Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Heute feiert der Abgeordnete Kollege Mattick seinen 72. Geburtstag. Ich wünsche ihm alles Gute und vor allen Dingen Gesundheit.
({0})
Der Ältestenrat schlägt Ihnen folgende Abweichung von der Geschäftsordnung vor: Gesetzentwürfe und Anträge, die nach dem 4. Juli 1980 eingehen und in der laufenden Wahlperiode nicht mehr behandelt werden, werden grundsätzlich nicht mehr gedruckt. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung
Der Präsident des Deutschen Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember 1977 die in der Zeit vom 18. bis 25. Juni 1980 eingegangenen EG-Vorlagen an die aus Drucksache 8/4332 ersichtlichen Ausschüsse überwiesen.
Der Vorsitzende des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit hat mit Schreiben vom 17. Juni 1980 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen hat:
Vorschlag einer Richtlinie des Rates über die Festsetzung von Höchstgehalten an Rückständen von Schädlingsbekämpfungsmitteln auf und in Getreide, das zur menschlichen Ernährung bestimmt ist
Vorschlag einer Richtlinie des Rates über die Festsetzung von Höchstgehalten an Rückständen von Schädlingsbekämpfungsmitteln auf und in Lebensmitteln tierischen Ursprungs ({1})
Vorschlag einer Verordnung des Rates ({2}) über Qualitätsweine mit Ursprung in der Republik Österreich ({3})
Vorschlag einer Verordnung ({4}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({5}) Nr. 337/79 über die gemeinsame Marktorganisation für Wein und der Verordnung ({6}) Nr. 347/79 über die Grundregeln für die Klassifizierung der Rebsorten ({7})
Vorschlag einer Verordnung ({8}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({9}) Nr. 337/79 über die gemeinsame Marktorganisation für Wein ({10})
Wir treten in die Tagesordnung ein. Ich rufe Tagesordnungspunkt 42 auf:
Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Klein ({11}), Gerstein, Dr. Hubrig, Dr. Hupka, Klein ({12}), Dr. Köhler ({13}), Kroll-Schlüter, Dr. Langguth, Lenzer, Metz, Dr. Narjes, Dr. Pinger, Dr. Probst, Reddemann, Schwarz, Dr. Schwarz-Schilling, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Stercken, Frau Dr. Walz, Weiskirch ({14}) und der Fraktion der CDU/CSU
Entwicklung der Kommunikationstechniken und Beschluß der Bundesregierung vom 26. September 1979
- Drucksachen 8/3370, 8/3699 Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Professor Dr. Klein.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gegenstand unserer heutigen Debatte ist, wie es ein Kollege einmal treffend formuliert hat, eine kleine Antwort auf eine Große Anfrage. Der Inhalt dieser Antwort ist unbefriedigend, ja er ist geradezu dürftig, und er legt in dieser seiner Inhaltsarmut Zeugnis dafür ab, wie die Bundesregierung das Parlament abspeisen zu können glaubt.
({0})
Arroganz im Umgang mit den Bürgern, Arroganz im Umgang mit der Presse - ich erinnere an einschlägige Äußerungen des Herrn Bundeskanzlers vor Offizieren der Bundeswehr, an seinen abkanzelnden Brief an die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" - und eben auch im Umgang mit dem Parlament gehört nun freilich in zunehmendem Maße zu den Charakteristika des Regierungsstils dieser Bundesregierung.
({1})
- Nein, das ist die Wahrheit, leider, Herr Kollege Wehner.
({2})
Und Sie als ein engagierter Vertreter dieses Parlaments müßten das eigentlich auch registrieren.
({3})
- Und ich habe Ihnen geantwortet
({4})
Die Schwäche der inhaltlichen Aussage ist nun allerdings auch ein Ausdruck der zunehmenden Verlegenheit, in der sich die Medienpolitik der Bundesregierung angesichts wachsender Meinungsver18432
Dr. Klein ({5})
schiedenheiten zwischen den Koalitionsparteien und zwischen den beteiligten Ressorts befindet. Die Folge ist, daß sich auf einem weiteren für die Zukunft wichtigen Gebiet politische Handlungsunfähigkeit einstellt. Aus der Not schwindender Gemeinsamkeit macht die Bundesregierung bei dieser Antwort die auch sonst im politischen Geschäft verhängnisvolle Tugend des Ausklammerns, was allerdings praktisch bedeutet, daß sich die politische Linie der Sozialdemokraten durchgesetzt hat, deren Ziel es ja ist,, im Interesse einer Stabilisierung ihrer politischen Besitzstände im bestehenden Mediensystem jede medienpolitische Innovation zu verhindern, solange es irgend geht.
({6})
Dazu, meine Damen und Herren, bedient sich die Bundesregierung in zunehmendem Maße eines Instruments, das allerdings - das ist zuzugeben - der Wirksamkeit nicht entbehrt, nämlich des Fernmeldemonopols der Post.
({7})
Seine Entfremdung zu medienpolitischen Zwekken bleibt auch nach dieser Antwort ganz offenkundig die Absicht der Bundesregierung.
Die Post selbst empfindet dabei Unbehagen. Das ergibt sich aus den verschleiernden Formulierungen, die in diesem Zusammenhang gewählt sind.
({8})
Das ist angesichts der Gefahr für eine große Zahl von Arbeitsplätzen in ihrem eigenen Bereich ja auch kein Wunder.
Das Fernmeldemonopol der Post wird von der Bundesregierung zur künstlichen Verknappung von Kommunikationsmöglichkeiten eingesetzt, und damit übt die Bundesregierung Zensur durch Technik.
({9})
Ich will das an einem konkreten Beispiel erläutern, am Beispiel des Frankfurter Kabelnetzes, wo die Deutsche Bundespost sich zusammen mit dem Hessischen Rundfunk anmaßt, darüber zu entscheiden, welche Programme in dieses Kabelnetz eingespeist werden und welche nicht.
In diesem Zusammenhang ist auf eine Erklärung des, wie ich gesehen habe, anwesenden Herrn Staatssekretärs Elias vom 29. März 1979 im Bayerischen Rundfunk hinzuweisen, in der er dies mit erfreulicher Deutlichkeit eingeräumt hat. Dort erklärte er wörtlich:
Es kann aber heute schon Fälle geben, wo wir bei Gemeinschaftsantennenanlagen unter Umständen Programme nicht einspeisen, die normalerweise mit einer normalen Antenne empfangen werden können. Dies ist zuzugeben.
Meine Damen und Herren, hier liegt die Verletzung
des verfassungsrechtlich verbürgten Rechts der
Bürger, sich jederzeit ungehindert aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten, auf der Hand, und es ist solcher Mißbrauch, der das Fernmeldemonopol der Post in Frage stellt.
Das gilt natürlich auch für die expansive Unternehmenspolitik, die die Deutsche Bundespost betreibt. Sie behält es sich beispielsweise vor, Gemeinschaftsantennenanlagen zu errichten. Ich muß hier erneut Herrn Staatssekretär Elias zitieren. Er hat auch den Endgerätemarkt, was den Bereich des Rundfunks angeht, vorsorglich für die Post vereinnahmt. Vor etwa einem Jahr hat er auf einem Symposium der Universität Köln gesagt, daß zu einer Fernmeldeanlage sowohl das Kabelnetz als auch die Endgeräte gehörten und daß dies bedeute, daß sich das Recht zum Errichten und Betreiben von Fernmeldeanlagen nach dem FAG nicht etwa nur auf die bloßen Übertragungsleitungen, sondern vielmehr auch auf die Endeinrichtungen erstrecke, die mit dem öffentlichen Netz der DBP elektrisch verbunden sind und wie diese für eine fernmeldemäßige Übertragung in gleicher Weise notwendig sind.
Ich zweifle, ob es Rechtens wäre, wenn die Post mit diesen Thesen Ernst machen würde. Immerhin ist es in diesem Zusammenhang interessant, daß die hessische Landesregierung kürzlich offiziell bemerkt hat, nach ihrer Auffassung beinhalte das Alleinbetriebsrecht der Post nicht auch ihr Alleinvertriebsrecht. Nicht diejenigen, die aus derartigen Mißbräuchen des Monopols Folgerungen ziehen, sondern diejenigen, die das Monopol mißbrauchen, tragen eben die Verantwortung dafür, daß die Frage nach notwendigen Grenzziehungen zunehmend erörtert wird.
Wenn es richtig ist, daß die industrielle Gesellschaft im Begriff steht, sich in eine Informationsgesellschaft zu verwandeln, in eine Gesellschaft also, in der der Austausch, der Gebrauch und die Verarbeitung von Informationen in zunehmendem Umfange für Produktion und Verbrauch in allen Lebensbereichen unentbehrlich werden, ist damit die zentrale Bedeutung der Telekommunikationstechnik klar ersichtlich. Wer über diese Technik verfügt, hält damit das wichtigste Instrument für die Steuerung des politischen und ökonomischen Lebens in seiner Hand.
({10})
Die Monopolisierung dieses Instruments in der Hand des Staates ist in einer freiheitlichen und demokratischen Ordnung im Grunde nicht erträglich.
({11})
Sie widerspricht dem Grundsatz der Dezentralisierung politischer und wirtschaftlicher Macht. Deshalb muß sich das Fernmeldemonopol unter veränderten Bedingungen auf seine politische Legitimation im demokratischen Rechtsstaat neu befragen lassen.
({12})
Dieses Monopol, meine Damen und Herren, bezieht seine verfassungsrechtliche Legitimation ja aus der Angewiesenheit von Staat und Wirtschaft
Dr. Klein ({13})
auf ein leistungsstarkes und störungsfrei arbeitendes Fernmeldesystem. Die aus diesem Zweck sich ergebende Aufgabe, d. h. die Bereitstellung der für die Telekommunikation notwendigen Infrastruktur, wie die daraus folgende Begrenzung der Befugnis der Bundespost als des Inhabers des Monopols sind desto strikter zu beachten, je weiter das Monopol im Zuge der technischen Entwicklung ausgreift und je größer die Bedeutung des Fernmeldewesens für das Zusammenleben der auf stets umfassende und verfügbare Information angewiesenen modernen Gesellschaft wird. Das gilt insbesondere für die um der Informationsfreiheit willen absolute Verpflichtung des Monopolträgers Bundespost zu inhaltlich politischer Neutralität.
Deshalb ist es nicht von ungefähr, daß die Frage nach der Reichweite und Legitimität des Monopols von politischer und wissenschaftlicher Seite heute zunehmend gestellt wird. Ich erinnere an die Äußerungen der Wirtschaftsministerkonferenz der Länder, an die kürzlich von Herrn Professor Mestmäkker hier in Bonn durchgeführte Tagung.
Das Fernmeldemonopol kann auf die Dauer nur als ein Instrument geordneter Innovation und nicht als ein Instrument zu deren Verhinderung Bestand haben. Der Bundeskanzler hat die Deutsche Bundespost einmal als den größten Investor Europas bezeichnet Mit Recht! Aber wie kann es sich dieser größte Investor Europas eigentlich leisten, Investitionen zu blockieren, die - weit über den Unternehmensbereich der Post hinaus - auf Jahre und Jahrzehnte hinaus Zehntausende von Arbeitsplätzen zu erhalten und zu schaffen geeignet sind?
Von den Sachverständigen wie von der deutschen Wirtschaft - ich erinnere an eine Verlautbarung des Deutschen Industrie- und Handelstages aus diesen Tagen - wird immer nachdrücklicher gefordert, die neuen Kommunikations- und Informationstechniken unverzüglich zu erproben, damit die deutsche Wirtschaft international nicht in Rückstand gerät.
Auch Mitglieder der Regierung wissen das, wie sich kürzlich Äußerungen des Bundesforschungsministers Hauff entnehmen ließ. Aber es scheint für sie nicht zu zählen. Für sie zählt vielmehr - dem Diktat des Konrad-Adenauer-Hauses folgend - ({14})
- Verzeihen Sie: dem Diktat des Erich-OllenhauerHauses folgend, aber ersteres liegt mir näher. ({15})
Also: Für sie zählt vielmehr - dem Diktat des ErichOllenhauer-Hauses folgend -, den Status quo im Rundfunk zu erhalten, weil er den sie tragenden Parteien und vor allen Dingen natürlich der SPD ihren gegenwärtigen politischen Besitzstand garantiert. Herr Bahr hat in diesem Zusammenhang kürzlich einmal etwas sehr Aufschlußreiches gesagt, als er ein klassisches Wort dahin gehend abwandelte: „Wissensverbreitung ist Macht". In diesem Wort,
meine Damen und Herren, liegt die Erklärung für die Medienpolitik der SPD.
({16})
Meine Damen und Herren, es ist in diesem Zusammenhang wohl eher grotesk zu nennen, daß die Bundesregierung, wie sich aus ihrer Antwort ein weiteres Mal ergibt, allen Ernstes über eine Änderung des Art. 5 nachzudenken scheint, und zwar mit dem Ziel, die öffentlich-rechtliche Monopolstruktur unseres Rundfunks dort verfassungsrechtlich festzuschreiben. Über die Realisierungschancen eines solchen Vorhabens brauchen Sie sich natürlich keine Illusionen zu machen, und Sie machen sie sich sicherlich auch nicht. Deshalb ist das einzig Interessante dabei das indirekte Eingeständnis, daß auf der Grundlage der gegenwärtigen Verfassungsrechtslage dieses Monopol sich eben nicht länger halten läßt. Carlo Schmid hat das im übrigen bei einem seiner letzten Auftritte klar erkannt. Er hat diese Rechtslage zwar bedauert, aber nicht geleugnet. Zu dieser ehrenhaften Haltung sollten sich, wie ich meine, auch die Bundesregierung und ihre Gefolgschaft durchringen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Paterna?
Bitte schön.
Herr Kollege, wären Sie so freundlich, dem Hohen Hause Ihre Auffassung zu § 111 a der bayerischen Staatsverfassung zu erläutern?
§ 111 a der bayerischen Staatsverfassung ist Landesrecht und gilt deshalb nur nachrangig gegenüber dem Verfassungsrecht des Bundes.
({0})
Das wird Ihnen der Kollege Schäfer ja zweifellos bestätigen.
({1})
- Aber wahr, Herr Kollege Schäfer! Das werden Sie ja nicht bestreiten.
({2})
Im übrigen werden weder der Kollege Paterna noch Sie von mir erwarten, daß ich jetzt zu einem verfassungsrechtlichen Kolleg über die ja auch Ihnen bekannte Entscheidung des bayerischen Staatsgerichtshofs zu diesem Problem aushole.
({3})
An dieser Stelle möchte ich etwas zu der rundfunkpolitischen Diskussion sagen, wie sie in unserem Land verläuft. Worum geht es denn dabei? Es geht dabei doch mitnichten, wie die Polemik der Linken glauben machen will, um die Alternative: öffentlich-rechtlicher Rundfunk oder privatrechtlicher Rundfunk?
Dr. Klein ({4})
Das wirkliche Thema ist ein ganz anderes. Das wirkliche Thema lautet: Geordneter Wettbewerb zwischen verschiedenartigen Veranstaltern. Um es noch genauer zu sagen: Es geht in Wirklichkeit um die Individualisierung des Kommunikationsprozesses, um die Frage also, in welchem Maß der Bürger aus einem Objekt zum Subjekt, zum frei entscheidenden Subjekt dieses Prozesses gemacht werden kann.
({5})
Auch die Bundesregierung spricht ja in ihrer Antwort - das sollten Sie vielleicht einmal nachlesen, bevor Sie zum, ich darf den Ausdruck von Herrn Kollegen Schäfer aufgreifen, dünnen Zwischenrufen ansetzen - von der Erhöhung der aktiven Beteiligung des Bürgers am Informationsprozeß. Nur bleibt natürlich solche Rede leere Deklamation, solange ihr nicht Taten folgen. Die Heimvideoelektronik, die Vervielfältigung des Programmangebots - und dabei ist in erster Linie an die schon vorhandenen in-und ausländischen Programme zu denken, dann an neuartige Programme wie Minderheiten- und Spartenprogramme -, die Möglichkeiten des Programmabrufs zu vom einzelnen selbst gewählten Zeiten, dies und vieles andere ist geeignet, den Bürger von vorgegebenen Programmustern, von vorgegebenen Programmstrukturen unabhängiger zu machen, ist geeignet, ihm zu gestatten, sein eigener Programmdirektor zu sein.
({6})
- Ja, Herr Kollege Wehner, dies scheint eine Ihnen ganz fremde Vorstellung zu sein.
({7})
Aber vielleicht sollten Sie einmal die jüngste Rede Ihres Forschungsministers lesen, wo Sie exakt diese Formulierung finden, die Sie soeben, wenn ich es richtig verstanden habe, als Narretei bezeichnet haben. Herr Kollege Hauff wird sich das ja hinter die Ohren schreiben.
Genau an dieser Stelle - und deswegen kamen die Zwischenrufe ja auch nicht unerwartet - setzen natürlich die vehementen Bedenken derer ein, die mit dem Status quo etwas zu verlieren haben. Sie erkennen, daß sie der gegenwärtig bestehenden Chance verlustigt gehen, den einzelnen geistig im Begriff zu halten, ihn sozusagen nach ihrem Bilde zu formen, in dem sie ihn auf eine minimale Auswahl von strukturell gleichen Programmen beschränken.
({8})
Dies allein verbirgt sich hinter den Scheinargumenten wie Sorge um die Familie, das Niveau, die Informationsflut, die Meinungsmanipulation, und was da sonst noch alles eine Rolle spielt.
Herr Abgeordneter Dr. Klein, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hoffmann?
Bitte schön.
Herr Kollege, habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie das derzeitige Mediensystem so betrachten, als hätte die Regierung und die sie tragenden Parteien die Bevölkerung damit im Griff?
Ich rede vom Rundfunk. Ich plädiere dafür, daß wir im Rundfunk eine ähnliche Wettbewerbssituation herstellen, wie sie in allen anderen Medienbereichen besteht.
({0})
- Wie bei den Zeitungen, denn auch an Hamburger Kiosken können Sie sicherlich mehr als nur eine Zeitung kaufen. Ich bin häufig genug dort, um zu wissen, was dort alles feilgeboten wird.
({1})
Zur geistigen Verarmung bei Ihnen wird das sicherlich nicht beitragen.
Ich verkenne nicht, daß es neben der bloß vorgeblichen Sorge um die Familie bei denen, die sonst kaum eine Gelegenheit - einschließlich der der Gesetzgebung - auslassen, um die Familie herabzusetzen,
({2})
ihre Funktionsfähigkeit zu bestreiten oder auch absichtsvoll zu unterminieren, bei anderen eine echte Sorge gibt, die wir ernst zu nehmen haben. Ob diese Sorge begründet ist, darüber gibt es allerdings keinerlei sichere Erkenntnisse. Mein Kollege Stercken wird darüber noch Näheres zu sagen haben.
Allerdings ist kaum zu leugnen, daß, wie viele andere Erscheinungen unserer Zivilisation, auch das Fernsehen - zumal für Kinder - eine Versuchung ist, die sich zur Gefahr entwickeln kann. Nur ist das weder von der Ein- oder Vielfalt der Programme noch von der öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Organisation der Programmträger abhängig. Die schlichte Wahrheit ist vielmehr, daß, je komplizierter unsere industrielle Gesellschaft wird, ein desto höheres Maß an moralischer und geistiger Disziplin im Umgang mit ihren Möglichkeiten gefordert ist. Unsere Kinder zu dieser Art von Disziplin zu erziehen ist die wichtigste Aufgabe, der sich alle im Erziehungsbereich Tätigen - vor allem natürlich die Eltern - heute gegenübersehen.
Nicht zuletzt deshalb - das gehört hierher - sind familienpolitische Maßnahmen so dringlich, die es einem Elternteil erlauben, sich ohne Hinnahme unzumutbarer Verzichte in den entscheidenden Entwicklungsjahren der Erziehung ihrer Kinder zu widmen. Hier liegt der Schlüssel für die Lösung der sich aus dem Umgang unserer Kinder mit den Medien ergebenden und vieler anderer Probleme. Nicht die Einschränkung der Kommunikationschancen und nicht die kollektive Sicherung des Informationsflusses darf die Lösung sein.
({3})
Dr. Klein ({4})
Vielmehr geht es darum, die Voraussetzungen für eine Erziehung zu schaffen, die auf eine ebenso freie wie verantwortliche Wahrnehmung aller gebotenen Informationschancen vorbereitet.
Einer der Großen dieses Hauses hat von der Wissensfreiheit, die er im Art. 5 des Grundgesetzes verbürgt sah, einmal folgendes gesagt:
Die verfassungskräftige Zusicherung der Wissensfreiheit ist als solche noch kein Planen eines Raumes der Freiheit, sondern erst die Voraussetzung dazu, und zwar die Voraussetzung mit derart weit gestecktem Rahmen, daß die Verfassung selber sich jede Entscheidung zwischen einem guten und einem schlechten Gebrauch der Wissensfreiheit versagt und - kraß ausgesprochen - den Mißbrauch dieser Freiheit zur wissensverhindernden Mache ebenso unter ihren vollen Schutz nimmt wie den erwarteten Gebrauch zur Wissensbereicherung. Diese eminente Entsagung hat drei triftige Gründe. Die Verfassung wendet sich an Bürger, denen sie Mündigkeit zumutet. Die Verfassung gilt für eine Gesellschaft, die vielfältig und offen sein soll. Die Verfassung weiß, daß moralische Postulate sich nicht linear zu Gesetzestexten machen lassen, ohne zu pervertieren.
So weit dieses Zitat, meine Damen und Herren. Ich wünschte, Sie, meine Damen und Herren von SPD und FDP, würden Ihre Medienpolitik an diesen wahrhaft freiheitlichen Kriterien, an diesen Worten Adolf Arndts, orientieren.
({5})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Nöbel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Worauf es in der Sache und um der Sache willen jetzt ankommt, ist - das hat Herr Kollege Klein offenbar gar nicht begriffen -, zu einem medienpolitischen Grundkonsens der demokratischen Parteien zurückzufinden,
({0})
wie er, abgesehen von einigen, wenn auch eklatanten Ausbruchsversuchen der CDU/CSU eigentlich bis zum Jahre 1978 bestanden hat, bestätigt durch den Ministerpräsidentenbeschluß vom 11. Mai 1978, in dem es heißt, daß alle Ministerpräsidenten feststellen, daß die einheitliche Grundstruktur des Rundfunkwesens ein wertvolles Gut ist. Vor zwei Jahren war das noch übereinstimmende Meinung.
Nun bin ich nicht allzu leichtgläubig, was die Konsensfähigkeit angeht, angesichts dessen, was mein Vorredner hier geboten hat, und angesichts der Art der Fragen und Behauptungen dieser Großen Anfrage, die nämlich keine Art ist.
({1})
Ich dachte eben an den Spruch eines bekannten Kölner Soziologieprofessors, der da lautet:
In der Bundesrepublik ist man nirgendwo freizügiger im Umgang mit der Wahrheit als vor der Wahl, nach der Jagd und während der Mediendebatte.
Wir wollen Konsens ernsthaft herbeiführen helfen. Dabei braucht man allerdings, meine Damen und Herren von der Opposition, glaubwürdige Partner. Da muß ich der CDU/CSU sagen: Auf diesem Gebiet sollten Sie Ihren medienpolitischen Nachholbedarf zuallererst ins Lot bringen. Nach den gestrigen Angriffen insbesondere der Herren Stoiber und Zimmermann auf dem Münchener Symposium „Wahlkampf und Fernsehen" - dieser Titel geht ja eindeutig auf die These zurück, die Wahl 1976 sei durch das Fernsehen verlorengegangen, also müsse man die Wahl 1980 im und mit dem Fernsehen gewinnen - müßte ich Ihnen jede Konsensfähigkeit absprechen, wenn ich nicht das Ergebnis der Ministerpräsidentenrunde von gestern abend bezüglich der Pilotprojekte als einen wichtigen Schritt hin zum Grundkonsens verstehen würde, nämlich jetzt konkrete Kostenermittlung für die Entscheidung im Herbst.
Dies begrüßen wir, wiewohl wir nicht vergessen haben, daß wortbrüchige Ministerpräsidenten nur durch Gerichtsbeschluß gehindert werden konnten, unser bewährtes Mediensystem unter den Gesichtspunkten von Privat- und Staatsfunkplänen umzukrempeln, was Adenauer das Verfassungsgericht versagte, was der CSU in Bayern nach einem Volksbegehren heute die Landesverfassung versagt. Auch wenn es im Bund kein Volksbegehren gibt, meine Damen und Herren, so aber doch die Bürgermeinung, die sich bei Wahlen am deutlichsten akzentuiert. Wir haben auch die in der CDU-Zentrale fabrizierte WDR-Einschüchterungsstudie nicht vergessen.
({2})
Aber, Herr Klein, wir wünschen den medienpolitischen Konsens mit Ihnen um der Menschen willen.
({3})
In jedem Bundesland sollte der publizistische Wettbewerb statt des kommerziellen gesichert sein. In jedem Bundesland sollte gelten, was die Evangelische Kirche anläßlich „30 Jahre ARD" vorgestern meint, nämlich Unabhängigkeit des Rundfunks von staatlichen Einflüssen und kommerziellen Zwängen; Rundfunk als wichtiges Stück im sozialen und geistigen Leben unserer Gesellschaft mit der großen Aufgabe der gesellschaftlichen Integration, ein hohes Gut, das durch partikuläre Interessen nicht beschädigt werden darf.
({4})
In jedem Bundesland sollte gelten, was die Katholische Kirche sagt: das Medium Rundfunk in den Dienst des Menschen und des Gemeinwohls zu stellen, die Integrationskraft in unserer Gesellschaft zu
wahren, die Bemühungen der Kirchen, für den Menschen und seine Belange einzutreten, „in hervorragender Weise" - so heißt es dort - wie bisher auch künftig zu unterstützen.
({5})
Das, was zum 30jährigen Bestehen der ARD vorgestern neben den Kirchen insbesondere der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Deutsche Angestelltengewerkschaft, der Deutsche Journalistenverband und die Rundfunk-Fernseh-Film-Union in ihren Grußbotschaften zur Frage neuer Medien mitgeteilt haben, sollte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion sorgfältig nachlesen. Sie werden feststellen, daß Sie auf breiter Ebene mehr und mehr in die Isolierung geraten sind.
Wohltuend für uns hob sich bei der gestrigen Münchner Journalistenschelte insbesondere die Feststellung des Kollegen Gerold Benz ab, der zumindest den Bonner Unionspolitikern im Umgang mit Journalisten das Prädikat „keine Ahnung" verlieh. Das hat er gesagt.
({6})
- Das hat er gesagt.
Was die neuen Medien betrifft, so ist unbestreitbar, daß niemand zuverlässige Prognosen liefern kann. Deshalb, Herr Kollege Klein, sollten auch Sie nicht versuchen, den Eindruck zu erwecken, als verfügten Sie über eine Menge Erfahrungen in der privatwirtschaftlich-kommerziellen Nutzung neuer Medien.
({7})
In der Bundesrepublik Deutschland gibt es keine diesbezüglichen Erfahrungen. Und was die Erfahrungen im Ausland betrifft, so schließe ich mich dem an, was die hessische Landesregierung am 8. Mai dieses Jahres auf eine Große Anfrage im Landtag geantwortet hat. Es heißt dort:
Ausländische Erfahrungen sprechen gegen die Annahme, daß die Freigabe des Rundfunks für eine privatwirtschaftlich-kommerzielle Nutzung die Programmvielfalt und die Programmwahlmöglichkeiten erhöht und zu einer Berücksichtigung der Interessen der Minderheiten
führt.
Dazu sagen Sie nie etwas.
({8}) Es heißt dort weiter:
Durch den Wettbewerb kommerzieller Rundfunkveranstalter wird nicht eine Vielfalt kontrastierender Programmangebote erzeugt, sondern nur eine Vielzahl gleichartiger Unterhaltungssendungen. Minderheitenprogramme gewährleisten nicht die hohen Einschaltquoten, auf die ökonomische Zielsetzungen zwangsläufig ausgerichtet sein müssen.
