regeln, daß gesetzlich und gezielte Einzelprüfungen der Verordnungsweise der Ärzte durchgeführt werden. Hierbei kann ein Ausgleich nur im Wege des Einzelregresses durchgeführt werden. Hinsichtlich der Bundesempfehlung für den Arzneimittelhöchstbetrag hat der Vermittlungsausschuß die Bundesempfehlung bei der ärztlichen Versorgung übernommen. Ohne daß eine ausdrückliche Bestimmung im Gesetz vorgeschrieben ist, hat die Mehrheit des Vermittlungsausschusses die Auffassung vertreten, im Bericht den Krankenkassen zu empfehlen, vor der Durchführung eines Einzelregresses den betreffenden Arzt auf eine derartige Möglichkeit hinzuweisen. 7. Nr. 14 und 15 des Vermittlungsbegehrens betreffen das System der Vertragskrankenhäuser. Der Streichung dieser Nummern ist durch den Beschluß des Vermittlungsausschusses entsprochen worden. 8. Nr. 16 des Vermittlungsbegehrens wurde im Vermittlungsausschuß zwar abgelehnt, so daß die vorstationäre Diagnose und nachstationäre Behandlung im Krankenhaus ermöglicht wird. Der Vermittlungsausschuß hat jedoch beschlossen, daß die vorstationäre Diagnose und die nachstationäre Behandlung im Krankenhaus auf Überweisung durch einen Kassenarzt beruhen muß. 9. Nr. 19 und 20 des Vermittlungsbegehrens wollten die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen an Stelle der Bundesempfehlung des Arzneimittelhöchstbetrages und der Kriterien für die ärztliche Vergütung einführen. Dieses ursprüngliche Vermittlungsbegehren wurde mit Mehrheit abgelehnt. Statt dessen wurde eine neue Formulierung mit Mehrheit angenommen, die eine Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen vorsieht, aber die gesetzlichen Regelungen über die Bundesempfehlung, den Arzneimittelhöchstbetrag und die Kriterien für die Behandlung über die ärztliche Vergütung grundsätzlich beibehält. Die Bundesregierung wird aufgefordert, den gesetzgebenden Körperschaften bis zum 31. Dezember 1981 einen Bericht über die Erfahrungen mit der Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen sowie den Bundesempfehlungen zur Veränderung der Gesamtvergütungen und der Arzneimittelhöchstbeträge vorzulegen. 10. Nr. 21 des Vermittlungsbegehrens betrifft den Finanzausgleich der Krankenkassen innerhalb des Landesverbandes einer Kassenart. Dem Vermittlungsbegehren wurde stattgegeben, so daß nicht nur die Mitgliedskassen, deren Kassenbezirk innerhalb eines Landes liegt, an dem Finanzausgleich teilnehmen können, sondern auch bundesunmittelbare Mitgliedskassen. 11. Nr. 23 des Vermittlungsbegehrens - Abkoppelung des § 4 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes - wurde mit Mehrheit beschlossen. Vorher wurde jedoch ein Antrag zur Änderung des § 368 g Abs. 6 der Reichsversicherungsordnung zur Förderung der Belegärztetätigkeit angenommen. Unabhängig vom Vermittlungsbegehren war der Vermittlungsausschuß einmütig der Ansicht, daß die Probleme des Krankenhausfinanzierungsgesetzes Müller ({2}) dringend gelöst werden müssen und daß daher eine Novellierung des Gesetzes dringend erforderlich ist. Folgende Vermittlungsbegehren des Bundesrates wurden entweder durch Stimmengleichheit oder mit Stimmenmehrheit abgelehnt. 1. Nr. 1 des Vermittlungsbegehrens beinhaltete die sogenannte Fluchtklausel, d. h. die Verhinderung des Abwanderns zur Privatversicherung durch erschwerte Beitrittsvoraussetzungen für die Krankenversicherung der Rentner. 2. Nr. 4 des Vermittlungsbegehrens wollte die Befreiung von der Arzneimittelkostenbeteiligung für Sozialhilfeempfänger. 3. Nr. 5 des Vermittlungsbegehrens: Der Bundesrat hielt es nicht für berechtigt, die Gewährung der Krankenhauspflege gegenüber dem Versicherten von dem Abschluß einer Vereinbarung abhängig zu machen. 4. Nr. 6 des Vermittlungsbegehrens wollte die Übernahme der vollen Kurkosten auch für Versicherte, die nicht Arbeitnehmer sind. 5. Nr. 7 des Vermittlungsbegehrens zielte auf Beibehaltung der Familienhilfe auch bei eigenen Einkünften des Familienmitglieds, weil die Einkommensgrenze für die Berechtigung der Familienhilfe in der Krankenversicherung von 370 DM zu gering erschien. 6. Nr. 13 des Vermittlungsbegehrens wollte keinen Vorsitzwechsel und keinen Stichentscheid bei den Prüfungs- und Beschwerdeausschüssen. 7. Nr. 17 des Vermittlungsbegehrens betraf die Rentnerkrankenversicherung und war als etwaige Folgeänderung beim Anrufungsbegehren zum 20. Rentenanpassungsgesetz gedacht. 8. Nr. 18 des Vermittlungsbegehrens bezog sich auf die Beibehaltung der Garantiehaftung für Ortskrankenkassen, wobei der Bund zur Zuschußzahlung verpflichtet werden sollte. 9. Nr. 22 des Vermittlungsbegehrens wollte keine Einbeziehung der Ersatzkassen in die Regelung über die Bundesempfehlung und den Bewertungsmaßstab innerhalb des Kassenarztrechts. Dieses Vermittlungsbegehren wurde abgelehnt. Durch einen Zusatzantrag zu dem Vermittlungsvorschlag für die Bundesempfehlungen wurde in gewissem Umfang den Besonderheiten der Ersatzkassen Rechnung getragen. 10. Nr. 24 des Vermittlungsbegehrens betraf die Zuständigkeitsänderung der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften Schleswig-Holsteins. Als Berichterstatter muß ich um Verständnis dafür bitten, daß trotz der Schwierigkeit der Materie versucht wurde, mit knappen Erklärungen das Wesentliche zu sagen. Der Vermittlungsausschuß schlägt gemäß seiner Geschäftsordnung vor, über den Vermittlungsvorschlag in seiner Gesamtheit abzustimmen. ({3})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Meine Damen und Herren, ich danke dem Berichterstatter für seinen Bericht und zugleich für seine Geduld. Er hat uns trotz der äußeren Schwierigkeiten und der Schwierigkeiten der Materie einen sehr guten Bericht gegeben. Das Wort zu einer Erklärung hat der Herr Abgeordnete Franke.

Heinrich Franke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000571, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der Fraktion der CDU/CSU gebe ich folgende Erklärung ab. Worum handelt es sich im einzelnen beim 20. Rentenanpassungsgesetz? Hier klafft - wenn ich das in Erinnerung rufen darf - ein Loch von ca. 80 Milliarden DM bis 1980. Es ist ein Irrtum, anzunehmen, durch Änderungen im sogenannten Kostendämpfungsgesetz könnte dieses Loch gestopft werden. Nach den Vorstellungen von SPD und FDP soll ein Teil der Finanzlücken geschlossen werden, indem die Krankenversicherung Kosten tragen soll, die bisher die Rentenversicherung getragen hat. Hierbei muß es zu Beitragserhöhungen in der Krankenversicherung kommen. Die Sachverständigen schätzen diese Erhöhung auf 1,2 bis 1,6 Prozentpunkte. Das sind etwa 7 bis 8 Milliarden DM pro Jahr bis 1980. Der Vorschlag der Fraktion der CDU/CSU und der Mehrheit des Bundesrates, eine andere Form der Lastenverteilung vorzunehmen, wurde im Vermittlungsausschuß von SPD und FDP abgelehnt. Damit bleibt es bei Beitragserhöhungen in der Krankenversicherung. Die Absichten von FDP und SPD, die berufliche Rehabilitation auf die Bundesanstalt für Arbeit zu verlagern, ist im ersten Abschnitt von der SPD mit Hilfe der FDP realisiert worden. Obwohl alle Sachverständigen der Meinung sind, daß diese Kostenverlagerung keine Einsparung bringt, haben sich die Eiferer in der SPD - und immer mit Hilfe der FDP - durchgesetzt. ({0}) Obwohl es im Endeffekt mit ziemlicher Sicherheit teurer wird, hat sich die Mehrheit von SPD und FDP in dieser Frage nicht belehren lassen. Durch die Ablehnung unserer Finanzierungsvorschläge zur Sanierung der Rentenversicherung kommt es wahrscheinlich zur Verwirklichung der Nettoanpassung der Renten in den Jahren 1979 und 1980; denn tendenziell haben sich die Mindereinnahmen, bedingt durch die schlechte Arbeitsmarktlage, bei den Rentenversicherungen fortgesetzt. Unsere sozial ausgewogeneren Vorschläge, wie sie auch von der Mehrheit des Bundesrates gewollt waren, sind von SPD und FDP abgelehnt worden. Damit kommt es zu unsozialen Eingriffen in die Einkommen der Rentenbezieher, insbesondere bei Rentnern mit kleinen Renteneinkommen. Den Beweis für die schlechte Tendenz bei den Beitragseinnahmen liefern die Zahlen, die uns in den letzten Tagen erreicht haben. Die Beitragseingänge bei den Rentenversicherungsträgern sind von Januar bis Mai zwar gestiegen, bei der Arbeiterrentenversicherung aber nur um 4 % und bei der Angestelltenversicherung um 2,4 %. Die Gesamtsteigerung - Arbeiterrentenversicherung und Angestelltenversicherung zusammengenommen - betrug für den Zeitraum von Januar bis Mai 3,2 %. Die Schätzungen der Einnahmen gehen allerdings von Einnahmesteigerungen in der Arbeiterrentenversicherung um 6,4 % und in der Angestelltenversicherung um 6,8 % aus. Für beide Versicherungsträger zusammengenommen wird also von einem Einnahmenzuwachs von 6,6 % ausgegangen. Falls die in den Schätzungen genannten Einnahmen in diesem Jahr noch erreicht werden sollen, müßten in den Monaten Juni bis September die IstEinnahmen wie folgt steigen: bei der Arbeiterrentenversicherung um 8 °/o, bei der Angestelltenversicherung um 9,7 % und bei Arbeiterrentenversicherung und Angestelltenversicherung zusammengenommen um 8,8 %. Meine Damen und Herren, im Mai stiegen die Einnahmen in der Arbeiterrentenversicherung um 2,7 % und in der Angestelltenversicherung um 3,5 %. Die Vermittlungsergebnisse beim sogenannten Kostendämpfungsgesetz bringen keine Einsparungen und Kostensenkungen. Vielmehr hat sich die Behauptung, daß es SPD und FDP hauptsächlich um Systemveränderung gehe, bestätigt. ({1}) Es ist bekannt, daß die SPD eine Systemveränderung auch im Gesundheitswesen will. Sie will die Versuche, die sie im Bildungswesen in den Ländern angezettelt hat - und hier zu Lasten der Kinder und der Eltern -, in diesem Bereich fortsetzen. ({2}) Dabei geht es der SPD bei diesem Gesetz im Grunde genommen gar nicht um Kosteneinsparungen, sondern um die Durchsetzung sozialistischer Vorstellungen. ({3}) Aus der Sicht der SPD ist das nur konsequent, meine Damen und Herren. Ich verzeichne Beifall bei einzelnen Abgeordneten auf der linken Seite. Wahrscheinlich ist das die 16. Etage. Aber daß die FDP ihre Hand dazu bietet, muß hier herausgestellt und angeprangert werden. ({4}) Lassen Sie mich einige Beispiele dazu nennen. Erstens. Durch die Beschlüsse von SPD und FDP im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung des Bundestages, die Beitragsbemessungsgrenze von 75 auf 85 % anzuheben, haben, auch nach Meinung des Bundesarbeitsministers Ehrenberg, inzwischen viele Gutverdienende z. B. die Angestelltenkassen verlassen. Dadurch ist ein Teil der guten Risiken abgewandert, die Zahl der schlechteren Risiken hat sich dadurch vergrößert. Aus diesem Grund müssen die Beiträge zusätzlich angehoben werden. Es ergibt sich also keine Kostendämpfung, sondern es ergeben sich Beitragserhöhungen. ({5}) Zweitens. Nehmen Sie das Vermittlungsbegehren Nr. 8, bei dem es um die Änderung des § 368 a Abs. 8 der Reichsversicherungsordnung geht. Nach der Entscheidung des Vermittlungsausschusses - falls das Gesetz wird - findet hier jedoch keine Kostendämpfung, sondern finden allenfals Kostenerhöhungen statt. Hiermit werden nämlich die Krankenhäuser für die ambulante Versorgung geöffnet. Das heißt, daß die Krankenhausfachärzte entweder bislang nicht ausgelastet waren, was ich nicht glaube, oder die Konsequenz ist, daß mehr ärztliches und damit zusätzlich auch mehr Pflegepersonal eingestellt werden muß. Auch hier ist zu verzeichnen: Das hat mit Kostendämpfung überhaupt nichts zu tun. ({6}) Wenn also von Kostendämpfung nicht die Rede sein kann, bleibt nur die Folgerung: Kostenausweitung. Dabei kann man nicht von einer Notlage in der ärztlichen Versorgung sprechen. Ich verweise auf den Sicherstellungsauftrag, den die kassenärztlichen Vereinigungen im Zusammenhang mit dem trotz des Numerus clausus zu erwartenden erhöhten Schub von Ärzten von den Universitäten ausgesprochen haben. Es bleibt nur die Folgerung: Die Systemänderung hat bei dieser Formulierung Pate gestanden. Daß die Sozialdemokraten den staatlichen Gesundheitsdienst wollen, weiß der Kenner der Materie. Was aber die Kollegen von der FDP bewegt, staatlichen Gesundheitsdienst - Sie müssen hierbei auch die nächsten Schritte der Sozialdemokraten beachten - durch die Hintertür zu ermöglichen, bleibt noch zu diskutieren. Die Freien Demokraten haben sich hier dem Druck der Sozialdemokraten gebeugt; mit Liberalität hat das nichts zu tun. ({7}) Die Änderung des § 368 a der Reichsversicherungsordnung müssen Sie im Zusammenhang mit der Änderung des § 372 der Reichsversicherungsordnung sehen. Hier geht es um die vorstationäre Diagnostik und nachstationäre Behandlung. Die Öffnung des Krankenhauses für die ambulante Versorgung - beachten Sie bitte meine Ausführungen zu dem vorher Gesagten - hat einen doppelten Effekt. Zunächst erfolgt die Öffnung des Krankenhauses nach § 368 a. In der nächsten Stufe ergibt sich aus der Öffnung des Krankenhauses für vorstationäre Diagnostik eine verstärkte stationäre Behandlung und danach nachstationäre Behandlung. Aus dieser Konstruktion ergibt sich nicht der notwendige Abbau der Zahl von Akutbetten, sondern, wie ich Ihnen heute schon prophezeie, eine Ausweitung und damit eine weitere Kostenexplosion in der Krankenversicherung. Mit Kostendämpfung hat das nichts zu tun. ({8}) Die geplanten Änderungen bei den Empfehlungsvereinbarungen beachten Sie § 368 f des Entwurfs - führen nach Auffassung der CDU/CSU mit Sicherheit nicht zur Kostendämpfung. Bei dieser Konstruktion, unter Einbeziehung des von der Koalition vorgelegten § 405 betreffend die Konzertierte Aktion, bleibt der dirigistische Inhalt bestehen. Wir sind nach wie vor überzeugt, daß eine Übertragung von mehr Verantwortung auf die Selbstverwaltung auch mehr Kostendämpfung einbringt. Die Ersatzkassen haben diesen Beweis in jüngster Zeit nochmals erbracht. Auch die geplanten Änderungen beim § 525 c - Einheitsgebührenordnung - lassen unsere Besorgnis über den Einstieg in eine Einheitsversicherung nicht verstummen. Zusammengefaßt möchte ich folgendes sagen. Da es bei dem sogenannten Kostendämpfungsgesetz nicht in einem einzigen Falle um Kostendämpfung, sondern um Struktur- und Krankenversicherungssystemänderung geht, sieht sich die Fraktion der CDU/CSU nicht in der Lage, diesem Ergebnis des Vermittlungsausschusses zuzustimmen. ({9})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Glombig.

Eugen Glombig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000690, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eingedenk der Tatsache, daß es sich hier um Erklärungen der Fraktionen zu dem Ergebnis der Verhandlungen des Vermittlungsausschusses handeln soll, möchte ich mit Ihrem Einverständnis, das ich voraussetze, auf unsinnige Polemiken verzichten. ({0}) Ich will mich auf die Gesichtspunkte beschränken, die allein Gegenstand des Vermittlungsbegehrens sind. Die SPD-Bundestagsfraktion stimmt den Vorschlägen des Vermittlungsausschusses zum 20. Rentenanpassungsgesetz und zum Krankenversicherungs-Kostendämpfunggesetz zu. Der Vermittlungsausschuß hat einen tragfähigen Kompromiß ausgearbeitet, der die vom Bundestag beschlossenen Sozialgesetze im Grundsatz unangetastet läßt. Es bleibt also bei der sozialen Ausgewogenheit des von der Bundesregierung vorgelegten Konsolidierungsprogramms im ganzen. Das heißt, daß Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Rentner und Anbieter von Gesundheitsleistungen gemäß ihrer Leistungskraft zur Konsolidierung beitragen. Es bleibt bei den Eckwerten der Koalition zur Sicherung der Rentenfinanzen und bei einer gesetzlich verankerten und an klaren volkswirtschaftlichen Kriterien orientierten Kostendämpfung im Gesundheitswesen. Von den besonders umstrittenen Punkten des Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetzes, mit dem ich beginnen möchte, bleiben die meisten, wenn auch mit Modifikationen im Detail, in der Bundestagsfassung erhalten. Es bleibt bei der Orientierung des Anstiegs der Arzthonorare an gesamtwirtschaftlichen Kriterien, zu denen auch die Grundlohnsumme gehört. Auch der Arzneimittelhöchstbetrag, bei dessen Überschreitung die Kassenärzte verstärkt zum Einzelregreß herangezogen werden können, aber nicht müssen, bleibt erhalten. Hier handelt es sich weitgehend um eine Entscheidung der Selbstverwaltung. Die alljährlichen gemeinsamen Empfehlungsvereinbarungen der Spitzenverbände der Krankenkassen und Kassenärzte bzw. Kassenzahnärzte über den Anstieg der Arzthonorare und über die Veränderung des Arzneimittelhöchstbetrages sind nicht preisgegeben worden. In den Beschlüssen des Vermittlungsausschusses zu diesem Komplex sieht die SPD-Bundestagsfraktion keine wesentliche Beeinträchtigung des Gesetzesbeschlusses des Bundestages. Die Tatsache, daß in den Empfehlungsvereinbarungen und bei ihrer Umsetzung in die Gesamtverträge auf Landesebene stärker, als zunächst vorgesehen, die Besonderheiten einzelner Regionen und Kassenarten berücksichtigt werden können, wird nach unserer Auffassung den Kostendämpfungseffekt der geplanten Maßnahmen nicht abschwächen, ebensowenig wie die Vorschaltung der sogenannten konzertierten Aktion. Wichtig ist für die SPD-Fraktion in diesem Zusammenhang vor allem, daß der Versuch der Opposition, die Ersatzkassen aus dem Anwendungsbereich der Regelungen über die Arzthonorare und den Arzneimittelhöchstbetrag herauszubrechen, im Vermittlungsausschuß gescheitert ist. Wir meinen, daß das im Interesse der Versicherten der Ersatzkassen ist. Das gilt auch für die Frage des für alle Kassen einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen, wo es keine Abstriche vom Bundestagsbeschluß gegeben hat. Umstritten war zwischen Bundestag und Bundesrat auch die auf Antrag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom Bundestag übernommene „Fluchtklausel" in der Rentnerkrankenversicherung. Danach sollen alle Personen, die in der Zeit ihrer Erwerbstätigkeit freiwillig aus der gesetzlichen Krankenversicherung ausscheiden oder eine bestehende Beitrittsberechtigung nicht wahrnehmen, als Rentner keine Rückkehrmöglichkeit zur gesetzlichen Krankenversicherung mehr haben. Wir wollen den Prozeß der Entsolidarisierung aufhalten. Die SPD-Bundestagsfraktion begrüßt, daß dieser Beschluß des Bundestages nach dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses nicht angetastet werden soll. Die SPD-Bundestagsfraktion stimmt auch dem Beschluß des Vermittlungsausschusses zu, nach dem das 20. Rentenanpassungsgesetz bis auf einen einzigen Punkt unverändert in der Fassung des Bundestages in Kraft treten soll, und zwar einschließlich der im Laufe der Bundestagsberatungen auf Initiative der SPD-Bundestagsfraktion zusätzlich eingefügten Maßnahmen zum Abbau von Privilegien und zur Herstellung größerer Beitragsgerechtigkeit. Ein Teil der Vorschläge des Vermittlungsausschusses beinhaltet Verschlechterungen des Gesetzespakets; das soll nicht verschwiegen werden. Die SPD-Fraktion nimmt diese Verschlechterungen in Kauf, um das Inkrafttreten des Konsolidierungspro2812 grammes nicht zu verzögern. Wir sagen aber in aller Deutlichkeit - und werden es auch in Zukunft wiederholen -, daß diese Verschlechterungen auf das Konto der CDU und CSU gehen. Zu diesen Verschlechterungen gehört der einzige Änderungsvorschlag des Vermittlungsausschusses zum 20. Rentenanpassungsgesetz, der die berufliche Rehabilitation betrifft. Es war ursprünglich vorgesehen, im Interesse der Behinderten, im Interesse der Schaffung einer einzigen Zuständigkeit für Behinderte die berufliche Rehabilitation der Behörde zu überlassen, die dafür zuständig ist, nämlich der Bundesanstalt für Arbeit. Nun ist es so, daß für die älteren Versicherten, die bereits die 15jährige Wartezeit erfüllt haben, die Rentenversicherung - entgegen dem Beschluß des Bundestages - die Zuständigkeit behalten soll. Für die jüngeren Versicherten soll die Bundesanstalt für Arbeit zuständig werden. Nach unserer Auffassung ist das eine sachlich wenig befriedigende Regelung; wir geben es zu. Wir stimmen ihr auch nur deshalb zu, um die letzten verfassungsrechtlichen Zweifel auszuräumen, daß das 20. Rentenanpassungsgesetz wegen der Bestimmungen zur beruflichen Rehabilitation doch der Zustimmung des Bundesrates bedürfen könnte. Nur so kann die Unionsmehrheit im Bundesrat daran gehindert werden, die Rentenerhöhung zum 1. Juli und die Konsolidierung der Rentenfinanzen zu blokkieren. In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, daß entgegen allen Bemühungen, die auch heute hier wieder angestellt worden sind, die eventuelle nettolohnbezogene Anpassung kein Gegenstand dieses Gesetzgebungsverfahrens ist und damit auch nicht Gegenstand des Vermittlungsverfahrens sein konnte. Denn es wird sich in diesem Punkte durch dieses Gesetz, das 20. Rentenanpassungsgesetz, nichts ändern. ({1}) Beim Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz wird es eine wesentliche Verschlechterung geben, weil die Länder den Verzicht auf die kostendämpfenden Maßnahmen im Krankenhausbereich erzwungen haben. Dies kann sich zum Schaden der Versicherten in einem weiteren Anstieg der Krankenhauskosten bemerkbar machen. Auch die für die Zukunft verabredete Novellierung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes kann das nicht verhindern, wenn die Länder ihre Haltung in der Sache nicht ändern. Zu diesen Verschlechterungen des Kostendämpfungsgesetzes gehört auch der erzwungene Verzicht auf die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung. Dadurch entsteht bei den Krankenkassen ein Einnahmeverlust von mehr als 1 Milliarde DM, der durch eine spätere allgemeine Beitragssatzerhöhung ausgeglichen werden müßte und dann natürlich auch zu Lasten einkommensschwacher Versicherter gehen würde. An dieser Stelle ist zum Thema der Beitragserhöhung in der Krankenversicherung noch eine Anmerkung zu machen. Die SPD-Bundestagsfraktion hat nie verschwiegen, daß zu einem späteren Zeitpunkt im Zuge der Konsolidierungsmaßnahmen - die Beitragssätze der Krankenkassen in einem gewissen Umfang angehoben werden müßten. Das ist die Konsequenz aus der Tatsache, daß die Rentenversicherung - anders als in den zurückliegenden Jahren - nicht mehr durch Überzahlungen in der Krankenversicherung der Rentner die Kostensteigerungen im Gesundheitswesen aus Mitteln der Rentenversicherung teilweise auffangen kann. Das heißt, es handelt sich hier nicht um den Versuch der Deckung einer Finanzlücke in der Rentenversicherung auf Kosten der Krankenversicherung, sondern darum, die Kosten dort abdecken zu lassen, wo sie entstanden sind. Wir halten diese Entscheidung für richtig und begrüßen ausdrücklich, daß sich die CDU/CSU in ihren Änderungsvorschlägen ebenfalls für die Beseitigung der Überzahlungen in der Rentnerkrankenversicherung entschieden und damit in diesem Punkt unserer Haltung angeschlossen hat. Eines muß jedoch klargestellt werden: Wegen der von der Union erzwungenen Verschlechterungen im Kostendämpfungsgesetz besteht bereits im Jahre 1977 die Gefahr von Beitragserhöhungen. Das hätte vermieden werden können, weil die meisten Krankenkassen auf Grund der Beitragserhöhungen der letzten Jahre und auf Grund der Ausgabenentwicklung im vergangenen Jahr ein ansehnliches Rücklagepolster angesammelt haben. Den von der Union erzwungenen Verschlechterungen kann die SPD-Bundestagsfraktion nur unter schwersten Bedenken zustimmen. Sie stimmt zu, um die anderen Teile des Konsolidierungspaketes, vor allem das Inkrafttreten der Rentenanpassung zum 1. Juli dieses Jahres, nicht zu gefährden. Einen Spielraum für weitere Kompromisse zu Lasten der Versicherten gibt es nicht mehr. Wir erwarten deshalb nun auch von seiten der unionsregierten Länder ein entsprechendes Entgegenkommen im Bundesrat. Der Bundesverband der Ortskrankenkassen als Interessenvertretung von mehr als 16 Millionen Versicherten und ihren Familienangehörigen hat vor zwei Tagen eindringlich an die Landesregierungen appelliert, den Vorschlägen des Vermittlungsausschusses zuzustimmen. Ein Scheitern - so füge ich hinzu; hier schließe ich mich dem Urteil des Bundesverbandes der Ortskrankenkassen an - des Kostendämpfungsgesetzes hätte katastrophale Folgen. ({2}) Die SPD-Fraktion fordert die unionsregierten Länder auf, sich diesen Rat der Ortskrankenkassen und ihrer Selbstverwaltungsorgane zu eigen zu machen. Wir alle müssen uns unserer Verantwortung gegenüber den Bürgern jetzt bewußt werden, und die CDU/CSU muß die Folgen einer Ablehnung heute und morgen bedenken. ({3})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmidt ({0}).

Hansheinrich Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002006, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich an die Vereinbarung im Ältestenrat halten und hier für die Freien Demokraten eine kurze ErSchmidt ({0}) klärung zum Ergebnis der Verhandlungen des Vermittlungsausschusses abgeben. ({1}) - Ich bedanke mich für den Beifall auch der Opposition. Allerdings hätte sich der Redner der Opposition besser auch an die Vereinbarung gehalten. ({2}) Wir Freien Demokraten sprechen zunächst den Mitgliedern des Vermittlungsausschusses unseren Dank und unsere Anerkennung aus, daß sie in sehr langen, nicht einfachen Verhandlungen zu einem mehrheitlichen Ergebnis gekommen sind, das den Zielsetzungen dieser Gesetze nicht entgegensteht, sie nicht verwässert, aber die nun einmal noch vorhandenen unterschiedlichen Auffassungen zwischen Bundesratsmehrheit und Bundestagsmehrheit berücksichtigt. Insgesamt konnte ein vernünftiges Ergebnis erzielt werden. Dieses Ergebnis ermöglicht nach Auffassung der Freien Demokraten die Finanzierung der Rentenversicherung bis zum Jahre 1980, die Kostendämpfung im Gesundheitswesen, die notwendig ist und von breitesten Kreisen, ich möchte sagen: allen Kreisen der Bevölkerung als richtig angesehen wird. Um dieses Ergebnis zu erreichen, ist die Verabschiedung des Kostendämpfungsgesetzes und des 20. Rentenanpassungsgesetzes notwendig. Geschähe das nicht, würde dies zu horrenden Beitragsbelastungen der Beitragszahler führen. ({3}) Deshalb noch einmal unser Dank an die Mitglieder des Vermittlungsausschusses. Unser Appell richtet sich an den Bundesrat, an die Länder, sich ihrer Verantwortung zur Sanierung der Finanzen der Rentenversicherung, zur Kostendämpfung ebenfalls bewußt zu sein. Wir stimmen dem Ergebnis zu. ({4})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Wir kommen nun zur Abstimmung über die Vorschläge des Vermittlungsausschusses. Wir stimmen zunächst über die Beschlußempfehlung zum Rentenanpassungsgesetz - Drucksache 8/651 - ab. Wer dieser Empfehlung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit. Die Änderungen sind angenommen. Wir stimmen nunmehr über den Zusatzpunkt 2 ab, über das Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz in der Empfehlung des Vermittlungsausschusses. Der Vermittlungsausschuß hat empfohlen, über die Änderungen gemeinsam abzustimmen. Wer diesen Änderungen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ebenfalls mit Mehrheit angenommen. Ich rufe nunmehr den Zusatzpunkt 3 auf: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses ({0}) zu einer dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht - Drucksache 8/657 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Lenz ({1}) Das Wort zur Berichterstattung und zur Aussprache wird nicht gewünscht. Wer der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung einstimmig so beschlossen. Wir kehren nun zur Haushaltsberatung zurück. Ich rufe auf: Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung - Drucksache 8/504 - Berichterstatter: Abgeordneter Hauser ({2}) Abgeordneter Haase ({3}) Abgeordneter Blank Abgeordneter Dr. Riedl ({4}) Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Zimmermann.

Dr. Friedrich Zimmermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002597, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat in sieben Oppositionsjahren den Verteidigungshaushalt noch nie abgelehnt. Sie ließ den Etat in der Einzelabstimmung entweder passieren oder stimmte ihm zu. Sie tat das, obwohl sie mit einem gewichtigen Teil der verteidigungspolitischen Vorstellungen des jeweiligen Ministers nicht übereinstimmte. Die Gründe für dieses Verhalten waren: eine aus staatspolitischen Erwägungen für notwendig gehaltene Plattform demokratischer Gemeinsamkeit zu erhalten, ein ernsthaftes Bekenntnis zur Verteidigungswürdigkeit unseres Lnades, unseres Volkes und unserer politischen Ordnung abzulegen, sicherzustellen, daß der Verteidigungshaushalt nicht der Wehrfeindlichkeit linker Extremisten in der SPD-Fraktion zum Opfer fällt, ({0}) und damit den jeweiligen Verteidigungsminister zu unterstützen, der es in seinem Bemühen um eine wirksame Verteidigungspolitik schwer hatte, sich in den eigenen Reihen zu behaupten. ({1}) Mittlerweile hat sich die Situation so stark verändert, daß eine Zustimmung meiner Fraktion zum Verteidigungshaushalt nicht mehr gerechtfertigt ist. Die früher wenigstens im Ansatz gegebene Gemeinsamkeit in Grundfragen der Wehrpolitik ist dahin. Der Bundesminister der Verteidigung Georg Leber macht heute nicht mehr in der SPD Politik zum Nutzen der Bundeswehr, sondern in der Bundeswehr Politik zum Nutzen der SPD. ({2}) - Herr Schäfer, Sie sollten mich nicht reizen, sonst kommt es noch viel dicker. Eine Zustimmung zum Verteidigungshaushalt könnte unter den jetzt gegebenen Umständen nicht mehr als Bekenntnis zur Landesverteidigung, sondern nur noch als Zustimmung zu einer falschen, die Bundeswehr und die Verteidigungsfähigkeit unseres Landes fundamental schwächenden Politik verstanden werden. Unsere Soldaten wissen, daß unser Votum gegen den Haushalt kein Votum gegen sie ist. ({3}) Die Bürger unseres Landes wissen, daß die Ablehnung des Haushaltes nichts zu tun hat mit der Verteidigung von Recht und Freiheit des deutschen Volkes, für die wir einstehen. ({4}) - Wir waren es doch, Herr Grobecker, die die Bundeswehr gegründet und aufgebaut haben - gegen Ihren Willen. ({5}) Sie sind es, die heute dabei sind, diese in ihrer militärischen Qualität und ihrem demokratischen Geist gleichermaßen vorbildliche Armee durch Ihre Politik zu schädigen. ({6}) Den Georg Leber, den wir früher gegen manche in Ihren Reihen verteidigen konnten, ja, mußten, gibt es nicht mehr. ({7}) Fern ist die Zeit - es war 1973 -, in der dieser Mann noch den Mut hatte, seiner Partei zu sagen, daß eine Sowjetunion, die einen großen Teil ihres Sozialprodukts für die Rüstung verwendet, nicht erwarten könne, daß Bonn die dadurch entstehende Finanzlücke mit verbilligten Krediten schließt. Fern ist auch die Zeit, in der Georg Leber aus Anlaß der kommunistischen Machtübernahme in Vietnam vor der expansiven Ideologie des Kommunismus warnte und an den Wehrwillen der westlichen Völker appellierte. Mehr und mehr ist Bundesminister Leber im Laufe seiner Amtszeit zunächst unter den Druck und dann unter den Einfluß der wehrfeindlichen Kreise der SPD geraten. ({8}) Dies gilt personal- und sachpolitisch gleichermaßen. Heute tut Minister Leber in bezug auf die Bundeswehr nur noch das, was die Linken von ihm verlangen. Obwohl es unsere Sicherheit erfordert, daß zwischen Regierung und bewaffneter Macht ein auf Gegenseitigkeit beruhendes Vertrauensverhältnis besteht, ist dieses ursprünglich von der Armee gerade gegenüber diesem Minister gegeben gewesene Vertrauensverhältnis durch personalpolitische Willkür auf das schwerste erschüttert. Mehr und mehr entscheiden bei Stellenbesetzungen und Beförderungen nicht mehr Sachkunde und charakterliche Eignung, sondern entweder das Parteibuch oder zumindest willfähriges Wohlverhalten gegenüber den parteibuchtragenden Vorgesetzten. ({9}) Die Hofschranzen färben den Personalkörper des Ministeriums, der nachgeordneten Behörden und der Truppe an dessen wichtigsten Stellen systematisch rot ein. Bei wichtigen Kommandostellen spielt bei der Besetzung das „richtige" politische Bewußtsein eine Rolle. ({10}) - „Das ist richtig!" sagt Herr Liedtke. Ich habe es wohl verstanden. Von dieser Seite kommt der Zwischenruf: „Bewußtsein spielt eine Rolle." Ich bin ausdrücklich bestätigt worden; ich danke Ihnen für diese Bestätigung. ({11}) Während es, meine Herren von der SPD, vom Kaiserreich über die Ära Hitler bis in die Mitte der 70er Jahre beste Tradition war, im Offiziersheim die Vorgesetzten unter Einschluß des obersten Kriegsherrn freimütig zu kritisieren, geht heute ein Riß mitten durch das Offizierskorps. ({12}) - Herr Löffler, Sie verstehen von der Sache nichts. Sparen Sie sich Ihre Zwischenrufe! Ein Sündenregister besonderer Art ist die Hexenjagd auf Generale und verdiente Beamte, die bisher den höchsten Grad personalpolitischer Willfährigkeit gegenüber der Linken an den Tag legte und den gefährlichsten Beitrag zur Demoralisierung der militärischen Führungsspitze darstellt. ({13}) Da gab es die öffentliche Bloßstellung des Inspekteurs des Heeres General Hildebrandt, weil er 1975 in Spanien an einer Parade teilgenommen hatte. ({14}) - Ich sage es Ihnen ganz genau. - Diese Parade wurde alljährlich zur Feier eines Sieges abgehalten, ({15}) der, wenn man es mit dem gebotenen Realismus sieht, nicht unter allen Umständen nur gegen die Demokratie, sondern gegen die expansionistische Politik Stalins errungen worden war. Auch das ist eine Komponente. ({16}) - Ja, Sie haben verschiedene Geschichtsauffassungen; das ist der Punkt. ({17}) Dann wurde der hochverdiente General Rall wegen einer Reise nach Südafrika gezwungen, seinen Abschied zu nehmen, nur weil ideologische Verbohrtheit es der Linken verbot, in Südafrika nicht nur ein Problem der auch von uns abgelehnten Apartheid, sondern auch ein Problem der Strategie zu sehen. Die Generale Krupinski und Franke wurden in einer rüden Art, in einer Art, die ihresgleichen sucht, gleichsam mit Ehrverlust, in die Wüste geschickt. Und dann sind da die seltsamen Umstände, die zum vorzeitigen Ausscheiden des Rüstungsstaatssekretärs Dr. Mann führten, eines anerkannten Fachmanns, der nur dem Dienst an der Sache verschrieben war und daher zum Arger der Linken in der SPD-Fraktion ({18}) - Herr Buchstaller müßte es besser wissen -- mit Beharrlichkeit und Mut ({19}) für eine moderne Rüstungspolitik eingetreten war, die nicht an illusionären Wunschvorstellungen, sondern ausschließlich an den gegebenen Gefährdungen unserer Sicherheit orientiert war. Der vorerst letzte Fall in dieser traurigen Kette ist der Fall des Generals Dr. Wagemann, dieses „Kerls", wie der Minister in der ihm eigenen Art der Anwendung der Grundsätze der Inneren Führung sagte, ({20}) eines Mannes, der mißliebig wurde, weil er, statt sich linken Forderungen zu beugen, ({21}) auf militärischen Führungsgrundsätzen beharrte und dafür von seinem Minister sowohl vor der Öffentlichkeit als auch im Verteidigungsausschuß in ehrenrühriger Weise der Disziplinlosigkeit beschuldigt wurde, ohne daß ihm dann der Minister erlaubte, sich in einem Disziplinarverfahren von den gegen ihn erhobenen Vorwürfen zu reinigen, und ohne daß sich dieser Minister für seine Zügellosigkeit entschuldigte. ({22}) In der letzten Phase des Bundestagswahlkampfes - das sage ich Ihnen jetzt auf Ihre Zwischenrufe - war der Bundesregierung kein Mittel zu schäbig, um es nicht gegen die Union zu benutzen. Herr Minister Leber, sein Staatssekretär Fingerhut, seine Mitarbeiter wußten wohl, daß die Vorwürfe gegen Franz Josef Strauß in der Lockheed-Affäre haltlos waren; aber mit billigen Tricks wurde der Verdacht genährt und aufrechterhalten, er habe Akten aus seiner Zeit als Verteidigungsminister mitgenommen. Das war doch alles Absicht, daß eine große Tageszeitung am 28. September einen Aufmacher daraus machte und daß heute diese gleiche Tageszeitung aufmacht, daß nichts daran gewesen ist. ({23}) Das wußten sie doch alles schon im September vor der Wahl. ({24}) Und Sie, Herr Minister Leber, Sie wußten dies erst recht. Sie haben am 29. September die Spekulationen über dieses Thema bewußt gefördert nach dem Motto Ihres Parteivorsitzenden: „Es wird alles noch ans Licht kommen." ({25}) Es ist etwas ans Licht gekommen, nur: daß nichts daran war, an diesen Verdächtigungen. Das ist ans Licht gekommen. Sie haben sich in dieser Sache nicht anständig verhalten, Herr Minister Leber. ({26}) Der Höhepunkt, meine Damen und Herren, liegt jedoch im sachpolitischen Bereich. In einer Zeit, in der die Gremien der NATO ein immer bedrohlicher werdendes Anwachsen der sowjetischen Militärmacht konstatieren, sich mit Nachdruck für eine merkliche Verstärkung der westlichen Verteidigungsanstrengungen einsetzen, tut der Verteidigungsminister, tut die Bundesregierung, tut die Koalition das Gegenteil; sie beschließen ein Gesetz, mit dem das Prüfungsverfahren für Kriegsdienstverweigerer beseitigt und damit die allgemeine Wehrpflicht praktisch abgeschafft wird. ({27}) Dieser Schritt, durch den unsere Wehrverfassung über den Haufen geworfen wird, stellt den bisher empfindlichsten Anschlag auf die Verteidigungsfähigkeit dieses Landes dar. ({28}) Die allgemeine Wehrpflicht, meine Damen und Herren, ist für uns unverzichtbar; sie sichert allein auf Dauer die Deckung des Personalbedarfs der Streitkräfte und damit die Erfüllung des Verteidigungsauftrags. ({29}) Die allgemeine Wehrpflicht ist aber auch Ausdruck richtig verstandener Demokratie. Ein Volk, das auf sich hält, will sich und seine frei gewählte Lebensform nach Kräften verteidigen. Die Regierung darf es dabei nicht behindern; sie muß vielmehr dafür Sorge tragen, daß grundsätzlich jeder den von ihm geschuldeten Beitrag zur Landesverteidigung leisten kann. Sich durch das bloße Abschicken einer Postkarte der Wehrpflicht entziehen zu können, verleitet zudem zu Drückebergerei. ({30}) Der Schaden, der daraus für eine gerade im demokratischen Staat erforderliche Staatsgesinnung entstehen muß, ist unermeßlich. Wie weit die wehrfeindliche Indoktrinierung im Behördenbereich schon gediehen ist, möchte ich Ihnen an folgendem Beispiel erläutern. In der Nr. 1 aus 1977 der vom Bundesamt für den Zivildienst herausgegebenen Zeitschrift „Der Zivildienst" wurde ein gegen Wehr- und Zivildienst gleichermaßen hetzender Artikel eines Schweizer Kriegsdienstgegners veröffentlicht, der unter der bezeichnenden Überschrift stand „Jeder Zivildienst ist immer noch besser als die Bundeswehr". ({31}) Auf Anfrage meines Kollegen Paul Röhner, wie die Bundesregierung darüber denke und wie sie solches künftig verhindern wolle, antwortete der zuständige Parlamentarische Staatssekretär, es sei nicht Aufgabe der Bundesregierung, solche Vorgänge zu bewerten. ({32}) Die Bundesregierung bewertet die Veröffentlichung eines Bundesamtes in einer solchen Frage mit einer solchen gegen Wehr- und Zivildienst hetzenden Tendenz also nicht - ein bezeichnender Vorgang. ({33}) Meine Damen und Herren, an diesem Vorgang, an diesem Beispiel wird klar, daß hier mit System gearbeitet wird, mit einem System, für das der damalige Haar-Erlaß des Verteidigungsministers Helmut Schmidt wegen offenkundiger Idiotie wieder aufgegeben ({34}) symptomatisch war, das dann zu dem wesentlich ernsteren Nachteil der Verkürzung des Grundwehrdienstes führte, um nun in der Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht zu gipfeln. Was mit der Wehrpflicht heute geschieht, zeugt, wie mein Kollege Alfred Biehle schon vor Wochen sagte, von einer an Gewissenlosigkeit grenzenden Verantwortungslosigkeit. ({35}) Was hier vor sich geht, können und dürfen wir nicht zulassen. ({36}) Wir werden daher alles rechtlich Mögliche tun ({37}) - Herr Löffler, Sie betrachten die Sache nicht mit dem gebotenen Ernst; das zeigt die Qualität Ihrer Zwischenrufe -, ({38}) um zu erreichen, daß dieses Gesetz zu Fall kommt. ({39}) Notfalls werden wir zum Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe gehen, weil dieses Gesetz unseres Erachtens eindeutig verfassungswidrig ist. Und, meine Herren von der Koalition, es gibt noch Richter in Karlsruhe! ({40}) Ein Minister und eine Regierung, die mit diesem Gesetz die Axt an den Baum unserer Sicherheit legen, haben wichtige Gemeinsamkeiten auf dem Gebiet der Landesverteidigung aufgekündigt. Sie, Herr Minister Leber, haben sich von der Bundeswehr fortbewegt - nicht wir -, Sie untergraben, gerade indem Sie diese zentrale Entscheidung tragen, die Verteidigungsbereitschaft unseres Volkes. ({41}) Wir haben uns diese Entscheidung wahrhaftig nicht leichtgemacht, aber weil wir, die CDU/CSU- Fraktion, unserem Lande diese gefährliche Politik ersparen wollen, deshalb und nur deshalb stimmen wir geschlossen gegen den Verteidigungshaushalt 1977. ({42})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Abgeordnete Möllemann.

