Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 5/5/1977

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Die Sitzung ist eröffnet. ({0}) Der Deutsche Bundestag trauert um sein ältestes Mitglied, den früheren Bundesminister für Wirtschaft und Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, Professor Ludwig Erhard, der heute nacht in einem Bonner Krankenhaus gestorben ist. Geboren in Fürth 1897, wirkte Ludwig Erhard von 1928 bis 1942 an der Handelshochschule in Nürnberg. 1945 bis 1946 war er bayerischer Wirtschaftsminister, 1948 bis 1949 Direktor der Verwaltung für Wirtschaft des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, 1949 bis 1963 Bundesminister für Wirtschaft und 1963 bis 1966 Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Seine historische Leistung bestand in der Durchsetzung liberaler Grundsätze in der Wirtschaftspolitik in einem Lande, das eine fast 15jährige Phase der staatlichen Lenkung der Wirtschaft hinter sich hatte, in dem das Verständnis für die Bedeutung marktwirtschaftlicher Grundsätze weitgehend verlorengegangen war und das sich zudem nach dem verlorenen zweiten Weltkrieg im Zustand tiefen wirtschaftlichen und finanziellen Elends befand. Die Währungsreform 1948 und die anschließende Beseitigung ,der Zwangswirtschaft gegen starke innere und äußere Widerstände erscheinen als die bedeutendste Leistung seines Lebens. Er setzte damit die Kräfte frei, die den wirtschaftlichen Wiederaufstieg in unserem Lande nach dem Kriege bewirkt haben. Er tat das in langen, zähen Auseinandersetzungen mit eigenen Freunden und Gegnern, in denen er niemals das Ziel aus dem Auge verlor. Dieses Ziel lautete: dem Menschen ein menschenwürdiges Dasein in Freiheit zu verschaffen. Dabei nahm er von Anfang an die Verpflichtung, zur sozialen Gerechtigkeit beizutragen, sehr ernst. Freie Marktwirtschaft war die eine, soziale Gerechtigkeit die andere Komponente seiner wirtschaftspolitischen Konzeption. In dem von ihm vertretenen und weltweit verbreiteten Begriff der sozialen Marktwirtschaft vereinigte sich beides. Ludwig Erhard war ein mutiger Mann. Der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft setzte er aktiven Widerstand entgegen. Von der Verfolgung seiner großen politischen Ziele ließ er sich durch nichts abbringen. Er war ein großer Redner, dessen Reden im Parlament und in der Öffentlichkeit seine Zuhörer in ihren Bann schlugen. Er war dabei gleichzeitig ein feinsinniger, empfindsamer und gütiger Mensch. Gegen verletzende Angriffe, die auch ihm nicht erspart blieben, setzte er sich nur widerstrebend zur Wehr. Er glaubte an die positiven Kräfte in den Menschen, an ihre Bereitschaft zur Leistung, an ihr Engagement für die Freiheit. Er vertraute seinen Mitbürgern, und seine Mitbürger haben ihm in einem selten erreichten Maße vertraut. Er war ein überzeugter Demokrat. Die Regeln der parlamentarischen Demokratie waren für ihn die unverzichtbare Grundlage einer freiheitlichen Ordnung. Deutschland verliert mit ihm einen seiner großen Söhne, der in der Geschichte unseres Landes einen ehrenvollen Platz einnehmen wird. Ich spreche namens des Deutschen Bundestages den Angehörigen des Verstorbenen und der CDU/ CSU-Fraktion unsere tief empfundene Anteilnahme aus. Sie, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, haben sich zu Ehren des Verstorbenen von den Sitzen erhoben. Ich danke Ihnen. Ich unterbreche die Sitzung bis 9.15 Uhr. ({1})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Meine Damen und Herren, wir setzen die unterbrochene Sitzung fort. Am 26. April 1977 hat unser Kollege Adolf Scheu seinen 70. Geburtstag gefeiert. ({0}) Ich möchte ihm dazu die herzlichen Glückwünsche des Hauses aussprechen. Er kann heute leider nicht hier sein. Ich glaube, es ist wohl die Meinung aller Kollegen, wenn ich sage, daß wir in dem Kollegen Scheu einen besonders liebenswerten Kollegen unseres Hauses schätzen. ({1}) Präsident Carstens Ich muß, bevor wir in die Tagesordnung eintreten, von einer interfraktionellen Vereinbarung Kenntnis geben. Die heutige Tagesordnung soll ergänzt werden um den Antrag der Abgeordneten Mahne, Wuttke, Stahl ({2}), Topmann, Ollesch, Hoffie und der Fraktionen der SPD, FDP betr. Versuchsbetrieb in Telefon-Nahbereichen ({3}). - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Ich stelle fest, daß das Haus einverstanden ist und die Erweiterung der Tagesordnung entsprechend beschlossen ist. Folgende amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen: Der Vermittlungsausschuß hat das vom Deutschen Bundestag am 17. März 1977 besdilossene Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Investitionszuschüsse für Mietwohnungen, Genossensdhaftswohnungen und Wohnheime im sozialen Wohnungsbau bestätigt. Sein Schreiben wird als Drucksache 8/348 verteilt. Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf: a) Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Beschleunigung strafrechtlicher Verfahren - Drucksache 8/323 - Überweisungsvorsdilag des Ältestenrates: Rechtsausschuß b) Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung von Terrorismus und Gewaltkriminalität sowie zum Schutz des inneren Friedens - Drucksache 8/322 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß ({4}) Innenausschuß Das Wort zur Begründung und zugleich als erster Redner in der Debatte hat der Abgeordnete Vogel ({5}).

Friedrich Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002378, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich, meine Ausführungen mit einem Dank an die Strafverfolgungsbehörden beginnen zu können, die bei der Aufklärung des Mordes an Generalbundesanwalt Buback und den beiden Beamten Göbel und Wurster sowie bei der Ergreifung der tatverdächtigen Personen einen entscheidenden Schritt weitergekommen sind. ({0}) Der Dank meiner Fraktion gilt auch den wachsamen Bürgern, die die Polizei bei der Ergreifung der Anarchisten tatkräftig unterstützt haben. ({1}) Unser Mitgefühl gilt den beiden Polizeibeamten, die bei der Ergreifung der Anarchisten verletzt worden sind. Einer der Beamten ist schwerverletzt. Ich möchte diesen Beamten hier auch im Namen meiner Fraktion und sicherlich auch im Namen des gesamten Hauses die besten Genesungswünsche aussprechen. ({2}) Meine Damen und Herren, dieser Erfolg der Strafverfolgungsbehörden ist nun allerdings nicht dazu angetan, daß Bundesregierung und Parlament jetzt ihre Hände in den Schoß legen mit der Selbstberuhigung, die Strafverfolgungsbehörden würden es schon schaffen, die Täter dingfest zu machen. Die Bekämpfung des Terrorismus ist eben nicht allein eine Sache der Strafverfolgungsbehörden und der Gerichte - so wichtig es ist, die zu fassen, die schwere Straftaten begangen haben, und sie ihrer gerechten Strafe zuzuführen -, sie ist auch vor allem eine Sache der Bundesregierung und dieses Parlaments und nicht zuletzt eine Frage der geistigen und moralischen Orientierung. Wir haben das in diesem Hause schon oft gesagt, zuletzt noch vor wenigen Wochen, aber es muß wohl wieder und wieder gesagt werden, wenn ich an einige Äußerungen der jüngsten Zeit denke. Dieses Parlament als Gesetzgeber muß in seiner Aktion, in seinen Gesetzen zeigen, daß Terrorismus und Schwerkriminalität als Bedrohung des Bürgers nicht nur erkannt werden, sondern daß der Staat auch entschlossen bereit ist, den Schutz seiner Bürger zu übernehmen und denjenigen mit fühlbaren Sanktionen zu belegen, der die Regeln, die sich unsere Gesellschaft in ihrer freien demokratischen Ordnung zu gedeihlichem Zusammenleben selbst auferlegt hat, bricht. Auf der Verhältnismäßigkeit von Rechtsbruch und Sanktion ist unser Strafrecht aufgebaut. Der Ladendieb wird anders bestraft als der Einbrecher oder Totschläger. Terrorismus und Gewaltkriminalität sind die schwersten Formen des Rechtsbruchs. Die Sanktionen müssen entsprechend hart sein. Der Bürger erwartet von diesem Parlament die moralische Kraft, dieses Problem mit angemessener Sachlichkeit, aber auch mit aller Entschlossenheit zu behandeln und nicht weiterzuspinnen, was in manchen Diskussionszirkeln ohne Beziehung zur Wirklichkeit vorgesponnen worden ist. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat dem Bundestag die heute hier zur Beratung anstehenden Gesetzentwürfe vorgelegt, weil sie nicht zuletzt die moralische Verpflichtung gegenüber der übergroßen Mehrheit der gesetzestreuen Staatsbürger empfindet, die Sorge, die Beunruhigung und die Angst dieser Bürger, die aus vielen Briefen sprechen, die uns erreichen, durch besseren Schutz vor Terrorismus und Gewaltkriminalität abzubauen. Wir haben zu unseren Gesetzesvorschlägen schon in der Vordiskussion leider viel Kritik hören müssen. Ich würde gern sagen, daß diese Kritik wenig sachlich war. Ich kann das nicht; denn sie war noch nicht einmal wenig sachlich, sie war überhaupt nicht sachlich. Dabei konnte man sich in Ihren Reihen, meine Damen und Herren der Koalition, nicht einmal in der Kritik auf eine inhaltliche Linie einigen. Einerseits wurden wir mit einem gewissen Spott bedacht: unsere Vorschläge seien sozusagen alles „olle Kamellen". Andererseits hieß es jedoch: „nach jedem Terroranschlag neue Gesetze" und „Überreaktion". Da hier Plus und Minus bekanntlich null ergeben, heben sich auch diese Scheinargumente gegenseitig auf. Das schärfste Geschütz, das gegen unsere Vorschläge aufgefahren wird, ist die Behauptung, mit Vogel ({3}) ihnen werde die Axt an die Wurzeln des Rechtsstaates gelegt und der Weg in Richtung Polizeistaat beschritten. Das ist ein schwerwiegender Vorwurf, meine Damen und Herren. Er würde uns sicher tief treffen, wenn wir nicht wüßten, um welch abgegriffene Münze es sich handelt. Wir kennen doch dieses Schauspiel. Erster Akt: SPD und FDP sind die liberalen Helden. CDU und CSU werden als antirechtsstaatlich und reaktionär beschimpft. Zweiter Akt: Irgendwo geschieht ein spektakulärer terroristischer Anschlag. Dritter Akt: SPD und FDP schließen sich den angeblich anti rechtsstaatlichen Gesetzesvorschlägen von CDU und CSU an. Epilog: SPD und FDP geben die von CDU und CSU vorgeschlagenen und zunächst vehement beschimpften Gesetze plötzlich als ihr eigenes rechtspolitisches Verdienst aus. Dies, meine Damen und Herren, ist keine Erfindung von mir, sondern das Drehbuch z. B. für die Änderung des Haftrechts. Ich darf nur an die damalige Diskussion und daran erinnern, wie man mit stolzgeschwellter Brust im Bundestagswahlkampf 1972 verkündete, das alles seien die Beiträge der Koalition zur inneren Sicherheit. Wenn wir - wie immer in den vergangenen Jahren nötig - mehr Schutz und Sicherheit für unsere Bürger auch durch Gesetze fordern, hören wir z. B. in schöner Regelmäßigkeit die Stimme eines gewissen Herrn Wassermann, den ich nicht wegen seiner persönlichen Bedeutung nenne, sondern weil er Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen ist. Er pflegt dann immer ein Schrekkensgemälde von den Gefährdungen des Rechtsstaats zu malen, und immer wieder finden dann publizistische Büchsenspanner mit nachtwandlerischer Sicherheit Herrn Wassermann als Interviewpartner, obwohl er noch nie irgendwo konkrete politische Verantwortung getragen hat. Dieser selbe Herr Wassermann, der sich so für den Rechtsstaat engagiert, meine Damen und Herren, ist der Erfinder der Figur des politischen Richters. Mit dieser Figur des politischen Richters, nicht mit unseren Gesetzesvorschlägen, meine Damen und Herren, wird die Axt an die Wurzeln des Rechtsstaates gelegt. ({4}) Besonders besorgt stimmt uns allerdings eine andere Äußerung zur Ermordung des Generalbundesanwalts, zum Terrorismus und zur Rechtsstaatlichkeit. Wir sind deshalb besorgt, weil diese Äußerung aus dem SPD-Vorstand kommt und weil sie eine Geisteshaltung zeigt, die wir alle gemeinsam vor wenigen Wochen als gefährlich erkannt haben. Ich zitiere aus der „Süddeutschen Zeitung" vom 3. Mai 1977, und zwar wörtlich. Unter der Überschrift „Steffen: Der Staat begibt sich auf Terroristenniveau" heißt es dort: Das SPD-Vorstandsmitglied Jochen Steffen hat die Befürchtung geäußert, daß nach dem Mord an Generalbundesanwalt Siegfried Buback die Prinzipien des Rechtsstaates „noch mehr abgewürgt" werden. In einem Kommentar für die Zeitschrift Schüler Express der Jungsozialisten schrieb Steffen, der Mord an Buback sei eine Herausforderung des Rechtsstaates. Bisher habe man auf diese Herausforderung immer so geantwortet, daß man dem Rechtsstaat langsam die Luft abdrücke. Damit begebe sich der Rechtsstaat „auf das Niveau der Terroristen". Es zähle nichts mehr außer Zweckmäßigkeit und Gewalt. „Dann sind wir im Urwald. Bei der Affäre mit den Wanzen waren wir schon voll drin", schrieb Steffen. ({5}) Wenn der Staat seinen Bürgern, die ihn erst bildeten, nicht traue, setze er seinen Apparat gegen sie ein, fuhr der SPD-Politiker fort. Er erzeuge ein Klima der Bespitzelung und Verdächtigung. Steffen vertrat die Auffassung, daß der Mord an Buback alles noch verschlimmern dürfte. „Jetzt werden erst recht die Wanzen kommen. Aber ein Staat ohne Recht ist eine organisierte Terrorbande. ({6}) Die Bürger werden um rechtsstaatliche Prinzipien kämpfen müssen, oder der US-Präsident Carter kann uns in seine Gebete für die Menschenrechte einschließen", heißt es abschließend in dem Kommentar. Diese Ausführungen sprechen für sich. Ich unterstelle, daß sie mit Sicherheit nicht repräsentativ für die SPD sind. Aber Herr Steffen ist immerhin Mitglied des Parteivorstandes der SPD. Eine solche Stimme aus dem Führungsgremium der tragenden Regierungspartei ist schlicht und einfach skandalös. ({7}) Nicht nur wir, auch die Bürger dieses Landes werden am Ende der Beratungen über unsere Gesetzesvorschläge wissen, wer in dieser Partei das Sagen hat: Herr Steffen und seine Freunde im Geiste oder noch der Herr Bundeskanzler. Lassen Sie mich, bevor ich zu unseren Vorschlägen im einzelnen komme, auf einen letzten Einwand aus den Reihen der SPD und der FDP eingehen, nämlich den Einwand, wir suchten alles Heil in Gesetzen. Wir suchen gewiß nicht alles Heil in Gesetzen. Wir suchen es aber auch in Gesetzen. Wir wissen: Wenn diese unsere Vorschläge Gesetz werden, wird nicht das Paradies auf Erden ausbrechen. Es hat zu allen Zeiten Kriminalität und Gewaltkriminalität gegeben. Dies wird sich nicht ändern; denn die menschliche Natur ändert sich nicht. Aber wir sind der festen Überzeugung, daß unsere Gesetzesvorschläge, ein wohlausgewogenes Paket aus materiellrechtlichen Bestimmungen und Änderungen der Strafprozeßordnung und des Versammlungsrechts, mindestens helfen werden, ein weiteres Ansteigen des Terrorismus zu verhindern, und letztlich zu einer Abnahme von Terrorismus und Gewaltkriminalität führen können. Auch für uns sind im übrigen Gesetze nur ein Teil des Instrumentariums, das dem Staat zur Verfügung Vogel ({8}) I steht oder zur Verfügung gestellt werden muß, um die Kriminalität einzudämmen und den Bürger besser zu schützen. Ich selber setze mich zum Beispiel schon seit vielen Jahren auch für technische Verbesserungen ein, die den Aktionsradius und die Handlungsfähigkeit der Verbrecher für kriminelle Handlungen einschränken. Ich brauche nur an fälschungssichere Kraftfahrzeugkennzeichen und Ausweispapiere zu erinnern. Es freut mich, daß der Herr Kollege Kleinert von der FDP das in der jüngsten Debatte über die innere Sicherheit ein wichtiges Mittel zur Terroristenbekämpfung genannt hat. Im Gegensatz zum Kollegen Kleinert bin ich allerdings für eine konzertierte Aktion. Technische Maßnahmen, Maßnahmen in der Ausstattung der Polizei und des Bundeskriminalamts oder zur personellen Verstärkung des Verfassungsschutzes beispielsweise dürfen nicht für sich allein angestrebt werden. Sie müssen Hand in Hand gehen mit der Schaffung des nötigen gesetzlichen Instrumentariums. Ein 'wichtiger Bestandteil unserer Gesetzesvorschläge ist die Anhebung der angedrohten Höchststrafe von 15 auf 20 Jahre bei besonders schweren Straftaten und die Verschärfung des Demonstrationsstrafrechts. In erster Linie auf diese Vorschläge scheint sich das Argument aus den Reihen von SPD und FDP zu beziehen, sie hätten mit einer Bekämpfung des Terrorismus nichts zu tun. Zunächst darf ich dazu bemerken, daß der eine unserer Gesetzentwürfe nach seinem Titel nicht allein die Bekämpfung des Terrorismus zum Gegenstand hat, sondern auch die Bekämpfung anderer Gewaltkriminalität. Nur zu Ihrer Orientierung - ich weiß, es fehlt oft die Zeit, Bundestagsdrucksachen zu lesen -: Die Überschrift unserer Initiative heißt „Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Terrorismus und Gewaltkriminalität sowie zum Schutz des inneren Friedens". Abgesehen davon meinen wir aber auch, daß die Erhöhung der Höchststrafe für Delikte der Gewaltkriminalität und die Änderung des Demonstrationsstrafrechts sehr wohl etwas mit der Bekämpfung des Terrorismus zu tun haben. Wir sind mit Ihnen der Überzeugung, daß sich der harte Kern der Terroristen mutmaßlich durch die Erhöhung der Höchststrafe von 15 auf 20 Jahre für bestimmte Delikte von weiteren Terrorakten nicht abhalten läßt. Wie Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, aber nach einigen Anhörungen und dem vielen Ihnen zur Verfügung stehenden Material wissen sollten, geht es nicht allein um diesen harten Kern, es geht auch um das Umfeld und um diejenigen, die noch nicht zum harten Kern gehören, die vielleicht noch nicht einmal zu dem Umfeld gehören, sondern auf dem Wege dorthin sind. Hier haben die Anhebung der Höchststrafandrohung und die Verschärfung des Demonstrationsstrafrechts sehr wohl ihre Berechtigung. ({9}) Es ist ja schließlich nicht so, daß ein Mensch eines Morgens aufwacht und Terrorist ist. Es führt ein Weg dahin, manchmal ein längerer, manchmal ein kürzerer. Eine Station am Anfang dieses Weges ist häufig - Sie haben das in der gemeinsamen Unterrichtung des Innenausschusses und des Rechtsausschusses nach dem Mordanschlag von Karlsruhe gehört - Häuserbesetzung und Teilnahme an gewalttätigen Demonstrationen. Das Stichwort heißt „gewalttätige Demonstrationen". Hier ist nun leider von Ihrer Seite schon wieder bewußt ein „Türke" aufgebaut worden. Ich will nur Herrn Kollegen Wehner aus seinem Beitrag für die Esslinger Zeitung vom 29. April 1977 zitieren. Dieser Beitrag steht für eine Reihe von Äußerungen aus der SPD. Ich zitiere: Es kann auch nicht dienlich sein, daß verschiedenste Erscheinungen miteinander vermengt werden, so zum Beispiel friedliche, im Grundgesetz verbürgte Demonstrationen und strafbare Gewaltaktionen am Rande oder unter Mißbrauch von Demonstrationen. ({10}) Nun ist Herr Wehner sicher kein Jurist, aber bei seinem Intelligenzgrad kann ich dies nicht als Entschuldigung gelten lassen. Herr Kollege Wehner, Sie wissen doch trotzdem sehr wohl, daß sich unser Vorschlag zur Änderung des Paragraphen über Landfriedensbruch nur gegen gewalttätige Demonstrationen richtet. ({11}) Vielleicht sollten Sie daneben unseren gleichzeitig eingebrachten Vorschlag zur Änderung des Versammlungsgesetzes lesen, der lautet: Jeder hat das Recht, öffentliche Versammlungen und Aufzüge friedlich zu veranstalten und an solchen Veranstaltungen friedlich teilzunehmen. Das - und nur das - entspricht dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit in Art. 8 des Grundgesetzes. ({12}) Unsere Vorschläge verfolgen gerade das Ziel, das Recht auf friedliche Demonstration dadurch in seiner Bedeutung hervorzuheben und zu stärken, daß wir einen klaren Trennungsstrich ziehen zwischen friedlichen und gewalttätigen Demonstrationen, und letztere sind von dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit eben nicht umfaßt. ({13}) Sie arbeiten also mit einer Unterstellung, Herr Kollege Wehner. Daß damit Ihre Beteuerungen, unsere Gesetzentwürfe sachlich und unvoreingenommen prüfen zu wollen, unglaubwürdig erscheinen müssen, liegt auf der Hand. Ich möchte hier noch einmal an Sie und Ihre Fraktion appellieren: Lassen Sie die Worte von einer unpolemischen und sachlichen Diskussion zu Taten werden! Wie notwendig eine Änderung des Demonstrationsstrafrechts ist, zeigen die Demonstrationen in Frankfurt, Brokdorf, Grohnde - um nur einige herauszugreifen. Insbesondere Grohnde macht deutlich, daß politische Gruppierungen und Vereinigungen, radikale Gruppen und subversive Kräfte ({14}) Vogel ({15}) ) Demonstrationen zu organisiertem Widerstand und Angriff auf unsere freiheitliche verfassungsmäßige Ordnung benutzen. ({16}) Herr Kollege Emmerlich, jetzt hören Sie sich vielleicht einmal den Bericht an. Die Ermittlungen zu den Vorgängen in Grohnde haben z. B. ergeben, daß das Vorgehen bis ins einzelne taktisch geplant war. Das Gelände wurde vorher aufgeklärt, Karten und Pläne wurden angefertigt. Bereits bei der Anfahrt wurden die Lenkung, Sammlung und Einweisung der Teilnehmer sowie die Einteilung der Führungs- und Verbindungsleute vorgenommen. Es wurden eigene Verkehrslenkungsmaßnahmen getroffen; zur taktischen Lenkung wurden gruppenweise einheitliche Kennzeichen und Symbole ausgegeben. Zahlreiche Anführer waren maskiert bzw. stark vermummt. Die Führung bei den Einzelaktionen erfolgte durch Megaphon und Lautsprecherwagen. Innerhalb eng geschlossener Marschkolonnen wurde schweres Gerät in den Aktionsraum eingeschleust. Die Akteure erhielten Feuerschutz durch Steinwürfe und gezielte Zwillenschüsse mit Stahlkugeln und Schrauben. Die Demonstranten hatten sogar einen eigenen Sanitätsdienst mit Ärzten, Helfern und Fahrzeugen. Nach dem derzeit geltenden Demonstrationsstrafrecht können nur diejenigen bestraft werden, die selbst Gewalttätigkeiten begangen haben oder auf die Menschenmenge eingewirkt haben, um deren Bereitschaft zu solchen Handlungen zu fördern. Meine Damen und Herren von der Koalition, ich glaube, die Strafverfolgungsbehörden wären Ihnen dankbar, wenn Sie ihnen einen Tip geben könnten, wie sie aus einer Menschenmenge von ca. 10 000 bis 12 000 Demonstrationsteilnehmern die aktiven Teilnehmer ermitteln sollen. ({17}) - Hören Sie weiter zu, Herr Kollege Penner. ({18}) Nach vorliegenden Berichten sind bei den gewalttätigen Ausschreitungen in Grohnde junge Demonstranten mit Injektionsnadeln, mit denen Überdosen des Medikaments Novalgin gespritzt werden sollten, von hinten gegen Polizeibeamte vorgegangen. Versuchen Sie einmal, hinterher aus 10 000 oder 12 000 Demonstrationsteilnehmern die herauszufinden, die in dieser hinterhältigen Weise Polizeibeamte angegriffen oder anzugreifen versucht haben! Hier liegt doch das Problem. ({19}) Nach allen vorliegenden Erkenntnissen war die sogenannte Demonstration von Grohnde unter Ausnutzung des derzeit geltenden § 125 StGB so geplant, daß allein durch die Menge der Teilnehmer der Schutz der Gewalttätigen nahezu vollkommen war. ({20}) - Herr Emmerlich, hören Sie zu. Sie sind zu schnell; Sie kriegen auf Ihre Frage gleich eine Antwort. In Grohnde haben die gewalttätigen Demonstranten selbst für ihr schützendes Umfeld gesorgt. In anderen Fällen bedienen sich diese subversiven Kräfte der Teilnehmer an friedlich geplanten Demonstrationen. Sie mischen sich unter die Demonstranten und benutzen sie als schützendes Umfeld. Die Wirkung für ,die gewalttätigen Demonstranten ist dieselbe: Sie sind weitgehend vor strafrechtlichem Zugriff geschützt. Es gibt nur eine Möglichkeit, ihnen diesen Schutz zu entziehen, nämlich die Bestrafung auch dessen, der als Demonstrationsteilnehmer zwar selbst keine Gewalttätigkeiten begeht, sich aber an einer Demonstration beteiligt, aus der heraus Gewalttätigkeiten begangen werden. Es mag sein, daß diese Lösung für Demonstranten, die mit dem Ziel einer friedlichen Demonstration gekommen sind, nicht angenehm ist. Aber es kann doch wohl von jedem gesetzestreuen Staatsbürger verlangt werden, daß er sich, auch wenn er selbst nur friedliche Absichten hat, an gewalttätigen Demonstrationen nicht beteiligt und sich entfernt, sobald eine Demonstration gewalttätig wird. Im übrigen darf ich zu dieser Frage abschließend darauf hinweisen, daß die von uns vorgeschlagene gesetzliche Regelung auch zu dem rechtlichen Instrumentarium anderer Länder gehört; ich möchte hier nur auf entsprechende Vorschriften in Dänemark, Norwegen, Österreich, Schweden und der Schweiz hinweisen. Sie sollten endlich anerkennen, daß Sie 1970 übers Ziel hinausgeschossen sind, und sollten bereit sein, den damaligen Fehler zu korrigieren. ({21}) Zu der Frage der Anhebung von Höchst- und Mindeststrafen für eine Reihe schwerster Verbrechen wird mein Kollege Dr. Wittmann noch nähere Ausführungen machen. Unsere Vorschläge verfolgen das Ziel, den hohen Unrechtsgehalt solcher Verbrechen, bei denen Gewalttätigkeiten gegen Menschen begangen werden und die schwerwiegende Folgen für Leben und Gesundheit von Menschen haben, noch deutlicher als im geltenden Strafrecht hervorzuheben. Wir erhoffen uns davon Auswirkungen auf die Strafzumessungspraxis der Gerichte, deren Urteile gerade in Fällen der Schwerstkriminalität vielen Bürgern oft genug von unverständlicher Milde erscheinen. Wir erhoffen uns davon aber auch eine abschreckende Wirkung auf alle diejenigen, die noch nicht zur Tat fest entschlossen, sondern in der Versuchung sind, ein solches schweres Verbrechen zu begehen. Den hohen Unrechtsgehalt dieser schwersten Verbrechen wollen wir auch noch dadurch unterstreichen, daß wir verhindern möchten, daß derjenige, der z. B. wegen Geiselnahme oder erpresserischen Menschenraubs verurteilt worden ist, mit ziemlicher Sicherheit die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung erwarten kann, wenn er zwei Drittel der Strafe verbüßt hat. Wer wegen solcher Verbrechen verurteilt worden ist, soll in der Regel-damit rechnen müssen, daß er seine Strafe auch voll verbüßen muß. Vogel ({22}) Das soll vor allem dann gelten, wenn nicht zu erwarten ist, daß der Täter den Schaden, den er angerichtet hat, wiedergutmacht, soweit er dazu in der Lage ist. Für das Rechtsempfinden unserer Bürger ist es z. B. schlechthin unerträglich, wenn ein Verbrecher wie der Albrecht-Entführer Ollenburg, der eine Millionenbeute sicher beiseite geschafft hat, auch noch vorzeitig entlassen wird, um möglichst frühzeitig in den Genuß seiner Beute zu kommen. ({23}) Wir halten gerade die Anhebung der Höchst- und der Mindeststrafen im Bereich der Schwerstkriminalität für kriminalpolitisch wichtig. Und Sie dürfen versichert sein, daß es dazu keine unterschiedlichen Aufassungen zwischen CDU und CSU, sondern völlig einmütige Übereinstimmung gibt. ({24}) Ich sehe gerade den Herrn Kollegen Penner. Sie sollten vielleicht Ihr „Sonthofen-Argument" endlich einmal einmotten. Es hilft hier überhaupt nicht. ({25}) - Ich würde sagen, Sie brauchen ja irgend etwas, wo Sie gegen eine Wand reden können, und hier haben Sie so eine imaginäre Wand, die Sie sich aufgebaut haben. Motten Sie das lieber ein und kommen Sie zu einer sachlichen Auseinandersetzung über unsere Vorschläge zurück! ({26}) - Haben Sie keine Sorge! Irgendwo muß man sich Mut machen, wenn man in einer so verzweifelten Lage ist wie Sie im Augenblick in der SPD. ({27}) Einen Schwerpunkt gerade für die Bekämpfung des Terrorismus sehen wir in der Ermöglichung der Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen solche Terroristen, die sich eines Verbrechens der Beteiligung an einer schwerkriminellen Vereinigung schuldig gemacht und im Zusammenhang damit ein Verbrechen begangen haben, das mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe oder mit einer Höchststrafe von 20 Jahren bedroht ist. Wir sind der Auffassung, daß die Gerichte bei der Aburteilung dieser Terroristen auch dann die Möglichkeit haben müssen, die Sicherungsverwahrung im Anschluß an die Verbüßung einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren - so lautet unser Vorschlag - anzuordnen, wenn sie zum erstenmal bestraft werden. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, daß solche Terroristen, wenn sie nach der Verbüßung ihrer Strafe entlassen werden, in der Regel sofort wieder in der Terroristenszene untertauchen und damit das terroristische Potential verstärken. Die heute schon geltenden Möglichkeiten zur Anordnung der Sicherungsverwahrung verlangen auch nicht immer, daß der Täter früher schon wegen erheblicher Straftaten verurteilt worden ist. Nach § 66 Abs. 2 des Strafgesetzbuches kann das Gericht auch ohne frühere Verurteilung dann die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn jemand drei vorsätzliche Straftaten begangen hat, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wenn er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu zeitiger Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Der entscheidende Maßstab für die gesetzliche Regelung ist, daß der Täter nachhaltig erhebliche kriminelle Energie aufgewandt hat und erwarten läßt, daß das auch künftig der Fall sein wird. Nachhaltig erhebliche kriminelle Energie wendet auch derjenige auf, der sich des Verbrechens der Beteiligung an einer schwerkriminellen Vereinigung, also an einem sogenannten Dauerdelikt, schuldig macht und im Zusammenhang damit ein besonders schwerwiegendes Verbrechen begeht. Ergibt in diesen Fällen die Gesamtwürdigung des Täters und der Tat, daß seine Bereitschaft zum Terrorismus fortbesteht, soll das Gericht die Möglichkeit haben, die Sicherungsverwahrung anzuordnen. Diese muß so lange vollzogen werden können, wie die Bereitschaft zu terroristischen Verbrechen weiterbesteht. Wir sehen darin nicht zuletzt ein wirksames Mittel, terroristischen Umtrieben vorzubeugen. Das ist mindestens so rechtsstaatlich, wie die heute schon bestehende Möglichkeit der Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen den notorischen Einbruchsdieb. Denn der notorische Terrorist, meine Damen und Herren, stellt in jedem Fall eine größere Gefahr dar als der notorische Einbruchsdieb. Neben den von uns vorgeschlagenen und von mir in den wesentlichen Grundzügen erläuterten Änderungen des materiellen Strafrechts messen wir unseren Vorschlägen zur Änderung des Strafverfahrensrechts besonders große Bedeutung bei. Unser Gesetzentwurf zur Beschleunigung strafrechtlicher Verfahren ist eine Antwort auf den zu Recht bestehenden Eindruck, daß gerade im Bereich der Gewaltkriminalität und des Terrorismus die Strafverfahren oft viel zu lange dauern. Die Dauer und die Art und Weise des Ablaufs des Baader-Meinhof-Prozesses in Stammheim haben dem Rechtsstaat größeren Schaden zugefügt und das Vertrauen in die Fähigkeit des Rechtsstaates zu angemessener und würdiger Ahndung von Verbrechen stärker erschüttert, als manchem bewußt ist. Hier muß bald etwas geschehen. Wir würden es sehr begrüßen, wenn die Bundesregierung hier endlich aus dem Stadium des Prüfens in das Stadium des Handelns käme. Der Bundesrat und die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hatten schon in der letzten Legislaturperiode die Vorschläge vorgelegt, die wir jetzt wieder eingebracht haben. Unser Gesetzentwurf hat den großen Vorzug, die rechtsstaatlich gebotene Verteidigung des Angeklagten zu gewährleisten und andererseits durch Einschränkung des Prozeßstoffs eine Beschleunigung des Verfahrens zu erreichen. Die Möglichkeiten des geltenden Strafprozeßrechts, den Prozeßstoff sinnvoll zu begrenzen, sind unzureichend. In vielen Fällen - dies trifft insbesondere auf Großgefahren zu - sind die Anklagevorwürfe gegen die Angeklagten so umfangreich, daß auch ein Teil dieser Vorwürfe, wenn sie nachgewiesen werden, ausreichen, um gegen den Angeklagten eine Höchststrafe zu verhängen. Für den Strafzweck ist es daher unerheblich, Deutscher Bundestag - 8. Wahlperiode - 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den. 5. Mai 1977 1679 Vogel ({28}) wenn die übrigen Delikte vorläufig eingestellt werden. Für das Strafverfahren ist es jedoch von entscheidender Wirkung, weil das Strafverfahren dadurch in kürzerer Zeit durchgeführt werden kann. Dies beeinträchtigt auch nicht etwa die Wirkung des materiellen Strafrechts, sondern es verstärkt sie nur noch; denn je schneller die Bestrafung der Tat erfolgt, um so wirksamer ist sie. Damit verstärkt das beschleunigte Strafverfahren die Präventivwirkung des Strafrechts. Auch der Deutsche Juristentag in Hamburg hat sich 1974 für die Beschleunigung von Großverfahren ausgesprochen. Die Konferenz der Justizminister und -senatoren hat 1975 die Prüfung entsprechender Maßnahmen empfohlen. Im Bundesjustizministerium wird an einem entsprechenden Entwurf gearbeitet. ({29}) Ich glaube daher, daß hier ein Konsens unter den im Bundestag vertretenen Parteien gefunden werden kann. Zum Schluß möchte ich noch einiges zu dem leidigen Thema der Überwachung des mündlichen Verteidigerverkehrs sagen. Die bisherige Behandlung dieses Themas - meine Damen und Herren, lassen Sie es mich hart formulieren - ist skandalös und stellt objektiv eine folgenschwere Begünstigung terroristischer Anschläge in den letzten Jahren dar. ({30}) Wir werden in dieser Frage nicht nachgeben, sondern alles tun, damit eine Regelung geschaffen wird, die Schluß damit macht, daß sogenannte Rechtsanwälte ihre Verteidigerrechte zur tätigen Komplicenschaft ({31}) mit inhaftierten Terroristen mißbrauchen können. ({32}) Wenn irgendwo das Wort „Überreaktion" berechtigt ist, dann bei der überempfindlichen Reaktion in manchen Kreisen auf die Forderung nach einer gesetzlichen Ermöglichung der Überwachung des mündlichen Verteidigerverkehrs. Diejenigen in der Bundesregierung und in der Koalition, allen voran der Herr Bundeskanzler, die sich nun schon wiederholt öffentlich für eine solche Regelung ausgesprochen haben, werden von uns die Möglichkeit eingeräumt erhalten, ihrer Meinung in einer namentlichen Abstimmung hier im Deutschen Bundestag Geltung zu verschaffen. ({33}) Eine solche Regelung rüttelt keineswegs an den Grundfesten unseres Verfahrensrechts, zu denen das Vertrauensverhältnis zwischen dem Verteidiger und seinem Mandanten gehört. Wie oft haben wir schon den Nachweis erbracht, daß die von uns vorgeschlagene Regelung nicht nur allen rechtsstaatlichen Erfordernissen gerecht wird, sondern im Ergebnis ein Beitrag zur Festigung des Rechtsstaates sein wird. Ich habe schon in der Bundestagsdebatte am 24. Juni des vorigen Jahres nachgewiesen, daß in den rechtsstaatlichen Demokratien um uns herum, ( z. B. in den Niederlanden, in der Schweiz, in England oder in Schweden, sehr viel weitergehende Überwachungsmöglichkeiten bestehen als nach den von uns jetzt erneut vorgelegten Vorschlägen. Ich würde es begrüßen, wenn sich die sehr verehrten Damen und Herren der Koalitionsfraktionen endlich einmal unvoreingenommen und gründlich damit beschäftigen würden. ({34}) - Ich nehme es durchaus ernst, Herr Kollege Penner. ({35}) - Lieber Herr Kollege Penner, Sie haben die jahrelangen Diskussionen um die Verschärfung des Haftrechts hier im Haus nicht mitbekommen. Das Drehbuch ist genau das gleiche gewesen. Wir waren „antirechtsstaatlich". Hier wurde die „Axt an die Wurzeln des Rechtsstaates gelegt". Hier ging es darum, daß „liberale Errungenschaften des Rechtsstaates abgebaut" werden sollten. Dann gab es da Vokabeln, die unterschwellig verdächtigen sollten, „Vorbeugehaft", „Schutzhaft", und was es alles gegeben hat. Es hat jahrelang gedauert - ich sage -, viel zu lange gedauert. Am Ende haben Sie alle zugestimmt. Haben Sie seitdem irgendeine Klage darüber gehört, daß das ein Haftrecht sei, das mit dem Rechtsstaat nicht vereinbar ist? ({36}) Haben Sie seitdem irgendeine Klage gehört, das geltende Haftrecht reiche nicht aus? Das heißt, damit ist dieses Thema dann vom Tisch gekommen. Wenn hier jemand versagt hat, dann, würde ich sagen, diejenigen, die hysterisch auf diese Vorschläge reagiert haben ({37}) und nicht einsehen konnten, daß es eben hier notwendig war, das rechte Verhältnis zwischen der Freiheit des einzelnen, der Freiheit der vielen und den notwendigen Sicherheitsbedürfnissen in diesem Staat, in dieser Gesellschaft herzustellen. Ich meine, im Haftrecht haben wir es geschafft. Schaffen wir es doch endlich auch in der Frage der Überwachung des Verteidigerverkehrs! ({38}) Ich nehme es durchaus ernst, wenn das Argument vorgebracht wird, auch der terroristischer Aktivitäten Beschuldigte habe Anspruch darauf, mit seinem Verteidiger vertrauliche Gespräche führen zu können. Niemand bestreitet einen solchen Anspruch, Herr Kollege Penner. Ich möchte das sehr nachdrücklich unterstreichen. Wir erwarten nur, daß auch der Terrorist sich einen Verteidiger nimmt, dessen Ziel einzig und allein die Verteidigung des Beschuldigten ist und daß er sich nicht einen Komplicen im Gewande eines Verteidigers anheuert, Vogel ({39}) mit dessen Hilfe er aus der Zelle heraus dann sein terroristisches Treiben fortsetzt. Nur darum geht es. ({40}) Wenn Sie unseren Vorschlag nachlesen, dann werden Sie feststellen: Nur dann, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, daß der Verkehr zwischen dem Verteidiger und seinem Mandanten komplicenhaft mißbraucht wird, gibt unser Vorschlag die Möglichkeit zur Überwachung des mündlichen Verteidigerverkehrs, nur dann. Die Anordnung wird einem Richter vorbehalten, dessen Entscheidung von einer höheren Instanz überprüft werden kann. Die Durchführung soll ebenfalls in den Händen eines unabhängigen Richters liegen. Herr Kollege Penner, wir haben vorhin ein Gespräch geführt. Wenn Sie der Auffassung sind, der Richter sei hier von seiner Erfahrung, von seinem Sachverstand her überfordert, dann, meine ich, sollten wir nicht sagen: Ergo werden wir überhaupt nichts tun, sondern dann sollten wir gemeinsam überlegen, wie wir es dann so effektiv und so wirksam gestalten können, daß es hinterher auch in diesen extremen Ausnahmefällen funktioniert. Ich meine, diese Verpflichtung hätten wir alle gemeinsam. ({41}) - Herr Kollege Penner, die Bundesregierung hat 1974 den Vorschlag gemacht, eine Überwachungsregelung zu treffen. Dann hat die kluge Mehrheit dieses Hauses gesagt: Wir machen etwas viel Schlimmeres, wir regeln den Ausschluß. ({42}) Dann gucken Sie doch mal, was der Herr Croissant nach wie vor macht, daß er nach wie vor in Düsseldorf verteidigen kann, daß er nach wie vor durch die Haftanstalten der Bundesrepublik Deutschland reisen kann. Es ist interessant, daß es dann immer zeitliche Zusammenhänge mit dem Beginn eines Hungerstreiks, mit dem Abbruch eines Hungerstreiks, mit Durststreik, das heißt mit konzertierten Aktionen gibt. ({43}) Ich habe hier nur einen dieser Anwälte genannt. Natürlich sind das Leute, die nicht in den Anwaltsstand gehören, aber sie sind drin. Ihre Ausschlußregelung hat nicht verhindert, daß dieses Treiben fortgesetzt wird. ({44}) Leute, die etwas von der Sache verstehen, haben Ihnen doch gesagt, daß wir ohne eine solche Regelung nicht auskommen. Hören Sie doch endlich auf diejenigen, bei denen man mit Recht annehmen kann, daß sie Sachverstand haben und nicht ideologisch verblendet sind! Meine Damen und Herren, ich habe manchmal den Eindruck, daß sich die Gegner einer solchen Regelung, wir würden bei uns im Ruhrgebiet sagen: in den gleichen Knüpp hineinargumentiert haben, wie bei der seinerzeitigen Diskussion um die Verschärfung des Haftrechts. Bringen Sie doch endlich den Mut auf, diesen Knoten durchzuschlagen, damit das getan werden kann, was alle Fachleute für unausweichlich notwendig halten. ({45}) - Herr Kollege Kleinert, ich würde Sie in gewissem Umfang auch als Fachmann betrachten. Nur, für die Fragen, die hier kriminaltechnisch, die kriminologisch, -die im Bereich der Kriminalbekämpfung notwendig sind, sind Sie mir jedenfalls nicht der kompetente Fachmann. Das darf ich doch wohl so sagen. ({46}) Meine Damen und Herren, die Sicherheit unserer Bürger duldet in dieser Frage, wie wir meinen, keinen weiteren Aufschub, wenn wir nicht mit dazu beitragen wollen, objektiv Beihilfe zu weiteren terroristischen Anschlägen zu leisten, die in dem sichersten konspirativem Raum, den es in der Bundesrepublik Deutschland gibt, nämlich in einer Haftzelle, ausgeheckt worden sind. Ich habe versucht, die Vorschläge, die meine Fraktion Ihnen zur Beratung vorgelegt hat, zu begründen und dabei auch zur Sache zu argumentieren. Ich wäre Ihnen außerordentlich dankbar, wenn Sie die Bereitschaft aufbringen könnten, sich darauf zu konzentrieren, ebenfalls zur Sache zu diskutieren, zu argumentieren, weil ich sicher bin, daß wir dann zu Ergebnissen kommen werden, die die breite deutsche Öffentlichkeit von diesem Bundestag, von diesem Parlament erwartet. ({47})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Das Wort hat der Abgeordnete Dürr.

Hermann Dürr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000424, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Friedrich Vogel hat seine Rede zunächst mit einigen Zitaten garniert; das ist ihm mehr oder weniger gelungen. Er hat mit besonderer Entrüstung einen Satz aus einem Zeitungsartikel von Jochen Steffen zitiert ({0}) - den ich im übrigen weitgehend für abwegig halte -, der lautet, ohne Gerechtigkeit seien Staaten nur große Terrorbanden. Das ist gar nicht von Jochen Steffen; im Urtext heißt dies „Sine iustitia quid sint regna nisi magna latrocinia" und steht im „Gottesstaat" des Heiligen Augustinus. ({1}) Im übrigen hat Herr Kollege Vogel uns ein wenig glauben machen wollen, der Kampf gegen den Terrorismus finde in erster Linie im Bundesgesetzblatt statt. Das ist grundfalsch. Richtig ist vielmehr, daß sich Erfolg und Nichterfolg der Terroristenbekämpfung nicht nach der Anzahl der vorgeschlagenen Paragraphen, sondern einzig und allein nach der Anzahl der gefaßten Terroristen bestimmen. Der I Gesetzgeber steht sozusagen erst in der dritten Reihe. ({2}) Als vorgestern die Verhaftung der beiden Terroristen bekannt wurde, konnte jeder die große Erleichterung verspüren, mit der diese Nachricht aufgenommen wurde. Mitzutun und mitzuhelfen, um solche Erfolge bei der Fahndung zu ermöglichen, ist unsere Aufgabe. Die Mörder von Siegfried Buback und seinen beiden Begleitern gehören hinter Schloß und Riegel und nicht in einen neuen Paragraphendschungel. Unser Dank gilt allen, die bei der Ergreifung der Verdächtigen mitgeholfen haben, unsere Anteilnahme gilt dem schwerverletzten Polizeibeamten. ({3}) Er war nicht der erste, den der blinde Fanatismus der Gewalttäter getroffen hat. Insgesamt sind vier Polizei- und vier Justizbeamte durch Terroristen getötet und viele verletzt worden. Die Umstände der Verhaftung der beiden Verdächtigen am Dienstag zeigen, worauf es ankommt: auf Solidarität mit den Beamten der Polizei, der Staatsanwaltschaften, des Bundeskriminalamts, mit den Mitarbeitern des Verfassungsschutzes, die im Kampf gegen den Terrorismus stehen. Es kommt ferner zunehmend auf die Mithilfe der Bevölkerung an. Was wir tun können und tun sollen, ist zum einen, im Rahmen unserer bundesgesetzlichen Kompetenz die Chancen zur Ergreifung der Täter zu verbessern. Als Beispiel sei nur die Verbesserung der Möglichkeiten des Bundeskriminalamts in den letzten sieben Jahren genannt. Die Zusammenarbeit zwischen den Behörden im Bund und in den Ländern muß ständig daraufhin überprüft werden, ob sie sich nicht noch verbessern läßt. Hierzu wird mein Fraktionskollege Heinz Pensky ausführlicher Stellung nehmen. Zum anderen ist es unsere Aufgabe - eine sich immer wieder stellende, nie abgeschlossene Aufgabe -, unseren Staat für jeden einzelnen Bürger verteidigenswert zu gestalten. Wenn die Terroristen so etwas wie eine Theorie haben, dann doch die, daß unser Staat nicht verteidigenswert sei, auch nichts Verteidigenswertes schaffen könne, sondern zerstört werden müsse. Wir müssen uns unseren Reformaufgaben stellen. Jeder Fortschritt in unserer Gesellschaft, alles, was für unsere Bürger das Leben lebenswerter macht, zeigt den Widersinn des Terrorismus. Alles, was .die Bürger als Verbesserung des freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens empfinden, erleichtert es ihnen, diesen Staat als unseren Statat zu empfinden. Jeder Fortschritt ist geeignet, die sogenannte Sympathisantenszene auszutrocknen. Über die wirksamste Bekämpfung des Terrorismus kann es unterschiedliche Ansichten geben. Diese Meinungsverschiedenheiten können auch kontrovers ausgetragen werden. Es hilft aber nicht weiter und lenkt nur von der gemeinsamen Aufgabe ab, wenn viel Zeit, Energie und Rhetorik darauf verwendet werden, die eigene politische Richtung als Garanten der Sicherheit der Bürger dadurch erscheinen zu lassen, daß der Gegenseite persönlich und sachlich die Fähigkeit zur wirksamen Terroristenbekämpfung abgesprochen wird. Hier gibt es Leute, die eine Brücke von Terroristen zur sozialliberalen Koalition schlagen wollen. Dazu gehört der Bremer CDU-Abgeordnete Dr. Ernst Müller-Hermann, der am 16. April der Deutschen Presseagentur anvertraute, in den Jugendorganisationen von SPD und FDP gebe es „immer noch so etwas wie eine geistige Komplizenschaft mit den Terroristen". ({4}) Dazu gehören alle, die in früheren Debatten und vielleicht auch heute wieder die Gelegenheit zum Rundumschlag gegen die sozialliberale Koalition suchen und behaupten, SPD und FDP seien knieweich und nachgiebig, von der Terroristenbekämpfung bis zur Ostpolitik. Dient es schließlich der gemeinsamen Sache oder nicht vielmehr der parteipolitischen Profilierung, wenn die Herren Strauß und Kohl publikumswirksam die Einladung zu einem gemeinsamen Sicherheitsgespräch ablehnen? Wer auf dem Pfad der parteipolitischen Ausmünzung des Sicherheitsthemas wandelt, ist auch leicht geneigt, in einen Gesetzesvorschlag nicht nur das hineinzuschreiben, was er für wirksam hält, sondern auch andere Punkte, die ihm lediglich publikumswirksam erscheinen. Weil es nach meiner Ansicht solche Punkte in den Gesetzentwürfen gibt, sei gesagt: Wir gingen den Terroristen voll auf den Leim, wenn wir einen Großteil unserer Zeit dafür opferten, Kontroversen über die Herstellung derjenigen Paragraphenlassos auszutragen, die bestimmt nicht geeignet sind, Terroristen damit zu fangen. Niemand kann behaupten, er habe das Patentrezept für die Sicherheit unserer Bürger und für den inneren Frieden, und niemand kann sich mit der Behauptung auf den Lorbeeren ausruhen wollen, er habe das ideale Strafrecht geschaffen. Das ist schon deshalb nicht möglich, weil die Entwicklung unserer Lebensumstände neuartige Straftaten erst hervorbringt, für die neue Vorschriften geschaffen werden müssen. Deshalb und weil wir von der so oft rednerisch beschworenen Solidarität der Demokraten etwas halten, erklären wir, daß wir bereit sind, in den Ausschüssen alle Vorschläge der Opposition gewissenhaft zu prüfen und uns von denen beraten zu lassen, deren Sachverstand uns hilfreich sein kann. Das gilt auch für die längst bekannten, von der Opposition in mehr oder weniger unveränderter Neuauflage dargebotenen Vorschläge. Nur muß sich die CDU/CSU darüber klar sein, daß sie bei Dingen, die schon in den vergangenen Jahren oft überlegt, hin- und hergewendet, geprüft und diskutiert worden sind, mit neuen Tatsachen und Argumenten überzeugen muß, wenn sie Erfolg haben will. Soweit sich die Vorschläge der Opposition überhaupt mit dem Problem des Terrorismus befassen, sollen sie Terroristen betreffen, die bereits verhaftet sind. Wir meinen, es müsse mit besonderer Dringlichkeit und Intensität auch auf das eingegangen werden, was geeignet ist, den Aktionsradius der Terroristen, die noch nicht hinter Schloß und Riegel sind, einzuschränken und ihre Logistik zu erschweren. Davon steht in den Gesetzentwürfen der Opposition nichts. Ich freue mich aber, daß Herr Kollege Friedrich Vogel - angeregt unter anderem durch den Kollegen Kleinert - in seiner Rede einen diesbezüglichen Einschub gemacht hat Deshalb laden wir ,die Opposition dazu ein und bitten sie herzlich darum, mit uns zusammen in den Ausschüssen auch über Probleme der Zusammenarbeit bei der Fahndung nachzudenken und mit zu überlegen, welche weitere Entwicklung unser Waffenrecht nehmen sollte. Wegen der Mobilität der Gewalttäter ist dabei auch an eine internationale Kooperation zu denken. Das Sprengstoffrecht muß in diesem Zusammenhang genauso genannt werden wie Überlegungen über fälschungssichere Personalausweise oder Kraftfahrzeugkennzeichen und auch über deren sichere Verwahrung. Es muß geprüft werden, inwieweit eine bessere optische Überwachung der Schalterräume von Banken und Sparkassen eine Hilfe gegen terroristische und andere Räuber sein kann. Auch dazu wird mein Kollege Pensky noch sprechen. Die Opposition schlägt in ihren Entwürfen vor, einige Höchst- und Mindeststrafen zu erhöhen. Diesem Begehren stehen wir mit erheblicher Skepsis gegenüber, weil wir die abschreckende Wirkung solcher Strafen bezweifeln. Gerade bei der schweren Kriminalität schrecken nicht hohe Strafdrohungen, sondern die Aussicht, mit großer Wahrscheinlichkeit gefaßt zu werden, mögliche Täter ab. ({5}) Daß die Erhöhung von Mindeststrafen in unserem Schuldstrafrecht auch andere Probleme mit sich bringt, zeigt ein Beispiel aus unserer jüngsten Rechtsgeschichte. Als Reaktion auf die Bombenattentate des 19. Jahrhunderts wurden in Deutschland und in anderen Ländern die Strafandrohungen für Sprengstoffverbrechen besonders hoch angesetzt. Sie blieben im Strafgesetzbuch stehen - auch in den Zeiten, als es keine Anarchisten mehr gab, die Bomben vor die Kutschen von Fürsten warfen. Manche von Ihnen erinnern sich vielleicht noch daran, daß sich einige junge Menschen aus Südbaden vor etwa 15 Jahren aus einem Steinbruch Sprengstoff verschafften, nach Berlin reisten und als Demonstration gegen die Teilung Berlins dort ein Loch in die Mauer sprengten. Weil sie dies gemeinschaftlich unternommen hatten, drohte ihnen eine Mindeststrafe von fünf Jahren Zuchthaus ohne jede Ausnahmemöglichkeit. Weil diese Mindeststrafe nicht im geringsten ein schuldangemessenes Urteil ermöglicht hätte, hat der Bundestag unter der Kanzlerschaft von Ludwig Erhard im Jahre 1964 die betreffenden Paragraphen im Siebenten Strafrechtsänderungsgesetz modifziert. Meine Damen und Herren von der Opposition, unser früherer Kollege und Ihr Parteifreund Dr. Max Güde, der an diesem Gesetz maßgeblich mitgearbeitet hat, könnte Ihnen und uns allen sicher Nachdenkliches über die Problematik besonders hoher Mindeststrafen sagen. Die Opposition meint, die Bestimmungen über die Aussetzung des Restes einer zum Teil verbüßten Freiheitsstrafe zur Bewährung würden den Richter in ein zu enges Korsett stecken und gelegentlich zwingen, Inhaftierte auch dann zu entlassen, wenn das Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit dem entgegenstehe. Wir stehen auch dem diesbezüglichen Vorschlag skeptisch gegenüber, meinen aber, die Entscheidung solle nach gründlicher Unterrichtung des Rechtsausschusses über die bisherigen Erfahrungen getroffen werden. Mit dem Vorschlag der Überwachung auch des mündlichen Kontakts zwischen einem inhaftierten Beschuldigten und seinem Anwalt wiederholt die CDU/CSU ihre Anträge aus der letzten Legislaturperiode. Damals hielten es der Rechtsausschuß und die Mehrheit des Hauses nach Anhörung zahlreicher Sachverständiger und gründlicher Beratung nicht für vertretbar, den mündlichen Kontakt des Verteidigers mit seinem Mandanten zu überwachen, weil mit dieser Maßnahme in den Kernbereich des Vertrauensverhältnisses zwischen Anwalt und Mandanten eingegriffen worden wäre und in der Überzeugung, daß gerade nach den Erfahrungen der Praxis ein derart gravierender Eingriff nicht geboten sei. Die Opposition - so auch Herr Kollege Friedrich Vogel heute - hat in der letzten Zeit keine Gründe genannt, die bei den damaligen Gesetzesberatungen nicht schon erwogen worden wären. Ich halte das Problem der Verteidigerüberwachung nicht für eine Glaubens- und Gewissensfrage. Es gab sie in der Bundesrepublik bis zum Jahre 1964, wenn auch in geringerem Umfange, als die Opposition uns heute vorschlägt, und es gibt sie in wenigen anderen Ländern, die das Prädikat Rechtsstaat durchaus verdienen. Wir sollten eine solche Maßnahme hauptsächlich unter dem Gesichtspunkt prüfen, ob sie wirksam und ob sie praktikabel sein kann. Hier sollte es uns nachdenklich stimmen, daß die gesamten Verbände und Organisationen unserer deutschen Anwaltschaft die Überwachung des mündlichen Kontakts als ein untaugliches Mittel energisch ablehnen. Auch der Deutsche Richterbund hat sich bei den Beratungen 1976 gegen die Überwachung des Verteidigergesprächs ausgesprochen, und dies nicht nur aus dem Grunde, daß es eine für einen Richter unzumutbare Tätigkeit sei. Besteht nicht die Gefahr, daß ein mit Überwachungsmaßnahmen betrauter Richter, der nach dem Vorschlag der CDU/CSU mit dem Gegenstand der Untersuchung weder befaßt sein, noch befaßt werden darf, also in hohem Maße unbefangen sein soll, in dem Fall, daß ein Inhaftierter mit seinem Anwalt konspirieren sollte, in unverdächtige Formulierungen gekleidete Informationen gar nicht als solche erkennt? Besteht nicht die Gefahr, daß in einem solchen Gespräch vieles nur zur Verwirrung oder Verhöhnung des überwachenden Richters gesagt würde? Bliebe nicht während einer langen Hauptverhandlung genügend Zeit zum Informationsaustausch? Das Problem der Verteidigerüberwachung darf nicht isoliert gesehen werden. Wir haben in der Bundesrechtsanwaltsordnung die Möglichkeit, einen Deutscher Bundestag - 8. Wahlperiode - 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, .den 5. Mai 1977 1683 Rechtsanwalt bei schwerer Pflichtverletzung aus der Anwaltschaft auszuschließen. Wir haben vor wenigen Jahren ermöglicht, daß ein vorläufiges Vertretungsverbot verhängt werden kann oder daß der Anwalt als Verteidiger in einem bestimmten Strafverfahren ausgeschlossen werden kann. ({6}) Sind das nicht die schärferen Mittel? Ist es nicht nötig, die praktische Wirksamkeit dieser Sanktionen zu überprüfen und erforderlichenfalls vom Gesetzgeber weiterzuentwickeln? Gerade auf diesem gesamten Gebiet wird sich erweisen, ob gemeinsam wirksame und damit erfolgreiche Lösungen gefunden werden können. Untaugliche Mittel erwecken nur Sicherheitserwartungen, die dann nicht eingelöst werden können. ({7}) Jeden von uns bewegt die Frage: Was wird ein fanatischer Terrorist tun, wenn er nach Verbüßung seiner Freiheitsstrafe aus der Haft entlassen wird? Der Vorschlag der Opposition auf Sicherungsverwahrung auch nach einmaliger vorheriger Verurteilung ist neu. Er führt mitten hinein in die Frage, ob aus unserem Schuldstrafrecht ein Sicherungsrecht werden soll. Manchem mag die Erweiterung der Bestimmung über die Sicherungsverwahrung als eine Art Patentlösung vorkommen. Sie ist es nicht. Die diesem Vorschlag zugrunde liegende Frage muß aber gewissenhaft geprüft und darf nicht über das Knie gebrochen werden. Nicht in Zusammenhang mit der Terroristenbekämpfung sind die Oppositionsvorschläge über das Versammlungsrecht und über das Demonstrationsstrafrecht zu bringen. Hier liegt die Frage nahe, ob nicht der Versuch gemacht werden soll, die erfolgreiche Rechtspolitik unter der Führung der sozialliberalen Koalition teilweise auf den Stand von 1969 zurückzuentwickeln. Die Neuordnung des Demonstrationsstrafrechts hat sich bewährt. ({8}) Den Beweis kann die CDU/CSU der jüngsten Antwort der Bundesregierung auf eine Oppositionsanfrage entnehmen. ({9}) Im Jahre 1968 hat der Anteil der unfriedlichen Demonstrationen 26 % und im Jahre 1969 sogar 36 °/o betragen. Vom Inkrafttreten des neuen Rechts im Mai 1970 bis Ende 1976 waren es im Mittel nur noch 8 %. ({10}) Bürger, die von ihrem Grundrecht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln, Gebrauch machen, haben immer mehr gelernt, sich gegen Unterwanderung ihrer Demonstrationen durch Leute mit höchst unfriedlichen Absichten zu wehren. Die Verlegung der Demonstration der Bürgerinitiativen gegen den Bau des Kraftwerks Brokdorf nach Itzehoe ist ein eindrückliches Beispiel dafür. Es gibt aber auch Vorfälle aus unserer Zeit, etwa die Vorgänge in Grohnde, die uns sehr nachdenklich machen. Ich wehre mich mit aller Entschiedenheit dagegen, die Vorgänge in Grohnde überhaupt als Demonstration, wenn auch als unfriedliche Demonstration, zu bezeichnen. ({11}) Hier handelte es sich um planmäßige Zusammenrottung von Gewalttätern, die nur noch ihre eigene Gewalttätigkeit demonstrieren wollten. Es war unrichtig, Herr Kollege Friedrich Vogel, bei Grohnde von einer Demonstration zu sprechen. Hier hat Herbert Wehner völlig recht, als er sagte: Es sind zwei Paar Stiefel, ob es sich um eine Gewalttätigkeit wie in Grohnde oder um eine ausgeartete, ursprünglich friedliche Demonstration handelt. ({12}) Zu Grohnde frage ich: Welche erweiterten Möglichkeiten hätte denn die hauptsächlich zum Objektschutz eingesetzte Polizei gehabt, wenn der von Ihnen vorgeschlagene § 125 a geltendes Recht gewesen wäre? Die polizeitaktische Lage wäre kaum anders gewesen. Nein, die Frage muß anders gestellt werden: Wie steht es mit dem Grundrecht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln, bei Leuten, die schon bei der Anreise ihre unfriedlichen Absichten dadurch erkennbar werden lassen, daß sie Brechstangen, Wurfanker, Krähenfüße und andere Mittel zur Gewaltanwendung mitführen? Vorfälle wie in Grohnde sind qualitativ verschieden von friedlichen Demonstrationen, die ausarten oder durch einige Gewalttäter unterwandert werden. Der von der Opposition vorgeschlagene § 125 a des Strafgesetzbuchs ist keine brauchbare Einheitslösung für so verschiedenartige Massendelikte. In Grohnde ist eine neue Art von Kriminalität sichtbar geworden. Wir sind bereit, die Problematik miteinander zu überdenken und zu diskutieren. Wir sind sicher, daß das Ergebnis der Beratungen anders aussehen wird, als es uns die Opposition vorgeschlagen hat. Die Beschleunigung strafrechtlicher Großverfahren, für die die Opposition einen eigenen Gesetzentwurf vorlegt, ist ein Problem, das nicht erst durch den Stammheimer Prozeß offensichtlich geworden ist. Strafverfahren wegen nationalsozialistischer Gewaltverbrechen und umfangreiche Prozesse, in denen es um Wirtschaftskriminalität ging, haben schon vorher bei den Verantwortlichen Überlegungen angeregt. Daß ein Zwischenergebnis der Beratungen zwischen den Justizministerien des Bundes und der Länder als Gesetzentwurf vorgelegt wurde und in dieser Legislaturperiode von der Opposition erneut eingebracht wird, ist nicht gerade stilvoll, aber erlaubt. Die Arbeiten im Bundesjustizministerium und in den Ländern sind aber inzwischen längst über den Verfahrensstand hinausgegangen, den der Oppositionsentwurf wiedergibt. Diese neuen Erkenntnisse sollten möglichst bald Grundlage der Ausschußberatungen werden. In den für innere Sicherheit und Rechtspolitik zuständigen Bundestagsausschüssen gibt es Oppositionspolitiker, mit denen eine sachliche Zusammenarbeit im Bemühen ,urn gemeinsame Ziele auch dann möglich war und hoffentlich auch in Zukunft möglich sein wird, wenn wir über den richtigen Weg höchst unterschiedlicher Ansicht waren. Sie werden unser Angebot auf gewissenhafte Prüfung und Beratung aller Vorschläge in den Ausschüssen anerkennen, aber genau wissen, daß damit nicht in Aussicht gestellt wird, dem Plenum des Bundestages könnten in den allermeisten Einzelpunkten einstimmig von Koalition und Opposition getragene Ausschußempfehlungen vorgelegt werden. Gemeinsames Bemühen in der Sache führt nämlich nicht notwendig zu einstimmigen Ergebnissen; aber es schafft die Voraussetzungen für bestmögliche Ergebnisse in der Sache, um die es uns gemeinsam geht. Die beiden Festnahmen am Dienstag sind ein Erfolg, aber kein Grund zum Jubeln. Zahlreiche Terroristen wurden bisher gefaßt. Andere sind, obwohl ihr Aktionsradius eingeschränkt wurde, noch in Freiheit. Niemand kann deshalb sagen, wir seien vor neuen Gewalttaten sicher. Die, deren Pflicht es ist, Terroristen und deren Unterstützer dingfest zu machen, haben Anspruch auf unsere Mithilfe und Solidarität. Die Mitglieder und Unterstützer terroristischer krimineller Vereinigungen werden um so mehr isoliert, je mehr Bürgern klar wird, daß dieser Staat mit seinen Schwächen und Fehlern, dieser verbesserungsbedürftige und verbesserungsfähige Staat, unser Staat ist - unser Staat, in dem zu leben es sich lohnt und jeder an seinem Platz für Freiheit und Recht einzustehen hat. ({13})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Engelhard.