({9})
Auch Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, sprechen in der Großen Anfrage von teilweise als revolutionär zu bezeichnenden Veränderungen der Kommunikationstechnik, von Risiken und Gefahren. Das tun Sie. Sie verharmlosen diese aber gleichzeitig wieder mit dem Hinweis, sie seien ja bei solchen technischen Entwicklungsschüben stets einzukalkulieren. Und denjenigen, die warnen, werfen Sie vor, sie würden dämonisieren
({10})
und die Entwicklungen als Kulturgefahr verteufeln.
Sie können uns doch nicht den Vorwurf machen, wir seien fortschrittsfeindlich, wir seien gegen Innovationen.
({11})
- Einen Moment! - Haben Sie denn in der vorigen Woche, am 17. Juni, nicht das gehört, was Ihr Fraktions- und Parteivorsitzender Kohl der SPD ins Stammbuch schreiben wollte? Ich darf Ihnen das noch einmal kurz vorlesen. Er sagte:
Meine Damen und Herren, eine Gesellschaftslehre, die Geschichte verbannt, die allein auf den utopischen Fortschritt setzt und auf die technische Machbarkeit baut, bietet Unsicherheit statt Wertorientierung,
({12}) Steine statt Brot.
- Hier Beifall bei der CDU/CSU. ({13})
Diese Ideologen, - so fährt er fort die doch vor allem bei Ihnen in der SPD angesiedelt sind,
({14})
messen die Gegenwart nicht an der Vergangenheit, sondern an einer utopischen, jeder Lebenserfahrung entzogenen Zukunft, in der allein das Ziel zählt, aber nicht der Weg, allein die Reinheit der Idee, aber nicht die unmenschlichen Mittel ihrer Verwirklichung.
({15}) Dann sagt er noch:
Alle Zeiten haben ihre Utopien gehabt.
Da frage ich Sie: Welche Utopisten meint denn Herr Kohl eigentlich? Man sollte vorsichtig sein, wenn man sich Reden in den Tag hinein schreiben läßt, die tags zuvor und tags darauf von den eigenen Leuten, von den Medienpolitikern ad absurdum geführt worden sind bzw. werden.
({16})
Dr. Nobel
Wir Sozialdemokraten teilen die Meinung des Bundeskanzlers:
({17})
„Nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch gesellschaftlich sinnvoll."
({18})
- Da gibt es doch nichts zu lachen.
Die Eigendynamik der Technik kann niemand in ihrer Unberechenbarkeit ernsthaft bezweifeln, insbesondere was ihre medienpolitischen Auswirkungen angeht. Es war doch eigentlich erst gestern, als die KtK, die Kommission für den Ausbau des technischen Kommunikationssystems, ihre Bestandsaufnahme vorlegte und die Pilotprojekte zur Bedarfserklärung empfahl. Heute steht die Ersetzung des Kupferkabels durch die Glasfaser zur Debatte, über die Informationen mit Hilfe eines Lasers übertragen werden. Damit geht nicht nur die technische Voraussage ins Leere, sondern ist genauso, wenn nicht erheblich mehr, die medienpolitische Seite der Medaille verdreht.
Da Sie Herrn Hauff zitiert haben: Der Bundesminister für Forschung und Technologie stellte die Folgen in einem Vortrag am 18. Juni, also vor neun Tagen, so dar:
Es zeichnet ich nämlich ab, daß in Zukunft für alle denkbar en Kommunikationsformen vom Telefon über die Datenübertragung und Bildfernsprecher bis hin zur Verteilung einer nahezu unbegrenzten Zahl von Fernsehprogrammen nur noch ein einziges, ein sogenanntes integriertes Glasfasernetz erforderlich ist.
Nun wissen wir, meine Damen und Herren, alle miteinander, daß dieser gewaltige technische Meilenstein vor 1985/86 nicht den medienpolitischen Fortgang markieren kann, sondern der verantwortlichen Politik in Bund und Ländern große Chancen gewährt, im Konsens vorzubereiten, was für die wirtschaftliche Infrastrukturentwicklung einerseits und die medienpolitischen Konsequenzen andererseits wünschenswert, erforderlich und verantwortbar ist.
({19})
Wer diese Weichenstellung wirklich will - und sie ist unabdingbar -, der muß den breiten Dialog in Kauf nehmen, nicht nur hier unter uns, nicht nur mit der Wirtschaft, mit Interessenvertretern, sondern mit den Menschen. Dies aber kann sich nur dann erfolgreich vollziehen, wenn der Appell der Bundesregierung vom 26. September 1979 von Ihnen hier und von den Ländern draußen ernsthaft aufgegriffen wird, statt ihn in dieser Unart zu entstellen, wie dies hier geschah.
({20})
Der für unsere Seite wohl unverdächtige Intendant des Zweiten Deutschen Fernsehens, Karl-Günther von Hase, stellt fest:
Die Situation hat sich zugespitzt,
- ich füge meinerseits hinzu: Sie von der CDU/CSU haben dies allein zu verantworten weil die Versuchung wächst, angesichts der möglichen Einführung neuer Kommunikationstechniken schon Entwicklungen vorwegzunehmen, deren gesellschaftspolitische Auswirkungen noch niemand erahnen, geschweige denn exakt vorhersagen kann.
({21})
Den Bürgern im Lande wird eine Medienvielfalt versprochen, von der man noch nicht so recht weiß, ob sie überhaupt eintreten kann, unabhängig von der Frage, ob sie erwünscht wäre.
Er fährt fort:
Daß unsere Zuschauer seit Jahren in ihrem Sehverhalten gegenüber Programmausweitungen eher selektive Zurückhaltung wahren - Kinder ausgenomnmen -, daß sie fast überall in der Bundesrepublik von einem harten Wettbewerb der bestehenden Rundfunkanstalten mit ersten, zweiten. und dritten Programmen, vielerorts auch noch mit Osterreich, der Schweiz, den Niederlanden, der DDR und Dänemark, Gebrauch machen können, wird oft unterschlagen. Daß eine vermehrte Vielfalt der Programme möglicherweise nur eine Wiederkehr gleicher Inhalte und Formen sein wird, scheint manchmal wenig bedacht zu werden.
({22})
Dann sagt er:
Der Neuerungseifer, der das Bewährte bestenfalls erhalten will, sollte die Tatsachen, die wirklichen Notwendigkeiten und Chancen nicht außer acht lassen.
Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, reden vom „derzeit noch bestehenden Rundfunksystem". Das bedeutet, daß Sie dieses bewährte System ändern wollen. Herr Klein hat es hier wieder einmal ganz deutlich gesagt.
({23})
Sie verurteilen die Einbeziehung der neuen Kommunikationstechniken, wie Sie sagen, in die ausschließliche Verfügungsbefugnis des öffentlich-rechtlichen Systems, was aus verfassungsrechtlichen Gründen um der Freiheit des mündigen Bürgers willen nicht möglich sei.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie 'eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Klein?
Nein, Herr Klein, ich bin in Zeitnot. Es kommen noch weitere Redner, die genügend Stellung nehmen können.
({0})
Sie verschweigen, daß seit vielen Jahren, heute aber
erheblich mehr als vor vielen Jahren, die Rundfunkanstalten unter ihrer Programmverantwortung pri18438
vaten Unternehmen eine breite Vielfalt von Produktionsmöglichkeiten eröffnen. Im übrigen sind nach übereinstimmender Rechtsauffassung aller Länder Kabelhörfunk und Kabelfernsehen eindeutig Rundfunk, das gilt also nicht nur für Bayern, Herr Klein. Das Rundfunkrecht in allen Ländern weist für die Veranstaltung von Kabelrundfunk den Rundfunkanstalten eindeutig die Zuständigkeit zu.
Intendant Hans Bausch spricht vom „medientechnischen Albanien". Er spricht davon, daß eine mächtige Lobby der Industrie die Mär verbreite, wir würden auf den Status eines medientechnischen Albaniens zurückfallen, wenn wir nicht schnellstens alle Schleusen für die Breitbandverkabelung öffneten.
Ich muß mich
- sagt Bausch - manchmal an den Kopf fassen
({1})
und mir die Frage stellen, ob ich mir den rechten Überblick bewahrt habe, wenn ich diese oder jene Publikation lese.
- Ja, das paßt Ihnen nicht; das weiß ich. - Bausch meint weiter:
Wir brauchen die breitbandige Verkabelung für das Telefonsystem der Zukunft und für die geschäftliche Kommunikation zum Austausch von Daten. Bildschirm- und Kabeltext werden sich auf Grund der technischen Möglichkeiten ausbreiten. Und dennoch
- so Bausch bleibe ich sehr skeptisch, ob Bildschirmtext und auch Videotext als eigenständige Dienste für den Bereich privater Haushalte erfolgreich sein werden. Ich glaube nicht daran, weil ich wie jeder von Ihnen nicht mit einem Mangel an Information konfrontiert Mn, sondern schon jetzt mit einem Überschuß, den zu verarbeiten Jahr um Jahr schwieriger wird.
Gucken Sie sich das Papier auf Ihren Plätzen, in den Büros an. Dann können Sie Bausch nur recht geben.
({2})
Richtig ist doch wohl, meine Damen und Herren, daß der technische Fortschritt beispielsweise den Umweltschutz erst notwendig gemacht hat. Wir haben technisiert, aufgewirtschaftet, bis uns klar wurde, man werde sich zu Tode wirtschaften, wenn man sich nicht endlich durch Maßnahmen zum Erhalt der eigenen Umwelt selber schütze. Nun wage ich die Parallele - wenn ich medienpolitisch ins Eingemachte gehe ({3})
- natürlich -: Ich muß mich jetzt von innen, im Zimmer, in der Wohnung schützen. Was die neuen Medien betrifft, Herr Klein, so haben wir doch die Chance, es nicht im nachhinein korrigieren zu müssen, sondern gerade noch rechtzeitig steuern zu können; denn noch ist nichts verdorben.
({4})
Ich möchte Sie bitten, meine Damen und Herren von der Opposition, nicht den gleichen Fehler zu machen, der Ihnen vor 20 Jahren - das waren zum Teil Ihre parteipolitischen Vorfahren - passiert ist,
({5})
als die SPD von der Qualität des Lebens sprach und Willy Brandt wegen seines Wortes vom blauen Himmel über der Ruhr verlacht worden ist, als von Ökologie noch niemand sprach, während heute jeder davon spricht. Lassen Sie uns gemeinsam medienpolitische Vernunft üben,
({6})
weil sie vorgegeben ist, ähnlich wie der Schutz der Umwelt. Lassen Sie uns aber wenigstens jetzt im vorhinein die Fakten erkennen, damit sie uns nicht wie im Verhältnis Ökonomie-Umweltschutz zu spät bewußt werden, damit wir nicht eines Tages eine geistige Umweltverschmutzung haben.
({7})
Dies müßte doch möglich sein. Dies müßten wir gemeinsam schaffen können; denn CDU und CSU haben in ihrem gemeinsamen Wahlprogramm die Warnung vor der Entpersönlichung, der Anonymität, der zunehmenden Einsamkeit vieler Bürger, der Mißachtung der Familien in großen Teilen der Massenmedien enthalten. Wenn Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, keine Antwort auf die Frage nach den menschlichen, nach den gesellschaftlichen Folgen des technischen Fortschritts finden, dann sollten Sie doch mit uns gemeinsam versuchen, im politischen Miteinander das menschliche Miteinander in den Familien, in der Bevölkerung unseres Landes fördern zu helfen.
({8})
Dies gebietet eigentlich die medienpolitische Vernunft. Dies gebietet verantwortliche Politik, die um „die noch so verletzliche demokratische Gesellschaft der Bundesrepublik" weiß - wie Herbert Wehner heute in anderem Zusammenhang in der „Augsburger Allgemeinen" schreibt.
Sie mögen es mir nicht verübeln, wenn ich nochmals auf Hans Bausch zurückkomme, der darauf hinweist, daß doch die technischen Innovationen wie die Einführung von UKW, Schwarzweiß- und Farbfernsehen, Stereophonie usw. und in Verbindung damit die Sicherung von Arbeitsplätzen, die Exportfähigkeit der Industrie im Zeichen des öffentlichDr. Nöbel
rechtlichen Systems zustande kamen. Bausch meint, es müsse einmal ausgesprochen werden,
({9})
- es ist Bausch, natürlich ({10})
- es ist viel schlimmer für Sie, wenn ich Bausch zitiere, ich weiß das -, daß die Organisation des Rundfunks für die Produzenten herkömmlicher oder neuartiger Kabeltechniken so gut wie keine Rolle spielt. Er vermutet meines Erachtens richtig, es könne nur die Werbung sein, die, wie vor einem Jahrzehnt schon einmal, für jene Hektik sorge. Es ist in der Tat ein Scheingefecht zum Glaubenskrieg umstilisiert worden, wegen einer Umverteilung von knapp einem Fünftel des. Werbeaufwands von Gedrucktem auf die elektronischen Medien.
Wir Sozialdemokraten haben stets, was dieses Problem angeht, unsere klare Haltung bewahrt und vor der Gafahr gewarnt, nun auch noch über die Bildschirmwerbung die letzten mittleren und kleineren Zeitungen kaputtzumachen.
({11})
In der neuesten Ausgabe des offiziellen Organs des Bundesverbandes der Selbständigen wird auf die Gefahren weiterer Wettbewerbsverzerrungen durch die vermehrte Nutzung dieser Einrichtungen durch finanzstarke Großunternehmen hingewiesen und gesagt, hier müßten z. B. für die Werbung Möglichkeiten geschaffen werden,
({12})
die es auch Klein- und Mittelbetrieben erlauben, diese Medien als Werbeträger zu nutzen. Also auch hier werden die Gefahren klar gesehen.
({13})
- Das sage ich ja.
({14})
Natürlich hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil von 1961 private Rechtsformen im Rundfunk zugelassen, aber - und dies wird immer wieder unterschlagen - allein unter der Voraussetzung, daß der Gesetzgeber eine Gesellschaftsform schafft, die wie die öffentlich-rechtliche Anstalt garantiert, daß alle gesellschaftlich relevanten Gruppen in ihr zu Wort kommen. Diese Prämisse bleibt auch bei einem optimal ausgebauten Kabelsystem bestehen.
Und noch ein Zitat, weil es Ihnen solchen Spaß macht. ZDF-Intendant von Hase meint in diesem Zusammenhang:
Nur Optimisten reden heute von 30 möglichen Kanälen. Von ihnen werden aber mindestens zehn für Nichtrundfunkzwecke, z. B. Bildschirmtext, genutzt werden und zehn bis zwölf
für bereits vorhandene Programme offenstehen. Man sollte sich über die künftige Vielfalt also nicht allzugroße Illusionen machen, abgesehen davon, daß die Anzahl von Vollprogrammen schon aus Kostengründen begrenzt sein wird.
({15})
Zwei zentrale Problemfelder aus dem Kabinettsbeschluß vom 26. September 1979 wurden unter Federführung des Bundespresseamtes mit neun beteiligten Ressorts im Dialog zwischen Wissenschaft und medienpolitischer Praxis geprüft, nämlich die Einflüsse, die von den neuen Medien auf die Struktur der demokratischen Gesellschaft einerseits und auf den Zusammenhalt der Familie andererseits ausgehen können.
({16})
Herausgekommen ist folgendes, nachdem zuvor Gutachten und Veröffentlichungen zur Medienwirkungsforschung mit ihren eklatant widersprüchlichen Ergebnissen mehr Verwirrung gestiftet hatten, als sie hätten Entscheidungen vorbereiten helfen können. Hier sehen Sie, daß die Bundesregierung ihren Beschluß vom 26. September 1979 Stück für Stück auch in die Tat umsetzt.
({17})
Es ist ja nicht so, als ob alles liegenbleibt, Herr Klein. Diesen Eindruck sollten Sie also nicht erwecken.
({18})
Das Gespräch zwischen Wissenschaftlern und Medienpraktikern hat also zu dem Ergebnis geführt: Größeres Programmangebot führt nicht automatisch zu größerer Vielfalt, sondern zu mehr vom gleichen.
({19})
Der Zuschauer wendet sich bei größerer Auswahlmöglichkeit verstärkt fiktiv unterhaltenden Programmen zu. Bei unkontrollierter kommerzieller Organisationsstruktur steigt durch den erhöhten Konkurrenzdruck der Anteil unterhaltender Programme. Das Fernsehen beeinflußt die Interaktion der Familie ganz erheblich. Das Fernsehen verändert das Verhältnis der Familie zur Umwelt, die reduziert wird.
({20})
Aus zeitlichen Gründen muß ich leider hier stichwortartig und schnell vortragen. Ich bitte dafür um Entschuldigung.
({21})
Problematische Zielgruppen sind vor allem Kinder, ältere Menschen und die sogenannten sozialen Grenzgänger, die über keine stabile individuelle oder soziale Identität verfügen. Vielseher - insbesondere Kinder - sind ängstlicher als Wenigseher. Ihre Realitätswahrnehmung ist verzerrt. Sie orientieren sich an fiktiver Fernsehwirklichkeit.
({22})
- Diese wissenschaftlich gesicherte Bilanz, Herr Klein, kann bei einer längerfristigen und komplexen Erfassung der Auswirkungen des Fernsehens mit kumulativem Effekt nur noch negativer werden.
({23})
Im übrigen wurde darauf hingewiesen, daß die Einführung neuer Medien einen Eingriff in das bestehende Kommunikationsgefüge zu einem Zeitpunkt bedeuten würde, in dem sich das Mediennutzungsverhalten nach einem mühsamen Anpassungsprozeß einigermaßen konsolidiert habe.
Wir haben in der Bundesrepublik Deutschland - international anerkannt - an 365 Tagen im Jahr im Fernsehen und Hörfunk rund um die Uhr Programme, die sich sehen und hören lassen können. Manchmal hat man den Eindruck, es gebe zu viele Programme zur gleichen Zeit, die man gerne sehen oder hören möchte.
({24})
„11000mal täglich geleistete Programmarbeit", stellte der Vorsitzende des Deutschen JournalistenVerbandes dazu fest. Beschwerden über zu viele Programme zur gleichen Zeit liegen den Rundfunkanstalten zahlreich vor.
({25})
Ich zweifle die Mitteilung des Intendanten des Süddeutschen Rundfunks nicht an, die besagt, er habe noch keinen einzigen Brief eines Hörers oder Zuschauers erhalten, der noch mehr Programme wünsche.
({26})
- Ich weiß, Sie hören das nicht gerne.
({27})
In Amerika sind nach neuesten Untersuchungsergebnissen 60% der Bewohner der Ansicht, daß nichtkommerzielles Fernsehen das Wohl der Zuschauer im Auge hat, und mit dem kommerziellen Programmangebot sind nur 30 % zufrieden.
Sie werfen uns vor, Herr Klein, wie Sie das eben wieder getan haben, wir würden dem mündigen Bürger etwas vorenthalten. Demgegenüber besagen Umfrageergebnisse hier, daß 70 % gar nicht oder zumindest nur gering interessiert sind; stark interessiert sind nur 14%. Ferner bitte ich Sie zu bedenken, daß 20% aller Zuschauer, nämlich die Hauptbetroffenen, nicht mündig sind, und das sind die Kinder.
({28})
Im Weißbuch des japanischen Erziehungsministeriums 1979 wird ein Zusammenhang zwischen der zunehmenden Zahl von Kinderselbstmorden und der häufigen Vereinsamung der Kinder vor den Bildschirmen vermutet.
Die Frage nach den Grenzen des Wachstums, Herr Klein, ist medienpolitisch in jedem Fall gestellt. Sie hat nichts mit der Gefährdung von Arbeitsplätzen zu tun, wie Sie es hier darzustellen versuchen. Während Sie hier Ihre Verkabelungseuphorie an den Tag legen, fordern Ihre CSU-Landtagskollegen die bayerische Staatsregierung auf, darauf hinzuwirken, daß die Post die Vereinbarung der Ministerpräsidenten nicht unterläuft.
({29})
Solche und andere Widersprüche sollten Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, veranlassen, mit uns gemeinsam im breiten Dialog zur Klärung der Konsequenzen im Zusammenhang mit den neuen Medien zu suchen.
Ich danke Ihnen.
({30})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Schäfer ({0}).
({1})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Herr Abgeordneter Schäfer, darf ich eine kurze Bemerkung machen.
Ich würde bitten, mit den Zwischenrufen nicht zu aktiv zu sein.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In meinem Fall haben Sie noch gar nichts gehört, aber Sie rufen schon dazwischen; das finde ich ganz lustig.
Wir begrüßen es als Fraktion sehr, daß vor Ende dieser Legislaturperiode dem so wichtigen Thema noch einmal die Bedeutung einer dreistündigen Debatte eingeräumt wird. Ich glaube, daß wir in der nächsten Legislaturperiode in dieser wichtigen Frage weiterkommen müssen. Sie hat - wie jemand es einmal verglichen hat - fast die gleiche Dimension, zumindest eine ähnliche Brisanz wie die Frage der Atomenergie. Ich will mich zwar vor emotionalen Schlagworten hüten. Aber zumindest ist das Thema zu ernst, um - wie es heute morgen, Herr Klein, wieder einmal versucht wurde - in einer verhältnismäßig technokratischen und, wie ich meine, leichtfertigen Weise über die Dinge hinwegzureden. Das geschieht - das geht auch aus dem Text Ihrer Anfrage hervor - immer wieder mit dem Unterton „Wirtschaftspolitik allein". Sie können doch weder in der Frage der Atomenergie noch bei der Frage der Gestaltung der neuen Kommunikationstechniken
Schäfer ({0})
davon ausgehen, daß man lediglich die Arbeitsplatzbeschaffung in den Mittelpunkt rückt. Denn die Bedenken, die in ganz Deutschland bestehen, die keineswegs nur bei der SPD-Fraktion oder bei uns vorhanden sind, richten sich auch gegen die möglichen Gefahren des neuen Systems.
Natürlich hat es auch Chancen. Kein Mensch wird hier angesichts dieser neuen Herausforderung in Kulturpessimismus verfallen. Es ist aber notwendig, in einer ernsten Weise über das Thema zu sprechen. Ich glaube - Herr Nöbel hat das ausgedrückt -, daß wir hier einen Konsens finden sollten, der weiterhilft, statt uns parteipolitisch zu verzanken oder gar die Angelegenheit zu einem Wahlkampfthema zu machen.
Die FDP hat im Dezember vorigen Jahres als erste Partei ein Medienpapier vorgelegt. Es erhebt nicht den Anspruch, auf alle Fragen eine Antwort zu geben. Aber wir haben einen Rahmen gesetzt, der sich sehen lassen kann. Wir sind dabei nicht davon ausgegangen, die neuen Medien euphorisch zu begrüßen. Wir sind aber auch nicht davon ausgegangen, Kulturpessimismus zu entfachen und nur Gefährdungen herauszustellen. Wir meinen vielmehr: Politische Entscheidungen dürfen nicht durch die Schaffung vollendeter Tatsachen auf dem Gebiet technischer Entwicklungen herbeigeführt werden, sondern wir müssen frühzeitig Rahmen setzen.
Ich begrüße, daß Ministerpräsident Dr. Vogel bei seiner Rede anläßlich des 30jährigen Bestehens der ARD genau diesen Satz übernommen hat, und zwar aus meiner Rede vom 1. Dezember. Ich bin über die Wortgleichheit erfreut gewesen. Auch er ist der Auffassung, daß man bei diesen Fragen behutsam, Schritt für Schritt vorgehen sollte. - Ich bin froh, daß Sie mir zunicken, Herr Klein. Ein gewisser Konsens deutet sich hier schon an. .
In der Frage der Atomenergie hatte der Deutsche Bundestag eine Enquete-Kommission eingesetzt, die ihre Arbeit gestern beendet hat. Das Ergebnis ist strittig geblieben. Es gibt ein Minderheitsvotum. Die FDP ist der Meinung: Um einen Konsens zu erreichen, wäre es auch in dieser Frage gut - ich darf den Vorschlag erneut wiederholen -, daß wir uns bemühen, zwischen Bund und Ländern eine Kommission zu schaffen, in der nicht allein die Regierungen, sondern auch die Parlamente sowie die Wissenschaft vertreten sind. Die Kommission sollte bemüht sein, nicht nur durch das Studium der Kabelprojekte, die zur Zeit anlaufen oder vorgesehen sind, sondern auch unter Einbeziehung ausländischer Erfahrungen hier weiterzukommen. Ich meine, dieses Thema ist zu wichtig, als daß es nur in einzelnen Ländern vorangetrieben werden kann oder als daß hier ewig ein Streit zwischen Regierung und Opposition bleibt. Wir sollten uns überlegen, meine Damen und Herren, ob uns hier eine Kommission nicht weiterhelfen kann, zu vernünftigen Schritten zu kommen.
Meine Damen und Herren, in Ihrer Anfrage wird unterstellt, die Bundesregierung wolle etwas reglementieren oder gar verhindern. Ich bin deshalb sehr froh über die eindeutige Feststellung in der Antwort der Bundesregierung, daß in diesen Fragen abschließend nur in Abstimmung zwischen Bund und Ländern und in enger Fühlungnahme mit der Wissenschaft entschieden werden darf. Ich meine, hier fehlt uns noch ein Gremium, das die Voraussetzungen zu einer endgültigen Entscheidung schafft
Darüber hinaus muß ein breiter Dialog zwischen Bürgern und politisch Verantwortlichen geführt werden, so sagt die Bundesregierung. Auch das unterstreichen wir als sehr notwendig. Ich glaube, wir kommen nicht weiter, wenn wir uns hier in Polemiken ergehen. Vielmehr sollten wir uns jetzt den Entscheidungshilfen zuwenden, wie es in der Antwort auf die Große Anfrage heißt
Da muß ich allerdings, gerichtet an die Adresse des Herrn Bundesinnenministers, einige Zweifel anmelden. Ich bin zwar mit meiner Fraktion froh, daß wir jetzt in Berlin und Nordrhein-Westfalen Gesetze vorliegen haben und auch mit begrenzten Feldversuchen zum Bildschirmtext, zum Videotext - ARD/ZDF - begonnen haben, aber die Schwierigkeiten sind angesichts der geplanten vier Kabelpilotprojekte immer noch sehr groß. Die Finanzierbarkeit ist nach wie vor nicht geklärt. Ich bin dankbar, jetzt zu hören, daß wir nach dem Ergebnis von gestern offensichtlich mit einer Erstellung einer Übersicht über die genauen Kosten zu rechnen haben.
Es ist aber auch an die Dauer zu denken, meine Damen und Herren. Es ist doch eindeutig, daß z. B. das rheinland-pfälzische Projekt erst 1983 beginnen kann und möglicherweise bis 1987 dauern würde. Wenn es hier um die Schaffung baldiger Entscheidungshilfen geht, dann frage ich mich, ob wir erst 1987 oder 1988, nach Beendigung dieser Pilotprojekte, hier weiterdiskutieren können. Ich bin der Meinung, das ist sehr spät
Meine Damen und Herren, diese Projekte sind zum Teil zu ehrgeizig angelegt Wenn ich daran denke, daß in dem Gesetzentwurf in Rheinland-Pfalz nicht nur von einer Erprobung des Kabelfernsehens die Rede ist, sondern darin auch Video, Kabeltext, Bildschirmtext, Rückkanal, offener Kanal und Satellitenrundfunk genannt werden, so erscheint mir das für ein Bundesland zuviel. Ich könnte mir vorstellen, daß uns - die FDP hat das hier wiederholt deutlich zum Ausdruck gebracht - enger begrenzte Versuche weiterführen, eher als diese ehrgeizigen und ungeheuer aufwendigen Projekte.