Jürgen W. Möllemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001520, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Vertreter der Opposition hat soeben vergeblich zu begründen versucht, weshalb seine Fraktion den Verteidigungshaushalt des Jahres 1977 abzulehnen entschlossen ist. ({0}) Für denjenigen, der die Beratungen im fachlich zuständigen Verteidigungsausschuß mitgemacht hat, ist diese Haltung widersprüchlich und unredlich. ({1}) Auch noch so kunstvolle rhetorische Salti mortali können nicht darüber hinwegtäuschen, daß es der Opposition überhaupt nicht um den hier zur Verhandlung anstehenden Verteidigungshaushalt geht, sondern darum, auch an dieser Stelle zu Lasten der Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland ein parteipolitisches Süppchen zu kochen. ({2}) Es ist das Verdienst des Kollegen Zimmermann, dies hier jedermann verdeutlicht zu haben. Ich möchte dem Kollegen Zimmermann und der Fraktion der CSU meine allerdings nicht sehr herzlichen Glückwünsche dafür aussprechen, daß es ihm gelungen ist, ein bislang noch aufrechterhaltenes Stück der vielbeschworenen Gemeinsamkeit der Demokraten aufzugeben und dies dann auch noch protokollgerecht durch den Zeremonienmeister der Opposition, ihren nominalen Vorsitzenden gegen dessen innere Überzeugung vollziehen zu lassen. ({3}) Ganz im Sinne der Sonthofener Rede Ihres Zuchtmeisters, ganz im Sinne der von ihm dort vorgetragenen Strategie der möglichst totalen Konfrontation ({4}) haben Sie auch auf dem Felde der Sicherheits- und Verteidigungspolitik Ihre Parteiinteressen dem vielbeschworenen Staatsinteresse übergeordnet. ({5}) Dabei verfolgen Sie auch noch andere Ziele, die mit dem Verteidigungshaushalt nichts zu tun haben; ({6}) ich werde darauf noch eingehen. - Herr Kollege Jäger ({7}), ich bin dankbar, daß Sie mit Ihrem Gepöbel hier jenen Zustand klassifizieren, in dem Sie sich befinden. ({8}) - Sie erlauben mir aber, daß ich mich weiter mit der Sache auseinandersetze. Der Verteidigungshaushalt gehört zu den wenigen öffentlichen Ausgabenblöcken, die auch 1977 anwachsen. ({9}) -- Herr Kollege Biehle, ich würde Ihnen anraten, sich mal hier zu Wort zu melden. Dann können Sie Ihre bedeutenden Erkenntnisse hier vortragen. Man sieht Sie an sich immer nur beim Blöken da vorne. ({10}) Die Ausgaben sollen von 31,9 Milliarden im Jahre 1976, wie ich sagte, um 3,1 % auf 32,86 Milliarden in diesem Jahr steigen. Damit kann die Bundeswehr ihre Aufgaben im Rahmen des NATO-Bündnisses voll erfüllen. Der Haushalt dieses Jahres macht deutlich, daß wir unsere eigene Sicherheit nicht vernachlässigen, sondern vielmehr unsere Verteidigungsfähigkeit aufrechterhalten als Ausdruck unseres Willens, alles zu tun, um einen Krieg zu verhindern und den Frieden zu sichern. ({11}) Diese Politik der Friedenssicherung ist und bleibt die politische Konzeption dieser Koalition. Sie ist und bleibt die Voraussetzung für den Abbau von Spannungen in der Welt. Wir werden auf dieser Grundlage versuchen, bei allen geeigneten Konferenzen wie KSZE und MBFR, aber auch bei den UNO-Sondersitzungen über Abrüstungsfragen unseren Beitrag zu einer weiteren Abrüstung, zu weiterer Entspannung, zur Beendigung des Wettrüstens zu leisten. Im Atlantischen Bündnis werden Verteidigungsausgaben nach einheitlichen Kriterien bewertet. Verteidigungsausgaben sind hiernach alle auschließlich für den Bedarf der Streitkräfte geleisteten Ausgaben. An erster Stelle gehören bei uns dazu die Aufwendungen für die Bundeswehr; aber auch Ausgaben für Verteidigungs- und Ausrüstungshilfe für die Stationierungskräfte, nicht zuletzt für Berlin, zählen hierzu. Die sozialliberale Koalition hat seit 1970 einen von Jahr zu Jahr steigenden Betrag für die Verteidigung im Bündnis verabschiedet. Im Vergleich zu ,den Aufwendungen im Jahre 1971 lagen diese Ausgaben im Jahr 1976 bereits um 80 % höher. Damit haben wir für die Verteidigung im Bündnis Jahr um Jahr mehr ausgegeben als alle anderen Partner in der Atlantischen Allianz, abgesehen von den USA. Dies gilt für den absoluten Betrag wie für die Verteidigungsausgaben pro Kopf der Bevölkerung. Man muß sich einmal die nackten Zahlen vor Augen halten, um die Dimension, aber dann hoffentlich auch die damit verbundene Problematik des Anwachsens der Verteidigungsausgaben in den letzten Jahren zu begreifen: 1970 waren es 25,8 Milliarden, 1972 34,6 Milliarden, 1974 43 Milliarden, 1976 48 Milliarden und in diesem Jahr sind es 50 Milliarden DM von etwa 170 Milliarden in einem Jahr. ({12}) Einen eindringlicheren Appell an unserer Bereitschaft zur Fortsetzung aller Abrüstungs- und Entspannungsbemühungen, als diese Zahlen ihn signalisieren, kann ich mir kaum vorstellen. Verfolgt man die Entwicklung des Verteidigungsanteils an den Gesamtausgaben des Bundes, so zeichnet sich eine sachbezogenen Tendenz ab. Während der materiellen Erstausstattung der Streitkräfte stieg der Anteil des Verteidigungshaushalts an den Bundesausgaben von 1958 an von 22 % auf 25 %. In den Jahren der Erstausrüstung der Bundeswehr mit kostspieligen modernen Waffensystemen erreichte er 30 bis 33 %. Nach 1964 sank dieser Anteil bis 1968 wieder ab. Er betrug ziemlich konstant zwischen 23 und 21 %. Wenn man nun den vorwurfsvollen Unterton in der Rede des Kollegen Zimmermann gehört hat, möchte man meinen, daß Regierungen, denen seine Partei angehört hat, relativ mehr für die Sicherheit durch die Verteidigungspolitik getan hätten. Durch den Verteidigungshaushalt allein ist dies nicht gegeben. Ich darf zwei Zeiträume vergleichen in denen Regierungen unter Führung der CDU/CSU auf der einen und der sozialliberalen Koalition auf der anderen Seme politische Verantwortung getragen haben. Von 1964 bis 1970 - also unter Ihrer Federführung - stieg der Verteidigungshaushalt unter CDU-Ministern insgesamt nur um knapp 10,9 %; d. h. im Jahresschnitt 1,8 %. ({13}) Von 1970 bis 1976 stieg der Verteidigungshaushalt im Jahresschnitt um 67%, nach NATO-Kriterien 80 %. Das bedeutet auf die Jahre umgelegt, einen durchschnittlichen jährlichen Zuwachs von 11,2 % durch die sozialliberale Koalition gegenüber 1,8 % jährlich durch die CDU-Minister. Diese Zahlen sagen ja wohl deutlich, daß, wenn man den Verteidigungshaushalt betrachtet, Ihr Vorwurf, verehrte Kollegen, ungerechtfertigt ist. Überdies möchte ich schon an dieser Stelle sagen, daß wir Sicherheitspolitik nicht nur durch unsere Bundeswehr, durch unseren Verteidigungshaushalt betreiben, sondern durch die Fülle von Maßnahmen im Bündnis, darüber hinaus in unserer Außenpolitik, die den Rang und die Stellung der Bundesrepublik Deutschland in den letzten Jahren deutlich gestärkt haben. Ich darf hier einen besonderen Bereich hervorheben, den Bereich der großen Beschaffungsvor2818 haben, die das Verteidigungsressort unter Georg Leber seit 1972 dem Parlament zugeleitet hat. Dieser Überblick zeigt eine überzeugende Bilanz der Entschlossenheit, unsere Bundeswehr bis in die 80er Jahre mit modernem Material auszustatten. Er zeigt aber andererseits wiederum ebenso eindeutig die Notwendigkeit, den Versuch nicht aufzugeben, im Bereich der Begrenzung von Truppen und Rüstung in Mitteleuropa zu Fortschritten zu kommen. Um die Dimensionen klarzumachen, möchte ich von den Beschaffungsvorhaben nur einige wichtige nennen: Die Lkw-Folgegeneration mit einem Gesamtkostenvolumen von 4,3 Milliarden DM; der Leopard 2 Gesamtvolumen 6,45 Milliarden DM; Flak-Panzer Gepard 3,7 Milliarden DM; Flak-Panzer Roland 2,54 Milliarden DM; Panzerraketenabwehrsysteme Milan und Hot 1,5 Milliarden DM; F-4 F 3 Milliarden DM; Alpha-Jet 3,17 Milliarden DM; MRCA 15,5 Milliarden DM; Fregatte 2,2 Milliarden DM.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage ,des Herrn Abgeordneten Biehle?

Jürgen W. Möllemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001520, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja, immer, natürlich, ich möchte debattieren.

Alfred Biehle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000176, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Möllemann, würden Sie mir bestätigen, nachdem Sie die Beschaffungsvorhaben aufgeführt haben, daß häufig im Verteidigungsausschuß die Beschaffungsvorhaben nur deswegen eine Mehrheit gefunden haben, weil die CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit ihren Vertretern vollständig vorhanden war, wie z. B. am 15. 6., wo die Koalition nur mit acht Vertretern anwesend war und die Mehrheit nur durch die CDU/CSU gegeben war? ({0})

Jürgen W. Möllemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001520, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Biehle, ich weiß nicht, was am 15. 6. gewesen ist. Aber es kann sehr wohl sein, daß in einer Ausschußsitzung auch Sie Beschaffungsvorhaben zugestimmt haben. Das habe ich hier gar nicht in Abrede gestellt. Ich sage Ihnen nur: Diese Bundesregierung, also auch Georg Leber, hat die notwendigen Beschaffungsvorhaben dem Parlament zugeleitet; wir haben sie beschlossen und im Haushalt abgesichert. Tun Sie doch nicht so, als hätten in den letzten Jahren Sie die Haushalte beschlossen! Die haben immerhin wir eingebracht und hier durchgebracht. Sie können nicht daran vorbeireden, daß wir die Bundeswehr so ausstatten, daß sie ihren Auftrag erfüllen kann. Wir ersuchen unsere Bündnispartner, ihren Beitrag zu leisten. Dies führt zu den hier dargelegten Investitionen und Ausgaben ganz allgemein. Dies führt auch dazu, daß Sie aus den Gesichtspunkten der Betrachtung des Haushalts diesen Haushalt nicht ablehnen können, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition. Deshalb haben Sie in den Sitzungen des Verteidigungsausschusses vom 20. April und vom 22. April allen Kapiteln des Einzelplans 14 sowie dem gesamten Einzelplan 14 zugestimmt. Den Kapiteln 14 02 bis 14 23 haben die CDU-Abgeordneten Würzbach, Weiskirch ({0}), Stahlberg, Frau Tübler, Gierenstein, Löher, Damm, Kraske und Wörner sowie die CSU-Abgeordneten Biehle und Handlos zugestimmt. Im Protokoll heißt es über die Aussage, die der CDU-Obmann im Verteidigungsausschuß, Kraske, zur Schlußabstimmung gemacht hat - ich zitiere -: Er erklärt, daß die CDU/CSU-Fraktion wie in den vergangenen Jahren auch dem Verteidigungshaushalt 1977 zustimmen werde. Dies geschehe, um an der bisherigen Tradition eines Grundkonsenses in der Verteidigungspolitik trotz der im Verlauf der letzten Jahre gewachsenen Bedenken festzuhalten. Die wenigen noch bestehenden Gemeinsamkeiten seien zu wichtig. ({1}) Weiter heißt es in diesem Protokoll - ich zitiere -: Danach stellte der Vorsitzende den Einzelplan 14 in seiner Gesamtheit zur Abstimmung. Die Zustimmung erfolgte einstimmig. Meine Kollegen, die Sie im Verteidigungsausschuß für diesen Haushalt, d. h. für diese essentiellen Grundlagen unserer Verteidigungspolitik, einstimmig votiert haben, wir werden ja gleich sehen, ob Sie das Rückgrat besitzen, Ihrer Meinung treu zu bleiben. Sie wissen sehr genau, daß sich an den Grundlagen unserer Sicherheitspolitik und an unserer Haltung seit Ihrer Zustimmung im April nichts geändert hat. ({2}) - Ich komme gleich dazu. Auch unsere Auffassung von der Novellierung des Wehrpflichtgesetzes und des Zivildienstgesetzes war, wie Sie genau wissen, damals bekannt und nicht anders als heute. ({3}) Sie wissen auch, daß die größte Organisation unserer Soldaten, der Bundeswehrverband, recht hat, wenn er folgende Stellungnahme veröffentlicht - ich zitiere - ({4}) - Ah ja! Das möchte ich im Protokoll festgehalten wissen: daß der Abgeordnete Würzbach gerufen hat, das sei die Korrumpierung des Bundeswehrverbands. Ich bin sicher, Herr Kollege, dies wird bei dem Verband entsprechend aufgenommen werden. ({5}) - Ich habe diesen Verband nicht zu verteidigen. Ich denke nur, man wird das mit Interesse wahrnehmen. ({6}) So ist das nämlich: Wenn Organisationen mal nicht Ihre Meinung teilen, dann ist das Korrumpierung. Wenn Bundesrichter möglicherweise eine andere Richtung haben, dann ist das „rote Kumpanei". Ich weiß gar nicht, was Ihnen Ihr Mangel an Respekt vor Organisationen noch alles erlaubt. ({7}) Ich zitiere aus der Verlautbarung des Bundeswehrverbandes. Wenigstens die könnten Sie sich ja mal anhören. Der Deutsche Bundeswehrverband ist der Ansicht, daß der Sicherheitspolitik unseres Staates ein schlechter Dienst erwiesen wird, wenn Gemeinsamkeiten in Fragen der Landesverteidigung aufgegeben werden. ({8}) - Jetzt sagt er, was er meint. Auf wenig Verständnis stößt beim Deutschen Bundeswehrverband deshalb die Absicht der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, - Herr Leber gehört ihr doch wohl nicht an, wenn Sie schon von Herrn Leber sprechen wollen den Verteidigungshaushalt für 1977 ablehnen zu wollen. Der Bundeswehrverband appelliert deshalb an alle Bundestagsabgeordneten, eine breitere Basis für eine gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik wiederherzustellen. ({9})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege Möllemann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Biehle?

Jürgen W. Möllemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001520, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja, natürlich; immer!

Alfred Biehle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000176, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Möllemann, nachdem Sie eben den Bundeswehrverband zitiert haben, frage ich Sie, ob Sie den Bundeswehrverband auch so ernst genommen haben, als er gegen das Kriegsdienstverweigerergesetz votiert und die Koalition dringend gebeten hat, von diesem Gesetz im Interesse der Landesverteidigung Abstand zu nehmen? ({0})

Jürgen W. Möllemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001520, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich habe die Argumente des Bundeswehrverbands ernst genommen, mich mit ihnen inhaltlich auseinandergesetzt und ihm nicht vorgeworfen, er sei korrumpiert. ({0}) Nach der Rede des Kollegen Zimmermann allerdings, meine sehr verehrten Kollegen, müssen wir davon ausgehen, daß die Fraktion der CDU/CSU dem Diktat der CSU folgt und den Haushalt ablehnen wird. ({1}) - Herr Wörner, Sie wissen genau, wovon ich rede. Sie, meine verehrten Kollegen im Verteidigungsausschuß, werden das dann zu vertreten haben. Erlauben Sie mir, in aller Deutlichkeit zu sagen, was meines Erachtens die eigentlichen Gründe für Ihre Entscheidung sind. Der erste und übergeordnete Gesichtspunkt ist die von Dr. honoris causa Strauß angeordnete Umschaltung auf Konfrontation. Dagegen sein, draufhalten, statt konstruktiv mitzuarbeiten, lautet die Parole, die er ausgegeben hat. ({2}) Sie haben sie übernehmen müssen, Herr Kohl mit Ihnen - gegen seine Überzeugung. Ich denke, auch Sie haben das gegen Ihre Überzeugung übernommen, wenn man der Presse glauben darf. Herr Strauß hat Ihnen wieder einmal gezeigt, wer der Herr im Hause aller Christen ist. Wieder wird Kohl ein Stück demontiert. Im Grunde könnte er einem - weil er menschlich ganz nett ist - leid tun. Aber er hat es nicht verhindern können, daß sich die Konfrontationsstrategen zu Lasten unserer Sicherheitspolitik durchgesetzt haben. Daran wird er gemessen. Das zweite, wohl genauso wichtige Motiv für Ihr heutiges Vorgehen ist ebenso durchsichtig wie zum Scheitern verurteilt. Sie wollen unseren sehr angesehenen - wie Sie sehr wohl wissen -, weltweit respektierten, bei der Bevölkerung wie bei der Bundeswehr beliebten Verteidigungsminister Georg Leber treffen. ({3}) Sie wissen um seine hohe Bedeutung für die Koalition, nach außen wie im Inneren. ({4}) Aber Sie sollen auch wissen, daß auch uns dies bewußt ist, daß uns Ihre diesbezüglichen Absichten völlig klar sind. ({5}) Damit Sie eine weitere trügerische Hoffnung schnell aufgeben, unterstreiche ich hier: Diese sozialliberale Koalition und in ihr meine Fraktion, die FDP, steht geschlossen hinter Georg Leber und der von ihm verantworteten Politik - unbeschadet unterschiedlicher Auffassungen im Detail. ({6}) Ihre Attacke gegen die Sicherheitspolitik und die Friedenspolitik dieser Koalition, wie sie von den beiden Ministern Genscher und Leber in deutlicher Übereinstimmung in den Grundauffassungen betrieben wird - von Herrn Mertes sind unlängst in einem Vortrag beide gelobt worden -, muß deshalb ins Leere gehen. Vielleicht sind Sie, Herr Mertes, dann nachher bei denen, die dem Haushalt zustimmen, da Sie sagen, Herr Leber vertrete eine im Grunde vernünftige Verteidigungspolitik. Aber ich weiß: Fraktionszwang ist etwas Schweres, auch für einen Christdemokraten. Gerade, weil wir wissen, daß Ihr heutiger Vorstoß nicht dem Haushalt gilt, weil wir wissen, daß Sie nach Strauß' Rezept die gesamte Außen- und Sicherheitspolitik der Koalition treffen wollen, die sich um Sicherheit und Entspannung gleichermaßen bemüht, gerade deshalb, weil Sie hier gegen wesentliche Grundauffassungen der Koalition angehen, werden Sie auch heute wieder die verdiente einhellige Abfuhr bei der Abstimmung erhalten. Damit auch das ganz klar ist: Diese Abstimmung wird eine deutliche Dokumentation des Willens dieser Koalition sein, der beiden Partner, gemeinsam mit Genscher und Leber die Politik der Sicherheit und Entspannung fortzusetzen, weil Sie dazu weder sachlich noch personell auch nur annähernd eine Alternative haben. ({7}) Sie, meine Damen und Herren - so erstaunlich das für Sie klingen mag -, stabilisieren mit Ihrem Verhalten am heutigen Tag das, was Sie verunsichern wollten. Erlauben Sie mir nun, noch auf einige Vorwürfe einzugehen, die mein Vorredner im Detail erhoben hat. Wie nicht anders zu erwarten, haben Sie sich, Herr Zimmermann, stark auf die Neuregelungen des Wehrpflicht- und des Zivildienstgesetzes konzentriert. Jeder Interessierte weiß, daß es für das hier angesprochene Problem eine Ideallösung nicht gibt, jedenfalls solange man das Grundgesetz nicht ändert. Im Grundgesetz steht einerseits als unveräußerliches Grundrecht, daß niemand gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden kann. Andererseits ist dort ebenso durchaus veränderbar übrigens - die Wehrpflicht als ein Instrument unserer militärischen Verteidigung festgelegt. Damit hier kein Mißverständnis auftritt: Auch ich halte die Wehrpflicht für notwendig. Ich würde uns aber nicht deswegen, Herr Zimmermann, als sozusagen den einzigen demokratischen Musterstaat hinstellen, weil wir uns mit einer Wehrpflicht wehren. Sie qualifizieren damit Staaten ab, die das mit anderen Modellen tun und die deswegen genauso demokratisch sind. Denken wir an die Vereinigten Staaten von Amerika. Alle Polemik, alle Unterstellungen, alles Wortgetöse ändern überhaupt nichts daran, daß die sich aus diesen beiden Bestimmungen, Grundrecht auf Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Waffe ({8}) - natürlich aus Gewissensgründen - und Wehrpflicht, ergebenden Konflikte nur relativ gut, nur auf dem Wege einer Kompromißlösung angegangen werden können. Ich meine, jeder, der sich ein bißchen Nachdenklichkeit bewahrt hat, muß ein ungutes Gefühl haben, wenn er das Gewissen eines anderen prüfen soll, ({9}) weil man es sehr wohl als Zumutung empfinden darf, seine Gewissensentscheidung an den Kriterien eines anderen Menschen mit eigenen, möglicherweise anderen Wertvorstellungen messen lassen zu müssen. Deshalb wollen wir das bisherige Verfahren ändern. ({10}) Diese Änderung ist ein Kompromiß, sie muß es auch wohl sein; denn wir sehen genauso klar die Notwendigkeit der Verteidigung und den Bedarf unserer Streitkräfte. Deshalb haben wir die Sicherung eingebaut, die das unmöglich macht, was Sie offenbar befürchten. Wir haben in dieses Gesetz geschrieben, daß, wenn anders die Verteidigungsfähigkeit nicht aufrechterhalten werden kann, das modifizierte Verfahren wieder in Kraft gesetzt wird. ({11}) Ich kann Ihnen für meine Fraktion nur sagen: Dieses würde in einem solchen Fall durch uns auch geschehen. Wir wollen, daß künftig die Gewissensprüfung so weit wie möglich unterbleibt, und akzeptieren aus pragmatischen Gründen die Ausnahme für die bereits eingezogenen Soldaten. Wir wollen eine möglichst große Dienstgerechtigkeit und haben deshalb eine entsprechende Zeitrelation von 15 Monaten Wehrpflicht zu 18 Monaten Zivildienst geschaffen sowie weitere 10 000 Zivildienstplätze eingerichtet. Es bleibt allerdings unbestritten das Problem, daß weder alle Wehrpflichtigen noch alle Zivildienstpflichtigen eingezogen werden können. Relativ gesehen werden mehr Wehrdienstpflichtige als Zivildienstpflichtige nicht eingezogen werden, wenn man von den heutigen Zahlen ausgeht. Die Wahrscheinlichkeit des DienenMüssens ist bei beiden Gruppen aber sehr hoch. Das heißt nichts anderes, als daß der Bestand der Bundeswehr voll gesichert ist und daß gleichzeitig ein umfangreicher Zivildienst vorhanden sein wird. Insgesamt wird also die Zahl der Dienenden steigen. Wir haben im Gegensatz zu Ihnen, meine sehr verehrten Kollegen von der Opposition, Vertrauen in unsere jungen Mitbürger. ({12}) Wir sprechen die Erwartung aus und appellieren an alle, die Notwendigkeit des Dienstleistens für die Gemeinschaft anzuerkennen. Wir unterstreichen, daß dies in der Regel der Wehrdienst und in den im Grundgesetz bestimmten Fällen der Ablehnung aus Gewissensgründen der Zivildienst ist. Im übrigen finden wir es bemerkenswert, daß Sie bereits im Verlauf des parlamentarischen Verfahrens einen Gang nach Karlsruhe ankündigen. Wir sehen dem beruhigt entgegen. ({13}) Wir betrachten - das möchte ich noch einmal sagen - eine Entscheidung des Karlsruher Gerichts, egal, wie sie ausgehen wird, auch nicht als den Ausdruck einer schwarzen, roten oder sonstigen Kumpanei. ({14}) - Nein, das ist keine Frage der Großzügigkeit, sondern bezeichnend, welches Verhältnis man zu den Verfassungsorganen hat. ({15})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wörner?

Jürgen W. Möllemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001520, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Natürlich.

Dr. Manfred Wörner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002547, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Möllemann, nach diesen ungeheuer beindruckenden Bemerkungen möchte ich fragen, warum Sie das nicht gesagt haben, als hier der Herr Kollege Schäfer den dreisten Versuch gemacht hat, das Bundesverfassungsgericht nur deswegen an den Pranger zu stellen, weil es den Mut hatte, dem Bundeskanzler zu bescheinigen, er habe die Verfassung gebrochen. ({0})

Jürgen W. Möllemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001520, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Wörner, zunächst einmal freut es mich, daß Sie meine Bemerkung eindrucksvoll finden. Das ist immer erfreulich. ({0}) - Ja, natürlich. Herr Wörner ist solch ein wichtiger Mann, daß man froh ist, wenn man von ihm gelobt wird. ({1}) - Herr Wörner, ich sehe nicht ein, daß ich Ihnen antworten soll; denn Sie sprechen von eindrucksvollen Bemerkungen, fragen mich und wenden sich dann ab. Das ist die besondere Stilform des Christlichen in der Politik. Ich darf also fortfahren und sagen, daß wir es jedenfalls als ungeheuerlich empfinden, daß der Vorsitzende der Christlich-Sozialen Union, als hier die Stellungnahme eines Bundesrichters zitiert wurde, gerufen hat: „Rote Kumpanei!" ({2}) Dies habe ich kritisiert, davon nehme ich keinen Deut zurück. Dieses weist das Protokoll aus. Ein weiterer Punkt Ihrer Kritik war der Hinweis auf die angeblich unangemessene Behandlung hoher Offiziere durch den Verteidigungsminister und die Koalition. Zunächst einmal möchte ich Ihnen, die Sie neuerlich so für den amerikanischen Präsidenten Jimmy Carter schwärmen, einen Blick über den Atlantik anraten. Der amerikanische Präsident hat recht eindrucksvoll im Raume Südkorea unterstrichen, wie er den Primat der Politik gegenüber seinen Generalen durchzusetzen entschlossen ist und wie kurz und, sagen wir ruhig: schmerzlos er in Fällen, in denen führende Offiziere diesen Primat der Politik nicht anzuerkennen in der Lage sind, diese in den Ruhestand zu versetzen weiß. ({3}) - Nein, ich halte den Primat der Politik für richtig; ich komme gleich noch darauf, Herr Kollege Biehle. Ich finde ein anderes sehr bemerkenswert, Kollege Zimmermann, nämlich was Sie hier zu der Kundgebung in Spanien gesagt haben. ({4}) - Zu der Truppenparade in Spanien. ({5}) - Sie haben hier zu dieser Truppenparade etwas kundgegeben. Sie haben ein historisches Verständnis des Francismus an den Tag gelegt, das ich nun wirklich nicht mehr begreifen kann. ({6}) Es ist logisch: Leute, die mit Rudels gemeinsame Traditionsfeiern veranstalten wollen, empfinden natürlich auch den Francismus als eine hinzunehmende politische Haltung. ({7}) Sie haben darüber hinaus gesagt, Ihnen scheine, das rote Personalpolitik gemacht werde. ({8}) Ich will Ihnen sagen, wir als Liberale sind sowohl gegen rote wie gegen schwarze Personalpolitik. ({9}) Wenn Sie, wie Biedenkopf im letzten Wahlkampf, uns, die wir nun wirklich beobachten, was an personalpolitischen Maßnahmen getroffen wird, wo die einen oder die anderen absolute Mehrheiten haben, Moralpredigten halten wollen, kann ich als Münsteraner, also aus einer schwarzen Stadt kommend, wo ich die Personalentwicklung beobachten kann, nur lachen. Halten Sie dort bitte Ihren Parteifreunden zunächst einmal diese Predigten, dann können Sie als Moralapostel auftreten. ({10}) -- Herr Damm, Sie merken aber auch alles, wenn Sie sagen, daß ich auch dafür bin, daß Personalpolitik nicht unter parteipolitischen Gesichtspunkten betrieben wird. ({11}) Dabei sage ich nicht, daß jemand, der tüchtig ist, nur deswegen, weil er ein Parteibuch hat, nicht befördert werden darf. Aber wir können uns ja einmal in aller Ruhe anschauen, wie das denn in bestimmten Häusern ist. Ich glaube, wir kämen dann zu interessanten Ergebnissen. Herr Kollege Wörner, Sie werden ja heute hier nicht sprechen. ({12}) - Das haben mir Kollegen von Ihnen gesagt: Sie hätten das nicht vor. Also werden Sie doch sprechen? ({13}) - Ich freue mich immer, wenn ich Sie hier sprechen höre. ({14}) weil ich nur noch einmal daran erinnern will, daß Ich sage das nur deswegen, Herr Kollege Wörner, Sie in der hier in Rede stehenden Angelegenheit Krupinski /Franke eine bemerkenswerte Rolle gespielt haben. ({15}) - Natürlich. Ich habe in der Debatte gesagt - und möchte dies hier noch einmal ins Gedächtnis rufen -, Sie wollten seinerzeit in Bremgarten gemeinsam mit Herrn Rudel die Traditionsfeier durchführen. Dies wirft ein bezeichnendes Licht auf Ihr Traditionsverständnis und Ihre politische Instinktlosigkeit, vor allem gegenüber den Bündnispartnern. Sie bekommen ja in diesen Tagen linientreue Unterstützung. ({16}) Ich zitiere die „Frankfurter Rundschau" von gestern. ({17}) - Wenn die Frau Präsidentin mir dies erlaubt, zitiere ich: ({18}) Der Hauptredner des Pfingsttreffens der SS-Panzerdivision „Leibstandarte Adolf Hitler" bei Nassau an der Lahn, der Marburger Rechtsanwalt und frühere MdB Hans Wissebach, wird für den aus dem Bundestag ausscheidenden Frankfurter Oberbürgermeister Walter Wallmann über die CDU-Landesliste wieder in das Parlament zurückkehren. Ich bin einmal gespannt, welche Reden zum Traditionsverständnis wir demnächst hier in diesem Parlament von Ihnen zu erwarten haben werden. ({19}) - Herr Kollege Damm, ich habe gestern oder vorgestern ausnahmsweise Ihrem Parteivorsitzenden zugestimmt, als er sagte, Dienstalter oder Lebensalter seien nicht unbedingt ein zwingendes oder überzeugendes Argument. Darf ich Ihnen dies auch noch einmal sagen. ({20}) Herr Kollege Wörner hat darüber hinaus in einem, wie ich meine, wiederum kennzeichnenden Zwischenfall deutlich gemacht, wie er sich zu Soldaten stellt. Die Presse hat ausführlich dargelegt, daß er, weil er bei der Parade, beim Zapfenstreich ein paar Stühlchen zu weit nach hinten gesetzt worden ist, erst einen Obersten zusammengestaucht, sagen wir einmal, einen General abgeputzt hat. Er, der Herr Wörner, hat es ja wohl nötig! Mein Kollege Gallus hat mir gesagt, wahrscheinlich hätten Sie sich darüber geärgert, daß er drei Reihen vor Ihnen gesessen habe. Er bietet Ihnen an, beim nächsten Mal zu tauschen, damit Sie zufrieden sind und weiter vorn sitzen können. ({21}) Ich darf zusammenfassen. Bei nüchterner Betrachtung der von Ihnen vorgetragenen Argumente zum. Verteidigungshaushalt bleibt folgendes festzuhalten. Erstens: Die Verteidigungspolitiker der CDU/CSU- Fraktion haben im Verteidigungsausschuß dem Haushalt zugestimmt. Damit haben sie eine sachliche Anerkennung dieses Haushalts vorgenommen. Sachliche Gründe gegen den Haushalt liegen also nicht vor. Zweitens: Ihre Unterstellungen und Verdrehungen im Zusammenhang mit unseren Absichten im Blick auf die Reform des Wehrpflichtgesetzes und des Zivildienstgesetzes weisen wir zurück. Wir sind sicher, daß die betroffenen jungen Menschen unsere und Ihre Haltung gebührend werden einschätzen können. Wir appellieren an alle Betroffenen, Bereitschaft zu zeigen, den Dienst für unsere Gemeinschaft zu leisten in der Bundeswehr und, wenn das Gewissen dagegen steht, sonst im Zivildienst. Drittens: Die Opposition unternimmt den durchsichtigen Versuch, den allgemein anerkannten Verteidigungsminister unseres Landes zu diskreditieren. Sie tut dies nicht mit sachlichen Gründen, sondern aus einer rein parteitaktischen Überlegung, um darüber hinaus einen wichtigen Stützpfeiler dieser Koalition zu treffen. Diese Koalition faßt dieses Manöver so auf, wie es gemeint ist, und weist diesen Ihren untauglichen Versuch zurück. Viertens: Ihre Attacken in diesen Tagen und auch heute wieder gelten ja eigentlich der Sicherheits- und Entspannungspolitik der sozialliberalen Koalition. Sie sind allen entgegengesetzten Beteuerungen zum Trotz nicht nur mit den Details, sondern offenbar mit wichtigen Grundprinzipien dieser Friedens- und Entspannungspolitik nicht einverstanden. Dies ist ein Grund mehr, weshalb die sozialliberale Koalition zusammen mit den für diese beiden Bereiche verantwortlichen Ministern Leber und Genscher diese Friedens- und Entspannungspolitik fortsetzen wird. Deshalb billigen wir gemeinsam und geschlossen den Einzelplan 14. ({22})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Blank.

Bertram Blank (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000191, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bevor ich zu der Haushaltsrede, dem eigentlichen Thema des heutigen Tages, komme, möchte ich zwei Bemerkungen des Herrn Kollegen Zimmermann in seiner Rede ganz entschieden zurückweisen. Mit Ihrer Genehmigung, Frau Präsidentin, darf ich aus der Rede zitieren. Es heißt dort: „Mehr und mehr entscheiden bei Stellenbesetzungen und Beförderungen nicht mehr Sachkunde und charakterliche Eignung, sondern das Parteibuch oder zumindest willfähriges Wohlverhalten gegenüber dem parteibuchtragenden Vorgesetzen." Und weiter: „Die Hofschranzen des Ministers färben den Personalkörper des Ministeriums systematisch rot ein." ({0}) Herr Zimmermann, es ehrt Sie nicht, daß Sie diese ungeheuerliche verleumderische Beleidigung ,gegenüber den leitenden Beamten, den leitenden Soldaten der Bundeswehr und des Bundesverteidigungsministeriums hier wiederholt haben. Ich weise diese Beleidigung im Namen meiner Freunde und der Koalition zurück. ({1}) Zweitens. Sie haben erklärt, daß die jungen Menschen, die sich für KDV erklären, sich der Drückebergerei schuldig machten. ({2}) Und der Herr Kollege Kohl hat in diesem Hause am Dienstag erklärt, daß künftig zur Lügerei geradezu angeleitet wird. Meine Damen und Herren, Sie haben offenbar wenig Kenntnis von der jungen Generation. Die wird sich weder drücken noch lügen in dem Sinne, wie Sie das hier vorgetragen haben. ({3}) Es ist übrigens interessant, daß hier erstmals in klarster Form der Schwanz mit dem Hund wedelt. Daß Herr Zimmermann diese Diskussion eröffnet hat, ist geradezu lächerlich für Sie, meine Damen und Herren der CDU. ({4}) - Wir werden klarstellen, wer in der CDU/CSU- Fraktion das Sagen hat. Das ist heute völlig klargeworden. ({5}) Mein Freund Lothar Löffler hat heute morgen den Haushalt 1977 zutreffend mit der Überschrift „Haushalt der inneren und äußeren Sicherheit" charakterisiert. Bundeskanzler Schmidt hat in seiner Rede am Dienstag dieser Woche die Qualität der Bundeswehr gewürdigt und ihre Bedeutung im Bündnis und für die äußere Sicherheit betont. In der Tat: Wir können ohne Übertreibung feststellen, daß die Bundeswehr, modern ausgerüstet, positiv motiviert und von Verteidigungsminister Georg Leber gut und sicher geführt, im Bündnis eine beachtliche und eine geachtete Stellung hat ({6}) - wollen Sie das bestreiten?; Sie können das dann nachher ruhig hier erklären - und eine Rolle spielt, die der Verantwortung entspricht, Herr Damm, die der Bundesrepublik Deutschland auf allen Feldern der Politik - auf dem Gebiet der Wirtschaftspolitik, der Europapolitik und nicht zuletzt auf dem Gebiet der Friedens- und Entspannungspolitik - insbesondere unter der Kanzlerschaft von Willy Brandt und Helmut Schmidt zugewachsen ist. ({7}) Die Opposition hat sich seit 1969 - auch in dieser Haushaltsdebatte - beharrlich geweigert, diese Verantwortung mitzutragen. Das müssen Sie vertreten, das ist Ihr Problem. ({8}) Anstatt diese Politik durch harte und rückhaltlose Kritik zu fördern, wie es Ihr gutes Recht und Ihre Pflicht als Opposition ist, lassen Sie es dabei bewenden, ({9}) Herr Biehle, gesetzgeberische Alternativen, die administrativen Maßnahmen der Bundesregierung grundweg abzulehnen und - das ist besonders schlimm - der Regierung auch auf dem Gebiet der Außenpolitik jeden Knüppel zwischen die Beine zu schmeißen, den Sie nur finden können. So verstehen Sie Ihre Opposition seit 1969. ({10}) Allerdings, auf dem Gebiet der Sicherheitspolitik hat es die Opposition in den vergangenen Jahren verstanden, sich in die Falten einer geradezu staatspolitischen Toga zu hüllen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Biehle?

Bertram Blank (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000191, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich habe schon etliche Fragen des Herrn Kollegen beantwortet. Ich beantworte diese Frage nicht. ({0}) - Ich bin auf verschiedene ziemlich komische Einwände Ihres Kollegen eingegangen. Das werden Sie wohl gehört haben. ({1}) In der Öffentlichkeit haben Sie es verstanden, den Eindruck zu erwecken, also ob Sie die unpopuläre Bürde der Verteidigungspolitik aus Einsicht in das Notwendige, gemeinsam mit den Regierungsparteien, mittrügen. Manchmal haben Sie sogar den Eindruck zu erwecken versucht, als ob Sie es noch besser könnten als die. ({2}) - Ich werde Ihnen gleich nachweisen, daß das nicht so ist. Ich habe mir nämlich ein bißchen die Protokolle über die Verteidigungsdebatten seit 1970 angesehen. Das ist hochinteressant. Sie werden noch Ihren Spaß haben. In Wirklichkeit haben Sie in der Sicherheitspolitik nicht anders taktiert als auf allen anderen Feldern der Politik auch. Sie haben versucht, die Sicherheitspolitik als Mittel Ihres parteipolitischen Taktierens zu mißbrauchen. ({3}) Nur, bislang ist es Ihnen gelungen, das nicht offenbar werden zu lassen. Heute, an diesem Tage, nach der Rede des Herrn Zimmermann, ist das für jeden in diesem Lande klargeworden. ({4}) Deshalb sind wir Ihnen, Herr Zimmermann - jetzt kommt ein Kompliment an Sie persönlich -, zu Dank verpflichtet, daß das durch den Beschluß Ihrer Teilfraktion, Ihrer Landesgruppe in der letzten Woche endlich klargeworden ist, nämlich durch den Beschluß, den Verteidigungsetat abzulehnen. Ihnen, meine Damen und Herren der Opposition, helfen alle Beteuerungen und verbalen Verrenkungen nichts: Der Öffentlichkeit ist klar, daß dies ein taktisches Manöver ist und nichts anderes. Sie wollen sehen - warum eigentlich nicht? -, ob die Koalition selbst stark genug ist, die von ihr vertretene Sicherheitspolitik zu verwirklichen. Meine Damen und Herren, wir haben am Dienstag Ihre Stimme nicht gebraucht. Heute brauchen wir sie schon gar nicht. Es mag sein, daß es die Kollegen von der CDU stört, daß ich mich bisher eigentlich mehr mit der CSU befaßt habe. Aber das ist nun einmal so: Kohl und die CDU haben sich eindeutig dem CSU-Diktat nach Kreuther Muster gebeugt. Das können Sie doch überhaupt nicht bestreiten. Natürlich wissen wir, daß sich Herr Kohl am Montag gewissermaßen zum Protagonisten der Vorstellungen des wirklichen, geheimen Oppositionsvorsitzenden Franz Josef Strauß gemacht hat. Ich weiß auch, daß Sie gegen den Rat Ihrer Verteidigungsexperten die Ablehnung am Montag empfohlen haben. Aber es ist doch zu durchsichtig, warum Herr Kohl so gehandelt hat und gar nicht anders handeln konnte. Meine Damen und Herren, mir brauchen Sie es ja nicht zu glauben, daß es so ist ({5}) und daß Herr Kohl für dieses Trauerspiel heute verantwortlich ist. Ich will Ihnen jetzt einmal aus einer Zeitung zitieren, die Sie normalerweise sehr gut behandelt, nämlich die „Stuttgarter Nachrichten". Da schreibt Hans Peter Schütz am Montag: Die CSU . . . will Georg Leber mit der Ablehnung seines Etats einen Denkzettel verpassen. Doch hintergründig spielt die Absicht, Oppositionsführer Helmut Kohl den Alleingang mit dem CDU-Arbeitsmarktprogramm heimzuzahlen, eine erhebliche Rolle. Helmut Kohl jedenfalls sitzt durch die vorschnelle - ich füge hinzu: durchaus gezielt frühe Festlegung der CSU . . . in einer taktischen Zwickmühle. Auf der heutigen Fraktionssitzung - das war also am Montag gibt es nicht mehr viel über die Haltung der Opposition zu diskutieren. Lehnt die CDU es ab, mit der Schwesterpartei mitzuziehen, beruft sich diese - ich füge hinzu: vor allem Herr Zimmermann auf ihr im Kreuther Einigungspapier verbrieftes Recht zum Sondervotum. Der Kommentator fährt fort, daß, spricht sich Kohl für eine freie Abstimmung aus, deutlich wird, wie viele Freunde von Franz Josef Strauß in der CDU sind, Herr Haase. Meine Damen und Herren, das ist ein Zitat, das ich Ihnen gern zur Verfügung stelle. Ich denke, so unrecht hat der Kommentator nicht. Das wissen Sie insbesondere recht gut, meine Damen und Herren. Es war die taktische Situation so, wie sie hier beschrieben ist, und kein bißchen anders. Das ist das Problem des Oppositionsführers, und zwar des offiziellen. In der Sache selbst wird die Absicht der Opposition - ({6}) - Ja, können Sie es denn nicht verstehen, daß wir uns heute mit einer gewissen Gelassenheit mit den Problemen befassen, die Sie seit dem vergangenen Freitag über den Montag durchzumachen hatten? Das ist doch wohl klar. In der Sache selbst wird die Absicht der Opposition, den Verteidigungshaushalt abzulehnen, von der Öffentlichkeit als schädliches Manöver verurteilt. Herr Kollege Möllemann hat bereits zitiert, was der Bundesverband dazu zu sagen hat. Dem ist wenig hinzuzufügen. Aber ich will Ihnen auch mit der Erlaubnis der Präsidentin zitieren, wie die Übersicht in der Medienlandschaft aussieht. Der Südwestfunk hat erklärt: „Der Verteidigungshaushalt" - Herr Haase, das sollten Sie sich ruhig anhören -„ist ein schlechtes Exerzierfeld für parlamentstaktische Schachzüge." Ich glaube, da sind wir uns in der Sache einig, Herr Haase. Das möchte ich jedenfalls hoffen. Der Deutschlandfunk: „Das Nein gilt weniger der Sache als der Person." DFS: „CSU hat sich mit ihrer totalen Konfrontation durchgesetzt." N/WDR: „Wenn die Unionsabgeordneten dagegen stimmen, hat sich im Verteidigungsbereich die Strategie von Sonthofen durchgesetzt." Ich möchte Ihnen insbesondere aus der letzten Meldung einige Bemerkungen und einige Kommentierungen nicht vorenthalten. Da heißt es: Die Folgen dieses Beschlusses sind in ihrer ganzen Konsequenz heute noch gar nicht abzusehen. Feststellen läßt sich bisher nur: Erstens. Innenpolitisch werden die Militärpolitiker der Union - Herr Wörner! unglaubwürdig, wenn nicht gar bloßgestellt. - Herr Zimmermann! Haben sie doch vor kurzem im Verteidigungsausschuß trotz mancher Kritik im Detail dem Verteidigungshaushalt noch zugestimmt. Meine Damen und Herren, Ihre Haltung im Haushaltsausschuß war ja kein bißchen anders. Sie haben ja nicht einmal die Überlegung realisiert, etwas über den Haushaltsansatz des Regierungsentwurfs hinauszugehen. Das wäre doch unter Umständen sinnvoll gewesen, wenn Sie schon geglaubt haben, daß nicht genug geschieht. Weiter heißt es: Damit wird eindeutig, daß nicht Sachargumente die Haltung der Opposition bestimmen, . ({7}) Aber ein weiterer Punkt ist im Grunde genommen mindestens genauso wichtig. Ich zitiere: - -({8}) - Herr Zimmermann es fällt Ihnen vielleicht schwer, zuzuhören, was für ein Presseecho Sie gehabt haben; das kann ich verstehen. - Es heißt: Während von den Streitkräften strenge Überparteilichkeit auch von der Union verlangt wird, trägt die Opposition den Parteienhader jetzt endgültig von außen in die Bundeswehr hinein. Meine Damen und Herren, der dritte Punkt sollte Sie jedenfalls nachdenklich stimmen, wenn Sie dazu überhaupt noch fähig sind: Drittens. Die außenpolitische Zuverlässigkeit der Bundesrepublik Deutschland in der Nordatlantischen Allianz nimmt Schaden. Meine Damen und Herren, wie ernst das zu nehmen ist, hat sich gestern in einem Gespräch, das ich mit einem amerikanischen Professor geführt habe, der sich in der amerikanischen Medienlandschaft und im nationalen Verteidigungsrat bewegt, gezeigt. ({9}) Er hat erklärt: Man wird es der Opposition nicht abnehmen, daß es ein rein taktisches Spiel ist, sondern man wird in der amerikanischen Presse berichten, - und einige, die hier sind, werden verstehen, was ich jetzt meine daß hier die Abwendung vom NATO-Bündnis von seiten der CDU/CSU eingeleitet wird. ({10}) Das haben Sie zu vertreten, meine Damen und Herren. ({11})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat Herr Abgeordneter Hauser ({0}).

Alo Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000831, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war an sich meine Aufgabe, den zur dritten Lesung von der CDU/CSU-Fraktion gestellten Entschließungsantrag betreffend die Finanzierung der Verteilung des Baus der Fregatten auf mehrere Werften zu begründen. Aber ich kann es mir nicht ersparen, ein wenig Antwort auf die Einlassungen der Kollegen Möllemann und Blank zu geben. Zunächst einmal, Herr Kollege Möllemann, finde ich es unerhört, wie Sie einen Kollegen aus diesem Hause, der wie keiner von uns unter den Folgen des Krieges gelitten und durch den Verlust des Augenlichts ein persönliches Opfer gebracht hat, in dieser Weise diffamieren können. ({0}) Herr Kollege Blank, der Haushalt und die Politik des Verteidigungsministers bieten mancherlei Anlaß zu Kritik. Zustimmung oder Ablehnung der Opposition zum Haushalt ist nach parlamentarischem Verständnis nicht in erster Linie Zustimmung oder Ablehnung zu den einzelnen in diesem Haushalt enthaltenen Einnahmen oder Ausgaben, sondern zu der Politik des Ministers und seinem Verhalten, zu denen der Haushalt als Instrument dient. Wenn die CDU/CSU erstmals in diesem Jahr den Verteidigungshaushalt ablehnt, dann nicht, weil sich an unserem eindeutigen Ja zur Landesverteidigung irgend etwas geändert hätte, sondern weil die Verteidigungspolitik der Koalition und die Haltung des Ministers Leber nicht mehr zu billigen sind. Nicht unsere Haltung hat sich geändert, sondern die des Ministers. ({1}) Herr Leber hatte einmal in Kreisen, die nicht der SPD nahestanden, den Ruf eines tapferen und standfesten Mannes, der den Linken in den eigenen Reihen die Meinung geigte und der das, was verteidigungspolitisch notwendig war, auch durchsetzte. ({2}) Der neue Leber ist ein Erfüllungsgehilfe der Linken in der SPD geworden. ({3}) Herr Minister, Sie haben es trotz klarer Erkenntnis der verteidigungspolitischen Notwendigkeiten zugelassen, daß der Verteidigungsetat in den letzten Jahren praktisch eingefroren ist. Über Generalsaffären, über Ihre Personalpolitik ist hier ja bereits vom Kollegen Zimmermann gesprochen worden. Wir wissen doch, mit welchen Schwierigkeiten der Personalrat Ihres Hauses zu kämpfen hat, in einer Fülle von Einzelfällen - Namen zu nennen, verbietet die Öffentlichkeit hier - parteipolitische Beförderungswünsche abzublokken. ({4}) Und die faktische Abschaffung der Wehrpflicht ist das Tüpfelchen auf dem i. Aber - und dies nur ergänzend zu dem, was Kollege Zimmermann ausgeführt hat - der Haushalt ist auch als solcher nicht mehr in Ordnung. ({5}) Der Kollege Möllemann hat eindrucksvoll die Beschaffungsvorhaben der nächsten Jahre genannt, Hauser ({6}) über die wir im Haushaltsausschuß beraten haben. Bei diesen Beratungen im Haushaltsausschuß ist doch offenbar geworden, daß mit den Steigerungsraten der mittelfristigen Finanzplanung diese Beschaffungsvorhaben nicht finanzierbar sind.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Pawelczyk?

Alo Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000831, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, bitte schön.

Alfons Pawelczyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001684, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, wären Sie so nett, dem Hause die Erhöhungsvorschläge zu nennen, die Sie im Haushaltsausschuß zu diesem Etat und zu den anderen gemacht haben, die Sie ja jetzt auch kritisieren?

Alo Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000831, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich werde gleich darauf zu sprechen kommen. Wir haben Steigerungsraten in der mittelfristigen Finanzplanung in ihrer derzeit geltenden Form, die unter 5 % liegen. Die Beschaffungsvorhaben selbst und der uns vorgetragene Rüstungsplan sagen aber aus, daß eine Steigerungsrate im investiven Teil von mehr als 7 % jährlich erforderlich ist, die Kostensteigerungen noch nicht eingerechnet, mit denen in den nächsten Jahren erfahrungsgemäß zu rechnen ist. Mit anderen Worten, die mittelfristige Finanzplanung auf dem Verteidigungssektor stimmt selbst für das nicht, was von der Bundesregierung als dringendst notwendig anerkannt wird. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, gestatten Sie eine Frage des Abgeordneten Blank?

Alo Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000831, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich werden die Frage, die vorhin gestellt worden ist, beantworten. Dazu komme ich jetzt und möchte deshalb keine weiteren Fragen entgegennehmen. ({0}) - Die Beschaffungsvorhaben sind hier vom Kollegen Möllemann und nicht von mir aufgezählt worden. ({1}) Meine Damen und Herren, wir haben darüber hinaus - und das ist Pflicht der Berichterstatter gemeinsam in mühevoller Kleinarbeit in erster Linie im nichtinvestiven Teil, bei den Verwaltungsausgaben und ähnlichem, insgesamt 81,3 Millionen DM eingespart. Die Bundesregierung selbst hat darum gebeten, den Hauptteil dieser Einsparungen dem Titel Fahrzeugerhaltung zuzuführen, insbesondere zur Beschaffung dringend notwendiger Ersatzteile. Sie haben dies abgelehnt. Sie mögen sagen: Was sind 80 Millionen DM im Hinblick auf den Gesamtetat! Für die Fahrzeugunterhaltung sind das etwa 10 % des Ansatzes. ({2})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Blank?