Hans A. Engelhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000472, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ermordung des Generalbundesanwalts und seiner Mitarbeiter Göbel und Wurster am Gründonnerstag dieses Jahres haben im ganzen Land Trauer, Bestürzung und Empörung ausgelöst. Mit dieser Tat ist der Terrorismus in der Bundesrepublik in eine noch schrecklichere Phase des Verbrechens eingetreten. Wir wissen aus internationalen Erfahrungen und Vergleichen, daß der als Hinrichtung deklarierte gezielte individuelle Mord nicht nur eine weitere Brutalisierung des Terrorismus anzeigt. Eine erfolgreiche Fahndung hat es vermocht, dem Terrorismus Abbruch zu tun, einen Teil der Terroristenkommandos zu zerschlagen, so daß die Terroristen zu großen Aktionen, die einer sorgfältigen und langfristigen Vorbereitung bedürfen, nicht mehr in der Lage sind und deswegen zur individuellen spektakulären Tat greifen. Zur Beruhigung allerdings ist dies kein Grund. Denn das bedeutet gleichzeitig, daß der Terrorismus in unserem Land eher noch gefährlicher geworden ist, gefährlicher für besonders exponierte Persönlichkeiten wie auch - da sollten wir uns nichts vormachen - für die ganze Bevölkerung. Dieser Herausforderung durch den Terrorismus sollten wir uns wie bereits in der Vergangenheit voll stellen. Dabei sollten wir uns immer darüber klar sein, daß jenseits der Notwendigkeiten und Auseinandersetzungen des Tages Grundlage und Voraussetzung all unseres Tuns bei der Terroristenbekämpfung stets die Loyalität und die Solidarität der Rechtsgemeinschaft sind. Dies muß eine mehrfache Solidarität sein. Zum einen geht es um die Solidarität unserer Bevölkerung, die diese Rechtsordnung bejaht und in die Fahndung nach den Terroristen aktiv eingreift. Es ist angebracht, an dieser Stelle der Bevölkerung zu danken. Denn ohne Beteiligung der Bevölkerung wären viele Erfolge in der letzten Zeit, insbesondere die Fahndungserfolge von Singen, überhaupt nicht möglich gewesen. Diese Solidarität ist aber auch eine Solidarität mit unserer Polizei, die in den letzten Jahren, aber gerade in den letzten Monaten und Wochen, hier weit mehr geleistet hat als Dienst nach Vorschrift. Und es sollte hier auch einmal gesagt werden: Wer nach den Vorgängen von Singen besserwisserisch erörtert, wie sich Polizeibeamte zum Schutze ihrer eigenen körperlichen Integrität möglicherweise anders hätten verhalten können, der sollte immer daran denken, ob nicht er der erste wäre, der lautstark protestieren würde, wenn ein irrtümlich Verdächtigter von der Polizei allzu hart angefaßt würde. In unserem Rechtsstaat sind der Polizei bei ihren Maßnahmen zu Recht enge Grenzen gesetzt. Wenn sich die Polizei in diesen gesetzlichen Schranken bewegt, verdient sie unseren Respekt, unsere Anerkennung. Diese Anerkennung sollte ihr von der Öffentlichkeit, aber auch von der veröffentlichten Meinung voll gezollt werden. ({0}) Notwendig schließt diese Solidarität auch die Ablehnung gegenüber dem geistigen Umfeld des Terrorismus ein. Ich halte es für eine sehr gute Sache, daß der Bundesjustizminister unverzüglich gegen die Hersteller und Verbreiter jenes Flugblattes Strafanzeige erstattet hat, das in widerlicher Weise den ermordeten Generalbundesanwalt auch noch zu verhöhnen gesucht hat, und daß gleichfalls Anzeige erstattet wurde gegen den bisher unbekannten Verfasser eines Artikels in der Göttinger AStA-Zeitung, der sich - so wörtlich - „klammheimliche Freude über die Ermordung des Generalbundesanwalts nicht verkneifen" konnte. Die Solidarität der Ablehnung muß aber auch Weiteren gelten, so etwa dem Verfasser eines Artikels in der Zeitschrift „Konkret", den an den Mordtaten der „Rote Armee Fraktion" eigentlich nur stört, daß diese Taten den Blick auf die Mordtaten - so wörtlich - „unserer menschenverachtenden Ausplünderungsgesellschaft" verstellten. Wir sollten uns auch darüber klar sein, daß wir auch während der Zeit der KZ-Prozesse immer jenseits der notwendigen Verteidigung eine zuweilen auch einmal versuchte Verharmlosung der Täter nicht hingenommen haben. Ebensowenig sollten wir es heute hinnehmen, wenn uns Ulrike Meinhof als „Mordopfer der Staatsschutzorgane" und die Täter von Stammheim als „Nothelfer der Opfer des Vietnamkrieges" angedient werden sollen. ({1}) Diese Solidarität ist aber auch eine Solidarität des Gesetzgebers, und zwar in zweifacher Weise. Notwendig ist die Solidarität der politischen Parteien untereinander, und notwendig ist auch die Solidarität der Opposition zu der jeweils politisch verantwortlichen Bundesregierung. Sicherlich ist die sachbezogene Auseinandersetzung auch in diesen Fragen immer notwendig. Aber parteipolitische Profilierungsversuche um ihrer selbst willen werden in Sachen Terrorismus am falschen Objekt vollzogen und hinterlassen bei der Bevölkerung nicht nur Unverständnis, sondern auch eine ganze Menge an Ratlosigkeit. Daß es die beiden Führer der Opposition abgelehnt haben, an dem ersten Gespräch beim Bundeskanzler teilzunehmen - wohl nur zum Teil, wie ich meine, aus eigenem Antrieb -, ist bedauerlich. Herr Dr. Strauß scheint auch schon den Anschein einer Mitverantwortung zu scheuen. Mitverantwortung, wo nicht er allein die Kommandogewalt hat, scheint er - um im heimatlichen Sprachgebrauch zu bleiben - zu fürchten wie der Teufel das Weihwasser. Ich glaube, das ist keine gute Sache; ({2}) denn auch hier ist Solidarität notwendig, um den Herausforderungen des Terrorismus begegnen zu können. Diesen Herausforderungen haben wir zu begegnen mit einem großen Maß an Entschlossenheit. Aber wir sollten über den Notwendigkeiten von heute und morgen das Licht der bisherigen Leistungen und Erfolge keinesfalls unter den Scheffel stellen. Seit 1969 ist das Bundeskriminalamt personell wie technisch zu einer leistungsfähigen Schaltstelle im Kampf gegen die Schwerkriminalität ausgebaut worden. Allein die Abteilung „Terrorismus" wird nach dem Haushaltsentwurf 1977 künftig nahezu 200 Stellen besetzt haben. Zur Bekämpfung der Gewaltkriminalität wurde beim Bundesgrenzschutz eine Spezialeinheit geschaffen mit einer eigenen Hubschraubertransportstaffel. Es war der seinerzeitige Bundesinnenminister Genscher, der erstmals den Gedanken der öffentlichen Fahndung ins Gespräch brachte und durchgesetzt hat. Ich erinnere daran, daß damals sehr viele in diesem Lande große Zweifel geäußert haben, ob dies nicht in eine falsche Richtung gehe. Aber wenn wir heute sehen, welche Erfolge gerade diese öffentliche Fahndung gebracht hat, so wissen wir, wie sich der damalige Bundesinnenminister weitschauend den schwierigen Problemen der Bekämpfung des Terrorismus bereits vor vielen Jahren genähert hat. Wir haben derzeit die Diskussion um wichtige technische Neuerungen: fälschungssichere Kfz-Kennzeichen, fälschungssichere Personalausweise und auch die Notwendigkeit der Fernsehbeobachtung in den Schalterhallen aller Bankinstitute. Dies wird Geld kosten. Aber diese technischen Neuerungen und ihr Einsatz sind notwendig, um in einer wirksamen Weise die Voraussetzungen und Grundlagen des Terrorismus, ohne die er nicht zu existieren vermag, auf Dauer abzuschneiden. Wir hatten in der letzten Legislaturperiode eine ganze Fülle gesetzlicher Änderungen beschlossen: Änderungen des Strafgesetzbuchs, der Strafprozeßordnung, des Gerichtsverfassungsgesetzes, der Bundesrechtsanwaltsordnung und anderer Gesetze. Heute liegen uns wieder eine Fülle weiterer Änderungsvorschläge auf dem Tisch. Ein Teil davon ist uns wohlvertraut, weil er bereits in der letzten Legislaturperiode Gegenstand breiter Beratungen war, schließlich aber abgelehnt wurde. Andere Vorschläge wiederum sind neu. Wir sollten als Koalition anerkennen, daß die Opposition diesmal gesammelt ihre Vorschläge auf den Tisch gelegt hat. Insofern habe ich mit großem Interesse den Leserbrief des Herrn Kollegen Dr. Lenz in der „Frankfurter Rundschau" vom gestrigen Tage gelesen, in dem er diese Vorlage in einem Stück damit begründet, daß man nicht wieder zurückfallen wolle in die Flickschusterei der vergangenen Legislaturperiode. Dies in der Tat erscheint dankenswert. Wenn tatsächlich neue Erkenntnisse neue Gesetze erfordern sollten, sollten wir diesmal nach einem Gesamtkonzept die Beratungen führen. Notwendige Grundlage für diese Beratungen wird vor allem eine umfangreiche Anhörung der Fachleute und Praktiker aus dem Bereich der Gerichte, der Bundesanwaltschaft und des Bundeskimninalamts sein, aber auch der Rechtsanwälte hinsichtlich der Ehrengerichtsbarkeit. Wir werden alle Vorschläge der Opposition sehr sorgfältig prüfen. Aber wir legen dabei großen Wert darauf, daß bei den Beratungen vor allem das zum Zuge kommt, was die Praktiker, die Männer der vordersten Linie, die tagtäglich in der Auseinandersetzung mit dem Terrorismus stehen, an Wünschen vorzubringen haben. Und diese Wünsche -das wissen Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, sehr genau - decken sich nur zu einem Teil mit dem, was Sie selbst für notwendig halten. Wir werden gegebenenfalls auch die Bundesregierung um eigene zusätzliche Vorschläge bitten und sie ersuchen, uns Formulierungshilfe zu geben. Die Anhörung des maßgeblichen Vertreters der Bundesanwaltschaft in der gemeinsamen Sitzung des Innen- und des Rechtsausschusses am .14. April dieses Jahres sollte uns allen, vor allem aber Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, durchaus zu denken geben. So ist ganz deutlich geworden, daß die Praxis etwa überhaupt nichts davon hält, das zeitliche Höchstmaß der Freiheitsstrafe von 15 auf 20' Jahre anzuheben. Wir sollten nie vergessen, daß der Gesetzgeber nur den Strafrahmen setzt, daß die konkrete Straffestsetzung aber immer Sache der Gerichte ist und daß die bisherige Erfahrung nach Mitteilung der Bundesanwaltschaft klar ausweist, daß unsere Gerichte bisher gerade in Sa1686 chen Terrorismus den bestehenden Strafrahmen voll ausgeschöpft haben. ({3}) Ich mache hier zu diesem Punkt deswegen kritische Anmerkungen, Herr Kollege Dr. Klein, weil es uns verboten sein sollte, in der Bevölkerung falsche Erwartungen zu wecken. Dies gilt insbesondere hinsichtlich des Abschreckungseffekts einer solchen Maßnahme. Denn wenn dieser Effekt sich nicht zeigen sollte, wird sich enttäuschte Hoffnung in der Öffentlichkeit breitmachen, ({4}) und in einer solchen Situation stünden wir ratloser denn je da. Daran sollten wir immer denken.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Vogel?

Hans A. Engelhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000472, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte!

Friedrich Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002378, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Engelhard, ist Ihnen die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage aus den Reihen unserer Fraktion vom 13. April dieses Jahres bekannt, in der es zu der Frage „Wie hoch waren die verhängten Strafen?" heißt: In den 50 Fällen, die in der gerichtlichen Strafverfolgungsstatistik für die Jahre 1969 bis 1974 verfaßt sind, - es handelt sich um Geiselnahme und erpresserischen Menschenraub wurden folgende Strafen verhängt: 5 bis 15 Jahre: 10 Personen; 2 bis unter 5 Jahre: 21 Personen; 1 bis unter 2 Jahre: 8 Personen; 9 Monate bis unter 1 Jahr: 1 Person; 6 bis unter 9 Monate: 4 Personen; 1 bis unter 6 Monate: 1 Person; Geldstrafen: 5 Personen. Können Sie mir sagen, wie das mit Ihrer Auffassung zusammenpaßt, daß die Gerichte in diesen Fällen die Strafrahmen voll ausschöpften?

Hans A. Engelhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000472, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Vogel, ich habe mich zunächst auf den engeren Bereich des Terrorismus bezogen und ich habe zum zweiten meine Angaben auf die Auskunft des Bundesanwalts Kaul in der zitierten gemeinsamen Sitzung der Bundestagsausschüsse gestützt. Ich stehe nicht an zu sagen, daß wir weitere Auskünfte werden einholen müssen. ({0}) Nur wissen Sie, daß die Auskünfte eines Praktikers hinsichtlich der einzelnen Strafen, die in Terroristenprozessen verhängt wurden, wertvoller sind als eine schriftliche Statistik, in die nach Ihrer Fragestellung ja auch andere Verfahren mit einbezogen worden sind. ({1}) Ich komme zur weiteren Frage der Beschleunigung von Strafverfahren. Das ist in der Tat von größter praktischer wie auch psychologischer Bedeutung. Ob hier von der Opposition immer die richtigen Vorschläge vorgelegt worden sind, werden wir bei den Einzelberatungen zu prüfen haben. Auf diese Fragen wird nachher mein Fraktionskollege Kleinert noch näher eingehen. Gegenüber dem Tätertyp des Terroristen, der in seiner fanatischen Rechtsfeindschaft auch während und nach der Strafverbüßung an seinen Plänen festhält und auf seiner Gesinnung beharrt, wird ganz sicherlich das Anliegen der Resozialisierung gegenüber dem Sicherungszweck der Strafe zurücktreten müssen. Deshalb werden wir uns mit den Fragen der Aussetzung des Strafrestes und auch mit der Frage der Sicherungsverwahrung sehr genau zu beschäftigen haben. Nur müssen wir immer wissen, daß in unserer Rechtsordnung Sicherungsverwahrung das wirklich letzte Mittel ist. Wir können nicht einfach darüber hinweggehen, daß bisher die Gerichte davon sehr sparsam Gebrauch gemacht haben. So ist laut einer Veröffentlichung in der „Süddeutschen Zeitung" im Lande Bayern im Jahre 1976 ganze sechs Mal von der Möglichkeit, Sicherungsverwahrung auszusprechen, Gebrauch gemacht worden. Wenn wir wissen, daß es das letzte Mittel darstellt, werden wir uns selbstverständlich auch ganz sachlich mit dieser Frage auseinandersetzen können. Sie haben weiter Vorschläge zum Tatbestand des Landfriedensbruchs und Vorschläge zum Versammlungsrecht vorgelegt. Das hat unmittelbar - es ist schon gesagt worden - mit Terrorismus nichts zu tun. Aber wir haben uns mit neuen Erscheinungen auseinanderzusetzen, mit denen wir konfrontiert sind: mit einer ganz neuen Dimension der Gewaltkriminalität, wie sie in Brokdorf und Grohnde zutage getreten ist. Nur stellt sich die Frage, ob die Vorschläge, die Sie hier dazu vorgelegt haben, der Sache dienlich sein können; denn wenn hundertschaftenweise Kampftruppen feldmarschmäßig mit Helmen, Eisenstangen, Gasmasken und wie immer ausgerüstet in die Schlacht ziehen und zum Sturm antreten, dann stelle ich die Frage, ob es nicht allzu billig ist, sich an einigen Randfiguren schadlos zu halten, die sich, ohne Gewalttäter zu sein, in einer sicherlich abzulehnenden Neugier am Rande des Schlachtfeldes aufhalten, wenn man der Gewalttäter nicht Herr wird, sie zwar im Objektschutz abzuwehren weiß, aber ihrer nicht habhaft wird, sie nicht festnehmen kann. Wir werden uns über all diese Dinge zu unterhalten haben. Nur sollten wir es uns nicht 'zu einfach machen. Wir sollten in der Öffentlichkeit nicht den Eindruck erwecken als sei uns des Rätsels Lösung soeben mit den Vorschlägen der Opposition eingefallen. ({2}) - Ich bestreite nicht, daß Randfiguren im Einzelfall auch daran hindern können, der eigentlichen Gewalttäter habhaft zu werden. Aber die genaue Beobachtung von Grohnde zeigt eben, daß dort, am eigentlichen Ort des Geschehens nur Aktivtäter anEngelhard wesend waren, die Polizei somit nicht dadurch gehindert war, ihrer habhaft zu werden, daß sich eine Vielzahl bloß Neugieriger am Tatort aufgehalten hat. Wir sollten es uns also auch in dieser Frage nicht so einfach machen. Wir werden uns dagegen überlegen müssen, ob nicht etwa eine Novellierung des Waffengesetzes notwendig ist. Herr Kollege Dürr hat es bereits angedeutet. Bestehen nicht Möglichkeiten, und ist es nicht unsere Pflicht, alles zu tun, um der feldmarschmäßig ausgerüsteten Kriegsscharen schon im Vorfeld fernab des späteren Tatorts habhaft werden zu können, sie entwaffnen zu können und bereits die Tatsache ihres So-Ausgerüstetseins als strafrechtlich relevanten Tatbestand entsprechend aburteilen zu können? Mit Ihrem Verlangen nach Überwachung des Gesprächs zwischen den Beschuldigten und ihren Verteidigern haben Sie erneut eine Forderung aufgegriffen, die uns in der letzten Wahlperiode sehr, sehr eingehend beschäftigt hat. Wir haben uns gerade mit dieser Frage besonders lange zu befassen gehabt. Wir dürfen sicherlich erwarten, daß Sie Ihrem jetzt wiederholten Vorschlag auch neue Gründe hinzuzufügen haben. Unsere Bedenken gegen die Überhörung der Gespräche zwischen Beschuldigtem und Verteidiger bestehen jedenfalls unverändert fort. Wir haben die Auffassung vertreten, daß das Gespräch zwischen Beschuldigten und Verteidiger den Kernbereich des für die Verteidigung notwendigen Vertrauensverhältnisses darstellt und deswegen nicht tangiert werden darf. Ein Anwalt, der das unüberwachte Gespräch mit seinem Mandanten zur strafbaren Kooperation mißbraucht, stempelt sich selbst zum Nichtanwalt. Ein solcher Nichtanwalt bedarf nicht der Beobachtung im einzelnen durch die Behörden, sondern er muß aus dem Verfahren insgesamt entfernt werden. ({3}) Deswegen sind wir konsequent für Vorschriften über die Ausschließung des Verteidigers eingetreten und haben diese in der letzten Legislaturperiode beschlossen.

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Hartmann?

Hans A. Engelhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000472, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte sehr.

Klaus Hartmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000816, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, wären Sie bereit einzuräumen, daß es, wenn die Ausschließung eines Verteidigers indiziert ist, bereits zu spät sein kann, zu spät nämlich, den Informationsfluß zwischen einem konspirierenden Verteidiger und dem Inhaftierten zu unterbinden? ({0})

Hans A. Engelhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000472, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Hartmann, ich komme gerade zu dem Punkt möglicher Lücken und räume ein, daß wir uns zu überlegen haben werden, solche vorhandenen Lücken zu stopfen. ({0}) Wir wissen, daß es möglicherweise solche Lükken gibt. So ist etwa der Tatbestand, daß der im Stammheim-Verfahren ausgeschlossene Rechtsanwalt Croissant dessen ungeachtet Sprecherlaubnis mit dem damals festgenommenen früheren Rechtsanwalt Haag bekommen hat, der im Rahmen des Stockholm-Verfahrens beteiligt ist, allein darauf zurückzuführen, daß das Stockholm-Verfahren erst ganze drei Tage nach dem Stammheim-Verfahren eingeleitet worden ist. Derartiges kann nicht richtig sein. Wir sollten zugeben, daß wir mittlerweile klüger geworden sind, sollten sehr genau prüfen, ob es weitere Lücken gibt, und diese Lücken nachdrücklich und endgültig verstopfen. ({1}) Wie sehr allerdings - und das muß in diesem Zusammenhang gesagt werden - unsere oft verlachten Befürchtungen, daß die Gesprächsüberwachung in zweifacher Hinsicht nicht die strafbare Agitation aus den Zellen heraus wirklich hindern könnte, berechtigt waren, wurde schlaglichtartig durch ein Ereignis der letzten Tage beleuchtet. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" vom gestrigen Tage hat berichtet, daß Gudrun Ensslin am Samstag, dem 30. April, gegen ihre Zusage, den Hungerstreik abzubrechen - als Gegenleistung von den Landesjustizverwaltungen wurde die Verlegung weiterer Häftlinge nach Stammheim zugestanden - die Möglichkeit erhielt, mit vier Häftlingen des terroristischen Bereichs in vier verschiedenen Anstalten telefonische Ferngespräche zu führen, selbstverständlich in Anwesenheit eines Beamten der Vollzugsanstalt. Die „FAZ" berichtet, daß Frau Ensslin ihren Gesprächspartnern bei diesen vier Gesprächen jeweils nur den einen Schlüsselsatz mitteilte: „Wer sich nicht fürchtet vor Vierteilung, zieht den Kaiser vom Pferd." Die Gesprächspartner gaben dazu jeweils keine Erklärung ab. Das Gespräch war beendet. Bereits am nächsten Tage stellten mehr als 50 Häftlinge des terroristischen Bereichs im ganzen Bundesgebiet ihren Hungerstreik ein. Warum sage ich das? Dieser Vorgang macht doch zweierlei deutlich: zum einen, daß es außer mit einzelnen kriminellen Verteidigern immer noch weitere Möglichkeiten der Verständigung aus den Zellen heraus gibt.

Prof. Dr. Carl Otto Lenz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001322, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wer hat das je bestritten!) Im vorliegenden Fall ist diese Verständigung mit Genehmigung der Justizverwaltung erfolgt. Das ist ein Vorgang, den draußen überhaupt niemand mehr versteht. Dies ist ein Vorgang, den ich hier nicht anklagend näher auswalzen will. Aber darüber werden wir uns in einem anderen Zusammenhang noch zu unterhalten haben. Dieser Vorgang macht vor allem ein Zweites deutlich: daß es die Terroristen verstehen, sich einer Tarnsprache zu bedienen, die denjenigen, der hier mithören kann, ratlos und unwissend zurückläßt. Auch Erfahrungen auf Grund von Gesprächen, die völlig rechtmäßig mitgehört werden, etwa im Besucherverkehr der Terroristen, haben uns die Erfahrung gebracht, daß hier Gespräche stattfinden, die in sich unverständlich sind, die aber umgekehrt für den, der sie mithört, keinen Anlaß geben, das Gespräch kraft seiner Amtsautorität abzubrechen. Das alles sollten wir bedenken. Diese Erwägungen sollten wir in unsere Erörterungen mit einbeziehen. Ich sage hier aber ganz klar, daß diese Erwägungen für die Fraktion der Freien Demokraten kein Anlaß sein werden, die Detailberatungen im Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages mit Ihnen gemeinsam nicht mit der gleichen Gewissenhaftigkeit wie auch zu anderen Themen zu führen. ({0})

Dr. Karl Carstens (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000321

Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.

Dr. Hans Jochen Vogel (Minister:in)

Politiker ID: 11002379

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor den Särgen der Karlsruher Opfer schienen die Demokraten der Bundesrepublik ihre Parteizugehörigkeit einen Augenblick zu vergessen und das Gemeinsame über das Trennende zu stellen. Noch ist nicht sicher, ob der Schein getrogen hat oder ob nicht doch ein neuer Anfang im Zeichen der Vernunft möglich geworden ist. ({0}) Der bisherige Verlauf der heutigen Debatte gibt mir zu einem gewissen Optimismus Anlaß. Die Bundesregierung, meine sehr verehrten Damen und Herren, steht zu dem, was der Bundeskanzler in Karlsruhe beim Staatsakt gesagt hat. Sie will die Kontroverse über den richtigen Weg zur Bekämpfung des Terrors nicht zum erbitterten Streit zwischen den Parteien und nicht zu einer Zerreißprobe zwischen den Demokraten werden lassen. Der wirkliche Graben verläuft zwischen den Terroristen und ihren Sympathisanten auf der einen Seite und der ganz erdrückenden Mehrheit unseres Volkes auf der anderen Seite. ({1}) Wer innerhalb dieser Mehrheit aus welcher Richtung auch immer - neue Klüfte und Gräben aufreißt, wer Augenblickserfolge oder Rechthaberei höher veranschlagt als den Versuch der Verständigung unter denen, die diese Republik drei Jahrzehnte lang gemeinsam aufgebaut haben, der wird seiner Verantwortung nicht gerecht, ja, der lädt Schuld, zumindest politische Schuld, auf sich. Die Bundesregierung hat das ihrige getan, um nach den Morden von Karlsruhe ein Klima zu schaffen, in dem sachliche Erörterungen möglich sind. Sie hat wenige Tage nach dem Anschlag den Innen- und den Rechtsausschuß des Bundestags umfassend unterrichtet und die Möglichkeit zu einer ersten sachlichen Diskussion wahrgenommen. Sie hat durch den Bundeskanzler in der Regierungserklärung vom 20. April 1977 ihre Bereitschaft zum Gespräch und zu den Rechtsänderungen erklärt, die sich nach sorgfältiger Prüfung als notwendig erweisen. Sie hat darüber hinaus erfahrene Persönlichkeiten aus allen politischen Lagern zu einem Grundsatzgespräch eingeladen, das demnächst fortgesetzt werden soll. Nicht alle Äußerungen aus den Reihen der Opposition haben dieses Bemühen erleichtert. Selbst Mitglieder der Opposition haben die Ansicht vertreten, es wäre besser gewesen, an dem Grundsatzgespräch teilzunehmen, anstatt die Gesprächsteilnehmer schon im voraus abzuqualifizieren, ja, nach der getroffenen Wortwahl zu beschimpfen, wie das einer der Eingeladenen leider getan hat. Die Bundesregierung läßt sich dadurch nicht beirren. Für sie gibt es kein Dogma, daß Strafgesetze oder das Strafverfahrensrecht unter gar keinen Umständen geändert werden dürfen. Die Bundesregierung warnt aber ebenso eindringlich vor übertriebenen Erwartungen hinsichtlich dessen, was Gesetzesänderungen zu bewirken vermögen, und sie warnt auch vor den Schäden, die nach gemeinsamen Erfahrungen eine übereilte Gesetzgebung verursachen könnte. ({2}) Die Bundesregierung appelliert deshalb an alle Beteiligten, an das ganze Haus, besonnen zu prüfen und abzuwägen. Zur Abwägung gehört zunächst einmal die Erinnerung an das, was der Gesetzgeber bereits getan hat, um erkannte Lücken zu schließen und unzulängliche Regelungen zu verbessern. Es ist ja einfach nicht wahr, wenn behauptet wird, die Verantwortlichen seien bisher untätig geblieben. So hat der Gesetzgeber allein seit 1974 die Erledigung der Strafverfahren fühlbar beschleunigt. Ich erinnere nur an die Abschaffung der Voruntersuchung, die etwa im Stammheimer Verfahren mehr als ein dreiviertel Jahr gekostet hat. Der Gesetzgeber hat die Ausschließung von Verteidigern gesetzlich geregelt. Er hat die ordnungsgemäße Durchführung der Hauptverhandlung auch für die Fälle gesichert, in denen sich Angeklagte absichtlich verhandlungsunfähig machen. Er hat die Strafdrohungen für terroristische Vereinigungen in einem eigenen Tatbestand geregelt und erhöht. Er hat die Anzeigepflicht ausgedehnt. Er hat das Haftrecht verschärft. Er hat die Erstzuständigkeit des Generalbundesanwalts erweitert, eine Maßnahme, die sich gerade jetzt als segensreich erweist. ({3}) - Ja, selbstverständlich, gegen den Wunsch Beteiligter, auch gegen den Wunsch der Bundesanwaltschaft; ein Zeichen dafür, daß der Gesetzgeber in solchen Fällen nicht nur jeweils dem Rat der Betroffenen folgen soll, sondern in eigener Verantwortung abwägen muß. - Er hat die Überwachung des schriftlichen Verteidigerverkehrs eingeführt. Er hat die Anleitung, die Befürwortung und auch die Billigung von Gewalttaten unter strengere Strafdrohung gestellt. Zweifellos haben diese Regelungen mit dazu beigetragen, daß bislang von den Strafverfahren gegen Terroristen 123 rechtskräftig und 63 in erster Instanz abgeschlossen werden konnten. Ich nenne diese Zahlen deshalb ausdrücklich, weil sie zeigen, was die Strafverfolgungsbehörden und die Justiz auf diesem Gebiet geleistet haben, und weil sie die Behauptung widerlegen, dieser Staat sei ohnmächtig und nicht fähig, seinen Gesetzen Geltung zu verschaffen. Gleiches gilt übrigens für die Verbrechen der Geiselnahme und des erpresserischen Menschenraubes. Von 76 Fällen, die seit 1970 bekannt wurden, sind 71 aufgeklärt und 50 bereits abgeschlossen. 21 Verfahren sind noch im Gang. In den sieben Fällen, in denen die Geisel das Leben verlor, sind vier Täter zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt; drei haben Selbstmord begangen. In zwei Fällen sind die Täter noch nicht ermittelt. Die Unterschiede, Herr Kollege Vogel, die Sie mit Ihrer Bemerkung angesprochen haben, ergeben sich daraus, daß in der Antwort auf die Kleine Anfrage, Ihrer Fragestellung entsprechend, die Taten nicht erwähnt sind, in denen Geiselnahme oder erpresserischer Menschenraub in Tateinheit mit Mord, Mordversuch, Totschlag oder Totschlagversuch stehen; deswegen Herr Kollege Lenz, die Divergenz in den Angaben. ({4}) - Selbstverständlich, aber entsprechend der Frage sind diese Fälle nicht mit angeführt. Wenn man sie Ihnen nachträglich noch mitteilt, wird sich zeigen, daß die Divergenz nicht besteht. Im übrigen relativiert dies auch die Statistik über die erkannten Strafen. Nun hat die Opposition erneut Gesetzentwürfe eingebracht. Die Bundesregierung wird die darin enthaltenen Vorschläge pflichtgemäß und ohne Voreingenommenheit prüfen, und zwar auch insoweit, als es sich um die Wiederholung von Vorschlägen handelt, die schon früher vom Deutschen Bundestag abgelehnt worden sind. Hierbei wird es darum gehen, ob inzwischen neue Fakten hinzugekommen sind oder ob frühere Argumente in einem neuen Licht erscheinen. Die erste Lesung ist nicht der geeignete Ort, um eine derartige Prüfung im Detail vorzunehmen; das muß den Ausschußberatungen überlassen bleiben. Deshalb beschränke ich mich für die Bundesregierung heute auf folgende Bemerkungen. Erstens. An einer Novelle zur. Strafprozeßordnung mit dem Ziel, Großverfahren zu konzentrieren und zu beschleunigen, arbeitet eine vom Bund und von den Ländern eingesetzte Arbeitsgruppe seit 1975. Die letzte Sitzung der Referenten hat Ende April 1977 in Berlin stattgefunden. Auf der Sitzung haben die Länderjustizverwaltungen, Herr Kollege Lenz, zu dem vorliegenden Referentenentwurf meines Ministeriums Ergänzungs- und Änderungswünsche vorgebracht. Wir prüfen diese Wünsche, und sobald die Vorlage ausgereift ist, werden wir sie ins Gesetzgebungsverfahren bringen. Ihr Entwurf, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, entspricht demgegenüber nicht diesem Stand; er ist wortgleich mit dem Entwurf, den die Länder Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz im November 1975 unter Verwendung der damaligen Arbeitsergebnisse der Bund-Länder-Kommission im Bundesrat eingebracht haben und der durch die weitere Entwicklung in zahlreichen Punkten überholt ist. Staatsminister Dr. Hillermeier, der bayerische Kollege, hat ihn inzwischen vor dem Bundesrat selber als verbesserungsbedürftig bezeichnet.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Lenz?

Dr. Hans Jochen Vogel (Minister:in)

Politiker ID: 11002379

Gerne, Herr Präsident.

Prof. Dr. Carl Otto Lenz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001322, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Würden Sie mir beipflichten, Herr Bundesminister, daß die neuen Erkenntnisse aus dieser Arbeitsgruppe dem Rechtsausschuß durchaus im üblichen Verfahren der Formulierungshilfe mitgeteilt werden könnten, ohne daß dafür der normale Gesetzgebungsprozeß bemüht werden muß, weil alle Beteiligten darüber bestens auf dem laufenden sind?

Dr. Hans Jochen Vogel (Minister:in)

Politiker ID: 11002379

Herr Kollege Lenz, dies wäre dann möglich, wenn die Vorschläge der Länderjustizverwaltungen, die sich in den meisten Punkten gegen Dinge richten, die in Ihrem Entwurf nach dem alten Arbeitsstand noch enthalten sind, abgeklärt und wirklich verhandlungsreif sind. ({0}) Der Zeitverlust entsteht nicht durch die eigene Vorlage der Bundesregierung, sondern der Zeitverlust entsteht dadurch, daß es bei diesem heiklen und schwierigen Gebiet der Strafprozeßordnung überhaupt nicht hilft, wenn man unausgereifte Vorschläge ins Verfahren gibt, die den Prozeß, wie die Praktiker uns dauernd sagen, eher erschweren, als daß sie die gewünschten Erleichterungen bringen. Dies ist der entscheidende Punkt. ({1})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Dr. Hans Jochen Vogel (Minister:in)

Politiker ID: 11002379

Gerne.

Prof. Dr. Carl Otto Lenz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001322, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, können Sie verstehen, daß der Eindruck entstanden ist, daß diese Arbeitsgruppe für die Bundesregierung als eine Art Spanische Wand dient, hinter der sie seit 18 Monaten ihre Untätigkeit verbirgt? ({0})

Dr. Hans Jochen Vogel (Minister:in)

Politiker ID: 11002379

Herr Kollege Lenz, das kann ich nicht bestätigen, und ich wundere mich ein wenig, daß Sie, der Sie die Zusammenhänge als Fachmann kennen, hier einen solchen Anschein erwecken wollen. Die Wahrheit ist, daß die Referenten aller Länder in ständiger Fühlungnahme mit der Praxis die Dinge in dem Tempo fördern, in dem dies verantwortet werden kann. Außer1690 dem wissen Sie, Herr Kollege Lenz, daß Sie und auch ich in der Lage wären, dies jetzt zu den einzelnen Punkten Ihrer Vorschläge im Detail darzulegen. Dies würde überzeugen, es würde aber etwa eineinhalb Stunden dauern, und deswegen möchte ich vorschlagen, dies in den Ausschuß zu verlegen und nicht hier den Eindruck der Untätigkeit zu erwecken. Prinzipielle Gegensätze bestehen nämlich gar nicht. Ich bin deshalb sicher, daß eine gemeinsame Beratung des Regierungsentwurfes und des Entwurfes der Opposition zu durchaus brauchbaren Ergebnissen führen wird. Hinsichtlich der Überwachung des mündlichen Verteidigerverkehrs - das hat auch die heutige Diskussion gezeigt - bestehen die Meinungsverschiedenheiten fort. Ich nehme meinerseits insoweit auf die Regierungserklärung des Bundeskanzlers vom 20. April 1977 Bezug. Meine Damen und Herren, sicherlich verlöre die ganze Frage an Gewicht, wenn die geltende Ausschlußregelung und die Verhängung des vorliegenden Vertretungsverbotes nach § 150 der Bundesrechtsanwaltsordnung wirksamer gestaltet werden könnten. ({0}) Im übrigen ist diese Frage nur eine von mehreren Fragen. Entgegen dem öffentlich entstandenen Eindruck ist sie keineswegs die zentrale Frage der Terrorbekämpfung. ({1}) Hier ist ein Vorgang aus Stammheim angesprochen worden, nämlich die Tatsache, daß die Untersuchungsgefangene Ensslin mit Genehmigung der baden-württembergischen Justizbehörden vier Telefongespräche führen und dabei auch ein Codewort verwenden konnte. Hier ist kein Vertreter des Landes Baden-Württemberg anwesend. Deswegen möchte ich zur Klarstellung folgendes sagen. Diese Genehmigung ist nach Absprache unter den Landesjustizverwaltungen erteilt worden, nachdem man zwischen zwei drohenden Gefahren abgewogen hat und im pflichtgemäßen Ermessen zu dem Ergebnis gekommen ist, daß diese Entscheidung die geringere Gefahr darstellt und eine schwerere Gefahr abwenden kann. Ich teile das deswegen mit, weil dem Haus diese Zusammenhänge nicht bekannt sein können und sonst möglicherweise hinsichtlich der handelnden und verantwortlichen Personen ein unzutreffender Eindruck entsteht. ({2}) Von den materiell-rechtlichen Vorschlägen der Opposition ist 'die Erhöhung der zeitlich befristeten Höchststrafen von 15 auf 20 Jahre zuletzt in der Justizministerkonferenz vom 3. März 1977 erörtert worden. Der Vorschlag fand dort bei einer einzigen Ausnahme - die Ausnahme bildete der Vertreter des Landes Bayern - keinerlei Unterstützung, weil nicht dargetan werden konnte, welchen Täterkreis eine solche Maßnahme abschrecken soll. Ähnliche Skepsis bestand bei der Mehrheit der Länderjustizminister gegenüber der Erhöhung von Mindeststrafen, weil sie gerade - dies zeigt ja auch Ihr Vorschlag - bei den Tatbeständen des erpresserischen Menschenraubes und der Geiselnahme eine Ausnahme für minder schwere Fälle notwendig machen und deshalb nach Überzeugung der Fachleute im Ergebnis keine Änderung eintreten würde. Ein sehr ernstes Problem - insofern stimme ich den Ausführungen, die hier von den verschiedenen Seiten gemacht wurden, zu - stellt die Tatsache dar, daß rechtskräftig verurteilte Terroristen nach voller Verbüßung ihrer Strafzeiten auch dann entlassen werden müssen, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß sie alsbald neue Straftaten begehen werden. Ob hier de lege lata oder de lege ferenda die Sicherungsverwahrung herangezogen werden kann, bedarf der sorgfältigen Prüfung. Immerhin hat kein geringerer als mein Namensvetter, der Kollege Friedrich Vogel, gegen solche Absichten noch im Februar dieses Jahres gewichtige Bedenken geäußert. Er sagte damals, daß er keine Möglichkeit sehe, die Sicherungsverwahrung im Kampf gegen politischen Terrorismus einzusetzen. Das zeigt, daß es hier schwierige rechts- und verfassungspolitische Probleme gibt. Außerdem sollten wir nicht davor die Augen verschließen, daß die Gefahr, daß ein rechtskräftig Verurteilter, der seine Strafe verbüßt hat und entlassen wird, neue Straftaten begeht, selbstverständlich nicht nur bei Tätern aus diesem Kreise, sondern auch bei anderen Tätern besteht.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Vogel?

Dr. Hans Jochen Vogel (Minister:in)

Politiker ID: 11002379

Gerne.

Friedrich Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002378, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, würden Sie mir darin zustimmen, daß - auch verfassungsrechtlich - ein wesentlicher Unterschied zwischen einerseits der Frage, ob bereits abgeurteilte Täter im nachhinein in irgendeine Art von Sicherungsverwahrung genommen werden sollten, was ich in der Tat für verfassungsrechtlich höchst problematisch, wahrscheinlich sogar für unmöglich halte, und andererseits der Frage, ob wir die Möglichkeit schaffen sollten, bereits bei der Urteilsfällung Sicherungsverwahrung anzuordnen - diese Möglichkeit bietet ja das geltende Strafrecht an -, besteht?

Dr. Hans Jochen Vogel (Minister:in)

Politiker ID: 11002379

Herr Kollege Vogel, ich habe mich bei meiner Äußerung auf die ddp-Meldung vom 22. Februar 1937 gestützt. Sie ist Ihnen bekannt, ich brauche sie nicht zu verlesen. Meine Experten haben den Entwurf der Opposition jedenfalls so verstanden, daß Sie Sicherungsverwahrung im nachhinein auch für schon rechtskräftig Verurteilte wollen. ({0}) Ich bin für die Klarstellung dankbar.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zwischenfrage, Herr Bundesminister? Die Zeit wird selbstverständlich nicht angerechnet.

Friedrich Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002378, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, darf ich meinem Erstaunen dann doch die Bemerkung anschließen, daß Sie sich dann bemühen sollten, .in Ihrem Hause Beamte daranzusetzen, die in der Lage sind, einen Entwurf so zu lesen, wie er da steht? ({0})

Dr. Hans Jochen Vogel (Minister:in)

Politiker ID: 11002379

Herr Vogel, ich möchte das mit dem Gegenvorschlag beantworten, daß Sie die Entwürfe von Ihren Leuten so schreiben lassen, daß solche Mißverständnisse nicht auftreten können. ({0}) Ich glaube, das zeigt nur, Herr Kollege, mit welcher Sorgfalt und Gründlichkeit derartige Dinge gelesen werden müssen; denn wenn selbst Experten über den Inhalt eines solchen Vorschlages streiten, ist das höchste Maß an Klarheit noch nicht erreicht. Unabhängig von den Vorschlägen der Opposition prüft die Bundesregierung derzeit, ob nicht für den ungenehmigten Besitz von Kriegswaffen wie etwa Maschinenpistolen eine empfindliche Mindeststrafe angedroht werden sollte. Ich vermag schlechterdings nicht einzusehen, welche Gründe in der Bundesrepublik Deutschland einen normalen Mitbürger dazu veranlassen könnten, über Maschinenpistolen und Kriegswaffen ohne behördliche Genehmigung zu verfügen und sie ohne behördliche Genehmigung in Besitz zu halten. ({1}) - Das ist in der Tat eine mißverstandene Freiheit, Herr Abgeordneter. Weitere Bemühungen der Bundesregierung gelten dem Problem der fälschungssicheren Kfz-Kennzeichen und Personalausweise. Die Opposition hat schließlich wiederum ihre Forderung nach einer Verschärfung des sogenannten Demonstrationsstrafrechts erneuert. Trotz sorgfältiger Beobachtung der Diskussion, auch der heutigen Argumente, wird es mir schwer, zu erkennen, warum das in diesem Zusammenhang geschieht. Daß frühere Demonstrationsteilnehmer und Hausbesetzer im Laufe der Zeit in das Lager der Terroristen gegangen sind, ist völlig unstreitig. Mir ist aber nicht ersichtlich und klar, wie diese Entwicklung durch Ihre Vorschläge hätte verhindert werden können. Glaubt denn jemand wirklich im Ernst, terroristische Gewalttaten der Art, mit der wir es zu tun haben, würden deswegen unterbleiben, weil derjenige, der nach dreimaliger Aufforderung, sich zu entfernen, in einer Menschenmenge verbleibt, statt mit einer Geldbuße mit einer Vergehensstrafe zu rechnen hat? ({2}) Auch die Vorgänge am Bauplatz Brokdorf am 19. Februar 1977 und in Grohnde am 19. März 1977 - die Filme, die im Innenausschuß gezeigt worden sind, beziehen sich darauf - geben doch im Ernst für den Vorschlag nichts her. Das waren doch keine Demonstrationen! Für Brokdorf gab es sogar ein ausdrückliches Verbot. Das war eine massenhafte Gewaltaktion, bei der u. a. die Tatbestände des schweren Landfriedensbruchs, des versuchten Totschlags und andere Dinge quer durch das Strafgesetzbuch in Betracht kommen. Meine Damen und Herren, ich appelliere wirklich an alle Seiten, für diese schweren Gewalttätigkeiten doch nicht den Begriff Demonstration zu verwenden. ({3}) Das beschönigt und verniedlicht einerseits - ich weiß, Sie wollen das nicht -, und auf der anderen Seite bringt es friedliche Demonstranten in eine Situation, wo sie plötzlich meinen, das, was da über Brokdorf und über Grohnde gesagt wird, ziele auf sie. Das kann doch nicht helfen. Ich frage in allem Ernst: Was wäre bei den in den Filmen gezeigten Vorgängen anders gelaufen, wenn die Strafvorschrift, die Sie wollen, in Kraft gewesen wäre? Ich stimme Ihnen ja zu, meine Damen und Herren, daß es für die Polizei schwer ist, die Rädelsführer und die Gewalttäter herauszugreifen. Aber wird das denn durch Ihren Vorschlag anders? Ich fürchte, Ihr Vorschlag führt dazu, daß, weil man die Rädelsführer nur mit großen Schwierigkeiten fassen kann, ersatzweise Leute festgenommen werden müssen, die eben gerade nicht die Gewalttäter sind. Ich weiß nicht, ob nicht, wenn dieser Paragraph schon gegolten hätte, auch der eine oder andere Kollege aus den Reihen dieses Hauses - und da blicke ich auch mitten in die Opposition hinein - in die Verlegenheit gekommen wäre, auf Grund dieser Strafdrohung festgenommen zu werden. ({4}) Meine Damen und Herren, lassen Sie uns bitte auch diese Dinge mit Ruhe und ohne die Emotion erörtern, die - ich weiß es wohl - aus verständlichen Gründen frei wird. Es ist ja nicht so, daß man Emotionen in diesem Zusammenhang nicht verstehen kann. Sie sind eine durchaus menschliche Regung. Nur sollten sie bei der Gesetzgebung vorher abgefiltert sein und nicht den Ausschlag geben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Bundesregierung weiß um die Bedeutung gerechter und wirksamer Rechtsnormen für die Bekämpfung des Terrors. Sie warnt aber eindringlich vor der Annahme, die Entscheidung falle ausschließlich oder auch nur zum überwiegenden Teil auf diesem Gebiet. Ein solcher Glaube könnte unser Volk auf einen bösen Irrweg führen. Er könnte insbesondere von der Erkenntnis ablenken, daß drei Gesichtspunkte für die Eindämmung und die schließliche Beendigung des Terrors einen viel höheren Stellenwert besitzen: der energische Vollzug des geltenden Rechts; die moralische Solidarisierung mit der Polizei, den Strafverfolgungsbehörden, den Gerichten und all denen, die sonst zum Schutz unseres Staates oft genug unter Lebensgefahr ihre Pflicht tun; und dazu rechne ich auch, daß man die Neigung unterdrückt, nach jeder polizeilichen Handlung, sogar nach der von Singen, zunächst mit Beckmesserei und Kritik aufzutreten. ({5}) Dazu gehört auch die moralische Isolierung der Terroristen und ihrer Sympathisanten. Wichtig ist die energische Verfolgung. Nichts schreckt stärker ab als die rasche Ergreifung und die Verurteilung der Terroristen. Ihre Inhaftnahme ist die beste Sicherung unserer Bürger. Deswegen möchte ich auch für die Bundesregierung an dieser Stelle der Polizei und den Strafverfolgungsbehörden danken. Insbesondere möchte ich den in Singen beteiligten Polizeibeamten den Dank aussprechen und mich den Besserungswünschen für den verletzten Beamten anschließen. ({6}) Ich kann zu diesem Punkt übrigens mitteilen, daß der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof heute nacht zwei weitere Täter in Untersuchungshaft genommen hat, bei denen der dringende Verdacht einer Unterstützung der terroristischen Vereinigung besteht, die der Mitwirkung an der Ermordung des Generalbundesanwalts verdächtig ist: Wichtig ist außerdem die moralische und geistige Atmosphäre der Auseinandersetzung. Ich habe schon die moralische Solidarität mit den Gerichten, Staatsanwälten und Polizeibeamten unterstrichen. Aber ebenso wichtig ist die moralische Isolierung der Terroristen und ihrer Sympathisanten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, hier gab es nach den Morden von Karlsruhe Ereignisse, die mich als Justizminister des Bundes mit großer Sorge erfüllen. Ich meine die öffentliche Billigung der Morde in Flugblättern, Zeitungen und auf öffentlichen Veranstaltungen, sei es, daß sie ausdrücklich geschah, sei es, daß sie in mehr oder weniger doppeldeutige Wendungen verpackt wurde. Ich habe in all diesen Fällen als Dienstvorgesetzter des ermordeten Generalbundesanwalts Strafantrag gestellt und werde diese Strafanträge mit allem Nachdruck betreiben. ({7}) Nichts, meine sehr verehrten Damen und Herren, kann diesen Anstrengungen und Bemühungen auf all diesen Feldern aber mehr Abbruch tun als der Anschein der Selbstzerfleischung der Demokraten. Der sachliche Fortgang der heute begonnenen Beratungen kann das vermeiden. Die Bundesregierung wird wie bisher zu diesen Beratungen ihren Beitrag verantwortungsvoll leisten. ({8})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Staatsminister des Innern des Freistaates Bayern. Staatsminister Dr. Merk ({0}) : Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Hohes Haus! Die Entwicklung des Terrorismus und der politisch motivierten gemeinsten Kriminalität hat eine Wendung genommen, die vorhersehbar war, weil sie in den diversen Handbüchern für Stadtguerilla und ähnlichen Erzeugnissen seit 1970 angekündigt und vorgezeichnet war. Sie hat mit der Ermordung des Generalbundesanwalts einen neuen Höhepunkt erreicht - keineswegs den Abschluß gefunden -, einen neuen Höhepunkt, der klare Entscheidungen und vor allem entschlossenes Handeln verlangt, wollen wir uns nicht mitschuldig machen an der erkennbaren Verunsicherung unserer Mitbürger in ihrem Vertrauen in die Abwehrstärke unseres demokratischen Rechtsstaats und wollen wir uns nicht mitschuldig machen an dem Leid und der Not der durch die kriminellen Anschläge betroffenen unschuldigen Familien. Klare Entscheidungen und entschlossenes Handeln waren es, was wir in all den vorangegangenen Jahren vermissen mußten, wobei ich gar nicht bestreite, Herr Bundesjustizminister, daß sich immer wieder Entwicklungen, auch gesetzgeberische ergeben haben; Sie haben es soeben aufgeführt. Nur ging all diesen Entwicklungen immer eine lange Phase der Vorwürfe, der Verleumdung, der Inkriminierung, der Panikmache und von ähnlichem mehr voraus, bis dann, durch neue Erkenntnisse erzwungen, doch wieder ein Schritt nach vorn im Ausbau der rechtlichen Handhaben getan werden konnte, ({1}) die wir brauchen, um einen erfolgreichen Kampf gegen das Verbrechen führen zu können. Wir mußten also immer zu lange warten, und es ist nichts Ausreichendes geschehen - im Gegensatz zu all den verharmlosenden Beruhigungspillen, die zuhauf verteilt wurden, und auch den verbalen Kraftakten, die in der Regel ohne Konsequenzen für die Praxis blieben. ({2}) Statt dessen wurde umgekehrt zu der Verschärfung der Sicherheitslage - ich stelle diesen bedauernswerten Sachverhalt nur fest; der Herr Bundesjustizminister hat das ebenfalls mit Bedauern festgestellt - der Graben zwischen den demokratischen Parteien in der Bewertung der Sicherheitsfragen immer tiefer, und die gerade hier notwendige Gemeinsamkeit zwischen den demokratischen Parteien ging zusehends verloren. Es ist ein neuer Anfang, der heute gemacht wird - möglicherweise gemacht wird. Ich fürchte aber, daß sich diese Kluft nicht so schnell und möglicherweise nicht wird schließen können, solange der Ton und die taktische Linie in Fragen der Sicherheit von Herren wie Steffen, der schon zitiert wurde und der auch mit Augustinus nicht gerechtfertigt werden kann, Herr Abgeordneter Dürr, ({3}) - die beiden trennen ja doch weiß Gott Welten - und auch von Herren - ({4}) Staatsminister Dr. Merk - Herr Kollege Schäfer, ich werde ja nicht bei den Regierungsparteien hier anfragen müssen, ({5}) was ich als verantwortlicher Innenminister eines Landes sagen soll -, ({6}) - solange der Ton und die taktische Linie - ich verstehe, daß es unangenehm ist, aber wir müssen auch bereit sein, unangenehme Dinge auszusprechen und miteinander zu erörtern ({7}) von Leuten angegeben wird - ich sage es noch einmal -, zu denen auch Herr Benneter und sein ganzer Anhang zu rechnen sind und von denen Sie noch viel zu viele in Ihrer Partei haben, Herr Kollege Schäfer. Und hätten Sie sich etwas früher getrennt, ({8}) wären Ihnen viele Sorgen erspart geblieben. ({9}) - Ich mache aus meinem Herzen - Sie wissen das - keine Mördergrube, sondern sage das, was meiner Überzeugung entspricht. Es läßt sich nämlich viel leichter miteinander reden, wenn wir uns offen unterhalten und nichts sagen, wovon wir nicht innerlich überzeugt sind. ({10}) Daß sich in all den Fragen, die die Sicherheit und die taktische Linie betreffen, nicht die Bundesregierung durchgesetzt hat, sondern Leute, die den Bereichen zuzurechnen sind, die ich kurz skizziert habe, hat doch der Verzicht der Bundesregierung auf ihren Vorschlag vom Juni 1975 betreffend die Überwachung des Verteidigerverkehrs bewiesen. Es wird erneut durch die Tatsache bewiesen, daß der Herr Bundeskanzler zwar bekennt, persönlich von der Notwendigkeit oder zumindest Zweckmäßigkeit der Überwachung überzeugt zu sein, daß er aber im Regierungslager mit seiner Meinung mehr Kritik als Zustimmung gefunden hat. Ich verkenne nicht, daß das Problem des Terrorismus weltweit zu sehen ist, daß es auch eine psychologische Seite hat und auch gesellschaftspolitisch gewürdigt werden muß. Aber natürlich hat es auch seine sicherheitsrechtliche und sicherheitspolitische Seite. Es wäre lebensgefährlich, diese Seite nicht mehr sehen zu wollen oder zu glauben, das Problem vorrangig oder ausschließlich mit psychologischem Einfühlungsvermögen und sozialkritischer Würdigung gesellschaftlicher Entwicklungen bewältigen zu können. Meine Aufgabe als Mitglied des Bundesrates und als verantwortlicher Innenminister ist es, diese Sicherheitsfragen von der Praxis her zu beleuchten und eine Antwort auf die Frage zu geben, ob alles geschehen ist, den für die Sicherheit verantwortlidien Organen der Justiz, der Polizei und des Verfassungsschutzes neben ihrem Auftrag auch das notwendige Instrumentarium -- rechtlich wie tatsächlich - zu geben, das sie erst in die Lage versetzt, ihren Auftrag wirkungsvoll, nachhaltig und erfolgreich zu erfüllen. Genau hier aber liegt es noch immer im argen. Statt in dieser schwierigen Lage den Sicherheitsorganen festen Boden unter den Füßen zu geben, läßt man sie auf schwankendem Boden und - ich denke an die Abhörfrage - sogar im Zwielicht rechtswidrigen Verhaltens. ({11}) Muß es nicht als Vorwurf gewertet werden, und wie müssen sich Richter und Polizeibeamte vorkommen, wenn die Bundesregierung heute erklärt, das geltende Recht reiche aus, seine Möglichkeiten müßten nur ausgeschöpft werden. Ich höre sehr wohl und erkenne dankbar an, daß diese noch vor wenigen Tagen gegebene Erklärung nach der Aussprache heute so absolut wohl nicht mehr verstanden zu werden braucht, wie sie damals klang. Der Herr Bundesjustizminister hat ja schon am 16. Januar 1976 vor diesem Hohen Hause der Justiz - des Bundes und der Länder - bestätigt, daß sie von den bestehenden Gesetzen einen angemessenen Gebrauch mache. Der Herr Bundesinnenminister hat auch bestätigt, daß die Erfolge der Polizei bei der Fahndung nach Terroristen auf vorbildlichen Einsatz zurückzuführen, daß sie nur durch den aufopferungsvollen, unermüdlichen Einsatz der Polizeiorgane in Bund und Ländern möglich gewesen seien. Ich möchte mich meinerseits - insoweit darf ich sicher für alle Kollegen aus den Ländern sprechen - dem durch Bundesregierung und Sprecher der Fraktionen schon ausgesprochenen Dank anschließen. Der Erfolg der Ermittlungsbehörden ist gerade vorgestern wieder durch die Festnahme der Terroristen Becker und Sonnenberg deutlich geworden. Die Rücksichtslosigkeit, mit der die Terroristen dabei wieder vorgegangen sind, sollte uns gerade bei diesen Beratungen doch zu denken geben. Ich werde fünf Beispiele nennen, um aus der Praxis die Probleme zu beleuchten. Erstes Beispiel für die Rechtsunsicherheit, in der wir uns befinden, sind die Abhörprobleme. Obwohl kein einziger Fall bekannt wurde - in den letzten Wochen und Monaten wurde ja sattsam darüber debattiert, auch im Innenausschuß dieses Hohen Hauses -, bei dem die sachliche Notwendigkeit und die rechtliche Zulässigkeit einer Abhörmaßnahme von parlamentarischen Instanzen etwa mehrheitlich in Zweifel gezogen wurden, belobigt Herr Bahr beispielsweise den staatsgefährdenden Geheimnisverrat als „verdienstvolle Tat" - ich glaubte meinen Ohren nicht trauen zu dürfen, als ich das in den Nachrichten vernahm -, spricht Herr Steffen - er ist heute bereits zitiert worden - laut „Süddeutscher Zeitung" immer noch pauschal vom „Abwürgen der Prinzipien des Rechtsstaats", ohne den Einzelfall zu qualifizieren, und wird in der politischen Diskussion die Tragfähigkeit des § 34 des Staatsminister Dr. Merk Strafgesetzbuchs für Abhörmaßnahmen im Verteidigerbereich in Frage gestellt. Kann es wirklich hingenommen werden, daß sich der Rechtsstaat durch Verweigerung notwendiger Maßnahmen selbst taub und blind macht, oder halten Sie, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien, es für vereinbar mit rechtsstaatlichen Prinzipien, wenn etwa der inhaftierte Herr Haag mit einem mit ihm konspirierenden Anwalt in stundenlangen ungestörten Gesprächen in der Haftanstalt neue Mordkomplotte schmieden könnte? Es darf doch nicht sein, meine Damen und Herren, daß die Haftanstalten - ich habe das hier schon einmal gesagt - als sicherster Ort zur ungestörten Lenkung terroristischer Umtriebe angesehen werden müssen. ({12}) Dabei bestreite ich gar nicht, daß der Verteidigerausschluß das weitergehende Mittel ist. Nur: bei der jetzigen Fassung des Verteidigerausschlusses ist das zwar eine Dicke Berta, eine scheinbar bessere Lösung, nur fehlt Ihnen für den Einsatz dieser Dicken Berta zur Abwehr der Gefahren die Munition. Die Munition bekommen Sie doch nur, wenn sich die Kreise entweder ungeschickt verhalten oder wenn Ihnen der Zufall hilft, beispielsweise durch die Auffindung eines Zettels auf der Straße, über den dann weitere Einblicke durch nachfolgende Recherchen gewonnen werden können. Das scheint mir doch nicht befriedigend zu sein. ({13}) Für uns gelten die rechtsstaatlichen Garantien nicht nur für Verbrecher, die selbstverständlich auch in einem Rechtsstaat nicht rechtlos sind, deren Rechte auch zu wahren und zu achten sind; aber die rechtsstaatlichen Grundsätze gelten doch mindestens in gleichem Umfang für alle Bürger, auch für die anständigen Bürger. ({14}) - Herr Abgeordneter Wehner, ich bin für Disziplinierungsversuche kein geeignetes Objekt. ({15}) Das gilt also auch für Grundrechte auf Leben und auf körperliche Unversehrtheit aller Bürger in unserem Lande. Hier gilt es doch, hinsichtlich der Interessenlage abzuwägen, und dabei läßt sich - ich darf das ergänzend hinzufügen - den Belangen der Anwaltschaft, die verständlicherweise eine ungestörte Verteidigung sichergestellt wissen will, Rechnung tragen, auch ohne auf einen ausreichenden Schutz der Bürger verzichten zu müssen. Ein zweites Beispiel: Seit einem Jahr - der Beschluß wurde in der Pfingstzeit vorigen Jahres in München gefaßt - haben die Innenminister den Musterentwurf eines neuen Polizeiaufgabengesetzes beschlossen. Es soll eine Reihe von Streitfragen lösen, die wir, wie Sie selbst genau wissen, in der Diskussion haben, Streitfragen, die die Arbeit der Polizei erschweren und verunsichern, Fragen die in allen Ländern in gleicher Weise geregelt sein sollten. Ich nenne als Beispiele nur den gezielten Schuß und das Recht, im Rahmen der Fahndung nach besonders gefährlichen Verbrechern an Kontrollstellen nicht nur Personen-, sondern auch Fahrzeugkontrollen durchführen zu können. Dieser Musterentwurf - seit einem Jahr beschlossen - bedingt, wenn er in der beschlossenen Fassung in Kraft treten soll, eine vorherige Änderung verschiedener Bestimmungen der Strafprozeßordnung, worauf wir dringen und worauf wir, so möchte ich meinen, schon zu lange warten. Was sollen nun aber die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Pensky in den Informationen der Sozialdemokratischen Partei vom 26. Januar dieses Jahres, daß aus der .angestrebten Vereinheitlichung kaum etwas werden könne, daß sich vielmehr der Zwang ergebe, in Bund und Ländern neue Initiativen mit dem Ziel der Entschärfung dieses Entwurfs zu ergreifen? Dringend notwendige gesetzliche Regelungen, auf die die Polizei gerade bei der Bekämpfung schwerer Gewaltverbrechen angewiesen ist, werden so bereits wieder zerredet, bevor sie Gesetzeskraft erlangt haben. ({16}) Mir fehlt aus der Praxis, meine Damen und Herren, jedes Verständnis dafür, daß, während es beispielsweise möglich ist, in Zollgrenzbezirken auch Fahrzeugkontrollen durchzuführen, um dabei allenfalls verhindern zu können, daß dem Staat ein Gebührenverlust von ein paar Mark entsteht, andererseits eine solche Möglichkeit nicht besteht, wenn es um die Fahndung nach Gewalttätern und Verbrechern geht. Dafür fehlt mir das Verständnis. ({17}) In diesem Zusammenhang ist auch das böse Wort von der Zweiteilung der Bundesrepublik Deutschland gefallen. Es wird in dieser Stellungnahme des Abgeordneten Pensky ausgeführt, daß Deutschland in einen an den Rechten des Bürgers orientierten sozialliberalen Teil im Norden und Westen und einen anderen Teil mit einem, wie es wörtlich heißt, „eher perfektionistischen, die Bürger benachteiligenden Polizeirecht" ({18}) geteilt sei. Was soll dann, wenn wir schon an Vernunft und sachliche Auseinandersetzung appellieren, ({19}) diese verblendete parteipolemische Argumentation? ({20}) Fragen Sie doch die Bürger im Süden der Bundesrepublik, auch in Baden-Württemberg, in Mannheim, in Stuttgart, in Karlsruhe, in Singen, ob sie glauben, sie seien unerträglichen polizeistaatlichen Praktiken ausgesetzt, oder sich nicht vielmehr wundern, daß Staatsminister Dr. Merk die Polizei nicht mehr Möglichkeiten im Kampf gegen das Verbrechen hat. ({21}) Ich möchte noch einmal auf die Möglichkeiten der Fahndung auch durch entsprechende Kontrollen, nicht nur Personen-, sondern auch Fahrzeugkontrollen, zurückkommen. In der Zwischenzeit mutet man der Polizei zu, weiterhin am Rande der Legalität handeln und sich zum Zwecke der Fahndung auf Bestimmungen des Straßenverkehrsrechts zurückziehen zu müssen, anstatt ausreichende, einwandfrei tragfähige Rechtsgrundlagen für ihr Handeln zu schaffen. Kann man da guten Gewissens behaupten, alles sei in bester Ordnung? Ein dritter Fall. Terroristische Gewaltverbrecher sind, wie wir wissen oder erfahren mußten - das gefällt uns nicht, entspricht aber der Erfahrung -, einer Resozialisierung kaum zugänglich. Es rückt deshalb die Frage der Sicherung der Allgemeinheit in den Vordergrund. Oder können Sie es vor den Bürgern dieses Landes verantworten, daß sich die terroristische Szene durch entlassene Gewalttäter immer wieder neu ergänzen kann, insbesondere bei den Strafrahmen, die hier ja gegeben sind und die ebenfalls zur Diskussion stehen? Das Strafmaß allein reicht in vielen Fällen zu dieser Sicherung nicht aus. Es gibt Beispiele dafür, daß terroristische Gewaltverbrecher nach Entlassung aus Straf- oder auch Untersuchungshaft sofort wieder im Untergrund verschwinden. Ist es nicht höchste Zeit, die Frage der Sicherungsverwahrung neu zu überdenken? Braucht man wirklich erst noch mehr Tote, bevor man etwas unternimmt? ({22}) Ein viertes Problem. Plötzlich stehen die sogenannten praktischen Abwehrmaßnahmen wieder im Vordergrund der Diskussion: fälschungssichere Kraftfahrzeugkennzeichen, Personalausweise, Führerscheine usw. Nichts dagegen, meine Damen und Herren, alles ist wichtig. Verbesserungen in der Ausrüstung und in der Zusammenarbeit zwischen den Polizeiverbänden sind immer möglich und müssen unsere ständige Aufgabe sein. Dazu besteht auch uneingeschränkte Bereitschaft aller Beteiligten. Es wäre aber kindlich und naiv, zu glauben, daß damit allein der Erfolg in der Bekämpfung des Terrorismus erzielt werden könne. Außerdem sind all diese Überlegungen nicht neu. Seit Jahren schon befaßt sich die Innenministerkonferenz mit diesen Fragen. Mit Beschluß des Bundesrates vom 17. Oktober 1975 - ich wiederhole noch einmal die Jahreszahl: 1975 - wurde die Bundesregierung aufgefordert, die Entwicklung von fälschungssicheren Kraftfahrzeugkennzeichen beschleunigt abzuschließen und ihre ausschließliche Verwendung durch Änderung der Straßenverkehrszulassungsordnung festzulegen. Hier handelt es sich also um gesetzgeberische Voraussetzungen, die geschaffen werden müssen. Bis heute Fehlanzeige. Ähnliches gilt für Ausweise. Auch für das Ausweiswesen liegt die Zuständigkeit beim Bund. Natürlich wird jetzt wieder darauf verwiesen, daß es hier doch zunächst der Abstimmung im Bundesrat und mit den Ländern bedürfe, und hier sei es noch zu keiner ausreichenden Abklärung gekommen, weswegen das ganze bedauerlicherweise verzögert werde. Ich möchte nur darauf verweisen, daß in anderen Bereichen, in denen es auch keinen Konsens auf der Bundesratsebene gibt, die Aktivität und Initiative der Bundesregierung und der Mehrheitsparteien und ihr entschlossener Wille, zu einem Ergebnis zu kommen, viel deutlicher sind. ({23}) Ich denke nur an die Fragen des Verfahrens für die Verweigerung des Wehrdienstes aus Gewissensgründen. ({24}) Da geht es viel schneller. Natürlich sage ich nicht, meine Damen und Herren, daß nichts geschehen sei. Aber wir warten auf Ergebnisse, auf Entscheidungen. Nur damit ist uns gedient, soll nicht der Eindruck aufkommen, daß der ganzen Diskussion um fälschungssichere Kennzeichen und Ausweise nur eine Alibifunktion zugedacht ist oder zukommen soll. Noch ein Wort zur Öffentlichkeitsfahndung , Herr Abgeordneter Engelhard, die Sie, angesichts der unbestreitbaren Erfolge, flugs als Initiative für den damaligen FDP-Bundesinnenminister reklamiert haben, obwohl die Frage der Öffentlichkeitsfahndung, ob überhaupt und in welchem Umfang, lange Zeit sehr umstritten war. ({25}) Meine Damen und Herren, ich will hier nicht in einen Streit um das Erstgeburtsrecht eintreten. Ich hätte von mir aus dieses Thema auch gar nicht aufgegriffen, nur kann ich nicht hinnehmen, daß Sie sich an selbst gestreutem Weihrauch berauschen. Ich werde Ihnen Auszüge aus den Protokollen der Innenministerkonferenz in den Jahren 1971 und 1972 zur Verfügung stellen, ({26}) die das alles ins rechte Licht zu setzen vermögen. Schließlich noch ein fünftes Problem, die Frage nämlich, ob die Polizei in der Lage ist, Gewalttätern, die das Demonstrationsrecht mißbrauchen, wirksam zu begegnen. Dabei will ich mich gar nicht auf den Streit einlassen, was nun als Demonstration bezeichnet werden soll und darf und was nicht als Demonstration bezeichnet werden darf. Für die Polizei spielt das überhaupt keine Rolle. Für die Polizei kommt es darauf an, welche Handhaben ihr zur Verfügung stehen, um mit Erscheinungen. dieser Art, ganz gleich, wie man sie bezeichnen mag, fertig werden zu können. Das ist doch das Problem. ({27}) Es geht also um die Frage, ob die Polizei in der Lage ist, Erscheinungen dieser Art ohne Rücksicht auf ihre Bezeichnung wirksam zu begegnen - und sage keiner, meine Damen und Herren, das habe nichts mit Terrorismus zu tun. In beiden Fällen entspringt die Bereitschaft zur Gewaltanwendung und -ausübung derselben geistigen Grundhaltung. Es gibt kaum einen der heute gesuchten Terroristen, der Staatsminister Dr. Merk uns nicht aus gewalttätigen Demonstrationen früherer Jahre bekannt wäre. Natürlich sind Entwicklungen dieser Art mit all den psychologischen Folgewirkungen aus einer Beteiligung ständige Nachschubbasis für die Terroristenszene. Auch das wissen wir aus der Erfahrung. Tatsache ist, daß, wie die Beispiele Brokdorf und Grohnde beweisen, bei Demonstrationen oder Veranstaltungen, die diesen Namen nicht verdienen - ich bin durchaus bereit, mich auf diese Argumentation einzulassen -, Gewalt schlimmster Art verübt wird. Und das Bedrückende ist, daß sie verübt werden kann, ohne daß die Straftäter wirksam und schnell ({28}) zur Rechenschaft gezogen und einer gerechten Bestrafung zugeführt werden können. Das ist aber doch nur deshalb so, weil die Polizei und die Sicherheitsbehörden keine Möglichkeit haben, bei unfriedlich verlaufenden Veranstaltungen die Spreu vom Weizen zu scheiden und damit Gewalttäter zu isolieren. Sobald sie nämlich isoliert werden könnten, wäre die polizeitaktische Lage von Haus aus eine völlig andere. Das bringt doch die Polizei in den Augen der Öffentlichkeit in eine Situation, in der sie als unvermögend erscheint und damit in Mißkredit. Das führt dann zu Verurteilungen von Polizeieinsätzen generell, die Herr Pensky wiederum als das Ergebnis von Entscheidungen fehlgeleiteter Ministerpräsidenten und größenwahnsinniger Innenminister bezeichnet. ({29}) Das sind jetzt meine Worte, die ich - ({30}) - Auch ohne Ihren Zwischenruf hätte ich das eben richtiggestellt. Ich habe nur nicht den Wortlaut. ({31}) - Moment, meine Herren - ({32}) - Herr Pensky, wenn Sie schon - ({33}) - Nein, gar nicht an der Wahrheit vorbei. Ich habe sinngemäß die Qualifikation wiederholt - ({34}) - Nein, gar nicht. Ich werde Ihnen die genaue Formulierung - Sie haben sie im übrigen selber - noch sagen. ({35}) Es genügt vollkommen, wenn sich die Öffentlichkeit noch einmal der von Ihnen tatsächlich benutzten Formulierungen bewußt wird. Das genügt vollkommen für die Würdigung. ({36}) Diese Situation, meine Damen und Herren, bringt doch die Polizei in Mißkredit, wirkt auf die Beamten selbst - das muß ich als verantwortlicher und für die Polizei zuständiger Minister beklagen - frustrierend und läßt die Bürger an ihrem Staate irre werden. Meine Damen und Herren, allein diese wenigen von mir aufgezeigten praktischen Fälle führen die stereotyp wiederholte Behauptung, gesetzgeberisch sei alles in Ordnung, ad absurdum. Für jeden nüchternen und objektiven Betrachter der Szene ist ersichtlich, daß der Rechtsstaat nicht durch Schließen gesetzlicher Lücken in Gefahr ist, sondern daß die Gefahr in dem Unvermögen des Staates besteht, der Herausforderung durch die Terroristen mit allen dem Staat zur Verfügung stehenden Mitteln zu begegnen oder, wie es der Herr Bundeskanzler sinngemäß sagte, mit der Bereitschaft, bis an die Grenzen des Rechtsstaates zu gehen. Daß wir diese Grenzen nicht erreicht haben und auch mit den Vorschlägen, die hier durch die Oppositionsfraktionen vorgelegt werden, nicht erreichen werden, beweist der Rechtsvergleich mit anderen doch zweifelsfrei demokratischen Staaten ({37}) - ob das Schweden ist, ob das England, Frankreich oder andere Staaten sind. Entweder ist das ein verbaler Kraftakt, wie ich eingangs sagte, hinter dem nichts steht, oder er muß zu Konsequenzen führen, wenn er glaubwürdig sein soll. ({38}) Nur eine entschlossene Haltung kann die Glaubwürdigkeit des Staates in den Augen der Bevölkerung stärken. Ein Staat, der sich seiner ihm verfassungsmäßig zustehenden Machtmittel schämt, ist nicht wert, Staat genannt zu werden. Im Namen der überwiegenden Mehrzahl aller Polizeibeamten und Polizeiführer, bei denen es Angehörige aller politischen Parteien gibt, appelliere ich dringend an Bundesregierung und Bundestag, den Sicherheitsorganen nicht nur den Auftrag, sondern auch die einwandfreien und ausreichenden rechtlichen Grundlagen zu geben, die es ihnen ersparen, mit ungleichen Mitteln einen wenig erfolgversprechenden Kampf führen, den politischen Meinungsstreit auf ihrem Rücken austragen und sich immer wieder den Vorwurf rechts-, ja verfassungswidrigen Verhaltens machen lassen zu müssen. ({39})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Minister des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen. Minister Dr. Hirsch ({0}) : Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der von mir außerordentlich geschätzte Kollege Merk hat eine bedauerliche Rede gehalten. ({1}) Minister Dr. Hirsch - Ja, sie war in Teilen unerhört. - Herr Kollege Merk, ich bedaure es außerordentlich, daß Sie aus der Innenministerkonferenz ausscheiden. ({2}) Ich hätte Ihnen einen besseren Abgang gewünscht. ({3}) Diese Legislaturperiode des Bundestages ist eine ununterbrochene Kette von Versuchen, gleichzeitig die Solidarität der Demokraten zu beschwören und die Koalition zu verdächtigen, sie vernachlässige die Verteidigung der Verfassung, die Koalition gleichsam aus der Verfassung herauszudrängen; ({4}) ein Versuch, der in der Rede von Sonthofen- und im dem Wahlslogan „Freiheit statt/oder Sozialismus" einen traurigen Höhepunkt erreicht hat. ({5}) Vom Terrorismus ist kein moderner Industriestaat freigeblieben. Wer die Ursachen dieser Erscheinung analysieren will, muß die Sonde etwas tiefer ansetzen, als mit der parteipolitischen Münze christdemokratischer Prägung zahlen zu wollen. ({6}) - Ja, das muß ich offenbar nach dem sagen, was hier vorgetragen worden ist. ({7}) Der Abgeordnete Penner hat in einer Debatte dieses Hauses ganz ohne Pathos, schlicht und zutreffend erklärt: Der Rechtsstaat bewährt sich nicht nur darin, daß er Recht setzt, sondern daß er das Recht durchsetzt. Seine Pflicht ist es, das Recht zu wahren und dafür zu sorgen, daß es sich in der sozialen Wirklichkeit bewährt. Dazu gehört die motivierende Kraft des Rechtes ebenso wie die motivierende Kraft von Gesetzen, die den Kernbereich des Rechts berühren, und zwar negativ. Der Gesetzgeber wäre gut beraten, wenn er nicht den Versuch unternähme, gleichsam mit hängender Zunge von Fall zu Fall mit Gesetzen hinterherzulaufen, son-dern zunächst dafür zu sorgen, daß die vorhandenen Gesetze auch angewendet werden. Ehe er neue schafft, muß er belegen, daß es nicht möglich ist, das Recht mit den geltenden Gesetzen durchzusetzen. Der legalistische Zug der bisherigen Debatte hat mich überrascht. Wir sollten uns davor hüten, dem Glauben zu verfallen - wie eben gesagt worden ist -, als ob sich der Kampf gegen die Terroristen oder gegen Gewalt gleichsam im Bundesgesetzblatt abspielte. ({8}) Was in den Gesetzentwürfen der Opposition vorgeschlagen wird, sind mehrere Punkte. Der Beschleunigung des Strafprozesses wird im Grundsatz wohl niemand widersprechen wollen. Der Referentenentwurf, der im Bundesjustizministerium ausgearbeitet worden ist, muß, nehme ich an, auch den Verfassern des Gesetzentwurfes der Opposition bekannt gewesen sein; ich habe beim Lesen viele alte bekannte Formulierungen wiedergetroffen. Der zweite Vorschlag, das Strafmaß bei einzelnen Delikten heraufzusetzen, wird die moralische Wirkung auf das Rechtsbewußtsein der Nichttäter vielleicht nicht verfehlen. Eine Wirkung auf das Rechtsbewußtsein der Täter wage ich zu bezweifeln. Wer sein Leben riskiert, wird vor einer Verschärfung des Strafmaßes um fünf Jahre nicht schrecken. ({9}) Der Kern Ihrer Vorschläge liegt in der Überwachung des - wie Sie es nennen - mündlichen Verkehrs zwischen Verteidiger und Mandant. Ich würde „das Recht auf das unbelauschte Gespräch" als Formulierung vorziehen. Sie sagen, bestimmte Tatsachen müßten den Verdacht begründen, daß der Verkehr mißbraucht werden wird, um Straftaten zu fördern. Herr Kollege Merk hat bei der Frage des Verteidigerausschlusses von der Dicken Berta ohne Munition gesprochen. Ich finde, daß diese Bemerkung einen Teil dessen enthüllt, was Sie in Wirklichkeit wollen, ({10}) wenn Sie die Überwachung des Gespräches zwischen Verteidiger und Mandant auch dann schon einführen und begründen wollen, wenn ein Verdacht für ein Fehlverhalten dieses Verteidigers erst in der Zukunft liegen könnte. Sie wollen in Wirklichkeit das Gespräch zwischen Verteidiger und Mandant überwachen, ohne einen exakten Beleg für die Notwendigkeit im Einzelfall zu haben. Ich meine, hier fängt es an, kritisch zu werden. Wer einen so tiefen Eingriff in die Rechte einer unabhängigen Strafverteidigung fordert, muß einen exakten Beweis dafür führen, daß es notwendig ist. Es hat mich überrascht, daß selbst bei dem heimlichen Belauschen solcher Gespräche, wie es in Stammheim vorgekommen ist ({11}) nein, bei uns nicht, Herr Kollege -, offenbar kein exakter Beweis dafür geführt werden konnte, daß selbst diese Aktion notwendig war. Ich habe darüber keine exakten Erklärungen des baden-württembergischen Innen- oder Justizministers vorgelegt bekommen. ({12}) Der Verteidiger, Herr Abgeordneter Vogel, hat bestimmte Rechte als Organ der Rechtspflege bekommen, und wenn er sie mißbraucht, dann muß er in der Tat von allen diesen Rechten als Verteidiger ausgeschlossen werden. Wir werden sehr sorgfältig zu prüfen haben, warum die gesetzlichen Bestimmungen, die es darüber sowohl in der Strafprozeß1698 Minister Dr. Hirsch Ordnung als auch in der Rechtsanwaltsordnung gibt, bisher nicht in dem erwarteten Maße gegriffen haben. ({13}) - Nein, wir prüfen nicht ewig, sondern wir prüfen sorgsam, Herr Kollege. Das scheint mir ein wichtiger Unterschied zu sein. ({14}) Die erste Verpflichtung staatlichen Handelns besteht darin, Gewalt tatsächlich zu verhindern und die Täter tatsächlich zu ermitteln und festzunehmen. Nun stehen wir in diesem Hause immer vor der ständigen und zutreffenden Erklärung der Länder, daß die Polizei Ländersache ist. ({15}) Das führt zu folgenden Punkten. Es gibt in der Bundesrepublik elf divergierende Polizeirechte, und es gibt gleichwohl die Verpflichtung und die Notwendigkeit für die Polizei, einheitlich zu handeln. Deswegen ist die Verabschiedung des einheitlichen Musters des Polzeigesetzes ebenso wie die Umsetzung dieses Musterentwurfs in allen Landtagen von so großer Bedeutung. Ich weiß nicht, Herr Kollege Merk, warum Sie diesen Punkt so besonders hervorheben; denn es gibt bisher keinen einzigen Landtag, der diesen Musterentwurf in ein geltendes Gesetz umgesetzt hätte. ({16}) Der Musterentwurf ist - das muß man sagen - von der Publizistik nicht immer gut behandelt worden. Es ist offenbar der unausrottbare Eindruck entstanden, er beabsichtige, die Regte der Polizei zu verstärken, obwohl sein Inhalt lediglich darin besteht, die bereits gegebenen Rechte der Polizeien der Länder zu vereinheitlichen. In der von dem Kollegen Merk zitierten Innenministerkonferenz, die Mitte vergangenen Jahres stattfand, haben wir den Bundesinnenminister gemeinsam und einmütig beauftragt, im Rahmen einer dafür eingesetzten Arbeitsgruppe, in der auch die Innen- und Justizminister der Länder vertreten sind, die Abgrenzung gegenüber der Strafprozeßordnung noch einmal zu untersuchen. Diese Arbeiten befinden sich inhaltlich und dem Zeitplan nach völlig mit dem in Übereinstimmung, was auf der Innenministerkonferenz von den Innenministern aller Bundesländer gesagt und beschlossen worden ist. Ich sehe hier überhaupt keine Differenz, auf die Sie abheben könnten, Herr Kollege Merk. Sie wissen, daß wir gemeinsam beschlossen haben, der Bundesinnenminister möge auf der nächsten Innenministerkonferenz im Juni dieses Jahres einen Bericht über den Stand und ddn weiteren Zeitplan dieser Arbeiten geben. Hier gibt es also keine Differenzen. Ein zweiter wesentlicher Punkt scheint mir die Abgrenzung zwischen den Tätigen von Polizei und Staatsanwaltschaft zu sein. Die jetzige gesetzliche Regelung stimmt mit der Wirklichkeit in der Tat nicht überein. Hinsichtlich dieser Abgrenzung gibt es seit längerer Zeit eine gemeinsame Entschließung der Innen- und Justizminister der Länder. Es gibt weiterhin konkrete Vorschläge, die Polizeien von einer Fülle bürokratischer Arbeit bei der Verfolgung von Bagatelldelikten zu befreien. Ich halte die entschiedene Verfolgung dieser Vorschläge für außerordentlich notwendig. Sie schlagen vor, die Strafbarkeit einzelner Personen bei der Ausübung von Gewalt aus einer Menschenmenge heraus zu verstärken. Herr Kollege Vogel, wenn 10 000 Menschen auf die Straße gehen, so täte der Politiker gut daran, sich zu überlegen, warum sie dieses tun und warum sich unter diesen Menschen auch Abgeordnete dieses Hauses befinden. Ich meine also, daß bei Erscheinungen dieser Art der polizeiliche Aspekt nicht der vorrangige sein kann. Sie und wir sollten weiterhin prüfen, welchen Erfolg Sie haben können, wenn Sie aus den besagten 10 000 Menschen 50 oder meinetwegen auch 500 herausgreifen, und wie Sie die Betreffenden forensisch behandeln wollen. Welchen Erfolg wollen Sie haben, wenn Sie die Strafbarkeit zu einer Art Lotterie machen? Ich kann mir davon nicht viel versprechen. Zur polizeilichen Seite gehört statt dessen etwas ganz anderes. Wir haben die Ausübung von Gewalt und die Planungen, bei solchen Vorgängen Gewalt auszuüben, dann stets wirksam verhindern zu können, wenn wir die Möglichkeit hatten, solche Personen - ich nenne sie nicht „Demonstranten" -, die mit der Absicht, Landfriedensbruch zu begehen, zusammengekommen waren, im Vorfeld der Vorgänge, also an ihren Sammlungsorten, bei den Zufahrten usw. daraufhin zu kontrollieren, ob und welche Waffen sie mit sich führen, und wenn wir die polizeilichen Möglichkeiten hatten, ihnen diese Waffen abzunehmen und ihren Operationsplan, der in der Tat mit geradezu militärischer Logistik ausgearbeitet und durchgeführt wird, zu zerstören. Die Polizeiführungsakademie in Hiltrup, in der alle Bundesländer zusammenarbeiten, ist dabei, die bisherigen Vorgänge und ihre polizeiliche Handhabung zu analysieren. Wenn es notwendig ist, aus den Erkenntnissen gesetzgeberische Konsequenzen zu ziehen, wird dies geschehen. Als vierten Punkt möchte ich die Zuständigkeit des Bundeskriminalamtes ansprechen. Hier sollte zum wiederholten Mal erklärt werden, daß diese Koalition im Jahre 1969, als die Regierung übernommen wurde, das Bundeskriminalamt geradezu als eine Art handwerklichen Betrieb vorgefunden hat. Es ist das nicht absprechbare Verdienst dieser Bundesregierung - des jetzigen Bundesinnenministers ebenso wie seines Vorgängers -, aus diesem Bundeskriminalamt überhaupt erst eine Behörde geschaffen und entwickelt zu haben, die mit den Mitteln moderner Technik handeln kann und handelt und die vorbildlich in der Welt ist. ({17}) Das gehört für mich zu den negativsten Erinnerungen aus meiner parlamentarischen Tätigkeit, wie wir bei dem Versuch, durch eine Novellierung des Gesetzes über das Bundeskriminalamt dessen origiMinister Dr. Hirsch näre Zuständigkeiten zu erweitern, auf den heftigen Widerstand der Opposition dieses Hauses und zahlreicher Länder gestoßen sind. Es ging um die Ausweitung der originären Zuständigkeiten bei international organisierten Delikten, und zwar unabhängig von der Deliktart, wie Sie sich erinnern werden, Herr Kollege Miltner - Sie waren bei den Beratungen dabei -, und es ging um die Ausdehnung der Zuständigkeiten des Bundeskriminalamtes gerade im Bereich von Staatsschutzdelikten. Auch hier ist es zu einer unmittelbaren Zusammenarbeit der Länder nicht erst durch gesetzliche Regelungen gekommen, sondern durch bessere Einsicht im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Baader-Meinhof-Gruppe. Sie wissen genau, daß das, was an notwendiger Informationssteuerung im Augenblick tatsächlich praktiziert wird, eben nicht nur auf gesetzlichen Regelungen, sondern in erster Linie auf Vereinbarungen zwischen den Ländern beruht und zustande gekommen ist. ({18})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Kommen Sie bitte ans Mikrophon, Herr Abgeordneter, wenn Sie eine Frage stellen wollen. - Herr Minister, sind Sie bereit, eine Frage zuzulassen? Minister Dr. Hirsch ({0}) : Ja, natürlich.