Darüber hinaus muß ich natürlich auch Zweifel anmelden, wenn man bei der Durchsicht des Gesetzentwurfs von Rheinland-Pfalz auf die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien stößt. Dort stellt man fest, daß immerhin sechs Vertreter von Wirtschaftsverbänden beteiligt werden, aber nur ein Vertreter des Journalistenverbandes und nur ein Vertreter des Gewerkschaftsbundes. Hier scheint mir ein Ungleichgewicht vorzuliegen. Und ganz und gar undenkbar erscheint es mir, daß den öffentlich-rechtlichen Anstalten in diesem Versuch verwehrt wird, das lokale Fernsehen zu erproben. Das wird nur den Verlegern bzw. freien Trägern geöffnet In diesem
Schäfer ({1})
Kabelprojekt ist die Wettbewerbssituation von Anfang an verzerrt.
({2})
Meine Damen und Herren, was das Monopol betrifft, von dem so oft die Rede ist, so komme ich darauf gleich noch zu sprechen. Ich kann nur sagen, ich bin nicht der Auffassung, daß wir in der Bundesrepublik im Rundfunkwesen ein Monopol der öffentlich-rechtlichen Anstalten haben. Wir haben eine Konkurrenzsituation. Ich kann Ihnen nicht folgen, wenn Sie hier heute morgen wiederholt haben - Herr Klein ist nicht mehr im Raum -,
({3})
wie es auch aus Ihren Publikationen hervorgeht, dieses Monopol gebe es in der Presse nicht. Das ist zwar formal richtig, aber machen wir uns doch bitte hier nichts vor. Wir können doch nicht von Hamburger Zeitungskiosken ausgehen, die heute morgen zitiert wurden. Gehen Sie doch bitte einmal in die normale deutsche Klein- und Mittelstadt, und stellen Sie bitte einmal fest, welche Zeitungen dort von der Mehrheit der deutschen Bevölkerung gelesen werden. Das sind doch Einzeitungskreise.
Hier wäre allerdings, Herr Schwarz-Schilling, ein lokales Konkurrenzfernsehen von Nutzen,
({4})
denn das würde die Meinungsvielfalt fördern. Ich bin auch mit Herrn Vogel der Meinung, daß man durchaus den Verlegern die Möglichkeit geben soll, etwas Derartiges zu erproben. Nur fürchte ich, wenn das von Anfang an nur die Verleger tun sollen und den öffentlich-rechtlichen Anstalten dieser Weg verwehrt wird, ist das keine gute Sache.
Was die Frager der Weiterentwicklung betrifft, so hat meine Partei in ihrem Medienpapier sehr deutlich herausgestellt, daß es notwendig ist, durch die Entwicklung der neuen Kommunikationen die aktive Beteiligung des Bürgers zu erweitern, sein Bedürfnis nach verbesserter selektiver Kommunikation und Information in speziellen Fachgebieten befriedigt werden muß und daß Einschränkungen der Informationsfreiheit im derzeitigen Mediensystem auszugleichen sind. Ich habe hier bereits eine solche Einschränkung genannt, nämlich diese Einzeitungskreise, die zweifellos auch dazugehören, und nicht nur, wie Sie immer wieder sagen, das Monopol der öffentlich-rechtlichen Anstalten; denn, wie Sie wissen, haben wir ja zwischen ZDF und ARD eine Konkurrenz, und bei einer Ausweitung der Kanäle würden sicher auch die dritten Programme zu einer Konkurrenz werden können.
Wir sind mit allen Fraktionen dieses Hauses der Auffassung, daß diese neuen Medien für private Anbieter eine Fülle von Möglichkeiten eröffnen: Bildschirmtext: offen für alle Anbieter; Videotext: muß weiter geöffnet werden. Wir haben die Möglichkeit, durch die Schaffung eines offenen Kanals auch private Organisationen zu beteiligen: Kirchen, Gewerkschaften, auch Bürgerinitiativen.
Ich glaube aber, daß es angesichts der Tatsache, daß wir in Kürze mit einem Satellitenrundfunk zu rechnen haben werden, überflüssig ist, wenn wir uns hier Gedanken darüber machen, ob zu den bestehenden vielfältigen Angeboten der Rundfunkanstalten noch ein aufwendiges, kaum zu finanzierendes - es sei denn mit sehr viel Werbung - und kaum mehr zu bestückendes - so viele Journalisten haben wir ja gar nicht, die eine solche Riesenanstalt betreiben könnten - nationales Fernsehen kommen muß. Ich sehe dazu weder ein Bedürfnis der Bürger noch eine Notwendigkeit. Lassen Sie uns doch zunächst einmal im lokalen Bereich anfangen statt im nationalen Bereich mit ehrgeizigen Großprojekten.
Meine Damen und Herren, ich glaube, daß es nicht richtig ist, wenn Herr Klein heute morgen hier festgestellt hat, es gäbe zwischen den Regierungsparteien oder innerhalb der Bundesregierung große Meinungsverschiedenheiten. Ich kann nur feststellen, die gibt es natürlich bei CDU/CSU auch: Hie Schwarz-Schilling, Biedenkopf, Klein - er kommt gerade wieder - und Freunde; auf der anderen Seite habe Sie die bereits zitierten Intendanten Bausch, Hilf, Kultusminister Remmers.
({5})
Ich kann immer wieder nur sagen: die stammen aus Ihrer Partei. Sie sind vielleicht durch die Tätigkeit in den Rundfunkanstalten klüger geworden, Herr Schwarz-Schilling. Das ist allerdings möglich, das würde ich nicht bestreiten.
({6})
- Meine Damen und Herren, wir wollen doch nicht leugnen, daß der Einfluß der Parteien dazu geführt hat - das kritisiert meine Partei natürlich auch sehr stark -, daß das Proporzdenken in den Rundfunkanstalten groteske Blüten treibt: „Gibst du mir den Intendanten, kriegst du den Programmdirektor." So sieht es doch leider aus. Das hat doch dazu geführt, daß die deutschen Rundfunkanstalten in Mißkredit geraten sind, doch nicht ihre Einfallslosigkeit in bezug auf die Programme. Das ist doch der Punkt.
({7})
- Herr Klein, lassen Sie uns den mutigen Versuch unternehmen, davon wegzukommen. Das mag utopisch klingen, ich sehe das Ihrem Lächeln an, aber ich möchte trotzdem vorschlagen, seien wir endlich einmal so ehrlich, daß alle Parteien verhindern, daß qualifizierte Journalisten nicht auf die Positionen kommen, die ihnen gebühren, dafür aber Parteileute, und hinterher ist man enttäuscht, wenn diese Parteileute nicht mehr die Meinung der Partei, sondern die Meinung der Rundfunkanstalt vertreten. Das ist ja wohl der Fall.
({8})
Außerdem gibt es ja auch eine interessante Meinungsverschiedenheit zwischen zwei MinisterSchäfer ({9})
präsidenten, auf die ich hier hinweisen darf. Herr Albrecht und Herr Vogel sind sich keineswegs einig. Beide sind an den neuen Medien interessiert, aber der eine will mit seinem Hurra-Patriotismus eine schnelle Einführung ohne Befragung des Parlaments; bei dem anderen findet sich zumindest der Ansatz, mit einem Pilotgesetz zu beginnen, das wenigstens den Versuch der Erprobung unternimmt, und man hat mir seitens der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei auch versichert, daß man für den Fall, daß diese Erprobung mißglückt, davon wieder absehen wird. Herr Albrecht hingegen wollte seinen Privatrundfunk ad hoc einführen. Er ist, wie Sie wissen, gescheitert,
({10})
und man kann dazu eigentlich nur sagen: Wir müssen deshalb froh sein, weil Herr Albrecht keineswegs die Bürger seines Landes vorher befragt hat,
({11})
sondern ihnen mit seinem Privatrundfunk zugemutet hätte, erhebliche Kosten zu tragen, ohne vorher dazu gehört worden zu sein, ob sie diesen Rundfunk überhaupt wollen. Es war also eine rein politische Entscheidung des Ministerpräsidenten.
({12})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Klein?
Herr Klein, ich würde Sie bitten, das Gespräch mit mir nachher in der Lobby fortzusetzen; ich bin ja zeitlich eingeschränkt.
({0})
- Wir pflegen das des öfteren zu tun; Ihr Lachen ist insofern für mich unverständlich.
Meine Damen und Herren, ich möchte aber noch auf einen Zwischenfall eingehen, der sich gestern abend abgespielt hat und den ich für sehr gravierend halte. Dann, wenn hier schon der Vorwurf gemacht wird, es gebe ein öffentlich-rechtliches Rundfunkmonopol, und dies werde schamlos zugunsten der einen Seite ausgenutzt, habe ich, so kann ich nur sagen, kein Verständnis dafür, daß ein im Grundgesetz nicht vorgesehener sogenannter Kanzlerkandidat nunmehr den Anspruch erhebt, bei jeder Reise, die Regierungsmitglieder unternehmen, in Sendungen des deutschen Fernsehens den Superkommentator zu spielen.
({1})
Ich halte das für unerträglich!
({2})
Ich sage Ihnen dazu: Wenn der Ministerpräsident eines deutschen Bundeslandes
({3})
während eines bestimmten Vorgangs, nämlich im Zusammenhang mit der Reise des Bundeskanzlers und des Bundesaußenministers nach Moskau, in einer ungemein subtilen, einer ungemein schwierigen Situation
({4})
den Anspruch erhebt, einen Kommentar zu sprechen, während die Übertragung im Westdeutschen Rundfunk noch läuft, kann ich Ihnen nur sagen, das ist ein Mißverständnis unserer Medienlandschaft und allerdings ein Angriff auf diese Landschaft, den wir entschieden zurückzuweisen haben.
({5})
Ich habe die Sendung des Herrn Mühlfenzl - des Kommentators Mühlfenzl, Ihres Freundes, Herr Klein - am vergangenen Montag gesehen, und da wurde Strauß zum erstenmal als Kommentator des Gipfels von Venedig verwendet.
({6})
Ich darf den Bayerischen Rundfunk von dieser Stelle aus bitten, daß er diese Sendezeit auf die Ihnen für den nächsten Wahlkampf zur Verfügung stehenden Werbespots anrechnet; denn mehr war das nicht.
({7})
Der Herr Strauß sollte doch zumindest nach Weltgipfeln erst einmal abwarten, bis er sie analysieren kann, statt sie bereits am gleichen Tage in Bausch und Bogen zu verdammen - ein peinliches Bild vor der deutschen Öffentlichkeit.
({8})
Wir wünschen führende deutsche Politiker nicht als Chefkommentatoren der deutschen Rundfunkanstalten. Das wollte ich an diesem Beispiel nur einmal erläutert haben.
Nun noch etwas anderes. Dann, wenn Sie von Demokratieverständnis sprechen und davon reden, wir müßten in den Kommunikationstechniken weiterkommen, sollten Sie bitte nicht ständig den Versuch unternehmen, öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten auf der einen Seite zu diskreditieren und auf der anderen Seite zu loben, wie es vorgestern abend geschah. Ich habe noch die Worte des Herrn Vogel bei seiner Laudatio auf die ARD im Ohr, diese Anstalt habe sich nicht nur bewährt, sondern habe auch einen entscheidenden Beitrag zur Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland zu einem der freiheit18444
Schäfer ({9})
lichsten und demokratischsten Staaten der Welt geleistet.
({10})
Dann hören Sie doch bitte auf, so zu tun, als wäre diese ARD, wie Herr Strauß ja gestern gesagt hat, ein Staatsfunk. So ist es doch gestern abend gesagt worden: ein Staatsrundfunk.
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Das ist doch einfach unwahr.
Herr Klein, schaffen Sie also erst in Ihrer eigenen Partei oder zwischen den beiden Parteien eine Einheit in der Beurteilung, bevor wir hier versuchen, einen Konsens herzustellen. Denn man weiß nicht so recht, an wen man sich hier zu wenden hat, wenn man mit Ihnen diskutiert
Meine Damen und Herren, ich habe darauf hingewiesen, daß es für die Beteiligung Privater an den neuen Medien durchaus Möglichkeiten gibt Ich habe darauf hingewiesen, daß wir es nicht für nötig halten, daß wir hier mit Gewalt ein kommerzielles Fernsehen - mit all seinen Problemen - schaffen.
Ich darf, bezogen auf meinen Vorredner, wiederholen: Es gibt keinen Beweis dafür, daß ein kommerzieller Wettbewerb innerhalb der Rundfunklandschaft zu besseren Sendungen führt. Ich glaube, die Beispiele aus dem Ausland sprechen beredt dagegen. Denn am Ende würde es sich doch wohl um eine Konkurrenz um die größeren Werbeeinnahmen handeln; das wäre doch die Konkurrenzsituation. Das heißt - genauer gesagt und ganz logisch -, man müßte sich bemühen, in der wichtigsten Sendezeit, in der man die meisten Zuschauer ansprechen kann, nach Möglichkeit die höchste Einschaltquote zu haben, um die höchsten Werbeeinnahmen zu erzielen. Und da können Sie mir doch nicht einreden, daß das zu einer Verbesserung des Programms, zu einer Steigerung der Programmviel-fait führen würde. Ich will hier gar nicht qualifizieren, ich bin sehr für Unterhaltungssendungen, aber für gute. Deshalb begrüße ich eher einen europäischen Kanal, der es ermöglichen würde, daß wir vielleicht einmal eine gute Show aus Italien oder sonst woher sehen können.
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- Entschuldigen Sie, Herr Klein: aus Italien! Allerdings beziehe ich mich dabei nicht auf die Auswüchse kommerziellen Fernsehens in Italien, das zu später Stunde den Bereich des Pornos sehr stark pflegt. Ich glaube auch nicht, daß Sie das bei Ihrer ständigen Verteidigung des Privatwirtschaftlichen in diesem Bereich wollen. Also, das meine ich nicht, ich meine Sendungen der RAI.
({13})
Meine Damen und Herren, Kabelfernsehen würde bedeuten, daß wir allein in der Bundesrepublik eine Fülle Dritter Programme hätten, die jedem Zuschauer über Kabel zugänglich gemacht würden. Wir könnten - das ist eine alte Forderung des ZDF - auch dort ein zweites ZDF-Programm haben. Wir werden mit Sicherheit den offenen Kanal, den Rückkanal bekommen. Wir werden via Satellit ausländische Sender für Gastarbeiter, für Leute, die Fremdsprachen lernen wollen, dazubekommen. Das ist sicher eine sehr erfreuliche Angelegenheit Ich frage mich: Was noch mehr, was noch dazu?
Das Satellitenfernsehen wirft Probleme auf. Ich bin der Auffassung, daß die Rundfunkanstalten sehr gut daran tun, für dieses Satellitenprogramm sehr frühzeitig Konzepte vorzulegen.
Ich darf hier einen alten Vorschlag wiederholen: Wir sind der Auffassung, daß bei einem Satellitenfernsehen ein europäisches Programm - etwa orientiert an der Struktur und Organisation der ARD - auf einem Kanal geschaffen wird, der es uns ermöglicht, Sendungen aus den mit uns befreundeten Ländern der Europäischen Gemeinschaft unmittelbar sehen zu können. Hiermit wäre ein großer Schritt nach vorn getan. So etwas muß gar nicht synchronisiert sein; aber ich glaube, auch in synchronisierter Form läßt sich über diese Länder noch sehr viel mehr lernen, als das angesichts der Sendezeiten unserer Rundfunkanstalten im Augenblick möglich ist. Hier liegt also eine Chance.
Gleichzeitig aber auch der Hinweis darauf - diesen Hinweis hat Bundesaußenminister Genscher auf der UNESCO-Tagung im Oktober 1978 gegeben -, daß wir als Partei und als Liberale „für den freien Austausch von Ideen in Wort und Bild sind statt einer staatlichen Reglementierung"; d. h. für den freien Austausch über die Grenzen.
({14})
Darum sollten wir uns frühzeitig bemühen - ich glaube, der Herr Bundesinnenminister hat das schon wiederholt erklärt -, daß wir in Europa zu Formen einer Zusammenarbeit kommen, die zu einer Europäischen Rundfunkkonvention führt, um dem Problem der Fremdkommerzialisierung vorzubeugen.
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Ich meine, hier sollte verhandelt werden. - Herr Schwarz-Schilling, ich bin ja Ihrer Auffassung. Wir wollen nichts abschießen oder stören. Nur, wir sollten verhandeln, damit uns nicht auf kaltem Wege ein neues System aufgezwungen wird. Denn das hielte ich allerdings nicht für eine sinnvolle Sache.
Die liberalen Parteien Europas haben in diesen Tagen als erste, wenn ich recht sehe, eine europäische Medienkommission geschaffen. Ich glaube, daß das eine Möglichkeit ist, mit unseren Abgeordneten in Straßburg, im Rahmen unserer befreundeten Parteien frühzeitig in Verhandlungen über eine sinnvolle Gestaltung des Satellitenfernsehens einzutreten, Fragen des Urheberrechts zu prüfen und andere wichtige Fragen zu lösen.
Schäfer ({16})
Die vor uns liegenden Aufgaben und das große Problem der Entwicklung der neuen Kommunikationstechniken bedürfen einer intensiven Zusammenarbeit. Wir haben sie immer wieder angeboten, und wir hoffen nach wie vor, daß es hier keinen Grabenkrieg gibt, sondern eine vernünftige frühzeitige Zusammenarbeit, die die Probleme diskutiert, aber auch um ihre Lösungen bemüht ist.
Ich habe vorhin den Vorschlag wiederholt, eine Art Bund-Länder-Kommission zu schaffen, die aber nicht nach schlechtem früheren Beispiel aus Regierungsvertretern allein zusammengesetzt sein soll, sondern auch Parlamentarier und Wissenschaftler berücksichtigt. Das scheint mir der bessere Weg als eine Bundestags-Enquete-Kommission zu sein, die die Bundesländer nicht berücksichtigen würde. Das hat meine Fraktion nicht gewollt.
Ich glaube aber, wir können uns - und hier werden Sie mir vielleicht sogar zustimmen, meine Damen und Herren von der CDU/CSU - allzu lange Denkpausen in dieser Frage nicht mehr erlauben,
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und zwar deshalb, weil die Entwicklung vorwärts drängt und wir als Politiker aufgerufen sind, Rahmen zu setzen, in denen diese Entwicklung im Griff bleibt.
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Ich bin dieser Meinung, und ich hoffe, daß parallel zu den Pilotprojekten eine Chance besteht, gemeinsam nachzudenken und gemeinsam Lösungen vorzubereiten, von denen ich meine, daß sie in der nächsten Wahlperiode diese Hauses angestrebt werden müssen, soweit der Bund betroffen ist.
Die FDP hat - das kann ich zusammenfassend und abschließend sagen - eine Reihe von Grundsätzen zu diesen neuen Medien erarbeitet, von denen ich hier einige zitieren und nochmals in Ihr Bewußtsein rufen möchte:
Erstens. Die neuen Medien dürfen Informationsfreiheit und Meinungsvielfalt nicht schwächen, vielmehr sollen sie die aktive Beteiligung des Bürgers am Informationsprozeß erhöhen sowie seine Urteilsfähigkeit und soziale Entfaltungsmöglichkeit stärken. Die gesellschaftliche Integration und die Fähigkeit zur demokratischen Willensbildung müssen auch unter den Bedingungen der neuen Medien gewährleistet bleiben.
Zweitens. Unabhängigkeit von Staat, Parteien, Verbänden, Unternehmen und Einzelpersonen muß auch bei den neuen Informationsträgern gewahrt werden. Im Sinne von Art. 5 Grundgesetz muß der Zugang zu den neuen Medien prinzipiell für jedermann offen sein. Ich habe dazu Ausführungen gemacht.
Drittens. Die neuen Medien dürfen nicht zu neuer wirtschaftlicher Machtkonzentration führen. Der publizistische Wettbewerb darf nicht weiter eingeschränkt werden. Neue Medien müssen zu einer Stärkung des Wettbewerbs zwischen den Informationsanbietern führen, insbesondere im lokalen und
regionalen Bereich. Es muß sichergestellt werden, daß öffentliche Interessen und Interessen von Minderheiten, die unter Marktbedingungen nicht befriedigt werden, zur Geltung kommen. Das betone ich nochmals sehr deutlich: Auch die Minderheiten haben ein Recht auf Fernsehsendungen und sollten nicht hinter den von Ihnen geplanten, von Werbung abhängigen großen Massensendungen verschwinden.
({19})
Sie haben es vor allem beim offenen Kanal, wo ja jeder Bürgerinitiative die Möglichkeit bleibt, selber Fernsehen zu machen.
({20})
Viertens. Auch bei Nutzung der neuen Medien muß der Schutz personenbezogener Daten für jedermann garantiert werden. Ich gehe davon aus, daß der Bundesinnenminister zu diesem speziellen Problem heute noch Stellung nehmen wird.
Fünftens. Bei den medienpolitischen Entscheidungen müssen die Auswirkungen auf Bildungs-, Kultur- und Gesellschaftspolitik frühzeitig bedacht werden, um erforderliche flankierende Maßnahmen rechtzeitig ergreifen zu können.
Lassen Sie mich an dieser Stelle noch sagen: Ich sehe nicht diese Gefahr für die Familie, wenn in Schule und Hochschule Medienpädagogik zu einer Selbstverständlichkeit wird. Ich glaube, dazu besteht Anlaß. Wir haben uns in früheren Jahren im Deutschunterricht auf die Interpretation gedruckter Werke bezogen. Angesichts unserer Welt ist es, meine ich, eine legitime Forderung an den Deutschunterricht unserer Schulen, uns auch mit den optischen Werken auseinanderzusetzen. Ich erinnere mich an meine alte Tätigkeit: Interpretation und Vergleiche bestimmter deutscher Tageszeitungen. Ich kann mir bei der heutigen Ausstattung unserer Schulen vorstellen, daß wir dort durchaus in der Lage sind, Sendungen zu vergleichen und damit auch das kritische Bewußtsein zu schärfen. Ich habe also nicht Angst vor dem Untergang der deutschen Familie durch die Entwicklung der neuen Medien. Ich glaube auch nicht, daß das Fernsehen als Medium auf Dauer diese Riesenfaszination hat, die uns alle permanent vor den Bildschirm zwängt,
({21})
sondern ich bin der Meinung, auch dessen Wirkung verblaßt allmählich. Die Lokale in Deutschland sind wieder voller, die Leute sind gar nicht mehr so furchtbar daran interessiert, was alles so gesendet wird. Wir sollten nicht zu pessimistisch in die Zukunft schauen.
({22})
- Ich bin Ihnen dankbar für die Zurufe „Richtig". Ich freue mich immer, wenn mir die Opposition Recht gibt. Sie sehen, es sind Konsensmöglichkeiten vorhanden.
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Schäfer ({24})
Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Wir sollten uns unsere Entscheidungen nicht dadurch leichter machen, daß wir die Gefahren herunterspielen. Wir sollten andererseits allerdings auch nicht aus Mißbehagen vor diesen neuen Medien ausweichend reagieren und uns ein Alibi schaffen, uns vor politischen Entscheidungen zu drücken.
Ich bin der Auffassung, wir sind als Politiker aufgerufen, die Rahmenbedingungen für neue Medien zu schaffen. Ich bin nach wie vor so optimistisch zu glauben, daß das auch mit der Opposition möglich ist. Vielen Dank.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister für Bildung, Wissenschaft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem Herr Kollege Klein heute morgen sehr stark machtpolitische und technische Gesichtspunkte betont hat, halte ich einen Beitrag zu dieser Debatte aus bildungspolitischer Sicht für angebracht. Die Antwort auf die Große Anfrage und den Beschluß der Bundesregierung wird Herr Bundesminister Baum nachher erläutern. Ich bin ihm dankbar, daß er mir den Vortritt läßt, weil eine gleichzeitige Ministerratssitzung in Brüssel mir leider unmöglich macht, dieser Debatte noch allzulange zu folgen. Ich bitte deshalb schon jetzt um Ihre Nachsicht.
In der Bildungspolitik ist der mündige Bürger für viele ein Reizwort, hinter dem man die Erziehung zum Aufruhr, die schleichende „Kulturrevolution" auszumachen glaubt. Den gleichen Kritikern ist der mündige Bürger für die Revolutionierung unserer Medienlandschaft wieder gut. Das ist zwar ein Widerspruch,
({0})
aber dieser Widerspruch hat Methode.
Gefragt wird er trotzdem nicht, der mündige Bürger. Soweit er sich im unerwünschten Sinne äußert, nimmt man ihn nicht zur Kenntnis.
Die vorliegenden Befragungsergebnisse zeigen: die große Mehrheit der Bevölkerung - auch der Eltern, der Lehrer und Erzieher - steht trotz mancher Unzufriedenheit mit unserem Fernsehprogramm einer weiteren Programmvermehrung und einer Kommerzialisierung des Fernsehens skeptisch bis ablehnend gegenüber. Die vorwärts drängenden Medienstrategen stört das wenig. Sie wissen besser, was der mündige Bürger wollen soll. Der Bürger fühlt sich durch solche Verfahrensweisen eher entmündigt. Das Fazit: Reden wir nicht nur über den mündigen Bürger, reden wir vor allem mit ihm.
({1})
Das meint die Bundesregierung mit ihrer Forderung nach einem öffentlichen medienpolitischen Dialog.
Die medienpolitische Wiederentdeckung des mündigen Bürgers hat noch einen weiteren Preis.
Die noch Unmündigen, Minderjährigen geraten dabei aus dem Blickfeld. Bezeichnend für mich war ein Gespräch zwischen einem Medienexperten der Unionsparteien und einem Fernsehintendanten; übrigens aus der gleichen Partei. Der Intendant, nachdrücklich über den mündigen Bürger belehrt, fragt zurück: „Ist Ihnen klar, daß 20 % der Bürger gar nicht mündig sind?" Darauf der Medienexperte in offensichtlicher Genugtuung, seinen Kontrahenten bei einem demokratischen Fauxpas erwischt zu haben: „Das ist Ihre Aussage, Herr Bausch." Der wiederum: „Ich meine die Kinder, Herr Schwarz-Schilling." Kleinlaute Antwort: „Ach so."
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Das war kein einmaliger Lapsus. Auch in der Großen Anfrage der CDU/CSU, die wir heute debattieren, findet sich kein einziges Wort über Kinder und Jugendliche. Auch die Familie wird nur ein einziges Mal flüchtig und zudem nur in rechtlichen Zusammenhängen gestreift. Dabei wird die Union sonst nicht müde, Bekenntnisse zur Familie abzulegen und die Orientierungsprobleme von Jugendlichen zu beklagen. Aber das überläßt man besser den Familienpolitikern, den Jugendpolitikern, den Bildungspolitikern. Mit Medienpolitik hat das offenbar wenig zu tun.
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Man kann das Arbeitsteilung nennen. Man könnte es auch als politische Bewußtseinsspaltung bezeichnen.
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Ich halte dem entgegen: Medienpolitik ist auch ein Stück Familienpolitik, Jugendpolitik, Bildungspolitik. Die Auswirkungen neuer Medien auf diese Bereiche menschlichen Lebens und Zusammenlebens sind für uns mindestens so wichtig wie die ökonomischen, technologischen und publizistischen Auswirkungen, die in der Großen Anfrage so einseitig dominieren. Die Bedeutung dieser Aspekte verkenne ich nicht. Natürlich ist es für unsere Volkswirtschaft wichtig, daß sie in einer Schlüsselindustrie Anschluß an die internationale Entwicklung hält, daß sie wettbewerbsfähig bleibt. Natürlich ist es angesichts der Arbeitsmarktperspektiven der 80er Jahre wichtig, wenn wir damit zusätzliche Arbeitsplätze, qualifizierte und interessante Arbeitsplätze sichern.
Auch für die Bildungspolitik kann diese Entwicklung unter bestimmten Voraussetzungen wertvolle neue Impulse geben. Nur - und das ist für mich die entscheidende Frage - um welchen Preis werden wir diese Vorteile haben, wenn wir sie haben? Wie wird die Rechnung unter dem Strich aussehen?