Alo Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000831, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte schön.

Bertram Blank (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000191, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Hauser, sind sie bereit, dem Hause mitzuteilen, daß der Ansatz genau dieses Titels gegenüber dem Vorjahr über hundert Millionen DM erhöht worden ist und daß wir gemeinsam 11 Millionen DM hinzugefügt haben?

Alo Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000831, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich bin bereit, dem Hause mitzuteilen, daß wir gemeinsam 11 Millionen DM hinzugefügt haben. Aber die Bundesregierung hat erklärt, das sei nicht ausreichend ({0}) und hat um Aufstockung um 75 Millionen DM gebeten. ({1}) Meine Damen und Herren, ich möchte jetzt zum Schluß kommen und keine Zwischenfragen mehr beantworten. Sie werden natürlich fragen: Wo bleiben Ihre Anträge auf Erhöhung? Wenn Sie es ablehnen, da, wo es möglich wäre und wo die Gelder aus Einsparungen zur Verfügung standen, aufzustocken, dann würden Sie auch jeden Antrag auf Erhöhung ablehnen. Sie wissen aber auch, daß in den entscheidenden Beschaffungspositionen die Langfristigkeit der Planung ausschlaggebend ist. Sie können im Jahre 1977 nicht mehr wesentlich mehr tun, aber Sie müssen in der mittelfristigen Finanzplanung die Voraussetzungen dafür schaffen, daß neue Beschaffungsvorhaben in Zukunft schneller bewilligt werden können, als es in der Vergangenheit der Fall war. Nun darf ich Ihnen folgendes erklären. Wir haben darüber in der Fraktion gesprochen, und wir sind bereit, im kommenden Jahr, wenn der Haushalt, wie wir hoffen, zu einem frühen Zeitpunkt gelesen wird, dann, wenn die Regierung es nicht tut, unsererseits die notwendigen Erhöhungsanträge zu stellen. Nun möchte ich zu den Fregatten kommen. Der Haushalt ist bei den Beschaffungen insgesamt zu eng. ({2}) Die Bundesregierung will die sechs neu zu bauenden Fregatten auf fünf verschiedenen Werften bauen lassen. Dies wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu Mehrkosten führen. Wir sind der Meinung, daß diese Mehrkosten, die arbeitsmarktpolitisch oder strukturpolitisch bedingt sind oder aus beiden Gründen vorgesehen werden sollen, zwar zu akzeptieren sind, nicht aber im Rahmen und zu Lasten des ohnehin nicht ausreichenden Verteidigungshaushalts erscheinen dürfen. ({3}) Hauser ({4}) Deswegen unser Entschließungsantrag in dritter Lesung, die aus arbeitsmarkt- und strukturpolitischen Gründen etwa erfolgenden Mehrausgaben dem Verteidigungshaushalt zusätzlich zuzuführen. Meine Damen und Herren, ich habe nicht als Berichterstatter gesprochen, möchte aber als Berichterstatter für den Einzelplan 14 nicht versäumen, den Soldaten und den Zivilbediensteten den herzlichen Dank unserer Fraktion ({5}) für ihre vorbildliche, stets am Dienst für unsere Sicherheit ausgerichtete Pflichterfüllung auszusprechen. ({6})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Abgeordnete Horn.

Erwin Horn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000958, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedaure eigentlich, daß die Debattenbeiträge von Herrn Zimmermann und Herrn Hauser nicht mehr zum Widerspruch gereizt haben. Ich muß wirklich sagen, das, was die beiden hier vorgetragen haben, schreit in seiner geistigen Armut wirklich nach Erbarmen. ({0}) Die Entscheidung der CDU/CSU, den Verteidigungshaushalt abzulehnen, müssen wir aus staatspolitischen Gründen bedauern. Allerdings sage ich Ihnen sehr freimütig: Parteipolitisch könnte man eine gewisse Schadenfreude empfinden; durch die Ablehnung des Verteidigungshaushalts muß nämlich die Opposition endlich ihre Doppelstrategie, die sie bisher hatte, aufgeben. Bei der Bundeswehr und in der Öffentlichkeit gab sie sich ja bisher immer als loyal und staatstragend aus, während sie sich zugleich mit gezielten Veröffentlichungen und bei Versammlungen von der offiziellen Sicherheitspolitik, die sie vorher selber mitbeschlossen hatte, distanzierte und sie sogar heftig angriff. Die von der Opposition hervorgeholten Argumente sollen nur verdecken, daß dem Rechtsaußenflügel der Opposition die Richtung gemeinsamer Verteidigungspolitik nicht mehr paßt. Ihr Bestreben geht dahin, diese letzte Gemeinsamkeit zu zerschlagen. Dies zeigt sich übrigens in einer ganzen Serie von Vorgängen und Vorfällen, die systematisch angelegt sind, um gemeinsame Sicherheitspolitik zu torpedieren. ({1}) So griff im Frühjahr dieses Jahres die Opposition den Militärischen Abschirmdienst scharf an. Wie die Wochenzeitung „Die Zeit" feststellte, erwiesen sich alle Verleumdungen und Verdächtigungen der CDU/ CSU gegen den MAD als Rohrkrepierer. ({2}) - Herr Biehle, Sie wissen das doch selbst! Der CDU-Abgeordnete Miltner wurde im Verteidigungsausschuß der objektiven Unwahrheit überführt. Es ist bezeichnend für die Agitationsweise der Opposition, der Öffentlichkeit ständig vorzugaukeln, die CDU/CSU sei der rechte Garant für die Sicherheit der Bürger, während sie in ihrer politischen Praxis nicht davor zurückschreckt, durch Unwahrheit und Verleumdung so hochsensible Sicherheitsorgane wie den Militärischen Abschirmdienst zu disqualifizieren und möglicherweise sogar in seiner Funktionsfähigkeit herabzusetzen. Es gehört zur Methode der deutschen Konservativen, staatstragendes Pathos für sich in Anspruch zu nehmen, aber nicht davor zurückzuschrecken, wichtige staatliche Organe zu lähmen, wenn es ihnen ideologisch und aus parteitaktischen Gründen nützlich erscheint. ({3}) In gleicher Weise vergingen sich die Oppositionsparteien am Geist der Demokratie unseres Staates bei der Rudel /Krupinski-Affäre. Ein unverbesserlicher Nazi wurde von dem Sprecher der Opposition hoffähig erklärt. Diese parlamentarische Auseinandersetzung ergab eine Abstimmung im Grunde genommen zwischen Rudel und Leber. Die Koalitionsparteien entschieden sich für den Demokraten Georg Leber. ({4}) In gleicher Weise versucht die Opposition die Personalpolitik des Ministers in Mißkredit zu bringen. Konkrete Beweise werden zwar nicht erbracht, aber dafür Verdächtigungen ausgestreut und ein Klima der Unsicherheit erzeugt. Die Bundeswehr ist frei von den Skandalen und Vorgängen, wie sie ständig von der CDU hochgebracht werden. Die Opposition versucht mit allen Mitteln, von außen Unruhe in die Bundeswehr hineinzutragen und Mißstimmung zu erzeugen. Bezeichnend für diese Verantwortungslosigkeit, die in der deutschen Nachkriegsgeschichte ihresgleichen sucht, ist die Aussage des CDU-Generalsekretärs von Baden-Württemberg, Brigadegeneral a. D. Wolfgang Schall. In „Epoche" 4/1977 erklärte er zum Vorgehen der sozialliberalen Regierung - ich zitiere -: Dazu mußten folgende Maßnahmen getroffen werden: Besetzung aller Schlüsselpositionen, insbesondere der Kommandeurs-, Generalstabs- und ministerialen Stellen mit linientreuen Sozialisten oder fügsamen SPD-Opportunisten. ({5}) Damit werden pauschal alle Offiziere und Beamten, die gemäß ihrem Diensteid loyal dem Staat dienen, zu rückgratlosen Kreaturen gestempelt, da sie unter einer demokratisch gewählten sozialliberalen Regierung ihren Dienst versehen. ({6}) Viele, ich möchte sagen, die meisten dieser Offiziere und Beamten sind keine Sozialdemokraten, von Herkunft und beruflichem Werdegang eher konservativ eingestellte Bürger. Aber sie erfüllen ihre Pflicht gegenüber dem Staat und erkennen als verfassungstreue Bürger die demokratisch legitimierte Regierung an. Die niederträchtigen Aussagen von Herrn Schall wurden bisher von der CDU in keiner Weise dementiert. Seine politische Philosophie impliziert im Grunde genommen die Sabotage gegenüber dem Staat und seinen Verfassungsorganen, wenn Sozialdemokraten die ihnen von den Bürgern durch Wahlentscheidung übertragene Verantwortung ausüben. Trotz Vorhaltungen im Verteidigungsausschuß schweigt die CDU/CSU bis heute zu diesem unerhörten Vorgang. ({7}) Diese Vorgänge, meine Damen und Herren, zeigen in ihrer Einheitlichkeit und Systematik eine erschreckende Tendenz. Die Opposition weist eine politische Seelenverwandtschaft zu den Deutschnationalen der Weimarer Republik auf. ({8}) Herr Wörner hat zu hoch gereizt. Er, der alle diese Vorgänge duldend oder fördernd begleitet hat, sieht sich jetzt in der Lage des Zauberlehrlings, der die Geister erst rief und sie nun nicht los wird. ({9}) - Ja, das Zerwürfnis in der CDU/CSU nimmt auch bei Ihnen groteske Vorstellungen an. Im Verteidigungsausschuß und im Haushaltsausschuß gab die Opposition ihre Zustimmung zum Einzelplan 14. Die Bedingungen haben sich doch bisher in keinem einzigen Punkt geändert. KDV, Perponalpolitik oder was die Opposition alles vorbringen mag, es hat sich nicht eine einzige Sache geändert. Die Opposition stimmte in beiden zuständigen Ausschüssen allen Titeln zu. Sie befürwortete den Einzelplan und brachte nicht einen einzigen substantiellen Änderungsantrag.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Hauser?

Erwin Horn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000958, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, Herr Kollege Hauser.

Alo Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000831, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, ist Ihnen nicht bekannt, daß im Haushaltsausschuß nicht der Usus besteht, über die Einzelpläne als solche abzustimmen? ({0})

Erwin Horn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000958, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Aber ich will Ihnen ein anderes sagen: im Verteidigungsausschuß, dem ich angehöre, hat Ihre Fraktion sämtlichen Titeln zugestimmt und hat nicht einen einzigen Änderungsantrag in der Substanz selber gestellt. Das muß einmal herausgestellt werden. ({0}) Welch eine Logik beherrscht denn eigentlich diese Opposition? In den Ausschüssen stimmt sie dem Verteidigungshaushalt zu, und im Parlament lehnt sie den Haushaltsplan ab. Die Politik des Ministers ist also prima, aber der Mann, der sie praktiziert, muß hinweg. Das ist Ihre krause Logik, meine Damen und Herren! ({1}) Hier wird doch die Kreuther Szene offenbar. Strauß und Zimmermann geben den Marschbefehl, und die Zinnsoldaten der CDU haben zu marschieren. ({2}) - Wir wissen doch, wie sich das ereignet hat. Das hat sich doch so ereignet, daß im Vorfeld erst einmal die CSU-Sektion eine Abstimmung vorgenommen hat. 28 von 53 Abgeordneten entschieden sich im Vorfeld gegen den Verteidigungshaushalt. Herr Wörner, der sich dagegen wehrte, wird an die Wand gespielt. Und wenn die Opposition bei der Abstimmung nicht auseinanderfallen will, dann muß die CDU der Erpressung nachgeben und auf die Linie der CSU einschwenken. Das ist im Grunde der Punkt. ({3}) Die totale Konfliktstrategie von Sonthofen ist der Ausgangspunkt. ({4}) - Ja!

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege Biehle, bitte.

Alfred Biehle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000176, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Horn, würden Sie mir nicht bestätigen, daß bei der Beratung von Beschaffungsvorhaben es Genossen Ihrer Fraktion waren, die im Verteidigungsausschuß den Rücktritt der Verantwortlichen auf der Hardthöhe gefordert haben, obwohl Sie dem Minister jetzt hier das Vertrauen aussprechen?

Erwin Horn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000958, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr verehrter Herr Biehle, Sie machen in Nostalgie. Beim Haushaltsplan 1977 ist das nicht ein einziges Mal vorgekommen. Da haben alle sozialdemokratischen Mitglieder des Verteidigungsausschusses zugestimmt, und sie haben ihn vollinhaltlich getragen. Das müßten Sie eigentlich wissen. ({0}) Die totale Konfliktstrategie von Sonthofen ist doch bei Ihnen der Ausgangspunkt. Das Ergebnis der Abstimmung wird im Vorraum durch die CSU festgenagelt. Dann werden Gründe und Argumente im nachhinein geliefert, um sich für die Ablehnung zu rechtfertigen. Es ist doch kein Zufall, daß die politische Debatte heute auch mit Herrn Zimmermann eingeleitet wurde. Dies ist in der Sache auch völlig richtig; denn es zeigt die politischen Gewichte, es zeigt, wer in der CDU/CSU-Fraktion das eigentliche Sagen hat. ({1}) Hier wackelt doch der Schwanz mit dem Hund, und wackeln tun Sie beide, nur die CDU macht's mit Freude. Da helfen die beschwörenden Appelle von Herrn Wörner nichts mehr. Da hilft auch nichts der Appell des Bundeswehrverbandes. Der Zug wurde von der CSU in Gang gesetzt. Strauß bestimmt als Zugführer die Richtung. Zimmermann betätigt sich als Heizer, und Wörner muß sich beeilen, noch auf das Trittbrett aufzuspringen, trotz Bedenken; sonst wäre er auf dem Bahnsteig stehengeblieben. ({2}) Herr Kohl ging ganz auf die Linie von Strauß und Zimmermann, weil er bei dieser Gelegenheit endlich einmal die Chance sah, als Schwacher auch einmal stark zu sein. ({3}) Selbstverständlich waren die Argumente von Wörner vernünftiger und sachkundiger. Aber er mußte eine Pirouette drehen, um wieder in die angepaßte Richtung hineinzukommen. Nun, Herr Wörner ist so jung und elastisch, daß ihm das ständige Umfallen keinen gesundheitlichen Schaden zufügt. Da malt die Opposition seit Jahren entweder in Schauergemälden, die nur eine Karikatur der Wirklichkeit darstellen, oder macht ein jämmerliches Klein-Klein, weil ihr die Themen und die echten Gründe fehlen. Hier findet eine Haushaltsdebatte statt, bei der es im Einzelplan 14 um mehr als 32 Milliarden DM geht. Da spielt die Opposition als Großthema die Diskussion über einen General heraus. Das ist die politische Dimension, unter der Sie Haushaltspolitik betreiben. Das erinnert mich in fataler Weise an einen Vorgang im Verteidigungsausschuß. Wir hatten eine Verteidigungsausschußsitzung, da hat uns die CDU/ CSU vier Stunden lang über vier Soldaten aufgehalten, die mit einem Schild um den Bauch unter der Aufschrift „In der Rüstung sind sie fix, für die Wehrpflichtigen tun sie nichts" vor der Hardthöhe demonstrierten. Zu dem anschließenden Tagesordnungspunkt über die amerikanische Nuklearstrategie stellten die Vertreter der Opposition nicht eine einzige Frage. Das ist die Dimension derer, die innerhalb der Opposition Sicherheitspolitik betreiben. ({4}) Aber es gibt vielleicht andere strategische Fragen. Da ist die strategische Frage von Herrn Wörner nach der Sitzordnung bei einem Zapfenstreich. Ob Herr Wörner die richtige Sitzordnung bei einem Zapfenstreich findet, ist sicherheitspolitisch gewiß unerheblich. Ob aber ausgerechnet er und Sie legitimiert sind, eine Art Knigge über den richtigen Ton im Umgang mit Generalen gegenüber dem Minister aufstellen zu wollen, ist höchst zweifelhaft. Staatspolitisch ist es jedoch unerläßlich, daß endlich auch die Opposition die richtige Sitzordnung in der Sicherheitspolitik einnimmt. ({5}) Die Sicherheitspolitik der sozialliberalen Koalition steht unter dem Motto „Kontinuität und Fortschritt". Das gilt für den Binnenbereich der Bundeswehr und für unsere Außen- und Bündnispolitik. Die Leistungen der Bundeswehr für Verteidigung und Entspannung sind unumstritten. Erst unter sozialdemokratischen Verteidigungsministern wurden die Bündnispflichten voll erfüllt. Dies wird auch in Zukunft gewährleistet sein. Da die Opposition an den bestehenden Zuständen keine substantielle Kritik üben kann, projiziert sie seit acht Jahren ihre Schreckensbilder immer in die Zukunft. Die Opposition will nicht daran erinnert werden, wie ihr jetziger Anspruch in der Opposition und ihr früheres Tun in der Verantwortung auseinanderklaffen. Ich will Sie daran erinnern, daß vor genau zehn Jahren der damalige CDU-Verteidigungsminister dem damaligen Bundeskanzler Kiesinger eine Reduzierung der Personalstärke der Bundeswehr von 460 000 auf 417 000 Mann vorschlug. Das heißt: Hier wurde von Ihnen Sicherheitspolitik zu einer Funktion der Finanzpolitik gemacht. ({6}) Heute beträgt die Personalstärke 495 000 Mann. Dies ist eine Bundeswehr, die in Personalbestand, Ausbildung und Ausrüstung zu den besten Streitkräften der Welt zählt. Es ist zugleich eine Streitmacht, deren Ausrüstung und Strategie rein defensiv angelegt sind. Wir sind weder in der Lage noch willens, einen anderen militärisch zu bedrohen oder gar anzugreifen. Allerdings kann uns kein potentieller Gegner risikolos angreifen. Wir erfüllen unsere Bündnispflichten. Dies wurde uns erst vor kurzem von dem NATO-Generalsekretär Luns und von General Haig eindrucksvoll bestätigt. Wir sind freilich nicht bereit, mangelhaftes Engagement einzelner Verbündeter durch deutsche Vorleistungen auszugleichen. Die NATO darf sich nicht auf die Achse Washington /Bonn reduzieren. ({7}) Dies wäre zum Schaden des Bündnisses. Es widerspricht jeder menschlichen und jeder geschichtlichen Erfahrung, daß ein Bündnis auf die Dauer nach dem Alimentärprinzip von zwei wirtschaftlich stärkeren Staaten leben kann. Das eigene Interesse an Sicherheit muß sich bei allen Partnern auch im entsprechenden Anteil an den Lasten dokumentieren. Georg Leber, der die Sicherheitspolitik der sozialliberalen Koalition verkörpert, hat ein nationales und internationales Ansehen, auf das die Opposition nur neidisch sein kann. Schlesinger sagt: Ich hege für Georg Leber große Bewunderung: die deutsche Stabilität ist eine Quelle der Stärke und des Vertrauens für Europa und die Allianz. Luns hat kürzlich die Bundeswehr als eine Musterarmee bezeichnet, die noch nie so demokratisch wie heute gewesen sei. Damit habe ich nur zwei von vielen Stimmen über die Persönlichkeit, die Leistung und das Werk von Georg Leber zitiert. ({8}) Die Opposition geifert im Grund genommen nur, weil sie selber keinen Mann von dem Format aufzustellen hat und weil sie im Vergleich zu Georg Leber nur Zwergwuchs aufzuweisen hat. ({9}) Die deutsch-nationalen Phrasen, die Sie dreschen, sind längst überholt und können vor allem keinen qualifizierten Verteidigungsminister ersetzen. ({10}) - Jawohl! Ich rede überall so, wie ich hier rede - in Unterschied zu einigen anderen Leuten. Davon können Sie überzeugt sein. ({11}) Kontinuität und Fortschritt - nach diesem Prinzip wird die Bundeswehr in der sozialliberalen Koalition geführt. ({12}) Die Neuregelung des Kriegsdienstverweigerungsgesetzes setzt auf den mündigen jungen Bürger. Wer allerdings, Herr Wörner und Herr Würzbach, dieses Gesetz mit Absolutheitswerten mißt, der geht fehl. Es ist bezeichnend, daß diese Untugend im äußeren linken und im äußeren rechten politischen Spektrum vorhanden ist. Den einen ist es zuwenig, weil sie bei konkurrierendem Verfassungsrecht die individuelle Entscheidung absolut setzen wollen. Den anderen ist es zuviel, weil sie den Staat vor den Bürger setzen und dieses lebendige Spannungsverhältnis nicht austragen wollen. Für uns ist es eine Chance, ein Stück mehr freiheitlicher Entscheidungsmöglichkeiten in Verantwortung. Den so erweiterten Entscheidungsmöglichkeiten, die - im Gegensatz zur Opposition - Vertrauen in die Jugend setzen, ist notwendigerweise auch eine Mißbrauchsklausel zugeordnet. Ich sage in allem Freimut: Dieser Verteidigungsminister ist von der Ehrlichkeit und dem Verantwortungsbewußtsein der Mehrheit der jungen Generation überzeugt. Er ist aber auch zugleich der Mann, der keinen Mißbrauch hinnimmt und die gesetzlichen Möglichkeiten ausschöpft, um seinen Verpflichtungen gegenüber der Sicherheit unseres Staates Rechnung zu tragen. ({13}) Auf der Kommandeurstagung in Sindelfingen haben der DGB-Vorsitzende, Heinz Oskar Vetter, und der Friedensforscher Karl Friedrich von Weizsäcker gesprochen. Dies ist für mich symbolisch, aber auch bezeichnend für den Stil und den Weitblick dieses Verteidigungsministers. Zum erstenmal sprach der Repräsentant der größten deutschen Arbeitnehmerorganisation vor diesem Kreis. Darin offenbart sich mehr als Anwesenheit und Ansprache. Ich will in diesem Zusammenhang der Opposition nicht die Gegenfrage stellen, warum sie in den Jahren, als sie den Verteidigungsminister stellte, nie zu einer solchen Begegnung fähig war. ({14}) Auch die Anwesenheit von Karl Friedrich von Weizsäcker ist mehr als nur Erscheinen und Sprechen. Die Bundeswehr bekommt heute keine Existenzangst mehr, wenn über Abrüstung gesprochen und verhandelt wird. Friedensforschung und Sicherheitspolitik schließen einander nicht aus. Sie bedingen einander. ({15}) Ich möchte dem Verteidigungsminister für diese Initiative danken und ihn auffordern, diesen Weg weiterzugehen. Hier wird sinnfällig, daß in unserer heutigen Zeit der Dienst unserer Soldaten Friedensdienst ist. Diese lebendige Spannung, meine Damen und Herren, in der sichtbar wird, daß Verteidigung und Entspannung zu mehr Sicherheit führen, müssen wir aushalten. Daß Sie, Herr Minister, Türen geöffnet haben und Perspektiven aufzeigen, die illusionslos, aber zugleich mit Hoffnung versehen sind, verpflichtet uns als sozialdemokratische Bundestagsfraktion besonders. Wir stimmen dem Verteidigungshaushalt, der Ihre Handschrift trägt, eindeutig zu. ({16})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Bundesminister der Verteidigung.

Georg Leber (Minister:in)

Politiker ID: 11001299

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe mich davon überzeugt, daß die Rednerliste erschöpft ist, und möchte gerne ein paar Bemerkungen machen. Die Hauptrede für die Opposition hat der Abgeordnete Dr. Zimmermann gehalten. Das ist mir aufgefallen, weil ich ihn sonst in verteidigungspolitischen Dingen selten als Gesprächspartner antreffe. Ich will das aber nicht weiter kommentieren. ({0}) Herr Kollege Zimmermann, Sie haben eine Reihe von Behauptungen aufgestellt, mit denen allen ich mich nicht auseinandersetzen will. Aber vielleicht treffen wir uns einmal bei gutem Wetter in einem bayerischen Bierzelt. Da paßt das der Atmosphäre nach besser hin als hier in den Deutschen Bundestag. ({1}) Sie haben aber ein paar ernste Fragen aufgeworfen, bei denen ich geglaubt habe, daß Sie dabei im Namen Ihrer gesamten Fraktion sprachen. Sie haben gesagt: Wir stimmen gegen den Haushalt, weil sich der Verteidigungsminister geändert hat. Der ist nicht mehr so, wie er war. ({2}) Und wir stimmen gegen den Haushalt - ich will Ihnen doch nur zeigen, daß ich ihn verstanden habe -, weil sich die Verteidigungspolitik so grundlegend geändert hat. Habe ich das richtig verstanden? ({3}) Machen Sie sich bitte um mich keine Sorgen; die mache ich mir selber um mich. ({4}) Wenn jeder so ernst mit sich umgeht, wie ich das versuche, dann werden wir alle miteinander auskommen. Sie haben aber gesagt: Sie lehnen den Haushalt wegen der Politik, die sich geändert habe, ab. Das ist ein sehr ernster Vorwurf. Weil das zur Haushaltsdebatte gehört, möchte ich mir folgende Ausführungen erlauben. Ich erbitte vom Deutschen Bundestag einen Beschluß, fast 33 Milliarden DM auszugeben, und Sie sagen: für eine Politik, die sich geändert hat. Ich möchte deshalb jetzt Gelegenheit nehmen, Ihnen darzustellen, wie diese Politik aussieht, damit Sie wissen, wofür wir Ihre Stimme erbitten und wogegen Sie stimmen wollen. Der NATO-Gipfel in London und die Frühjahrstagung der Verteidigungsminister in Brüssel haben ein zweifaches Ergebnis gebracht. Das Bündnis hat seine Geschlossenheit betont und zugleich einmütig zum Ausdruck gebracht, daß die gemeinsame Sicherheit einen hohen Rang einnimmt. Auf so hoher Ebene ist das so deutlich im Bündnis, seit es besteht, noch nie zum Ausdruck gebracht worden. Der Allianz bereiten weniger die gegenwärtige Lage und das derzeitige Kräfteverhältnis zwischen Ost und West Sorgen als vielmehr die Tendenzen, die rechtzeitig genug erkannt und denen begegnet werden muß. Das Bündnis hat in London und in Brüssel bewiesen, daß es sehr wohl in der Lage ist, Probleme rechtzeitig zu erkennen und rechtzeitig die erforderlichen Schlußfolgerungen daraus zu ziehen und Beschlüsse zu fassen. Die Staats- und Regierungschefs der NATO haben ihre Verteidigungsminister beauftragt, Programme zu entwickeln, die den Verteidigungsbedürfnissen der Zukunft gerecht werden. Der Bundeskanzler hat die Ergebnisse der Londoner Konferenz am 12. Mai 1977 vor dem Deutschen Bundestag erläutert, und er hat selber keinen kleinen Anteil daran, daß dieses gute Ergebnis zustande gekommen ist. ({5}) Ihnen, meine Damen und Herren, liegt seit zwei Wochen die Antwort der Bundesregierung auf mehrere Große Anfragen der Fraktionen der CDU/CSU, der SPD und der FDP zur Verteidigungspolitik vor. Damit hat die Bundesregierung innerhalb sehr kurzer Frist zweimal über den aktuellen Stand ihrer Sicherheits- und Verteidigungspolitik vor dem Deutschen Bundestag berichtet. Der Bundestag wird die Großen Anfragen zwar zu einem späteren Zeitpunkt gesondert debattieren, aber ich möchte, weil das Fragen sind, die ich seit Tagen kommen sehe, die heutige Gelegenheit nutzen, ein paar wichtige Anmerkungen zu den Grundlinien dieser Politik zu machen, damit klar ist, was hier beschlossen wird. Das konventionelle Militärpotential der Staaten des Warschauer Paktes in Mitteleuropa ist dem der NATO der Zahl nach überlegen, und es ist größer, als es der Sicherheit der Länder des Ostens wegen notwendig wäre. Dies ist nicht neu, sondern das ist seit vielen Jahren so. Die Verteidigungskonzeption der NATO geht davon aus, daß das Bündnis ohne Risiko für seine eigene Sicherheit nicht auf die gleiche Zahl gleicher Waffensysteme angewiesen ist. Eine angemessene Zahl z. B. guter und moderner Panzer und eine hochmoderne und leistungsfähige Panzerabwehr ist zusammengenommen nach unserer gemeinsamen Überzeugung im Bündnis ein angemessenes Gegengewicht gegen eine größere Zahl von Panzern, wie sie der Warschauer Pakt besitzt. Im übrigen hat die NATO schon immer ihre Verteidigungskonzeption auf den Verbund von konventionellen und nuklearen Abwehrfähigkeiten gestützt. Dies tut sie auch heute noch. Bei sorgfältiger Einschätzung, auch in Anbetracht der Entwicklung des Kräfteverhältnisses in Zentraleuropa ergibt ein Vergleich aller Potentiale, daß die Nordatlantische Allianz heute insgesamt über eine solche Verteidigungskraft verfügt, daß wir deswegen nicht besorgt sein müssen. Dies ist nicht allein meine persönliche Einschätzung, sondern die übereinstimmende Auffassung der Verteidigungsminister und der Regierungschefs des ganzen Bündnisses auf Grund gründlicher Prüfung und gehöriger Beachtung aller ihnen bekannten und aller ihnen zugänglichen Umstände, einschließlich des wesentlichen Rates der militärischen Fachleute. Mit dieser Feststellung wird ein hohes Gut umschrieben, das auch im inneren Streit der Parteien nicht heruntergeredet werden sollte. Ungeachtet dieser Feststellung, die für die Gegenwart gilt, sind NATO-Rat und Verteidigungsminister sich einig, daß die konventionellen Kräfte für Abschreckung und Verteidigung künftig einen wichtigeren Rang bekommen, weil dieses Element angesichts der Parität im nuklearstrategischen Bereich einfach einen höheren Rang bekommen hat, weil dort ein Ausgleich herbeigeführt worden ist. Es wächst in einen höheren Rang hinein. Die Beschlüsse von London und Brüssel unterstreichen diese Erkenntnis und die sich daraus ergebenden Notwendigkeiten. Die Verteidigungsminister haben daher beschlossen, Mängel im Bündnis sorgfältig festzustellen und kurz- und mittelfristige Programme zur Behebung dieser Mängel zu entwickeln. Das Bündnis ist aufgefordert, binnen eines Jahres zu klären, was zu geschehen hat, und die Verteidigungsminister sind beauftragt, den Regierungs- und Staatschefs Anfang des nächsten Jahres Bericht zu erstatten, welche Vorschläge sie zu unterbreiten haben. Meine Damen und Herren, wir wissen bei all dem natürlich, daß Maßnahmen auf diesem Gebiet Geld kosten, Maßnahmen, die wir in Brüssel ins Auge gefaßt haben, vor allen Dingen dort, wo es darum geht, Mängeln und Lücken in der Allianz zu begegnen. Wir, die Vertreter unseres Landes, haben uns bemüht, für das alles bei unseren Verbündeten zu werben, sie zu bewegen, wo etwas zu bewegen ist. Wir haben dabei im Gespräch miteinander in vielerlei Hinsicht Erfolg, Anklang und Verständnis gefunden. Es geht uns mit dem Blick auf die Zukunft besonders um eine ausreichende und gute Abwehrkraft gegen Panzer und gegen Kampfflugzeuge, also um die Ausprägung der defensiven Kraft des Bündnisses nach Maßgabe der erkannten Entwicklungen offensiver Fähigkeiten des Ostens. Dabei muß aber hier in der Allianz klar sein - dies sage ich vor dem Deutschen Bundestag mit Nachdruck -, daß die Zeichen, die in London und in Brüssel gesetzt worden sind, nicht nur eine Angelegenheit von Amerikanern und Deutschen sind, um Mängel und Lücken im Bündnis zu beheben. Kollektive Verteidigung muß auch als angemessene kollektive Teilung der Lasten und der Risiken zur Bewahrung von Freiheit und Unabhängigkeit im ganzen Bündnis verstanden werden. ({6}) Deshalb ist es wichtig - ich habe Grund, das zu sagen -, daß jeder von uns, der hier oder irgendwo draußen an der Allianz Kritik übt, sauber prüft, ob das, was unser Land dem Bündnis gibt, im Verhältnis zu dem bestehen kann, was unsere Partner dort einbringen, wo Mängel und wo Lücken sind. Es wäre schlecht und gefährlich für uns und die Allianz, wenn die Bundesrepublik Schwächen und Mängel, die bei einigen Partnern ganz gewiß bestehen, sich selbst anlasten oder sich gar zumuten würde, für sie auch finanziell einzutreten. Unser Beitrag zum Bündnis ist dadurch charakterisiert, daß wir nach den Vereinigten Staaten von Amerika den größten Beitrag zur gemeinsamen Verteidigung im Bündnis leisten und daß wir fast ein Drittel aller europäischen Verteidigungsausgaben aufbringen. Wichtig ist weiter, daß wir in unserem Lande seit nunmehr drei Jahren mehr als 30 % des Verteidigungshaushaltes für die Modernisierung unserer Armee, also für Neubeschaffungen und Investitionen, bereitstellen. Es gibt keinen Bündnispartner, der das in so hohem Maße tut wie die Bundesrepublik Deutschland. Wir können bei einem Vergleich mit anderen bestehen. ({7}) Dieser Tatbestand bleibt auch im Haushalt für das Jahr 1977 gesichert. Dies ist eine wesentliche politische Feststellung. Ich weiß zu gut: Wenn sich alle Bündnispartner so verhielten, wie sich die Bundesrepublik Deutschland verhält - oder wenn sie sich so verhalten könnten, wie wir uns verhalten können -, dann wäre manches in der Allianz leichter, und wir brauchten nicht über Mangel und Lücken in der Allianz zu reden. Unsere Leistungen für das Bündnis werden tatsächlich auch von niemandem in der Welt bestritten, sondern von allen Bündnispartnern als angemessen und ausreichend anerkannt. Es ist deshalb auch für unsere eigene Einschätzung nicht ohne Wert, daß der Generalsekretär der NATO, der ja sehr kritisch den Finger auf Wunden legen muß, überall im Bündnis, zuletzt noch auf der Kommandeurtagung der Bundeswehr in diesem Jahr, feststellt: Die Bundesrepublik Deutschland ist ein politisch, militärisch und wirtschaftlich stabiler Faktor im westlichen Bündnissystem. Herr Kollege Wörner, Sie haben kürzlich in einem Interview mit dem Bonner General-Anzeiger festgestellt, die Bundesrepublik Deutschland bleibe nun schon im dritten Jahr weit hinter den Mindestanforderungen des Bündnisses für die Verteidigung zurück. Dies hätte ich gern einmal von Ihnen erläutert, wer mehr von uns gefordert hat und ob es Sache der Bundesrepublik Deutschland sein kann, mehr für unseren eigenen Beitrag im Bündnis aufzuwenden, als das Bündnis selber im Optimum von uns verlangt. ({8}) Dies müßten Sie im Deutschen Bundestag erklären, und dann müßten Sie auch sagen, um was es geht. Dabei geht es nicht um ein paar Groschen, da ist auch mit 64 Millionen DM nicht geholfen, sondern bei der Größe des Verteidigungshaushalts von 33 Milliarden DM kann es sich dann nur um Milliarden handeln. ({9}) Dann muß aber Butter bei die Fische getan werden! Meine Damen und Herren, ich weiß, daß es für Sie gar nicht leicht ist, bei der Verteidigungspolitik, die wir vorzuweisen haben, Opposition zu machen. Ich habe deshalb eine ganze Menge Verständnis für Sie. Ich kann mich auch ganz gut in Ihre Lage versetzen. Ich rate Ihnen aber, ehe Sie hier solche öffentlichen Erklärungen abgeben, sich einmal zu überlegen, was das in den Ohren mancher Bündnispartner bedeutet, die weniger haben als wir, und was das für dieses Land bedeuten kann. Man muß schließlich hier Farbe bekennen, wenn man das draußen sagt. ({10}) Überhaupt würde ich Ihnen, verehrte Herren von der Opposition, wenn Sie dessen überhaupt bedürften - was ich aber nicht vermute -, gern meine eigenen guten Dienste anbieten, damit Sie einmal das Gespräch mit den verbündeten Regierungen führen und dort hören können, wie bei allen mit uns verbündeten Regierungen der Beitrag der Bundesrepublik Deutschland eingeschätzt und anerkannt wird. ({11}) Die sozialliberale Koalition betreibt eine Verteidigungspolitik, die zu Ergebnissen geführt hat, denen niemand, der Verantwortung trägt, seinen Respekt zu versagen braucht. Im ganzen Bündnis versteht daher auch niemand die innere, eigene Mäkelei, die aus parteitaktischen Gründen an unserer dort für erfolgreich gehaltenen Sicherheits- und Verteidigungspolitik erfolgt. Wer sich ernsthaft für Verteidigungspolitik interessiert, der weiß, was wir für unsere eigene Bundeswehr und damit für die Verteidigungsfähigkeit unseres Landes in Gestalt des Beitrages zum Bündnis getan haben. Ich will das auf ein paar kurze Formeln bringen. Erstens. Wir haben Jahr für Jahr mehr Geld für die Verteidigung im Bündnis bereitgestellt, so daß die Verteidigungsaufwendungen von 1970 bis 1976 - das sind sechs Jahre - um 66,8 % gestiegen sind. Das bedeutet im jährlichen Durchschnitt eine reale Steigerung unserer Aufwendungen im Einzelplan 14 um rund 4 % Es gibt kein Land in der Allianz, das das aufgewendet hat. Ich sage Ihnen: dies müssen wir bei der Lage unseres Landes in dieser geteilten Welt auch tun. Zweitens. Wir haben die Abwehrkraft unserer Streitkräfte kontinuierlich verstärkt und haben der Bundeswehr praktisch eine zweite, völlig neue, hochmoderne Ausstattung gegeben. Die Beschlüsse dazu sind in großer Einmütigkeit im Deutschen Bundestag, mit den Stimmen aller Parteien, gefaßt worden. Drittens. Wir haben ein anspruchsvolles Konzept für die Reform von Bildung und Ausbildung in den Streitkräften verwirklicht, das gegenwärtig Studienobjekt für die meisten Partner im Bündnis ist. Viertens. Wir haben trotz aller Bedeutung der Materialausstattung den sozialen, den personellen Bereich nicht vernachlässigt und haben der Betreuung und Fürsorge in den Streitkräften unser besonderes Augenmerk gewidmet. Dies sind einige von vielen Erfolgen, die ich aufzählen könnte, die wir mit Kontinuität betrieben haben und mit Kontinuität fortsetzen werden. Es ist immer einhellige Meinung des ganzen Bundestages gewesen, daß unseren Soldaten Dank und Anerkennung für gezeigte Leistungen gebührt. ({12}) Dabei sind wir uns stets bewußt, daß ihnen viele Lasten aufgebürdet werden, die in anderen Teilen unserer Gesellschaft nicht überall so getragen werden müssen, wie das bei Soldaten der Fall ist, die auch am Heiligen Abend rund um die Uhr an ihren Geräten und in ihren Dienststellen Dienst tun müssen. Ich nehme deshalb diese Gelegenheit gerne zum Anlaß, den Dank an unsere Soldaten mit dem Wunsch zu verbinden, über Möglichkeiten nachzudenken, wo und wie, vor allem im nicht materiellen, im personalen Bereich, weitere Verbesserungen über das schon Erreichte hinaus verwirklicht werden können. Das ist eine Bitte. Ich weiß sehr wohl um die Verantwortung und die Anstrengungen, die für die Offiziere und gerade auch für die Unteroffiziere mit den schwierigen Ausbildungsaufgaben in den Streitkräften verbunden sind. Wir werden im Rahmen der uns aufgegebenen Fürsorgepflicht, im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten alles prüfen, um weitere notwendige Erleichterungen und Verbesserungen zu schaffen. Wir werden die erfolgreiche Sicherheits- und Verteidigungspolitik der letzten Jahre fortsetzen, weil es keine Sicherheit ohne militärisches Gleichgewicht und weil es ohne Sicherheit keine Entspannung gibt. Zu dieser Verteidigungspolitik, deren Zukunftslinie genauso klar vorgezeichnet ist, wie sie es bisher war - was auch die Leistungsbilanz der Vergangenheit gezeigt hat -, gibt es in Wirklichkeit auch keine Alternative. ({13}) Das ist wohl auch im wesentlichen die Ursache dafür, daß unsere Verteidigungspolitik - die, die wir fortsetzen - in den letzten Jahren von allen Fraktionen dieses Parlaments gemeinsam gestützt worden ist. Das war nicht von geringem Wert für das Gewicht der Bundesrepublik Deutschland im internationalen Konzert. Dort hat man gesehen: Dahinter stehen alle Kräfte, die sonst im Lande miteinander ringen und auch einmal miteinander streiten - es gibt viele Bereiche, über die man streiten kann -; in dem Punkte sind sich die Deutschen einig. Fragen Sie sich einmal, was Sie jetzt riskieren! ({14}) Dieser Grundkonsens in Fragen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik scheint durch das jüngste Verhalten der Opposition - aus Gründen, die ich von ihrer Bedeutung her nicht einschätzen kann - aufs Spiel gesetzt zu werden. Wie eigentlich sonst sollte es zu erklären sein, daß die CDU/CSU, die bis heute alle Entscheidungen in den Ausschüssen des Bundestages mitgetragen hat, als Fraktion von der Entscheidung in den Ausschüssen abweicht und damit doch wohl ihre eigenen, mit der konkreten Arbeit befaßten Abgeordneten beachtlich ins Zwielicht bringt? Denn ein Ausschuß kann doch seine Arbeit nicht tun und keine Beschlüsse fassen, ohne die Deckung der jeweiligen Fraktion zu haben. Das Verhalten, das Sie hier zeigen, ist doch ein Novum. Es ist nicht Sache der Bundesregierung, über den Streit in der Opposition zur künftigen Linie in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu spekulieren. Aber ich frage Sie, ob Sie die bisher gemeinsam getragenen Grundprinzipien deutscher Bündnispolitik in Frage stellen oder gar aufgeben wollen. Dann sagen Sie mir bitte, was an dem, was ich vorgetragen habe, anders ist. Und ich muß Sie fragen, ob Sie anstelle dessen, was Sie ablehnen, eine Alternative anzubieten haben; denn auf dem Gebiet kann man ja nicht nur gegen etwas sein, da muß man doch für etwas sein. Wenn wir etwas anders gemacht haben, was wollen Sie an Stelle dessen machen? Sagen Sie das doch! ({15}) Herr Zimmermann hat doch kein Wort dazu gesagt, sondern er hat mich beschimpft. Das kann er gut; außerdem weiß ich, von wem das kommt und wie das gemeint ist. ({16}) Für die Bundesregierung gibt es jedenfalls keine Alternative. ({17}) - Auch für den Minister nicht. Da haben Sie recht. Die Bundesregierung denkt nicht in unterschiedlichen Kategorien. ({18}) Wissen Sie, ich gehöre dem Hohen Hause seit ungefähr 20 Jahren an. Ich habe bisher selten eine so einheitliche und harmonische Koalitionsregierung wie die jetzige erlebt. Da brauchen Sie sich keine falschen Hoffnungen zu machen. ({19}) Die Auffassungen des Herrn Bundeskanzlers, des Herrn Außenministers und des Verteidigungsministers über das, was ich Ihnen vortrage, unterscheiden sich auch nicht in einer Nuance. ({20}) Es ist nicht unsere Sache, uns in den inneren Streit der Opposition über ihre künftige Sicherheitspolitik einzumischen. Aber ich muß Sie fragen, Herr Kollege Wörner - Sie sind doch immerhin der Sprecher der Opposition gewesen; ich höre, Sie tun sich schwer, hier ans Rednerpult zu gehen - ({21}) - Es ist ja üblich, daß der Sprecher der Opposition bei Haushaltsberatungen, als wenn er Minister wäre, nach dem Minister redet. ({22}) Wir können ja einmal abwarten, wie das nachher verläuft und wer dann nach Ihnen noch spricht. Ich stelle Ihnen dann eine Frage. Sie können ja darauf eingehen. Ich möchte hier sagen, Herr Kollege Wörner, ich erkenne auch bei Ihnen keine Alternativen zu dieser Politik. Das schließe ich jedenfalls aus Ihrer jüngsten Rede, die Sie in Edinburgh gehalten haben. Ich habe sie aufmerksam gelesen. Ich rate Ihnen, meine Damen und Herren: lesen Sie einmal die Rede von Ihrem Kollegen Dr. Wörner in Edinburgh und vergleichen Sie bitte diese Rede mit dem Trend dessen, was ich hier als Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Regierung dargestellt habe, und dann sagen Sie mir einmal, wo es da Unterschiede gibt, die doch hier herausgearbeitet werden müssen. ({23}) Herr Kollege Dr. Wörner, was man in Schottland sagt, dafür muß man auch in Bonn geradestehen. Man muß in Bonn für das Farbe bekennen, was man in Schottland sagt. ({24}) Und wenn es in Bonn anders ist, als man es in Schottland gesagt hat, dann hat man in Schottland etwas gegaukelt. Ich möchte gerne wissen, wo gegaukelt worden ist: in Schottland bei einem Verbündeten oder hier vor dem deutschen Parlament. ({25}) Hier ist der Platz. Sagen Sie hier bitte, was am Trend dieser Sicherheitspolitik falsch ist, wo die Bundesrepublik Deutschland nicht voll und hundertprozentig konform mit allen Bündnispartnern geht; denn es ist ja für mich als veranwortlichen Minister und für die Arbeit, die wir zu leisten haben, nicht unwichtig, ob ,der Sprecher der Opposition seine Fraktion in diesen Dingen hinter sich hat. Da sind wir im Augenblick am Schwimmen. Von Ihnen gehen ja große Irritationen aus. Ich frage die Opposition in diesem Zusammenhang weiter: Sollen die Schwächen und Mängel, die es in der Allianz gibt, dort, wo sie bestehen, behoben werden, und zwar unter Beibehaltung der gültigen Strategie, oder suchen Sie Zuflucht in der Diskussion über eine neue Strategie? Die Haltung der Opposition zu dieser Frage ist sehr widersprüchlich. Herr Wörner sagt, daß er zur Strategie der flexible response keine Alternative sieht. Das habe ich in diesem Jahr in Veranstaltungen mit ihm zusammen und anderswo mehrfach von Ihnen gehört. Da sind wir einer Meinung. Aber da müssen Sie einmal nachhören, wie es hinter Ihnen aussieht, Herr Kollege Wörner, gar nicht so weit hinter Ihnen. Der Herr Abgeordnete Dr. Dregger hat kürzlich in einem Gespräch mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" die Frage aufgeworfen, ob denn eine einseitige Konzentration finanzieller Mittel auf eine, wie er sagte, weitgehend im luftleeren Raum operierende Strategie noch im nationalen und atlantischen Interesse sein könne. ({26}) Wissen Sie, was das bedeutet, meine Damen und Herren? Das wird in Brüssel gelesen. Der Mann ist ja nicht irgendeiner, sondern der Herr Kollege Dr. Dregger ist ja ein sehr wichtiger und sehr prominenter Sprecher der CDU. Sind Sie sich eigentlich im klaren, welche Irritationen Sie mit diesem Gerede auslösen, Herr Kollege Dr. Dregger? Es wird Zeit, langsam zu erfahren, wer für die CDU in diesen Dingen spricht. Hier geht es um Existenzfragen für unser Land. ({27}) Sie sollten klarstellen, was gilt. Sie sind keine so kleine Partei, meine Damen und Herren, ({28}) als das es in der Welt nicht irritieren würde, wenn Sie solchen Unsinn in die Welt setzen, Herr Kollege Dregger. ({29}) - Das ist nicht primitiv, sondern die militärische Einschätzung dessen, was Sie hier erzählen, in Brüssel, Herr Kollege Wörner. Ich darf mich da zum Sprachrohr des Bündnisses machen. ({30}) Gefährlich ist es allerdings nicht, weil die Leute in Brüssel ja auch wissen, wer hier regiert, Sie oder wir. Aber es ist immerhin nicht unbedeutend, das zu wissen. ({31}) Für die Bundesregierung stelle ich fest, daß das Bündnis an der gültigen Strategie festhält, so wie es der Präsident der Vereinigten Staaten und der deutsche Bundeskanzler kürzlich in London ausdrücklich erklärt haben. Ich frage Sie aber auch, meine Damen und Herren, ob Sie mit uns versuchen wollen, das Anwachsen der militärischen Konfrontation in der Welt zu stoppen und Erfolge und Fortschritte für die Kontrolle und Begrenzung der Rüstungen auf der Grundlage gesicherter Verteidigungsfähigkeit zu erreichen? Da müssen Sie endlich Antwort geben und dürfen nicht nur einfach irgendwo dazu etwas sagen. Die Bundesrepublick ist für die Fortführung dieser Politik. Sie befindet sich dabei in voller Übereinstimmung mit der gesamten Allianz. Alle Bündnispartner bestehen zu Recht darauf, daß das Prinzip der Parität nicht nur bei strategischen Waffensystemen gelten kann. Auf diesem Feld gab es über eine lange Strecke ein Monopol oder eine Überlegenheit der Vereinigten Staaten und einen Rückstand der Sowjetunion. Ein Ausgleich, wie er im nuklearstrategischen Bereich vor sich gegangen ist, muß auch für den konventionellen Bereich angestrebt werden, in dem der Osten gegenwärtig zahlenmäßig erheblich überlegen ist. Ich sage hier mit aller Überlegung: Wenn der Warschauer Pakt nicht bereit wäre, längerfristig im konventionellen Bereich einzulenken, so wie der Westen im strategischen Nuklearbereich eingelenkt hat, dann würde er die westliche Allianz längerfristig vor die Wahl zwingen, entweder Unterlegenheit mit allen Folgen zu riskieren oder aber den Mut und den Willen aufzubringen, den eigenen Völkern höhere Opfer aufzuerlegen und abzuverlangen, damit man nicht in eine Unterlegenheit hineinsteuert. Wir sind nicht für eine solche Steigerung und einen solchen die Völker belastenden Rüstungswettlauf. Deshalb treten wir mit so großem Nachdruck für eine Herstellung der Parität auch im konventionellen Bereich durch Bemühungen am Verhandlungstisch ein. Wir sind für einen Erfolg bei MBFR und hoffen auf die Einsicht des Ostens. Es darf aber keine Unklarheit darüber bestehen, daß sich der Westen der Herausforderung stellen müßte, wenn das Prinzip der Parität verweigert würde, weil er nicht riskieren kann, in Unterlegenheit und Abhängigkeit zu geraten. Es wäre für den Fortgang der Dinge sehr viel wert, wenn wir zu Recht registriert hätten, daß es z. B. bei den Wiener Verhandlungen auf östlicher Seite Andeutungen für eine Einsicht gibt, die das betreffen, was wir im Westen auch im konventionellen Bereich unter Ausgewogenheit und Parität verstehen, und damit in allen drei Feldern der sogenannten Triade - im strategisch-nuklearen Feld, im taktisch-nuklearen Feld, in dem das schon praktisch vollzogen ist, und auch im konventionellen Feld - einen solchen Status erreichen würden. In diesem Zusammenhang halte ich es nicht für unwesentlich, anzufügen, daß die Bundesrepublik darüber befriedigt ist, daß uns gestern folgendes Telex zugegangen ist, das ich gerne verlesen möchte: Das Verteidigungsministerium der UdSSR überreicht der Regierung der Bundesrepublik Deutschland unter Bezugnahme auf die Schlußakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa eine Einladung, zwei Beobachter zu entsenden für eine Truppenübung des Militärbezirks Karpaten, die im Gebiet Lutsk, Lwow, Rowno durchgeführt wird. An der Übung unter der Kodebezeichnung „Karpaten" nehmen Verbände und Einheiten der Land- und Luftstreitkräfte teil. Meine Damen und Herren, ich will das, was dieses Telex ausdrückt, hier nicht kommentieren. Aber wer eine Vorstellung davon hat, wie schwer es ist, auf militärischem Gebiet nach einem schrecklichen Krieg bei zwei Bündnissystemen, die sich eingefroren gegenüberstanden, überhaupt etwas in Bewegung zu bringen, weiß, was es bedeutet, wenn die Sowjetunion jetzt den Beschlüssen von Helsinki folgt und deutsche Beobachter zum Manöver in die Sowjetunion einlädt. Ich komme zum Haushalt zurück. Die Opposition hat öffentlich für höhere Verteidigungsausgaben plädiert. Die gleiche Opposition hat es aber unterlassen, entsprechende Anträge zu stellen. Von den paar Millionen wollen wir hier nicht reden. Ich stelle dazu fest: Mit den Mitteln, die Einzelplan 14 zur Verfügung stellt, kann die Bundesrepublik Deutschland bestehen und ihre Aufgaben im Rechnungsjahr 1977 angemessen auch vor dem Bündnis erfüllen. Man darf bei einem Blick in die Allianz nicht übersehen, wo die eigentlichen Schwächen in manchen Ländern der Allianz liegen. Die Fähigkeit der Verteidigungspolitik, Mängel zu beheben, hängt weitgehend vom Erfolg der Wirtschaft- und Finanzpolitik in diesen Ländern ab, nicht von mangelnder Einsicht in die Notwendigkeit der Verteidigungspolitik. Die Fähigkeit der Verteidigungsminister, das zu tun, was eigentlich notwendig wäre, hängt vom Erfolg der Wirtschaftsminister ab. Das ist das, was das Bündnis als Faktum sieht. Sicherheit hat heute noch viel mehr als früher politische, militärische, wirtschaftliche und soziale Dimensionen. Weil das so ist, stehen wir auch in dieser Frage im Bündnis nicht hinten, sondern sehr weit vorn. Natürlich kann man auf unterschiedlichen Wegen das gleiche Ziel verfolgen. Wer aber die Kontinuität der Verteidigungspolitik insgesamt in Frage stellt, muß sich bemühen, mehr zu bieten als Kritik, Schlagworte und parteitaktische Manöver. Wer das will, muß im Detail darlegen, welche Vorstellungen und welche Alternativen er hat, und er muß klarstellen, was das kosten würde und ob er bereit und in der Lage wäre, die Gelder dafür aufzubringen. Wer das will, der muß bedenken, wo angesichts unserer Einbindung in ein Bündnis die Chancen liegen und wie die Risiken aussehen. Herr Kollege Wörner hat im Bonner „Generalanzeiger" gesagt: Unter dieser Bundesregierung sei die Entspannungspolitik zum Standbein, die Verteidigungspolitik zum Spielbein geworden. Meine Herren von der CDU, für einen solchen Spruch bekommt man möglicherweise Beifall, aber im Bündnis kein Vertrauen; da können Sie ganz sicher sein. ({32}) Sprüche sind in Fragen Sicherheit kein Ersatz für Politik und vor allen Dingen nicht Ersatz für etwas, wobei die Leute im Lande ruhig schlafen können, wenn wir sie mit Sprüchen füttern. ({33}) Der Reichtum an Gedankenarmut und der Mangel an Phantasie scheinen sich als neuerliches Gütezeichen der Opposition auf diesem Gebiet sehr bemerkbar zu machen. Herr Zimmermann hat mich vorhin kritisiert, er hat Personalentscheidungen einbezogen; jüngster Bock, den ich geschossen hätte: einen Generalmajor aus politischen Gründen entlassen. So haben Sie gesagt, nicht wahr? Ich habe Ihre Rede ja da, kenne die Äußerungen und weiß, wie Sie denken. Herr Kollege Dr. Zimmermann, am 30. September werden bei einem routinemäßigen Wechsel 23 Generale in den Ruhestand geschickt und 23 Offiziere neu in deren Positionen befördert. 13 von diesen 23 Generalen sind 59 Jahre alt. Um einen von diesen 13 Herren bemühen Sie sich mit der Behauptung, der solle aus politischen Gründen entlassen werden. Ich habe alle 13 in den Ruhestand geschickt. Ich fühle mich für alle 13 verantwortlich und sage Ihnen hier: keiner von diesen 13 wird aus politischen Gründen in den Ruhestand geschickt, sondern alle, weil sie 59 Jahre alt sind und weil das Heer von unten herauf erneuert werden muß. Wir brauchen in den nächsten Jahren 14 Generale, die Dreisternepositionen haben, und müssen erst jüngere qualifizierte Kräfte zu Zweisternegenerale machen, damit wir genügend Dreisternegenerale in zwei Jahren zur Verfügung haben. Im übrigen: das Dienstalter der Generale ist in meiner Zeit nicht herabgesetzt worden. Die Generale des Jahrgangs, der 1969/70 verabschiedet wurde, waren 57 Jahre alt. Ich habe das Alter auf 59 gebracht. Mir kann keiner vorwerfen, ich würde die Leute früher heimschicken. ({34}) Und dann kommt immer noch die Unterstellung, da werde Parteipolitik gemacht. Wissen Sie, wenn die Bundeswehr ein Spiegelbild unserer Bevölkerung draußen im Lande wäre, dann würde es da drinnen, so kann ich mir vorstellen, ein bißchen anders aussehen. Ich will das jetzt hier nicht näher beleuchten. Sie sollten da etwas zurückhaltender sein. Wir sehen doch, was Sie da betrieben haben. Herr Kohl hat mir in seiner so schönen und anmutigen Art auf einer Wehrkundetagung der CDU in Koblenz auch einmal gesagt, ich würde nur Sozis befördern. Meine Damen und Herren, da müssen Sie sich doch mal die deutsche Generalität angucken. Das sind großartige Männer; aber so ist das nicht, daß das so schillernd ist. Der von mir sehr verehrte erste Vorsitzende der CDU hat einmal gesagt: Wissen Sie, meine Damen und Herren, es kann einer 'ne Farbe haben, was er will, Hauptsache ist, daß er schwarz ist. ({35}) Das sehe ich da ein bißchen wieder. Ich habe dem Herrn Kohl, als er mir öffentlich einen solchen Vorwurf gemacht hat, gesagt, ich biete ihm etwas an. Ich wiederhole das hier. Er ist leider nicht hier. Er wird aber irgendwo in seinem Zimmer sitzen, nehme ich an, wird etwas arbeiten. ({36}) - Es wäre ja nicht schlecht, wenn er hier wäre und wüßte, was er nachher ablehnt. Er will ja die Politik ablehnen. Ich bin gerade dabei, sie darzustellen. ({37}) Sehen Sie, Herr Kohl ist in Amerika gewesen, und der Verteidigungsminister hat mir nachher erzählt, er habe sich alle Mühe gegeben, ihm das zu erklären, was man an neuen Dingen vorhabe, und da hat Herr Kohl dagesessen und hat gesagt: Das brauchen Sie mir nicht zu erzählen, Herr Minister, das weiß ich alles von den amerikanischen Generalen; mit denen habe ich ein gutes Verhältnis. Mir hat er aber gesagt: Das wissen aber die amerikanischen Generale noch gar nicht, was ich ihm erzählen wollte. Sehen Sie, so wird da oben drüber Politik gemacht. Und dieser Herr Kohl hat in Koblenz mal gesagt, auf der Hardthöhe sehe es sehr parteipolitisch, einseitig aus. Da habe ich ihm ein Angebot gemacht; das wiederhole ich: Ich bin bereit, dem Herrn Kohl alle mir bekannten CDU-Mitglieder auf der Hardthöhe zu nennen, wenn er mir dafür die in der Landesregierung von Rheinland-Pfalz anwesenden Sozialdemokraten im Datenaustausch zur Verfügung stellt. ({38}) Dann können wir mal darüber reden. Das ist doch auch eine Regierung. Das muß man doch sehen, meine Damen und Herren. Dabei rede ich nicht von Soldaten, sondern nur von der Ministerialverwaltung. Da muß jeder ein bißchen an seine eigene Brust klopfen. So zahlreich sind die Sozialdemokraten, die sich in den letzten 25 Jahren mit Verteidigungspolitik befaßt haben, gar nicht, daß das da oben von ihnen wimmeln könnte. ({39}) Und jetzt kommen ein paar, die gehen dorthin; da fangen Sie schon an, die Welt zusammenzuschreien: Die Armee darf keine CDU-Armee werden, meine Damen und Herren, damit Sie das wissen. Auch das ist eine Sorge, die ich habe. Das müssen auch Sie wissen, Herr von Weizsäcker. ({40}) Sie haben die Themen hier angeschnitten. Sie sind nicht so hoffähig - ich weiß das -, aber scheinbar baden Sie sich ja gern in solchen personalpolitischen Fragen, Herr Dr. Zimmermann. ({41}) Lassen Sie mich zum Schluß noch einige Bemerkungen zu einem Thema machen, auf Grund dessen Sie ebenfalls den Verteidigungshaushalt ablehnen wollen, nämlich zum Thema der Neufassung der Wehrdienstnovelle, die soviel Staub aufgewirbelt hat und wohl noch Staub aufwirbeln wird. Ich möchte zunächst feststellen: Ich hatte dabei keine Vorlage der Bundesregierung zu vertreten und auch keine des Bundesministers der Verteidigung. Beides gibt es nicht. ({42}) - Sie bekommen das schon erklärt. Ich will Ihnen das ganz korrekt erklären, damit Sie wissen, was Sie treiben. Ich habe mir eine Meinung zu zwei aus dem Parlament kommenden, voneinander abweichenden Vorstellungen, wie man dieses Problem lösen könnte, zu bilden gehabt. Ich bilde mir meine Meinung in vollem Bewußtsein der mir von Amts wegen als Verteidigungsminister um den Bestand der Streitkräfte aufgegebenen Pflichten. Ich will mich dabei auf die Kernfragen beschränken, auf die es ankommt. Nach dem von der Regierungskoalition vorgelegten Gesetz kann der Wehrpflichtige unter Berufung auf Art. 4 unseres Grundgesetzes erklären, daß er aus Gewissensgründen keinen Wehrdienst leisten kann. Wenn er diese Erklärung abgibt, wird er nicht zum 15monatigen Wehrdienst herangezogen, sondern er wird zum gleichen Zeitpunkt - achten Sie bitte darauf - zu einem 18 Monate dauernden Zivildienst in eben dem Maße und zu eben dem gleichen Zeitpunkt herangezogen, in dem der wehrbereite junge Bürger als Soldat 15 Monate zur Bundeswehr herangezogen wird. Das steht in dem Gesetz; so werden wir das praktizieren. Das erkläre ich mit Überlegung vor dem Deutschen Bundestag. Das ist der Wille der beiden Koalitionsfraktionen. Ich gehe dabei davon aus, daß genügend Zivildienstplätze bereitgestellt werden - das ist eine Frage Ihrer Mittelbewilligung -, und daß der Zivildienst in bezug auf heimatnahe und heimatferne Verwendung dem Wehrdienst ähnliche Bedingungen enthält. Wenn sich in der Praxis bei diesem Verfahren herausstellen sollte, daß der Strom in den Zivildienst größer wäre als der Bedarf der Bundeswehr an Soldaten es zuließe, dann hätte die Bundesregierung nach dem Wortlaut des Gesetzes die Pflicht, durch eine einfache Verordnung die Prüfung durch einen Prüfungsausschuß wiedereinzuführen. So steht es im Gesetz. Die Bundesregierung müßte die Verordnung erlassen, wenn sie nicht einen Verstoß gegen das erlassene Gesetz oder einen schweren Konflikt mit der Verfassung riskieren wollte. Die jungen Männer, die dann, nachdem die Verordnung in Kraft getreten wäre, wieder vor den Prüfungsausschüssen erscheinen müßten, könnten sich nicht beklagen, daß sie wieder geprüft würden, denn sie hätten ja wohl selbst in der Praxis bewiesen, daß soviel Vertrauen nicht auf sie gesetzt werden könnte. Sie würden wieder geprüft und müßten dann auch bei bestandener Prüfung als Kriegsdienstverweigerer 18 Monate Zivildienst leisten. So steht das im Gesetz. Ich habe aber Anhaltspunkte dafür, meine Damen und Herren, daß die Einstellung der jungen Generation in einem positiven Wandel begriffen ist. Ich bin für eine Offerte des Staates an die Jugend - mit angemessenen Sicherungen. Wenn wir dieser Jugend nicht den Inhalt eines Gesetzes, das es nicht gibt, suggerieren - wie es die Opposition durch die Interpretation des Gesetzes, das hier beschlossen worden ist, leider mehrfach getan hat - und ihr nicht einreden, sie brauche jetzt nicht mehr zu dienen, die Wehrpflicht werde abgeschafft, sondern ihr offen klarmachen - ich sage das mit ganzem Ernst -, daß nach dem neuen Gesetz insgesamt ganz bestimmt mehr Dienst, nämlich mehr Wehrdienst und Zivildienst zusammengenommen, von unserer Jugend verlangt, gefordert und geleistet werden wird, und zwar ganz einfach deswegen, weil Freiheit eben nicht nur frei sein v o n etwas, sondern auch Pflicht und Verantwortung f ü r etwas ist, dann gehen wir keinen schlechten Weg. ({43}) Dieser Weg mag unbequemer sein für jemand, der es vorzieht, den Knüppel der staatlichen Order rasch bei der Hand zu haben. Ich bin der Auffassung, daß ein Staat, der den Bürger für mündig erklärt und dem freie Bürger auch mit Verantwortung von innen aus begegnen, fester, fundierter ist als der, der sich nur auf die Order und den Zwang erlassener Gesetze gründet. ({44}) Wir bauen mit auf Freiheit, Verantwortung, Pflichtbewußtsein. Diese Vorlage ist liberaler und sozialer. Wenn die Sicherungen nicht benutzt werden müssen, was ich hoffe, dann ist es ein Gesetz, das für die Entwicklung unseres Staatswesens von hohem Wert ist. ({45}) Dieser Weg - das gebe ich zu - führt über eine unbequeme Schwelle, aber in einem gesünderen und gefestigteren Staat als in einem Staat, in dem der Bürger durch das Gesetz gezwungen wird zu geben, was der Staat braucht. ({46}) Es ist ein echtes Gesetz der sozialiberalen Koalition; es ist sozialer und liberaler. Deshalb bin ich für diesen Versuch mit diesen Sicherungen. Es wäre viel für den Staat gewonnen, wenn wir uns mit unseren Annahmen nicht irren würden. Die Opposition hat eine andere Idee. Mit ihr habe ich mich auch befaßt, sehr ernst, meine Damen und Herren! Die muß Ihnen auch einmal vorgestellt werden. Das will ich jetzt tun. Die Opposition will den Prüfungsausschuß abschaffen. Sie will seine Rolle durch einen Beamten, der entscheiden soll, ersetzen. ({47}) Als Berufungsinstanz will die Opposition wie die Regierungskoalition als zweite Instanz eine Prü2838 fungskammer ensetzen. Nun, meine Damen und Herren, ich frage Sie allen Ernstes - wir sind doch erwachsene Menschen -: Ist denn wirklich jemand hier in diesem Saal der Meinung, daß es einem Beamten möglich sein sollte, als einzelner Mensch etwas zu entscheiden, was das Gewissen eines anderen angeht, ({48}) was ein geschriebenes Grundrecht unserer Verfassung betrifft? Soll das einem Menschen eher möglich sein als einem Ausschuß, der es bis jetzt nicht fertiggebracht hat? ({49}) Glauben Sie das allen Ernstes? Das steht in Ihrer Vorlage! Ich habe Vertrauen in die Redlichkeit unserer Beamten, aber ich würde selber ein solcher Beamter nicht sein wollen. ({50}) Ich würde nicht ein Beamter sein wollen, der vor eine solche Aufgabe gestellt würde, weil ich mich überfordert fühlen würde, als Person zu entscheiden, wie es um das Gewissen eines anderen Bürgers, um die Gewissensentscheidung, die ein Grundrecht ist, bestellt ist. ({51}) Das wollen Sie in ein Gesetz schreiben! Ich wollte nicht Minister sein - das sage ich Ihnen auch -, der Beamte beauftragen müßte, eine solche Bürde zu tragen und solche Entscheidungen zu treffen, die sie eigentlich mit ihrem Gewissen - Beamte haben doch auch ein Gewissen - gar nicht tragen und entscheiden könnten. ({52}) Wenn der Beamte, wie Sie wollen, nach seinem Gewissen zu entscheiden hätte, müßte er, weil es um das Gewissen anderer geht, redlicherweise wohl in der Regel - weil „im Zweifelsfall" - zugunsten des Antragstellers entscheiden. Das ist doch so. Ich kann doch nicht als einzelner beweisen, was da ist. Ich möchte nicht erleben, wie viele Fälle von anerkannten Kriegsdienstverweigerern es gäbe, wenn Sie mit Ihren Ideen zum Zuge gekommen wären, wie viele Anerkennungen es gäbe, wenn praktiziert würde, was die Opposition vorhatte. Daß dahinter oder darüber eine Prüfungskammer steht, ist kein Argument; das kaufe ich Ihnen nicht ab. Erstens sieht auch das andere Gesetz die Prüfungskammer vor. Es gibt ja bei diesem Verfahren keinen Staatsanwalt, der auftritt für den Fall, daß der Beamte die Leute alle zu Kriegsdienstverweigerern erklärt, weil er nicht hinter die Kulissen gucken kann. Ich nehme an, die Opposition - Sie sind ja klug! - wird das alles wohl bedacht haben und das wohl auch alles in Karlsruhe sich fragen lassen, wenn sie dahin geht. Sie wird das alles bedacht haben, als sie vor zwei Wochen ihr Nein in einer Abstimmung im Bundestag zum Ausdruck gebracht hat und nun dem Verfassungsgericht zustrebt. Ich halte das, meine Damen und Herren, was Sie machen, für schlecht, selbst als Parlamentarier. Hier ist eine Abstimmung gewesen. Ich war war an diesem Tage nicht sicher, ob es der Regierungskoalition gelingen würde, alle ihre Mitglieder hierher zu bringen. Es haben einige gefehlt. Ich bin persönlich der Auffassung: Wenn die Opposition an diesem Tag auf der Bühne gestanden hätte, so hätte sie eine Chance gehabt, zu zeigen, wie stark sie ist. Das habe ich Herrn Kohl gesagt. Wissen Sie, was er mir entgegnet hat? - Er sagte: „Das interessiert mich nicht; wir gehen nach Karlsruhe." Wenn es einmal soweit kommen sollte, daß politische Entscheidungen aus dem Deutschen Bundestag hier nicht angestrebt werden und man geht nach Karlsruhe, so halte ich das für einen Verfall der parlamentarischen Sitten. Hier wird regiert, nicht in Karlsruhe! ({53}) - Das gefällt Ihnen nicht; das kann ich mir denken.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage? ({0})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001025, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, Sie haben soeben die Unwahrheit gesagt! Beweisen Sie, was Sie gesagt haben! Ich habe dabeigesessen. Sie sagen die Unwahrheit! ({0})