Dr. Karl Miltner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001510, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Innenminister, sind Sie bereit zuzugeben, daß der zuständige Bundesminister erklärt hat, daß die Zuständigkeiten des Bundeskriminalamtes ausreichend seien und die Zusammenarbeit mit den Ländern ausgezeichnet sei? Minister Dr. Hirsch ({0}) : Herr Kollege Miltner, sind Sie dann bereit zuzugeben, daß diese Erklärung abgegeben wurde, als es klar war, daß wir mit einer gesetzlichen Regelung im Bundesrat nicht durchkommen würden, so daß nur der Weg der Zusammenarbeit, der Vereinbarung zwischen den Länderverwaltungen gegangen werden konnte? ({1}) Das wissen Sie doch genauso gut wie alle, die in diesem Hause sitzen und damals an der Novellierung beteiligt waren. Es hat ja auch die heftigste Reaktion meiner verehrten Kollegen gegeben, als der Bundesinnenminister auch nur eine Spezialistengruppe des Bundeskriminalamtes zur Hilfe angeboten hat. Auch darüber hat es doch erhebliche Diskussionen gegeben. ({2}) - Aber das wissen wir doch alle, das ist doch gar kein Geheimnis! Es bestand die Befürchtung, hier sei beabsichtigt, so eine Art FBI einzuführen, was von niemandem gewollt war. ({3})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Minister, sind Sie bereit eine Zwischenfrage des Abgeordneten Pensky zuzulassen? Minister Dr. Hirsch ({0}) : Ja, natürlich.

Heinz Pensky (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001689, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Dr. Hirsch, ich möchte Sie nur fragen, ob Sie bereit sind, von mir die Bestätigung entgegenzunehmen, daß es tatsächlich so gewesen ist, wie Sie es hier schildern. ({0}) Minister Dr. Hirsch ({1}): Das ist natürlich eine Frage, Herr Kollege Pensky, die man schlecht verneinen kann. Meine Damen und Herren, das ist die nackte Wirklichkeit. Ich stehe nicht an, hier gleichzeitig zu erklären, daß die zwischen den Länderpolizeien vereinbarte Zusammenarbeit zwischen den Ländern und mit dem Bundeskriminalamt gut funktioniert. ({2}) Dieses enthebt doch aber niemanden gleichzeitig der Verpflichtung, zu prüfen, ob sie verbessert werden kann und ob sie über die getroffenen Vereinbarungen hinaus auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden sollte. Die Innenministerkonferenz hat einen Arbeitskreis damit beauftragt, die großen Deliktfälle des letzten Jahres eingehend zu analysieren, um festzustellen, ob sich daraus Konsequenzen für eine noch bessere Zusammenarbeit der Polizeien ergeben müssen. Ich hoffe, daß dann, wenn diese Ergebnisse vorliegen, alle bereit sein werden, die sich daraus ergebenden Konsequenzen zu ziehen. Ein fünfter Punkt. Es scheint mir notwendig zu sein, die logistischen Möglichkeiten der Terroristen wesentlich einzuschränken. Kriegswaffenbesitz ist bereits behandelt worden. Es scheint notwendig zu sein, die Fahndungsgruppen der Länderpolizeien zu verstärken, die speziell zur Ermittlung einzelner Täter eingesetzt werden. Wir werden prüfen müssen, ob die Verstärkung der Informationssammlung und Informationssteuerung zwischen Bundeskriminalamt und Länderpolizeien verbessert werden muß. Wir werden im Wege der Kommunalaufsicht dafür sorgen müssen, daß die Ausweisformulare, sowohl der Personalausweise als auch der Führerscheine, in den Gemeinden wirklich einbruch- und diebstahlsicher aufbewahrt werden. Es ist erschrekkend, was man ständig an Meldungen darüber bekommt, wo und wieviel solcher Formulare gestohlen werden. ({3}) Minister Dr. Hirsch Wir werden dafür sorgen müssen, daß die Sicherung der Bankinstitute notfalls auf gesetzlichem Wege verbessert wird, um die Ausrüstung der Terroristen mit erheblichen Geldmitteln verhindern zu können. Wir werden schließlich die Frage fälschungssicherer Kennzeichen an Autos erneut behandeln müssen, um die berühmten Dubletten auszuschließen. Dies wird auch dann geschehen müssen, wenn wir dabei die wirtschaftlichen Interessen einzelner negativ berühren. Auch dazu kann man nur hoffen, daß es, selbst wenn diese wirtschaftlichen Interessen ins Spiel gebracht werden, gleichwohl zu einer einheitlichen Haltung dieses Hauses kommen wird. Ich halte es für politisch und moralisch verfehlt, den Eindruck zu erwecken, als ob die einen Demokraten dieses Hauses in der Verteidigung der Verfassung und der Rechte entschiedener wären als andere. Entscheidend scheint mir zu sein, die Freiheiten und die Rechte zu verteidigen, ohne sie zu beeinträchtigen. ({4})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat Herr Abgeordneter Wittmann.

Dr. Fritz Wittmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002540, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist bedauerlich, daß ausgerechnet zwei Minister, nämlich der Bundesjustizminister und der Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen, in diese Debatte einen Ton hineingebracht haben, der hier, glaube ich, nicht angemessen ist. ({0}) - Ich werde Ihnen, Herr Pensky, damit Sie sich beruhigen, gleich zitieren, was Sie selbst gesagt haben und worauf Herr Minister Merk rekurriert und was er nach meinem Dafürhalten zutreffend qualifiziert hat. Sie haben nämlich am 28. März 1977 in Ihrem Pressedienst folgendes ausgeführt - ich darf zitieren, Herr Präsident -: So ist die Polizei z. B. in Brokdorf und Wyhl in Einsätze geschickt worden, die zwar formal gerechtfertigt waren, sie aber in eine Rolle gezwängt haben, als Bündnispartner und Vollzugsorgan einer Politik aufzutreten, die in weiten Teilen der Bevölkerung auf Unbehagen und sogar offene Ablehnung stößt. Das ist doch die Unterstellung. Aber es geht weiter - ich zitiere wieder -: Dies vor allem, wenn der Polizei von prestigebesessenen Ministerpräsidenten ({1}) und Länderinnenministern Strategien und Verhaltensweisen aufgezwungen werden, die die Polizei selber schon als unangemessen und anachronistisch ins Museum der inneren Sicherheit verwiesen hat. Meine Damen ,und Herren, ich kann mich daher der Qualifikation nur anschließen, die der Herr Innenminister des Freistaats Bayern diesen Äußerungen gegeben hat. ({2}) Ich glaube, es ist nicht die Stunde, so zu tun - wie der Bundesjustizminister getan hat -, als würden hier Gesetze vorgelegt, die von den Verfassern nur für vergangene Straftaten gedacht seien. Der Bundesjustizminister müßte doch wissen, daß wir Gesetze nicht für das vorlegen können, was bereits geschehene Tat ist, sondern nur für das, was eventuell zu befürchten ist. Noch etwas. Herr Bundesjustizminister, nehmen Sie bitte zur Kenntnis, daß der Entwurf „Gesetz zur Bekämpfung von Terrorismus und Gewaltkriminalität sowie zum Schutz des inneren Friedens" lautet und nicht nur „Gesetz zur Bekämpfung von Terrorismus". Wir wollen hier also einen weit breiteren Rahmen ansprechen, als Sie es in Ihren Ausführungen zu dem Gesetzentwurf zu tun versucht haben. Vor nicht ganz einem Jahr, nämlich am 24. Juni 1976, habe ich in der Debatte über die damaligen Vorschläge zur Bekämpfung der Gewaltkriminalität von dieser Stelle aus die Befürchtung geäußert, daß wir wohl noch nicht ein abschließendes Gesetzeswerk zur Bekämpfung des Terrorismus und der Gewaltkriminalität verabschiedet haben. Ich habe damals einer entsprechenden Meinung des - inzwischen leider ausgeschiedenen - Kollegen Gnädinger, mit dem man sehr gut zusammenarbeiten konnte, widersprechen müssen, weil wesentliche Punkte der Bekämpfung der Gewaltkriminalität in den damals verabschiedeten Gesetzen unberücksichtigt geblieben sind. Wie die allgemeine Entwicklung der Gewaltkriminalität - ich betone: nicht nur die des Terrorismus - zeigt, habe ich leider recht behalten. Wenngleich die Ausübung politisch motivierten Terrors an Kaltblütigkeit kaum mehr zu übertreffen ist, so müssen wir doch auch feststellen, daß im allgemeinen die Brutalität der Begehung der Straftaten und die Rücksichtslosigkeit gegen Menschen, ihr Leben, ihre Gesundheit und ihre Freiheit zunehmen. Neue Begehungsformen der Verbrechen zeichnen sich ab. Ihre Grausamkeit übersteigt manchmal das menschlich Vorstellbare. Vor allem ihre Zahl steigt an. So hat sich die Zahl der Fälle von Mord und Totschlag 1975 gegenüber 1964 mehr als verdoppelt. 1966 wurden 9 000 Fälle von Raub und räuberischer Erpressung bekannt, 1975 waren es über 20 000, also mehr als doppelt so viele. Dabei treten der Gewaltcharakter und die Grausamkeit immer mehr hervor. Anfang der 60er Jahre begannen sich die bewaffneten Banküberfälle zu häufen. In jüngster Zeit nehmen die besonders schweren Formen des Bankraubs mit Geiselnahme erschreckend zu. Immer mehr Unbeteiligte werden als Geiseln mit dem Tod bedroht. Das Bestreben des Verbrechers, sich in jedem Fall die Beute zu sichern, führt zu einer fortschreitenden BrutalisieDr. Wittmann ({3}) rung. Leben, Gesundheit und Freiheit von Menschen werden rücksichtslos aufs Spiel gesetzt, um eine hohe Beute zu erzielen oder ein Verhalten zu erzwingen. Bezeichnend dafür sind die schweren Fälle erpresserischen Menschenraubs und der Geiselnahme in den letzten Monaten, in denen es zur Tötung und Folterung der Opfer kam und deren Befreiung oft nur dem Zufall zu verdanken war. In einer solchen Situation ist der Gesetzgeber nicht, wie der Herr Kollege Dürr darlegen zu können meinte, erst in dritter Reihe gefordert, sondern in erster Reihe, nämlich wenn sich neue Lebenssachverhalte abzeichnen, auf die er antworten muß. Diese Lebenssachverhalte zeichnen sich in den letzten Monaten und Jahren ab. Es genügt nicht, diese Entwicklungen mit Empörung und Abscheu zu registrieren. Der Gesetzgeber hat zu steuern. Das vom rechtstreuen Volk gewählte Parlament hat die Pflicht, auch im strafrechtlichen Bereich insbesondere der Justiz die Instrumente und auch die Mittel des Strafrechts in die Hand zu geben, um dieser Entwicklung steuern zu können. Über die Zweckmäßigkeit des Ausschlusses oder der Überwachung der Verteidiger von Terroristen findet zwischen uns ein Streit statt. ,Aber sind wir nicht auch hier aufgerufen, zu sehen, daß wir als Gesetzgeber schon im Vorfeld der künftigen Begehung strafbarer Handlungen tätig werden müssen? Ich möchte gleich einem Irrtum über die Verteidigerüberwachung vorbeugen, den der Herr Innenminister Hirsch hier hat aufkommen lassen. Die Verteidigerüberwachung kann nicht etwa dann angeordnet werden, wenn man der Meinung ist, daß ein Anwalt oder ein Beschuldigter den Verkehr miteinander vielleicht mißbrauchen könnten, sondern nur dann, wenn - so lautet unser Vorschlag klipp und klar - „bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, daß der Verkehr dazu mißbraucht wird oder mißbraucht werden wird, um Straftaten zu begehen oder vorzubereiten". Es kommt also nicht auf bloßen Verdacht, sondern auf die dem Verdacht zugrunde liegenden Tatsachen an. Ich meine, unmittelbar nach den schrecklichen Ereignissen der letzten Wochen haben auch Angehörige der Koalition - wie etwa der Bundesjustizminister - diesen Sachverhalt richtig gesehen und praktisch nach einer Regelung durch den Gesetzgeber gerufen. Ich zitiere den Bundesjustizminister, der meinte, es bestehe die Möglichkeit, „eine Gefahrenquelle in entscheidender Weise zu verringern", wenn wir diese gesetzliche Regelung einführten. Der Gesetzgeber muß einschreiten, wenn es im Interesse des Rechtsgüterschutzes liegt. Er kann sich nicht auf abgeschlossene Reformarbeiten - auch im Bereich des Strafrechts; das möchte ich im Hinblick auf unseren Gesetzentwurf unterstreichen - berufen, wenn neue oder erheblich geänderte Sachverhalte die Schaffung neuer gesetzlicher Vorschriften oder die Änderung von Normen gebieten. Diese beiden Prinzipien hat übrigens Herr Kollege Müller-Emmert schon vor etwa einem Jahr aus Anlaß der zweiten und dritten Beratung des Strafrechtsänderungsgesetzes herausgestellt und bejaht. Wir bejahen sie auch. Diesen Prinzipien dienen unsere Gesetzesvorschläge. Es kommt für uns - das möchte ich nochmals betonen - nicht darauf an, daß bestimmte Formen der Gewaltkriminalität schon ein gefährliches Ausmaß angenommen haben, obwohl die von mir genannten Zahlen auch einen solchen Schluß zulassen. Es ist der Auftrag an den Gesetzgeber, den Gerichten nicht nur bessere Instrumente in die Hand zu geben, sondern auch rechtzeitig allgemein ein Signal zu setzen. ({4}) Dieses Signal besteht in der Schaffung einer Verhältnismäßigkeit zwischen Tat und Strafe. Das Strafrecht hat die Aufgabe, Rechtsgüter zu schützen. Allen Strafnormen liegen Werturteile über Lebensgüter zugrunde, die uns für das Bestehen der menschlichen Gemeinschaft unentbehrlich erscheinen. Die Zwangsgewalt des Staates muß sie auch in Form der Strafe schützen. Die Strafwürdigkeit einer Tat bestimmt sich nach dem Wert des Rechtsgutes, nach der Gefährlichkeit des Angriffs und der Verwerflichkeit der Gesinnung. Damit prägt das Strafrecht auch das Rechtsbewßtsein der Gemeinschaft. Wie sehr dieses Rechtsbewußtsein in der Vergangenheit gelitten hat, zeigt ein unverständlicher Vorgang in den letzten Tagen: Die Firma Suzuki - Sie wissen, ein Motorrad dieses Typs wurde bei dem Anschlag auf den Generalbundesanwalt verwendet - hat eine Anzeige in Auftrag gegeben, in der diese Maschine beschrieben wird als - ich zitiere - „die Sportkanone für Scharf schützen". ({5}) Meine Damen und Herren, das ist nicht nur eine Verhöhnung der Opfer, sondern praktisch ein makabrer Appell an die Aggressionsinstinkte von Jugendlichen und ein raffiniertes Beispiel dafür, wie unter Ausschlachtung des Mordfalles gewissenlos geschäftliche Zwecke verfolgt werden. ({6}) Wir sollten auch dem steuern. Die Ursachen für derartiges Fehlverhalten liegen meines Erachtens tiefer: Man erkennt nicht mehr, daß Gesetze auch Rechtsgüter schützen und Unrechtstaten qualifizieren.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Emmerlich?

Dr. Alfred Emmerlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000468, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Wittmann, trifft meine Information zu, daß die Anzeige, von der Sie gesprochen haben, vor der Tat in Karlsruhe in Auftrag gegeben worden ist, und halten Sie es unter diesen Umständen für angemessen, den Sachverhalt hier in dieser Form mitzuteilen?

Dr. Fritz Wittmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002540, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Emmerlich, die Zeitschrift ist am 20. April 1977 erschienen. Ein verantwortungsbewußter Redakteur Dr. Wittmann ({0}) hätte nach meinem Dafürhalten selbst dann, wenn die Sache schon im Satz gewesen ist, die Pflicht gehabt, mit der Firma zu sprechen, um diesen Satz zu verändern. Ich glaube, darüber sind wir uns einig. ({1}) Meine Damen und Herren, die Strafe sieht man heute vielfach nur noch funktionell unter dem Blickpunkt einer Quasiheilung des Täters. Ich glaube, es kommt nicht allein darauf an, daß die Strafe eine abschreckende Wirkung hat, obwohl es auch darauf ankommt. Ich glaube, man würde uns mit Recht Naivität unterstellen, wenn wir annähmen, Strafrahmen hätten abschreckende Wirkung auf Terroristen, wie wir sie kennengelernt haben. Aber es geht nicht nur um Terroristen, sondern auch um sonstige Gewaltkriminalität, für die die Tatschemen z. B. des erpresserischen Menschenraubs und der Geiselnahme einen Anreiz zur Nachahmung boten und bieten. Darum geht es, weil der Gesetzgeber eben die Pflicht hat, auch im Negativen etwas vorauszudenken. Es wird auch vielfach vergessen, daß die Rechtssätze des Strafrechts eine menschliche Wertung, eine Bewertung einzelner Rechtsgüter enthalten. Wenn meine Fraktion, die CDU/CSU-Fraktion, eben zur Bekämpfung dieser Gewaltkriminalität Vorschläge unterbreitet, das Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe von 15 auf 20 Jahre heraufzusetzen, so geschieht es mit diesem Ziel und zur Bekämpfung dieser neuen Erscheinungsformen der Gewaltkriminalität. Wir haben unsere Vorschläge der Erhöhung des Strafmaßes gezielt auf die Fälle gerichtet, bei denen das Opfer schwere Beeinträchtigungen an Leben, Gesundheit und Freiheit erleidet. Die Heraufsetzung der Mindeststrafe in bestimmten Fällen und die Anhebung des Höchstmaßes der Strafe auf 20 Jahre sollen die Gerichtspraxis auch ermuntern, noch mehr als bisher tatangemessene Strafen zu verhängen. Wir halten es z. B. für unangemessen, daß die Höchststrafe bei Aussetzung einer Person in hilfloser Lage nur 15 Jahre betragen soll, wenn dadurch der Tod verursacht worden ist oder wenn durch eine Freiheitsberaubung oder einen schweren Raub das Opfer den Tod gefunden hat. Hier muß, wenn nicht auf Grund anderer Strafbestimmungen lebenslange Freiheitsstrafe angedroht ist, eine höhere Strafandrohung der zeitigen Freiheitsstrafe erfolgen. Das gleiche gilt für die höchst gefährlichen Fälle der Herbeiführung einer Kernexplosion oder sonstiger Explosionen, der gemeingefährlichen Vergiftung oder der Flugzeugentführung. Die besondere Verwerflichkeit einer Tat gebietet es, sofern nicht lebenslange Freiheitsstrafe eintritt, dort ein Höchstmaß an Freiheitsstrafe von 20 Jahren vorzusehen, wo z. B. im Zusammenhang mit sexuellem .Mißbrauch eines Kindes der Tod des Kindes leichtfertig verursacht worden ist. Es hat sich auch herausgestellt, daß die Strafen bei erpresserischem Menschenraub weder der Gefährlichkeit, der Grausamkeit noch der Zunahme dieser Taten angemessen sind. Die Einführung einer Mindeststrafe von fünf Jahren scheint daher ebenso angemessen wie die Heraufsetzung der zeitigen Freiheitsstrafe auf 20 Jahre im Höchstfall. Eine Mindeststrafe von 10 Jahren ist nach unserer Auffassung dann geboten, wenn bei einer Geiselnahme oder einem räuberischen Menschenraub das Opfer oder ein anderer in Todesgefahr oder in die Gefahr einer schweren Körperverletzung gebracht wird. Auch wer sein Opfer quält oder roh mißhandelt, soll mit einer Mindeststrafe von 10 Jahren rechnen müssen. Meine Damen und Herren, die Zunahme von Gewalt und Brutalität hat ihren Anfang bei jener unheilvollen Differenzierung zwischen Gewalt gegen Sachen und Gewalt gegen Personen. ({2}) Täuschen wir uns darüber nicht hinweg! Erstens läßt sich eine Grenze schwer ziehen, zweitens bin ich der Meinung, daß eine generelle Grenzziehung in diesem Falle sowohl moralisch als auch rechtlich unzulässig erscheint, nämlich in dem Falle, da man das eine für gerechtfertigt und das andere für Unrecht erklärt. In einem beachtenswerten Beitrag schreibt die „Neue Zürcher Zeitung" am 17./18. April 1977 - ich zitiere -: Eine gelangweilte jeunesse dorée hat sich 1968 „Gewalt gegen Sachen" predigen lassen und sie als Akte ihrer Emanzipation aus der Väterwelt zu praktizieren begonnen. Der Fortschritt führte dann, teilweise unter Beifall von Dichtern und Denkern, von den Farbbeuteln zu Warenhausbränden, von „ein bisschen Gewalt" zu ein bisschen mehr, von Gewalt gegen Personen, von Steinwürfen zu Sprengstoffanschlägen und Schiessereien. Meine Damen und Herren, diese Entwicklung zeigt, daß die Wurzeln des heutigen Terrorismus, der Gewalttätigkeit und Brutalität teilweise in den Vorgängen um die APO Mitte bis Ende der 60er Jahre zu suchen sind. Die damaligen Demonstrationen uferten aus und führten zu Gewalttätigkeiten. Ihre geistige Rechtfertigung suchten und fanden sie bei verblendeten Ideologen, die durch ein Jonglieren mit Begriffen die vorgegebenen Wertvorstellungen und in der Konsequenz die Rechte der Mitbürger in Frage stellten. Hier wurde der Respekt vor dem Schutz der Rechtsgüter des anderen sukzessive abgebaut und ideologisch unterminiert. Statt den Schutz der Rechtswerte zu gewährleisten, wich der Gesetzgeber entgegen den nachdrücklichen Warnungen der CDU/CSU zurück und liberalisierte das sogenannte Demonstrationsstrafrecht, ich würde sagen: liberalisierte den Landfriedensbruch bzw. stellte den Landfriedensbruch nicht mehr in der gebotenen Weise - das scheint mir die richtige Ausdrucksweise zu sein - unter Strafe. Damit wurde 1970 die Spielwiese, die Vorschule der Terroristen zum Gebrauch freigegeben. ({3}) Diese Kräfte wollen den Staat demontieren, die Gemeinschaftsorganisation, die den Schutz des einzelnen garantiert, zerstören; sie wollen den Bürgerkrieg proben, und damit soll der einzelne einem Dr. Wittmann ({4}) neuen Machtanspruch ausgeliefert werden, dem Machtanspruch der Anarchisten. Wie die heutige Erkenntnis eindeutig zeigt - so auch der Präsident des Bundeskriminalamtes in der gemeinsamen Sitzung des Rechts- und des Innenausschusses am 14. April dieses Jahres -, rekrutiert sich der Nachwuchs der Terroristen aus dem Umfeld der Gewaltdemonstrationen. Meine Damen und Herren, die Zusammenhänge werden deutlich, wenn man der Verherrlichung des Mordes am Generalbundesanwalt in der Zeitschrift des AStA der Göttinger Universität nachgeht, in der - ich zitiere- „klammheimliche Freude" über den - Zitat - „Abschuß" von Buback ausgedrückt wurde. Zwei Gruppen tragen diesen AStA: die „Sozialistische Bündnisliste" - eine Tarnliste des Kommunistischen Bundes - und die „Bewegung Undogmatischer Frühling". Diese beiden Gruppen waren ein wesentliches Potential der Gewalttaten in Grohnde und Brokdorf und rückten mit ganzen Fahrzeugkolonnen, teilweise unter Mißbrauch des Zeichens des Roten Kreuzes, in Grohnde an. Das ist der Hintergrund! ({5}) Es darf auch nicht übersehen werden - es wurde schon gesagt -, daß die Mörder von Karlsruhe erstmals bei solchen Gewalttaten und bei Hausbesetzungen in Erscheinung getreten sind. Wenn man weiter feststellen muß, daß angesichts des Ausmaßes dieser Gewalttaten bei den Demonstrationen nur zwei Haftbefehle erlassen werden konnten, zeigt sich, daß das geltende Recht gegen diese Gewaltaktionen nicht stark genug ist. ({6}) Denn, meine Damen und Herren, es hat sich gestern bei den Filmvorführungen im Innenausschuß gezeigt, daß eine Menschenmenge, die selbst nichts unternimmt, die eigentlichen Gewalttäter abschirmt, um die Polizei daran zu hindern, an die Gewalttäter heranzukommen. Das ist doch das Problem, um das es hier geht! ({7}) Und diese Menschenmenge kann von der Polizei nicht entfernt werden, weil es keinen Straftatbestand gibt, den die Teilnehmer verwirklichen; sie stehen nur herum, um die Gewalttäter abzuschirmen. Das ist der Punkt, um den es uns bei der Neuregelung des Straftatbestandes des Landfriedensbruchs geht. ({8}) - Sie sprechen von 10 000 Menschen. Aber wenn man nicht erst einmal eine Strafnorm schafft und das unter Strafe stellt, dann können Sie gar nicht beginnen, den Menschen zu sagen, daß das rechtswidrig ist, was sie tun. Den 10 000 Menschen konnte nicht gesagt werden, daß ihr Aufenthalt zum Schutze von Gewalttätern rechtswidrig war, weil es hier keine Strafnorm gibt. ({9}) Im Vorfeld dieser Gewalttaten haben wir vorgeschlagen - über die Vorschläge hinaus, die hier schon zusätzlich vorgebracht worden sind -, die Ansammlung von Waffen im Sinne des Strafgesetzbuches für derartige Gewalttaten unter Strafe zu stellen. Es genügt nicht, daß alle Mitbürger solidarisch sind, daß die Demokraten hier in diesem Hause solidarisch sind. Wir müssen auch der Polizei geeignetes Instrumentarium in die Hand geben, sowohl in diesem Falle wie auch in einem anderen Falle. ({10}) Abgesehen von der Gefährlichkeit des Tuns, sind wir der Meinung, daß es im Interesse des Zugriffs durch die Polizei, der Strafverfolgung und der Vorbeugung notwendig ist, die Bildung von terroristischen Vereinigungen und die Zugehörigkeit zu ihnen als Verbrechen und nicht wie bisher als Vergehen zu qualifizieren. Wir haben bereits im vergangenen Jahr gefordert, daß die Zugehörigkeit zu einer terroristischen Vereinigung als Verbrechen qualifiziert wird, damit die Polizei ohne komplizierte Überlegungen auch von der Schußwaffe dann Gebrauch machen kann, wenn sie eines Terroristen habhaft wird, der, außer daß er im Verdacht steht, einer terroristischen Vereinigung anzugehören, keine schwerere Straftat begangen hat. Deren gibt es viele z. B. sind die mutmaßlichen Attentäter von Karlsruhe bis dahin noch nicht so in Erscheinung getreten, daß man hätte sagen können, hier liege der Verdacht eines Verbrechens vor, wenn wir einmal von dem Haftbefehl absehen, der wegen einer Straftat in Lörrach ergangen ist. CDU und CSU haben sich zu Beginn dieser Legislaturperiode auf den Standpunkt gestellt, daß nur notwendige Gesetze erlassen werden sollten. Aber die Gesetze, die notwendig sind, müssen erlassen werden! Dazu gehört das Bündel der Gesetze, die wir Ihnen hier in zwei Gesetzentwürfen, einem materiell-rechtlichen und einem verfahrensrechtlichen, vorgeschlagen haben. Die Koalitionsparteien haben in der Debatte am 20. April zugesagt, mit uns die Gesetzentwürfe zu beraten. Ich habe heute einige Töne gehört, die das etwas zurücknehmen. Vielleicht kann uns Herr Kollege Penner erklären, ob sein Wort aus der Debatte vom 20. April bestehenbleibt. Es dient aber nicht der Solidarität der Demokraten, 'wenn man den beiden Vorsitzenden der CDU und der CSU unterstellt, sie hätten kein Interesse an einer Diskussion über die Fragen der inneren Sicherheit. Die Diskussion Ober innere Sicherheit können wir hier am Konkreten führen und nicht bei einem Kamingespräch beim Herrn Bundeskanzler, zu dem nicht einmal Fachleute aus der aktuellen Praxis geladen waren. ({11}) - Ich habe von der aktuellen Praxis gesprochen. Sie, Herr Schäfer, gehören sicher auch nicht mehr zur aktuellen Praxis. ({12}) Ich meine, hier hätten der Vertreter der Bundesanwaltschaft, der Präsident des Bundeskriminalamts Dr. Wittmann ({13}) und auch die sonstigen Verantwortlichen dazu gehört, die sich tagtäglich mit diesen Phänomenen befaßt haben. Sowohl Kohl als auch Strauß haben zu einem solchen Gespräch eine Zusage gegeben, jedoch unter Hinzuziehung der Praktiker, die uns auch die Handhaben und die Ratschläge geben können, die wir für ein wirksames Handeln brauchen. ({14}) Die Solidarität der Demokraten gegen die Gewalt kann sich beweisen, wenn diese Gesetze rasch und mit gutem Willen beraten und in Kraft gesetzt werden. Darum bittet die CDU/CSU alle Parteien dieses Hauses. ({15})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Meine Damen und Herren, ich unterbreche die Sitzung. Sie wird um 14 Uhr mit der Fragestunde fortgesetzt. Um 15.30 Uhr findet die Fortsetzung der Debatte über die aufgerufenen Drucksachen statt. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Die Sitzung ist wieder eröffnet. Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde - Drucksache 8/328 Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes auf. Herr Staatssekretär Bölling steht zur Beantwortung zur Verfügung. Ich rufe die Frage 124 des Herrn Abgeordneten Dr. Kunz ({0}) auf: Wie verfuhr die Bundesregierung in ihrer Informationspolitik bis jetzt gegenüber Abgeordneten der Opposition im Vergleich zu den Abgeordneten der Regierungsparteien, und wie gedenkt sie sich künftig in diesem Punkt zu verhalten?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter Dr. Kunz, das Presse- und Informationsamt hat, wie im Haushaltsgesetz festgelegt, den Auftrag, die Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland über Arbeit und Ziele der Bundesregierung zu informieren. Eine besondere Informationspolitik gegenüber dem Deutschen Bundestag oder gegenüber Abgeordneten dieses Hohen Hauses, aller Fraktionen, gibt es nicht. Ich gehe davon aus, daß alle Fraktionen des Deutschen Bundestages auch nicht daran interessiert sind, daß das Bundespresse- und Informationsamt gegenüber dem Parlament informationspolitisch tätig wird. Das schiene mir anmaßend zu sein. Sofern die Unterrichtung der Öffentlichkeit nicht über die Medien, beispielsweise durch die Bundespressekonferenz oder durch Pressemitteilungen, erfolgt, sondern in Form von Publikationen für alle Bürger der Bundesrepublik oder für einzelne Zielgruppen, leitet das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung den Abgeordneten aller Fraktionen diese Publikationen zu, um ihnen, wenn sie interessiert sind, die Bestellung weiterer Exemplare für ihre politische Arbeit zu ermöglichen. Eine unterschiedliche Behandlung von Abgeordneten der Opposition ui -I Abgeordneten der Regierungsparteien hat es bisher nicht gegeben und ist auch künftig nicht beabsichtigt.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Kunz.

Prof. Dr. Max Kunz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001258, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, sind Sie sich dessen bewußt, daß Sie hier einen Sachverhalt dargestellt haben, der nicht den Tatsachen entspricht?

Not found (Staatssekretär:in)

Nein, Herr Abgeordneter Kunz, ich habe Ihnen meine Erklärung bona fide gegeben. Ich müßte Sie dann schon bitten, mir Tatsachen zu nennen, die zu meiner Darstellung in Widerspruch stehen.

Prof. Dr. Max Kunz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001258, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wie erklären Sie sich dann den folgenden Sachverhalt: Ich habe am 3. Februar dieses Jahres an den Herrn Bundesminister für Verkehr geschrieben und habe - nach einem Zwischenbescheid nach acht Tagen - am 16. März die Antwort bekommen. Am 16. März erscheint in meiner Heimatzeitung die Antwort, die mir an diesem Tage auf den Schreibtisch gegeben wurde, mit der Mitteilung, daß das Bundesverkehrsministerium einem Kollegen der SPD-Fraktion diejenige Auskunft gegeben hätte, die mir an dem Tage, an dem die Zeitung erschienen war, zugestellt worden ist. ({0})

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter Dr. Kunz, ich bin selbstverständlich bereit, diesen Fall daraufhin zu recherchieren, ob hier ein Verstoß gegen die Chancengleichheit vorliegt. Aber Sie werden bitte verstehen, daß ich Ihnen meine Antwort hier in der Verantwortung für das Bundespresse- und -informationsamt gegeben habe. Ich bin gern bereit, Bundesminister Gscheidle auf diesen Fall hinzuweisen und ihn zu bitten, daß er der Sache nachgeht.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hammans.

Dr. Hugo Hammans (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000794, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, darf ich Sie im Hinblick auf die Bemerkung, die Herr Corterier gerade von sich gegeben hat, nämlich: „So ist es genau richtig", fragen, ob Ihnen bekannt ist, daß mir genau das gleiche, was Ihnen Herr Kunz soeben geschildert hat, auch passiert ist?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Dr. Hammans, man muß wohl jeden Einzelfall genau prüfen. Aber ich weiß aus der Vergangenheit, daß sich einzelne Abgeordnete nicht nur an das Bundespresseamt, sondern an die einzelnen Ressorts wenden, wenn sie ein besonderes Interessse an spezifischen Themen haben. Das halte ich für einen normalen Vorgang.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Corterier.

Dr. Peter Corterier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000339, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß diese angebliche Praxis der Bundesregierung, die gerade von Kollegen der Opposition gerügt wird, bei der baden-württembergischen Landesregierung, die von der CDU geführt wird, seit langem gang und gäbe ist?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich weiß, Herr Abgeordneter Dr. Corterier, daß auch Landesregierungen Informationen an Abgeordnete geben, die nach solchen Informationen fragen. Das halte ich auch für einen absolut normalen Vorgang. Ich würde es für nicht normal halten, wenn z. B. unser Amt versuchte, für alle Bürger und damit für alle Abgeordneten dieses Hohen Hauses verfügbare Informationen zu privilegieren und einseitig nur an Abgeordnete der die Regierung stützenden Fraktionen zu verteilen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Bühler.

Klaus Bühler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000297, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, halten Sie es für eine sachgerechte Informationspolitik, wenn einem Abgeordneten, der sich in einem Ministerium um eine Auskunft bemüht, zunächst die Frage nach seiner Parteizugehörigkeit gestellt wird, wie mir geschehen ist?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, ich weiß nicht, aus weichem Motiv heraus in diesem Ressort danach gefragt worden ist. Die Frage an sich halte ich nicht für ehrenrührig.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Nothhelfer.

Dr. Norbert Nothhelfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001626, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie die Tatsache, daß aus der laufenden Kabinettsitzung heraus, in der über die Aufnahme von Bundesstraßen in das mittelfristige Investitionsprogramm Beschluß gefaßt wurde, die Abgeordneten der Koalition vorweg mündlich informiert worden sind, um sofort die lokale Presse benachrichtigen zu können, während die Abgeordneten der Opposition einen Tag später schriftlich Bescheid bekommen haben?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich müßte diesem Vorgang nachgehen, um festzustellen, ob der Sachverhalt tatsächlich so ist, wie Sie ihn hier dargestellt haben. Aber ich verweise noch einmal auf das, was ich vorhin gesagt habe: Wenn ein Abgeordneter oder mehrere Abgeordnete ein spezifisches Interesse an einer Information durch die Bundesregierung erkennen lassen, so haben wir keinen Grund, zu warten, bis sich auch andere melden. Vielmehr halten wir es für unsere Pflicht, ihnen alle Fakten, die ihnen für die politische Urteilsbildung wichtig sind, sofort an die Hand zu geben. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich lasse jetzt zu die- ser Frage nur noch zwei Zusatzfragen zu. - Zunächst Herr Dr. Czaja.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist es nicht so, daß die Geschäftsordnung der Bundesministerien die Form und Art der Beantwortung von Anfragen von Abgeordneten regelt, und werden Sie nicht überprüfen, ob nicht das Bundesministerium für Verkehr in diesem Fall, aber auch in einer Reihe anderer Fälle zum Teil auch Anfragen von Bürger- initiativen dadurch beantwortet, daß es die Fragesteller solcher Anfragen an Abgeordnete der SPD verweist und um weitere Behandlung solcher Fälle durch diese Abgeordneten bittet?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter Dr. Czaja, Sie werden verstehen, daß ich zu einem Vorgang, mit dem Sie vertraut sind und von dem ich nicht weiß, -ob Sie ihn nur schildern oder zugleich auch politisch bewerten, nichts sagen kann. Ich müßte dann tatsächlich erst die Fakten kennen. Aber nach meiner Kenntnis werden alle Anfragen und Wünsche nach Informationsmaterial aller Oppositionsabgeordneten von meinem Hause grundsätzlich prompt und so, wie gewünscht, erledigt.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Möller.

Dr. Franz Möller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001522, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, was wird die Bundesregierung unternehmen, damit Antworten der Bundesregierung auf Schreiben von Oppositionsabgeordneten künftig nicht vorher den Kollegen der SPD-Fraktion zugeleitet werden?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich glaube nicht, Herr Abgeordneter - das ist wohl ein Verdacht, der in Ihrer Fragestellung anklingt -, daß dies eine Usance sei. Es ist vorhin von einem solchen Fall gesprochen worden. Ich habe bereits erklärt, daß ich mich beim Bundesverkehrsminister erkundigen werde, ob hier womöglich etwas inkorrekt geschehen ist. Die Praxis der Bundesregierung ist dies mit Gewißheit nicht.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Damit ist dieser Geschäftsbereich abgeschlossen. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Ich komme nun zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen. Der Herr Bundesminister des Auswärtigen steht zur Beantwortung. der Fragen zur Verfügung. Ich rufe die Frage 60 des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja auf: Bezieht sich die Warnung, die die Bundesregierung wiederholt, zuletzt am 21. April 1977, vor dem Bundestag in bezug auf die Gefahren der Zusammenarbeit deutscher Organisationen in der Bundesrepublik Deutschland mit kommunistischen Organisationen ausdrücklich ausgesprochen hat ({0}), auch auf die politische Zusammenarbeit mit den Führungskräften des Zentralkomitees der kommunistischen polnischen Arbeiterpartei in Fragen der Sicherheit unseres Staats und unserer Verbündeten sowie des für die Wiener Abrüstungsgespräche einzuschlagenden Wegs? Bitte, Herr Bundesminister.

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, ich kann Ihre Frage mit Nein beantworten. Bekanntlich ist zwischen der innenpolitischen Zusammenarbeit mit Kommunisten, die für Demokraten nicht in Frage kommen kann, und der Wahrnehmung unserer Interessen im Ausland zu unterscheiden. Zu dieser Wahrnehmung gehört, daß jede Möglichkeit genutzt wird, um den Verantwortlichen - sei es im staatlichen Bereich, sei es aber auch im parteipolitischen Bereich - die Vorstellungen der Bundesrepublik Deutschland nahezubringen. Das gilt insbesondere für solche Länder, die von sich selbst sagen, daß bei ihnen die Partei Vorrang vor den staatlichen Organen habe.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Czaja.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesaußenminister, würden Sie vielleicht Ihre Aufmerksamkeit auf den Wortlaut meiner Frage lenken, der lautet, ob sich die Warnung, die Herr von Schoeler in der vorletzten Plenarsitzung ausgesprochen hat, „auch auf die politische Zusammenarbeit mit den Führungskräften des Zentralkomitees der kommunistischen polnischen Arbeiterpartei" - nicht Regierungsstellen - „in Fragen der Sicherheit unseres Staates" bezieht?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, die Wahrnehmung der Interessen der Bundesrepublik Deutschland beinhaltet auch die Wahrnehmung ihrer Sicherheitsinteressen. Diese Sicherheitsinteressen verständlich zu machen und soweit wie möglich durchzusetzen, ist Aufgabe nicht nur der staatlichen Organe in der Bundesrepublik Deutschland, sondern natürlich auch der Parteien und Fraktionen des Deutschen Bundestages. Ich enthielte dem Bundestag etwas, wenn ich nicht bemerken würde, daß ich wiederholt Gelegenheit hatte zu beobachten, daß Angehörige aller Fraktionen des Deutschen Bundestages bei Besuchen in der Bundesrepublik Deutschland nicht nur an Kontakten mit staatlichen Vertretern kommunistischer Staaten, sondern auch mit parteipolitischen Repräsentanten Interesse gezeigt haben.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Czaja.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Da es hier nicht um Kontakte, sondern um eine Zusammenarbeit geht - was etwas anderes als Kontakte ist -, frage ich, Herr Bundesaußenminister, ob sich die Antwort des Herrn Staatssekretär von Schoeler, daß vor einer Zusammenarbeit mit kommunistischen Organisationen insgesamt zu warnen sei, nicht auch auf diesen Fragenkomplex bezieht.

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, ich hatte bereits am Anfang gesagt, daß ich mich in der Lage sehe, Ihre Frage mit Nein zu beantworten. Ich habe dieses Nein begründet. Was nun den von Ihnen gemachten philologischen Unterschied zwischen Kontakten und Zusammenarbeit angeht, so gehe ich allerdings davon aus, daß alle Mitglieder des Deutschen Bundestages bei solchen Kontakten die Interessen der Bundesrepublik Deutschland wahrnehmen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich rufe die Frage 125 des Herrn Abgeordneten Dr. Hammans auf: Welche Abgeordneten lädt die Bundesregierung zur BegrüBung und zu Gesprächen ein, wenn ein ausländischer Regierungschef außerhalb Bonns in der Bundesrepublik Deutschland landet, wird insbesondere der Abgeordnete des Wahlkreises, gleich welcher Fraktion er angehört, eingeladen?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, wenn ein ausländischer Regierungschef außerhalb Bonns zu einem Besuch eintrifft, wird er im allgemeinen von Vertretern der jeweiligen Landesregierung begrüßt. Bundestagsabgeordnete nehmen an dieser Begrüßung in der Regel nicht teil. Die Entscheidung, ob Abgeordnete, insbesondere der jeweilige Wahlkreisabgeordnete, zur Begrüßung und zu Gesprächen eingeladen werden, liegt in den Händen der jeweils zuständigen Landesregierung.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine Zusatzfrage. - Dann rufe ich die Frage 126 des Herrn Abgeordneten Dr. Hammans auf: Trifft es zu, daß die Bundesregierung beim Besuch des britischen Premierministers Callaghan in Brüggen zwar den in diesem Wahlkreis nicht direkt gewählten SPD-Bundestagsabgeordneten, nicht aber den dort direkt gewählten CDU-Bundestagsabgeordneten eingeladen bzw. über den Besuch informiert hat, und, wenn ja, was hat die Bundesregierung dazu veranlaßt?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Es trifft nach meinen Informationen nicht zu, Herr Abgeordneter, daß die Bundesregierung bei dem Besuch des britischen Premierministers in Brüggen den SPD-Bundestagsabgeordneten eingeladen bzw. über den Besuch informiert hat. Soweit der Bundesregierung bekannt ist, hat der SPD-Abgeordnete von sich aus Kontakt mit den britischen Militärbehörden aufgenommen, die für die Organisation des den in Deutschland stationierten britischen Truppen geltenden Besuches des britischen Premierministers zuständig sind. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hammans.

Dr. Hugo Hammans (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000794, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister Genscher, darf ich Sie im Hinblick auf das Ihnen sicher auch bekannte Sprichwort „Geh nicht zum Fürst, wenn du nicht gerufen wirst" fragen, ob Sie an seiner Stelle dorthin gegangen wären?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, die Bundesregierung begrüßt jeden Kontakt von Mitgliedern des Hohen Hauses mit den verbündeten Streitkräften. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stahl.

