Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 6/19/1980

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Die Sitzung ist eröffnet. Die heutige Fragestunde, die nach unserer Tagesordnung für die Zeit von 14 bis 16 Uhr vorgesehen ist, soll nach einer interfraktionellen Vereinbarung unmittelbar nach der Behandlung von Punkt 36 der Tagesordnung aufgerufen werden. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Damit wird so verfahren. Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 13. Juni 1980 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt: Gesetz zur Neuregelung der Einkommensbesteuerung der Land-und Forstwirtschaft Gesetz zur Änderung und Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes und anderer Gesetze Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Apothekenwesen Gesetz zur Änderung des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften Gesetz zur Änderung der Schiffsregisterordnung Sechstes Gesetz zur Änderung des Unterhaltssicherungsgesetzes Siebentes Gesetz zur Änderung des Soldatenversorgungsgesetzes Gesetz über die Statistik der Beherbergung im Reiseverkehr ({0}) Gesetz zu dem Abkommen vom 13. Mai 1975 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien über die Befreiung öffentlicher Urkunden von der Legalisation Gesetz zu dem Zusatzprotokoll Nr. 2 vom 17. Oktober 1979 zu der am 17. Oktober 1868 in Mannheim unterzeichneten Revidierten Rheinschiffahrtsakte Gesetz zu dem Zusatzprotokoll Nr. 3 vom 17. Oktober 1979 zu der am 17. Oktober 1868 in Mannheim unterzeichneten Revidierten Rheinschiffahrtsakte Gesetz zur Änderung von Kostenvorschriften des Atomgesetzes Gesetz zur Abschaffung der Spielkarten-, Zündwaren- und Essigsäuresteuer Gesetz zur Änderung des Investitionszulagengesetzes Zu den drei letztgenannten Gesetzen hat der Bundesrat Entschließungen angenommen, die als Anlagen 2, 3 und 4 diesem Protokoll beigefügt sind. In seiner Sitzung am 13. Juni 1980 hat der Bundesrat ferner beschlossen, hinsichtlich der nachstehenden Gesetze zu verlangen, daß der Vermittlungsausschuß einberufen wird: Gesetz zur Steuerentlastung und Familienförderung ({1}) Sozialgesetzbuch ({2}) - Verwaltungsverfahren Gesetz über die Sozialversicherung der selbständigen Künstler und Publizisten ({3}) Neunzehntes Strafrechtsänderungsgesetz ({4}) Zweites Gesetz zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes Bundesberggesetz ({5}) Seine Schreiben werden als Drucksachen 8/4215, 8/4216, 8/4217, 8/4218, 8/4219 und 8/4220 verteilt. In der gleichen Sitzung hat der Bundesrat beschlossen, den nachstehenden Gesetzen nicht zuzustimmen: Gesetz über eine Volks-, Berufs- und Arbeitsstättenzählung ({6}) Gesetz zur Änderung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes Seine Schreiben werden als Drucksachen 8/4214 und 8/4213 verteilt. Der Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 18. Juni 1980 mitgeteilt, daß die Bundesregierung beschlossen hat, hinsichtlich des Gesetzes zur Änderung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes zu verlangen, daß der Vermittlungsausschuß einberufen wird. Sein Schreiben wird als Drucksache 8/4240 verteilt. Der Bundesminister der Justiz hat mit Schreiben vom 20. Mai 1980 die Kleine Anfrage der Fraktionen der SPD und FDP betr. Auswirkungen der Vorschriften des Ersten Gesetzes zur Reform des Strafrechts über den Ersatz kurzer Freiheitsstrafen durch andere Strafen und Maßregeln - Drucksache 8/4000 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/4130 verteilt. Ich rufe Punkt 35 der Tagesordnung auf: Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1980 ({7}) - Drucksachen 8/3950, 8/4151 Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses ({8}) - Drucksachen 8/4193, 8/4210 Berichterstatter: Abgeordnete Löffler Hoppe Außerdem Zusatzpunkt 3 der Tagesordnung: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses ({9}) zu dem Antrag der Fraktion der CDU/ CSU Finanzpolitische Bestandsaufnahme - Drucksachen 8/3978 ({10}), 8/4205 - Berichterstatter: Abgeordneter Löffler Präsident Stücklen Interfraktionell ist verbundene Debatte vereinbart worden. Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? - Dies ist nicht der Fall. Darin eröffne ich die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Haase ({11}).

Lothar Haase (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Verehrter Herr Bundestagspräsident! Meine Damen und Herren! Die riesigen Schuldenzuwächse des Staates sind neben der t Überforderung unserer Bürger mit Steuern und Abgaben, beides Folgen von zehn Jahren leichtfertiger SPD/FDP-Finanz- und -Ausgabenwirtschaft, das Zentralproblem unserer Finanzpolitik. ({0}) Die Regierung nahm in ihrem Entwurf eines Nachtragshaushalts Anfang Mai eine Erhöhung des Schuldenzuwachses gegenüber der bereits gefährlich überhöhten Neuverschuldung im ursprünglichen Haushaltsplan auf fast 26 Milliarden DM in Kauf. Wenn im Ausschuß der Schuldenzuwachs wenigstens auf den Ansatz des ursprünglichen Haushaltsplans zurückgeführt wurde, so ist das bestimmt nicht das Verdienst der Regierung, sondern fast ausschließlich - bis auf knapp 100 Millionen DM - die Folge höherer Steuern. Diese höheren Steuern aber sind alles andere als Anlaß zur Freude, meine Damen und Herren. ({1}) Sie ergeben sich nicht durch eine günstiger einzuschätzende Wirtschaftsentwicklung, ein höheres reales Sozialprodukt. Der Grund ist ausschließlich die gefährlich gestiegene Inflation und Inflationserwartung - zusätzlicher Anlaß zu ernster Sorge. ({2}) Auch der Finanzminister ist nur sehr kurzfristig, Herr Matthöfer, Profiteur der Inflation. Wir haben das ja innerhalb der letzten zehn Jahre schon einmal mit besonderer Deutlichkeit erlebt. Schon sehr bald führt die Inflation in der Staatskasse zu höheren Kosten und höheren Ausgaben. Sie reißt immer neue Löcher auf. Der Staat ist bei einer Inflation stets einer der Hauptverlierer. Nach aller Erfahrung schlagen bei ihm die Preissteigerungen noch weit stärker zu Buche als in den Haushaltskassen unserer Bürger. ({3}) Als ich vor knapp einem Jahr beim Nachtrag 1979, am 27. Juni 1979, auf die bereits damals absehbaren Gefahren der Inflation hinwies, protestierte der Herr Kollege Wehner lauthals. ({4}) Er ging förmlich an die Decke, als ich nur sachlich feststellte, daß die monatlichen Preissteigerungen von seinerzeit durchschnittlich 0,5 % - nach amerikanischer Übung auf ein Jahr hochgerechnet - bereits eine Jahresrate von 6 % ergeben würden. Ein Jahr später, meine Damen und Herren, ist es nicht nur eine Hochrechnung, sondern es ist in der Wirklichkeit so gekommen. Wollen Sie heute, meine Damen und Herren von der SPD, behaupten, auch das Statistische Bundesamt wolle die Leute nur in Unruhe bringen, wenn es für Mai die 6 % im Vergleich zum Vorjahresmonat ermittelt hat? Fest steht jedenfalls: Die 4,5 % im Jahresdurchschnitt des Jahreswirtschaftsberichts werden mit Sicherheit erheblich überschritten. ({5}) Schon diese 4,5 % waren beängstigend, lagen über den 4 %, bei denen es laut Herrn Exkanzler Brandt ernst wird. Wir erinnern uns doch noch alle seiner Formulierungen. Heute gehört schon Optimismus dazu, im Jahresdurchschnitt des gesamten Jahres mit nur 5 oder 5,5 % Inflation zu rechnen. Dafür müßte es bei der Preisrate in den restlichen Monaten schon recht deutlich nach unten gehen. Machen wir uns klar, was das bedeutet: Wirtschaftspolitisch drohen jetzt die Hauptgefahren von der Preisfront. Die wieder einmal nicht rechtzeitig bekämpfte Inflation beschwört erneut die Gefahr von wirtschaftlicher Stagflation mit noch zunehmender Arbeitslosigkeit herauf. Sagen Sie nicht bitte wieder, im Ausland sei das doch alles viel schlimmer. ({6}) - Aber das ist doch ein schwacher Trost für unsere Bürger, Herr Löffler, das ist doch ein schwacher Trost für unsere Arbeitslosen, das ist doch ein schwacher Trost für die betrogenen Rentner, für die betrogenen Sparer; das ist doch so! ({7}) Die Gefahren werden doch dadurch nicht kleiner, sie werden doch dadurch nur größer. Der Herr Kanzler selbst hat doch auf dem Londoner EG-Gipfel 1977 den Satz unterschrieben - vielleicht hat er ihn sogar initiiert, der Herr Kanzler -: Inflation verringert die Arbeitslosigkeit nicht, im Gegenteil, sie ist eine ihrer Hauptursachen. Gott sei Dank hat er die Erkenntnis jetzt gewonnen. ({8}) Meine Damen und Herren, die tariflichen Lohnerhöhungen dieses Jahres werden durch Inflation, Steuern und Abgaben mehr als aufgezehrt. ({9}) Der Herr Kluncker hat sich auf dem Bundeskongreß seiner Gewerkschaft dazu doch einiges anhören müssen. Wir waren doch über die Televisionsmaschine Zeuge, als der arme Mann von seinen Delegierten drangenommen wurde. Hier sammelt sich doch sozialer Zündstoff, meine Damen und Herren. Ein Weiteres: Die gesetzlich festgelegte Rentensteigerung von 4 % reicht in diesem Jahr für unsere Haase ({10}) Rentner nicht einmal aus, auch nur die Preissteigerungen aufzufangen. ({11}) - Das ist sozialistisch, genau das ist es. ({12}) Die Rentner müssen eine echte Besitzstandseinbuße hinnehmen. ({13}) - Fragen Sie einmal die Rentner, die halten das nicht für Kabarett, sondern für Rentner, lieber Herr Schäfer, ist das harte Wahrheit. ({14}) - Herr Kollege Schäfer, dadurch, daß Sie einen Beitrag, in dem hier die Rentnertäuschung angesprochen wird, als Kabarett oder kabarettreif bezeichnen, ({15}) werden Sie der Sache der geprellten Rentner nicht gerecht, ({16}) vor allen Dingen nicht als Partei, die sich draußen immer wieder als Vertreter der Ärmsten der Armen verkauft. Hören Sie auf damit! Meine Damen und Herren, die Rentner müssen eine echte Einbuße hinnehmen. Sie spüren als erste, daß die Inflation, die auch jetzt nicht allein vom 01 kommt, die unsozialste und brutalste Besteuerung des kleinen Mannes ist. Über diese Fragen muß man gerade und auch bei der Behandlung eines Nachtragsetats sprechen. In einer solchen Lage ist eine Schuldenwirtschaft in der jetzigen Höhe - wohlgemerkt, ich spreche von der Höhe - nicht nur, Herr Kollege Hoppe, eine tikkende Zeitbombe, die irgendwann einmal in ferner Zukunft hochgeht. Sie ist vielmehr aktuell, bereits heute Gift für die Konjunktur. Die Bundesbank fühlt sich wieder einmal durch die Politik alleingelassen. Der Bankpräsident - er ist doch persönlich und politisch dieser Regierung nicht fernstehend - hat ausdrücklich gewarnt. Wenn Sie heute morgen in die Journale schauen, finden Sie den Bericht auch dort kommentiert; da kommt das auch wieder zum Ausdruck: In die derzeitige Lage paßt ein Defizit der öffentlichen Hände in der Größenordnung, wie es sich für 1980 und insbesondere auch für 1981 abzeichnet, zweifellos nicht hinein. Es ist auch mit der Zielsetzung eines Abbaus des Leistungsbilanzdefizits nicht vereinbar. - Ganz brand-aktuell aus Frankfurt am Main aus dem Diebesgrund. Ich füge hinzu - um zu verdeutlichen, was der Bundesbankpräsident meint -: diese Verschuldung des Herrn Matthöfer und des Herrn Schmidt fördert die Inflation, ist deshalb wachstums- und arbeitsplatzfeindlich. Was viele Bürger in diesem Zusammenhang noch interessiert und besonders interessieren wird - sie sehen dieses Problem vielleicht noch nicht so genau -: das Leistungsbilanzdefizit, dessen Abbau eine Senkung des Schuldenzuwachses voraussetzt, gefährdet sogar unserer Bürger liebstes Kind, langfristig zumindest, nämlich unsere Auslandsreisen. Etwa 30 Milliarden werden die Bundesbürger auch in diesem Jahr für ihre Auslandsreisen ausgeben. Dies war unproblematisch, solange die Bundesrepublik beträchtliche Leistungsbilanzüberschüsse erwirtschaftete. Seit nunmehr gut anderthalb Jahren haben wir eine andere Situation. Unsere Leistungsbilanz weist rote Zahlen auf - mit steigender Tendenz. Nach knapp 11 Milliarden Defizit 1979 muß in diesem Jahr mit einem Minus von über 25 Milliarden gerechnet werden. Infolge dieser dramatischen Entwicklung schmelzen unsere Währungsreserven dahin wie Butter in der Sonne. Konnte die Deutsche Bundesbank noch im Januar 1979 Reserven in Höhe von etwa 94 Milliarden ausweisen, so waren es im April 1980 nur noch 72 Milliarden. Die Zahlen für die letzten Monate: im Januar minus 3,4, Februar minus 3,4, März minus 3,9, im April minus 6,3. In den Ferienmonaten werden diese Beträge exorbitant steigen. Geht dieser Prozeß so weiter, erfolgt nicht endlich die notwendige Kurskorrektur in der Finanz- und Wirtschaftspolitik, so ist abzusehen, wann diese Bundesregierung auch hier den Offenbarungseid wird leisten müssen. Dann werden Sie sich als sozialdemokratischer Finanzminister wahrscheinlich hier hinstellen, ({17}) Herr Matthöfer - Sie sind natürlich wieder nicht schuld, sondern alle anderen -, den Bürgern ankündigen, daß mangels Devisen auf ihre liebgewordenen und selbstverständlichen Auslandsreisen, zumindest partiell, verzichtet werden müsse. ({18}) Herr Matthöfer, Sie haben die Chance, in die Geschichte einzugehen - für den Fall, daß Sie noch Finanzminister bleiben sollten - als der Minister, der die Devisenzwangswirtschaft in Deutschland wieder eingeführt hat. ({19}) - Lachen Sie nur nicht! Sie haben schon oft zu früh gelacht. Seien Sie vorsichtig, falls Herr Matthöfer das Vergnügen und die Ehre haben sollte, weiterhin zu amtieren. Wenn diese Politik so fortgesetzt wird, werden Sie nicht darum herumkommen, letztlich auch zur Devisenzwangswirtschaft greifen zu müssen. Ich prophezeie es Ihnen heute. ({20}) Der Herr Bundesfinanzminister muß auch einmal aufhören, der Öffentlichkeit durch das Märchen Sand in die Augen zu streuen, er werde keine Mark mehr an Schulden aufnehmen, als zur Sicherung der Arbeitsplätze erforderlich sei. Herr Matthöfer, mit Haase ({21}) I dieser These jonglieren Sie doch nun schon seit geraumer Zeit zur Rechtfertigung immer neuer Schuldenzahlungen herum. Bei der Vorlage des Haushalts 1980 waren es 28 Milliarden DM zur Sicherung der Arbeitsplätze; bei der Verabschiedung des Haushalts waren es 24 Milliarden DM; bei der Vorlage des Nachtragshaushaltes waren es 26 Milliarden DM; jetzt sind es wieder 24 Milliarden DM: gerade wie es in das Konzept paßt Dabei ist doch Ihre Aussage in jedem Falle objektiv gleich unzutreffend. Im Ausschuß haben Sie darauf hingewiesen, daß, nicht nur auf den Bund, sondern auf alle Gebietskörperschaften bezogen, plus Sozialversicherung der Sachverständigenrat eine Nettokreditaufnahme von anderthalb Prozent des Sozialprodukts bei normaler Konjunktur für gerechtfertigt halte. Sie selbst scheinen einen etwas höheren Satz von 2 % als gerechtfertigt anzusehen. Wir haben aber gegenwärtig eine Nettoneuverschuldung des Gesamtstaates von über 3 % des Sozialprodukts. 1 % Differenz macht 15 Milliarden DM aus, die Differenz zur Zahl des Sachverständigenrates sogar 25 Milliarden DM, was fast dem Gesamtaufkommen der Körperschaftsteuer entspricht. Wohlgemerkt, das ist die Differenz zur unbedenklichen Nettokreditaufnahme bei normaler Konjunktur. Von einer normalen Konjunktur kann aber bei einer Inflationsrate von 6 % nicht mehr die Rede sein. Eine antizyklische konjunkturgerechte Politik, wie sie das Stabilitätsgesetz vorschreibt, verlangt bei einer nicht nur schleichenden, sondern schon gefährlich trabenden Inflation, wie wir sie gegenwärtig haben, die Normalverschuldung sogar noch fühlbar zu unterschreiten. Meine Damen und Herren, ich bin mir durchaus bewußt, daß es als Folge der leichtfertigen Finanzpolitik der vergangenen Jahre ohne schwere soziale Spannungen nicht oder doch nur sehr schwer möglich ist, die Neuverschuldung aller öffentlichen Hände von heute auf morgen um einen Betrag in der Größenordnung von 20 Milliarden zu senken. Wenn das aber so ist, dann geben Sie doch endlich zu, wie es wirklich um uns bestellt ist. Geben Sie doch zu, Herr Matthöfer, daß sich diese Regierung in der Finanzpolitik festgefahren hat, daß diese Regierung keinen Ausweg mehr weiß, daß sie mit ihrer Finanzpolitik am Ende ist, Herr Matthöfer, ({22}) daß sie 1978, 1979 und im laufenden Jahr die Chance vertan hat - darüber gibt es doch im Grunde genommen gar keine Diskussion -, wenigstens halbwegs rechtzeitig die Sanierung der zerrütteten Staatsfinanzen ein Stück voranzutreiben. ({23}) Herr Finanzminister, geben Sie doch zu, daß die Zahlungsfähigkeit des Bundes in diesem Jahr erstmals nur durch Aufnahme von Milliardenkrediten im Orient gesichert werden konnte, wie Sie selbst angegeben haben! ({24}) Zur Gefährlichkeit der Auslandsverschuldung des Bundes in dem bereits jetzt praktizierten und noch vorgesehenen Umfang hat Herr Professor Hankel, SPD-Mitglied und seinerzeit Leiter der Abteilung Geld und Kredit, bemerkenswerte Ausführungen gemacht, abgedruckt im „Vorwärts" vom 8. Mai ({25}) - das würde ich ihm aber doch empfehlen - unter der Überschrift: „Sorge um neue Inflationsanstöße durch deutsche Kreditaufnahme im Morgenland". Herr Hankel muß es ja wissen. Wer jetzt noch immer versucht, die im Ansatz falsche und verfehlte oder, wenn Sie so wollen, liederliche Finanzpolitik ({26}) des letzten Jahrzehnts zu rechtfertigen und die erreichte Verschuldung zu verniedlichen, macht sich nach der Täuschung der Rentner im Jahre 1976 jetzt einer noch schwerer wiegenden Finanztäuschung aller Bürger schuldig. Ich spreche den Bundeskanzler Schmidt an, der auf dem SPD-Parteitag in Essen sagte: „Setzt man unsere Kredite in Beziehung zum Bruttosozialprodukt, dann zeigt sich, daß die Schulden des Kaiserreiches" - er hat es ja immer mit dem Kaiserreich - „vor dem Ersten Weltkrieg mit 60 des damaligen Bruttosozialprodukts erheblich höher waren als die der Bundesrepublik im Jahre 1980 mit rund 30 %." Nun, der Herr Kanzler Schmidt setzt damit die Praktiken früherer Wahljahre fort, durch unzutreffende Vergleiche, halbe oder ganze Unwahrheiten den Wahlbürger in die Irre zu führen. Im Wahljahr 1972 versuchte er, den Bürgern weiszumachen, die Inflation sei notwendiger Preis für die Aufrechterhaltung der Vollbeschäftigung. Sie erinnern sich doch noch an den Schmidtschen Kernsatz: ({27}) „Mir scheint, daß das deutsche Volk, zugespitzt, 5 % Preisanstieg eher vertragen kann als 5 % Arbeitslosigkeit." Das hat er doch als Kernsatz Schmidtscher Ökonomie verkündet. Nun, in der Folgezeit hatten wir als Konsequenz einer viel zu späten Inflationsbekämpfung dann beides. Später hat er beim Londoner Gipfel im Jahre 1977 durch den von ihm unterschriebenen und sogar initiierten Satz - ich hatte ihn gerade erwähnt -„Inflation verringert die Arbeitslosigkeit nicht, im Gegenteil, sie ist eine ihrer Hauptursachen" selbst zugegeben, daß der fünf Jahre vorher von ihm im Wahlkampf geprägte Satz falsch, gefährliche Demagogie und Irreführung der Wähler war. ({28}) - So ist es. Im Wahljahr 1976 versuchte der Kanzler Schmidt, die Sorgen um die Sicherheit der Rentenfinanzen - sehr berechtigte Sorgen, wie sich nach der Wahl herausstellte; wir alle in diesem Lande sind doch Zeugen - durch eine beruhigende Formulierung von „bloßen Problemchen der Liquidität der RücklaDeutscher Bundestag -.8. Wahlperiode Haase ({29}) gen" hinwegzuwischen. Auch da bemühte er wieder kernige Formulierungen. Wir erinnern uns seiner Worte in der Donnerstagnacht vor der vergangenen Bundestagswahl, als er im Zusammenhang mit dem Rentenproblem den CDU/CSU-Vertretern heftigst zusetzte. Nun, nach der Wahl aber hatte er sich geirrt. ({30}) Da war aus dem „Problemchen' ein Problem geworden. Er hatte sich geirrt, und da wurde der für die Renten zuständige Minister ({31}) - wer kennt ihn noch? - als Sündenbock in die Wüste geschickt, da erwies sich, meine Damen und Herren, das „Problemchen" als massive Wählertäuschung. Zumindest die Rentner, die sich zu Recht betrogen fühlten, werden sich daran erinnern, wenn er jetzt, im Wahljahr 1980, die Schulden verniedlicht. ({32}) - Ja, wenn er es noch kann! ({33}) Da nach mir sicherlich der verehrte Herr Kollege Löffler sprechen wird, der als getreuer Gefolgsmann des Kanzlers ({34}) - ach doch, das sind Sie; es ist doch keine Schande, ein getreuer Gefolgsmann seines Kanzlers zu sein, Herr Löffler - diese „60 %" in seinem Manuskript stehen haben dürfte, sage ich - und geben Sie acht, Sie müssen darauf zurückkommen - noch einige Worte dazu. Die 60 To des Kaiserreichs von Anno 1913, die sich übrigens nicht, wie der Kanzler meint, auf den Schuldenstand im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt, sondern zum niedrigeren Nettosozialprodukt beziehen, also zu hoch angesetzt sind, ({35}) enthalten ganz überwiegend die Schulden der Länder und Gemeinden. Die Schulden der Länder und Gemeinden standen aber zum größten Teil mit den Investitionen der öffentlichen Betriebe im Zusammenhang, die damals durchweg sehr hohe Renditen abwarfen. ({36}) Meine Damen und Herren, die Bahn war damals noch ein Geschäft - im Gegensatz zur Bahn von heute, die ja mit dem Leber-Plan in die Gewinnzone gefahren werden sollte. Diese Schulden brachten in der Regel keine den allgemeinen Staatshaushalt belastenden Verpflichtungen mit sich. Sie können deshalb nach dem Urteil der Finanzwissenschaft nicht als öffentliche Schulden im üblichen Sinne gewertet werden. Sie können all das in dem vor einigen Jahren erschienenen Aufsatz „Die Finanzpolitik in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg" von Professor Neumark, dem Nestor der deutschen Finanzwissenschaft, nachlesen. Dann, wenn wir schon in die Geschichte greifen, ist mit heute nur der Schuldenstand des Reiches vergleichbar. Dieser belief sich auf 9,4 To des Nettosozialprodukts, und diese 9,4 To werden in der Rückschau durch die Finanzwissenschaft als unsolide bezeichnet! ({37}) Wenn das für einen Schuldenstand von 9 % des Nettosozialprodukts richtig ist, dann erst recht für die in diesem Jahr beim Bund erreichten 15 To des Brutto- und sogar 17 To des Nettosozialprodukts, d. h. für einen relativ fast doppelt so hohen Anteil wie beim Reich im Jahre 1913. Schauen Sie, so sehen, bei Licht betrachtet, die Kanzlervergleiche aus. Unser verehrter Herr Kanzler scheint beim Griff in die Geschichte - und er greift ja in letzter Zeit so oft und mit großer Vehemenz hinein -, vor allem in die Jahre 1913/14, vom Pech verfolgt zu sein. ({38}) Meine Damen und Herren, Sie sollten sich deshalb nicht weiter mit fragwürdigen, falschen und irreführenden historischen Vergleichen befassen, sondern endlich einmal die durch nichts zu bestreitenden Tatsachen zur Kenntnis nehmen, nämlich erstens: Von 1950 bis 1969, in 20 Jahren, hatten wir beim Bund insgesamt einen Schuldenzuwachs zur Haushaltsfinanzierung von ganzen 14 Milliarden DM. ({39}) Seit 1975 haben wir beim Bund in jedem einzelnen Jahr einen Schuldenzuwachs, der anderthalb- bis zweimal so hoch ist, wie er damals in 20 Jahren zusammen gewesen ist. Das ist gegenwärtig nicht nur konjunkturwidrig, meine Damen und Herren, sondern wir verfrühstücken damit die Ressourcen unserer Kinder und Enkel. ({40}) Ich habe es schon einmal von dieser Stelle hier gesagt: Wir verheizen das Holz, an dem sich eigentlich künftige Generationen wärmen sollten. Um uns eine höhere Lebensqualität zuzuschanzen, treiben wir eine permanente Kriegsfinanzierung zu Lasten künftiger Generationen. Früher war es üblich, die Zukunft zu Lasten der Gegenwart zu sichern. Heute leben wir in der Gegenwart zu Lasten der Zukunft. ({41}) Unsere Kinder und Enkel, die dereinst die Schulden und die Zinsen zahlen müssen, in welcher Form Haase ({42}) auch immer, werden die verwünschen, die ihnen diese Lasten aufgebürdet haben. ({43}) Zweitens. Die Zahlen des Finanzplans der Regierung weisen aus: Bereits 1983 wird beim Bund selbst eine Kreditaufnahme auf sehr hohem Niveau nicht mehr ausreichen, auch nur die Zinsen für die in früheren Jahren aufgenommenen Kredite voll zu zahlen. Es steht also der Kredit nicht mehr als Instrument zur Finanzierung zusätzlicher Staatsausgaben zur Verfügung. Der Bundeskanzler hat selbst indirekt zugegeben, daß die jetzigen Schulden unvertretbar hoch seien. In seiner Regierungserklärung vom 16. Dezember 1976 war von ihm unzweideutig als Kernziel der Regierung für die Jahre bis 1980 herausgestellt worden, daß die Neuverschuldung künftig deutlich niedriger liegen müsse als bisher, also deutlich niedriger als die Neuverschuldung des Bundes im Jahre 1976 in Höhe von 25,8 Milliarden DM. Tatsächlich aber belief sich der Schuldenzuwachs des Bundes 1978 wie auch 1979 auf etwa dem gleichen Betrag wie 1976 und ist 1980 - mit dem Nachtragshaushalt - mit 24,2 Milliarden DM nur geringfügig, keinesfalls aber deutlich niedriger und soll bereits 1981 wieder auf die vom Kanzler in seiner Parteitagsrede genannte Zielgröße von 27 Milliarden DM ansteigen. ({44}) - Das erste Mal? - ({45}) - Ah. Diese Zahlen beweisen: Der Bundeskanzler ist auch in der Finanzpolitik mit der entscheidenden Zielsetzung seiner Regierungserklärung für diese Legislaturperiode gescheitert - durch den Druck der linken Parteitagsmehrheit, die auf Biegen und Brechen eine expansive Finanzpolitik, d. h. immer mehr Ausgaben, fordert. ({46}) - Etwas lauter, gnädige Frau. Sie wissen, ich bin hörbehindert ({47}) - Vom Kriege her. Es ist endlich an der Zeit, einmal offenzulegen, daß gerade der Herr Bundeskanzler Schmidt mit dem Geld der Steuerzahler stets recht großzügig umgegangen ist. In seiner Vergangenheit - das sollte nicht verschwiegen werden - gibt es doch eine ganze Reihe von handfesten Finanzskandalen. ({48}) - Nun hören Sie doch zu! - Es trifft doch zu, daß er als Bundesminister der Finanzen in einer Nacht- und-Nebel-Aktion zum Jahreswechsel 1973/74 Milliardenbeträge am Parlament vorbei für die verschiedensten Zwecke ausgab. ({49}) - Sie lachen darüber. Das Bundesverfassungsgericht sagt: Er hat damit das Recht des Deutschen Bundestages aus Art. 110 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes verletzt. Lachen Sie darüber - Grundgesetzverletzungen! Hier kann man auch sagen: Er hat das Grundgesetz gebrochen. - Lachen Sie darüber! ({50}) Es trifft doch zu, daß Herr Kanzler Schmidt im Bundestagswahlkampf 1976 eine verfassungswidrige Wählerbeeinflussung durch Einsatz von Steuergeldern zugelassen hat, ({51}) wozu das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 2. März 1977 festgestellt hat: Die Bundesregierung hat dadurch gegen Art. 20 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes verstoßen. Sie hat tatsächlich dagegen verstoßen. Sie werden es nicht glauben, Sie können es nachlesen: ({52}) verstoßen dadurch, daß sie vor der Bundestagswahl durch Anzeigenserien usw. werbend in den Wahlkampf eingegriffen hat. Oder - um einen letzten Skandal aus jüngster Zeit anzuführen - ist es anders als durch die Intervention seines Duzfreundes, des verstorbenen Staatssekretärs a. D. Mommsen, bei ihm zu erklären, daß innerhalb weniger Stunden ohne sorgfältige Prüfung eine Bürgschaft zu Lasten des Bundes (Löffler [SPD]: Unerhört» - ja - von 50 Millionen DM der Beton- und Monierbau AG zugeschoben wurde? Nachdem nur ein knappes Jahr später das durch diese Bürgschaft hinausgeschobene Konkursverfahren über diese Firma eröffnet wurde, gehen diese 50 Millionen DM zu Lasten des Steuerzahlers. Auch über diesen Fall existiert ein eingehender Prüfungsbericht des Bundesrechnungshofs, über den wir uns, so hoffen ich, in der nächsten Woche im Haushaltsausschuß ausführlich unterhalten werden. Bei Franz Josef Strauß genügen bloße Verdächtigungen, die sich nachher allesamt als haltlos oder falsch herausstellen, um massive Hetz- und Verleumdungskampagnen in Gang zu setzen, von Regierungsstellen und Helfershelfern in bestimmten Medien gesteuert. Ich verweise auf Lockheed und die Rolle, die die Bundesregierung dabei gespielt hat. Beim Bundeskanzler der SPD wird dagegen nachsichtig selbst dann geschwiegen oder vieles in Vergessenheit geraten lassen, wenn nicht nur vermutete, sondern durch das Bundesverfassungsgericht oder den Bundesrechnungshof eindeutig nachgewiesene Fälle oder gar Verfassungsverstöße beim Umgang mit dem Geld der deutschen Steuerzahler vorliegen. ({53}) Einer der größten Finanzskandale steht uns allerdings erst noch bevor. Wir können uns beim NachHaase ({54}) tragshaushalt nicht mit dem Blick auf 1980 begnügen, sondern müssen auch die Zukunft im Auge behalten, in der noch weit schwerwiegendere Probleme auf uns zukommen. Im Nachtragshaushalt mußten fast 2 Milliarden DM zusätzliche Bundesausgaben untergebracht werden. Es sind durchweg nach dem Stand der Gesetzgebung oder aus außenpolitischen Gründen unabweisbare und daher auch von der Opposition weitgehend gebilligte Ausgaben. Sie konnten ohne zusätzliche Verschuldung nur dadurch finanziert werden, daß gleichzeitig in wichtigen Bereichen - vor allem der Zukunftsvorsorge - massive und einschneidende Kürzungen erfolgten, beispielsweise beim Straßenbau, beim Kanalbau, bei der Entwicklungshilfe außerhalb der Türkei, bei der Rohstoffbevorratung, bei der Mittelstandsförderung, bei der Werfthilfe, Luftfahrttechnik, Sportförderung usw. Ungleich größere Opfer und Belastungen, die unmittelbar in den Taschen der Bürger spürbar werden, werden als Folge Ihrer verfehlten Finanzpolitik nach den Wahlen beschlossen werden, ganz gleich, wer am 5. Oktober obsiegt. Die Spatzen pfeifen es in Bonn doch schon von den Dächern, daß in den Amtsstuben Ihres Hauses, verehrter Herr Matthöfer, fieberhaft überlegt wird, welche gesetzlichen Leistungen nach der Wahl eingeschränkt und welche Steuern erhöht werden sollen. Um welche Zahlen es dabei geht, wird Herr Kollege Riedl hier noch im Detail erläutern. Nur einen kleinen Zipfel haben Sie bisher gelüftet. Mit der Ankündigung von Verbrauchsteuererhöhungen zum 1. Januar wurde nur die Spitze des Eisberges sichtbar gemacht - und das deshalb, weil Sie zum einen die Länder unter Druck setzen wollten und zum anderen die Verbrauchsteuererhöhungen noch in diesem Jahr, wenn auch erst kurz nach der Wahl, beschlossen werden müssen. Die EG-Beschlüsse waren für Herrn Matthöfer doch nur ein willkommener Vorwand, denn die Mehrkosten für die Entlastung Großbritanniens in Höhe von insgesamt 2,5 Milliarden DM, für zwei englische Rechnungsjahre geschuldet, werden erst in drei Raten von 1980 bis 1982 fällig und belasten den Bund im Jahresdurchschnitt summa summarum also mit etwa 800 Millionen DM. Diese Belastung kann für sich allein also niemals eine Mehrbelastung von Autofahrern und Bauern sowie die Erhöhung der Branntweinsteuer mit einem Volumen von insgesamt 1,7 Milliarden DM in jedem Jahre rechtfertigen. Das sollten wir bedenken. Ich habe durchaus Verständnis für das Bemühen des Herrn Bundesfinanzministers, von den Ländern mehr Geld in seine Kasse zu holen. ({55}) Ich habe ebenso allerdings Verständnis für die Länder, die letztlich als Folge überzogener Programme und einer ständig ausufernden Gesetzgebung - ich denke nur an die 14 000 neuen Sozialhelfer und -pfleger, die Sie mit Ihrem famosen Jugendhilfegesetz unserer Jugend andienen wollten - ebenfalls eine drückende Schuldenlast zu tragen haben. ({56}) Es ist überhaupt nichts damit gewonnen, wenn im Bundeshaushalt die Löcher dadurch gestopft werden, daß in den Länderhaushalten neue Löcher aufgerissen werden. Dieser Meinung sind Sie doch letztlich auch. Eine dauerhafte Gesundung der insgesamt kranken Staatsfinanzen läßt sich dadurch nicht erreichen, sondern erfordert vielmehr ein grundsätzliches Umdenken in Richtung auf eine dauerhafte Verringerung des Staatsanteils. Unter diesem Gesichtspunkt ist es ein vom Ansatz her falscher Weg, wenn der Finanzminister an die Spitze der Sanierungsbemühungen wieder eine neue Steuererhöhung stellt und durch diese mit der einen Hand teilweise wieder abkassiert, was er vorher mit der anderen Hand im Rahmen des Steuerpakets gewähren möchte. ({57}) Das läßt für die Zukunft noch Schlimmes befürchten, wie auch ein Blick in das SPD-Wahlprogramm zeigt. Herr Matthöfer hat in einem Interview am 11. Juni 1980 im „Kölner Stadt-Anzeiger" auf die Frage „Kommen denn, abgesehen von der möglichen Erhöhung der beiden Verbrauchsteuern, weitere Belastungen auf den Bürger zur" geantwortet - ich zitiere -: Ich wäre strikt dagegen. Die Belastung der Arbeitnehmer mit direkten Steuern und Abgaben ist zu hoch. Aber nur einen Tag oder Stunden vor diesem Interview hatten Sie selbst, Herr Matthöfer, beim SPD-Parteitag einem Sozialprogramm Ihrer Freunde zugestimmt, wonach die Bemessungsgrenze der Sozialversicherung zu Lasten der Bezieher mittlerer Einkommen erhöht werden soll, die bisher abgabenfreien Lohnzuschläge, vor allem tarifliche Mehrarbeitszuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit schrittweise in die Rentenversicherungspflicht einzubeziehen sind und die investitions- und damit arbeitsplatzfeindliche Maschinensteuer eingeführt werden muß. Das ist ein besonders guter Beitrag der Sozialdemokratischen Partei zur Erhaltung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Wie Sie nach so vielen Jahren Erfahrung mit Marktwirtschaft einen so groben Unfug verkünden können, ist mir selbst bei Ihnen ein Rätsel. ({58}) Sie haben doch eine ganze Reihe vernünftiger Ökonomen in Ihren Reihen. Daß das nicht verhindert werden konnte, verstehe ich nicht. Aber das sind Ihre Sorgen. Das bedeutet zweifelsfrei weitere zusätzliche Belastungen für den Bürger, für die Arbeitnehmer, für die Betriebe. Die Widersprüchlichkeit Ihrer Aussagen beleuchtet schlagartig alles, was Sie zu verbergen haben. Auch das macht es notwendig, alsbald entsprechend unserem Antrag auf Drucksache Haase ({59}) 8/3978 ({60}) nicht etwa einen neuen Finanzplan zu erarbeiten - das ist Sache der neuen Regierung nach der Wahl -, wohl aber Bundestag und Bundesrat eine umfassende und ungeschminkte finanzpolitische Bestandsaufnahme vorzulegen, in einzelnen und nicht nur in globalen Zahlen offenzulegen, welche Mehrbelastungen künftig auf uns zukommen, wie es das Gesetz verpflichtend vorschreibt. Wie glauben Sie, verehrter Herr Matthöfer, ohne eine solche ehrliche Bestandsaufnahme erfolgreich mit den Ländern verhandeln zu können? Mit Beschimpfungen oder Pressionen können Sie das nicht erreichen, Herr Matthöfer. Hier müssen Sie den Ländern gegenüber die nüchternen Tatbestände auf den Tisch legen und nicht in Verunglimpfungen gegen die Bundesländer in der deutschen Öffentlichkeit laut werden. Auch für die FDP hat unserer verehrter Kollege Hoppe noch am 27. März dieses Jahres eine solche Bestandsaufnahme gefordert und wörtlich erklärt - wieder einmal eines der goldenen Worte, Herr Hoppe, die wir uns zu unserem Nutzen immer merken -: Die Diskussion zwischen Bundesregierung und -rat über die Neuverteilung der Steueranteile ist im Gange. Mit dem Prinzip Hoffnung - sehr gut - allein jedoch sind die Deckungslücken nicht zu schließen. - Sehr gut. Um finanziell solide Entscheidungen fällen zu können, ist eine Bestandsaufnahme über die Finanzlage dringend erforderlich. Sie erscheint uns möglich und zweckmäßig, auch wenn letzte Einzelheiten derzeit noch nicht verfügbar sind. ({61}) - Ich bin immer noch beim Zitat von Herrn Hoppe. Eine Bestandsaufnahme setzt die Bereitschaft und den Mut voraus, deutlich politische Prioritäten zu setzen. Bis zur Stunde herrscht Unklarheit über die in Mark und Pfennig auszudrükkenden finanziellen Konsequenzen. Diese Unklarheit herrscht im Regierungslager nach wie vor. Wenn die FDP heute, entsprechend ihrer Haltung im Ausschuß, unserem Antrag, der voll den in der FDP-Erklärung verkündeten Grundsätzen entspricht, nicht zustimmt und damit die Regierung nicht zur Offenbarung zwingt, müssen Sie sich bei aller persönlichen Wertschätzung, verehrter Herr Hoppe, schon den Vorwurf gefallen lassen: Sie und Ihre Partei haben aus bloßer Koalitionsdisziplin wider eigene gute Einsicht und wider die von Ihnen zu Recht herausgestellten Interessen der Allgemeinheit gehandelt, Sie haben sich auch damit als eigenständische politische Kraft wieder einmal abgemeldet ({62}) Abschließend sei folgendes bemerkt. Den einzelnen Positionen des Nachtrags können wir ganz überwiegend zustimmen. Wir unterstützen verstärkte Anstrengungen für die Landesverteidigung unserer Republik und für die Sicherung unserer militärischen und politischen Flanke in Nahost Aber den Nachtrag als Teil des Gesamthaushalts, als Ausdruck einer verfehlten Politik, die uns immer tiefer in Schulden, in höhere Steuern und Abgaben, in die Inflation und letztlich in die Not führen wird, lehnen wir ab. ({63})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Löffler.