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- Ich weiß es eben nicht, Herr Schwarz-Schilling. Deshalb frage ich es, und Sie sollten es auch fragen, statt das Ergebnis zu unterstellen. Wie wird die Rechnung unter dem Strich aussehen, wenn wir Vor- und Nachteile bilanzieren?
Das ist eben nicht allein eine ökonomische Rechnung, obwohl übrigens die riesigen Investitionssummen, die da zur Verkabelung unserer Landschaft nötig wären, auch sehr sorgfältige ökonomische Kosten-Nutzen-Analysen erfordern werden.
Die Frage der Medienwirkung ist keine Spezialdisziplin, zu der nur ein kleiner Kreis eingeweihter Experten Zugang hätte. Jeder von uns kann bei sich, in seiner Familie, in seiner Nachbarschaft und bei seinen Freunden dazu Betrachtungen finden und Erfahrungen sammeln. Wir brauchen auch die Hilfe der Wissenschaft. Wir brauchen gerade jetzt mehr und bessere langfristig angelegte Medienwirkungsforschung.
Aber die medienpolitischen Grundsatzentscheidungen sind letztlich politische Entscheidungen, nicht primär wissenschaftliche Prozesse. Die neuen Medien sind kein völliges Neuland. Dazu gibt es bereits eine Fülle von Erfahrungen und Erkenntnissen, die im Ausland gewonnen worden sind. Das sind, wenn Sie so wollen, großangelegte Pilotprojekte, aus denen wir schon jetzt lernen und Schlüsse für die vor uns liegende Gestaltungsaufgabe ziehen können.
Aus diesen Erfahrungen und aus den Ergebnissen der bisherigen Medienwirkungsforschung wissen wir:
Erstens. Mehr Programme und mehr Sendezeiten bedeuten - jedenfalls für Kinder - mehr Stunden vor dem Fernseher. Das ist sowohl bei uns wie im Ausland nachgewiesen.
Zweitens. Mehr Programme bedeuten vor allen Dingen mehr Leichtes und Seichtes, mehr Unterhaltung, mehr Shows, mehr Werbung, mehr Krimi.
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- Das ist nachgewiesen. Das zeigen die bisherigen Erfahrungen. Offnen Sie die Augen! Dann sehen Sie es auch.
Drittens. Die Programmqualität wird durch Privatisierung nicht besser, sondern eher schlechter.
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Viertens. Zuviel Fernsehen fördert aggressive Grundstimmungen, vermittelt unverarbeitete Ängste, verstellt den Blick für die Wirklichkeit des eigenen Lebenskreises, vermindert die Ausdauer, Konzentrations- und Leistungsfähigkeit, und zwar unabhängig davon, ob es sich um bessere oder schlechtere Programme handelt.
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Fünftens. Die unterschiedlichen Fernsehgewohnheiten in den Familien, insbesondere zwischen den verschiedenen Bildungsschichten, verstärken eher die vorhandenen Unterschiede in Kenntnissen und Fähigkeiten. Mehr Programme leisten zum Ausgleich dieser Unterschiede nichts. Dafür aber geht
die Integrationswirkung gemeinsamer nationaler Programme endgültig verloren.
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Sechstens. Bei der Nutzung der neuen Medien zur Verbesserung der Bildungschancen ist der Ertrag nur in Verbindung mit flankierenden Maßnahmen mit mehr Personal, mit mehr Geld und ergänzenden Veranstaltungen zu sichern. Das hat sich auch in der langjährigen Förderungspraxis des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft erwiesen.
Auch wenn die Erkenntnisse und Erfahrungen, die ich jetzt vorgetragen habe, ein unterschiedliches Gewicht haben mögen, so sprechen sie doch in ihrer Summe ein eindeutiges Urteil. Es bleibt das Geheimnis der Unionsparteien, wie man angesichts dieser Zwischenbilanz in einem Wahlprogramm 1980 die Auffassung vertreten kann, die Vervielfältigung der Medien sei gerade für junge Menschen eine Chance. Ich kenne keinen Medienwirkungsforscher, der, wenn er positive und negative Aspekte saldiert, diese Auffassung vertritt.
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Auch für noch so gute Programme gilt: Ein Kind, das vor dem Fernseher sitzt, spielt nicht, spricht nicht mit Kameraden, bastelt nicht, zeichnet und musiziert nicht, erfährt über die eigene Umwelt nichts, übt kein soziales Verhalten ein, lernt nicht, Konflikte zu ertragen und zu bewältigen.
({11})
Und wenn denn an der Medienwirkung nichts schlimmer wäre als eben nur dieser Zeitverlust für eigenes Handeln und Erfahren - schon das wäre und ist einer tiefen Sorge wert.
Mit alledem will ich das Fernsehen nicht verteufeln. Es hat ganz zweifellos seine Verdienste, auch für junge Menschen und auch für Zwecke der Erziehung und Bildung. Fernsehen muß gar nicht immer tiefschürfend informieren und bilden, soll auch entspannen, unterhalten, Spaß machen.
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Nur, darum geht es hier ja nicht Niemand will ja das Fernsehen abschaffen, Herr Erhard. Es geht vielmehr darum, ob wir sehr bald mehr Fernsehen haben wollen, und ein kommerzialisiertes noch dazu.
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Es geht um die Frage, welche rechtlichen, organisatorischen und inhaltlichen Rahmenvorgaben wir machen müssen, damit uns die Eigendynamik des wirtschaftlichen und technologischen Prozesses nicht völlig aus dem Ruder läuft.
Da können diejenigen, die sich für das Wohl unserer Kinder verantwortlich fühlen - die Eltern, die Erzieher, die Lehrer -, nicht schweigen; auch die Familienpolitiker, die Jugendpolitiker, die Bildungspolitiker nicht. Sie alle müssen in den breiten Dialog
über die Auswirkungen der Medien einbezogen werden, den die Bundesregierung in ihrem Beschluß vom 26. September 1979 gefordert hat.
({14})
Ober die Ausgestaltung der vorgesehenen Pilotprojekte wissen bisher nur eingeweihte Fachleute Bescheid, und über die künftige Medienstruktur im Falle eines breit eingeführten Kabel- und Satellitenfernsehens wird bisher mehr in allgemeinen Formeln statt in präzisen Konzepten geredet Wir müssen aber jetzt entscheiden, was wir wollen, und nicht später von Wissenschaftlern ermitteln lassen, was wir hätten wollen sollen.
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Wir müssen uns vor der Verkabelung unserer Republik klarwerden, erstens, ob wir die öffentlich-rechtliche Rundfunkverfassung, die uns bisher Auswüchse, wie man sie anderswo kennt, erspart hat, wirklich allein wegen technologischer Entwicklungen aufgeben wollen oder - wie einige meinen - aufgeben müssen; zweitens, wie wir durch organisatorische und inhaltliche Auflagen sichern können, daß Programmvermehrung nicht zur Programmverflachung und zu Schlimmerem führt; drittens, was getan werden muß, damit die zusätzlichen Chancen, die die neuen Medien zweifellos eröffnen, auch wirklich zugunsten der Bürger genutzt und nicht nur als Alibiargument für ganz andere Zwecke mißbraucht werden können.
Dazu gehört schließlich, daß wir Eltern, Erziehern, Lehrern, den Kindern und den Jugendlichen selbst mehr Hilfen für einen vernünftigen Umgang mit dem erweiterten Medienangebot geben. Ich meine die Medienpädagogik, von der jetzt so viel die Rede ist und die auch heute morgen schon erwähnt worden ist. Es gibt nicht wenige, die verdrängen Zweifel und Bedenken mit dem Argument, die Medienpädagogik werde es schon richten. Ich warne nachdrücklich vor solchen Oberschätzungen. Herr Kollege Schäfer, auch Ihre Erwartungen heute morgen gingen mir da etwas zu weit.
Die Schule ist kein Reparaturbetrieb für gesellschaftliche Zustände, die krank machen. Die Schule kann durch verbesserte Medienpädagogik den Eltern bei ihrer Erziehungsaufgabe helfen. Sie muß das tun. Aber sie kann ihnen diese Aufgabe nicht abnehmen, und sie kann auch die Medienpolitik nicht von ihrer eigenen Verantwortung entlasten.
Es gibt in der Medienpädagogik eine Vielzahl interessanter, erfolgversprechender Ansätze. Aber es ist nur wenig überzeichnet, wenn ein sachverständiger Kritiker meint: Es handelt sich um mehr oder weniger zufällige Einzelaktivitäten ohne sachlich begründete inhaltliche und organisatorische Prioritäten, ohne zumindest versuchte Übereinkünfte in einigen grundsätzlichen Zielvorstellungen, ohne politische Unterstützung, ohne öffentlich anerkannte Dringlichkeit und entsprechende finanzielle Grundlagen. Deswegen, so der Kritiker, bleibt im Endergebnis der gewünschte breite Erfolg aus.
Wir werden auch gemeinsam mit den Ländern diese Ansätze künftig wirksamer fördern, aber das braucht Zeit und es braucht Geld. Beides müssen wir aufwenden, bevor wir über die neuen Medien entscheiden. Nehmen wir die umgekehrte Reihenfolge, so werden die Kosten um so höher, die Erträge um so niedriger sein.
Wenigstens einen Bruchteil der geschätzten 60 Milliarden DM für die Verkabelung der Bundesrepublik sollten wir uns die Medienpädagogik kosten lassen, und zwar jetzt Aus alledem ergeben sich für die nächsten medienpolitischen Schritte folgende Forderungen aus bildungspolitischer Sicht.
Erstens. Die wissenschaftliche Begleitung der vorgesehenen Pilotprojekte muß einen Schwerpunkt bei den Auswirkungen des erweiterten Fernsehangebots auf Familien, Kinder und Jugendliche setzen. Dazu gehört auch die Wirkung auf die geistig-psychische Entwicklung der Kinder und auf ihr Bildungsverhalten.
Zweitens. Für die Pilotprojekte sollte rechtzeitig ein umfassendes medienpädagogisches Konzept entwickelt und erprobt werden.
Drittens. Die Pilotprojekte sollten auch Aufschluß darüber geben, was die neuen Medien an neuen Bildungschancen eröffnen und was dazu ergänzend getan werden muß.
Lassen Sie uns nüchtern und mit langfristiger Perspektive abwägen, solange uns noch ein Entscheidungsspielraum bleibt. Hier geht es um Entscheidungen, die bis in die nächsten Generationen hineinwirken. Da darf nichts übers Knie gebrochen werden. Die notwendige breite öffentliche Mediendebatte hat gerade erst begonnen. Es gibt keinen Grund und keine Rechtfertigung, sie vorzeitig zu beenden.
Wir wollen die technologische und wirtschaftliche Entwicklung nicht ohne Not blockieren, aber wir brauchen sie auch nicht ohne Not zu forcieren. Noch sind viele Fragen offen. Wir haben die Zeit, die Antworten zu finden, wenn wir die Ausweitung der Medienangebote nicht überstürzt vorantreiben, sondern sorgfältig vorbereiten und besonnen steuern. Lassen Sie uns, meine Damen und Herren, diese Möglichkeiten gemeinsam nutzen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schwarz-Schilling.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vorgestern feierte die ARD ihr 30jähriges Bestehen. Es fand eine Feierstunde für eine vor 30 Jahren richtige Entscheidung statt, aufgebaut auf dem Grundkonsens unserer Gesellschaft. In diesen 30 Jahren hat sich ungeheuer viel ereignet Wir sehen uns genötigt, die Entwicklungen, die sich in diesen 30 Jahren vollzogen haben, genau zu analysieren und dafür zu sorgen, daß auf der einen Seite der Grundkonsens erhalten bleibt, daß aber auf der anderen Seite die Entwicklung nicht vernachlässigt wird.
Hier gleich eine Bemerkung zu Herrn Kollegen Nöbel vorweg. Einen neuen Grundkonsens auf der Grundlage der Bevormundung des Bürgers und des Erhalts von Privilegien derer, die sich bis heute etabliert haben, wird es mit der Union nicht geben.
({0})
Eine zweite Vorbemerkung zum Kollegen Schäfer. Sie haben die Rede von Herrn Ministerpräsidenten Vogel als eine Laudatio auf die ARD bezeichnet Ich glaube, er hat das, was man angelegentlich einer solchen Feierstunde auch an kritischen Erwägungen für die Zukunft sagen kann, sehr deutlich zum Ausdruck gebracht.
({1})
Ich möchte hier ein Zitat des Bundeskanzlers aus dieser Feierstunde anführen. Er meinte: Jubilare haben ein Anrecht auf Freundlichkeiten." Ich glaube, das dürfte dann auch der Ministerpräsident für sich in Anspruch nehmen, wobei ich es allerdings gar nicht so furchtbar nett von dem Bundeskanzler fand, daß er gleich anschließend gesagt hat: „Ich habe der ARD nichts zu verdanken."
({2})
Ich fand das nicht sehr nett. Es war bezeichnend und hochinteressant, daß er sich bei einer solchen Jubiläumsfeier dennoch zu gerade dieser Äußerung innerlich gedrängt sah.
({3})
Meine Damen und Herren, die Kommunikationstechnologie - und unsere Anfrage hat sich vorwiegend auf diese Fragen bezogen - ist eines der wichtigsten Felder für die Zukunft einer Industriegesellschaft Im „Washington Journalism Review" stand vor einigen Monaten: Was das Öl für die Araber ist, wird die Kommunikationsindustrie für die Vereinigten Staaten sein.
Die rasante Entwicklung im Bereich der Medientechnologie ist nicht aufhaltbar; denn wir leben nicht auf einer Insel, ob wir das nun begrüßen oder nicht. Wo Forschung und Wissenschaft frei sind, da entscheidet auch nicht der Staat über die Anwendung, sondern dort entscheidet die Gesellschaft selber, im Rahmen der Verfassung.
({4})
Das ist der signifikante Unterschied zwischen Gesellschaften, wo es diese Freiheit gibt, und solchen, wo es sie nicht gibt.
Die aktuelle Entwicklung auf dem HiFi- und Fernsehmarkt zeigt eindeutig, daß Japan und die USA die Bundesrepublik bereits aus einem Markt verdrängen, auf dem sie einmal führend war. Ich erinnere nur an das PAL-System, ich erinnere an die Transistortechnik und ähnliches mehr.
Einen interessanten Hinweis, daß offensichtlich sogar die Deutsche Bundespost davon überzeugt ist, daß man heute nach Japan gehen muß, entnehme ich einem Artikel der FAZ in „Blick durch die Wirtschaft", in dem steht, daß ein Plan der Post bekannt geworden sei, von 1981 an neben den Telefax-Geräten auch Fernsehempfänger, Videorecorder und Teletextendgeräte anzubieten, und der Staatssekretär damit beauftragt worden sei, Kontakte zu Herstellern in Japan oder Hongkong zwecks Produktion posteigener Endgeräte zu knüpfen. Ich muß sagen: eine volkswirtschaftlich ungeheuer brisante Aussage, die hier gemacht wird.
({5})
Ich darf doch sehr deutlich darauf hinweisen, daß die Existenzgefährdung einer Branche vor unseren Augen steht, die, wenn wir nicht sehr schnell handeln, unabweislich sein wird.
Ich möchte nur daran erinnern, daß z. B. die Firma Philips in den vergangenen Jahren ihren Personalbestand vor allem in den USA und Asien laufend aufbaut, während er in Europa laufend sinkt.
({6})
Das hat etwas damit zu tun, wo heute sogenannte sophisticated products hergestellt werden. Es handelt sich nicht um Entwicklungsländer, sondern es handelt sich um fortschrittliche Industrieländer, in denen derartiges aufgebaut wird.
Ich brauche nur einmal zu zitieren, was der Forschungsminister in seiner Rede vor der FriedrichEbert-Stiftung am 18. Juni gesagt hat:
Wir können es uns nicht leisten, in einem Infrastrukturbereich mit einer Schlüsselrolle für die wirtschaftliche Entwicklung zurückzubleiben, zumal da wir ohnehin im Vergleich zu anderen europäischen Ländern bei der Kommunikationstechnik unsere frühere führende Stellung auf wichtigen Teilbereichen verloren haben.
({7})
Ich bitte Herrn Kollegen Schmude, sich diese Fragen etwas ernsthafter zu überlegen - im übrigen auch Herrn Kollegen Schäfer -; denn ich glaube, hier handelt es sich wirklich nicht nur um „technokratische" Fragen, hier handelt es sich um Existenzfragen der Bundesrepublik als Industrienation mit allen Konsequenzen für unsere Gesellschaft. Das ist nicht eine Frage der Technokratie.
({8})
Selbstverständlich sind wir auch gewillt, die gesellschaftspolitischen Aspekte dieser Frage in unsere Überlegungen mit einzubeziehen. Radio und Fernsehen, meine Damen und Herren, haben bisher einen kollektiven Charakter gehabt, weil sie sozusagen eine kollektive Programmabfolge jedem vorgesetzt haben und der Konsument nur passiv daran teilnehmen oder abschalten konnte.
({9})
Die gesamte Entwicklung der neuen Technologien geht dahin, daß wir von einer kollektiven zu einer Individualkommunikation kommen, in der gerade der einzelne eine sehr viel aktivere Rolle spielt, eine
entsprechende individuelle Auswahl treffen, ja, in neuen Technologien sogar einen aktiven Part der Kommunikation selber übernehmen kann. Insofern ist die Entwicklung genau umgekehrt, als sie uns hier ständig dargestellt wird. Es ist so, daß durch größere Vielfalt und neue Techniken der einzelne im Hause eine aktive und nicht nur eine passive Rolle übernehmen kann. Das allerdings scheint einigen außerordentlich gefährlich zu sein. Sie wollen nur die passive Berieselung beibehalten und möglichst von neuen Möglichkeiten nichts hören.
({10})
Dieser Prozeß technologischer Fortentwicklung ist in einer freien Gesellschaft nicht blockierbar. Nicht alles, was technisch machbar ist, ist gesellschaftspolitisch wünschbar. Richtig! Aber darüber, was bei der Verbreitung von Information und Meinung wünschbar ist, entscheidet in einer freien Gesellschaft der Bürger selbst und nicht eine Regierung.
({11})
Dies macht den signifikanten Unterschied zwischen einer freiheitlich-demokratischen und einer totalitären, autoritären Regierungsform aus. Dort treffen Regierungen und Parteifunktionäre über den Kopf der Bevölkerung hinweg solche Entscheidungen.
({12})
Hier war von einem breiten Dialog die Rede. Es ist vollkommen richtig, daß in den Feldern, in denen der einzelne Bürger keinerlei Möglichkeiten hat, selber Entscheidungen zu treffen - wie z. B. in der Frage unserer Energieversorgung -, wir als Politiker der Bevölkerung diese Fragen überzeugend darlegen müssen. Dort muß ein Dialog geführt werden. Aber in den Fällen, in denen der einzelne jeweils in der Lage ist, die. Entscheidung selbst zu treffen - etwa darüber, ob er dieses oder jenes Programm sehen will, ob er den Bildschirmtext in Anspruch nehmen will, ob er ein pay-TV haben will, ob er dafür etwas bezahlen will -, da wartet der Bürger doch nicht auf den „Dialog" mit den Politikern, da wartet er auf das Angebot der neuen Möglichkeiten, um dann selbst entscheiden zu können! Er ist in diesen Fällen doch in der Lage, selber jeweils immer wieder neu zu entscheiden. Das ist das grundsätzliche Mißverständnis, was diesen „Dialog" angeht.
({13})
Ganz abgesehen davon ist es eine direkt kindliche Vorstellung, zu meinen, wir könnten jetzt über eine gewisse Phase hin alle tief nachdenken, und dann könne für uns alle eine „endgültige Entscheidung" über die Frage der Kommunikation getroffen werden. Es handelt sich hier doch um einen Prozeß von immer wieder neuen Erfahrungen und Entscheidungen. Sie können nicht einfach sagen: Wir setzen jetzt wieder eine Kommission ein und lassen sie bis Ende der 80er Jahre arbeiten. Dann sind wir klüger und werden neu entscheiden. - Es ist doch geradezu kindlich, was uns hier vorgesetzt wird.
Die gesellschaftspolitischen Auswirkungen auf diesem Gebiet möchte ich hier jetzt nicht näher betrachten.
({14})
Eines möchte ich aber doch sagen. Warum werden diejenigen, die sich hier so zum Apostel der Familie machen, eigentlich dann nicht aktiv, wenn die bisherigen Fernsehanstalten ihr Programm immer mehr ausweiten? Auf Grund der Wirkungsforschung weiß man doch genau, daß die Leute dann, wenn mehrere Programme angeboten werden, zeitlich gar nicht mehr sehen, sondern eine Auswahl vornehmen. Natürlich befindet sich der Intendant Bausch in Baden-Württemberg nicht in der Schwierigkeit, daß ihm die Leute sagen: Wir wollen mehr Programme sehen !; denn gerade in seinem Land können sieben oder acht verschiedene Programme gesehen werden, ohne daß ich von Herrn Schmude bisher nachgewiesen bekommen habe, daß die Kinder dort unkonzentrierter sind oder andere Schäden erlitten und insofern gegenüber anderen Gegenden der Bundesrepublik benachteiligt seien.
({15})
Das ist doch alles Mumpitz, was hier gemacht wird.
({16})
Die Verantwortung des Staates ist dort gefordert, wo er seine Zuständigkeiten hat. Hier gibt es eine klare Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern. Nachdem hier soviel davon gesprochen wurde, in der CDU/CSU gebe es über diese Fragen verschiedene Meinungen, möchte ich doch einmal fragen: Welches politische Konzept hat diese Regierung? Wie beschreibt sie die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern? Welches sind ihre Antworten auf die entscheidenden Fragen?
Beispiel 1: die Kabinettsvorlage von Bundesminister Baum vom 13. Juni 1979 beschreibt eine freiheitliche Medienordnung der Bundesrepublik unter Berücksichtigung der Benutzung der neuen Medien. Anschließend kam es beim Bundeskanzler dann aber zu einem Verkabelungsstopp gegenüber der Deutschen Bundespost. Was stand in dieser Vorlage? In dieser Vorlage stand:
Dem Fernmeldewesen - Bundeskompetenz nach Art. 73 Nr. 7 des Grundgesetzes - kommt gegenüber dem Rundfunk - Organisations-und Programmseite, Kompetenz der Länder - lediglich dienende Funktion zu. Hiermit wäre es nicht vereinbar, politischen Einfluß auf die organisatorische Ausgestaltung des Rundfunkwesens - gegebenenfalls auch eines privaten - der Länder nehmen zu wollen. Vielmehr müssen Entscheidungen der Länder, auch wenn sie politisch unerwünscht wären, voll respektiert werden.
- So die Vorlage des Bundesinnenministers.
Die Entscheidung des Bundeskanzlers mit dem Bundeskabinett besagt genau das Gegenteil. Die politische Entscheidung gegenüber der Bundespost
lautet: Du darfst nicht verkabeln, und die Wünsche der Länder dürfen nicht zur Kenntnis genommen' werden. Das nennt sich Konzept. Ich meine, daß erst einmal Konsens zwischen den Ministerpräsidenten dieser Koalition und der Bundesregierung hergestellt werden muß, ehe Sie davon reden, daß hier irgendwo ein Konsens zwischen den Parteien hergestellt werden muß.
Beispiel 2: Die Bundesregierung stoppt bei der Bundespost mit medienpolitischen Argumenten die Verkabelung und blockiert gleichzeitig über die SPD-regierten Länder die Finanzierung der Pilotprojekte. Sie wirft aber gleichzeitig der Gesamtheit der Länder vor, ihre Kompetenzen nicht richtig auszufüllen, so wie von Bundesforschungsminister Hauff in seiner letzten Rede geschehen.
Was ist denn damals vereinbart worden, am 11. Mai 1978, bei der Ministerpräsidentenkonferenz? Dort wurde vereinbart, daß vier Pilotprojekte gemacht werden sollen, und zwar nach der entsprechenden Vorlage der KTK. Diese KTK-Empfehlungen beinhalteten, daß man möglichst ein extensives Design der Versuche unternimmt, wo natürlich Werbung mit eingeschlossen ist, alternative Programmträger mit eingeschlossen sind, damit man auch Ergebnisse eines solchen Pilotprojektes hat. Aber nein, der Ministerpräsident von Hessen, der jetzige Vorsitzende der Medienkommission der Sozialdemokratischen Partei, Herr Börner, läßt eine Protokollnotiz zu diesem Ministerpräsidentenkonferenzbeschluß anfertigen und sagt, daß er die Finanzierung privater Programmträger bei den Versuchen, sprich: Pilotprojekten, für unzulässig hält Damit setzt er den Konsens der Ministerpräsidenten für eine gemeinsame Finanzierung praktisch außer Kraft
Die Bundesregierung, die bisher zu diesen Dingen immer sagte „Einigt euch mal", erklärt jetzt wieder - an die Länder vom Bundeskanzleramt aus -: „Ehe ihr Länder euch nicht geeinigt habt, gibt es bei uns keine Finanzierung." Bei den Ländern hingegen spielen bestimmte SPD-Länder die entsprechende Vorreiterrolle, diese Einigung zu hintertreiben, weil man keine alternativen Pilotprojekte zulassen will. Dieses Hase-und-Igel-Spiel ist das Konzept dieser Regierung und dieser Länder. Und dann werfen Sie uns vor, wir seien nicht zu einem Konsens bereit! Das ist doch nun wirklich für den, der die Dinge kennt, nicht mit offenen Augen zu vertreten.
Ich möchte noch ein drittes Beispiel anführen. Die von der Bundesregierung eingesetzte KTK für die Nutzung der zukünftigen Kommunikationstechnologien hatte Vorschläge erarbeitet, deren Umsetzung nun in Bund und Ländern bis heute in Frage gestellt wurde. Das war bereits 1976, als uns die Vorschläge auf den Tisch kamen. Die Union hat in derselben Woche, als die Vorschläge auf den Tisch kamen, ihre Stellungnahme dazu klar abgegeben, mit einer klaren Befürwortung dessen, was dort vorgelegt wurde. Aber wir sind bis heute noch nicht einen Schritt weiter zu einem Konsens.
Herr Kollege Schäfer meinte nun, wir sollten wieder eine neue Kommission einsetzen. Meine Damen und Herren, nehmen Sie doch bitte zur Kenntnis, daß es in dieser Republik überhaupt keinen Zweck hat, Kommissionen einzusetzen, wenn ein Teil der Politiker nicht bereit ist, Versuche vorurteilsfrei in Gang zu setzen und für die Ergebnisse offen zu bleiben, und statt dessen bereits vorab sagt: Das darf aber nicht herauskommen. Wollen Sie wieder so eine Kommission haben und damit die nächsten Jahre verplempern?
({17})
Ich möchte hier einmal folgendes klarstellen. Die KTK hat vernünftige Vorschläge gemacht 1976 waren die auf dem Tisch. Heute haben wir das Jahr 1980. Die frühesten Versuche können jetzt, wenn ein Land mal von selber losmarschiert, 1983 beginnen. Die ersten Versuchsergebnisse können 1986/1987 vorliegen. Dann sind die 80er Jahre für unsere Wirtschaft, für unsere Gesellschaft vorbeigelaufen. Meinen Sie vielleicht, wir könnten dann mit neuen Entwicklungen anfangen, wenn uns die Japaner und die Amerikaner längst überflutet haben?
({18})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schäfer ({0})?
Nein, es geht von meiner Zeit
({0})
Der nächste Punkt betrifft die technologische Kontroverse. Die Bundespost weiß natürlich sehr genau, daß sie ihre Begründungen nicht so leichtfertig machen kann, wie es in dem „Bulletin" der Bundesregierung vom 26. September geschehen ist; dort standen ganz offen die medienpolitischen Begründungen für den Stopp der Bundespost Die Bundespost weiß aus ihrer Verfassungskompetenz natürlich, daß sie jetzt schnellstens technische Gründe suchen muß, damit der Bundeskanzler nicht das Gesicht verliert und verfassungsrechtlich nicht auf den Bauch fällt. Daher wird jetzt plötzlich die Glasfasertechnologie als wirkliche Entscheidungsfrage hingestellt Diese Technologie sei dafür verantwortlich, daß wir jetzt nicht beginnen dürften, Breitbandkommunikationsnetze als Ortsnetze mit der Möglichkeit zusätzlicher Fernseh- und Rundfunkprogramme zu bauen.