Georg Leber (Minister:in)

Politiker ID: 11001299

Ich habe doch nicht mit Ihnen gesprochen, sondern mit Herrn Kohl. Was ich hier gesagt habe, habe ich von Herrn Kohl gehört. Sie heißen doch nicht Kohl! ({0}) Meine Damen und Herren, ich weiß, daß das wehtut. Aber deswegen habe ich es gesagt. Die Wahrheit ({1}) muß doch gesagt werden. ({2}) Die Wahrheit an sich tut nicht weh, sondern nur deswegen, weil sie die eigene Position so stört. Meine Damen und Herren, ich nehme an, daß Sie das alles bedacht haben. ({3}) Wir werden auch künftig unsere Pflicht tun, wir werden unseren Beitrag leisten, wir werden alles tun, was in unseren Kräften steht, um die Sicherheit unseres Landes vor äußeren Gefahren zu gewährleisten. Wir werden auch künftig die Fragen der Landesverteidigung und unsere Sicherheitspolitik an folgenden Grundsätzen orientieren: Unser militärischer Beitrag zum Bündnis muß ausreichend bleiben und seine integrierende Wirkung behalten. Unsere Verteidigungsleistungen müssen unserer Bevölkerung weiterhin das begründete Gefühl geben, daß sie in Sicherheit lebt. Wenn wir das tun, besitzen wir auch angesichts aller Vorgänge in der Welt eine gute Grundlage, um uns weiterhin um Entspannung und den Abbau der Rüstungen in der Welt in ausgewogenem Maße zu bemühen. Deshalb ist dieser Haushalt eine gute Grundlage auch für die Politik im Jahre 1977. Ich bitte das Hohe Haus um seine Zustimmung. ({4})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Meine Damen und Herren, das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wörner. ({0})

Dr. Manfred Wörner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002547, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Der Herr Bundesminister der Verteidigung hat beanstandet, daß ich mich nicht vor ihm an das Pult begeben habe. Noch gibt es kein parlamentarisches Grundgesetz, wonach der Minister im Bundestag unbedingt das letzte Wort haben muß. ({0}) Eine zweite Bemerkung. Nach der ersten Viertelstunde hatte ich den Eindruck, daß Sie eine Rede zur Sache und mit Niveau halten wollten. Aber nach dem, was Sie uns jetzt geboten haben, sage ich nur: Wenn es irgendeine Rechtfertigung für unser Nein zu Ihrer Politik und Ihrer Person gibt, dann haben Sie sie in diesen Minuten selbst geliefert. ({1}) Herr Leber, daß Sie sich nicht schämen: ({2}) Über ein Gespräch mit dem Oppositionsführer Kohl die Unwahrheit zu sagen, disqualifiziert Sie als Bundesminister der Verteidigung und als Mitglied dieses Hauses! ({3}) Es ist sonst nicht mein Stil, aus persönlichen Unterredungen Einzelheiten mitzuteilen. Aber nachdem Sie das angesprochen haben, werden Sie Verständnis dafür haben, daß ich mich jetzt auch nicht mehr daran gebunden fühle. Ich erinnere Sie an das Gespräch, das im Anschluß an eine Diskussion über das Paket „Verfügungsbereitschaft" zwischen Ihnen, Herrn Kohl, Herrn Goppel und mir stattfand. In dieser Unterredung haben wir uns lang und breit darüber unterhalten, was wir tun könnten und was Sie tun müßten, um die Zustimmung der Opposition zu dieser KDV-Regelung zu erhalten, die wir aus grundsätzlichen Bedenken ablehnen. Herr Kohl hat dabei wieder und wieder gesagt: Sie können das weder mit mir noch mit den von der CDU/CSU regierten Bundesländern machen. Das ist die Wahrheit. Das wissen Sie. Schämen Sie sich, wenn Sie dazu nicht stehen, Herr Leber! ({4}) - Sie waren ja nicht dabei. Aber Sie wissen es wahrscheinlich besser - wie alles. ({5}) Die CDU/CSU hat als Opposition unabhängig von allen Meinungsverschiedenheiten mit der Regierung seit sieben Jahren dem Einzelplan 14 zugestimmt. Sie wollte damit deutlich machen, daß die Verteidigung unserer Freiheit Auftrag und Anliegen aller demokratischen Parteien sein muß, daß es bei noch so vielen Kontroversen in Einzelfragen im Bereich der Verteidigungspolitik einen Grundkonsens zwischen Regierung und Opposition gibt und daß die Verteidigungspolitik und damit die Bundeswehr so lange und soweit wie irgend möglich aus dem Parteienstreit herausgehalten werden sollten. Daß die CDU/CSU-Fraktion nun zum erstenmal in ihrer Geschichte den Verteidigungsetat ablehnt, haben sich die Regierung, der Bundesverteidigungsminister und die Koalition ausschließlich selber zuzuschreiben. Sie und die Politik, die Sie in den letzten eineinhalb Jahren getrieben haben, haben uns zu diesem Schritt geführt, Herr Leber. ({6}) Da Sie auf die klare Erklärung meines Kollegen Zimmermann bewußt nicht eingegangen sind, sondern immer nur Dinge erzählt haben, über die, wie Sie genau wissen, auch heute noch Konsens besteht, möchte ich noch einmal in Erinnerung rufen, worauf sich unsere Kritik bezieht. ({7}) Erstens. Sie beschwichtigen heute, wo Sie früher gewarnt haben. Ich werde Ihnen anschließend Beispiele dafür liefern. Zweitens. Sie geben fortlaufend weniger für Verteidigung aus, nicht nur weniger, als wir es sagen und das Bündnis es sagt - auch das weise ich Ihnen nach -, sondern auch weniger, als Sie selber es wieder und wieder fordern. ({8}) Drittens. Sie haben unter dem Druck Ihrer Linken zwei Generale gefeuert, um Ihren Kopf zu retten; denn sonst wären Sie nicht Verteidigungsminister in dieser Koalition geblieben. ({9}) Und jetzt schicken Sie - wieder unter dem Druck von Kreisen Ihrer Partei - einen mißliebigen General in den vorzeitigen Ruhestand.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Manfred Wörner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002547, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich bin in Zeitdruck. Ich gestatte sie nur, Frau Präsidentin, wenn Sie sie auf meine Redezeit nicht anrechnen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das können wir in Anbetracht der Geschäftslage nicht machen.

Dr. Manfred Wörner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002547, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Dann muß ich es ablehnen. Sonst hätte ich es gern gemacht. ({0}) Herr Bundesminister Leber, ich kann Ihnen nur sagen: Was Sie zum Fall Wagemann erklärt haben, widerspricht Ihrer eigenen Erklärung. Ich möchte Ihnen vorlesen, was Sie gesagt haben. Noch am 17. Januar 1977 erklärten Sie in der Bild-Zeitung auf die Frage: „Sie haben also noch Vertrauen zu Wagemann?" : Wenn ich zu ihm kein Vertrauen hätte, würde er nicht Chef der Führungsakademie bis zum 30. September bleiben, und ich hätte ihn gar nicht in eine so hohe Stellung berufen. In der Sitzung des Verteidigungsausschusses dagegen haben Sie diesen Mann in übelster, ehrverletzender Weise herabgesetzt und deutlich zum Ausdruck gebracht, daß Sie keinerlei Vertrauen zu ihm hätten. Jetzt stellen Sie sich auf diese Tribüne und sagen, das sei keine Entlassung aus politischen Gründen. Was gilt eigentlich, Herr Leber? Warum verweigern Sie diesem Mann das Disziplinarverfahren, das er gegen sich selbst beantragt hat, damit er sich rechtfertigen kann? Warum tun Sie das denn, wenn Sie kein schlechtes Gewissen haben? ({1}) Herr Leber, das ist Ihr Stil geworden: erst beschimpfen, dann keine Ehrenerklärung abgeben, dann die Sache aus der Welt wischen wollen und dem Betroffenen keinerlei Chance geben, sich zu rechtfertigen. Das machen wir nicht mit. Dafür gibt es unsere Stimme nicht. ({2}) Schließlich - das ist der Kernpunkt; auf ihn komme ich auch noch zu sprechen ({3}) - verabschieden Sie als Koalition - mit Ihrer Zustimmung, Herr Minister - eine Gesetzesvorlage, die die Verteidigungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland langfristig auf das schwerste gefährden muß. Weil Sie hier den Versuch machen, die Dinge zu verzerren, sage ich: Sie werden uns nicht dazu bringen - mich schon gar nicht -, daß wir schwarzweiß argumentieren. Sie werden die CDU/CSU nicht dazu bringen, zu allem, was Sie getan haben, und zu allem, was Sie in der Zukunft tun werden, grundsätzlich nein zu sagen. Sie wissen sehr genau - und das hätten Sie anständigerweise hier sagen müssen -, daß manche Ihrer schwierigsten Vorlagen ohne unsere Unterstützung nicht durch die Ausschüsse gegangen wären und daß Sie als Verteidigungsminister gescheitert wären, wenn Sie sich auf deren Unterstützung hätten verlassen müssen. ({4}) Herr Leber, wir haben das, so sympathisch Sie uns zu Beginn waren - das ist kein Geheimnis -, nicht Ihnen zuliebe und auch nicht Ihnen zuleide getan, sondern wir haben dafür einen festen Maßstab. Er bestimmt unsere Entscheidung heute. Dieser Maßstab ist die Verteidigungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland. Die CDU/CSU hat in ihrer Vergangenheit - und das wird sie auch in der Zukunft tun - allem zugestimmt, was die Verteidigungsfähigkeit steigert, und alles abgelehnt, was die Verteidigungsbereitschaft untergräbt. ({5}) - Herr Möllemann, ich hatte ursprünglich nicht die Absicht, mich mit Ihnen auseinanderzusetzen. Aber wenn Sie dieses Thema jetzt schon ansprechen - ich wäre ohnehin darauf gekommen -: ({6}) Es ist richtig und es ist auch kein Geheimnis, daß ich bei der Meinungsbildung in meiner Fraktion trotz schwerster Bedenken noch einmal für ein Ja plädiert habe ({7}) und daß die überwältigende Mehrheit anders entschieden hat. Ich habe so plädiert. Ich weiß nicht, ob das bei Ihnen auch einmal üblich ist, daß einer in der Fraktionssitzung noch seine Meinung sagen kann. Bei uns ist das so. ({8}) Ich habe nicht etwa für das Ja plädiert, weil ich die Kritik an Ihrer Politik nicht teile. Ich teile sie. Der Kollege Kraske hat für die CDU/CSU-Fraktion im Ausschuß diese Kritik sehr deutlich wiederholt und klargemacht. Eines wird Herr Leber - so sehr er es auch bedauern mag - nicht aus der Welt bringen, nämlich daß im Unterschied zu Ihrer Partei und auch im Unterschied zur FDP in der CDU/CSU in Sachen Verteidigung bis zum heutigen Tage volle Geschlossenheit besteht. Wir sind die einzige Partei in der Bundesrepublik Deutschland, für die dies gilt. ({9}) Ich mache gar keinen Hehl daraus, daß ich so plädiert habe, weil ich mich in der Güterabwägung zwischen einerseits der berechtigten Kritik an Ihnen und Ihrer Politik und andererseits des hohen Wertes der Gemeinsamkeit zunächst für das letztere entschieden hatte. Daß diese Gemeinsamkeit einen hohen Wert hat, brauchen Sie uns nicht zu erzählen. Ich hätte mir einmal gewünscht, die Verteidigungsminister der CDU/CSU, die Herren Blank, Strauß, von Hassel und Schröder hätten so viel Unterstützung von Ihrer Seite gehabt, wie Sie von unserer Seite gehabt haben. ({10}) Sie brauchen uns nichts zu sagen. Auch ich persönlich habe jahrelang persönliche Interessen zurückgestellt. Auch meine Fraktion hat sie um dieser Gemeinsamkeit willen zurückgestellt. Aber es gibt den Punkt, an dem das zu Ende ist. ({11}) Das ist der Grund, aus dem ich mich der Einsicht meiner Fraktions- und Parteifreunde nicht verschlossen habe, daß es die Glaubwürdigkeit unserer Opposition gegen dieses verhängnisvolle Gesetz zur Änderung der Wehrpflicht mindern müßte, ({12}) wenn man uns entgegenhalten könnte, wir hätten dem Verteidigungsetat und damit der Politik des Ministers die Zustimmung gegeben. Nun ist es leider oder Gott sei Dank so, daß in der parlamentarischen Praxis die Zustimmung zu einem Etat gleichzeitig unvermeidlich die Zustimmung zur Politik des Ministers bedeutet. Darum habe ich mich für meine Freunde jetzt auch bereit erklärt, hier entsprechend zu votieren. Ich werde bei diesem Verteidigungsetat aus Überzeugung und den dargelegten Gründen mit Nein stimmen, um damit deutlich zu machen, daß ich diese Kritik billige. ({13}) Sie sollten jetzt nicht so tun, Herr Leber, als empfänden Sie das als bedenklich. Ich war Gott sei Dank nicht der einzige, der im Ausschuß gesessen hat, als die Generalaussprache über den Verteidigungsetat stattfand. Ich will es Ihnen ersparen, das Protokoll vorzulesen; ich habe es hier. Im Unterschied zu Herrn Möllemann möchte ich nicht aus Protokollen zitieren, die VS-Charakter haben. ({14}) Ich kann nur sagen: Wenn Sie dieses Protokoll noch einmal nachlesen, können Sie sehr leicht feststellen, daß Sie, Herr Minister Leber, nach den Ausführungen meines Kollegen Kraske, der unsere Kritik an Ihnen sehr deutlich vorgetragen hat, ganz höhnisch gefragt haben, warum wir eigentlich bei einer solchen Kritik dem Verteidigungsetat noch zustimmten. ({15}) Jener Herr Möllemann, der hier Tränen der Rührung vergießt und sagt, dies sei unlogisch und unredlich, war es, der uns gesagt hat, mit dieser Begründung müßten wir den Etat eigentlich ablehnen. Was meinen Sie eigentlich, Herr Möllemann, das eine oder das andere? ({16}) - Herr Möllemann, ich habe mich inzwischen daran gewöhnt, daß Sie sich hier als eine Art Scharfmacher vom Dienst profilieren; Sie haben mich nur in einem Punkt gereizt. Sie haben hier dargestellt, wie geschlossen die FDP in Sachen Verteidigung wäre. Ich habe vor mir ein Flugblatt liegen, das noch keine drei Jahre alt ist. Die Überschrift lautet: „25 Jahre NATO sind genug". In diesem Flugblatt, auf dem ein riesiger Panzer abgebildet ist, stehen die Worte: „Frieden durch Abrüstung und nicht durch Aufrüstung und Unterdrückung". Das Ganze stammt vom Landesverband der Jungdemokraten BadenWürttemberg. ({17}) - Ja, Herr Gallus, das dürfen Sie lesen. Es kommt noch schlimmer: Der stellvertretende Landesvorsitzende der FDP in Baden-Württemberg, Herr Roesch, stellte damals auf einem antimilitaristischen Kongreß der Jungdemokraten die antimilitärische Perspektive der Jungdemokraten heraus und sagte: Wir stehen den Wehrdienstverweigerern näher als den Generälen in Bonn und denen, die die Bundeswehr zum Profit mißbrauchen. So sieht es mit der Geschlossenheit aus, lieber Herr Möllemann.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Gallus?

Dr. Manfred Wörner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002547, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Unter der Voraussetzung, die ich Ihnen vorher genannt hatte, Frau Präsidentin.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

In diesem Falle wollen wir so verfahren, weil Sie ihn direkt angesprochen haben.

Dr. Manfred Wörner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002547, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte schön, Herr Gallus ist ja mein Rivale aus dem Wahlkreis. Ich tue nichts lieber, als mich auch hier noch mit ihm auseinanderzusetzen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Bitte schön, Herr Gallus, Sie haben das Wort zu einer Zwischenfrage.

Georg Gallus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000628, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Dr. Wörner, können Sie sich vorstellen, daß die Meinung der Jungdemokraten und insbesondere des Herrn Roesch sich innerhalb von drei Jahren ändern kann, ({0}) nachdem Sie Ihre Meinung zu diesem Etat innerhalb weniger Wochen geändert haben? ({1})

Dr. Manfred Wörner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002547, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie hätten ein Recht zu dieser Feststellung, lieber Herr Gallus, wenn ich mich von einem Anhänger der Verteidigung zu einem Gegner der Verteidigung gewandelt hätte. Aber soweit, mir dies zu unterstellen, werden selbst Sie nicht gehen können, Herr Gallus, jedenfalls nicht mit Anspruch auf Glaubwürdigkeit. Im übrigen sage ich, da wir aus dem gleichen Wahlkreis sind und vielleicht sogar beim nächsten Mal wieder gegeneinander zu kandidieren haben werden, wenn meine Parteifreunde mir den Gefallen tun, mich noch einmal aufzustellen: Lieber Herr Gallus, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie dafür sorgen könnten, daß wenigstens die Jungdemokraten in meinem Wahlkreis nicht mehr gegen, sondern für die Bundeswehr und eine wehrhafte Verteidigung eintreten. ({0}) - Sie waren eben Zeugen der überragenden Stimmkraft meines Kollegen, die mir nicht unbekannt ist. ({1})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Können wir in der Rede fortfahren? Ist das möglich? ({0})