Lothar Löffler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001360, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenige Wochen, nachdem der Deutsche Bundestag den Haushaltsplan für 1980 verabschiedet hatte, kamen neue unabweisbare Mehrausgaben auf den Bund zu. Das erforderte die Vorlage eines Nachtragshaushalts. Das Gesamtvolumen dieser Mehrausgaben beläuft sich auf 1,84 Milliarden DM. Über diesen Nachtragshaushalt und über einige Aspekte, die damit zusammenhängen, möchte ich sprechen. Mehr als die Hälfte, nämlich 51 %, dieser Summe entfällt auf Internationale Verpflichtungen, denen wir uns nicht entziehen wollen und denen wir uns auf Grund unserer Stellung in der Welt auch nicht entziehen können. Wir wollen uns diesen Verpflichtungen nicht entziehen, weil wir zusammen mit anderen unsere friedenserhaltende Funktion gerade in der jetzigen schwierigen politischen Weltlage erkennen und uns bemühen, gemeinsam mit unseren Verbündeten diese Funktion zum Wohl aller auszuüben, auch wenn es Geld kostet. ({0}) Wir können uns dieser Funktion nicht entziehen, weil die Bundesrepublik - ohne daß wir uns überheben wollen - im westlichen Bündnis auf Grund ihrer Wirtschaftskraft und ihrer gesellschaftlichen Stabilität eine wichtige Rolle spielt. Wenn ich die Rede von Herrn Haase richtig werte, müßten wir ja im westlichen Bündnis das Schlußlicht an Stabilität und Sicherheit sein. Aber wir stehen mit an der Spitze, Herr Haase. Das haben Sie bei Ihren Ausführungen vergessen. ({1}) Wir denken nicht daran, uns egoistisch auf unseren eigenen Vorteil zu beschränken. Wir wissen, daß in der Welt viel Not und Ungerechtigkeit herrschen. Im Gefolge dieser Not und Ungerechtigkeit treten nicht selten Unsicherheit, Hilflosigkeit und auch Gewalt auf. Unsere Aufgabe muß es sein, mit Verständnis und Takt gegenüber den anderen Völkern Hilfe zu bieten, wo immer diese Hilfe möglich ist und Aussicht auf Erfolg verspricht. Dabei darf nicht vergessen werden: Dauerhafter Frieden läßt sich nicht nur auf militärische Stärke gründen, sondern bedarf als wichtiger Voraussetzung auch des weitgehenden sozialen Friedens und der Respektierung der Menschenwürde. ({2}) Friedenserhaltung heißt aber für die Bundesrepublik zugleich Erhaltung der Verteidigungsfähigkeit des westlichen Bündnisses. Der größte Teil der in diesem Nachtragshaushalt veranschlagten Mittel fließt der internationalen Hilfe für die Türkei zu. Diese Mittel sollen die wirtschaftliche Konsolidierung eines traditionell mit uns befreundeten Landes vorantreiben und gleichzeitig die Verteidigungskraft der NATO an einer politisch und strategisch sehr bedeutenden Stelle erhalten. Mit der Verabschiedung des Nachtragshaushalts unterstützt die sozialdemokratische' Fraktion die Bemühungen der Bundesregierung um Hilfe zur Lösung der wirtschaftlichen Probleme und zur Verbesserung der Verteidigungsfähigkeit der Republik Türkei. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion verbindet mit dieser Hilfe die Erwartung, daß die türkische Regierung der Achtung der Menschenrechte besondere Aufmerksamkeit zuwendet, daß die wirtschaftliche Hilfe vorrangig zur Verbesserung der sozialen Lebensbedingungen der breiten Bevölkerungsschichten in der Türkei verwendet wird und daß die von der Bundesrepublik zur Verfügung gestellte Militärhilfe ausschließlich zur Erfüllung der NATO-Verpflichtungen der Republik Türkei verwendet wird. ({3}) Die Bundesregierung wird aufgefordert, die weiteren Verhandlungen mit der Republik Türkei im Sinne dieser Erwartung zu gestalten. Wir wollen uns gegenüber anderen Nationen nicht als besserwisserischer Ratgeber aufspielen. Dazu sind wir sicherlich, wenn man die Geschichte unseres Landes in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts betrachtet, auch nicht besonders prädestiniert. ({4}) Wir sind aber davon überzeugt, daß jede Nation das Recht haben muß, ihr Staatswesen nach eigenen politischen Vorstellungen entsprechend ihrer historischen Erfahrung und ihren religiösen Bekenntnissen zu gestalten. ({5}) Das wird von uns respektiert, wenn es, Herr Kollege Glos, Voraussetzungen für die Erhaltung des Friedens schafft, d. h. - nun passen Sie schön auf, Herr Glos, damit Sie etwas mitkriegen - wenn sich die Gestaltung der inneren Verhältnisse gewaltfrei vollzieht. Dem, Herr Glos, werden Sie ja wohl zustimmen können. ({6}) Rüstungshilfen an andere Länder sind von grundsätzlicher Problematik, für die wir eine besondere Sensibilität entwickelt haben. Die Bundesregierung hat sich in dieser Frage immer und in stärkerem Maße als andere Nationen bemüht, selbst auferlegte Regeln einzuhalten, um dem moralischen Aspekt - nach unserem Verständnis - und dem Gedanken der Friedenssicherung gleichermaßen Rechnung zu tragen. Aus diesem Grunde ist eindeutig festzuhalten, daß sich das, was wir für die Türkei tun, nicht gegen ein anderes Land richtet. Insbesondere soll dadurch keine Zwietracht gegenüber Griechenland geschürt werden. ({7}) Diese Absicht wird dadurch unterstrichen, daß wir gleichzeitig mit der Türkei-Hilfe auch den Griechen unsere Hilfe zukommen lassen. Ich komme jetzt auf einige Aspekte des Nachtragshaushaltes zu sprechen. Bundesregierung und Koalitionsfraktionen haben in den haushaltspolitischen Erklärungen der letzten Zeit unmißverständlich deutlich gemacht, daß eine Erhöhung der Nettokreditaufnahme über die im Finanzplan angegebenen Zahlen hinaus nicht in Frage kommt. Wir meinen es ernst mit der Konsolidierung. Das beweist auch dieser Nachtrag zum Bundeshaushalt. Die Mehrausgaben werden ausschließlich durch Einsparungen an anderer Stelle gedeckt. Diese Einsparungen - das sei zugegeben - beschneiden unsere Gestaltungsmöglichkeiten im Innern, ohne daß allerdings schon, Herr Haase, der anspruchsvolle Begriff „Opfer" angebracht wäre. Spürbare Einschränkungen hingegen lassen sich nicht vermeiden. Diese Einschränkungen sind allerdings nicht nur auf den Nachtrag zurückzuführen, sondern auch auf die verhältnismäßig hohe globale Minderausgabe, die dieser Bundestag beschlossen hat und die der Finanzminister jetzt erwirtschaften muß. Das geht nicht ohne Eingriffe in den Haushaltsvollzug. Ich bitte niemand um Verständnis für diese Maßnahme, weil ich davon überzeugt bin, daß in weitesten Kreisen der Bevölkerung und auch der Administration die Einsicht in das, was möglich und vernünftig ist, alle Regungen des Unmutes über diese Einschränkungen überdecken wird. Der Bundesregierung und dem Parlament ist es gelungen, die Nettokreditaufnahme sogar noch geringfügig abzusenken. Damit sind wir finanzpolitisch noch nicht über den Berg der Probleme hinweg, ({8}) aber wir sind dabei, Herr Schröder, ihn zu bewältigen. ({9}) - Darauf komme ich noch zu sprechen, Herr Friedmann; bleiben Sie ruhig. - Dazu werden aber noch mehr Anstrengungen nötig sein, als wir bisher aufgebracht haben. Aber diese Anstrengungen können sich nicht allein auf den Bund konzentrieren. Der Bund ist haushaltspolitisch nicht allmächtig. Das, sehr geehrter Herr Kollege Haase, ist in Ihrer Rede überhaupt nicht zum Ausdruck gekommen. ({10}) Die finanziellen Möglichkeiten des Bundes werden sowohl von der Europäischen Gemeinschaft als auch von den Bundesländern mit beeinflußt. Ich will das gar nicht beklagen; denn sowohl die EG als auch die Bundesländer dienen zwei wichtigen politischen Prinzipien. Die EG ist in der gesamten europäischen Geschichte die wichtigste und wirkungsvollste Einrichtung zur Überwindung des ausschließlich nationalen Denkens, das in seiner schärfsten Form viel Unglück über Europa gebracht hat. Darüber hinaus befähigt diese Gemeinschaft Europa, in einem immer stärkeren Maße eine friedenserhaltende Funktion in der Welt wahrzunehmen, wie sie die EG-Staaten in der Vereinzelung ohne diesen Zusammenschluß nicht wahrnehmen könnten. Wir Sozialdemokraten waren immer für die Oberwindung nationaler Schranken und für die internationale Zusammenarbeit. Solidarität macht nach unserer Vorstellung nicht an den Grenzen halt. ({11}) Wir wenden uns auch nicht gegen den Föderalismus, weil wir wissen, daß es zur Sicherung der Freiheit und der Wohlfahrt gehört, daß die Entscheidungen möglichst nah am Bürger getroffen werden und nicht allein von zentralistischen Instanzen. Allerdings ist Föderalismus für uns nicht das Gegeneinander von Ländern und Bund um jeden Preis, sondern eine sinnvolle Kooperation. Das heißt, im Verhältnis zwischen Bund und Ländern sind nicht Muskelspiele, sondern Rationalität und gesamtstaatliche Verantwortung nötig. Diese Rationalität rechtfertigt einige kritische Bemerkungen nach beiden Seiten hin. Am 30. Mai wurde ein Streit innerhalb der EG beigelegt, der sich an den hohen Finanzabführungen des Vereinigten Königreichs an die EG-Kasse entzündet hatte und der die Gemeinschaft immer stärker zu lähmen drohte. Dieser Kompromiß ist für die Bundesrepublik teuer. Dennoch wollen wir uns auch hier nicht unseren Verpflichtungen entziehen. Wir würden sie allerdings freudiger erfüllen, wenn wir wüßten, daß das Geld in der EG für sinnvollere Maßnahmen ausgegeben würde, als das gegenwärtig geschieht. Fast 80 % der EG-Ausgaben entfallen auf die Agrarpolitik. ({12}) - Wissen Sie, Herr Glos, Ihre Zwischenrufe zu ertragen, ist eine gute Schule für die philosophische Weisheit des Alters. Wer das kann, der steht wirklich jenseits von Gut und Böse. Insofern bin ich Ihnen immer dankbar, wenn Sie versuchen, mich zu reizen. Das ist für mich praktisch der Gradmesser, wie weit ich vorangeschritten bin in meiner Ruhe und Gelassenheit. ({13}) - Es gibt allerdings einige Kollegen, Herr Dr. Friedmann, bei denen es zumindest zweifelhaft ist, ob sie sich auf dem Wege zur Weisheit befinden. Da gebe ich Ihnen recht. ({14}) Wir haben nichts dagegen, daß auch die europäischen Landwirte ein angemessenes Einkommen erzielen wollen, was in einer Industriegesellschaft nicht immer ganz leicht ist. Wir wenden uns allerdings dagegen, daß dieses Einkommen überwiegend durch einen Marktordnungsmechanismus erzielt werden soll, der zur Produktion von teuren Überschüssen anreizt. ({15}) Das System funktioniert etwa so: Wer verdienen will, muß Dinge produzieren, die in dieser Menge nicht gebraucht und deshalb auch nicht gekauft werden, sondern durch Intervention und Lagerhaltung unvorstellbar hohe Kosten verursachen. Das Geld könnte für andere Aufgaben besser ausgegeben werden, die auf Dauer auch mehr Nutzen für die Menschen in der EG brächten, auch mehr Nutzen für die europäischen Bauern. Wir begrüßen es deshalb, daß in dem Brüsseler Kompromißpaket auch der Auftrag an die Kommission steckt, bis zum Juni 1981 Vorschläge zu erarbeiten, wie die Agrarüberschüsse in der EG abgebaut werden können und wie der Anstieg der Agrarausgaben drastisch gebremst werden kann. Schnelle und leichte Lösungen wird es nicht geben. Die soziale Stabilität ganzer Regionen in der EG hängt von der Lösung dieser Frage ab. Diejenigen, die sich in diesem Hause schon länger mit den Fragen der EG-Agrarpolitik beschäftigen, kennen die Probleme, die sich nicht im Hauruckverfahren lösen lassen. Die Bundesregierung möge allerdings dafür sorgen, daß die Richtung, die nach dem 1. Juni 1981 eingeschlagen wird, stimmt. Bisher haben sich die Staaten der EG in dieser Frage immer von Kompromiß zu Kompromiß gehangelt, um Zeit zu gewinnen. Diese Politik des ständigen Kompromisses, ohne daß die dadurch gewonnene Zeit sinnvoll genutzt wurde, muß jetzt ein absehbares Ende haben. Die Bundesregierung hat dargelegt, wie sie die 2,5 Milliarden DM, die wir zur Verminderung der britischen Zahlungen beisteuern, finanzieren will. Wenn die Länder bei der schon überfälligen Neufestsetzung der Anteile am Umsatzsteueraufkommen dein Bund nicht entgegenkommen, sind Erhöhungen der Mineralöl- und Branntweinsteuer unausweichlich. Damit habe ich die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern angesprochen. Vorweg eine Feststellung. Der Bund ist nicht der finanzielle Kostgänger der Länder, wie einige das glauben machen möchten. Nach Art. 106 des Grundgesetzes haben der Bund und die Länder gleichmäßig Anspruch auf Deckung ihrer notwendigen Ausgaben. Wie sieht es nun mit diesem gleichmäßigen Anspruch aus? Statt Polemik zur Abwechslung einmal ein paar Zahlen. Von 1971 bis 1979 ist der Anteil der Umsatzsteuer, der auf die Länder entfällt, um 111 % gestiegen - das ist eine Zahl, die sich leicht merken läßt, weil es drei Einsen sind -, hat sich also mehr als verdoppelt. Der Anteil des Bundes hat sich hingegen nur um 66% erhöht. Wo bleibt da bei aller Sachlichkeit der gleichmäßige Anspruch? ({16}) - Verbal, lieber Herr Dr. Friedmann, erkennen die Länder, auch die von der Union regierten, zwar die höheren Aufwendungen des Bundes für seine internationalen Verpflichtungen an, aber sie sträuben sich, dem Bund zu geben, was des Bundes ist. ({17}) In diesem Zusammenhang fällt mir ein Satz ein, den ich hier vor längerer Zeit gesagt habe - ich wiederhole ihn -: Der Bund ist keine Kuh, die unzureichend gefüttert und schlecht behandelt wird und von der man aber stets steigende Erträge erwartet. ({18}) So können die finanziellen Beziehungen zwischen Bund und Ländern nicht laufen. Wer die gesamtstaatlichen Instanzen durch die Verweigerung von Mitteln in der Wahrnehmung ihrer Aufgaben hindert, schadet dem Ganzen und damit sich selbst. Wer polemischen Grabenkrieg dem rationalen Handeln vorzieht, will unbestreitbare Tatsachen verdecken, und wer partikulare Interessen der gesamtstaatlichen Verantwortung vorzieht, sät den Zweifel an unserer Ordnung aus. ({19}) Herr Kollege Haase und auch einige andere Finanzpolitiker der Union haben wieder einmal versucht, die verfehlte Finanzpolitik des Bundes auf die Hörner zu nehmen. Nur eines gelingt Ihnen dabei nicht, Herr Haase: den Nachweis zu erbringen, daß eine verfehlte Finanzpolitik dazu geführt hat, daß die Infrastruktur unseres Landes vorbildlich ist, daß die Menschen noch nie so gut gelebt haben wie gegenwärtig und daß die Rentner einen gesicherten schönen Lebensabend frei von sozialer Not verbringen können. ({20}) Wie das alles mit der verfehlten Finanzpolitik auf einen Nenner zu bringen ist, können Sie hier nicht erklären, und das können Sie auch dem Bürger nicht erklären. Das ist Ihre Schwierigkeit. ({21}) Wenn Sie nämlich ehrlich sind, dann sieht das mit der angeblich verfehlten Finanzpolitik etwas anders aus. Da lese ich doch in der „Welt" vom 11. Juni 1980, wie die CDU Steuersenkung und Familienhilfe finanzieren will. Der Inhalt dieses Artikels ist - kurz gesagt - folgender: Das Programm der CDU/CSU zur Steuersenkung, zur Familienhilfe und zum Abbau der Staatsverschuldung ist verhältnismäßig leicht finanzierbar. Warum? - frage ich jetzt -, weil diese Regierung eine Wirtschafts- und Finanzpolitik betrieben hat, die eine feste Grundlage für alles staatliche Handeln der Zukunft darstellt. ({22}) Auf solch einem Fundament ({23}) kann man leicht Versprechungen abgeben; nur widersprechen Sie sich damit in Ihren finanzpolitischen Äußerungen. ({24}) Gestern hat Herr Strauß erklärt, der Name Schmidt sei identisch mit unsolider Finanzpolitik. ({25}) - Sie müssen nun nicht in jede Falle hineinlaufen, sondern sollten sich vielleicht ein paar Formulierungen einfallen lassen, bei denen auch die Bürger klatschen können. ({26}) Aber Sie haben damit einen guten Beweis erbracht, d. h. Herr Strauß hat den Beweis erbracht, und Sie pflichten ihm bei. Mit diesem Wort hat die Polemik ein Niveau erreicht, bei dem Retourkutschen zwar ganz leicht wären - wenn man z. B. alles nennen wollte, wofür der Name Strauß gut stehen könnte -, aber intellektuelle Redlichkeit und der Respekt vor der Einsichtsfähigkeit unserer Bürger hindern mich daran, auf solch eine billige Weise eine wichtige Frage unseres Staates zu behandeln. Das überlasse ich Ihnen. ({27}) Wer regieren will, muß einsehbare Alternativen aufzeigen. Diese einsehbaren Alternativen aber sind nicht vorhanden. ({28}) Sie sind auch in den Ausführungen des niedersächsischen Ministerpräsidenten nicht vorhanden, der am gestrigen Tag ungeschminkt angekündigt hat - ich zitiere die „Welt" -, „solange der Bund keine Klarheit über die Finanzen schaffe, werde es keine neuen Gesetze geben, die den Bundesrat passierten". ({29}) Eine etwas eigenartige Vorstellung von kooperativem Föderalismus ({30}) und eine etwas eigenartige Vorstellung von der Funktion des vom Volke gewählten und in der Verfassung festgelegten Gesetzgebers in diesem Staate! ({31}) Das ist keine Alternative, sondern bestenfalls Sonthofen im kühlen Schein des Nordlichtes, Sonthofen, aufgearbeitet für die Lüneburger Heide und umliegende Ortschaften und Landschaften. ({32}) Herr Haase konnte es sich nicht verkneifen, einige neue Themen hochzuziehen. Weil er nämlich gegenwärtig wirklich kein finanzpolitisches Thema findet, über das er mit uns ernsthaft kritisch diskutieren könnte, ({33}) zieht er nun ein paar Themen an Land, die noch gar nicht da sind. So fängt er z. B. an, über die große Gefahr der Inflation zu reden, über Devisenzwangswirtschaft und über ein paar andere Dinge. Natürlich vergißt er auch nicht, darauf hinzuweisen, daß das alles eben auf Sozialismus zurückzuführen ist. - Lieber Herr Haase, wenn Sie von Sozialismus sprechen, dann wird mir immer ein bißchen schmerzhaft bewußt, daß „Sozialismus" ein Fremdwort ist und daß viele, die es benutzen - so hat es einmal Kurt Schumacher gesagt -, nicht buchstabieren können. Ich fürchte fast, Sie gehören auch dazu. ({34}) Wie sieht es nun mit der Inflation und der angeblichen sozialistischen Mißwirtschaft aus? Die Preissteigerungsraten in Italien betragen mehr als 20%. Frage, Herr Haase - eine ganz ruhige, sachliche Frage -: Ausfluß sozialistischer Mißwirtschaft? - Er antwortet nicht, gut. ({35}) Großbritannien hat eine Preissteigerungsrate von 19,1 %. Frage, Herr Haase: Folge sozialistischer Mißwirtschaft? ({36}) USA 14,1 % Steigerungsrate, Frankreich 13,4%. ({37}) Lieber Herr Haase, Sie müssen sich schon etwas anderes einfallen lassen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es muß doch möglich sein, auch in Wahlkampfzeiten zu einer sachlichen Aussprache, zu einer sachlichen Übereinkunft zu kommen. ({38}) Die Bürger erwarten das, sie erwarten es zu Recht. ({39}) Es bringt Ihnen doch sowieso nichts. ({40}) - Wissen Sie, lieber Herr Kollege Glos, ich schreibe mir meine Reden selber - im Gegensatz zu Ihnen. Bei Ihnen merkt man das. Lieber Herr Glos, ich bin ein alter Lehrer, ({41}) ich weiß haargenau, ob jemand seinen eigenen Text vorliest oder einen vorfabrizierten Text. Dann stimmen nämlich Text und Tonfall nicht überein. ({42}) - Doch, mein lieber Kollege Riedl, das ist Gelassenheit. ({43}) - Natürlich. Es bringt ja für Sie sowieso nichts, wenn Sie auf Nebenkampfplätze ausweichen, wohl weil Sie ahnen, daß Sie auf dem Hauptkampfplatz keinen Blumentopf gewinnen können. Aber es bringt für Sie wirklich nichts, glauben Sie es mir. Ich fasse zusammen: Die Bundesregierung und die sie tragende Koalition erfüllen nach wie vor ihre finanziellen Verpflichtungen nach außen und nach innen. Dabei haben Maßnahmen, die Voraussetzungen für den Frieden schaffen, jetzt Vorrang. Der Nachtragsetat wird finanziert, ohne die Nettokreditaufnahme zu erhöhen. Die notwendigen Mehrausgaben gleichen sich mit Ausgabenkürzungen aus. Damit ist der Nachtrag zum Bundeshaushalt ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zur Konsolidierung. ({44}) Bei aller Anerkennung der politischen Prinzipien, die sich im Föderalismus unseres Staates und in der EG zeigen, muß der Bund bei der Regelung der gegenseitigen Finanzfragen darauf achten, daß er politisch voll handlungsfähig bleibt. ({45}) Im Hinblick auf die EG gilt besonders: Die gesamte Finanzmasse, die der Bürger aufbringt, muß einer strengen Prioritätensetzung unterliegen. Es geht nicht an, daß Teile von ihr automatischen Regelungen unterworfen werden, die von der Mehrheit der Bürger politisch nicht gebilligt werden. ({46}) Die Finanzpolitik war in den letzten Jahren erfolgreich. Sie hat zur Stabilität im Innern erheblich beigetragen und uns in die Lage versetzt, auch für die äußere Stabilität einen bedeutenden Beitrag zu leisten. Wir sind sicher, daß der Bürger unsere finanzpolitischen Argumente würdigt und uns die Gelegenheit zur Fortsetzung dieser Politik geben wird. Die Sozialdemokratische Partei stimmt dem Nachtragshaushalt zu. - Schönen Dank. ({47})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hoppe.

Hans Günter Hoppe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000955, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Haase hat versucht, Stimmung in das Haus zu bringen. ({0}) Aber, meine Damen und Herren, was wir brauchen, ist nicht Stimmung, sondern die Finanzen müssen stimmen. ({1}) Meine Damen und Herren, so unstimmig sind die Zahlen des Nachtragshaushalts 1980 nun wirklich nicht. ({2}) Bundesregierung und Parlament haben ihre Ankündigung wahrgemacht, den Nettokreditbedarf angesichts der Zins- und Verschuldungsproblematik nicht zu erhöhen. Die Mehrausgaben werden nicht durch höhere Kredite finanziert, sie sind durch Kürzungen ausgeglichen worden. Und nun stellt sich der Kollege Haase hier hin und kritisiert diesen Kürzungsvorgang! Meine Damen und Herren, wer das tut, ist zur Konsolidierung des Bundeshaushaltes unfähig. ({3}) Meine Damen und Herren, es ist ein erfreuliches Ergebnis, daß die Kreditlinie gehalten werden konnte. ({4}) Aber wir sollten uns nicht einreden, daß damit alle Probleme gelöst und die Sorgen aus der Welt seien. ({5}) Es wäre sogar ein folgenschwerer Irrtum, wenn sich jetzt in Parlament und Öffentlichkeit der Eindruck festsetzen würde, daß die Taschen des Staates so leer doch wohl nicht seien, da es immer wieder gelingt, für neue Ausgaben und neue Aufgaben finanzielle Lösungen hervorzuzaubern. Es ist längst an der Zeit, solche illusionären Hoffnungen endlich zu zerstören; die Fakten zwingen uns dazu. ({6}) Meine Damen und Herren, der finanzielle Handlungsspielraum, der zur Anpreisung neuer und sicher auch wünschenswerter Aufgaben fortlaufend unterstellt wird, ist nicht vorhanden. Wir müssen ihn uns erst wieder mühsam schaffen. Es wäre unverantwortlich, ließen wir uns zu einer Ausgabenpolitik verleiten, die dem als absolut vorrangig erklärten Ziel der Haushaltskonsolidierung zuwiderlaufen würde. Wir waren uns klar darüber, daß der Bund von den Lasten befreit werden muß, die er sich als Konjunkturlokomotive der letzten Jahre im Interesse der Sicherung von Arbeitsplätzen aufgebürdet hat. ({7}) Soweit sich in Phasen wirtschaftlicher Rezession ein solcher Handlungsbedarf ergab, konnte auch die Verschuldungspolitik nicht umstritten sein. Wir haben uns ja schließlich nicht mutwillig - wider jede wirtschaftliche und finanzpolitische Vernunft - in Schulden gestürzt. ({8}) Die Gegensteuerung war notwendig und ist, wie der internationale Vergleich auch deutlich macht, überaus wirksam gewesen. ({9}) Sie erfolgte darüber hinaus stets im Einvernehmen mit dem Sachverständigenrat und der Deutschen Bundesbank. Aber mögen die Gründe dafür auch noch so stichhaltig gewesen sein, eine Erkenntnis ist nicht aus der Welt zu schaffen: Wer die Fähigkeit behalten will, in der Not staatliche Mittel helfend einzusetzen, muß auch den Willen und die Kraft bewahren, beizeiten dafür Vorsorge zu treffen, und das heißt: Abbau von Schulden und Sparen bei den Ausgaben zur rechten Zeit. ({10}) - Herr Kollege, Sie kriegen doch die Antwort. Mit Ihrer lamentierenden Position über Kürzungen haben Sie bei Gott nicht geholfen. ({11}) Daß wir nach der erzwungenen Defizitpolitik jetzt so überstrapaziert wirken, liegt nicht zuletzt daran, daß die öffentlichen Haushalte seit Jahren an einem Haushaltsstrukturdefizit von über 20 Milliarden DM kranken. Auf den Bund entfallen davon, wie wir wissen, rund 12 Milliarden DM. Wenn wir diesen ungesunden Zustand nicht endlich beheben, wie es die Sachverständigen immer wieder angemahnt haben, dann werden wir uns ein chronisches Leiden zuziehen, das für die Staatsfinanzen auf Dauer gefährlich ist. ({12}) Es ist unerhört schwer, dies allen plausibel zu machen. Das gilt für meine Partei und Fraktion genauso wie für den ganzen Bundestag und die Öffentlichkeit. Hinzu kommt, daß diese Einsicht dann schwer zu vermitteln ist, wenn es andererseits so aussieht, als seien neue Ausgaben immer wieder finanzierbar. Dabei hat das in diesem Umfang von allen Fraktionen des Deutschen Bundestages als notwendig angesehene Steuerentlastungspaket den wachen Sinn für sparsame Haushaltsführung nicht besonders geschärft. Und doch ist die Tarifkorrektur unumgänglich, um nicht Leistungskraft und Leistungswillen zu ersticken. Dieser Steuerverzicht ist einfach überfällig. Allerdings darf davon nun keine stimulierende Wirkung auf neue Pläne und finanzträchtigen Ideenreichtum ausgehen. Wer noch nicht glauben wollte, daß mit den steuer- und familienpolitischen Maßnahmen die Grenzen der Belastbarkeit erreicht sind, dem sollte dies spätestens durch den Beschluß des Bundeskabinetts vom 4. Juni dieses Jahres klargeworden sein. Herr Kollege Haase, wenn Sie auf meine Forderung nach finanzieller Bestandsaufnahme abheben, dann verschweigen Sie dabei, daß ich diese Forderung im Zusammenhang mit der großen finanzpolitischen Entscheidung über das Steuerpaket gestellt habe. Denn Ich meinte, bevor Bundestag und Bundesrat eine solche Verantwortung übernehmen, sollten sie die finanzpolitische Gesamtschau parat haben, um auch abwägen und entscheiden zu können. ({13}) Damals haben Sie mir die Unterstützung, die Sie heute nachliefern, nicht gegeben. Damals hätte auch Sie eine solche Bestandsaufnahme offenbar nur gestört. ({14}) Das jetzt zu fordern, wo die finanzpolitischen Entscheidungen dieser Legislaturperiode gefallen sind, ist doch einfach Schaum, der hier produziert wird. ({15}) Darüber hinaus hat der Bundesfinanzminister im Zusammenhang mit den Beratungen des Nachtragsetats im Haushaltsausschuß das vorgetragen, was aus gegenwärtiger Sicht dazu zu sagen ist. Die Zustimmung zu den Brüsseler Beschlüssen verband die Bundesregierung mit der Feststellung, daß die wachsenden Belastungen im Bundeshaushalt nicht mehr aus der zur Verfügung stehenden Finanzmasse . gedeckt werden können. Für den Fall, daß der Anteil des Bundes bei der Neufestsetzung der Mehrwertsteuer nicht aufgestockt wird, hat das Kabinett die Erhöhung von Verbrauchssteuern angekündigt. Wenn es im Zusammenhang mit dieser Thematik überhaupt etwas Erfreuliches zu berichten gibt, dann die von der Bundesregierung konstatierte Zustimmung aller Bundestagsfraktionen zu den Brüsseler Beschlüssen. Vor Tische hatte man es bei einer Fraktion noch anders gelesen. Die Dissonanzen sind inzwischen verklungen und die Aufwallungen gegen Europa hoffentlich verebbt. ({16}) Was die Finanzierung der immer drückender werdenden außenpolitischen Verpflichtungen angeht, so werden die Bundesländer ihren Anteil an der soliden Finanzierung des deutschen Beitrages nicht verweigern können. Die für 1981 anstehende Neuverteilung des Umsatzsteueraufkommens gibt Gelegenheit, das Verfassungsgebot des Art. 106 unseres Grundgesetzes in gesamtstaatlicher Verantwortung zu begreifen und zu erfüllen. Der Meinungsstreit zwischen Bund und Ländern sollte dabei allerdings nicht als Ringkampf im freien Stil ausgetragen werden. Catsch-as-catsch-can ist sowieso keine empfehlenswerte politische Spielart. Ganz sicher wird man damit aber in der Finanzpolitik nicht zum gewünschten Erfolg kommen. ({17}) Meine Damen und Herren, es darf auch nicht übersehen werden, daß der gewiß unbefriedigende, aber jetzt noch geltende Verteilungsschlüssel vom Bundeskanzler und den Ministerpräsidenten vereinbart wurde. ({18}) Für seinen damaligen Finanzminister war dieser Augenblick keine besonders glückliche Stunde. Auch die Länder werden sich jetzt darüber im klaren sein, daß die anstehende Neuverteilung mit Zugeständnissen an den Bund einhergehen muß. Sie können sich ihrer Verantwortung schließlich nicht entziehen und müssen zur Herstellung einer geordneten Finanzwirtschaft beitragen, ({19}) dies um so mehr, als es die Länder sind, die unsere internationale Verpflichtung nicht nur in ihren politischen Aussagen unterstützen, sondern die sogar noch mehr an Engagement auf all diesen Feldern fordern. Meine Damen und Herren, ein Schlaglicht auf die angespannte Haushaltslage hat die von der Bundesregierung angekündigte Möglichkeit von Steuererhöhungen geworfen. Nun kann und sollte sich .eigentlich niemand mehr noch etwas vormachen; denn von unpopulären Steuererhöhungen in einem Augenblick zu sprechen, in dem das Steuerentlastungspaket noch beraten wird, mutet wirklich wie eine kalte Dusche an. Dennoch hat sich die Bundesregierung zu dieser unpopulären Entscheidung genötigt gesehen. Wir haben harte Jahre vor uns. Dies muß ganz fest ins öffentliche Bewußtsein gebracht werden, und zwar nicht nur durch Worte, sondern auch durch entschlossenes Handeln. ({20}) Ich bin ganz sicher, daß die große Mehrheit der Bürger dies lieber sieht als Schönfärberei. ({21}) Die Kabinettsentscheidung vom 4. Juni hat, wie mir scheint, gerade die Dringlichkeit der Konsolidierung des Bundeshaushalts unterstrichen. Und zu Recht hat der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung am Dienstag festgestellt, daß eine stabile Finanzwirtschaft ein Eckpfeiler für unsere Friedensverantwortung in Europa ist. ({22}) Benötigt wird in der Tat eine stabile Finanzwirtschaft, um unsere innen- und außenpolitischen Aufgaben in Zukunft gleichermaßen erfüllen zu können. Erreichen werden wir dies nur durch drastische Kürzungen der Staatsausgaben, ({23}) und das ist nur dann zu schaffen, wenn wir bei den Subventionen hart zupacken. Meine Damen und Herren, dabei müssen wir endlich aus der Phase der Absichtserklärungen herauskommen. ({24}) Es sind genug Sprechblasen produziert; jetzt müssen Roß und Reiter genannt werden. ({25}) - Aber meine verehrten Kollegen, vor dem 5. Oktober ist daran wohl nicht ernsthaft zu denken. ({26}) - Dazu sage ich Ihnen folgendes: Jeder von uns sollte sich einmal im Kreis der eigenen Fraktion umsehen, und jeder sollte sein eigenes Verhalten noch einmal kritisch prüfen. Dann wissen Sie, warum die Voraussetzungen vor dem Wahltag fehlen. - Geben ist immer noch seliger und deshalb werbewirksamer als Zupacken und Nehmen. ({27}) Meine Damen und Herren, wir müssen unmittelbar nach der Bundestagswahl an diese Arbeit gehen. Ich möchte den Präsidenten der Deutschen Bundesbank ermuntern, ({28}) zusammen mit seinem Direktorium die Vertreter der Parteien aus Bundestag und Bundesrat einzuladen, damit wir diese gesamtstaatliche Aufgabe auch gemeinsam angehen und meistern können. ({29}) - Nein, nicht nach diesem Motto, sondern nach den guten Erfahrungen, die wir mit der Berlin-Kommission gemacht haben. Wir dürfen darauf hoffen, daß die Bereitschaft dazu bei allen Parteien vorhanden ist. Unter der Moderation der kompetenten Bundesbank sollte es gelingen, die dringend gebotene Sanierung der Staatsfinanzen gemeinsam in den Griff zu bekommen. ({30}) - Meine Damen und Herren, tun Sie doch nicht so, als wüßten Sie nicht aus eigenen leidvollen parlamentarischen Erfahrungen, daß die interfraktionelle Zusammenarbeit bei der Erfindung von Subventionen glänzend funktioniert, daß wir uns aber stets gegenseitig in den Rücken fallen, wenn mit dem Subventionsabbau Ernst gemacht werden soll. ({31}) Und dabei wird nicht nur eine Fraktion gegen die andere bemüht, ({32}) sondern die Interessengruppen, die eine solche Diskussion stoppen, sitzen in ausreichender Zahl in jeder Fraktion. ({33}) Meine Damen und Herren, der Finanzminister legt Ihnen ja jedes Jahr den Subventionsbericht vor, und was machen Sie damit? Sie jammern und weinen, aber in Wirklichkeit klopfen Sie sich selbst - mehr oder weniger verschämt, manchmal aber auch mehr oder weniger begeistert - auf die Schultern, und weisen bei Ihrer Klientel darauf hin, was Sie als Veranlasser von Wohltaten davon zustande gebracht haben. ({34}) Meine Damen und Herren, das ist das Spiel, das wir gemeinsam betrieben haben. Damit sind wir bei dem jetzigen Zustand der Staatsfinanzen gelandet, und deshalb ist Umkehr nötig. ({35}) Das Bundesfinanzministerium leistet dafür seine Vorarbeit mit den nachdrücklichen Bemühungen, die Neuverschuldung in Grenzen zu halten.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter Hoppe, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Häfele?

Hans Günter Hoppe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000955, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte schön.