Dazu ist folgendes zu sagen. Wir hatten einmal ein Hearing im Ausschuß für Forschung und Technologie. Da habe ich genau diese Frage gestellt: Ist es richtig, daß es infolge der Entwicklung der Glasfaser jetzt unverantwortlich wäre, eine Breitbandverkabelung auf der Basis von Koaxialkabeln aus Kupfer vorzunehmen, da ansonsten eine riesige Fehlinvestition denkbar oder vielleicht sogar unabwendbar wäre? Ich darf Ihnen die Antwort des Vorstandsmitglieds von Siemens, Herrn Dr. Peisl, sagen, der sich alle Unternehmen angeschlossen haben. Es ist eine ganz kurze Antwort:
Aus meiner Sicht gibt es überhaupt keine triftigen technischen Gründe, die für den Nichtbeginn des Ausbaus solcher Verteilnetze heute sprechen würden. Wie man das Überlappen zwischen Koaxialtechnik und Glasfasertechnik
machen kann, hat Herr Professor Kaiser eben ausgeführt.
Es muß einmal gesagt werden: Was nützen uns die Hearings im Deutschen Bundestag, wenn man die Ergebnisse nicht zur Kenntnis nimmt und immer noch so argumentiert, wie man es tut, wenn man von einer Sache nichts versteht?
({1})
Dann hat es keinen Zweck mehr, darüber irgendwelche sachkundigen Gespräche zu führen.
Meine Damen und Herren, der wirkliche Grund ist natürlich ein ganz anderer. Ich darf hier einmal vorlesen, was der Bundesgeschäftsführer der SPD als Strategie der Sozialdemokratischen Partei in der Frage der Medienpolitik herausgestellt hat:
Die SPD wird offen sein für die offene Erörterung aller Erfahrungen und Wünsche, die sich aus den Tests ergeben.
Das sind also die Tests, die im Jahr 1986/87 abgeschlossen sein werden. Weiter erklärt er:
Diese Diskussion wird dann die nächsten beiden Legislaturperioden dauern. Wir sind insofern nicht unter Zeitdruck.
Meine Damen und Herren, wenn das die Politik der Sozialdemokratischen Partei ist, dann wissen wir, warum: Weil sie sagt: Es kann uns nichts Besseres passieren, als daß alles beim alten bleibt, alles so bleibt, wie es jetzt ist, daß unsere Rundfunkanstalten so laufen wie jetzt und um Gottes willen nicht irgendwo eine Änderung eintritt; denn das kann nur zu unserem Nachteil geschehen.
({2})
Und dafür werden die Vernichtung von Arbeitsplätzen und der Verlust des Anschlusses der deutschen Industrie in der Kommunikationstechnologie in Kauf genommen, nur damit die Macht dieser Partei für die nächsten beiden Legislaturperioden erhalten bleibt.
({3})
Das ist die wirkliche Situation.
Meine Damen und Herren, wenn Sie von einem Konsens sprechen, dann korrigieren Sie bitte diese Äußerung des Bundesgeschäftsführers der SPD. Auf dieser Grundlage wird es keinen Konsens mit der Union geben.
({4})
Wenn der Bundeskanzler heute mit den Ministerpräsidenten ein Gespräch über diese Fragen führt, dann kann ich an die Bundesregierung nur den Appell richten, sich über die Verantwortung im klaren zu sein, die in dieser Frage gegenüber der gesamten Bevölkerung in der Bundesrepublik Maßstab unserer Urteilsfindung sein sollte. Maßstab sollte bestimmt nicht das sein, was ich Ihnen eben von Herrn Egon Bahr gesagt habe.
Ein solches Einvernehmen, wie es von Herrn Nöbel hier gefordert wurde, setzt allerdings den Konsens über einige Grundlagen voraus.
Erstens. Art. 5 des Grundgesetzes anzutasten, dazu werden Sie unsere Hand nie bekommen. Er legt ein Freiheitsrecht des einzelnen Bürgers fest und keine Organisationsform für Presse, Rundfunk und Fernsehen bzw. für neue elektronische Medien. Wie sich aus den Protokollen des Parlamentarischen Rats ergibt, ist das, was Sie hier jetzt außer Kraft setzen wollen, in Artikel 5 bewußt so und nicht anders formuliert worden.
({5})
Zweitens. Die Zuständigkeit für Rundfunk und elektronische Medien bleibt uneingeschränkt bei den Ländern. Ihr gemeinsames Ziel muß es sein, die Versorgung der gesamten Bevölkerung mit vielfältigen Rundfunk- und Fernsehprogrammen zu sichern. Die Länder haben die Aufgabe, die Ordnung der Medien entsprechend dem technischen Fortschritt auszugestalten. Der Bund hat dabei technische Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen, nicht aber medienpolitische Entscheidungen zu treffen oder sich in die Entscheidungen der Länder auf diesem Gebiet einzumischen.
Drittens. Das Verbot des Bundeskanzlers gegenüber der Bundespost, die vorgesehene Verkabelung von Großstädten vorzunehmen, ist aufzuheben. Dieses Angebot der Bundespost dient neben den posttechnischen Diensten der besseren und umfassenderen Rundfunkversorgung der Bürger, die darauf einen Anspruch haben. Sie müssen sich doch endlich einmal darüber im klaren sein, daß die Pilotprojekte mit dieser Frage überhaupt nichts zu tun haben. Das hat die Bundespost vor dem 26. September ja auch landauf, landab selbst gesagt. Hier geht es doch zunächst darum, daß der Bürger überhaupt die bestehenden Programme, die in der Luft sind, und auch die europäischen Nachbarprogramme sehen kann, von denen hier immer die Rede ist. Sie verhindern es doch, indem Sie dieses Breitbandnetz nicht bauen und die Einspeisung in diese Kabelsysteme verhindern.
({6})
Wir wollen nicht große, neue Super-Rundfunkanstalten haben. Lassen sie doch den deutschen Bürger selbst original die Sendungen unserer europäischen Nachbarn sehen. Wir brauchen keine großen Manipulationsdirigismen dort oben in Form von neuen, teuer finanzierten Anstalten. Lassen Sie uns doch selber original französische, italienische oder sonstige Sendungen sehen. Das ist Europa, mit dem wir zusammenkommen können!
({7})
Viertens. Aus diesem Grunde ist auch der freie Informationsfluß, über die Ländergrenzen, ein Essential, an dem wir in keiner Weise rütteln lassen.
Solange diese Punkte in Frage gestellt werden, ist eine Auseinandersetzung unvermeidlich; denn der Bürger hat einen legitimen Anspruch darauf, die medienpolitischen Vorstellungen auch der verDr. Schwarz-Schilling
schiedenen Parteien in diesem Lande kennenzulernen.
({8})
Ich glaube, der Konsens, daß wir die Zuständigkeit von Bund und Ländern wieder respektieren und die wirklichen Erfordernisse unserer Republik auf diesem Gebiet im Sinne eines Zusammenwachsens Europas respektieren und keine Blockierung gegenüber dem Bürger und gegenüber Europa vornehmen, sollte schnellstens hergestellt werden. - Ich danke Ihnen.
({9})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hoffmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte mir schon gedacht, daß wir so kurz vor dem Wahlkampf bei einem so wichtigen und so weitreichenden Thema natürlich auch einige polemische Verzerrungen erleben würden. Aber was Herr Schwarz-Schilling gerade hier vorgetragen hat: Ich kann mich nur wundern, mit welcher Brutalität - muß ich schon sagen - Sie ein Thema verkürzen, indem Sie beispielsweise gerade in Ihrer Schlußpassage sagen: Mit uns, mit der Union, gibt es keinen Konsens über das Antasten des Art. 5 des Grundgesetzes.
({0})
- Nun, mein lieber Herr, dann scheint Ihnen völlig entgangen zu sein, daß die Mediendiskussion weit über die einseitige Betrachtung des Art. 5 hinausgeht, daß beispielsweise zumindest Art. 6 selbstverständlich in Spannung damit zu diskutieren ist. Wenn Sie diese Frage so verkürzen, dann kann ich mir allerdings vorstellen, daß wir in verschiedenen Bereichen keinen Konsens bekommen können.
({1})
Sie haben weiter gesagt, Sie seien der Auffassung, Europa würde sich dadurch einen Schritt weiter vorwärtsbewegen, daß wir allesamt auch andere nationale Programme sehen und hören könnten. Völlig einverstanden. Ich wohne an der Grenze, ich kann bereits heute einige andere nationale Programme sehen. Wenn Sie das aber so ausdrücken, wie Sie das gerade gesagt haben, dann gehen Sie doch an dem wichtigsten Problem, nämlich den Auswirkungen der Fremdkommerzialisierung, völlig vorbei. Wenn es nur um die Frage ginge, ab wir beispielsweise drei französische Programme oder ein luxemburgisches oder englische Programme bei uns empfangen können, brauchten wir uns heute nicht in dieser Heftigkeit zu unterhalten. Wir hätten dann nur zu fragen: Welche Auswirkungen können in Begleitung dieser Übertragungen überhaupt noch kommen?
Eines, Herr Schwarz-Schilling, finde ich nun wirklich unbegreiflich. Ich kann auch nicht begreifen, daß das in Ihren Reihen so widerspruchslos hingenommen wird. Sie sprechen in bezug auf das jetzige Runfunk- und Fernsehsystem von einer Bevormundung des Bürgers und davon, daß diese Regierung praktisch die Hand auf dem jetzigen Mediensystem habe. Eine solche Vorstellung kann ich überhaupt nicht begreifen, denn Sie als jemand, der sich jahrelang mit diesen Medien beschäftigt hat, müßten doch wissen, daß wir zwar einen Konflikt - und zwar einen berechtigten - darüber haben, wie weit von gesellschaftlichen Gruppierungen und auch Parteien Einfluß auf die Medien ausgeübt wird, daß es doch aber nicht um die Frage „Hat die Regierung den Daumen auf den Programmen?" geht, sondern darum, wie wir dieses öffentlich-rechtliche System so weiterentwickeln können, daß es tatsächlich den Gruppen mit ihren verschiedenen Bedürfnissen, den Minderheiten und auch den breiten Schichten der Bevölkerung die Informations-, Unterhaltungs- und Schulungsmöglichkeiten gibt, die wir alle anstreben.
Sie haben gesagt, es gehe Ihnen eigentlich um das Prinzip der freien Wahl des Programms. Wissen Sie, wenn das Ihr Argument wäre und wenn Sie dieses Argument tatsächlich auf die Großtechnologien beziehen wollten, wenn das also in dieser Primitivität stimmen würde, müßte es im Energiesektor beispielsweise möglich sein, daß der einzelne Verbraucher zwischen Atomstrom und Kohlestrom wählt. So naiv kommt mir das, was die Medienlandschaft angeht, nämlich vor. Hier geht es nicht lediglich um die Frage, wie der einzelne zugreifen kann - das ist eine Frage, die ich an anderer Stelle gerne aufnehme -, sondern um die strukturellen Voraussetzungen für dieses Mediensystem.
({2})
- Wissen Sie, durch solche Zwischenrufe können Sie die Komplexität des Problems nicht einengen.
({3})
- Ja, ja, Sie wissen alles sehr viel schneller.
({4})
Sie haben außerdem die Debatte zwischen den Ländern und dem Bund angesprochen. Ich habe den Eindruck, daß Sie an einer falschen Stelle polemisiert haben und daß Sie das möglicherweise heute mittag wieder zurücknehmen müssen. Denn gerade die Länder bemühen sich zur Zeit darum, einen Konsens zu finden, und ich möchte hoffen, daß wir diesen Konsens in der jetzigen Entscheidungsphase finden.
({5})
Meine Damen und Herren, das, was mich bei der Anlage der Debatte von Ihrer Seite und auch an Ihrer Fragestellung etwas gestört hat, ist, daß die gesamte Problematik der Kommunikationstechniken - so lautet ja die Überschrift beispielsweise in der Drucksache, d. h. in Ihrer Fragestellung - praktisch auf die Frage nur noch nach den Medien verkürzt
Hoffmann ({6})
wird, in diesem Falle auf die Frage nach Rundfunk und Fernsehen oder nach dem, was an Angeboten über die Leitungen wir den Bürgern schließlich machen können.
Dabei geht das Problem der Kommunikationstechniken weit über diese Fragestellung hinaus. Ich möchte nur einmal ein einziges Datum nennen, damit man weiß, um was es geht. Schon heute sind in der Bundesrepublik Deutschland 9 Millionen Arbeitsplätze eng informationsbezogen. Diese Entwicklung wird sehr schnell fortschreiten. Wir können davon ausgehen, daß wir bereits in einigen Jahren mehr als 14 Millionen Menschen haben werden, die in diesen Berufen arbeiten. Wenn wir das mit der zurückliegenden Zeit vergleichen, können wir davon ausgehen, daß es vor 30 Jahren nur etwa 4 Millionen Arbeitsplätze dieser Art gegeben hat.
Wenn wir also merken, daß dieses Problem der Kommunikationstechniken viel ausgedehnter ist, als wir es in der Anlage der Fragen der CDU/CSU sehen, ist es natürlich sehr einfach, in einer Polemik die verschiedenen Pole einer solchen Diskussion nur noch zu karikieren. Ich weiß doch - und jeder von Ihnen, der sich damit beschäftigt hat, weiß es doch auch -, daß man eine solche Diskussion polemisch führen kann, indem man auf der einen Seite nur die Illusion oder die Faszination der Technik herausgreift und auf der anderen Seite einseitig Kulturkritik betreibt. Jeder von uns weiß doch ebenfalls, daß es ein Spannungsverhältnis zwischen freier und solidarischer Kommunikationsgesellschaft auf der einen Seite und einer, sagen wir einmal, aktualisierten Schreckensvision eines Orwellschen 1984 auf der anderen Seite gibt. Jeder von uns weiß doch, daß bei diesem Thema die Frage gestellt wird, ob wir demokratisch-politisch gestaltend eingreifen können oder beispielsweise, indem wir unreflektiert Fakten schaffen, uns selbst einen möglichen Bewegungsspielraum nehmen.
Deshalb bin ich der Auffassung, daß wir tiefer fragen müssen, und der Vorspann zu den einzelnen Antworten der Bundesregierung zeigt das auch. Es muß gefragt werden: Wem nützen diese Informationstechnologien, und wem schaden sie? Es muß gefragt werden: Welchen Nutzen und welchen Schaden haben sie? Wie können sie und ihr zunehmender Einsatz in allen Lebens- und Arbeitsbereichen gesteuert, kontrolliert und zum Nutzen aller gestaltet werden? Wie kann ein ausgewogener gleichberechtigter Zugang zur Information sichergestellt werden? Wieweit vergrößert oder konzentriert sich das Potential der Kontrolle oder der Macht, die Sie über ein solches System haben können? Wieweit werden der einzelne und die Gruppen als gesellschaftlich, wirtschaftlich und politisch Handelnde dadurch benachteiligt, oder welche Chancen erhalten sie? Alle diese Fragen müssen wir doch begreifen, wenn wir in diese Entwicklungen gestaltend eingreifen wollen.
Ich möchte einen kurzen Vergleich zu Großtechnologien ziehen. Es ist vorhin schon einmal angeklungen, daß die Frage der Akzeptanz der Energietechnik, insbesondere der Atomtechnik, ein wesentliches Problem darstellt. Ich bin der Auffassung, daß auch die Frage der Informationstechniken eine ähnlich weitreichende Wirkung haben wird. Nur, diese Diskussion ist deshalb komplizierter, weil man nicht sozusagen dem erkennbaren einzelnen Atomkraftwerk gegenübersteht, was bei dem einen oder anderen vielleicht Schrecken auslöst, sondern es hier mit einer verästelten Technologie zu tun hat, der der einzelne sozusagen ausgeliefert ist. Er sitzt sozusagen am Ende dieser Strippe und muß zuerst einmal in die Lage versetzt werden, den Konflikt, der möglicherweise auf ihn zukommt, zu erfassen oder ihm überhaupt zu begegnen. Das ist eine ausgesprochen schwierige Frage.
Ich möchte nun zu der Frage zurückkommen, die bisher noch nicht sehr deutlich diskutiert worden ist, die aber wohl politische Handlungsmaßnahmen von uns erfordert, nämlich zu der Frage, wie wir mit unseren Nachbarn über dieses Problem diskutieren werden. Ich bin völlig einverstanden, daß nationale Grenzen nicht gleichzeitig medienpolitische Grenzen sein dürfen, an denen wir mit den Informationen aus den anderen Ländern haltmachen. Dazu gibt es aber ein interessantes Gerichtsurteil des Europäischen Gerichtshofs, der auf Grund einer Passage des EWG-Vertrages eine Beschränkung der Ausstrahlung von Werbesendungen aus Gründen des Gemeinwohls zuläßt, wenn es für das eigene nationale Empfangsgebiet gleiche Bedingungen für inländische und ausländische Sender gibt. Diese Frage halte ich - vielleicht sind Sie so freundlich, mir an dieser Stelle zuzuhören - für entscheidend dafür, wie wir beispielsweise mit einigen Wirtschaftsgruppen diskutieren werden.
Wenn es so sein wird, daß wir eine Konvention, eine Vereinbarung über Werbesendungen finden, daß nämlich diese Werbesendungen nur zur gleichen Zeit, mit demselben Umfang und denselben Vorgaben für den Inhalt der Werbung erfolgen, dann bin ich ganz sicher, daß das eine akzeptable Position für uns selbst ist. Darüber hinaus bin ich ganz sicher, daß damit viel von der Brisanz der Diskussion über die plötzliche Überstrahlung unseres Gebiets genommen wird. Wir könnten damit erreichen, daß eine der wichtigen wirtschaftspolitischen Fragen kühler angegangen wird. Stichwort: Fremdkommerzialisierung. Wenn wir hier Vereinbarungen erzielen, wird die Frage anderer nationaler Sender nicht mehr so brisant, wie das bis heute der Fall ist.
Ich habe den Eindruck, daß genau diese Frage etwas vernachlässigt wird. Denn im Hintergrund steht doch etwas ganz anderes: Für bestimmte Sender bzw. für bestimmte kommerzielle Interessen ist es ja nur dann interessant, wenn genau diese Vereinbarungen nicht zustande kommen. Das ist doch der Punkt. Denn ihr Interesse ist auf einen Markt gerichtet, der nicht nach Information ruft - das wäre nur die Verpackung dafür -, sondern der ein Absatzgebiet für Werbung ist. Wenn wir hier eine Begrenzung erzielen können, dann glaube ich, daß die mit Sicherheit auf uns zukommenden Konflikte im Zusammenhang mit internationalen Sendungen,
Hoffmann ({7})
beispielsweise über Satellitenfernsehen, für uns leichter zu lösen sind.
({8})
Ein weiteres Argument, das Herr Schwarz-Schilling hier aufgenommen hat und auf das er sehr viel Polemik verwendet hat, betrifft die wirtschaftlichen Kapazitäten, die hier verschleudert würden. Wenn das alles so wäre, wie Sie sagen: Wieso ist denn dann eigentlich der gesamte Markt der Videospeichermedien nicht sehr viel stärker entwickelt, als er es ist?
({9})
- Nein, das stimmt doch gar nicht. Lassen Sie sich von der entsprechenden Industrie einmal genau informieren. Der Punkt ist doch der, daß wir beispielsweise in der Videotechnik - sei es der Videorecorder, sei es die Bildplatte - im Forschungsbereich inzwischen ein solches technisches Know-how haben, daß wir dies längst hochqualitativ und zu günstigem Preis auf den Markt bringen könnten, wenn sich die ehemaligen Investitionen in diesem Bereich schnell amortisieren würden. Das heißt also: Von der Technik her, von der Industrie her gesehen wären wir heute schon in der Lage, in diesen Markt stark einzusteigen und damit genau das zu machen, was Sie vorhin gesagt haben, es nämlich dem Bürger zu ermöglichen, daß er sich durch Konserven, die er sich damit anlegen kann, selbst das zusammenstellt, was er wirklich möchte.
({10})
Da hätten wir eine Freiheit, da hätten wir einen Markt. Da gibt es auf dem bundesdeutschen Markt überhaupt keine Beschränkungen, dies zu entwikkeln und auch abzusetzen. Wer das Gegenteil behauptet, hat sich nicht auf den Kenntnisstand der Industrie in der Bundesrepublik gebracht.
({11})
Das Kaufpotential für diesen Bereich schätzt beispielsweise die „Prognos" für die nächsten zehn Jahre auf 90 Milliarden DM. Sie sollten sich mit diesen Fakten auseinandersetzen und hier nicht eine Chimäre hochzäumen, was die wirtschaftlichen Entwicklungen angeht.
Um anderen die Möglichkeit zu geben, auf weitere Details einzugehen, und um meine Redezeit nicht zu strapazieren, möchte ich zum Schluß zu den zentralen Punkten kommen, die ich hier für die sozialdemokratische Fraktion mit formuliere.
Erstens. Wir Sozialdemokraten wollten das bewährte öffentlich-rechtliche Rundfunksystem erhalten und verbessern.
({12})
Eine Abhängigkeit dieses Systems von Wirtschaft oder Staat lehnen wir ab.
({13})
Deshalb können wir weder einen Staatsfunk noch einen Privatfunk akzeptieren.
({14})
- Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Zwischenrufe entlarven Sie selbst. Wenn Sie das sagen, dann setzen Sie sich doch bitte mal mit den vielen Journalisten auseinander, die dieses rechtliche Rundfunksystem mit Inhalt füllen, und dann sagen Sie ihnen das mit dieser Plattheit nochmals!
({15})
Dann werden Sie Ihr Echo schon selbst bekommen.
({16})
Ich bin auch der Auffassung, daß das öffentlichrechtliche System nicht nur ein gemeinsames Dach ist, sondern ein gemeinsames Fundament sein sollte.
({17})
- Ich bitte Sie um eines: Wenn Sie Zurufe machen, dann machen Sie sie doch bitte so flätig - würde ich mal sagen -, daß man sie einigermaßen aufnehmen kann.
({18})
Der zweite Punkt: Eine demokratische Gesellschaft beweist ihre Qualität u. a. dadurch, daß sie die Entwicklung von neuen Techniken insbesondere von Großtechniken, am Bürgerdialog orientiert. Das gilt um so mehr, je tiefer die Eingriffe einer neuen Technologie in die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Bürger einwirken. Risiken und Chancen müssen deshalb soweit wie möglich erkennbar und diskussionsfähig dargestellt werden. Die Ausformung dieser Techniken braucht ein möglichst breites gesellschaftliches Bündnis.
Der dritte Punkt: Wir wissen - dieser Überzeugung bin ich jedenfalls auch nach dieser Diskussion heute - zuwenig über die Auswirkungen neuer Medien und neuer Kommunikationstechniken auf das Miteinander in den Familien, im Freundeskreis, im Beruf, in der Ausbildung, in der Nachbarschaft. Wir wissen zu wenig über die Auswirkungen auf Zahl und Qualität von Arbeitsplätzen, und wir wissen viel zu wenig - das ist ein Punkt, der sehr heikel ist - über die Mißbrauchsmöglichkeiten und die Störanfälligkeit.
Ich hoffe, daß der Konsens, den wir anstreben, dazu führen wird, daß die Medien und die Informationstechniken, die wir uns selbst schaffen, nicht
Hoffmann ({19})
dazu führen, daß uns eines Tages Hören und Sehen vergehen wird.
({20})
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war mir doch etwas zu verräterisch, Herr Klein ({0}), wie Sie von der „Medienmachtpolitik" hier gesprochen haben. Sie kommen ja aus Niedersachsen, und wenn es ein Beispiel für Medienmachtpolitik gegeben hat, dann ist es dort angesiedelt.
({1})
Denn das ist das Ausbrechen aus dem Konsens gewesen, was da als „Radio Niedersachsen" geplant war. Wir wollen das nicht vertiefen, auch nicht das mit den Programmgrundsätzen, Herr Kollege Klein.
({2})
Das mit den Programmgrundsätzen läßt bei mir ein wenig Verständnis für die Stellungnahme des Deutschen Journalistenverbands aufkommen, der von „Verlautbarungsjournalismus" gesprochen hat, der allein dann noch gefragt gewesen wäre.
({3}) Das Bedenklichste an dem ganzen Verfahren
({4})
waren diese Programmgrundsätze, weil dies eigentlich den künftigen Weg enthüllt hat, um den wir hier streiten.
Man sollte also nicht von Medienmachtpolitik reden, wenn man im Glashaus sitzt. Es sitzen auch andere im Glashaus. Ich möchte das hier hinzufügen.
({5})
- Ja, es sitzen alle miteinander irgendwie in diesem Glashaus. Das öffentlich-rechtliche System ist ja kritikwürdig, weil es zum Teil falsch gehandhabt wird, und zwar von uns allen - um das mal deutlich zu sagen.
({6})
Ich bin, Herr Schwarz-Schilling, auch nicht sehr von dem beeindruckt, was Sie hier so betont über die „dienende Funktion" des Bundes gesagt haben: Der Bund habe nur Zuarbeit zu den wichtigen medienpolitischen Weichenstellungen zu leisten, die die Länder vorzunehmen haben.
({7})
Das ist nicht unsere Position, um das ganz deutlich zu sagen.
Ich muß Sie auch auf die verfassungsrechtliche Lage hinweisen. Medienpolitik ist eine internationale Angelegenheit. Wie wollen die Länder das allein machen? Ich bitte Sie, nicht zu vergessen, daß der Bund zwei Rundfunkanstalten hat. Der Bund hat Kompetenzen im Bereich des Fernmeldewesens. So geht es nicht, Herr Schwarz-Schilling. Wir müssen miteinander reden; aber wir dienen nicht nur den Ländern, die dann medienpolitische Beschlüsse auf eigene Faust treffen.
({8})
- Nein, herrschen wollen wir auch nicht. Das wäre auch gar nicht möglich; denn wir wissen im Moment gar nicht, meine Damen und Herren von der Opposition, was Sie eigentlich wollen. Wir sagen - einige Sprecher haben das heute früh sehr freimütig bekannt -: Letztlich hat keiner von uns ein Konzept, von dem er sagen könnte, das sei die künftige Medienstruktur der Bundesrepublik Deutschland. Wir sagen das sehr offen, wir wissen das noch nicht. Sie wollen aber Entscheidungen in die Wege leiten, ohne das genau zu wissen. Das ist der Unterschied, und das ist nicht einmal gemeinsame Meinung aller verantwortlichen Politiker in der Union, wie wir hier gehört haben. Herr Kollege Klein, ich füge noch den Namen Vöth, Intendant des Bayerischen Rundfunks, hinzu, der sich vorgestern in einem eindrucksvollen Interview keineswegs mit den Plänen identifiziert hat, die Sie heute hier offengelegt haben.
({9})
Wir sollen Ihnen auf einem Wege folgen, wo Sie selber nicht einig sind, meine Damen und Herren. Das macht die Sache furchtbar schwierig.
({10})
Die Industrienationen - das wird wohl gemeinsame Erkenntnis sein - stehen am Anfang einer dramatischen Expansion der Kommunikationsmöglichkeiten. Die politische Dimension der sich dynamisch entwickelnden Kommunikationstechnik liegt in den weitreichenden gesellschaftlichen Folgen, in den Chancen und in den Risiken dieser Entwicklung für die Freiheitsräume der Bürger. Selbst wenn wir politische Rahmenbedingungen voraussetzen, kann die neue Technik auf längere Sicht das Kommunikationsverhalten der staatlichen und privaten Institutionen und Unternehmen, der sozialen Gruppen und nicht zuletzt breiter Bevölkerungsschichten erheblich verändern. Diese Veränderung kann zum Guten und zum Schlechten erfolgen. Schon jetzt werden konkrete Einzelheiten dieser Entwicklung sichtbar.