Dr. Manfred Wörner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002547, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe Zeit, und die Frau Präsidentin wird mir sicher konzedieren, daß die Zeit, die mir verlorengeht, weil Sie nicht bereit sind, zuzuhören, nicht angerechnet wird. ({0}) - Auch wenn Ihnen das nicht gefällt, was ich Ihnen zu sagen habe, was ich mir übrigens vorstellen kann, Sie werden es sich bis zum Schluß anhören müssen, meine verehrten Kollegen von der SPD. ({1}) Eines möchte ich Ihnen hier auch noch einmal sagen: ({2}) Wenn hier der Reihe nach Kollegen mit flammenden Bekenntnissen zu diesem Verteidigungsminister auftauchen, ({3}) mit flammenden Solidaritätsadressen an diesen Verteidigungsminister, darunter der Kollege Horn, so kann ich nur sagen: Der Minister hätte Ihre Solidarität gebraucht, als man ihm seinen Wahlkreis weggenommen und einem Jungsozialisten gegeben hat. ({4}) Er hätte Ihre Solidarität gebraucht, als ihn der Wehner hier im Plenum unter Zitierung seiner Äußerungen in der Fraktion noch einmal zurechtgebogen hat. ({5}) Da haben wir auf Beweise Ihrer Solidarität mit diesem Verteidigungsminister gewartet. Wo waren Sie da? Nun kommt der Herr Kollege Horn, ({6}) ausgerechnet der Kollege Horn, und hält hier Reden über die Bundeswehr. Das ist derjenige, der geargwöhnt hat, in der Bundeswehr werde ein neues Chile vorbereitet, der an der Verfassungstreue der Soldaten gezweifelt hat. ({7}) Herr Horn, es wäre besser gewesen, Sie wären nicht aufgetreten. ({8}) Herr Minister Leber, ich kann und will die Debatte über das Gesetz zur Wehrdienstverweigerung nicht wiederholen, auch wenn Sie hier längere Ausführungen gemacht haben, die Sie besser in der Debatte gemacht hätten. Wir werden ja noch Gelegenheit haben, unsere Meinungen auszutauschen. Gestatten Sie mir aber einige wenige Bemerkungen dazu. Wir halten daran fest: Nicht im nächsten Jahr, aber langfristig wird sich dieses Gesetz als der verhängnisvollste Einbruch in die Wehrstruktur der Bundesrepublik Deutschland in der Nachkriegszeit herausstellen. Ich wiederhole: Wenn Sie es den jungen Wehrpflichtigen freistellen, für was sie sich entscheiden, ob für die Bundeswehr oder gegen die Bundeswehr, dann können Sie nicht verhindern, daß das Bewußtsein sich verliert, daß diese Demokratie davon lebt, daß alle jungen Staatsbürger, die dazu tauglich sind, auch zur Verteidigung dieser Demokratie bereit sind. Das ist der entscheidende Punkt. ({9}) Hierzu möchte ich noch folgendes sagen, und zwar auch im Blick auf den Herrn Bundeskanzler, weil er in der Aussprache auch die Frage des Vertrauens wieder in den Vordergrund gespielt hat. Wenn es wirklich eine Frage des Vertrauens für Sie gewesen wäre, Herr Leber, warum berühmen Sie sich dann, daß diese Vorlage ja nicht von Ihnen komme, sondern von dem Koalitionspartner? Dann wäre es doch gut gewesen, Sie hätten sie ausgearbeitet. Das zeigt doch, daß das mit Vertrauen überhaupt nichts zu tun hat. Zweitens. Sie haben noch vor zwei Jahren in einem Gespräch mit dem „Spiegel" auf eine entsprechende Frage ausdrücklich erklärt, Sie sähen überhaupt keine Veranlassung und hätten auch gar kein Recht, die Prüfung für Wehrdienstverweigerer abzuschaffen. Dann kommen charakteristischerweise zwei Worte: „Im Gegenteil". Deswegen wehren wir in der CDU/CSU uns gegen den Versuch, das, was eine Kapitulation vor Ihnen Linken war, als eine Frage des Vertrauens in die junge Generation hochzustilisieren und umzufunktionieren. ({10}) Jetzt komme ich zu den Fragen, die Sie an uns gerichtet haben. Sie haben wieder einmal gesagt - und das meinen wir, wenn wir von Beschwichtigen sprechen -, man brauche gar nicht besorgt zu sein, die Lage sei ja in Ordnung. Ich kann Ihnen leider nicht all die Zitate von zwei Jahren vorher vorlesen, als Sie genau das Gegenteil gesagt haben. Aber einige Zitate von Leuten, die Sie ebenfalls zitiert haben, kann ich Ihnen nicht ersparen, um Ihnen deutlich zu machen, warum wir sagen, daß Anlaß zur Sorge besteht. Warum steht denn im Kommuniqué einer Tagung, an der zwar nicht Sie persönlich, aber Ihr Staatssekretär teilgenommen haben, daß die anwesenden Mitglieder über die Berichte über den Aufbau der Militärmacht im Warschauer Pakt schockiert gewesen seien? Warum wird in dem offiziellen und auch veröffentlichten Dokument von dem damaligen Chefberater der NATO, Norton Hill, folgendes gesagt: „Klar erkennbare, ungehemmte und bedenkenlose Entschlossenheit der sowjetischen Führung, die militärische Überlegenheit zu erringen, die Angriffskraft ihrer Armeen in Mitteleuropa auszubauen" ? „Die Befehlshaber in Europa" - ich zitiere nur - „haben schon heute nicht mehr die Mittel, ihren Auftrag sicher und wirksam zu erfüllen. Ohne zusätzliche Kräfte und Rüstungsmittel können die alliierten Streitkräfte einem mit Wucht und Überraschung vorgetragenen Angriff wohl kaum standhalten." ({11}) Sie sagen hier: Sie brauchen nicht besorgt zu sein. Ihr jetziger Staatssekretär Herr Schnell sagte, als er noch Oberbefehlshaber Europa-Mitte war: „Die Streitkräfte des Warschauer Pakts haben ihre offensiven Heeresverbände und Luftwaffen derart verstärkt, daß sie in der Lage sind, mit oder ohne atomare Unterstützung bei schwindender Vorwarnzeit für die NATO Mitteleuropa anzugreifen." ({12}) - Lieber Herr Gallus, Lautstärke ersetzt nicht unbedingt vernünftige Argumente. ({13}) Der amerikanische NATO-Botschafter Strauß-Hupe erklärt vor Journalisten in Brüssel, die Sowjetunion sei in der Lage, innerhalb von fünf Jahren das militärische Gleichgewicht zwischen West und Ost zusammenbrechen zu lassen, wenn sie weiterhin - wie bisher - die Verstärkung ihrer Streitkräfte betreibe. Innerhalb der letzten 20 Jahre habe sich die Sowjetunion von einer regionalen zu einer Weltmacht entwickelt. Dies zitiere ich übrigens aus einem Bulletin der Bundesregierung. Jetzt komme ich zu Alexander Haig, dem gegenwärtigen Oberbefehlshaber, der auf die Frage des Korrespondenten Lothar Rühl: „Wie würden Sie den militärischen Zustand der Allianz angesichts des massiven Kräfteaufbaus des Warschauer Pakts in Europa und der Probleme im Bündnis beschreiben?" erst vor kurzem wieder erklärt hat. „Ich wäre weniger als aufrichtig, wenn ich Ihnen irgend etwas anderes als besorgniserregend nennen würde." Ich zitiere aus einem Bulletin der Bundesregierung. Und Sie stellen sich hier hin und sagen, es bestehe kein Anlaß zur Sorge. Sehen Sie, das meinen wir, wenn wir sagen: Dieser Leber ist nicht mehr der Leber von vor eineinhalb Jahren. ({14}) Nun zur Frage des Budgets, das Sie angesprochen haben. Sie berühmen sich, Sie hätten alles erfüllt, was das Bündnis von Ihnen verlangt habe. Sie haben mich aufgefordert, ich solle den Beweis antreten, daß mehr gefordert worden sei. Ich könnte Ihnen unzählige Dokumente vorlesen. Ich lese Ihnen bloß eines vor. ({15}) - Manchmal gibt es Zwischenrufe, bei denen man sich wirklich nur um der Barmherzigkeit willen zu einer Antwort durchringen kann. Das war ein solcher Zwischenruf. ({16}) Sie, lieber Herr Leber, haben in den letzten drei Jahren Verteidigungshaushalte vorgelegt - das ist unbestreitbar -, die Zuwachsraten hatten, die unter 4 % lagen. Die Zuwachsraten Ihres Haushalts im Jahre 1977 beträgt nach den Darstellungen Ihres eigenen Haushaltsexperten ohne Personalverstärkungsmittel 1,9 %, mit Personalverstärkungsmitteln höchstens 3 %. Sie werden doch nicht behaupten wollen, daß die Inflationsrate in diesem Jahr unter 3 % fällt. So kühn wäre wahrscheinlich noch nicht einmal der Herr Bundeskanzler. Das bedeutet, daß die Steigerungsrate des Verteidigungsetats des Jahres 1977 wie diejenige der drei Etats vorher - das ist glasklar - unter der Inflationsrate bleibt. Im Klartext heißt das, daß die Verteidigungsaufwendungen der Bundesrepublik Deutschland real zurückgegangen sind. Das können Sie mit keinen Rechenkunststücken aus der Welt schaffen, Herr Leber. Es muß unser Recht bleiben, das aufzugreifen. Sie selbst haben sich erst vor kurzem, zusammen mit Ihren Kollegen, zu folgender Aussage bequemt - ich lese Ihnen das aus dem Bulletin vom 24. Mai 1977 vor -: Auf dem Hintergrund der nachteiligen Tendenzen im Kräfteverhältnis zwischen der NATO und dem Warschauer Pakt und zur Vermeidung einer weiteren Verschlechterung des Verhältnisses der Kampfkraft der Streitkräfte zwischen beiden Seiten sollten alle Mitgliedstaaten eine reale Erhöhung der Verteidigungshaushalte anstreben. Diese jährliche Steigerung sollte etwa 3 % betragen . Schon im letzten Jahr haben Sie sich zu einer realen Steigerung verpflichtet. Geschehen ist aber nichts. Sie stehen also nach Ihren eigenen Erklärungen und Verpflichtungen bei der NATO im Wort und haben sie nicht eingelöst. Das ist es, was wir zu monieren haben, Herr Leber. Wir werden auch nicht aufhören, das zu tun. ({17}) Was den Erhöhungsantrag angeht, so wissen Sie so gut wie wir auch, daß man Munition und Waffen2844 systeme nicht wie Pfefferminzbonbons kaufen kann, daß man nicht im August ankommen und sagen kann: Jetzt brauche ich 500 Millionen DM mehr für soundso viel Waffen und soundso viel Munition. Das kann man nicht an der Theke kaufen. Diese Bemerkung von Ihnen ist doch nur platonisch. Sie wissen auch, daß Ihre Kollegen im Haushaltsausschuß es abgelehnt haben, auch nur den Zustand wiederherzustellen, den Sie gerne wiederhergestellt hätten. ({18}) Nun kommen Sie und verlangen von uns Anträge. Unsere Kollegen haben diese Anträge gestellt. Im übrigen, Herr Leber, gibt es immer noch einen Unterschied zwischen Regierung und Opposition: ({19}) Die Opposition ist nicht dazu da, die Lasten der Unpopularität allein zu tragen, damit die Regierung nur die populären Dinge durchsetzt. ({20}) Aber damit Sie nicht den Eindruck haben, daß wir ausweichen, sage ich Ihnen für die Fraktion der CDU/CSU zu: Wenn Sie im nächsten Jahr der Forderung der NATO nachkommen - sofern Sie dann überhaupt noch an der Regierung sind -({21}) und eine Steigerungsrate von real 3 % vorsehen, werden Sie dafür die Zustimmung der CDU/CSU bekommen. Wir trügen diesen unpopulären Beitrag selbstverständlich mit. ({22}) Meine Damen und Herren, nun kommen einige Bemerkungen und einige Fragen des Herrn Leber an mich, die mich nicht besonders erschrocken haben, die ich aber auch nicht besonders originell finde. Ich finde, daß Sie sehr auf das kurze Gedächtnis der Wähler draußen spekulieren, wenn Sie einen Abgeordneten der CDU/CSU nach seiner Alternative zur NATO-Politik fragen, wenn sich ein Abgeordneter der CDU/CSU nach der NATO-Politik von einem Mann fragen lassen muß, der wie Sie persönlich und zusammen mit Ihrer Partei erbittert gegen den Eintritt der Bundesrepublik Deutschland in die NATO gekämpft hat, Herr Leber. ({23}) Wären wir Ihren Ratschlägen von damals - im übrigen den Ratschlägen all Ihrer Parteifreunde - gefolgt, dann gäbe es heute keine Diskussion mehr über Alternativen, dann wäre nämlich die eine Alternative Wirklichkeit geworden: die Neutralisierung der Bundesrepublik Deutschland und damit ihr Eintreten in den Herrschaftsbereich der Sowjetunion. Dann bräuchten wir uns keine Gedanken mehr über deutsche Sicherheitspolitik zu machen. ({24}) NATO-Politik, Herr Leber, ist CDU-Politik, CSU- Politik gewesen und bis zum heutigen Tag geblieben. Es wäre besser, Sie würden sich um die Herren Brandt, Pawelczyk und Wehner kümmern, die immer wieder die Positionen der NATO untergraben, anstatt um uns, die wir Sie in diesen Positionen bis zum heutigen Tag unterstützen. ({25}) Dann kommen Sie hierher und erzählen mir etwas von Brüssel. Nun haben Sie das Pech, daß ich mich gelegentlich auch in Brüssel aufhalte, wie im übrigen auch viele andere Oppositionspolitiker. Dort haben wir Zutritt. Im Unterschied zu Ihnen und Ihrem Haus - das muß ich schon sagen - ist die NATO und sind die Dienststellen der NATO, vom Oberkommandierenden und Generalsekretär angefangen, viel eher bereit, Informationen zu geben. Deshalb sage ich Ihnen nur: Wissen Sie, was dort Besorgnis ausgelöst hat? Die Tatsache, daß Sie nicht mehr Herr der Lage in Ihrer Partei sind, daß der Bundesvorsitzende der Sozialdemokratischen Partei die festgefügten NATO-Positionen bei den MBFR-Verhandlungen in Wien zu unterhöhlen und auszugraben beginnt. Man hat mich gefragt: Wird das Aussicht auf Erfolg haben, und wie lange hält diese Regierung diese Position noch? ({26}) Dann kommen Sie hierher und machen Spiegelfechterei. So sind die Dinge in Brüssel. Dann zitieren Sie den Generalsekretär Luns. Das hat mir noch gefehlt. Sie sagen, Sie seien gerne bereit, uns Kontakte zu verschaffen. Da möchte ich Ihnen einmal ein ganz praktisches Beispiel geben. Da sind die Kollegen Möllemann und Neumann und die anderen Obleute im Verteidigungsausschuß, der Kollege Kraske, Obmann der CDU/CSU. Herr Luns hat mir gesagt: Wir haben ein Briefing für die Regierungen, um sie einmal über das Geheimste der Bedrohung zu informieren; aber ich würde es begrüßen, wenn dazu wenigstens einige ausgelesene Politiker, also die Verteidigungsfachleute, die Obleute der Fraktionen, hinzugezogen würden. Ich habe daraufhin im Einvernehmen mit meinen Kollegen von SPD und FDP einen Brief geschrieben und Sie darum gebeten. Welche Antwort habe ich dann zurückgekriegt? Der Herr Bundeskanzler habe es abgelehnt, und deswegen könnten wir nicht daran teilnehmen. So sieht Ihre Bereitschaft aus, uns in das Einblick nehmen zu lassen, was es an Bedrohung gibt. ({27}) Dann gehen Sie her und heucheln hier, daß es einem wirklich das Mitleid in die Augen treibt ob Ihrer Krokodilstränen. Nun fragen Sie mich nach der Strategie. Sie fragen die CDU/CSU nach der Strategie. Dazu gibt es klare Dokumente, Herr Leber. Wir sind der Auffassung, daß die Strategie der „flexible response" ohne Alternative ist. Das ist die verbindliche Aussage der CDU/CSU. Dazu stehen wir. Das sage ich namens der Fraktion der CDU/CSU und namens der beiden Parteien, weil es in beider Parteiprogramm steht. Aber der gleiche Mann, der sich über die CDU/ CSU erregt, läßt hier völlig unerwähnt, daß die FDP, repräsentiert durch den genialen Geist Möllemann, strategische Vorstellungen unterbreitet hat, von denen ich nur sagen kann: Wenn einmal das Vetorecht der Bundesrepublik Deutschland verankert ist, dann können wir die nukleare Abschreckung, ja, sogar die ganze Abschreckung vergessen, und dann ist die Strategie der „flexible response" am Ende. Kümmern Sie sich um Ihre Koalition, bevor Sie sich um die CDU/CSU kümmern, lieber Herr Leber! ({28}) Jetzt kommt wieder der alte Schlenker, Herr Leber: Wir sollten Ihnen doch sagen, wie es um unsere Vorstellungen zur Abrüstung steht. Sie haben hier schon einmal den Versuch gemacht, den Eindruck zu erwecken, als ob die CDU/CSU einen neuen Ritt gen Osten plane. Wenn wir nicht aufhören, uns gegenseitig zu unterstellen, daß wir mit dem Frieden nichts im Sinn hätten, dann liefern wir Material für die da drüben. Ich kann Ihnen nur sagen: Wenn es die Friedenspolitik der CDU/CSU nicht gegeben hätte, dann hätten Sie keine Chance, Verteidigungspolitik in einer Bundesrepublik Deutschland, die noch frei ist, zu machen, Herr Leber. ({29}) Dann kam wirklich auch wieder so ein Schlenker, der den Ansatz zum Staatsmann, der in den ersten 15 Minuten spürbar war, wieder völlig zunichte machte. Es kam wieder das Übliche gegen unseren Fraktionsvorsitzenden Kohl. Nur: Nehmen Sie zur Kenntnis, daß dieser unser Fraktionsvorsitzender den Mut hatte, den noch keiner der Politiker Ihrer Partei - mit Ihrer Ausnahme - aufgebracht hat, auf die Frage, die ich selbst im Wahlkampf unmittelbar vor den Wahlen mehrfach erlebt habe: „Was ist Ihre erste Priorität?", die unpopuläre Antwort zu geben: „Die Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland." Ich wollte, Sie hätten solche Politiker in Ihrer Partei, lieber Herr Leber. ({30}) Dann ginge es Ihnen besser, dann bräuchten Sie nicht immer um Ihr Amt und alles mögliche zu bangen, nur weil Sie mit Ihrer eigenen Partei und Ihren Jusos nicht fertigwerden. Ich fasse zusammen. Das erste Nein in der Geschichte der Unionsparteien zum Verteidigungsetat fällt uns, das habe ich gesagt, nicht leicht. Wir haben uns diese Entscheidung auch nicht leicht gemacht. Gemeinsamkeit in Sachen Verteidigungspolitik - ich wiederhole dies - ist ein hoher Wert. Aber sie ist kein Selbstzweck. Gemeinsamkeit in einer falschen Politik wäre schlechter als entschiedene Opposition gegen eine falsche Politik. ({31}) Was bedeutet unser Nein? Es bedeutet die Absage an eine Politik, die die allgemeine Wehrpflicht abschafft und damit der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland Schaden zufügt. Es bedeutet die Absage an einen Minister, der nicht mehr die Standfestigkeit, Klarheit und Entschiedenheit besitzt, mit der er angetreten war, sondern der sich auf die Straße der Resignation und des Rückzugs vor dem Druck seiner Partei begeben hat und der damit von sich aus den Boden der Gemeinsamkeit aufgegeben hat. Es bedeutet schließlich die Absage an eine Art des Umgangs mit untergebenen Soldaten, die wir als unverantwortlich und unerträglich empfinden. ({32}) Was bedeutet dieses Nein nicht? Ich sage das nicht im Ton der Rechtfertigung, weil ich weiß, daß man uns draußen ({33}) in der Bundeswehr und im Bündnis wohl versteht. Dieses Nein bedeutet nicht den Übergang zur totalen Konfrontation und zu einer Politik abgebrochener Brücken im Bereich der Verteidigung. ({34}) - Die Tatsache, daß Ihnen das nicht paßt, läßt doch die ganze Heuchelei erahnen, die sich dahinter versteckt, daß man das Nein der CDU beklagt. ({35}) Noch gibt es viele gemeinsame politische Vorstellungen - mindestens mit diesem Minister -, insbesondere im Bereich der NATO-Politik. Ich habe davon gerade gesprochen. Wir werden auch in Zukunft nicht zögern, als CDU/CSU seine Politik im Plenum und in den Ausschüssen dort - aber nur dort - zu billigen und zu unterstützen, wo dies der Stärkung der Verteidigung der Bundeswehr dient. Unser Nein ist auch kein Nein zur Bündnispolitik. Das möchte ich nur noch einmal klarstellen, ({36}) nicht für unsere Verbündeten, sondern weil ja schon im Ansatz erkennbar wird, daß Sie mit dieser These draußen arbeiten wollen. ({37}) Die CDU/CSU hat den Eintritt der Bundesrepublik in die NATO durchgesetzt. Das Atlantische Bündnis bleibt unverbrüchlich Kernstück unserer Sicherheitspolitik, ({38}) und unsere Verbündeten - allen voran die Vereinigten Staaten von Amerika - sollen und können wissen und wissen es, daß sie auch in Zukunft mit der CDU/CSU rechnen können, ({39}) wenn es um die Kräftigung und den Ausbau der Atlantischen Allianz geht. ({40}) Unser Nein bedeutet ({41}) schließlich keine Absage an die Bundeswehr und ihre Soldaten. ({42}) Ich glaube auch nicht, daß die Gefahr besteht, daß man es draußen so verstehen könnte. ({43}) Aber ich sage Ihnen noch einmal ausdrücklich und um Ihnen das entsprechende Handwerkszeug nicht an die Hand zu geben: ({44}) Wir stehen weiterhin zu ihnen; die Soldaten können sich bei uns nicht nur auf Lippenbekenntnisse, sondern auf unsere aktive parlamentarische und politische Unterstützung verlassen. Das ist die Art, in der wir unseren Dank an diese Soldaten abzustatten pflegen. ({45}) Unser Nein - nehmen Sie es noch einmal zur Kenntnis - wird gerade gesprochen um der Bundeswehr willen, ({46}) um der Sorge um die allgemeine Wehrpflicht willen. ({47}) Wir sagen nein ({48}) zu Ihrem Haushalt, nicht weil wir weniger, sondern weil wir mehr Verteidigung wollen. Jeder, der es anders interpretiert, der täuscht die Öffentlichkeit ganz bewußt. ({49}) Ich darf abschließend sagen, ({50}) die CDU/CSU bleibt, was sie bis zum heutigen Tage war, - ({51}) - Es gibt Kollegen, die schon immer Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache und ihrer Grammatik gehabt haben. Für deren Hausgebrauch und damit sie anschließend noch einmal nachlesen können, wiederhole ich diesen Satz: Die CDU/CSU bleibt, was sie bis zum heutigen Tage war, die einzige - ({52}) - Meine Damen und Herren, auch wenn es Ihnen nicht paßt, ({53}) Sie können über die tiefe Zerrissenheit Ihrer Partei in Sachen Verteidigung auch durch so ein Geschrei nicht hinwegtäuschen; das weiß man draußen. ({54}) Darum bleibt die CDU/CSU die einzige geschlossene politische Kraft, ({55}) die sich zur Verteidigung in der Bundesrepublik Deutschland ({56}) gestern und auch morgen bekennt und auf sich die Bürger der Bundesrepublik Deutschland verlassen können. ({57})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schäfer. ({0})

Dr. Friedrich Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001930, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die sozialliberalen Bundesregierungen seit 1969 haben auf dem Gebiet der äußeren Sicherheit hervorragende Arbeit geleistet. ({0}) ({1}) Sie haben eine Außenpolitik der Entspannung betrieben und haben diese Politik in vollem Einvernehmen mit allen Partnern in der NATO eingeleitet. Und sie haben mit allen Partner der NATO das NATO-Bündnis ausgebaut. Diese sozialliberalen Bundesregierungen gingen durch ihre beiden Bundesverteidigungsminister Helmut Schmidt und Georg Leber aber auch innenpolitisch an die enorme und entscheidend wichtige Aufgabe der Integration der Bundeswehr. Und wir können heute feststellen, die Bundeswehr ist in vollem Umfange ein Teil dieses Staates; ({2}) sie wird von niemandem mehr als Außenseiter betrachtet, und sie ist auch von sich aus in vollem Umfange integriert. Das verdanken wir der Arbeit dieser Regierung! ({3}) Die CDU/CSU-Fraktion hat sich - man wundert sich eigentlich fast, aber man kommt dahinter - mit dem Haushaltseinzelplan 14 immer schwergetan. Das muß ich Ihnen einmal an Hand der Protokolle vorlesen. So, wie es eben gesagt wurde, ist es nicht; es ist ganz anders, meine Damen und Herren. Am 5. Juni 1970 haben wir im Plenum den Einzelplan 14 behandelt, und da trug Herr Haase ({4}) vor: Die CDU/CSU-Fraktion kann aus diesen Gründen dem Haushalt des Verteidigungsministers nicht zustimmen. Sie bedauert das und hofft, daß ihr die Sicherheits- und Verteidigungspolitik dieser Regierung erlauben wird, dem Einzelplan im kommenden Jahr zuzustimmen. 1970: Stimmenthaltung. 1971 sprach Herr Klepsch dazu und sagte: „Die CDU/CSU lehnt den Einzelplan 14 nicht ab; die CDU/CSU kann jedoch nicht mit Ja stimmen." Dr. Schäfer ({5}) 1972 aber gab es dann - durch Herrn Jenninger - so etwas wie einen Kahlschlag. Da hieß es am 19. Dezember ohne jede Diskussion: ratzeputz abgelehnt; da hieß es: „Wir werden den Einzelplänen 01 - Bundespräsident -, 02 - Bundestag -, 03 - Bundesrat -, 19 - Bundesverfassungsgericht -, 20 - Bundesrechnungshof - und 33 - Beamtenversorgung - unsere Zustimmung geben, aber alles andere in dieser zweiten Beratung ablehnen." - Das war 1972! Meine Damen und Herren, lassen Sie uns einen Augenblick innehalten. Das war jene 6. Wahlperiode, in der man unter Führung des damaligen CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Barzel darauf hingearbeitet hat, jeden Tag diese Regierung stürzen zu können. Das hat man nicht erreicht. Deshalb hat man dann 1973 die Taktik geändert. Ab 1973 stimmte man zu - mit Begleitbegründungen, die der Minister eigentlich hätte zurückweisen müssen, denn er bedarf nicht Ihrer Hilfe gegen die „Linken", sondern er ist ein Politiker, der steht, der auch gegen Sie steht und Ihnen deshalb manchmal unangenehm sein kann. ({6}) 1974 haben Sie zugestimmt. Auf 1975 komme ich zurück; das ist das Schönste. Und 1976 wurde hier im Bundestag am 13. Mai kurzerhand der Einzelplan 14 aufgerufen; niemand hat sich zu Wort gemeldet - bitte, merken Sie es sich: 13. Mai -, und es wird festgestellt: „Der Einzelplan 14 ist einstimmig angenommen." Das war am 13. Mai. Am 8. April, also sechs Wochen vorher, hatte dieser Bundestag, dem Art. 4 des Grundgesetzes entsprechend, das, was man „Wehrpflicht- und Zivildienstnovelle" nennt - das, was ich „endlich der Gewissensfreiheit eine Möglichkeit geben" nenne -, verabschiedet. Am 14. Mai 1976 lag dieses Gesetz dem Bundesrat vor. Sie hatten keinen Anlaß, bei der Beratung des Haushaltsplans sich damit zu befassen. Wenn ich nun an das denke, was Herr Dr. Kohl in bezug auf dieses Gesetz hier vorgestern von sich gegeben hat - über „Zerschneidung dessen, was uns seither gemeinsam war" -, und an das, was der Herr Wörner soeben vorbrachte, dann muß man sich doch fragen, warum jetzt, am Beginn der neuen Legislaturperiode, man wieder zu einer neuen Methode kommt und warum man zu einer Ablehnung kommen will, obwohl man am 22. April im Verteidigungsausschuß unter Erörterung aller Gesichtspunkte zu einem Ja gekommen ist. Das ist ein sehr bedenklicher Vorgang. Deshalb darf ich Ihnen mal vorlesen, was Ihr Sprecher am 20. März 1975 - es war Herr Haase ({7}) - hier selber vorgetragen hat. Das mögen Sie sich bitte noch einmal vergegenwärtigen, ehe Sie mit Nein stimmen. Denn w i r verabschieden den Haushaltsplan. Um das geht es nicht. ({8}) Sondern es geht darum, daß in diesem Haus diese Politik gemeinsam getragen wird. Herr Haase hat damals gesagt: Obwohl, meine Damen und Herren, im Verteidigungsbereich manche Teilentwicklungen zu verzeichnen sind, die wir mißbilligen, hat sich die CDU/CSU-Fraktion des Deutschen Bundestages entschlossen, dem Verteidigungsetat wiederum zuzustimmen. Wir stimmen ihm zu, meine Damen und Herren, weil wir es für richtig halten, daß die Landesverteidigung als ein im wesentlichen unpopulärer Bereich der öffentlichen Angelegenheiten von Regierung und Opposition gemeinsam getragen wird. Das Protokoll verzeichnet Beifall bei der CDU/ CSU. Wir stimmen dem Verteidigungsetat zu, weil wir deutlich machen wollen, daß sich die Opposition auch dort nicht aus der Verantwortung stiehlt, - so steht es hier wörtlich! wo sie angesichts der allfälligen Belastungen für die Allgemeinheit nicht mit Beifall und uneingeschränkter Zustimmung rechnen kann. ({9}) Wir stimmen zu, weil die Bedeutung der Landesverteidigung angesichts der gegenwärtigen Zeitverhältnisse einer besonderen Unterstreichung bedarf. Wir stimmen zu, weil wir Volk und Soldaten sichtbar machen wollen, daß sich die Streitkräfte des Landes auf eine breite parlamentarische Basis stützen können. Und wir stimmen zu, weil wir auch jenseits der Grenzen - jenseits der Grenzen deutlich machen wollen, meine Damen und Herren, daß ein Regierungswechsel in Deutschland kein Nachlassen unserer Anstrengungen für die gemeinsamen Verteidigungsbemühungen der westlichen Welt nach sich ziehen würde. Ich darf am Schluß anfangen: an den Regierungswechsel glauben Sie anscheinend selbst nicht mehr. Deshalb zieht dieses Argument nicht bei Ihnen. ({10}) Sie sagen selbst: wir dürfen uns nicht davonstehlen. Die Schlußfolgerung: also stehlen Sie sich jetzt davon, wenn Sie nicht zustimmen. Wenn dann hier mit Pathos, Herr Wörner - entschuldigen Sie, wir sind beide Schwaben, ich muß das sagen - - Bei uns zu Haus würden wir sagen: er meint, er sei stark, dabei ist er bloß geschwollen. ({11}) So ungefähr ist das bei Ihnen gewesen am Schluß. Es ist schizophren, Herr Wörner. Lesen Sie mal Ihre pathetischen Worte nach, die Sie am Schluß sprechen! Genau das Gegenteil von dem, was Sie polemisch fast eine Stande lang vertreten. Wenn ich mir das vergegenwärtige: Irgendwie ärgert Sie das, daß dieser Verteidigungsminister hier sauber und klar Rede und Antwort gestanden ist und Ihnen dann aber auch in der notwendigen Weise geantwortet hat. Meine Damen und Herren, das sollten Sie sich doch einmal überlegen! Dr. Schäfer ({12}) Ich sage Ihnen: wenn es die Auswirkung der Straußschen Methode sein sollte, in der neuen Legislaturperiode auf diese Weise Gräben auszuheben, dann werden Sie nicht die Gewinner davon sein. ({13})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kohl.

Dr. Helmut Kohl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001165, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Bundesminister Leber hat mich in meiner Abwesenheit hier angesprochen, und er ({0}) hat Unwahrheiten verbreitet, und deswegen will ich zu diesen speziellen Punkten kurz Stellung nehmen. Zunächst, Herr Bundesminister Leber, finde ich, ist es typisch für Ihren Stil, für Ihre Umgangsformen und für die Schwäche Ihrer Position, daß Sie, wohlwissend, daß ich zum gleichen Zeitpunkt an einer Besprechung über die Vorbereitung der morgigen Bundesratssitzung in Sachen Kostendämpfung hier im Hause teilnehmen mußte - das wissen Sie ganz genau -, vor dem Deutschen Fernsehen und der deutschen Öffentlichkeit den Eindruck erwecken wollten, als würde ich diese Sitzung schwänzen. Ich kann nur sagen, Herr Kollege Leber, das, was Sie hier an zwei Beispielen, soweit sie mich betreffen, dargestellt haben, ist ein Hinweis auf eine Entwicklung Ihrer Persönlichkeit, die ich nur zutiefst bedauern kann. ({1}) Sie sind dabei - ich werde gleich noch mehr dazu sagen -, eine Politik der verbrannten Erde auch der zwischenmenschlichen Beziehungen in diesem Hause einzuführen, die für einen Bundesverteigungsminister in der Verantwortung und in der Autorität seines Amtes tödlich sein muß. ({2}) Sie haben hier zwei Behauptungen aufgestellt. Erstens haben Sie dem staunenden Publikum vorgetragen, ich hätte es anläßlich eines Gesprächs in Washington mit dem amerikanischen Verteidigungsminister abgelehnt, mich im einzelnen über militärische Entwicklungen informieren zu lassen mit dem Hinweis, ich sei durch meine Kontakte zu amerikanischen Kommandeuren und Generälen über diese Dinge längst informiert. Ich stelle schlicht und einfach fest, daß es ein Gespräch dieses Inhalts zwischen einem amerikanischen Verteidigungsminister und mir nie gegeben hat. Was Sie hier sagen, ist die Unwahrheit. ({3}) Herr Bundesminister, ich erwarte von Ihnen, daß Sie an dieses Pult treten und Ihre Zeugen benennen für diese ungeheure Verleumdung und diese Art, Politik zu betreiben. ({4}) Es wirft ein erstaunliches Licht auf Ihre Vorstellung von der Kontaktpflege von Politikern aller demokratischen Parteien mit unseren amerikanischen Bündnispartnern, wenn Sie hier aus der Schwäche Ihrer Position den Versuch unternehmen, derartige Unwahrheiten in die Debatte einzuführen. Sie, Herr Kollege Leber - ich verwende in diesem Zusammenhang das Wort Kollege -, ({5}) wissen aus Ihrer jahrelangen Amtserfahrung und aus meiner früheren Amtstätigkeit, daß eine Behauptung, wie Sie sie eben hier in die Debatte einführten, schon deswegen absurd ist, weil es diese mannigfaltigen Kontakte seit vielen Jahren gibt und Sie selbst mich immer wieder auf diese Kontakte angesprochen haben. Aber es ist eine Sache, wenn ein deutscher Ministerpräsident mit dem Bundesminister der Verteidigung Leber spricht und man gemeinsam versucht, das Beste für die Landesverteidigung zu erreichen, und es ist eine andere Sache, wenn ein immer mehr von seinen eigenen Genossen im Amt Bedrohter hier an das Pult geht und damit alle Gemeinsamkeit und jede Basis für gemeinsame demokratische Politik zu zerstören beabsichtigt. ({6}) Bei Ihrer Zweiten Erzählung muß ich mich in der Tat fragen, Herr Kollege Leber, welch ein Ungeist oder welch ein Unstern Sie veranlaßt haben mag, ein Gespräch, daß Sie doch gerade in den Augen Ihrer linken Genossen in einem katastrophalen Licht erscheinen lassen muß, hier in dieser Form wiederzugeben. Meine Damen und Herren, was war denn der Sachverhalt? Hier bin ich in der glücklichen Lage, daß der Kollege Jenninger bei diesem Gespräch dabei war. Der Sachverhalt war der, daß der Bundestagsabgeordnete und Bundesminister Leber nach der Abstimmung über die Wehrpflichtnovelle zu mir an diesem Platz trat mit dem Hinweis: „Wenn alle Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion bei dieser Abstimmung präsent gewesen wären, dann wäre diese Vorlage nicht verabschiedet worden." Ich sage gleich das Notwendige dazu. Ich habe Ihnen, Herr Kollege Leber, daraufhin geantwortet: Diese Vorlage ist noch kein Gesetz, diese Vorlage geht in den Bundesrat, und wenn sie Gesetz werden sollte, werden wir, wie wir es angekündigt haben, beim Bundesverfassungsgericht Klage gegen dieses Gesetz erheben. ({7}) Aber, Herr Kollege Leber, ich habe Ihnen auch gesagt: Es ist ein betrüblicher Zustand - ich habe es härter formuliert; ich will es jetzt zurückhaltender formulieren -, daß sie hierher an das Pult des Oppositionsführers gehen und sich beklagen, daß die Opposition ein Gesetz nicht zu Fall gebracht hat, und daß Sie wünschten, daß es zu Fall gebracht wird, ({8}) weil es eben auch Ihrer inneren Überzeugung widerspricht, daß aber Ihr Rückgrat zu schwach und zu gebrochen ist, diese Kraft aufzubringen. ({9}) Herr Kollege Leber, nachdem Sie belieben, in der Art des Bundeskanzlers Privatgespräche, die übrigens eine Grundlage vernünftiger Beziehungen von Kollegen aller Fraktionen auch in Zukunft sein müssen, ({10}) hier in dieser Form darzustellen, muß ich Ihnen auch noch den Schlußsatz sagen. Ich habe Ihnen gesagt - das entspricht nun wirklich meiner Überzeugung -: Ich würde mich an Ihrer Stelle schämen, in einer wirklichen Schicksalsfrage deutscher Demokratie so zu verfahren. ({11}) Herr Bundesminister Leber, ich muß Sie fragen: Was zu tun sind Sie eigentlich noch bereit, um sich nur in Ihrem Amte am Leben zu erhalten? Das ist doch die Frage, die sich aufdrängt. ({12}) Wie viele Kotaus müssen Sie noch vor dem linken Flügel in Ihrer Partei machen? Sie, der Sie einmal angetreten sind, der Gustav Noske der Bundesrepublik Deutschland zu werden! ({13}) Herr Bundesminister Leber, wir haben Sie viele Jahre hindurch in Ihrem Amte unterstützt. Wir haben das getan, wie mein Freund Manfred Wörner hier eben in seinem Schlußwort sagte, weil es hier nicht um den Minister geht. Minister kommen und gehen, aber diese Bundesrepublik muß bleiben, die Verteidigungsbereitschaft muß bleiben, unsere Bundeswehr muß verteidigungsbereit bleiben. Das ist die Grundlage unseres politischen Handelns. ({14}) Herr Bundesminister Leber, Sie sind angetreten, und Sie haben sehr viel Zeit, Kraft und zugegebenermaßen auch Geschick in die Darstellung des Bildes des Georg Leber investiert, der, aus dem Arbeiterstand kommend, jetzt in einem der wichtigen Ämter dieser Republik als ein anständiger Mann Vertrauen auf allen Seiten genießen will. Meine Damen und Herren, das muß heute im Hinblick auf diesen Sachstand einmal ausgetragen und ausgesprochen werden. ({15}) Herr Bundesminister Leber, Sie haben eine weite Wanderung auf diesem Wege gemacht, als jener Minister, der versucht hat, Gemeinsamkeit zu üben und richtigerweise, trotz unterschiedlicher politischer Meinungen, die Demokraten auf ein Grundkonzept der Verteidigung und der Verteidigungsbereitschaft zu einen. Dann wurde Ihnen in Ihrem Heimatverband in Hessen-Süd das Rückgrat bei der Kandidatenaufstellung gebrochen. Gestern ist hier von Traumata gesprochen worden; dies ist ein Vorgang, der heute noch das Trauma Georg Leber ist und auch bleiben wird. ({16}) So sind Sie bereit, Ihrer Fraktion und denen, die Sie dort im Hinblick auf die bestehenden Zahlenverhältnisse politisch erpressen können, immer weiter entgegenzukommen. Herr Bundesminister Leber, wenn es überhaupt noch einer Begründung für das Nein der CDU/CSU-Fraktion bedurft hätte, dann hat Ihr heutiges Verhalten sie geliefert, Sie haben Ihren Kredit, Sie haben Ihre Autorität, Sie haben Ihre Glaubwürdigkeit verspielt. Es ist Zeit, daß Sie zurücktreten! ({17})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Bundeskanzler.

Helmut Schmidt (Kanzler:in)

Politiker ID: 11002007

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich dem Herrn Abgeordneten Kohl - ({0}) - Wenn ich dem Herrn Abgeordneten Kohl ({1}) richtig zugehört habe - - Also wenn Sie Wert auf den Doktor legen, den soll er haben; ({2}) er hat ihn sich offenbar erarbeitet.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Bundeskanzler, gestatten Sie, daß ich die Damen und Herren an der linken Seite bitte, Platz zu nehmen.

Helmut Schmidt (Kanzler:in)

Politiker ID: 11002007

Wenn ich den Herrn Dr. Kohl richtig verstanden habe, hat er in bezug auf den Vorgang, wegen dessen er gegen den Minister Leber polemisiert hat, in dem entscheidenden Punkt das bestätigt, was Herr Kollege Leber hier ausgeführt hatte. ({0}) Ich hätte mich auch gewundert, wenn es anders gewesen wäre, denn Herr Kollege Leber hat mir diese Unterhaltung, die nun schon einige Zeit zurückliegt, seinerzeit berichtet. Ich habe in dem Bewußtsein dieser Unterhaltung die Debatte der letzten Tage und insbesondere auch den diesbezüglichen Teil der Debatte am Dienstag miterlebt. Aber darauf kommt es mir hier im Augenblick nicht weiter an, sondern ich möchte gerne auf eines zurückkommen, was, wie ich glaube, uns allen bei einer solchen Debatte in die Erinnerung gerufen werden darf. Ich erinnere mich - hier sitzen ein paar Kollegen, die damals daran beteiligt waren; andere sind schon gestorben, zum Beispiel mein Freund Fritz Erler -, daß wir vor 21 oder 22 Jahren ({1}) in diesem Hause unabhängig davon, wer zur damaligen Regierungskoalition gehörte und wer damals zur Opposition gehörte - das waren jedenfalls wir Sozialdemokraten -, gemeinsam, übrigens gegen den Willen des damaligen Bundeskanzlers, die verfassungsrechtlichen Grundlagen für die Bundeswehr und für die Wehrpflicht gelegt haben. Ich war einer der Beteiligten. Ich möchte nur daran erinnern, daß unabhängig davon, wer gerade regiert - das kann ja wechseln im Laufe der Jahrzehnte; ({2}) es hat mehrfach seither im Laufe der Jahre gewechselt - oder wer in Opposition zu arbeiten hat, wir beide oder alle drei, besser gesagt alle vier, den erheblich großen gemeinsamen Nenner des Jahres 1955, des Jahres 1956 nicht ohne Not gefährden sollten, auch nicht in solchen Debatten wie hier heute nachmittag. ({3}) In den Jahren seit jener großen umfassenden Verfassungsergänzung, der umfassenden Ergänzung des Grundgesetzes durch ein verfassungsänderndes Gesetz, das im Bundestag initiativ ausgearbeitet worden ist, für das die damalige Bundesregierung dem Bundestag keine Vorlage zugesandt hatte, haben wir eine größere Zahl von Verteidigungsministern erlebt, die ja alle nach jener Grundgesetzergänzung auch die Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt waren. So hatten wir es bei jener Gelegenheit damals in das Grundgesetz hineingeschrieben. Das war zunächst Theodor Blank, dann war es der Kollege Strauß, dann war es der Kollege von Hassel, dann war es der Kollege Schröder, dann sind es seit 1969 bis zum heutigen Tage zwei Sozialdemokraten gewesen, darunter der gegenwärtige Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt, bis auf 14 Tage genau schon fünf Jahren. Er hat in diesen fünf Jahren nicht nur nach meinem Urteil, Herr Abgeordneter Kohl, sondern nach dem Urteil vieler Menschen - auch in Ihrer eigenen Partei -, vor allen Dingen aber in der ganzen Welt und nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland, eine große Leistung vollbracht und mit Recht ein hohes Ansehen erworben. ({4}) Wenn ich mich in diesem Zusammenhang einer Bemerkung des Herrn Abgeordneten Wörner zuwenden darf: Er hat über einen personellen Konflikt innerhalb der bewaffneten Streitkräfte gesprochen. In all den Jahren, in denen die soeben aufgezählten Personen Verteidigungsminister und Oberbefehlshaber waren, hat es immer wieder einmal Streitigkeiten über die Personalpolitik gegeben - mehr bei den Streitkräften selbst, also im bewaffneten Teil, als im zivilen Teil, im Ministerium oder in der Wehrverwaltung. Vielleicht darf ich in Klammern sagen, daß ich es eigentlich ein wenig bedaure, daß in diesen über 20 Jahren personalpolitische Auseinandersetzungen über Soldaten, meist über Generale, zu häufig -auch hier im Parlament - eine viel größere Rolle gespielt haben als etwa Auseinandersetzungen über personelle Affären ziviler Diener des Staates, Affären, die es bisweilen auch verdient hätten, daß man hier im Bundestag über sie redet. Es ist noch nicht ganz jenes Ausmaß an Normalität eingekehrt, das zu einer vollständigen Gleichbehandlung im Parlament geführt hätte, das man sich wünschen möchte. Ich erinnere an den Rücktritt eines Generalinspekteurs und des Inspekteurs einer Teilstreitkraft - Herr Kollege von Hassel wird sich ganz besonders gut daran erinnern -, nämlich an die Generale Trettner und Panitzki. ({5}) - Ich wollte gerade daran erinnern. Ich war damals Hauptredner für die damalige Opposition in jener Debatte. - Ich habe damals den Verteidigungsminister, Herrn Kollegen von Hassel, scharf kritisiert. Aber weder der damalige erste Redner der Opposition noch andere Redner haben - auch nicht bei anderen Gelegenheiten ähnlicher Auseinandersetzungen - etwa bezweifelt oder auch nur stillschweigend offengelassen, ob das Verhalten der Generale, das zu einer Maßnahme des Ministers Anlaß gab, mit erörtert werden darf. Im Falle der Affäre Trettner und Panitzki hatte der Minister zwar Maßnahmen ergriffen, er hatte die Generale aber nicht in den Ruhestand versetzt, sondern sie selbst waren, wie man zu sagen pflegt, um ihren Abschied eingekommen. Jedenfalls mußte selbstverständlich in einem solchen Zusammenhang, wenn sich das Parlament schon damit beschäftigt, auch das Verhalten der Generale mit zur Debatte stehen. Es gibt ähnliche Fälle. Ich will sie nicht alle in Erinnerung rufen. Die Herren, die länger im Parlament sitzen, können sich an General Müller-Hillebrand erinnern. Daran wird sich insbesondere auch der Kollege Strauß erinnern. Es hat immer wieder viele solcher Angelegenheiten gegeben. Es ist vielleicht nicht gut, daß sie dauernd im Parlament debattiert werden. Wenn es aber geschieht, dann muß man mit derselben kritischen Sonde an alle beteiligten Personen herantreten. Ich kann mich gut daran erinnern, daß im Laufe des Jahres 1969, als der Herr Kollege Schröder Verteidigungsminister war, ein General des Heeres - ich lasse seinen Namen einmal weg; es kommt auf den Namen und auf den Mann auch nicht an - an einer wichtigen Einrichtung der Bundeswehr, nämlich der Führungsakademie in Blankenese, einen erstaunlichen Vortrag gehalten hat. In diesem Vortrag hieß es, es würde nun Zeit, daß man auf die Innere Führung verzichte und die Maske ablegte; denn die Innere Führung sei doch nur eine Maske. Dieser Mann ist kurze Zeit später nach dem Ministerwechsel aus dem Amt geschieden. Aber ich erzähle diesen Vorgang eigentlich wegen eines anderen Vorkommnisses. Unmittelbar anschließend an jene Rede jenes Generals stand ein anderer Mann auf - ich glaube, er war damals noch Oberst; es kann aber auch sein, daß er Brigadegeneral war -, nämlich Dr. Wagemann, von dem Herr Wörner vorhin gesprochen hat. Dr. Wagemann hat sich dort in einer mannhaften und tapferen Weise gegen die schwer erträglichen, quasi öffentlichen Ausführungen über die „Maske" der Inneren Führung gewandt. Er ist dann deswegen von anderen Generalen gerügt worden. Ich habe seinerzeit Wert darauf gelegt, Dr. Wagemann kennenzulernen, weil das Eindruck auf mich gemacht hatte. Ich habe mit ihm ein paar Jahre zusammengearbeitet. Er ist ganz gewiß ein wackerer Mann, übrigens ein Schwerkriegsversehrter, ein Mann, der für seine Überzeugung kämpft, der aber auch streitbar ist. Ich glaube, Dr. Wagemann wäre der letzte, der sich wundern würde, wenn man bei Streitigkeiten im Laufe des letzten Jahres, in denen er wiederum von Generalskameraden kritisiert worden ist, jetzt quasi von der anderen Seite, denn nun hatte er sich ein bißchen vergaloppiert, ({6}) - ja, bitte, er ist ja doch von seinen militärischen Vorgesetzten kritisiert worden, wie Sie in den Zeitungen haben lesen können - nicht auch ihn und sein Verhalten kritisiert hätte. Ich finde es aber nicht gut, dies allzuweit in die Debatte hineinzuziehen. ({7}) - Ich sagte Ihnen ja schon vorher, wenn Herr Wörner solche Sachen aufbringt, muß man nicht nur eine Seite beleuchten, sondern beide. ({8}) Nur daran wollte ich erinnern. Ich bin hier weder Fürsprecher eines Generals noch bin ich Kritiker eines Generals. Ich finde nur - und dafür habe ich früher allerdings Beispiele gegeben -, daß man dann beide Seiten beleuchten muß. ({9}) Ich möchte sodann auf eine Bemerkung zu sprechen kommen, die der Herr Abgeordnete Wörner hier mit einer gewissen Genugtuung gemacht hat. Er hat mehrfach von der Geschlossenheit der CDU/ CSU in Sachen Wehrpflicht und in Sachen Verteidigungspolitik gesprochen. Ich glaube, daß er die subjektive Wahrheit ausgesprochen hat. Dies war seine Wahrheit, er sieht das so. Ich möchte aber hinzufügen: Ich fände es so schlecht nicht, wenn es in Ihrer großen Fraktion auch ein oder zwei Mitglieder gäbe, die innerlich mit ihren eigenen Wertvorstellungen auf der Seite der Kriegsdienstverweigerer stünden. So schlecht wäre es nicht; es würde nämlich innerhalb Ihrer eigenen Fraktion zu einer tiefergehenden Befassung mit den hier liegenden Problemen führen. ({10}) Ich darf auch hier einmal aus der Erfahrung der 50er Jahre im Bundestag sprechen. Jedermann weiß, daß ich kein Kriegsdienstverweigerer war, daß ich es nicht bin; und ich vermute, ich werde es auch nicht mehr werden. Ich bin aber damals im Verteidigungsausschuß von einem Vortrag und von Antworten tief beeindruckt worden - bei mir hat es übrigens dazu geführt, in der Schule anerzogene Vorurteile gegenüber Jesuiten abzulegen -, die der Jesuitenpater Professor Hirschmann aus Frankfurt zu diesem Problem der Wehrdienstverweigerung uns, die wir an dem Gesetz arbeiteten, damals gegeben hat. ({11}) Eine wichtige These, die Professor Hirschmann nicht aus seinem eigenen Kopf schöpfte, sondern aus dem gesicherten Bestande der Moraltheologie seiner Kirche, enthielt den Hinweis auf die Lehre vom irrenden Gewissen, das den gleichen Respekt und die gleiche Unverletzlichkeit als Gewissen beanspruchen darf wie das Gewissen desjenigen, dessen Entscheidung Sie für richtig halten. Deswegen ist mir diese Geschlossenheit, von der der Abgeordnete Wörner auf der Basis einer nicht tief genug greifenden gedanklichen Arbeit sprach, im Grunde nicht ganz überzeugend, Herr Abgeordneter Wörner. ({12}) Ich muß meine Ausführungen zu diesem Punkte vom Dienstag nicht noch in Erinnerung rufen. Nur, wenn der Abgeordnete Kohl in bezug auf diese selbe Frage, wie eben geschehen, von einer „Schicksalsfrage deutscher Demokratie" spricht, dann finde ich, Sie sollten darüber noch einmal nachdenken. Die Wortwahl „Schicksalsfrage" ist richtig. In der Tat ist es eine Schicksalsfrage, daß in der deutschen Demokratie der Staat das Gewissen der einzelnen Person eben nicht verletzen darf. ({13}) Das Verfahren, das das neue Gesetz, das initiativ aus dem Bundestag geboren ist - genauso wie vor 20 Jahren die Wehrverfassung initiativ aus dem Bundestag geboren worden ist -, an die Stelle des alten Gesetzes setzen will, hat jedenfalls den Vorteil, daß sich nicht eine Mehrheit von Personen nach Schemata, nach Frageverfahren darüber zu entscheiden anschickt, ob das Gewissen echt sei, aus dem heraus jemand spricht, oder ob es nicht echt sei. Das hat ja leider zu dem Ergebnis geführt, daß diejenigen, die als Betroffene vor diesem Ausschuß gut sprechen können, in einem viel höheren Prozentsatz als Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen anerkannt werden als diejenigen, die das glatte Sprechen auf der Schule nicht gelernt haben. ({14}) Deswegen bitte ich um Nachsicht, daß ich Anstand daran nehme, daß jemand, der von den Unionsparteien als derjenige vorgestellt ist und wohl auch bleibt, der im Falle der Kanzlerschaft von Herrn Kohl den Oberbefehl über die Bundeswehr zu übernehmen hätte, hier hinsichtlich dieses Gesetzes und des neuen Verfahrens von einer „Kapitulation" spricht. Herr Wörner, es ist keine Kapitulation, son2852 dern es ist der Ausdruck des Respekts, nein, des Gehorsams vor dem Befehl, die Würde des Menschen nicht anzutasten. ({15}) Für mein Verständnis ist die Quelle der Würde des Menschen sein Gewissen. Die Tatsache, daß der Mensch ein Gewissen hat, macht überhaupt seine Würde aus. ({16}) Nun zu ein oder zwei anderen Punkten, die hier heute nachmittag eine Rolle gespielt haben. Seit Sie an der Regierung nicht mehr beteiligt sind, meine Damen und Herren von der CDU und CSU, seit 1969, haben Sie Ihr Verhalten bei den Abstimmungen über den jeweiligen Verteidigungshaushalt mehrfach gewechselt. ({17}) Das ist Ihr gutes Recht. Sie haben sich zunächst mehrfach enthalten. Sie haben 1972, wenn ich mich recht erinnere, auch einmal dagegen gestimmt. Dann haben Sie seit 1972 eine Reihe von Malen dafür gestimmt. Diesmal wollen Sie wieder dagegen stimmen. Das ist Ihre Sache. Die Begründung ist auch Ihre Sache. Aber auf mich hat die heutige Begründung wenig Eindruck gemacht, weil Sie doch in den früheren Jahren, als Sie zustimmten, in der Begründung für Ihre Zustimmung immer ausgeführt haben, daß Sie zwar mit der Politik keineswegs voll einverstanden seien, aber aus übergeordneten Gesichtspunkten meinten, zustimmen zu sollen. Das kam mir durchaus plausibel vor. Daß Sie heute aus übergeordneten Gründen glauben ablehnen zu müssen, ist mir nicht ganz plausibel geworden, weil ich nicht verstanden habe, Herr Abgeordneter Kohl, welch andere Sicherheits- und Verteidigungspolitik Sie denn machen würden, falls Ihnen irgendwann im Laufe dieses oder des nächsten Jahrzehnts die Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland dazu das Mandat erteilten. Die Begründung, die Sie gegeben haben, Herr Abgeordneter Wörner, fand ich im übrigen nicht nur nicht überzeugend, sondern in anderer Weise auch bedenklich. Man kann nämlich das Vertrauen der Deutschen und das Vertrauen unserer Partner - ich sage noch etwas umfassender: das Vertrauen unserer Nachbarn - in den Stabilisierungsbeitrag, den unsere Streitkräfte zum Gleichgewicht in Europa und damit zum Frieden in Europa leisten, durch solche Reden, wie sie zum Teil heute nachmittag gehalten wurden, auch gefährden. Und das ist dann nicht mehr Ihre Sache. Es ist unsere gemeinsame Sache, die Glaubwürdigkeit des Stabilisierungsbeitrages unserer Streitkräfte nicht zu gefährden. Das sollten wir beide nicht tun. ({18}) Herr Abgeordneter Wörner kann nicht belegen, daß die Bundesrepublik Deutschland ihren Bündnisbeitrag 1977 anders als im Jahre 1976 oder anders als in den Jahren 1975, 1974, 1973 nicht leistet, oder nicht in gehöriger Weise leistet. Er kann nicht belegen, daß sie die Pflichten nicht erfüllt, die sie auf sich genommen hat. ({19}) Es gibt auch außerhalb dieses Saales und außerhalb Ihrer Anhängerschaft niemanden von mitwirkendem Einblick und von Urteilskraft über den Stand des Bündnisses - weder in Paris noch in London noch in Washington noch in Brüssel -, der diese Behauptung des Herrn Wörner stützen oder ihr beipflichten würde. Herr Wörner hat gesagt: Wir wollen „mehr Verteidigung". Es mag im Bündnis vielleicht welche geben, die Ihnen beipflichten würden, insbesondere natürlich in der internationalen Gewerkschaft der Generale. Das ist klar. Das ist übrigens nicht auf den Westen beschränkt, das ist in der Sowjetunion, in Moskau auch nicht anders. ({20}) Alle Fachleute, auch militärische Fachleute, wollen von ihren jeweiligen politischen Instanzen, von den Regierungen und Parlamenten, für ihr Fachgebiet immer noch ein bißchen mehr Geld haben, als der Haushaltsgesetzgeber insgesamt bewilligen kann. Das ist ganz normal. ({21}) Nur, Herr Abgeordneter Wörner - das sage ich auch an die Außenpolitiker Ihrer Fraktion, das sage ich auch dem Oppositionsführer, Herrn Kohl -: so wie die Dinge mit den westdeutschen Streitkräften und ihren 500 000 Soldaten liegen - ich sage noch einmal: erstklassig defensiv ausgebildet und ausgerüstet -, glaube ich, daß Sie es sich, gemeinsam mit den Bündnispartnern - die würden auch Fragen stellen -, sehr lange überlegen würden, ob Sie daraus wesentlich mehr machen wollten. Das will nämlich außer Ihnen von denen, die politische Verantwortung tragen, in Europa wirklich niemand. ({22}) Gehen Sie nach Paris und sprechen Sie mit denjenigen unserer französischen Freunde, die Ihnen politisch vielleicht besonders nahestehen. Sprechen Sie z. B. mit dem Führer der gaullistischen Partei, mit Herrn Chirac, oder sprechen Sie mit anderen im Westen. So einfach ist es nicht, daß man - ({23}) -- Sprechen Sie mit den Amerikanern, sicherlich. Mir wäre es lieber, Sie verstünden, daß es eine Gefahr für die Stabilität Europas wäre, wenn aus dem atlantischen Bündnis von 15 Nationen im Effekt eine bloß amerikanisch-deutsche Angelegenheit würde, Herr Kollege Wörner. ({24}) In dem Zusammenhang hat der Abgeordnete Wörner eine Bemerkung gemacht, die vielleicht nicht jedermann ohne weiteres verständlich war. Ich greife sie deshalb auf. Sie haben sich beklagt, daß der Bundeskanzler nicht zugelassen habe, daß einige Abgeordnete der Opposition und auch der anderen Fraktionen zu einer Kabinettsitzung dazugebeten worden sind. ({25}) - Es gab keine Information durch die NATO außerhalb der Kabinettsitzung. Es gab eine Kabinettsitzung, die morgens um 9 Uhr auf der Hardthöhe begann und bis 19 Uhr abends dauerte. Ich habe auch in Zukunft nur in ganz besonderen Fällen und aus ganz besonderem Anlaß die Absicht, die Opposition in die Kabinettsitzung einzuladen. Das wäre ja sonst ein komischer Zustand. ({26}) Ich habe dem Verteidigungsminister Leber, der diese Anregung überbrachte - ich weiß nicht, von wem sie wirklich kam -, gesagt: Bitte, lieber Schorsch, sorg doch dafür, daß die Herren Abgeordneten diesselbe Information kriegen, aber nicht im Rahmen einer Kabinettsitzung, das kann ja wohl nicht vernünftig sein. Aber damit Sie mich nun nicht mißverstehen: Mir lag doch nicht daran, Sie von einer Sitzung auszuschließen, an der ich teilnahm und die ich sogar geleitet habe. Sie sind mir in allen möglichen Sitzungen willkommen. Ich lade ja sogar Herrn Zimmermann ein, der öffentlich sagt, ich verträte die Interessen Moskaus, und es bis heute noch nicht zurückgenommen hat, was mich schmerzt, wenn ich das sagen darf. ({27})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Bundeskanzler, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Helmut Schmidt (Kanzler:in)