Erwin Stahl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002212, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, können Sie sich vorstellen, daß ein Abgeordneter der Opposition, dessen Partei den Bundeskanzler, sprich: den stellvertretenden Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei in einer Schrift als „Politruk" bezeichnet, auf einen Besuch und die Begrüßung bei einer derartigen Veranstaltung Wert legen kann?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, ob ein Abgeordneter des Hohen Hauses auf eine Teilnahme an einer Veranstaltung Wert legt oder nicht, ist seine eigene souveräne Entscheidung. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich rufe die Frage 127 des Herrn Abgeordneten Jäger ({0}) auf: In welchen Fällen hat gegebenenfalls das Unterbleiben von Initiativen seitens der Bundesregierung zur Aufnahme von Gesprächen und Verhandlungen mit der DDR und den anderen kommunistischen KSZE-Teilnehmerstaaten dazu geführt, daß es noch nicht zu einer Umsetzung der Vereinbarungen über die „Zusammenarbeit in humanitären und anderen Bereichen' in der KSZE-Schlußakte von Helsinki in die Wirklichkeit gekommen ist?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, diese Ihre Frage gehört zu einem Komplex mehrerer Fragen von Kollegen des Hohen Hauses, die sich mit der Konferenz von Helsinki und der Konferenz von Belgrad befassen. Ich bitte deshalb um Erlaubnis, Frau Präsidentin, daß ich der Beantwortung der ersten Frage einige allgemeine Bemerkungen voranstelle.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich glaube, dagegen gibt es keinen Einwand.

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Die Bundesregierung ist rückblickend der Auffassung, daß sie gut beraten war, an der Vorbereitung der Konferenz von Helsinki und an der Zeichnung der Schlußdokumente teilzunehmen. Es war ihr auf diese Weise möglich, in den multilateralen Entspannungsprozeß für Europa, an dem sich im übrigen, von einer nicht beachtlichen Ausnahme abgesehen, die europäischen Staaten beteiligt haben, auch die spezifisch deutschen Interessen einzubringen. Es geht in Belgrad darum, eine Bilanz dessen vorzunehmen, war erreicht worden ist und was in Verwirklichung der Absichtserklärungen der Schlußakte noch erreicht werden muß. Wenn ich von Absichtserklärungen spreche, so will ich dabei, Herr Abgeordneter, zugleich darauf hinweisen, daß es sich bei der Schlußakte aus guten Gründen nicht um Verein- barungen handelt, wie das in den meisten Fragen erwähnt wurde. Darüber waren wir uns im Hohen Haus ganz besonders auch im Hinblick auf Vorstellungen der Bundesrepublik Deutschland einig. Wir sind überzeugt, daß die Konferenz von Belgrad die Möglichkeit geben wird, diese Bilanz sehr nüchtern und offen zu vollziehen. Wir wollen eine offene, deutliche und konstruktive Prüfung aller Bestimmungen der Schlußakte von Helsinki. Wir sind uns dabei, Herr Abgeordneter, der Tatsache bewußt, daß nur eine Fortsetzung des multilateralen Entspannungsprozesses die Chance bietet, auch dort, wo die Konferenzergebnisse von Helsinki nicht oder noch nicht verwirklicht sind, auf eine Verwirklichung hinzuwirken. Deshalb darf Belgrad auch nicht zu einem Schlußstein, zu einer Endstation dieses multilateralen Entspannungsprozesses werden. Was Ihre Frage im Konkreten angeht, so nützt die Bundesregierung alle Möglichkeiten, die die Schlußakte von Helsinki bietet, um die Absichtserklärungen dieser Schlußakte über die Zusammenarbeit im humanitären Bereich und in den anderen Bereichen zu verwirklichen. Sie hat sowohl selbst als auch im Verband der Europäischen Gemeinschaft und der Atlantischen Allianz kontinuierlich auf die Durchführung gerade der Teile der Schlußakte gedrängt, die für die einzelnen Menschen Verbesserungen in Aussicht nehmen. Ihre Frage, Herr Abgeordneter, geht von der Annahme aus, daß zur Durchführung der Schlußakte in jedem Fall bilaterale Vereinbarungen abzuschließen sind. Dazu ist zu bemerken: Zahlreiche Teile der Schlußakte, insbesondere auch die meisten Absichtserklärungen des sogenannten Korbes III, sind so gefaßt, daß ihre Verwirklichung durch eigene einseitige Maßnahmen der Teilnehmerstaaten, namentlich durch entsprechende Anpassung ihrer Gesetzgebung und Verwaltungspraxis erfolgt. Diese unmittelbare Wirkung der Schlußakte sollte durch die Forderung nach bilateralen Vereinbarungen nicht beeinträchtigt oder - um es noch deutlicher zu sagen - entwertet werden. Selbstverständlich wird die Erfüllung der Schlußakte - und nicht nur diejenige des Korbes III - regelmäßig zum Gegenstand unserer politischen Gespräche mit den KSZE-Teilnehmern Osteuropas und auch der DDR gemacht.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger ({0}).

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, da dem Hohen Haus, jedenfalls seinen Abgeordneten, zu vielen einzelnen Punkten des Korbes III nichts über Initiativen der Bundesregierung zu deren Verwirklichung bekanntgeworden ist, darf ich Sie fragen, ob die Bundesregierung ausschließen kann, daß sich z. B. die Regierung der DDR infolge dieses Ausbleibens von Initiativen seitens der Bundesregierung veranlaßt gesehen hat, bei der Verwirklichung dieses Korbes III der KSZE-Schlußakte keine nennenswerten Schritte zu unternehmen.

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, eine dahin gehende Feststellung, daß man Aktivitäten der Bundesregierung in bezug auf die Verwirklichung der Absichtserklärung der Schlußakte nicht habe bemerken können, kann eigentlich nur mit Unaufmerksamkeit erklärt werden. ({0}) Ich erinnere daran, daß allein im Jahre 1976 60 000 Menschen zum Teil deutscher Staatsangehörigkeit, zum Teil deutscher Volkszugehörigkeit die Möglichkeit erhalten haben, ihren dauernden Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland zu nehmen. Die Bundesregierung sieht in dieser Entwicklung ein positives Ergebnis der Konferenz von Helsinki und einen Aktivposten ihrer Politik der Verwirklichung der Menschenrechte in Europa.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine weitere Zusatzfrage.

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, hätte nicht eigentlich gerade der von Ihnen in der allgemeinen Vorbemerkung erwähnte Mangel an völkerrechtlicher Verbindlichkeit der KSZE-Sdilußakte, über dessen Nützlichkeit, wie Sie schon sagten, sicherlich Einvernehmen besteht, die Bundesregierung dazu veranlassen müssen, im Hinblick auf die Verwirklichung der insbesondere in Korb III Abschnitt 1 aufgeführten einzelnen Punkte unermüdlich Vorstöße bei der DDR-Regierung und den Regierungen der anderen kommunistisch beherrschten osteuropäischen Länder zu unternehmen?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, die Bundesregierung ist mit der gebotenen Beharrlichkeit genau diesem Ziel nachgegangen. Das positive Ergebnis ist ein Beweis dafür.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesaußenminister, Sie haben vorhin in der Antwort gesagt, man sollte durch bilaterale Verhandlungen und Abschlüsse nicht den multilateralen Charakter der Schlußakte von Helsinki entwerten. Wie beurteilen Sie dann aber die bilaterale Abmachung, die im Anschluß an Helsinki zwischen Deutschland und der Volksrepublik Polen getroffen worden ist?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, ich möchte zunächst zur Klarstellung sagen, daß ich nicht von bilateralen Verhandlungen und Vereinbarungen gesprochen habe, sondern von der Forderung nach bilateralen Vereinbarungen in den Fällen, in denen bereits die unmittelbare Wirkung der Schlußakte vorhanden ist. Ihnen ist, was die Vereinbarungen mit der Volksrepublik Polen angeht, gewiß bekannt, daß der Kreis derjenigen Personen, der auf Grund dieser Vereinbarungen die Genehmigung zur Ausreise schon erhalten hat oder noch erhalten wird, über den in der Schlußakte genannten Kreis hinausgeht.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich rufe die Frage 128 des Herrn Abgeordneten Jäger ({0}) auf: In welchen Fällen ist es trotz Gesprächen und Verhandlungen der Bundesregierung mit der DDR-Regierung und den Regierungen der anderen kommunistischen KSZE-Teilnehmerstaaten noch nicht zu klaren Abmachungen über die Durchführung der humanitären Vereinbarungen in der KSZE-Schlußakte gekommen?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, zur Durchführung der Schlußakte sind in einem Großteil der Fälle, wie ich schon erwähnt habe, keine besonderen Abmachungen zwischen den Teilnehmerstaaten erforderlich, da die Schlußakte in diesen Fällen die unmittelbare Verwirklichung durch nationale Maßnahmen vorsieht. Die Aufgabe, die sich für Belgrad stellt, ist deshalb nicht die Feststellung fehlender Abmachungen, sondern die Erörterung der von den Teilnehmerstaaten in Durchführung der Schlußakte getroffenen Maßnahmen. Was nun den Korb III angeht, so sind z. B. in den Bereichen der Familienzusammenführung, der Eheschließungen, der Verwandtenbesuche und der Reisen aus persönlichen oder beruflichen Gründen Fortschritte zu verzeichnen, wobei es bei den einzelnen Staaten des Warschauer Paktes Unterschiede gibt. Ich möchte insbesondere erneut darauf hinweisen - ich habe es soeben schon getan -, daß seit der Unterzeichnung der Schlußakte bis heute über 60 000 Deutsche und Deutschstämmige aus Osteuropa in die Bundesrepublik Deutschland gekommen sind. Soweit die Entwicklung uns nicht befriedigt, werden wir dies in Belgrad in der Form, die ich hier schon erwähnt habe, zur Geltung bringen, nämlich in Form einer offenen, deutlichen und konstruktiven Prüfung aller Bestimmungen der Schlußakte von Helsinki.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jäger.

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, um einen ganz konkreten Fall im Rahmen der von mir allgemein formulierten Frage aufzugreifen: Weshalb ist es der Bundesregierung bisher nicht gelungen - und welche Haltung der DDR liegt dem zugrunde -, die schon in den Verhandlungen über den Grundvertrag angesprochene und in Abschnitt 1 b des Korbes III der KSZE-Schlußakte ausdrücklich erwähnte Zusammenführung von Kindern, die ihren Eltern vorenthalten werden, mit ihren in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Eltern zu ermöglichen?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, zunächst einmal ist bekannt, daß auch auf diesem Gebiet Fortschritte erzielt worden sind. Ich möchte allerdings an dieser Stelle eine allgemeine Bemerkung machen, bei der ich auf Verständnis des ganzen Hauses rechne. Ich vertrete die Bundesregierung in ihrer Gesamtheit, ressortmäßig das Auswärtige Amt, und bin insofern für die Beantwortung der Fragen, die die KSZE angehen, zuständig. Eine konkrete Erörterung des deutsch-deutschen Verhältnisses sollte im Rahmen dieses Fragenzusammenhanges nicht erfolgen, schon um auch nicht optisch eine von allen Seiten des Hohen Hauses nicht gewünschte Zuständigkeit des Auswärtigen Amtes in Erscheinung treten zu lassen. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine weitere Zusatzfrage? - Dazu noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Czaja.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesaußenminister, trifft es zu, daß Sie nunmehr zweiseitig die Verwirklichung der Menschenrechte, auch der Ausreisefreiheit für Deutsche, auf Grund des durch Prinzip 7 bekräftigten, inzwischen viel stärker fundierten Völkervertragsrechts einfordern können, auch von allen Vertragspartnern, die den Weltpakt über bürgerliche und politische Rechte ratifiziert haben?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, ich glaube, daß die gesamte Politik der Bundesregierung, wenn wir jetzt einmal an unser Bemühen in humanitären Fragen denken, ganz allgemein darauf gerichtet ist, die Menschenrechte zu verwirklichen, und sei es auch nur Schritt für Schritt und für einen beschränkten Personenkreis. Wir werden dabei auch in' Zukunft dem Verfahren und den Methoden folgen, die uns ein Höchstmaß an positiver Wirkung für diejenigen Menschen garantieren, die wir bei unseren Bemühungen im Auge haben. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller ({0}).

Johannes Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001554, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesaußenminister, Sie haben jetzt wiederholt von 60 000 gesprochen, die herübergekommen seien. Wenn ich mich nicht irre, sind die im wesentlichen aus Polen oder aus dem polnisch verwalteten. Gebiet gekommen. Ist das nun Ausfluß der KSZE-Schlußakte oder der Vereinbarung über das Rentenabkommen?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, ich glaube, daß die sehr wichtigen Vereinbarungen, die mit der Volksrepublik Polen geschlossen worden sind, im Zusammenhang mit der Konferenz von Helsinki gesehen werden müssen. Im übrigen ist es nicht so, daß die erfreuliche Entwicklung der Ausreisezahlen sich nur auf Ausreisen aus der Volksrepublik Polen beschränkt. So haben wir z. B. im Jahre 1976 auch eine sehr erfreuliche Zunahme der Ausreisen aus der Sowjetunion zu verzeichnen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich rufe Frage 129 des Herrn Abgeordneten Schmöle auf: In welchen Fällen haben die Vereinbarungen der Nummer 1 Buchstabe a des dritten Teils der KSZE-Schlußakte dazu geführt, daß Personen, die das Rentenalter noch nicht erreicht haben, über bereits früher erzielte Vereinbarungen hinaus aus der DDR bzw. aus anderen kommunistisch beherrschten Teilnehmerländern in der Bundesrepublik Deutschland lebende Familienangehörige besuchen dürfen, und weshalb ist eine volle Anwendung dieser Vereinbarung noch nicht erreicht worden?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, die Möglichkeit von Besuchen aus der DDR bei Verwandten in der Bundesrepublik Deutschland in dringenden Familienangelegenheiten ist durch die Vereinbarung humanitärer Erleichterungen bereits im Zusammenhang mit dem Grundlagenvertrag und dem Verkehrsvertrag geregelt worden. Die KSZESchlußakte ergänzt diese im Verhältnis zur DDR in erster Linie maßgebenden Vereinbarungen auf einigen Gebieten. Verwandtenbesuche aus anderen kommunistischen Staaten Europas haben sich weiterentwickelt, wenn die Entwicklung auch noch nicht als befriedigend bezeichnet werden kann.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmöle.

Hans Werner Schmöle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002037, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, ich hatte danach gefragt, ob die Bundesregierung Unterlangen darüber vorliegen hat, wieviel Besucher bisher zurückgewiesen worden sind, und würde gerne wissen, ob darüber Erkenntnisse existieren.

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, soweit es sich um das Verhältnis zur DDR handelt, gilt die allgemeine Bemerkung, die ich schon auf eine Frage des Kollegen Jäger gemacht habe.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Schmöle, bitte.

Hans Werner Schmöle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002037, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, würden Sie mir dann zustimmen, wenn ich frage, ob die Beantwortung der Frage dann nicht organisatorisch von der Bundesregierung so geregelt werden könnte, daß hier der mitbeteiligte Minister Antwort gibt?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Nein, ich würde Ihnen nicht zustimmen, Herr Abgeordneter, denn die von Ihnen gestellte Frage ist in den Zusammenhang mit der KSZE gestellt worden, und insofern ist die Zuständigkeit absolut begründet.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mertes ({0}).

Dr. Alois Mertes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001482, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, Sie sprachen von Teilen der Entwicklung, die unbefriedigend seien. Können Sie dem Hohen Hause näher erklären, was Sie damit meinen?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Wir wünschten uns in Verwirklichung der Schlußdokumente von Helsinki eine extensivere Anwendung dieser Dokumente durch eine Veränderung der Praxis und, wo notwendig, der Gesetzgebung in den Ländern, die sich durch eigene Absichtserklärungen zur Verwirklichung verpflichtet haben.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Pawelczyk.

Alfons Pawelczyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001684, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, würden Sie mir zustimmen, daß Fragen, die nur das innerdeutsche Verhältnis berühren, möglichst nicht in den KSZE-Zusammenhang gestellt, sondern von deutscher zu deutscher Regierung und dort, wo es nötig ist, unter Einbeziehung der Vier Mächte geregelt werden sollten, also nicht vor dem Forum der 35 Staaten?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, zunächst einmal ist es so, daß wir eine Reihe von Vereinbarungen haben - ich habe solche in einer der Antworten erwähnt -, die spezifische Regelungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR darstellen. Ohne Zweifel bedeutet aber die Schlußakte von Helsinki eine positive Ergänzung der von uns gewünschten Politik. Das stellt einen wünschbaren Sachzusammenhang her. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zu einer letzten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Jäger ({0}).

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, da in der Frage des Kollegen Schmöle die DDR ausdrücklich erwähnt ist und wir uns als Abgeordnete das Mitglied der Bundesregierung, das unsere Fragen beantwortet, nicht aussuchen können, möchte ich Sie noch einmal ausdrücklich fragen, weshalb die Bundesregierung bisher eigentlich keinen Erfolg in ihren Bemühungen gehabt hat, zu erreichen, daß Familienangehörige, die die Ausreisegenehmigung zur Übersiedlung noch nicht erhalten haben, in der Zwischenzeit, wie es unter Nummer 1 Buchstabe a ausdrücklich vorgesehen ist, ihre im Westen lebenden Verwandten besuchen dürfen.

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Zunächst einmal, Herr Abgeordneter, muß ich die in Ihrer Frage enthaltene Unterstellung, die Bundesregierung habe in dieser Beziehung keinen Erfolg gehabt, zurückweisen. Daß darüber hinaus eine große Anzahl von Fällen vorhanden sind, die noch auf Regelung warten, ist unbestritten. Sie zu regeln ist das ständige Bemühen der Bundesregierung. Ich denke, ich darf dabei die Unterstützung aller Fraktionen des Hauses erwarten. Jeder muß erkennen, daß nicht erwartet werden konnte - auch nicht durch die Konferenz von Helsinki -, daß innerhalb weniger Monate oder auch zweier Jahre eine totale Veränderung der Staatspraxis der kommunistischen Staaten stattfinden würde. Deshalb unser Ziel, den multilateralen Entspannungsprozeß beharrlich fortzusetzen, um die von uns und von Ihnen gewünschten Verbesserungen Schritt für Schritt durchzusetzen. Wie in allen anderen Bereichen kann auch hier, Herr Abgeordneter, eine Politik des Alles oder Nichts im Interesse der Menschen nichts bewirken. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich rufe die Frage 130 des Abgeordneten Schmöle auf: Welches sind die Gründe, aus denen insbesondere die DDR bisher die aus Nummer 1 Buchstabe b des dritten Teils der KSZE-Schlußakte sich ergebende Verpflichtung nicht erfüllt, Familienzusammenführungsanträge „in positivem und humanitärem Geist unter besonderer Berücksichtigung von Gesuchen dringenden Charakters" zu behandeln, und wird die Bundesregierung dieses Verhalten der DDR bei der Belgrader Folgekonferenz zur Sprache bringen?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Die Schlußakte enthält in der Tat eine entsprechende Absichtserklärung. Die Familienzusammenführung in bezug auf die DDR hat in den letzten Jahren einen Stand von etwa 10 000 gelösten Fällen pro Jahr erreicht. Dennoch ist dieses Ergebnis nicht als voll befriedigend anzusehen. Die Bundesregierung wird im Zuge des Belgrader Folgetreffens entsprechend dem Auftrag der Schlußakte selbstverständlich auch diese Frage zur Sprache bringen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Schmöle.

Hans Werner Schmöle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002037, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, wird die Bundesregierung auf der Belgrader Konferenz in geeigneter Form insbesondere auf die Probleme der Zusammenführung von Kindern, die in der DDR festgehalten werden, mit ihren Eltern hinweisen und uns in geeigneter Form darüber informieren, was da unternommen wurde?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Ja.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich rufe die Frage 131 des Abgeordneten Böhm ({0}) auf: Weshalb ist die Vereinbarung in Nummer 1 Buchstabe d des dritten Teils der KSZE-Schlußakte von der DDR und den anderen kommunistischen Teilnehmerstaaten der KSZE bisher nicht erfüllt worden, wonach Möglichkeiten für „umfassende Reisen ihrer Bürger aus persönlichen und beruflichen Gründen" entwickelt werden sollen, und welche Schritte wird die Bundesregierung bei der KSZE-Folgekonferenz in Belgrad unternehmen, um diese Staaten zur Erfüllung der Vereinbarungen anzuhalten?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, man kann nicht pauschal sagen, daß keines der osteuropäischen Länder seit der KSZE-Schlußakte die Möglichkeiten für Reisen ihrer Bürger ins westliche Ausland weiterentwickelt habe. Für Ungarn trifft das z. B. nicht zu. Auch die Ausreisepraxis Polens hat sich weiter liberalisiert. In geringerem Maße gilt das auch für die CSSR. Keine nennenswerten Fortschritte hat es in der Tat im Fall der Sowjetunion gegeben, wenn man einmal von einer Verminderung der Gebühr für die Erteilung von Pässen absieht. Auch die DDR hat ihre administrativen Regelungen nicht verbessert. Von der Verbesserung der administrativen Regelungen, wie sie soeben beschrieben wurden, ist die tatsächliche Zahl der Reisenden von Ost nach West zu unterscheiden. Sie ist in der Tat seit dem 1. August 1975 in ständigem Ansteigen. Unsere Visa-Statistiken weisen das aus. Es entspricht dem verantwortungsvollen Herangehen der Bundesregierung an der Belgrader Konferenz, daß sie sowohl die Notwendigkeit weiterer Verbesserungen der administrativen Regelungen zur Sprache bringen wie auch andererseits das Ansteigen der Zahl der tatsächlichen Einreisen in westliche Länder positiv vermerken wird.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, bitte, Herr Abgeordneter Böhm.

Wilfried Böhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000218, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, ich möchte Ihre Aufmerksamkeit noch auf den zweiten Teil meiner Frage lenken, nämlich darauf, ob die Bundesregierung bei der KSZE-Folgekonferenz Schritte unternehmen wird, um diese Staaten zur Erfüllung der Vereinbarungen anzuhalten.

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, wenn ich davon gesprochen habe, daß in Belgrad über das, was erreicht wurde, und über das, was noch zu erreichen ist, Bilanz zu machen ist, dann können Sie das unter den Begriff „Schritte" bringen. Ich vermute, daß Sie weitergehende Aktionen dabei nicht im Auge haben. Ich wiederhole, mit welcher Grundposition wir herangehen: Wir wollen eine offene, deutliche und konstruktive Prüfung aller Bestimmungen der Schlußakte von Helsinki.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Die zweite Zusatzfrage, bitte, Herr Abgeordneter.

Wilfried Böhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000218, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, können Sie hier Angaben machen, in welcher konkreten Art und Weise Sie diese Fragen in Belgrad zur Sprache bringen wollen?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

In den Aussprachen, sowohl in den öffentlichen Sitzungen als auch in den nichtöffentlichen Sitzungen, Herr Abgeordneter. Ich darf bei dieser Gelegenheit bemerken, daß sich die Bundesregierung hinsichtlich ihres beabsichtigten Vorgehens in Belgrad in voller Übereinstimmung mit ihren Partnern in der Europäischen Gemeinschaft und auch mit ihren außereuropäischen Partnern, nämlich den Vereinigten Staaten und Kanada, befindet. Daß die Gesprächsstrategie der Bundesregierung für Belgrad nicht in einer öffentlichen Sitzung des Deutschen Bundestages darzulegen ist, wird jedermann verstehen. Aber wir haben gestern eine, wie ich glaube, sehr ausführliche und sehr gründliche Beratung gerade dieser Fragen im Auswärtigen Ausschuß des Deutschen Bundestages gehabt.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesaußenminister, welche Tatsachen liegen Ihrer Behauptung zugrunde, die Ausreisepraxis aus der Volksrepublik Polen habe sich liberalisiert? Sie wissen doch sicher genausogut wie wir alle, daß nach wie vor bei Besuchsreisen immer eine Ehehälfte als Faustpfand zurückbehalten wird?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Es versteht sich aus unserem Staatsverständnis, daß jegliche Beschränkungen von Ausreisen aus einem Land nicht akzeptabel sind und nicht mit unseren Vorstellungen übereinstimmen. Wenn wir auf der anderen Seite zunächst einen Zustand vorfanden, wo Ausreisen gar nicht möglich waren, und dann wenigstens Einzelpersonen Besuchserlaubnisse bekommen, so sehen wir darin einen Fortschritt, wenn auch nicht das Erreichen des gewünschten, Zieles. Auch hier gilt das, was ich vorhin gesagt habe, Herr Abgeordneter. Man wird sich immer wieder zwischen einer Politik des heute Möglichen und des Alles oder Nichts entscheiden müssen. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jäger ({0}).

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, muß es die Bundesregierung angesichts der Äußerungen, die der Bundeskanzler seinerzeit in Helsinki gemacht und in denen er die Glaubwürdigkeit der Regierungschefs, die diese Unterschrift geleistet haben, im engen Zusammenhang mit den tatsächlichen Erfolgen, die auf Grund dieser Beschlüsse eintreten, gebracht hat, nicht als ein außergewöhnlich mageres Ergebnis ansehen, wenn Sie hier im Deutschen Bundestag sagen müssen, daß im Verhältnis zur Sowjetunion und zur DDR beinahe zwei Jahre nach diesen Unterschriften noch keine Liberalisierung der Ausreisepraxis aus beruflichen oder persönlichen Gründen entsprechend Nummer 1 Buchstabe d eingetreten ist?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Sollte es Ihnen entgangen sein, Herr Abgeordneter, daß ich bei der Beantwortung anderer Fragen z. B.' auf die positive Entwicklung der Ausreisen zum ständigen Aufenthalt und zur Wohnsitznahme in der Bundesrepublik Deutschland hingewiesen habe? Ich denke, daß das ein positives Ergebnis ist und daß weder Sie noch wir der Meinung waren, daß innerhalb von zwei Jahren alles Wünschbare erreicht wird. Die Fortschritte rechtfertigen trotzdem unsere Zustimmung zur Schlußakte von Helsinki. Sie werden verstehen, daß die Bundesregierung mit Befriedigung feststellt, daß sich heute auch die Opposition des Deutschen Bundestags auf die Verwirklichung der Schlußakte beruft. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Die letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Straßmeir.

Günter Straßmeir (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002268, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, habe ich Ihre Bemerkung zu der Frage des Herrn Kollegen Schmöle richtig verstanden, daß die Bundesregierung bestätigen kann, daß das Verfahren innerhalb der Europäischen Gemeinschaft zwischen den Vereinigten Staaten einerseits und der Bundesrepublik Deutschland andererseits, das in vertraulichen Kommissionssitzungen und in Plenarsitzungen zu behandeln ist, inzwischen übereinstimmend abgeschlossen wurde?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, ich habe gesagt, daß innerhalb der Europäischen Gemeinschaft Übereinstimmung darüber erzielt worden ist, wie wir die Gespräche führen wollen. Wie die Konferenz im einzelnen ablaufen wird, kann heute noch niemand sagen, weil bekanntlich nicht nur die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft, die Vereinigten Staaten und Kanada an dieser Konferenz teilnehmen. Wir haben aber erfreulicherweise in den wesentlichen Fragen und in den Zielsetzungen für Belgrad jenes Maß an Übereinstimmung herbeigeführt, das wir auch vor Helsinki hatten und das nicht zuletzt der Grund dafür sein dürfte, daß es der Bundesregierung gelungen ist, in einem so ) weitgehenden Maße die Berücksichtigung gerade spezifisch deutscher Interessen in der Schlußakte durchzusetzen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Die Fragen 132 und 133 müssen schriftlich beantwortet werden, da der Fragesteller nicht im Saal ist. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe die Frage 134 des Herrn Abgeordneten Lagershausen auf: Weshalb ist es zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR sowie anderen kommunistisch beherrschten KSZE-Teilnehmerstaaten noch nicht zu bilateralen oder multilateralen Vereinbarungen gekommen, mit denen gemäß Nummer 1 Buchstabe f des dritten Teils der KSZE-Schlußakte „auf kurz- oder langfristiger Grundlage die Vermehrung des Austausches und der Kontakte unter der Jugend, die in der Arbeit, in der Ausbildung oder im Studium steht" herbeigeführt werden soll, und wird die Bundesregierung dieses Unterlassen der kommunistischen Teilnehmerstaaten auf der KSZE-Folgekonferenz in Belgrad zur Sprache bringen?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Die. Möglichkeit von bilateralen und multilateralen Vereinbarungen auf kurz- oder langfristiger Grundlage über die Vermehrung des Austausches und der Kontakte unter der Jugend, die in der Arbeit, in der Ausbildung oder im Studium steht, bietet sich über die Kulturabkommen mit den osteuropäischen Staaten. Nach der Unterzeichnung der KSZE-Schlußakte wurden Kulturabkommen mit Bulgarien, Polen und Ungarn geschlossen. Bereits vorher sind die Kulturabkommen mit der UdSSR, Rumänien und Jugoslawien in Kraft getreten. Auf der Grundlage der Kulturabkommen, die alle einen Artikel über den Jugendaustausch enthalten, haben sich die bereits bestehenden Kontakte zwischen den osteuropäischen Jugendverbänden und den deutschen Jugendverbänden weiterentwickelt. Auf dem gesamteuropäischen Jugend-und Studententreffen in Warschau im Juni 1976, án dem eine Delegation der deutschen Jugendverbände teilnahm, wurden erste Bemühungen erkennbar, zu einer gesamteuropäischen multilateralen Jugendstruktur zu kommen. Die Bundesregierung verfolgt mit Interesse diese Bestrebungen. Sie wird im Zuge des Belgrader Folgetreffens entsprechend dem Auftrag der Schlußakte, über die Durchführung von deren Bestimmungen einen vertieften Meinungsaustausch zu führen, selbstverständlich auch diese Frage zur Sprache bringen, soweit die bisherige Implementierung als ungenügend anzusehen ist.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? - Bitte schön.

Karl Hans Lagershausen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001268, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, hat die Bundesregierung bei Abschluß der Vereinbarungen höhere Erwartungen in den hier angesprochenen Punkt gesetzt?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hat die Möglichkeit der Verwirklichung der KSZE-Beschlüsse immer realistisch gesehen. Sie fühlt sich deshalb in ihren Erwartungen bestätigt. ({0}) - Herr Abgeordneter, ich weiß nicht, ob Sie oder ob andere Kollegen in diesem Hohen Hause soeben einem Unbehagen Ausdruck verliehen haben. Ich darf an das erinnern, was ich in einer der beiden großen Debatten über die Konferenz von Helsinki in diesem Hohen Hause gesagt habe, nämlich daß Helsinki eine Chance bietet - nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ich bin zutiefst überzeugt: Die Bundesregierung hätte ihre Pflichten verletzt, wenn sie diese Chance nicht genutzt hätte. ({1})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmöle.

Hans Werner Schmöle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002037, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, wird die Bundesregierung darauf drängen, daß in die Abkommen nicht nur Möglichkeiten des Kontaktes zwischen organisierten Jugendlichen auf der Seite der Ostblockstaaten, sondern zwischen allen Jugendlichen unserer und der anderen Seite einbezogen werden?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Ich glaube, niemand in diesem Hohen Hause wird das nicht als wünschenswert bezeichnen. Sie können sicher sein, daß die Bundesregierung alles vertritt, was wünschenswert ist.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lagershausen.

Karl Hans Lagershausen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001268, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, ist die Bundesregierung vor Unterzeichnung der Vereinbarungen in Helsinki davon ausgegangen, daß sie noch Jahre danach vor dem eigenen Parlament und damit ja auch vor der Öffentlichkeit dafür um Verständnis würde bitten müssen, daß eben doch nicht alles so gelaufen ist, wie es damals hier von seiten der Regierung und der Regierungsmehrheit in Aussicht gestellt wurde?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, ich glaube, Sie würden in Verlegenheit kommen, wenn ich Sie bäte, auch nur ein einziges Zitat der Bundesregierung aus den Beratungen des Hohen Hauses zu nennen, daß Voraussagen gemacht wurden, die nicht verwirklicht worden sind.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger ({0}).

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, in Anbetracht der Tatsache, daß es in dem Beschluß von Helsinki, wie Ihnen sicher ebensogut wie mir bekannt ist, ausdrücklich heißt, daß die Unterzeichnerstaaten entschlossen seien, nunmehr zur Verwirklichung des Vereinbarten zu schreiten, darf ich Sie fragen: Sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß es bei einigen dieser Staaten - ich meine hier vor allem die DDR - als ein Verstoß gegen Geist und Buchstaben der Vereinbarungen bezeichnet werden muß, wenn die Vereinbarungen über einen verstärkten Jugendaustausch, wie sie in Nummer 1 Buchstabe f stehen, bisher nicht in nennenswertem Umfang verwirklicht worden sind?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, ich darf noch einmal sagen, daß es das Anliegen der Bundesregierung ist, mit allen ihren Möglichkeiten darauf hinzuwirken, daß die in den Schlußdokumenten gegebenen Zusagen eingehalten werden, Ich denke, daß die Bundesregierung damit in der besten Weise die Interessen unseres Volkes wahrnimmt.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mertes ({0}).

Dr. Alois Mertes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001482, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, können Sie dem Hohen Hause bestätigen, daß in den Ausschuß- und Plenarberatungen vor Unterzeichnung der KSZE-Schlußakte die Opposition die westliche Interpretation der KSZE-Schlußakte immer geteilt hat, daß sich ihre Sorgen auf eine gegenteilige Interpretation der anderen Seite richteten, und empfinden Sie es als nützlich, daß heute die Opposition auf eine extensivere Anwendung - um Ihre eigenen Worte zu gebrauchen - der KSZESchlußakte beharrlich drängt?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr -Abgeordneter, ich gehe davon aus, daß sich alle Seiten dieses Hohen Hauses darin einig sind, daß die Schlußakte erfüllt werden muß. Deshalb begrüße ich auch entsprechende Anstrengungen der Opposition. Ich kann sie dort nicht begrüßen, wo das Bemühen um Verwirklichung der Schlußakte zum Gegenstand einer Kritik an der eigenen Regierung gemacht wird, als hätte sie es in der Hand, das in anderen Ländern in eigener Machtvollkommenheit durchzusetzen. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Voigt ({0}).

Karsten D. Voigt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002388, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, können Sie bestätigen, daß es bei der Herausbildung von Vorschlägen über eine europäische Jugendstruktur nicht nur Auffassungsunterschiede oder verschiedene Vorschläge zwischen Ost und West gibt, sondern auch verschiedene Auffassungsunterschiede innerhalb der westeuropäischen Staaten und Regierungen? Sind Sie selber bereit, den Vorschlag, der vom deutschen Nationalkomitee für eine europäische Jugendstruktur gemacht wurde, zu unterstützen?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, ich muß leider bestätigen, daß es solche Meinungsunterschiede gibt. Ich werde mich deshalb im Rahmen meiner Möglichkeiten bemühen, diese Meinungsunterschiede zu überwinden.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesaußenminister, worauf führen Sie es zurück, daß eine der Unterzeichnermächte, nämlich die Volksrepublik Polen, besondere Bedingungen an die Möglichkeit eines Jugendaustauschs zwischen der Volksrepublik Polen und der Bundesrepublik Deutschland geknüpft hat?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Was meinen Sie damit, Herr Abgeordneter, wenn ich zurückfragen darf?

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die Volksrepublik Polen legt Wert darauf, daß hier erst die deutsch-polnischen Schulbuchempfehlungen Schulbuchtexte werden sollen, bevor es möglich sein soll, auch den Jugendaustausch voranzubringen.

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Ich kann das in dieser Allgemeinheit nicht bestätigen. Aber Sie wissen, daß immer bei der Regelung auch von Beziehungen und bei der Durchsetzung von Vorstellungen der einen oder anderen Regierung der Gesamtzusammenhang gesehen wird. Wir tun das gelegentlich auch.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Pawelczyk.

Alfons Pawelczyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001684, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, können Sie mir bestätigen, daß die Opposition in einem Entschließungsantrag in diesem Hause die Regierung aufgefordert hat, die KSZE-Schlußakte abzulehnen, und sind Sie mit mir der Auffassung, daß die Fortschritte, die in den zwei Jahren eingetreten sind, der Bundesrepublik nicht zuteil geworden wären, wenn sie dadurch in eine isolierte Position geraten wäre?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, ich kann diese beiden Punkte aus voller Überzeugung bestätigen. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Meine Damen und Herren, ich darf darauf hinweisen, daß es soeben zusätzlich sieben Wortmeldungen gab. Wir haben noch viele Punkte desselben Themas. Wenn wir einigermaßen über die Runden kommen wollen, müssen wir uns mit den Zusatzfragen etwas einschränken. Ich rufe die Frage 135 des Herrn Abgeordneten Lagershausen auf: Inwieweit ist es auf Grund der Vereinbarungen in Nummer 1 Buchstabe g des dritten Teils der KSZE-Schlußakte gegenüber bereits vorher bestehenden Abmachungen zu einer Erweiterung des Sportverkehrs mit den kommunistischen KSZE-Teilnehmerstaaten, insbesondere mit der DDR, gekommen, und wo liegt nach Auffassung der Bundesregierung die Verantwortung für die bislang unbefriedigende Entwicklung auf diesem Gebiet?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, die Möglichkeit von bilateralen und multilateralen Vereinbarungen im Hinblick auf eine Erweiterung des Sportverkehrs mit den kommunistischen KSZE-Teilnehmerstaaten bietet sich insbesondere über die Kulturabkommen mit den osteuropäischen Staaten, die nach der Unterzeichnung der KSZE-Schlußakte geschlossen worden sind, nämlich mit Bulgarien, Polen und Ungarn. Die Kulturabkommen sind die Grundlage für bereits bestehende sportliche Kontakte zwischen den Verbänden und Vereinen der Bundesrepublik Deutschland und diesen osteuropäischen Ländern. Sie enthalten alle eine Rahmenregelung für den Sportaustausch. Darüber hinaus bestehen noch Vereinbarungen, die der Deutsche Sportbund mit Rumänien und Jugoslawien geschlossen hat. Außerdem gibt es ein Protokoll zwischen dem DSB und dem DTSB der DDR vom 18. Mai 1974. Ferner ist in diesem Jahr das Protokoll des Deutschen Sportbundes mit dem Zentralkomitee für Leibeserziehung und Sport der UdSSR unterzeichnet worden. Auf Grund der Protokolle des DSB mit seinen Partnern in der DDR und in Osteuropa werden Jahrespläne für die Sportbegegnungen vereinbart. Der Einfluß der KSZE-Schlußakte auf das Volumen der Sportbegegnungen ist relativ gering, weil die Absprachen des DSB mit seinen Gesprächspartnern, den Sportorganisationen der osteuropäischen Länder und der DDR, bis auf diejenige mit der Sowjetunion bereits vor Unterzeichnung der Schlußakte erfolgten. Die Bundesregierung wird sich auch im Rahmen des Folgetreffens in Belgrad um eine weitere Intensivierung des Sportaustauschs bemühen, soweit ihr dies mit Rücksicht auf die Strukturen in der Bundesrepublik Deutschland möglich ist.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.

Karl Hans Lagershausen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001268, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, können Sie sagen, um wieviel Prozent die Möglichkeiten für sportliche Begegnungen mit der DDR nach Abschluß der Vereinbarungen von Helsinki zugenommen haben?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Ich will Ihnen das gern schriftlich mitteilen, Herr Abgeordneter. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine weitere Zusatzfrage. Die Fragen 136 und 137 des Abgeordneten Kunz ({0}) werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt. Ich rufe Frage 138 der Abgeordneten Frau Pieser auf: Inwieweit ist es seit den Beschüssen von Helsinki auch mit kommunistisch beherrschten KSZE-Teilnehmerstaaten zu einer praktischen Verwirklichung der Vereinbarungen in Nummer 1 Buchstabe h des dritten Teils der KSZE-Schlußakte gekommen, wonach weite Kontakte zwischen staatlichen Institutionen und nichtstaatlichen Organisationen bzw. Vereinigungen durch Reisen von Delegationen, Gruppen und Einzelpersonen erleichtert werden sollen, und welche konkreten Schritte für Gespräche und Verhandlungen vor allem mit der DDR-Regierung hat die Bundesregierung zur Verwirklichung dieser Vereinbarung unternommen?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Kontakte zwischen nichtstaatlichen Organisationen sind entsprechend der freiheitlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland kein Gegenstand staatlicher Vereinbarungen und damit auch nicht von Schritten der Bundesregierung im Hinblick auf Gespräche und Verhandlungen. Es ist auch nicht möglich, über die tatsächlich bestehenden zahlreichen Kontakte dieser Art verbindlich und umfassend Auskunft zu geben, da die Bundesregierung diese Organisationen nicht kontrolliert. Allerdings fördert sie solche Kontakte in dem ihr vorgegebenen Rahmen z. B. durch den Abschluß von Abkommen und die Förderung der Implementierung solcher Abkommen, z. B. also der Kulturabkommen, mit den ihr dafür zur Verfügung stehenden Mitteln. Die Verhandlungen und Gespräche der Bundesregierung zur Vermehrung der Kontakte staatlicher Institutionen waren auf den von der Schlußakte angesprochenen Feldern - wie Wirtschaft, Kultur, wissenschaftlicher Austausch - im bilateralen wie auch im multilateralen Rahmen zahlreich und erfolgreich. Die Bundesregierung wird im Zusammenhang mit dem in Belgrad entsprechend der Schlußakte zu führenden vertieften Meinungsaustausch in enger Abstimmung mit ihren europäischen und nordamerikanischen Partnern im einzelnen hierzu Stellung nehmen, wobei sie sowohl die positiven Entwicklungen als auch die Mängel offen ansprechen wird.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage? - Bitte, Herr Abgeordneter Jäger.

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, worauf führen Sie es zurück, daß die unter diesem Punkt vorgesehene Möglichkeit der Bestellung von Gemeindepartnerschaften vor allem mit der DDR bis heute nicht zustandegekommen ist, obwohl man uns damals bei den Ausschußberatungen über die KSZE Hoffnungen gemacht hatte, daß gerade dies realisiert werden könne?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, diese Hoffnungen bestehen fort. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich rufe die Frage 139 der Abgeordneten Frau Pieser auf: In welchem Umfang sind die kommunistischen KSZE-Teilnehmerstaaten seit Helsinki ihrer in Nummer 2 Buchstabe a, ii niedergelegten Verpflichtung nachgekommen, „auf ihrem Territorium die Verbesserung der Verbreitung von periodisch und nichtperio disch erscheinenden Zeitungen . aus den anderen Teilnehmerstaaten zu erleichtern", und wird die Bundesregierung die nodi mangelhafte Erfüllung der KSZE-Schlußakte auf diesem Gebiet bei der Folgekonferenz in Belgrad zur Sprache bringen?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Es hat gewisse Verbesserungen in der Verbreitung von westlichen Zeitungen in osteuropäischen Staaten gegeben. Sie beschränken sich freilich in der Regel auf wenige Plätze in den Hauptstädten, in einigen Fällen auch auf Ausländerhotels und Devisenläden. Positiv ist die Entwicklung im Bereich von Fachzeitschriften in osteuropäischen Ländern zu beurteilen. Einzelne Verlage verkaufen bis zu 30 000 Exemplare in bestimmten Ländern. Die Bundesregierung wird zusammen mit ihren Partnern in der Europäischen Gemeinschaft und in der NATO während des KSZE-Folgetreffens von I Belgrad auf weitere Fortschritte auf diesem Gebiet drängen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete.

Liselotte Pieser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001717, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, wäre es - das muß nicht heute sein - möglich, auf Grund der von Ihnen gemachten Mitteilung, daß es an einigen Plätzen möglich gewesen ist, solches Schriftgut zu verbreiten, mitzuteilen - oder Einsicht in die entsprechenden Unterlagen zu gestatten -, welche Titel an welchen Orten und in welchem Umfang von der dortigen Bevölkerung erworben werden können?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Ich will dem Wunsch gern nachkommen, Frau Abgeordnete. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger ({0}).

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, teilen Sie, da es zur Verwirklichung dieser Vereinbarungen mit den kommunistisch beherrschten Staaten ja nur sehr geringfügiger technischer Vorkehrungen seitens dieser Länder bedurft hätte, nicht meine Auffassung, daß hier ein erheblicher Mangel an gutem Willen zur Durchführung des in Helsinki Vereinbarten deutlich wird?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, ich darf wiederholen, daß sich sicher jeder darüber im klaren war, daß nicht eine sofortige, sondern nur eine schrittweise Verwirklichung der Konferenzbeschlüsse von Helsinki erwartet werden konnte. Sie sind sicher wie ich der Meinung, daß gerade diese Fragen und die Erfüllung der Konferenzbeschlüsse in einem Widerspruch zu der inneren Ordnung und dem Staatsverständnis der betroffenen kommunistischen Staaten stehen. Dort hat das in Wirklichkeit seine Ursache. Deshalb ist es notwendig, daß wir beharrlich auf Verwirklichung drängen, ohne daß irgend jemand in diesem Hause die Illusion haben könnte, daß die deutsche Außenpolitik die Möglichkeit hatte, sozusagen von ferne aus kommunistischen Staaten freiheitliche Demokratien zu machen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Die Fragen 140 und 141 werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Die Frage 142 des Herrn Abgeordneten Dr. Kunz ({0}) - ich sehe ihn nicht im Saal - wird ebenfalls schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ich rufe die Frage 143 des Herrn Abgeordneten Hansen auf: Wann wird die Bundesregierung endlich mit den USA die Übernahme des Document Center in deutsche Hände vereinbaren, nachdem diese Regelung seit über sieben Jahren ({1}) angekündigt wird, zuletzt von Staatssekretär Moersch am 6. Juni 1976 ({2})?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Nach der von Ihnen zitierten Erklärung, Herr Abgeordneter, die Herr Staatsminister Moersch am 6. Juni 1976 im Deutschen Bundestag abgegeben hat, sind vom Auswärtigen Amt weitere Gespräche in dieser Sache mit der amerikanischen Seite geführt worden. Eine befriedigende Lösung aller mit der Übernahme verbundenen Probleme konnte noch nicht gefunden werden. Es bleibt jedoch weiter das Ziel der Bundesregierung, das Document Center nach Lösung aller damit verbundenen Fragen in deutsche Hände zu übernehmen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hansen.

Karl Heinz Hansen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000805, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, sind Sie nicht auch meiner Auffassung, daß sich die ständigen, Jahr für Jahr wiederholten Erklärungen, eine Lösung stehe kurz bevor, nachgerade zu einer Groteske ausweiten?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, es ist völlig unvollstellbar, daß ich Antworten gebe, die auch nur in die Nähe einer Groteske kommen könnten. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hansen.

Karl Heinz Hansen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000805, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, können Sie denn verstehen, daß die Art und Weise, wie die Bundesregierung diese Frage behandelt, obwohl die Amerikaner ständig erklären, daß sie zur Übergabe bereit seien, den Verdacht bei bestimmten Bevölkerungskreisen der Bundesrepublik verstärkt oder ihm zumindest Nahrung gibt, der darauf hinausläuft, daß man bestrebt sei, NS-Belasteten hier eine Deckung zu geben? Genscher; Bundesminister: Herr Abgeordneter, verstehen kann ich das; aber gleichwohl ist es unbegründet.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schulze ({0}).

Waldemar Schulze (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002110, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, kann man davon ausgehen, daß, wenn das Document Center in deutsche Hände übergeht, es dann auch in Berlin verbleiben wird?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Ja.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich rufe die Frage 144 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf: Ist die Bundesregierung bereit, den Deutschen Bundestag und die Offentlichkeit auf Grund ihrer Kenntnisse darüber zu informieren, daß ausreisewilligen Volksdeutschen in Rumänien seit Anfang April die Reisepässe abgenommen oder vorenthalten werden und daß viele Hunderte nunmehr arbeitslos sind oder ohne eine eigene Bleibe, da mit der Ausreise auf Grund einer amtlichen Verständigung fest gerechnet werden durfte, und warum hat sie bis heute geschwiegen?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, es ist der Bundesregierung bekannt, daß seit Anfang April bei einzelnen Paßämtern und ab Ostern in ganz Rumänien die Ausgabe von den für die Ausreise erforderlichen Staatenlosen-Pässen eingestellt worden ist. Es ist auch bekannt, daß in manchen Fällen ausreisewilligen Personen trotz bereits erfolgter Zusage die Pässe nicht ausgehändigt worden sind, daß in Einzelfällen bereits ausgehändigte Pässe wieder zurückgefordert worden sind. Es trifft zu, daß als Folge die in der Fragestellung erwähnten Härten eingetreten sind. Was nun Ihre Frage angeht, warum die Bundesregierung dazu bis heute geschwiegen habe, so lautet die Antwort: Die Bundesregierung redet nicht; sie handelt. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Da Sie, Herr Bundesaußenminister, sagten, die Bundesregierung rede nicht, sie handele, ist es ja wohl erlaubt zu fragen: In welcher Weise hat sie denn nun gehandelt?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, Ihre Frage erstaunt mich deshalb, weil ich mich gestern im Auswärtigen Ausschuß in Ihrer Anwesenheit erboten habe, jedem Abgeordneten die erwünschten Auskünfte zu erteilen, die im Interesse der Sache öffentlich nicht erteilt werden können. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Da sowohl die Kollegen hier als auch die deutsche Öffentlichkeit nicht bei der Ausschußsitzung dabei waren, sind Sie vielleicht bereit, Herr Bundesaußenminister, zu sagen, daß diese Frage gestern nicht Gegenstand der Beratungen im Auswärtigen Ausschuß war.

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, ich muß Sie leider korrigieren. Im Auswärtigen Ausschuß habe ich mich gestern ausdrücklich bereit erklärt, alle mit den Ausreisemöglichkeiten und den entsprechenden 'Bemühungen der Bundesregierung in Zusammenhang stehenden Fragen, soweit es sich um Rumänien handelt, jedem Mitglied - allerdings vertraulich - zu beantworten, wenn es gewünscht wird. Ich wiederhole: das geschieht im Interesse der Sache. Um übrigens kein falsches Bild entstehen zu lassen, darf ich in Ihre Erinnerung zurückrufen, daß sich in den ersten drei Monaten des Jahres 1977 die Ausreisen aus Rumänien in die Bundesrepublik Deutschland in einer erstaunlich erfreulichen Weise entwickelt haben.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hennig.

Dr. Ottfried Hennig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000871, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, würden Sie, wenn jemand behauptete, daß der Botschafter der Volksrepublik Rumänien auf höfliche und sachliche Briefe eines Abgeordneten in Angelegenheiten der Ausreise aus Rumänien etwa über ein halbes Jahr hinweg - also offensichtlich grundsätzlich - nicht geantwortet hat, einen solchen Vorwurf für theoretisch denkbar halten und für diplomati- , schen Gepflogenheiten entsprechend?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, da ich die Aufgabe habe, in der Pflege der diplomatischen Beziehungen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland wahrzunehmen, überlasse ich die Beurteilung Ihnen. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmöle. ({0})

Hans Werner Schmöle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002037, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, stimmt die Bundesregierung zu, daß die Zahl der aus Rumänien ausgereisten Deutschen seit 1974 ständig abgenommen hat, und zwar von 8 484 1974 auf 5 677 1975 und 3 766 1976, und wie beurteilt die Bundesregierung diese Tatsache?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, diese Zahlen sind bekannt. Um so erfreulicher ist es, daß ich feststellen kann, daß im Januar 1977 585, im Februar 1977 722, im März 1977 1 540 und im April 1977 1 456 Deutsche aus Rumänien in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind, d, h. in den ersten vier Monaten des Jahres 1977 mehr als im vergangenen Jahr. Das ist eine sehr positive Entwicklung, die wir begrüßen. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Nein, ich glaube, das wiederholt sich. Ich rufe die Frage 145 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die seit Anfang April praktizierte Verweigerung oder abverlangte Rückgabe von Reisepässen deutscher Volkszugehöriger in Rumänien, nachdem die Ausreise bereits genehmigt worden war, und welche Schritte gedenkt sie unter Berufung auf die Schlußakte von Helsinki und den Weltpakt für bürgerliche und politische Rechte zu tun?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Die Bundesregierung, Herr Abgeordneter, hat umgehend nach Bekanntwerden der Tatsachen mit der rumänischen Regierung Verbindung aufgenommen. Sie geht nunmehr davon aus, daß es sich um eine vorübergehende Maßnahme der rumänischen Regierung handelt. Sie hofft, daß die rumänischen Behörden sehr bald wieder, in dem gleichen Umfange wie in den ersten Monaten dieses Jahres, Ausreisegenehmigungen erteilen werden.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Würden Sie mir darin zustimmen, Herr Bundesaußenminister, daß dieses Verhalten der rumänischen Regierung in krassem Widerspruch zur Schlußakte von Helsinki steht, vor allem zu Korb III?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, ich würde es begrüßen, wenn sich die rumänische Regierung durch Erfüllung der von mir eben geäußerten Erwartung in Übereinstimmung mit dem Geist der Schlußakte von Helsinki bringen würde.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie haben gerade gesagt, Sie hofften, daß das nur vorübergehend sein werde. Das kann man im Sinne der Betroffenen auch nur hoffen. Haben Sie irgendwelche Anhaltspunkte, wann nun dieses Verhalten der rumänischen Regierung beendet sein wird, zumal jetzt im Vergleich zu den Monaten März oder Februar nur noch 5 % der Visa erteilt werden?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, ich habe gewiß nicht ohne Grund gesagt, daß die Bundesregierung nunmehr davon ausgeht, daß es sich um eine vorübergehende Maßnahme gehandelt hat.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, da die Einhaltung von Rechtsverpflichtungen im Bereich der Menschenrechte nicht in den Bereich der Geheimdiplomatie gehören kann, frage ich Sie, ob Sie als Vertreter der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland und damit eines Vertragsstaates des Weltpaktes für bürgerliche und politische Rechte bei dem anderen Vertragsstaat Rumänien die Einhaltung der Ausreisevorschriften, der Rechtsverpflichtungen im § 12 dieser Vereinbarung, einfordern werden.

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, falls Sie die auf öffentliche Effekte verzichtende Bemühung der Bundesregierung um Ausreisen mit dem Wort „Geheimdiplomatie" herabsetzen wollten, so müßte ich Ihnen widersprechen. ({0}) Der Bundesregierung geht es ausschließlich darum, sich in der ihr effektiv erscheinenden Weise um eine möglichst hohe Anzahl von Ausreisen zu bemühen. Ich denke, allein das Ergebnis sollte zählen. ({1})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger ({0}).

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, teilen Sie nicht meine Befürchtungen, daß die Bereitschaft bei den Mitunterzeichnerstaaten der Schlußakte von Helsinki nicht gerade wachsen wird, sich strikt an das dort Vereinbarte zu halten, wenn bei Verletzung dieser Vereinbarungen die Reaktion der Bundesregierung darin besteht, daß Sie hier vor dem Hohen Hause erklären, Sie hofften, daß dies nur eine vorübergehende Erscheinung sei?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Ich habe nicht von einer Hoffnung gesprochen, sondern ich habe gesagt, daß die Bundesregierung die Erwartung habe. Im übrigen darf ich noch einmal sagen - und ich würde mich freuen, wenn ich mich insoweit in Übereinstimmung mit dem ganzen Hohen Hause befinden könnte -, daß die Bundesregierung für eine offene, deutliche und konstruktive Prüfung aller Bestimmungen der Schlußakte von Helsinki eintreten wird.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich rufe die Frage 146 des Herrn Abgeordneten Dr. Wittmann ({0}) auf: Hat die Bundesregierung Meldungen darüber, daß den vor der rumänischen Botschaft im Hungerstreik befindlichen Personen gedroht wurde, daß es ihren Angehörigen in Rumänien noch schlechter gehen werde, wenn sie den Platz vor der Botschaft nicht verließen?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Der Bundesregierung, Herr Abgeordneter, ist nicht bekannt, ob den Demonstranten vor der rumänischen Botschaft mit nachteiligen Folgen für ihre Angehörigen in Rumänien gedroht worden ist.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.

Dr. Fritz Wittmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002540, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist der Bundesregierung bekannt, daß Angehörigen der Demonstranten - ich gehe davon aus, daß die Bundesregierung von diesen Demonstrationen weiß - tatsächlich Nachteile entstanden sind?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, mir ist das in diesem Augenblick persönlich nicht bekannt. Ich will aber der Frage, da sie sicher nicht ohne Grund gestellt ist, gern nachgehen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine Zusatzfrage? Ich rufe die Frage 147 des Herrn Abgeordneten Niegel auf: Wie garantiert die Bundesregierung die Sicherheit der in Südwestafrika lebenden Deutschen für den Fall, daß die Republik Südafrika der Forderung der Bundesregierung nachkommt, die südafrikanischen Truppen aus Südwestafrika abzuziehen?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Nach Auffassung der Bundesregierung, Herr Abgeordneter, kann die Sicherheit der in Namibia/Südwestafrika lebenden Deutschen am besten durch eine Politik gewahrt werden, die eine Zuspitzung der Konfliktlage in Namibia verhindert und das Land mit friedlichen Mitteln in eine gesicherte Unabhängigkeit überführt. Die Bundesregierung tritt deshalb gemeinsam mit ihren Partnern der Europäischen Gemeinschaft und mit den vier westlichen Mitgliedern des VN-Sicherheitsrates für eine Lösung der Namibia-Frage auf der Grundlage der Sicherheitsrats-Resolution 385 vom 30. Januar 1976 ein, um auf diese Weise die zukünftige internationale Anerkennung Namibias und seine politische Stabilität sicherzustellen. Das vom Westen verfolgte und auch in der Sicherheitsrats-Resolution zum Ausdruck kommende Konzept des friedlichen Wandels zielt darauf ab, das Entstehen eines Chaos bei der Überführung Namibias in die Unabhängigkeit zu verhindern.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Niegel.

Lorenz Niegel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001608, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, wieviel Deutschstämmige leben in Südwestafrika?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, dort leben ca. 6 500 deutsche Staatsangehörige, etwa 1 500 Doppelstaatler und etwa 10 000 Deutschstämmige.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine zweite Zusatzfrage? - Bitte, Herr Abgeordneter.

Lorenz Niegel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001608, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, kann man, wenn man annimmt, daß die Zielsetzungen der von Ihnen erwähnten Staaten zu dem gewünschten Erfolg führen, davon ausgehen, daß dann das Leben und die Sicherheit der Deutschstämmigen und auch der weißen Bevölkerung gewährleistet sind, und besteht nicht die Gefahr, daß es denen so geht wie den Weißen in Angola und Moçambique?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, die Bundesregierung wird sich mit den Mitteln, die ihr zur Verfügung stehen, darum bemühen, Leben und Sicherheit des von Ihnen angesprochenen Personenkreises zu gewährleisten. Aber ich darf noch einmal unterstreichen: Je früher es zu einer Lösung kommt, um so größer sind die Chancen für ein Zusammenleben der dort lebenden Menschen unabhängig von ihrer Hautfarbe. Die Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Zustandes jedenfalls beschwört eher die Gefahr eines Rassenkrieges herauf.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich rufe die Frage 148 des Herrn Abgeordneten Böhm ({0}) auf: Trifft es zu, daß die für die Opfer der Erdbebenkatastrophe in Rumänien aus der Bundesrepublik Deutschland zur Verfügung gestellten oder mit Spendenmitteln angeschafften Gegenstände in Rumänien von den von der Katastrophe betroffenen Personen käuflich erworben werden müssen?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Die Bundesregierung hat im Rahmen ihrer humanitären Hilfe für Rumänien aus Anlaß des Erdbebens vom 4. März 1977 medizinische Ausrüstungsgegenstände wie Notarztwagen und Operationseinheiten sowie auch Medikamente nach Bukarest gesandt. Diese Hilfsgüter waren ihrer Natur nach nicht für den Verbrauch durch oder den Verkauf an Einzelpersonen geeignet. Es liegen keine Erkenntnisse vor, daß die rumänische Regierung dennoch Hilfsgüter der Bundesregierung veräußert hätte. Rumänien erhielt von deutschen privaten Spendern und Organisationen umfangreiche Leistungen. Die Bundesregierung hat keine Kenntnis davon, daß die rumänische Regierung Hilfsgüter dieser Herkunft an von der Katastrophe betroffene Personen gegen Entgelt abgegeben hätte.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Böhm.

Wilfried Böhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000218, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, würden Sie, wenn Meldungen, die ich Ihnen gern weiterleiten werde, zutreffen, ein solches Verhalten der rumänischen Regierung der eigenen Bevölkerung gegenüber und den Spendern in der Bundesrepublik Deutschland gegenüber scharf mißbilligen?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, ich würde ganz sicher einen Anlaß sehen, in Bukarest vorstellig zu werden.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine weitere Zusatzfrage. - Ich rufe die Frage 149 des Herrn Abgeordneten Dr. Möller auf: Welche Erkenntnisse und Tatsachen haben den Staatsminister . Dr. von Dohnanyi zu der Annahme verleitet, in der Antwort auf die schriftliche Anfrage des SPD-Abgeordneten Hansen von wie es scheint - nicht unbegründet gegen die Colonia Dignidad erhobenen Vorwürfe" zu sprechen ({0}), nachdem doch der deutsche Botschafter in Chile das Gegenteil berichtet hatte?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, in ihrer vorläufigen Antwort hat die Bundesregierung den betreffenden Sachverhalt dahin charakterisiert, daß sie die Vorwürfe als - „wie es scheint - nicht unbegründet" bezeichnete. Es trifft übrigens nicht zu, daß der deutsche Botschafter in Chile das Gegenteil berichtet hätte. Er hat auf Grund eines siebenstündigen Aufenthalts am 15. November 1976 berichtet, daß er in der Siedlung keine Anzeichen für die Existenz eines geheimen Folterlagers habe feststellen können. Mit dieser Feststellung beschränkt er sich ausdrücklich auf seine eigenen Wahrnehmungen zum Zeitpunkt seines Besuchs. Es besteht mithin kein Widerspruch zwischen dem BeBundesminister Genscher richt der Botschaft und der Antwort der Bundesregierung auf die Frage des Herrn Abgeordneten Hansen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Möller.

Dr. Franz Möller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001522, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesaußenminister, stimmt es, daß außer durch die eigenen Erkenntnisse des Herrn Botschafters auch noch durch Luftaufnahmen nachgewiesen worden ist, daß diese Vorwürfe nicht zu Recht erhoben werden konnten?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, es gibt Luftaufnahmen, die den Vorwurf nicht erhärten.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hansen.

Karl Heinz Hansen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000805, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, da Sie die Berichte des Botschafters erwähnten, darf ich Sie fragen, ob die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit dem Botschafter auch Nachforschungen darüber anstellen wird, ob die Vorwürfe berechtigt sind, daß deutsche Staatsbürger gegen ihren Willen, unter Zwang aus der Bundesrepublik in die Colonia Dignidad gebracht worden sind?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, wenn ich richtig informiert bin, ist das eine Angelegenheit, mit der sogar Strafverfolgungsbehörden in der Bundesrepublik befaßt sind. Ich sage: wenn ich richtig unterrichtet bin; Irrtum nicht ausgeschlossen. Die Bundesregierung wird im übrigen auch hier selbstverständlich um Information bemüht sein.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich rufe die Frage 150 des Herrn Abgeordneten Dr. Möller auf: Hat das Auswärtige Amt nach den Veröffentlichungen in der Presse und vor der Antwort im Bundestag Vertreter der Colonia Dignidad zu den Vorwürfen gehört, wie es rechtsstaatlichen Grundsätzen entspricht?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Die deutsche Botschaft in Santiago steht in ständigem Kontakt mit Vertretern der Siedlung und hat dem Auswärtigen Amt ausführliche Stellungnahmen des Direktoriums zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen übermittelt.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Möller.

Dr. Franz Möller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001522, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesaußenminister, das Auswärtige Amt hat also von den sogenannten Zeugen nicht selbst Erkenntnisse erhoben?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, ich bitte, mir Gelegenheit zu geben, das genau nachzuprüfen. Ich kann nicht ausschließen, daß ein Botschaftsangehöriger z. B. mit jemandem gesprochen hat. Ich möchte nichts Unrichtiges sagen. Bitte erlauben Sie mir, daß ich Ihre Frage schriftlich beantworte oder in einer weiteren Fragestunde darauf eingehe. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich rufe die Frage 151 des Herrn Abgeordneten Dr. Hennig auf: Wie beurteilt die Bundesregierung politisch die Überlegungen in einzelnen Bundesländern Verkehrsschilder mit Aufschriften wie z. B. „Allenstein 1 100 km" als gegen den Warschauer Vertrag verstoßend zu beseitigen?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, die Bundesregierung ist für die Aufstellung und Beseitigung von Schildern der erwähnten Art nicht zuständig und, soweit ich feststellen konnte, über derartige Absichten nicht unterrichtet. Ganz sicher verstoßen derartige Hinweisschilder nicht gegen den Warschauer Vertrag vom 7. Dezember 1970. Allerdings muß die Frage erlaubt sein, ob es nicht geeignetere Formen gibt, die Erinnerung von Mitbürgern an ihre Heimat zu bewahren.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hennig.

Dr. Ottfried Hennig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000871, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, da diese Angelegenheit bereits im nordrhein-westfälischen Landtag eine Rolle spielt, der ja dafür zuständig ist, darf ich Sie zur Klarstellung fragen, ob sich die Bundesregierung für die Beibehaltung dieser Schilder einsetzen wird?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, das überlasse ich dem Ermessen der zuständigen Behörden. Aber ich bitte, nicht zu überhören, daß ich gesagt habe: Es muß die Frage erlaubt sein, ob es nicht andere, wirksamere und vielleicht überzeugendere Formen der Bewahrung der Erinnerung an die alte Heimat gibt. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Luster.

Rudolf Luster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001397, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, welche geeigneteren Vorschläge würden Sie machen?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Ich glaube, daß diese Erinnerung an die alte Heimat z. B. bei der Betrachtung unserer Geschichte, der Pflege unseres Kulturgutes und in vieler anderer Beziehung sehr wohl gestärkt und bewahrt werden kann.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Czaja.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesaußenminister, würden Sie im Zusammenhang mit dieser Frage auch die Pflicht aller Staatsorgane in Betracht ziehen, das Offensein der deutschen Frage im Sinne des Briefs zur deutschen Einheit, im Sinne des Grundgesetzes und des Völkerrechts nach innen wachzuerhalten und nach außen beharrlich zu ver1720 treten, und im übrigen berücksichtigen, daß nach den Aussagen des Bundesverfassungsgerichts die Gebiete jenseits von Oder und Neiße aus der Zugehörigkeit zu Deutschland nicht entlassen und nicht der Souveränität Polens und der Sowjetunion unterstellt sind?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, die Bundesregierung orientiert sich bei all ihrem Handeln an den Zielvorstellungen des Grundgesetzes und hält sich bei all ihren Handlungen im Rahmen des Grundgesetzes. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hupka.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesaußenminister, können Sie sich vorstellen, welche Gründe mit im Spiel gewesen sein können, wenn jemand in der Bundesrepublik Deutschland Anstoß daran nimmt, daß an einem Schild angegeben wird, wie weit die Entfernung nach Allenstein ist?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, ich bin in der Bundesregierung für die Pflege der auswärtigen Beziehungen und nicht für die Erforschung innerer Motive bestimmter Bürger der Bundesrepublik Deutschland zuständig. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller ({0}).