Dr. Hansjörg Häfele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000774, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Hoppe, darf ich Sie fragen: Wer hat in der Bundesrepublik Deutschland seit 1969 die Regierungsverantwortung in der Bundesregierung? ({0})

Hans Günter Hoppe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000955, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Verehrter Herr Häfele, Gott sei Dank die sozialliberale Koalition, ({0}) denn der Zustand und Zuschnitt dieses Landes ({1}) ist so, daß, wie Sie ja leider wissen - das „leider" ist auf Ihre eigenen Chancen bezogen -, die breite Mehrheit dieser Politik mit großer Zustimmung beitritt und wünscht, daß diese Politik fortgesetzt wird. ({2}) Meine Damen und Herren, ich möchte zu der Aufgabe zurückkehren, die ich für die nächsten Jahre nun wahrlich für vordringlich halte. Ich sage noch einmal, daß der Bundesfinanzminister und die Bundesregierung sich bemühen, hier den ersten Schritt zu tun und die Neuverschuldung in Grenzen zu halten. Der Bundesfinanzminister hat immer wieder beteuert, daß die Marke der mittelfristigen Finanzplanung von 27 Milliarden DM für 1981 auf keinen Fall überschritten werde. Schon im vergangenen Jahr war aus dem Bundesfinanzministerium die Warnung zu hören: Vernachlässigen wir die Absenkung der Finanzierungsdefizite in konjunkturell guten Zeiten, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn die politische Gestaltungsfähigkeit leidet und die Manövriermasse kleiner wird. Von dieser Zielvorgabe darf nicht mehr abgewichen werden. ({3}) - Verehrter Herr Kollege, Sie würde ich das nächstemal gern im Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages sehen, damit Sie diese Politik dort aktiv fördern und unterstützen können. ({4}) Meine Damen und Herren, aber ich muß leider darauf hinweisen -: Noch wachsen Zinsen und Schulden weiter. ({5}) Genau diese Entwicklung muß gestoppt und der Prozeß der Umkehr eingeleitet werden. Ich hoffe, daß es nicht als Marotte von mir empfunden wird, wenn ich erneut so nachdrücklich auf einer Politik der Haushaltskonsolidierung bestehe. Wir Freien Demokraten sind jedenfalls nicht bereit, die wachsenden Staatsschulden als unausweichlich, geradezu schicksalhaft hinzunehmen. Auch finanzwissenschaftliche Kreislauftheorien werden die Besorgnis gegenüber einer großzügigen Defizitpolitik nicht einschläfern. ({6})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter Hoppe - Hoppe ({0}): Nein, ich möchte jetzt zum Schluß kommen. Meine Damen und Herren, bei der Schuldenhöhe des Bundes und dem Zinsdruck dürfen uns noch so schöne Theorien nicht dazu verführen, in der Kreditfinanzierung den bequemen Ausgleich und Ausweg zu sehen. Die diesem Vorgang schon jetzt innewohnende Dynamik ist nicht unbedenklich. Wir können den für die Finanzpolitik notwendigen Handlungsspielraum eben nur dann zurückgewinnen, wenn wir diesen Trend brechen. Hier tickt tatsächlich eine Zeitbombe, die wir entschärfen müssen. Sonst, meine Damen und Herren, könnte es eines Tages geschehen, daß die Verschuldung des Staates zwar immer noch wissenschaftlich begründbar ist, daß die Folgen dieser Finanzpolitik aber praktisch nicht mehr beherrschbar sind. ({1}) Bleiben wir deshalb auf dem Boden der Tatsachen. Treiben wir Haushaltspolitik im Interesse des Staates und der Steuerzahler nach Adam Riese! Wir können nicht länger über den Zahlen schweben wie der liebe Gott über den Wolken. Treten wir ({2}) - und das gilt auch für Sie, Herr Schmitz - neuen Forderungen und neuen Ansprüchen konsequent entgegen! ({3})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.

Hans Matthöfer (Minister:in)

Politiker ID: 11001439

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Herrn Hoppe sagen, daß ich seinen Vorschlag begrüße, einmal mit den Präsidenten der Bundesbank im geeigneten Kreis zu diskutieren. Dann wird hoffentlich auch der Unsinn aufhören, Zitate aus dem Zusammenhang zu reißen und so den Eindruck zu erwecken, als sei die Bundesbank gegenüber der Politik der Bundesregierung, die sie selbst mitberaten und mitbeschlossen hat und der sie zugestimmt hat, nachträglich kritisch eingestellt. Ich begrüße also ausdrücklich diesen Vorschlag; denn nicht nur die Vertreter der Bundesbank haben dabeigesessen, sondern auch andere, die nachträglich kritisieren, waren in jeder Stufe des Entscheidungsprozesses mit befaßt. Ich finde, man sollte nachträglich nicht kritisieren, wenn man sich nicht rechtzeitig zu Worte gemeldet und Vorschläge gemacht hat. ({0}) Das herausragende Ereignis der internationalen Finanzpolitik der letzten Wochen war der Kompromiß der Europäischen Gemeinschaft vom 30. Mai 1980. Die Bundesregierung hat die Brüsseler Beschlüsse am 4. Juni gebilligt und gleichzeitig natürlich auch auf die finanzpolitischen Konsequenzen aufmerksam gemacht. Die europa- und weltpolitische Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland, die Verpflichtung zu europäischer Solidarität und zur Wahrung der politischen und wirtschaftlichen Funktionsfähigkeit der Gemeinschaft verlangen von den Bürgern der Bundesrepublik Opfer. Die Beilegung des Haushaltsstreits in der Europäischen Gemeinschaft war eine vordringliche außen- und sicherheitspolitische Aufgabe. Die Bundesrepublik trägt wie die anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft ihren Anteil nach dem Schlüssel der seit 1971 geltenden Regeln der Europäischen Gemeinschaft. Die Notwendigkeit, das Anwachsen des EG-Haushalts stärker unter Kontrolle zu bekommen, ist größer geworden. Drastische Korrekturen sind in absehbarer Zeit unabweisbar. Insbesondere muß die Agrarpolitik der Europäischen Gemeinschaft geändert werden. Eine Gemeinschaft von Industriestaaten kann es sich nicht erlauben, daß über 70 % ihres Haushalts im wesentlichen für die Finanzierung von Agrarüberschüssen benötigt werden. Die Kommission hat den Auftrag, bis zum 1. Juni 1981 Vorschläge zu machen, die wirksame Maßnahmen u. a. zum Abbau der Agrarüberschüsse vorsehen, so daß der Anstieg der Agrarausgaben unterhalb des Anstiegs der eigenen Einnahmen der Europäischen Gemeinschaft gehalten werden kann. ({1}) Hier liegt eine wichtige Aufgabe und eine große Chance, die wir mit Beharrlichkeit und allerdings auch mit wachsender Härte werden verfolgen müssen, wenn wir der Gemeinschaft ein finanzpolitisches Debakel, das sonst schon im nächsten Jahre bevorstünde, ersparen wollen. Wir haben mit den anderen Mitgliedstaaten vertraglich vereinbart, daß wir nicht mehr als 1 % der Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer abführen. An diese Grenze wird der Haushalt der Europäischen Gemeinschaft nur zu bald stoßen, wenn nichts geschieht. Die Bundesregierung hält entschieden daran fest, daß diese 1%-Grenze bei der Abführung auch in Zukunft nicht überschritten werden darf. ({2}) Es ist ausgeschlossen, daß die Agrarausgaben auch in Zukunft mit demselben Tempo weiter steigen wie im Schnitt der vergangenen fünf Jahre, in denen sie eine jährliche Steigerungsrate von 23% aufgewiesen haben. Wir fordern die Partner der Bundesregierung im Rat, das Europäische Parlament und die Kommission auf, auch im Bereich der sogenannten nichtobligatorischen Ausgaben des EG-Haushalts jede Möglichkeit zu ergreifen, um zu kürzen und zu strecken. Eine höhere Nettokreditaufnahme des Bundes kommt zur Finanzierung zusätzlicher Belastungen aus dem EG-Haushalt nicht in Betracht. Das gilt für 1980, das gilt für 1981, und das gilt für alle Zeiten. Ich sage noch einmal: Ich werde keine D-Mark mehr Kredit aufnehmen, als zur Sicherung der Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland unabweisbar erforderlich ist. ({3}) - Sehen Sie doch bitte in der Finanzplanung nach. Stellen Sie doch nicht mehr solche Fragen. ({4}) Unser Anteil an der britischen Entlastung für die Jahre. 1980 und 1981 beläuft sich auf insgesamt 2,5 Milliarden DM. Dazu kommen die Auswirkungen des in Brüssel gleichzeitig verabschiedeten Agrarpakets. Im Bundeshaushalt 1980 - darauf habe ich sofort hingewiesen, als der Beschluß bekannt wurde - sind zusätzliche Belastungen durch Einsparungen nicht mehr zu finanzieren. Wir haben mit Hilfe des Haushaltsausschusses einen knappen Haushalt vorgelegt. Wir haben 2 Milliarden DM zur Finanzierung des Ihnen vorliegenden Nachtragshaushalts gestrichen, und wir müssen noch einmal 3 Milliarden DM als globale Minderausgabe erbringen. Ich werde einen ernsthaften Versuch machen, mit allen Mitteln - ich schildere Ihnen das gleich noch ein bißchen - sicherzustellen, daß diese globale Minderausgabe erbracht wird. Wer nun glaubt, aus einem Haushalt, der zum erstenmal in der Geschichte der Bundesrepublik rechtzeitig verabschiedet worden war und der sich jetzt seit sechs Monaten in Vollzug befindet - mit den internationalen Verpflichtungen, mit den gesetzlichen Verpflichtungen, mit den vertraglichen Verpflichtungen -, nachträglich noch mehr herausschneiden zu können, bei dem kann es sich nicht um einen Fachmann handeln. Es ist aber Gott sei Dank auch nicht nötig, das noch 1980 zu machen, da das britische Haushaltsjahr bis zum 31. März nächsten Jahres geht, so daß sich das überlappt und wir das dann im nächsten Jahr machen können. Die Mehrbelastungen 1981 für Europa können gleichfalls nicht durch Einsparung im Bundeshaushalt ausgeglichen werden; denn ich habe mich verpflichtet - ich werde das tun -, die Mindereinnahmen, die durch die Steuersenkung ab 1. Januar 1981 entstehen, durch Einsparungen zu finanzieren. Wenn Herr Kollege Haase hier sagt, welche Dinge wir alle streichen wollten, so kann ich nur sagen, daß fast alle. Ausgaben im Bundeshaushalt vernünftig sind. Wenn sie das nicht wären, Herr Kollege Haase, dann frage ich Sie, warum der Haushaltsausschuß uns nicht darauf aufmerksam gemacht hat. Alle Ausgaben sind vernünftig. Gleichwohl werden wir die Steuermindereinnahmen durch Streichungen aus- gleichen, und darüber hinaus ist nichts mehr möglich. Das mußte rechtzeitig gesagt werden, damit jeder, der diese europäischen Entscheidungen begrüßt und mich auffordert, wie etwa Ihr Parteivorsitzender, hier auch zur Kasse zu treten, weiß, daß Opfer gebracht werden müssen, ({5}) und damit das deutsche Volk weiß, wie diese Opfer aussehen. ({6}) Kürzungsmöglichkeiten werden zur Finanzierung des Steuerpakets und anderer unabweisbar auf uns zukommender Mehrbelastungen benötigt. Sollten die Länder nicht zu der von uns vorgeschlagenen Verbesserung des Verteidigungsschlüssels bei der Umsatzsteuer bereit sein, wird die Bundesregierung unmittelbar nach Zusammentreten des neu gewählten Bundestages einen Gesetzentwurf vorlegen müssen, der die Finanzierung der Mehrbelastung aus der EG ab 1. Januar 1981 sicherstellt. Wir werden - das sagen wir den Wählern jetzt schon - dem Bundestag folgendes zur Verabschiedung vorschlagen: eine Erhöhung der Mineralölsteuer auf Vergaserkraftstoffe um 3 Pfennig pro Liter. ({7}) - Wir haben gerade drei Tage mit den Saudis gesprochen. Ich bedanke mich für den Zwischenruf; denn er gibt mir Gelegenheit, auch auf einiges einzugehen, was Herr Kollege Haase hier gesagt hat. Wir haben ernste Schwierigkeiten mit unserer Zahlungsbilanz. ({8}) Die Preise für 01 sind so gestiegen, daß wir für die gleiche Menge 01, die wir im vergangenen Jahr verbraucht haben, in diesem Jahr 25 Milliarden DM mehr zahlen müssen. ({9}) Dies ist mehr als das gesamte Aufkommen der Mineralölsteuer. Die Ölpreissteigerungen dieses Jahres 1980 sind viel höher als das Gesamtaufkommen der Mineralölsteuer. Wenn man dieses Zahlungsbilanzdefizit bekämpfen will, muß man an den Ursachen ansetzen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Glos?

Hans Matthöfer (Minister:in)

Politiker ID: 11001439

Ich vermute, er wird jetzt seinen Zwischenruf in Frageform sagen, aber bitte.

Michael Glos (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000691, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, ich frage Sie, warum Sie diese Erkenntnis nicht dahin gehend umsetzen, daß Sie im Bundeskabinett endlich darauf dringen, daß die Kernenergie, die uns von dieser hohen Ölrechnung entlasten könnte, endlich ausgebaut wird. ({0})

Hans Matthöfer (Minister:in)

Politiker ID: 11001439

Herr Kollege Glos, ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß der Bundesregierung nach meinen Informationen zur Zeit nicht eine einzige Entscheidung vorliegt, die im Zusammenhang mit der Genehmigung von Kernkraftwerken steht. Fordern Sie die von Ihnen regierten Länder auf, Anträge zu genehmigen und der Bundesregierung vorzulegen! ({0}) Dann werden sie genau wie in der Vergangenheit zügig behandelt, geprüft und genehmigt werden. ({1}) - Entschuldigen Sie, Sie sind also gegen Kohlekraftwerke in Nordrhein-Westfalen, wie ich Ihrem Zwischenruf entnehmen muß. ({2}) Warum wollen Sie denn unbedingt ein Land nehmen, das auf der Braunkohle und auf der Steinkohle sitzt, um dort Kernenergie einzusetzen? ({3}) - Ich bitte Siel ({4}) - Dann sagen Sie, ob Sie Autos mit Kernenergie betreiben wollen! ({5})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Hans Matthöfer (Minister:in)

Politiker ID: 11001439

Bitte schön.

Hans Peter Schmitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002035, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, um den Irrtum aufzuklären: Es stehen in Nordrhein-Westfalen zwei Kohlekraftwerke zum Schmitz ({0}) Bau an. Können Sie sich erklären, warum bis heute nicht angefangen worden ist?

Hans Matthöfer (Minister:in)

Politiker ID: 11001439

Wollen Sie sagen, das liegt an einer Entscheidung der Bundesregierung? ({0}) Das war doch die Frage. Was soll denn diese unsystematische Hinundherfragerei? Verschaffen Sie sich ein vernünftiges Energiekonzept, wie die sozialliberale Bundesregierung es hat! ({1}) Fordern Sie Ihre Länder auf, Genehmigungen vorzulegen! ({2}) Dann werden in dem Maß, in dem Kernenergie in der Bundesrepublik unabweisbar erforderlich ist - wobei wir uns allerdings vorrangig auf unsere nationale Energiequelle, die deutsche Steinkohle, stützen -, die entsprechenden Genehmigungen verschafft werden. ({3})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Noch eine Zwischenfrage?

Hans Matthöfer (Minister:in)

Politiker ID: 11001439

Nein. Entschuldigung, Herr Präsident, nachdem schon der Herr Kollege Haase nicht zum Nachtragshaushalt gesprochen hat, wollen wir hier jetzt nicht noch eine Energiedebatte in Dialogform führen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Eine weitere Zwischenfrage wird gewünscht, Herr Bundesminister. Gestatten Sie sie?

Hans Matthöfer (Minister:in)

Politiker ID: 11001439

Wenn sie zum Haushalt ist, sehr gern.

Dr. Heinz Günther Hüsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000977, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, nachdem Sie soeben behauptet haben, die CDU sei gegen den Bau von Kohlekraftwerken in Nordrhein-Westfalen, würden Sie bitte die Frage beantworten - Matthöfer, Bundesminister der Finanzen: Entschuldigen Sie, ich kann solche Zwischenfragen nicht zulassen. Setzen Sie sich bitte wieder! ({0}) - Also liebe Damen und Herren von der CDU/CSU, wir führen hier keine Energiedebatte. ({1}) - Entschuldigen Sie, man muß doch einen gewissen Komment einhalten! ({2}) Zum Bundeshaushalt 1980 höre ich keine Zwischenfragen mehr.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Bundesminister, einen Augenblick. Darf ich Sie noch einmal unterbrechen, ebenso den, der die Zwischenfrage gestellt hat. Es gibt keine Grundlage dafür, eine Frage unter einer Vorbedingung zuzulassen. Aber Sie haben selbstverständlich das Recht, jede Zwischenfrage abzulehnen. Wenn ich diese Fragen über Kernkraftwerke oder Kohlekraftwerke dennoch zugelassen habe, Herr Bundesminister, dann deswegen, weil eben mit der Beratung des Haushalts und des Nachtragshaushalts immer mehr oder weniger eine allgemeine Debatte verbunden ist. Sie möchten also keine weiteren Zwischenfragen über - Matthöfer, Bundesminister für Finanzen: - zur Energiepolitik. Denn wir haben noch genug Dinge zu widerlegen, die hier zur Beunruhigung des deutschen Volkes vom Herrn Kollegen Haase in die Welt gesetzt worden sind. ({0}) Im Bundeshaushalt 1980 sind zusätzliche Belastungen insbesondere wegen der noch zu erbringenden globalen Minderausgabe, so sagte ich, durch Einsparungen nicht mehr zu finanzieren. Die Kürzungsmöglichkeiten werden in vollem Umfang zur Finanzierung des Steuerpakets eingesetzt werden. Und nun komme ich auf die Erhöhung der Mineralölsteuer zurück. Herr Kollege Haase, wenn Sie davon sprechen - ({1}) - Entschuldigen Sie, ich werde mich durch Sie nicht mehr auf Nebengleise lenken lassen. ({2}) Hören Sie mal ein bißchen zu! Seien Sie bitte geduldig! Wir kommen jetzt zur Erhöhung der Mineralölsteuer. Herr Kollege Haase, wenn Sie von einer Belastung der zukünftigen Generation sprechen, die wir vornehmen, ({3}) dann kann ich Ihnen auf einem Gebiet zustimmen. Das ist der zu hohe Ölverbrauch. Hier wird in der Tat durch die augenblickliche Generation in einer gegenüber den künftigen Generationen geradezu unverantwortlichen Art und Weise 01 verschwendet. Wir verbrennen das 01, das Millionen Jahre zu seiner Entstehung benötigt hat, innerhalb weniger Generationen. ({4}) - Herr Kollege Haase, ich werde Ihnen in zehn Minuten eine Zwischenfrage gestatten. Jetzt muß ich erst einen Gedankengang geschlossen vortragen können. ({5}) Was wir brauchen, ist eine drastische Verminderung des Ölverbrauchs, insbesondere eine drastische Verminderung des Benzinverbrauchs. Hier liegt eine ursachenorientierte Bekämpfung des Defizits in der Leistungsbilanz. Wenn die Erhöhung der Mineralölsteuer als Nebenwirkung zu einer minimalen Verbrauchsminderung beiträgt, dann ist das in jedem Sinn eine gewünschte Wirkung. ({6}) Und nun sage ich: Wir wissen natürlich, daß eine Erhöhung der Mineralölsteuer unpopulär ist. Aber die OPEC-Staaten - das haben gestern unsere Gespräche mit saudi-arabischen Freunden noch einmal ergeben ({7}) werden die Ölpreise so lang erhöhen, bis der Verbrauch in den Industrieländern drastisch zurückgeht. Darüber gibt es gar keinen Zweifel. Was immer wir durch eigene Maßnahmen tun können, um zu einer solchen Verbrauchsminderung beizutragen, wird ganz sicher auch helfen, unsere Zahlungsbilanzprobleme zu mindern. Das ist der Zusammenhang: Wer Zahlungsbilanzprobleme hat, die auf zu hohen Ölverbrauch zurückzuführen sind, muß sicherstellen, daß weniger 01 verbraucht wird. Das gilt auch für die Bundesrepublik. Dabei dürfen wir auch nicht vor unpopulären Maßnahmen zurückschrecken, weil wir die Verantwortung für den Gesamtstaat und damit auch, da unsere Währung solide und sicher bleiben soll, für die Beseitigung des Zahlungsbilanzdefizits haben. Auch deshalb eine Erhöhung der Mineralölsteuer auf Dieselkraftstoff um 2 Pfennig pro Liter. Zur Umstellung der Gasölbetriebsbeihilfe für Landwirte in drei Stufen auf eine nachträgliche Erstattung: Hier haben wir wieder das Doppelspiel des Herrn Kollegen Haase festzustellen. Einerseits fordert er mich auf, Subventionen abzubauen. Mache ich das in einem minimalen Umfang durch eine Umstellung der Zahlungsweise, so daß dreimal hintereinander 200 Millionen DM anfallen, bezeichnet er das als eine Belastung der Bauern. ({8}) - Bitte, lesen Sie Ihr Manuskript nach. Ich habe sehr sorgfältig zugehört. Sie sind doch wohl noch nicht so weit, daß Sie nicht mehr wissen, was Sie selbst sagen. ({9}) Hinzu kommt die Erhöhung der Branntweinsteuer um 200 DM pro Hektoliter, und zwar auch nach Umstellung des Zahlungsverfahrens. Insgesamt führen diese Maßnahmen 1981 zu Steuermehreinnahmen des Bundes in Höhe von 1,5 Milliarden DM und zu einer Ausgabenentlastung um rund 200 Millionen DM. Das ist also der Vergleich, den man anstellen muß: Einer Senkung von 15 Milliarden DM bei den direkten Steuern steht eine Belastung von 1,5 Milliarden DM - ein Zehntel der Entlastung - bei den indirekten Steuern gegenüber. Ich kann mich nur wundern, daß sich eine Partei, die seit Jahren eine Änderung des Verhältnisses direkter zu indirekten Steuern fordert, in jedem konkreten Falle gegen die Vorschläge stellt, mit denen genau das herbeigeführt werden soll. Für eine Anhebung der genannten Verbrauchsteuern - wenn sie denn durch die Entscheidung der Länder unvermeidbar werden sollte - sprechen energie- und gesundheitspolitische Gründe, spricht entscheidend auch die Erwägung, daß es sich hier um eine Bundessteuer handelt. Der Vorschlag - der ja auch gemacht worden ist -, zur Bewältigung der außenpolitischen finanziellen Lasten die zum 1. Januar 1981 geplante Steuersenkung hinauszuschieben oder sie geringer zu halten, ist nicht sachgerecht. Der Bundesfinanzminister bekommt von 100 DM Lohn- und Einkommensteuer nur 42,50 DM. Um 100 DM für Europa zu bekommen, wäre es unsinnig, die Lohnsteuerzahler mit etwa 230 DM mehr zu belasten. Trotz der gegenteiligen Ankündigungen in den letzten Tagen hoffe ich, daß die Bundesländer durch ihre Haltung bei den anstehenden Verhandlungen über die Umsatzsteuerneuverteilung zum 1. Januar 1981 dazu beitragen, daß die angekündigte Anhebung der Mineralöl- und Branntweinsteuer sowie die Umstellung der Gasölbetriebsbeihilfe für Landwirte nicht verwirklicht werden muß. Für eine vernünftige Entscheidung der Länder gibt es viele gute Gründe. Nach dem geltenden Grundsatz haben Bund und Länder gleichermaßen Anspruch auf Deckung ihrer notwendigen Ausgaben durch laufende Einnahmen. Diesem Grundsatz wird seit Jahren nicht mehr entsprochen. Zu der unausgewogenen Entwicklung hat folgendes beigetragen. Die finanziellen Lasten der wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen seit 1974 zur Sicherung der Beschäftigung und zur Förderung des Wirtschaftswachstums haben den Bundeshaushalt am stärksten betroffen. Durch die Steuer- und Kindergeldreform von 1975 sind dem Bund - ohne genügenden Ausgleich durch die Länder - die höchsten Belastungen auferlegt worden. Allein für das Kindergeld muß der Bund inzwischen mehr als 17 Milliarden DM jährlich aufbringen. 1974 betrugen die Bundesausgaben für Kindergeld nur 3 Milliarden DM. Die internationalen Verpflichtungen der Bundesrepublik mit stark steigender Tendenz sind allein vom Bund zu finanzieren. Ich verweise auf unsere Leistungen an die Türkei im Rahmen der internationalen Hilfsaktion, auf die starke Steigerung bei unseren Entwicklungshilfeausgaben sowie auf die erheblich angestiegenen Verteidigungsausgaben. Vor allem aber steht der Bundesanteil an der Umsatzsteuer nicht in vollem Umfang zur Erfüllung nationaler Bundesaufgaben zur Verfügung. Vielmehr sind davon, bevor wir überhaupt daran denken können, die Umsatzsteuereinnahmen in den BundesBundesminister Matthöfer haushalt bei uns einzuplanen, die Anteile abzusetzen, die wir an die Europäische Gemeinschaft abführen. Im Jahre 1975 betrug der EG-Anteil am gesamten deutschen Umsatzsteueraufkommen rund 5 %, was 2,8 Milliarden DM entspricht. Im Jahre 1980 werden es nach dem Haushaltsplan des Bundes bereits 7,5 To oder 7 Milliarden DM sein. Durch die jüngsten EG-Beschlüsse ergeben sich zusätzliche Belastungen des Bundeshaushalts. Darüber hinaus wird der Umsatzsteueranteil des Bundes seit 1974 um weitere 1,5 % des Gesamtaufkommens vermindert, die den finanzschwachen Bundesländern als Ergänzungszuweisungen zufließen. Zur Finanzierung von Bundesaufgaben verbleiben somit im Jahre 1980 tatsächlich nur 57,7 % des gesamten Umsatzsteueraufkommens statt der 67,5 %, die dem Bund nach dem Finanzausgleichsgesetz zustehen. Vom gesamten Steueraufkommen in der Bundesrepublik entfallen auf den Bund im Jahre 1980 nur noch 48,6 % gegenüber 51,6 % im Jahre 1977. Das ist ein Rückgang von über 10 Milliarden DM im Jahr. Nachdem der Bund für die Jahre 1979 und 1980 trotz der Unausgewogenheit der Finanzausstattung von Bund, Ländern und Gemeinden die seit dem 1. Januar 1978 geltende, auch damals schon nicht mehr sachgerechte Umsatzsteuerverteilung hingenommen hat, sind die Länder nunmehr aufgefordert, der Notwendigkeit einer Verbesserung der Finanzausstattung des Bundes zur Ermöglichung der angemessenen Erfüllung seiner von allen Parteien des Deutschen Bundestages gewollten nationalen und internationalen Aufgaben Rechnung zu tragen. Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit noch etwas zum Steuerentlastungspaket sagen. Ich habe auch heute keinen Zweifel daran, daß es richtig ist, an den geplanten Steuersenkungen für die Bürger ab 1981 festzuhalten. Wir brauchen heute mehr denn je eine geradlinige, stetige Steuer- und Finanzpolitik, die auf plötzliche Kehrtwendungen und auf hektische Neuorientierungen verzichtet. Wir hatten 1978 und 1979 Steuersenkungen. 1980 traten weitere Erleichterungen in Milliardenhöhe in Kraft. Diesen Kurs werden wir mit dem Entlastungspaket 1981/82 fortsetzen. Die Belastung insbesondere der Arbeitnehmer mit direkten Steuern und Abgaben ist immer noch viel zu hoch. Sie muß abgebaut werden. Die Politik der Koalition hat dazu geführt, daß die Steuerbelastung der Bürger insgesamt in vertretbaren Grenzen geblieben ist. ({10}) Die volkswirtschaftliche Steuerquote ist nicht höher als in den 50er oder 60er Jahren. Auch die Lohnsteuerquote ist in den letzten Jahren durch unsere Politik verhältnismäßig stabil geblieben. Die Steigerungsraten des Lohnsteueraufkommens der letzten Jahre sind deutlich niedriger als in früheren Jahren. Dabei muß es bleiben, wenn wir weiterhin verhindern wollen, daß sich die Steuerlast bei wachsendem Einkommen immer mehr auf die Lohnsteuerzahler konzentriert. Wenn wir weiterhin verhindern wollen, daß der progressive Steuerzugriff bereits für den normalverdienenden Arbeitnehmer unvertretbar stark wird, dann müssen wir an unserem eingeschlagenen Weg festhalten. Die Finanzpolitik der Bundesregierung war in der 8. Legislaturperiode vor allem an folgenden Hauptzielen ausgerichtet: Die öffentlichen Haushalte stehen im Dienst der wirtschaftlichen und sozialen Stabilität. Sie sind daher dem Ziel der Vollbeschäftigung und der Preisstabilität gleichzeitig verpflichtet. Wenn konjunkturelle Fehlentwicklungen, die zur Arbeitslosigkeit führen könnten, auftreten, wird nach dem Auftrag des Gesetzes gezielt und wirksam gegengesteuert. Staatliche Einnahme- und Ausgabepolitik hat auch zum Ziel, die Wirtschaftsstruktur zu modernisieren und die Arbeitsplätze für die Zukunft zu sichern. Die Nettokreditaufnahme hat sich ausschließlich an der Notwendigkeit der Beschäftigungssicherung auszurichten. Unsere Steuerpolitik orientiert sich am Ziel einer gerechten, ausgewogenen und sozial tragbaren Belastung nach dem Grundsatz der Leistungsfähigkeit. Der überproportionale Anstieg der direkten Steuern ist zu begrenzen. Die volkswirtschaftliche Steuerquote soll nicht steigen. Die Wirtschafts-und Finanzpolitik der letzten Jahre hat wesentlich dazu beigetragen, daß sich unsere Beschäftigungslage im internationalen Vergleich gut sehen lassen kann. Ich hatte am vergangenen Freitag im Bundesrat eine Debatte mit den Vertretern der CDU/CSU-geführten Länder. Ich habe darauf hingewiesen, daß es nach dem letzten Bericht der deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute kein Industrieland der Welt - außer Osterreich - gibt, in dem eine so gute Kombination von Preisstabilität und realem Wirtschaftswachstum erreicht worden ist wie in der Bundesrepublik Deutschland, und daß es deshalb falsch ist, Horrorszenarien. in die Welt zu setzen. Ich habe dann aufgeführt, daß die Bundesrepublik, was den Anteil der Staatsschulden am Bruttosozialprodukt betrifft, in einer langen Liste von Industrieländern ganz unten liegt; nur die Schweiz liegt noch ein bißchen niedriger. ({11}) Die Franzosen liegen pro Kopf wesentlich niedriger, aber auf Frankreich und ähnliche Länder möchte ich - mit Ihrem Einverständnis - zurückkommen. -Daraufhin hat der Herr Kollege Gaddum folgendes ausgeführt. Er sagte: Ja, das ist zwar richtig, die Bundesrepublik Deutschland liegt ganz unten, und alle anderen haben einen viel höheren Anteil, aber die Dynamik! - Er verwies mich darauf, daß der Anstieg der öffentlichen Schulden, insbesondere der Bundesschulden, in der Bundesrepublik in den letzten Jahren bei 196 % lag, in den Vereinigten Staaten jedoch nur bei 96 %. Hier sind wir beim Kernpunkt der Diskussion. Wenn Sie die Wirtschaftspolitik der Vereinigten Staaten, die dazu geführt hat, daß wir in diesem Zeitpunkt 81)/0 Arbeitslosigkeit und 14 % Preissteigerungen haben, für richtig halten, dann kommen Sie bitte hierhin und sagen Sie das! ({12}) Aber es geht nicht an, von der Gesamtleistung der Wirtschafts- und Finanzpolitik einfach abzusehen und nicht zu sehen, daß wir sozialen Frieden, einen der höchsten Lebensstandards der Welt, daß wir eine leistungs-, wettbewerbs- und anpassungsfähige Wirtschaft haben und daß wir uns im internationalen Wettbewerb in einer Art und Weise behaupten, die für dieses Land ohne Erdöl und ohne andere Rohstoffe und Energiequellen - mit Ausnahme unserer Steinkohle - vorbildlich ist. Hier haben wir eine gute Leistung vollbracht. Wer hier nun allein auf die Kreditaufnahme abstellt, der muß sagen, wie es ja Herr Biedenkopf fairerweise tut: Dann hätten wir seit 1975 Null-Wachstum gehabt. Das hätte bedeutet, wenn Sie mich auf die Vereinigten Staaten oder aber auf das Null-Wachstum verweisen, daß Sie mit Ihrer Schuldenkritik implizit bereit sind, Massenarbeitslosigkeit zu akzeptieren. ({13}) - Sie können uns nicht anklagen, eine Politik gemacht zu haben, die auf der einen Seite dazu führt, daß unser schönes Land in der ganzen Welt vorbildlich dasteht, und auf der anderen Seite nach einer Politik rufen, die woanders zu Massenarbeitslosigkeit geführt hat. ({14}) Die Bewältigung des Zinsproblems ist ein technisches Problem. Es wäre, historisch gesehen, kriminell gewesen, Hundertausende von Arbeitslosen jahrelang nur deshalb zuzulassen, ({15}) weil wir das finanzpolitische Instrumentarium nach dem Auftrag des Gesetzes zur Förderung von Wachstum und Stabilität der Wirtschaft nicht eingesetz hätten. ({16})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Haase?

Lothar Haase (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Verehrter Herr Bundesminister, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß Massenarbeitslosigkeit in den 20 Jahren der CDU/CSU-Regierung nicht bekannt war, daß wir Arbeitslosigkeit nennenswerten Charakters erst haben, seit dem Sie in der Verantwortung sind, und daß wir Vollbeschäftigung, Stabilität und wirtschaftliches Wachstum ohne Preissteigerungen hatten? ({0})

Hans Matthöfer (Minister:in)

Politiker ID: 11001439

Herr Kollege Haase, ich entnehme Ihrer Frage also folgendes: Die weltweiten Schwierigkeiten seit 1974, ({0}) insbesondere auch herbeigeführt durch die Ölpreissteigerungen, sind die Schuld der sozialliberalen Koalition. Ich darf aus Ihrer Frage schließen, daß Sie der Meinung sind, wenn wir einen Bundeskanzler Strauß gehabt hätten, wären die Russen nicht in Afghanistan einmarschiert und die OPEC-Staaten hätten die Ölpreise nicht erhöht. Ist das richtig? ({1}) Die Auftragslage und der hohe Grad der Kapazitätsauslastung führen jetzt zu weiteren Investitionen. Der Aufschwung hat an Stärke und Dauerhaftigkeit gewonnen - im ersten Quartal dieses Jahres immerhin reale Zunahme der Investitionen um 15,5 %. Das ist eine gute Zahl, über die man sich freuen kann. Trotz aller Warnsignale, die ich insbesondere in den letzten Wochen feststelle und die uns Gefahren zeigen, die wieder von außen auf uns zukommen, kann man sagen, daß die private Investitionsneigung in der Bundesrepublik ungebrochen ist. Sie trägt die Konjunktur bereits in stärkerem Maße als die verhältnismäßig schwächeren öffentlichen Investitionen. Wir haben auf diese Art und Weise dazu beigetragen, neue, zukunftssichere Arbeitsplätze zu schaffen, Produktionskapazitäten zu erhalten, statt sie dem Untergang auszuliefern, wie Sie den deutschen Bergbau dem Untergang ausgeliefert hätten, wenn Sie nach 1966 nicht dazu gezwungen worden wären, eine andere Politik zu machen. ({2}) Wir haben so volkswirtschaftliche Grundlagen für die nachfolgenden Generationen gesichert. Die Förderung leistungsfähiger und wettbewerbsfähiger Wirtschaftsstrukturen kommt auch - Herr Kollege Haase - künftigen Generationen zugute. Der Bund hat in der Vergangenheit mit Milliardenbeträgen, die wir am Markt haben aufnehmen müssen, dazu beigetragen, unsere Kohleförderung zu modernisieren und die Förderungskapazität zu erhalten. Das ist heute ein wichtiger Posten in unserer Energiebilanz. Mit hohen Bundeszuschüssen wurde das leistungsfähige, energiesparende und umweltfreundliche Verkehrssystem Bundesbahn erhalten. In diesem Jahr zahlen wir aus der Bundeskasse 14,5 Milliarden DM an die Deutsche Bundesbahn. Mehr als 60 % der gesamten Nettoverschuldung des Bundes wären nicht erforderlich, wenn wir nicht - was ich für richtig halte - dieses energiesparende und leistungsfähige Verkehrssystem für unsere Kinder, also für eine Zeit erhalten werden, in der das Öl noch knapper und noch teurer geworden sein wird. ({3}) Belastung zukünftiger Generationen! Selbstverständlich bringen diese kreditfinanzierten Ausgaben als Folgekosten Zinsausgaben mit sich. ({4}) Werden die Zinsen als Anteil an den Ausgaben berechnet, dann nehmen sie zwar im Finanzplanungszeitraum erheblich zu, die Begrenzung der Kreditaufnahme wird jedoch bei weiterhin wachsender Wirtschaft die Zinslasten erträglicher gestalten. ({5}) Lassen Sie mich einmal einiges zu der Zinsbelastung sagen. Das werden in diesem Jahr etwa 13 Milliarden sein. Im nächsten Jahr - das ist einer der Glücksumstände, die eintreten - wird sie wegen der Zinsentwicklung niedriger sein, als wir jetzt berechnen. Aber es wird doch wohl erlaubt sein, einige Gegenrechnungen zu machen. Es ist doch nicht sachgerecht - um kein härteres Wort zu gebrauchen -, nur auf die Bruttobelastung durch Zinsen hinzuweisen und nicht etwa gegenzurechnen, was die Entwicklungsländer an Zinsen für die Kredite zahlen müssen, die wir Ihnen gegeben haben. Da wird man wohl eine Nettorechnung machen müssen. Dies sind viele hundert Millionen D-Mark im Jahr. Man muß auch die Wirtschaftserträge gegenrechnen, die wir haben. Beispiel: Im vergangenen Jahr habe ich 300 Millionen DM aufgenommen, um die Kapitalerhöhung bei der VEBA mitzumachen. Ich habe jetzt als Mehrheitseigentümer nicht nur einen Zugriff zu der inneren Reservenbildung, sondern wir haben uns die VEBA auch als Instrument behalten, um im Interesse des deutschen Volkes Energiepolitik zu machen. Und die VEBA zahlt Gewinne. Darf ich nun die Gewinne, die ich mit dieser Investition bekomme, den Zinsbelastungen gegenüberstellen? Ist das vernünftig? - Natürlich ist das vernünftig! Nehmen Sie die Rohölreserve 6 Millionen Tonnen haben damals 1,3 Milliarden DM gekostet, die wir natürlich am Markt haben aufnehmen müssen. Wenn Sie den Anschaffungspreis nehmen und alle aufgelaufenen Zinsen hinzurechnen, dann hat das deutsche Volk damit immer noch ein Geschäft von mehr als einer Milliarde DM gemacht. War das richtig, sich so zu verhalten? Darf man das gegenrechnen? Selbstverständlich. Unter vernünftigen Leuten darf man das gegenrechnen. ({6}) Schauen Sie sich einmal die Uranreserven an, die wir angelegt haben. Schauen Sie sich einmal das an, was wir bei der Deminex gemacht haben. Wir haben der Deminex einen Zuschuß von 2,3 Milliarden DM gegeben;, das sind immerhin 1% der Bundesschuld. Die Deminex hat sich u. a. in Ölfelder eingekauft, z. B. in die „Beatrix" in der Nordsee. Damals kostete ein Barrel nachgewiesener Reserven Rohöl im Boden 3 Dollar. Heute können Sie es nicht unter 14 Dollar pro Barrel bekommen. War das eine vernünftige Investition? War es richtig, im Interesse des deutschen Volkes diese Kredite aufzunehmen? ({7}) War das eine Sicherung zukünftiger Generationen? Natürlich war es das!