Politiker ID: 11002007

Nein, es tut mir leid. ({0}) Ich wäre dankbar, wenn sich Herr Zimmermann melden würde, um das zurückzunehmen. Er hat es ja auch gegenüber Herrn Brandt noch zurückzunehmen. ({1}) - Herr Zimmermann ruft mir dazwischen, er habe _mir einen Brief geschrieben. Das ist wahr. In dem Brief steht, er sei bereit, das zurückzunehmen, wenn wir unsere Politik änderten. Das ist der Sinn des Briefes. Das allerdings können wir nicht tun. ({2}) Aber, lieber Herr Wörner, selbst Herrn Zimmermann laden wir ja zu Sitzungen ein. Es geht uns nicht darum, Ihre Person oder andere Personen von Informationen auszuschließen. Das wissen Sie auch. Sie wissen das genauso, wie der Abgeordnete Kohl weiß, daß die Sicherheitspolitik unseres Staates, die ja nicht nur aus Bundeswehrpolitik besteht, sondern zu der auch die ganze Außenpolitik gehört - das ist doch von Herrn Möllemann vorhin mit Recht gesagt worden; und die ganze Entspannungspolitik ist doch ein wichtiger Faktor der Sicherheitspolitik -, in der ganzen Welt, im Westen wie im Osten, hoch anerkannt ist. Das ist ja auch der Grund, weswegen Sie sich am Dienstag, obwohl Sie zweimal geredet haben, nicht mit einem einzigen Wort kritisch dazu geäußert haben, auch nicht in Ihrer zweiten Rede. Sie müssen ja zugeben, daß die Sicherheit in Ordnung ist. ({3}) Wir haben nun seit 1959 oder seit 1960, auch schon in den Jahren der Opposition, auf diesem Felde - jetzt sage ich das als Sozialdemokrat - eine sehr kontinuierliche Sicherheitspolitik vorgetragen, sowohl was die Bundeswehr angeht, als auch was das Bündnis angeht, als auch was die Entspannungspolitik angeht, also was die beiderseitige gleichgewichtige Rüstungsbeschränkung angeht, die heute unter den vier Buchstaben MBFR in der Weltpresse behandelt wird. Das ist eine sehr kontinuierliche Politik der Partei, für die ich hier in den Bundestag gewählt worden bin. Eine wichtige Station war dabei die Rede, die der damalige stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Herbert Wehner, am 30. Juni 1960 gehalten hat. Wenn Sie endlich eine solche ostpolitische Rede hielten, meine Damen und Herren von der CDU, dann würde etwas mehr „Gemeinsamkeit der Demokraten" im deutschen Parlament einziehen können. ({4}) Es ist nach der Debatte am Dienstag wie auch nach der Debatte heute am Donnerstag unklar geblieben, was Sie in der Sicherheitspolitik tatsächlich anders machen würden. Deutlich ist, Herr Wörner möchte Verteidigungsminister werden. Dafür habe ich Verständnis. Herr Kohl möchte Bundeskanzler werden. Dafür habe ich auch Verständnis, obwohl es mich wundert. ({5}) Aber was Sie danach machen würden, was Sie dann mit der Richtliniengewalt anfangen würden, Herr Abgeordneter Kohl, ({6}) das ist heute genauso unklar geblieben. ({7}) Es ist heute noch unklarer, als es jemals war seit dem Rücktritt von Dr. Rainer Barzel. ({8})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Bundesminister der Verteidigung. Leber, Bundesminister der Verteidigung ({0}) : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte um Nachsicht. Ich habe nicht die Absicht, noch eine Rede zu halten. ({1}) Meine Damen und Herren, ich möchte Sie auch nicht verletzen, sondern versuchen, in Anwesenheit von Herrn Kohl noch einmal darzustellen, was vorhin hier vorgegangen ist. Herr Kollege Kohl, ich habe hier den Text der Rede von Herrn Dr. Zimmermann, der ja für Sie mit gesprochen hat. In dieser Rede hat er mir coram publico vorgeworfen - das ist im Fernsehen gesehen worden -: Mehr und mehr entscheiden bei Stellenbesetzungen und Beförderungen nicht mehr Sachkunde und charakterliche Eignung, sondern das Parteibuch oder zunächst willfähriges Wohlverhalten gegenüber den parteibuchtragenden Vorgesetzten. Stimmen Sie mir zu, Herr Kollege Kohl, daß das ein ungeheuerer Vorwurf ist, wenn man ihn einem Verteidigungsminister öffentlich macht? Können Sie sich vorstellen, Herr Kollege Kohl - wir kennen uns ja länger - -({2}) - Herr Kohl kennt mich jedenfalls so gut, um zu wissen, daß das nie die Art gewesen ist, in der ich mich bei solchen Entscheidungen verhalte. ({3}) Herr Kohl muß wissen, daß mich das tief trifft. Glauben Sie das? - Das hat Herr Zimmermann hier soeben vorgetragen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kohl?

Dr. Helmut Kohl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001165, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister Leber, hätten Sie die Freundlichkeit, mir zu erläutern, was diese Passage des Kollegen Zimmermann, den Sie angesprochen haben, mit den beiden angeblich vorgekommenen Geschichten, mit den vermeintlichen Tatsachen zu tun hat, die Sie hier berichtet haben?

Georg Leber (Minister:in)

Politiker ID: 11001299

Ich wollte das gerade darstellen. ({0}) In diesem Zusammenhang habe ich gesagt: Herr Kollege Kohl hat solche Vorwürfe auch schon erhoben - ich wiederhole das jetzt frei aus meinem Gedächtnis; denn das war frei geredet -, er hat auf einer wehrpolitischen Tagung der CDU in Koblenz auch gesagt, ich machte einseitige Parteibuchpolitik. Stimmt das, Herr Kollege Kohl? - Es stimmt. Ich sage Ihnen noch dazu, daß sich dann Ihrer Partei angehörende Offiziere der Bundeswehr, und zwar hohe Admirale bzw. Generale, in öffentlicher Debatte gegen Sie gewandt haben. Sie haben Ihnen dargestellt, daß der Verteidigungsminister Leber keine einseitige Parteibuchpolitik macht. ({1}) Trotzdem wurde das hier wieder dargestellt. In diesem Zusammenhang habe ich gesagt: Da muß man gründlicher sein. Mit Schlagworten usw. geht das nicht. Sie müssen sich das einmal anlesen. Was ich dann gesagt habe, war gar nicht giftig, überhaupt nicht. ({2}) - Hören Sie zu, ehe Sie fragen! - Ich habe dann gesagt: Da war Herr Kollege Kohl in Amerika. Er hat einen Besuch beim Verteidigungsminister gemacht. - Jetzt wiederhole ich Ihnen, was ich darüber weiß. So ist es mir von Anwesenden berichtet worden. - Der Verteidigungsminister wollte ihm etwas Neues bieten. Da sagte er: Sie brauchen mir das gar nicht zu erzählen; ich habe so guten Kontakt mit Ihren Generalen; von denen weiß ich das alles schon. Nachher hat der Verteidigungsminister gesagt: Mit welchen Generalen wird er wohl Kontakt haben; die wissen ja noch gar nicht, was ich Herrn Kohl erzählte wollte. So ist das gewesen. So wenig giftig war das. Herr Kollege Kohl, wenn in der Debatte hier seit Dienstag über Sie nichts Schlimmeres gesagt worden wäre, dann wären Sie mit dem, was ich hier gesagt habe, wahrscheinlich ganz gut weggekommen. ({3})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Georg Leber (Minister:in)

Politiker ID: 11001299

Natürlich.

Dr. Helmut Kohl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001165, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, kann ich aus dieser Ihrer Äußerung - wenn mir richtig berichtet wurde, haben Sie vorhin als Zeugen den amerikanischen Verteidigungsminister genannt - schließen, daß Sie weiterhin behaupten, daß dieser Vorgang im Pentagon so war, wie Sie ihn berichtet haben, obwohl ich klar und deutlich erklärt habe: der ist frei erfunden und erlogen, und sind Sie auch bereit, zu dem zweiten Vorgang, wo es jetzt glücklicherweise hier im Hause einen Zeugen gibt, ({0}) zu sagen, daß er ebenfalls von Ihnen frei erfunden worden ist? ({1})

Georg Leber (Minister:in)

Politiker ID: 11001299

Herr Kollege Kohl, wenn Sie mir sagen, das sei erstunken und erlogen, was ich da aus Amerika gehört habe - Sie waren ja nicht allein da -, denn nehme ich das zur Kenntnis, dann debattiere ich mit Ihnen nicht mehr weiter. Der Vorgang ist mir dann nicht wichtig genug. ({0}) - Meine Herren, soll ich dann sagen, der Herr Kollege Kohl hätte eben die Unwahrheit gesagt, ich will ihm deutsche Beamte vom Bundestag vorführen, die dabei waren? Dann höre ich auf, wenn Sie das sagen. ({1}) Sie kennen ja die Herren, Sie wissen ja, wer mit Ihnen war. ({2}) Jetzt komme ich zum zweiten Punkt. Ich bin hier herübergekommen nach der Abstimmung - nach der Abstimmung, Herr Kollege Kohl. ({3}) - Ja, ja, das ist wichtig, weil ich eben unter dem Gefühl gestanden habe, Sie haben etwas Schlimmes - ({4}) - Ja, ja, es war viel Gift an dem Pfeil. Ich bin hier vorbeigegangen und habe im Flachston, wie man das so bei uns macht - stimmt das? - gesagt: Na, Herr Kollege Kohl, wenn Sie die Mannschaft richtig an Bord gehabt hätten - aber Sie haben ja scheinbar keinen Einfluß darauf -, hätten Sie heute die Chance gehabt, mal zu gewinnen; denn bei uns waren nicht alle da. Dann haben Sie gesagt - und das ist das, was ich dann ernst aufgenommen habe -: ({5}) Das interessiert mich überhaupt nicht, wir gehen ans Verfassungsgericht, und da werden wir gewinnen. Alles, was danach kam, Herr Kollege Kohl, haben Sie hier am Rednerpult gesagt. Dies ist etwas, muß ich Ihnen sagen, was mich tief getroffen hat. Dies ist eine infame Unwahrheit, die Sie hier verbreitet haben. ({6})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Abgeordnete von Weizsäcker.

Dr. Richard Weizsäcker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002466, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich meine, wir sollten am Schluß dieser nicht umsonst ausgedehnten Debatte doch den Versuch machen, von den Entgleisungen, Herr Bundesminister Leber, ({0}) und von den Nebensächlichkeiten, die in dieser Debatte eine Rolle gespielt haben, zum wesentlichen Kern zurückzukommen. Ich will das in aller Kürze damit tun, daß ich auf die beiden Punkte eingehe, die der Herr Bundeskanzler in seiner Intervention soeben hauptsächlich zur Sprache gebracht hat. Herr Bundeskanzler, Sie haben auf die Leistung Ihres Kabinettskollegen Leber in den letzten fünf Jahren verwiesen. Sie wissen, daß wir, insbesondere in den schweren Anfangsjahren des Bundesministers Leber, ihn unsererseits häufiger zur Vollbringung positiver Leistungen unterstützt haben, als ihm dies aus seinen eigenen Reihen zuteil geworden ist. ({1}) Wir haben uns gerade deshalb, weil wir uns mit allen unseren Kräften darum bemühten, ihm das Leben für seine schwierige Aufgabe zu erleichtern, in diesem Jahr - wie früher - unsere Entscheidung wahrlich nicht leichtgemacht. Wir haben intensiv miteinander gerungen und uns insbesondere auch in bezug auf Ihre Person, Herr Bundesverteidigungsminister, die Mühe gemacht, das Für und Wider abzuwägen. Aber nun kommen die beiden Fälle, Herr Bundeskanzler, von denen Sie gesprochen haben. Der erste betrifft eine der Generalspersonalia, von denen Sie ja mit Recht gesagt haben, daß sie hier im Bundestag nicht über Gebühr behandelt werden sollten, bei denen Sie dann aber im Falle des Generals Wagemann mehr auf die Einzelheiten eingegangen sind. Ich kenne den General Wagemann schon aus der Zeit des Krieges; wir waren in derselben Division. Ich habe ihn später kaum je wiedergesehen, aber ich denke, wir stimmen da wahrscheinlich überein, Herr Bundeskanzler: Es handelt sich beim General Wagemann um einen eckigen, unbequemen, mutigen und hochanständigen General. Sie haben - wie ich meine, mit Recht - gesagt, der General Wagemann wäre der letzte, der es nicht verstünde, wenn man ihn kritisiert. Das waren Ihre Worte. Ich stimme Ihnen darin ganz zu. Ich glaube, der General Wagemann würde vor allem der Erkenntnis zustimmen, daß ja Generale Menschen sind wie Sie und ich auch, d. h. Menschen, die Fehler machen können und sie auch eingestehen können müssen, daß es aber auch Menschen gibt, die eine Ehre haben, die es zu schützen gilt. ({2}) Und gerade der General Wagemann ist ein Musterbeispiel für einen Soldaten, der es verdient, wegen seines Einsatzes für die Sache der Bundeswehr und der Verteidigung unseres Landes in seiner Ehre von seinem Vorgesetzten geschützt zu werden. ({3}) Sie, Herr Bundesverteidigungsminister, haben die Ihnen zu Gebote stehenden Möglichkeiten, die Ehre des Generals Wagemann zu schützen, nicht in Anspruch genommen; ({4}) Sie sind auf die Ihnen hier gemachten Vorhaltungen gar nicht mehr eingegangen. Ich stelle fest, daß der General Wagemann des Schutzes seiner Ehre durch seinen Vorgesetzten bis zum heutigen Tage entbehren muß. ({5}) Wenn Sie, Herr Bundesverteidigungsminister, sich am Anfang Ihrer Amtszeit einer derartigen Handlungsweise schuldig gemacht hätten, hätten Sie auf unsere Unterstützung auch schon in früheren Jahren vergeblich warten müssen. ({6}) Der zweite Punkt, Herr Bundeskanzler, betrifft die Frage der Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen. Sie haben beklagt, Herr Bundeskanzler, daß bei uns in den Reihen der CDU/CSU nicht einer oder zwei für einen Wehrdienstverweigerer und seine Sache aufgestanden wären, und haben unsere Geschlossenheit beklagt. ({7}) Herr Bundeskanzler, an den Punkten, an denen ich Sie mißverstehe, bin ich für Aufklärung selbstverständlich dankbar. Was Sie aber gesagt haben, ist, daß Sie unsere Geschlossenheit beklagen und daß nicht der eine oder der andere für die Sache der Wehrdienstverweigerer aufgetreten wäre. Ich kann nur sagen, in diesem Gesetz, das hier unter uns streitig ist, geht es ja nicht um die Frage, ob einer von uns hier Wehrdienst leisten oder aus Gewissensgründen verweigern soll. Was übrigens diese Frage betrifft, so werden Sie selbstverständlich auch in Familien von uns z. B. Kinder finden, die aus Gewissensgründen den Wehrdienst verweigert haben und die den vollen Respekt und die Unterstützung ihrer Väter gefunden haben, obwohl diese dieser Fraktion angehören. ({8}) Aber wir alle stehen doch zu dem - oder nicht? -, was im Grundgesetz steht, daß es nämlich um Gewissensgründe geht und nicht um andere. ({9}) Und wir alle miteinander haben festgestellt, daß es in den Verfahren zur Überprüfung der geltend gemachten Gewissensgründe Mängel gibt. Es waren ja nicht Sie, Herr Bundeskanzler, der Sie hier heute etwas über dieses Gesetz gesagt haben, was Sie doch eigentlich schon vor vielen, vielen Jahren hätte dazu veranlassen müssen, dagegen aufzutreten, ({10}) sondern es war ja eine Initiative unserer Fraktion, die zu einer Überprüfung des Verfahrens in bezug auf die Gewissensgründe angeregt hat. Natürlich wissen wir, meine Damen und Herren von der SPD - einer Ihrer Redner hat darauf Bezug genommen -, daß es auf diesem Gebiet keine Patentrezepte gibt. Natürlich ist das eine schwierige Frage, Herr Kollege Horn. Nur, wenn im Grundgesetz steht - zu dem wir uns bekennen -, daß es Gewissensgründe und keine anderen sind, dann ist es eben keine Lösung dieser schwierigen Frage, wenn man vor diesem Problem einfach kapituliert und die Frage zur freien Disposition der jungen Menschen stellt. Das ist das, was Sie getan haben. ({11}) Hier ist mit Recht mehrfach vom Vertrauen der jungen Generation gesprochen worden. Diese junge Generation ist sehr feinfühlig in bezug auf die Art und Weise, wie wir als Gesetzgeber mit Fragen umgehen, die es mit dem Gewissen zu tun haben. ({12}) Diese junge Generation wird gerade unter dem Aspekt des Gewissens nie und nimmer verstehen, daß Sie sich in Ihrer Regelung dazu bekennen, heute, wo die Lage am Arbeitsmarkt Ihnen keine Schwierigkeiten bereitet, die Bundeswehr voll aufzufüllen, auf die Gewissensprüfung zu verzichten, später aber, wenn es vielleicht am Arbeitsmarkt wieder anders aussehen sollte, sich dann plötzlich wieder der Gewissensprüfung und der Gewissensbestimmung im Grundgesetz zu erinnern. ({13}) Meine Damen und Herren, wir alle -

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Richard Weizsäcker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002466, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, ich bin sofort zu Ende. Meine Damen und Herren, es kommt nicht nur darauf an, daß der Staat dem Gewissen seiner Bürger nicht zu nahetritt, wie Sie mit Recht sagen, Herr Bundeskanzler, sondern auch darauf, daß der Staat in der gewählten politischen Führung etwas zur Anleitung der Gewissen tut. ({0}) Es gehört zur nicht bequemen, aber notwendigen Anleitung des Gewissens von uns allen - unabhängig davon, ob wir jung oder alt sind -, daß diese unsere Freiheit in unserem Lande nur dann bewahrt wird, wenn es der junge Mensch als eine selbstverständliche Pflicht empfindet, für die Verteidigung der Freiheit auch einzutreten. ({1}) Wenn Sie dafür, wie wir es tun, vor der Öffentlichkeit und vor allem vor der jungen Generation antreten, dann werden Sie darauf vertrauen dürfen, daß diese junge Generation Sie auch versteht. Das sind die wesentlichen Gründe, Herr Bundeskanzler, die Sie mit Recht angesprochen haben und die uns dazu Veranlassung geben, einem Bundesverteidigungsminister, der hier den Kurs verloren hat, die Zustimmung zu seiner Politik zu verweigern. ({2})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Zu einer persönlichen Bemerkung nach § 35 der Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Zimmermann das Wort.

Dr. Friedrich Zimmermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002597, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Presseerklärung vom 18. April 1977 - ich lese nur den ersten Absatz vor - lautete: Wenn der SPD-Vorsitzende Brandt und Bundeskanzler Schmidt den Westen davor warnen, in Belgrad die Rolle des allgemeinen Anklägers zu spielen, handeln sie einzig und allein im Interesse Moskaus. ({0}) Sie liefern mit ihren Warnungen den sowjetischen Machthabern die Bestätigung, daß diese mit ihrer menschen- und freiheitsfeindlichen Politik auf dem richtigen Wege sind. Ich habe dann in einem Brief dem Bundeskanzler am 6. Mai geschrieben: Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Aus einem Gespräch mit Staatsminister Wischnewski habe ich entnommen, daß Sie sich durch meine Presseerklärung vom 18. April persönlich getroffen fühlen. Das bedaure ich, denn es kam mir darauf an, vor einer politischen Fehlentwicklung in der deutschen Außenpolitik zu warnen. In keinem Fall wollte ich Sie persönlich beleidigen oder Ihnen aktive Unterstützung Moskauer Interessen unterstellen. Die Sowjetunion unternimmt derzeit alle Anstrengungen, das für sie äußerst unbequeme Thema der Menschenrechte in Belgrad nicht auf die Tagesordnung gelangen zu lassen. Der Grund hierfür liegt auf der Hand. Die Unterdrückung der Bürgerrechtsbewegungen im Ostblock hat vor allem die Sowjetunion in ihrer Lieblingsrolle des moralischen Weltanklägers unglaubwürdig gemacht. Dies gilt besonders für Länder der Dritten Welt. Deswegen ist jede Einschränkung der Menschenrechtsdiskussion im Interesse Moskaus. Ihre Ausführungen auf der Amsterdamer Konferenz der Sozialistischen Internationale wurden nicht nur von mir als ein Herunterspielen der Menschenrechtsfrage verstanden. Sollte das nicht Ihrer Absicht entsprochen haben, so wäre ein deutliches Wort in der Öfentlichkeit angebracht. Gerne würde ich mich dann korrigieren. Ich glaube, an diesem Sachverhalt ist nichts auszusetzen. ({1})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Zur Abgabe einer weiteren persönlichen Bemerkung nach § 35 der Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Würzbach das Wort. Ich bitte, so lange Geduld zu haben.

Peter Kurt Würzbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002572, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Abgeordnete Möllemann hat in seinem Debattenbeitrag auf einen Zwischenruf von mir hin mir unterstellt, ich hätte behauptet, das sei die Korrumpierung des Bundeswehrverbandes. Das ist nicht richtig. Mit meinem Zwischenruf „Korrumpierung" erinnerte ich vielmehr den Abgeordneten Möllemann an die Auffassung des Deutschen Bundeswehrverbandes, daß mit dem neuen FDP-SPD-Wehrgesetz die Gefahr bestehe, die Jugend zu korrumpieren und vor eine ungleiche Wahl zu stellen. ({0})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 14. Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Ich eröffne die Abstimmung. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Haben alle Abgeordneten, die sich an der Abstimmung beteiligen wollen, ihre Karte abgegeben? Ich schließe die Abstimmung. Die namentliche Abstimmung zum Einzelplan 14 hat folgendes Ergebnis. Von den uneingeschränkt stimmberechtigten Mitgliedern stimmten 252 mit Ja, 242 mit Nein; Enthaltungen waren keine zu verzeichnen. Von den Berliner Abgeordneten stimmten 10 mit Ja, 10 mit Nein; es gab keine Enthaltungen. Ergebnis Abgegebene Stimmen 494 und 20 Berliner Abgeordnete; davon ja: 252 und 10 Berliner Abgeordnete, nein: 242 und 10 Berliner Abgeordnete Ja SPD Adams Ahlers Dr. Ahrens Amling Dr. Apel Arendt Augstein Baack Bahr Dr. Bardens Batz Dr. Bayerl Becker ({0}) Biermann Bindig Blank Dr. Böhme ({1}) Frau von Bothmer Brandt Brandt ({2}) Brück Buchstaller Büchler ({3}) Büchner ({4}) Dr. von Bülow Buschfort Dr. Bußmann Collet Conradi Coppik Dr. Corterier Curdt Frau Dr. Däubler-Gmelin Daubertshäuser Dr. von Dohnanyi Dürr Dr. Ehmke Dr. Ehrenberg Eickmeyer Frau Eilers ({5}) Dr. Emmerlich Dr. Enders Engholm Frau Erler Esters Ewen Fellermaier Fiebig Dr. Fischer Flämig Frau Dr. Focke Franke ({6}) Friedrich ({7}) Gansel Gerstl ({8}) Gertzen Dr. Geßner Glombig Gobrecht Grobecker Grunenberg Gscheidle Dr. Haack Haar Haase ({9}) Haehser Hansen Frau Dr. Hartenstein Hauck Dr. Hauff Henke Heyenn Höhmann Hoffmann ({10}) Hofmann ({11}) Dr. Holtz Horn Frau Huber Huonker Ibrügger Immer ({12}) Jahn ({13}) Jaunich Dr. Jens ({14}) Junghans Jungmann Junker Vizepräsident Stücklen Kaffka Kirschner Klein ({15}) Koblitz Konrad Kratz Kretkowski Dr. Kreutzmann Krockert Kühbacher Kuhlwein Lambinus Lange Lattmann Dr. Lauritzen Lemp Lenders Frau Dr. Lepsius Liedtke Dr. Linde Lutz Mahne Marquardt Marschall Frau Dr. Martiny-Glotz Matthöfer Dr. Meinecke ({16}) Meinike ({17}) Meininghaus Menzel Möhring Müller ({18}) Müller ({19}) Müller ({20}) Müller ({21}) Dr. Müller-Emmert Müntefering Nagel Neumann Dr. Nöbel Offergeld Oostergetelo Paterna Pawelczyk Peiter Dr. Penner Pensky Peter Polkehn Porzner Rapp ({22}) Rappe ({23}) Ravens Frau Renger Reuschenbach Rohde Rosenthal Roth Saxowski Dr. Schachtschabel Schäfer ({24}) Dr. Schäfer ({25}) Scheffler Scheu Schirmer Schlaga Schluckebier Dr. Schmidt ({26}) Schmidt ({27}) Schmidt ({28}) Schmidt ({29}) Schmidt ({30}) Dr. Schmitt-Vockenhausen Dr. Schmude Dr. Schöfberger Schreiber Schulte ({31}) Schwabe Dr. Schwencke ({32}) Dr. Schwenk ({33}) Seefeld Sieler Frau Simonis Simpfendörfer Dr. Spöri Stahl ({34}) Dr. Staudt Dr. Steger Frau Steinhauer Stockleben Stöckl Sybertz Thüsing Frau Dr. Timm Tönjes Topmann Frau Traupe Ueberhorst Urbaniak Dr. Vogel ({35}) Vogelsang Voigt ({36}) Walther Dr. Weber ({37}) Wehner Weißkirchen ({38}) Wendt Dr. Wernitz Westphal Wiefel Wilhelm Wimmer ({39}) Wischnewski Dr. de With Wittmann ({40}) Wolfram ({41}) Wrede Würtz Wüster Wuttke Wuwer Zander Zebisch Zeitler Berliner Abgeordnete Bühling Dr. Diederich ({42}) Dr. Dübber Egert Manning Mattick Frau Schlei Schulze ({43}) FDP Angermeyer Dr. Bangemann Baum Cronenberg Eimer ({44}) Engelhard Ertl Dr. Friderichs Frau Funcke Gartner Gattermann Genscher Grüner Frau Dr. Hamm-Brücher Dr. Haussmann Hölscher Hoffie Jung Kleinert Dr.-Ing. Laermann Dr. Graf Lambsdorff Ludewig Dr. Dr. h. c. Maihofer Frau Matthäus-Maier Mischnick Möllemann Ollesch Paintner Peters ({45}) Schmidt ({46}) von Schoeler Frau Schuchardt Spitzmüller Dr. Vohrer Dr. Wendig Wolfgramm ({47}) Wurbs Zywietz Berliner Abgeordnete Hoppe Nein CDU/CSU Dr. Abelein Dr. van Aerssen Dr. Aigner Alber Dr. Althammer Dr. Arnold Dr. Barzel Bayha Dr. Becher ({48}) Dr. Becker ({49}) Frau Benedix Benz Berger Biechele Dr. Biedenkopf Dr. von Bismarck Dr. Blüm Böhm ({50}) Dr. Bötsch Braun Breidbach Broll Bühler ({51}) Burger Carstens ({52}) Carstens ({53}) Conrad ({54}) Dr. Czaja Damm Daweke Dr. Dollinger Dr. Dregger Dreyer Engelsberger Erhard ({55}) Ernesti Dr. Evers Ey Eymer ({56}) Dr. Eyrich Feinendegen Frau Fischer Francke ({57}) Franke Dr. Friedmann Dr. Früh Dr. Fuchs Frau Geier Geisenhofer Dr. von Geldern Dr. George Gerlach ({58}) Gerstein Gierenstein Glos Dr. Gölter Dr. Gruhl Haase ({59}) Haberl Dr. Häfele Dr. Hammans Handlos Hanz Hartmann Hasinger von Hassel Hauser ({60}) Hauser ({61}) Helmrich Dr. Hennig von der Heydt Freiherr von Massenbach Höffkes Höpfinger Dr. Hoffacker Frau Hoffmann ({62}) Dr. Hornhues Horstmeier Dr. Hubrig Frau Hürland Dr. Hüsch Dr. Hupka Graf Huyn Dr. Jaeger Jäger ({63}) Dr. Jahn ({64}) Dr. Jahn ({65}) Dr. Jentsch ({66}) Dr. Jobst Frau Karwatzki Katzer Kiechle Dr. h. c. Kiesinger Dr. Klein ({67}) Klein ({68}) Dr. Klepsch Klinker Dr. Köhler ({69}) Dr. Köhler ({70}) Köster Dr. Kohl Kolb Krampe Dr. Kraske Kraus Dr. Kreile Krey Kroll-Schlüter Frau Krone-Appuhn Dr. Kunz ({71}) Lagershausen Lampersbach Landré Dr. Langguth Dr. Langner Dr. Laufs Leicht Dr. Lenz ({72}) Lenzer Link Lintner Löher Dr. Luda Lücker Dr. Marx Dr. Mende Dr. Mertes ({73}) Metz Vizepräsident Stücklen Dr. Meyer zu Bentrup Dr. Mikat Dr. Miltner Milz Dr. Möller Dr. Müller Müller ({74}) Müller ({75}) Dr. Müller-Hermann Dr. Narjes Neuhaus Frau Dr. Neumeister Nordlohne Frau Pack Petersen Pfeffermann Pfeifer Picard Dr. Pinger Pohlmann Prangenberg Dr. Probst Rainer Rawe Reddemann Regenspurger Dr. Reimers Frau Dr. Riede ({76}) Dr. Riedl ({77}) Dr. Riesenhuber Dr. Ritz Röhner Dr. Rose Rühe Russe Sauer ({78}) Sauter ({79}) Prinz zu SaynWittgenstein-Hohenstein Dr. Schäuble Schartz ({80}) Schedl Frau Schleicher Schmidhuber Schmidt ({81}) Schmitz ({82}) Schmöle Dr. Schröder ({83}) Schröder ({84}) Schröder ({85}) Dr. Schulte ({86}) Schwarz Dr. Schwarz-Schilling Dr. Schwörer Seiters Sick Dr. Freiherr Spies von Büllesheim Spilker Spranger Dr. Sprung Stahlberg Dr. Stark ({87}) Dr. Starke ({88}) Graf Stauffenberg Dr. Stavenhagen Dr. Stercken Stommel Strauß Stutzer Susset de Terra Dr. Todenhöfer Frau Tübler Dr. Unland Frau Verhülsdonk Vogel ({89}) Vogt ({90}) Volmer Dr. Voss Dr. Waffenschmidt Dr. Waigel Frau Dr. Walz Dr. Warnke Dr. von Wartenberg Wawrzik Weber ({91}) Weiskirch ({92}) Werner Frau Dr. Wex Frau Will-Feld Frau Dr. Wilms Wimmer ({93}) Windelen Frau Dr. Wisniewski Wissebach Wissmann Dr. Wittmann ({94}) Baron von Wrangel Würzbach Dr. Wulff Dr. Zeitel Zeyer Ziegler Zink Berliner Abgeordnete Amrehn Frau Berger ({95}) Dr. Gradl Kittelmann Luster Müller ({96}) Dr. Pfennig Frau Pieser Straßmeir Wohlrabe Damit ist der Einzelplan 14 in namentlicher Abstimmung mit Mehrheit angenommen. ({97}) Bevor ich den nächsten Einzelplan aufrufe, darf ich folgendes bekanntgeben. Entsprechend einer interfraktionellen Vereinbarung soll für die Einzelpläne 25 und 12 eine Redezeit von je einer Stunde angesetzt werden. Ich bitte das Hohe Haus, entsprechend § 39 unserer Geschäftsordnung die Zustimmung dazu zu geben. - Ich sehe keine gegenteilige Meinung; es ist so beschlossen. Ich rufe auf: Einzelplan 25 Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau - Drucksache 8/509 - Berichterstatter: Abgeordneter Stöckl Wünscht der Berichterstatter das Wort? - Das ist nicht der Fall. Wer wünscht das Wort? - Bitte, Herr Abgeordneter Hauser.

Alo Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000831, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Etat des Wohnungsbauministers bietet bei näherer Beleuchtung wenig Anlaß zur Freude. Der Wohnungsbau in der Bundesrepublik ist in eine Krise geraten. Im Jahre 1976 hatten wir die niedrigste Quote an Wohnungsneuherstellungen seit dem Jahre 1950, praktisch seit dem Beginn des Wiederaufbaus in der Bundesrepublik. Der private Mietwohnungsbau ist praktisch tot, der soziale Wohnungsbau hat ein so geringes Volumen angenommen, daß man von einem tatsächlich vorhandenen sozialen Wohnungsbau kaum noch reden kann. Die Programme im Haushalt des Bauministeriums sind auslaufende Programme. Die mittelfristige Finanzplanung sagt nichts darüber aus, was an ihre Stelle treten soll. Die mittelfristige Finanzplanung sagt insbesondere nichts darüber aus, wo die Regierung künftig die Schwerpunkte ihrer Wohnungsbaupolitik setzen will. Was soll zum Beispiel an die Stelle des zwar jetzt noch einmal nach einer Erklärung der Bundesregierung bis in das Jahr 1978 verlängerten, aber in der mittelfristigen Finanzplanung bereits jetzt auslaufenden Regionalprogramms treten? Die Konzeptionslosigkeit, die aus alledem spricht, ist bemerkenswert. Daß die Bundesregierung ohne Konzeption ist, verschweigt sie auch gar nicht. Ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten aus der mittelfristigen Finanzplanung - BundestagsDrucksache 8/101 -: Der allgemeine Wohnungsmangel ist beseitigt. Es ist daher der Zeitpunkt gekommen, die Wohnungspolitik einer Bestandsaufnahme zu unterziehen und auf dieser Grundlage ein Gesamtkonzept zur Neuorientierung zu erarbeiten. Auf die Frage, wie ein solches neues Konzept nach Vorstellung der Bundesregierung und des zuständigen Ministers aussehen soll, wurde uns im Haushaltsausschuß gesagt: Das muß erst noch mit den Ländern verhandelt werden. Nun ist es ja sicherlich zutreffend, daß mit den Ländern darüber verhandelt werden muß. Man muß aber von der Bundesregierung erwarten, daß sie mit einer Marschrichtung in diese Verhandlungen mit den Ländern hineingeht, daß sie selbst ein Konzept hat, ({0}) das sie dann gemeinsam mit den Ländern verändert oder unverändert und abgestimmt zu verwirklichen sucht. Ein solches Konzept ist jedoch noch nicht zu erkennen. Hauser ({1}) Dabei ist es keineswegs so, daß auf dem Gebiete des Wohnungsbaus nichts mehr zu tun wäre. Vereinzelt noch vorhandene Wohnungshalden dürfen nicht zu dem Trugschluß verleiten, die Wohnraumversorgung sei generell ausreichend. Insbesondere kinderreiche Familien, alte Menschen und Schwerbehinderte sind nach wie vor vielfach unzureichend versorgt. Daneben gibt es regionale Engpässe. ({2}) Die mittelfristige Finanzplanung sagt nichts über die künftige Entwicklung aus. Dabei besteht kein Zweifel daran, daß wir auch in der Zukunft ein hohes Maß an Förderung des Wohnungsbaus brauchen, um die ordnungsgemäße Versorgung unserer Bevölkerung sicherzustellen. Eine stärkere Konzentration der außerordentlich knappen Haushaltsmittel auf die wirklich Bedürftigen und damit ein verstärkter Übergang von der Objektförderung zur Subjektförderung ist einer der Punkte, die bei dieser neuen Konzeption eine entscheidende Rolle spielen wird. Ebenso wichtig ist freilich die Wiederherstellung der Wirtschaftlichkeit des Gutes Wohnung, und zwar durch einen sozial gerechten Abbau investitionshemmender Vorschriften des Miet- und Wohnrechts. ({3}) Die Vergleichsmiete ist eine der Ursachen dafür, daß im privaten Mietwohnungsbau nicht mehr investiert wird. ({4}) Diese fehlenden Investitionen im privaten Mietwohnungsbau sind zusammen mit dem fehlenden Geld und den inflationsmäßig aufgeblähten Preisen der Wohnungsherstellung im sozialen Wohnungsbau die Ursache für den Tiefstand des Wohnungsbaus in der Bundesrepublik schlechthin. ({5}) - Ich bin gehalten, eine Redezeit von zehn Minuten einzuhalten. Deswegen bitte ich um Verständnis, wenn ich keine Fragen beantworte. Das Fehlen einer in die Zukunft weisenden Konzeption, wie sie die mittelfristige Finanzplanung ausweist, ist ein Hauptmangel dieses Haushalts. Ein weiterer Mangel besteht freilich darin, daß die vorhandenen spärlichen Mittel nicht in genügendem Maße auf die Förderung der wirklich Bedürftigen konzentriert sind. Ich darf ein paar Worte zu den Anträgen sagen, die von seiten der SPD und von unserer Seite gestellt worden sind. Dem Antrag, die Verpflichtungsermächtigung bei Titel 661 13, Zuschüsse an öffentliche Unternehmen, um 1 300 Millionen DM heraufzusetzen und damit die zusätzliche Förderung von 30 000 Wohnungseinheiten zu ermöglichen, werden wir zustimmen, weil der Großteil dieser Förderung in die Bildung privaten Eigentums eingehen wird. Der Antrag, die Prämien nach dem WohnungsbauPrämiengesetz im Ansatz um 130 Millionen DM herabzusetzen, haben wir mit einem Schmunzeln auf unseren Tischen liegen sehen. Ich erinnere daran, daß ich im Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages bei der Beratung dieses Ansatzes anhand des vorhandenen Zahlenmaterials aus dem Jahre 1976 nachgewiesen habe, daß ein wesentlich geringerer Bedarf bestand als der im Haushaltsvoranschlag angesetzte. Ich habe damals eine Kürzung dieses Titels um 150 Millionen DM beantragt. Sie haben sie abgelehnt mit der Begründung, das sei unrealistisch und die Schätzungen stimmten nicht. ({6}) Inzwischen haben Sie sich offenbar von der Richtigkeit meiner Zahlen überzeugt und kommen jetzt mit dem gleichen Kürzungsantrag, nur um 20 Millionen DM weniger. Allerdings hat sich inzwischen herausgestellt, daß die Kürzung der Prämie in der Grundförderung von 23 % auf 18 % in einem stärkeren Maße zur Abwanderung von der Beantragung der Wohnungsbauprämie auf die Ausnutzung der Möglichkeit des Sonderausgabenabzugs bei der Einkommensteuer geführt hat, so daß wir nach dem heutigen Erkenntnisstand eine Kürzung dieses Ansatzes um 200 Millionen DM für berechtigt halten und beantragen. Es handelt sich um eine gesetzliche Verpflichtung. Niemandem wird dadurch seine Wohnungsbauprämie verkürzt. Es geht um eine realistische Einschätzung des Bedarfs im Haushalt. Ich möchte noch ein Wort zu einem erfreulichen Punkt sagen. Wir begrüßen es - hier haben wir eine Gemeinsamkeit -, daß in den Beratungen des Ausschusses nach der Grundsatzentscheidung der Fraktionen noch die Bewilligung der Mittel für die Weiterführung der Planungen von Bundestag und Bundesrat aufgenommen werden konnte. Als Bonner Abgeordneter darf ich zum Schluß ein Wort zu dem Kapitel 25 04, das ja auch hier ressortiert, sagen. Es ist einerseits begrüßenswert, daß in Erfüllung des Finanzvertrages aus dem Jahre 1970 auch in diesem Etat die daraus resultierenden rechtlichen Verbindlichkeiten des Bundes im Jahre 1977 gegenüber der Stadt Bonn und den Umlandgemeinden abgedeckt werden. Es besteht aber kein Zweifel darüber, daß dieser Finanzvertrag aus dem Jahre 1970 überholungsbedürftig ist, nicht nur deshalb, weil er in absehbarer Zeit ausläuft und dann ohnehin über eine Anschlußregelung zu verhandeln wäre, sondern insbesondere deshalb, weil sich durch Sonderbelastungen und in Konsequenz der Finanznot der Gemeinden schlechthin auch die Finanzsituation der Bundeshauptstadt und ihrer Nachbargemeinden so verschlechtert hat, daß sie heute nicht mehr in der Lage sind, alle Möglichkeiten dieses Vertrages so, wie er ursprünglich gedacht war, auszuschöpfen. Dies zwingt für die Zukunft zu neuen Überlegungen. ({7})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Abgeordnete Stöckl.