Johannes Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001554, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesaußenminister, Sie haben vorhin gesagt, daß es andere Möglichkeiten gibt, um das Heimatgefühl in Erinnerung zu behalten. Kann ich das so deuten, daß die Bundesregierung damit den Anspruch auf deutsche Städte aufgegeben hat?

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hat zu keiner Zeit einen Anspruch auf etwas aufgegeben, was noch vorhanden oder realisierbar wäre. Ich denke, Sie werden noch die genaue Erinnerung an die Debatten haben, die wir hier im Deutschen Bundestag geführt haben. Völlig davon zu trennen sind das Bewußtsein des ganzen Volkes, vor allen Dingen aber derjenigen, die aus den Ostgebieten stammen, welche kulturelle und zivilisatorische Leistung Deutsche in diesen Gebieten erbracht haben, und die innere Verbundenheit mit der alten Heimat, eine wichtige Wertvorstellung, die niemandem genommen, sondern bei allen gestärkt werden sollte.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Bundesminister, ich bedanke mich für die Beantwortung der Fragen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Höhmann steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung. Ich rufe die Frage 25 des Herrn Abgeordneten Dr. Wittmann "({0}) auf: Welches sind die 80 Punkte, über die - nach Auskunft des Regierungssprechers - die Bundesregierung mit der „DDR" verhandeln will?

Egon Höhmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000919

Herr Abgeordneter Dr. Wittmann, ich beziehe mich auf die Antwort zu der Frage des Herrn Kollegen Wohlrabe vom 21. April dieses Jahres, die einen ähnlichen Wortlaut gehabt hat, und wiederhole die Antwort. Eine öffentliche Erörterung von konkreten Einzelproblemen aus laufenden oder geplanten Verhandlungen mit anderen Staaten ist nicht üblich, der Sadie nicht nützlich und der Position der Bundesrepublik Deutschland in diesen Verhandlungen nicht förderlich. Selbstverständlich wird die Bundesregierung wie auch bisher die parlamentarischen Gremien über Verhandlungen mit der DDR informieren, wenn und soweit Ergebnisse vorliegen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Wittmann.

Dr. Fritz Wittmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002540, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie könnten mir aber eine Frage sicher beantworten, nämlich die, ob auch humanitäre Fragen Gegenstand dieser Verhandlungen sind.

Egon Höhmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000919

Dies kann ich bestätigen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger ({0})

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, können Sie im Hinblick auf das, was wir in der letzten Stunde mit dem Herrn Bundesminister des Auswärtigen hier in Frage und Antwort erörtert haben, sagen, ob auch die von der DDR in großem Umfang noch nicht verwirklichten Punkte des Korbes III der KSZE-Vereinbarungen von Helsinki Gegenstand dieses Programms sind?

Egon Höhmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000919

Herr Abgeordneter Jäger, eine ganze Reihe von Punkten soll mit der DDR in Gesprächen behandelt werden. Dazu gehören humanitäre Fragen, wie ich Herrn Abgeordneten Dr. Wittmann soeben bestätigt habe. Solche sind auch Anliegen im Korb III des Abkommens von Helsinki.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Straßmeir. Ich bitte, daß das die letzte Zusatzfrage ist, damit wir mit diesem Teil noch zu Ende kommen können.

Günter Straßmeir (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002268, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß Pressemeldungen falsch sind, wonach die Bundesregierung beabsichtigt, bei den Vorbereitungen zur neuen Verhandlungsrunde alle politischen Kräfte heranzuziehen?

Egon Höhmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000919

Ich habe von solchen Pressemeldungen keine Kenntnis genommen; aber ich kann mir nicht vorstellen, daß die Bundesregierung in Verhandlungen geht, ohne vorher mit allen politischen Kräften des Parlaments zu sprechen, wenn der Wille dazu auf allen Seiten vorhanden sein sollte.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich rufe die Frage 26 des Herrn Abgeordneten Dr. Marx auf: Wem wirft der Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen vor, durch „ultimative Forderungen im Wahlkampf" eine angebliche Bereitschaft der DDR zur Senkung der Altersgrenze zum Stillstand gebracht zu haben, und was ist präzise mit dieser Behauptung gemeint?

Egon Höhmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000919

Herr Abgeordneter Dr. Marx, der Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen bestreitet, in dem von Ihnen genannten Zusammenhang von „ultimativen Forderungen" gesprochen zu haben. Die Bundesregierung bemüht sich ständig um eine Verbesserung des innerdeutschen Reiseverkehrs. Sie führt zu diesem Zweck Gespräche mit der DDR, in denen Fragen des Reiseverkehrs allgemein und an Hand von konkreten Einzelfällen angesprochen werden. Zur Sache selbst ist zweierlei zu bemerken. Erstens. Es gab die erkennbare Bereitschaft der DDR, hierbei auch über eine Herabsetzung der Altersgrenze für Westreisen von DDR-Bewohnern zu sprechen. Zweitens. Diese Bereitschaft ist durch Forderungen, die in der Öffentlichkeit der Bundesrepublik Deutschland erhoben wurden, beeinträchtigt worden. Die Bundesregierung selbst unterstützt das Anliegen der Sache nach, ist aber mit der Art und Weise der öffentlichen Diskussion in der Bundesrepublik Deutschland nicht einverstanden.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Marx.

Dr. Werner Marx (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001431, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wie soll ich den letzten Teil Ihrer Antwort verstehen, daß die Bundesregierung mit einer gewissen Art und Weise der öffentlichen Erörterung spezifischer innerdeutscher Probleme - z. B. des Problems der Herabsetzung der Altersgrenze für die Einreise von Rentnern in die Bundesrepublik Deutschland - nicht einverstanden sei? Ist dies nicht eine Form der Zensur, wie sie dieser Bundesregierung sicher nicht zusteht?

Egon Höhmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000919

Herr Kollege Dr. Marx, die Bundesregierung hat diese zwei Ereignisse, die sich nacheinander vollzogen, zu werten versucht und hat keinen anderen Zusammenhang zwischen der Erklärung der Bereitschaft, über dieses Problem zu sprechen, und der Zurücknahme der Bereitschaft feststellen können.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Marx.

Dr. Werner Marx (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001431, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie haben gesagt, der Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen bestreite, daß er von „ultimativen Forderungen" gesprochen habe. Sind Sie einverstanden damit, daß ich Ihnen - um eine Frage zu formulieren - die Quelle, auf die ich mich in meiner ersten Frage bezogen habe, nenne?

Egon Höhmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000919

Die Frau Präsidentin müßte damit einverstanden sein. Ich bin es in jedem Fall, Herr Dr. Marx.

Dr. Werner Marx (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001431, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Im Bonner „General-Anzeiger" vom 21. April heißt es wörtlich, daß die DDR die Bereitschaft habe erkennen lassen - damit wird der zuständige Bundesminister zitiert -, die Altersgrenze für Westbesucher herabzusetzen, doch sei wegen ultimativer Forderungen im Wahlkampf ein Stillstand eingetreten.

Egon Höhmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000919

Herr Abgeordneter Dr. Marx, auch ich kann hier einige Pressemeldungen zum besten geben. Ich will dies auch tun, um klarzumachen, daß man nicht mit einer Pressemeldung beweisen kann, ob etwas gesagt worden ist oder nicht. In einer Meldung von ap-Inlandsdienst steht, das Verhältnis habe sich deshalb abgekühlt, weil die Herabsetzung der Altersgrenze während des Bundestagswahlkampfes zu einer kategorischen Forderung erhoben worden sei. Der „Kölner Stadtanzeiger" spricht von einer ultimativen Forderung. In der „Welt" wird davon gesprochen, daß das Verhältnis wegen der kategorischen Forderung abgekühlt sei. Ich kann Ihnen dann noch vorlesen, was in der „Esslinger Zeitung" gesagt wird. Dort heißt es, die Abkühlung beruhe - der Begriff steht hier in Anführungszeichen; bei der Sorgfaltspflicht, der alle Journalisten selbstverständlich nachkommen, ist davon auszugehen, daß es wörtlich so gesagt worden ist - auf der kategorischen Forderung. In der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" wird hingegen wieder von einer ultimativen Forderung gesprochen. Das heißt, beweiskräftig ist die Meldung in einer Zeitung, daß der Herr Minister von einer ultimativen Forderung gesprochen habe, nicht. Wenn ich nach der Sorgfaltspflicht der Journalisten gehe, ist das eine als wörtlich angegebene Zitat, in dem von einer kategorischen Forderung die Rede ist, sehr wahrscheinlich das richtige.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jäger.

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, auf welche konkreten Tatsachen gründen Sie Ihre Behauptung, daß durch die Forderungen der Opposition im Bundestagswahlkampf eine bereits vorhanden gewesene Bereitschaft der DDR zum Entgegenkommen wieder zerstört worden ist? Oder handelt es sich hier nur um eine Vermutung von Ihnen, mit der Sie der DDR ungewollt ein Alibi für Ihre harte Haltung liefern?

Egon Höhmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000919

Herr Abgeordneter Jäger, es ist eine Vermutung von Ihnen, daß der Herr Minister von der Opposition gesprochen habe.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hennig.

Dr. Ottfried Hennig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000871, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wenn die Bundesregierung mit der Art und Weise der öffentlichen Diskussion zumindest teilweise nicht einverstanden ist, möchte ich Sie fragen, ob Sie diese Charakterisierung nicht mit mir insbesondere auf eine Äußerung des Herrn Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen beziehen, der am 2. Oktober 1976, also am Tag vor der Bundestagswahl, angekündigt hat, die Altersgrenze werde noch im Jahre 1976 herabgesetzt werden, und glauben Sie, daß vom 2. Oktober bis zum 3. Oktober noch Wesentliches im Wahlkampf vorgegangen ist, was die Entwicklung beeinflußt haben könnte?

Egon Höhmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000919

Zum ersten Teil der Frage nein, Herr Abgeordneter, zum zweiten Teil der Frage nein. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Meine Damen und Herren, ich rufe Frage 27 des Herrn Abgeordneten Dr. Hennig auf: Könnte nach Ansicht der Bundesregierung § 10 des neuen Rundfunkgesetzes der DDR, nach dem "Nachrichten anderer Fernmeldedienste" weder aufgezeichnet noch anderen mitgeteilt oder für irgendwelche anderen Zwecke verwendet werden dürfen, dazu dienen, bei einer Verschärfung der innenpolitischen Situation in der DDR das alte Verbot des Abhörens westlicher Sender von hinten herum wieder einzuführen?

Egon Höhmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000919

Herr Abgeordneter Dr. Hennig, nach Ansicht der Bundesregierung kann § 10 der am 1. April 1977 in Kraft getretenen neuen Rundfunkordnung der DDR nicht dazu dienen, das von Ihnen in Ihrer Frage angesprochene alte Verbot des Abhörens westlicher Sender wieder einzuführen. Die Rundfunkordnung bringt im Gegenteil zum Ausdruck, daß auch der Empfang von Nachrichten anderer Fernsehdienste mit Ausnahme ihrer Aufzeichnung, Mitteilung an andere und Verwertung für andere Zwecke erlaubt ist. Im Unterschied zu der gleichzeitig außer Kraft getretenen Rundfunkordnung vom 3. April 1959 enthält die neue Rundfunkordnung keine Strafbestimmungen mehr. Die Kontrollmöglichkeiten der Postbehörden der DDR wurden ebenfalls gesetzlich darauf beschränkt, Rundfunkempfangsanlagen auf die Einhaltung der technischen und betrieblichen Bedingungen zu prüfen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hennig.

Dr. Ottfried Hennig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000871, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß genau diese Befürchtung, die in meiner Frage zum Ausdruck kommt, wörtlich im Parlamentarisch-Politischen Pressedienst, dessen Autoren Ihnen sicher bekannt sind, vom 15. April 1977 so geäußert worden ist?

Egon Höhmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000919

Auch der Bezug auf den Parlamentarisch-Politischen Pressedienst kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Antwort, die ich gegeben habe, die richtige und sachlich einwandfreie ist.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Danke, Herr Staatssekretär. Damit ist die Beantwortung der Fragen aus diesem Geschäftsbereich beendet. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie auf. Der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Hauff steht zur Beantwortung zur Verfügung. Die Fragen 28 und 29 des Abgeordneten Dr. Sperling werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet, ebenso die Fragen 30 und 31 des Abgeordneten Lenzer sowie die Frage 32 des Abgeordneten Dr. Spöri. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe Frage 33 des Herrn Abgeordneten Dr. Waigel auf. - Er ist nicht im Saal. Dann wird auch diese Frage schriftlich beantwortet. Die Anwort wird ebenfalls als Anlage abgedruckt. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Glotz steht zur Beantwortung zur Verfügung. Frage 34 des Herrn Abgeordneten Dr. Schäuble wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ich rufe Frage 35 des Herrn Abgeordneten Wüster auf: Ist auch nach Ansicht der Bundesregierung der gegenwärtig vorliegende Berufsbildungsbericht in statistischer Hinsicht mit den Mängeln behaftet, die der Göttinger Wissenschaftler Martin Baethge in der „Frankfurter Rundschau" Nr. 74 vom 29. März 1977 angeführt hat, und welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um die statistische Qualität des Berufsbildungsberichts gegebenenfalls zu ändern? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Prof. Dr. Peter Glotz (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000692

Herr Kollege, im Ausbildungsplatzförderungsgesetz ist 'ausdrücklich festgelegt, welche Daten der Berufsbildungsbericht zur Entwicklung des Angebots an Ausbildungsplätzen und der Nachfrage enthalten soll und welche Stellen diese Daten zur Verfügung zu stellen haben. Das Ausbildungsplatzförderungsgesetz sieht die Einführung von neuen statistischen Erhebungen für diesen Teil des Berufsbildungsberichts nicht vor. Die Bundesregierung hat im Berufsbildungsbericht selbst darauf hingewiesen, daß im ersten Jahr der Erstellung dieses Berichts ganz ohne Zweifel statistische Ungenauigkeiten hingenommen werden mußten, die jedoch die Tragfähigkeit der Daten insgesamt nicht beeinträchtigt haben. Die Bundesregierung bemüht sich gemeinsam mit dem Hauptausschuß des Bundesinstituts für Berufsbildung und den darin vertretenen Spitzenorganisationen der Wirtschaft und der Gewerkschaften und den anderen für die Berufsausbildung zuständigen Stellen, diese Schwierigkeiten für den Berufsbildungsbericht 1978 zu vermeiden. Die durch das Ausbildungsplatzförderungsgesetz eingeführte amtliche Berufsbildungsstatistik wird dazu sicher mit beitragen, Herr Kollege Wüster.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Kollege Wüster.

Kurt Wüster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002573, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, trifft die Feststellung zu, daß die Jugendlichen aus früheren Schulentlaßjahren, die in der Berufsbildungsstatistik der Bundesanstalt für Arbeit ungefähr ein Drittel der Ratsuchenden ausmachen, in dem Berechnungsmodus des Berufsbildungsberichts nicht enthalten sind, und werden Sie diese Gruppe in künftigen Berichten statistisch mit erfassen?

Prof. Dr. Peter Glotz (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000692

Diese Aussage trifft nicht zu.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine weitere Zusatzfrage. Die Fragen 36 und 37 des Abgeordneten Daubertshäuser sowie die Frage 38 des Abgeordneten Peiter werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. - Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Die Fragen 41 bis 47 sowie die Fragen 74 und 75 sind von den Fragestellern zurückgezogen worden. Die übrigen nicht beantworteten Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende der Fragestunde angekommen. Meine Damen und Herren, ich habe die traurige Pflicht, Ihnen das uns alle tief betroffen machende Ableben unseres Kollegen Hermann Spillecke kundzutun. Hermann Spillecke, der gestern noch . fröhlich, wie es seine Art gewesen ist, an Sitzungen der Sozialistischen Fraktion des Europäischen Parlaments in unserem Haus teilgenommen hat - er gehörte seit der 8. Legislaturperiode dem Europäischen Parlament an -, starb allein in seinem Büro an Herzversagen. Er wäre in wenigen Tagen, am 15. Mai, 53 Jahre alt geworden. Vor wenigen Stunden war sein Leben beendet. In Homburg am Niederrhein geboren, legte er nach dem Besuch der Pädagogischen Akademie Wuppertal die erste und die zweite Prüfung für das Lehramt an Grundschulen ab. Seit 1958 war er Rektor einer Volksschule. Unmittelbar nach Kriegsende wurde er Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. In ihr hatte er leitende Funktionen auf Bezirks- und Unterbezirksebene inne. Von 1956 bis 1959 war Hermann Spillecke Mitglied des Rates der Stadt Duisburg und von 1957 an zwölf Jahre Bürgermeister dieser Stadt. In dieser Eigenschaft war er für alle ratsuchenden Bürger die große Hilfe. Er machte eine bürgernahe Politik, wie sein ganzes Engagement auch der Innenpolitik im weitesten Sinne galt. Von 1962 an war er, zuerst als Abgeordneter des Landtags von Nordrhein-Westfalen und seit 1965 als direkt gewählter Abgeordneter für den Wahlkreis Duisburg II des Deutschen Bundestages, u. a. ordentliches Mitglied im Innenausschuß. Hermann Spillecke ging voll und ganz in seiner politischen Arbeit auf, ohne daß das menschlich Verbindende zu kurz kam. Das Drumherumreden um eine Sache lag ihm nicht. Er ging sie frontal an. Aber er war immer so, daß keine Bitternis zurückblieb, auch wenn es Meinungsverschiedenheiten gab. Humor und Optimismus waren ihm in besonderer Weise eigen, und es gab nichts, von dem er sich hat unterkriegen lassen. Er wirkte einfach dadurch, daß es ihn gab. Mit Hermann Spillecke verliert der Deutsche Bundestag wieder eines seiner engagiertesten Mitglieder, mitten aus der Arbeit gerissen, mitten aus dem Leben seiner Familie, für die er noch viele Jahre da sein wollte. Frau Spillecke und den drei Kindern sowie der SPD-Fraktion des Deutschen Bundestages spreche ich im Namen des Hauses meine tief empfundene Anteilnahme zu dem schweren Verlust aus. Der Deutsche Bundestag wird Hermann Spillecke ein ehrendes und dankbares Andenken bewahren. Meine Damen und Herren, wir fahren in den Beratungen des Punktes 2 der Tagesordnung fort. Das Wort hat Herr Abgeordneter Kleinert.

Detlef Kleinert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001121, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der vorsichtige Optimismus, den der Bundesjustizminister heute vormittag von dieser Stelle aus zum Ausdruck gebracht hat, ist nach unserer Ansicht durch den weiteren Verlauf der Debatte in gewisser Weise bestätigt worden. Es ist erfreulich, daß wir trotz einiger grundsätzlicher Unterschiede in unserer Auffassung vom Recht und von seinen Aufgaben, die in den Ausführungen von Herrn Wittmann angeklungen sind, einig darin sind, daß wir hier das Äußerste tun müssen, sachlich zusammenzuarbeiten und Fehler, die - durch wessen Versäumnis immer, mit Sicherheit aber durch niemandes Verschulden, der an diesen Dingen in den letzten Jahren mitgearbeitet hat - entstanden sind, gemeinsam zu beheben, um uns auch den Schatten eines Vorwurfs zu ersparen, wir hätten von diesem Haus aus nicht das Äußerste getan, um die rechtlichen Grundlagen so zu gestalten, wie das gegen die Herausforderung durch den Terrorismus und vielleicht auch gewisse neue Formen der Gewaltkriminalität erforderlich ist. Wenn ich von grundsätzlichen Unterschieden in den Auffassungen von der Rechtspolitik spreche, dann beziehe ich mich auf das, was Herr Wittmann anklingen ließ, als er sagte: Auch das Strafrecht prägt das Rechtsbewußtsein der Gemeinschaft. Wir sind gewiß nicht der Meinung, dieser Satz sei schlicht unzutreffend. Wir haben aber bei vielen Gesetzen davor gewarnt, diese Funktion des Strafrechts überzubewerten und gerade dadurch, daß man hierauf zu viele Hoffnungen setzt, im Strafrecht Bestimmungen zu schaffen, die es eher weniger schlagkräftig und weniger geeignet machen, in das öffentliche Bewußtsein zu wirken, als daß sie diese Wirkung vermehren. Das hat besonders deutlich unsere Dis1724 kussion über Strafbestimmungen im Bereich sexueller Selbstbestimmung vor einigen Jahren gezeigt; dafür gibt es weitere Beispiele. Das bedeutet: Wir wollen diese angesprochene Grundfunktion des Rechts als etwas ihm selbstverständlich Innewohnendes hinnehmen und nicht bei jedem Einzelfall fragen, wie man sie zusätzlich in das Recht hineintragen könnte. Wir wollen uns bei den Einzelbestimmungen, für die Sie jetzt wieder eine Reihe von Änderungsvorschlägen unterbreitet haben, an den sachlichen Auswirkungen und an den zu vermutenden Auswirkungen auf den Täterkreis orientieren. Daß hier nur ganz geringe Hoffnungen bestehen, haben die Herren Vorredner bereits zum Ausdruck gebracht. Das hindert uns nicht, das Äußerste zu versuchen. Um zu einem ganz wesentlichen Punkt zu kommen: Wir haben von Ihnen zum wiederholten Mal Ihre Vorstellungen über die Überwachung des Gesprächs zwischen dem Verteidiger und seinem Mandanten gehört. Sie wünschen nach wie vor diese Verteidigerüberwachung. Herr Friedrich Vogel hat dazu vorgetragen, alle Experten, alle kompetenten Fachleute seien der Ansicht, dieses Mittel sei geeignet und würde greifen. Ich frage mich, ob Herr Vogel bei diesen Männern der Praxis - die von Herrn Wittmann ebenfalls erwähnt worden sind - vielleicht auch an Herrn Bundesanwalt Kaul oder an den Präsidenten des Bundesgerichtshofs, Herrn Fischer, denkt, die neben anderen, die gerade z. B. im Bereich des Verfassungsschutzes tätig sind, aus der täglichen Arbeit dieser Dienste gegen die Möglichkeit einer wirksamen Überwachung aus den Gründen, die im Laufe der Jahre hier schon sehr oft dargelegt worden sind, äußerste Skepsis vorbringen. Ich streife diese Gründe nur deshalb nochmals, weil es in der Diskussion so gewollt wird. Gegen eine seit langem - auch längst vor der Inhaftierung - so gut durchorganisierte Vereinigung, wie es die ist, mit der wir hier zu tun haben, werden Sie mit dem Mittel einer Überwachung - durch welche Personen auch immer - nicht Erfolge erzielen; denn die Sprache, für die wir heute Beispiele gehört haben, ist so verklausuliert, daß diese Überwachung eine reine Farce sein müßte. Wir nähmen die Einschränkung eines wichtigen rechtsstaatlichen Instituts in Kauf - nicht nur ohne die Hoffnung, damit etwas Wesentliches erreichen zu können, sondern eher wissend, daß dem nicht so ist. Auf Grund dieser Abwägung werden wir uns nach sorgfältiger Prüfung aller Argumente aller Voraussicht nach auch diesmal wieder Ihrem Vorschlag verschließen müssen. Ich will die Abhördiskussion an dieser Stelle nicht wieder aufnehmen, aber es ist ja leider so, daß eine rechtlich ungewöhnlich zweifelhafte Maßnahme, nämlich die geheime Überwachung von Gesprächen zwischen Verteidiger und Häftling als Mandant, die zu einer Zeit vorgenommen wurde, als die Betreffenden annehmen konnten, sie würden wirklich nicht überwacht, weil dieses Hohe Haus soeben ganz deutlich seinen Willen kundgetan hatte, daß dergleichen nicht geschehen sollte, nichts, aber auch gar nichts ergeben hat, was für die Verfolgung der Verbrecher die geringsten weiteren Anhaltspunkte erbracht hätte. Durch diese zweifelhafte Maßnahme ist also gerade ein Beweis in der von uns behaupteten Richtung erbracht worden und nicht etwa in Richtung auf das Gegenteil, was vielleicht - so bedenklich es auch hätte sein mögen - Anlaß zu weiteren Überlegungen hätte geben können. Das Gegenteil ist der Fall.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Wittmann?

Dr. Fritz Wittmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002540, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Kleinert, ist Ihnen entfallen, daß uns mitgeteilt worden ist, gerade diese Aktion habe zutage gebracht, daß in Terroristenkreisen Überlegungen angestellt worden sind, z. B. einen Kinderspielplatz zu überfallen?

Detlef Kleinert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001121, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meiner Erinnerung nach, Herr Wittmann, handelte es sich nicht um einen Kinderspielplatz, sondern um einen Kindergarten - mit der bemerkenswerten Variante, daß niemand sagen konnte, um welchen der vielen tausend Kindergärten in diesem Lande es sich handelte, so daß aus der Kenntnis dieser bedauerlichen Überlegungen einfach keine praktischen Folgerungen gezogen werden konnten. Genau das ist das, was ich meinte. ({0}) Um Einwendungen vorzubeugen, wird uns von Ihnen in diesem Hause - und ich nehme das den Kollegen, die wir aus dem Rechtsbereich kennen, ab - die Sache immer so dargestellt, als sollte die Überwachung durch besonders ausgewählte, fähige, objektive Richter erfolgen, die nicht im geringsten Zusammenhang mit dem Verfahren stehen dürften. Das klingt als Abschwächung der Bedenken gegen die Einführung einer solchen Maßnahme ganz gut. Tatsache ist jedoch, daß es ein - schon recht zackig getauftes - „Offensivkonzept zur Bekämpfung des anarchistischen Terrorismus" gibt, das von den Innenministern Dr. Merk, Schieß, Schwarz und Wilhelm, die alle, wie Sie wissen, Ihrer Partei angehören, ausgearbeitet worden ist, in welchem auf den Seiten 11 und 12 ausdrücklich vorgesehen ist, daß eine etwa einzuführende Überwachung solcher Gespräche keineswegs durch die von Ihnen angeführten Richter, sondern durch Beamte der Kriminalpolizei oder der Staatsanwaltschaft vorgenommen werden sollte. Das ist ein überdeutlicher Hinweis auf die Richtung, in die sich die Einführung eines derartigen Institutes schnellstens entwickeln . könnte, ein deutlicher Hinweis darauf, daß wir um so mehr Veranlassung haben, hier den Anfängen zu wehren. ({1}) Dies gilt um so mehr, als wir nicht etwa dergleichen Umtriebe noch ermöglichen, sondern das Äußerste tun wollen, sie durch Fernhaltung ungeeigneKleinert ter Verteidiger von solchen Verfahren zu verhindern. Das ist uns, wie ich vor 14 Tagen an dieser Stelle schon einräumen mußte, mit den getroffenen gesetzlichen Regelungen nicht gelungen. Wir bedauern das und haben daraus die Konsequenz zu ziehen, nachzuforschen, warum dem so ist. Hier ist mehrfach der Fall des Rechtsanwalts Croissant angeführt worden, der in den letzten Tagen noch ein unabgehörtes - selbstverständlich, möchte ich dazu sagen - Gespräch mit dem inhaftierten früheren Anwalt Haag geführt hat. Es ist auch lange Zeit versucht worden, hier die Verantwortung hin und her zu schieben zwischen einem angeblichen Versagen der Standesgerichtsbarkeit der Anwaltschaft oder einem angeblichen Versagen der Staatsanwaltschaft. Längere und leidenschaftslose Beobachtung hat gezeigt, daß es hier Fehler auf beiden Seiten gibt und daß es genausowenig nützt, diese Verantwortung hin und her zu schieben-noch dazu von hier aus, wo keine Eingriffsmöglichkeiten gegeben sind -, wie die Verantwortung etwa in diesem Hause hin und her zu schieben. Es kann vielmehr nur nützen, gemeinsam der Problematik nachzugehen. Sie sind meiner Ansicht nach bei Ihren Vorschlägen zu sehr fixiert gewesen auf die nun langsam fix werdende Idee von der Verteidigerüberwachung, um bei dieser Gelegenheit Ihr Augenmerk noch auf die Möglichkeit zu richten, den Verteidigerausschluß z. B. durch ein zusätzliches Antragsrecht für die Kammern effizienter zu machen durch den ausdrücklichen Hinweis darauf, daß ein etwa schwebendes Ermittlungsverfahren nicht das standesrechtliche Verfahren unterbrechen muß, schon gar nicht, wenn es sich um vorläufige Maßnahmen handelt. Das kann beispielsweise dadurch geschehen, daß die aufsichtführenden Justizminister, die ja nicht nur über die beteiligten Staatsanwälte, denen sie sogar Weisungen erteilen können, die Aufsicht führen, sondern die Dienstaufsicht auch über jene Ehrengerichte führen, darauf drängen, daß diese Verfahren effizienter werden. Wenn das in der Vergangenheit der Fall gewesen wäre, hätten wir eine Fülle von Erscheinungen nicht zu beklagen und auch nicht über Ihre so ungewöhnlich gefährliche und dabei leider ebenso ungewöhnlich aussichtslose Alternative zu diskutieren. Darauf wollen wir bei den weiteren Beratungen unser Augenmerk in ganz besonderem Maße lenken. Ihre Vorschläge, so wie sie insbesondere zur Frage der Verfahrensstraffung und zu weiteren Einzelpunkten vorgelegt wurden, unterscheiden sich - das will ich Ihnen gern zugeben - von früheren durch mehr Ausgewogenheit und durch eine breitere Fächerung auf die Dinge hin, die praktische Bedeutung für das Verfahren haben können. Ich bin einmal den Ursachen nachgegangen und habe festgestellt, daß es seit längerem eine Bund-Länder-Kommission zur Reform des Strafverfahrensrechts unter dem Vorsitz von Herrn Ministerialdirigent Arnold aus dem Bundesjustizministerium gibt und daß das Ergebnis der dortigen Beratungen vor ihrem Abschluß hastig in die nun von Ihnen produzierte Vorlage übernommen wurde. Uns ist es gleich, woher brauchbare Vorschläge kommen. Wir werden sie dankbar annehmen, möchten aber doch bei dieser Gelegenheit einmal die Quelle nennen, die nämlich in einer Kommission zu suchen ist, die von der von Ihnen angegriffenen Regierungskoalition genauso beschickt wird wie von Ihrer Seite, so daß keine Veranlassung besteht, hinsichtlich des brauchbareren Teils Ihrer Vorschläge in einen Urheberstreit einzutreten. Das muß mit Rücksicht auf diese Arbeit und diejenigen, die sie geleistet haben, bei dieser Gelegenheit schon einmal gesagt werden können. Die Einzelheiten werden uns im Rechtsausschuß zu beschäftigen haben. Wir werden mit den Einzelfragen in einer breiteren Öffentlichkeit ohnehin - wie oft mit unseren Anliegen - nur schwer verstanden werden. Deshalb wollen wir uns ins einzelne gehende Erörterungen an dieser Stelle ersparen. Ich möchte abschließend nur noch einmal sagen: Es wäre sehr sinnvoll für unsere gemeinsamen Beratungen, wenn Sie diejenigen unter Ihren Freunden - einer von ihnen war heute eingeflogen -, die dazu neigen, immer wieder das vom Volk mit Sicherheit nicht gewünschte Spiel des Hin- und Herschiebens von Verantwortung und des gleichzeitigen Anschwärzens des politischen Gegners in einer Sache zu betreiben, die sich dafür gar nicht eignet, von diesem Treiben abhielten, um den Geist unserer Beratungen möglichst fruchtbar zu erhalten. ({2}) Sie werden bei der Stimmung, die in diesen Fragen in unserem Volk herrscht, nicht den erhofften parteiegoistischen Vorteil haben, sondern das ganze Land wird sonst den Schaden haben. ({3}) - Ich rede, Herr Eyrich, mit der verehrten Opposition dieses Hauses, der ich mitzuteilen bemüht war, wie sehr wir uns über einen gewissen Wandel freuen, der ich weiterhin mitzuteilen bemüht war, daß wir die verbliebenen Erscheinungen nach wie vor für hinderlich halten für das, was Sie wie wir nicht verbal beschwören, sonder tatsächlich tun sollten, nämlich für gemeinsame Arbeit an dem, was hier noch zu tun ist. Die Koalitionsfraktionen werden sich dem wie stets nicht entziehen. ({4})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Abgeordnete Pensky.

Heinz Pensky (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001689, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst eine Vorbemerkung. Ich meine, dann, wenn ein Innenminister eines Landes in diesem Hohen Hause zu Themen der inneren Sicherheit Stellung nimmt, müßte man von ihm erwarten können, daß er mit Informationen und praktischen Vorschlägen aufwartet, die uns auch in der Sachdiskussion hilfreich sein könnten. ({0}) Denn das Schwergewicht der polizeilichen Zuständigkeiten - das müssen wir wissen und deutlich machen - liegt bei den Ländern, ({1}) und wir sind auch der Meinung, daß es dort bleiben sollte. ({2}) Nun, dort sind die Innenminister völlig zu Recht auch zugleich Polizeiminister, und sie könnten deshalb auch aus der unmittelbaren praktischen Erfahrung der Polizei schöpfen. Dieser Erwartung, meine Damen und Herren, ist der nordrhein-westfälische Innenminister Dr. Hirsch mit seinem sachlichen Diskussionsbeitrag durchaus gerecht geworden. ({3}) - Herr Vogel, seien Sie mal geduldig; ich komme noch auf Sie zurück. - Anders dagegen handelte hier der bayerische Staatsminister Dr. Merk, und dies wohl nach dem Motto - das war doch festzustellen -: nur kräftig mit Dreck werfen, etwas wird schon hängenbleiben; ({4}) Dreck natürlich gegen die Bundesregierung, Dreck gegen die Koalition und Dreck gegen einzelne, auch gegen mich. Ich meine, das ist dann besonders schlimm, wenn er sich danach auf dem Absatz herumdreht und nicht mehr weiter an dieser Debatte teilnimmt. Meine Damen und Herren, mit welcher Niedertracht ein solches bayerisches CSU-Drehbuch abläuft, möchte ich noch einmal kurz wie folgt in Erinnerung rufen; hoffentlich waren Sie da und haben es verfolgt. Erster Akt: Von diesem Rednerpult aus zitierte Herr Merk mich, wie er sagte, „sinngemäß" und deshalb natürlich auch völlig aus dem Zusammenhang gerissen, und zwar aus einem Beitrag im SPD-Pressedienst - man merke - vom 26. Januar 1977, mit dem ich zur Frage eines einheitlichen Polizeirechts, auf das ich später noch komme, Stellung genommen habe. Auf meinen Zwischenruf und die Zwischenrufe anderer hin, dies sei wohl eine reine Diffamierung, antwortete Herr Merk, er habe ja nur sinngemäß zitiert, aber so ähnlich sei es wohl gewesen; er blätterte in seinen Papieren und meinte, er habe diesen Beitrag im Augenblick nicht bei der Hand. Nun der zweite Akt: An diesem Pult erscheint der Herr Kollege Wittmann, der CSU-Freund des Herrn Merk, und setzt auf diesen Schelm noch anderthalbe drauf. Er sagte nämlich, daß er die sinngemäßen Ausführungen seines Landesministers Merk nunmehr bestätigen könne, denn er habe jetzt das Papier. Er zitierte dann, wiederum völlig aus dem Zusammenhang gerissen und, was noch viel schlimmer ist, aus einem ganz anderen Beitrag, nämlich aus dem SPD-Pressedienst vom 28. März 1977, wo ich mich zu dem Thema „Demonstrationen" geäußert habe. Zunächst wird also aus dem Beitrag vom 26. Januar 1977 - zum Thema „einheitliches Polizeirecht" - zitiert, und das wird nachher bekräftigt durch ein Zitat aus dem SPD-Pressedienst vom 28. März 1977 zum Thema „Demonstrationen". Meine Damen und Herren, wie soll man da nun urteilen? Ich kann es nur so qualifizieren: Dies ist also die christliche Wahrheit der CSU in dem ganz miesen Stil des Bayernkurier. ({5}) Meine Damen und Herren, der Schluß kommt noch, nämlich der dritte Akt. Herr Kohl, der Teilhaber dieses dritten Aktes, ist jetzt nicht hier. Er fand das alles so prima, daß er sich spontan erhob, um seinem CSU-Freund Merk für dessen glorreichen Beitrag die Hand zu drücken. Meine Damen und Herren, da kann man doch einmal sehen, was der Kreuther-Tee bei Herrn Kohl so alles bewirkt. ({6}) - „Kreuther-Likör"? Aber auf jeden Fall aus Kreuth. Das schafft doch immer wieder die Verbindung zwischen der CDU und der CSU. ({7}) Ich komme noch auf Einzelheiten der Diskussionsbeiträge zurück. Lassen Sie mich erst noch einige Bemerkungen zu Ihren Vorschlägen machen. Ich darf zunächst einmal feststellen, Ihre Aktivitäten leiden doch wohl unter dem ganz entscheidenden Mangel, Herr Vogel, daß sie sich weitgehend auf die Behandlung bereits gefaßter Terroristen konzentrieren, aber sonst am eigentlichen Thema weithin vorbeigehen. ({8}) Ich möchte auf die strafrechtlichen und prozessualen Fragen nicht mehr eingehen. Dazu hat mein Kollege Hermann Dürr eingehend geantwortet. Auch andere, so der Minister der Justiz, haben das getan. Deshalb möchte ich nur einige zusätzliche Bemerkungen zu Ihren Vorschlägen zur Änderung des Demonstrationsstrafrechts machen. Ich meine, für eine solche Änderung gibt es überhaupt keinen einsehbaren Grund. Trotzdem werden wir mit Ihnen darüber sprechen. Aber ich sage zunächst einmal: Es gibt gar keinen einsehbaren Grund. Denn den Mitgliedern des Innen- und des Rechtsausschusses ist eine Statistik zugegangen, aus der hervorgeht, daß im letzten Jahr die Zahl der Demonstrationen in der Bundesrepublik 2 956 betragen hat, wovon 195 - das sind weit weniger als 10 % - nicht friedlich verlaufen sind. ({9}) Ich will damit sagen: die Entwicklung bestätigt ganz klar, daß die Konzeption aus dem Jahre 1970, nämlich des neugefaßten Rechts, völlig richtig ist. ({10}) 1969 verliefen von 2 253 Demonstrationen - das waren viel weniger - noch insgesamt 813 unfriedlich. Das waren mehr als ein Drittel, Herr Kollege Miltner. ({11}) - Worauf es ankommt, darauf gehe ich ja jetzt ein. Nun warten Sie doch! Meinen Sie beispielsweise, daß wir es verantworten können, Solidarisierungseffekte friedlicher Demonstranten in die falsche Richtung gehen zu lassen? Sie gehen nämlich in die falsche Richtung, wenn deren grundgesetzlich verbrieftes Recht über Gebühr eingeengt wird. Das haben wir doch erlebt. Dafür sprechen doch auch diese Zahlen. Ein freiheitlicher Rechtsstaat muß seinen Bürgern das Recht zugestehen, sich in Bürgerinitiativen bei friedlichen Demonstrationen außerhalb des Parlaments zu artikulieren, ({12}) ohne gleichzeitig Gefahr zu laufen, insgesamt kriminalisiert zu werden, nur weil sich unbemerkt einige Chaoten in ihre Reihen eingeschlichen haben. ({13}) Das ist doch das Problem. Bürgerinitiativen - das ist heute schon wiederholt gesagt worden - haben inzwischen auch die Notwendigkeit erkannt, sich rechtzeitig und deutlich von solchen Kriminellen abzusetzen, weil sie nämlich der Sache der Bürgerinitiativen nur schaden können. Itzehoe ist hierfür ein schlagender Beweis. Darin können wir die Bürgerinitiativen nur unterstützen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Heinz Pensky (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001689, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte sehr.

Prof. Dr. Winfried Pinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001719, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, da Sie davon ausgehen, daß nach unserem Entwurf derjenige strafbar sein soll, der sich an einer Demonstration beteiligt, in der unbemerkt Gewalttätigkeiten begangen werden, möchte ich Sie fragen: Ist Ihnen bewußt, daß in diesem Fall der erforderliche Vorsatz im Hinblick auf das Merkmal Gewalttätigkeit fehlen und natürlich in dem Fall eine Strafbarkeit nicht eintreten würde?

Heinz Pensky (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001689, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sie sehen doch, lieber Herr Kollege, in welche Schwierigkeiten Sie die Polizei im Einzelfall versetzen, ({0}) wenn sie das beurteilen soll. Mir brauchen Sie so etwas überhaupt nicht vorzumachen; denn ich habe an der Front solcher Auseinandersetzungen gestanden, als aktiver Polizeibeamter. Demonstrationen ähnlicher Art haben wir nach dem Kriege in den Jahren 1945 bis 1948, beispielsweise in Essen, gehabt. ({1}) - Ja, jetzt gucken Sie, Herr Kollege. Dazu kann ich Ihnen, wenn es not tut, auch noch einige Dokumentationen geben. Natürlich wissen wir - und da komme ich auf Sie, Herr Kollege Vogel ({2}) - aus den Vorfällen in Brokdorf und Grohnde, daß organisierte extremistische Gruppierungen der äußersten Linken und der äußersten Rechten dort mit brutaler Gewalt in Erscheinung getreten sind. Das wissen wir. ({3}) Aber ebenso wissen wir auch, meine Damen und Herren - und in der gestrigen Innenausschußsitzung, in der Sie gefehlt haben, Herr Kollege Vogel, ist dies verdeutlicht worden -, daß es sich hierbei um gezielte kriminelle Aktionen gegen unsere rechtsstaatliche Ordnung handelt, die überhaupt nichts mit den Demonstrationszielen der Kernkraftgegner zu tun haben und darüber hinaus auch nicht als Demonstrationen zu qualifizieren sind. Diese politischen Sektierer nehmen solche wie auch andere Demonstrationsobjekte nur zum willkommenen Anlaß, um ihre Aktivitäten zu entwickeln. Dies gerade gehört zu ihrer Strategie. Das können Sie auch in dem Polizeibericht nachlesen, der uns gestern ausgehändigt worden ist, daß dies gerade zu ihrer Strategie gehört; denn sie spekulieren bei solchen Anlässen auf die Solidarisierungseffekte aus der Bevölkerung, ohne die sie auf die Dauer ihre Ziele nicht wirksam verfolgen können, da ihr eigenes zahlenmäßiges Potential viel zu gering ist. Der Herr Bundesminister des Innern hat in der gestrigen Innenausschußsitzung, völlig zu Recht, gesagt, daß sich zur Bekämpfung solcher Gruppierungen nicht die Frage nach neuen Gesetzen stelle, sondern vielmehr die Frage nach neuen polizeilichen Strategien, die es möglich machen, das geltende Recht wirksam auszuschöpfen. Ich möchte Herrn Minister Maihofer darin voll zustimmen; denn das ist ein ganz gewichtiger Punkt, nämlich neue polizeiliche Strategien zu entwickeln. Meine Freunde und ich haben deshalb auch mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, daß mit der Fertigstellung einer solchen von Experten erarbeiteten Konzeption kurzfristig, wahrscheinlich noch in diesen Tagen, zu rechnen ist. Zu den Vorschlägen zur Änderung des Versammlungsrechts möchte ich nur eine kurze Bemerkung machen. Hüten wir uns davor - denn das ist auch ein Punkt, der heute noch nicht eine Rolle gespielt hat -, eine Ausländerhysterie zu entfachen, ({4}) zumal die vorliegenden Vorschläge äußerstenfalls geeignet sind, mehr Unsicherheit zu schaffen. Wir werden darüber in den Ausschüssen noch ernsthaft zu reden haben. Über den Fragenkomplex hatten wir zwar schon geredet; dennoch sind wir geduldig und werden auch das tun. Meine Damen und Herren, das, worauf es jedoch bei der Terroristenbekämpfung vorrangig ankommen muß - und das sollte auch das eigentliche Thema sein -, kann doch nur auf eine Aktivierung solcher Maßnahmen gerichtet sein, die zu einer schnelleren Ergreifung der Täter führen. Dabei müssen wir wissen, daß sich zu allem entschlossene Terroristen nicht durch erhöhte Strafandrohungen abschrecken lassen. Eine wirksame Prävention findet nur durch schnelle Fahndungserfolge der Polizei statt. ({5}) Erst wenn ein Täter damit rechnen muß, daß sein Unternehmen mit höchster Wahrscheinlichkeit nach kürzester Zeit in einer Sackgasse endet, wird er dies als Abschreckung empfinden. Von dieser Erkenntnis sind wir und ist die Bundesregierung im Prinzip auch vorrangig bei ihren Maßnahmen zur Verbesserung der inneren Sicherheit ausgegangen, wie Prävention überhaupt der Schwerpunkt unserer Kriminalpolizei ist. Die gewaltigen Anstrengungen, die die sozialliberale Koalition seit 1969 zum personellen und technischen Ausbau unserer Sicherheitsorgane unternommen hat, sind ein gravierender Beweis für den Stellenwert, den sie, nämlich die Bundesregierung, der Sicherheit für die Bürger in unserem Staate eingeräumt hat. Allein im Bundeskriminalamt wurde das Personal nahezu verdreifacht. Im übrigen ist das Amt während dieser Zeit mit modernster Technik ausgestattet und damit zu einem im Weltmaßstab anerkannten Dienstleistungszentrum für die gesamte Polizei entwickelt worden. Ohne eine solche hochqualifizierte Einrichtung wäre eine funktionierende Arbeit der Polizei im Bund und in den Ländern überhaupt nicht mehr möglich. Herr Dregger, der sich sonst an solchen Diskussionen auf seine Art beteiligt, meinte in einer Sicherheitsdebatte in diesem Hause vor kurzer Zeit, wir sollten doch nicht immer mit dem BKA und dem Protzen, was wir dafür aufgewendet haben. Denn das alles stünde doch in keinem Verhältnis zu den Ergebnissen. Nun, meine Damen und Herren, ich glaube, hierzu kann man nur zweierlei sagen: Erstens. Damit will Herr Dregger nachträglich doch nur die sträfliche Vernachlässigung dieser Einrichtung durch die früheren CDU- und CSU-Innenminister kaschieren. Es ist überhaupt nicht auszudenken, auf welchem Standard die Verbrechensbekämpfung heute stünde, wenn daran nichts geändert worden wäre. Zweitens. Herr Dregger würdigt damit auch die Aufbauarbeit derjenigen Bediensteten herab, die beispielhafte Arbeit geleistet haben und deren Erfolge für jedermann sichtbar sind. Es ist eben ein (1 Dankeschön auf Herrn Dreggers Art. Wir jedenfalls wissen die Leistungen zu schätzen, die die in unseren Sicherheitsorganen tätigen Bediensteten bisher erbracht haben und weiterhin in täglicher Pflichterfüllung erbringen. Das gilt nicht nur für das Bundeskriminalamt, von dem wir wissen, daß dort bis in den letzten Tagen bereits 80 000 Überstunden angefallen sind, die wegen der besonderen Anforderungen bisher nicht abgegolten werden konnten, sondern das gilt in gleichem Maße auch für alle anderen Sicherheitseinrichtungen des Bundes und der Länder: die Schutz-und Kriminalpolizei, den Verfassungsschutz und den Bundesgrenzschutz. Alle diese Bediensteten dürfen davon ausgehen, daß sie unser, der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, volles Vertrauen genießen und wir um ihre Fürsorge ständig bemüht bleiben. Sie bedürfen aber auch des Vertrauens aller Bürger, wenn sie erfolgreich arbeiten sollen. Wer der Polizei aus vordergründigen Motiven Hilflosigkeit oder Laschheit im Kampf gegen den Terrorismus oder die Kriminalität schlechthin vorwirft, untergräbt dieses Vertrauen. Lassen Sie mich an dieser Stelle ein aktuelles Beispiel anführen, an das ich in den letzten Tagen oft erinnert worden bin. Alles andere als vertrauensfördernd für die Polizei ist die derzeit im ZDF laufende Filmserie „Der Alte", die ein völlig irreales und teilweise diskriminierendes Bild von der Arbeit der Polizei vermittelt. Aber, meine Damen und Herren, wir müssen wissen: Der Kampf der Terroristen und' Anachisten gegen den demokratischen Rechtsstaat vollzieht sich vorrangig durch subversive Tätigkeiten nach den strategischen und taktischen Plänen der Stadtguerillas. Die Sicherheitsorgane des Bundes und der Länder müssen darauf noch besser eingestellt werden als bisher. Hier gibt es noch etwas zu tun. Hierzu benötigen wir beispielsweise eine rund um die Uhr präsente Polizei und einen ausreichend starken und gut qualifizierten Verfassungsschutz für eine intensive Vorfeldaufklärung, der ganz besondere Bedeutung zukommt. Auf diesem Gebiet sind weiter erhebliche Anstrengungen zu machen. Das gilt für Bund und Länder. Eine brauchbare Grundlage hierfür bietet das gemeinsame Sicherheitsprogramm von Bund und Ländern, zu dem wir Sozialdemokraten uns bekannt haben und weiterhin bekennen. Ich hätte von Herrn Minister Merk erwartet, daß er sich heute zu dieser gemeinsamen Verantwortung bekannt hätte, anstatt gegen die Bundesregierung und die Koalition zu polemisieren. ({6}) Für eine wirksame Bekämpfung von Terrorismus und Anarchismus sind Informationsbeschaffung, -austausch und -auswertung von allergrößter Bedeutung. Wenn auf diesem Gebiet etwas versäumt wird, kann das auf andere Weise nicht gutgemacht werden. Deshalb auch - das ist ein weiterer Punkt - muß das von Bund und Ländern geschaffene moderne Kommunikationssystem zügig ausgebaut und verdichtet werden. Wir werden dabei weiterhin unseren Beitrag leisten. Aber auch das sollte man noch einmal ansprechen: Die immer wieder aufkommende Diskussion über die Einrichtung eines deutschen FBI vermittelt den Eindruck, als sei das ein erfolgversprechender Weg zur Bekämpfung des Terrorismus und Anarchismus. Diese Diskussion - das unterstreiche ich - führt uns hauptsächlich nicht weiter. Ich halte sie sogar für schädlich, weil Nichtfachleute glauben könnten, hier werde Schwerwiegendes versäumt. Das ist nicht der Fall. ({7}) Gemessen an amerikanischen Verhältnissen haben wir in der Bundesrepublik weitaus größere Erfolge in der Verbrechensbekämpfung zu verzeichnen. Herr Präsident, Sie mahnen mich. Ich bitte um Entschuldigung, aber ich habe mich mit der Zeit offensichtlich verkalkuliert. ({8}) Ich hätte gerne noch Stellung genommen zu den Maßnahmen, die notwendig sind zur Verbesserung der Zusammenarbeit, zur Verstärkung aller Sicherheitspotentiale, die wir in der Bundesrepublik haben, beispielsweise auch unter Einbeziehung des Zolls und der Bahnpolizei, die noch gar nicht genannt worden sind. In diesem Zusammenhang muß auch gesagt werden: Wenn es um den Schutz der Bürger vor Kriminalität in unserem Lande geht, dürfen Prestigegesichtspunkte, wie wir das in der Vergangenheit erlebt haben, keine Rolle spielen. Wir müssen die internationale Zusammenarbeit verstärken. Hier gibt es ausgezeichnete Ansatzpunkte, die von der Bundesregierung angeregt worden sind, nämlich die Europakonvention zur Bekämpfung des Terrorismus, deren Ratifikation eingeleitet ist, aber auch die internationale Konvention gegen Geiselnahme, die wir bei den Vereinten Nationen in Vorschlag gebracht haben. Ich kann mich jetzt nur noch kurz fassen. Ich kann nur davor warnen, daß uns falscher Patriotismus, Länderpatriotismus weiterhin davon abhält, zu gemeinsamen Entscheidungen zu kommen, die auf Prävention abzielen, wie das beispielsweise bei der Schaffung eines einheitlichen Waffenrechts, bei der Schaffung eines einheitlichen Sprengstoffrechts der Fall gewesen ist. Ich darf in diesem Zusammenhang daran erinnern, wie weit CDU- und CSU-regierte Länder gegenüber denen gegangen sind - bis hin zu erpresserischen Methoden -, die eine solche notwendige Vereinheitlichung befürworteten. Ich empfehle, nur einmal das Fernschreiben des Herrn Filbinger 0004 an die Vorsitzenden der Fraktionen des Deutschen Bundestages nachzulesen. Das ist eine Drohung mit einem empfindlichen Übel. So etwas sollte es bei uns nicht geben. ({9}) Ich muß mich jetzt, obwohl ich noch einiges zu sagen gehabt hätte, auf einige Stichworte beschränken. Wir brauchen die Einführung fälschungssicherer Personalausweise. Solange das nicht möglich ist, hat es überhaupt keinen Sinn, über - wie von Ihnen beispielsweise vorgeschlagen - eine sogenannte Hotelmeldepflicht zu diskutieren. ({10}) - Darüber können wir uns noch unterhalten. Sie wollen mir doch nur von meiner ohnehin knappen Redezeit etwas nehmen. Das weiß ich ja. Deshalb können wir dieses Gerede zunächst zurückstellen. ({11}) Wir brauchen eine bessere Sicherung der Banken. In diesem Zusammenhang bin ich sogar der Meinung - das ist eine ganz wichtige Sache -, daß das Konzept, das bereits von Experten erarbeitet worden ist und beispielsweise auch die optische Raumüberwachung vorsieht, notfalls per Gesetz verwirklicht werden muß. Wenn dieses Konzept nicht in Vereinbarungen mit den Banken zu realisieren ist, müssen wir überlegen, ob wir entsprechende rechtliche Schritte vornehmen müssen, um die Sicherheit zu erreichen, die in diesem Punkt beispielsweise in den Vereinigten Staaten und in Österreich gegeben ist. Ich werde vom Präsidenten wegen der Zeit gemahnt; ({12}) gestatten Sie mir, den Schlußsatz zu sagen. Es bleibt eine ganze Menge zu tun, um Kriminalität und Gewaltkriminalität zu verhindern. Dabei müssen wir uns aber auch folgendes vor Augen führen. Gewaltkriminalität läßt sich wie alle Kriminalität nicht abschaffen, sondern allenfalls in erträglichen Grenzen halten. Wer die Illusion absoluter Sicherheit nährt, der handelt verantwortungslos. Ich meine, davor sollten wir uns alle hüten. ({13})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Eyrich.

Dr. Heinz Eyrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000511, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich mich darauf vorbereitete, auf die Beiträge, die bisher geleistet worden sind, einzugehen und einige Korrekturen anzufügen, manches noch zu ergänzen und auf einige Probleme hinzuweisen, hatte ich mir das Stichwort aufgeschrieben, daß die bisherige Debatte das Bemühen gezeigt habe, auf unsere Argumente einzugehen. Ich habe, den Eindruck, daß ich dies etwas zu früh aufgeschrieben habe; denn, Herr Kollege Pensky, ich muß Ihnen sagen: Die anfängliche und die am Schluß gezeigte Polemik führt uns in der Sachfrage auch nicht einen einzigen Schritt weiter. ({0}) Wenn wir hier zusammensitzen und über einen Gesetzentwurf beraten, der nichts anderes will, als eine Unsicherheit, die in unserem Volk Eingang gefunden hat, zu beseitigen und die Frage zu stellen, wie wir dem, was sich uns als Terrorismus gegenüberstellt und uns als Gewaltkriminalität begegnet, entgegentreten und das am wirksamsten bekämpfen können. Ich möchte damit beginnen - -

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Abgeordneter Eyrich, gestatten Sie, bevor Sie beginnen, vielleicht eine Zwischenfrage des Abgeordneten Pensky?

Dr. Heinz Eyrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000511, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte sehr.

Heinz Pensky (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001689, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Eyrich, stimmen Sie mir darin zu, daß sich die Koalition von der CDU/ CSU-Opposition dadurch unterscheidet, daß Sie glauben, alles nur mit Gesetzen machen zu können, während wir glauben, daß eine Reihe von Maßnahmen zu ergreifen sind, für die keine Gesetzesänderung notwendig ist, was auf unserer Meinung beruht, daß man Kriminalität mit einem Gesetz nicht abschaffen kann?

Dr. Heinz Eyrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000511, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Lieber Herr Kollege Pensky, ich glaube, wenn Sie das meinen, können wir uns in der Tat im Verlauf dieser Sitzung noch darüber unterhalten, was man mit Gesetzen machen kann. Im Laufe dieser Debatte werde ich Ihnen auch einmal vorhalten, was etwa im Programm der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen steht, das noch am 24. April 1976 verfaßt wurde. Darüber müssen wir reden. Dort stehen einige Sätze, die genau das enthalten, was man nach unserer Meinung zur Begründung dafür anführen kann, daß wir auch Gesetze brauchen, um ein Werturteil über das menschliche Verhalten abgeben zu können, gemessen an den Werten, die hier zur Disposition stehen. Darauf werde ich mit Sicherheit noch zu sprechen kommen. Wenn Sie noch eine Zeitlang zugehört hätten, wären wir möglicherweise gegenseitig in der Lage gewesen, den anderen zu verstehen, es sei denn, es handelte sich wie am Anfang und am Ende um reinste Polemik.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Abgeordneter Eyrich, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Vogel?

Dr. Heinz Eyrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000511, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte sehr.

Friedrich Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002378, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Eyrich, würden Sie dem Herrn Kollegen Pensky sagen, daß, wenn er heute morgen -

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Herr Kollege, Sie dürfen lediglich eine Frage stellen. ({0}) - „Würden Sie sagen" ist keine Frage. Sie führen hier ein Dreiecksgespräch.