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Verzeihen Sie, Herr Bundesminister. - Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Glos?

Hans Matthöfer (Minister:in)

Politiker ID: 11001439

Bitte schön, Herr Präsident.

Michael Glos (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000691, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, da Sie im Errechnen des Ölpreises und dessen, was das deutsche Volk durch die Leistungen der Bundesregierung auf diesem Gebiet erworben hat, so gut sind, möchte ich Sie fragen: Können Sie hier vielleicht auch berechnen und angeben, wieviel volkswirtschaftlicher Wert für das deutsche Volk durch die Tatsache verlorengegangen ist, daß die Bundesregierung die für die Rohölbevorratung im Haushalt zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausgegeben, beim Kauf gezögert hat, und können Sie sagen, wieviel Hunderte von Millionen DM Schaden dadurch entstanden sind? ({0})

Hans Matthöfer (Minister:in)

Politiker ID: 11001439

Ich bitte Sie, diese Frage einmal an den zuständigen Wirtschaftsminister zu richten. ({0}) Er wird Ihnen erklären, daß die Bundesregierung ihrerseits zu diesem Zeitpunkt - im Interesse der gesamten Volkswirtschaft - durch zusätzliche Nachfrage nicht zu Preissteigerungen beitragen wollte. ({1}) Das hat mit dem Argument, so wie ich es vorgetragen habe, nichts zu tun. Dadurch, daß wir versucht haben, auf die Preisentwicklung dämpfend einzuwirken, wird ja nicht unrichtig, daß es richtig war, sich 6 Millionen Tonnen Rohöl hinzulegen, ({2}) und daß es legitim ist, eine solche Rechnung anzustellen. Sie sind also der Meinung - das entnehme ich Ihrer Frage -, wir hätte noch mehr Kredite auf18090 nehmen sollen, um Rohöl zu kaufen. Damit bestätigen Sie doch letzten Endes meine Argumentation. ({3}) Also, lassen Sie sich das alles noch einmal durch den Kopf gehen, bevor Sie das deutsche Volk beunruhigen. Da wir hier gerade von Beunruhigung sprechen, darf ich noch einen weiteren Punkt aufgreifen: das unerträglich verantwortungslose Gerede von einer notwendigen Währungsreform, ausgelöst durch ({4}) einen obskuren Geld- und Wirtschaftsdienst aus der Schweiz. ({5}) Der Herausgeber erklärte, als er auf Wunsch schweizerischer Behörden wegen seines verantwortungslosen Verhaltens ausgewiesen werden sollte, man könne ihn nicht ausweisen, da er in München kriminalpolizeilich gesucht werde. ({6}) Dies sind die trüben Quellen, aus denen Sie Ihr Wahlkampfprogramm speisen. ({7}) In einer Zeit, in der der Wert der D-Mark gegenüber dem Dollar wieder zunimmt, in einer Zeit, in der das gesamte im Umlauf befindliche Bargeld durch die Goldvorräte der Bundesbank fast doppelt gedeckt ist, von der Notwendigkeit einer Währungsreform zu sprechen, ist unverantwortlich. ({8}) Es schadet dem deutschen Volke, es schadet der deutschen Währung. Sie sollten sich schämen, solche Dinge in Ihr Wahlprogramm aufzunehmen. ({9}) Mit dem Nachtragshaushalt 1980 stehen wir haushaltsmäßig besser da, als es noch vor wenigen Monaten möglich schien. ({10}) Die Gesamtausgaben werden gegenüber dem verabschiedeten Haushalt 1980 vermindert. Die Nettokreditaufnahme wurde nicht erhöht. Im Vergleich zu dem am 4. Juni 1980 verabschiedeten Regierungsentwurf liegen die jetzt für 1980 vorgesehenen Gesamtausgaben rund 1 Milliarde DM und die Nettokreditaufnahme sogar um 4 Milliarden DM niedriger. Dies ist nicht nur eine Folge des hohen Steueraufkommens, sondern insbesondere auch das Ergebnis einschneidender Sparmaßnahmen. Ich sehe es als Erfolg an, daß Mehrausgaben des Nachtrags von knapp 2 Milliarden DM durch Ausgabenkürzungen mehr als ausgeglichen werden. Wichtiger Aspekt des Nachtrags ist es auch, daß er bereits Vorsorge für die vorgesehene Erhöhung des Weihnachtsfreibetrages von 400 auf 600 DM enthält. Die entsprechenden Steuermindereinnahmen in Höhe von 425 Millionen DM sind im Nachtragshaushalt bereits berücksichtigt. Es besteht keinerlei Grund, an der Möglichkeit zu zweifeln, den Weihnachtsfreibetrag noch in diesem Jahr zu erhöhen. Der Nachtrag war notwendig, um unvorhergesehene Mehrbelastungen, insbesondere im Rahmen einer internationalen Hilfsaktion für die Türkei sowie für unsere Verteidigung zu finanzieren. Die Türkei befindet sich in einer wirtschaftlichen Krise, die dazu geführt hatte, daß über ein Fünftel der erwerbstätigen Bevölkerung arbeitslos war, weniger als 50 % der Industriekapazitäten ausgelastet waren, die Inflationsrate sich auf 80 % erhöht hatte und notwendige Einfuhren, insbesondere die Einfuhr von 01, an der Devisenknappheit scheiterten. Die Türkei stand unmittelbar vor einer wirtschaftlichen Katastrophe, deren Auswirkungen nicht nur in der Innenpolitik dieses Landes unabsehbar gewesen wären, sondern die auch die Südflanke der NATO in eine äußerst schwierige Lage gebracht hätte. Die guBen- und sicherheitspolitische Bedeutung der Türkei für das westliche Bündnis ist unbestritten und spätestens seit dem Einmarsch der Sowjetarmee in Afghanistan auch jedem einsichtig. Deshalb wurde - wie übrigens auch im vergangenen Jahr - eine internationale Hilfsaktion nötig. Mitgliedsländer der OECD haben zusammen mit der Europäischen Gemeinschaft der Türkei Kredithilfen in Höhe von 1,2 Milliarden US-Dollar zugesagt. Die Bundesregierung hat sich verpflichtet, Kredithilfen in gleicher Höhe wie die Vereinigten Staaten, allerdings mit wesentlich höherem Zuschußwert, von 250 Millionen US-Dollar zu geben. Die europäischen Länder stellen mit rund 600 Millionen US-Dollar fast die Hälfte der Gesamthilfe. Der Kreis der kreditgebenden Staaten beschränkt sich nicht auf die OECD-Mitglieder. Vorgesehen sind Hilfen des Internationalen Währungsfonds. Ich freue mich, daß der Internationale Währungsfonds gestern einen dreijährigen Beistandskredit in einer Höhe von insgesamt 1,6 Milliarden US-Dollar beschlossen hat. Insgesamt sind 1980 Kredithilfen in Höhe von rund 3 Milliarden US-Dollar zur Finanzierung der türkischen Devisenlücke erforderlich. Dieser Betrag wird auch aufgebracht werden. Ferner setzen wir uns dafür ein, daß die Verhandlungen über die Umschuldung der öffentlichen und öffentlich verbürgten Kredite in Paris zu einem Erfolg werden. Schließlich erwarten wir auch einen Beitrag der privaten Geschäftsbanken. Die wirtschaftliche Gesundung der Türkei ist der Schlüssel für die Erhaltung und Festigung der Demokratie im Lande und für die Stabilisierung der gesamten Region. Hieran haben der Westen und die ölabhängigen Industrieländer ein vitales Eigeninteresse.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Verzeihen Sie, Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Althammer?

Dr. Walter Althammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000028, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, nach dem, was Sie zur Lage der Türkei ausgeführt haben, frage ich Sie, ob Sie es für richtig halten, daß Kollegen Ihrer Fraktion hier eine Entschließung vorlegen, in der der Türkei neokolonialistische Auflagen gemacht werden sollen. Halten Sie das wirklich für angebracht und richtig?

Hans Matthöfer (Minister:in)

Politiker ID: 11001439

Ich will Ihnen eines sagen. Es erfüllt mich mit großer Sorge, daß in der Türkei das politische Klima sich in einer Art und Weise radikalisiert, daß z. B. seit dem Antritt der Regierung Demirel in November vergangenen Jahres bis jetzt 1700 Terrortote zu beklagen sind. ({0}) - Entschuldigen Sie, ich will nichts Kritisches über die Regierung Demirel sagen. Natürlich war das unter Ecevit zwar nicht genauso, ({1}) sondern die Zahl der Terrortoten hat seitdem zugenommen. Aber ich will das der Regierung Demirel gar nicht anlasten. Sondern ich stelle dies nur fest. Ich stelle auch fest - zu meinem großen Bedauern -, daß die türkischen Sicherheitsbehörden bei der Bekämpfung des Terrors nach allen mir vorliegenden Berichten sich in einer Art und Weise verhalten, die es sehr wohl rechtfertigt, einmal miteinander zu sprechen, ob man die Freiheit mit Mitteln verteidigen kann, die letzten Endes eines freiheitlichen Rechtsstaates nicht würdig sind. ({2}) Die Türken werden Ihnen, wenn Sie mit Ihnen darüber sprechen, erst einmal einige Dinge bestreiten. Das ist immer so. Das kann man nach der Berichterstattung nie genau sagen. Natürlich liegt dort ein Problem. Die Bekämpfung des Terrorismus mit rechtsstaatlichen Mitteln ist eine ungeheuer schwere Aufgabe. Ich finde schon, daß es im Lager der Freiheit - und darum handelt es sich schon - unter Freunden möglich sein muß, auch solche Dinge zu diskutieren. Ob der Deutsche Bundestag da nun unbedingt eine Resolution verabschieden muß, ist eine ganz andere Sache. ({3})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Dr. Walter Althammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000028, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, meine Frage richtete sich auf die beiden anderen Punkte, die hier in dieser Resolution aufgeführt sind.

Hans Matthöfer (Minister:in)

Politiker ID: 11001439

Ich weiß das nicht, ich habe sie nicht auswendig gelernt. Tut mir leid!

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Hans Matthöfer (Minister:in)

Politiker ID: 11001439

Ja, bitte schön.

Dr. Jürgen Todenhöfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002333, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, in diesem Entschließungsantrag wird die finanzielle Hilfe an die Türkei von der Beachtung der Menschenrechte abhängig gemacht. Sind Sie der Auffassung, daß wir in Zukunft bei Entwicklungshilfe an alle Entwicklungsländer die Vergabe der wirtschaftlichen Hilfe ausdrücklich von der Beachtung der Menschenrechte abhängig, und zwar wirklich abhängig machen sollten?

Hans Matthöfer (Minister:in)

Politiker ID: 11001439

Herr Kollege Todenhöfer, ich erinnere mich noch deutlich, als Sie mit besonderem Engagement für Länder gekämpft haben, in denen die Menschenrechte nicht beachtet wurden. ({0}) Sie haben sich noch für Entwicklungshilfe an die portugiesischen Kolonien eingesetzt, als die portugiesische Armee innerlich schon längst zum Gegner übergelaufen war. Ich meine, Ihre Politik in den letzten zehn Jahren, ({1}) in den letzten acht Jahren - solange sind Sie ja noch nicht im Bundestag -, hätte uns - ({2}) - Sie werden mir doch wohl freundlicherweise gestatten, daß ich eine solche Frage in der mir eigenen Art und Weise beantworte. ({3}) Herr Kollege Todenhöfer, wenn wir uns in bezug auf die Menschenrechte alle so verhalten hätten wie Sie, hätten wir heute z. B. in Portugal sehr viel weniger Freunde, als wir jetzt in der Tat haben, von Griechenland und Spanien gar nicht zu sprechen. ({4}) - Keine Zwischenfrage mehr, Herr Präsident. Ich denke, daß diese Art von Diskussionen nicht unbedingt den internationalen Beziehungen nützlich ist. ({5})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Meine Damen und Herren, ich bitte um Ruhe. Der Minister läßt keine Zwischenfragen mehr zu.

Hans Matthöfer (Minister:in)

Politiker ID: 11001439

Die Bundesrepublik hat nach dem Kriege ihren Wiederaufbau mit der solidarischen Hilfe befreundeter Länder geschafft Ich gehe davon aus, daß die unserem Lande befreundete Türkei zu ihrem Nutzen und auch im Interesse aller ihrer Freunde bald wieder auf eigenen Beinen stehen wird. Ich hoffe auch, daß der Normalisierungsprozeß dort Korrekturen bringt, wo heute extreme Gruppen und andere glauben, sich gewaltsame Übergriffe und Menschenrechtsverletzungen erlauben zu können. Die Beschränkung der politischen Auseinandersetzung auf friedliche Mittel ist eine wesentliche Voraussetzung für das fortdauernde Verständnis unseres Volkes für unsere Anstrengungen zugunsten der Türkei. Neben der umfangreichen Kreditzusage zur Sanierung der türkischen Wirtschaft hat die Bundesregierung beschlossen, der Türkei wegen der internationalen Entwicklung im Nahen und Mittleren Osten eine einmalige Rüstungssonderhilfe zu geben, die zusätzlich zu der laufenden Verteidigungshilfe gewährt werden soll. In der Erkenntnis, daß auch die Gefährdung des NATO-Partners Griechenland in jüngerer Zeit zugenommen hat, und im Interesse einer ausgewogenen Politik beiden Staaten gegenüber wird die Bundesregierung auch Griechenland eine zusätzliche Rüstungssonderhilfe, und zwar in Höhe von insgesamt 60 Millionen DM, geben. Hierfür ist im Nachtragshaushalt 1980 eine erste Rate von 20 Millionen DM veranschlagt. Der zweite große Ausgabenblock betrifft unsere eigenen Verteidigungsausgaben. Hier sollen die Ansätze für Munition um 140 Millionen DM und für Heiz- und Betriebsstoffe um 250 Millionen DM angehoben werden. Bei Berücksichtigung dieser Aufstockungen, der höheren Personalausgaben für Soldaten, der Rüstungssonderhilfe für die Türkei und für Griechenland sowie der Anhebung der Mittel für unsere Verbündeten in Berlin erhöhen sich die deutschen Verteidigungsausgaben nach NATO-Kriterien um insgesamt 900 Millionen DM. Die sonstigen Mehrausgaben betreffen im wesentlichen die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, die Erhöhung der Personalverstärkungsmittel auf Grund der Tarif- und Besoldungsverbesserung dieses Jahres, die Verkehrsvereinbarungen mit der DDR und die Wiedergutmachungs-Abschlußgeste. Auch dann, wenn es mit diesem Nachtrag gelungen ist, Mehrausgaben durch Ausgabenkürzungen auszugleichen, stellt sich für den Haushaltsvollzug 1980 noch ein besonderes Problem: die Erwirtschaftung der globalen Minderausgabe von insgesamt 3 Milliarden DM. Die Schwierigkeiten liegen vor allen Dingen darin, daß einerseits fast die Hälfte des Haushaltsjahres bereits abgelaufen ist und andererseits der Haushalt im Zusammenhang mit den Ausgabenkürzungen von rund 2 Milliarden DM bereits gründlich durchforstet wurde. Um zu erreichen, daß das Gesamtausgabesoll von 214,3 Milliarden DM nicht überschritten wird, habe ich im Benehmen mit den zuständigen Bundesministern Haushaltssperren nach § 41 der Bundeshaushaltsordnung angeordnet. Das im Jahreswirtschaftsbericht festgelegte Wachstumsziel der Wirtschaft der Bundesrepublik für 1980 von gut 2,5 % erscheint mir auch heute noch gut erreichbar. Wie lange die günstige Konjunkturentwicklung noch anhält, kann heute niemand mit hinreichender Sicherheit sagen. Niemand kann ausschließen, daß wir im weiteren Verlauf des Jahres 1980 oder im Jahre 1981 wieder eine konjunkturelle Abkühlung mit Gefährdung der Beschäftigung erleben. Die Ausgaben des Bundes sollen nach unserer jetzigen Planung im. nächsten Jahr lediglich um 4 v. H. wachsen. Die vorgesehenen Steuerentlastungen müssen ohne Krediterhöhung finanziert werden. Für den Bund hat dies zur Folge, daß er seine Gesamtausgaben 1980 gegenüber dem geltenden Finanzplanungsansatz um rund 3 Milliarden DM senken muß und senken wird und daß die in der Finanzplanung für 1981 vorgesehene Kreditaufnahme nicht überschritten werden darf. Das bedeutet: Alle Ausgabenforderungen müssen auf ihre Notwendigkeit hitisch überprüft werden. Die Subventionen sind Punkt für Punkt neu zu überdenken, ohne daß wir in eine oberflächliche, allgemeine, abstrakte, platonische Subventionskritik verfallen dürften, die überhaupt nichts bewirkt und nichts bewegt Dann, wenn ich in der Tat, Herr Kollege Haase, eine Arbeitsgruppe im Bundesfinanzministerium gebeten habe, sich einmal Gedanken darüber zu machen, wie verschiedene Subventionsabbaumaßnahmen technisch möglich sind, und wenn Sie sich dann hier hinstellen und sagen, ich plante den Abbau gesetzlicher Leistungen, so ist das eine Doppelstrategie, die Ihnen allerdings nicht viel einbringen wird. Ein weiterer Grundsatz: Neue Maßnahmen kommen nur dann in Betracht, wenn Einsparungen an anderer Stelle möglich sind. Erhebliche Kürzungen müssen vor allen Dingen im konsumtiven Bereich durchgesetzt werden, und eine Ausweitung des Personalbestandes ist möglichst zu vermeiden. Mittelfristig muß der Bundeshaushalt weiter umstrukturiert werden. Die Finanzpolitik der 80er Jahre muß auf mehr Sparsamkeit im konsumtiven Bereich ausgerichtet sein; der Schwerpunkt muß noch stärker auf Investitionen, auf Ausgaben für Forschung, Innovation und Zukunftssicherung gelegt werden. Erlauben Sie mir an dieser Stelle noch einige Bemerkungen zur Entwicklung unserer Leistungsbilanz. Unser Leistungsbilanzdefizit betrug im vergangenen Jahr ungefähr 10,5 Milliarden DM und wird in diesem Jahr nach den neuen Ölpreissteigerungen voraussichtlich 25 Milliarden DM betragen. Dies ist sowohl nach Art als auch nach Umfang eine nicht unbedeutende Veränderung. Dann, wenn Sie, Herr Kollege Haase, nun einen Zusammenhang zwischen dem zur Sicherung der Beschäftigung und zur Finanzierung langfristiger Zukunftsinvestitionen erforderlichen Haushaltsdefizit und dem Leistungsbilanzdefizit herstellen, muß ich mich doch nach der Kausalkette fragen, die Sie hier zugrunde legen. ({0}) - Ich gebe mir einmal Mühe, nachzuvollziehen, wie das gemeint sein könnte. Herr Kollege Haase, der einzige Zusammenhang, der mir bei dem, was Sie gesagt haben, einfällt - und ich bitte da um Aufklärung, weil Sie ja ständig das Leistungsbilanzdefizit und das Haushaltsdefizit zusammenbringen -, ({1}) der einzige Zusammenhang, den ich mir theoretisch und auch praktisch vorstellen kann, ist der folgende. Wir tragen mit dem Haushaltsdefizit zur Annäherung an die Vollbeschäftigung und zu höherem Wirtschaftswachstum bei. ({2}) Dadurch wird ein Importsog ausgelöst, der stärker ist als er wäre, wenn wir Unterbeschäftigung und geringeres Wachstum hätten. Dadurch brauchen wir höhere Mittel zur Finanzierung der Einfuhr. Deshalb hängt das Haushaltsdefizit mit dem Leistungsbilanzdefizit zusammen. Wenn dies Ihre Argumentation sein sollte, Herr Kollege Haase, dann bestätigen Sie meine Behauptung, daß Sie bereit wären, durch Abbau des Defizites weniger Wirtschaftswachstum und mehr Arbeitslosigkeit in Kauf zu nehmen. ({3})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Haase?

Hans Matthöfer (Minister:in)

Politiker ID: 11001439

Bitte schön.

Lothar Haase (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesfinanzminister, ich greife hier nur die Darstellung der Bundesbank auf, das ist gar nicht einmal haasisch. ({0}) Sind Sie bereit zur Kenntnis zu nehmen: Haushaltsdefizite bringen Inflation, und Inflationen ziehen auch Leistungsbilanzdefizite nach sich? Das ist der Zusammenhang. Das ist doch ganz einfach. ({1})

Hans Matthöfer (Minister:in)

Politiker ID: 11001439

Herr Kollege Haase, ich sehe doch, daß es dringend erforderlich ist, daß Sie auf Ihrer Reise von Kassel nach Bonn einmal in Frankfurt aussteigen ({0}) und sich einmal mit den Herren der Bundesbank in aller Ruhe darüber unterhalten. ({1}) Es gibt keinen Zusammenhang zwischen unserem Haushaltsdefizit und den Preissteigerungen. - Erste Erklärung. Lassen Sie sich das in Frankfurt ausführlich erklären. Ich habe leider nicht genug Zeit, um Ihnen das heute hier vorzutragen. ({2}) Zweitens. Es gibt nur diesen einen Zusammenhang, den ich Ihnen geschildert habe. Wenn Sie sagen, Haushaltsdefizit und Leistungsbilanzdefizit hingen zusammen, dann sagen Sie damit: Ich, der CDU-Abgeordnete Haase, bin bereit, das Defizit abzubauen und dafür Arbeitslosigkeit und vermindertes Wirtschaftswachstum in Kauf zu nehmen. Ein bißchen logisch muß man ja wohl bleiben. ({3}) Bisher konnten wir unsere traditionell umfangreichen Defizite in der Dienstleistungsbilanz - und hier, Herr Kollege Haase, ist in der Tat vor allen Dingen der Auslandsreiseverkehr zu nennen - und in der Übertragungsbilanz problemlos durch unsere hohen Überschüsse im Warenverkehr mit dem Ausland ausgleichen, ja, wir haben über die Bedienung dieses traditionellen Defizits hinaus immer noch Überschüsse erzielt. Nun sagen Sie, es bestünde die Gefahr einer Zwangsbewirtschaftung der Devisen, und die Deutschen könnten dann nicht mehr ins Ausland fahren. Wissen Sie, das gehört in die Kategorie Währungsreform. ({4}) Ziemlich verantwortungslose Panikmache, Herr Kollege Haase. ({5}) Ich bin mit Ihnen der Meinung, daß es gut wäre, wenn die Deutschen mehr in ihre eigenen Urlaubsgebiete führen, um dort Urlaub zu machen. Ganz zweifellos würde ich das begrüßen - nicht nur mit der Begründung, wir müßten das Zahlungsbilanzdefizit abbauen, sondern auch, weil es schön wäre, wenn die Deutschen ihr Land noch besser kennenlernten. Ich habe aber überhaupt keine Bedenken, daß weiter so viele Deutsche ins Ausland fahren. Das kann der Bundesregierung doch nur guttun, wenn die Leute ins Ausland fahren und, wenn sie zurückkommen, sehen, was sie für ein schönes Land haben. Deshalb läuft Ihre Horrorpropaganda doch völlig ins Leere. ({6}) Wenn jemand nach überstandenem Durchfall aus Acapulco zurückkommt, dann freut er sich, daß er wieder in unserem schönen Lande sein darf. ({7}) Ich bin dafür, daß wir auch unsere eigene deutsche Heimat im Urlaub wieder stärker bedenken, als wir das bisher gemacht haben. Im letzten Jahr hat unsere Warenausfuhr die Einfuhr immerhin noch um 20 Milliarden DM übertroffen. Das ist jetzt nicht mehr der Fall. Die Ursachen liegen in Preissteigerungen bei den Rohstoffen, insbesondere beim Rohöl. Nun komme ich zu der Kreditaufnahme im „Orient", Herr Kollege Haase. Es ist natürlich passend, zum Zeitpunkt der Abreise der saudiarabischen Delegation Kritik an einer Verabredung anzubringen, die auch im saudischen Interesse gelegen hat. ({8}) - Sie nicht, aber Ihre Partei hat im Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen gesagt - Anzeige -: Wir sind schon so tief gesunken, daß wir bei den Arabern Geld pumpen müssen. ({9}) - Sie stimmen dem zu? Ich kann Sie nicht verstehen. Sie müssen bitte ein bißchen lauter sprechen, gnädige Frau. Ich will aber einmal darauf zurückkommen.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Lieselotte Berger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Matthöfer, damit Sie meine Frage akustisch besser wahrnehmen können: Ich zitierte eben das Sprichwort von der Kuh, die das Gras abfrißt, sobald es gewachsen ist. Damit wollte ich andeuten: Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß es Dinge gibt, über die man eben dann nicht spricht, wenn man die Ansichten vertritt, die Sie eben geäußert haben?

Hans Matthöfer (Minister:in)

Politiker ID: 11001439

Es tut mir leid, ich habe der Frage nicht ganz folgen können. Das kommt bei mir manchmal vor. Es ist also nicht Unhöflichkeit, wenn ich Ihre Frage nicht beantworte, sondern Unvermögen, sie zu verstehen. Ich möchte einmal auf die Formulierung des Herrn Kollegen Haase zurückkommen. Warum haben wir mit Zustimmung der Bundesbank diese Kredite aufgenommen? Warum hat dies auch die Bundesbank für vernünftig gehalten? Es gibt viele Gründe. Zum einen ist das Zahlungsbilanzdefizit zu nennen. Man kann ein solches Zahlungsbilanzdefizit nur durch Verwendung der Devisenreserven oder aber durch Kapitaleinfuhr finanzieren. Solange es uns nicht glückt, den Ölverbrauch so drastisch zu drosseln, daß wir das Zahlungsbilanzdefizit los sind, ist es vernünftig, auch Kapital zu importieren. Daran kann doch gar kein Zweifel bestehen, denn auf diese Weise werden uns unsere Devisenreserven noch desto länger nützlich sein können. Als Vertreter eines Landes, das ein Industrieland ist, das 97 % seines Öls einführt, das auf die Öleinfuhr zum Funktionieren seiner Wirtschaft angewiesen ist, muß man sich dann aber doch einmal in die Interessenlage der ölexportierenden Länder versetzen, sprich: in diesem konkreten Fall in die Interessenlage Saudi-Arabiens, das in zunehmendem Maße unseren Ölbedarf deckt. Die Saudis produzieren und verkaufen 3,5 Milliarden Barrel 01 pro Jahr. Sie verkaufen es für 2 Dollar unter dem Weltmarktpreis, d. h., sie geben den Industrieländern praktisch 7 Milliarden Dollar. Gleichwohl haben sie immer noch riesige Überschüsse, die weit über das hinausgehen, was sie vernünftigerweise nach ihren traditionellen Vorstellungen, nach ihrer Absorptionskapazität im eigenen Lande anlegen können. Nun fragt man sich doch: Welches Interesse können Ölländer wie Saudi-Arabien denn haben, weiterhin unseren lebenswichtigen Bedarf zu decken, wenn sie mit diesen Überschüssen nichts anfangen können, wenn sie sie nicht risikogestreut, sicher und gewinnbringend anlegen können? Das muß man sich doch fragen. Es liegt doch im Interesse der Industrieländer, für eine risikogestreute Anlage zu sorgen. Der Bundesfinanzminister der Bundesrepublik Deutschland kann nicht noch länger als zwei Jahre solchen Angeboten widerstehen. Überlegen Sie sich das doch einmal, bevor Sie derartigen Unsinn in die Welt setzen. Außerdem gibt es noch einen taktischen Gesichtspunkt. Am 21. März haben wir diese Verabredung getroffen. ({0}) - Ich bitte Sie! Sie wissen doch ganz genau, daß wir überhaupt keine Schwierigkeiten gehabt hätten, diese 3 Milliarden DM auch am deutschen Kapitalmarkt aufzutreiben. Oder wollen Sie das wirklich ernsthaft bestreiten? ({1}) - Aus einem Grunde, den ich Ihnen jetzt darstellen werde, schließe ich eine weitere Kreditaufnahme bei Ölländern nicht aus. Zur Zeit beabsichtige ich aber nicht, in diesem Jahr auch nur noch eine einzige D-Mark aufzunehmen. Kreditaufnahme bei Ölländern schließe ich aber aus folgendem Grunde nicht aus. Am 21. März hatte ich - kurz vor dem großen Steuertermin - einen Kassenkredit der Bundesbank in Höhe von 5 Milliarden DM; diese Kredite sind immer sehr billig, deshalb nehmen wir sie sehr gerne. Nun wußten die Leute, die uns Geld leihen, daß wir kommen mußten. Sie beobachten die Entwicklung ja sehr aufmerksam. Wir sind aber nicht gekommen, sondern wir haben das Geld billiger bei den Saudis aufgenommen. Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, dies war der Punkt, an dem der Zins von 10 % auf jetzt 8 % und weniger abgeknickt ist, weil Wettbewerb eben das Geschäft belebt und die Preise senkt. 2 % Zinsen sind für den Bundesfinanzminister immerhin pro Jahr 1,06 Milliarden DM. Da werden wir uns weiterhin vernünftig verhalten. Ich schließe es nicht aus, daß wir weitermachen. Wir haben die Zinsen heruntergedrückt, wir haben den Saudis Anlagemöglichkeiten gegeben, wir haben zur Deckung des Zahlungsbilanzdefizits beigetragen. Das war alles insgesamt ganz vernünftig.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Friedmann?

Hans Matthöfer (Minister:in)

Politiker ID: 11001439

Bitte schön.

Prof. Dr. Bernhard Friedmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000589, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Finanzminister, hängen Ihre Kreditaufnahmen bei Ölländern nicht auch damit zusammen, daß die Bereitschaft deutscher Banken, Schuldtitel des Bundes zu erwerben, seit 1978 deutlich zurückgegangen ist, wie Sie das in einem Schreiben an die Mitglieder der SPD-Fraktion am 31. Januar 1980 dargelegt haben, und worauf führen Sie diese zurückgehende Bereitschaft der Banken zurück?

Hans Matthöfer (Minister:in)

Politiker ID: 11001439

Herr Kollege Dr. Friedmann, ich habe überhaupt keine Veranlassung, mich über die Aufnahmefähigkeit des deutschen Kreditmarktes zu beklagen. Wenn Sie mir nicht glauben, dann fragen Sie einmal die Profis! Die würden dem Bund sehr gern mehr leihen. ({0}) Dies ist eine Gruppe, die glaubt, sie hätte in ihrem Portefeuille damals einen zu hohen Anteil an Bundespapieren gehabt - inzwischen ist das auch schon wieder anders geworden -, und möchte das jetzt ein wenig diversifizieren. Das hat mir überhaupt keine Schwierigkeiten gebracht. Konstruieren Sie keine Dinge! Ich bin für Kritik aufgeschlossen. Es wäre merkwürdig, wenn eine Bundesregierung in einer so schwierigen Weltsituation alles richtig machen würde. Die Opposition ist dazu da, die Fehler aufzuspüren. Ich wehre mich nur gegen dieses unverantwortliche Angstmachen ({1}) mit der Währungsreform und der Devisenzwangswirtschaft. Wir haben keine Probleme hinsichtlich der Kreditaufnahme. ({2}) - Ich habe Ihnen erklärt, was ich damit gemeint habe. Wir werden also den Ölverbrauch drosseln, auch wenn dazu unpopuläre Maßnahmen erforderlich sind. Wer für den Gesamtstaat Verantwortung trägt, darf sich auch nicht vor unpopulären Maßnahmen drücken. Ich fasse zusammen. Mit dem vorliegenden Nachtragshaushalt sind Mehrausgaben von rund 2 Milliarden DM verbunden, denen in vollem Umfange Ausgabenkürzungen gegenüberstehen. Die Kreditaufnahme wird nicht erhöht. Die Steuerentlastung 1981 ist unverzichtbar, weil die Belastung der Arbeitnehmer mit direkten Steuern und Abgaben zu hoch ist. Diese Steuersenkung wird ohne Erhöhung der Kredite finanziert. Wir sagen ja zu Europa, die zusätzlichen Belastungen des Bundes müssen bei der Umsatzsteuerverteilung berücksichtigt werden. Unser finanzpolitischer Kurs ist klar, vernünftig und erfolgreich, und wir werden ihn auch in der nächsten Legislaturperiode fortsetzen. Ich danke dem Deutschen Bundestag, insbesondere den Mitgliedern des Haushaltsausschusses, für die fleißige Arbeit, die sie bei der gründlichen Überprüfung des Nachtragshaushalts 1980 geleistet haben. Ich bitte Sie sehr herzlich, dem Nachtragshaushalt Ihre Zustimmung zu geben. ({3})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Häfele.