Wilhelm Stöckl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002257, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Hauser hat sehr viel Negatives über diesen Haushalt gesagt. Er hat von spärlichen Mitteln und Konzeptionslosigkeit gesprochen. Nun, das steht der Opposition zu. Wir dagegen dürfen und müssen darstellen, was in diesem VierMilliarden-Haushalt mit einer überdurchschnittlichen Steigerung von zirka 8 °/o wirklich steht und was diese Mittel bewirken können, wenn auch die Länder ihre Verpflichtung für die Wohnungsbauförderung erkennen. ({0}) Die Länder sind es eigentlich, die verpflichtet sind. Nach Artikel 104 des Grundgesetzes gewährt der Bund Hilfen. Aber die Länder verlassen sich dabei immer mehr auf den Bund. Ich möchte einige Schwerpunkte aus dem Einzelplan 25 ansprechen, der primär ein Plan für die Wohnungsförderung ist. Die Grundförderung wurde bereits im Dezember 1976 verteilt, damit die Kontinuität in der Förderung des Wohnungsbaues und damit auch das weitere Ansteigen der Konjunktur gewährleistet sind. Durch das Regionalprogramm, das wichtigste Programm, können im Jahre 1977 etwa 50 000 Wohnungen gefördert werden. Das entspricht einem Investitionsvolumen von 6 Milliarden DM. Mit der weiteren Aufstockung, die wir beantragen und der die Opposition erfreulicherweise zustimmen will, werden weitere 4 Milliarden DM auf den Weg gebracht. Wir bringen damit einen Antrag ein, der besagt, daß bei Kapitel 25 02 die Verpflichtungsermächtigung um 1,3 Milliarden DM auf 3 458 Millionen DM angehoben wird. Das ist eine Gesamtförderung im Regionalprogramm von 70 000 bis 80 000 Wohnungen in diesem Jahr. Das paßt ausgezeichnet in die Konjunkturlandschaft. Die beschäftigungspolitischen Wirkungen können Sie sich ausrechnen. ({1}) Als Berichterstatter darf ich auf den Tit. 882 03 aufmerksam machen, bei dem 525 Millionen DM eingesetzt sind. Dies sind die Zuschüsse aus dem Investitionszuschußprogramm, die für Mietwohnungen, Genossenschaftswohnungen und Wohnheime im sozialen Wohnungsbau eingesetzt waren. Die Zahl zeigt, wie genau dieses Gesetz auf den Bedarf und die Bedürfnisse zugeschnitten war. Nachdem wir ursprünglich mit einem Bedarf von 230 Millionen DM gerechnet haben, können wir jetzt feststellen, daß das Programm mit ungefähr 1 Milliarde DM in Anspruch genommen wird. Die Bauindustrie und das Baunebengewerbe sollten sich in bezug auf diese Tatsache einmal überlegen, welche Situation wir im Lande hätten, wenn nicht seitens des Staates derartige Hilfen gegeben worden wären. Bei der Bewertung solcher Fakten wird auch der ewige Vorwurf der Opposition und ihrer Freunde, wir hätten „zuviel Staat", ein wenig durchsichtig. ({2}) Viele, die bei dem Wort „Wirtschaftssteuerung" oder „Wirtschaftslenkung" gleich rot sehen, lassen sich eine solche Stützung und Lenkung gern gefallen, wenn sie damit den Bestand ihres Unternehmens retten können. ({3}) Das Modernisierungsprogramm des Bundes und der Länder, das Teil dieses Haushalts ist, ermöglicht im Jahre 1977 Zuschüsse von 144 Millionen DM und Darlehen in Höhe von 38 Millionen DM. Damit ist die Wert- und Wohnwerterhaltung von ungefähr 50 000 Wohnungen gesichert. Daraus ist die besondere Bedeutung dieses Programms für die Erhaltung der Wohnfunktion ersichtlich, besonders in den Städten, die sonst allzu leicht in die Gefahr kommen, nur noch dem Wirtschaftsleben zu dienen, ein Handels-, Versicherungs-, Geschäfts- und Gaststättengetto zu werden. Dem zu befürchtenden Absterben der Stadtkerne, besonders in historischen Städten, begegnet das Bundesprogramm nach dem Städtebauförderungsgesetz, durch das bisher 1,35 Milliarden DM als Ar stoß für Investitionen von 4 Milliarden DM in die Städte geflossen sind. Zur Städtebauförderung sind in diesem Jahr insgesamt 190 Millionen DM eingesetzt. Ich möchte aber darauf aufmerksam machen, daß durch das 16-Milliarden-Programm, das immer so gern vergessen wird - für viele Länder ist es quasi ein Programm der Länder, weil sie es verteilen -, weitere 320 Millionen DM in diesem Jahr in Anspruch genommen werden können. Alle diese Maßnahmen dienen überwiegend der Erhaltung, Erneuerung und der Strukturverbesserung von Innenstadtgebieten, der Schaffung leistungsfähiger Dorfkerne - auch das ist wichtig - und dem Bau neuer Ortsteile oder neuer Orte. Auch in diesem Bereich zielt der Einzelplan 25 auf die Sicherung der Lebensqualität durch Verbesserung der Wohn- und Wohnumweltverhältnisse für unsere Bürger ab. So verwirklicht die Koalition Schritt für Schritt ihre Absichten zugunsten einer breiten Masse der Bürger dieser Republik. Noch benachteiligten kleineren Gruppen muß allerdings eine besondere Hilfe zuteil werden, wie es auch im Regierungsprogramm klar ausgedrückt ist. Die Einlösung dieses Versprechens zeigt sich im Sozialprogramm des Einzelplans, in dem für kinderreiche Familien - das hat Herr Hauser angesprochen und darauf hingewiesen -, für alte Menschen und Schwerbehinderte eine Förderungssumme von zirka 360 Millionen DM vorgesehen ist. Damit können 23 000 Wohnungen und Heimplätze gefördert werden. Das Investitionsvolumen beträgt 2 Milliarden DM. Während der Haushaltsberatungen hat der Haushaltsausschuß die für den Aussiedlerwohnungsbau vorgesehenen Mittel dem steigenden Bedarf angleichen müssen. Ich muß sagen, die Erfolge der Vertragspolitik dieser Koalition haben es bewirkt, daß mehr Aussiedler aus den Ostblockländern in die Bundesrepublik gekommen sind. So müssen wir heute für einen Personenkreis von 58 000 Menschen sorgen. Damit ist wiederum die Summe um 75 Millionen DM auf 244 Millionen DM erhöht worden. 7000 Sozialwohnungen können mehr gebaut werden, wenn sich die Länder ebenso beteiligen. Ich könnte nun noch auf einige Details dieses Planes eingehen, weil sie auch ganz interessant sind. Die Zeitnot läßt mir aber nur einige kurze Bemerkungen. Wir haben z. B. in diesem Plan 1 Million DM für 1977 bereitgestellt mit 3 Millionen DM Verpflichtungsermächtigung für Kunst am Bau, zur Förderung von schaffenden Künstlern. Das ist auch ein Punkt des Regierungsprogramms. Ich möchte noch kurz auf die Forschungstätigkeit des Ministeriums - 13 Millionen DM - hinweisen. Sie ist besonders im Hinblick auf Energieeinsparung und solche Dinge wichtig. Nun zu den Problemen Wohngeld und Raumordnung und zu dem, was über Konzeptionslosigkeit gesagt worden ist. Das kann ich übrigens nicht unterstreichen. Z. B. hat Staatssekretär Abreß in einem Bulletin der letzten Zeit den Wohnbedarf von 400 000 Wohnungen in der Bundesrepublik klar herausgestellt. Es ist klargemacht worden, daß das Regionalprogramm nach 1978 fortgeführt werden soll. ({4}) Ich möchte bitten, daß auf diese Fragen der Herr Minister eingeht, der ja diese Konzeption mitzuverantworten hat. Ich möchte noch auf den Antrag, den wir gestellt haben und auf den Herr Hauser schon eingegangen ist, zurückkommen. Er betrifft die Kürzung der Wohnungsbauprämien um 130 Millionen DM. Ich verstehe, daß Sie schmunzeln, Herr Hauser. Wir haben aber bei dieser Geschichte fünf Monate gewartet und nach den neuesten Berechnungen des Finanzministeriums der ersten fünf Monate festgestellt, daß es einen geringeren Ablauf der Mittel gibt. Allerdings - ich habe sie auch für die kommenden sieben Monate hochgerechnet - ist es nicht möglich, auf 900 Millionen DM zurückzugehen, wie Sie es taten. Nach unserer genauen Rechnung liegen wir mindestens bei 950 Millionen DM. Eingedenk des Urteils des Bundesverfassungsgerichts möchte ich keine überplanmäßigen Ausgaben haben. Deshalb bleiben wir bei 970 Millionen DM. Wir setzen uns dafür ein. Ich denke - damit will ich zum Abschluß kommen -, daß dieser Haushalt, der 1977 - darauf möchte ich auch hinweisen, Herr Hauser - 26 000 Wohnungen mehr fördert als 1976, geeignet ist, zur Verbesserung und Sicherung der Wohn- und Umweltverhältnisse beizutragen. Das bedeutet auch Sicherung der Lebensqualität. Deshalb stimmen wir diesem Haushalt mit Überzeugung zu. ({5})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Abgeordnete Schneider.

Dr. Oscar Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002048, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der gebotenen Kürze das Wichtigste zum Einzelplan 25. Das Zahlenbild allein gibt natürlich kein Bild von dem, was an Problemen in diesem Ressortbereich ansteht. Hätten wir genügend Zeit, würde ich ausführlich einmal über den Stellenwert der Wohnungspolitik in der sozialliberalen Koalition reden. Ich müßte feststellen, daß dieser Stellenwert erheblich abgenommen hat. Ich würde dann reden über die Rangstufe der Raumordnungpolitik, über die Bedeutung der Wohnungswirtschaft für den ökonomischen Gesamtprozeß, über die Lage und Zukunft des sozialen Wohnungsbaus, über die Städtebaupolitik im Zusammenhang mit Maßnahmen der Sanierung, Modernisierung und Denkmalpflege und schließlich über die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen zwischen Mieter und Vermieter. In einigen wenigen Strichen zu jedem Kapitel etwas. 1969 begann die sozialliberale Koalition mit der Regierungserklärung vom 28. Oktober. Damals hieß es - ich darf zitieren -: Umwelt und Lebensverhältnisse werden sich in den 70er Jahren immer rascher verändern. Besonders auf den Gebieten der Raumordnung, des Städtebaus und des Wohnungsbaus werden daher systematische Vorausschau und Planung immer wichtiger. Die Bundesregierung bietet Ländern und Gemeinden an, Vorstellungen für einen langfristig angelegten Städtebau zu entwickeln. Meine Damen und Herren, ich stelle fest, daß in den letzten acht Jahren auf diesem Gebiet nichts auf die Welt gekommen ist, was Hände und Füße gehabt hätte. ({0}) Am schlimmsten steht es natürlich mit der mittelfristigen Finanzplanung. Da darf ich noch einige Worte nachholen. Es gibt keine mittelfristige Finanzplanung auf dem Gebiet des Wohnungs- und Städtebaus. ({1}) Das ist eine Bankrotterklärung der Wohnungsbaupolitik insgesamt. Zwar ist zu begrüßen, daß das Regionalprogramm der Bundesregierung 1977 voll verwirklicht wird - geplant war ja, es nicht mehr fortzuführen -, und es ist auch zu begrüßen, daß das Regionalprogramm 1978 noch einmal fortgeführt wird, ({2}) aber das ist eine Einzelmaßnahme und bedeutet keine Fortführung der mittelfristigen Finanzplanung. Es ist sehr zu beklagen, daß das Intensivprogramm nach dem derzeitigen Stand der Entscheidungen der Bundesregierung zum 31. Dezember 1977 ersatzlos ausläuft. Das heißt: keine Sonderleistungen mehr für kinderreiche Familien, keine Sonderleistungen mehr für junge Familien und die Personengruppen, die in besonderem Maße der sozialen Hilfe der öffentlichen Hand bedürfen. Meine Damen und Herren, die Wohnungspolitik hatte lange Zeit unter einer ideologischen Fehlsteuerung gelitten. Die Diskussionen darüber haben sich zwar beruhigt, aber eines ist nicht wiederherDr. Schneider gestellt, nämlich die soziale und ökonomische Symmetrie in der Wohnungswirtschaft. In dieser Bundesregierung hat man immer noch nicht verstanden oder will es nicht erkennen oder will es nicht zugestehen, daß die Wohnung einerseits ein hohes Wirtschaftsgut, andererseits ein hohes Sozialgut ist und daß sich die Wohnungspolitik, soll sie insgesamt stimmig sein, unter diesen beiden Aspekten ausrichten muß. Herr Staatssekretär Abreß hat am 25. April 1977 in Hamburg u. a. erklärt - und da stimme ich ihm zu -, das Hauptproblem liege darin, daß hierzulande Wohnungspolitik als subsidiäre Politik begriffen werde, d. h. als marktunterstützende und nur bei Marktversagen intervenierende Politik. Alle Initiativen auf dem Felde der Wohnungswirtschaft gingen nicht vom Bauminister, sondern vom Wirtschafts- und vom Sozialminister aus. Arbeitsmarktpolitische Überlegungen waren maßgeblich für die Entscheidungen, die im Detail zu begrüßen sind, nicht aber eine zielstrebige, insgesamt stimmige Wohnungspolitik dieser Regierung. ({3}) Der Herr Bundeskanzler hat am 20. Mai in Hamburg vor dem Deutschen Mietertag eine Rede gehalten. Wenn sie freilich auch sehr enttäuschend war, so war sie in einigen Punkten doch bemerkenswert. ({4}) - Sehr richtig! Nunmehr waren wir interessiert, diese Ausführungen im einzelnen zu analysieren. Gegen alle sonstige Gewohnheit hat der Herr Bundeskanzler diese seine Hamburger Rede in das Bulletin aber nicht aufnehmen lassen. Er hat also mit einem schlechten Gewissen gesprochen. Was er gesagt hat, will er heute offentsichtlich nicht mehr wahrhaben. Denn alle Bemühungen, in den Besitz des Wortlauts dieser Rede zu kommen, sind bisher gescheitert. ({5}) Meine Damen und Herren, heute steht in der Zeitung, daß es die Sozialdemokraten - so jedenfalls ein Münchener Abgeordneter der SPD - zur Koalitionsfrage machen, wenn Gedanken weiter verfolgt werden, die u. a. Herr Kollege Wurbs bei der Wohngelddebatte aufgegriffen hat. Es geht um die Frage der Fortentwicklung und Wertung des Zweiten Wohnraumkündigungsschutzgesetzes. ({6}) - In Bayern gehn die Uhren richtig. ({7}) Meine Damen und Herren, auch Herr Kollege Krockert - wo ist er denn? - hat gesagt: Das Mietrecht ist keine Manövriermasse der Politik. Gut, ich stimme ihm in diesem Punkt ausdrücklich zu. Darum geht es aber gar nicht. Die Opposition bekennnt sich ausdrücklich zu einem sozialen Mietrecht und zu den vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 23. April 1974 festgestellten Grundsätzen über die Ausgestaltung des Mietrechts und des Mietpreisrechts. Die Forderung nach einer Überprüfung des Mietpreisrechts und der Vergleichsmiete läßt das soziale Mietrecht in seiner Substanz und in seinem Wesensgehalt unangetastet. ({8}) Niemand von CDU und CSU will, daß jemandem wegen seiner schwächeren sozialen Leistungsfähigkeit der Grundanspruch auf eine angemessene Wohnung verwehrt werde. Die Wohnungspolitik hat im Gegenteil alle Anstrengungen darauf zu verwenden, diesen Anspruch zu erfüllen und zu gewährleisten. Gerade diese Bundesregierung erfüllt diesen Anspruch nicht. ({9}) Wer zu vertreten hat, daß Sozialmieter ihre Wohnung deshalb räumen müssen, weil die im sozialen Wohnungsbereich zulässige Kostenmiete ihre finanzielle Leistungsfähigkeit übersteigt und auch das Wohngeld nicht mehr ausreicht, die dem politischen System immanente, vorprogrammierte, bewußt überhöhte Miete, Herr Kollege Conradi, zu bezahlen, der handelt unsozial, und diesen Zustand haben wir. ({10}) Es geht bei der Novellierung des Zweiten Wohnraumkündigungsschutzgesetzes nur darum, daß der Vermieter einer frei finanzierten Wohnung nicht schlechtergestellt wird als derjenige, der mit öffentlichen Mitteln Wohnraum errichtet hat. Die Vergleichsmiete führt dazu, daß jemand, der eine Miete streng nach den Grundsätzen der Zweiten Berechnungsverordnung, also im Rahmen der geltenden Bestimmungen des sozialen Wohnungsbau, festlegt und der mit dieser so ermittelten Miete um 10 oder 20 % - je nach Berechnung - über der örtlichen Vergleichsmiete liegt, bei Neuabschluß eines Mietvertrages mit dieser Miete nach § 5 des Wirtschaftsstrafgesetzbuchs mit schwerer Buße belegt wird. Darum geht es. Es geht ausschließlich darum, die ökonomische Schlüssigkeit wiederherzustellen. ({11}) - Das hat mit Wucher gar nichts zu tun. Nach dem geltenden Recht kann derjenige bestraft werden, der eine Miete bei Neuabschluß nach den Grundsätzen und Leitlinien und zulässigen Zahlenwerten der Zweiten Berechnungsverordnung im sozialen Wohnunngsbau festlegt, wenn diese Wohnungsmiete über 20 % der örtlichen Vergleichsmiete liegt. Das ist ein unmöglicher Zustand. Es ist ebenso ein unmöglicher Zustand, wenn heute beispielsweise in § 541 a des Bürgerlichen Gesetzbuches bestimmt wird, daß der Hauseigentümer, der eine Modernisierung vornimmt, dem Mieter gegenüber einen Duldungsanspruch geltend mache kann, sofern er nur öffentliche Mittel in Anspruch nimmt. Nimmt er aber keine öffentlichen Mittel in Anspruch, steckt er also ausschließlich privates Geld rein, dann hat er diesen Duldungsanspruch nicht. Es wird höchste Zeit, daß auch dies geändert wird. ({12}) Eine abschließende Bemerkung. Aus einer Kabinettsvorlage vom 18. Mai 1977 wissen wir, daß sich die Bundesregierung der Schwierigkeiten und ihrer Ursachen auf dem Felde der Wohnungswirtschaft durchaus bewußt ist. ({13}) Sie hat in der Diagnose alles richtig gesehen - ich kann es nicht mehr näher ausführen -, aber sie hat nicht den Mut, sie hat nicht die Kraft, sie hat nicht die Geschlossenheit, sie hat nicht die Weitsicht und sie hat offensichtlich nicht genügend ökonomisches, soziales Gewissen, aus der Erkenntnis die richtigen Schlüsse zu ziehen. ({14})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Abgeordnete Gattermann.

Hans H. Gattermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000637, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was für den Entscheidungsprozeß, der beim Verteidigungshaushalt in der Opposition gelaufen ist, gilt, das gilt in kleinerem Maße auch für den Entscheidungsprozeß bei diesem Einzelplan 25. Dies war und ist nämlich insgesamt ein Lehrstück für die parlamentarische Behandlung eines Haushaltsplans durch eine Opposition mit Strategiedefizit. ({0}) - Meine Damen und Herren, da hat nämlich am 25. März der Kollege Nordlohne die Zustimmung seiner Fraktion zu diesem Einzelplan angekündigt, ({1}) wenn auch - immer aussprechen lassen, Herr Kollege Jahn - unter der Voraussetzung der Prüfung von Einzelpunkten. ({2}) Wir waren damals sehr froh, daß hier der Weg einer konstruktiven, kritischen Oppositionspolitik beschritten schien. ({3}) Wir erwarteten die Ablehnung von Einzelpositionen, wir erwarteten Änderungsanträge und erwarteten dann am Ende eine Wertung der übriggebliebenen Kritikpunkte, die dann entweder zur Ablehnung oder trotzdem zur Zustimmung führt. Aber dann, ganz plötzlich, ohne daß ein äußerer Anlaß erkennbar gewesen wäre, wurde in der nächsten Sitzung am 19. April angekündigt, wegen des Fehlens einer Grundkonzeption ({4}) - ich komme gleich darauf zurück - müsse dieser Einzeletat abgelehnt werden; jetzt also plötzlich das Umschwenken zu der bekannten Negationsstrategie ohne Alternative, die irgendwo machtpolitisch orientiert ist. ({5}) Ich halte es für legitim, so zu handeln, meine Damen und Herren, aber es bleibt zu hoffen, daß die Strategiekommission der Unionsparteien nun endlich bald zusammentritt - am 6. Juli soll es ja geschehen ({6}) - am 6. Juli -, und ich hoffe, daß man dabei auch zu Ergebnissen kommt, damit wir alle - und insbesondere die Bürger dieses Landes - auch wissen, woran wir sind, und damit es Ihnen, meine Damen und Herren, auch nicht so schwerfällt, wechselnde Entscheidungen begründen zu müssen. ({7}) - Herr Kollege Jahn, Sie wissen um die Zeitbegrenzung. Ich kann Ihnen Ihre Zwischenfrage leider nicht gestatten. ({8}) Meine Damen und Herren, wenden wir uns ernsthaft der Frage nach dem Wohnungsbaukonzept für das Jahr 1977 zu. ({9}) Stellen wir die bei diesem Haushaltsplan 1977 legitime und relevante Frage, ob durch diesen Einzelplan Wege in die richtige Richtung verbaut werden oder nicht; im negativen Falle wäre das für uns ein Grund, diesen Haushaltsplan nicht zu billigen. Meine Damen und Herren, niemand leugnet, daß die Welt des Wohnungsbaus nicht mehr uneingeschränkt in Ordnung ist. Der Markt nimmt die Wohnungsproduktion nicht mehr undifferenziert auf. Der Nachholbedarf ist - mindestens global - gedeckt. Die Inflationsmentalität in ihrer Ausdrucksform der Flucht in das „Betongold" ist überwunden, ist abgebaut. Und die Konsequenz daraus - da stimmen wir in der Analyse völlig überein -: Der private, der frei finanzierte Mietwohnungsbau ist praktisch zum Erliegen gekommen. ({10}) Die Produktion der sozialgeförderten Wohnungen ist wegen des hohen Subventionsbedarfs dieser Wohnungen stark rückläufig. ({11}) - Das hat damit nichts zu tun; ich komme darauf noch zurück. ({12}) Wir haben allerdings durch den Eigenheim- und Eigentumswohnungsbau einen relativ stabilen Sockel. Dies ist dann in der Tat der Zeitpunkt, zu dem man die Frage zu stellen hat, die die Bundesregierung in den Finanzplan hineingeschrieben hat. Man hat nämlich nun in der Tat eine Bestandsaufnahme durchzuführen, man hat eine Neuorientierung durchzuGattermann führen. Und die Bundesregierung hat dies ja nicht nur in den Finanzplan hineingeschrieben; sie hat ja auch bereits entsprechende Prüfungsaufträge erteilt. Das, was dabei herauskommt, wird sicherlich sehr positiv sein. Herr Kollege Schneider hat eben gesagt - und ich stimme ihm da völlig zu -, daß die Analyse, die die Bundesregierung durchgeführt hat, richtig ist. Meine Damen und Herren, nicht nur die Wohnungsbedarfssituation, sondern auch sonstige Rahmenbedingungen der Wohnungspolitik haben sich verändert. Ich wollte nun eigentlich im einzelnen Ausführungen über jene veränderten Rahmenbedingungen machen, die sich aus städtebaulicher Sicht und auch aus der Verbindung von sozialpolitischer Wohnungsversorgungsverpflichtung und Kostensituation ergeben. Aus Zeitgründen will ich mir dies ersparen. Ich darf nur so viel sagen: In diesen Bereichen gibt es klare Konzeptionen der Bundesregierung, und wenn beklagt worden ist, daß in der Finanzplanung z. B. bezüglich des Intensivprogramms noch ein Strich steht, so zeigt das nur die besondere Verantwortung dieser Bundesregierung, die gerade dabei ist, die Eckdaten zu ermitteln, um bei der Fortschreibung dieser Finanzplanung mit dem nächsten Haushaltsplan und in diesem Haushaltsplan die ausreichenden und notwendigen Mittel einzustellen. Aber wenden wir uns dem in der Tat kritischen Bereich der allgemeinen Neubausituation zu. Hier ist zu berücksichtigen, daß der rein numerische Bedarf regional höchst unterschiedlich ist. Wir müssen einkalkulieren, daß die geburtenstarken Jahrgänge, die bis 1985 in den Arbeitsprozeß drängen, mit einer gewissen Zeitverzögerung auch Wohnungsnachfrager werden. Wir werden bei dieser Entwicklung auch die Einkommensentwicklung, die Einkommenserwartung und die sich daraus ableitenden, verändernden Wünsche der Wohnungsnachfrager, deren Zahlungsbereitschaft und -fähigkeit zu berücksichtigen haben. Natürlich fehlen im Augenblick auch gesicherte statistische Daten über den Zustand des Wohnungsbestandes, aus denen man - ({13}) - „Natürlich" als Zustimmung zu Ihrer entsprechenden kritischen Anmerkung. ({14}) Das Gesetz liegt dem Hohen Hause vor. Im Frühjahr 1978 wird die Fortschreibung erfolgen, ({15}) so daß dann konkrete Zahlen dafür vorliegen werden, wo modernisiert und saniert werden kann und wo der Neubau nötig ist. ({16}) Ich will noch ein Wort zu den mietrechtlichen Rahmenbedingungen sagen. ({17}) - Meine Damen und Herren, nun machen Sie doch nicht immer die Zwischenrufe. Ich komme doch mit meiner Zeit nicht aus. Seien Sie doch ein bißchen fair! ({18}) Zu diesem Komplex des frei finanzierten Wohnungsbaus gehören diese Rahmenbedingungen. Das ist unbestreitbar. Man mißt diesen Rahmenbedingungen in der öffentlichen Diskussion eine Ursachenwirkung für die Zurückhaltung privater Investoren bei. Ich will jetzt diese Frage materiell im einzelnen gar nicht untersuchen. Dafür fehlen nämlich in der Tat Daten, die die Bundesregierung zunächst einmal sammeln und aufbereiten muß. ({19}) Ich will nur betonen, daß diese sozialliberale Koalition mit dem Ersten und besonders auch mit dem Zweiten Wohnraumkündigungsschutzgesetz ganz bestimmte Ziele verfolgt hat. Ich darf diese Ziele noch einmal in die Erinnerung zurückrufen. Die Mieter sollten vor unberechtigten Kündigungen geschützt werden. Die Mieter sollten vor unberechtigten Mieterhöhungen geschützt werden. Und die Vermieter sollten dennoch die Möglichkeit haben, die zur Erhaltung einer angemessenen Rentabilität ihres Eigentums notwendigen Mieterhöhungen vorzunehmen. An diesen Zielsetzungen hat sich nichts, aber auch gar nichts geändert. Nur kommt es ja gelegentlich vor, daß ein Gesetz in der Praxis, insbesondere auch durch die Interpretation der Rechtsprechung, nicht so wirkt, wie es den Intentionen des Gesetzgebers entspricht. Genau deshalb haben wir doch - ich war nicht beteiligt, aber Sie, die Sie schon länger diesem Hohen Hause angehören - mit der Verabschiedung dieses Gesetzes der Regierung den Auftrag erteilt, die Auswirkungen des Gesetzes in einem Bericht vorzulegen. Es mutet in der Tat ein wenig abwegig an, und das möchte ich hier mit allem Nachdruck sagen, wenn jene Auguren, von denen es im Augenblick in diesem Lande die Fülle gibt, wenn jene Auguren, deren Horizont über vordergründige Koalitionsfragen nicht hinausgeht, auch in dieser Frage nun schon wieder einen Sprengsatz für die Koalition sehen. So in der „Süddeutschen Zeitung" nachzulesen. ({20}) - Ich habe von Auguren gesprochen. Ich habe nicht von der CDU/CSU gesprochen; ich habe auch nicht von der SPD gesprochen. Ich habe von Auguren gesprochen. Nehmen Sie das Wort doch so in seiner Bedeutung, wie ich es gesagt habe. ({21}) Hier geht es der sozialliberalen Koalition ausschließlich um ihre gemeinsamen Sorgen für und um den frei finanzierten Wohnungsbau und um das gemeinsame Bemühen der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen um die Wiederbelebung dieses frei finanzierten Wohnungsbaues - und um sonst gar nichts. Wir - d. h. FDP und SPD - wollen gemeinsam den Mietern in unserem Lande nicht nur Rechte, wir wollen ihnen auch Wohnungen geben. ({22}) - Lassen Sie mich doch aussprechen, ich will den Gedanken unterstützen, damit er noch schöner wird. Die kluge Bemerkung des polnischen Satirikers Brudzinski soll jedenfalls auf uns nicht zutreffen, die da lautet: Sie garantierten gesetzlich die Mittagspause, vergaßen aber für das Mittagessen zu sorgen. Dies wird der sozialliberalen Koalition, was die Wohnungsversorgung unserer Bevölkerung betrifft, mit Sicherheit nicht passieren. ({23}) Wir können doch genausogut Statistiken lesen wie Sie. Wir wissen genausogut wie Sie, daß die Wohnungsproduktion im letzten Jahr und insbesondere im ersten Quartal dieses Jahres auf einem Stand angelangt ist, bei dem man sich ernsthaft Gedanken machen muß, wie diese Produktion wieder erhöht werden kann. Daran kann doch kein Zweifel bestehen. Wir werden diese Maßnahmen treffen. Die Bundesregierung ist dabei, sie auszuführen. Hier ist eben gesagt worden, daß 1,3 Milliarden DM für 30 000 zusätzlich zu fördernde Wohnungen allein in diesem Jahr eingestellt worden sind. Hier ist betont worden, daß das Regionalprogramm im nächsten Jahr uneingeschränkt fortgesetzt wird. Die Bundesregierung hat vernünftiger- und sinnvollerweise dem zuständigen Ressortminister den Auftrag gegeben, einen Bericht und ein Modell vorzulegen, wie dieses Regionalprogramm nach 1978 fortzusetzen ist. Auch dort wird es wieder Gemeinsamkeiten geben; deshalb verstehe ich nicht, warum Sie den Haushalt ablehnen. Es wird Gemeinsamkeiten geben. Bei der Fortsetzung des Regionalprogramms wird ein noch stärkerer Akzent auf Eigentumsmaßnahmen gelegt werden. Sie können davon ausgehen, daß dies so sein wird. Das wird in der Bundesregierung, in der SPD-Fraktion und bei uns so gesehen. ({24}) - Das ist nicht richtig, Herr Dr. Jahn. Natürlich können wir nicht aus diesem Lande zu 100 % ein Volk von Eigentümern machen. ({25}) Es gibt einen mobilen Teil der Bevölkerung, für den müssen Mietwohnungen gebaut werden. Mein kluger Geschäftsführer hat mir gerade die Uhr gezeigt; er hat signalisiert: Es ist gleich Schluß, also komm' zum Ende. ({26}) Das will ich denn auch tun. ({27}) - Wie oft soll ich denn noch sagen, daß Sie mit diesen Zurufen aufhören sollen. ({28}) - Ich hoffe, Sie merken, wie es mich motiviert. Ich komme zum Schluß. Die Perspektiven, die ich Ihnen im einzelnen aufzeigen wollte und die nun aus Zeitmangel nicht alle aufgezeigt werden können, werden durch diesen Haushaltsplan im Trend der Entwicklung in den Einzelansätzen in keiner Weise behindert. Der im Haushaltsplan 1977 ausgewiesene Verpflichtungsrahmen für die Maßnahmen Intensivprogramm, Regionalprogramm, Flüchtlingswohnungsbau usw. - ist der Haushaltslage und der Versorgungslage anno 1977 angemessen. Genau das ist der Grund, warum die Fraktion der Freien Demokratischen Partei diesem Einzelplan zustimmen wird. ({29})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Bundesminister Ravens.

Karl Ravens (Minister:in)

Politiker ID: 11001785

Frau Präsident! Meine Damen und Herren! In der gebotenen Kürze und um die interfraktionelle Verabredung nicht zu stören, nur ein paar Bemerkungen. Herr Kollege Schneider und die Sprecher der Opposition kommen ja von dem Thema Konzeption im öffentlich geförderten Wohnungsbau nicht weg. Ich habe den Eindruck, Herr Kollege Schneider, ({0}) man hört nicht mehr zu, weil alles so schön in einer Rille läuft, oder man will nicht zuhören, sondern es immer wieder neu sagen. Deswegen langsam zum Mitschreiben dieses: Der Herr Kollege Schneider war in Hamburg beim Mietertag. Er war ein aufmerksamer Zuhörer, wie ich mir habe sagen lassen. Deswegen war er ja auch so gut informiert. ({1}) - Das ist doch großartig. Ich weiß nicht, was Sie daran so schrecklich finden. Aber noch einmal langsam zum Mitschreiben. Erstens. Diese Bundesregierung tritt dafür ein, daß Wohnungsbau eine gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern bleibt. ({2}) Dabei richtet sie sich nach dem, was in der Verfassung steht. Das heißt, sie beteiligt sich an der Finanzierung des öffentlich geförderten Wohnungsbaus. Herr Kollege Schneider, weil ich das Klima zwischen Bund und Ländern nicht noch mehr stören will, als es von einigen Kollegen auf Länderseite heute schon gestört wird, will ich im Ausschuß gern einmal berichten, mit wieviel Prozent sich einige Länder überhaupt noch am öffentlich geförderten Wohnungsbau beteiligen. ({3}) Über mein Heimatland kann ich ja reden. Da sind es gerade 20 °/o, die das Land noch für eine Aufgabe aufbringt, die nach der Verfassung seine eigene ist. Den Rest bekommt es zur Zeit aus Bundesmitteln. Wir meinen: Es muß so sein, daß sich die Länder an der Förderung des öffentlichen Wohnungsbaus wieder überwiegend beteiligen. Wir meinen weiter, daß dabei in der jetzigen Situation ein Fördervolumen von ungefähr - um die Zahl zuerst zu nennen - 120 000 Wohnungen gemeinsam von Bund und Ländern erreicht werden sollte. Für wen? Die Zahl sagt ja noch nichts aus. Im Rahmen des Sozialprogramms, also dort, wo Bund und Länder mit hohen Darlehensbeträgen finanzieren: zunächst für die kinderreichen Familien, die in der Bundesrepublik immer noch einen übergroßen Wohnungsbedarf haben und lange Zeit auf diesem Feld zu kurz gekommen sind. Die zweite Gruppe sind die Schwerbeschädigten in unserem Lande. Herr Kollege Schneider, ich bin stolz darauf, daß unter meiner Federführung oder unter meiner Mitarbeit bei Dr. Lauritz Lauritzen erstmals überhaupt der Bau von Schwerbehindertenwohnungen in die öffentliche Förderung hineingenommen wurde. ({4}) Ich denke vor allem an Querschnittsgelähmte und Rollstuhlfahrer. Sie sind früher zu kurz gekommen. Das ist eine wichtige Aufgabe. Dazu gehört auch die Verbesserung der baulichen Umwelt. Dafür hat sich meine Bauabteilung in den letzten Jahren ganz nachdrücklich geschlagen. Es wird heute kein Bundesgebäude mehr gebaut, in dem nicht Einrichtungen vorhanden sind, damit Rollstuhlfahrer und Schwerbehinderte dieses Gebäude ohne Behinderung betreten können. ({5}) Ich halte das für eine ganz wichtige Sache. ({6}) - Gut! Dann können Sie ja heute zustimmen. Aber Sie dürfen nicht; ich weiß. Das paßt ja nicht in die Oppositionslinie. Sie dürfen nicht, Herr Kollege Jahn. ({7}) - Sie hören ja nicht zu. Ich erläutere ja gerade das Konzept. Für wen noch? Die dritte Gruppe sind die Alleinstehenden in unserem Land und unsere älteren Mitbürger. ({8}) Auch für sie gibt es ein Programm, das es vorher nicht gab und für das unter Sozialdemokraten Richtlinien aufgestellt worden sind. Dieser Teil betrifft die bisher Unterversorgten im Rahmen des Intensiv- und Sozialprogramms. ({9}) - Ich stelle ja auch keine Zwischenfragen, Herr Kollege Jahn. Meine 15 Minuten Redezeit sind eine kurze Zeit, und wir können ja noch im Ausschuß darüber reden. Ich habe ja sowieso manchmal das Gefühl, wir sollten das alles im Ausschuß besprechen. ({10}) Das könnten wir so, wie wir jetzt besetzt sind, ja ganz gut. Der zweite Punkt betrifft die Eigentumsbildung. Öffentliche Förderung im sozialen Wohnungsbau muß dazu führen, daß jene, die ohne öffentliche Hilfe kein Eigentum bekommen könnten, bei der Bildung von Eigentum gefördert werden. Ich erinnere an das Regionalprogramm. Eines der Stichworte dafür lautet: verbesserte Möglichkeiten des § 7 b Einkommensteuergesetz. ({11}) Ich verweise weiter auf die Bausparförderung und die dafür zur Verfügung gestellten hohen Mittel: in den letzten vier Jahren 5,6 Milliarden DM allein durch den Bund. Das sind Beträge, über die man ja wohl mal reden muß. Zur Eigentumsförderung: Mehr als die Hälfte der öffentlich geförderten Wohnungen sind seit zwei Jahren Eigentumswohnungen. Im Augenblick sind es 60 %. Dieser Satz ist vorher nie erreicht worden. Ich will das gar nicht polemisch überspitzen, denn das hilft uns nicht weiter. Es hat ja eine Zeit gegeben, wo es als erstes um ein Dach über dem Kopf ging. Jetzt können wir uns über die Förderung der Eigentumsbildung Gedanken machen. Der dritte Berreich ist die Bestandspflege. In einer Zeit, in der wir einen ausgeglichenen Wohnungsmarkt haben, müssen wir uns darum kümmern, daß der Altbestand im Wohnungsbau nicht verkommt. Die Antwort ist das Modernisierungsgesetz. Weitere Antworten sind der neue § 7 b des Einkommensteuergesetzes und die Grunderwerbsteuerbefreiung bei Eigennutzung. Ich hoffe sehr, daß der Bundesrat morgen diesen beiden Gesetzen seine Zustimmung gibt, weil sie ein wesentliches Instrument für die Städtebaupolitik sind. ({12}) Im Rahmen der Bestandspflege ergibt sich die Frage, wie modernisiert werden kann. Bund und Länder gemeinsam geben in diesem Jahr unmittelbare Modernisierungshilfen in Höhe von 304 Millionen DM. Eine mittelbare Hilfe für die Modernisierung wird durch eine zehnprozentige steuerliche Abschreibung gewährt. Das gilt für Gebäude, die vor dem 1. Januar 1957 gebaut wurden. ({13}) - In der „Wirtschaftswoche" kann man das diese Woche nachlesen. Dies ist ein Angebot, um unsere alten Städte nicht kaputtgehen zu lassen. Vierter Punkt der Konzeption: Wohnungsbau als Instrument des Städtebaus, Erhaltungspolitik als Instrument des Städtebaus, d. h. Städtebauförde2868 rungsgesetz, Stadtsanierung und Modernisierung, sowie neuer § 7 b des Einkommensteuergesetzes. ({14}) - Sie haben nach der Denkmalspflege gefragt. Sie wissen, daß ich damit nach der Verfassung gar nichts zu tun habe. Ich kann Ihnen Briefe Ihres Kultusministers zeigen, der mir damals als Präsident dieser Vereinigung gesagt hat: Du darfst darüber nicht einmal reden. - Inzwischen habe ich nun Geld dafür im Haushalt. Dieser Minister kann sich doch nicht durchsetzen, Herr Kollege. Inzwischen kann er mit Mitteln des Bundes, der Länder und der Gemeinden über Maßnahmen nach drei laufenden Programmen und nach dem neuen Zukunftsinvestitionsprogramm unsere alten Stadtteile, unsere gewachsenen alten Städte und schutzwürdige Gebäude erhalten. Ich halte dies für eine ganz wichtige Sache. ({15}) Nächster Punkt des Konzepts - so kann man das aneinanderfügen, wenn sich neue Fragen stellen -: Was tun wir eigentlich, um unseren Beitrag zur Energieeinsparung zu leisten? Da haben wir das neue Energieeinsparungsgesetz. Es gibt für Wärme-und Lärmschutzmaßnahmen Modernisierungsabschreibungen. Seit dem 1. Januar gibt es hierfür eine zehnprozentige Abschreibung. Auch dies gehört in das Konzept. Dazu gehört ferner, daß wir es jedermann wirtschaftlich ermöglichen, eine angemessene Wohnung zu bewohnen. Dafür haben wir in der vergangenen Woche die Novelle des Wohngeldgesetzes mit Mehrleistungen in Höhe von 700 Millionen DM verabschiedet. Danach erhalten weitere 300 000 Familien Wohngeld. Auch die 1,6 Millionen Familien, die bisher schon Wohngeld erhalten haben, bekommen nun mehr Wohngeld. Ich hoffe, daß der Bundesrat am 15. Juli diesem Gesetz zustimmen wird. Das ist die wirtschaftliche Sicherung. ({16}) Die rechtliche Sicherung ist das Mietrecht, das wir in diesem Hause einstimmig verabschiedet haben und nach dem ich verpflichtet bin, zusammen mit dem Justizminister 1979 einen Bericht vorzulegen. Diesen Bericht werden wir vorlegen. Dann wird das Gesetz vier Jahre in Kraft gewesen sein. Dann werden wir Erfahrungen haben. Dann können wir Urteile prüfen. Dann können wir Verwaltungsvorgänge prüfen. Auf diese Weise werden wir dann weiterkommen. ({17}) - Ich habe das gehört. Wir, die FDP und die SPD, haben gemeinsam gesagt: 1979 legt die Bundesregierung einen Bericht vor. Ich werde mich daran halten. Zuvor werde ich alles sorgfältig prüfen. Ich kann mir vorstellen, daß es einiges zu prüfen geben wird. ({18}) Bis dahin werden Urteile und anderes mehr vorliegen. Was aber nicht geht, ist, daß wir zu den Zuständen von 1970 zurückkehren, wo der Mieter in seiner Wohnung ein ungeschützter Mensch war. Dies können wir nicht. ({19}) - Herr Niegel will das ja anders. Er hat damals dem Gesetz als einziger im ganzen Deutschen Bundestag nicht zugestimmt. Der möchte immer noch das Hau-ruck-Verfahren: Mehr Miete oder raus! Das wollen wir doch wohl alle nicht. ({20}) Ich will erreichen - das hat der Bundestag doch auch mit dem Mietrecht gewollt -, daß der Mieter, der vertragstreu ist und seine Miete zahlt, geschützt ist. ({21}) - Herr Niegel, ich habe bereits gesagt, daß ich keine Zwischenfragen zulasse. ({22}) Wir wollen durch die Konzeption der Vergleichsmietrechnung zweitens erreichen, daß der Hauseigentümer eine ausreichende wirtschaftliche Sicherung seines Vermögens erhält. Dies ist genau das, worauf sich der Bundestag damals geeinigt hat. Unter diesem Gesichtspunkt werden wir das dann prüfen. Nun sagen Sie, der Bundesminister könne sich nicht durchsetzen und habe während dieser ganzen Zeit fast nichts gemacht. Herr Kollege, der Bindungsrahmen unseres Haushaltes, der für die Finanzierung zur Verfügung steht, steigt in diesem Jahr gegenüber dem Vorjahr um mehr als die Hälfte. ({23}) - Natürlich, damit fangen wir an, wenn Sie es nachher beschließen. Es liegt der Antrag vor, 30 000 neue Wohnungen im Bereich des Regionalprogrammes zu schaffen. ({24}) Damit fangen wir an, indem wir im Zukunftsinvestitionsprogramm in diesem Jahr 320 Millionen DM für die Städte und Gemeinden an die Länder geben, und zwar für die Verbesserung der Wohnumwelt, für die Einrichtung von Fußgängerzonen, für die Einrichtung von öffentlichen Begegnungsstätten, von Kinderspielplätzen, für Begrünung, für die Einbeziehung der Altenhäuser und der Denkmalspflege in unsere Städtebaupolitik. 320 Millionen DM geben wir in diesem Jahr dafür aus. Ich denke, daß dies eine vernünftige Sache ist. Wenn Sie selber einmal prüfen, was seit dem Zusammentritt der Regierung, aus der Regierungserklärung hergeleitet, auf dem Feld der StädtebauBundesminister Ravens politik und auf dem Feld der Wohnungsbaupolitik sowohl im Bereich des Förderrechts als auch im Bereich der unmittelbaren Zuweisungen und auch im Bereich des Zukunftsinvestitionsprogrammes erreicht worden ist, dann sehen Sie, daß Ihr Vorwurf nicht trägt. Das wissen Sie auch. ({25}) Nun möchte ich einen letzten Satz zu der Frage sagen, wie es nun weitergeht. Herr Kollege Schneider, das Kabinett hat am 25. Mai beschlossen: Das Regionalprogramm wird auf der gleichen Basis wie 1976, d. h. für 50 000 Wohnungseinheiten, im Jahre 1978 fortgeführt. Ich bin mir zusammen mit dem Finanzminister darüber im klaren, daß wir über diesen Zeitraum hinaus in der mittelfristigen Finanzplanung sowohl das Regionalprogramm als auch das Sozialprogramm weiterführen wollen, wenn - das füge ich hinzu - die Länder bereit sind, ({26}) ihrerseits ihre Anstrengungen so zu verstärken, daß wir gemeinsam ein Programm von 120 000 Wohnungen zusammenbringen, ({27}) bei dem ihr Anteil deutlich höher als jetzt und deutlich höher als 50 % liegt. Das ist der Punkt, auf den es ankommt. ({28}) Nur so geht es; das ist das Konzept. Jetzt haben Sie es, und nun können wir weiter darüber streiten. Ich weiß, Sie dürfen diesem Einzelplan nicht zustimmen. Sie lehnen mit diesem Haushalt die Verbesserung des Wohngeldes für 1,9 Millionen Familien ab, Sie lehnen die Eigentumsförderung für zusätzlich 30 000 Familien in diesem Land ab, Sie lehnen den Wohnungsbau für Kinderreiche, für Schwerbehinderte, für Alte und Alleinstehende ab. Dies alles lehnen Sie ab. ({29}) Sie müssen wissen, wie Sie damit fertig werden. ({30})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Niegel, innerhalb der Debatte haben Sie das Wort.

Lorenz Niegel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001608, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Damen und Herren! Der Herr Minister hat mich als einen bezeichnet, der im Hau-Ruck-Verfahren die Mieter aus der Wohnung bringen möchte. ({0}) - Das stimmt nicht. Ich bekenne mich zu der sozialen Mietrechtsgesetzgebung, wie sie vor dem Ersten und vor dem Zweiten Wohnraumkündigungsschutzgesetz bestanden hat. Wir haben nach 1949 angefangen, den sozialen Wohnungsbau aufzubauen und das mit Erfolg. Ich bekenne mich dazu. Die Schwierigkeiten nach dem Kriege wurden mit der Sozialen Marktwirtschaft beseitigt, bevor es die beiden Gesetze gab. Damals sind wir gut vorangekommen, und jeder hat eine Wohnung erhalten. Jetzt ist die Koalition mit dem Zweiten Wohnraumkündigungsschutzgesetz auf dem Holzweg, und das verurteile ich. Deswegen bin ich der Meinung, daß man nicht so verfahren darf, daß z. B. einerseits eine Ehe jetzt leicht auflösbar ist, während auf der anderen Seite ein an und für sich auf vertraglichem Recht beruhendes Mietverhältnis nicht mehr kündbar ist. Das ist der Grund dafür, daß ich seinerzeit gegen das Zweite Wohnraumkündigungsschutzgesetz gestimmt habe. ({1})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Zum Einzelplan 25 liegen zwei Änderungsanträge vor. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und der FDP auf Drucksache 8/615 auf Seite 3 unter IV. ({0}) - Nach meiner Kenntnis geht zumindest der Antrag unter IV Ziffer 1 sachlich vor. Wir werden daher einzeln abstimmen. Ich rufe zunächst den Antrag auf Seite 3 der Drucksache 8/615 unter IV Ziffer 1 auf. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Stimmenthaltung einstimmig angenommen. Ich rufe nunmehr den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 8/624 auf. - Eine Begründung wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Wir kommen zurück zu den Anträgen der Fraktionen der SPD und FDP auf Drucksache 8/615, und zwar zu dem Antrag unter IV Ziffer 2 auf Seite 3 oben. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Wir kommen in zweiter Beratung zur Abstimmung über Einzelplan 25. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Einzelplan ist mit Mehrheit angenommen. Ich rufe nunmehr auf: Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr - Drucksachen 8/502, 8/558 Berichterstatter: Abgeordneter Müller ({1}) Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir treten in die Beratung Vizepräsident Frau Funcke ein. Das Wort hat Herr Abgeordneter Schröder ({2}).