Friedrich Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002378, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Würden Sie bereit sein, dem Herrn Kollegen Pensky zu sagen, daß er, wenn er heute morgen zugehört hätte, die Möglichkeit gehabt hätte, zu erfahren, daß wir das Gegenteil von dem meinen, was er gesagt hat, daß wir nämlich nicht alles Heil nur in Gesetzen sehen, aber daß wir der Auffassung sind, daß wir auch Gesetze brauchen, und daß Herr Kollege Pensky doch so freundlich sein möge, das noch einmal nachzulesen? ({0})

Dr. Heinz Eyrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000511, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich bin sehr gern bereit, Herr Kollege Vogel, die Kommunikation zwischen Ihnen und Herrn Pensky mit dieser Frage herzustellen. Ich glaube, ich kann die Frage bejahen. Heute morgen haben wir uns mit der Frage der Sicherungsverwahrung beschäftigt. Ich habe ein bißchen den Vorwurf herausgehört, Herr Bundesjustizminister, wir hätten uns nicht genügend Mühe gegeben, dieses Gesetz so zu fassen, daß es auch für Sie verständlich gewesen sei. Ich mußte mich darüber wundern: Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, daß Sie sich jemals einbilden konnten oder daß ein Beamter Ihres Hauses auf die Idee kommen konnte, wir wollten eine Sicherungsverwahrung neben einem Urteil, d. h. unabhängig von einem Urteil. § 66 Abs. 1 des Strafgesetzbuches soll unverändert bleiben. Wir schlagen in unserem Gesetzentwurf vor, § 66 Abs. 2 zu ändern und damit die Voraussetzungen, unter denen bisher eine Sicherungsverwahrung ausgesprochen werden konnte, zu modifizieren. Nichts anderes schlagen wir vor. Ich habe noch etwas anderes durchklingen hören und wäre dankbar, wenn mir von den Koalitionsfraktionen bestätigt werden könnte, daß ich diesbezüglich richtig gehört habe. Ich habe durchklingen hören, daß Sie bereit sind, in diesem Fall gemeinsam mit uns in eine ernsthafte Prüfung einzutreten. Ich habe dieses Thema deshalb aufgegriffen, weil ich glaube, daß wir uns in der Tat darüber unterhalten müssen. Wir sehen uns mit dem Erscheinungsbild eines modernen Verbrechens konfrontiert. Bei einem Täter, der Mitglied einer kriminellen Vereinigung geworden ist, die es sich zum Ziele gesetzt hat, einen Mord oder eine Geiselnahme zu begehen, handelt es sich um einen Menschen, der für sich die Entscheidung getroffen hat, gegen diesen Staat anzugehen, koste es, was es wolle. Hier ist, was die Täterpersönlichkeit und auch die Möglichkeit, gegen diesen Staat aufzutreten, angeht, ein hoher Grad von Intensität erreicht. Wenn ein solches Mitglied einer kriminellen Vereinigung eine Tat begangen hat, die mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe oder mit einer Freiheitsstrafe von 20 Jahren bedroht ist, und deswegen zu zeitiger Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt wurde, sollten wir uns wirklich die Mühe machen, zu überlegen, ob wir gegen einen solchen Mann nicht die Sicherungsverwahrung verhängen können. Ein solcher Mann wird schließlich auch nach Ende der Strafverbüßung nicht davon ablassen, weiter gegen diesen Staat zu arbeiten, und dabei in Kauf nehmen, daß weitere Menschenleben gefährdet und vernichtet werden. Dies ist eine ganz wichtige Frage, die ich mit Ihnen erörtern möchte, weil sie im Interesse der Sicherheit der Allgemeinheit des Nachdenkens wert ist. Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang ein Wort zu dem hier auch angeschnittenen Thema der Strafrahmen. Wer je geglaubt hat, daß wir der Meinung sind, einen Terroristen dadurch, daß er statt einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren nunmehr eine solche von 20 Jahren angedroht bekommt, davon abhalten zu können, weiter Terrorist zu sein, der irrt sich. Wir kennen die Einstellung dieser Leute. Ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, daß sie auch dann, wenn wir ihnen noch härtere Strafen androhten, nicht abgeschreckt werden könnten. Darum geht es bei der Frage des Strafrahmens doch gar nicht. Herr Kollege Engelhardt, ich bin Ihnen dankbar, daß Sie auf dieses Problem eingegangen sind. Natürlich dürfen wir nicht den Eindruck erwecken, als könnten wir mit der Erweiterung des Strafrahmens auf 20 Jahren den Terrorismus so bekämpfen, daß er praktisch verschwindet. Dieser Erwartung frönen wir auch nicht. Es gibt aber Punkte im Leben eines Menschen, an denen er sich möglicherweise dazu entschließt, den Weg zu gehen, den Terroristen bereits gegangen sind. Der Herr Bundesjustizminister hat heute früh selbst gesagt, daß er Strafantrag gegen Leute gestellt hat, die den Tod von Buback zum Anlaß genommen haben, auch noch Spott damit zu treiben. Wir müssen uns die Frage stellen, ob dies nicht der Beginn einer Laufbahn ist, die dann in einer terroristischen Vereinigung endet und in Mord und Totschlag einen Abschluß findet. Wenn wir dieses Umfeld mit einer erhöhten Strafe bedrohen, tun wir, wie ich glaube, nicht nur kund, daß das, was hier verbrochen wird, es wert ist, mit einer so hohen Strafe bedroht zu werden, sondern wir bringen ein Stück weit - wer würde das denn leugnen? - auch zum Ausdruck, daß wir eine solche Tat ächten wollen, daß wir Grundwerte in diesem Lande haben, die wir nicht in Frage gestellt wissen wollen. ({0}) Das ist, wie ich meine, das Entscheidende. Wir sollten nicht so tun, als ob es in diesem Lande nicht die Frage gäbe, ob wir nicht auch das Bewußtsein für eine Wertordnung in unserem Lande wiederherstellen müßten. Wenn es Sie beruhigt, möchte ich ein Zugeständnis machen: Ich glaube nicht an die sittenbildende Kraft des Strafrechts auf allen Gebieten - damit wir hier nicht aneinander vorbeireden -, aber ich glaube daran - und ich befinde mich sogar ein Stück weit in Übereinstimmung mit einem Programm, das Sie beschlossen haben - daß man mit einer Strafdrohung für ein bestimmtes Verhalten auch einen Markstein setzt und zum Ausdruck bringt: Dieses Rechtsgut muß gestärkt und geschützt werden. ({1}) Denn anders kann ich es nicht verstehen, daß in dem eben zitierten kriminalpolitischen Programm des Bundesausschusses der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen steht: Durch die Aufnahme bestimmter Tatbestände in ein Kriminalgesetzbuch ist zugleich die Bedeutung des Rechtsgutes zu verdeutlichen. Nicht mehr und nicht weniger wollen wir, wenn wir zum Ausdruck bringen, daß wir einen Strafrahmen auch um der Bedeutung des Rechtsgutes willen erhöhen wollen. Lassen Sie mich schließlich auch noch einmal eine Frage aufwerfen, die sich immer wieder stellt. Herr Kollege Kleinert, Sie haben sie angeschnitten bei Ihrem vorherigen Debattenbeitrag. Sie haben davon gesprochen, daß wir etwa beim Sexualstrafrecht Strafnormen vermindert haben und daß man nicht glauben sollte, daß man im Strafrecht nun alles machen könne. Gut, möglicherweise sollten wir uns in die Debatte im Augenblick nicht einlassen. Aber fällt Ihnen eigentlich, wenn Sie schon ein Vertreter dieser Meinung sind, nicht auf, Herr Kollege Kleinert, daß die Bundesregierung bei verschiedenen Gesetzesvorhaben, die sie diesem Hohen Hause zuleitet, jeweils verschiedene Begründungen bringt, Begründungen nämlich auf der einen Seite für eine Rücknahme der Strafdrohungen und auf der anderen Seite dafür, daß die Strafe verschärft werden müsse? Ich denke nur an das Sexualstrafrecht auf der einen und etwa den Mietwucher und die Wirtschaftskriminalität auf der anderen Seite. Vielleicht könnten wir uns einmal mit allen Fraktionen in diesem Hause darüber verständigen, was wir nun eigentlich zur Richtschnur unserer rechtspolitischen Überlegungen machen; denn das ist der entscheidende Punkt auch dieser Debatte. Wir müssen doch Klarheit darüber bekommen, nach welcher Richtschnur Rechtspolitik betrieben wird. Diese Richtschnur kann doch nur heißen: es muß dem Schutz der Allgemeinheit, es muß der Persönlichkeit des Täters, seinem Lebensweg, seinen Hoffnungen, seinen Enttäuschungen, alledem natürlich Rechnung getragen werden. Wir können doch aber nicht darauf verzichten, Unrecht Unrecht zu nennen und es auch dementsprechend zu bestrafen. Wir wären sonst am Ende eines Weges angelangt, den wir bisher gegangen sind, und wären möglicherweise auf dem Wege, wie es Rasehorn einmal beschrieben hat, „zum langen Marsch des kritischen Denkens durch die Institutionen der Justiz". Meine Damen und Herren, wir haben andere lange Märsche durch einige Institutionen erlebt, und das Recht ist so empfindlich, daß wir hier nicht auch noch den Marsch durch diese Institution unter ideologischer Begründung miterleben wollen. ({2}) Das liegt doch im Interesse aller, die in diesem Lande genau dieser Rechtspolitik unterliegen. Wir könnten uns lange darüber unterhalten - es ist immer wieder angesprochen worden -, was die Funktion dieses Rechtes ist, welche Aufgaben dieses Recht in unserer Gesellschaft hat. Ich glaube, ich habe es angedeutet und brauche nicht noch einmal darauf einzugehen. Ich meine, wir sollten uns beeilen, etwa im Rechtsausschuß zusammen mit allen, die dort tätig sind, eine klare Linie zu finden. Ein zweites Problem, das uns beschäftigt hat, ist doch zweifellos die Frage, wie wir mit den Groß1732 verfahren fertig werden, wie wir sie meistern. Ich möchte jetzt nicht darüber rechten, wer das Erstgeburtsrecht an einem § 154 a, b, c, d oder sonst etwas hat, sondern möchte einmal den Blick dafür öffnen, um was es eigentlich geht. Es ist doch gar keine Frage, daß wir die Großverfahren in den Griff bekommen müssen, und zwar aus folgendem Grunde: Die Bevölkerung sieht diese Großverfahren; sie zieht aus der Länge eines solchen Großverfahrens gewisse und oftmals falsche Schlüsse, die dann wieder zu falschen Reaktionen führen können. So wird die Bevölkerung ganz zweifellos kein Verständnis für ein Verfahren aufbringen, das einige Jahre dauert, wo jeder weiß, daß es mit einigen Gesetzesmitteln eigentlich verkürzt werden könnte. Was sagt die Bevölkerung? Sie tut doch nichts anderes, als in dieser Dauer des Prozesses eine Hilflosigkeit unseres Rechtsstaates zu sehen. Was hat das zur Folge? Die Hilflosigkeit dieses Staates führt bei vielen Leuten in unserem Volk - es sind sicherlich diejenigen, die am meisten darüber nachdenken - zweifellos zu einer Form der Resignation, die schließlich in den Zweifel einmündet, ob eigentlich für alle vor Gericht Stehenden die gleichen Regeln gelten oder ob es nicht eigentlich gut wäre, prominent genug zu sein, um, wenn man eine entsprechend schwere Straftat begangen hat, vielleicht in den Genuß eines längeren und möglicherweise auch umständlicheren Verfahrens zu kommen. Das sind die Grundprobleme, um die es geht. Auch das müssen wir unter dem Gesichtspunkt sehen, daß der Bürger einen Zweifel in die Funktionsfähigkeit unserer Justiz bekommt. Das sollte mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln vermieden werden. Herr Kollege Kleinert, ich weiß, daß Sie mich sehr schnell wieder darauf hinweisen werden, welche Antwort Sie mir schon ein paarmal gegeben haben. Aber eines ist sicher - das steht nicht in unserem Gesetzentwurf -: Ich kann unter diesem Gesichtspunkt bis zum heutigen Tag nicht verstehen, warum wir uns - ich richte diese Aufforderung auch an den Vertreter des Bundesministeriums der Justiz, Herrn Kollegen Dr. de With - eigentlich nicht noch mehr Gedanken darüber machen, wie wir dem Mißbrauch von Prozeßrechten in Zukunft begegnen wollen. Denn es ist ein ungeschriebener und zum Teil auch geschriebener Grundsatz unseres Rechts, daß demjenigen, der die ihm eingeräumten Rechte mißbräuchlich nutzt, die Frage droht, ob er ein ihm zustehendes Recht nicht verwirkt hat. Wir sollten uns darüber Gedanken machen. Das ist ein Gesichtspunkt, der das ganze geltende Recht durchzieht. Überall finden Sie Schranken für die Ausübung, die Geltendmachung des Rechts. Warum eigentlich nicht hier? Ich bin überzeugt: Wir finden bei einigermaßen gutem Willen eine Möglichkeit, das auch ins Gesetz hineinzuschreiben und klarzumachen, daß wir das nicht wollen. Natürlich - und damit wäre ich bei dem Thema, mit dem Sie sich auch alle befaßt haben - ist das eklatanteste Beispiel dafür die Frage: Werden wir in Zukunft eine Verteidigerüberwachung haben oder nicht? Werden wir die Unterhaltung des Anwalts mit seinem Mandanten auch dann dulden, wenn wir Anhaltspunkte, Verdachtsmomente, und zwar begründete Verdachtsmomente, dafür haben, daß der Anwalt das normale Vertrauensverhältnis, das zwischen einem Mandanten und seinem Anwalt sonst besteht, in ein Komplizenverhältnis umgewandelt hat? Das, meine Damen und Herren, und nichts anderes steht zur Debatte. Da müssen Sie von der FDP Farbe bekennen, ob Sie es dann wollen, daß wir um des Rechtes unseres Bevölkerung willen, in Freiheit und Sicherheit zu leben, ein Gespräch eines Anwalts, der sich selbst zum Komplizen seines Mandanten gemacht hat, überwachen sollten. Nun sind, lieber Herr Kollege Brandt, lange Erörterungen darüber angestellt worden, ob wir nun eigentlich neue Gründe hätten, um hier diesen § 148 wieder zu bringen. Ich frage mich immer: Wozu werden eigentlich Sondersitzungen des Innenausschusses und des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages anberaumt? Wozu werden dort eigentlich Berichte gegeben, die genau das bestätigen, was wir seit Jahren sagen? Jetzt muß ich Ihnen einmal folgendes sagen. Was soll es eigentlich heißen, wir seien diejenigen, die bezüglich § 148, der Verteidigerüberwachung, immer dasselbe erzählten? Sie müssen sich entgegenhalten lassen, daß Sie jedes Vierteljahr etwas anderes darüber sagen. Anders ist es doch nicht zu begreifen, daß der Bundesjustizminister eine Formulierung über die Verteidigerüberwachung bringt, die der unsrigen bis auf Punkt und Komma nahezu gleicht. Aber nun plötzlich will kein Mensch von dieser Koalition mehr etwas von der Verteidigerüberwachung hören. Natürlich kommt immer wieder die Frage: Ist das denn wirksam? Können wir mit diesem Instrument -überhaupt etwas anrichten? Ich habe mal gehört, es wäre ja schlimm, wenn man da einen etwas älteren Richter hinsetzen würde, der überhaupt nichts mehr von dem, was die beiden sprechen, verstehen würde. Da müssen wir entweder einen Jüngeren oder jemanden hinsetzen, der das, was dort gesprochen wird, versteht. Vielleicht sollte man dem Herrn Bundesjustizminister bei der Überlegung, die er heute früh im Gegensatz zu seiner Überlegung vom 12. Juni 1975 angestellt hat, etwas nachhelfen. Heute früh hat er gesagt, diese Verteidigerüberwachung wäre nicht wirksam genug. Das hat er gesagt, weil es in einer Koalition wohl so üblich ist, daß der eine nachgibt und der andere obsiegt. Denn am 12. Juni 1975 hat er gesagt - ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren -: Es sind Zweifel an der Wirksamkeit - so damals der Bundesjustizminister, Herr Dr. Vogel, einer solchen Maßnahme geäußert worden. Meine Damen und Herren, ich stimme jedem zu, - so Herr Vogel Dr. Eyrich der sagt, eine solche Maßnahme könne keinen absoluten Schutz bieten. Natürlich verbleiben noch bestimmte Möglichkeiten, auch wenn ein Richter dabei sitzt. Ich sage aber ebenso klar, - das sind die Worte des Bundesjustizministers daß die Gefahr des Mißbrauchs durch die Anwesenheit des Richters entscheidend verringert wird. Ich glaube, wir können in dieser Situation auf mögliche Mittel zur Verringerung der Gefahr nicht deswegen verzichten, weil wir nicht eine 100% ige Sicherheit, sondern nur eine 50- oder 55% ige Sicherheit erreichen. Das ist der Schluß des Zitats des Bundesjustizministers Dr. Vogel. Man kann anfügen, daß das Protokoll anschließend vermerkt: „Beifall bei der SPD." Ich wünsche, der Beifall hätte wenigstens so weit gereicht, daß die, die Beifall gespendet haben, sich damals dazu entschlossen hätten, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen; dann wäre er nämlich heute schon Gesetz. Das muß man dazusagen. Auch der Herr Bundeskanzler muß sich entgegenhalten lassen, daß er hier nicht erklären kann, er sei schon immer für die Verteidigerüberwachung gewesen. Denn es gibt auch für den Bundeskanzler die Möglichkeit, mit denen zu stimmen, mit denen er sonst nicht einiggeht. In einer solchen Frage sollten wir etwas mehr an die denken, die bedroht sind, und weniger an die, die aus parteipolitischer Rücksicht eine bestimmte Haltung nicht einnehmen können. Stehen wir denn rechtsstaatlich eigentlich allein wie eine Insel da? Was für Möglichkeiten bestehen im Ausland - das ist oft zitiert und auch heute früh angeführt worden - in Staaten, die oft genug von Ihnen als Zeugen rechtspolitischen Fortschritts angezogen worden sind, etwa in Schweden und den Niederlanden! Für die Leute dort ist eine solche Haltung selbstverständlich - wahrscheinlich, weil sie mit dem Rechtsstaat selbstverständlicher umgehen können, als wir es im Augenblick bereit zu sein scheinen. ({3}) Zum Schluß möchte ich mit Ihnen ganz kurz noch eine Frage erörtern. Der Versuch, die CDU/CSU immer ein bißchen in die Ecke zu stellen, als habe sie sich mit dem Rechtsstaat etwas schwer getan, muß in jedem Fall scheitern. Zum Rechtsstaat gehört es, daß er dem Bürger die Garantie zu geben hat, daß er frei von Angst leben kann, und daß der Bürger weiß, daß seine Sicherheit gewährleistet ist. Rechtsstaat bedeutet die Pflicht zur Abwägung des Freiheitsraums des einzelnen gegen die Interessen aller anderen, die ebenfalls einzelne sind und einen Freiheitsraum beanspruchen. Rechtsstaat bedeutet Einräumen von Freiheiten, die freilich bedingen, daß der andere den Freiheitsraum des Nächsten ebenso anerkennt. Und Rechtsstaat bedeutet immer das Bemühen, eine Möglichkeit zu finden, den Menschen die Gewißheit zu geben, daß dieser Staat alles tut, um ihre Sicherheit zu gewährleisten, unter Abwägung, was mit einem Mann, der sich Anwalt nennt, geschehen soll, wenn er sich zum Komplizen und damit zum Mittäter derer gemacht hat, die diese Gesellschaft bedrohen. ({4})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat der Abgeordnete Emmerlich.

Dr. Alfred Emmerlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000468, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bundesjustizminister und nach ihm Herr Kleinert haben sich in vorsichtiger Weise optimistisch zu der Frage geäußert, ob es uns gelingen wird, wenigstens bei der Bekämpfung des Terrorismus die Diskussion und die Auseinandersetzung freizuhalten von unterschwelligen Verdächtigungen und von dem Versuch, um jeden Preis parteipolitisches Kapital aus dieser Diskussion und der Auseinandersetzung zu schlagen. Ich teile diesen Optimismus, schon deshalb, weil es notwendig ist, daß wir uns in dieser Frage so und nicht anders verhalten. Aber haben Sie bitte Verständnis dafür, daß ich angesichts mancher anderer Töne, die hier - mehr am Rande allerdings - auch angeklungen sind, daß ich angesichts der Rede des Führers der Opposition am 20. April dieses Jahres im Deutschen Bundestag und angesichts einer Reihe von Äußerungen, auf die mein Kollege Penner am 20. April hingewiesen hat, folgendes in aller Eindeutigkeit und ohne jede Aggressivität hier feststelle: Wir können es einfach nicht dulden, daß irgend jemand uns, die SPD insgesamt oder, wie Herr Kohl sich auszudrücken beliebt, bestimmte Kreise der SPD, in die Nähe, in - um wiederum Herrn Kohl zu zitieren - das geistigintellektuelle Umfeld des Terrorismus rückt. Wer Teile der SPD mit dem Terrorismus in einen Zusammenhang bringt oder sie des Extremismus bezichtigt, der kündigt die Gemeinsamkeit der Demokraten auf. ({0}) - Wissen Sie, ich finde, diese Bemerkungen sind geradezu geeignet, das zu unterstreichen, was ich hier gesagt habe. Wenn Sie Herrn Steffen und auch Herrn Benneter in diesem Zusammenhang als Beispiel erwähnen, dann muß ich Sie fragen: Wollen Sie damit sagen, daß das, was für die SPD insgesamt in bezug auf den Terrorismus und den Extremismus gelten mag, für Herrn Benneter und für Herrn Steffen nicht gilt? ({1}) - Sie nicken. Ich bedaure Sie. ({2}) Lassen Sie mich noch einen Satz hinzufügen: Wer die Gemeinsamkeit der Demokraten, wer den Grundkonsens der Demokraten aufkündigt, trägt al1734 lein die volle Verantwortung für alle Konsequenzen, die sich daraus ergeben. ({3}) Selbst auf die Gefahr hin, mißverstanden und mißdeutet zu werden, wende ich mich auch in aller Entscheidenheit dagegen, daß Herr Kohl und andere Einzelpersonen und Gruppen, die nicht zu uns gehören, die uns im Gegenteil kritisch, ja sogar in politischer Gegnerschaft gegenüberstehen, in das hineinrühren, was er den ideologischen Nährboden des Terrorismus nennt. ({4}) Systemkritik, auch wenn sie an die Wurzeln geht, in diesem Sinne also „radikal" ist, muß zulässig sein und bleiben, selbst dann, wenn sie uns Demokraten total in Frage stellt. Ein Weiteres: Das Nachdenken über Utopia, das Streben nach einer besseren, einer heilen Welt ohne Unterdrückung und ohne Zwang ist nicht nur erlaubt, das ist für eine Gesellschaft notwendig. ({5}) Wir wollen keine Ordnung, in der das verboten ist und zu Verunglimpfungen und zu Sanktionen führt. ({6}) Im übrigen kann ich mir sehr gut vorstellen, mit welcher Befriedigung Baader, Ensslin und Haag gehört und gelesen haben, wie weit Herr Kohl hier im Deutschen Bundestag den Kreis ihrer Helfer und Helfershelfer gezogen hat. Ich möchte noch eine Anmerkung zu der Rede von Herrn Kohl machen. Herr Kohl hat law and order beschworen. Er hat gesagt, Gesetz und Ordnung seien ein zutiefst rechtsstaatliches Begriffspaar, und er hat sich darüber beklagt, daß wir dieses Begriffspaar zu einer Beschimpfung für die CDU/CSU gemacht hätten. ({7}) Ich stimme Herrn Kohl insofern zu: Ohne Verfassung und Recht wäre der einzelne schutzlos vor dem Stärkeren und gäbe es keinen inneren Frieden. Ohne Gesetz können Gerechtigkeit und Freiheit nicht verwirklicht werden. Aber die Rechtsordnung und das Gesetz - wir haben das in unserer jüngsten Geschichte ja leidvoll erfahren - gewähren nicht notwendigerweise Freiheit und Gerechtigkeit. Mit ihrer Hilfe kann auch genau das Gegenteil bewirkt werden. Recht und Gesetz sind unverzichtbar; ihre formale Existenz allein aber genügt nicht. Recht und Gesetz müssen wertbezogen sein, z. B. auf Gerechtigkeit, auf Freiheit, auf soziale Verpflichtung sich orientieren, um Verbindlichkeit, also einen moralisch-ethischen Anspruch auf Beachtung und Durchsetzung, zu begründen. Noch ein Wort zur Frage der Gewaltanwendung. Es darf nicht im mindesten am staatlichen Machtmonopol gerührt werden, daran, daß niemand sich sein Recht oder das, was er dafür hält oder als solches ausgibt, selbst nehmen darf. Gewaltanwendung, ob gegen Personen oder gegen Sachen, kann und darf nicht geduldet werden. ({8}) - Wissen Sie, wenn ich zu allen Äußerungen von Wissenschaftlern, denen ich kritisch gegenüberstehe, Stellung nehmen wollte, wäre das eine Vollbeschäftigung, für die 24 Stunden am Tag nicht ausreichten. ({9}) - Ich glaube, wir sollten bei Wissenschaftlern eine derartige Kategorisierung nicht vornehmen. Wir sollten uns mehr an dem Inhalt ihrer Aussagen orientieren als an derartigen Gesichtspunkten. Wer das, was ich eben gesagt hatte, nicht respektiert, den müssen die dafür nach Recht und Gesetz vorgesehenen Folgen treffen; er kann sich mit seinen guten Absichten nicht entschuldigen. Womit aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, können wir diesen absoluten Anspruch des Rechts begründen, was legitimiert den Gewaltverzicht, den unser Staat seinen Bürgern abverlangt? Nicht allein, aber aus meiner Sicht vor allem der Tatbestand, daß es bei uns die Möglichkeit gibt, auf friedliche Weise, ohne Gewaltanwendung eine Änderung der Rechtsordnung erreichen zu können; Mißstände, Ungerechtigkeit, Unfreiheit und unverantwortlichen Egoismus gewaltlos bekämpfen zu können. Die Reformfähigkeit von Gesellschaft und Staat als Legitimation für die Verbindlichkeit der Rechtsordnung - das ist nach meiner Meinung eine Einsicht, die bei Ihnen, bei der CDU/CSU, häufig zu sehr gegenüber dem Wunsch in den Hintergrund tritt, die vorhandene Ordnung zu bewahren. Genau das ist es, was wir meinen, wenn wir Ihre zu einseitige Orientierung an „law and order" kritisieren. ({10}) Herr Kohl hat hier - und ich bin ihm dafür dankbar - am 20. April gesagt, daß es einen absoluten Schutz gegen Terrorismus nicht gibt, obwohl die Bevölkerung einen solchen absoluten Schutz erwartet und wir ihn mindestens wünschen würden. Die sich aus diesen Tatbeständen ergebende unvermeidliche Differenz zwischen dem, was mit Recht gewünscht wird, und dem, was machbar ist, berechtigt aber niemanden dazu, den Eindruck zu erwekken, diese Differenz beruhe auf Versäumnissen, auf einem Versagen oder Schlimmerem der für die innere Sicherheit politisch und fachlich Verantwortlichen. Was die Bekämpfung des Terrorismus anlangt, so muß sie sich aus meiner Sicht auf verschiedenen Aufgabenfeldern vollziehen. Sie muß erstens das Ziel verfolgen, die Operationsfähigkeit der Terroristen zu beseitigen, die Terroristen total von der Bevölkerung zu isolieren und eine breite .Solidarisierung der Bevölkerung mit denjenigen herbeizufühDr. Emmerlich ren, die den Kampf gegen den Terrorismus unmittelbar zu tragen und durchzuführen haben. ({11}) Das zweite Aufgabenfeld ist es, dafür zu sorgen, daß diejenigen, die sich terroristischer Gewalttaten schuldig gemacht haben, so schnell wie möglich hinter Schloß und Riegel gebracht werden. Der dritte Bereich ist der, daß sie dann, wenn sie inhaftiert sind, unverzüglich ihrer gerechten Bestrafung zugeführt werden. - Mit diesem dritten Aufgabenfeld befassen sich die vorliegenden Gesetzesinitiativen. Die Tatsache, daß zu den beiden ersten, nicht minder wichtigen - ich würde meinen, viel wichtigeren - Aufgabenbereichen von Ihnen keine Initiativen eingebracht werden, rechtfertigt, glaube ich, die Frage, die ich an Sie richten will: Sind Sie der Auffassung, daß die Bundesregierung auf diesen Aufgabenfeldern in der Vergangenheit das Mögliche und Machbare geleistet hat? Dann sollten Sie das auch gelegentlich einmal zum Ausdruck bringen; das würde nicht schaden. ({12}) In den vorliegenden Gesetzentwürfen wiederholt die Opposition nahezu unverändert Vorschläge, die sie in früherer Zeit bereits vorgelegt und die der Bundestag nach sorgfältiger Beratung unter Einbeziehung aller damals bekannten Tatbestände abgelehnt hat. Das Recht der Opposition zu einem solchen Verfahren kann nicht bestritten werden. Ob es sich dabei allerdings um einen konstruktiven Beitrag handelt, ist dann zweifelhaft, wenn diese alten Vorschläge wiederholt werden, ohne daß neue Erkenntnisse vorliegen oder wenigstens neue Argumente angeführt werden können. Herr Kollege Eyrich, ich habe Ihre Bemerkung zu diesem Teil unseres Disputs aufmerksam zur Kenntnis genommen. Ich bedaure, daß ich gleichwohl diese Feststellung aufrechterhalten muß. Ich habe den Eindruck - das soll kein gravierender Vorwurf sein -, daß Sie sich bei der Wiedervorlage dieser Vorschläge auch - nicht nur, aber auch - von Erwägungen leiten lassen, die nicht im Zentrum der Sache liegen, z. B. von der Absicht, den Terroranschlag auf den Generalbundesanwalt Buback und seine Begleiter in einen Zusammenhang mit den Ihre Anträge zurückweisenden Beschlüssen des Deutschen Bundestags zu bringen. Sicherlich - wer wollte Ihnen das übelnehmen? - wollen Sie auch Ihrer Kritik an diesen Entscheidungen mit Hilfe einer Neuauflage solcher abgelehnten Gesetzesinitiativen neue Publizität verschaffen. Was nun die Überwachung von Gesprächen zwischen Verteidigern und inhaftierten Beschuldigten anlangt, so ist dazu hier Zutreffendes von beiden Seiten gesagt worden. Von beiden Seiten - hier hat ja nicht einer das Monopol der richtigen Erkenntnis, sondern es dreht sich darum, für welche der Auffassungen mehr als für die andere spricht. Das ist klar. Ich möchte aber das, was Herr Engelhard in diesem Zusammenhang ausgeführt hat, noch unterstreichen und etwas ergänzen. Nach Ihren Vorschlägen wird das Gespräch mit dem Verteidiger abgebrochen, wenn es zu beanstanden ist. Der nächste Verteidigerbesuch darf dann frühestens erst am dritten Tage danach stattfinden. In Verfahren gegen Terroristen wird das häufig dazu führen, daß das Verteidigergespräch überhaupt unterbrochen werden muß. Die Terroristen haben es nämlich in der Hand, durch eine nur verdächtige Art der Gesprächsführung - Benutzung einer Fremdsprache oder einer Schlüsselsprache - immer wieder den Gesprächsabbruch zu provozieren, ohne daß konkrete Anhaltspunkte für konspiratives Zusammenwirken beweisbar sind. Auf diese Weise kann in Teilen der Bevölkerung der Anschein erweckt werden, daß die Verteidigung ohne vorbereitende Gespräche geführt werden muß, daß daher eine Beeinträchtigung der Verteidigungsmöglichkeit gegeben sei, die mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht in Einklang stehe, daß also kein fair trial stattfinde. Dadurch entsteht wiederum die Gefahr, daß das noch vorhandene Helfer- und Sympathisantenumfeld nicht nur nicht abgebaut werden kann, sondern neuen Zulauf erhält. Die Operationsfähigkeit der Terroristen würde dadurch nicht verringert, sondern gestärkt. Eine derartige Unterstützung der Terroristen wollen wir alle nicht. Darum sollten wir uns bei jeder Maßnahme, die hier vorgeschlagen wird, auch darüber schlüssig werden, ob sie nicht mittelbar eine derartige Auswirkung auf die Terroristenszene und ihr Umfeld haben kann. Lassen Sie mich Ihnen, Herr Kollege Eyrich, bestätigen, daß wir die Problematik durchaus sehen, die darin liegt, daß ein zur Fortsetzung seiner terroristischen Aktivitäten entschlossener Terrorist nach Verbüßung seiner Strafe entlassen wird und am Tor der Haftanstalt in einer Pressekonferenz erklärt: „Und der Kampf geht so weiter, wie ich ihn vor fünf, sechs Jahren habe beenden müssen." Dieses ist eine Problematik, der wir uns stellen müssen. Hier müssen wir das Sicherungsbedürfnis der Bürger unseres Landes sehen. Wir dürfen es nicht geringschätzen. Aber, Herr Eyrich, wir beide sind uns sicher darüber einig, daß ein ausschließlich am Sicherungszweck orientiertes, gleichsam ein Maßnahmerecht auch nicht der richtige Weg ist. Wir müssen, glaube ich, die Beratungen benutzen, um hier zu einer Lösung zu kommen, die wir auch unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten verantworten können. ({13}) Lassen Sie mich noch etwas zu den Großverfahren sagen. Natürlich, Herr Kollege Eyrich, wie Sie gesagt haben, daß das so nicht optimal ist, wie es bisher läuft, ist klar. Aber, Herr Kollege Eyrich, lassen Sie uns doch abwarten, bis die Bund-LänderKommission und - auf dieser Grundlage - die Bundesregierung ihre Vorschläge vorgelegt haben, um dann Ihre und die anderen Vorschläge gemeinsam zu beraten, damit wir die Gewißheit haben, von der breitesten und sorgfältigst erarbeiteten Beratungsgrundlage auszugehen. Ich glaube, auf dieser Basis können wir uns treffen. Ich darf noch eine abschließende Bemerkung machen. Niemand sollte sich oder andere darüber täuschen: Die SPD wird sich von niemandem übertreffen lassen, wenn es um die entschlossene und wirksame Bekämpfung des Terrorismus geht. Von verbaler Kraftmeierei und uneffektiven Aktionen der besseren Optik wegen oder aus Effekthascherei halten wir allerdings nichts. Wir machen auch nicht mit, wenn der Kampf gegen den Terrorismus dazu benutzt werden soll, die Rechtsreform zu stoppen, die Rechtsreform zu revidieren und das Rad der Geschichte wieder zurückzudrehen. ({14}) Mit dieser Maßgabe sichern wir Ihnen eine unvoreingenommene und faire Beratung Ihrer Vorlagen zu. ({15})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wolfgramm.

Torsten Wolfgramm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002557, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Auf die Frage: Was haben die Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen getan, um die Terroristen zu bekämpfen? hat Burkhard Hirsch heute vormittag die organisatorischen und polizeilichen Maßnahmen aufgezeigt, und der Bundesjustizminister hat die prozessualen und materiellstrafrechtlichen Positionen hier vorgetragen. Es ist von den Rednern meiner Fraktion schon deutlich gemacht worden, Herr Kollege Eyrich, daß wir die Vorschläge der Opposition sorgfältig und intensiv prüfen werden. Ich begrüße hier auch ausdrücklich für uns den Stil dieser ausgewogenen Debatte. die dem Anlaß entsprechend und gemäß ist. Aber wir werden uns bei der Prüfung der Vorschläge auch nicht von grundsätzlichen rechtsstaatlichen liberalen Vorstellungen trennen. ({0}) Was ist das Ziel der Terroristen? Es ist doch wohl augenscheinlich das Ziel der Terroristen, nicht nur Gewalttaten zu begehen, sondern diese Gewalttaten ganz bewußt als Angriff auf die Rechtsordnung dieses Staates zu benutzen, um die Demokratie zu veranlassen, die rechts- und freiheitsstaatlichen Prinzipien gegenüber den Bürgern einzuschränken. Diese erhoffte Reaktion soll dann die Terroristen rechtfertigen, rechtfertigen in ihren Pamphleten, in denen sie schreiben, daß dieser Staat ein Unrechts-und Polizeistaat sei. Sie möchten eine solche Überreaktion dafür nutzen, den Kreis der Staatsverdrossenen zu erweitern und damit in ihren Sympathisantenbereich zu ziehen und Teile davon in den Untergrund und in den Terror zu bringen. Wir haben in der Debatte über die Terroristenbekämpfung deutlich gemacht, daß wir nicht bereit sind, diese Essentials unserer liberalen Prinzipien einzuschränken. Dazu gehört in besonderer Weise das Recht, daß jeder Beschuldigte - wer es auch immer sei und wessen er auch immer beschuldigt wird - Anspruch auf eine wirksame Verteidigung haben muß. Wir sehen dieses Prinzip bei der Überwachung der Gespräche zwischen Inhaftiertem und Verteidiger - sei es auch durch einen Richter, also anders als in Ihrem Vorschlag ({1}) grundsätzlich und tatsächlich tangiert, Herr Kollege, und eine wirksame Verteidigung in Frage gestellt. Auch der Mißbrauch, der damit durch einen pflichtvergessenen Verteidiger getrieben werden kann, kann uns von dieser Position nicht abbringen. Was die Frage angeht, ob beim leisesten oder mittleren Verdacht eine solche Überwachung durchzuführen sei, so meine ich, daß hier nur ein beweisbarer Verdacht in Frage stehen kann. Dann allerdings ist das Mittel des Ausschlusses ein gerechtfertigtes Mittel, nicht aber die Überwachung. Im übrigen, wenn ich das noch anmerken darf, Herr Kollege Eyrich: Bei seinem Bericht im Rechts-und Innenausschuß hat Bundesanwalt Kaul in sehr abgewogener und sehr differenzierter Weise vorgetragen, daß er dazu noch keine feste Meinung habe. Er hat sowohl Positiv- als auch Negativgründe dafür angeführt. ({2}) - Er hat gesagt, daß er keine feste Meinung dazu habe und daß er diese Sache für sich noch sehr sorgfältig prüfen möchte. ({3}) Ich glaube, es ist im Protokoll nachzulesen. Das ist eben nicht die Haltung, Herr Kollege, die Ihr Fraktionsvorsitzender eingenommen hat, der nämlich in der Debatte vom 20. April - ich habe das sehr genau vermerkt - gesagt hat, daß es gelte, in diesen Dingen ohne Wenn und Aber schnell zur Tat zu schreiten. Das ist, um es hier ganz deutlich zu sagen, nicht unsere Position. Das ist vielmehr die Position, die ohne genaue Prüfung Emotionen nachgeben will. Genau das müssen wir vermeiden, das müssen wir verhindern. Ich gebe zu: Wenn die Ansicht, daß eine Verschärfung des materiellen Strafrechts bei der Bekämpfung des Terrorismus einen durchschlagenden Erfolg verspräche, durch die Praxis eindeutig zu belegen wäre, dann wären die Rechtsgüter sicher abzuwägen. Aber die Beispiele in der ganzen Welt zeigen, daß sich terroristische Gewalttäter durch nichts schrecken lassen: weder durch die Todesstrafe, die hier niemand will, noch durch die Ausdehnung zeitlicher Freiheitsstrafen. Dies beobachten wir in den Vereinigten Staaten, Herr Kollege Eyrich, wir beobachten es - Sie haben ja vorhin das Ausland angesprochen - in Irland, in Spanien und Italien, wo erst vor kurzem ein Abgeordneter entführt und ein Staatsanwalt erschossen worden ist. Ganz sicher treten hier vielfältigste nationale, religiöse, rassistische oder rein kriminelle Motive auf. Aber keine einzige Regierung dieser Länder - und zum Teil sind diese Regierungen in der Anwendung der staatlichen Macht und in der Auslegung der Rechte der Beschuldigten nicht sehr Wolfgramm ({4}) penibel hat den Terrorismus durch noch so scharfe Maßnahmen, die die Freiheit der Bürger naturgemäß einengen müssen, verringern können. Wir meinen, der Erfolg, die Täter zu ergreifen - das ist es, worauf es ankommt -, beruht auf der exakten und personell ausreichend ausgestatteten polizeilichen Ermittlungsposition und der Beweisbeschaffung. Das ist im Grunde der Kern der Position. Ich meine, wir haben durch die Ausrüstung des Bundeskriminalamtes - ich will die Zahlen hier nicht wiederholen; sie sind bekannt - und die tatsächliche Ausstattung eine Fülle von Möglichkeiten geschaffen, die sich auch als erfolgreich erweisen. Ich möchte an dieser. Stelle allen Polizei- und Ermittlungsbehörden den Dank meiner Fraktion aussprechen, die sich in engagiertem selbstlosen Einsatz dieser Konfrontation mit den Terroristen stellen und dabei ihr Leben aufs Spiel setzen. Wir sind aber alle aufgerufen, die geistige Auseinandersetzung mit den Sympathisanten, mit der Sympathisantenszene zu führen, von der wir im Innenausschuß gehört haben, daß sie im weiteren Bereich etwa 4 000 bis 5 000, im engeren Bereich etwa 300 bis 400 Personen umfaßt. Diese Auseinandersetzung sollte offensiv geführt werden. Das beginnt damit, daß wir, die Medien und alle, die im öffentlichen Leben stehen, 'deutlich machen müssen, daß der Standpunkt, die Terroristen könnten einen politischen Anspruch für ihre Vorstellungen erheben und setzten nur die falschen Mittel ein, nicht hingenommen werden darf. Es muß ein Ende haben mit solcher Art von versteckter Sympathie. Wer diese teilt, macht sich mitschuldig, macht sich auch an Morden mitschuldig, die er selbst vielleicht nicht gewollt hat. Ich darf an dieser Stelle ausdrücklich die Veröffentlichungen in den AStA-Blättern in Göttingen und Braunschweig verurteilen, die tatsächlich ein Vorfeld einer solchen terroristischen Position beinhalten. ({5}) Aber wir werden diese Auseinandersetzung auch mit denjenigen führen müssen, die durch eine Art Staatsverdrossenheit in eine Distanz zu unserem Rechtsstaat gekommen sind. Wir werden die Ursachen für die Unzufriedenheit des Bürgers intensiver als bisher prüfen müssen, seien es Bürgerinitiativen in Bereichen, in denen die Parteien ihre Führungsaufgaben vernachlässigt haben, seien es strukturelle Probleme wie z. B. die Jugendarbeitslosigkeit. Weil die Bürgerinitiativen gerade in den letzten Wochen und Monaten - wir haben ja die Filme im Innenausschuß gesehen - in eine problematische Position gekommen, ins Zwielicht gerückt worden sind, möchte ich ausdrücklich feststellen: Bürgerinitiativen, die ihre Ansichten mit legalen Mitteln in friedlicher Weise durchsetzen wollen, haben bei der Artikulation von gesellschaftlichen Mißständen ihren Platz in diesem Staat. Das ist eine liberale Position. Wir wollen alle die, die sich innerlich von diesem Staat entfernt haben, nicht ins Abseits stellen, sondern wir werden aktiv versuchen, sie wieder an diesen Staat zu binden. Wir werden uns darum bemühen, daß sich jeder Bürger mit diesem freiheitlichen Rechtsstaat identifizieren kann. Aber wir werden weiterhin jede Anstrengung unternehmen, die Bürger vor Terror zu schützen. Diejenigen, die sich mit Gewalt und Terror außerhalb dieses Rechtsstaats stellen, können von keiner Seite auf Verständnis hoffen. Sie trifft die volle Schärfe des Gesetzes. ({6})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Die Vorlage unter 2 a der Tagesordnung - Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Beschleunigung strafrechtlicher Verfahren - soll dem Rechtsausschuß überwiesen werden. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen. Die unter 2 b der Tagesordnung aufgeführte Vorlage zur Bekämpfung von Terrorismus und Gewaltkriminalität sowie zum Schutz des inneren Friedens soll dem Rechtsausschuß - federführend - und dem Innenausschuß - mitberatend überwiesen werden. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll in der nächsten Woche wegen des am Mittwoch stattfindenden Staatsakts für den verstorbenen Altbundeskanzler Professor Dr. Ludwig Erhard nur am Donnerstag eine Fragestunde von 90 Minuten stattfinden. Da hiermit von der Geschäftsordnung abgewichen wird, muß das vom Bundestag nach § 127 der Geschäftsordnung mit Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder beschlossen werden. Ich frage, ob das Haus damit einverstanden ist. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so be-. schlossen. Ich rufe nunmehr Punkt 3 der Tagesordnung auf: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, .FDP Enquete-Kommission Frau und Gesellschaft - Drucksache 8/305 Das Wort hat Frau Abgeordnete Schleicher.

Ursula Schleicher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001980, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Plenarsitzungen des Bundestages sind Frauen selten Gegenstand der Diskussion. Es gibt allerdings kaum einen verständlichen Grund dafür, daß dies so selten der Fall ist. Wenn allerdings ein politischer Wille vorhanden wäre, um diesen Zustand zu ändern, so sollte sich in einem Parlament dieser Wille auch durchsetzen. Wie steht es nun mit dem politischen Willen, die besonderen Anliegen der Frauen nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern sie auch zu behandeln? Anlaß der heutigen Debatte ist die Wiedereinsetzung der Enquete-Kommission Frau und Gesellschaft, die. bereits in der 7. Legislaturperiode tätig war, deren Arbeit aber noch nicht beendet war, noch nicht beendet sein konnte. Ich habe nach dem politischen Willen gefragt. Die Einsetzung der Kommission dürfte ein Beweis dafür sein, daß man bereit ist, sich mehr als zuvor um die besonderen Fragen der Frauen zu kümmern. Damit ist aber gleichzeitig an diese Kommission ein so umfassender Auftrag erteilt, daß ich ihn mir kaum breiter vorstellen kann. Um welchen Personenkreis handelt es sich eigentlich, der von dieser Enquete-Kommission untersucht werden soll? Ende 1975 lebten in Deutschland zirka 61,6 Millionen Menschen, die zur sogenannten, Wohnbevölkerung zählen. Davon waren 32,2 Millionen Frauen und 29,5 Millionen Männer. Frauen sind demnach in der Bevölkerung in der Mehrheit, Männer sind zahlenmäßig in der Minderheit. Dies ist denjenigen bewußt, die sich mit Politik befassen; aber die Probleme, die sich daraus ergeben, sind umfassend nur jenen bekannt, die sich hauptsächlich darum kümmern. Ich möchte deshalb heute die Gelegenheit benutzen, einmal zu versuchen, in diesem Hohen Hause Zusammenhänge aufzuzeigen, die den gesamten Komplex betreffen, die aber auch zeigen, wie eng die gesamte Politik, die Sorge um unsere Zukunft und die Bewältigung der anstehenden Probleme miteinander verwoben sind. Diese Schwierigkeiten können ohne die Frauen nicht gelöst werden. Die durchschnittliche Lebenserwartung unserer heutigen Bevölkerung hat ein sehr hohes Niveau erreicht und liegt zahlenmäßig an der Weltspitze. Schon aus einer genaueren Prüfung der Zahlen ergeben sich erste Probleme. Die durchschnittliche Lebenserwartung der Männer ist nämlich geringer als die der Frauen: Durchschnittlich haben die Frauen eine Lebenserwartung von 73,5 Jahren, die Männer aber lediglich eine von etwa 68 Jahren. Mit dieser Feststellung möchte ich den Anwesenden keinen Schrecken einjagen, weder den Männern noch den Frauen; ({0}) denn es handelt sich nur um eine Durchschnittszahl, und jeder hat die Möglichkeit, durch seinen persönlichen Lebensstil zumindest einen eigenen Beitrag zu leisten, um Einfluß auf die eigene Lebensdauer zu nehmen. Pauschal bedeutet diese Durchschnittszahl: Männer sterben früher, und Frauen bleiben allein übrig. Dies ist weder für Männer noch für Frauen wünschenswert. Gründe dafür sind einmal in der traurigen Bilanz von zwei Weltkriegen zu finden, zum anderen aber vielleicht auch in der Überbelastung der Männer. An dieser Stelle möchte ich von seiten der Frauen ein Angebot machen, das diskutabel sein müßte. Frauen sind bereit, Aufgaben, die bisher fast ausschließlich von Männern bewältigt wurden, mitzutragen, die Männer zu entlasten und damit den Männern zu einem angenehmeren Lebensabend zu verhelfen. ({1}) Noch ist dies aber nicht möglich. Die Widerstände sind fast unverständlich; aber vielleicht sind sie auch nur deshalb vorhanden, weil wir noch zu wenig über diese Dinge gesprochen haben. Eine andere Lösung wäre die Einführung einer neuen Aufgabenteilung, bei der die Aufgaben gleichmäßig, gleichwertig auf beide Seiten verteilt werden und jede Leistung gerecht honoriert wird. Es steht aber fest - damit komme ich zu dem Problem, das ich angesprochen habe -: In allen Ländern der Welt, in denen die Lebenserwartung der Frauen höher als die der Männer ist, ist die soziale Sicherung der überlebenden Frauen schlechter als die der überlebenden Männer. Das ist sehr kompliziert, und ich versuche, das noch einmal etwas einfacher auszudrücken. Überleben die Männer, so haben sie in der Regel ganz gut für sich vorgesorgt. Überleben die Frauen, so waren sie oft selbst nicht in der Lage, ebensogut für sich vorzusorgen. Beim Überleben eines Ehepartners führt das dazu, daß Männer in der Regel materiell besser als Frauen versorgt sind. Das ist in allen Ländern der Welt so. Auch in Deutschland liefern die Zahlen über den Lebensunterhalt der über 65jährigen den Beweis dafür. In diesem Bereich der über 65jährigen gibt es unter den Sozialhilfeempfängern zwei Drittel Frauen und nur ein Drittel Männer. Wenn heute über die negative Bevölkerungsentwicklung in unserem Lande diskutiert wird - Sie wissen ja, wir gehören zu den Ländern mit der niedrigsten Geburtenrate in der. Welt -, wird immer wieder auf den sogenannten Pillenknick verwiesen. Ich bin fest davon überzeugt, daß die Pille nicht der eigentliche Grund für diese Entwicklung ist. Frauen können sich sehr wohl nüchtern ausrechnen, daß die eigene Erwerbstätigkeit ihnen auf Dauer eben auch mehr materielle Bewegungsfreiheit gibt und sie somit weniger Sorgen im Hinblick auf das Auskommen im Alter zu haben brauchen. Die Tätigkeit der Hausfrauen, die auch als volkswirtschaftliche Leistung zu sehen ist, hat besonders für die jungen Frauen nicht mehr den Ausschließlichkeitscharakter, wie es vielleicht noch vor zehn oder zwanzig Jahren der Fall war. Auch die vermehrten Ehescheidungen - in den letzten Jahren waren 80 000 bis 100 000 pro Jahr zu verzeichnen - treffen jeweils 80 000 bis 100 000 Frauen pro Jahr. Auch dies ist ein Grund dafür, daß sich immer mehr Frauen für eine Erwerbstätigkeit entscheiden und sagen: Wenn wir selbst erwerbstätig sind, können wir besser für unser Alter vorsorgen, als wenn wir auf den Mann angewiesen sind und nicht wissen, wie die Zukunft aussieht. Was wir heute - auch was die Bevölkerungsentwicklung angeht - erleben, ist meiner Meinung nach ganz eindeutig eine Protesthaltung der Frauen. Diese ist auch nicht organisiert. Sie ist aber der Beweis für eine gewisse Resignation, aus der jede einzelne Frau ihre persönlichen Konsequenzen gezogen hat. Der Gesetzgeber ist aufgefordert, die soziale Sicherung der Frauen bis 1984 in ein günstigeres Verhältnis zur sozialen Sicherung der Männer zu stellen. Dies wirft erneut ungeheure Probleme auf, die einerseits mit der gesamten Problematik der Daseinsvorsorge unserer Bevölkerung, andererseits aber auch mit der Aufgabenteilung zwischen Männern und Frauen eng verzahnt sind. Je mehr Sie alle über diese Fragen nachdenken, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß wir zu zufriedenstellenden Lösungen kommen werden. Eines sei hier aber auch festgestellt: Leicht ist diese Aufgabe nicht, denn wir leben in einer fast ausschließlich männlich orientierten Gesellschaft, die uns bei der Lösung der Probleme weitgehend im Wege steht. Die gesamte soziale Sicherung in unserem Lande ist auf die Erwerbstätigkeit abgestellt. Die zusätzlichen Familienleistungen für jene, die nicht im Erwerbsleben stehen, waren zwar vorhanden, werden nun aber immer mehr abgebaut. Das beste Beispiel ist die momentane Diskussion über das 20. Rentenanpassungsgesetz und das damit verbundene Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz. Wir könnten die Probleme rein theoretisch sofort lösen, wenn Männer und Frauen in gleicher Weise erwerbstätig wären. Damit würde aber eine Reihe von neuen Problemen entstehen: nämlich alle Leistungen, die außerhalb des Rahmens der Erwerbstätigkeit erbracht werden, müßten teuer bezahlt werden. Als Beispiel nenne ich die Erziehung der Kinder sowie die Sorge um behinderte Menschen und um alte und kranke Menschen, die sich selbst nicht mehr helfen können. In der jetzigen wirtschaftlichen Situation kann von einem Mehr an Arbeitsplätzen kaum die Rede sein. Selbst wenn die erforderlichen Arbeitsplätze - auch im Dienstleistungsbereich - geschaffen werden könnten, was nicht möglich ist, müßten wir dafür so unendlich viel mehr von unseren Löhnen und Gehältern abgeben, daß wir an einen Punkt kommen, der jeden vernünftig Rechnenden davon überzeugen muß, daß dies letztlich nicht nur eine Milchmädchenrechnung ist, sondern darüber hinaus auch einen Verlust an menschlichen Beziehungen bedeutet, die das Leben doch so lebenswert machen und die der Mensch - der jüngere ebenso wie der ältere - unbedingt braucht. Ich habe vorhin behauptet, daß wir in einer fast ausschließlich männlich orientierten Gesellschaft leben, z. B. was die soziale Sicherung für Alter, Krankheit, Unfall usw. angeht. Ich kann hierfür aber auch einen weiteren Beweis aus einem anderen Bereich antreten. Heute wird immer wieder von dem Recht auf Arbeit gesprochen. Damit ist weniger die Tätigkeit als solche als vielmehr der Arbeitsplatz gemeint. Ein Arbeitsplatz bedeutet Recht auf Arbeit. Wer auch immer sich dazu äußert, kann angesichts der heutigen Lage dabei eigentlich immer nur an die überwiegend von Männern besetzten Arbeitsplätze denken. Das Recht auf Arbeit einzuräumen, ohne gleichzeitig für jeden in der Bevölkerung auch einen Arbeitsplatz bieten zu können, wäre unehrlich. Im Moment stehen aber weitgehend nur für Männer Arbeitsplätze zur Verfügung. Es leben aber im Alter zwischen 15 und 65 Jahren in Deutschland 39,6 Millionen Menschen. Das bedeutet, daß von heute an gerechnet mindestens noch weitere 10 Millionen Arbeitsplätze geschaffen werden müßten, um das Recht auf Arbeit Männern und Frauen in gleicher Weise zu geben. Daß dies aber eine Utopie ist, wird doch nach der jetzigen Situation jeder bestätigen können. Was bieten wir aber jenen, die rein rechnerisch keinen Arbeitsplatz haben können, trotzdem aber bereit und in der Lage sind, Leistungen zu erbringen? Wie sieht die heutige Situation auf dem Arbeitsmarkt aus? Der Druck gegen die Frauen ist nicht zu leugnen. Echte Benachteiligungen treten wieder zutage wie in den 30er Jahren. Überlegungen, im Zweifelsfall die freiwerdende Stelle mit einem Mann zu besetzen, sind leider nicht selten. Wer kümmert sich dann aber darum, daß damit eine Verminderung der Altersversorgung verbunden ist? Wenn diese Härtefälle zwischen Männern und Frauen gleich aufgeteilt wären, könnten wir darüber sprechen. Die Wirklichkeit sieht aber erschrekkend anders aus. Der Anteil der Frauen an der erwerbstätigen Bevölkerung beträgt 36 bis 37 0/o. Dieser Anteil müßte bei der Arbeitslosigkeit im gleichen Verhältnis auftreten. Im Dezember 1976 waren aber 4 0/0 der Männer und 6,1 % der Frauen arbeitslos. Frauen finden außerdem sehr viel schwerer, wenn überhaupt, wieder einen Arbeitsplatz, wenn sie einmal aufgehört haben, obwohl sie immer noch die billigeren Arbeitskräfte sind, denn sie beziehen bei vergleichbaren Tätigkeiten ca. 30 % niedrigere Löhne als Männer. ({2}) Übernimmt derjenige, der so leichtfertig über die Erwerbstätigkeit der Frauen spricht, auch die Verantwortung für eine entsprechende Lösung in der Altersversorgung der Betroffenen? Insgesamt ist das Ganze ein Teufelskreis, der sehr schwer zu durchbrechen ist. Die erste Runde der Enquete-Kommission Frau und Gesellschaft ist mit der Beendigung der 7. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages abgelaufen. Alle Mitglieder dieser Kommission, und zwar fünf Abgeordnete und fünf Sachverständige, waren sich einig, daß der ihr erteilte Auftrag nur langfristig erfüllt werden kann. Neu bei dieser Aufgabe war es, daß auf Initiative der CDU/CSU - ich sehe hier Frau Dr. Wex sitzen, die sich in den Reihen der CDU/CSU besonders dafür eingesetzt hat - das deutsche Parlament in einer offiziellen Kommission Empfehlungen zur Verwirklichung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern ausarbeiten und vorlegen soll. Der Zwischenbericht liegt Ihnen seit November 1976 vor. Der Bericht wurde draußen sehr positiv aufgenommen. Das Echo der Interessierten war sehr groß. Die erste Auflage war in Kürze vollkommen vergriffen, und es wurde inzwischen eine neue Auflage gedruckt. Die ist, wie mir gesagt wurde, auch schon wieder weitgehend verkauft. Entsprechend dem Auftrag an die Kommission konnten wir bisher feststellen: Es gibt keinen Zweifel mehr, daß echte Benachteiligungen der Frauen bestehen. Klarheit herrscht ebenfalls darüber, in welchen Bereichen die Benachteiligungen zu finden sind und daß diesem Zustand im Interesse aller abgeholfen werden muß. Einig war sich die Kommission auch darüber, daß Männer und Frauen ihr Le1740 ben in freier Entscheidung partnerschaftlich gestalten sollen. Unterschiedliche Akzente wurden jedoch bei der Beurteilung von Ursachen und Lösungsmöglichkeiten gesetzt. Dies kam besonders in der Bedeutung zum Ausdruck, die dem Wert der besonderen und wechselnden Aufgaben der Frauen in Familie und Arbeitswelt zugemessen wurde. In der Diskussion der laufenden Arbeit der Kommission hat sich gezeigt, daß die Stellung der Frau in der Gesellschaft nicht losgelöst von der Stellung der Frau in der Familie beurteilt werden kann. Um so mehr ist es aber zu bedauern, daß der Bereich Frau und Familie in der bisherigen Beratung nicht so umfangreich behandelt werden konnte, wie das zu wünschen gewesen wäre. Von den Vertretern der Unionsfraktion wurde deshalb versucht, diese Frage in allen Kapiteln des Zwischenberichts wenigstens so anzuschneiden, daß sie für die spätere Behandlung offengehalten wird. Langfristig geht es sicher um mehr als nur die Chancengleichheit von Männern und Frauen. Es sind Voraussetzungen zu schaffen, die es den Frauen ermöglichen, Aufgaben in der Familie oder im Erwerbsleben wahrzunehmen, ohne dabei schwerwiegende Nachteile in Kauf nehmen zu müssen. Die partnerschaftliche Gestaltung der Lebensaufgaben heißt aber auch, daß zwei ungleiche, in sich aber gleichwertige Partner einander gegenüberstehen. Die Kommission hatte ihre Ausarbeitung zunächst auf vier Themen konzentriert. Diese waren: Erziehung und Ausbildung, Beruf und Arbeitswelt, soziale Sicherung und Vertretung der Frauen in der Politik. Die starre Funktionstrennung von Aufgaben soll auf der einen Seite beseitigt werden. Aber bestimmte Funktionen können einfach nicht von Männern wahrgenommen werden, es sei denn, die Frauen würden in Zukunft gänzlich darauf verzichten, Kinder zu bekommen. Daß dies nicht im Sinne der Gesamtbevölkerung sein kann, ist, glaube "ich, unbestritten. Besondere Schwierigkeiten bereitete in dem Kapitel „Beruf und Arbeitswelt" die Frage, wie in Zukunft dem Grundsatz der freien Wahl zwischen Erwerbstätigkeit und Hausfrauentätigkeit Rechnung getragen werden kann und wie Diskriminierungen nach beiden Seiten vermieden werden sollen. Sonderrechte für die erwerbstätigen Frauen, die ihnen helfen könnten, ihre Doppelrolle zu bewältigen, soweit sie gezwungen sind, erwerbstätig zu sein, verbauen auf der anderen Seite wieder die rechtlich gebotene Chancengleichheit im Arbeitsleben. In diesem Zusammenhang ist es angemessen, über die daraus entstehende Folgeproblematik nachzudenken, die nämlich nicht nur erhebliche finanzielle Aufwendungen mit sich bringt, sondern sich auch äußert in wirtschaftspolitischer Art als Konsequenzen für den Arbeitsmarkt, in sozialpolitischer Art durch die Reaktion der Betroffenen, in familienund kinderpsychologischer Art durch die Auswirkungen für die Kinder und die Gesamtfamilie und schließlich auch in arbeitsmedizinischer Art in der frauengerechten Gestaltung der Arbeitsplätze. Ehe Konsequenzen gezogen werden, ist es politisch notwendig, Familienpolitik neu zu überdenken und sicherzustellen, welcher Freiheitsraum mindestens vorausgesetzt werden muß, um die Lebensgestaltung des einzelnen in der Familie weitgehend unabhängig von äußeren Einflüssen durchführen zu können. Eng damit zusammenhängend ist die Bestandsaufnahme im Bereich der sozialen Sicherung, d. h. in der Renten-, der Kranken- und der Unfallversicherung. Ein besonderes Anliegen sowohl von CDU als auch von CSU ist es, für die nichterwerbstätige Hausfrau bestehende Benachteiligungen auszugleichen und die Familie in weit stärkerem Maße als bisher in die Lösungen einzubauen. Die soziale Sicherung darf nicht nur von außerhäuslichen Leistungen abhängig gemacht werden. ({3}) Die gegenseitigen Wechselwirkungen von Berufswelt und Familie richten sich aber auch einerseitig auf jene Frauen, die alleinstehend weitgehend bis vollständig auf Erwerbstätigkeit angewiesen sind. Sie müssen praktisch die bestehenden Ungleichheiten und die damit verbundenen Verstöße gegen die Gleichberechtigung genauso ertragen, obwohl sie ohne familiäre Aufgaben weitgehend gleichwertig im Arbeitsleben stehen. Wir hatten im Jahre 1975 das internationale Jahr der Frau. Dazu wurden sehr viele Äußerungen gemacht. Ich muß sagen: Wir waren über das, was dazu gesagt worden ist, nicht immer beglückt. Es ist auch sehr viel Material dazu entstanden, und zwar weltweit. Ich selbst hatte die Gelegenheit, mit einer Delegation bei der internationalen Tagung in Mexiko zu sein. Es ist in allen Ländern noch sehr viel Nachholbedarf, was die Gleichbehandlung von Männern und Frauen angeht. Wir können hier in Deutschland im Verhältnis zu anderen Ländern nicht unzufrieden sein. Aber wir dürfen nicht die Vergleiche jeweils bei den Frauen untereinander ziehen, sondern wir müssen immer den Status in einem anderen Land betrachten, und zwar in der Beziehung zwischen Männern und Frauen daraufhin, ob hier das Gleichgewicht stimmt. Wir können aus dem, was im internationalen Bereich an Unterlagen vorliegt, sicher auch einiges an Erfahrungen mit einbringen. Denn was hier an Problemen gelöst werden muß, ist letztlich nach wie vor in allen Ländern das gleiche: Wir müssen überlegen, wie wir unser Leben bewältigen, wie wir die Aufgaben, die sich uns stellen - ob Männer oder Frauen - so bewältigen können, daß nicht ein Partner unverhältnismäßig schlecht dabei wegkommt. Es besteht die berechtigte Hoffnung, daß alle Fraktionen dem vorliegenden Antrag zustimmen, da er ja aus allen Fraktionen kam. Ich bitte Sie deshalb sehr herzlich, diesen hier vorliegenden Antrag anzunehmen, damit die Wiedereinführung der Enquete-Kommission und die Fortführung der Arbeit garantiert sind. Ich hoffe, daß Sie der Kommission, soweit sie bisher schon gearbeitet hat, auch für die Zukunft Ihr Vertrauen aussprechen. Die Mitglieder der Kommission finden ein großes Arbeitsfeld vor, aus dem sie dem Parlament entsprechende Empfehlungen vorlegen können. Für die CDU/CSU sind dabei die Gleichberechtigung, die Partnerschaft und die Verantwortung für die Familie grundsätzliche Voraussetzungen für künftige Lösungen. ({4})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Timm.

Dr. Helga Timm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002328, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion hat schon Mitte März in einem Beschluß die Wiedereinsetzung und damit die Fortführung der Arbeit der Enquete-Kommission Frau und Gesellschaft befürwortet und begrüßt es, daß wir heute über diesen interfraktionellen Antrag beraten. Insbesondere möchte auch die SPD-Fraktion betonen, daß die Kommission auf der - Grundlage des vorliegenden Zwischenberichts weiterarbeitet, den die Kommission selber als etwas noch Unvollständiges und als einen Bericht mit Werkstattcharakter betrachtet hat, weil die Arbeit wegen des Endes der Wahlperiode abgebrochen werden mußte. Frau Schleicher hat soeben schon darauf hingewiesen, daß, wie wir mit großer Genugtuung feststellen konnten, in der Bevölkerung ein ganz erhebliches Interesse an diesem Bericht vorhanden war. Ich möchte auch dem Deutschen Bundestag und seinem Informationszentrum dafür danken, daß die erste Nummer 1977 „Zur Sache" der Abdruck dieses Zwischenberichts ist. Das Interesse, das insbesondere viele einzelne Personen an dem Breicht gezeigt haben, hängt vielleicht auch damit zusammen, daß es sich um eine Drucksache des Deutschen Bundestags handelt, also nicht um etwas, was in der einen oder der anderen Weise von irgendeiner Frauenvereinigung stammt, sondern um etwas, was von Experten und von Fraktionskollegen des Deutschen Bundestags gemeinsam erarbeitet wurde. Trotz natürlich vorhandener parteipolitischer und auch gesellschaftspolitischer Unterschiede in Grundfragen wurden hier für einige ganz wesentliche Problembereiche gemeinsame Formulierungen gefunden und wurde auch angedeutet, wo Lösungsmöglichkeiten zu suchen sind. Als das Wesentlichste erscheint mir aber unsere Feststellung, daß auf Auftrag des Grundgesetzes „Männer und Frauen sind gleichberechtigt" nicht erfüllt ist. Wir debattieren hier sehr häufig in anderen Zusammenhängen über unsere Verpflichtung gegenüber dem Grundgesetz. Es müßte uns unglaublich aufregen und als Abgeordnete im Grunde immerzu beschäftigen, daß festgestellt werden muß, daß die in Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes ausgesprochene Gleichberechtigung nicht voll erfüllt ist. Es handelt sich dabei nicht um eine neue Feststellung; aber hier ist sie in einer Drucksache des Deutschen Bundestages getroffen. Wir können darüber unmöglich zur Tagesordnung übergehen. Sicherlich kann man davon ausgehen - das bringt ja der Zwischenbericht besonders in den Ausgangsüberlegungen sehr deutlich zum Ausdruck -, daß sich - ich zitiere - in den letzten Jahren eine ganze Menge verbessert hat. „Der personale Anspruch" - so sagen wir in dem Bericht -, „der Anspruch auf Selbständigkeit und Unabhängigkeit, nahm zu. Der durchschnittliche Bildungs- und Ausbildungsstandard ist zwar nach wie vor unbefriedigend, wurde aber angehoben. Die Erwerbstätigkeit von Frauen ist für viele zur sozialen Selbstverständlichkeit geworden. In der Familie und - wenn auch eingeschränkt - in der Arbeitswelt begreifen sich Frauen zunehmend als Partner. Die Zahl derer steigt, die Verantwortung in Politik und Öffentlichkeit anstreben." - Ich will das Zitat hier abbrechen. In vielen Bereichen des sozialen Lebens gibt es Tendenzen, Entwicklungen zur Versserung. Und sicherlich haben wir als Gesetzgeber dazu in einigen wesentlichen Bereichen durch Gesetzgebung und Reformen in den letzten Jahren beigetragen. Ich denke beispielsweise an das Ausbildungsförderungsgesetz, auch an das Arbeitsförderungsgesetz, überhaupt den gesamten Bereich der Bildung und Ausbildung, und insbesondere natürlich auch an die Reform des Ehe-und Familienrechts. Hier haben wir, sicherlich alle übereinstimmend, die immer noch im Bürgerlichen Gesetzbuch vorhandenen berühmtberüchtigten §§ 1356 und 1360 beseitigt, in denen die patriachalische Familienstruktur mit der Rollendefinition für Männer und Frauen vorgeschrieben war. Wir haben diese Vorschriften durch ein partnerschaftliches Bild ersetzen oder jedenfalls das System den Partnern selber überlassen wollen. Aber eines ist ganz klar, und das hat auch die Arbeit in der Enquete-Kommission erwiesen: Nicht nur im rein rechtlichen Bereich gilt es, die Gleichberechtigung durchzusetzen. Da haben wir, soweit es unsere eigenen Rechtsstrukturen angeht, eine ganze Menge geschaffen. Allerdings sind wir uns einig: Im Sozialrecht und auch im Steuerrecht steckt noch einiges an Problemen. Aber der eigentliche Maßstab für die Erfüllung des grundgesetzlichen Anspruchs auf Gleichberechtigung liegt ja in der sozialen Wirklichkeit. Wir haben auch im Zwischenbericht gesagt: Soziale Benachteiligungen von Frauen in verschiedenen Bereichen und Vorurteile bei Männern und Frauen bilden immer noch erhebliche Hindernisse. Dafür wird gerade aktuell ein ganz besonders eindrucksvolles Zeichen gegeben durch den Tatbestand, daß Frauen von der Arbeitslosigkeit überproportional betroffen sind. Jeden Monat - gestern auch wieder - bekommen wir die Statistiken von der Bundesanstalt. Wir nehmen sie beinahe schon als selbstverständlich hin. Was steckt eigentlich hinter diesen Statistiken? Was steckt hinter dem Tatbestand, daß die Frauen von der Arbeitslosigkeit überproportional betroffen sind? Sind die Frauen doch wieder nur die „Reservearmee", die bei Bedarf hervorgeholt und mobilisiert werden kann, wie z. B. gleich nach dem Krieg die „Trümmerfrauen" - ich brauche das nur anzudeuten - oder auch in Zeiten der Hochkonjunktur? Ich habe noch im Ohr, wie darüber gesprochen wurde: Das letzte Arbeitskräftereservoir, das wir überhaupt noch haben, muß ausgeschöpft werden: die Frauen. Wenn es dann aber nach diesen konjunkturellen und strukturellen wirtschaftlichen Veränderungen, die den sogenannten Arbeitsmarkt jetzt erschüttern, nicht mehr so geht, sieht es so aus, als sollten die Frauen wieder in die einseitige sogenannte Frauenrolle zurückgezwängt werden. Allzuleicht kommt dann wieder als allgemeine Haltung und Einstellung zum Vorschein, was eigentlich als Rollenklischee längst überholt sein sollte: Die Frauen gehören ja eigentlich allein ins Haus, in die Familie. Das böse Wort von den „Doppelverdienern" droht vieles von dem zunichte zu machen, was in den letzten Jahrzehnten im Sinne einer langsamen schrittweisen Entwicklung hin zu mehr Gleichberechtigung erreicht worden ist. Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion ist tief beunruhigt über solche sich abzeichnende Tendenzen, gerade auch über die Art und Weise, wie wir alle miteinander mit diesem Tatbestand des überproportionalen Anteils der Frauen an der Arbeitslosigkeit umgehen, etwa so, als ob es ja doch nicht so schlimm und eigentlich keiner Aufregung wert sei; ich will es ein bißchen überspitzt sagen, um deutlich zu machen, was im Grunde im Kern solcher Tendenzen mit steckt: als ob die Erwerbstätigkeit von Frauen so etwas wie eine Art Privatvergnügen einzelner Frauen sei. Die Zahlen sprechen eine ganz andere Sprache, nämlich daß die Erwerbstätigkeit der Frauen längst eine volkswirtschaftliche Notwendigkeit ist. Ich darf hier nur zwei Zahlen noch einmal in Erinnerung rufen: Von den 20,2 Millionen Frauen im erwerbsfähigen Alter, d. h. im Alter zwischen 15 und 65 Jahren, waren 46,4 % erwerbstätig, d. h. fast die Hälfte aller im erwerbstätigen Alter stehenden Frauen. Von der insgesamt erwerbstätigen Bevölkerung - das sind 26 Millionen - sind 9,6 Millionen Frauen. Diese Zahlen beziehen sich alle auf Mai 1975; das sind die letzten erreichbaren Zahlen in diesem Bereich. Ich möchte noch etwas näher darauf eingehen, warum wir in der SPD-Fraktion diese Fragestellung im Grunde als die Schlüsselfragestellung betrachten, mit der wir uns jetzt in der Enquete-Kommission beschäftigen müßten. Ich glaube, daß es wirklich an der Zeit ist, alles das, was an Mitteilungen, Informationen und Daten verfügbar ist, zusammenzutragen, genau zu untersuchen und nachzufragen: Wer sind denn konkret eigentlich diese Frauen, die da arbeitslos werden? Wie lange sind sie es? Warum sind sie es? Stimmt die Vermutung, mit der wir immer argumentieren, daß sie schwerer zu vermitteln seien - wie es nicht so schön heißt; aber das ist ja wohl dieser Ausdruck -, stimmt es, daß sie, was immer so vermutet wird, weniger mobil sind? Wenn ja, warum? Die Beantwortung all dieser Fragen für die ganz konkrete Situation einzelner Frauen und ihrer Familien brauchen wir, so meine ich, um Ursachen und Wirkungen des Tatbestands der Arbeitslosigkeit in dieser Zeit besser zu verstehen; denn bisher bauen wir meistens auch in den Argumentationen und bei dem, was vielleicht an Maßnahmen vorgeschlagen wird, auf Vermutungen. Mir scheint die ganz genaue Erforschung deshalb unerläßlich zu sein, weil, wie ich glaube, zwingend davon ausgegangen werden kann, daß dieser Tatbestand Auswirkungen auf alle anderen Bereiche, von denen wir sprechen, hat: auf die sozialen Bereiche, auf den Bereich der Familie, auf den Bereich der Bildung und Ausbildung, auf die Berufswelt, auf die Stellung der Frau in der Öffentlichkeit und in der Gesellschaft überhaupt. Ich will versuchen, das zu verdeutlichen. Wenn es diese übergroßen Schwierigkeiten - größer als bei den Männern - auf dem sogenannten Arbeitsmarkt gibt, kann das nicht dazu führen, daß - was wir alle bedauern, was aber immer wieder passiert - Familien, wenn sie entscheiden sollen: was machen wir, was zu tun sollen wir unseren Mädchen raten?, eben nicht mehr, wie wir alle es immer zu propagieren versuchen, sagen: Sorgt dafür, daß sie auch eine qualifizierte berufliche Ausbildung bekommen. Denn wozu? Diese Frage könnte sich wieder breitmachen, und dies auch bei anderen Bildungseinrichtungen, bei den Bemühungen der Gewerkschaften um ihre jungen Mitglieder. Schließlich auch in der Frage - auf die unser aller Bemühen immer ging - der Wiedereingliederung von Frauen, wenn sie nach einer bestimmten Zeit in der Familie und für die Familie wieder in die berufliche Arbeit zurückgehen wollen. Wozu? Das betrifft übrigens auch die Frage der Karriere- und Aufstiegsmöglichkeiten der Frauen, die in der beruflichen Welt stehen, bis hin zum immer noch ungelösten Problem der Lohngleichheit, d. h. bis zur Lohnungleichheit, und auch bis hin zu dem, wovon wir dann selber wieder betroffen sind: Frauen in Öffentlichkeit und Politik. Der Zwischenbericht meinte im Grunde noch ziemlich zuversichtlich feststellen zu können, zwar gebe es viele ungelöste Probleme, aber im ganzen ziele die Entwicklung auf partnerschaftliche Gestaltung in allen Lebensbereichen. Meine Damen und Herren, genau dies ist der Punkt, von dem ich auf Grund der jetzt aktualisierten Situation annehmen muß, daß nicht nur die Entwicklung zu stagnieren, sondern sogar ein Rückfall einzutreten droht. Das Fallen geht ja bekanntlich von selbst. So könnten scheinbar überwundene Rollenzwänge für Männer und Frauen wieder aktualisiert werden. Der Bundestag hat den Verfassungsauftrag, alles zur Verwirklichung des Satzes „Männer und Frauen sind gleichberechtigt" beizutragen. Die SPD-Fraktion wäre sehr froh, wenn wir uns jetzt bei der Wiederaufnahme der Arbeit in der Enquete-Kommission zunächst vornehmlich mit dieser Problematik und den Auswirkungen auf die verschiedenen anderen sozialen Bereiche beschäftigen könnten. Das schließt natürlich, längerfristig gesehen, andere Aufgabenstellungen nicht aus. Wir hoffen auch, daß angesichts dieser von mir kurz skizzierten ernsthaften Herausforderung ein noch gesteigertes Interesse des Deutschen Bundestages und auch verstärkte Unterstützung aller Abgeordneten für die zukünftige Arbeit der Enquete-Kommission zu erwarten sein werden. - Ich danke Ihnen sehr für Ihre Aufmerksamkeit. ({0})

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002033

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Eimer.