Dr. Hansjörg Häfele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000774, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Mittelpunkt der finanzpolitischen Diskussion der letzten Monate steht die sprunghaft anwachsende Staatsverschuldung. Bundesfinanzminister Matthöfer rechtfertigt diese abenteuerlich zunehmende Staatsverschuldung im wesentlichen mit drei Begründungen. Erstens sei dies die einzig richtige Politik, um die Beschäftigung zu sichern, die Wirtschaftskrise und Massenarbeitslosigkeit zu vermeiden; zweitens sei die Staatsverschuldung im Grunde gar nicht besorgniserregend, denn im Kern seien unsere Staatsfinanzen nach wie vor solide; und drittens seien Probleme, soweit sie bestünden, leicht dadurch zu lösen, daß die Länder einen etwas größeren Anteil am Umsatzsteueraufkommen an den Bund abführten. Was ist zu diesen drei wichtigsten Begründungen, die er auch heute wiederholt hat, zu sagen? Ich komme zur ersten Begründung. Soweit auf eine Wirtschaftskrise und Massenarbeitslosigkeit abgehoben wird, wird gern der Vergleich mit der schweren Wirtschaftskrise der Jahre nach 1929 herangezogen. Es wird gesagt: Damals war es einer der großen Fehler, daß der Staat die zurückgehende private Nachfrage nicht massiv sowohl im konsumtiven wie im investiven Bereich ausgeglichen hat. Die Frage ist aber, ob die Diagnose des Zustands von 1929 bis 1932 mit der Diagnose unseres Zustands in den letzten Jahren übereinstimmt ({0}) und als Folge einer falsch gestellten Diagnose auch die Therapie falsch sein könnte. Was hatten wir in den Jahren nach 1929? Wir hatten die klassische Deflation mit um 20 bis 30 % zu18096 I rückgehenden Löhnen und Preisen, während die westliche Welt und immer mehr auch die Bundesrepublik Deutschland in den letzten Jahren von der Krankheit zunächst der Inflation als Folge einer Anspruchsinflation erfaßt worden ist und als Folge davon dann eine Stagnation, Stagflation oder gar Rezession eingetreten ist. Diese Erkenntnis der letzten Jahre hat nach leidvollen Erfahrungen Bundeskanzler Schmidt, der noch 1972 genau das Gegenteil gesagt hatte, bei dem berühmten Gipfel in London 1977 zu der gemeinsamen Formel - die hoffentlich die Regierungschefs in Venedig jetzt wiederholen - geführt: „Inflation verringert die Arbeitslosigkeit nicht. Im Gegenteil, sie ist eine ihrer Hauptursachen." ({1}) Noch besser wäre es, dies - so erfreulich es ist - würde nicht nur bei Gipfelkonferenzen immer wieder bekräftigt, sondern darüber hinaus würde die westliche Welt endlich eine kraftvolle Politik einleiten, um entsprechend zu handeln. Bis heute geschieht das nicht ausreichend. ({2}) Wir haben sowohl theoretisch wie auch in der praktischen Politik in den letzten Jahren immer mehr die Erfahrung gemacht, daß für unsere Fehlentwicklungen in erster Linie die Angebotsseite die Ursache ist. Das heißt, es kommt in erster Linie darauf an, die produktive private Investitionstätigkeit zu fördern. Sobald die Kosten- und Erlösrelation im privaten Bereich einigermaßen vernünftig ist, steigt die private Investitionstätigkeit wieder an. Wir haben es in Deutschland erlebt - erfreulicherweise auch durch eine gewisse Vernunft der beiden Tarifpartnern, aber auch durch steuerpolitische Schritte, die wir gefordert haben und gegen Ihren ursprünglichen Widerstand teilweise durchsetzen konnten -, ({3}) daß die Kosten- und Erlösrelation 1978 und 1979 zu einer Verbesserung der privaten Investitionstätigkeit geführt hat. Mit anderen Worten - Herr Bundesfinanzminister, vielleicht würden Sie zuhören; darf ich Sie bitten; ich würde mich gern mit Ihren Argumenten auseinandersetzen -: Die moderne Erkenntnis ist heute nicht mehr, daß der Staat in erster Linie private Nachfrage, sei sie konsumtiver oder investiver Art, auf Dauer ausfüllen könnte. Das kann kein Staat, es sei denn ein total sozialistischer Staat, der alles über die Staatskasse macht. Das wollen wir ja nicht. Die moderne Erkenntnis ist, daß der Staat die Rahmenbedingungen für diese private Investitionstätigkeit so setzen muß, daß sie sich stetig auf Dauer entfalten kann. ({4}) Mit anderen Worten: Je weniger Schulden der Staat macht, um so niedriger können die Zinsen sein, um so geringer kann die Abgabenbelastung für die arbeitenden Bürger und die Betriebe sein, um so mehr Freiräume sind für produktive private Investitionstätigkeit vorhanden, um so weniger Inflationsgefahren bestehen, ({5}) und um so besser ist das Investitionsklima. ({6}) Herr Bundesfinanzminister, gegen diese Grundsätze haben Sie spätestens seit 1978 verstoßen. ({7}) Lassen wir einmal die schwierigen Jahre 1975 und 1976 beiseite, als wir alle miteinander gewisse Illusionen über die Machbarkeit von Konjunktur und Wirtschaft durch den Staat hatten. Aber spätestens ab 1978, als das reale volkswirtschaftliche Wachstum in Deutschland ordentliche 3,5 Prozent erreichte, wäre der Kurswechsel in der Finanzpolitik in Richtung weniger Zunahme von Staatsverschuldung einzuleiten gewesen, erst recht 1979, als wir sogar ein sehr gutes reales volkswirtschaftliches Wachstum mit 4,4 Prozent erzielten. ({8}) - Herr Spöri, die Dinge sind viel zu ernst, als daß Sie mit Ihrer schülerhaften Art hier ankommen könnten. ({9}) Weil Sie diesen Kurswechsel nicht vollzogen haben, Herr Bundesfinanzminister, ist die Folge heute, daß diese sprunghaft angestiegene Staatsverschuldung zu einer Wachstums- und Beschäftigungsbremse geworden ist. Das ist nicht bloß die Meinung der CDU/CSU, sondern das sagen auch die Sachverständigen in den letzten Gutachten, das sagt die Bundesbank, und das wird auch international immer mehr erkannt. Und Dr. Heinrich Irmler hat das nach einem etwa 40jährigen Bundesbank- bzw. Zentralbankratleben bei seinem Ausscheiden gleichsam als Stabilitätsvermächtnis - abgedruckt in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 29. September 1979 - hinterlassen. Auch am letzten Samstag hat er in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" einen Aufsatz veröffentlicht, den ich jedem zur Lektüre empfehle: „Staatsverschuldung - ein Holzweg", und zwar ein Holzweg in Richtung Vollbeschäftigung und Wachstum. Heinrich Irmler sagte bei seiner Verabschiedung - ich darf zitieren -: Meist wird nämlich sogleich „Nachfragemangel' diagnostiziert, gerade so, wie er Anfang der 30er Jahre aus einer Reihe von Gründen tatsächlich in dramatischer Größenordnung existiert hatte und Keynes damals durchaus zu Recht zu seiner bekannten Therapie des „deficit spending" und des billigen Geldes inspiriert hatte. Die ökonomische Lage ist indessen heute anders. Niemand hortet wie damals Geld, weil er auf billigere Preise spekuliert. Das Gegenteil ist der Fall. Konsumiert wird wie noch nie, auch auf Kredit, und die Konsumeinkommen werden durch Lohn- und durch Fiskalpolitik, unter tätiDr. Häfele ger Mithilfe der Kreditschöpfung, zu Lasten der Zukunftsproduktion eher zu hoch getrieben. Die Investition erlahmt natürlich, wenn die Preis-Kosten-Relation nicht mehr stimmt. Tatsächlich braucht der Staat heute, zumindest bei uns, durchaus keine Nachfragelücke durch Staatsdefizite mehr aufzufüllen, sondern er muß im Gegenteil die Defizite vermindern und so der Privatwirtschaft größeren Raum lassen. Soweit Dr. Heinrich Irmler. Ich könnte jetzt auch die Sachverständigengutachten 1978 und 1979 zitieren. In beiden Gutachten ist ausgeführt worden - Sie sind geradezu beschworen worden -, daß die Politik der Zunahme der Staatsverschuldung auf Dauer nicht zu einer Politik der beabsichtigten Vollbeschäftigung und des beabsichtigten Wirtschaftswachstums paßt. Das haben Sie vernachlässigt. Deswegen, Herr Bundesfinanzminister - ich muß das sagen -, weise ich das böse Wort zurück, das Sie vorhin verwendet haben: als ob die Alternative zu dieser Ihrer Politik Massenarbeitslosigkeit gewesen wäre, als ob wir den Kohlebergbau im Ruhrgebiet zerstört hätten. Das ist eine böse Behauptung, die ich zurückweise. ({10}) Zur zweiten Einlassung, zur Verniedlichung der Staatsverschuldung. Sie sagen, im Grunde sei das ja alles in Maßen, das könne sich auch international sehen lassen. Nebenbei: Es ist immer schlimm, wenn man an denen Maß nimmt, bei denen die Fehlentwicklung schon am weitesten gediehen ist. Das ist für einen Finanzminister nicht empfehlenswert. Aber auch dieser Vergleich stimmt ja ebensowenig wie die Vergleiche etwa mit der Vergangenheit. Das hat mein Kollege Lothar Haase in seinen Ausführungen heute bezüglich des Jahres 1913 mit dem jetzt endlich nach langen Monaten ermittelten Zahlen - das gebe ich zu - nachgewiesen, so daß ich Ihnen empfehle, Ihrem Bundeskanzler zu sagen, er solle das Jahr 1913 ab sofort nicht mehr in seinen Reden verwenden. Nein, Herr Bundesfinanzminister, Sie haben das Problem der Staatsverschuldung in den letzten Monaten im Grunde nur einmal zutreffenderweise nicht verniedlicht. Das war in Ihrem Alarmbrief vom 31. Januar dieses Jahres an die Kollegen Ihrer Bundestagsfraktion. Dieser Brief ist hinsichtlich seines Wahrheitsgehaltes - im Sinne der Schilderung des Zustandes - durchaus zutreffend. In dem Brief sind beschwörende Worte an Ihre Kollegen enthalten: daß es so nicht weitergehen könne und daß wir im kommenden Jahr in der Finanzpolitik vor ungeheuren Problemen stünden. Aber warum gehen Sie dann durchs Land und sagen - auch heute in Ihrer Rede -, das sei alles solide finanziert, das sei alles in Ordnung? Das ist Verniedlichung, Bagatellisierung. Nein, auch insoweit ist auf die Sachverständigen, auf die fünf Weisen hinzuweisen, die im Jahr 1978 nachgewiesen haben, daß wir bei der Zunahme der Staatsverschuldung in den letzten Jahren inzwischen mit an der Spitze aller Industrieländer stehen. Daß es Länder gibt, die im Stand der Staatsverschuldung höher sind, hängt natürlich mit den beiden Währungsreformen 1923 und 1948 zusammen. Aber das ist ja kein Verdienst dieser Regierung. Meine Damen und Herren, auch ein Wort zur Leistungsbilanz. Sie haben dazu heute auch wieder Stellung genommen, und Sie bestreiten einfach, Herr Bundesfinanzminister, den Zusammenhang zwischen der Staatsverschuldung und der inzwischen besorgniserregend negativ gewordenen Leistungsbilanz. Es werden in diesem Jahr voraussichtlich 25 Milliarden DM sein, nachdem es im letzten Jahr noch 10,5 Milliarden DM und im Jahr vorher noch positiv 17,5 Milliarden DM waren, als ein Aktivsaldo bestand. Es ist in den letzten drei Jahren also ein ungeheurer Sprung eingetreten. Heute hat die Bundesbank ihren neuesten Monatsbericht veröffentlicht. Er ist frei ab 20. Juni, also ab morgen. Ich nehme an, daß er erst morgen gedruckt wird, so daß ich berechtigt bin, es heute schon zu zitieren. Da heißt es wörtlich zu dem Thema, dessen Kausalzusammenhang Sie vorhin bestritten haben: Im laufenden Jahr werden sich daher Fortschritte in Richtung auf eine Rückführung der hohen Staatsdefizite nicht erzielen lassen, obwohl dies im Hinblick auf den inzwischen erreichten hohen Auslastungsgrad des gesamtwirtschaftlichen Produktionspotentials und auf das Leistungsbilanzdefizit an sich angezeigt wäre. Das ist das Gegenteil dessen, was Sie vorhin gesagt haben. Nicht wir müssen mit der Bundesbank zusammensitzen - wir haben es getan und tun es regelmäßig -, sondern Sie müssen die Ratschläge der Bundesbank beherzigen. Nicht die Bundesbank kann die Regierung übernehmen, sondern die Regierung muß endlich das tun, was die Bundesbank allein niche leisten kann. ({11}) Herr Bundesfinanzminister, Sie haben beklagt, daß im Land draußen die Sorge umgeht, daß gefragt wird: Wohin führt das mit der Inflation? Führt das womöglich wieder zu einer Währungsreform? Dagegen gibt es nur ein Gegenmittel, damit diese Sorgen im Land nicht virulent werden: die Probleme nicht verniedlichen, nicht bagatellisieren, nicht verschweigen, sondern endlich den Kurswechsel überzeugend vornehmen, damit man glauben kann, daß diese Staatsdefizite so nicht weitergehen. Das glauben Ihnen die Leute aber nicht. ({12}) Man braucht sich darüber nicht zu wundern, wenn es in Nordrhein-Westfalen einen SPD-Ministerpräsidenten Rau gibt, der im Landtag sogar gesagt hat - er sagt nachträglich, es sei humorvoll gemeint gewesen, aber über dieses Thema gibt es Gott sei Dank keinen Spaß im deutschen Volk ' -, am Schluß stünde dann eben eine Währungsreform. Das stammt von Ministerpräsident Rau und nicht von uns. Dieses muß er sich sagen lassen. ({13}) Das dritte Argument, Herr Bundesfinanzminister. Sie sagen: Die Länder müssen mehr abführen, dann können wir auch in den kommenden Jahren beim Bundeshaushalt eine - wie Sie sagen - solide Finanzpolitik weiterführen. Meine Damen und Herren, das Hin- und Herschieben von Schulden zwischen Bund, Ländern und Gemeinden löst überhaupt nichts mehr. Auch die Länder haben sich natürlich als Folge der sogenannten Reformpolitik, als Folge von Ausgabengesetzen und sonstigen Gesetzen, die in erster Linie der Bund gemacht hat, in ihren Ausgaben übernommen. Auch die Länder haben eine zu hohe Neuverschuldung. Alle öffentlichen Hände haben eine zu große Neuverschuldung. Verantwortlich ist der Bundesfinanzminister nicht bloß als Bundeskassenwart für die Bundeskasse, sondern Sie haben die Gesamtverantwortung. ({14}) - Herr Wehner, es freut mich, daß es Sie trifft. Dann liegen wir immer richtig, wenn es Sie trifft, Herr Wehner. - Sie haben die finanzpolitische Gesamtverantwortung. Sie sind verantwortlich für die gesamte öffentliche Finanzwirtschaft. Sie sind nicht nur Bundeskassenwart. Mit dem Hin- und Herschieben können Sie nichts machen. ({15}) Natürlich müssen alle einen Kurswechsel vornehmen, alle müssen in den nächsten Jahren bei den Ausgabenzuwächsen kürzertreten. Aber bei dem Kurswechsel muß die Bundesregierung mit Führung vorangehen. Das hat sie bis heute nicht getan. ({16}) Ich komme deshalb, meine Damen und Herren, nach elf Jahren SPD/FDP-Regierung und am Ende dieser Legislaturperiode zu folgender finanzpolitischer Schlußbilanz. Erstens. Seit 1975 verschuldet sich der Bund in jedem Jahr um das Anderthalb- bis Zweifache des Betrages von 1950 bis 1969, also 20 Jahre zusammengenommen. ({17}) 1981 will er dies verstärkt fortsetzen. Zweitens. Der Anstieg der Neuverschuldung aller Gebietskörperschaften in Deutschland in den letzten Jahren ist im Vergleich zu allen anderen Industriestaaten an der Spitze in der gesamten Welt. Drittens. Ende dieses Jahres werden die Gebietskörperschaften Zinszahlungen bis zu 30 Milliarden DM zu leisten haben. Das sind an jedem Tag eines Jahres 80 Millionen DM. 1983 wird die Neuverschuldung des Bundes nach der letzten mittelfristigen Finanzplanung der Bundesregierung nicht mehr ausreichen, um die Zinszahlungen des Jahres 1983 zu bestreiten. ({18}) Viertens. Diese Verschuldung kann inzwischen längst nicht mehr wirtschaftspolitisch positiv begründet werden, sondern diese Verschuldung wirkt inflationär. Sie wird zur Wachstumsbremse und damit zur Beschäftigungsbremse in der Gegenwart. Sie wird in den kommenden Jahren die internationale Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland immer mehr einschränken, und sie läßt uns vor allem überhaupt keinen Spielraum mehr für den Fall einer Rezession, so sie wirklich einmal kommen sollte. Es ist eine Politik zu Lasten der Zukunft, es ist eine Politik zu Lasten der kommenden Generation. Fünftens. Bundeskanzler Schmidt hat sein Versprechen in der Regierungserklärung am Beginn dieser Periode 1976 nicht eingehalten, wonach die Neuverschuldung künftig „deutlich niedriger liegen muß als bisher". ({19}) Sechstens. Es war ein Fehler der Bundesregierung, nicht spätestens 1978 bei einem ordentlichen Wirtschaftswachstum die Konsolidierung ernsthaft einzuleiten und sie 1979 bei einem sehr guten realen volkswirtschaftlichen Wachstum noch intensiver zu betreiben. Siebtens. Es war ein Fehler der Bundesregierung, bei Ausbruch der internationalen Krise Ende 1979 keinen Stopp für neue ausgabenwirksame Gesetze in Milliardenhöhe zu verhängen, die inzwischen im Gesetzgebungsgang sind. Es war ein Fehler, die 1979 deutlich gewordene negative Leistungsbilanz nicht zum Anlaß zu nehmen, endlich mit der Beschränkung der Ausgabenzuwächse der öffentlichen Haushalte ernst zu machen. Wir leben über unsere Verhältnisse. ({20}) Achtens. Es hilft nichts mehr, die Schulden zwischen Bund, Ländern und Gemeinden hin- und herzuschieben, sondern es ist ein grundsätzlicher Kurswechsel in der Ausgabenzuwachspolitik notwendig, und zwar für den Gesamtstaat. Hier muß die Bundesregierung kraft ihrer Führungsverantwortung vorangehen. Neuntens. Nichts ist zu lösen mit noch höherer Abgabenbelastung. Der SPD-Parteitag vor ein paar Tagen hat aber neue zusätzliche leistungs- und investitionshemmende Abgabenbelastungen beschlossen: eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenzen für aufstrebende Mittelschichten, eine Einbeziehung von abgabenfreien Lohnzuschlägen in die Sozialversicherungsabgabenpflicht, die Erfindung einer investitionshemmenden „Maschinensteuer'. Der 1981 von der Bundesregierung verspätet vorgesehene Teilabbau von heimlichen Steuererhöhungen ist kein vertrauenerweckender Stopp des AbgabenDr. Häfele und Steuerstaates, solange man solche gegenläufigen Beschlüsse bei der SPD faßt und sie in den nächsten Jahren in die Tat umsetzen will. ({21}) Zehntens. Als Hinterlassenschaft von elf Jahren SPD/FDP-Regierung bleibt die ungelöste Frage der Konsolidierung sämtlicher öffentlicher Haushalte. Dies, meine Damen und Herren, ist kein „Problemchen". Dies ist kein Problem. Dies ist eine der schwersten Herausforderungen der deutschen Politik seit 1949. ({22})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Das Wort hat der Abgeordnete Westphal.

Heinz Westphal (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da haben also der Herr Bundesfinanzminister und dieses Parlament den Nachweis erbracht, einen wegen neuer, vornehmlich internationaler Lasten notwendig gewordenen Nachtragshaushalt in der Größenordnung von immerhin 2 Milliarden DM finanzieren zu können, ohne eine einzige Mark zusätzlicher Schulden aufzunehmen und ohne in ein einziges Leistungsgesetz einzuschneiden, sondern allein durch härteres Sparen. Und immer noch tönt es von der ohne eigene Vorschläge antretenden Opposition, wir produzierten die Finanzkrise, wir leisteten einen Offenbarungseid. Was soll dieses Gerede? Es stimmt ja doch nicht. Das war solide Arbeit; wir können sie guten Gewissens vertreten. ({0}) Meine Damen und Herren, diese Leistung wäre - das muß ich gerade Herrn Häfele ins Stammbuch schreiben - nicht möglich gewesen, wenn wir der Opposition gefolgt wären und noch für 1980 Steuersenkungen in der Größenordnung von etwa 6,5 Milliarden DM beschlossen hätten. Noch vor drei Wochen haben Sie, die Opposition, diese Vorlage des Bundesrates hier verteidigt. Wie säßen wir in der Tinte, wenn wir das mitgemacht hätten! Das Verhalten der Ländermehrheit, das Wohngeldgesetz zu stoppen, das Jugendhilfegesetz zum Scheitern zu verurteilen, das Strafvollzugsfortentwicklungsgesetz untergehen zu lassen, die Krankenhausgesetznovelle niederzustimmen, wird doch unglaubwürdig, meine Damen und Herren von der Opposition, wenn man bedenkt, daß diese CDU/CSU-Ländermehrheit sich selbst für fähig hielt, die Einnahmeausfälle durch dieses Steuerentlastungsgesetz, die ja die Länder und den Bund getroffen hätten, schon 1980 tragen zu können. Dies ist doch unglaubwürdig, was die Bundesratsmehrheit uns dort liefert und Sie hier hinterher verteidigen. Wir waren da ehrlicher und haben dem Bürger offen gesagt: Wir haben 1977 Steuern gesenkt, wir haben 1979 Steuern gesenkt; wir können es 1980 nicht schon wieder tun, aber wir tun es 1981. ({1}) Selbst wenn wir diese Propagandatour der Opposition von 1980, der wir ein deutliches Nein entgegengesetzt haben, als erledigt beiseite lassen, bleibt doch der Tatbestand, daß die steuer- und familienpolitischen Vorlagen, die die Bundesratsmehrheit unseren Beschlüssen nun im Vermittlungsausschuß entgegenhalten will, bezogen auf dieses Jahr 1981, vor dem wir stehen, um 4,5 Milliarden DM größer sind als die, die dieses Haus auf unsere Initiative beschlossen hat. Der Vergleich des steuer- und familienpolitischen Pakets von Bundesregierung und Koalition in Höhe von 17,5 Milliarden DM mit den 17,2 Milliarden DM, die die Vorlagen der Opposition bzw. der Mehrheit der Bundesländer vorsehen - dies seien etwa gleiche Größenordnungen -, stimmt doch vom ersten Tage an nicht. Der Umfang Ihrer Tarifentlastung ist an der falschen Stelle größer. Ihre familienpolitische Komponente entlastet die reichen Eltern mehr als die armen. Sie wollen den Unternehmern in unserer gegenwärtigen Situation auch noch zusätzliche Vermögens- und Gewerbekapitalsteuerentlastungen geben. Die Wohngeldnovelle, die zunächst zumindest von einem CDU-Land noch ausgeweitet werden sollte, ist in Ihrer Rechnung noch gar nicht drin. Das wären dann 17,8 Milliarden DM, bezogen auf 1981, statt 12,8 Milliarden DM in dem vom Bundestag beschlossenen Paket. Ich führe dies hier auf, um deutlich zu machen, daß wir alle diejenigen - dazu gehörte insbesondere Herr Häfele in der Schlußrunde unserer bisherigen Aussprache -, die meinen, wir würden unsolide an die Finanzprobleme herangehen und sollten umkehren, nun zu fragen haben: Wann fangen Sie denn an umzukehren? Sie können uns doch nicht größere finanzielle Lasten aufladen und uns zu Steuermindereinnahmen in riesigen Größenordnungen - wesentlich höher, als wir hier beschlossen haben - auffordern und dann sagen, wir würden zu große Kuchen backen. Dies ist unlautere Politik. Sie ist nicht ehrlich. Die Unseriösität der Argumente derjenigen, die uns hier ohne jede Berechtigung unsolide Finanzpolitik vorwerfen, muß hier aufgeklärt werden. ({2}) Ich will Ihnen noch ein Argument sagen. Wenn der Herr Geißler, der CDU-Generalsekretär, für 1984 im voraus ausrechnet, daß das Wahlprogramm der CDU/CSU mit seinem Ansatz von 16 Milliarden DM, allein für den Bund, finanzierbar sei, und wenn man weiß, daß dessen Forderungen mal wieder - natürlich aus Wahlwerbegründen - größer sind als diejenigen, die die SPD in Essen beschlossen hat, dann gebietet doch die Logik, anzuerkennen, daß ein Wahlprogramm mit kleinerem finanziellen Umfang natürlich erst recht solide finanziert ist. Sie wollen doch wohl nicht behaupten, daß größere Folgekosten sich leichter finanzieren lassen als kleinere. Stellen wir noch einmal fest: Dieser Nachtragshaushalt ist der Nachweis unserer. Sparsamkeit, unserer Sparpolitik, der Nachweis, daß wir keine höhere Neuverschuldung machen, der Nachweis, daß I wir auf Konsolidierungskurs bleiben, solange eine gute Konjunktur uns dies erlaubt. ({3}) Nun kommt, Herr Friedmann, der Blick auf 1981. Sie, die Opposition, verlangen, daß die Haushaltsdaten 1981 jetzt auf den Tisch gelegt werden. Es bleibt, meine Damen und Herren, guter Brauch - wir werden ihn nicht brechen -, daß eine aus Wahlen hervorgegangene neue Regierung ihren Haushalt und ihre Finanzplanung zu präsentieren hat. Aber dahinter steckt doch bei Ihnen eine ganz andere Absicht: Sie wollen mit dem Vorwurf in den Wahlkampf ziehen, die regierende Koalition verschweige die finanziellen Risiken und die daraus zu ziehenden Konsequenzen. ({4}) Sie wollen dafür ganz üble Worte verwenden. Wir haben sie - auch von Herrn Haase - hier schon gehört. Meine Damen und Herren, diese Masche zieht nicht. Sie zieht deshalb nicht, weil die entscheidenden Daten und Absichten bereits genannt sind; sie liegen auf dem Tisch. Ich will sie hier nochmals aufzählen: erstens keine höhere Neuverschuldung 1981, als in der Finanzplanung vorgesehen ist, zweitens Reduzierung des Anstiegs des Etatvolumens um 3 Milliarden DM gegenüber der Planung. Das heißt: plus 4 % statt 5,5 % Steigerung des Haushaltsvolumens im Jahre 1981. Es ist also niedriger, genau wie es im Finanzplanungsrat zwischen Bund und Ländern inzwischen vereinbart wurde. Das heißt auch: nicht nur unterproportionales Wachstum des Bundesetats gegenüber dem Wachstum des Bruttosozialprodukts, sondern auch Einsparungen, Kürzungen, die uns alle noch hart ankommen werden. Meine Damen und Herren, der Bundesfinanzminister hat angekündigt, daß er uns den Abbau von Subventionen vorschlagen wird. Hier muß ich einfach einmal fragen: Wir freuen uns doch alle auf seine Vorschläge, oder nicht? Wenn ich an die Debatte nachher denke, müßte ich dies eigentlich unterstellen können. Ich nehme beinahe an, Sie würden mir auch zustimmen - in Kenntnis aller gemeinsam gesammelten Erfahrungen -, daß es unsinnig wäre, sich diese Vorschläge - jetzt präsentiert - im Wahlkampf von den Interessengruppen zerreden zu lassen. Aber ich bin nach dem, was ich hier vorhin gehört habe, der Auffassung, ja ganz sicher - leider -, daß es eben nicht nur Interessengruppen sein würden, die uns das zerreden, sondern daß auch Sie, die Opposition - auch dies ist eine Erfahrung, die wir haben sammeln können -, uns draußen und hier diese Vorschläge einer Konkretisierung des Subventionsabbaus zerreden würden. Wir haben das oft genug erlebt. Ich weiß noch genau, wie es mir ergangen ist, z. B. im Vermittlungsausschuß und bei ähnlichen Anlässen. Da ist man dagegen aufgetreten, daß es wieder neue Dauersubventionen und sogar Doppelsubventionen geben sollte. Sie wurden aber dann mit Mehrheiten beschlossen, die nicht von unserer Seite kamen. Haben Sie bemerkt, meine Damen und Herren, daß zu meiner Aufzählung dessen, was Eckpunkte sein werden, Eckpunkte, die offen auf dem Tisch liegen, nicht der Einschnitt in soziale Leistungsgesetze gehört? Ich möchte das hier gerade auch für diejenigen noch einmal deutlich machen, die schon darauf lauern, uns zu unterstellen, wir hätten die Absicht, so etwas wie ein Haushaltssicherungsgesetz zu machen. Da Herr Haase hier neue Vokabeln schlimmster Art eingeführt hat - der Herr Finanzminister hat darauf deutlich geantwortet -, will ich diese noch einmal aufnehmen, um das offenzulegen, was dahinter steckt. Nein, meine Damen und Herren, die Lage ist doch ganz und gar umgekehrt: Das Stoppen des Wohngeldgesetzes, das Scheiternlassen des Jugendhilfegesetzes, das Kaputtmachen der Kostendämpfung im Gesundheitswesen zu Lasten der Beitragszahler ({5}) ist, meine Damen und Herren, der Vorgeschmack auf die Politik des Herrn Strauß, falls er regieren sollte. ({6}) Ein Haushaltssicherungsgesetz mit Eingriffen in das soziale Netz, mit dem Stopp notwendiger Reformen hätte unser Volk von der CDU/CSU zu erwarten, nicht von uns. ({7})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Riedl?

Heinz Westphal (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Gerne.

Dr. Erich Riedl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001843, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Westphal, da Sie immer so viel Gefallen an dem Kanzlerkandidaten der Union haben, darf ich Sie fragen: Ist Ihnen bekannt, daß der damalige Bundesfinanzminister Strauß Ihnen 1969 bei der Übernahme der Regierungsverantwortung durch SPD und FDP übervolle Bundesfinanzkassen übergeben hat und daß Sie Ihre Regierungsarbeit mit vielen Millionen DM Überschuß in der Bundeskasse angetreten haben - jetzt stehen Sie mit einem Riesenschuldenberg in Milliardenhöhe da -, und wollen Sie dies bitte freundlicherweise in der Öffentlichkeit einmal zugeben? ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Riedl, ich werde nicht bezweifeln, daß wir in einer Situation Regierungsverantwortung übernommen haben, in der die Schuldenlast nicht so hoch war im Vergleich zur heutigen. ({0}) - Ich bitte, ein bißchen vorsichtiger zu sein, wenn wir zu rechnen anfangen im Vergleich zu den Größenordnungen des Bruttosozialprodukts. Aber mir fällt bei dem Finanzminister von damals ein, daß Herr Strauß die Lohnsteuer in einem Jahr um 20 % zu Lasten von Arbeitnehmern hat aufwachWestphal sen lassen - in einer solchen Größenordnung -, ohne auch nur daran zu denken, dies als heimliche Steuererhöhungen zu bezeichnen ({1}) oder gar als Finanzminister etwas zu tun, um dem Arbeitnehmer das zurückzugeben. ({2}) - Ich möchte Ihnen gern bezüglich des Mannes, über den wir gerade ein paar Worte geredet haben, eine seiner Absichten verdeutlichen und klarmachen, was sie bedeuten würde. Stellen Sie sich doch mal vor, was es bedeuten würde, den Staatsanteil um 7 % im Laufe einiger Jahre - die genaue Zahl ist nicht gesagt worden - zu senken. Wenn man von 47 % auf 40 % Staatsanteil herunterginge - das sind die Zahlen, die in der öffentlichen Diskussion erwähnt worden sind; sie sind nicht wortwörtlich, aber vom Inhalt her in Ihr Wahlprogramm eingegangen -, so hieße das: rund 100 Milliarden Deutsche Mark weniger öffentliche Ausgaben, bezogen auf die Jahre, in denen dieser Prozeß angesetzt ist. Jetzt will ich Ihnen das ein wenig aufgliedern. Das heißt: wenn man diesen Entzug - ({3}) - Hören Sie doch einen Moment zu! Sie kommen doch aus der Sozialpolitik. Ich weiß immer nicht, wo Sie das alles wegnehmen wollen. Das, was Herr Strauß hier beabsichtigt, geht fast alles auf Kosten der Sozialpolitik. ({4}) Es gibt gar keinen Zweifel, daß ein solches hartes Kürzen nicht ohne das Zerschneiden des sozialen Netzes möglich ist. Das heißt, daß die Kriegsopfer wieder hier antreten und demonstrieren müssen, um an der Rentenerhöhung beteiligt zu werden. Das heißt, daß es keine Ausbildungsförderung mehr gibt. Das sind die Folgen. ({5}) - Na gut, dann rechne ich es Ihnen mal vor. Wenn man dies in sieben Jahren machen wollte -100 Milliarden insgesamt herausnehmen aus der öffentlichen Ausgabenpolitik aller Haushalte, also aus dem öffentlichen Gesamthaushalt -, wenn man also diesen Entzug von Mitteln aus einer sozial gerechten Umverteilung in diesen sieben Jahren vornehmen wollte, dann müßten in jedem dieser Jahre 15 Milliarden DM weniger im öffentlichen Gesamthaushalt eingesetzt werden - 15 Milliarden weniger! Das heißt, bezogen auf den Bund, der heute 40 des Gesamthaushalts umfaßt: 6 Milliarden DM jedes Jahr herunter von den Steigerungsraten. Dies geht nicht. Das kann ich Ihnen mit Sicherheit sagen. Jeder von den Haushältern, der auf Ihrer Seite sitzt, genauso wie diejenigen, die auf der Seite der Koalition sitzen, wird Ihnen sagen: Dies ist so nicht zu machen, ohne daß man unser soziales Sicherungssystem kaputtmachen würde. ({6}) Und dies tun wir nicht. Es bleibt dabei richtig, daß es natürlich schöner wäre, die Steigerungsraten der Haushalte abzusenken. Auch unsere Politik zielt darauf ab, das Haushaltsvolumen nicht in demselben Maße anwachsen zu lassen, wie das Bruttosozialprodukt ansteigt. ({7}) Wir haben uns dazu entschlossen. Ich habe das vorhin dargestellt. Ich brauche es nicht zu wiederholen. Nur, die Größenordnung von 7 % bedeutet: wenn man das Geld eben nicht über die öffentliche Hand zur Verteilung bringt, kämen wir zu dem, was wir mit unserem Schlagsatz, der immer noch zutrifft, zum Ausdruck bringen: diesen dann armen Staat, der zur gerechten Umverteilung nichts zur Verfügung hat, den können sich eben nur die Reichen leisten. Und dazu lassen wir es nicht kommen. ({8}) Wir brauchen einen ausreichend großen öffentlichen Korridor. ({9}) Ich gehe davon aus, daß wir hinsichtlich der Entscheidung der Europäischen Gemeinschaft - auch dazu möchte ich hier noch ein Wort sagen - bezüglich ihrer finanziellen Folgen alle die gleichen Gefühle haben. Wir wollen die Vorteile, die unsere Wirtschaft, unsere Unternehmer und Arbeitnehmer aus Europa haben - 60 % unseres Exports gehen ohne Zollschranken in die Länder der EG - nicht verlieren. Wir brauchen Europa für unsere Außenund Sicherheitspolitik in schwieriger Zeit. Wir haben anerkannt, daß der britische Nettobeitrag nicht von diesem Land allein getragen werden kann. Wir fanden die Forderung zu hoch, aber wir haben sie gemeinsam mit den anderen EG-Ländern im gewichtigeren politischen Interesse geschluckt. Dies ist für uns alle mit der Forderung verbunden, Änderungen in den Agrarmarktordnungen zwecks Verhinderung einer Wiederholung durchzusetzen. Unser Hebel dafür ist die Begrenzung der EG-Mehrwertsteuerabführungen auf 1 % der Bemessungsgrundlage. Nun kommt die Frage: Wie tragen und verteilen wir die daraus entstandenen Lasten von rund 2,5 Milliarden DM in den Jahren 1980 und 1981? Meine Damen und Herren, ist es denn nicht logisch, nach einer Aufteilung der Lasten zu suchen? Es ist doch so, daß alle internationalen Lasten allein auf den Bund zukommen. Das ist bei der Verteidigung der Fall, bei der Türkeihilfe, bei der Entwicklungshilfe und nun neu und höher als erwartet auch im EG-Bereich. Es war nicht vorhersehbar, als 1970 die Finanzverfassung, so wie sie zur Zeit ist, gestaltet wurde. Hier muß man teilen, genau wie man dem Bund nicht allein die finanziellen Konsequenzen des Familienlastenausgleichs aufbürden kann. Es ist doch richtig, zuerst die Frage aufzuwerfen, wie wir uns die Lasten zwischen Bund und Ländern teilen können, bevor wir an den Bürger herantreten und ihm sagen: Du siehst, wir sparen; du siehst, wir wollen uns nicht höher verschulden; auch du meinst, wir sollten Subventionen streichen; und du willst gleich uns nicht, daß wir soziale Leistungsgesetze kürzen. Dann gibt es nur den Weg, Verbrauchsteuern in bestimmtem Maße zu erhöhen, denn die versprochenen und notwendigen Einkommensteuerentlastungen für Arbeitnehmer nehmen wir nicht zurück, die machen wir. Dies ist erst dann dem Bürger vorzutragen, wenn es nicht gelingen würde, sinnvollerweise Lasten, die allein auf den Bund zukommen, zwischen Bund und Ländern zu teilen. Nun muß noch all denen, die uns Erpressung oder das Verschieben von Schwarzen Peters vorgeworfen haben, gesagt werden, daß der Kabinettsbeschluß vom 4. Juni 1980 mit der Forderung nach Beteiligung der Länder an den neuen internationalen Lasten nicht neu und beziehungslos im Raum steht Die Sache hat doch einen Vorlauf. Bundesfinanzminister Matthöfer hatte den Länderfinanzministern geschrieben: Laßt uns im Zusammenhang mit dem Steuerpaket über die für 1981 anstehende Neuverteilung der Umsatzsteueranteile sprechen und die Sache jetzt unter Berücksichtigung der neuen internationalen Belastungen des Bundes klären. Die Antwort der Länder war zeitlich negativ. Sie sagten: nicht jetzt, erst 1981, wenn ein vereinbartes Gutachten vorliegt. Der Bundesfinanzminister kann aber nicht warten. Er muß noch Ende dieses Jahres seinen Haushaltsentwurf für 1981 aufstellen und dem Parlament vorlegen. Dieser muß in Einnahmen und Ausgaben ausgeglichen sein. Darin kann doch nicht stehen: Auf der Einnahmenseite fehlen 2 oder 3 Milliarden DM; die erwarte ich von den Ländern aus den auf den Bund zu übertragenden Umsatzsteueranteilen. Dies muß vorher geklärt sein. Deshalb war es berechtigt, nicht nur deutlich, son-dem, wenn Sie wollen, massiv zu verlangen: Der Bund braucht mehr. Darüber muß rechtzeitig Klarheit geschaffen werden. Das war kein Überfall, das war der notwendige zweite Akt eines bereits laufenden bekannten Dramas. Es ist interessant festzustellen, daß praktisch alle seriösen Kommentatoren, auch diejenigen, die vom Schwarzer-Peter-Schieben geschrieben haben, anerkannt haben, daß der Bund berechtigte Gründe hat, einen höheren Anteil zu fordern. Ich will dabei gar nicht so tun, als ob nur der Bund finanzielle Sorgen hat Auch die Länder sind in schwieriger Lage. Dabei muß gesagt werden, daß das für die Stadtstaaten in besonderer Weise gilt. Es geht also nicht darum, daß Reiche einem Armen etwas geben sollen, es geht um eine gemeinsame angemessene und der Verfassung entsprechende Verteilung der Lasten zwischen den Ebenen, die alle eine knappe Decke haben. Dabei sprechen - ich will das hier nicht wiederholen - alle Daten für den Bund. Die Verfassung schreibt in Art 106 vor, daß hierfür ein billiger Ausgleich gefunden werden muß. Wir haben registriert, daß es eine Bereitschaft der Länder gibt, über diese Fragen mit dem Bund zu sprechen. Wir haben dies insbesondere seitens der sozialdemokratisch oder sozialliberal regierten Länder erfreulich deutlich gehört; die Stimme von Johannes Rau ragt hier positiv hervor. Wir haben registriert, daß auch die CDU/CSU-geführten Länder bereit sind, über die Neuverteilung der aus den internationalen Aufgaben erwachsenden Lasten zu sprechen, wenn das Thema „Abbau von Mischfinanzierungstatbeständen" einbezogen wird. Wir ertragen es, wenn sich die Länder mit scharfen Worten gegen scharfe Worte wenden, aber der Rauch des ersten Schlagabtauschs ist doch nun verzogen, und es müßte möglich sein, die jetzt erforderlichen Teile eines neuen Ausgleichs auch jetzt auszuhandeln. Ich kann uns allen nur raten, das bald voranzutreiben. Eine schwierige Lage verlangt von uns baldige klare Antworten. Wir sollten uns fähig zeigen, sie zu meistern. Für den Wahlkampf bleibt trotzdem noch genügend anderer Stoff. Meine Damen und Herren, die CDU/CSU hat ihre Anträge, zu denen ich nun eigentlich auch noch etwas sagen sollte, nicht begründet Ich weiß nicht, ob ich hier Zeit aufwenden sollte, um zu begründen, warum wir sie ablehnen müssen. Ich kann das auch schriftlich nachholen und erspare Ihnen dadurch noch längeres Reden. - Meine Damen und Herren, ich danke für Ihre Aufmerksamkeit ({10})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gärtner.

Klaus Gärtner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000627, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Nachtragshaushalt 1980 macht klar, daß wir zunehmend engere finanzpolitische Spielräume haben werden. Das ist für jeden, der an den Haushaltsberatungen teilgenommen hat, völlig klar. Nur war wohl jedem, der von seiten der Union an den Haushaltsberatungen teilgenommen hat, der Beitrag des Kollegen Häfele völlig unklar. Der Kollege Häfele hat sich hier wieder hingestellt und hat das Thema nach der alten Methode behandelt: Wir wollen weniger Steuern einnehmen, keine Ausgaben kürzen und im übrigen auch die Staatsschulden herunterfahren. ({0}) - Ja, wissen Sie, das kann man bei Herrn Häfele langsam schon nicht mehr, weil er das schon seit drei Jahren so macht Wenn sich dann auch noch der Kollege Haase hier oben hinstellt und deswegen weint, weil wir an irgendwelchen Stellen gekürzt haben, kann das alles doch nicht mehr zusammenpassen. Sie selbst legen hier einen Antrag vor, nach dem beispielweise Zonenrandförderungsmittel nicht in dem vorgesehenen Umfang gekürzt werden sollen. Das alles geht nicht zusammen. Wir haben uns ja bei den vorgelegten Kürzungsvorschlägen auch schwergetan, um eine Deckung herbeizuführen. Derjenige, der sich an dem Ziel „Die Nettokreditaufnahme, d. h. die Neuverschuldung des Bundes, darf nicht wachsen" orienGärtner tiert, muß auch Kürzungen an Stellen; an denen sie wehtun, hinnehmen. ({1}) - Ach, entschuldigen Sie, Herr Friedmann - ({2}) - Welche Deckungsvorschläge haben Sie denn für Ihr Steuerpaket, das Sie zum 1. Januar 1980 hier einbringen wollten, vorgelegt? (Zurufe von der SPD: Nichts! - Luft» Keine einzige Deckung ist vorgesehen worden! Das, was Sie realistischerweise vorhaben, ist folgendes. Zwar sagen Sie uns, wir müßten ganz bestimmte Einsparungen vollziehen, aber wenn wir sie vollziehen, geschieht das Ihrer Ansicht nach an der falschen Stelle. Ihre eigenen Einsparungsvorschläge legen Sie jedoch nicht vor; Sie sparen nur an einer einzigen Stelle, nämlich bei den Steuereinnahmen des Staates, und sagen dem deutschen Volke nicht, an welcher Stelle Sie Ausgaben einsparen wollen. Das sagen Sie nicht!

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Warnke?

Klaus Gärtner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000627, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja, bitte.