Dr. h. c. Horst Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002080, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Verkehrshaushalt mit einem Volumen von über 20 Milliarden DM wäre es eigentlich wert gewesen, etwas breiter und zu einer besseren Zeit behandelt zu werden. Die Verkehrspolitik und die Verkehrsmaßnahmen verdienen es nicht, wie ich glaube, ein solches Schattendasein zu führen, um so mehr als dieses fast der einzige Haushalt ist, bei dem Regierung und Parlament überhaupt noch ein gewisses Gestaltungsvolumen und eine gewisse Gestaltungsmöglichkeit haben. Der Verkehrshaushalt ist in diesem Jahr ein Haushalt mit positiven Aspekten, mit unwägbaren Risiken und mit erheblichen Einsparungsmöglichkeiten. Ich will hier keine verkehrspolitische Debatte führen, sondern nur einige mir wichtig erscheinende finanzpolitische Aspekte der Verkehrspolitik ansprechen. Lassen Sie mich mit den positiven Aspekten beginnen. Hier sind insbesondere die Maßnahmen für den Schiffbau und die Maßnahmen für die Flugsicherung zu erwähnen. Es ist erfreulich festzuhalten, daß über die Notwendigkeit einer leistungs- und wettbewerbsfähigen deutschen Seeschiffahrt in diesem Hause völlige Übereinstimmung besteht. Lassen Sie mich deshalb nur anmerken - Kollege Grobecker hat hierzu bereits heute morgen eine Anmerkung aus anderer Sicht gemacht -, daß diese Konzeption der Schiffahrtsförderung, die insbesondere in dem Zahlenwerk zum Ausdruck kommt, durch die Krise in der Werftindustrie zweifelsohne, Herr Kollege Grobecker, in einen Zielkonflikt geraten ist. Damit stehen wir nämlich vor der Aufgabe, Maßnahmen für die Schiffahrtsförderung einerseits mit Maßnahmen zur Behebung der Krise in der Werftindustrie andererseits zu verbinden. So nützlich und erstrebenswert es zweifelsohne ist, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, so möchte ich doch zumindest angesprochen haben, daß hier unter Umständen unerwünschte und ungewollte Effekte eintreten können. Wir müssen auf allen Seiten darauf hinwirken, daß mit den Neubauhilfen wirklich nur Kapazitäten geschaffen werden, die am Markt auch gebraucht werden. Das zweite positive Element, das ich ansprechen möchte, sind die Maßnahmen zur Flugsicherung. Ich glaube, daß mit den sehr umfangreichen personellen und finanziellen Regelungen, die wir übereinstimmend im Haushaltsausschuß gefunden haben, nunmehr von dieser Seite, nämlich von der personellen und finanziellen Seite, die Voraussetzungen für wirkungsvolle Maßnahmen zur Verbesserung der Flugsicherung geschaffen worden sind. Es liegt also jetzt nicht mehr an uns, am Parlament, sondern es liegt nunmehr an der Regierung, diese Voraussetzungen, die der Bundestag geschaffen hat, durch ein wirklich effektives Flugsicherungskonzept zu ergänzen und dadurch auch wirkungsvoll umzusetzen, ein Konzept, das insbesondere den Bereich der zivilmilitärischen Zusammenarbeit, den Informationsaustausch zwischen Flugsicherung und Luftverteidigung und schließlich bei der Entmischung von kontrolliertem und nichtkontrolliertem Luftverkehr beinhaltet. ({0}) Zu den unwägbaren Risiken des Verkehrshaushalts - um damit den zweiten Punkt anzusprechen - zählen beispielhaft die Probleme der Schallschutzmaßnahmen an Straßen und Verkehrswegen sowie das leidvolle Thema der Bundesbahn. Was die Schallschutzmaßnahmen an Straßen und Verkehrswegen anbelangt, so meine ich hier insbesondere aus der Sicht eines Haushaltspolitikers unseren Verkehrspolitikern einen mahnenden Zeigefinger zeigen zu müssen. ({1}) - Herr Kollege Tillmann, Sie haben recht. In zunehmendem Maße kommt es - und dafür tragen die Exekutive und die Regierung die Verantwortung - insbesondere beim Straßenbau zu nicht unerheblichen Bauverzögerungen und zu Unterbrechungen mit allen Konsequenzen auch im Hinblick auf die Sicherung der Arbeitsplätze. Die finanziellen Konsequenzen und Risiken, die sich beispielsweise aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ergeben, sind völlig unabsehbar. Ich möchte hier nur einmal - insofern hoffe ich auch in dieser Frage zu einer Übereinstimmung zumindest mit den Haushaltspolitikern der Koalition zu kommen - aus einem Schreiben zitieren, das der stellvertretende SPD-Vorsitzende Hans Koschnick in seiner seinerzeitigen Eigenschaft als Präsident des Deutschen Städtetages an den Bundeskanzler gerichtet hat. Ich zitiere das deshalb, weil die Regierung auf eine kürzliche Kleine Anfrage meiner Fraktion dieses Thema, dieses gewaltige finanzielle Problem leider sehr bagatellisiert und herabgespielt hat. Herr Koschnick schreibt demgegenüber in seinem Brief an den Bundeskanzler zu Recht: „Die Städte und Gemeinden sehen eine Kostenlawine auf sich zukommen, die aus bereits eingeführten oder bevorstehenden neuen Anforderungen an den Schallschutz im Städtebau und bei der Verkehrswegeplanung entspringt." Weiter heißt es: „Die volle Beachtung dieses Regelwerkes" - nämlich jener Schallschutzmaßnahmen - „ist nicht nur von der Kostenseite her unvollziehbar, sie würde auch das Bild unserer Städte und der Landschaft vollends verändern." So weit Herr Koschnick. Ich meine, daß diese alarmierenden Aussagen des Präsidenten des Deutschen Städtetages für die Bundesregierung Veranlassung sein sollten, meine Herren Kollegen, uns spätestens bis zum Bundeshaushalt 1978 die Konsequenzen aufzuzeigen, die sich aus diesem gewaltigen Problem ergeben, jene Konsequenzen, die entweder darin bestehen, daß man konsequent das Immissionsschutzgesetz durchhält - und das bedeutet dann zugleich, daß die Straßenbaumittel gewaltig gekürzt werden müssen -, oder aber darin, daß man den Straßenbauhaushalt, war wir wünschen, so fortführt, dann aber auch andernorts die entsprechenden Mittel für Schröder ({2}) die notwendige Durchführung des Immissionsschutzgesetzes zur Verfügung stellt ({3}) - und die entsprechenden Rechtsverordnungen erläßt. Das zweite große Risiko, das ich angesprochen habe, betrifft die Bundesbahn, ein wahrlich leidvolles Thema, an dem sich unsere Verkehrspolitiker und schon manch Bundesverkehrsminister die Zähne ausgebissen haben. Lassen Sie mich deshalb aus finanzpolitischer Sicht nur einige wenige Anmerkungen machen. Die Amputation und die Streckenstillegungen können meiner Auffassung nach das Patentrezept zur Sanierung der Bahn nicht sein. Statt unzusammenhängender Einzelaktionen bedarf es nämlich eines umfassenden, abgerundeten Sanierungskonzepts, welches glaubhaft macht, daß in einem überschaubaren Zeitraum eine Gesundung der Bahn überhaupt möglich ist. Wer die heutige Diskussion über den Personalabbau bei der Bahn verfolgt, vermag kaum zu glauben, daß es die gleiche Bundesregierung war, die in den Jahren 1969 bis 1974 für eine Erhöhung des Personalbestandes bei der Deutschen Bundesbahn um sage und schreibe 40 000 Dienstkräfte verantwortlich ist. Hier und in dem Mißerfolg der angesprochenen Einzelaktionen liegt eine wesentliche Ursache dafür, daß die Bundesbahn leider immer noch ein Faß ohne Boden ist. Die Differenz zwischen eigenen Einnahmen und Aufwendungen der Bahn beträgt in diesem Jahr über 13 Milliarden DM. Die Zuwendungen aus dem Bundeshaushalt erreichen in diesem Jahr die Rekordhöhe von 11,3 Milliarden DM. Dabei las man noch am 7. Mai 1977 in der „Deutschen Verkehrszeitung" über einen Beschluß der SPD-Fraktion, Herr Kollege Müller, vom 3. Mai dieses Jahres, aus dem ich wörtlich zitieren möchte: Die SPD-Fraktion hält es für notwendig, die Zuweisung an die Deutsche Bundesbahn zu begrenzen, um dadurch freiwerdende Mittel für Zukunftsinvestitionen einsetzen zu können. Bei der Beratung der neuen Netzkonzeption der Deutschen Bundesbahn wurde die Bundesregierung von der SPD-Fraktion aufgefordert, bis zum 30. September 1977 konkrete Vorschläge zur Minderung der vorhandenen Finanzierungsrisiken der Bahn zu unterbreiten. So viel aus dem Beschluß der SPD-Bundestagsfraktion. Im Haushaltsausschuß hat die Koalition das Gegenteil praktiziert. Mit dem Argument, die Investitionsmöglichkeiten der Bahn angeblich zu stärken, wurde noch einmal eine zusätzliche Milliarde aus den Steuermehreinnahmen dieses Jahres der Bundesbahn zugeführt. Aber nur 16 Millionen DM fließen davon in Wirklichkeit investiven Zwecken zu. Alles andere - um das einmal ganz klar und deutlich auszusprechen - ist nichts anderes als Umfinanzierung, Umbuchung. Wir hätten es für sinnvoller gehalten, Herr Kollege Löffler - und wir hätten Ihre Unterstützung dabei erwartet -, diese Milliarde zur Minderung der Verschuldung des Bundeshaushaltes einzusetzen; ({4}) denn ich meine, daß bei 10 Milliarden DM Zuwendungen aus dem Bundeshaushalt eigentlich schon eine nur noch schwer erträgliche Obergrenze erreicht ist. Ich kann deshalb nur wiederholen, was in Ihrem eigenen Beschluß vom 3. Mai 1977 zum Ausdruck gebracht worden ist, nämlich den weiteren Anstieg von Mittelzuweisungen an die Bundesbahn zu vermeiden, um wirklich überhaupt noch verfügbare Masse für Zukunftsinvestitionen zur Verfügung zu haben. Dieses Thema wird uns in den nächsten Jahren sicher noch weiter beschäftigen. Ich kann nur hoffen, daß dieser Bundesverkehrsminister es schaffen möge, ein verkehrspolitisches Konzept für die Bundesbahn vorzulegen, was auch den haushalts- und finanzpolitischen Möglichkeiten und Grenzen des Bundeshaushaltes Rechnung trägt. ({5}) Ich habe vorhin schon darauf hingewiesen, daß der Haushalt des Verkehrsministers neben den positiven Aspekten, die ich angesprochen habe, und neben den unwägbaren Risiken, die ich an zwei Beispielen deutlich gemacht habe, auch noch Einsparungsmöglichkeiten enthält. Lassen Sie mich hier beispielhaft das Thema der Naßbaggerei ansprechen. Der Bundesbeauftragte für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung - Herr Staatssekretär Haehser, ich deute Ihr Schmunzeln als Zustimmung zu dem, was ich nun ausführen werde - hat sehr eindeutig zu der Frage Stellung genommen, ob die Naßbaggeraufgaben im Zuge der Unterhaltung der Bundeswasserstraßen unter Berücksichtigung der Wettbewerbssituation wirtschaftlicher im Regiebetrieb der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung oder durch Einsatz privater Naßbaggerunternehmer durchgeführt werden können. ({6}) Das Ergebnis, Herr Kollege, ist eindeutig: Die Naßbaggerarbeiten im Zuge der Unterhaltung der Bundeswasserstraßen könnten beim Einsatz privater Naßbaggerunternehmen wesentlich wirtschaftlicher und kostengünstiger durchgeführt werden als unter staatlicher Regie. Der Rechnungshof empfiehlt deshalb zu Recht, die Vergabe dieser Arbeiten an Unternehmen der Privatwirtschaft kontinuierlich zu steigern - unter gleichzeitiger Verringerung der Kapazitäten des Naßbaggerregiebetriebes. ({7}) - Frau Präsidentin, es ist noch nicht einmal Gelb aufgeleuchtet.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Es ist eine Redezeit von weniger als den normalen 15 Minuten vereinbart worden. 15 Minuten waren ursprünglich vorgesehen, aber Ihre Fraktion hat gebeten, die Redezeit auf 10 Minuten zu reduzieren,

Dr. h. c. Horst Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002080, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe wie gebannt auf das Aufleuchten der Lampe gewartet. Ich bitte deshalb, mir noch eineinhalb Minuten zu konzedieren.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Bitte kommen Sie dann zum Schluß.

Dr. h. c. Horst Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002080, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Unser Antrag, den wir Ihnen in diesem Zusammenhang vorgelegt haben, beinhaltet, daß die Bundesregierung aufgefordert wird, aus diesen klaren und eindeutigen Schlußfolgerungen, die der Bundesbeauftragte für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung gezogen hat, ihrerseits Konsequenzen zu ziehen und uns für den Haushalt 1978 entsprechende Überlegungen auf den Tisch zu legen, damit wir wirkungsvolle haushaltspolitische Schlußfolgerungen daraus ziehen können. Herr Kollege Löffler, nicht nur den Mund spitzen, sondern gelegentlich auch einmal pfeifen. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß kommen. Ich glaube, daß deutlich geworden ist, ({0}) daß er nicht in Ordnung ist, Herr Kollege; es wäre ignorant, leugnen zu wollen, daß es zweifelsohne positive Aspekte gibt. Es ist deutlich geworden, daß die unwägbaren Haushaltsrisiken, von denen ich gesprochen habe - sie gehen in Milliardenhöhe -, und daß die unausgeschöpften Rationalisierungsmöglichkeiten und nicht zuletzt Haushaltsansätze für eine von unseren Verkehrspolitikern nicht geteilte Verkehrspolitik sowie eine verfehlte Personal- und Öffentlichkeitsarbeit dieses Ministers uns die Zustimmung zu diesem Bundeshaushalt nicht ermöglichen. Wir bitten Sie deshalb, dem Einzelplan 12 aus den genannten Gründen Ihre Zustimmung zu verweigern. ({1})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Müller ({0}).

Heinrich Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001552, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich soll nun das Kunststück fertigbringen, in zehn Minuten die Politik meiner Fraktion zum Verkehrshaushalt zu begründen und auch noch die Naßbaggerei zu erläutern; ich glaube, die wenigsten unter Ihnen wissen, was man sich darunter vorzustellen hat. ({0}) Ich möchte auf den dem Hause vorliegenden umfangreichen Schriftlichen Bericht auf Drucksache 8/558 verweisen. Dort finden Sie alles, was zu den Zahlen zu sagen ist. „In der Verkehrspolitik wird der stetige und erfolgreiche Ausbau aller Verkehrswege fortgesetzt werden. Das bedeutet nicht nur abermals schnellere und sicherere Verkehrsbedingungen, sondern neben vielen tausend gesicherten Arbeitsplätzen auch den Ausbau der Infrastruktur." So steht es in der Regierungserklärung vom 16. Dezember 1976. Dieser Aufgabe haben wir uns gestellt; die Ihnen vorliegenden Zahlen beweisen es. Die Steigerungsrate des Verkehrshaushalts im Jahre 1977 beträgt fast 10 %, der investive Anteil beträgt fast 50 %. Damit ist der Einzelplan 12 wiederum der bedeutendste Investitionshaushalt des Bundes. Herr Kollege Schröder, bis auf die zusätzliche 1 Milliarde DM für Investitionen an die Deutsche Bundesbahn, worauf ich noch eingehen möchte, ist der Verkehrshaushalt im Fachausschuß einvernehmlich gebilligt und im Haushaltsausschuß einvernehmlich beschlossen worden. ({1}) - Ich habe es im Protokoll nachgelesen, Herr Dr. Schulte. Sie haben keine sachlichen Gründe, um diesen Verkehrshaushalt abzulehnen. ({2}) Ich stelle fest: Auch in der Verkehrspolitik hat die Opposition keine Alternative zur Politik der Bundesregierung und der sie tragenden Koalition. ({3}) Das ist so seit 1969, und es wird immer so bleiben. Im 16-Milliarden-Programm sind für Verbesserungen im Verkehrssystem 3,5 Milliarden DM an Bundesmitteln bereitgestellt. Die über den Ergänzungshaushalt veranschlagten Mittel zum Beispiel für die Elektrifizierung von Bundesbahnstrecken fließen bereits ab. Eine besondere Aufgabe besteht immer wieder darin, die Deutsche Bundesbahn so zu gestalten, daß sie langfristig einen gesicherten Platz in unserem Verkehrssystem behält. Auf unsere Bahn, die eine der besten der Welt ist, können wir nicht verzichten. ({4}) Wir trauen dem Bundesverkehrsminister Gscheidle zu, daß er das, was Sie heute von ihm verlangen, uns in den nächsten Monaten auf den Tisch legen wird. Ich glaube, wir werden dann einvernehmlich wie bisher die Dinge beschließen und finanzieren. ({5}) Im Haushaltsausschuß haben wir die allgemeinen Investitionszuschüsse zur Verstärkung der Eigenmittel der Deutschen Bundesbahn um diese eine Milliarde DM erhöht. Da haben Sie dagegen gestimmt. Damit entfällt die ursprünglich vorgesehene Fremdmittelfinanzierung durch Schuldaufnahme der Deutschen Bundesbahn. Ich weiß nicht, was Sie wollen, Herr Kollege Schröder. Wenn wir diese Milliarde nicht bewilligt hätten, hätte die Bundesbahn an den Kapitalmarkt gehen müssen. Sie hätte sich um eine Milliarde DM mehr verschulden müssen. Sie hätte jährlich 75 Millionen DM an Zinsen und an TilMüller ({6}) gung zu leisten gehabt, um die sie jetzt entlastet wird. ({7}) Das ist zum Beispiel einer unserer Beiträge zur Sparsamkeit, von der Sie so viel reden. Mit der Verabschiedung des Bundeshaushalts 1977 kann also der Vorstand der Deutschen Bundesbahn für das eigene Investitionsprogramm über 4,8 Milliarden DM verfügen. Das ist wiederum einer unserer Investitionsbeiträge. Bei Ihnen, meine Damen und Herren, hierzu nichts weiter als Fehlanzeige! Mehr wollte ich zum Einzelplan 12 nicht sagen. Ich muß noch die Anträge begründen und soll auch noch zu den von Ihnen vorgelegten Anträgen etwas sagen. Die Annahme des Einzelplans 12, um die ich für meine Fraktion bitte, und auch die Annahme des 16-Milliarden-Programms für zukunftsorientierte Investitionen sind unser Beitrag, der Beitrag der Koalition zur Wiedergewinnung und Sicherung eines dauerhaften und hohen Beschäftigungsstandes, zur Abstützung eines ausreichenden Wirtschaftswachstums in den nächsten Jahren, für höhere private Investitionen durch Bereitstellung einer modernen öffentlichen Infrastruktur und regionale und strukturelle Finanzhilfen. Nun möchte ich zu den Anträgen kommen. Wir haben unseren Änderungsantrag auf Drucksache 8/615 gestellt. Ich spreche zu der Ziffer III. Die Opposition hat einen Änderungsantrag auf Drucksache 8/620 gestellt. Diesen Antrag hat der Kollege Schröder von mir abgeschrieben. ({8}) Die Zahlen hat er von mir bekommen. Wir werden dann sicherlich über beide Anträge abstimmen. ({9}) - Na, Sie müssen beide Anträge einmal vergleichen! Ich hatte Ihnen ja empfohlen, daß wir einen interfraktionellen Antrag machen. Sie wollten darauf nicht eingehen. ({10}) - Ich habe Sie aber bestellt! ({11}) Sehen Sie, Herr Kollege Schröder - ({12}) - Na, wie soll ich mich ausdrücken? Wenn ich Ihren Antrag sehe und unseren Antrag sehe und wenn ich hier eben hören konnte, ({13}) Sie lehnen den Einzelplan 12 ab, dann begreife ich nicht, warum Sie Ihren Antrag überhaupt stellen. ({14}) Jetzt stellen Sie einen Antrag auf höhere Mittel, und dann lehnen Sie den Einzelplan 12 ab! Wir beantragen, wie angekündigt, eine Erhöhung der Verpflichtungsermächtigung um 153 Millionen DM. Mit dem Haushaltsansatz und den Verpflichtungsermächtigungen stehen somit insgesamt 450 Millionen DM für die Jahre 1978 bis 1980 zur Verfügung. Damit können 165 Schiffsneubauten mit einem Baukostenvolumen von 2,8 Milliarden DM gefördert werden, Baubeginn sofort. Ich habe mir erlaubt, einen Zeitungsausschnitt vom „Hamburger Abendblatt" vom 11. Juni mitzubringen: „Auftragsflut der Reeder sichert Arbeitsplätze" ! Das ist das Ergebnis unserer Bemühungen. ({15}) Die große Zahl von Neubauaufträgen ist das Ergebnis des von den Koalitionsfraktionen beantragten und im Haushaltsausschuß einstimmig beschlossenen erweiterten Programmes. ({16}) Nach unserer Auffassung sollen diese zusätzlichen Aufträge für deutsche Werften gesichert werden. Die deutsche Schiffbauindustrie mit etwa 70 000 qualifizierten Beschäftigten ist darauf angewiesen. Die Aufstockung der Finanzmittel hilft insbesondere den kleinen und mittleren Werften, die bereits etwa 30 °/o ihrer Kapazität abbauen und auch Kurzarbeit einführen mußten. Zugleich wird die Zulieferindustrie, die bislang mit etwa 140 000 Arbeitsplätzen am Schiffbau orientiert ist, umfangreiche Aufträge erhalten. Auch hier wird die Beschäftigungslage nachhaltig verbessert. Ich bitte um Annahme dieses Antrags. Ich möchte noch etwas zu dem Antrag der Opposition auf Umdruck 8/621 sagen. Der Antrag behandelt die Einstellung der Verpflichtungsermächtigung in den Einzelplan 12 für Erhalt und Ausbau des Nürburgrings. Die SPD-Bundestagsfraktion ist für die Pläne, die jetzt erarbeitet werden, um hier eine gute gemeinsame Sache zu erstellen. Wir halten die Vorlage aber noch nicht für haushaltsreif; denn erst jetzt wird damit begonnen, die Baupläne zu erstellen. Erst gestern haben Freunde meiner Fraktion mit Vertretern des ADAC darüber gesprochen. ({17}) Der Aufsichtsrat der Nürburgring GmbH sagt selbst: Die für die vorgeschlagenen Baumaßnahmen zu veranschlagenden Kosten werden nunmehr unter Einschaltung der Sachverständigen in ihren Einzelheiten erarbeitet.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Tillmann?

Heinrich Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001552, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein. Das ist ja nicht nötig. Wir wollen den Antrag doch nicht ablehnen. Müller ({0}) Wir schlagen vor, diesen Antrag an den Haushaltsausschuß zu überweisen. ({1}) - Wenn die Überweisung nicht möglich ist, müssen wir den Antrag ablehnen. Wir werden aber in der Koalition zusammen mit Ihnen bei der Beratung des Haushaltsplanes 1978 sicherlich das erfüllen, was wir gemeinsam wollen. ({2}) - Ich möchte hier Herrn Vorsitzenden Leicht vielleicht noch einmal zur Hilfe rufen, wegen der nicht vorhandenen Haushaltsreife. ({3}) - Nein, nein, der Antrag ist noch nicht haushaltsreif. ({4})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Heinrich Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001552, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein, keine Zwischenfragen. Der Entschließungsantrag auf Umdruck 8/639 ist der Antrag mit den fünf Punkten. Ich möchte darauf hinweisen, daß Punkt 1 bereits erledigt ist. Die Bundesregierung hat das verabschiedete Investitionsprogramm für die Straßenbauten vorgelegt. Sie haben es gestern morgen auf Ihrem Tisch gefunden. Über die anderen Punkte können wir im Haushaltsausschuß sprechen. Ich schlage vor, diesen Antrag an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Ich komme zu dem letzten vorliegenden Antrag auf Umdruck 8/640, bei dem es um die Naßbaggerei geht. - Die rote Lampe leuchtet auf. - Wir beantragen - ich spreche hier auch für die Kollegen der FDP -, diesen Antrag abzulehnen, weil er erledigt ist. Der Bundesverkehrsminister hat im Haushaltsausschuß fest zugesagt, uns noch vor dem 31. Oktober dieses Jahres die Stellungnahme der Bundesregierung zu diesem Problem vorzutragen. Wir werden dann eingehend darüber beraten. Was Herr Kollege Schröder hier gesagt hat, trifft nicht zu. Auch der Präsident des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung hat erhebliche Bedenken gegen die Privatisierung geäußert. Er hat auch darauf hingewiesen, daß dann ein Teil Marktwirtschaft verlorengeht, wenn man den Vorstellungen des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie folgt. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Abgeordnete Lemmrich.

Karl Heinz Lemmrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001315, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Müller hat festgestellt, die CDU/CSU habe im Verkehrsausschuß dem Einzelplan 12 zugestimmt. Das entspricht nicht den Tatsachen. Im Verkehrsausschuß ist keine Abstimmung erfolgt. Die Redensart, daß keine Alternative vorhanden ist, kennen wir seit geraumer Zeit; sie ist so eine Schutzbehauptung der Regierungskoalition. ({0}) Die Qualität der Verkehrspolitik schlägt sich letztlich in den Zahlen des Bundeshaushalts nieder; eine verfehlte Politik muß hier bezahlt werden. In seiner Einbringungsrede zum Bundeshaushalt 1977 stellte Herr Bundesfinanzminister Dr. Apel fest, daß die Bundesbahn zunehmend zu einem Haushaltsrisiko wird. In der Tat kann die Situation dieses größten deutschen Unternehmens nur als katastrophal bezeichnet werden. ({1}) Wie kam es dazu? Die Verkehrsentwicklung, ausgelöst durch einen Strukturwandel in der Verkehrswirtschaft, und steigende Personalkosten ließen bereits Ende der 50er Jahre erkennen, daß der Bundesbahn eine schwerwiegende Umstrukturierung bevorstand. Die Verkehrszuwächse der Konkurrenten der Bahn waren wesentlich stärker als die der Bahn selbst - damals wie heute. Um die Problematik zu durchleuchten, wurden eine Reihe von Gutachten und Lösungsvorschlägen erarbeitet. ({2}) - Herr Kollege Hoffie, befassen Sie sich erst mit der ganzen Sache; dann können wir weiterreden. Ab 1958 setzte bei der Deutschen Bundesbahn eine massive Rationalisierung ein. Sie bestand in der Reduzierung der Personalintensität, in organisatorischen Reformen und massiven Investitionen. Die Deutsche Bundesbahn wurde durch Elektrifizierung, Modernisierung des Signalwesens, des Wagenparks und des Werkstättenwesens eine der modernsten Bahnen der Welt. - Dies alles ging unter heftigen Attacken der SPD auf die damalige Bundesregierung vor sich. Von 1958 bis 1967 wurden bei der Deutschen Bundesbahn 107 000 Dienstposten eingespart; bis 1969 waren es insgesamt 132 900. Ende 1966 übernahm die SPD das Verkehrsministerium. Minister Leber führte diese Politik anfangs weiter. Vor der Bundestagswahl 1969 kam aber die Reduzierung der Personalintensität völlig zum Stillstand. Von 1970 bis 1974 wurde diese Entwicklung umgekehrt. Der Personalstand der Deutschen Bundesbahn erhöhte sich um 22 000 Mitarbeiter; insgesamt wurden 40 000 neu eingestellt. Die SPD, die dieses Ministerium leitete, mogelte sich in diesen Jahren an dem Vorhersehbaren vorbei. Die Hoffnungen Anfang der 70er Jahre, allein durch Vollauslastung der Bahn die bestehenden Probleme lösen zu können, erwiesen sich als falsch. Selbst als die Bundesbahn ihre Kapazitäten 1970 bis an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit auslastete, stiegen die Verluste weiter. Diese Fehleinschätzung ist eine wesentliche Ursache der heutigen katastroLemmrich phalen Lage der Deutschen Bundesbahn. Statt daß man Investitionen und Abbau der Personalintensität weiterführte, stagnierten die Investitionen, und der Personalbestand wurde um 22 000 Mitarbeiter erhöht. Heute sind bei der Deutschen Bundesbahn 23 000 Mitarbeiter ohne sinnvolle Arbeit. Jährlich kostet allein dies fast eine Milliarde DM. Dies stellt ein betrübliches Ergebnis einer zehnjährigen sozialdemokratischen Verkehrspolitik dar. Eine Fortführung der 1958 eingeleiteten vernünftigen Politik hätte dies unserem Lande und der Bundesbahn erspart. ({3}) Das katastrophale Ergebnis zehnjähriger sozialdemokratischer Politik zeigen einige Zahlen: Während 1969 die Verluste der DB eine Milliarde DM ausmachten, kletterten sie 1975 auf 4,3 Milliarden und werden auch 1977 wieder beträchtlich über 4 Milliarden liegen. Die Verschuldung der Bundesbahn, die Ende 1969 - bei der Machtübernahme durch die SPD ({4}) 12,5 Milliarden DM betrug, stieg in den sieben Jahren ihrer Regierung auf 28,4 Milliarden DM an. Dies ist der Schuldenstand am 30. April 1977. ({5}) Was verstehen Sie denn schon davon, Herr Grobecker? Lesen Sie erst einmal die Dinge, ehe Sie reden! Die Verluste der Bundesbahn werden weitgehend nicht mehr vom Bund abgedeckt. Die DB muß das Geld beim Bundesbürger leihen. In diesem Jahr sollen 68 °/o des Fehlbetrages durch Kredite bezahlt werden. Die Aufstockung der Investitionsmittel im Haushalt 1977 um 1 Milliarde DM ist eine Augenwischerei. Mit dieser einen Milliarde werden nur die vorgesehenen Fremdmittel ersetzt, nicht die Investitionen erhöht. ({6}) Die Fremdmittel benötigt man an anderer Stelle, nämlich zur Abdeckung des weiter steigenden Fehlbetrages. ({7}) 23 000 Eisenbahner sind ohne sinnvolle Beschäftigung. Dieser Personalüberhang wird bestehenbleiben. 1985 wird er 26 000 Mitarbeiter ausmachen. Ohne die starken Neueinstellungen in den Jahren 1970 bis 1974 wäre der Bundesbahn dieses neue Problem nicht aufgehalst worden. ({8}) Die SPD muß sich gefallen lassen, daß sie an ihren eigenen Maßstäben gemessen wird. Solche Maßstäbe setzte sie u. a. in einem Flugblatt an die Eisenbahner im Jahr 1960, wo es heißt: „Ihr Verkehrsminister - gemeint ist der der SPD - wird es nie wieder zulassen, daß dieser volkswirtschaftlich so wichtige Zweig noch einmal durch eine falsche Verkehrspolitik an den Rand des Ruins getragen wird." ({9}) Die katastrophalen Folgen für die Bundesfinanzen, die Folge des sozialdemokratischen Dahindämmerns in der Bundesbahnpolitik ist, führten dann 1974 endlich zum Erwachen. Zielvorgabe vom Dezember 1974 und Leistungsauftrag vom April 1977 markieren diesen Weg. Auf Grund der Ziffer 8 der Zielvorgabe wurde der Deutschen Bundesbahn die Optimierung ihres Strekkennetzes aufgetragen. Keine Rede war dabei von den zu berücksichtigenden regional- und raumpolitischen Notwendigkeiten. Das am 22. Januar 1976 vom Bundesbahnvorstand vorgelegte betriebswirtschaftlich optimale Netz sah eine Halbierung des bestehenden Bundesbahnnetzes vor. Bei dem ausbrechenden Sturm hat dann die Regierung einen Rückzieher gemacht. Aber sie brauchte lange Zeit, bis sie das sagte, was hier notwendig ist, wie es seinen Niederschlag im Beschluß der Verkehrsministerkonferenz vom 12. Mai 1977 fand, wo es heißt: Die Verkehrsminister und Senatoren der Länder stimmen mit dem Bundeskabinett darin überein, daß der allgemeinen Rationalisierung in allen Unternehmensbereichen eine wesentlich höhere Bedeutung bei der wirksamen Sanierung der Deutschen Bundesbahn zukommt als Stilllegungsmaßnahmen. Diese Auffassung hat die CDU/CSU von Anfang an vertreten. Es ist erfreulich, daß das Bundeskabinett wenigstens nach einem Jahr sich dieser Auffassung anschließt. ({10}) Während die Bundesregierung Anfang der 70er Jahre eine Sanierung der Bundesbahn durch Vollauslastung des bestehenden Apparates - ({11}) - Herr Mahne, Sie können sich ja anderswo wieder äußern. Wenn Sie krakeelen wollen, machen Sie das zu Hause, aber hier nicht! Während die Bundesregierung Anfang der 70er Jahre eine Sanierung der Bundesbahn durch Vollauslastung des bestehenden Apparates und durch verkehrspolitische Maßnahmen erreichen wollte und die betriebsinternen Notwendigkeiten unterschätzte, setzt sie jetzt ausschließlich auf innere Rationalisierung und Marktschrumpfung; sie unterschätzt die verkehrspolitische Seite. Es ist notwendig, die Bahn durch innere Rationalisierung in allen Bereichen, insbesondere durch Investitionen, Abbau der Personalintensität und eine ökonomische Organisations- und Führungsstruktur begründen zu lassen. Ebenso wichtig wie die Senkung der Kosten ist aber die Erhöhung ihrer Erträge. Daher müssen die betriebsinternen Maßnahmen durch verkehrspolitische ergänzt werden, wie sie z. B. mit der Änderung der Kfz-Steuer zur Verstärkung des zukunftsorientierten Huckepackverkehrs vorgegeben ist. Dies nur als Beispiel. Die Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen bleibt eine vordringliche Aufgabe, wenn man zu einer vernünftigen volkswirtschaftlichen Aufgabenteilung der Verkehrsträger kommen will. ({12}) - Auch wenn hier vielleicht manches schwierig sein sollte bei der Verwirklichung, jedenfalls so lahm, wie man sich bisher in Brüssel verhalten hat, kann es auf die Dauer nicht gehen. Der Leistungsauftrag der Bundesregierung an die Deutsche Bundesbahn enthält wenig Neues und Konkretes und viel Unverbindliches. Es ist einfach unumgänglich, den sich langsam abzeichnenden be-betriebswirtschaftlichen Sanierungsplan der Bundesbahn in ein gut vorbereitetes verkehrspolitisches und regionalpolitisches Konzept einzubinden. ({13}) Nur so ist die Sanierung der Bundesbahn durchsetzbar und möglich. Ich fordere den Herrn Verkehrsminister auf, sein Konzept hier umgehend darzulegen. Wegen der Kürze der Zeit kann ich die Problematik Verkehrsinvestitionen und Gesamtverkehrswegeplan nicht ansprechen. Die Eisenbahn nimmt in der deutschen Verkehrspolitik eine zentrale Rolle ein und strahlt auf alle Bereiche aus. Sozialdemokratische Politik hat aus mangelndem Realitätssinn und schwächlichem Handeln die deutsche Verkehrspolitik in eine schwere Krise geführt, die den Verkehrshaushalt nach den eigenen Worten des sozialdemokratischen Finanzministers zu einem Risiko für den ganzen Bundeshaushalt gemacht hat. Einer solchen Politik kann die Union ihre Zustimmung nicht geben. ({14})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Abgeordnete Peters.

Walter Peters (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001697, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf Grund der schwierigen Auftrags- und Ertragslage der deutschen Werften hatte der Haushaltsausschuß im vorigen Jahr erreicht, daß das Kumulierungsverbot für Reederhilfe und Werfthilfe aufgehoben wurde. Jetzt ist die Reederhilfe auf Grund des Antrags der Koalition von 12 1/2 auf 17 1/2 % erhöht, und die Küstenländer wollen 21/2 % zusätzlich geben. Da die Neubauanmeldungen auf Anträge für Schiffsbauzuschüsse erheblich gestiegen sind, wollen die Koalitionsparteien die Verpflichtungsermächtigungen bei Tit. 692 02 und 692 03 im Verkehrsetat für 1978, 1979 und 1980 um 153 Millionen DM erhöhen. Damit können jedoch nicht alle gestellten Anträge bedient werden. Das Volumen der Anträge zum Schiffsbauförderungsprogramm 1977 beläuft sich auf 238 Schiffe mit rund 3,8 Milliarden DM Bauvolumen. Durch die Erhöhung der Verpflichtungsermächtigungen können 166 Schiffe mit einem Bauvolumen von 2,76 Milliarden DM gefördert werden. ({0}) Entscheidend für die Werften mittlerer Größe von 200 bis 1 500 Beschäftigten wird es sein, daß die sogenannten sonstigen Anträge für Inselfährschiffe, Versorgungsschiffe, Schlepper und Bagger weitgehend berücksichtigt werden. Es ist unbestritten, daß die kleinen und mittleren Werften in einer schweren Konkurrenz zu den Großwerften liegen und ihr Fortbestehen von der Berücksichtigung dieser Anträge der bisher ausgeschlossenen Schiffstypen abhängt, weil bisher nur Handelsschiffe der Seefahrt gefördert wurden. Eine weitere Bemerkung scheint mir angebracht. Werften und Reeder beklagen sich, daß die Schiffsbauzuschüsse verspätet vom Bund gezahlt würden und dadurch nicht unwesentliche Kosten der Zwischenfinanzierung entstehen. Das geht in der Regel zu Lasten der Werften und nicht der Reeder. Bei nächster Gelegenheit sollten wir die Etatansätze zu Lasten der Verpflichtungsermächtigungen erhöhen. Zusammenfassend stelle ich fest, daß die Erhöhung der Schiffsbauzuschüsse „Reederhilfe" auf bis 20 % einschließlich der Landesbeteiligung und die Erhöhung der Verpflichtungsermächtigung von 153 Millionen DM die Auftragslage der Werften entscheidend verbessert hat. Den Antrag der Opposition auf Erhaltung und Ausbau des Nürburgringes, Verpflichtungsermächtigung 1978 in Höhe von 15 Millionen DM, müssen wir leider ablehnen. ({1}) Die Koalition ist allerdings bereit, darüber sofort in Gespräche und Verhandlungen einzutreten. Die FDP-Fraktion stimmt dem Verkehrsetat zu. ({2})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat Herr Bundesminister Gscheidle.

Kurt Gscheidle (Minister:in)

Politiker ID: 11000745

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! An und für sich geben weder die späte Stunde noch die Beiträge zur Verkehrspolitik Anlaß, hier zu sprechen. Aber ein Anlaß besteht auf jeden Fall, nämlich dem Haushaltsausschuß für seine Beratungen und Beschlußfassungen zu danken und dem Verkehrsausschuß für die Zusammenarbeit auf diesem Gebiet. Herr Schröder hat sich wohlweislich auf sein Fachgebiet zurückgezogen. Zur Verkehrspolitik ist da deshalb von meiner Seite aus nichts entgegenzuhalten. Herr Lemmrich hat über Verkehrspolitik nicht geredet. Eine Diskussion darüber ist nicht denkbar. ({0}) Wenn er uns auffordert, unsere Verkehrspolitik darzustellen, so wäre uns dies zwar ohne weiteres möglich. Aber Sie werden mir zugeben, Herr Lemmrich: Im Verkehrsausschuß gab es darüber eine ausführliche Darstellung und Diskussion. Ich stelle Ihnen aber natürlich auch noch gerne Broschüren zum Nachlesen zur Verfügung. Sie hätten vielfältige Möglichkeiten, Herr Lemmrich, konzeptionell einzuBundesminister Gscheidle greifen. Sie sind ja seit einigen Jahren Mitglied des Verwaltungsrates der Deutschen Bundesbahn, ({1}) und Sie sind im Verkehrsausschuß. ({2}) Eines darf ich den Herren der Opposition versichern: Sie werden in der Verkehrspolitik unsere volle Aufmerksamkeit finden, wenn Sie Ihre Verkehrspolitik einmal zur Diskussion stellen. Daß dies unterblieben ist, bedaure ich. Trotzdem danke ich natürlich für die Zusammenarbeit. ({3})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Es liegen zwei Bleichlautende Änderungsanträge vor: auf Drucksache 8/615 von den Fraktionen der SPD und der FDP und auf Drucksache 8/620 von der Fraktion der CDU/CSU. Die Begründung ist gegeben. Wer diesen Anträgen - ({0}) - Es wird doch noch das Wort zur Begründung gewünscht. Bitte schön, Herr Abgeordneter Metz.

Reinhard Metz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001487, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Müller, Sie haben gesagt, die Zahlen dieses Antrags seien von Ihnen abgeschrieben. Da die im Zusammenhang mit diesem Antrag stehenden Zahlen aus dem Verkehrsministerium stammen, sind sie nicht, wie Sie behauptet haben, bei Ihnen abgeschrieben. Ich möchte zu dem Antrag auf Drucksache 8/620 folgendes sagen: Für schiffahrtspolitisch förderungswürdige Bauvorhaben werden vom Bund Neubau- und Sonderhilfen gewährt, die zur Zeit bis zu 17,5 % der Anschaffungskosten betragen können. Eine Zusammenstellung der im Rahmen des Schiffahrtsförderungsprogramms 1977 eingegangenen Anträge hat ergeben, daß 238 Schiffbauvorhaben angemeldet worden sind. Wie viele davon sich letzten Endes zu konkreten Aufträgen entwickeln werden, ist heute allerdings noch völlig offen. Das Bundesverkehrsministerium hat nach vorläufiger Sichtung und Siebung dieser Anträge 166 von ihnen - mit einer Baukostensumme von 2,76 Milliarden DM - zur Grundlage eines errechneten Zuschußbedarfs von 450 Millionen DM gemacht. Da bisher nur 297 Millionen DM Bundesmittel zur Abdeckung dieses Bedarfs zur Verfügung stehen, sehen die beiden zur Beratung anstehenden Änderungsanträge eine entsprechende Erhöhung der Verpflichtungsermächtigungen vor. Schiffahrtsförderungspolitik und Schiffbaupolitik sind eng miteinander verflochten. Neben dem Ziel, die Struktur und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Handelsflotte zu verbessern, soll mit diesen Mitteln erreicht werden, die Beschäftigungslage der Werftindustrie zu stabilisieren. Die Zuschüsse bewirken eine Verbilligung des deutschen Werftpreises, wobei allerdings in vielen Fällen das international vergleichbare Baupreisniveau nicht erreicht werden kann. Diese Zuschüsse können aber nicht bewirken, die Wettbewerbsprobleme der so geförderten Seeschiffe völlig zu beseitigen. Um so erfreulicher wäre es, wenn die vom Bund bereitgestellten Mittel dennoch dazu beitrügen, daß deutsche Reeder möglichst viele Aufträge auf deutschen Werften placieren. Diese Chance offenzuhalten, ist die Motivation dieses Änderungsantrages. Er ist allerdings angesichts der großen Probleme nur ein kleiner Schritt. Die deutsche Werftindustrie befindet sich in ihrer tiefsten Krise der Nachkriegszeit. Tausende von Arbeitsplätzen sind gefährdet. Zur Erhaltung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit bleiben große Kraftanstrengungen des Bundes erforderlich. Sowohl aus schiffahrts- wie auch aus beschäftigungspolitischen Gründen ist die von uns vorgeschlagene Erhöhung der Verpflichtungsermächtigungen erforderlich. Darum bin ich sicher, daß dieses Haus beiden Anträgen zustimmt. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Grobecker.

Claus Grobecker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000730, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe großes Verständnis dafür, daß Herr Metz die Anträge, die wir alle kennen, noch einmal begründen mußte, weil es auch einen CDU- Antrag dazu gibt. Aber dieses Zuvorkommen, daß wir das in aller Ruhe angehört haben, bedeutet natürlich nicht, daß wir etwa meinten, man könnte in Zukunft immer so mit den Bällen spielen. Das Schiffbauprogramm ist vor einem Jahr von den Koalitionsfraktionen initiiert worden. Deshalb haben wir auch die Anträge gestellt, auch im Haushaltsausschuß. Dennoch bedanken wir uns dafür, daß Sie hier noch einmal eine Erläuterung dessen gegeben haben, was Hein Müller und Herr Peters hier vorgetragen haben. Wir werden unserem Antrag zustimmen. Ich denke, daß dann der Fall erledigt ist. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung über die beiden vorliegenden Anträge. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen. Es liegt noch auf Drucksache 8/621 ein Änderungsantrag der CDU/CSU zu Kap. 12 11 vor. Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Tillmann.

Ferdinand Tillmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002326, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Wer solange wie Sie hier heute abend ausgehalten hat, der muß schon die Kondition von Sportlern haben. ({0}) Deshalb hoffe ich auch, daß unter Ihnen heute abend noch sehr viele Motorsportfreunde sind. ({1}) - Natürlich, Herr Kollege Gallus ist - ({2}) - Herr Kollege Gallus, natürlich ist der Motorsport ein Sport, sonst hätten Sie das doch nicht mit Ihrer Zustimmung zur neuen Abgabenordnung am 27. November 1975 dokumentiert. ({3}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte Sie um Zustimmung zu unserem Antrag auf Drucksache 8/621 bitten. Damit soll ein Signal zum Ausbau des Nürburgrings gesetzt werden, ({4}) den wir aus den in der Drucksache dargelegten Gründen für dringend erforderlich halten. Da ich hier eine „sid"-Meldung vom 14. Juni vor mir habe, in der dargestellt wird, daß die SPD bemüht bleiben wird, die Zukunft des Nürburgrings zu sichern und zu erhalten, bin ich davon überzeugt,. meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion, daß Sie diese Bemühungen heute durch Zustimmung zu unserem Antrag unter Beweis stellen werden. Ich bitte um Ihre Zustimmung. ({5})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schirmer.

Friedel Schirmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001973, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestern war der Vizepräsident des ADAC bei uns in der SPD-Bundestagsfraktion. Es bestand Übereinstimmung zwischen der SPD-Bundestagsfraktion, dem ADAC und der Bundesregierung unter anderem auch darüber, daß es gar nicht möglich ist, Mittel in der Größenordnung, wie das hier beantragt wurde, abfließen zu lassen, weil überhaupt keine Konzeption vorhanden ist. ({0}) Das wird Sie doch nicht überraschen; denn Sie kennen das doch. Der Vizepräsident des ADAC hat das gestern zweifelsfrei erklärt. Er befand sich dabei in Übereinstimmung mit uns. Alle wollen sich bemühen, demnächst - hoffentlich also im Jahre 1978 - eine Konzeption vorlegen zu können. Dann werden wir darüber beraten. Wir wollen eine vernünftige, sachgerechte, sportgerechte Lösung im Einvernehmen mit allen Beteiligten. Das ist einmal das Land Rheinland-Pfalz - hoffentlich mit einer hohen Beteiligung.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege Schirmer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Tillmann?

Friedel Schirmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001973, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nach diesem Satz gerne. Das werden ferner der beteiligte Landkreis und die beteiligten Gemeinden sein. Wir sind sehr erfreut darüber gewesen, daß der AvD und der ADAC, in Aussicht gestellt haben, sich künftig auch finanziell zu beteiligen. Nachdem diese Zusage vorliegt, werden wir an der Konzeption arbeiten. Dann werden wir auch bereit sein, über solche Anträge zu beraten und abzustimmen.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege Schirmer, gestatten Sie jetzt eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Tillmann?

Friedel Schirmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001973, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte sehr.

Ferdinand Tillmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002326, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Schirmer, wollen Sie behaupten, daß die Planungen noch nicht so weit fortgeschritten sind, daß im Jahre 1978 mit dem Bau begonnen werden kann?

Friedel Schirmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001973, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Es liegt überhaupt noch keine schlüssige Planung vor.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Josten?

Friedel Schirmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001973, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja.

Johann Peter Josten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001034, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Kollege Schirmer, kann ich davon ausgehen - ich frage, weil der Nürburgring in meinem Wahlkreis liegt -, daß wir interfraktionell eine Lösung finden und Sie sich daran beteiligen?

Friedel Schirmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001973, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wir werden nach der besten Lösung streben. ({0})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Drucksache 8/621. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Wir kommen nunmehr zur Gesamtabstimmung über den Einzelplan 12 in zweiter Beratung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Einzelplan ist mit Mehrheit angenommen. Ich rufe auf: Einzelplan 13 Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen - Drucksache 8/503 - Berichterstatter: Abgeordneter Leicht Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zur Beratung gewünscht? - Das ist auch nicht der Fall. Vizepräsident Frau Funcke Dann kommen wir zur Abstimmung über den Einzelplan 13. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Einzelplan 13 ist mit Mehrheit angenommen. Ich rufe nunmehr auf: Haushaltsgesetz 1977 - Drucksachen 8/518, 8/577 Berichterstatter: Abgeordneter Löffler Abgeordneter Hoppe ({0}) Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zur Aussprache gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Zum Haushaltsgesetz liegen Änderungsanträge der Fraktionen der SPD und der FDP auf Drucksache 8/615 und der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 630 ({1}) vor. Sind Sie damit einverstanden, daß wir über die Änderungsanträge vorab einzeln abstimmen und dann die Bestimmungen des Gesetzentwurfs aufgerufen werden? - Ich höre keinen Widerspruch. Ich rufe den Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und der FDP auf Drucksache 8/615 unter Ziffer VIII auf. Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen. Ich rufe den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 8/630 ({2}) auf. Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Dann stimmen wir über diesen Antrag ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt. Ich rufe die §§ 1 bis 30 des Haushaltsgesetzes in der Ausschußfassung mit den soeben beschlossenen Änderungen, Einleitung und Überschrift auf. Wer in zweiter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Haushaltsgesetz ist mit Mehrheit angenommen. Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende unserer heutigen Sitzung. Ich berufe die nächste Sitzung auf morgen, den 24. Juni 1977, 9 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.