Norbert Eimer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000458, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Bericht „Frau und Gesellschaft" dient, wie es in der Drucksache 8/305 heißt, zur „Vorbereitung von Entscheidungen, die zur Verwirklichung der vollen rechtlichen und sozialen Gleichberechtigung der Frau in der Gesellschaft führen sollen ..." Nun ist aber das Gebot der Gleichberechtigung so alt wie das Grundgesetz. Wenn wir dies bis heute noch nicht erreicht haben, so liegt das an zweierlei. Es liegt zum einen an den sachlichen politischen Schwierigkeiten, die auf dem Wege dahin zu überwinden sind; ich denke an die Vielzahl der Gesetze, die zu ändern sind. Es sind zum zweiten Teile der Gesellschaft, vor allem Männer, die das verzögern, deren Privilegien dabei ganz zwangsläufig abgebaut werden müssen. Wir im Parlament können hier durch Gesetze oft nur den Rahmen schaffen, den die Gesellschaft dann ausfüllen muß. Ohne dieses Ausfüllen des gesetzlichen Rahmens bleibt Gleichberechtigung nur etwas, das auf dem Papier steht. Deswegen müssen wir dazu beitragen, daß sich das Verhältnis von Mann und Frau nicht nur im Gesetz, sondern auch in der Gesellschaft in Richtung Partnerschaft ändert. Das geht sicher nur sehr langsam. Aber ich glaube, wir Parlamentarier haben auch die Aufgabe, Propagandisten der Gleichberechtigung in der Öffentlichkeit zu sein, um diese Änderung zu beschleunigen. Der Zwischenbericht zeigt uns aber auch - damit komme ich auf den Bereich, für den wir hier allein verantwortlich sind -, daß es noch eine Reihe von gesetzlichen Maßnahmen gibt, die von uns angepackt werden müssen. So gilt es z. B., die Abhängigkeit der Frau und vor allem die Nachteile abzubauen, die den Frauen dadurch entstehen, daß sie durch die Familie zusätzlich belastet sind. So kann man feststellen, daß eine soziale Hilfe für die Frau auch gleichzeitig eine Hilfe für die Familie ist. Neue Maßnahmen zur sozialen Sicherung der Frau sind konzipiert. Sie sind im Bericht angesprochen. Ich will hier etwas genauer darauf eingehen. Die eigenständige Alterssicherung der Frau ist eine der wesentlichen gesetzlichen Aufgaben, vor denen wir stehen. Wenn die Ehe, so wie wir sie verstehen, eine partnerschaftliche Gemeinschaft ist, muß auch das Einkommen der Partner als Einkommen der Gesamtfamilie betrachtet werden. Nach dem Steuersplitting ist die Forderung nach analogem Rentensplitting nur logisch und konsequent. Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß dieser Vorschlag des Rentensplittings - erstmals von Frau Funcke propagiert und in Parteitagsbeschlüssen der FDP festgelegt - von anderen Parteien übernommen worden ist. Wir Freien Demokraten sind deswegen nicht böse; ganz im Gegenteil. Nur meine ich, daß man vor allem Frau Funcke Unrecht tut, wenn Vertreter der Union plötzlich die Urheberschaft dafür beanspruchen und obendrein so tun, als wären sie die einzigen, die das Rentensplitting - bei ihnen heißt es Partnerrente - in ihrem Programm haben. ({0}) - Die Partnerrente, das Rentensplitting, stellt doch eine Sachfrage dar. ({1}) - Ich habe bis jetzt in erster Linie über Inhalte gesprochen. Ich glaube, daß es selbstverständlich ist, daß ein derartiges Konzept bei denen, die möglicherweise Privilegien verlieren, auf Widerstand stoßen kann. Ich bedaure es aber, wenn sich z. B. bei Diskussionen vor der katholischen Arbeitnehmerbewegung Abgeordnete der Union dann von ihrem Modell der Partnerrente distanzieren, weil es offensichtlich bei der katholischen Arbeiterbewegung nicht ankommt. ({2}) Ich meine, daß dieses Prinzip, das wir im Grunde alle für richtig halten, von allen gemeinsam in der Öffentlichkeit vertreten werden sollte. Ich habe aber den Verdacht, daß dieses Prinzip teilweise - das trifft sicher für alle Parteien zu - nur mit halbem Herzen vertreten wird. Wir, meine Damen und Herren, können zeigen, wie ernst wir es mit der eigenständigen sozialen Sicherung der Frau meinen, wenn wir bis spätestens 1984 dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nachkommen und das Problem der Witwen- und Witwerrente lösen. Die eigenständige soziale Sicherheit der Frau und damit das Rentensplitting sollten bei dieser Gelegenheit auf alle Fälle mit berücksichtigt werden. In diesem Zusammenhang muß man auch die Probleme der Frauen sehen, die Kinder erziehen und dadurch zweimal Nachteile haben. So kann die Frau wegen der Kindererziehung zum einen nicht oder nur halbtags arbeiten, und damit sinkt das Familieneinkommen und auch der gemeinsame Lebensstandard in der Ehe. Das schlägt besonders bei kinderreichen Familien zu Buche. Zum anderen aber hat genau der gleiche Personenkreis ein zweites Mal Nachteile, nämlich wenn es um die Berechnung der Altersrente geht; denn dieser Frau fehlen dann Beitragszeiten für die zukünftige Rente, und damit sinken Einkommen und Lebensstandard des Ehepaares im Alter. ({3}) Wir sehen also: Frauen und Familien mit Kindern werden doppelt bestraft, das erste Mal beim Lebensstandard während des Erwerbslebens und das zweite Mal bei der Höhe der Rente im Alter. Unsere Rente errechnet sich heute nach den Beiträgen, die der einzelne zu seiner Rente leistet. Mit den finanziellen Abführungen zur Rentenversicherung wird aber nicht die Rente des Beitragszahlers finanziert, sondern die Renten der heutigen Rentner. Wir haben den Generationenvertrag. Etwas anderes ist, streng genommen, auch kaum möglich; denn wir können nur wenig von dem, was wir im Eimer ({4}) 1 Alter brauchen, z. B. Nahrung, Energie, Dienstleistungen, über längere Zeit aufheben und damit auch nicht für das Alter ansparen. Wir können nur Ansprüche an die zukünftige Generation erwerben. Mit unseren Beitragszahlungen haben wir also nur einen relativen Anspruch. Es wird eine Rentenbemessungszahl errechnet, die angibt, wieviel Rente wir im Verhältnis zu den übrigen Versicherten bekommen werden. Die absolute Höhe der Renten hängt aber davon ab, in welcher wirtschaftlichen Lage sich die nächste Generation befinden wird. Die nachstehende Generation wird für uns, die wir dann in Rente sind, durch ihren Fleiß und ihre Arbeit die Höhe unserer Rente bestimmen. Dadurch, meine Damen und Herren, wird deutlich, daß die Erziehung von Kindern und der Verzicht auf Lebensstandard nicht nur einen entscheidenden Einfluß auf das Verhältnis von Erwerbstätigen und Rentnern haben, sondern auch auf die absolute Rentenhöhe und daß das ein zumindest ebenso wichtiger Beitrag zur Rentenhöhe ist. Für eine leistungsgerechte Rente müssen finanzielle Leistungen der Versicherten und Leistungen durch Kindererziehung gleichrangig gewertet werden. Das sogenannte Babyjahr berücksichtigt wenigstens einen Teil dieser Leistungen und ist ein wesentlicher Beitrag, wie ich meine, zur sozialen Sicherung der Frau. Diese sozialliberale Koalition hatte 1972 das Babyjahr in ihrem Gesetzentwurf. Es wäre damals zu finanzieren gewesen. Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, haben es zu verantworten, daß es damals herausgefallen ist. ({5}) Ich meine, auch das Babyjahr muß spätestens bis 1984 im Rahmen der dann fälligen Rentenreform von uns berücksichtigt werden. Nun werden Sie sicher fragen, woher das Geld zu nehmen ist, ob es denn verantwortlich *sei, dann solche Vorschläge zu machen, die sehr viel Geld kosten, wenn wir gerade erst die Rentenversicherung konsolidiert haben. Natürlich weiß ich, daß das Babyjahr heute nicht einzuführen ist. Wir müssen uns aber heute das Ziel setzen, daß wir das Babyjahr in das Problempaket einbeziehen, das uns das Bundesverfassungsgericht auf den Tisch gelegt hat. In diesem Zusammenhang erlauben Sie mir bitte die Bemerkung, daß ich es eigentlich peinlich finde, daß dieses Parlament erst vom Verfassungsgericht dazu gezwungen werden muß. Das Babyjahr ist über einen Familienlastenausgleich finanzierbar. Es würde in erster Linie diejenigen treffen, die Doppelverdiener sind, und es würde diejenigen begünstigen, von denen wegen Kindererziehung nur ein Ehepartner voll verdienen konnte. Es würde aber auch nur dann die gewünschte Wirkung zeigen, wenn zur gleichen Zeit das Rentensplitting verwirklicht wäre. Es ist finanzierbar. Wir müssen nur den Mut, die Einsicht und den Willen dazu haben. Neben diesen mittelfristigen Aufgaben gibt es aber auch eine Reihe von Möglichkeiten, die schon kurzfristig soziale Probleme der Frau lösen können. Eine dieser Maßnahmen ist die Einrichtung von Unterhaltsvorschußkassen zur gesetzlichen Sicherung von Unterhaltsleistungen. Diese Kassen, wie sie auf FDP-Initiative in Hamburg schon eingerichtet worden sind, sollen Ansprüche von Kindern gegenüber ihren zahlungspflichtigen Vätern oder Müttern sichern. Wenn sich diese ihren monatlichen Zahlungen entziehen, zahlt die Unterhaltsvorschußkasse dem sorgeberechtigten Elternteil die ausstehenden Unterhaltsbeträge gegen Überleitung der Unterhaltsansprüche. Auf diese Weise wird angestrebt, das Wohlergehen des Kindes auf eine gesicherte wirtschaftliche Basis zu stellen, dem alleinstehenden Elternteil - zumeist sind es die Mütter - den oft zermürbenden Kampf um den Unterhalt abzunehmen und den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz der Familie durch den Staat gerade bei besonders förderungsbedürftigen Familien zu verwirklichen. Wir werden in dieser Legislaturperiode einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen. Bei Aufzählung all der Maßnahmen, die noch zu ergreifen sind, sollte man aber nicht vergessen, daß diese Koalition wichtige Maßnahmen politisch durchgesetzt hat, Maßnahmen, die alle der politischen Gleichstellung von Mann und Frau dienen. Ich will hier einige aufzählen: Beamte oder Beamtinnen können bis zu drei Jahren nach der Geburt eines Kindes voll beurlaubt werden oder Teilzeitarbeit leisten. Bei Krankheit eines Kindes kann ein Elternteil vom Arbeitgeber eine Woche Urlaub erhalten, wenn keine andere Pflegeperson zur Verfügung steht. Den Lohnausfall und die Kosten für eine notwendig werdende Haushaltspflege im Falle der Krankheit der Eltern tragen die Krankenkassen. Bei berufstätigen Eltern ist der Umweg zum Kindergarten als notwendiger Weg zur Arbeitsstätte in den Wegeunfallschutz eingeschlossen. Das Steuer-Splitting erkennt die Gleichwertigkeit von Familienarbeit und Berufstätigkeit voll an. Ausbildungs-, Fortbildungs- und Weiterbildungskosten sind auch für die Hausfrau steuerlich abzugsfähig. Im neuen Elternrecht sind Mann und Frau völlig gleichberechtigt. Ich glaube, dies alles kann sich sehen lassen. Es zeigt, daß wir auf dem richtigen Weg sind. Wir erwarten von der Enquete-Kommission, daß sie uns die Grundlage für ein erfolgreiches Weiterarbeiten auf dem Weg zu einer völligen Gleichberechtigung von Mann und Frau in unserer Gesellschaft liefert. Die FDP ist deshalb für die Wiedereinsetzung dieser Enquete-Kommission. ({6})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat Frau Bundesminister Huber.

Antje Huber (Minister:in)

Politiker ID: 11000968

Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen! Als die für Frauenfragen zuständige Ministerin begrüße ich nachdrücklich die Wiedereinsetzung der Enquete-Kommission Frau und Gesellschaft. Als Gremium, das sich aus Parlamentariern und Wissenschaftlern zusammensetzt, ist es, glaube ich, besser als jedes andere geeignet, die letzten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu verarBundesminister Frau Huber beiten, gleichzeitig aber die politischen Realitäten einzubeziehen. ({0}) - Ja, sehr gut. - Das hat die Arbeit der Kommission in der vergangenen Legislaturperiode auch gezeigt. Ihre Vorschläge zur Verbesserung der Situation der Frau im Bildungsbereich können von den zuständigen Gremien im Bund und in den Ländern nicht übersehen werden. Ganz besonders wichtig erschienen mir dabei aber die Vorstellungen zur Verbesserung der Erwachsenenbildung, besonders der Möglichkeiten für Frauen. Ebenso wie es notwendig ist, die Leistungen der Frauen bei Haushaltsführung und Kindererziehung besser anzuerkennen, müssen auch die Weiterbildungsbedürfnisse mehr erkannt und berücksichtigt werden, damit sich die Frauen in unserem Land nicht als vergessene Gruppe fühlen. Die Gedanken zur bevorstehenden Weiterentwicklung und Verbesserung der sozialen Sicherung von Frauen sind wertvolle Denkanstöße für die Überlegungen der Bundesregierung. Die Einzelheiten sind hier gerade breit vorgetragen worden. Ganz generell aber gibt die Analyse der Situation der Frau in der Öffentlichkeit allen Parteien und politischen Gremien sehr beherzigenswerte Hinweise. Die Frauen sollten diese Vorschläge aufgreifen und durchsetzen. Der erste Problemaufriß zur Situation der Frau im Arbeitsleben zeigt ein weiteres Problemfeld, das die Kommission in einzelne Problembereiche aufgegliedert hat. Frau Dr. Timm hat gerade sehr anschaulich den Ernst des Problems Arbeitslosigkeit für Frauen hier dargelegt. Ich kann es mir infolgedessen ersparen, hier Zahlen zu nennen. Zu Recht stellt die Kommission fest, daß dieser ganze Bereich noch einer weiteren Analyse bedarf. Ich begrüße es außerordentlich, daß hier konkrete Verbesserungsvorschläge erarbeitet werden sollen. Ich hoffe, wir werden hier wirklich Arbeitsunterlagen und Wege gewiesen bekommen. Dieser Bereich ist für die Verwirklichung der tatsächlichen Gleichberechtigung von entscheidender Bedeutung. Das zeigen die Stimmen, die den Frauen bei zunehmender Arbeitslosigkeit in aller Selbstverständlichkeit heute wie in den 30er Jahren das Recht auf Arbeit absprechen und sie nach Hause schicken wollen. So einfach läßt sich das Problem aber nicht lösen. Denn die Frauen dürfen nicht zur Reservearmee der Wohlstandsgesellschaft degradiert werden. Also bedarf es neuer Überlegungen im Tarifbereich und auch in der -Politik. Als Familienministerin würde ich jetzt eine Einschränkung der Überstunden außerordentlich begrüßen, aber auch die stärkere Berücksichtigung von familienpolitischen Aspekten bei einer etwaigen Verkürzung der Arbeitszeit. Mütter hätten dann mehr Zeit für ihre Kinder, und auch Väter könnten sich mehr der Familie widmen. Abgesehen .von der günstigen Auswirkung auf die Kinder erhielten die Mütter dadurch auch die Chance, sich mehr im öffentlichen Leben zu engagieren. Die Kommission wird sich auch Gedanken darüber machen müssen, daß die Chancengleichheit der Frauen immer wieder dadurch beeinträchtigt wird, daß hauptsächlich ihnen die Verantwortung für die Bewältigung der Familienaufgaben aufgebürdet wird. Dabei wird die Kommission nicht vernachlässigen können, daß Väter in unserer Gesell. schaft häufig nur als Ernährer der Familien in Erscheinung treten. In ihrem beruflichen Leben haben Familienaufgaben kaum Platz. Das führt dazu, daß die Mütter im wesentlichen die Erziehungsleistung zu erbringen haben, die dessen ungeachtet immer noch viel zu gering eingeschätzt und gewürdigt wird. Die sozialliberalen Regierungen haben dieser Leistung u. a. beim Versorgungsausgleich Anerkennung verschafft, auch beim doppelten Grundfreibetrag für Alleinstehende. Diesen Weg werden wir bei der Reform der sozialen Sicherung und bei der Sicherung des Unterhalts von Kindern Alleinstehender weiter beschreiten. Zum Schluß möchte ich auf die internationale Dimension der Arbeit der Enquete-Kommission verweisen. Mit dieser Arbeit leistet die Kommission einen wichtigen Beitrag zur kontinuierlichen Beseitigung bestehender Benachteiligungen der Frauen in Europa und in der Welt, ein Auftrag, der mit dem Weltaktionsplan, auf der Weltfrauenkonferenz beschlossen, an uns alle ergangen ist. ({1})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen. Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Zeitbestimmung ({0}) - Drucksache 8/258 Überweisungsvorschlag des Altestenrates: Innenausschuß Das Wort zur Begründung hat Herr Parlamentarischer Staatssekretär von Schoeler. von Schoeler, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist notwendig, für das Bestimmen der Zeit nicht nur eine „gesetzliche Zeit" schlechthin zur Verfügung zu haben, die für den amtlichen und den Geschäftsverkehr verbindlich ist; eine solche ist mit dem Zeitgesetz von 1893 an sich vorhanden. Notwendig ist allerdings, daß eine heutigen modernen Anforderungen genügende, verläßliche, zweifelsfreie Regelung zur Verfügung steht. Eine solche Regelung kann das Zeitgesetz von 1893 nicht bieten. Deshalb hat sich die Bundesregierung entschlossen, dem Bundestag den Entwurf eines neuen Zeitgesetzes vorzulegen. Hauptgründe für die Vorlage des Entwurfs sind die folgenden. Wir brauchen eine einheitliche Zeit im Bundesgebiet, vor allem wegen der großen Be1746 Parl. Staatssekretär von Schoeler deutung des überörtlichen Landverkehrs - der Eisenbahn, der Post, des Funks - sowie des Binnenschiffahrtsverkehrs und des Seeverkehrs, wegen der Notwendigkeit, für Forschung und Wissenschaft und in den Bereichen der Technik überall dieselben genauesten Unterlagen für Zeitmessungen zur Verfügung zu haben, und wegen der Notwendigkeit möglichster Übereinstimmung mit den Zeitmessungen unserer Nachbarstaaten sowie der sonstigen Staaten, die sich u. a. zum Zweck gemeinsamer Zeitmessung in der Internationalen Meterkonvention, die ihren Sitz in Paris hat, zusammengeschlossen haben. Zwar besitzt die Bundesrepublik, wie schon erwähnt, an sich eine Grundlage in der Form der durch das Zeitgesetz von 1893 festgelegten gesetzlichen Zeit. Sie basiert, entsprechend dem damaligen technisch-wissenschaftlichen Stand, auf der sogenannten „mittleren Sonnenzeit des 15. Längengrades östlich von Greenwich". Diese Festlegung entspricht heutigen technisch-wissenschaftlichen Anforderungen wie auch heutigen Möglichkeiten nicht mehr. Hierzu ist darauf hinzuweisen, daß eine wesentliche Grundlage exakter Zeitbestimmung die genauest mögliche Bestimmung der Sekunde ist. Bis 1956 wurde die Sekunde auf rein astronomischer Grundlage bestimmt und definiert. Wegen Unregelmäßigkeiten der Dauer der Erdumdrehung ergaben sich dabei zwangsläufig Ungenauigkeiten in der Ableitung einer Zeitskala aus der astronomischen Sekunde. Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse erlauben heute eine von Ungenauigkeiten der Erdrotation befreite atomare Definition der Sekunde. Dementsprechend wurde 1969 im Gesetz über Einheiten im Meßwesen die Atomsekunde festgelegt. ({1}) - Ich wollte das dem Hohen Hause nicht vorenthalten. - Auf dieser Grundlage soll nunmehr die gesetzliche Zeit neu festgelegt werden. Damit wird die notwendige Voraussetzung dafür geschaffen, daß diejenigen Institute des Bundes, die Aufgaben der Darstellung und Verbreitung der gesetzlichen Zeit zu erfüllen haben, eine verläßliche und dem internationalen modernen Stand von Technik und Wissenschaft entsprechende Grundlage für die Erfüllung ihrer Aufgaben zur Verfügung haben. Dem dient das neue Zeitgesetz, das Ihnen heute im Entwurf vorliegt. Das Zeitgesetz soll auch die - nach der gegenwärtigen Gesetzeslage nicht vorhandene - Möglichkeit dafür schaffen, in der Bundesrepublik Deutschland Sommerzeit einzuführen. Dem dient die in § 3 des Gesetzentwurfs vorgesehene Ermächtigung zum Erlaß einer entsprechenden Rechtsverordnung der Bundesregierung. Die von der Bundesregierung angestellten Überlegungen über Zweckmäßigkeit, Vor- und Nachteile der Einführung der Sommerzeit haben alle zu beachtenden Gesichtspunkte berücksichtigt. Dies sind insbesondere die folgenden: die sozialen, familien- und gesundheitspolitischen Aspekte sowie die Gesichtspunkte einer sinnvollen Ausnutzung der Freizeit, besonders durch die Ausübung von Sport in der Jahreszeit mit längerer Tageshelligkeit, die deutschlandpolitischen und Berlin betreffenden Aspekte sowie die europapolitischen Aspekte, sowohl auf die Europäische Gemeinschaft als auch auf Gesamteuropa bezogen. Eine Entscheidung der Bundesregierung darüber, ob in der Bundesrepublik Deutschland Sommerzeit eingeführt werden soll oder nicht, kann erst ergehen, wenn das Zeitgesetz in der Ihnen vorliegenden Fassung des § 3 vom Deutschen Bundestag gebilligt werden wird. Der gegenwärtige Überlegungsstand der Bundesregierung geht dahin, daß bei Abwägung aller für und gegen die Einführung der Sommerzeit sprechenden Gesichtspunkte der Einführung vor allem aus europapolitischen Gründen der Vorzug zu geben ist. Dabei hofft die Bundesregierung, daß, wenn im Jahre 1978 in West- und Mitteleuropa von 17 Staaten voraussichtlich 16 die Sommerzeit einführen sollten, sich auch die DDR zu diesem Schritt entschließen wird. Die Kompetenz des Bundes zum Erlaß eines Zeitgesetzes ist die ausschließliche Bundeskompetenz, die auf Art. 73 Nr. 4 des Grundgesetzes beruht. Bund, Länder und Gemeinden werden mit Kosten nicht belastet. Das Gesetz bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates. Der Bundesrat hat gegen den vorliegenden Entwurf keine Einwendungen erhoben. Eine zügige Behandlung des Gesetzentwurfes in diesem Hohen Hause ist dringend notwendig. Es sollte erreicht werden können, daß das Gesetz noch vor der Sommerpause in Kraft tritt; nur dann wird es möglich sein, daß die Bundesregierung ihre Entscheidung über die Einführung oder Nichteinführung von Sommerzeit im Jahre 1978 so rechtzeitig - das heißt: ebenfalls noch vor der Sommerpause - trifft, daß die von der Entscheidung Betroffenen, hauptsächlich die Verkehrsträger und hier insbesondere die Bundesbahn, ihre notwendigen Dispositionen, Fahrplangestaltung usw., ebenfalls noch rechtzeitig treffen können. ({2})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Broll.

Werner Broll (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000271, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Begründung des Gesetzes durch den Parlamentarischen Staatsekretär hat gezeigt, daß wir in diesem Gesetz im Grunde nicht mehr ganz frei sind. In § 1, der die Zeit neu festsetzt, folgen wir dem Rat der Wissenschaftler, die entdeckt haben, daß die Sekunde nicht mehr ein sehr kleiner Teil der Zeit ist, die die Erde braucht, um sich einmal um sich selbst zu drehen, sondern es heißt in klassischem Gesetzesdeutsch: 1 Sekunde ist das 9 192 631 330fache der Periodendauer der dem Übergang zwischen den beiden Hyperfeinstrukturniveaus des Grundzustandes von Atomen des Nuklids 133Cs entsprechenden Strahlung. ({0}) - Diese Zeit, Herr Abgeordneter, ist für uns überhaupt nicht mehr maßgebend; die Atomzeit geht pro Jahr eine Sekunde vor, und das ist das große Problem. Noch größer wird das Problem, wenn die Physiker entdecken, daß sie sich bei der soeben genannten großen Zahl um ein kleines Stückchen versehen haben sollten; denn dann muß das Gesetz möglicherweise ganz neu gefaßt werden. ({1}) In § 3 folgen wir - auch das ist dargestellt worden - den Fakten, die unsere europäischen Nachbarn bereits geschaffen haben. Diese Fakten sind in der Tat nicht sehr erfreulich. Im letzten Jahr haben bereits sechs west- und südeuropäische Nachbarstaaten die Sommerzeit eingeführt, d. h., sie haben die Zeit um eine Stunde vorverschoben. Diese sechs europäischen Länder haben das jeweils zu verschiedenen Zeiten getan, so daß die sechs europäischen Länder fünfmal nacheinander jeweils ihre eigenen Zeitrelationen zueinander verändern mußten. Das führt zu grotesken Mißständen, da der Verkehr zwischen diesen Ländern untereinander oder auch zwischen uns und diesen Ländern unwahrscheinlich groß ist. Er ist, insgesamt gesehen, dreißigmal so groß wie unsere Verkehrsbeziehungen oder überhaupt Kontaktbeziehungen zum gesamten Ostblock. Da kommen Züge, die bei uns zu vernünftiger Zeit abfahren, mit Geschäftsleuten besetzt, in Paris zu einer Zeit an, zu der die besten Gelegenheiten, geschäftliche Besprechungen zu führen, bereits vorbei sind. ({2}) - Ich weiß nicht, welche Zeiten die bayerischen Freunde für Geschäftsabschlüsse vorziehen. Norddeutsche pflegen solche Abschlüsse am Vormittag zu tätigen, Herr Kollege Gerlach. ({3}) Da bleiben möglicherweise Kurswagen stehen. Noch schwerwiegender wird es sein, wenn Flugzeuge, die in Bern oder in Zürich um 11 Uhr abfliegen, bisher um 11.10 oder 11.20 Uhr in Frankfurt ankamen und nächstens erst nach 12 Uhr dort ankommen, in Frankfurt nicht mehr zur Landung zugelassen werden, weil die Kapazität des Flughafens Frankfurt, wie man hört, um 12 Uhr erschöpft ist. Die Bedenken der Schweizerischen Bundesbahn, daß nun auch wir vielleicht noch eine andere Sommerzeit einführen, gipfeln in der Aussage: Dann wird es in Europa ein Chaos geben. Dabei wird allerdings davon ausgegangen, daß wir uns eine eigene, originell deutsche Zeit aussuchen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, man fragt sich natürlich, wie dann, wenn schon in dieser Angelegenheit, da weder nationales Prestige noch nationales Interesse auf dem Spiele steht, eine europäische oder, besser gesagt, nachbarschaftliche Einigung nicht möglich ist, erst eine solche Einigung bei den wirklichen, den essentiellen Problemen zwischen diesen Staaten möglich sein soll. Was nun den Energieverbrauch betrifft, von dem man im Jahre 1973 als Grund für die Einführung dieser Zeit am meisten geredet hat, so wurde die Einsparung damals möglicherweise etwas übertrieben. Damals war von einer Gesamteinsparung von 2 oder 3 °/o der Energie die Rede. Das ist vermutlich falsch, weil der größte Teil der Energie ja nicht von den elektrischen Birnen, sondern von den Maschinen verbraucht wird. Die heute genannte Zahl von 0,2 % ist aber möglicherweise etwas untertrieben. Wie in manchen Bereichen des Lebens gibt es aber auch hier keine endgültigen Statistiken, und das ist vielleicht auch ganz gut so. Natürlich wird die Einführung der Sommerzeit - das ist ganz klar - nicht unbedingt nur Freude bereiten. Denken Sie beispielsweise an Schüler, die dem Leistungsdruck bisher manchmal dadurch entgehen konnten, daß sie hitzefrei bekamen. Die Chance, hitzefrei zu bekommen, schwindet bei Einführung der Sommerzeit ganz erheblich. Dies wird die Stimmung in den Schulen ganz erheblich verschlechtern. Auch manche anderen Leute, die ihr Glück vorwiegend in der Nacht zu machen pflegen, werden unter der Hinausschiebung des Beginns der Nacht zu leiden haben. Aber Spaß beiseite. Es gibt ernsthafte Bedenken gegen die Einführung der Sommerzeit. In den USA beruhten sie aber darauf, daß dort die Sommerzeit im ganzen Jahr gilt. Es ergeben sich natürlich Probleme im Zusammenhang mit der Umstellung bei jungen Menschen, bei Kindern und auch bei den Eltern, die diese Kinder versorgen müssen. Wir sollten dies durchaus nicht unterschätzen. Ob der biologische Rhythmus ohne weiteres bei allen ohne Schaden schnell umgestellt werden kann, ist die große Frage. Andererseits sollte man dieses Argument, das manchmal auftaucht, bestimmt nicht überschätzen. Wir müssen uns klarmachen, daß jährlich mehrere Millionen Familien mit kleinen Kindern Reisen in weit entfernte Länder - nach Spanien, Bulgarien oder Italien - unternehmen und dort Zeitdifferenzen in Kauf nehmen, und zwar unter erheblich ungünstigeren Bedingungen als bei uns. Ich weise nur auf die klimatischen Veränderungen, räumlichen Veränderungen usw. hin. Daß Sportvereine, die ja erwähnt worden sind, und Trimm-dich-Vereine an einer Hinausschiebung des Eintritts der Nacht interessiert sind, ist selbstverständlich. Wenn man beklagt, daß die Kinder abends nicht gut ins Bett zu bekommen sein werden, so kann man sich vielleicht mit dem Gedanken trösten, daß sie morgens ungestörter durch Vogelgezwitscher und zu. frühe Helligkeit bis zum Beginn der Schulzeit schlafen werden. Ganz wichtig ist sicher das Argument, daß die Haupthitze des Tages dann zu einer Zeit eintreten wird, in der die Arbeit entweder schon beendet sein kann oder unmittelbar dem Ende entgegengeht. Das werden viele Arbeitnehmer in unserem Lande sicher begrüßen. Nicht vergessen darf man, daß die Einführung der Sommerzeit in der Bundesrepublik für die Stadt Berlin und den gesamten innerdeutschen Bereich nun wirklich, vorsichtig formuliert, große Unannehmlichkeiten mit sich bringen wird. Berlin wird dann die einzige Stadt in der Welt sein, die eine Zeitzweiteilung zu allen anderen Teilungen, die vorhanden sind, erleidet. Wenn Sie nun bedenken, daß die S-Bahn in der Regie der DDR geführt wird und daß es die Reichsbahn ist, die den Zugverkehr von unserer Ostgrenze bis hin nach Berlin führt, d. h., daß die Fahrpläne von ihr erstellt und ausgehängt werden, so können Sie sich die Verwechslungen, die Schwierigkeiten ausmalen, die entstehen, wenn ein Westberliner in seinem Bahnhof auf den. Fahrplan sieht und dort möglicherweise eine andere Zeit als unsere Sommerzeit steht. ({4}) - Richtig, Sie haben es ein paar Minuten, bevor es mir eingefallen wäre, entdeckt, Herr Präsident. Das ist natürlich ein richtiger Abstand. Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Berliner Probleme sollten wir auch aus grundsätzlichen Erwägungen nicht unterschätzen. Es ist wirklich eine Frage, ob wir angesichts dieser dann noch sichtbarer werdenden Teilung die Sommerzeit bei uns einführen sollten. Denken Sie auch an die Zeitverschiebungen an den Übergangsstellen usw. Dennoch glaube ich, es wäre falsch, hier zu sagen, wir hätten uns zwischen Ost und West zu entscheiden. Es ist so, daß die Volksrepublik Polen bereits im vorigen Jahr die Einführung der Sommerzeit für dieses Jahr angekündigt hat. Wir wissen aus Informationen, daß Belgrad und Prag interessiert sind, mit uns zusammen oder in der Folge ebenfalls Sommerzeit einzuführen, und wir wissen, daß auch Dänemark, Osterreich und die Schweiz auf unser Vorgehen warten und sich nach unserem Vorgehen richten werden. Ich meine, es ist zu verstehen, daß der Berliner Senat und übrigens auch die Opposition im Berliner Abgeordnetenhaus bereits erklärt haben, daß sie sich der Einführung der Sommerzeit, wenn wir sie vornähmen, anschließen würden. Wenn man die Schwierigkeiten auch psychologischer Natur bedenkt, muß man sagen, daß diese' Haltung der Berliner wirklich Respekt verdient. Aber wie Herr Kollege Stücklen eben schon richtig gesagt hat, die Berliner, von denen Goethe gesagt hat, sie seien eine sehr verwegene Rasse, werden mit diesem Problem wohl fertig werden. Und ich glaube, dies ist wohl richtig: wenn die Berliner das Gefühl haben, daß ihr Recht im Grunde gewahrt wird, die Bindungen zur Bundesrepublik vertieft werden und damit ihre Hoffnung auf eine sichere und freie Zukunft begründet ist, dann werden sie nach allen bisherigen Erfahrungen Unannehmlichkeiten gern in Kauf nehmen. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß ein paar Gedanken äußern, die der Regierung im Namen meiner Fraktion mit auf den Weg gegeben werden sollen: 1. Wir sollten, wenn wir Sommerzeit einführen, dies im Einvernehmen und einheitlich mit anderen europäischen Staaten tun, wie dies auch dem Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaft entspricht. 2. Wir sollten die Sommerzeit zusammen mit den eben genannten Staaten Schweiz, Dänemark und Osterreich einführen, um weiterem Wirrwarr im zentraleuropäischen Bereich vorzubeugen. 3. Wir sollten zusätzlich Verhandlungen mit den östlichen und den südöstlichen Nachbarn führen, nicht mit dem Ziel, daß wir teure Konzessionen machen - das sind die Dinge in diesem Fall nicht wert. Ich meine auch, daß sich die DDR eines Tages aus praktischen Gründen von ihrer jetzigen Linie abwenden wird, daß sie sagt, sie sei nicht interessiert. 4. Ich habe noch einen Ratschlag an die Regierung. Dabei komme ich auf einen Brief des Präsidenten des Deutschen Bundestages und auf einen Beschluß des Geschäftsordnungsausschusses, dem ich anzugehören die Ehre habe, zurück. Dort war gewünscht worden, daß wieder, wie es früher im Bundestag der Brauch war, bei der Einbringung eines Gesetzentwurfes statt „Zielsetzung" „Problem" stehen soll. Bei diesem Gesetz sieht es so aus, daß da steht: A. Zielsetzung; B. Lösung; C. Alternativen. Der Präsident schlug vor - und wir sind dem im Ausschuß gefolgt -, wieder die alte Formulierung „Problem" zu gebrauchen. Ich finde das sehr wichtig für Ihre Regierung, Herr Staatssekretär; denn man könnte sonst auf die Idee kommen, daß manchmal Gesetze gemacht werden, wo gar keine Probleme bestehen. ({5}) Meine Damen und Herren, die CDU/CSU neigt in der Regel sicher nicht dazu, der jetzigen Regierung Ermächtigungen zu geben. Aber die Ermächtigung in § 3 werden wir wohl ohne Widerstand gewähren können. ({6})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat Frau Abgeordnete Hartenstein.

Dr. Liesel Hartenstein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000815, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn es heute nur darum ginge, das alte Zeitgesetz von 1893 durch eine modernere Zeitbestimmung abzulösen, dann könnten wir darüber sicher rasch zur weiteren Tagesordnung übergehen und ohne Bedenken und ohne Zögern zustimmen. Denn ob die Zeitmessung auf der alten astronomischen Grundlage erfolgt, wie es uns der Herr Staatssekretär erklärt hat, oder auf Grund der sogenannten „atomaren" Definition der Sekunde, berührt den Bürger wenig, da sein Leben dadurch in keiner Weise beeinflußt wird. Die Wissenschaft fordert eben ihren Tribut. Sie strebt eine möglichst große Präzision auch in der Zeitmessung an. Der Gesetzgeber trägt dem Rechnung. So weit - so gut. Wohl aber, so meine ich, berührt den Bürger jener § 3 in dem Entwurf des Gesetzes zur Zeitbestimmung, der vorsieht, daß die Bundesregierung ermächtigt werden soll, durch Rechtsverordnung die Sommerzeit einzuführen, und zwar ab 1978; deswegen eilt es ja so mit diesem Gesetz. Das ist eine Sache, über die zu reden sich lohnt; denn sie hat eine erhebliche politische Dimension und greift auch tief in unseren Alltag, in das Leben Deutscher Bundestau - 8. Wahlperiode Frau Dr. Hartenstein der Familie und in den Tagesablauf aller arbeitenden Menschen ein. Aus den eben genannten Gründen erscheint es mir übrigens merkwürdig, daß noch keinerlei öffentliche Diskussion darüber im Gange ist. Ich wünschte, sie käme in Gang. Denn ein Gesetz, das solche Auswirkungen für alle hat, sollte, ohne daß diese Auswirkungen geklärt und bewußt gemacht sind, nicht beschlossen werden. Auch hier sollte nach unserer Auffassung „Bürgerbeteiligung" statfinden. Naürlich ist die „Angleichung der Zeitzählung an diejenige benachbarter Staaten", wie es in dem Gesetzentwurf heißt, ohne Zweifel ein gewichtiges Argument. Wenn nun mittlerweile sieben unserer EG-Partner, darunter Frankreich, Großbritannien und die Benelux-Länder, die Sommerzeit haben, dann ist es wohl geboten, auch unsererseits darüber nachzudenken, ob wir nicht gleichziehen sollten. Die Vereinfachung im grenzüberschreitenden Verkehr, die Harmonisierung der Fahr- und Flugpläne und noch vieles andere mehr, was bereits genannt worden ist, all dies spricht dafür. Es geht auch alles in allem um die Frage der Einheitlichkeit in der Europäischen Gemeinschaft und letztlich, wenn Sie so wollen, um die europäische Integration. Nur: in unserem geteilten Deutschland muß in aller Deutlichkeit auch gesehen werden, was passiert, wenn die DDR - und dies ist bis jetzt leider der Fall - nicht gewillt ist, sich einer Sommerzeitregelung anzuschließen. Wir würden zusätzlich zu der bestehenden Grenze noch eine Zeitgrenze haben. Diese Zeitgrenze würde sich auch mitten durch die Stadt Berlin ziehen. Nirgendwo sonst in Europa stellt sich ein solches Problem, das man sich in aller Schärfe vor Augen führen muß. Mit Verwunderung stelle ich übrigens fest, daß der Sprecher der Opposition heute die Berliner Probleme betont, während bis gestern in den Vorgesprächen von seiten der CDU/CSU davon kaum die Rede war. Es wurde einfach erklärt, die Berlin-Problematik dürfe kein Hinderungsgrund sein. Das möchte ich doch festhalten. Für uns ist dies ein Anlaß zu großer Sorge. Ich meine, man darf dieses Problem nicht unterschätzen. Sie haben, Herr Kollege Broll, davor gewarnt, daß man es überschätze. Wir meinen, man darf es auf keinen Fall unterschätzen. Es wäre doch ein unerträglicher Zustand und eine schwere psychologische Belastung für die Bevölkerung, wenn z. B. die Uhren auf den Bahnsteigen der S-Bahnhöfe die alte mitteleuropäische Zeit zeigten, die Uhren auf den Bahnhofsvorplätzen im Westen der Stadt dagegen die neue Sommerzeit, wenn die Uhren in der einen Straße derselben Stadt anders gingen als in der anderen Straße. Im übrigen würde die Zeitdifferenz ja nicht nur im Verkehrsbereich spürbar werden, sondern beispielsweise auch durch die Medien, durch Fernsehen, durch Radio, und ebenso bei Telefonkontakten, die inzwischen auf Grund der Verträge Gott sei Dank zehnmillionenfach innerhalb Berlins und zu den Bürgern in der DDR bestehen. Tagtäglich würde auch hier die unselige Tatsache der Teilung sinnenfällig. Dies sollte vermieden werden. Eine Stadt, die ohnehin schon durch eine Mauer getrennt ist, darf nicht auch noch eine zeitgeteilte Stadt werden. ({0}) Es ist deswegen ein dringendes Anliegen, daß bei der Entscheidung die Interessen Berlins und der Berliner unbedingt gebührend berücksichtigt werden. Der Innenausschuß wird sich aus diesem Grund in Berlin ausführlich über die befürchteten Schwierigkeiten informieren lassen. Ich möchte einen weiteren Punkt aufgreifen, der bis jetzt nur gestreift worden und noch gar nicht richtig in der Diskussion ist: den gesundheitspolitisçhen Aspekt. Es gilt wohl zu überlegen, welche Auswirkungen eine Maßnahme wie die Einführung der Sommerzeit auf die Volksgesundheit hat. Ich bin nicht so ganz überzeugt, daß, wie Herr Staatssekretär von Schoeler meinte, „alle zu beachtenden Gesichtspunkte bereits berücksichtigt" seien. ({1}) Die zusätzliche Stunde Helligkeit am Abend wird häufig als Chance für die Gemeinsamkeit der Familie und für mehr Freizeit dargestellt. Man spricht davon, daß die Erwerbstätigen früher nach Hause kämen, daß man mit der Familie am Abend noch etwas anfangen, ins Schwimmbad gehen könne usw. Daran ist sicher etwas Richtiges. Auf der anderen Seite sollten die Gefahren nicht übersehen werden. Die Verlängerung des Tages bedeutet eine Verkürzung der Entspannungs- und Ruhezeit in der Nacht. Ernstzunehmende Pädagogen warnen uns: Unsere Kinder, sagen sie, werden eine Stunde weniger Schlaf haben. Man muß das ganz pragmatisch sehen. Kinder bei strahlendem Sonnenschein ins Bett zu bringen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Da nützen alle wohlgemeinten Grundsätze nichts. Das ist eine praktische Erfahrung. Hinzu kommt: Der Verkehrslärm wird nicht abflauen, wenn es im Hochsommer bis 22 oder gar bis 23 Uhr hell bleibt. Wenn man bedenkt, in welchem Maß heute schon unsere Wohngebiete z. B. von Moped- und Motorradlärm überflutet sind, dann ist auch hier ein warnendes Wort am Platz. Ich möchte dieses deutlich ausgesprochen haben. Das Vogelgezwitscher am Morgen, das Sie, Herr Kollege Broll, erwähnt haben, ist weniger störend. Es wird gesagt, die Umstellung auf die Sommerzeit greife nicht in den sogenannten Biorhythmus ein. Bis jetzt liegen darüber keine gesicherten Erkenntnisse vor. Ich rege deshalb an, daß Mediziner, vor allem Kinderärzte und Arbeitsmediziner, und ebenso Pädagogen zu dieser Frage gehört werden. Auch die Veränderungen in der Arbeitswelt sind zu bedenken. Die Umstellung auf die Sommerzeit hat Konsequenzen, besonders für jene Arbeitnehmer, die Schichtarbeit leisten. Bis jetzt gibt es keine Stellungnahme der Gewerkschaften zu dieser Frage. Es wäre nützlich, eine solche einzuholen. Ich habe im Krieg die Sommerzeit noch erlebt und weiß, daß sie damals teils wegen der Energieein1750 sparung, hauptsächlich aber deswegen eingeführt worden ist, um den Menschen zu vermehrter Arbeitsleistung anzuspornen. Dies kann gewiß kein Gesichtspunkt sein. Eher ist das Gegenteil anzustreben. Nicht mehr Streß, sondern mehr Erholung und Entspannung für den Menschen sollte unser Ziel sein. ({2}) Dafür gibt es auch andere Wege. Von den Rednern, die vorhin gesprochen haben; ist das ebenfalls erwähnt worden. Die seit 1973 viel diskutierte Frage, ob die Einführung der Sommerzeit zu einer nennenswerten Energieeinsparung führe, wurde von der Bundesregierung mehrmals dahin gehend beantwortet, daß diese Einsparung relativ geringfügig wäre. Sie wird nach meinen Informationen mit 0,1 bis 0,2% des gesamten Stromverbrauchs angegeben. Trotzdem muß angesichts der heutigen Energiediskussion auch dieser Aspekt berücksichtigt werden. Die französische Regierung hat bei ihrer Entscheidung dieses Argument sogar als erstes in die Waagschale geworfen. Pro und Contra Sommerzeit müssen also sehr, sehr sorgfältig abgewogen werden. Osterreich, die Schweiz und Dänemark verhalten sich vorläufig abwartend. Von der Entscheidung der Bundesrepublik wird vieles abhängen, was das einheitliche europäische Zeitkonzert betrifft. Dabei sollten aber nicht allein die Fahrplanmacher das Wort haben, und es sollten auch nicht die Technokraten allein über die Politik bestimmen und so mir nichts, dir nichts über die Lebensweise der Menschen verfügen. ({3}) In jedem Fall begrüßen wir die Bemühungen der Bundesregierung, zu einer mit allen Nachbarstaaten gemeinsamen Lösung und damit zu einer einheitlichen Zeitbestimmung in ganz Mitteleuropa zu kommen. ({4})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Abgeordnete Wolfgramm. Wolfgramm ({0}) (FDP: Frau Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Das erste Ziel des vorliegenden Gesetzentwurfs ist die Neubestimmung der gesetzlichen Zeit. Das geschieht, wie es sich gehört, mit Hilfe astronomischer Beobachtungen und Berechnungen. Wir bewegen uns da auf einem sehr alten Gebiet. Schon die Ägypter und die Maya-Kultur haben es da ja zu sehr bemerkenswerten Genauigkeiten gebracht. Ich frage mich allerdings, ob es nicht wenigstens in einem Gebiet zu einer perfekten Lösung kommen sollte, ob wir nicht doch vielleicht der Wissenschaft empfehlen könnten, die eine Sekunde, die sich aus den rhythmischen oder unrhythmischen Schwankungen der Erdumdrehung - je nachdem, wie man sie gegeneinandersetzt - ergeben, auch noch zu eliminieren. Wir haben da sicher noch Hoffnung. Die FDP jedenfalls wird der Verankerung der Caesiumatom-Eigenschwingung kein anderes Maß in den Weg stellen wollen. Die zweite Zielsetzung ist sehr viel politischer. Es ist die Frage d 'r Einführung der Sommerzeit. Wir haben hier sozusagen ein Ermächtigungsgesetz, das uns auf den Pfad der europäischen Integration führen soll. Wir meinen, das ist ein richtiger Pfad. Die FDP hat sich immer für die europäische Integration ausgesprochen. Wir werden den Weg zu Europa nur mit gleicher Zeit erreichen - zum gleichen Zeitpunkt, hoffen wir. Die Schweiz hat übrigens gestern bereits beschlossen - insofern ist sie aus dem Wartestand ausgeschieden -, sich 1978 den anderen Staaten in Europa anzuschließen. Es bleiben also nur noch Dänemark und Osterreich übrig, die sozusagen noch auf uns warten. Wir meinen, sie sollten nicht allzu lange warten müssen. Die Frage der Energieeinsparung wird von der Bundesregierung gering eingeschätzt. Die französische Regierung hat gesagt, in einem Jahr würden immerhin 300 000 t Rohöl eingespart. Das ist doch eine sehr erfreuliche Menge. Diese Zahl ist immerhin in einer französischen Kabinettssitzung erwähnt worden. Auch der psychologische Effekt der Umstellung auf die Sommerzeit wird sich nach unserer Meinung im Hinblick auf die Energieeinsparung als deutlich faßbares Moment darstellen. Die Sache ist ja nicht ganz neu. Benjamin Franklin hat schon im 19. Jahrhundert vorgerechnet, man könnte bei Umstellung auf die Sommerzeit eine Kerze pro Tag einsparen. Wir nehmen das Problem der Umstellung des biologischen Rhythmus bei der Einführung der Sommerzeit ernst und werden dazu von den Wissenschaftlern sicher noch einiges zu hören haben. Auf der anderen Seite werden wir uns in den Bereichen, in denen die Bundesrepublik Deutschland mit den Nachbarländern besonders eng verbunden ist - im Bereich der Touristik, des Verkehrs, überhaupt im Rahmen der Integration -, schwertun gegenüber den Ländern, die schon im Jahre 1977 die Sommerzeit einführen. Wir werden einfach nachziehen müssen. Das Berlin-Problem wollen wir zusammen mit den dort Zuständigen sehr ernsthaft prüfen. Wir werden uns da die Sorgen eingehend vortragen lassen. Wir meinen aber, daß es nur ein Entweder/Oder gibt. Zwischenlösungen werden wir da nicht finden können. Die DDR hat erklärt, daß sie kein Interesse an der Sommerzeit habe. Wir hoffen, daß sich dieser Standpunkt ändert. Sie hat ja bereits 1955 eine solche Einführung erwogen. Vielleicht wird sie als Arbeiter- und Bauernstaat auch überlegen müssen, daß die Bundesbürger dann immer eine Stunde voraus sind. Das ist vielleicht auch ein Anreiz, sich hier sozusagen in die Position zu begeben, ein Erfolgserlebnis zu haben, nämlich die Bundesrepublik einzuholen, ohne daß man einen Fünfjahresplan aufstellen muß. ({1}) Wir bedauern, daß ein Zeitgesetz unter Zeitdruck beraten und verabschiedet werden muß. Wir meinen, daß eine zügige Beratung sicher wohl doch nicht in einer Atomsekunde abgeschlossen werden kann. Wolfgramm ({2}) 1 Wir werden dieser im Innenministerium schon vorbereiteten Rechtsverordnung, wonach am Sonntag, dem 2. April 1978, um 24 Uhr diese Umstellung vor- genommen werden soll, unsere Zustimmung sicher nicht verweigern. Übrigens: Wilhelm Busch hat das schon vorausgesehen. Er hat nämlich gesagt - ich zitiere mit Genehmigung der Frau Präsident -: Nachdem die Welt so manches Jahr im alten Gleis gegangen war, erfuhr dieselbe unvermutet: Der Wärter hat die Zwölf getutet. ({3})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen zur Zeit liegen nicht mehr vor. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Innenausschuß. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ist so beschlossen. Ich rufe nunmehr Punkt 5 der Tagesordnung auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Dollinger, Dr. Schulte ({0}), Straßmeir, Dr. Luda, Tillmann, Dreyer, Frau Hoffmann ({1}), Milz, Dr. Riedl ({2}), Regenspurger, Biechele, Dr. Jobst und der Fraktion der CDU/CSU Telefon-Nahbereiche ohne Zeittakt - Drucksache 8/308 Überweisungsvorschlag des Altestenrates: Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen verbunden mit der Beratung des Antrags der Abgeordneten Mahne, Wuttke, Stahl ({3}), Topmann, Ollesch, Hoffie und der Fraktionen der SPD, FDP Versuchsbetrieb in Telefon-Nahbereichen - Drucksache 8/342 -. Ich nehme an, daß die vorgesehenen Reden zugleich die Begründungen darstellen. Ich rufe Herrn Abgeordneten Dollinger auf.

Dr. Werner Dollinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000403, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem hier die weite Welt mit einer Zeitdifferenz von einer Stunde behandelt worden ist, darf ich Sie bei diesem Punkt der Tagesordnung in unser Land zurückführen. Es geht nicht mehr um Stunden, sondern es geht mehr um Minuten. Wäre das, was die Deutsche Bundespost am 12. Juli 1971 verkündet hat, nämlich daß man künftig im Umkreis von 25 Kilometern, also innerhalb von 30 Ortsnetzen, zeitlich unbegrenzt werde telefonieren können - damals noch für 21 Pfennig -, damals verwirklicht worden, gäbe es diese Debatte im Augenblick überhaupt nicht. Als Begründung gab die Deutsche Bundespost an, daß sonst - ich zitiere .- ein für alle Teilnehmer verständliches und akzeptables Tarifsystem unter Wahrung des Besitzstandes zu schaffen verfehlt wäre. Es hieß: „Auf Grund der Erfahrungen im In- und Ausland muß bezweifelt werden, ob je eine zwingende Notwendigkeit für die Einführung der Zeitzählung im Orts- und Nahbereich besteht." Es heißt dann weiter - ich zitiere wörtlich -: Zur Zeit spricht alles dafür, daß es auf lange Sicht wesentlich wirtschaftlicher und technisch eleganter sein wird, den minimalen Anteil von Dauerverbindungen oder Langsprechern durch bessere Bündeldimensionierung aufzufangen, als eine aufwendige Gebührenerfassungstechnik in allen Ortsvermittlungsstellen vorzusehen. Dieses und noch anderes Interessante kann nachgelesen werden im „Memorandum zur Reform der Gesprächsgebühren im Fernmeldewesen" von November 1970 und im „Jahrbuch des elektrischen Fernmeldewesens" von 1972. Am 24. September 1975 verkündete der Bundespostminister erneut den Nahbereich, allerdings gegenüber 1971 mit erheblichen Veränderungen und Verschlechterungen. Der Radius der Nahbereiche wurde von 25 auf 20 Kilometer reduziert. Völlig neu war die Einführung eines Zeittaktes von vier Minuten. Damit beginnt die Kette von Widersprüchen und Ungereimtheiten in der Argumentation des Bundespostministeriums für einen Zeittakt. Erst dadurch wurden Mißtrauen und Widerstand bei den betroffenen Bürgern geweckt. Nach der oben zitierten Pressemitteilung des Bundespostministeriums sollten die ersten Nahbereiche noch im Jahre 1975 eingerichtet werden, während die Einführung der Zeitzählung im Ortsnetz erst für 1977 vorgesehen war. Hiernach wären also Nahbereiche auch ohne Zeittakt möglich gewesen. Meine Damen und Herren, die erste Begründung für den Zeittakt lautete - ich zitiere -: Mit der Zeitzählung im Ortsdienst soll die finanzielle Belastung - Gebührenausfall und Kosten - aus dem Nandienst gemildert werden. Es heißt weiter: Die angespannte finanzielle Situation der Deutschen Bundespost läßt es nicht zu, den Nahdienst in der 1971 beschlossenen Form, also ohne Zeittakt, weiterzuführen. Der Bundespostminister erklärt noch am 28. Januar 1976 im ZDF, nach seinem plötzlichen Sinneswandel - erst 4-Minuten-, dann 8-Minuten-Zeittakt - gefragt - ich zitiere wiederum wörtlich -: Zunächst war unsere Erklärung immer, daß die vier Minuten eine Sache ist, die unter der Voraussetzung entstanden ist, keine generelle Gebührenerhöhung für die Teilnehmer deshalb zu machen. Heute habe ich dem Bundeskanzler und dem Kabinett nach einer langen Diskussion vorgeschlagen, weil ich die Frage, welche finanziellen Auswirkungen entstehen bei einem größeren Zeittakt, nicht beantworten konnte, in den vorgesehenen Versuchsnetzen dies zu testen. Von der Notwendigkeit einer Zettzäklung aus technischen Gründen, also wegen einer möglichen Netzblockade, war noch immer nicht die Rede. Nachdem drei kräftige Gebührenerhöhungen bei der Deutschen Bundespost durchgeführt worden waren und sich die finanzielle Lage günstig entwickelte, mußte das finanzielle Argument für die Notwendigkeit eines Zeittaktes, weil es nicht mehr haltbar war, aufgegeben werden. Die dreimalige Gebührenerhöhung von insgesamt 86 %, die uns nach der in der „Wirtschaftswoche" vom 28. Januar 1977 zitierten neuen Siemens-Studie über die Fernsprechgebühren in der Welt als teuerstes Telefonland der Welt nach Australien ausweist, hatte dem Fernmeldewesen der Deutschen Bundespost im Jahre 1975 einen Überschuß von rund 3 Milliarden und 1976 von rund 4 Milliarden beschert. ({0}) Dies entspricht einer Umsatzrendite von 20 0/0; private Unternehmer würden sich freuen, wenn sie nur einen Bruchteil davon erzielen könnten. Ich bin der letzte, der sich nicht freut, wenn es der Deutschen Bundespost finanziell wieder besser geht. Ich bejahe einen finanziellen Ausgleich zwischen den Post- und Fernmeldediensten ebenso wie die gemeinwirtschaftliche Verpflichtung der Deutschen Bundespost. Aber, meine Damen und Herren, da gibt es auch eine Grenze, bei deren Überschreiten sich der Telefonkunde übervorteilt fühlen muß, und diese Grenze wird nach meiner Meinung hier überschritten. Die Nahbereiche sind kein Geschenk an die Telefonkunden, sondern höchstens eine Dividende, die sie selbst finanziert haben. Wie wenig finanzielle Argumente für den Zeittakt sprechen, beweist einerseits der abrupte Übergang vom 4-Minuten-Zeittakt auf einen 8-MinutenZeittakt infolge der Proteststürme der Öffentlichkeit und sicher auch angesichts der Bundestagswahl vom Oktober 1976. Andererseits bringt bekanntlich ein 8-Minuten-Zeittakt jährliche Gebührenmehreinnahmen von höchstens 50 Millionen DM. Dann aber, wenn dieser Zeittakt nodi länger dauern soll - und der Parlamentarische Staatssekretär, Herr Wrede, sagte, er könne auch länger sein, z. B. 10 Minuten, und in dem Antrag von SPD und. FDP wird für gewisse Zeitabschnitte ein Zeittakt von 12 bis 16 Minuten vorgeschlagen -, werden wohl die Einnahmen aus dem Zeittakt finanziell bedeutungslos sein. Dem stehen die Investitionen für die Gebührenerfassung gegenüber. Meine Damen und Herren, hier liegen leider die Zahlen bisher nicht klar auf dem Tisch. Es gibt Informationen, die besagen, das Ganze kostet 1,8 Milliarden DM. Heute hörte ich vom Kollegen Hoffie, daß die Nahbereiche eine Milliarde kosten und die Meßgeräte 400 Millionen. ({1}) Ich glaube, das muß geklärt werden. ({2}) Es kommt aber nodi hinzu, daß die Gebührenerfassungstechnik, wenn das EWS-System eingeführt wird, nur noch Schrottwert hat. Der Bundespostminister behauptet, daß die Kosten niedriger liegen. Ich bin der Meinung, daß hier eine Gegenrechnung auf den Tisch gelegt werden muß. Es muß auch darüber Klarheit bestehen, ob die Ausgaben für die Gebührenerfassung wirtschaftlidi sinnvoll und vertretbar sind. Wie unglaubhaft muß es dem Bürger erscheinen, wenn der Bundespostminister, nachdem sich das finanzielle Argument für einen Zeittakt verbraucht hat, nun die Gefahr einer Netzblockade beschwört. Diese soll auch - völlig unbewiesen - durch den Verkehrsanreiz infolge der neuen Nahbereiche, in denen man zu einem niedrigen Tarif telefonieren kann, sowie durch Dauerverbindungen und durch Ausweitung der Daten- und Schriftgutübertragung entstehen. Was hat es damit auf sich? Bisher hat die Post immer erklärt, daß nur 3 °/o der Gespräche länger als acht Minuten dauern. Nadi ihren jüngsten Äußerungen ist die Post bereit, wie ich erwähnte, den Zeittakt auf 10 oder 12 Minuten zu verlängern. Dann allerdings .dürften keine 3 °/o, sondern vielleicht noch 1 °/o der Gespräche vom Zeittakt erfaßt werden. Wenn man über Nacht von einem 4-Minuten-Zeittakt auf einen 8-Minuten- oder gar auf einen 10-Minuten-Takt übergehen kann, ohne das Telefonnetz zu blockieren, dann dürfte es mit dem Argument des Verkehrszuwachses und der Dauergespräche nicht weit her sein. Im übrigen, meine Damen und Herren, haben wir ja in Großstädten wie. Hamburg, München, Berlin auch Ortsnetze mit einer sehr großen Zahl von Teilnehmern. Wenn es Engpässe geben sollte, dann wäre es nach meiner Meinung wesentlich sinnvoller, technisch eleganter und zukunftsträchtiger, anstatt die Summe von 1,8 Milliarden DM - ich sage das noch einmal, solange ich keine anderen offiziellen Zahlen bekomme - in eine sinnlose Gebührenerfassungstechnik zu investieren, die bei einem Übergang zum elektronischen Wählsystem nur noch Sdirottwert hätte, dieses Geld dazu zu verwenden, die Leitungsbündel zu verstärken und die Schaltglieder in den Vermittlungsstellen zu vermehren. ({3}) Damit hätte man gleichzeitig die Ärgernisse des Mondscheintarifs behoben. Nun zu dem Argument der Datenverarbeitung. Die Post hat selbst erklärt, solange diese Beanspruchung unter 1 °/o der Anschlüsse liege, bestehe keine Gefahr für eine Netzblockierung. Zur Zeit liegt dieser Satz bei höchstens 0,15 %. Selbst wenn die Prognose von Eurodata zutrifft, die für 1985 mit rund 276 000 Datenstationen rechnet, läge der Satz noch immer unter 1 °/o. Im übrigen bin ich davon überzeugt, daß für jeden Teilnehmer, der einen derartigen Dienst in Anspruch nimmt, ohne Schwierigkeit und mit geringerem finanziellen Aufwand eine Zeitzählung für diese Dienstleistung realisiert werden könnte. Darüber hinaus - diese Äußerung stammt gleichfalls von der Post - ist der Telefonkunde selbst daran interessiert, daß sein Telefon für andere Anrufe möglichst schnell wieder frei wird. Im übrigen wäre selbst beim 8-Minuten-Zeittakt die Aufrechterhaltung einer Dauerverbindung tagsüber immer noch billiger, als eine Standleitung bei der Deutschen Bundespost zu mieten. Deshalb gibt es hier nur den Weg, Dauerverbindungen als mißbräuchliche Benutzung des Telefons in der Fernsprechordnung zu verbieten. Solche Dauerverbindungen lassen sich heute mit Kontrolleinrichtungen feststellen, ohne daß dabei das Fernmeldegeheimnis verletzt wird. Kaum jemand würde wohl wegen möglicher finanzieller Vorteile eine Sperrung seines Fernmeldeanschlusses riskieren. ({4}) Meine Damen und Herren, um neue Argumente ist der Bundespostminister nicht verlegen. In jüngster Zeit behauptet er, der Zeittakt sei tarifpolitisch notwendig, weil 'das Ortsnetz keine Gebührengrenze mehr sein solle, die Gesprächskosten immer mehr von der Zeitdauer und weniger von der Entfernung abhingen und schließlich langfristig das ganze Bundesgebiet in ein nahezu einheitliches, entfernungsunabhängiges Tarifsystem eingeschlossen werden solle. Ich meine dazu: Die künftigen Nahbereiche sind mit und ohne Zeittakt keine Gebührengrenzen mehr. Die Einführung eines Zeittakts in den künftigen Nahbereichen bedeutet die Ausdehnung des Ferntarifs auch auf den ehemaligen Ortsverkehr, dessen Kriterium doch die zeitliche Unbegrenztheit ist. Somit wäre mit Einführung des Zeittaktes der Ortstarif tot. Alle anderen Formulierungen halte ich für den Versuch einer Verdummung der Postkunden. ({5}) Was kommt nun bei der Einführung eines bundeseinheitlichen Zeittaktes auf den Telefonkunden zu? Ein einheitlicher Zeittakt würde für das Gespräch mit dem Partner in tausend Kilometern Entfernung ebenso gelten wie für das Ortsgespräch mit dem Nachbarn, d. h. im Orts- und Nahbereich. ({6}) Dieser Zeittakt kann dann weder acht noch vier, sondern höchstens eine Minute oder gar eine halbe Minute dauern, wenn die Deutsche Bundespost ihr Gesprächseinnahmenniveau nur in etwa halten wollte; denn zur Zeit kommen rund vier Fünftel der Gesprächseinheiten aus dem Fernverkehr und nur ein Fünftel aus dem Ortsverkehr, d. h., etwa 10 Milliarden Ortsgespräche bringen ein Fünftel und 5 Milliarden Ferngespräche vier Fünftel der Gesprächseinnahmen. Wenn auch die, nach meiner Meinung, utopische Vorstellung des Bundespostministers von einem bundeseinheitlichen Zeittakt kaum verwirklicht werden dürfte, so kommt doch die Befürchtung weiter Bevölkerungskreise, daß künftig an der Zeittaktschraube gedreht werden könnte, d. h. an Stelle einer unpopulären Gebührenerhöhung der Zeittakt reduziert wird, nicht von ungefähr. Genauso wie die plötzliche Verlängerung von vier auf acht Minuten oder gar noch länger möglich ist, ist dann auch der umgekehrte Weg gangbar. Da die Bundesregierung auch im Zusammenhang mit der Zeitzählung im Nahbereich immer wieder auf Beispiele im Ausland verweist, kann ich dazu nur feststellen, daß dort entweder die Nahbereiche größer oder die Tarife niedriger sind als bei uns. Für viele Länder trifft sogar beides zu. Wie ich aufgezeigt habe und wie aus den wechselnden Argumenten des Bundspostministers abgeleitet werden kann, gibt es weder aus finanziellen noch aus technischen Gründen ein Junktim zwischen Nahbereichen und Zeittakt. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Die Regierung von SPD und FDP hat den Bürgern immer wieder mehr Transparenz versprochen. Was sie hier im Zusammenhang mit den künftigen Nahbereichen und der Notwendigkeit eines Zeittakts dem technisch nicht so versierten Bundesbürger vorführt, ist eine perfekte Vernebelung der Tatsachen und ihrer Absichten. ({7}) Die Einrichtung von Nahbereichen ist nicht nur zu begrüßen, sondern zwingend notwendig. ({8}) Sie bringt, wenigstens annähernd, die längst fällige Gleichstellung der Telefonkunden in den dicht und dünn besiedelten Räumen. Sie war auch im Zusammenhang mit der kommunalen Neugliederung fällig. ({9}) Dagegen ist nach unserer bisherigen Erkenntnis die Einführung eines Zeittaktes in den Nahbereichen völlig überflüssig, bedeutet ungeheure Investitionen am falschen Platz und wird zusätzlich auf dem Rükken, d. h. im Geldbeutel der alten, der kranken Menschen ausgetragen und der Bürger, die aus sonstigen Gründen ihre Wohnung nicht verlassen können oder derjenigen, die zur Telefonseelsorge Zuflucht nehmen müssen. Gerade für diese Menschen geht aber damit ein wesentlicher Teil ihrer Lebensqualität verloren. Darauf haben wir immer wieder hingewiesen. Dies wird jetzt, allerdings mit eineinhalbjähriger Verspätung, sogar im Antrag der SPD und FDP bestätigt, der vieles übernimmt, was wir bereits im Dezember 1975 für erforderlich hielten und gefordert hatten. ({10}) Die Zuspitzung der Diskussion, meine Damen und Herren, wäre nicht erfolgt, wenn nicht der Bundespostminister ständig seine Bedingungen und seine Argumentation geändert hätte. Erst sollten es Nahbereiche mit einem Radius von 25 Kilometern ohne Zeittakt sein, dann Nahbereiche mit einem Radius von nur 20 Kilometern und 4-Minuten-Zeittakt, dann Nahbereiche mit einem Radius von 20 Kilometern und 8-Minuten-Zeittakt. Auch diese acht Minuten sind schon wieder fraglich; denn dieser Zeittakt kann auch erweitert werden. Am 24. September 1975 war es noch unmöglich, Anrufe zur Telefonseelsorge von Münzfernsprechern aus von der Zeitzählung auszunehmen. Heute 1 wird es in Regensburg praktiziert. Zunächst waren Sonderregelungen für Zonenrand-, Grenz- und Küstenbereiche sowie für Berlin unmöglich. Heute scheint es dagegen möglich. Nach alledem sind wir mißtrauisch. Wir wollen Klarheit und deshalb nicht nur Teste mit Zeittakt, sondern auch ohne Zeittakt. Der Bundespostminister hat offensichtlich keine gesicherten Daten und Erkenntnisse. Diese in jeder Richtung zu schaffen, wäre seine Pflicht. War nicht der Herr Bundesverkehrsminister vor Jahren klüger als der Bundespostminister von heute? Bei der Geschwindigkeitsbegrenzung hat der Verkehrsminister - allerdings auch unter dem Druck der Opposition - den Verkehr in bestimmten Bereichen mit und ohne Tempolimit getestet. Es wäre klüger, im Nahbereich beim Telefon sinngemäß zu verfahren. ({11}) Meine Damen und Herren, oft wird der Post vorgehalten, daß sie im Fernmeldebereich eine Monopolstellung hat. Gegen Monopole ist der Bürger mit Recht argwöhnisch. Daß die Post ihre Stellung nicht mißbraucht, wird nur deutlich, wenn auch hier nicht theoretisch argumentiert, sondern durch die Praxis bewiesen wird. Deshalb unser Antrag, den Nahbereich nicht allein mit Zeittakt, sondern auch ohne Zeittakt zu testen. Nur so wird eine ehrliche und überzeugende Lösung gefunden. Meine Damen und Herren, es gab bei diesem Thema in den letzten Jahren viele falsche Takte. Setzen I Sie jetzt einen richtigen Takt, indem auch der Test im Nahbereich ohne Zeittakt durchgeführt wird. Ich bitte daher, unseren Antrag in den Ausschüssen entsprechend zu beraten. ({12})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Abgeordnete Wuttke.