Dr. Jürgen Warnke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002428, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Gärtner, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß in dem von Ihnen zitierten Fall des Antrages, die Zonenrandförderungsmittel nicht zu kürzen, die CDU/ CSU-Fraktion selbstverständlich einen Deckungsvorschlag unterbreitet und sich damit haushaltskonform verhalten hat, ({0}) so daß die von Ihnen unterstellten Unzulänglichkeiten gerade nicht bestehen und Ihre Unterrichtung damit eine Fehlinformation des Deutschen Bundestages darstellte? ({1})

Klaus Gärtner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000627, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Warnke, Sie haben nur in einer. Hinsicht recht, nämlich insofern, als Sie hier einen Deckungsvorschlag für Ihre Mehrausgaben eingebracht haben; und zwar haben Sie bei den Bewilligungen für den Umweltschutz gestrichen. Ich frage mich nur, ob das eine sinnvolle Streichungsmöglichkeit ist. ({0}) Herr Warnke, da sollten Sie nicht abwinken; so etwas muß man aushalten. Wenn Sie auf der anderen Seite sagen, dennoch ist das Defizit des Bundeshaushalts zu groß, müßten Sie ja nicht nur Mittel beim Umweltschutz streichen, sondern auch darüber hinaus noch etwas streichen. Dazu haben Sie in der Haushaltsberatung nichts vorgelegt. ({1}) Sie haben bei der Haushaltsberatung sogar gelegentlich folgenden Trick angewandt: Als wir von der Koalition genügend eingespart hatten, waren Sie bereit, an einigen Stellen wieder etwas zuzulegen. Das war ein Verfahren, das wir überhaupt nicht wollten. Hier wird gesagt, der Staat müsse die Voraussetzungen über die Rahmenbedingungen schaffen. Wissen Sie, dieser Staat hat die Rahmenbedingungen in einer vorbildlichen Weise geschaffen. Dieses Land kann sich angesichts dessen, was an internationalen Vergleichsdaten hier vorgelegt worden ist, sehen lassen. Alle, die in diesem Lande leben, können stolz darauf sein, was in diesem Lande geleistet wird. Das sollte auch für Sie gelten. Sagen Sie doch auch einmal innenpolitisch ja zu den Leistungen, die wir in diesem Lande erbracht haben. Wenn der Kollege Häfele behauptet, der Staat könne über Steuern alles Mögliche steuern, erwiedere ich ihm nur: Sagen Sie das einmal den Energieversorgungsunternehmen, die uns Vorschläge vorlegen, wie Kohleveredlungsanlagen in diesem Lande finanziert werden sollen. Über Steuern läuft da gar nichts; da läuft etwas über einen Zuschuß aus dem Bundeshaushalt. ({2}) - Herr Häfele, ich habe bei Ihnen zugehört. Ich habe versucht, klarzumachen, daß Sie in Ihrer Argumentation leider unehrlich sind. Sie sagen, der Staat solle auf Einnahmen verzichten, ohne gleichzeitig zu sagen, wo auf der Ausgabenseite gekürzt werden soll. Das ist genau wie mit Ihrer Forderung, daß der Staat mehr Familienlastenausgleich zahlen solle, und der Behauptung, daß zuwenig für die Kinder getan werde. Nur wenn es um die Finanzierung geht, drücken sich die Länder, z. B. beim Familienlastenausgleich, darum herum. Das gehört auch in die Kategorie „unehrlich". Ich meine, man sollte auch zugeben, daß Internationale Verpflichtungen, die auf uns zukommen, nicht nur von der Bundeskasse alleine getragen werden können. Die Forderung des Bundes, daß die Länder mitfinanzieren sollen, ist verständlich, nicht nur aus der Sicht eines Bundeshaushaltspolitikers, sondern auch aus der Sicht, daß der Bund allein finanzpolitisch nicht alles bewegen kann. Der Hinweis, der Bund solle sich im übrigen bei den Ausgaben beschränken, kommt manchmal aus Ländern, die, was die Verschuldungsquote angeht, weit an der Spitze stehen. Herr Kollege Häfele, die Kritik, die Sie hier am Herrn Bundesfinanzminister angebracht haben, müßten Sie schleunigst an Ihrem Kandidaten für das Amt des Vizekanzlers und Wirtschaftsministers, Herrn Stoltenberg, anbringen. Herr Stoltenberg steht, was die Pro-Kopf-Verschuldung seiner Bevölkerung angeht, in der Bundesrepublik Deutschland an der Spitze. Ich weiß nicht, ob es ehrlich ist, wenn Sie, wo Sie regieren, behaupten, der Bund sei schuld. ({3}) - Herr Friedmann, welchem Bundesgesetz haben Sie denn hier nicht zugestimmt, das Auswirkungen auf die Länder enthält? ({4}) - Hier wird immer erzählt: Wir sind für Sparen. Und gestern hat der Bundestag, der heute über den Nachtragshaushalt redet, beschlossen, daß ein Teil der Beamtenbesoldung nicht billiger, sondern teurer gemacht wird. ({5}) Das ist doch das unehrliche Verfahren. Man kann doch nicht auf der einen Seite sagen, der Bund solle keine Gesetze beschließen, - (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Sagen Sie doch, wer zugestimmt hat° - Entschuldigen Sie: die Fraktionen. Herr Kollege Hoppe hat heute morgen deutlich gemacht - und es wird beim Subventionsbericht noch klarer werden -, daß gesagt wird: Sparen und Subventionen abbauen, aber nicht meine. ({6}) Herr Friedmann, Sie kommen doch aus einem Land, das die zusätzliche Subventionierung für Wasserkraftwerke mitbeschlossen hat. Das. müssen Sie doch einmal alles klar und deutlich sehen. ({7}) - Ja, ich weiß, daß Ihr Land Spitze sein soll, auch in der Frage finanzpolitischer Forderungen an den Bundeshaushalt. Da gibt es Spitzenleistungen des Landes Baden-Württemberg. Bei dem Zukunftsinvestitionsprogramm hat das Land Baden-Württemberg bis zur letzten Minute darum gekämpft, den höchsten Anteil zu kriegen. Erst dann hat es zugestimmt. ({8}) Ich halte diese Argumentation für relativ unehrlich. Lassen Sie mich, liebe Kolleginnen und Kollegen, noch etwas zu einigen Punkten sagen, die nachher bei der Beratung und Beschlußfassung eine gewisse Rolle spielen werden. Der Kollege Löffler und andere auch haben darauf hingewiesen, daß wir internationale Verpflichtungen haben und entsprechende Leistungen zusätzlich von unseren Steuerzahlern verlangen. Nachher wird hier ein Antrag zur Frage der Türkei behandelt werden. Ich muß sagen, daß mich mindestens der erste Spiegelstrich in dem Antrag überrascht hat, weil ich darunter die Unterschrift des Kollegen Todenhöfer vermißt habe. Die hätte mir natürlich neben der des Kollegen Coppik besonders Spaß gemacht. ({9}) In dem Antrag steht genau das drin, was der Herr Kollege Todenhöfer für die Entwicklungshilfe seit Jahr und Tag als Prinzip erklärt. Ich finde den Antrag auch nicht fair, weil er nicht umfassend ist. Dieser Antrag hätte schon im vorigen Jahr, im vorvorigen Jahr gestellt werden müssen. Als aber der Kollege Ecevit in der Türkei regierte, haben Sie diesen Antrag hier nicht gestellt. ({10}) Ich sage Ihnen auch dies, Herr Kollege Coppik - darüber muß man doch reden dürfen -: Wenn Sie hier in der Fragestunde über die Problematik der Minderheitenverfolgung in der Türkei reden, dann sagen Sie bitte auch, daß Minderheiten in der Türkei gelegentlich - beispielsweise durch ihren Rauschgiftschmuggel - in unserem Lande erheblichen Schaden anrichten. ({11}) Ich bin nicht bereit, diese doppelbödige Strategie mitzumachen. Ich finde es nicht fair, daß man sich hier auf diese Art und Weise zu profilieren versucht, bei einem Thema, im Hinblick auf das wir im Haushaltsausschuß gemeinsam klargemacht haben, daß das, was wir bewilligen, nicht dazu führen soll, daß Menschenrechte in der Türkei unterdrückt werden sollen. Ich bin auch der Meinung, daß dieses Thema der Menschenrechte, wenn es so gemeint ist, wie Sie es gesagt haben, Herr Coppik, dazu führen muß, daß wir dem Finanzminister dabei Schützenhilfe leisten, daß wir nie zu Entwicklungshilfe in Höhe von 0,7 % des Bruttosozialprodukts kommen. Im Blick auf dieses Thema Entwicklungshilfe zu geben heißt konkret, die deutsche Entwicklungshilfe auf einem Niveau festzuschreiben, das uns international völlig unglaubwürdig macht. ({12}) Wir sind bereit, bei jedem Thema darüber zu reden, wie wir auf welchen Kanälen helfen können, damit Länder bereit sind, in ihren eigenen Strukturen Veränderungen dergestalt vorzunehmen, daß wir dazu ja sagen. Unterstellen Sie doch nicht all denen, die hier diesen Antrag ablehnen, sie seien für undemokratische Verhältnisse in der Türkei! ({13}) Ich meine, wir sollten diesen fairen Umgang miteinander haben. Gerade wenn die Frage ansteht, daß wir in unserem Lande im Bereich der Wirtschaftshilfe in Sachen Türkei mehr bewegen wollen, sollten Sie diesen Antrag lieber zurücknehmen. Sie schaden sonst Ihrem eigenen politischen Ziel. ({14})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über das Nachtragshaushaltsgesetz 1980, Drucksache 8/4193. Wir treten in die Einzelberatung ein. Ich rufe die Vizepräsident Wurbs Nachträge zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1980 auf, und zwar zuerst die Einzelpläne 01 bis 04. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Einzelpläne 01 bis 04 sind angenommen. Wir kommen jetzt zum Einzelplan 05. Ich rufe den Entschließungsantrag der Abgeordneten Gansel, Coppik, Jungmann und weiterer Abgeordneter - Drucksache 8/4251 ({0}) - zu den Einzelplänen 05 und 23 auf. Zur Begründung hat der Herr Abgeordnete Coppik das Wort.

Manfred Coppik (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000337, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Begründung des Entschließungsantrages auf Drucksache 8/4251 darf ich folgende Erklärung abgeben. Der vorliegende Nachtragshaushaltsplan sieht im Einzelplan 05 eine Rüstungssonderhilfe vor allem für die Türkei in Höhe von 170 Millionen DM in diesem Jahr sowie Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 490 Millionen DM zum gleichen Zweck für die nächsten Jahre vor. Im Zusammenhang damit steht die im Einzelplan 23 vorgesehene Hilfe von zusätzlich 330 Millionen DM für die Türkei. Begründet wird dieses ungewöhnlich großzügige Hilfsvorhaben mit außenpolitischen Notwendigkeiten und der prekären wirtschaftlichen Situation der Republik Türkei. Wenn die Bürger unseres Landes der Türkei so erhebliche Mittel zur Verfügung stellen sollen, dann erscheint es erforderlich, daß in diesem Parlament auch die problematische Seite dieser Hilfe und auch die Erwartungen, die wir mit einer solchen Hilfe verbinden müssen, angesprochen werden. Probleme gibt es genug: Abgesehen von dem Mord und Terror, der zwischen den verschiedenen politischen und religiösen Gruppierungen in der Türkei herrscht und inzwischen auch auf die Bundesrepublik übergreift, wissen wir, daß auch die staatlichen Polizei- und Militärorgane in der Türkei vor schweren Menschenrechtsverletzungen nicht zurückschrecken. Die überprüften Berichte von amnesty international sprechen von laufenden willkürlichen Verhaftungen, von Aussageerpressung durch Folter auf den Polizeistationen und in den Gefängnissen. Elektroschocks, Bastonade, Vergewaltigung, Schläge mit Sandsäcken sind Methoden, gegen die von den übergeordneten staatlichen Stellen nichts unternommen wird. ({0}) - Ich werde dazu auf Ihren Einwand hin etwas sagen, Herr Kollege, aber ich hätte es auch so getan. - Ich habe heute gehört, daß seitens des türkischen Innenministers eine Erklärung abgegeben wurde, daß man alle Vorwürfe, die von amnesty international erhoben wurden, sorgfältig prüfen will, sie als Anzeigen betrachten und ihnen nachgehen will. Ich begrüße diese Erklärung, ({1}) und ich hoffe, daß sich dann auch in der Praxis etwas ändern wird. Vorläufig sieht die Praxis immer noch etwas anders aus. Dazu kommt auch die Verfolgung und Unterdrükkung nationaler Minderheiten. Herr Kollege Gärtner, wir wissen, daß es viele Gruppen aus der Türkei gibt, die Rauschgiftschmuggel betreiben. Wir wissen das von den verschiedensten Gruppierungen, auch aus den verschiedenen nationalen und ethnischen Gruppierungen. Ich halte es nicht für gut, wenn man das nun in Form von Pauschalurteilen gegenüber einer bestimmten ethnischen oder nationalen Gruppe hier in der Form zum Ausdruck bringt, wie man Sie vielleicht verstehen konnte. ({2}) Es werden aber nicht nur nationale Minderheiten, sondern auch religiöse Minderheiten unterdrückt, z. B. auch die Minderheit der Christen. In einer Dokumentation der evangelischen Kirche werden u. a. folgende Schlußfolgerungen zur Situation in der Türkei gezogen. Dort heißt es: Die Christen sind Opfer fortgesetzter Gewalttaten, die spezifisch gegen sie gerichtet sind. Wenn Opfer Anzeigen bei der Polizei oder den Gerichten erstatten, wird die Gruppe der Vergeltung ausgesetzt. Flucht oder Aufenthalt in einem anderen Land bietet den Christen nicht mehr Schutz vor Verfolgung, solange sie noch Angehörige in der Türkei haben; denn diese Verwandten werden als Geiseln gebraucht, um die in Europa Lebenden zu terrorisieren und zu erpressen. Ich selbst bin bei einem privaten Besuch in der Türkei vor kurzem mit Opfern schwerer Folterungen auf Polizeistationen konfrontiert worden. Ich bin auch einem anderen besonders verwerflichen Fall einer Menschenrechtsverletzung begegnet, wo die türkische Polizei ein zweijähriges Kind als Geisel genommen hat, um die Festnahme des Vaters herbeizuführen. Nun gibt es Leute, die sagen - das war auch die Tendenz dessen, was Herr Gärtner gesagt hat, und entsprach einem Zwischenruf, der von einem Kollegen der CDU/CSU kam -: Das ist alles sehr schlimm, aber wenn wir nur noch mit Ländern Beziehungen unterhielten, die die Menschenrechte strikt einhalten, dann wären das zum Schluß nicht mehr allzu viele, mit denen wir solche Beziehungen aufrechterhalten könnten. Ich weiß, in welche Richtung wir auch schauen - dazu gehört auch die Richtung, die Sie angesprochen haben -, stoßen wir sehr bald auf Länder, in denen es zu mehr oder minder schweren Menschenrechtsverletzungen kommt. ({3}) Es wird ein sehr, sehr langer Prozeß sein, bis es gelingen wird, in allen Ländern dieser Welt wirklich echte Geltung der Menschenrechte durchzusetzen. ({4}) Nur glaube ich, daß man mit dem Hinweis darauf die besondere Problematik der Türkei nicht ad acta legen kann, schon allein aus zwei Gründen, worin sich die Türkei von den anderen Fällen unterscheidet. Erstens. DieTürkei ist Mitglied eines Bündnisses, dem auch wir angehören, das sich in der Präambel des Nordatlantikvertrages zu einer Wertordnung bekennt, in der schwere Menschenrechtsverletzungen ausgeschlossen sein müßten. ({5}) Zweitens. Wir liefern der Türkei auch Waffen und Gerätschaften, Ausrüstungsgegenstände also, die auch zu menschenrechtsverletzenden Aktionen im eigenen Land verwendet werden könnten. Deshalb sind wir verpflichtet, alles zu unternehmen, damit dies nicht geschieht. Sonst würden wir uns mitschuldig machen. ({6}) Deshalb halte ich es für erforderlich, daß der Deutsche Bundestag etwas zu den Erwartungen erklärt, die wir mit der Türkeihilfe verbinden. Diesem Zweck dient die vorgelegte Entschließung. Wir erwarten, daß die türkische Regierung der Beachtung der Menschenrechte besondere Aufmerksamkeit widmet. Das bedeutet, daß die derzeitige menschenrechtsverletzende Praxis ein Ende finden muß. Wir erwarten, daß die wirtschaftliche Hilfe vorrangig zur Verbesserung der sozialen Lebensbedingungen der breiten Bevölkerungsschichten in der Türkei verwendet wird und daß die von der Bundesrepublik der Türkei zur Verfügung gestellte Militärhilfe ausschließlich zur Erfüllung ihrer NATO-Verpflichtungen verwendet wird, d. h., daß die innenpolitischen Probleme nur durch mehr soziale Gerechtigkeit und nicht durch militärische Unterdrückung der eigenen Bevölkerung gelöst werden können. Die Militärhilfe darf auch keine Bedrohung für Nachbarn der Türkei darstellen. Das erwarten wir. Nur im Hinblick auf diese Erwartungen können wir diesem Nachtragshaushalt zustimmen. Nun hat Herr Kollege Löffler im Namen der SPD-Fraktion wortwörtlich die gleichen Erwartungen geäußert. Ich glaube aber, daß das Parlament insgesamt dazu berufen ist, hierzu eine eindeutige Äußerung abzugeben. ({7}) Ich bin davon überzeugt, daß es der Bedeutung der Sache angemessen ist, daß die Ernsthaftigkeit unserer Erwartungen an die türkische Regierung verdeutlicht und die Verbindlichkeit dessen, was hier im Auftrag von Fraktionen erklärt wurde, unterstrichen wird, wenn der Deutsche Bundestag die Entschließung verabschiedet. Ich sehe keinen Grund, warum das nicht von allen Mitgliedern des Deutschen Bundestages erfolgen könnte. Ich bitte um Unterstützung der Entschließung. ({8})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Porzner.

Konrad Porzner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001739, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion unterstützt die Bemühungen der Bundesregierung um Hilfe zur Lösung der wirtschaftlichen Probleme und zur Verbesserung der Verteidigungsfähigkeit der Republik Türkei. Der Sprecher der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, Lothar Löffler, hat heute vormittag ausdrücklich erklärt: Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion verbindet mit dieser Hilfe die Erwartung, daß die türkische Regierung der Achtung der Menschenrechte besondere Aufmerksamkeit zuwendet, daß die wirtschaftliche Hilfe vorrangig zur Verbesserung der sozialen Lebensbedingungen der breiten Bevölkerungsschichten in der Türkei verwendet wird und daß die von der Bundesrepublik zur Verfügung gestellte Militärhilfe ausschließlich zur Erfüllung der NATO-Verpflichtungen der Republik Türkei verwendet wird. ({0}) Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat durch ihren Sprecher, Herrn Löffler, die Bundesregierung aufgefordert, die weiteren Verhandlungen mit der Republik Türkei im Sinne dieser Erwartungen zu gestalten. Die sozialdemokratische Fraktion hat nicht beschlossen, daß der Bundestag eine solche Erklärung beschließen soll. Ich bitte Sie deswegen, diesen Antrag abzulehnen. ({1})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Riedl.

Dr. Erich Riedl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001843, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion schließt sich dem Antrag des Parlamentarischen Geschäftsführers der SPD-Fraktion an. Wir lehnen den von dem Fraktionsvorsitzenden der Linken innerhalb der SPD-Fraktion, dem Kollegen Coppik, begründeten Gruppenantrag ab. ({0}) Dieser Antrag spiegelt in sehr trauriger Weise die tiefe Zerrissenheit wider, in der sich, Herr Kollege Wehner, Ihre Fraktion in lebenswichtigen Fragen in Wirklichkeit befindet. ({1}) Wenn die Verabschiedung des Nachtragshaushaltes in der Tat von der Zustimmung der Gruppe der Linken in Ihrer Fraktion in dieser Weise abhängig gemacht wird, dann heißt das, daß Sie im Deutschen Bundestag in Wirklichkeit über eine Mehrheit nicht mehr verfügen. ({2}) Dieser Antrag von Coppik und echten Genossen spiegelt in Wirklichkeit auch ein tiefes Mißtrauen gegenüber der eigenen Fraktion und ein tiefes Mißtrauen gegenüber der Regierung wider, ({3}) Dr. Riedl ({4}) die, wie wir meinen, in dieser wichtigen außenpolitischen Frage eine lupenreine Vereinbarung mit der Türkei getroffen hat. Dieser Antrag ist eine unzulässige Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates. ({5}) Meine Damen und Herren des Gruppenantrages, der Antrag stellt die fast unverschämte Diskriminierung des Landes dar, das traditionell über Jahrzehnte - um nicht zu sagen: noch darüber hinaus - ein echter freundschaftlicher Partner aller Deutschen war. ({6}) Wir sagen ja zur Türkei-Hilfe, weil wir wissen, daß mit dieser Hilfe die sozialen Verhältnisse in der Türkei verbessert werden können, weil damit die Feinde der Türkei von rechts und links bekämpft werden und weil die Türkei so rasch wie möglich wieder zu normalen Verhältnissen zurückkehren möchte. Nur so kann die Türkei ihre Aufgabe an der Süd-Ost-Flanke der NATO erfüllen. Der Antrag ist aber deshalb in ganz besonderer Weise unglaubwürdig, weil die Antragsteller - man könnte sie einzeln dem Namen nach vorlesen zu denen gehören, die Menschenrechtsverletzungen größten Ausmaßes mitten in Europa und mitten in unserem Vaterland noch nie zum Anlaß genommen haben, im Zusammenhang mit der Verabschiedung von Haushaltsplänen einen solchen Antrag zu stellen. ({7}) Wir haben in den letzten zehn Jahren in die DDR 7,25 Milliarden DM direkt oder indirekt transferiert. Es ist noch nicht ein einziges Mal vorgekommen, daß sich einer von den Antragstellern hierher gestellt hat, um die DDR oder andere Ostblockstaaten zur Beachtung der Menschenrechte aufzufordern. ({8})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gansel?

Dr. Erich Riedl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001843, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich möchte meine Ausführungen zu Ende führen. ({0}) Nehmen Sie doch bitte einmal den Antrag zur Hand! Ich gebe Ihnen jetzt für die nächsten Haushaltsberatungen eine Formulierungshilfe. Ersetzen Sie das Wort Türkei weitgehend durch DDR! Dann würde das lauten - diesen Antrag hätte ich von Ihnen gerne einmal vorgelegt bekommen -: Der Deutsche Bundestag verbindet mit den Zahlungen an die DDR die Erwartung, daß die Regierung der DDR der Beachtung der Menschenrechte eine besondere Aufmerksamkeit widmet; ({1}) die Erwartung, daß die wirtschaftliche Hilfe vorrangig zur Verbesserung der sozialen Lebensbedingungen der breiten Bevölkerungsschichten in der DDR verwandt wird; ({2}) die Erwartung, daß die von der Bundesrepublik der DDR zur Verfügung gestellten Gelder nicht zur Mitfinanzierung der Volksarmee der DDR verwandt werden. ({3}) Ich darf zum Abschluß den Vertreter des Auswärtigen Amts, Herrn Staatsminister von Dohnanyi, auffordern, seine Meinung und die Meinung des Auswärtigen Amts und damit die Meinung der Bundesregierung zu diesem Antrag zu sagen, weil wir der Auffassung sind, daß mit dieser Doppelrolle, mit dieser Unehrlichkeit zwischen den Linken in der SPD und der Mehrheit der SPD, die noch besteht, sowie der Koalitionsmehrheit und den Herren, die hier auf der Regierungsbank sitzen, endlich Schluß gemacht werden muß. Die CDU/CSU wird diesen Antrag ablehnen. ({4})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Das Wort hat Frau Abgeordnete Schuchardt.

Helga Schuchardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002090, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sprecher von FDP und SPD haben darauf hingewiesen - nicht nur heute -, daß wir selbstverständlich voraussetzen, daß die Bundesregierung in ihren Verhandlungen mit der Türkei auf die Beachtung der Menschenrechte hinweist. Daß die wirtschaftliche Hilfe vorrangig zur Verbesserung der Lebensbedingungen der breiten Bevölkerungsschichten verwandt werden soll, ist überhaupt das Ziel bundesdeutscher Entwicklungspolitik, für alle Länder. ({0}) Meine Damen und Herren, ein Dringen darauf, daß die Militärhilfe ausschließlich zur Erfüllung der NATO-Verpflichtungen verwandt werden soll, ist ein Gebot unserer eigenen Sicherheit. Ein Krisenherd Türkei muß verhindert werden. Deshalb begrüßt meine Fraktion ausdrücklich die Bemühungen der Bundesregierung, die Türkei in diesem Sinne zu unterstützen. Wenn aber eine Gruppe der SPD trotz dieser eindeutigen Willenserklärungen der Koalitionsfraktionen auf diesem Antrag besteht und es ihr auch nicht einmal ausreicht, was Herr Löffler und Herr Porzner eben gesagt haben, so muß dies andere Gründe haben. ({1}) Wollen Sie wirklich den Eindruck vermitteln, daß der der SPD angehörende Bundesfinanzminister Matthöfer bisher nicht nach diesen Aspekten verhandelt hat? ({2}) Aber dieses Argument kann es wohl nicht sein, denn dies würde ja dem politischen Gegner in die Hände. spielen. ({3}) Oder, meine Damen und Herren, soll damit erreicht werden, daß all denjenigen, die der Aufforderung, diesen Antrag zu unterschreiben, nicht gefolgt sind oder ihm möglicherweise nicht zustimmen werden, unterstellt werden soll, sie würden nicht ernsthaft gegen Menschenrechtsverletzungen kämpfen? ({4}) Meine Damen und Herren, diese von mir unterstellte Absicht muß ich leider vermuten. So wurde - scherzhaft zwar, aber natürlich nicht ohne ernsten Hintergrund - mein Kollege Zumpfort von Herrn Gansel darauf aufmerksam gemacht, schon unterschreiben zu müssen, wenn er morgen in Kiel nicht zu den Sympathisanten der Grauen Wölfe gezählt werden wolle. ({5}) Mein Kollege Friedrich Hölscher wird auch mit der Androhung fertig, er solle seiner Basis mal erklären, warum er denn diesen Antrag nicht unterschrieben habe. ({6}) Den angedrohten Veranstaltungen im „Liberalen Zentrum" in Stuttgart sieht er mit Gelassenheit entgegen. Ich halte dies - das sage ich ganz ehrlich - für eine unerhörte Strategie. ({7}) Einige von Ihnen, meine Damen und Herren Antragsteller, scheinen auch ihr Mütchen kühlen zu wollen gegen Ihre Fraktionsführung. Bitte schön, tun Sie das, aber nur fraktionsintern und nicht auf meine und meiner Fraktionskollegen Kosten. ({8}) Ich wäre Ihnen im übrigen sehr dankbar gewesen, wenn Sie diesen Aufstand in Ihrer Fraktion nicht ausgerechnet an so sensiblen Bereichen wie der Entwicklungspolitik und den Menschenrechten geprobt hätten. ({9}) Allerdings finde ich es auch danebengegriffen, Menschenrechtsverletzungen in der Türkei zu verneinen. Wir sollten es hier alle begrüßen, daß der türkische Innenminister mitgeteilt hat, die Vorwürfe als Anzeigen zu betrachten und ihnen nachzugehen. Damit überhaupt kein Mißverständnis entsteht: Von jemandem, an den wir Waffen liefern, weil er Mitglied der NATO ist, erwarten wir, daß er peinlich auf die Einhaltung der Menschenrechte achtet. Herr Coppik, Sie haben mit Recht auf die Unterdrückung von Minderheiten hingewiesen. Militärhilfe geben wir ja in diesem Jahr nicht erstmalig, sondern wir haben auch in den Jahren davor Militärhilfe gegeben. Wo war eigentlich Ihr Antrag, als Herr Ecevit an der Regierung war und diese Minderheiten ebenfalls unterdrückt waren? ({10}) Meine Damen und Herren, der Hauptanteil der Finanzhilfe aber geht in die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes selbst. In diesem Zusammenhang sind mir solche Anträge in bezug auf Menschenrechte schon manchmal begegnet, allerdings im Zusammenhang mit anderen Ländern; der Antragsteller hieß dann Todenhöfer. ({11}) Herr Riedl, in diesem Zusammenhang wäre ich Ihnen übrigens sehr dankbar, wenn Sie die gleiche Rede dann auch einmal gegen Herrn Todenhöfer halten würden. ({12}) Eine langfristig angelegte Entwicklungsstrategie, meine Damen und Herren, dient auch und gerade der Verbesserung der sozialen Bedingungen und der weltweiten Einlösung der Menschenrechte selbst. Wenn man Entwicklungshilfeleistungen bereits vorher an Kriterien bindet, die es in zähen Bemühungen erst zu erreichen gilt, stellen wir einer weltweiten positiven Entwicklung selbst ein Bein. ({13}) Mein Kollege Klaus Gärtner hat bereits darauf hingewiesen, wir brauchten das 0,7 %-Ziel dann überhaupt nicht mehr anzustreben, weil sich gar nicht genug Länder finden würden, für die wir das ausgeben könnten. ({14}) Meine Damen und Herren, Einäugigkeit führt zum Verlust des perspektivischen Sehens. Perspektive ist aber eine notwendige Voraussetzung, um eine positive Entwicklung in der Zukunft einzuleiten. - Danke schön. ({15})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Meine Damen und Herren, ich frage, ob weiterhin das Wort gewünscht wird. ({0}) Herr Abgeordneter Gansel, darf ich Sie fragen, ob Sie noch zu diesem Punkt sprechen wollen? Eine Erklärung ist im Anschluß daran abzugeben. - Das Wort zur Diskussion? - Ich erteile dem Abgeordneten Gansel das Wort.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich nach den letzten DiskusGansel sionsbeiträgen der Kollegin Schuchardt und des Kollegen Riedl, die eine ganz neue Koalition in Menschenrechtsfragen hier haben sichtbar werden lassen, ({0}) ein paar Worte sagen zu der Sache, zu der Abstimmung und zu den persönlichen Ausfällen -

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Verzeihen Sie, Herr Abgeordneter, Sie müssen hier differenzieren. Zur Abstimmung können Sie eine Erklärung nach § 59 der Geschäftsordnung im Anschluß an die Aussprache abgeben. ({0}) Herr Abgeordneter, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß Sie jetzt nur zur Sache reden können. Die Erklärung zur Abstimmung nach § 59 der Geschäftsordnung können Sie im Anschluß daran abgeben. Das ist auch vorgesehen.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident, ohne daß ich mit Ihnen diskutieren möchte: Es ist ja geschäftsordnungsmäßig kein Problem, in einem Diskussionsbeitrag das Abstimmungsverhalten vorwegzunehmen und auf einen persönlichen Angriff zu antworten. Ich darf das in aller Kürze machen. Es gibt erstens kein einziges Beispiel für eine Leistung oder eine Zahlung dieser Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland an die DDR, die nicht damit verbunden wird, daß wir für die Menschenrechte der Deutschen im anderen Teil Deutschlands etwas erwarten oder etwas erreichen. Es gibt dafür kein Beispiel. ({0}) Es ist zweitens absurd, in diesem Zusammenhang diese Frage aufzuwerfen, wo es um wirtschaftliche Hilfeleistungen für einen NATO-Partner geht und wo es darum geht, an einen NATO-Partner Waffen und Rüstungen zu liefern, von denen wir wissen, daß sie im türkisch-griechischen Konflikt im Widerspruch zum NATO-Vertrag angewendet worden sind. ({1}) Drittens: Es hat viele Situationen gegeben - und hier passiert ja einmal ein Stückchen Parlamentarismus im Deutschen Bundestag dadurch, ({2}) daß nicht nur auf der Linie dessen, was die Fraktionen ausdrücklich erlaubt haben, diskutiert wird - in denen es Übereinstimmung zwischen Kolleginnen und Kollegen aus der FDP und aus der SPD gab. Dies waren gerade diejenigen, die sonst in anderen Fragen, z. B. der Entwicklungshilfe, der Rechtsstaatlichkeit und der Meinungsfreiheit in ihren Fraktionen unterlegen sind und sich dennoch an die Beschlüsse der Fraktionen gehalten haben, von einigen Ausnahmen einmal abgesehen; die gab es auch bei der FDP. Es entsprach deshalb unserem Stil im Umgang miteinander, zu fragen, ob auch in der FDP dieser Antrag mitgetragen werden könnte. Wenn ich zu meinem Kollegen aus Kiel von der FDP, zu dem ich bislang ein sehr gutes, ich möchte fast sagen, sehr freundschaftliches Verhältnis gehabt habe und hoffentlich werde fortsetzen können, etwas gesagt habe und Frau Schuchardt das hier zitiert, so empfinde ich das als äußerst unfair, auch wenn zur Zeit noch strittig ist, ob sie ausdrücklich darauf hingewiesen hat, daß es scherzhaft gemeint gewesen sei. ({3}) Die Reaktion jedenfalls der Kolleginnen und Kollegen der FDP bestand darin, zu sagen, man wolle dafür sorgen, daß ihre Sprecher zumindest dem Inhalte nach das hier vortragen würden, was wir als Antrag eingebracht haben. ({4}) Deshalb begreife ich nicht, warum hier jetzt aus taktischem Kalkül eine Absetzungsbewegung vorgenommen wird. Viertens: Da nunmehr nach den Erklärungen vorauszusehen ist, wie die Abstimmung in diesem Hause verlaufen wird, möchte ich noch einmal darauf hinweisen, daß wir Antragsteller den Eindruck haben, daß losgelöst von Fragen der parlamentarischen Taktik und des außenpolitischen Takts die Ziele des Antrags wohl von allen Kollegen hier vertreten werden. Es wird in Zukunft schwer werden, vor den Wählern und vor sich zu erklären, warum man in dieser bedeutenden Frage es nicht zu einem Beschluß des Deutschen Bundestages hat kommen lassen wollen. ({5}) Im übrigen werden die Antragsteller dem Nachtragshaushalt insgesamt und in den entscheidenden Abstimmungen zustimmen, der ja eine Vertrauenserklärung für unsere Regierung ist. ({6}) Wir werden, gestützt auf den Beschluß unserer führenden und verantwortlichen Regierungsfraktion, der ja hier von den Sprechern Löffler und Porzner vorgetragen worden ist und mit unserem Antrag identisch ist, darauf hinwirken, daß politische Erwartungen an die türkische Regierung mit den Hilfeleistungen verbunden bleiben im Interesse der Menschen in der Türkei, im Interesse ihrer demokratischen und sozialen Rechte und im Interesse des Friedens. ({7})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Wird weiterhin das Wort gewünscht? ({0}) Ich frage der Ordnung halber noch einmal, ob vor der Abstimmung über den Entschließungsantrag Vizepräsident Wurbs noch einmal das Wort zur Abgabe einer Erklärung gemäß § 59 unserer Geschäftsordnung zur Abstimmung gewünscht wird? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag auf Drucksache 8/4251 ({1}). Wer dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Gansel, Coppik, Jungmann ({2}) und weiterer Abgeordneter auf der Drucksache 8/4251 ({3}) zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. ({4}) Gegenstimmen! - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist bei vier Enthaltungen abgelehnt. ({5}) Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzelplan 05 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Einzelplan 05 ist angenommen. Ich rufe den Einzelplan 06 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 8/4234 ein Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Warnke, Lintner, Dr. Dregger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU vor. Zur Begründung hat der Herr Abgeordnete Dr. Warnke das Wort.

Dr. Jürgen Warnke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002428, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der Antrag bezweckt die Wiederherstellung des Ansatzes für Sportförderungsmittel in seiner vollen, ursprünglichen Höhe. Nach dem nahezu einmütigen Willen des Hohen Hauses ist dem deutschen Sport in diesem Jahr mit dem Verzicht auf die Teilnahme an der Olympiade ein zwar unvermeidbares, aber ihn hart treffendes Sonderopfer auferlegt worden. Auch hier ging es um die Verletzung der Menschenrechte. Dieselben Abgeordneten, denen die Menschenrechte im Zusammenhang mit der Türkei soeben einen eigenen Antrag wert waren, waren damals nicht bereit, zuzustimmen, daß die deutschen Sportler auf die Reise nach Moskau verzichten sollten, und haben uns um die Einmütigkeit in diesem Hause gebracht. ({0}) Der deutsche Sport hat dieses Opfer, das ihn ja in seiner Gesamtheit getroffen hat, mit Verständnis aufgenommen. Ich sage ganz bewußt: der deutsche Sport in seiner Gesamtheit. Denn es waren nicht nur die Spitzensportler - ({1})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Verzeihen Sie, Herr Abgeordneter. Ich möchte Sie einen Augenblick unterbrechen. - Meine Damen und Herren, ich darf um etwas mehr Ruhe bitten und bitte Sie, Platz zu nehmen. - Ich bitte Sie, fortzufahren.

Dr. Jürgen Warnke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002428, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Es waren nicht nur die Spitzensportler, sondern es war ebenso die Fülle der Aktiven und früheren Aktiven, es waren die vielen, die als Freunde des Sports den deutschen Sport in seiner Gesamtheit mittragen, davon betroffen, daß sie nun auf das Erlebnis verzichten müssen, wie sich die Besten unseres Landes mit der Elite der Welt in Moskau messen. Dieses Verständnis des deutschen Sports hätte Respekt und Anerkennung, nicht aber noch - neben dem Verzicht auf die Teilnahme an der Olympiade - eine zusätzliche Kürzung der Mittel verdient. Nach dem Willen der Bundesregierung sollen jetzt 7 Millionen DM voll zu Lasten des Vereinssports und der Gemeinden im Zonenrand und in West-Berlin gestrichen werden. Ganze 9 Millionen DM enthält der Haushalt des Bundesministers des Innern für diesen Zweck. 22 Millionen DM kommen aus dem Haushalt des Ministers für innerdeutsche Beziehungen hinzu. Das zusammen ergibt also 31 Millionen DM. Das ist ein bescheidener Betrag. Aber, meine Damen und Herren, dieses Geld ist gut angelegt. Nirgendwo wird mit so wenig Geld so viel geschaffen. Eigenleistung und Idealismus der Vereine sorgen dafür, daß die Bundeszuschüsse für den Sportstättenbau eine bestmögliche Wirkung erzielen. Die Sportstätten schaffen für die Bevölkerung im Zonenrandgebiet einen Teilausgleich für die Benachteiligung durch die Abseitslage. ({0}) Sie sind wirksame Barrieren gegen die Abwanderung und lebendige Zeugnisse örtlicher Gemeinschaft. Die Kürzung um 7 Millionen DM würde den bereits heute bestehenden Antragsstau um Jahre verlängern. Auch unter Berücksichtigung der Mittel des innerdeutschen Ministeriums würden die gesamten Mittel für den Sportstättenbau im Zonenrandgebiet um ein Viertel der Summe gekürzt. Das ist unerträglich. Die Bundesregierung hat nicht einmal den Schatten einer Begründung für einen so schwerwiegenden Eingriff wie die Kürzung unzulänglicher Mittel um ein volles Viertel hier vorbringen können. Die Vertreter von SPD und FDP haben in der Ausschußberatung den Kürzungsvorschlag gebilligt. Ich appelliere hier besonders an die Zonenrandabgeordneten der Sozialdemokraten und der Freien Demokraten. Noch können wir den Zonenrand vor Schaden bewahren. Wir haben für die Wiederaufstokkung nach sauberer Haushaltstechnik einen Dekkungsvorschlag vorgelegt. Wir sind auch bereit, über andere Deckungsvorschläge zu reden. Aber in Wirklichkeit geht es überhaupt nicht um Deckungsvorschläge, sondern es geht um eine Frage des politischen Wollens. Wollen wir dem Zonenrand helfen, ja oder nein? Für die CDU/CSU-Fraktion ist Zonenrandförderung praktizierte Deutschlandpolitik. ({1}) Bei einem Gesamtvolumen des Nachtragshaushalts von fast 2 Milliarden DM sind diese 7 Millionen nicht eine unabweisbare Finanzklemme. Ihre Streichung bedeutet nicht nur kleinkarierte, sie bedeutet rücksichtslose Politik zu Lasten des Zonenrandes, und deshalb sagen wir nein. ({2}) Wir beantragen, daß die Mittel wiederhergestellt werden. Wir bekräftigen mit diesem Antrag unseren Willen, dem Zonenrand zu helfen, nicht nur schöne Worte zu machen, sondern wirksame Leistungen zur Aufrechterhaltung der Lebenkraft dieses Landes zu geben, das für uns nicht Deutschlands Grenze ist, sondern Deutschlands Herz ist und bleibt. ({3})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Walther.