Erstens. Vor wenigen Wochen haben die Feldversuche für Bildschirmtext für Nordrhein-Westfalen und Berlin begonnen. Damit endete die Phase der ausschließlich theoretischen Überlegungen.
Zweitens. Seit Anfang dieses Monats strahlen die Rundfunkanstalten der Länder bundesweit versuchsweise Videotext als zusätzlichen Rundfunkdienst aus, und hier haben sich erfreulicherweise die Rundfunkanstalten mit der Presse über eine Aufteilung der zur Verfügung stehenden Kapazitäten geeinigt. Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung aus dem Jahre 1976 den Wunsch geäußert, daß solche Kooperationsformen entwickelt werden mögen. Dies ist eine solche Kooperationsform. Ich begrüße das ausdrücklich, und ich stelle auch mit Befriedigung fest, daß manche Töne aus dem Bereich der Verleger nicht mehr zu hören sind. Die Verleger haben meines Erachtens gesehen und sehen, wie wichtig es ist, diese Zweiteilung unserer Medienstruktur zu bewahren, nämlich eine privatwirtschaftlich organisierte Presse und das Rundfunksystem, wie wir es haben.
({11})
Die Verleger sehen, daß sie ihre eigene Position gefährden, wenn sie sich hier allzuweit nach vorn wagen, ohne zu wissen, wohin die Reise geht.
({12})
Drittens. Die Landesregierung in Rheinland-Pfalz hat einen Gesetzentwurf für das Kabelpilotprojekt in Ludwigshafen eingebracht. In diesem Gesetzentwurf wird zum erstenmal die Möglichkeit für eine kommerzielle Beteiligung privater Anbieter am Hörfunk und Fernsehen eröffnet. Damit werden erstmals Private in Konkurrenz zu den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten treten. Nach dem Beschluß der Regierungschefs der Länder vom 11. Mai 1978 sollten die Pilotprojekte als soziale und technische Experimente angelegt und zurücknehmbar sein. Wenn sie einen Sinn haben sollen, müssen sie zurücknehmbar sein. Wir dürfen also nicht in eine Lage kommen, daß Pilotprojekte als Präjudizentscheidungen für Wege begriffen und angenommen werden, die dann zementiert werden.
({13})
Sie müssen echt sein, und sie dürfen nicht eine politische Vorentscheidung darstellen. Dies gilt auch für das Projekt Ludwigshafen; ich sage das mit allem Nachdruck.
({14})
Viertens. Der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich über die gemeinsame Erprobung eines Fernsehsatelliten, der kürzlich unterzeichnet worden ist, ist ein weiterer Schritt in die medientechnologische Zukunft. Die Bundesregierung hat Vorkehrungen getroffen, daß hierdurch die medienpolitischen Strukturen beider beteiligten Länder nicht präjudiziert werden.
({15})
Noch ist offen, ob diese leistungsfähigen neuen Nachrichtentechnologien der Gesellschaft nützen oder schaden werden. Diese Frage muß doch erlaubt sein, meine Damen und Herren. Das ist doch nicht nur eine juristische Debatte über Verfassungsrecht. Wir müssen uns doch als Politiker klarwerden, welchen Nutzen oder welchen Schaden diese Gesellschaft hat.
({16})
Ich will keinen Bürger bevormunden. Bitte, unterstellen Sie mir das nicht. Aber ich bin der Meinung, daß wir als verantwortliche Politiker, als verantwortliche Parteien dieser Republik uns eine Meinung über das künftige Mediensystem bilden müssen. Das ist ja nicht nur eine Einzelentscheidung, das ist eine Summe von Entscheidungen.
({17})
Noch ist offen, ob die politischen Entscheidungsträger dem Druck einseitiger Interessen unterliegen oder ob Regierungen und Parlamente den offenen Dialog mit dem Bürger und der Gesellschaft wagen, wie es der Kollege Schmude hier gefordert hat.
Herr Bundesinnenminister, erlauben Sie eine Zwischenfrage?
Ja, bitte sehr.
Herr Bundesminister, stimmen Sie nicht mit mir darin überein, daß es möglich sein könnte, daß die Verfassung - Art. 5 - bereits die Frage der Nützlichkeit oder Schädlichkeit einer sich unbehindert, auch technisch unbehindert entfaltenden öffentlichen Meinung entschieden hat?
Die Verfassung, Herr Kollege Klein, hat in Art. 5 eine wichtige Vorentscheidung getroffen. Darin sind wir uns sicher einig. Aber die Verfassung hat uns gewisse Spielräume gelassen, insbesondere hat uns die Verfassung den Spielraum gelassen, eine politische Meinung über das Wünschbare in dieser Gesellschaft zu äußern. Und diese politische Meinung versuchen wir hier zu äußern.
({0})
Art. 5 muß auch im Lichte anderer Verfassungsbestimmungen, die es auch noch gibt - „Schutz der Familie' ist ja auch Bestandteil der Verfassung - interpretiert werden. Das wird sehr schwierig werden. Ich gebe Ihnen aber zu, daß aus Art. 5 nicht ohne weiteres eine völlige Verweigerung herauszulesen ist. Das ist ein dynamischer Prozeß, über den wir diskutieren müssen. Art. 5 verstellt diese Diskussion nicht, sondern öffnet sie.
Die Bundesregierung ist bereit, den Dialog,
({1})
von dem ich gesprochen habe, zu führen, und stellt sich der Herausforderung der neuen Kommunikationstechniken. Sie hat 1977 eine Kommission für den Ausbau des technischen Kommunikationssystems berufen, die KTK. Wir haben also vorhersehend uns auf diese Diskussion eingestellt. Wir haben im Anschluß an die Ergebnisse, die diese Kommission vorgelegt hat, beschlossen:
Erstens die fernmeldetechnische Infrastruktur durch Anwendung neuer Technologien weiterzuentwickeln und hierbei speziell Bildschirmtext als
Fernmeldedienst der Deutschen Bundespost einzuführen. Auch in dieser Debatte ist leider zu kurz gekommen, daß es auch um andere wesentliche Kommunikationstechnologien geht als nur um das Fernsehen, über das oft in der Bundesrepublik so vordergründig debattiert wird.
({2})
Die Bundesregierung hat zweitens beschlossen, durch zukunftsweisende Modellvorhaben öffentliche Dienstleistungen zu modernisieren und die Möglichkeiten der demokratischen Mitwirkung zu erweitern.
Sie hat drittens beschlossen, die Wettbewerbsfähigkeit der kommunikationstechnischen Industrie mittel- und langfristig zu stärken, Herr Kollege Schwarz-Schilling. Wir gehen an der Situation, auch der ökonomischen, hier nicht vorbei. Darauf werde ich noch kommen.
'({3})
- Gerne. - Allein für das Programm zur Förderung von Forschung und Entwicklung im Bereich der technischen Kommunikation - das Programm, das von 1978 bis 1982 gilt; es ist am 20. Dezember 1978 beschlossen worden - setzt die Bundesregierung immerhin Mittel in Höhe von einer halben Milliarde DM ein.
Wir wissen noch nicht, welche Einflüsse von den neuen Kommunikationstechniken auf die politische Demokratie, die Gesellschaft und die Familie ausgehen, wenn sie über einen längeren Zeitraum eingesetzt werden. Die Langzeitwirkung der Medien, deren Kenntnis für gesetzgeberische Prognosen unverzichtbar ist, ist noch weitgehend unerforscht. Es fehlt fast jegliche Grundlagenforschung.
Herr Bundesminister, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schwarz-Schilling?
Ja.
Herr Minister, Sie sagen, daß sich diese Frage heute nicht beantworten lasse und man auf die Ergebnisse von Pilotprojekten zu warten habe. Gilt das auch für heute in der Luft bestehende Programme, also auch für die dritten Programme aller Länder, für die Programme unserer europäischen Nachbarländer, für sämtliche Hörfunkprogramme, für UKW-Kanäle? Gilt diese Frage für Sie ebenfalls ohne Pilotprojekte als nicht entscheidbar, wenngleich der Deutsche Gewerkschaftsbund, der Journalistenverband und die CDU/ CSU meinen, daß die Entscheidung über die Frage nicht vom Ergebnis der Pilotprojekte abhängig ist?
Ich verstehe, was Sie meinen, Herr Kollege. In dem Komplex Pilotprojekte steckt ja mehr als nur Fernsehen und Rundfunk. Das wissen Sie. Hier sollen bestimmte Verhaltensänderungen, die eintreten können, erforscht werden. Ich bin nicht ganz sicher, ob sie schon mit einer Öffnung auf alle bestehenden Programme eintreten können. Wahrscheinlich wirddas der Fall sein. Dennoch bin ich der Meinung, daß es wünschenswert wäre, dem Publikum den Zugang zu den bestehenden Programmen so weit wie möglich zu öffnen.
({0})
- Vorher müssen wir uns einigen, Herr Schwarz-Schilling. Sie sagen, wir sollten eine dienende Rolle wahrnehmen, um Ihre medienpolitischen Vorstellungen umzusetzen. Das werden wir nicht tun. Wir wollen genau wissen, was Sie in den Ländern in der Medienpolitik machen. Vorher gibt es diese Entscheidung nicht.
In dem Zwischenbericht vom Sommer 1979 haben wir darauf hingewiesen, daß auch unter den technisch-ökonomischen Bedingungen neuer Medienangebote die publizistische Gewaltenteilung in ihrer Funktionsfähigkeit erhalten bleiben muß. Wir wollen ein ausgewogenes publizistisches Gleichgewicht zwischen öffentlich-rechtlichem Rundfunk und privatwirtschaftlich organisierter Presse. Das wollen Sie, nehme ich an, auch. Nur, die Frage ist, ob die neuen Medientechnologien die bestehende Struktur nicht doch gefährden können. Diese Frage müssen wir uns doch stellen.
Wie wollen Sie denn die neuen Technologien finanzieren? Wie wollen Sie denn etwa zusätzliche Fernsehprogramme, auch wenn es nur lokale Programme sind, finanzieren? Wollen Sie dem Bürger höhere Gebühren aufbürden? Sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß das im Grunde nicht machbar ist, daß eine höhere Gebührenbelastung der Bürger nicht zu verantworten ist? Sie müßten dann nämlich auf Werbung ausweichen. Und wo wollen Sie denn die Werbung herholen?
Im Grunde diskutieren Sie doch über das bestehende Mediensystem, wenn Sie neue Medientechnologien einführen wollen. Schon deshalb, Herr Kollege Klein, weil Sie das finanzieren müssen und weil jede Finanzierung neuer Technologien auf Kosten der alten geht. Ich habe großes Verständnis für lokale Zeitungsverleger, die sagen: Wir werden es uns dreimal überlegen, ehe wir uns auf eine lokale Konkurrenz einlassen, die uns möglicherweise die Existenzgrundlage hinsichtlich unserer eigenen Anzeigen nimmt. Das ist doch die Frage, die Sie beantworten müssen. Der Werbekuchen steht doch nicht unbeschränkt zur Verfügung. Sie müssen doch sagen, woher das Geld kommen soll.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte.
Herr Minister Baum, ist Ihnen bekannt - ich beziehe mich auf den Vortrag von Herrn Minister Hauff -, daß Prognos geschätzt hat, daß die Privathaushalte - die Privathaushalte! - in der Bundesrepublik ein über den Zehnjahreszeitraum von 1980 bis 1990 kumuliertes Kommunikationsbudget von insgesamt 600 Milliarden DM - ich wiederhole: 600 Milliarden DM - haben werden? Nach der Schätzung von Prognos
Dr. Klein ({0})
I entfällt hiervon auf die neuen Medien im angegebenen Zeitraum immerhin ein Kaufkraftpotential von rund 90 Milliarden DM.
Herr Kollege Klein, das mag ja sein. Ich weiß allerdings nicht sicher, auf welcher Grundlage Prognos arbeitet. Wir haben ja schon oft wirtschaftspolitische Prognosen ändern müssen.
({0})
- Ich argumentiere auf der einfachen Grundlage, daß den privaten Haushalten im wesentlichen keine höheren Lasten für Kommunikationssysteme zugemutet werden können. Denken Sie doch an die Diskussion über die letzte Gebührenerhöhung von Fernsehen und Rundfunk. Was nützen mir denn solche globalen Zahlen, Herr Kollege Klein? Die nützen doch gar nichts. Gehen wir doch vom einzelnen Bürger aus!
({1})
Der politische Handlungsspielraum wird begrenzt - darauf ist schon hingewiesen worden - durch Vorgaben des Verfassungsrechts. In dem Bericht wird deshalb z. B. gefordert, die hierdurch auftretenden gesellschaftlichen Probleme mit flankierenden Maßnahmen bildungs-, familien- und jugendpolitischer Art einer Lösung zuzuführen.
Es kann nicht darum gehen, Herr Kollege
1 Schwarz-Schilling, die Innovation und Kreativität unserer Technik und Wirtschaft wegzudrücken. Die Bundesregierung sieht die große volkswirtschaftliche Bedeutung der neuen Kommunikationstechniken. Sie setzt sich ein für die Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie. Durch die Bundesregierung werden die notwendigen Entwicklungen und Anwendungen der neuen Technologien nicht verzögert werden. Nicht die Verhinderung technischen Fortschritts ist unser Ziel, sondern seine Gestaltung und Kanalisierung. Das ist das Gebot der Stunde.
Herr Kollege Klein, wenn Sie von der „geordneten Innovation' gesprochen haben - das fand ich sehr bemerkenswert -, dann frage ich allerdings, wo in Ihrem Beitrag die Kriterien für die Ordnung dieser Innovation waren, die Sie wie wir wünschen. Bitte sagen Sie uns doch einmal, nach welchen Gesichtspunkten das geschehen soll. Allein die Ausleuchtung der verfassungsrechtlichen Grundlage hilft uns nicht weiter. Wir müssen uns darauf verständigen, wie die Ordnung dieser Innovation aussehen soll.
Die politische Gestaltungsaufgabe muß sich insgesamt nach Auffassung der Bundesregierung an folgenden Forderungen orientieren.
Erstens. Die neuen Medien dürfen die Meinungsvielfalt nicht schwächen. Sie sollen vielmehr die aktive Beteiligung des Bürgers am Informationsprozeß erhöhen sowie seine Urteilsfähigkeit und soziale Entfaltungsmöglichkeit stärken.
Zweitens. Medienpolitik ist daran zu messen, wieweit sie den einzelnen Bürger selbständig urteilsfähiger macht, jeden Menschen unserer Gesellschaft, unabhängig von Jugend, Alter, Interessen, Berufsbildung, Gesinnung und Vorurteilen.
Drittens. Die Individualsphäre der Bürger darf nicht verletzt werden. Dies bedeutet zugleich Schutz personenbezogener Daten, ein weites Feld, das noch gar nicht abgesteckt ist.
({2})
- In der Datenschutzdebatte, Herr Kollege Klein, gibt es zum Teil erfreuliche Übereinstimmung mit der Opposition. Ich begrüße es außerordentlich, daß wir das Melderechtsrahmengesetz, ein ganz wichtiges Gesetz, hier einmütig haben verabschieden können. Im Bereich der Medienpolitik wird Datenschutz eine wichtige Aufgabe sein. Das können Sie doch gar nicht bestreiten.
Viertens. Die neuen Medien, unterstützt durch besondere flankierende Maßnahmen, vor allem medienpädagogischer Art, sollen den chancengleichen Zugang zu Bildung und Kultur verbessern.
Fünftens. Der Zusammenhalt der Familie als wesentlicher Baustein der Gesellschaft darf nicht gefährdet werden. Die Erfahrungen, die wir alle haben, lassen ja wohl Warnsignale aufleuchten. Ich nehme an, Sie beobachten das Medienverhalten Ihrer Kinder.
Sechstens. Die gesellschaftliche Integration und die Fähigkeit zu demokratischer Willensbildung müssen auch unter den Bedingungen der neuen Medien gewährleistet bleiben.
Siebentens. Für die neuen Medien sind Rahmenbedingungen zu erarbeiten, die die pluralistische Vielfalt sichern, insbesondere auch ein verbessertes lokales und regionales Informationsangebot bereitstellen, und, worauf Mestmäcker nachdrücklich hinweist, wirtschaftliche Machtstellung verhüten. Interessen von Minderheiten, die bisher nicht ausreichend befriedigt werden können, müssen besser zur Geltung kommen.
Achtens. Wir wollen nicht auf die gewachsenen und bewährten Strukturen unseres Mediensystems verzichten. Existenz- und Funktionsfähigkeit von Presse und öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten müssen gewährleistet bleiben. Neue technische Voraussetzungen dürfen nicht zu Lasten der Arbeitskraft und Kreativität der Journalisten gehen.
Neuntens. Wir wollen keine Kommerzialisierung des Fernseh- und Rundfunksystems. Die Bundesregierung hält am öffentlich-rechtlichen Charakter des Rundfunks und am privatrechtlichen Charakter der Presse fest. Sendungen des Fernsehens und des Hörfunks dürfen nicht als Ware behandelt werden. Wenn Programme nur noch Lokomotive der Werbung sind, führt technischer Fortschritt zu geistiger Regression.
({3})
Die Parole der Opposition „Mehr Freiheit durch größere - sprich: kommerzielle - Vielfalt" ist kein
überzeugender Weg, der .den Bürger urteilsfähiger macht. Im Bereich des Rundfunks greift der Marktmechanismus der Pluralität von Meinungsäußerungen nicht. Von der Anzahl der möglicherweise auftretenden Anbieter auf die inhaltliche Vielfalt der Programme zu schließen, ist fragwürdig. Viele Märkte sind von vornherein gar nicht in der Lage, eine größere Zahl profitabler Unternehmen und Produkte zu tragen.
Auf diesen Zusammenhang hat übrigens auch Schelsky hingewiesen, auf den sich Herr Kollege Klein so oft beruft.
Es war auch immerhin ein Kultusminister, der die Opposition aufgerufen hat, ihre Rundfunkpolitik zu überdenken, nämlich Ihr Parteifreund Remmers, meine Damen und Herren von der Opposition. Er hält es für falsch, zu glauben, durch die Änderung der Produktionsverhältnisse lasse sich der geistige Inhalt der Produktion ändern. Absurd wird es, wenn die Opposition so tut, als ob der Bundesminister des Innern einer Kommerzialisierung des Rundfunks das Wort geredet hätte. Allerdings ist die Bundesregierung nicht der Ansicht, daß die neuen Kommunikationstechniken insgesamt in die Verfügungsgewalt der bestehenden Rundfunkanstalten gehören. Sie hat beispielsweise erklärt, daß sie Bildschirmtext nicht für Rundfunk hält.
Bei einer Reihe von Kommunikationstechniken handelt es sich um Individualkommunikation, was eine Einordnung in das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem ebenfalls ausschließt.
Auch das englische Rundfunkmodell ist hier keine Musterlösung. Die gesellschaftliche und rundfunkpolitische Ausgangslage in Großbritannien - Herr Schwarz-Schilling, Sie berufen sich immer darauf - ist völlig unterschiedlich.
({4})
- Nein. Das entscheidende Moment dafür, daß das englische duale Rundfunksystem noch einigermaßen trägt, ist, daß ein Parteieneinfluß wie in der Bundesrepublik Deutschland nicht vorhanden ist. Im übrigen unterliegen die im IBA-Fernsehkanal tätigen privatwirtschaftlichen Fernsehgesellschaften einer sehr strengen, bis ins einzelne gehenden Programmund Werbekontrolle. Eine vergleichbare Einflußnahme wäre mit unserer Verfassungslage sicherlich nicht in Einklang zu bringen.
({5})
Nein, meine Damen und Herren, die Einheit des Rundfunksystems in der Bundesrepublik Deutschland darf nicht durch medienpolitische Alleingänge einzelner Bundesländer aufs Spiel gesetzt werden. Die medienpolitische Zäsur, wie vom niedersächsischen Ministerpräsidenten gewollt, ist fürs erste abgewendet. Wir haben das mit Erleichterung festgestellt.
Die endgültige Organisation wichtiger Teile des künftigen Kommunikationssystems muß bis zum Abschluß der Pilotprojekte und der Auswertung ihrer Ergebnisse offengehalten werden, d. h. nicht alle
Entscheidungen, Herr Schwarz-Schilling, aber einige doch wohl.
(Dr. Schwarz-Schilling [CDU/CSU]: Die anderen drängen
Sonst wären diese Experimente für die Katz.
Wer, wie große Teile der Opposition, schon vorher eine bestimmte Entscheidung, nämlich zugunsten der Zulassung des kommerziellen Rundfunks - und darum geht es im Kern - erzwingen will, muß sich den Vorwurf gefallen lassen, ohne ausreichende Erkenntnisse über Akzeptanz und Wirkung zusätzlicher Rundfunkprogramme die Rundfunklandschaft verändern zu wollen,
({6})
über den Daumen gepeilt und ohne rechtliche, ohne politische und - ich möchte hinzufügen - auch ohne ethische Legitimation.
Bezeichnenderweise ist die Opposition in dieser grundsätzlichen Frage gespalten. Sie sollten auch einmal auf die Stimmen der Kirchen hören, die sich hier sehr bemerkenswert geäußert haben.
({7})
Kenntnisse der Medienwirkungen sind ein entscheidender Teil der sachlichen Kompetenz und der Möglichkeit zum verantwortlichen Handeln. Diese Kenntnisse können aber erst durch wissenschaftlich angelegte und begleitete Pilotprojekte gewonnen werden. Die Erprobung weiterer Programme soll den Pilotprojekten vorbehalten werden.
Die Bundesregierung weiß sich den Prinzipien der weltweiten Informationsfreiheit und des ungehinderten grenzüberschreitenden Informationsflusses verpflichtet. Dem widerspricht nicht, daß die Bundesregierung beabsichtigt, im Rahmen einer europäischen Rundfunkkonvention der Beeinträchtigung nationaler Medienstrukturen durch Fremdkommerzialisierung vorzubeugen. Es geht nicht darum ' wie uns manchmal unterstellt worden ist -, den Informations- und Meinungsaustausch mit anderen Staaten einzuschränken. Es geht allein darum, die Ausblutung der gewachsenen Medienstrukturen durch Abzug von Werbegeldern ins Ausland zu verhindern. Da sind wir einig, nehme ich an.
({8})
Es liegt im allseitigen Interesse, daß ein schonungsloser Wettbewerb um den Werbe-Kuchen unterbleibt, der über die Staatsgrenzen hinweg Presse und Rundfunk die wirtschaftlichen Grundlagen entzieht. Im Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich über die gemeinsame Erprobung eines Fernsehsatelliten hat die Bundesregierung Vorkehrungen getroffen, daß die medienpolitischen Strukturen beider Länder nicht präjudiziert werden.
Meine Damen und Herren, die Entscheidung für die Weiterentwicklung unserer Kommunikationsordnung darf nicht nur den Interessenten oder den Trägern der politischen oder wirtschaftlichen Macht
überlassen bleiben. Der Entscheidungsprozeß muß im Gegenteil alle Betroffenen einbeziehen.
({9})
Die Entwicklung und Anwendung neuer Kommunikationstechniken darf nicht zu Zugzwängen, zur faktischen, rechtlichen oder politischen Präjudizierung medienpolitischer Grundentscheidungen führen. Die Bundesregierung bereitet daher Lösungsvorschläge für eine Eingliederung der neuen Medien in das Mediensystem der Bundesrepublik Deutschland vor. Das ist eine schwierige Aufgabe.
Alle Untersuchungen können nicht daran vorbeigehen, daß wir hinsichtlich der neuen Medien und ihrer Infrastruktur nicht mit der Stunde Null beginnen. Wir befinden uns bereits inmitten von Entwicklungen, die berücksichtigt werden müssen. Dazu gehört beispielsweise, Herr Schwarz-Schilling, daß jetzt schon ein Teil des Bundesgebietes verkabelt ist und daß die Netze trotz Ihrer Unkenrufe ständig wachsen - aber nach Kriterien, die wir sehr sorgfältig festgelegt haben.
({10})
- Nein, nach wirtschaftlich und nach medienpolitisch sinnvollen Kriterien.
({11})
Es müssen auch Antworten auf die vielfältigen rechtlichen Fragen gefunden werden, die die neuen Medien aufwerfen.
({12})
- Nein, ich möchte jetzt zu Ende kommen.
Das ganze Bündel rechtlicher Fragen aus dem Verhältnis von Fernmeldetechnik, Medienpolitik und Verfassung wird vielleicht zu einem der großen Verfassungsprobleme der Zukunft zusammenwachsen, wie es ein namhafter Verfassungsrechtler kürzlich formuliert hat. Schon in der nächsten Legislaturperiode werden Weichen für die Zukunft gestellt werden müssen. Sonst drohen die staatlichen Entscheidungen unter den wachsenden Druck der autonomen, sozialen und wirtschaftlichen Kräfte zu geraten.
Die Bundesregierung hat die Länder deshalb mehrfach sehr nachdrücklich aufgefordert, gemeinsam die drängenden medienpolitischen Fragen zu lösen. Gerade heute spricht der Bundeskanzler mit den Regierungschefs der Länder über diese Fragen. Die konzertierte Aktion zwischen Bund und Ländern, um dieses Wort in diesem Zusammenhang einmal zu gebrauchen, ist die unabdingbare Voraussetzung dafür, um die erforderlichen politischen Entscheidungen über die Eingliederung der neuen Medien in das Mediensystem treffen zu können. Meine Damen und Herren, ich beklage diese medienpolitische Verweigerung der Länder.
({13})
Nur auf der Grundlage einer einheitlichen Konzeption können die großen medienpolitischen Probleme gelöst werden. Die notwendige Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern ist zum wenigsten eine Frage der Kompetenzen. Entscheidend ist 'die Verklammerung lebenswichtiger Interessen der Kompetenzinhaber. Wir wollen an den Kompetenzen gar nichts ändern.
({14})
Der Bund ist ebenso wie die Länder Veranstalter von Rundfunksendungen. Das ist doch unbestreitbar. Für ihn stellen sich auf dem Gebiet der neuen Medien vergleichbare Regelungsprobleme wie für die Länder. Ein kooperativer Föderalismus verlangt, daß sich die politisch Verantwortlichen in Bund und Ländern an einen Tisch setzen - sie sitzen heute an einem Tisch; ich frage mich nur, mit welchem Ergebnis sie von diesem Tisch aufstehen werden.
Unser Mediensystem wird auch von supra- und internationalen Mediensystemen berührt. Hieraus ergeben sich Gestaltungsnotwendigkeiten, die dem Bund obliegen. Zur Schaffung einer europäischen Rundfunkkonvention z. B. bedarf es der Mitwirkung auch der Bundesländer. Es kann doch nicht bestritten werden, daß Bund und Länder hier zusammenarbeiten müssen. Medienpolitik ist doch nicht mehr allein eine Sache der Bundesrepublik. Die Bundesregierung kann z. B. gegenüber den anderen Staaten nur die Werbeeinschränkungen durchsetzen, die in den einzelnen Bundesländern bestehen und praktiziert werden. Sie kann nicht darüber hinausgehen. Wir müssen uns hier also abstimmen.
Die mit den neuen Medien auf die Gesellschaft zukommenden Probleme müssen sehr ernstgenommen werden. Sie dürfen aber nicht zu unabwendbaren Fakten hochstilisiert werden. Wir müssen einen Mittelweg zwischen Fortschrittverweigerung und Technologie-Euphorie finden. Politisch kommt es darauf an, den Rahmen für die Entwicklung der künftigen Medienstruktur abzustecken. Wir können sie nicht bis ins letzte vorgeben. Nicht zuletzt durch die Erfahrungen im Bereich des Umweltschutzes sind wir im Hinblick auf nicht ausreichend geprüfte Folgen technischer Neuerungen sensibilisiert. Wir alle sind aufgerufen, der Probleme einer heranreifenden Informationsgesellschaft und ihrer politischen Bewältigung Herr zu werden. Dies verlangt, so meine ich, eine Versachlichung der Auseinandersetzung. Es erfordert konstruktive Kritik statt pauschaler Ablehnung. Wir brauchen die Dialogbereitschaft statt der parteipolitischen Polemik.