Günther Wuttke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002578, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben hier zwei Anträge vorliegen, die sich mit dem Fragenkomplex Fernsprechnahbereiche und Zeitzählung befassen. Das ist trockene Materie und kann nur nüchtern behandelt werden. Ich kann mir deshalb Antworten auf die etwas einseitigen Ausführungen meines Vorredners ersparen, habe aber Verständnis dafür, weil man mit soliden Argumenten einen solchen Antrag, wie er von der CDU/ CSU gestellt wurde, nicht untermauern kann. Deswegen hat mein Vorredner auch versucht, der Bundespost mit einem Rundumschlag eins auszuwischen. Der von der CDU/CSU-Opposition vorgelegte Antrag, der immerhin die Unterschrift eines ehemaligen CSU-Postministers trägt, ist meines Erachtens bar jeden Wissens um die Zukunftsperspektiven des Fernsprechwesens konzipiert worden. Dieser Antrag, der den Wegfall der Zeitzählung in den künftigen Fernsprechnahbereichen zum Ziele hat, wird sicherlich zum Scheitern verurteilt sein, weil er unrealistisch ist. Sie alle bejahen mit uns - das kam ja zum Ausdruck - die Einführung der Nahbereiche, die eine erhebliche Ausdehnung über die bisherigen Ortsnetze hinaus bedeuten. Gleichzeitig aber lehnen Sie eine Zeitbegrenzung, den jetzt probeweise laufenden Zeittakt von acht Minuten, ab. Das bedeutet, daß Sie dem Kunden, dem Fernsprechteilnehmer ganz bewußt das Erlebnis zumuten wollen, in einem völlig überlasteten Fernsprechnetz trotz ständigen Wählens der Ziffer 0 weder einen Teilnehmer im Nahbereich noch im übrigen Selbstwählferndienst erreichen zu können. ({0}) Denn der Nahbereich verändert die Ortsnetze in der Struktur nicht. Wie bisher ist das Wählen der Ziffer 0 erforderlich, um Teilnehmer in einem anderen Ortsnetz, also auch innerhalb des Nahbereichs, zu erreichen. Nicht nur wir, sondern auch Wissenschaftler sagen bei der Verwirklichung Ihrer Vorschläge Blockaden im Fernsprechnetz voraus. Kein Postminister könnte Ihre Vorschläge bei so hoher Wahrscheinlichkeit von Störungen des Fernsprechbetriebes dem Ausschuß oder dem Postverwaltungsrat unterbreiten, wo doch ein gut funktionierendes Fernsprechnetz eine entscheidende Voraussetzung für das Funktionieren der Wirtschaft und auch für zwischenmenschliche Kontakte ist. Meine Damen und Herren von der CDU/CSU-Fraktion, Sie wecken Hoffnungen und Wünsche bei den Fernsprechkunden, die später nicht erfüllt werden können. Man könnte sich zu der bissigen Frage verleitet sehen, weshalb Sie nicht gleich probehalber den Wegfall der Zeittakte im gesamten Fernsprechnetz vorschlagen. Sie lassen alle Zukunftsaspekte außer acht und betrachten die Dinge rein statisch, aber nicht in ihrer dynamischen Entwicklung. Es ist doch nicht das Ziel, die 20-km-Kreise, also die geplanten Nahbereiche für alle Zukunft beizubehalten, sondern Ziel ist es, diese Kreise Schritt für Schritt auszuweiten, um zu immer größeren Bereichen zu kommen. Dieses Konzept zieht die Schlußfolgerungen aus der Entwicklung der letzten zehn Jahre, die den Kostenbestandteil der Überwindung der Entfernung bei einem Ferngespräch immer weiter reduzierte. Das muß doch, so meine ich, selbst technischen Laien einleuchten, wenn Sie bedenken, daß heute 10 800 Gespräche in der Fernnetzebene über einen Leiter laufen können und Hohlkabel sowie Glasfaserleiter in naher Zukunft noch größere Möglichkeiten eröffnen. Deshalb wird auch die Zeit zum entscheidenden Tarifkriterium und künftig die Menge der übertragenen Information das gerechte Maß für die zu zahlende Gebühr. Über die Notwendigkeit der Einrichtung von Nahbereichen im Fernsprechdienst habe ich schon einmal von derselben Stelle aus gesprochen. Dieser Nahbereich ist eine Strukturreform im Fernmeldewesen. Er bringt größere Gerechtigkeit für die recht unterschiedlichen Teilnehmer, z. B. im Verhältnis der Flächenbewohner zum Ballungsgebiet, und behebt u. a. auch die Schwierigkeiten und die Ungerechtigkeiten, die einer großen Anzahl von FernWuttke sprechteilnehmern durch die kommunale Neugliederung auferlegt wurden. Deshalb - ich wiederhole mich - wird der Fernsprechnahbereich allerseits begrüßt. Das kam auch bei meinem Herrn Vorredner zum Ausdruck. Wenn ich sage allerseits, dann heißt das, daß insoweit auch diejenigen bekehrt sind, die bisher meinten, sie zählten zu den Benachteiligten. Auch in der Unions-Fraktion gibt es noch einige Abgeordnete, die der Auffassung sind, daß diese neue Konstruktion Nachteile, zumindest aber keine Vorteile für Großstädte mit sich bringe. Deshalb darf ich einige Beispiele nennen. Zur Zeit sind im Ortsnetz Frankfurt .293 949 Teilnehmer angeschlossen. Im künftigen Nahbereich werden es 528 352 Teilnehmer sein, die zur gleichen Gebühr, allerdings im 8-Minuten-Takt, miteinander sprechen können. Das sind 78,5 °/o mehr als bisher. Hamburg - ich nenne bewußt auch den ungünstigsten Fall - hat einen Zuwachs von 11,6 % zu erwarten, Stuttgart dagegen einen Zuwachs von 105,3 %. Wenn wir von Gerechtigkeit sprechen, dann müssen wir erst recht Vergleiche in kleineren Ortsnetzen anstellen. Nidderau - das ist ein Ort in Hessen - hatte bisher 4 821 Teilnehmer. Es wird künftig 424 998 Teilnehmer erreichen können. Damit Sie sehen, daß Nidderau nicht der günstigste Fall ist, führe ich als Vergleich das Ortsnetz „Nahe" im Hamburger Raum an. Hier konnten bisher im Ortsnetz 1 228 Teilnehmer erreicht werden, im künftigen Nahbereich werden es 822 185 sein, wenn sich die Zahlen bis dahin nicht erhöhen. Die Zahlen sprechen für sich und lassen sich auch nicht mit Polemik wegmogeln. Folgendes möchte ich speziell an die Adresse von Herrn Dollinger richten, da er den Antrag als erster unterschrieben hat. Im Jahre 1969 erschien unter Ihrem Namen ein Buch mit dem Titel „Die Post 2000". In diesem Buch haben die Fachleute des Bundespostministeriums für Sie, dem damaligen Postminister, alle Zukunftsaspekte der Verwendung des Telefons zusammengetragen. Ich gehe davon aus, daß Sie die Beiträge für dieses Buch seinerzeit, bevor Sie dieses Buch herausgaben, aufmerksam geprüft haben. Wenn das der Fall ist, muß Ihnen bereits damals klargeworden sein, daß für das Gebührensystem der Zukunft, für alle der dort aufgezeichneten Möglichkeiten des Fernsprechnetzes, wie Datenverkehr, Faksimile-Übertragung usw., nur das Zeittaktsystem in Frage kommen kann; aber heute sind Sie dagegen. Kürzlich bemerkten Sie, daß die Bundesregierung immer nur dann auf das Ausland hinweist, wenn es für sie günstig sei. Nun, sollten sich die Deutschen selbst in ihren Telefongewohnheiten von anderen abheben? Ich bin bereit, aus Erfahrungen, die andere Fernmeldeverwaltungen im Laufe der Zeit gesammelt haben, zu lernen. Diese Erfahrungen führen jedoch in vergleichbaren Industrieländern wie England, Osterreich, Norwegen, Japan, Dänemark usw. zu Zeittakten von maximal vier Minuten. Meine Damen und Herren von der Opposition, wenn es um den Zeittakt geht, scheint Ihnen der Realitätssinn abhanden zu kommen. Soll ich Ihnen einmal vorlesen, was heute Realität ist? Ich zitiere mit Genehmigung der Frau Präsidentin aus der „Wirtschaftswoche" vom 15. April 1977: „Während eine Standleitung von 30 km Länge rund 1 200 DM pro Monat kostet, betragen die Gebühren für eine normale Ortsverbindung 64,23 DM pro Monat. Das entspricht zwei Grundgebühren plus einer Einheit. Beim Acht-Minuten-Takt erhöhen sich diese Kosten jedoch auf 1 306 DM." Ich meine, es muß die Frage erlaubt sein, was Sie dazu veranlaßt hat, hier und da so zu tun, als ob es derartige Machenschaften nicht gäbe. Der Zeittakt wendet sich auch gegen Mißbrauch; ich meine damit die sogenannten Standleitungen. Bestimmte Unternehmen wählten am Montag eine Standleitung an und ließen diese bis zum Wochenende bestehen, so daß sie diese Leitung für eine Ortsgebühr eine Woche lang betreiben konnten. Deshalb plädieren wir dafür, daß derjenige, der das allgemeine Netz überdurchschnittlich lange in Anspruch nimmt, ebenso überdurchschnittlich mit Gebühren belastet wird. Das ist nicht mehr als recht. Auf jeden Fall werden die Mitglieder des Verkehrsausschusses gestern bei der Demonstration über Bildschirmtext, Fernkopieren und Datenübertragung gemerkt haben, daß Mißbrauch Vorschub geleistet wird, wenn man keine Zeitzählung einführt. Meine Damen und Herren, einige haben sich auch eine soziale Argumentation zu eigen gemacht, nach der die älteren, sozial schwächeren Mitbürger ein besonderes Bedürfnis nach sehr langen Gesprächen haben und diese Gespräche nun besonders teuer werden. So wie Sie es darstellen, müßten diese älteren Bürger entweder alle in der Großstadt wohnen oder nur die dort wohnenden besonders lange Gespräche führen. Das widerspricht jedoch jeder Erfahrung. Es sind gerade die strukturell schwächeren Gebiete des flachen Landes, in denen ältere Mitbürger in großer Zahl zurückbleiben. Außerdem kann ich mir - im Gegensatz zu Ihnen - nicht vorstellen, daß ein älterer gehbehinderter Mitbürger, der in einem kleinen Ort Ihrer fränkischen Heimat, Herr Dr. Dollinger, lebt, ein geringeres Gesprächsbedürfnis als eine betagte Berlinerin hat. Gerade für die älteren Mitbürger auf dem flachen Lande jedoch bringt schon der vorgesehene 8-Minuten-Zeittakt ganz erhebliche Vorteile, die ihren Fernsprechetat spürbar entlasten. Wenn demnach auch Ihre Pauschalbehauptung nie richtig gewesen ist, so erkennen wir doch an, daß für unsere älteren Mitbürger, die ihre Gesprächspartner in großen Ortsnetzen haben und gegenwärtig für 23 Pf beliebig lange sprechen können, auch ein sinnvoller Ausgleich gesucht werden muß. Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, uns nach Vorliegen der Versuchsergebnisse zu berichten, wie sie den Alten und Behinderten mit Rücksicht auf deren spezielles Kommunikationsbedürfnis gebührenmäßig gezielt helfen will. Gegenstand der vielen Diskussionen in der Öffentlichkeit war und ist die Länge der Zeittakte. Hier liegt auch der Ansatzpunkt für unseren Antrag, den Antrag der Koalitionsfraktionen. Ich glaube deutlich gemacht zu haben, daß die Einrichtung von Fernsprechnahbereichen nur in Verbindung mit einer Zeitbegrenzung möglich ist. Dabei habe ich auch herausgestellt, daß während der Hauptverkehrszeit ein Abweichen von einem 8 Minuten-Zeittakt nach oben nicht möglich ist. Der Herr Bundespostminister hat aber erklärt, daß außerhalb der Hauptverkehrsstunden unter Umständen längere Zeittakte möglich sind. Meine Damen und Herren, wir wollen ihn hier beim Wort nehmen und beantragen, an Werktagen in der Zeit von 18 bis 22 Uhr und an Samstagen von 14 bis 22 Uhr einen Zeittakt von 12 Minuten, von 22 Uhr bis 6 Uhr morgens einen Zeittakt von 16 Minuten und an bundeseinheitlichen gesetzlichen Feiertagen von 6 bis 22 Uhr einen Zeittakt von 16 Minuten auszuprobieren. Nach Ansicht von Experten ist dies, ohne die akute Gefahr von Netzüberlastungen heraufzubeschwören und auch ohne einen zusätzlichen Ausbau der Netze in den sechs Versuchsbereichen, möglich, weil der Verkehr abends und nachts auf Grund des Teilnehmerverhaltens abflacht. In dieser Zeit könnten private Gespräche noch einmal ganz erheblich durch Zeittakte von 12 oder 16 Minuten begünstigt werden. Wenn der Bundespostminister, wie wir es erwarten, dem Ausschuß für Verkehr und das Post- und Fernmeldewesen im Zusammenhang mit der endgültigen bundesweiten Einführung dann noch Vorschläge im Hinblick auf Gebührenvergünstigungen für alte und behinderte Mitbürger machen kann, so dürfte auch das Problem der sozialen Verträglichkeit befriedigend zu lösen sein. ({1}) Vom Bundespostminister ist bereits auf die in den Versuchsbereichen getroffenen Lösungen für die Telefonseelsorge und ebenso auf günstige Lösungen für den Polizeinotruf hingewiesen worden. Hier gibt es keine Behinderungen durch die Einführung der Zeittakte. Es sind im Gegenteil Vorteile zu erwarten. Es bleiben die Probleme des Einführungsmodus, der aus technischen, aber auch aus politischen Gründen wegen der damit verbundenen Vergünstigungen großflächig angelegt sein sollte; es bleibt eine endgültige Entscheidung über die Sonderlösung im Zonenrandgebiet und in den Küstengebieten, insbesondere aber über eine Sonderregelung für Berlin. Die SPD-Fraktion geht davon aus und fordert dies in ihrem Antrag, daß der 'Bundespostminister dafür nach Vorliegen der Versuchsergebnisse und vor bundesweiter Einführung des Nandienstes, wie er es angekündigt hat, dem Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen Vorschläge unterbreitet, die geeignet sind, möglicherweise eintretende Schwierigkeiten auszuräumen. ({2})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort hat der Abgeordnete Hoffie.

Klaus Jürgen Hoffie (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000935, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dollinger, wir werden uns sicher in den Ausschußberatungen sehr intensiv mit Ihrer Argumentation, die Sie heute wieder gebracht haben, auseinandersetzen können. Einen Punkt möchte ich aber gleich herausgreifen, nachdem Sie immer wieder behaupten, die deutschen Telefongebühren seien nach denen in Australien die l' höchstens in der Welt, und nachdem Sie dabei immer wieder einen Vergleich über Währungsparitäten zugrunde legen, also lediglich über die Wechselkurse. Wir halten diesen Vergleich für wissenschaftlich unseriös, weil schon ohne jede Gebührenerhöhung allein durch die Kurssteigerung der D-Mark Ihr Vergleich hinkt. Ich meine, auch Sie müßten bitte einmal zur Kenntnis nehmen, daß die Vergleichsrechnungen wissenschaftlicher Institute der Bundesrepublik wie auch Berechnungen der Deutschen Bundespost selbst, die die Ausgaben der Teilnehmer für das Telefonieren auf Durchschnittsverdienste beziehen, zu dem Ergebnis kommen, daß die Bundesrepublik in Europa an fünfter Stelle rangiert. Dieses ist auch von der Untersuchungsart her natürlich sehr viel aussagekräftiger. ({0}) - Ja, Sie haben die „Wirtschaftswoche" zitiert, aber Sie können sich ja nicht hierherstellen und das alles ungeprüft wider besseres Wissen übernehmen. Da sollte man vielleicht etwas vorsichtiger sein. Es ist etwa ein Jahr her, daß wir im Plenum des Deutschen Bundestages eine ebenso ausführliche wie auch kontrovers geführte Debatte über das Für und Wider der Einführung des sogenannten Telefonnahbereichs mit zeitabhängiger Tarifierung geführt haben. Man sollte meinen, daß inzwischen grundsätzlich nicht Neues zu sagen wäre, hätte man die Diskussion logisch, hätte man sie rational und ohne Emotionen und falsche Darstellungen geführt. Sie I aber, meine Damen und Herren von der Opposition, müssen sich auch heute wieder den Vorwurf gefallen lassen, daß Sie die Auseinandersetzungen über dieses Problem schon damals zu einer hektischen, zu einer emotionalen und stellenweise auch sehr unsachlichen Vorwahlveranstaltung umfunktionierten. Seit dem Spätherbst 1975 versuchen Sie nämlich mit allen Mitteln und auch wider besseres Wissen den Eindruck zu erwecken, als hätten Sie mit dem Zeittakt überhaupt nichts zu tun, als sei dieser die böse Erfindung der sozialliberalen Koalition, gegen die Sie schon immer angetreten seien. Tatsache ist doch vielmehr, daß der Bundestagsausschuß für Forschung und Technologie und für das Post- und Fernmeldewesen, also der damals zuständige Fachausschuß, auf seiner 17. Sitzung am 21. Februar 1974 auf den einmütigen Antrag aller drei Fraktionen die Deutsche Bundespost aufgefordert hatte, einen zeitabhängigen Tarif für den einzuführenden Nahverkehr zu konzipieren. Tatsache ist auch, daß der Arbeitsausschuß des Verwaltungsrates der Deutschen Bundespost, dem Sie, Herr Kollege Stücklen, damals angehörten, einstimmig die Empfehlung an den Verwaltungsrat aussprach, der Einführung des zeitabhängigen Nahbereichs zuzustimmen. ({1}) Tatsache ist letztlich, Herr Kollege Stücklen, daß der Postverwaltungsrat auf der entscheidenden Sitzung - Sie waren dabei - am 29. September 1975 ohne Gegenstimmen, auch ohne Ihre Gegenstimme, ohne Gegenstimmen der Vertreter der CDU/CSU den Antrag des Bundespostministers genehmigt hat, die Nahbereiche sogar mit einem Vier-MinutenTakt einzuführen. Ich habe nun mit Interesse festgestellt, Herr Kollege Dollinger, daß ein weiterer langjähriger ehemaliger Postminister, der Ingenieur ist und auch langjähriges Mitglied des Postverwaltungsrats ist und der sich gerade zu einer Zwischenfrage gemeldet hat, die ich gleich beantworten möchte, den Antrag der CDU/CSU, der heute zur Debatte steht, nicht unterschrieben hat. Das scheint mir schon ein erstes Zeichen für bessere Einsicht zu sein.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Stücklen?

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Hoffie, wären Sie bereit, etwas genauer zu erläutern, wie diese Abstimmung im Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost nach den einzelnen Kategorien, nach denen Sie hier aufteilen, verlaufen ist?

Klaus Jürgen Hoffie (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000935, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich will das gern tun.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002281, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Und sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß, wenn unter dem Antrag „Kohl, Zimmermann und Fraktion" steht, damit alle Mitglieder der Fraktion erfaßt sind?

Klaus Jürgen Hoffie (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000935, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich habe ja auch nur, Herr Kollege Stücklen, mit Interesse zur Kenntnis genommen, daß Sie diesen heutigen Antrag- Ihrer Fraktion nicht unterschrieben haben, wiewohl ich Ihnen nicht abstreite, daß Sie hinter gewissen Personen stehen. Aber Sie stehen offenbar nicht hinter diesem Antrag. Das ist das Entscheidende. Ich will Ihre Frage beantworten. Sie haben gefragt: Wie war denn das Abstimmungsergebnis damals im Postverwaltungsrat? Tatsache ist, daß Sie wie auch Ihr Kollege Leicht dieser Vorstellung, nämlich einen Nahbereich mit 4-Minuten-Zeittakt einzuführen, nicht widersprochen haben. Sie haben sich der Stimme mit einer Begründung enthalten, die ich gleich dazu sagen will. Sie haben nämlich gesagt, ein Nahbereich mit Zeittakt von vier Minuten sei grundsätzlich akzeptabel. Nur hätten wir noch keine Sonderregelung für Küstengebiete und für das Zonenrandgebiet und auch noch keine Sonderregelung für die Telefonseelsorge vorgelegt, und wir machten bei der Deutschen Bundespost eine miese PR-Arbeit in dieser Frage. Sie sagten, deshalb müßten Sie sich heute noch der Stimme enthalten. Aber in bezug auf das Grundsätzliche, Herr Kollege Stücklen, waren Sie dabei. Wir verübeln Ihnen ja auch gar nicht, Herr Kollege Stücklen, die Kehrtwendung, mit der sich Ihre Fraktion als Opposition auch an die Spitze zahlreicher und oft von wenig Sachkenntnis getrübter Bürgerproteste stellt.

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Herr Kollege, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Klaus Jürgen Hoffie (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000935, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wenn es mir nicht auf die Zeit angerechnet wird, bin ich gern bereit, auch weitere Fragen zu beantworten.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002281, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, sind Sie bereit, mir zuzustimmen, wenn ich davon ausgehe, daß die endgültige Entscheidung über die Einführung eines Zeittaktes und über die Abstände beim Zeit- I takt überhaupt nur dann sinnvoll ist, wenn man die Versuche durchgeführt hat? Und sind Sie zweitens bereit, davon Kenntnis zu nehmen, daß ich hinter diesem Antrag der CDU/CSU stehe, weil ich der Meinung bin, daß eine Reihe anderer Versuche nach anderen Kriterien eben keinesfalls schädlich, sondern nur nützlich sein können? ({0})

Klaus Jürgen Hoffie (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000935, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sie enttäuschen mich zwar mit dieser Haltung, Herr Kollege, aber ich nehme das gern zur Kenntnis. Ich nehme auch zur Kenntnis, daß alle Mitglieder aller Fraktionen immer gesagt haben: Diese Versuche müssen sein, und erst danach werden wir entscheiden, ob der Abstand acht Minuten betragen soll, ob man eine Staffelung vornehmen soll, wie wir das jetzt zusätzlich in den Versuch einbringen, was Sie aber überhaupt nicht anstreben, oder ob man irgendwelche anderen Abstände nehmen sollte. Nur meine ich, es ist schon ein wenig unerträglich, daß Sie die Bevölkerung offensichtlich über Ihre Rolle bei der Einführung des Zeittaktes doch zumindest zu täuschen versucht haben und Ihre erst kürzlich erfolgte Meinungsänderung mit allen Mitteln vertuschen wollen. Bei dieser Sachlage ist es für mich nachgerade ein wenig erstaunlich, daß Sie nicht auch noch die unbestreitbaren Vorteile, die sich schon aus der Einführung des Nahbereichs ergeben, wegdisputieren. Dieser Nahbereich wird ein ungerechtes und veraltetes Tarifsystem ablösen. Gerechtigkeit wird dadurch geschaffen werden, daß man dann nicht mehr wie heute noch in jeder dritten Gemeinde von der einen zur anderen Straßenseite ein Ferngespräch führen muß, weil man in vielen Ortsnetzen nur höchstens 50 Hauptanschlüsse erreichen kann, während man in vielen Großstädten nahezu 800 000 Teilnehmer für 23 Pfennige über Entfernungen ansprechen kann, bei denen man, um bis zu 8 Minuten sprechen zu können, in ländlichen Bereichen heute noch 3,68 DM bezahlen muß. Die Nahbereiche, die mit einem Radius von 21 km 18 mal größer als die bisherigen Ortsnetze sein werden, bringen dabei Vorteile nicht nur für das flache Land und die Randgemeinden der Großstädte, sondern auch für die Großstadtbewohner, die durch die Einbeziehung der benachbarten Ortsnetze doppelt so viele Gesprächspartner - wie in Frankfurt - oder sogar viermal so viele Gesprächspartner - wie in Heidelberg - im Nahbereich billiger erreichen können. Mit diesen beiden Beispielen möchte ich nur das ergänzen, was der Kollege Wuttke hier ausgeführt hat. Dieser gerechtere und von allen, auch von Ihnen, begrüßte und rechtlich notwendige Nahbereich kostet natürlich Geld. Sie, Herr Kollege Dollinger, ha1758 Hof fie ben nach konkreten Zahlen gefragt. Ich will sie nennen. Allein die Investitionen für den Nandienstversuchsbetrieb in den ausgewählten sechs Bereichen betragen 10 Millionen DM. Davon entfallen 7,5 Millionen DM auf den Nandienst und 2,5 Millionen DM auf die reine Zeitzählung. Auf das gesamte Gebiet der Bundesrepublik übertragen, bedeutet das Investitionen von etwa 1,4 Milliarden DM für die Nahbereiche überhaupt und die wollen wir ja alle. Die 1,4 Milliarden DM geben wir so oder so aus. Für die Einrichtung der bundesweiten Zeitzählung würden nach Berechnungen der Bundespost dann 400 Millionen DM Investitionskosten anfallen. Das ist der Betrag, über den wir hier zu diskutieren haben. Wenn wir einen bestimmten Takt haben und damit zumindest einen Teil unserer Mindereinnahmen hereinholen, sind, wie sich jeder leicht ausrechnen kann, die zusätzlichen Investitionen für die Zeitmeßgeräte in wenigen Jahren hereingeholt. ({0}) Deshalb ist alles ohne einen zumindest teilweisen Ausgleich nicht darstellbar, weil dies alles in dieser Größenordnung Geld kostet, es sei denn, Sie wollen über kurz oder lang auf den Überschuß aus, dem Fernmeldedienst der Post verzichten - mit der Folge, daß man den mit im Jahr 1975 rund 1,6 Milliarden DM defizitären Postbereich zu Gebührenerhöhungen zwingt, die unvorstellbare Konsequenzen brächten. Wer das nicht will, muß den Ausgleich, wenn nicht über den Zeittakt, so über allgemeine Telefongebührenerhöhungen oder zumindest über Subventionierung der Nahgespräche durch höhere Ferntarife erreichen, die dann jedoch die Ungereimtheiten und die Ungerechtigkeiten, denen wir uns heute besonders in den ländlichen Bereichen gegenübersehen, nur weiter zementieren würden. Die Forderung der Opposition „Nahbereichsvorteile ja, aber Ausgleich durch Zeittakt nein" übersieht den zweiten wesentlichen Aspekt, nämlich den, nicht nur ein gerechteres, sondern auch ein für die Zukunft geeignetes System zu schaffen, das sich nicht nur an kurzfristigen Notwendigkeiten orientiert. Die Fernmeldenetze dienen ja längst auch dazu, neue Dienste wie Datenübertragung, Bildschirmtext und viele andere, noch in der Entwicklung befindliche Möglichkeiten abzuwickeln. Ein großer Teil davon ist uns ja gestern im zuständigen Ausschuß an praktischen Beispielen sehr einleuchtend demonstriert worden. Ich habe noch im Ohr, wie einige Kollegen von der Opposition bei der anschließenden Beratung erklärt haben: Wenn wir vorher gewußt hätten, was alles auf uns zukommt, wäre unsere Grundhaltung von vornherein ganz anders gewesen. ({1}) - Herr Kollege Stücklen, nun haben wir seit einiger Zeit z. B. den Bericht der KTK vorliegen. Daran haben Sie mitgearbeitet. Diesen Bericht konnte jeder anfordern. Darin steht die ganze Palette der neuen Kombinationsmöglichkeiten. Und wem es zuviel war, diese zwei Hefte zu lesen, dem hätte die verkürzte Darstellung in der gesamten deutschen Tagespresse Aufschluß genug geben können, was da auf uns zukommt. Wir wissen, daß schon wenige derartige Dauerverbindungen, die über Tage und Wochen für 23 Pf aufgebaut werden - wofür die Allgemeinheit, wir alle, die wirklichen Kosten bezahlt, nicht die Wirtschaft, die die Vorteile davon hat -, das Telefonnetz ebenso blockieren und überlasten können wie sehr lange Gespräche im Ortsnetz oder im Fernsprechverkehr. Ich will das nur an einem Beispiel verdeutlichen: Wenn Sie von Waldenbuch mit 4 200 Teilnehmern nach Stuttgart 70 Verbindungsleitungen haben, genügen schon 13 Dauerverbindungen dieser Art, um eine praktisch völlige Blockade herbeizuführen, also den gesamten Fernsprechverkehr dort lahmzulegen. Nun räume ich ein, daß wir bei einem entsprechenden Test ohne Zeittakt im Nahbereich heute noch nicht überall derartige Blockaden oder totale Behinderungen feststellen müßten. Aber die Entwicklung, die hier in den nächsten Jahren schon auf uns zukommt, ist rasant und wird von der FDP nicht verkannt: Vor fünf Jahren noch hatten wir in der Bundesrepublik nur 5 700 Datenendgeräte und 1 000 Fernkopierer - um diese beiden Beispiele herauszugreifen. Heute sind es bereits ca. 50 000 Datenendgeräte - fast zehnmal soviel - und 3 000 Fernkopierer - fast dreimal soviel. Wir haben in diesem Bereich jährliche Zuwachsraten von 20 °/o, also eine Verdopplung bereits im Jahre 1980. Hinzu käme, daß ohne Zeittakt im Nahbereich durch unbegrenzt langes Telefonieren innerhalb eines achtzehnmal größeren Bereichs als heute auch noch die Netzüberlastungen entstünden, die wir zu den Spitzenzeiten des „Mondschein-Tarifs" zu spüren bekommen. Versuchen Sie doch einmal am Sonntagabend, 22 bis 24 Uhr, von Frankfurt nach München oder Hamburg zu telefonieren! Da kommen Sie ja kaum noch über die Null hinaus. Genau das würde auch hier passieren. Man kann ja nicht alle Kabel in diesen Nahbereichen ausbuddeln und neue legen, was niemand bezahlen könnte, sondern wir werden uns der bestehenden Selbstwähleinrichtungen der Post bedienen müssen. Die plakative Forderung „Nahbereich ja, Zeittakt nein" ist zwar publikumswirksam, würde aber für die Post Investitionen in Höhe von 1,4 Milliarden DM bedeuten, ohne daß diejenigen, die zu Lasten der Allgemeinheit über Stunden und Tage Dauerverbindungen aufbauen, die verursachten Kosten auch tatsächlich bezahlen würden. Das Ganze wäre überhaupt kein Problem, wenn es praktikable technische und administrative Möglichkeiten gäbe, solche Dauerverbindungen auszumachen, um sicherzustellen, daß die Verursacher einen angemessenen Preis bezahlen. Im übrigen kann man vor einer solchen Lösung, wäre sie möglich, nur dringend warnen, weil kommerzielle Nutzer sehr schnell dahinterkämen, daß sie durch Einsatz ganz einfacher Umsetz- und Durchschalteinrichtungen, die jeweils an den Rändern der einzelnen Nahverkehrsbereiche plaziert wären, eine Art graues Netz von Dauerverbindungen, und zwar von Nahbereich zu Nahbereich aufbauen könnten, um die genannten Dienste weiterhin spottbillig laufen zu lassen. ({2}) - Es läßt sich nicht verbieten, weil Sie zunächst einmal feststellen müßten - technisch wie administrativ, wie ich gerade sagte -: Wo hat eigentlich wer eine solche Standleitung stehen? Sie können dieses leider nicht ausmachen. Wenn Sie das Konzept dafür haben, werden Sie bei der Bundespost damit viel Geld verdienen können, denn dann könnten wir uns in der Tat die Sache einfacher machen. Um nicht mißverstanden zu werden, sagen wir: Dauerverbindungen können und .sollen überhaupt nicht verhindert werden, aber sie sollen kostengerecht bezahlt werden. Das geht nur über einen Zeittakt, der z. B. bei einer Acht-Minuten-Begrenzung zumindest 50 Millionen DM jährlichen Ausgleich bringt, so daß wir bereits die 400 Millionen DM Investitionen für die Zeitzählgeräte, um die es hier geht, in wenigen Jahren gedeckt hätten. „Kosten-. gerecht" bedeutet ja in Zukunft immer mehr, bei der Gebührenberechnung die Aufwandskomponente „Zeitdauer" zugrunde zu legen. Durch leistungsfähigere Übertragungswege verliert, wie wir alle wissen, der Faktor „Entfernung" immer mehr an Bedeutung, z. B. durch den Einsatz von Satelliten anstelle von Seekabeln im Überseeverkehr oder durch das Verlegender Koaxialkabel, so daß immer mehr die Dauer der Inanspruchnahme kostengerechte Tarife bestimmt. Auf den ersten Blick hat der Antrag der CDU/ CSU tatsächlich etwas Bestechendes, nämlich wirklich die Gegenposition im Versuch überprüfen zu können. Aber schon bei intensiver Ausschußberatung wird deutlich werden, daß ein Versuch ohne Zeittakt in den vorhandenen Versuchsbereichen erst nach Ablauf des Testjahres, das gerade läuft, beginnen könnte, ({3}) wobei die technischen Einrichtungen mit hohem Aufwand noch entwickelt und erst installiert werden müßten. Ein Versuch außerhalb der Testbereiche wäre zwar möglich, aber er wäre kurzfristig nicht realisierbar. Der Antrag der Opposition bedeutet also im Klartext, daß der Start neuer Versuche frühestens Ende 1978 erfolgen und nicht vor Anfang der 80er Jahre mit dem Nahdienst überhaupt erst begonnen werden könnte, der bestenfalls bis zum Jahre 1990 eingeführt sein könnte. Dafür können Sie bei der FDP natürlich keine Zustimmung erwarten. Neben einer rechtlich völlig unhaltbaren Situation der ländlichen Bereiche gegenüber den Großgemeinden verlangt die CDU/CSU ja damit, daß die Einrichtung der von allen geforderten Nahbereiche um einige Jahre verzögert würde, und das alles nur zum Zwecke eines letztlich doch nutzlosen Versuches. Es würde nämlich nichts anderes beweisen, als daß ein I Verzicht auf den Zeittakt für kurze Zeit zwar noch möglich wäre, weil die erwartbaren Blockaden unseres Netzes, die wir heute haben, nur in Spitzenzeiten aufträten; in absehbarer Zeit aber, wäre der Zeittakt als Steuerungsmechanismus dann doch zwingend erforderlich. Es käme also der Nahbereich nicht nur später, wir hätten nicht nur Mehraufwendungen in Millionenhöhe, wir müßten dann doch auch auf den Zeittakt nachrüsten und bis dahin mit allen Ungerechtigkeiten und einem nicht mehr leistungsfähigen Netz leben. Wer hier verantwortungsbewußt entscheiden will, meine Damen und Herren, kann sich der billigsten, der gerechtesten und der zukunftssichersten Lösung nicht verschließen, kann sie auch nicht. verschleppen. Wir werden dennoch unvoreingenommen bei den Ausschußberatungen die bisher noch nicht überzeugenden Argumente der Opposition weiter prüfen. Der' Antrag der Koalitionsfraktionen hingegen versucht, die beim Nahdienst mit Zeittakt noch verbleibenden Benachteiligungen einzelner Betroffener zu beseitigen. Für sozial schwache Gruppen, die dringend auf Telefonkontakte angewiesen sind, sollen ebenso wie für Bürger in Berlin und für Bürger in allen Grenz- und Küstengebieten, die nicht den vollen Nahbereichsradius hätten, weil sie ja zunächst nur einen Halbkreis ins Inland hinein hätten, angemessene Sonderregelungen entwickelt werden. Für die Telefonseelsorge, meine Damen und Herren, die ihre Aufgabe auch bei einem beliebig längeren Zeittakt nicht erfüllen könnte, soll überhaupt jeder Zeitdruck entfallen. Letztlich soll bei den laufenden Versuchen geprüft werden, ob es nicht zumindest in den verkehrsschwachen Zeiten möglich ist, längere Zeittakte von 12 bis 16 Minuten anzubieten, wobei sich ja bereits zeigen kann, Herr Kollege Dollinger, ob wir nicht schon dann an die Grenze der Leistungsfähigkeit unseres Netzes kommen und sich auch schon von daher die Erfüllung der Forderung der Opposition verbietet, einen Millionen D-Mark teuren neuen Test zu veranstalten. Meine Damen und Herren, abschließend möchte ich feststellen: Die FDP wird sich auch weiterhin nicht daran beteiligen, auf Dauer unhaltbare und unrealistische Erwartungen zu wecken. Sie wird sich vielmehr für praktikable Verbesserungen bei einem von allen Fachleuten als zukunftweisend und gerecht beurteilten Telefontarifsystem einsetzen. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. ({4})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Das Wort wird nicht weiter begehrt. Der Ältestenrat empfiehlt Überweisung beider Anträge an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen. Oder wollen Sie etwa getrennt abstimmen? - Doch wohl nicht. Wer der Überweisung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen. Vizepräsident Frau Funcke Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 30. August 1961 zur Verminderung der Staatenlosigkeit und zu dem Übereinkommen vom 13. September 1973 zur Verringerung der Fälle von Staatenlosigkeit - Drucksache 8/12 Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({0}). - Drucksache 8/320 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Miltner Abgeordneter Bühling ({1}) Von den Berichterstattern wird das Wort nicht gewünscht. - Das Wort zur Beratung wird ebenfalls nicht begehrt. Ich rufe die Artikel 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift auf und verbinde die Abstimmung darüber mit der Schlußabstimmung. Wer zustimmen möchte, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen. Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ausführungsgesetzes zu dem Übereinkommen vom 30. August 1961 zur Verminderung der Staatenlosigkeit und zu dem Übereinkommen vom 13. September 1973 zur Verringerung der Fälle von Staatenlosigkeit ({2}) - Drucksache 8/13 Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({3}) - Drucksache 8/321 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Miltner Abgeordneter Bühling ({4}) Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. - Zur Aussprache liegen ebenfalls keine Wortmeldungen vor. Wir kommen zur Abstimmung in zweiter Lesung. Wer den Artikeln 1, 2, 3, 4, 5, 6, der Einleitung und der Überschrift die Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen. Wir kommen zur dritten Beratung. Das Wort wird nicht gewünscht. - Wer in dritter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen. Ich rufe die Punkte 8 bis 10 der Tagesordnung auf: 8. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 28. Juni 1976 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Schweden über Leistungen für Arbeitslose - Drucksache 8/259 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung 9. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zusatzabkommen vom 8. Juli 1976 zu dem Abkommen vom 29. Juni 1973 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Republik Rumänien über Sozialversicherung - Drucksache 8/260 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung 10. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Internationalen Kakaoübereinkommen von 1975 - Drucksache 8/272 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({5}) Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Die Überweisungsvorschläge des Ältestenrates ersehen Sie aus der Tagesordnung. Können wir gemeinsam abstimmen? - Ich höre keinen Widerspruch. Wer den Überweisungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen. Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf: Beratung der Sammelübersicht 2 des Petitionsausschusses ({6}) über Anträge zu Petitionen - Drucksache 8/298 - Das Wort hat der Abgeordnete Braun.

Gerhard Braun (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000251, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Da dies der erste mündliche Bericht in dieser Legislaturperiode ist, möchte ich Ihnen zunächst einen kurzen Überblick über die Arbeit des Petitionsausschusses in der vergangenen Legislaturperiode geben. Die genauen Daten enthält die erste Sammelübersicht, die Sie auf Bundestagsdrucksache 8/202 erhalten haben. In der 7. Wahlperiode stieg die Zahl der Petitionen auf fast 50 000. Das entspricht einer Steigerung gegenüber früheren Wahlperioden um rund 70 °/o. Während die Zahl der Eingaben noch 1973 bei etwa 8 000 lag, betrug sie im vergangenen Jahr bereits 21/2mal soviel, nämlich mehr als 20 700. Insgesamt haben sich in den vergangenen vier Jahren also etwa 0,1 °/o aller Wahlberechtigten und rund 0,2 % aller Haushalte in der Bundesrepublik mit Bitten oder Beschwerden an uns gewandt. Bei der Aufschlüsselung der Eingaben nach Sachgebieten ergeben sich immer wieder deutliche Schwerpunkte. Etwa ein Fünftel aller Eingaben bezieht sich auf Fragen der inneren Verwaltung, darunter vor allem Probleme des öffentlichen Dienstes. Nahezu ebenso viele Petitionen, nämlich 19 °/o, kommen aus den verschiedenen Gebieten der Rechtspolitik, also der Rechtspflege, dem Staats- und Verfassungsrecht sowie dem Zivil- und Strafrecht. So wurden gerade in letzter Zeit häufig die härtere Bestrafung von Gewalttätern, größere Rechte für die Polizei sowie Haftverschärfungen gefordert, teilweise auch die Wiedereinführung der Todesstrafe. Gelegentlich werden wir auch aufgefordert, Gerichtsurteile zu ändern oder aufzuheben. Selbstverständlich können wir nicht in die Arbeit der dritten Gewalt eingreifen. Wenn uns allerdings die Kritik an einem Urteil deshalb berechtigt erscheint, weil sie Lücken oder Mängel eines Gesetzes offenbart, nehmen wir dies zum Anlaß, um entsprechende Gesetzesänderungen vorzuschlagen. Zu dem neuen Ehe- und Familienrecht gab es bisher noch relativ wenige Eingaben. Vorwiegend wurden wir hier um Beratung gebeten. Einen weiteren Schwerpunkt stellt naturgemäß die Sozialversicherung dar, auf die sich mehr als 15 % aller Eingaben beziehen. Zu diesem Bereich zählt vor allem die Arbeiterrentenversicherung, aber auch die Angestelltenversicherung und die Knappschaftsversicherung. Hier geht es unter anderem immer wieder um Probleme des medizinischen Gutachterwesens. ({0}) Die Versicherten müssen nämlich nicht selten wegen unterschiedlicher Gutachten jahrelang auf die ihnen zustehenden Leistungen warten. ({1}) Einen besonders krassen Fall aus diesem Bereich hat der Ausschuß zum Anlaß genommen, von den ihm nun nach Art. 45 c des Grundgesetzes zustehenden Rechten auf Inspektion sowie Anhörung von Zeugen Gebrauch zu machen. Der Petitionsausschuß wird am 23. Mai in Bochum Sachverständige der Knappschaft anhören und dabei versuchen, sowohl den Einzelfall zu bereinigen als auch die allgemeine Problematik des medizinischen Gutachterwesens in diesem Bereich der Rentenversicherung weiter abzuklären. Mit 14 °/o der Eingaben folgt das Gebiet der Kriegsfolgengesetzgebung, also insbesondere der Lastenausgleich und die Kriegsopferversorgung. In letzter Zeit allerdings haben wir verstärkt Eingaben zur sogenannten Sperrguthabenvereinbarung erhalten, also zur Ersten Vereinbarung mit der DDR zur Regelung des nichtkommerziellen Zahlungs- und Verrechnungsverkehrs. Das Abkommen umfaßt nicht alle Konten, deren Transfer die Petenten wünschen. Zudem bereitet die praktische Durchführung vielfache Schwierigkeiten, teils wegen unterschiedlicher Rechtsauffassungen der beiden Seiten, teils auch wegen der unterschiedlichen Anzahl der Anträge aus der Bundesrepublik und der DDR. Das hat dazu geführt, daß die Bundesbank seit einem Jahr keine Anträge mehr entgegennimmt. Nach unserer Auffassung sollte das Bundesministerium der Finanzen hier baldmöglichst nach Lösungsmöglichkeiten suchen. Erfreulicherweise können wir in mehr als einem Drittel aller Fälle den Mitbürgern helfen. Verschiedentlich entsprechen die Behörden von sich aus dem Anliegen des Bürgers, sobald das Parlament auch nur eingeschaltet ist. Viele andere Eingaben können durch Überweisung an die Bundesregierung, durch einen Rat, eine Auskunft usw. positiv erledigt werden. Fast ein Drittel der Petitionen stammen von Frauen. Damit darf ich zu der Bemerkung überleiten, daß Altersgrenzen bei uns übrigens keine Bedeutung haben und keine Rolle spielen. Die Forderung eines achtjährigen Schülers, einen Kindertag als schulfreien Tag einzuführen, war durchaus kein Einzelfall. Das war sicherlich der erste Beitrag zum Jahr des Kindes 1977. Uns erreichten aber auch 72 Eingaben aus der DDR, vor allem Wünsche zur Familienzusammenführung. 1 355 Eingaben kamen aus dem Ausland. Meine Damen und Herren, der Hilfsdienst des Ausschusses, die Zentralstelle für Petitionen und Eingaben, wurde zwar im Laufe der Wahlperiode von 34 auf 48 Mitarbeiter, also um 40 %, verstärkt. Dem steht aber ein Anstieg der Zahl der Eingaben in dieser Zeit um rund 150 °/o gegenüber. Die Folge war eine erhebliche längere Bearbeitungsdauer bei den Petitionen, was nicht selten zu harter Kritik der betroffenen Mitbürger führte. Wir haben kürzlich den Präsidenten des Deutschen Bundestages darauf hinweisen müssen, daß die lange Bearbeitungsdauer in Einzelfällen sogar dazu führt, daß Hilfe nicht mehr möglich ist. Den Anstoß zu diesem Hinweis hatte die Petition eines Bäckergesellen gegeben, der sich darüber beschwert hatte, daß er nicht ab 5 Uhr morgens arbeiten durfte, weil er noch nicht 18 Jahre alt war und das Jugendarbeitsschutzgesetz hierfür keine Ausnahmegenehmigung vorsieht. Als Lehrling dagegen hatte er ab 5 Uhr arbeiten dürfen. Wir haben diese Eingabe der Bundesregierung zur Erwägung überwiesen, weil wir eine entsprechende Ausnahmeregelung im Jugendarbeitsschutzgesetz für wünschenswert halten. Die lange Bearbeitungsdauer führte allerdings dazu, daß der Petent inzwischen 18 Jahre alt geworden ist und sich seine Angelegen- heit damit erledigt hat. ({2}) Wir sind der Meinung, es sollte nicht das Prinzip sein, daß sich die Probleme durch Liegenlassen erledigen und lösen. Bereits im Herbst 1976 hatte der Bundesrechnungshof die Notwendigkeit anerkannt, sechs weitere Mitarbeiter einzustellen. ({3}) Ich meine, wir sollten uns alle im Interesse unserer Mitbürger dafür einsetzen, daß diese Minimalforderung, die nicht der Ausschuß, sondern der Bundesrechnungshof aufstellte, bald verwirklicht wird. ({4}) Aus den positiv erledigten Fällen, über die wir heute zu entscheiden haben, lassen Sie mich einige interessante Einzelfälle herausgreifen. So hatte eine Petition eine offenbar unbeabsichtigte Gesetzeslücke aufgedeckt, die zu einer erheblichen Härte für einen Schwerbeschädigten geführt hatte. Ihm war der Schwerbeschädigtenausweis, mit dem er die öffentlichen Verkehrsmittel unentgeltlich benutzen kann, versagt worden. Der Ausweis wird gewährt, wenn die Erwerbsfähigkeit um mindestens 70 °/o gemindert ist. Hier war aber die Erwerbsfähigkeit um 50 °/o auf Grund einer Wehrdienstbeschädigung und um weitere 30 °/o auf Grund von Verfolgungsmaßnahmen gemindert. Da jeweils die 70-Prozent-Grenze nicht erreicht war, wurde der Ausweis versagt, obwohl eine Gesamtschädigung um 80 % vorlag. Entsprechend unserem Ersuchen hat der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung inzwischen zugestanden, daß hier davon ausgegangen werden muß, daß die 70-Prozent-Grenze erreicht ist. Auf seine Bitte hin hat dann das in diesem Fall zuständige Land Berlin den Schwerbeschädigtenausweis ausgestellt. Erfolgreich war auch die Petition eines querschnittgelähmten Mitbürgers, die wir vor einiger Zeit der Bundesregierung zur Erwägung überwiesen hatten. Der Mann benötigte ein Kraftfahrzeug mit einer Sonderausrüstung. Ein Zuschuß vom Arbeitsamt in Höhe von rund 2 000 DM wurde ihm verweigert, weil er sich einen, nach Meinung des Arbeitsamtes, zu teuren Wagen gekauft hatte. Der Petitionsausschuß hielt diese Entscheidung wegen des tragischen Schicksals dieses Mitbürgers für nicht gerechtfertigt und bat um Abhilfe. Inzwischen ist erfreulicherweise die generelle Anordnung ergangen, den Zuschuß auch dann zu gewähren, wenn der Behinderte sich nicht den billigsten Wagen beschafft hat. Meine Damen und Herren, wie schon in den Vorjahren hat der Petitionsausschuß auch in diesem Jahr erneut, und zwar am 18. April in Berlin, gemeinsam mit dem Petitionsausschuß des Berliner Abgeordnetenhauses getagt. Wir haben uns dabei über Fragen aus dem Bereich des Bundesversicherungsamtes und der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte unterrichten lassen. Einen Schwerpunkt bildete das ungelöste Problem der sogenannten Nullfälle. Was ist das? Es kommt immer wieder vor, daß das Arbeitsamt einen Versicherten nicht mehr als vermittlungsfähig ansieht und ihm daher kein Arbeitslosengeld zahlt, die Rentenversicherung ihn andererseits nicht als berufsunfähig ansieht und daher keine Rente zahlt. Auch hier liegen in den meisten Fällen Gutachten vor, die davon ausgehen, daß der Beruf in einer gewissen Weise ausgeübt werden kann. Allerdings ist das Gutachten dann so formuliert, daß es auf dem Arbeitsmarkt, in der Praxis eine derartige Stelle nicht mehr gibt. Das ist ein typisches Beispiel und kein Einzelfall dafür, wie ein Bürger unverschuldet in die Mühlen der Bürokratie gerät. Wir haben hier nachdrücklich auf Abhilfe gedrängt, zumal diese Bürger manchmal jahrelang unter diesem unerträglichen Zustand leiden müssen. Wir werden dieses Problem weiterhin im Auge behalten und darauf drängen, daß es einer befriedigenden Lösung zugeführt wird. Wir machten ferner unsere Auffassung deutlich, daß die Versicherungsträger nach unserem Eindruck oft zu prozeßfreudig sind mit der Folge, daß sich die Gewährung von Leistungen um Jahre verzögert und der Betroffene dann auch hier wieder in vielen Fällen auf die Sozialhilfe angewiesen ist. Zusammen mit den Berliner Kollegen berieten wir erneut über die Situation der Berliner Kindergeldkasse, die im vergangenen Jahr mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Damals hatten wir erreicht, daß vorübergehend 40 zusätzliche Kräfte aus dem Bundesgebiet abgeordnet wurden, von denen zur Zeit noch zehn in der Kindergeldkasse arbeiten. Die Bearbeitung der Kindergeldanträge soll inzwischen nur noch drei bis vier Wochen dauern. ({5}) Ich möchte betonen, daß sich die Kritik des Ausschusses nicht gegen die einzelnen Mitarbeiter der Kindergeldkasse richtet, die unter erschwerten Bedingungen ihre Arbeit verrichten müssen, sondern daß wir den Eindruck gewonnen haben, daß organisatorische Mängel und sicherlich auch das Fehlen einer festen Führung zu dieser Situation geführt haben. ({6}) In diesem Zusammenhang möchte ich bemerken, daß wir uns in nicht wenigen Fällen mit der starken Belastung der Arbeitsämter und deren ungenügender personeller Ausstattung beschäftigen mußten. Hierzu haben wir die Bundesregierung um eine Stellungnahme gebeten. Erfreuliche Fortschritte macht die Zusammenarbeit mit den verwandten Institutionen des Auslandes, also vor allem den sogenannten Ombudsmännern. Erst kürzlich hatten 'wir den schwedischen Ombudsmann, Herrn Lundvik, zu Gast, dessen Besuch sich für beide Seiten als sehr informativ erwies. Verschiedentlich kam uns der Kontakt zum Ausland auch bei der Bearbeitung einzelner Petitionen zugute. Durch die Einschaltung des israelischen Staatskontrolleurs Dr. Nebenzahl, der zugleich die Stellung eines Ombudsmanns hat und mit dem wir seit Jahren eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit pflegen, konnte beispielsweise ein Rentenverfahren, das bereits zwei Jahre gedauert hatte, innerhalb weniger Wochen erfolgreich abgeschlossen werden. Die Vorsitzende des Petitionsausschusses, Frau Berger, wird in der kommenden Woche anläßlich der Tagung des Internationalen Ombudsmann-Lenkungsausschusses in Paris ein Problem aus dem Bereich der französischen Rentenversicherung mit ihrem französischen Kollegen persönlich erörtern. Lassen Sie mich noch einen Beschluß erwähnen, den wir in unserer gestrigen Sitzung gefaßt haben und der deshalb in der heutigen Sammelübersicht noch nicht enthalten ist. Ein Bürger hatte sich über das schwerverständliche Fremdwort „Kumulationsverbot" im Steuerrecht beschwert und gefordert, es durch ein deutsches Wort - beispielsweise „Häufungsverbot" - zu ersetzen. Obwohl wir durchaus wissen, daß manche Fremdwörter kaum durch ein passendes deutsches Wort zu ersetzen sind - siehe Petitionsausschuß -, ({7}) sind wir doch der Meinung, daß es dem Bürger oft nicht zuzumuten ist, sich mit fremdsprachlichen Fachausdrücken herumzuplagen. Er hat ein Anrecht darauf, daß sich die Verwaltung ihm gegenüber in einer verständlichen Weise äußert. Lassen Sie mich am Schluß dieses Berichtes noch einmal mit Nachdruck die große Bedeutung des Petitionsrechts als eines in der Verfassung festgelegten Grundrechts betonen, das in der Öffentlichkeit und auch von uns Parlamentariern ausreichend gewürdigt werden sollte. Wir sind nicht nur, wie gelegentlich gesagt wird, der Kummerkasten der Nation, sondern wir sind eben auch Anlaufstelle für all jene Bürger, die in irgendeiner Weise mit der Gesetzgebung oder der Verwaltung unzufrieden sind, die nicht fertig werden mit einer als übermächtig empfundenen Bürokratie, die sich nur verwaltet fühlen, die hinter zahlreichen Paragraphen und Formularen allzuoft die Menschlichkeit vermissen und die deshalb nicht selten zu einer kritischen, distanzierten Einstellung zu unserem Staatswesen überhaupt neigen. Unzufriedenheit und Verdrossenheit mit unserer staatlichen Ordnung abzubauen, ist eine unserer wichtigsten Aufgaben. Die gerade in letzter Zeit im Zusammenhang mit den verstärkt aufgetretenen Bürgeriniativen immer wieder geforderte bürgernahe Arbeit der Parlamente wird nicht zuletzt in diesem Ausschuß gepflegt, an den sich Jahr für Jahr Zehntausende von Bürgern wenden. Auch deshalb appelliere ich noch einmal an alle Beteiligten, alles Notwendige zu tun, um die Arbeitsfähigkeit dieses Ausschusses zu sichern, ihn mit einem ausreichenden Hilfsdienst auszustatten und seiner Arbeit mehr Aufmerksamkeit als bisher zu schenken. ({8})

Dr. h. c. Liselotte Funcke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000620

Ich glaube, wir haben Anlaß, für diesen instruktiven Bericht, hinter dem viel verborgene Arbeit steht, herzlich zu danken. ({0}) Die Empfehlungen des Petitionsausschusses liegen Ihnen vor. Wer ihnen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - So beschlossen. Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf: Beratung der Ubersicht 1 des Rechtsausschusses ({1}) über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht - Drucksache 8/283 Das Wort wird nicht begehrt. - Der Rechtsausschuß empfiehlt, von einer Äußerung oder einem Verfahrensbeitritt zu den aufgeführten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht abzusehen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - So beschlossen. Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf: Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen Entlastung der Bundesregierung wegen der Haushaltsredmung und Vermögensrechnung des Bundes für das Haushaltsjahr 1975 ({2}) - Drucksache 8/116 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Haushaltsausschuß Das Wort wird nicht begehrt. - Der Ältestenrat schlägt vor, den Antrag an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen. Ich rufe die Punkte 14 bis 22 der Tagesordnung auf: 14. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit ({3}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Festsetzung spezifischer Reinheitskriterien für Stoffe mit antioxydierender Wirkung, die in Lebensmitteln verwendet werden dürfen - Drucksachen 7/5901, 8/241 Berichterstatter: Abgeordnete Frau Schleicher 15. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses ({4}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern - Drucksachen 7/5081, 8/281 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Sprung 16. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses ({5}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Verordnung ({6}) des Rates über die Verbuchung des Betrages, der aus der Anwendung unterschiedlicher Umrechnungskurse bei den Ausgaben des EAGFL, Abteilung Garantie, ensteht, im Haushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften - Drucksachen 7/5906, 8/299 1764

Not found (Mitglied des Präsidiums)

Abgeordneter Carstens ({0}) 17. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses ({1}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Haushaltsordnung zur Änderung der Haushaltsordnung vom 25. April 1973 für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften - Drucksachen 8/26, 8/300 Berichterstatter: Abgeordneter Carstens ({2}) 18. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses ({3}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Verordnung ({4}) des Rates zur Anpassung bzw. Änderung der Verordnung 2/71 zur Durchführung des Beschlusses vom 21. April 1970 über die Ersetzung der Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten durch eigene Mittel der Gemeinschaften - Drucksachen 7/5519, 8/301 Berichterstatter: Abgeordneter Carstens ({5}) 19. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses ({6}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Verordnung ({7}) des Rates zur Änderung der Haushaltsordnung vom 25. April 1973 für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaf ten - Drucksachen 7/5745, 8/302 Berichterstatter: Abgeordneter Carstens ({8}) 20. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses ({9}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Verordnung ({10}) des Rates über die Verwendung der Europäischen Rechnungseinheit ({11}) in den Rechtsakten der Organe der Europäischen Gemeinschaf ten - Drucksachen 7/5846, 8/303 - Berichterstatter: Abgeordneter Carstens ({12}) 21. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({13}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Gesundheitsschutz von Arbeitnehmern, die beruflich Vinylchloridmonomer ausgesetzt sind - Drucksachen 7/5931, 8/307 -Berichterstatter: Abgeordneter Kratz 22. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({14}) zu der von der Bundesregierung beschlossenen Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs ({15}) Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs ({16}) Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs ({17}) - Drucksachen 8/148, 8/149, 8/150, 8/309 -Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Ahrens Das Wort wird nicht begehrt. - Ist das Haus damit einverstanden, daß wir über alle Empfehlungen gemeinsam abstimmen? - Kein Widerspruch. Wer den Empfehlungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen. Meine Damen und Herren, damit stehen wir am Ende der Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 12. Mai 1977, 9 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.