Rudi Walther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002424, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Warnke, was Sie eben hier vorgetragen haben, war wieder ein Stück aus Ihrem Schauspiel, das „Doppelstrategie" heißt. Herr Kollege Haase und andere haben heute morgen dargestellt, wie schlimm diese Bundesregierung mit den Bundesfinanzen umgehe und daß die Verschuldung durchgeführt werden müsse und was wir alles hier an schönen Sprüchen von Ihnen immer hören. Nur wenn es ums Konkrete geht - das haben wir im Haushaltsausschuß dutzende Male, hunderte Male gehört -, dann sind Sie nie bereit, Kürzungen zuzustimmen. ({0}) Sondern Sie beschimpfen uns nur jedes Mal, wenn wir mit unseren Mehrheiten Kürzungen durchsetzen. Aber Sie sind nie bereit, an Ihrer Stelle zu sagen, wo Sie es denn besser gemacht hätten. ({1}) Ich sage Ihnen: auch mir tut dies leid. Ich bin ja auch ein Abgeordneter aus dem Zonenrandgebiet. Auch mir tut es leid, daß wir die Kürzung vornehmen müssen. Aber mit der Methode „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß" bekommen wir den Bundeshaushalt nicht hin. ({2}) Wenn wir schon im Nachtragshaushalt - Sie haben das ja nachlesen können - an vielen Stellen Kürzungen vornehmen mußten, kann leider auch dieser Bereich nicht ausgespart bleiben. Ich hätte ganz gerne gehört, Herr Kollege Warnke, wenn einer Ihrer Kollegen aus dem Haushaltsausschuß zu diesem Antrag Stellung genommen hätte. Denn darüber haben wir im Haushaltsausschuß lange gesprochen. Ich kann nicht umhin, hier auch zu erklären, daß dieser Bereich nicht ohne Kürzungen abgehen kann, wenn wir hier gerecht auch gegenüber den anderen wichtigen politischen Positionen des Haushalts, bei denen wir Kürzungen vornehmen mußten, sein wollen. Deshalb sage ich Ihnen, Herr Kollege Warnke: der Deckungsvorschlag, den Sie machen, ist aus unserer Sicht nicht akzeptabel. Im Bereich des Umweltschutzes haben wir nach meiner Überzeugung im Nachtragshaushalt schon sehr viel mehr gekürzt, als von der Sache her richtig gewesen wäre. Wenn Sie aber in diesem Bereich noch mehr kürzen wollen, als es bisher schon geschehen ist, muß ich Ihnen sagen: wenn Sie hier die Prioritäten gegenüberstellen, dann ist die Sportförderung, die Zonenrandförderung prozentual sehr viel besser behandelt worden als beispielsweise der Bereich des Umweltschutzes. Es tut mir leid, Herr Kollege Warnke und die anderen Antragsteller: wenn wir dies alles berücksichtigen und gegeneinanderstellen, dann bleibt uns keine andere Wahl, als Ihren Antrag abzulehnen. ({3})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Weitere Wortmeldungen zum Änderungsantrag liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag auf Drucksache 8/4234. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt. Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzelplan 06. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Der Einzelplan 06 ist in der Ausschußfassung angenommen. Ich rufe die Einzelpläne 07 bis 15, 19, 20, 23, 25, 27, 30, 31, 32, 33, 35 und 36 auf. - Keine Wortmeldungen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die aufgerufenen Einzelpläne sind angenommen. Ich rufe Einzelplan 60 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 8/4226 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Änderungantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt. Wer dem Einzelplan 60 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Einzelplan 60 ist in der Auschußfassung angenommen. Ich rufe den Entwurf eines Gesetzes über die Fest. Stellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1980 - Nachtragshaushaltsgesetz 1980 - auf Drucksache 8/4193 auf, und zwar die Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Es ist entsprechend beschlossen. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer dagegen stimmt, den bitte ich, sich zu erheben. - Stimmenthaltungen? - Das Nachtragshaushaltsgesetz 1980 ist damit angenommen. Vizepräsident Leber Wir kommen zur Abstimmung über den Zusatzpunkt 3 zur Tagesordnung, betr. Finanzpolitische Bestandsaufnahme, verzeichnet auf Drucksache 8/ 4205. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/ 4205, den Antrag der Fraktion der CDU/CSU, dem Deutschen Bundestag unverzüglich eine umfassende Bestandsaufnahme über die Finanzlage des Bundes vorzulegen, für erledigt zu erklären. Ist das Haus damit einverstanden? ({0}) - Wird darüber abgestimmt? ({1}) Wer dafür ist, daß die Vorlage für erledigt erklärt wird, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das Haus hat entsprechend beschlossen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 36 auf: a) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Dollinger, Dr. Häfele, Pieroth, Dr. Biedenkopf, Dr. Waigel, Dr. van Aerssen, Dr. Althammer, Dr. von Bismarck, Haase ({2}), Hauser ({3}), Frau Hoffmann ({4}), Dr. Hubrig, Dr. Jahn ({5}), Dr. Kreile, Lampersbach, Dr. Langner, Dr. Narjes, Dr. Riedl ({6}), Sick, Dr. Schulte ({7}), Dr. Schäuble, Tillmann, Dr. Unland, Wissmann, Wohlrabe, Dr. Zeitel und der Fraktion der CDU/CSU Subventionspolitik der Bundesregierung - Drucksachen 8/3102, 8/3429 - b) Beratung des Berichts über die Entwicklung der Finanzhilfen und Steuervergünstigungen für die Jahre 1977 bis 1980 gemäß § 12 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft ({8}) - Drucksache 8/3097 Überweisungsvorschlag des Altestenrates: Haushaltsausschuß ({9}) Finanzausschuß Ausschuß für Wirtschaft Im Ältestenrat ist verbundene Debatte vereinbart worden. Die Aussprache ist eröffnet Das Wort hat der Kollege Dr. Langner.

Dr. Manfred Langner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001288, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir der Hoppeschen Subventionstheorie folgten, wie sie beim vorangegangenen Tagesordnungspunkt hier ausgebreitet worden ist - vor der Wahl geben, nach der Wahl nehmen -, dann könnten wir den Tagesordnungspunkt jetzt absetzen. ({0}) Die Sache ist aber viel zu ernst, als daß wir es uns so einfach machen könnten. Subventionen sind wie Drogen. Richtig dosiert, zur rechten Zeit verabreicht und wieder abgesetzt, wirken sie wie heilsame Medikamente; falsch dosiert, zur unrechten Zeit oder zu lange genommen, haben Subventionen aber auch dies mit Drogen gemeinsam: Man gewöhnt sich an sie, man kann ohne sie nicht mehr leben, und am Schluß zerrütten sie den Organismus. Meine sehr verehrten Damen und Herren, man findet zur Einleitung einer Subventionsdebatte sicher kaum passendere Worte als diese des Präses Schlenker der Handelskammer Hamburg. Denken wir an die Abschreibung nach § 7 b oder an die Bausparförderung: Was für eine Wohnungsnot hätten wir ohne diese Anreize! Zu ihrer Zeit die rechten Mittel! Das Wohngeld: Wie könnte man ohne diese gezielte Subjektförderung, ohne diese Zuwendung an Einkommensschwache an mehr Marktwirtschaft im Wohnungssektor überhaupt denken? Oder: Hat nicht die befristete Investitionszulage 1974/75 der Automobilindustrie damals nach dem ersten Ölschock erstaunlich schnell wieder auf die Beine geholfen? Leider aber sind die Beispiele für die „Drogensucht" mindestens genauso zahlreich. Erinnern wir uns an die jährlichen Zuschüsse aus ERP-Vermögen an das Bundesunternehmen DIAG, wo mit rund 1 Milliarde DM im Ergebnis lediglich 1 000 Arbeitsplätze subventioniert worden sind. Der Arzt - Gesetzgeber oder Regierung - verordnet gelegentlich sogar Arzneien, die völlig untauglich sind. Die Mobilitätszulage sei hier als Beispiel genannt. Der Rechnungshof stellt lapidar fest, daß das, was mit Aufwendungen von 400 Millionen DM erreicht wurde, zu einem wesentlichen Teil auch ohne Einsatz dieser Förderungsmittel erreicht worden wäre. Kein Minister haftet dem Steuerzahler für solche Fehlleistungen. Auch das Diktum von der schlußendlichen Zerrüttung des Organismus ist, wenn man das Bild nicht zu eng faßt, leider wahr. Durch ständige Erhaltungssubventionen kann man zwar einen kranken Betrieb oder Wirtschaftszweig am Leben erhalten; zerrüttet wird und kaputt geht dabei aber die Moral derer, die ausgeschlossen bleiben, und das oft nur, weil sie haarscharf neben dem Subventionszweck wirtschaften oder weil sie nicht die richtige Größenordnung haben, oder auch nur, weil sie keinen ehemaligen Staatssekretär eines Ministeriums im Vorstand haben. Zu der Beihilfe von 250 Millionen DM an ein Dortmunder Stahlwerk beispielsweise bemerkte kürzlich Professor Dr. Mertens, der Vorsitzende des Verbandes der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft, daß hier aus Mitteln der Forschungsförderung etwas subventioniert worden sei, was andere Betriebe schon selbst gebaut hätten. Mertens wörtlich: Wenn dieses Beispiel nicht ein Einzelfall bleibt, werden wir Betriebswirte es als hohe Schule der finanziellen Führung lehren müssen, ehemalige Staatssekretäre in den Vorstand zu berufen. Mertens legte dar, daß die betriebswirtschaftlichen Voraussetzungen richtigen Rechnens durch Subventionieren zerstört werden. Zerrüttet durch Subventionitis werden aber nicht nur der Organismus einer gesunden Wirtschaft sowie deren Chancen- und Wettbewerbsgleichheit, deren Leistungs- und Innovationsfähigkeit und Unternehmergeist; zerrüttet werden gleichzeitig auch die Staatsfinanzen. Keiner kann heute mehr exakt angeben, welche Beträge eigentlich an Subventionen aus öffentlichen Haushalten fließen. Schon gar nicht gibt die buchhalterische Auflistung von Finanzhilfen und Steuervergünstigungen in den Subventionsberichten einen umfassenden oder abschließenden Überblick über öffentliche Zuwendungen mit Subventionscharakter. Je nach Definition sind das bereits 50, 75 oder gar 100 Milliarden DM. ({1})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Meine Damen und Herren, darf ich Sie bitten, das Gespräch in Gruppen im Plenarsaal einzustellen. - Bitte sehr.

Dr. Manfred Langner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001288, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich will mich nun nicht sehr lange mit Begriffsbestimmungen aufhalten. Der Bundestag ist ja kein Universitätsseminar, und es kommt mehr auf die politische Zielsetzung an. Dennoch muß gesagt werden, daß unsere ganze Subventionsdiskussion nicht nur am Mangel an Sparwillen der Koalition - daran allemal -, sondern auch an begrifflichen Unzulänglichkeiten krankt. Das beginnt mit der Legaldefinition in § 12 des Stabilitätsund Wachstums-Gesetzes. Zuwendungen an die Bundesbahn z. B. sind danach keine Subventionen, weil sie nicht aus dem öffentlichen Sektor herausfließen. Oder die 4 Milliarden DM, die die Mißwirtschaft der Hessischen Landesbank den hessischen Steuerzahler oder die hessischen Sparkassen gekostet hat, werden nirgends als Subvention aufgelistet. Wem es aber in die politische Agitationslinie paßt, der benutzt den negativ besetzten Subventionsbegriff zur wirtschaftsfeindlichen Propaganda. Es gibt Kollegen bei uns in diesem Hause, deren Presseerklärungen nur so von Empörung über Landwirtschaftsbesteuerung oder Rückstellungsmöglichkeiten nach § 6 b des Einkommensteuergesetzes triefen. Wenn es aber um das Gewerkschaftsmodell geht, dessen feinsinnige Erfindung gewerkschaftliche wirtschaftliche Betätigung weitgehend steuerfrei stellt, dann werden, wie vor einer Woche hier in diesem Hause, Salti mortali geschlagen, die allerdings Bocksprüngen weit ähnlicher gesehen haben. Der Begriff der Subvention, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist diffus. Sosehr für die Finanzwirtschaft eine begriffliche Klärung hilfreich wäre, kann sich eine rationale Subventionspolitik angesichts der dramatischen Staatsverschuldung nach elf Jahren SPD/FDP-Regierung nicht mit Begriffsfragen aufhalten. Was not tut, ist: Eingrenzen, Einfrieren, Befristen, degressiv Gestalten, wo immer es geht. ({0}) Was not tut, ist der entschlossene Wille zum Abbau. Es ist eigentlich ein Skandal, daß der Siebte Subventionsbericht von 307 Seiten nur ganze drei Seiten umfaßt, die sich mit dem Subventionsabbau beschäftigen. ({1}) Dabei wird, meine Damen und Herren, jeder scheitern, der diese Herkules-Arbeit mit ideologischer Verengung angeht. Man kann beispielsweise über die Landwirtschaftsbesteuerung denken, wie man will. Mußte man aber wirklich einem Teil der Landwirte eine neue Buchhaltungsart aufzwingen, die nach meiner Meinung einfach nicht zum Misten im Stall paßt? Einfühlungsvermögen in Lebensbereiche gehört zum Abbau von Subventionen einfach dazu.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Kollege Langner, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Westphal?

Dr. Manfred Langner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001288, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, sehr gern.

Heinz Westphal (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Langner, würden Sie statt des Beispiels aus dem Bereich der Landwirtschaft, das Sie eben genannt haben, nicht lieber die Vorschläge im Bereich der Veräußerung von Grundstücken als Beispiel nehmen, die von Ihnen mit getragen wurden und uns von der Mehrheit des Bundesrates in den Vermittlungsausschuß geliefert worden sind und zu neuen Dauersubventionen geführt hätten, wenn sie angenommen worden wären? Ein zweites Beispiel ist, daß es bei der Vorziehung eines Freibetrages mit dem Argument der Vereinfachung zu Steuermindereinnahmen in Höhe von 400 oder 500 Millionen DM allein für 1980 gekommen wäre. Dies nehmen Sie mal heraus.

Dr. Manfred Langner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001288, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Es ging in diesem Zusammenhang nur darum, daß man, wenn man Subventionen abbauen will, das nicht in einer Weise tun muß, daß sich die Sache nachher noch verbürokratisiert. ({0}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, um ein Beispiel zu nehmen, das Ihnen vielleicht näher liegt: Die Steuerfreiheit der Gewerkschaftsbeiträge ist eine Sache, die wirtschaftliche Betätigung der Gewerkschaften eine andere. Das ist ein schwierig zu lösendes Problem. Das sehen wir. Auch hier wäre es völlig falsch, wenn man das nur durch ein einseitiges Dichtmachen lösen wollte. ({1}) Nur eine Finanzpolitik aus einem Guß, die in sich stimmig und gerecht be- und entlastend ist, wird akzeptiert und ist durchsetzbar. Für den Teilbereich Subventionen heißt das: Nur ein Gesamtkonzept, das ein Höchstmaß an Gerechtigkeit anstrebt, wird als Subventionseingrenzungs- und -abbaukonzept akzeptiert Unparteilichkeit ist unbedingt erforderlich; sonst braucht man sich an die Aufgabe überhaupt nicht heranzuwagen. Subventionen kann man auch nicht dadurch in den Griff bekommen, daß man, wozu sich der Finanzminister einmal Anfang August 1979 veranlaßt sah, durch launige Berichterstattung aus dem Kabinett darlegt, wie man überall auf Widerstand gestoßen sei. Subventionen bekommt man schon gar nicht in den Griff, wenn sich eine Regierung vorzeitig aus der Verantwortung abmeldet. Wenn die Bundesregierung in ihrer Antwort auf unsere Große Anfrage um konkrete Vorschläge für die Abschaffung einzelner Subventionen bittet, stellt sie sich eigentlich selbst ein Armutszeugnis aus. Entweder hat sie keinen Überblick oder keinen Entscheidungsmut. In beiden Fällen taugt jedenfalls das Rezept „Hannemann Opposition, geh du beim Kürzen voran, wir fahren unterdessen mit dem Stander durch die Lande" zum Regieren nicht. Dabei sind die Lage der Staatsfinanzen, das Ausmaß der Staatsschuld, die Budgetstruktur, die vorhersehbaren Belastungen in der mittelfristigen Finanzplanung so dramatisch, daß für einen Finanzminister, der durch Taten und nicht durch Reden Profil gewinnen will, der Kairos auch beim Subventionsabbau einfach da ist. Wenn er heute hier erklärt hat, daß er in seinem Haus eine Arbeitsgruppe eingesetzt hat, so ist das erfreulich, aber viel zu spät geschehen. Wir haben Ihnen aus der Opposition heraus vom Arbeitskreis III unserer Fraktion Grundsätze für eine rationale Subventionspolitik vorgelegt. SPD und FDP haben Teile daraus übernommen. In Abschnitt VI des Siebten Subventionsberichts findet man Ansätze unserer Überlegungen zum Teil wieder. Die Opposition kann der Regierung nun aber wirklich nicht noch den Nachhilfeunterricht in der Technik der Haushaltskonsolidierung erteilen. Jahrelange Wiederholungsansätze beispielsweise, Einfrieren, pauschale Kürzungen in Gesetzen und Haushaltsansätzen - das sind alles längst bekannte und ewig umstrittene Mittel. Viele tausend Betriebe haben in der Rezession bewiesen, daß man durch Straffung und Rationalisierung die Aufgaben auch bewältigt, wenn 5 oder 10% weniger Mittel da sind. Auch Subventionsempfänger würden mit solchen Herausforderungen fertig. Natürlich gibt es hundert Gründe, warum man so etwas nicht tun soll. Wir aber meinen: Wer so mit dem Rücken zur Wand steht, wie es ein Finanzminister 1980 tut, sollte den Kampf gegen die beschleunigte Inflation hier und heute energisch aufnehmen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, unsere Bevölkerung hat wahrscheinlich keine Vorstellung, wie dicht Sinn und Unsinn beim Subventionieren beieinanderliegen. Verfolgen wir einmal den Werdegang eines Unternehmers heute: Die Unmöglichkeit, bei unserer Steuergesetzgebung ausreichendes Eigenkapital zu bilden, macht Existenzgründungshilfen erforderlich. Subventionen zur Erlangung der Selbständigkeit sind eine sinnvolle Sache. Im Prinzip sind auch die Investitionshilfen im Bereich der Maßnahmen zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur sinnvoll ({2}) - im Prinzip, habe ich gesagt -, doch setzt hier bei interessanten Ansiedlungen bereits ein kommunaler und Landeswettbewerb ein, der durch vielfältige Zusatzsubventionen die wirklich förderungswürdigen Regionen dann oft auf der Strecke bleiben läßt. Frau Breuel kämpft völlig zu Recht gegen diese Subventionsverzerrungen an. ({3}) Nun entwickelt sich unser Unternehmen durch Tüchtigkeit im Markt. Trotz aller Tüchtigkeit sollte der Unternehmer aber nicht versäumen, sich den 747 Seiten starken „Deutschen Subventionsführer" - eine Loseblattsammlung, versteht sich - anzuschaffen, der über 26 förderungswürdige Zwecke und die Förderung aus 275 öffentlichen Töpfen Auskunft gibt. Wenn er dann die Zeitung aufschlägt, findet er die Anzeige einer deutschen Großbank, die sich ihm nicht etwa mit besonders günstigen Kreditkonditionen anbietet, sondern ihre Dienste deswegen preist, weil sie besonders gut über die öffentlichen Finanzhilfen berate. Unser Unternehmen wächst. Forschung wird erforderlich. Neidvoll hört man bei Branchentreffen, wieviel Millionen die Konkurrenz aus dem HauffMinisterium bekommen hat. Man stürzt sich in das Abenteuer, Forschungsförderungsmittel zu beantragen. Wenn man nicht zu den ganz Großen gehört, ist das hierzulande ohnehin tollkühn. Die Formularsätze geben einem dann den Rest. 137 Beratergruppen mit 1300 Beratern und einer Legion weiterer externer Berater stehen für 5 000 Einzelprojekte zur Verfügung. Wird unser Unternehmer dabeisein? Der Bundesverband Junger Unternehmer mag übertrieben haben, als er feststellte, daß von einer Forschungsmark nur etwa 20 % nachher wirklich zum Forschen verbraucht werden und 80 % für Verwaltung in den Unternehmungen oder in den Ministerien verschlungen werden. In der Tendenz hat er aber sicherlich recht. ({4}) - Ich sagte ja: Er mag bei den Prozentzahlen übertrieben haben. Selbstverständlich macht die Subventionitis aber an den Grenzen der Bundesrepublik nicht halt. Im Gegenteil! Im Kampf um Exportanteile, Marktanteile werden die Beihilfemethoden immer ausgeklügelter, bis hin zu den Finanzierungsfazilitäten. Die „Wirtschaftswoche" enthielt in ihrer letzten Ausgabe hierzu einen sehr interessanten Report. Die Bundesregierung hat auf unsere Fragen zur europäischen Dimension der Subventionspolitik Antworten gegeben, die in die richtige Richtung gehen. Wir ermutigen Sie, noch stärker gegen Wettbewerbsverzerrungen durch Subvention in Europa anzukämpfen. So wenig wie der Sozialstaat ohne Sozialleistungen auskommen kann, so wenig wird die soziale Marktwirtschaft ohne gezielte und sinnvolle Subventionen auskommen. Ihr Ausnahmecharakter, die streng subsidiäre Hilfestellung, die Hilfe zur Selbsthilfe kann jedoch gar nicht entschieden genug unterstrichen werden. Wendet man diesen Maßstab an, dann ist das Urteil eindeutig. In Deutschland wird seit Anfang der 60er Jahre gegen diese gesunden Grundsätze gesündigt. Todsünden zuhauf haben sich aber die sozialliberalen Regierungen der letzten elf Jahre geleistet. Das hängt mit dem prinzipiellen Mißtrauen gegen die Soziale Marktwirtschaft zusammen, wie es Helmut Schmidt am 14. August 1972 im „Spiegel" erklärte: „Die Sozialdemokratie hat niemals das von Erhard verbreitete Schlagwort ,Soziale Marktwirtschaft' zu ihrem eigenen gemacht." Wenn jetzt im DGB-Subventionspapier, in dem sich im übrigen hinsichtlich der Zustandsbeschreibung sehr lesenswerte Passagen finden, vom Aufbau einer Strukturberichterstattung, von Strukturprognosen, Investitionsmeldestellen, Bundesentwicklungsplan, Wirtschafts- und Sozialräten, Branchenausschüssen die Rede ist, dann geht das alles in die falsche Richtung und wird nicht weniger, sondern noch mehr Subventionitis zur Folge haben. Das Thema der Subventionen gehört zu der Frage, was des Bürgers und was des Staates ist. Selbstverantwortung und Intervention sind dabei die Pole des Kraftfeldes, in das auch die Subventionen gehören. Subvention ist die Zwillingsschwester der Transferleistungen. Nun gehört - ich wiederhole das - die Umverteilung zur Sozialen Marktwirtschaft, aber sie muß mehr und mehr kritisch befragt und rational gerechtfertigt werden. Die Kosten der Umverteilung stehen heute oft in keinem Verhältnis mehr zu ihrem Nutzen. Eine immer größere Zahl etwas besser Verdienender wird geschröpft, und eine immer größere Zahl etwas weniger Verdienender bekommt dafür etwas. Der Transferbericht wird manches zutage fördern; vielleicht läßt er auch deshalb noch so lange auf sich warten. Auf dem Sektor von Subventionen und Transfers tut Umdenken not. - Danke schön. ({5})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Ich erteile das Wort der Frau Abgeordneten Simonis.

Heide Simonis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002178, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich danke den Kollegen, die noch geblieben sind. Sonst wären Herr Langner und ich Gefahr gelaufen, uns miteinander über dieses angeblich so wichtige Thema unterhalten zu müssen. ({0}) Nach dem drohenden Unterton, Herr Langner, den Ihre Große Anfrage gehabt hat, hatte ich erwartet, daß Sie nun sozusagen „Butter bei die Fische" tun und uns ein paar ganz konkrete Sachen nennen würden, wo man Subventionen abbauen könne. Ich habe gehört, daß Sie zwei sogar besonders lobend erwähnt haben. Ich nehme also an, daß Sie diese nicht abbauen wollen. Ich hätte auch erwartet, daß Sie bei der Einführung der Landwirtschaftsbesteuerung bzw. bei der Abschaffung des negativen Kapitalkontos geholfen hätten. Das sind auch zwei Subventionen. ({1}) - Ja, aber nicht mit derselben Verve, mit der Sie Ihre Fragen gestellt haben. Sie haben das im letzten Moment nach viel Widerstand getan. Wenn ich daran denke, daß der Verband Junger Unternehmer nach einer Befragung herausbekommen hat, daß 68 % aller Unternehmer überhaupt keine Subvention wollen, dann nehme ich an, daß sie diese zwangsweise oder zwanghaft - das kann ich noch nicht genau unterscheiden - entgegennehmen; denn es gibt Subventionen, die ausgezahlt und verwendet werden. Dieselben Unternehmer, die mit allen Anzeichen des Entsetzens in theoretische Diskussionen gegen Subventionen sind, haben in ihren Unternehmen sogenannte Profit-Center, deren einzige Aufgabe darin besteht, die von Ihnen genannten vielen Töpfchen daraufhin abzuklopfen, ob dabei nicht zufällig doch etwas für den eigenen Betrieb herausspringen könnte. Also, ich habe manchmal das Gefühl, daß vieles von dem, was gesagt wird, nicht ganz mit dem übereinstimmt, was man eigentlich will: Denn die Subventionen zeigen eine zunehmende Tendenz. Ich habe manchmal das Gefühl - Herr Eucken möge es mir verzeihen - : Dies hat ein bißchen was mit unserem System der Marktwirtschaft zu tun. Ich gehe mal davon aus, daß bestimmte Subventionen im wahlpolitischen Treibhauseffekt gewachsen sind, daß andere Subventionen schlichtweg aus Gefälligkeit gegeben worden sind und daß andere Subventionen schon längst hätten abgeschafft werden können. Aber dann bleibt immer noch genügend übrig, und die werden dann ja auch genommen. Und ich nehme an: Selbst Herr Stoltenberg, der ja als Sparapostel durch die Lande läuft, würde es wohl kaum unkommentiert hinnehmen, wenn wir uns von heute auf morgen entschieden, die Werfthilfe zu streichen oder auch nur zu reduzieren - was im übrigen im Haushalt eine beachtliche Menge ausmachen würde. Ich würde gern erleben, was er dann sagen würde, wie er mit den Schwierigkeiten in seiner Region fertig werden will. Ich glaube, das, was Sie da vorgetragen haben - es klang so ähnlich wie bei anderen Kollegen -, ist das System einer Sozialen Marktwirtschaft, die so idyllisch ist, daß es mir schon fast leid tut, Ihnen sagen zu müssen: ich kann an diese Idylle der freien Marktwirtschaft nicht glauben. Wir haben ja nun mal ein Wirtschaftssystem, das regional und sektoral sehr unterschiedlich strukturiert ist, das unterschiedliche Betriebsgrößen verzeichnet, das mit Export- und mit Importschwierigkeiten zu kämpfen hat und in dem sich ein rasanter Wandel technologischer Prozesse - die in der Vergangenheit zu Konzentrationsprozessen in der Wirtschaft geführt haben; die Markteinführung bestimmter neuer Produkte ist mit Schwierigkeiten behaftet - vollzieht. In diesem System wird jedesmal der Staat zu Hilfe gerufen, um diese Schwierigkeiten zu überwinden. Wir haben ja dann wohl, wenn ich das richtig verstehe, die Aufgabe, im sozialen Bereich das abzufedern, was betriebswirtschaftlich auf dem Buckel von Arbeitnehmern, insbesondere von Behinderten, älteren Arbeitnehmern, Frauen, Ausländern usw., ausgetragen wird. Ich gehe gar nicht auf andere Dinge ein. Aber schon dies wäre ein Grund zu sagen: Nicht über jede Subvention kann mit Ihrem Rasenmäher - wie ich es schon mal genannt habe - von 5 % hinweggegangen werden. Sie müssen da, denke ich, doch schon etwas konkreter, aber auch differenzierter werden. Im übrigen kenne ich aus dem Haushaltsausschuß dieses alte Spiel, das da heißt: Es muß gekürzt werden; aber, wenn möglich, bitte nicht in meinem Wahlkreis; es ist nämlich so peinlich, meinen Wählern zu erklären, warum nun ausgerechnet jene Bahnstrecke stillgelegt werden soll oder jene Subvention nicht mehr gezahlt wird; aber wenn ihr einen anderen ,,Deppen" findet, der sich bereit erklärt, das freiwillig in seinem Wahlkreis zu machen, dann bin ich sehr dafür, daß wir die Subventionen kürzen. - Ich glaube, das ist nicht das Verfahren, wie man einen Subventionsbericht angehen kann. Ich halte auch nicht sehr viel von der Biedenkopfschen These, die behauptet, daß, wenn die Wirtschaft um zwei Prozent wächst, dies der Wunsch und. Wille der Bevölkerung sei und aus diesem Grund Konjunkturprogramme und Subventionen zu streichen seien. Ich halte diese These für zwar charmant, aber volkswirtschaft falsch. Denn ich glaube, ich gehe richtig in der Annahme: Kaum jemand weiß, was das Bruttosozialprodukt überhaupt ist, und den Menschen ist piepwurstegal, ob dieses um zwei Prozent, null Prozent oder vier Prozent wächst; sie wollen einen bestimmten Wohlstand und ihre Arbeitsplätze; ob wir das mit null Prozent oder mit vier Prozent erreichen, ist ihnen egal. Ich fürchte sogar: Nicht mal die Statistiker im Statistischen Bundesamt, die wir teuer dafür bezahlen, wissen so ganz genau, was das Bruttosozialprodukt und das Wachstum dieses Bruttosozialprodukts sind. Also diese These legen wir mal lieber zur Seite. Und wenn die Jungen Unternehmer sagen, daß von heute auf morgen keine Subventionen mehr gezahlt werden sollten, und dann in Klämmerchen sagen: aber nur, wenn bei unseren ausländischen Wirtschaftspartnern auch keine mehr gezahlt werden, dann ist das reinweg Chuzpe. Denn die wissen sehr wohl, daß im Ausland weiter Subventionen in bestimmen Bereichen gewährt werden. Daraus kann man dann ja wohl den Schluß ziehen, daß sie davon ausgehen, daß sie weiterhin dieses hübsche Spiel spielen dürfen, uns in der Öffentlichkeit als Subventionsgeber zu beschimpfen und die Subventionen dann stillschweigend im Profit-Center zu verbuchen bzw. in der Bilanz auf der positiven Seite abzubuchen. Dies ist ein nettes Spiel, aber mir gefällt es nicht. Da sollte man doch ein bißchen ehrlicher sein und mal ganz konkret sagen, welche Subventionen man nun wirklich nicht mehr haben will. ({2}) - Das kann die Regierung tun. Aber das sollen doch auch die Unternehmer tun, die uns so beschimpfen. Dann sollen sie sich mal mit der Regierung zusammensetzen und sagen: Subvention A fällt weg. ({3}) Ich habe das Gefühl, daß das Problem der Subventionen, die ja durchaus mit der Marktwirtschaft vereinbar sein könnten, wenn man nicht will, daß man in einen Armutsstaat hineinkommt oder etwa gar zu dirigistischen Maßnahmen greifen muß, darin besteht, daß sie etwa die Zählebigkeit vom Löwenzahn auf einem gepflegten Rasen haben. Man kriegt sie einfach nicht weg. Jedes Jahr muß man wieder dran, und jedes Jahr kommen sie wieder. Man ärgert sich jedesmal gleichermaßen darüber. ({4}) Natürlich machen Subventionen nicht sinnlich und nicht süchtig - so weit würde ich gar nicht gehen -, aber sie sind eine angenehme Beigabe beim täglichen Wirtschaften im Betrieb. Und wer gibt schon eine angenehme Beigabe freiwillig auf? Daher denke ich, daß wir etwas anders an die Geschichte herangehen müssen. Da muß ich ehrlich sagen: Der Subventionsbericht der Bundesregierung ist in meinen Augen nicht ganz zufriedenstellend. Erstens weist er definitorische Schwierigkeiten auf, die schlichtweg dadurch gelöst werden, daß gesagt wird: Wir nehmen für die Begriffe Zuschüsse und Steuerbegünstigung einfach denselben Sachverhalt als Grundlage, und damit ist das Problem gelöst. So kann man tatsächlich ein definitorisches Problem angehen. Selbst bei der Frage, was eine Erhaltungs- oder eine Anpassungssubvention ist, tut sich die Regierung ein bißchen schwer und läßt gewisse Überlappungen zu. ({5}) - Selbstverständlich kann man „Hört! Hört!" rufen; aber wir könnten ja einmal ein volkswirtschaftliches Seminar veranstalten und dann die Leute im einzelnen fragen, ob sie die Definition hinbrächten. Ich fürchte, wir bekämen so viele Einzelmeinungen, wie wir Leute einladen würden. Selbst die ehrenwerte Ludwig-Erhard-Stiftung - auch sie bekommt Geld aus unserem Haushalt -, die ja dazu da ist, die Marktwirtschaft hochzuhalten, wäre kaum in der Lage, ein entsprechendes Symposium einzuberufen und ein Ergebnis zustande zu bringen.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Frau Kollegin Simonis, Sie haben eben von der Arbeitnehmerfreundlichkeit bestimmter Subventionen gesprochen. Ich werde dar- auf aufmerksam gemacht, daß die Stenographen Mühe haben, bei Ihrer Rede mitzukommen. Könnten Sie sich ein bißchen freundlicher verhalten und etwas langsamer reden? ({0})

Heide Simonis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002178, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident, es ist ein Geburtsfehler, daß ich etwas schnell spreche.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Ein reizender Geburtsfehler, aber die Stenographen können das nicht mitschreiben.

Heide Simonis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002178, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Mein Mann sagt auch immer: Rede langsam. Aber am Ende einer Rede bin ich leider immer etwas schneller als am Anfang der Rede. Das tut mir leid für die Stenographen. Ich bitte um Entschuldigung. ({0}) - Lieber Herr Glos, Ihre Zwischenrufe sind fast so witzig wie sonst immer; auch in diesem Falle. Ich möchte gerne auf einige Punkte zurückkommen, die ich für künftige Berichte für wichtig ansehe und die Sie im Zusammenhang mit den Prüfsteinen des DGB zum Teil angesprochen haben. Ich denke, wir sollten größeres Gewicht auf die Forderung legen, daß wir offene Subventionen und keine Steuernachlässe haben wollen - wie es übrigens Ihre Partei fordert -, weil nämlich zumindest im Blick auf den Haushalt die zukünftigen Auswirkungen einer steuerlichen Entlastung überhaupt nicht mehr nachkontrolliert werden können, während das beim direkten Zuschuß wenigstens der Höhe nach möglich ist. Im übrigen halte ich die Umverteilungseffekte einer steuerlichen Lösung für so negativ, daß ich, wenn schon Subventionen gegeben werden, dies lieber über direkte Zuschüsse mache. Dann brauche ich auch nicht Großunternehmen - auf Grund der Systematik unseres Steuersystems - stärker zu begünstigen als kleinere Unternehmen. ({1}) - Es wäre sehr gut, wenn Sie manche Sachen überwachten, z. B. auch Ihre Zwischenrufe, Herr Glos. Wenn ich sage, daß ich mit dem Subventionsbericht der Bundesregierung nicht ganz einverstanden bin, denke ich auch daran, daß wir die Forderung aufstellen sollten - da dürften wir und die Opposition wohl einig sein -, für jede Subvention auf jeden Fall eine zeitliche Begrenzung aufzustellen und bei den strukturerhaltenden Subventionen, die sich einfach nicht vermeiden lassen, zumindest Auflagen arbeitsqualifizierender Art zu machen, damit über die Erhaltung bestimmter Branchen in bestimmten Regionen die dort tätigen Arbeitskräfte die Möglichkeit haben, sich hinsichtlich ihrer Arbeitskraft so zu qualifizieren, daß für die Region insgesamt ein positiver Effekt festzustellen ist. Ich möchte auch gerne, daß die Regierung uns in der Zukunft Zahlen über Opportunitätskosten vorlegt, mit denen man feststellen kann, welche positiven bzw. negativen Effekte in einer Region oder Branche zu erwarten sind, wenn eine Subvention nicht gewährt oder doch gewährt wird. Und das, was für mich am wichtigsten ist: Ich möchte gerne, daß der Staat ein stärkeres Kontroll-und Mitspracherecht hat, wenn er bestimmte Summen über den Tisch schiebt. Sie als Privatmann würden einem Betrieb, an dessen Existenz Sie nicht unbedingt glauben, auch keine größeren Summen zur Verfügung stellen, ohne in Zukunft sehr sorgfältig darüber wachen zu können, was mit dem Geld passiert. Allein die Tatsache, daß der Staat für die Zeit, während der er einem Betrieb größere Subventionen gewährt, ein Mitspracherecht hat, dürfte den Willen zur Rückzahlung der Subvention in dem betreffenden Betriebe stärken; denn auf diese Art und Weise würde man den lästigen Mitsprecher wieder loswerden. Das wäre doch alles in allem, nehme ich an, der Marktwirtschaft nur dienlich. Ich muß Ihnen jedenfalls sagen, daß der Siebte Subventionsbericht der Bundesregierung für mich in vielen Bereichen eher den Charakter einer quantitativen denn einer qualitativen Auflistung dessen hat, was die Bundesregierung gemacht hat. Er macht leider keine Vorschläge - das finde ich sehr bedauerlich -, was abgebaut werden soll. Außerdem lautet die Antwort auf die Frage - das ist am bedauerlichsten -, ob bestimmte Subventionen bestimmte Wirkungen haben, ungefähr so, wie ein Student im ersten Semester der Volkswirtschaft antwortet, nämlich daß alles eigentlich nicht zu berechnen und nicht vorauszusehen sei, daß es Wechselwirkungen, Doppelwirkungen, sich gegenseitig aufhebende Wirkungen gebe und daß man aus diesem Grunde eigentlich gar nicht sagen könne, welchen Nutzen eine Subvention eigentlich haben könnte. Dies ist aber genau das Maßinstrument, das der Parlamentarier braucht, um überlegen zu können, welche Subventionen er auf Dauer weiter gewähren will, in welcher Höhe, und welche er gerne gestrichen haben möchte. Ich denke, daß wir die Regierung bitten müßten, uns Hilfestellung zu leisten, ebenso wie wir die Regierung bitten müßten, uns auch Hilfestellung bei der Beantwortung der Frage zu leisten, wie es zu der Diskrepanz zwischen den Zahlen des Instituts für Weltwirtschaft, die dieses auf Anfrage des Wirtschaftsministers genannt hat, und den Zahlen der Bundesregierung kommt. Während die Bundesregierung bei ca. 50 Milliarden DM Subventionen landet, kommt das Institut auf ca. 80 Milliarden DM. Es rechnet dann auch aus, welche Konzentration in welchen Bereichen auftritt bzw. in welcher Höhe welcher Arbeitsplatz bei uns in der Bundesrepublik subventioniert wird. Es wäre für die weiteren Entscheidungen sehr hilfreich, wenn solche Zahlen in den nächsten Bericht der Bundesregierung aufgenommen würden. Die wohl tröstlich gemeinte Beschreibung einer möglichen Erfolgskontrolle derart, daß ab dem nächsten Bericht zunächst ein statistischer Soll/Ist-Vergleich angeboten wird und dann eine Wertung dieses Soll/Ist-Zustands erfolgen wird, reicht meiner Meinung nach noch nicht aus. Man sollte darauf bestehen, daß das, was ich hier kurz zu skizzieren versucht habe, im nächsten Bericht eingebaut wird. Mein Vorschlag zum Schluß lautet: Die Bundesregierung setzt sich mit den so eifrigen Jungunternehmern zusammen, wertet deren Umfrage einmal aus und macht uns dann mit Hilfe der Opposition, die dann höchstwahrscheinlich immer noch Opposition sein wird, eine Liste und einen Vorschlag, an Hand deren wir uns im Haushaltsausschuß und im Finanzausschuß darüber unterhalten können, ob wir diese Subventionen abschaffen wollen oder nicht. Ich danke Ihnen für Ihre Geduld. ({2})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gärtner.