Meine Damen und Herren; arbeiten wir gemeinsam daran, die Chancen für mehr Informationsviel-fait und größere Entfaltungsmöglichkeit für unsere Bürger zu nutzen! In dem neuen Mediensystem liegen nicht unerhebliche Chancen auch für die freiheitliche Entfaltung dieser Gesellschaft. Es liegen aber auch Gefahren darin. Es geht nicht um eine medienpolitische Verweigerung. Wir müssen aber alles
1 tun, damit wir medienpolitische Abenteuer vermeiden.
({15})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Klein ({0}).
({1})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, von wem der Zwischenruf kam. Dazu nur dies: My master is my conscience - wenn Sie das verstehen -, mein Chef ist mein Gewissen.
({0})
- Ich bedaure, Herr Kollege Hauff, daß Sie das nicht nachvollziehen können.
({1})
Herr Bundesinnenminister, Sie haben es für richtig gehalten, am Schluß Ihrer Ausführungen die „medienpolitische Verweigerung" der Länder zu beklagen. Dies stand ganz offensichtlich in Ihrem Konzept. Ich glaube aber, diese Feststellung war nach dem, was mein Kollege Dr. Schwarz-Schilling hier zu dieser Frage und ihrer Entwicklung sehr detailliert ausgeführt hat, nicht berechtigt. Es ist Ihnen auch gegen Schluß die Feststellung - ich hatte den Eindruck - eher herausgerutscht, daß die Verkabelung nach wirtschaftlichen und medienpolitisch sinnvollen Kriterien erfolgt sei.
({2})
Ich will gar nicht unterstellen, daß sie nach unsinnigen Kriterien erfolgt sei. Nur, Herr Bundesinnenminister, eigentlich hätte das Parlament einen Anspruch darauf, zu erfahren, wie und von wem und mit welcher Legitimation solche Kriterien aufgestellt werden.
({3})
Ich will es mir ersparen, Ihren Rat, sich an den Kirchen zu orientieren, der FDP zurückzugeben.
({4})
Die Bundesregierung hat ihren eigenen, von meinem Kollegen Professor Klein heute früh schon hinreichend gekennzeichneten Stil im Umgang mit dem Parlament. Auf die sehr präzis formulierte Frage, wie sie zum freien Informationsfluß über staatliche Grenzen hinweg stehe - eine Frage von weitreichender Bedeutung für die Zukunft unserer Demokratie; und da reicht auch die mündliche Ergänzung durch den Herrn Bundesminister jetzt nicht aus -, äußert die Bundesregierung in ihrer schriftlichen Antwort:
Die hier aufgeworfenen Fragen sind bereits am 7. November 1979 von der Bundesregierung vor dem Deutschen Bundestag ausführlich beantwortet worden.
Ausführlich? Ich weiß nicht, wen die Bundesregierung mit einer solchen flapsigen Erwiderung zu befriedigen gedenkt. Sicherlich nicht die Bürger, die dieses Thema beschäftigt, und ganz sicher nicht die
Mitglieder dieses Hohen Hauses, die sich an jene Bundestagssitzung etwas genauer erinnern.
({5})
Der Herr Bundesaußenminister und der Herr Bundesforschungsminister haben sich damals lediglich in je einem Fünf-Minuten-Beitrag während einer Aktuellen Stunde mehr oder weniger überzeugend - der erste mehr, der zweite weniger - von der absurden Idee eines deutsch-französischen Verteidigungsbündnisses gegen Radio-Télé-Luxemburg distanziert. Punkt, das war's, worauf sich die Bundesregierung mit dem Adverb „ausführlich" in ihrer Antwort bezieht. Und in der vorangegangenen Fragestunde hatten die beiden Herren Minister noch eine Anzahl von Fragen zum gleichen Thema beantwortet.
In ihrer 11-Zeilen-Antwort auf die Frage vier unserer Großen Anfrage verweist die Bundesregierung außerdem auf die UNESCO-Mediendeklaration vom 28. November 1978. Ich habe bei mehreren Gelegenheiten - auch von dieser Stelle aus - dem Herrn Bundesaußenminister unsere Genugtuung darüber erklärt, daß er sich auf der 20. Generalkonferenz der UNESCO so nachdrücklich für die Durchsetzung freiheitlicher Prinzipien verwendet hat. Ich bin gern bereit, dies erneut zu tun. Aber ist denn die UNESCO-Mediendeklaration das einzige, worauf die Bundesregierung in diesem Zusammenhang verweisen kann? Warum informiert sie Parlament und Öffentlichkeit nicht darüber, was in den letzten Jahren in ungezählten Medienkonferenzen von nahezu 50 internationalen Gremien an Festlegungen, Regelungen und verbindlichen Abmachungen erarbeitet worden ist? Weshalb gibt sie nicht Auskunft darüber, wie groß die Kluft in Einzelfällen zwischen der Verkündung freiheitlicher Grundsätze und praktischen Vereinbarungen ist, durch die diese Grundsätze entweder stark eingeschränkt oder aufgehoben werden? Warum beschreibt sie nicht - aus ihrer doch zweifellos umfassenden Kenntnis - die Strategie der großen Zahl totalitärer Staaten, in denen die Medien zu Informationsabwehr- und staatlichen Führungsmechanismen degradiert sind?
Gehe ich davon aus, daß die Bundesregierung einen inhaltlich entscheidenden Teil ihrer Antwort in dem lakonischen Einleitungssatz versteckt hat ich zitiere -:
Sie setzt sich für eine europäische Rundfunkkonvention ein, die die Freiheit der Information und Kommunikation im internationalen Rahmen gewährleistet, aber die Beeinträchtigung nationaler Medienstrukturen durch Fremdkommerzialisierung
- ein Wort, das der Bundesinnenminister eben auch noch einmal benutzt hat -,
verhindert.
dann werden die Gründe für ihre Einsilbigkeit in Sachen internationale Medienpolitik freilich erkennbar.
Das Schlagwort Fremdkommerzialisierung" hat die Qualität eines Schlagrings. Kommerz, von dem wir alle leben, ohne den keine Wirtschaft funktioKlein ({6})
niert und durch den auch die Gebühren erarbeitet werden, mit denen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten finanziert werden, wird hier negativ aufgeladen und mit einem xenophoben Affekt, mit einer fremdenfeindlichen Regung gekoppelt. Stellen wir uns einmal vor, all die Staaten dieser Erde, in die wir oft nur mit Hilfe eines gewaltigen Werbeaufwands exportieren, würden sich plötzlich gegen Fremdkommerzialisierung zur Wehr setzen! Dieses Wort könnte der Ayatollah Khomeini erfunden haben.
({7})
Gestatten Sie mir, ein paar Kommentarzeilen aus einem Blatt zu zitieren, das sicherlich frei von dem Verdacht ist, den Unionsparteien nahezustehen. Die Frankfurter Rundschau schrieb am 20. Februar 1980
- ich zitiere -:
Diese Formulierung hat vor allem im freidemokratischen Innen-, aber auch im Wirtschaftsministerium einige Aufregung verursacht.
- Bei dem Chef des Innenressorts offenbar nicht; denn er benutzt sie selbst.
Juristen des Baum-Ministeriums, das in Medienfragen federführend ist, halten eine solche Festlegung auf Grund übergreifender europarechtlicher Überlegungen für nicht haltbar. Den Begriff der Fremdkommerzialisierung - darin sind sich die FDP-Ressorts einig - dürfe es in einer medienpolitischen Stellungnahme der Bundesregierung nicht geben. Man verstoße damit eindeutig gegen Art. 29ff. des EG-Vertrages, der den freien Dienstleistungsverkehr zwischen Staaten regelt und vorsieht, daß niemand aus kommerziellen Gründen diskriminiert werden dürfe.
Ende des Zitats aus der Frankfurter Rundschau.
({8})
Was hier, meine sehr verehrten Damen und Herren, von der viel gerühmten und viel propagierten liberalen Bremserfunktion der FDP, verehrter Herr Kollege Schäfer, wieder einmal übriggeblieben ist, liegt offen zutage.
({9})
Herr Schäfer, erlauben Sie mir die Bemerkung: Davon lenkt auch Ihr Versuch nicht ab, dem nach Ihrer Auffassung vom Grundgesetz nicht vorgesehenen Herausforderer des gegenwärtigen Bundeskanzlers im Fernsehen einen Maulkorb umzuhängen.
({10})
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schäfer?
Bitte sehr.
Herr Kollege Klein, würden Sie mir recht geben, daß kein Mensch bestreitet, daß Herr Strauß die Moskau-Reise des Bundeskanzlers und des Außenministers anschließend gern
kommentieren darf, aber nicht bereits während des Ablaufs dieser Reise den Kommentar sprechen sollte?
Verehrter Herr Kollege Schäfer, ich glaube, Sie sind kein Jurist. Auch ich bin kein Jurist. Trotzdem bin ich erstaunt, daß Sie den Begriff des schwebenden Verfahrens einführen. Hier handelt es sich um einen politischen Vorgang, zu dem sich in allen Medien zu äußern der Führer der Opposition zu jedem Zeitpunkt das Recht haben muß.
({0})
- Meine Damen und Herren von der SPD, sorgen Sie sich doch nicht so sehr um unsere inneren Strukturen.
({1})
Das Verhältnis Kohl/Strauß ist viel mehr intakt, als Sie sich wünschen können.
({2})
Lassen Sie mich zum Thema zurückkehren. Wenn ich die Einlassungen des Herrn Bundeskanzlers bei der Feier zum 30jährigen Jubiläum der ARD richtig in Erinnerung habe, hat er das Schlagwort von der Fremdkommerzialisierung höchstselbst auf gegriffen. Er hat bei dieser Feier erklärt, daß er der ARD nichts verdanke. Daran hat der Kollege Schwarz-Schilling vorhin erinnert. Durch seine erklärte Absicht, sie vor Fremdkommerzialisierung - zu deutsch: die öffentlich-rechtlichen Anstalten vor ausländischer Konkurrenz und die Bürger der Bundesrepublik Deutschland vor einem breiten, auch internationalen Informationsangebot - zu „schützen", gab er zu erkennen, daß er sich von der ARD zumindest noch einiges erhofft.
So ist es auch bezeichnend, daß sich der Herr Bundeskanzler auf einen Beschluß der UNESCO-Generalkonferenz aus dem Jahre 1972 beruft, in dem es heißt:
Die Übertragung von kommerziellen Werbesendungen ist in besonderen Vereinbarungen zwischen den ausstrahlenden und den empfangenden Ländern zu regeln.
Aber gerade dieser Artikel geht auf einen Antrag der Sowjetunion zurück, den die Bundesregierung damals heftig bekämpft und in der Einzelabstimmung abgelehnt hatte.
({3})
Die Fragen 4 und 8 in unserer Großen Anfrage zielten darauf, Klarheit darüber zu erlangen, ob die Bundesregierung im innern und nach außen auch praktisch zu den Prinzipien steht, auf die sie sich in theoretischen Formeln bezieht, d. h.:
Klein ({4})
1. Sollen die Bürger darüber entscheiden können, was sie von wem, in welcher Form und woher auch immer als Nachricht, Kommentar oder Unterhaltung hören und sehen möchten, oder wird ihnen dieses Grundrecht durch die Verhinderung von inländischem Medienwettbewerb und durch internationale Abgrenzungsabkommen eingeschränkt?
2. Geraten wir nicht in die Gefahr, beispielsweise auch durch die Anwendung eines Begriffs wie „Fremdkommerzialisierung", den informationsfeindlichen Interessen jener Staaten entgegenzukommen, in denen die Medien eben nichts mit Kommerz, sondern nur etwas mit Partei und Staat zu tun haben?
({5})
Die Bundesregierung hat dem Deutschen Bundestag und der deutschen Öffentlichkeit die Antwort auf diese Fragen verweigert. Ich danke Ihnen.
({6})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Klein, ich habe einmal nachgelesen, in welchem Zusammenhang das Stichwort Fremdkommerzialisierung in den Vorbemerkungen zur Antwort auf die Große Anfrage vorkommt. Wer das mit einigermaßen wachen Augen und klarem Verstand liest, der weiß doch sehr genau, was hier einzig und allein gemeint sein kann, daß wir nämlich eine europäische Vereinbarung erzielen müssen, die daran hindert, daß durch über die Grenzen hinaus ausgestrahlte Werbesendungen in die Medienvielfalt, die sich auf den nationalen, d. h. auf den eingegrenzten Bereich beschränken muß, eingegriffen wird. Das ist doch ein völlig legitimes Anliegen, darüber wird man doch sprechen müssen und sprechen dürfen und zu vernünftigen, mit unseren Nachbarn zu vereinbarenden Regelungen kommen müssen.
({0})
Ich verstehe überhaupt nicht, warum Sie daraus ein derart riesiges Problem machen und einen Buhmann aufbauen, den Sie besser heute abend in den Garten des Bundeskanzleramtes gestellt hätten, wo er für das Kanzlerfest gedient hätte, aber nicht für eine ernsthafte Debatte hier im Parlament
Eine zweite Vorbemerkung, Herr Kollege Klein: Ich bin immer ungern in der Position, mich von einem Sprecher meiner eigenen Partei absetzen zu müssen - das tut ja keiner von uns gern -, aber daß der Kollege Schäfer einen Vorschlag gemacht hat, der dem verehrten bayerischen Ministerpräsidenten auch nur eine Minute Fernsehauftritt nehmen könnte, halte ich für den Interessen der Koalition absolut abträglich.
({1})
Ich wäre also sehr daran interessiert, daß sich diese
Fernsehauftritte häufen. Und bei der Prüfung, die
Sie, Herr Schäfer, vorschlagen, die der Bayerische
Rundfunk vornehmen sollte, der Prüfung nämlich, ob das etwa auf die Wahlkampfsendezeiten der Opposition anzurechnen sei, wäre ich sehr vorsichtig; es könnte dabei herauskommen, daß das auf unsere Sendezeiten angerechnet wird, und das, meine Damen und Herren, kann doch nicht in unserem Interesse liegen.
({2})
- Der ernsthafte Beitrag, Herr Kollege Schwarz-Schilling, kommt dann noch bei Ihrem Thema ‚Aprilscherze".
Meine Damen und Herren, die heutige Debatte über die Entwicklung der Information- und Kommunikationstechniken gehört zu denen, in denen sich der Politiker häufiger als in der Vergangenheit dem Thema der Ambivalenz des Fortschritts stellen muß. Wie die Kernenergie - ich halte diesen Vergleich gar nicht für an den Haaren herbeigezogen - sind auch die sogenannten neuen Medien in den Sog der Diskussion darüber geraten, ob technischer Fortschritt fraglos auch gesellschaftlicher Fortschritt ist, ob wir alles, was wir machen können, auch machen sollen. In einer solchen Diskussion läßt sich dann mit Grundsätzen trefflich streiten, lassen sich prinzipielle, gesinnungstüchtige Positionen leicht und bequem einnehmen - nicht unbedingt immer zum Vorteil der zu entscheidenden Sache.
Ich habe volles Verständnis dafür, daß jeder nach seiner Aufgabe und aus seiner Verantwortung die Dinge unter seinem Blickwinkel sieht Um so mehr fühle ich mich veranlaßt, einige Bemerkungen dazu zu machen, in welchem Zusammenhang und in welchem Licht der Bundeswirtschaftsminister die neuen Kommunikationstechniken und die sie betreffenden politischen Entscheidungen sieht und sehen muß.
Informations- und Kommunikationstechnologien gehören zu den modernen komplexen Technologien, deren frühzeitige Beherrschung und wirtschaftliche Nutzung für unsere hochindustrialisierte Volkswirtschaft lebensnotwendig ist. Sie ist die entscheidende Voraussetzung, um im Rahmen der Weltwirtschaft unsere Standortnachteile, also Rohstoff- und Energieabhängigkeit, auszugleichen und unsere hohen Lohnkosten zu verkraften.
Die Weltwirtschaft befindet sich - das wissen wir - in einem tiefgreifenden Wandel. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich in vielen Ländern der Welt beträchtlich geändert, und diese Entwicklung wird anhalten. Seit Mitte der 70er Jahre wachsen in den Industrieländern Sozialprodukt und Produktivität nur noch um höchstens 3 % pro Jahr. Die Arbeitslosigkeit liegt in manchen Ländern deutlich über 5 %. Die Inflationsrate ist in vielen Ländern zweistellig. Die hohen Lohnkosten hemmen die Flexibilität der Unternehmen, und die Verschiebung des Wechselkursgefüges hat den Konkurrenzdruck auf unsere Wirtschaft verstärkt Die Nachfragestruktur hat sich gewandelt Es gibt in einigen Bereichen der Konsumgüternachfrage unverkennbare Sättigungserscheinungen. Alte Kapazitätsstrukturen stimmen daher mit der Nachfrage
und den Anforderungen der Märkte nicht mehr überein.
Problemverschärfend kommt hinzu, daß die ausländische Konkurrenz zunimmt, und zwar erstens von seiten der Industrieländer, insbesondere der USA und Japans, die mit hochqualifizierten Produkten auf unseren Markt drängen, zweitens von seiten der sozialistischen Länder, insbesondere bei rohstoffarmen Massengütern, aber auch bei Textilien und Bekleidung, drittens von seiten der Anschlußländer auf Gebieten qualifizierter, aber standardisierter elektronischer und optischer Gebrauchsgüter, aber auch im rohstoffnahen Bereich, viertens von seiten der Rohstoffländer, die mehr und mehr auch zur Veredelung übergehen.
Um in dieser Konkurrenzsituation auf Dauer zu bestehen, um Beschäftigung und Wohlstand zu erhalten, müssen wir vor allem auf die Produkte setzen, bei denen wir unseren Standortvorteil, die Fähigkeit zur Entwicklung und Nutzung neuer, anspruchsvoller Techniken, voll einsetzen können. Deren gibt es nun nicht beliebig viele.
Die Information- und Kommunikationstechnik gehört ohne Zweifel dazu. Sie hat in unserer Volkswirtschaft schon jetzt ein beachtliches Gewicht. Der Wert ihrer Produktion betrug 1978 rund 27 Milliarden DM, 40 % wurden exportiert, die Beschäftigtenzahl liegt bei 320 000.
Angesichts der zunehmenden Geschwindigkeit der technologischen Entwicklung in diesem Bereich und der Erschließung immer neuer Anwendungsgebiete wird ihre Bedeutung Weiterwachsen. Sie kennen alle die Schlagworte wie das von der elektronischen Revolution. Zwar wissen wir noch nicht, wie die Entwicklung im einzelnen aussehen wird - dafür ist die schon jetzt vorhandene Vielfalt des technischen Angebots zu groß und die zukünftige Nachfrageentwicklung bei den privaten Haushalten wie auch im Geschäfts- und Verwaltungsbereich zu ungewiß -, aber mir erscheint trotzdem sicher, daß die elektronische Information und Kommunikation in allen Industriestaaten auf lange Sicht in eine Bedeutung hineinwachsen wird, wie sie der Energieoder Verkehrsinfrastruktur heute schon zukommt. Ich denke dabei an die Möglichkeit des Einstiegs in den Aufbau eines integrierten Breitbandfernmeldenetzes oder an das enorme Entwicklungs- und Verbreitungstempo der geschäftlichen Informationsverbreitung und -übertragung. Hier wird es auch vielfache Überschneidungen und Abhängigkeiten im Netz- und Endgerätebereich mit neuen Nutzungsmöglichkeiten der privaten Haushalte - sei es Rundfunk und Fernsehen, seien es Textdienste - geben.
Die deutsche Industrie ist auf diesem Gebiet leistungsfähig, aber der Wettbewerb ist hart. Das Entwicklungstempo wird uns vor allem von Japan und den USA vorgegeben; es wird sich weiter steigern. Bereits heute haben die Vereinigten Staaten, Japan, aber auch Großbritannien in Teilbereichen einen deutlichen Vorsprung. Wir können es uns also nicht leisten, hier Chancen zu vergeben. Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, im internationalen Wettbewerb mit an der Spitze zu bleiben.
Wenn ich dies sage, meine Damen und Herren, dann will ich die Medien- und gesellschaftspolitische Diskussion überhaupt nicht abschneiden oder beschränken. Sie wird zu Recht geführt, sie ist notwendig, sie ist dringlich. Die Medienpolitik kommt aber wohl nur dann zu einem richtigen Urteil, wenn sie im Auge behält, daß ihre Entscheidungen in einem ganz engen Zusammenhang mit wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Entwicklungen stehen.
({3})
Sie sollte manchmal vielleicht etwas gelassener urteilen, Technik weder kritiklos bejubeln noch dämonisieren, sondern auf unsere Kraft und Fähigkeit vertrauen, sie vernünftig zu organisieren und vernünftig zu nutzen.
Herr Bundesminister, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Benz?
Bitte sehr.
Herr Minister, angesichts Ihrer Darstellung der technischen Entwicklung und des Abstandes zu Japan und den USA vor allem: Halten Sie es nicht für notwendig, möglichst sofort, wie die Industrie uns bei Anhörungen erklärt, mit der Verkabelung zu beginnen, um diesen Abstand nicht noch größer werden zu lassen?
Ich werde zu diesem Thema, Herr Kollege, noch Stellung nehmen.
Nicht alles, was technisch machbar ist, wird gewünscht. Nicht alles, was technisch machbar ist, kann bezahlt werden. Aber das wird nach unserer Überzeugung der Markt schon herausfinden.
({0})]: Sehr
richtig! - Dr. Klein [Göttingen] [CDU/
CSU]: Lassen Sie ihn mal in Funktion treten!)
- Langsam, meine Damen und Herren. - Natürlich braucht er dazu Rahmenbedingungen, innerhalb deren er vernünftig funktionieren kann, und um die Definition der richtigen Rahmenbedingungen muß es uns gehen. Sie zu finden ist in diesem Bereich sicher nicht einfach, es ist wahrscheinlich sogar höchst schwierig. Wir werden vernünftige Abgrenzungen für die Tätigkeitsbereiche der Post finden müssen. Unter „vernünftig" verstehe ich vor allem saubere ordnungspolitische Grenzziehungen. Wir werden auch darauf achten müssen, daß für das Elektrohandwerk und andere Bereiche der privaten Wirtschaft, die mit Telekommunikation zu tun haben, leistungsgerechte Marktchancen erhalten bleiben und tunlichst ausgebaut werden.
In diesem Zusammenhang, Herr Schwarz-Schilling, komme ich auf das Stichwort vom Aprilscherz zurück. Der Bericht, auf den Sie sich beziehen, ist ein Aprilscherz in der „Süddeutschen Zeitung" vom 1. April 1980, am 2. April 1980 dann als solcher ge18466
kennzeichnet. Das, was Sie aus der „FAZ", dem „Blick durch die Wirtschaft", hier vorgetragen haben, basiert auf diesem Aprilscherz.
({1})
Ein erklärender Leserbrief erscheint in den nächsten Tagen. Nun, meine Damen und Herren, das passiert jedem von uns einmal. Diesmal ist es jedenfalls sicherlich - ({2})
- Ja, ja, vom 18. Juni. Der Leserbrief kommt in den nächsten Tagen. Es ist ein bißchen viel verlangt, daß der nun auch schon da ist. Dem Journalisten, meine Damen und Herren, ist es also gelungen, nicht nur die „FAZ", sondern auch ein veritables Mitglied des Deutschen Bundestages zu leimen. Er wird sich über den Erfolg vom 1. April noch nachträglich freuen.
Von solchen Grenzziehungen, wie wir sie für notwendig halten und wie sie selbstverständlich Tag für Tag, Produkt für Produkt jedesmal aufs neue gefunden werden müssen - manchmal sind der Postminister und ich schnell einer Meinung, manchmal nicht so schnell; aber wir haben uns immer vernünftig geeinigt und haben uns auch immer mit den hier berechtigt interessierten Verbänden der Wirtschaft einigen können -, wird für die Entwicklung unserer Gesellschaft, unserer Demokratie, für Meinungsvielfalt und Informationsfreiheit viel abhängen.
Der von der Bundesregierung und auch den Ländern im Bereich der neuen Medien eingeschlagene Weg der praktischen Erprobung in Feldversuchen und Pilotprojekten und parallel dazu der öffentlichen Diskussion und Vorbereitung der politischen Grundsatzentscheidungen scheint mir ein vernünftiger Weg zu sein. Ich begrüße es, daß die Feldversuche mit Bildschirmtext und Videotext nunmehr begonnen haben. Ich wünschte mir, daß auch die Kabelpilotprojekte bald zum Abschluß kämen.
({3})
Denn sicher stecken gerade in der Breitbandtechnik und den vielfältigen neuen Möglichkeiten ihrer Nutzung erhebliche wirtschaftliche und arbeitsmarktpolitische Chancen. Es geht dabei um weit mehr als um zusätzliche Übertragungsmöglichkeiten für Rundfunk und Fernsehen. Es geht langfristig um die Entwicklung einer Konzeption für den Aufbau eines umfassenden integrierten Informations-und Kommunikationssystems, eines neuen Bereichs von Infrastruktur für Gesellschaft und Wirtschaft. Ich halte es daher für dringlich, daß die Voraussetzungen für einen künftigen Breitbandnetzausbau ohne vermeidbare Verzögerungen geschaffen werden und daß der Ausbau dann auch zügig in Angriff genommen wird. - Vielen Dank.
({4})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Stercken.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst auf eine Antwort zurückkommen, die der Herr Bundesminister des Innern meinem Kollegen Professor Klein gegeben hat, der nach der Bedeutung des Art. 5 für die Informations- und Meinungsfreiheit der Bürger gefragt hatte. Die Antwort, die wir dann erfuhren, reduzierte sich auf die Meinungsbildungsfreiheit der Bundesregierung.
Wir hatten sie in dieser Frage etwas umfassender eingeschätzt. Wir dachten, daß Sie auch auf der Grundlage Ihres Berichts uns mitteilen würden, welches Verständnis die Regierung für ihre Verantwortung und für ihr politisches Handeln daraus ableiten würde. Ich halte diese Frage für so zentral, Herr Bundesminister,
({0})
daß ich Sie sehr bitten möchte, diese Frage bei nächster Gelegenheit zu beantworten.
({1})
Denn der Medienminister ist ja zugleich der Verfassungsminister. Wenn das Verfassungsverständnis, das an diesem Tag bei mehreren Gelegenheiten vorgetragen worden ist, dies so umfassend einschließt, dann ist es die Pflicht der Bundesregierung, insbesondere des Verfassungsministers, daraus konkrete Konsequenzen für die Medienpolitik der Bundesregierung abzuleiten.
Lassen Sie mich jetzt auf die Antwort auf die Große Anfrage der CDU/CSU-Fraktion eingehen, in der Sie von der Überlegung ausgehen, das Für und Wider der unterschiedlichen Anwendungsformen der neuen Kommunikationstechniken müsse sorgfältig geprüft werden, um - ich zitiere - „wahrscheinlich nur schwer wieder zu beseitigende gesellschaftliche und politische Schäden zu vermeiden". Eine solche Haltung bedeute keine Dämonisierung, sondern sie sei Ausdruck einer verantwortungsbewußten Politik, die den Menschen in den Mittelpunkt der Überlegungen stelle. Nur in enger Fühlungnahme mit der Wissenschaft wolle die Bundesregierung über die neuen Kommunikationstechniken entscheiden. Die Bürger müßten diese Entscheidungen mit tragen. Dies erfordere Zeitfür einen breiten Dialog - wie es wörtlich heißt - zwischen den politisch Verantwortlichen und der Öffentlichkeit. Die Bundesregierung beabsichtige daher u. a., die Medienwirkungsforschung zu verstärken.
Das klingt für einen Außenstehenden zunächst plausibel: Schaden abwenden, den Menschen in den Mittelpunkt stellen, den Rat der Wissenschaftler einholen, die Bürger beteiligen, die Forschung der Wirkungen des Fernsehens verstärken. Die Anmerkungen und Fragen meines Beitrags beziehen sich auf diese Aussagen der Bundesregierung, mit denen sie versucht, ihren politischen Entscheidungen eine moralische und wissenschaftliche Begründung zu unterlegen.
Die CDU/CSU-Fraktion würde dem Bekenntnis, daß nur der Mensch im Mittelpunkt der kommunikationspolitischen Sorge der Bundesrepublik stehe, eher Glauben schenken, wenn dieser Grundsatz auch in anderen Bereichen politischer Verantwortung erkennbar wäre, etwa bei der Bewertung des werdenden Lebens, des Schutzes von Ehe und Familie, des Rechtes der Eltern auf Erziehung ihrer Kinder. Die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen haben in allen diesen Bereichen nach unserem Verständnis normative Werte abgebaut und, statt Liberalität zu gewähren, die Tür für erhebliche Libertinage geöffnet.
({2})
- Herr Kollege Wehner, an dieser Stelle war Ihr Zwischenruf deshalb nicht sonderlich geschickt,
({3})
weil diese Feststellung von niemand anderem als dem verewigten Carlo Schmid stammt, den ich aus Gründen des Respekts nicht zitieren wollte; aber Sie haben mich jetzt dazu gezwungen, weil Sie sich in diesen Gegensatz begeben haben.
Es ist unter solchen Voraussetzungen unverständlich, warum nur eine Veränderung der Medienstrukturen Gefahren für den Menschen heraufbeschwören soll. Der Monopolanspruch öffentlichrechtlicher Anstalten kann sich nun nicht auch noch darauf beziehen, daß bei ihnen bessere Gewähr für mehr Achtung vor dem Sinn menschlichen Lebens gegeben sei. Bei der Demontage von Grundwerten und Werthaltungen hat, meine ich, das bestehende System kräftig mitgewirkt. Nein, die öffentlich-rechtlichen sind nun nicht auch noch die moralischen Anstalten, die allein den Menschen im Mittelpunkt sehen und denen der Staat oder zumindest die Bundesregierung dies attestiert. Ich habe eher den Eindruck, daß die Antwort der Bundesregierung ihre machtpolitischen Erwartungen mit humanistischen Aphorismen drapiert und tarnt.
Ist es wirklich nicht denkbar, daß allein der mündige Bürger - ich wiederhole dieses Wort trotz der Skrupel, die uns Herr Schmude einpflanzen wollte - sagt, was er will, daß Freiheit waltet, die sich an Gesetz und Recht orientiert, muß alles weiter vorgedacht und reglementiert werden? Wie auf fast allen anderen politischen Streitfeldern in unserem Lande zeigt sich auch hier das politische Spannungsfeld zwischen den Freiheitlichen und denen, die alle Bereiche unseres Lebens öffentlicher Fürsorge unterwerfen.
({4})
Der Mensch steht nach unserem Verständnis im Mittelpunkt, wenn er in einem Rechtsstaat frei zu handeln vermag und möglichst wenig staatliche Bevormundung erfährt.
({5})
- Wenn das ein Argument wäre, würde ich darauf eingehen.
Den einleitenden Sätzen einer im Auftrag des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung herausgegebenen Broschüre zum Thema „Das Fernsehen und ihr Kind" ist zu entnehmen, daß das Fernsehen den Kindern schadet, wenn sie falsche Sendungen sehen, die sie nicht verstehen und die in ihren Köpfen und Seelen Verwirrung stiften.
({6})
- Selbstverständlich, ich komme darauf, Herr Schweitzer. Ich zitiere jetzt:
Eltern merken das oft zu spät. Erst wenn ihre Kinder nachts aufschrecken und im Dunkeln Angst haben, wenn in der Schule die Leistungen nachlassen, denken Mütter und Väter: Vielleicht liegt es ja am Fernsehen.
Dieses neue Arbeitsfeld der Bundesregierung ist aber doch wohl, wenn ich es recht sehe, durch die Tätigkeit öffentlich-rechtlicher Anstalten verursacht worden. Auf wen soll sich sonst eigentlich diese Kritik beziehen?
({7})
Ist danach die Frage erlaubt, ob das derzeitige System
({8})
bei der Anlegung der soziologischen Maßstäbe der Bundesregierung nicht Veranlassung hätte geben müssen, vor gesellschaftlichen Schäden im Sinne der Vorbemerkungen zu bewahren? Was ist denn zu diesem Zweck getan und gesagt worden? Mit dem Druck von therapeutischen Broschüren aus dem Staatshaushalt ist es dann nach den hohen Maßstäben, die sich die Bundesregierung in den Vorbemerkungen verordnet, doch nicht getan.
Doch lassen wir die Wissenschaftler zu Wort kommen, deren Rat die Bundesregierung wünscht und deren Medienwirkungsforschung ihr Veranlassung gibt, eine Erweiterung der Kommunikationstechniken energisch zu blockieren. Reinhold Bergler und Ulrike Six veröffentlichten im vergangenen Jahr eine „Psychologie des Fernsehens". Darin zitieren sie den 25 Jahre zuvor erschienenen Amerikaner Berelson, der eine Zauberformel für die Wirkungsforschung aufgestellt hat, die offenbar, weil sie 1979 wiederholt wird, immer noch der Weisheit letzter Schluß ist. Ich zitiere:
Bestimmte Aussagen zu bestimmten Themen, die die Aufmerksamkeit eines bestimmten Publikums unter bestimmten Bedingungen erreichen, haben bestimmte Wirkungen.
Ob in den nächsten 25 Jahren noch Präziseres hinzugeforscht wird, läßt sich im Augenblick nicht übersehen. So lautet denn auch das Fazit des eben zitierten Buches - ich zitiere -:
Geht man der Frage nach den Auswirkungen
des Fernsehens auf Kinder und Jugendliche
nach, dann ist dabei immer zu beachten, daß die
meisten Aussagen der Wirkungsforschung auch in diesem Bereich eher als vorläufige Annahmen statt als endgültige Gesetzmäßigkeiten aufzufassen sind.
({9})
Viele Millionen, meine Damen und Herren, sind verforscht worden, um dem Problem der Gewalt im Fernsehen beizukommen. Griechische Denker haben schon über Mord und Totschlag in der Tragödie philosophiert. Über Shakespeare spannt sich der Bogen bis zur moralischen Anstalt Schillers, repräsentiert etwa durch den „Fiesko" oder „Die Räuber". Es kann danach nicht erstaunen, wenn Henning Haase, ein Ordinarius der Psychologie, im Dezemberheft 1979 der „Media Perspektiven" bekennt:
Über die reale Wahrscheinlichkeit der Wirkungsmöglichkeiten läßt sich nur äußerst spekulativ urteilen.
Was ist nach alledem davon zu halten, wenn die Bundesregierung eine weitere Verstärkung der Medienwirkungsforschung betreiben will, ehe sie Entscheidungen zu treffen beabsichtigt?
Um nicht mißverstanden zu werden: Medienforschung soll weiter betrieben werden. Dies hat seinen Sinn. Nur sind die Erwartungen ungerechtfertigt, die die Bundesregierung dauernd als Alibi benutzt. Statt Medienwirkungsforschung wäre ihr zu empfehlen, zur Stärkung der Mündigkeit, Freiheit und Selbständigkeit des Bürgers durch Erziehung in Elternhaus, Schule und Kirche beizutragen und deutlich zu sagen, daß dort die Verantwortung liegt. Dies entspricht jedoch heute nicht mehr dem Verständnis eines beträchtlichen Teiles der SPD-Fraktion. In einer Erwachsenenbildungsstätte war kürzlich von einem ihrer Mitglieder folgendes zu hören - ein wörtliches Zitat -:
Es ist eine Hybris der Eltern, wenn sie glauben, zur Erziehung ihrer Kinder besser befähigt zu sein als ausgebildete Pädagogen.
({10})
Nein, nicht staatlich verordnete, ordnungspolitische Rahmenbedingungen, wie die Bundesregierung dies in ihrer Antwort bezeichnet, sondern das Informations- und Kommunikationsbedürfnis und -recht freier und mündiger Bürger bestimmen den Umfang und die Art der neuen Systeme und Strukturen. Grenzen dieser Freiheit und den Verzicht auf Mögliches legen die Bürger selber fest, nicht die Obrigkeit. Solche Grundrechte der Beliebigkeit oder dem Ermessen einer Regierung abzutreten, ist das Gegenteil einer liberalen Politik, bei der die Bürger und selbst Minderheiten ihren verfassungskonformen Bedürfnissen und Interessen, also auch dem nach Information, entsprechen können.
Wissenschaft und speziell Wirkungsforschung taugen als Argument oder Alibi für den Aufschub technischer und politischer Entscheidungen nicht Für jede Theorie, die Sie wünschen, besorge ich Ihnen einen Professor! Das weiß die Bundesregierung auch. Sie will nur Zeit gewinnen, weil es sich mit dem derzeitigen System so schön regieren läßt und
weil alles dafür spricht, daß mehr Vielfalt weniger Kollektivität und mehr Individualität bedeuten wiirde. Die eigentlichen Medienwirkungsforscher sitzen in Regierung und Koalition.
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schweitzer?
Bitte schön.
Herr Kollege Stercken, jetzt muß ich Sie angesichts der Tatsache, daß Sie einer der langjährigen Direktoren der Bundeszentrale für politische Bildung gewesen sind, doch einmal ganz persönlich fragen: Sind nicht damals unter Ihrer Verantwortung ganz erhebliche Mittel des Bundes - wie ich glaube, zu Recht - genau für die Wirkungsforschung eingesetzt worden, die Sie jetzt offenbar kritisieren und der Bundesregierung nicht mehr zugestehen wollen?
Herr Kollege Schweitzer, ich habe eben deutlich gesagt, daß ich auch der durch die Bundesregierung veranlaßten Medienwirkungsforschung nach wie vor das Wort rede. Was ich nur bezweifle, ist, daß Sie nach 25 Jahren Medienwirkungsforschung heute Ihre politischen, längst überfälligen Entscheidungen davon abhängig machen können, daß nach 30 oder 40 Jahren etwas mehr Gewißheit in der Medienwirkungsforschung erreicht wird.
({0})
Herr Kollege Schweitzer, die eigentlichen Medienwirkungsforscher sitzen doch auf der Regierungsbank und in der Koalition. Sie finden die Wirkungen des derzeitigen Systems eben so angenehm, daß sie sich die eines pluralistischeren Systems ersparen möchten.
Ich komme zum Schluß. Die Regierung sollte den mündigen Bürger anders einschätzen. Sie will ihn, wie sie sagt, zunächst einmal „vorbereiten"; denn der Bürger soll ja nach der Einschätzung der Regierung trotz einer jahrelangen Diskussion immer noch nicht wissen, worum es eigentlich geht
Die CDU/CSU-Fraktion schätzt den Bürger anders ein. Sie billigt ihm im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung die Freiheit zu, seine Kommunikationsmittel und damit auch die dazu erforderlichen Techniken in Anspruch zu nehmen. Der Staat hat diesen Dienst am Bürger zu leisten.
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Ihr ethisch und wissenschaftlich verbrämter Aufschub ist eine Versagung rechtlich gebotener Dienstleistung.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einige Punkte in der Diskussion berühren natürlich die AufgabenstelBundesminister Gscheidle
lung der Bundespost und ihre Einstellung zu dem Thema, das an und für sich nicht Aufgabenfeld des Bundespostministers ist. Einige Fragen, die aufgeworfen wurden und in den nächsten Wochen und Monaten sicherlich auch in den Zeitungen wiederkehren werden, machen es ratsam, einige Positionen zu beschreiben.
Hinsichtlich des Vorwurfes, der im Zusammenhang mit der Entscheidung der Verkabelung von elf Städten gemacht wurde - Innovationshemmung, Benachteiligung der deutschen Industrie, ihrer Wettbewerbsfähigkeit -, darf ich anmerken, daß nach § 2 des Postverwaltungsgesetzes jeder Postminister dafür verantwortlich ist, daß die Deutsche Bundespost nach den Grundsätzen der Politik der Bundesrepublik Deutschland verwaltet wird. Also bezogen auf das Thema: z. B. auch nach den medienpolitischen Grundsätzen der jeweiligen Regierung in der hier wichtigen Frage, daß sozial-humane Belange der Bürger nicht dem technisch Machbaren untergeordnet werden dürfen.
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Und nun zum Punkt, der, glaube ich, beachtet werden muß. Es ist ja nicht so, daß es sich die Bundespost leisten kann, auf . Grund anderer gesetzlicher Verpflichtungen das technisch Mögliche nicht in ihrem Netz zu vollziehen. Um hier nicht zu sehr zu theoretisieren, will ich Ihnen das an einigen Beispielen klarmachen.
Wir haben 1979 den Fernkopierer eingeführt, also das Übermitteln von Texten und Bildern über das Fernsprechnetz, das bei schnellen Übertragungen nur über ein breitbandiges Netz geht. Das Bürofernschreiben wird ab 1981 eingeführt, d. h. die Übermittlung von Schreibmaschinentexten und Textverarbeitungsinformationen über das elektronische Datenvermittlungsnetz der Bundespost. Bildschirmtext, nämlich die Ubermittlung von Texten und Grafiken von Großrechnern auf Bildschirme, vermittelt über das Fernsprechnetz, soll ab 1980 bis 1982 eingeführt werden; Video-Text wird ab 1980 über die Rundfunkanstalten vermittelt. Das ist die Übermittlung von Texten und Grafiken von Programmübergabestellen auf die Bildschirmgeräte. Satellitenfernsehen, zumindest in der präoperationalen Phase, soll ab 1983 eingeführt werden; das ist die Übertragung von Fernseh- und Hörfunkprogrammen über Satelliten. Bildfernsprechen wird nach aller Voraussicht noch vor 1990 möglich sein, d. h. aber unter Kostenbedingungen, die besser sind als wie die augenblicklich in Amerika. Das ist die Möglichkeit der Übertragung beweglicher Bilder gleichzeitig zum Fernsprechen. Das setzt auch ein Breitband-Fernmeldenetz voraus. Datenpaketvermittlung, d. h. die Übertragung von Daten unterschiedlicher Datenquellen für Rechnerverbundnetze, wird ab 1980 eingeführt.
Sie sehen, einiges ist in Planung, anderes ist technologisch abgeschlossen. Es ist eine Frage der Akzeptanz am Markt und der Beherrschbarkeit solcher neuen Dienste. Dazu brauchen wir breitbandige Kabel. Das sind nach der uns derzeit zur Verfügung stehenden Technik Koaxialkabel. Natürlich hätten wir als Bundespost aus den Gründen, die hier erkennbar werden, in elf Städten - es hätten mehr oder auch
weniger sein können - gern einmal in einer Vollverkabelung einiges getestet. Aber wir hätten dies nicht tun können, ohne daß bei der Koaxialtechnik Frequenzbereiche freigeblieben wären, die wegen der Möglichkeiten, die die Bundespost hat, ihr Netz zu steuern, entweder genehmigungsrechtlich oder nutzungsrechtlich, dazu geführt hätten, daß jemand, der mit einer Genehmigung für das, was er betreiben will, ausgestattet ist, in die Netze der Bundespost hätte gehen können und dort dann Dinge betrieben hätte, die in der Bewertung und Beurteilung der von den Ministerpräsidenten beschlossenen Pilotprojekten vorbehalten waren. Mit der erste Protest in dieser Frage kam beispielsweise vom Ministerpräsidenten von Bayern, Herrn Strauß. Andere Ministerpräsidenten hatten gleiche Bedenken.
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- Ja, aber es ist doch nicht so, daß Sie daraus etwas konstruieren könnten. Das ist vielleicht für den Wahlkampf hilfreich - das weiß ich nicht -, aber Sie können von der Sache her nicht argumentieren, daß hier auf Grund einer unzulänglichen Kompetenz oder von einer unzuständigen Stelle ein Stopp zum Nachteil der deutschen Industrie und ihrer Entwicklung verfügt worden wäre.
Zum letzteren darf ich bemerken: Wir befinden uns beim Ausbau unserer Netze durchaus nicht in einem wettbewerbspolitischen Nachteil, weder international noch in sonst irgendeiner Beziehung. Im Gegenteil, die Entwicklung der Glasfasertechnik geht auf ein über 10jähriges Forschungsvorhaben der Deutschen Bundespost zurück. Wir nehmen absolut eine internationale Spitzenstellung ein.
Nun kommt etwas Entscheidendes, was Sie vielleicht übersehen haben und was auch in der öffentlichen Diskussion übersehen wird. Es wurde von einem Ihrer Kollegen darauf hingewiesen - er hat das durch Zitate aus einem Hearing belegt -, daß wir vermutlich ab 1985 die Glasfasertechnik in einer solchen Produktionsreife zur Verfügung haben werden, daß wir Netze aufbauen können - jetzt kommt eine ganz entscheidende Phase -, die nicht nur vermittelnder Art sind, sondern die auch Verteilnetze sind. Das heißt: Sie haben eine Kombination der jetzigen Rundfunkversorgung mit dem Fernsprechnetz. Daß jetzt die Belange der Bundespost, gerade aus der Betrachtung heraus, nichts wachsen zu lassen, was in ihre Verantwortlichkeit für das Femmeldenetz gehört, unmittelbar berührt sind, ist ja wohl verständlich. Genauso wie man in diesem vermittelnden Fernsprechnetz zukünftig jede Form der Kommunikation mit betreiben kann, könnte man ein modernes Netz, das nur für die Nutzung durch Medien, sprich: Rundfunk, Fernsehen, aufgebaut wird, auch als vermittelndes Netz nutzen. Daraus wird deutlich, warum es eine Auseinandersetzung gibt, die mit unterschiedlichen Begründungen geführt wird, die aber im Kern um eine Frage geht: Ist es eigentlich richtig, in einem Industriestaat unter Bedingungen, der Jahre 1985 bis 2000, die wir sehen müssen, private Netze zuzulassen? Das ist eine ganz wichtige Frage.
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In Ihrer Partei werden dazu Positionen eingenommen, die mich beängstigen. Sie können natürlich sagen, die Wirtschaftsministerin von Niedersachsen oder der und der Arbeitskreis sprächen nicht für die Partei. Wir als Sozialdemokraten halten es unter überhaupt keinen Bedingungen für vertretbar - aus Gründen der Geheimhaltung, der Zugriffssicherheit, aber auch aus finanziellen, ökonomischen Gründen -, daß man neben einem von der Bundespost verantwortlich zu gestaltenden Netz etwas anderes wachsen ließe.
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Hier würden Entscheidungen getroffen, die irgendwo von anderen zu finanzieren wären.
Herr Bundespostminister, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schwarz-Schilling?
Herr Präsident, ich habe leider zugesagt, zehn Minuten zu sprechen.
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Ich stehe hier vor der Frage, ob die Debatte noch verlängert werden soll, und nehme an, daß die Frage, die Herr Schwarz-Schilling stellen will, ihn davon abhalten wird, hier noch eine Wortmeldung anzubringen.
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Das ist ein überzeugender Gesichtspunkt, Herr Präsident.
Herr Minister, Sie haben hier als Sozialdemokrat gesprochen. Inwieweit ist, nachdem die Ministerpräsidenten bei ihrem Beschluß vom Mai 1978, fußend auf der Empfehlung der KtK, einvernehmlich auch alternative Netzträger für die Pilotprojekte zugelassen haben, die Haltung der Sozialdemokraten wieder anders zu beurteilen?
Herr Schwarz-Schilling, das entscheidet sich nicht danach, sondern das wird nach der gesetzlichen Grundlage entschieden.
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Es ist Ihnen bekannt, daß die Zuständigkeit für das Fernmeldewesen und damit auch für die neuen Netze - es ist durch ein Urteil abgesichert, daß sich die nicht nur auf das Fernsprechen, sondern auf alle denkbaren neuen Kommunikationsformen bezieht - bei der Bundespost liegt.
Eine Entscheidung des Bundespostministers, daß die Bundespost nicht baute bzw. nicht für sich bauen ließe, sondern im Genehmigungsverfahren ein Land
oder eine Gemeinde bauen ließe, wäre vom Bundespostminister unter den gleichen Kriterien zu fällen, unter denen er über eine direkte Handlung der Bundespost zu entscheiden hat. Ich kann doch nicht ein von der Bundespost errichtetes Netz verantworten, wenn ich die Akzeptanz nicht in etwa abschätzen kann, wenn ich nicht abschätzen kann, wie dieses Netz genutzt wird. Das heißt: Ich muß Kosten und Nutzen vorher in etwa erkennen können.
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Das hat im übrigen auch dazu geführt, daß sich die von Ihnen regierten Bundesländer, entgegen Ihrer Darstellung, nicht einig sind, wie das in den Netzen aussehen soll. Was ist z. B. mit dem Rückkanal? Was soll dort geschehen? In welchem Umfang? Ich will damit nur sagen: es ist nicht möglich, Randprobleme dadurch zu lösen, daß man von diesem einheitlichen Netz abginge. Das ist unter keinem Gesichtspunkt, weder volkswirtschaftlich noch betriebswirtschaftlich, noch rechtlich, noch aus Gründen, die ein Staatswesen hinsichtlich Sicherheit und Zugriff zu beachten hat, möglich.
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Ich wäre froh, wenn in dieser Frage auch Ihrerseits eine eindeutige Konzeption dargestellt werden könnte. Ich habe im „Handelsblatt" des heutigen Tages - zwar mit einer gewissen Freude und Genugtuung, aber doch noch nicht davon überzeugt, daß das .Ihre Meinung ist - gelesen, daß die christlich-demokratischen Arbeitnehmerausschüsse sich dieser Auffassung anschließen. Es wäre an der Zeit, daß Sie hier eine spekulative Diskussion durch eine eindeutige Erklärung beendeten.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schwarz-Schilling.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte dem Herrn Minister doch einiges zu dem sagen, was er hier vorgetragen hat.
Erstens. Die Beschlußfassung der Bundesregierung am 26. September 1979 hat eine fundamentale Kehrtwendung der Bundespost herbeigeführt, die bis zu diesem Datum alle die Argumente vorgetragen hat, die wir heute anführen, nämlich die, daß die Verkabelung dieser elf Städte mit den Pilotprojekten nichts zu tun hat. Sie sagen, daß Sie deswegen davon Abstand nehmen müssen, weil sonst jemand - dieses „jemand" wird hier jetzt nicht näher erläutert - einen rechtlichen Anspruch haben könnte, über solche Breitbandverteilnetze neue Programme einspeisen zu können. Ich möchte dem in zweifacher Hinsicht widersprechen.
Die Planungen, die Sie für die Breitbandverteilnetze der elf Städte gemacht haben, bezogen sich auf ein Koaxialkabel mit rund 15 Kanälen. Sie haben vorher überzeugend dargelegt, wie Sie diese 15 Kanäle zu füllen gedenken: mit den zwei großen bundesweiten Programmen, den fünf Lokalprogrammen, zwei Hörfunkprogrammen, wobei von den restDr. Schwarz-Schilling
lichen Kanälen zwei bis drei Kanäle für posttechnische Dienste und zwei oder drei Kanäle für Programme der angrenzenden europäischen Länder zur Verfügung stehen sollten. Die 12 bis 15 Kanäle wären also vollkommen abgedeckt. Es stand sogar die Frage im Raum, ob Sie nicht noch mehr Kanäle in die Leitungen hineinnehmen müßten, um nicht später, wenn die Ergebnisse der Pilotergebnisse vorliegen, noch ein weiteres Koaxialkabel verlegen zu müssen. Darauf Ihre Antwort: Wir brauchen jetzt noch nicht ein zweites Koaxialkabel hineinzulegen, weil wir in dem genannten Falle ohne jede Schwierigkeit ein zweites Kabel nachziehen könnten. Insofern ist Ihre heutige Auskunft total seitenverkehrt gegenüber dem, was Sie hier bis zum 26. September durch Ihren Staatssekretär und auch selbst gesagt haben.
Im übrigen wäre es, wenn diese Auffassung richtig wäre, auch richtig, daß Sie durch Ihre Postvorschriften dafür sorgten, daß bei den heutigen Verkabelungen das Rohr für ein zweites Koaxialkabel gleich mitverlegt wird, damit 1985 dann nicht weitere riesige Investitionen entstehen. Dies müßten Sie heute vermeiden. Diese Situation scheinen Sie nicht zu sehen.
Ein zweiter Punkt betrifft das, was Sie gegenüber den Ländern eben gesagt haben. Soweit ich weiß - ich kann mich irren; so habe ich es aber im Gedächtnis -, war nicht der bayerische Ministerpräsident, sondern Herr Vogel aus Rheinland-Pfalz der erste, der sich von seiten der Länder gegen die Verkabelung der elf Städte gewandt hat.
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- Ich korrigiere hier nur eine Feststellung auf Grund meiner Erinnerung.
Herr Vogel hatte in seiner Einlassung - über die Staatskanzlei - gesagt, er befürchte, daß dann, wenn die Bundespost mit dieser Verkabelung beginnt, die Pilotprojekte unterlaufen werden. Sie haben dann, Herr Postminister, von Ihrem Ministerium aus eine Überzeugungskampagne sowohl unter den Ländern wie in der Öffentlichkeit in Gang gesetzt, in der klar gesagt wurde, daß diese Verkabelung nichts mit den Pilotprojekten zu tun hat, sondern die Pilotprojekte im Gegenteil vielleicht sogar noch stützen kann, weil in der einzelnen Stadt dann auch ein breiteres Design für entsprechende Versuche möglich wird, die sich im Laufe der Zeit anbieten könnten. Das heißt, Sie haben selber die Argumentation benutzt, die dazu geführt hat, daß wir als
Union und dann auch die Länder, von denen ich gesprochen habe, damit einverstanden gewesen sind, daß Sie diese Verkabelung vornehmen.
Die Bundesländer haben in ihrer letzten gemeinsamen Erklärung - auch das möchte ich hier deutlich machen - bezüglich Ihres Vorgehens nur folgendes gesagt: Wir sind mit Ihnen - dem Bundespostminister und dem Bund - nicht einer Meinung, wenn Sie ohne Abstimmung mit den Ländern einen solchen Beschluß wie den über die Verkabelung von elf Städten fassen. Dies entspricht, wie ich glaube, auch den Zuständigkeiten. Sie sprachen gerade von Abstimmung und Konsens zwischen Bund und Ländern. Ich meine, daß Sie solche Projekte wie das einer Verkabelung von elf Städten nicht einfach in Gang setzen können, ohne darüber vorher mit den betroffenen Ländern den unter Gesichtspunkten der Zuständigkeit notwendigen Konsens herbeigeführt zu haben. Die Länder haben aber genauso deutlich gesagt, daß die Entscheidung des Bundes vom 26. September, die Verkabelung ohne Konsens mit den Ländern jetzt wieder einseitig zu stoppen, ebensowenig dem Willen der Länder entspricht. Insofern haben Sie genau in beiden Punkten jetzt eine falsche Aussage getroffen. Die Länder waren zum Konsens bereit, und sie haben ihn zweimal nicht genommen.
Sie haben zum zweiten - was die Technik angeht - Ihre Argumentation um hundert Prozent verändert, obwohl Ihre Gewerkschaft in Ihrem Ministerium mit sehr großer Besorgnis sieht, daß hier aus politischen Gründen eine Situation heraufbeschworen wird, in der die technische Weiterentwicklung mit den vielen Angestellten und Arbeitern Ihres Hauses in den nächsten Jahren in ganz große Bedrängnisse geraten wird. Von der Zulieferindustrie möchte ich gar nicht sprechen.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
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Ich schließe die Debatte. Wir sind damit am Ende der heutigen Tagesordnung angelangt.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 2. Juli, 9 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.