Klaus Gärtner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000627, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ihren Hinweis eben, daß wir uns ein bißchen arbeitnehmerfreundlicher verhalten sollten, will ich zum Anlaß nehmen, möglichst kurz zum Thema „Subventionsbericht" zu sprechen. Im übrigen hatte ich den Eindruck, daß der Kollege Hoppe heute morgen in der Beratung des Nachtragshaushalts den einzigen richtigen Satz gesagt hat, nämlich: Ein Subventionsabbau heute kann nicht stattfinden. Wenn ich mich hier ein bißchen umschaue, stelle ich fest, daß hier der harte Kern der Subventionsgegner sitzt, mit einigen Beobachtern. ({0}) Wenn ich Herrn Gallus nehme, den Berliner Teil und vielleicht Herrn Liedtke als Beamtenvertreter, sind die großen Positionen, was die Subventionen betrifft, besetzt. ({1}) - Der Satz soll aus dem Protokoll gestrichen werden. Er wird allerdings dennoch der Wahrheit sehr nahekommen. Ich meine, das Thema „Subventionsabbau" ist ein Thema, das sich offenbar hervorragend dazu eignet, alle Kollegen, die davon betroffen sind, aus dem Saal fernzuhalten, weil jeder damit rechnen muß, daß vielleicht an irgendeiner Stelle doch einmal angefangen wird, eine Subvention zu kürzen. ({2}) Der Subventionsbericht kann entsprechend den Vorschlägen der Kollegin Heide Simonis technisch besser gemacht werden. Er wird, weil er technisch noch besser gemacht werden kann, immer weniger handhabbar im Sinne von Streichen oder Sparen. Mit jedem Zusatz wird nämlich eine neue Begründung dafür geliefert, warum eine Subvention nicht abgebaut werden kann. Ich kann mir allenfalls vorstellen, daß der Subventionsbericht im nächsten Jahr nicht mehr auf diesem nüchternen Papier der Bundestagsdrucksachen ausgedruckt wird, sondern eine richtige Glanzbroschüre wird, weil er dann in seiner ganzen Leistungsdichte an den Wähler herangebracht werden kann. Ich sehe also bisher nicht, wie dieses Thema „Subventionsabbau' von uns energisch angegangen werden kann. Ich bewundere den Finanzminister, der diesen Bericht seit Jahren mit derselben Eintönigkeit schreibt und immer noch in der Lage ist, dazu etwas Neues zu schreiben und im Anschluß daran hier in der Debatte noch etwas zu sagen. Mit dem, was der Kollege Langner zur Struktursubvention gesagt hat, bin ich einverstanden. Nur: er hat dort aufgehört, wo es um die „Entzugserscheinungen" bei den „Drogen" geht. Dazu haben Sie leider keine ausreichenden Ausführungen gemacht. Aber im Prinzip haben Sie, was die Analyse angeht, recht. Frau Simonis, zu Ihrer Darstellung darf ich in zwei Punkten Bedenken anmelden: Hinsichtlich Ihrer Forderung, daß sich die Bundesregierung zum Zwecke des Subventionsabbaus mit den Unternehmern zusammensetzen sollte, bin ich mir nicht sicher, ob Sie nicht ein Wort vergessen haben, nämlich das Wort „nicht". Es kann ja wohl nicht wahr sein, daß wir Bundesregierung und Unternehmer zu einer Operation zusammenzwingen, um Subventionen abzubauen. Ich kann nur sagen: Das würde sich dann auf einem sehr hohen Niveau stabilisieren; es würde sehr, sehr teuer werden. Zweiter Punkt. Frau Kollegin Simonis, Sie haben gesagt, daß der Staat auch ein Mitspracherecht haben muß, wenn er ein Unternehmen subventioniert. Da würde ich aber dem Kollegen Grobecker, seines Zeichens Gewerkschaftsvertreter, sagen, daß die betriebliche Mitbestimmung damit hinfällig wäre. ({3}) - Aha. Von daher ist eine unübersehbare Differenz zwischen den Fraktionskollegen Grobecker und Simonis festzustellen. - Ich bitte noch einmal, das Thema Subventionen nicht nach diesem Strickmuster zu diskutieren. Man darf nicht über den staatlichen Einfluß die innerbetriebliche Mibestimmungsregelung, die wir hier gemeinsam beschlossen haben, kaputtmachen. Diese neue Form der Mitbestimmung, einer „Über"-Mitbestimmung, bei der ja dann die eigentlichen Investitionsentscheidungen nicht mehr im Aufsichtsrat gefällt werden, sondern hier im Haushaltsausschuß oder im Plenum, halte ich für sehr, sehr bedenklich. Ich wäre froh, wenn wir uns hinsichtlich des Subventionsberichts zu folgendem Verfahren in den Ausschüssen verständigen könnten: Erstens. Es kommt ein Deckel drauf; es gibt keine neuen Subventionen mehr, es soll auch keine Erhöhungen mehr geben. Zweitens. Wer eine neue haben will, muß eine alte streichen, so daß wenigstens das Dekkelprinzip gilt. So haben wir ja im Prinzip auch den Nachtragshaushalt beraten: Wir wollen zwar neue Ausgaben finanzieren, aber hinsichtlich entbehrlicherer Ausgaben Kürzungsvorschläge machen. Das wäre ein Vorschlag, der mit Sicherheit durchsetzbar wäre. Der dritte Punkt wäre, ob man sich nicht doch auf die Methode „Rasenmäher" verständigen kann. -Ober die Höhe der Prozentsätze wäre noch zu reden. Ich warne nämlich davor, zu glauben, daß bei der Einzelbehandlung überhaupt etwas herauskommt. Die Einzelbehandlung führt dazu, daß jeder für die Aufrechterhaltung „seiner" Subvention eine überzeugende Begründung liefert. Häufig ist sogar zu beobachten, daß die Subvention bei einem Kürzungsverfahren noch erhöht wird. Ich meine, wir sollten zukünftig nicht mehr so verfahren, wie wir es bisher getan haben, sondern wir sollten mittelfristig dazu übergehen, daß neue Subventionen zu Lasten von alten gehen. Wenn wir uns auf diesen, wie ich finde, Minimalkonsens verständigen könnten, wäre nach meinem Eindruck der erste Einstieg in eine vernünfGärtner tige Subventionsdiskussion möglich; alles andere wäre unehrlich. Bisher ist es so, daß wir uns in den mit dem Subventionsabbau beschäftigten Arbeitsgruppen vornehmen: Diesmal gehen wir ran, wir werden voll zuschlagen!, ({4}) und hinterher kommen wir aus der Sitzung und sagen: Leider muß es an der falschen Stelle gewesen sein. Der Subventionbericht hat bisher - wenn wir nach dem bisherigen Verfahren vorgehen, wird das auch in. Zukunft so sein - jede parlamentarische Unbill überstanden. Das Dumme ist nur, daß er möglicherweise noch teurer wird, wenn wir nach diesen Maximalzielen vorgehen. Vielleicht fangen wir mit einem kleinen Schritt an, um wenigstens einen halben Schritt nach vorn zu kommen. - Vielen Dank für Ihre Geduld. ({5})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Der Ältestenrat schlägt vor, den Siebten Subventionsbericht auf der Drucksache 8/3097 zur federführenden Beratung an den Haushaltsausschuß und zur Mitberatung an den Finanzausschuß und den Ausschuß für Wirtschaft zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen. Ich rufe nun entsprechend der Ankündigung von heute morgen Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde - Drucksache 8/4189 Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf. Die Fragen 1 und 2 des Herrn Abgeordneten Niegel sollen auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Dem wird entsprochen. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf. Die Fragen 3 und 4 des Herrn Abgeordneten Graf Stauffenberg sollen auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Dem wird entsprochen. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Verteidigungsministers erledigt. Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Die Frage 7 des Abgeordneten Dr. Diederich ({0}) wurde vom Fragesteller zurückgezogen. Die Fragesteller der Fragen 8 und 9, Abgeordneter Egert, der Frage 10, Abgeordneter Berger ({1}), der Fragen 11 und 12, Abgeordneter Dr. Meyer zu Bentrup, bitten um schriftliche Beantwortung. Dem wird entsprochen. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe die Frage 13 des Herrn Abgeordneten Thüsing auf. Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Somit werden die Fragen 13 und 14 des Herrn Abgeordneten Thüsing schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe die Frage 15 des Herrn Abgeordneten Dr. Schweitzer auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die bisher vorliegenden Ergebnisse der von ihr initiierten wissenschaftlichen Untersuchungen über die Ursachen des Terrorismus und die Möglichkeiten einer sogenannten geistigen Auseinandersetzung mit hierfür anfälligen Gruppen? Der Herr Abgeordnete Dr. Schweitzer ist da. Zur Beantwortung begrüße ich den Herrn Parlamentarischen Staatssekretär von Schoeler. - Bitte sehr. von Schoeler, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerium des Innern: Herr Kollege, die Arbeiten zur Erforschung der Ursachen des Terrorismus sollten, wie Sie wissen, ursprünglich von Bund und Ländern gemeinsam getragen und finanziert werden. Ein entsprechendes Bund-Länder-Abkommen ist jedoch daran gescheitert, daß es die Länder Bayern, Saarland und Schleswig-Holstein nicht unterzeichnet haben. Die Bundesregierung hat sich daraufhin entschlossen, das Projekt allein durchzuführen. Infolge dieser Verzögerung konnten die Arbeiten noch nicht abgeschlossen werden. Erste Untersuchungsergebnisse zum Teilprojekt „Einfluß von Ideologien auf den Terrorismus" werden in wenigen Monaten vorliegen. Ein abschließendes Urteil über die Faktoren, die die Entstehung und Entwicklung des deutschen Terrorismus beeinflußt haben, wird allerdings erst möglich sein, wenn die Ergebnisse aller Teilprojekte der Ursachenforschung vorliegen. Für die geistig-politische Auseinandersetzung mit denjenigen, die dem Terrorismus nahestehen, sind aufklärende Maßnahmen im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit und der politischen Bildung notwendig. Darüber hinaus bemüht sich die Bundesregierung, auf diejenigen einzuwirken, die in der Gefahr stehen, sich von unserer Gesellschaft abzuwenden und zur Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung zu greifen. Der Appell an diejenigen, die bereit sind, sich vom Terrorismus abzuwenden, hat hier ebenso sicherheitspolitische Bedeutung wie das Gespräch, das Bundesinnenminister Baum mit Horst Mahler geführt hat.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Keine Zusatzfrage. Ich rufe die Fragen 18 und 19 der Frau Abgeordneten Dr. Däubler-Gmelin auf. Die Fragestellerin bittet um schriftliche Beantwortung. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern erledigt. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf. Ich begrüße dazu den Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Böhme. Der Herr Abgeordnete Dr. Schneider bittet um schriftliche Beantwortung seiner Frage 20. Dem Vizepräsident Leber wird entsprochen. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ich rufe die Frage 21 des Herrn Abgeordneten Gobrecht auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Daher werden die Fragen 21 und 22 des Herrn Abgeordneten Gobrecht schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt Die Fragesteller der Fragen 23, Abgeordneter Dr. Todenhöfer, und der Fragen 24 und 25, Abgeordneter Dr. Hoffacker, bitten um schriftliche Beantwortung. Dem wird entsprochen. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe die Frage 26 des Herrn Abgeordneten Dr. Voss auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Daher werden die Fragen 26 und 27 des Herrn Abgeordneten Dr. Voss schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen beantwortet Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, für den guten Willen. Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen auf. Die Fragesteller der Fragen 28 und 29, Abgeordneter Graf Huyn, und der Fragen 30 und 31, Abgeordneter Schmöle, ziehen ihre Fragen zurück. Herr Abgeordneter Gerster ({0}) bittet, die Frage 32 schriftlich zu beantworten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt Dann rufe ich die Fragen 50 und 51 des Abgeordneten Böhm ({1}) auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Fragen werden schriftlich beantwortet Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen erledigt Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie. Ich rufe die Frage 5 des Herrn Abgeordneten Hansen auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Daher werden die Fragen 5 und 6 des Herrn Abgeordneten Hansen schriftlich beantwortet Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt Ich rufe die Frage 16 der Frau Abgeordneten Dr. Lepsius auf: Wie bewertet die Bundesregierung die Erkenntnisse in der Untersuchung über die Wirkung von Teilzeitarbeit bei Schreibkräften, und welche Schlußfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus? Der Herr Parlamentarische Staatssekretär Stahl hat das Wort

Erwin Stahl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002212

Frau Kollegin Dr. Lepsius, Ihre Anfrage beantworte ich wie folgt Die in der Untersuchung der Schreibdienste in obersten Bundesbehörden erhobenen Befunde über Probleme von teilzeitbeschäftigten Schreibkräften sind unerfreulich: stärkere Doppelbelastung durch Familie und Beruf, ungünstiger Typ von Arbeitsplatz und wenig qualifizierende Tätigkeit Eine der Ursachen dafür, daß Teilzeitbeschäftigte weniger günstige Arbeitsplätze haben, liegt in der organisatorischen Schwierigkeit, daß diese Beschäftigten im Normalfall vormittags arbeiten und deshalb in den Kooperationszusammenhang von Referenten schwieriger einzufügen sind als Vollzeitkräfte. Die im Rahmen der Schreibdienstuntersuchung gewonnenen Erkenntnisse unterscheiden sich allerdings nicht von den Problemen teilzeitbeschäftigter Frauen, die in anderen Berufsbereichen festzustellen sind. Insofern können Lösungen für einen Teil der Probleme nur im allgemeinen Rahmen der Familienpolitik und der Arbeitsmarktpolitik gefunden werden. Im Rahmen der Weiterführung des Schreibdienstvorhabens werden alternative Organisationsmodelle angestrebt Hierbei wird dann auch darauf geachtet, daß auch für Frauen in Teilzeitarbeit mit ihren speziellen Problemen günstige Voraussetzungen gefunden werden.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin Lepsius.

Dr. Renate Lepsius (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001331, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wann ist denn mit dem Beginn der von der Intersofo angeregten Modellphase in den Schreibdiensten der Bundesministerien zu rechnen?

Erwin Stahl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002212

Frau Kollegin Dr. Lepsius, wir haben die Vorarbeiten so weit beendet und wollen, wenn nichts dazwischenkommt, etwa im Juli/August/September dieses Jahres damit beginnen.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Eine weitere Zusatzfrage? - Bitte sehr, Frau Kollegin.

Dr. Renate Lepsius (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001331, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist denn nach den aus den neuesten Forschungsergebnissen zur Humanisierung der Arbeit gewonnenen Erkenntnissen daran gedacht, statt zentraler Schreibdienste Mischarbeitsplätze einzurichten und damit den in den Schreibdiensten tätigen Frauen zusätzliche Qualifikationsmöglichkeiten statt einer Dequalifizierung anzubieten?

Erwin Stahl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002212

Frau Dr. Lepsius, in diesem Vorhaben ist auch an das gedacht, was Sie hier angesprochen haben. Ich gehe davon aus, daß auf Grund des Forschungsvorhabens und der wissenschaftlichen Begleitung und der daraus folgenden Erkenntnisse nach der Modellphase im Abschlußbericht vieles über derartige Tätigkeiten gesagt wird, was dann später auch eventuell ernsthaft umgesetzt werden kann.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Frau Kollegin Simonis, zu einer Zusatzfrage.

Heide Simonis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002178, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist der von Ihnen geschilderte Tatbestand, daß es sich bei diesen Teilzeitkräften im wesentlichen um Frauen handelt, die vormittags arbeiten, darauf zurückzuführen, daß - wie in einer größeren deutschen Zeitung stand - Ministerialräte ihre Briefe selber tippen müssen, anstatt sie an den Schreibdienst oder an dafür angestellte Damen weiterzuleiten? Stahl, ParL Staatssekretär: Frau Kollegin, was Sie hier ansprachen, ist mir nicht bekannt. Ich will mich aber im Hause gerne einmal sachkundig machen und Ihnen bei Gelegenheit mündlich darüber berichten.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Zu einer weiteren Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Thüsing,

Klaus Thüsing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002322, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, auch einmal einen kritischen Blick auf die Verhältnisse im Schreibdienst des Bundestages zu werfen, auf den sicher die gleichen kritischen Kriterien anzuwenden sind, die Sie soeben bestätigt haben?

Erwin Stahl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002212

Herr Kollege Thüsing, dieses Vorhaben ist im Auftrag des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages angeregt worden; die Studie liegt vor. Die Vorphase des Modellprojektes wird laufen. Ich gehe davon aus, daß es möglich sein wird, daß auch Sie sich als Abgeordneter dieses Hohen Hauses nach Vorlage des Abschlußberichtes über die Modellphase bei der Verwaltung des Bundestages darum bemühen können, daß Erfahrungen und Erkenntnisse dieses Berichts für den hier genannten Personenkreis umgesetzt werden. ({0})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Hansen.

Karl Heinz Hansen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000805, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wenn ich Sie recht verstanden habe, liegt die Vorstudie vor. Ich darf Sie deshalb fragen: Warum ist sie noch nicht veröffentlicht worden, und welche Ressorts sind gegebenenfalls dafür verantwortlich? Stahl, ParL Staatssekretär: Herr Kollege Hansen, zu dem im September von der Gesellschaft vorgelegten Ergebnisbericht wurden zunächst die Stellungnahmen der beteiligten Ressorts eingeholt. Eine letzte Frist zur Abgabe von Stellungnahmen endete am 15. Februar 1980. Auf der Basis dieser Stellungnahmen wurde der Ergebnisbericht von den Verfassern überarbeitet. Eine überarbeitete Fassung wurde dem Bundesforschungsminister am 3. Juni 1980 übergeben. Diese Fassung wird jetzt dem Bundestag zugeleitet und in einer Verlagsreihe veröffentlicht.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Keine weiteren Zusatzfragen. Dann rufe ich Frage 17 der Frau Abgeordneten Dr. Lepsius auf: Hat die Bundesregierung gesonderte Erkenntnisse fiber den Krankenstand im Schreibdienst, und welche Abweichungen lassen sich gegenüber dem übrigen öffentlichen Dienst erkennen?

Erwin Stahl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002212

Frau Kollegin, statistische Daten über den Krankenstand liegen nicht in einer solchen Feinheit der Aufgliederung vor, daß Besonderheiten für Beschäftigte im Schreibdienst oder eine Abweichung gegenüber anderen Berufsgruppen im öffentlichen Dienst festgestellt werden könnten. Alle vorliegenden Daten betreffen die gesamte Berufsgruppe der Bürobeschäftigten, auch im Bereich der Privatwirtschaft. Im Rahmen der Untersuchung werden zwar umfangreiche Daten fiber die physische und psychische Beanspruchung der Schreibkräfte in den Untersuchungsressorts erhoben. Dabei wurde u. a. festgestellt, daß bei Arbeitsende eine besondere Angespanntheit bei Schreibkräften zu verzeichnen ist. Auch zeigte sich, daß Schreibkräfte im Untersuchungsfeld im Vergleich zu allgemeinen Bürotätigkeiten überproportional häufig über Nacken- und Rückenschmerzen klagen. Allerdings ergaben auch diese Ergebnisse keinen Hinweis auf einen erhöhten Krankenstand.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Wünschen Sie das Wort zu einer Zusatzfrage? - Bitte sehr, Frau Kollegin.

Dr. Renate Lepsius (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001331, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, nachdem in den Untersuchungsergebnissen von Intersofo auf. besondere Mißstände in den Schreibdiensten hingewiesen worden ist, darf ich Sie fragen, ob die Bundesregierung bereit ist, etwa durch eine Technisierung des Arbeitsplatzes eine Besserstellung der Schreibdienste durchzusetzen und hier gegenüber der Privatwirtschaft nachzuziehen, die in den Schreibdiensten bereits zu vermischten Arbeitsplätzen gekommen ist.

Erwin Stahl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002212

Frau Kollegin, in der Modellphase wollen wir einen großen Teil Ihrer aufgeführten Argumente und Anregungen übernehmen. Sie sind ja Bestandteil der Forschung. Es wird notwendig sein, nach Vorlage des Endberichtes einmal sehr eingehend fiber dieses Thema zu diskutieren.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Eine weitere Zusatzfrage, Frau Kollegin Lepsius.

Dr. Renate Lepsius (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001331, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, welche Maßnahmen werden denn sofort vorgeschlagen - wenn Sie darauf hinweisen, daß man mal darüber diskutieren sollte?

Erwin Stahl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002212

Frau Kollegin, wir haben natürlich auch schon einiges getan. Es gibt ja Möglichkeiten z. B. durch eine bessere Ausstattung oder durch Veränderung der Unterlagen bei Schreibmaschinen. Auch können andere, z. B. technische Mittel dazu führen, daß beispielsweise etwas weniger Lärm im Schreibbüro vorhanden ist. Aber ich sage ausdrücklich, daß letzten Endes eine Veränderung in dem Sinne, wie Sie sie anstreben, erst dann möglich ist, wenn die Modellphase beendet ist und wenn wissenschaftliche Erkenntnisse darüber vorliegen, was auf den Weg der Umsetzung gegeben werden sollte.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Zu einer Zusatzfrage Herr Kollege Hansen.

Karl Heinz Hansen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000805, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, habe ich Sie recht verstanden, daß Sie keine Sofortmaßnahmen beabsichtigen, obwohl doch jetzt schon, wie von Ihnen selber festgestellt, Untersuchungsergebnisse über Mißstände und gesundheitliche Schäden vorliegen?

Erwin Stahl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002212

Herr Kollege Hansen, das können Sie aus meiner Antwort nicht entnehmen. Es entzieht sich natürlich meiner Kenntnis, inwieweit bei den einzelnen Ressorts bereits Maßnahmen - z. B., was ich soeben sagte, zur Schalldämmung oder Raumteilung - ergriffen worden. sind. Aber ich habe im Hinblick auf das, was Frau Kollegin Lepsius sagte, darauf hingewiesen, daß es letzten Endes, um den gesamten Umfang erkennen zu können, natürlich nötig ist, diese Modellphase zu beenden und die Erkenntnisse dann auch umzusetzen.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Eine weitere Zusatzfrage, Frau Kollegin Simonis.

Heide Simonis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002178, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist es denn möglich, nachdem Sie keine Zahlen über den Krankenstand der im Schreibdienst Beschäftigten haben, uns zu sagen, ob es eventuell frühzeitige Pensionierungen wegen besonderer berufsbedingter Krankheiten bei den im Schreibdienst der Bundesbehörden beschäftigten Damen gibt? Stahl, ParL Staatssekretär: Soweit mir bekannt, gibt es darüber keine belastbaren Aussagen.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Das Wort zu weiteren Zusatzfragen wird nicht gewünscht. Ich rufe Frage 47 der Frau Kollegin Simonis auf: Beabsichtigt die Bundesregierung, die in der vergleichenden Intersofo-Untersuchung .Humanisierung des Arbeitslebens` vorgeschlagene Modellphase durchzuführen, und wann und wie soll dieses gegebenenfalls geschehen? Bitte sehr, Herr Staatssekretär. Stahl, ParL Staatssekretär: Frau Kollegin Simonis, Ihre Frage beantworte ich mit Ja. Die beteiligten Ressorts haben diese Auffassung in einer Ressortbesprechung am 15. Januar 1980 bekräftigt Ein ausreichend prüffähiges Angebot mit detaillierter Kalkulation wurde dem Bundesforschungsminister am 20. Mai 1980. vorgelegt. Unter intensiver Beteiligung der zuständigen Referate und der betroffenen Schreibkräfte und Diktierberechtigten in den drei Modellressorts BMJ, BMZ und BMFT sollen bis Ende dieses Jahres drei organisatorisch unterschiedlich ausgestaltete Schreibdienstmodelle eingerichtet werden. Die Ressorts werden hierbei von der genannten Wissenschaftlergruppe beraten und unterstützt Nach Einrichtung der Modelle sollen diese sich - möglichst ohne Intervention durch die Wissenschaftler - stabilisieren und im Alltag bewähren. Abschließend ist eine umfangreiche Kontrolluntersuchung über Erreichung der Humanisierungszielsetzungen vorgesehen. Hierbei sollen diese Modelle mit der bisherigen Schreibdienstorganisation hinsichtlich ihrer Funktionstüchtigkeit und Wirtschaftlichkeit verglichen werden.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Frau Kollegin, Sie wünschen das Wort zu einer Zusatzfrage? - Bitte sehr.

Heide Simonis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002178, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, liegt Ihnen zu diesen von Ihnen geplanten Modellen eine Bemerkung des Bundesrechnungshofes zustimmender oder ablehnender Art vor, der ja durch seine Berechnung ursprünglich dazu beigetragen hat, daß wir uns überhaupt mit der ganzen Materie hier zu beschäftigen haben? Stahl, ParL Staatssekretär: Es liegt eine zustimmende Bemerkung vor, Frau Kollegin.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Noch eine Zusatzfrage, bit- . te.

Heide Simonis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002178, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist es möglich, daß eines dieser Modelle unter Umständen auch eine Auflösung eines Schreibbüros zum Inhalt hat, so daß die Mitarbeiterinnen nicht mehr in Schreibbüros sitzen, sondern wieder in die einzelnen Abteilungen zurückkommen und dort abteilungsweise arbeiten?

Erwin Stahl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002212

Frau Kollegin, ich habe ausgeführt, daß wir derartige Modelle in verschiedenen Häusern durchführen. Ich kann zu den Einzelheiten Ihrer Frage im Moment nichts Konkretes sagen. ({0})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Ist der Herr Staatssekretär bereit, das ergänzend schriftlich zu beantworten?

Erwin Stahl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002212

Selbstverständlich werde ich Ihre Frage schriftlich beantworten, Frau Kollegin.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Zu weiteren Zusatzfragen wird das Wort nicht gewünscht Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie beantwortet - Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen auf. Dazu begrüße ich Herrn Staatsminister Dr. von Dohnanyi. Ich rufe Frage 33 des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja auf: In welchem Umfang bewegt sich die gemeinsame deutsch-sowjetische Energieplanung, die für ein Regierungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der UdSSR von der deutsch-sowjetischen Kommission für wirtschaftliche und wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit vorbereitet worden ist ({0})?

Not found (Gast)

Herr Kollege Czaja, die deutsch-sowjetische Kommission hat sich auf ihrer 9. Tagung unter anderem auch mit Fragen der Energiekooperation befaßt Es ist auch anzunehmen, daß Bereiche einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit im Energiesektor, ebenso wie in den Langfristigen Perspektiven von 1974, auch in das in Ausarbeitung befindliche Langfristige Programm aufgenommen werden. Da aber dieses Langfristige Programm von den beiden Regierungen bisher noch nicht abschließend verabschiedet worden ist, möchte ich Sie bitten zu verstehen, wenn ich zu diesem Zeitpunkt auf Einzelheiten dieses Programms nicht eingehen kann.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Czaja zu einer Zusatzfrage.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, können Sie bestätigen, was die Prawda am 3. Juni 1980 meldet und was auch in dem Artikel des erstklassigen Fachmanns des Max-Planck-Instituts in Heidelberg, Dr. Dolzer in der FAZ vermerkt ist, daß sich die gemeinsame Energieplanung mit der Sowjetunion auch auf die Anwendung der Atomenergie zu friedlichen Zwecken in gemeinsamer Planung beziehen wird?

Not found (Gast)

Herr Kollege, wenn ich jetzt hierzu Stellung nähme, würde ich von dem Grundsatz, den ich Ihnen hier eben zu verdeutlichen versucht habe, abweichen. Mir liegt daran, nicht zu diesem Zeitpunkt eine Aussage über den Inhalt eines Abkommens zu machen, das noch nicht ausformuliert worden ist.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Czaja.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, nachdem Sie bestätigt haben, daß sich die 9. Tagung der deutsch-sowjetischen Kommission für wirtschaftliche und wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit eingehend damit befaßt hat, und nachdem die Presse breit über die Einzelheiten berichtet, frage ich Sie: Warum versagen Sie eigentlich dem Parlament die Information darüber, wie weit unsere Energieversorgung in diesem Zusammenhang mit der der Sowjetunion zusammengekoppelt wird?

Not found (Gast)

Herr Kollege Czaja, das war ja - wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf - nicht Gegenstand Ihrer Frage. Wenn das Gegenstand der Frage gewesen wäre, hätte sie im Zweifel vom Bundeswirtschaftsminister beantwortet werden müssen. Ich bin sicher, daß die Bundesregierung gern bereit ist, Ihnen die hierfür heranzuziehenden Statistiken zur Verfügung zu stellen.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Zu einer weiteren Zusatzfrage Graf Huyn.

Hans Huyn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000987, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, wird die Frage einer Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion auf dem Gebiet der Energiewirtschaft auch Gegenstand von Gesprächen des Bundeskanzlers in Moskau sein, und, wenn ja, wird der Bundeskanzler unverzüglich nach seiner Rückkehr den Deutschen Bundestag hierüber informieren?

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Kollege Graf Huyn, die Frage steht nicht in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Frage, die hier gestellt ist. ({0}) Wenn der Herr Staatsminister sie beantworten will, habe ich allerdings nichts dagegen.

Not found (Gast)

Herr Präsident, ich kann selbstverständlich bestätigen, daß der Herr Bundeskanzler in der ganzen Breite über die bilateralen Probleme sprechen wird, und es ist durchaus denkbar, daß dabei auch Fragen der Energie angeschnitten werden. Aber auch hier möchte ich wiederum Einzelheiten nicht präjudizieren.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Das Wort zu weiteren Zusatzfragen wird nicht gewünscht. Dann rufe ich Frage 34 des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja auf: Warum informiert die Bundesregierung oft um einige Wochen später als einzelne Journalisten den an der parlamentarischen Kontrolle mitwirkenden Auswärtigen Ausschuß des Deutschen Bundestages über wichtige außenpolitische Absichten, wie z. B. über die Traktandenliste und wichtige deutsche Vorschläge für die Moskauer Gespräche des Bundeskanzlers ({0})?

Not found (Gast)

Herr Kollege, die Bundesregierung hat den Auswärtigen Ausschuß durch Herrn van Well am 13. und am 22. Mai so eingehend, wie es zu diesem Zeitpunkt möglich war, über die bevorstehenden Gespräche unterrichtet. Auch am 12. Juni wurde der Auswärtige Ausschuß - diesmal durch Herrn Lautenschlager - ausführlich über die vorgesehenen Gesprächsthemen und Vorstellungen der Bundesregierung unterrichtet. In der gestrigen Sitzung, also am 18. Juni, hat wiederum Herr van Well über den Stand der Vorbereitungen Bericht erstattet. Ich bitte Sie, bei Ihrer Frage auch zu bedenken, daß die Bundesregierung selbstverständlich bereit gewesen wäre, die Mitglieder des Auswärtigen Ausschusses auch in der Zeit zwischen dem 22. Mai und dem 12. Juni zu unterrichten, wenn dies Sitzungswochen gewesen wären.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Czaja.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, da die Unterrichtung dieses mit dem Außenminister besonders befreundeten Journalisten ja vor dem 4. Juni 1980 erfolgte - das schlug sich ja in der detaillierten Traktandenliste im „General-Anzeiger” nieder -, frage ich Sie: Wird das Informations- und Kontrollrecht des Parlaments nicht ausgehöhlt, wenn das Parlament mit solcher Verspätung unterrichtet wird, wie es der Fall ist, wenn der Auswärtige Ausschuß gestern zum erstenmal eingehender informiert wurde?

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich habe eben auf die Zeitspanne aufmerksam gemacht, in der wir keine Sitzungswochen hatten. Ich möchte aber gern anregen, daß, soweit es hier Beschwernisse auf seiten der Mitglieder des Ausschus18124 ses gibt, diese im Ausschuß einmal aufgegriffen werden.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Czaja.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, warum informiert das Auswärtige Amt bereits am 4. Juni zwar einen tüchtigen Journalisten, nicht aber das Parlament darüber, daß die Bundesregierung als Vermittlungsvorschlag zur sowjetischen Dislozierung von Mittelstreckenwaffen auch die vorhandenen taktischen NATO-Gefechtswaffen mit 1 000 km Reichweite zur Disposition stellen werde und daß sie die Befassung der KSZE-Folgekonferenz in Madrid mit Menschenrechtsfragen beschränken sowie eine gemeinsame Energieplanung mit der Sowjetunion haben wolle? ({0})

Not found (Gast)

Herr Kollege, Sie zitieren offenbar aus einem Presseartikel. Aber Sie werden verstehen, daß ich natürlich einen Presseartikel, in dem nicht einmal darauf hingewiesen wird, daß dies ausdrücklich von der Bundesregierung gesagt worden sei, ({0}) nicht kommentieren kann. Das, Herr Kollege, müssen Sie mit dem Journalisten, Herrn Bell, persönlich klären. ({1})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Zu einer Zusatzfrage, Herr Kollege Jäger ({0}).

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, darf ich da noch einmal nachhaken und fragen: Ist es nicht in der Tat eine Aushöhlung des Informationsrechts des Parlaments, wenn Abgeordnete Dinge, die sie erst einige Zeit später von der Bundesregierung im Ausschuß hören, vorher in Tageszeitungen lesen können, und nimmt nicht dadurch der Zusammenhang zwischen der Information des Journalisten auf der einen Seite - denn aus den Fingern gesogen hat sich das der betreffende Journalist doch nicht - und des Parlaments auf der anderen Seite recht merkwürdige Züge an?

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich möchte noch einmal wiederholen: Dies ist ein Artikel, über dessen Inhalt Sie mit dem Verfasser selbst sprechen müssen. Im übrigen kann die Bundesregierung hier nur anbieten, daß wir, wenn es Beschwernisse im Auswärtigen Ausschuß über Informationen gibt, das im Auswärtigen Ausschuß noch einmal aufgreifen. Ich habe auf die Fristen hingewiesen, innerhalb derer wir zu arbeiten hatten, und auf das Problem, daß eine bestimmte Zeit ohne Sitzungswochen war. Ich bitte, das zu verstehen.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Das Wort zu weiteren Zusatzfragen wird nicht gewünscht. Ich rufe die Frage 35 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf. Der Fragesteller ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Aus diesem Grunde wird auch die Frage 36 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka schriftlich beantwortet Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe die Frage 14 des Herrn Abgeordneten Thüsing auf: Welche Einwirkungsmöglichkeiten hat die Bundesregierung bei der Entsendung der 600 bis 700 Lehrer aus der Türkei, die direkt von der türkischen Regierung entsandt werden, und wenn keine, ist die Bundesregierung bereit, mit der türkischen Regierung darüber in Verhandlungen zu treten, damit gewährleistet wird, daß es sich bei den Lehrern um demokratisch gesinnte Türken handelt? ({0})

Not found (Gast)

Herr Kollege, die Auswahlentscheidung bei der Entsendung von türkischen Lehrern in die Bundesrepublik Deutschland liegt grundsätzlich bei den zuständigen türkischen Stellen. Die Bundesregierung geht davon aus, daß die türkischen Stellen jeweils eine Auswahl treffen, die auch mit den deutschen Anforderungen an die Rolle eines Lehrers in Einklang zu bringen sind. Die Bundesregierung hat über dieses Problem mit der türkischen Seite gesprochen, und sie wird gegebenenfalls noch einmal mit den türkischen Stellen reden.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Thüsing.

Klaus Thüsing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002322, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, sehen Sie eine Möglichkeit, für die Zukunft eine Übereinkunft zu treffen, wonach die deutschen Behörden und verantwortlichen Stellen jeweils den türkischen Vorschlägen zustimmen müssen?

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich glaube, man muß die Zuständigkeiten so sehen, wie sie sind, nämlich daß die Verantwortung für die Auswahl bei den türkischen Stellen liegt. Aber ich hatte gesagt, daß man über diese Fragen auch immer wieder zwischen der Bundesregierung und den türkischen Stellen Gespräche führen kann.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Keine weitere Zusatzfrage, Kollege Thüsing? - Herr Kollege Hansen, eine Anschlußfrage. Bitte sehr.

Karl Heinz Hansen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000805, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, können Sie verstehen, daß es gewisse Sorgen gibt, wenn droht, daß einseitig politisch ausgerichtete türkische Lehrer in der Bundesrepublik tätig werden, und werden Sie solche Besorgnisse, die auch zu Störungen des sozialen Friedens in der Bundesrepublik führen könnten, der türkischen Regierung nahebringen?

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich sagte schon: Es hat ein Gespräch zwischen Herrn Bundesminister Schmude und seinem türkischen Kollegen gegeben - nicht unmittelbar über das von Ihnen angeschnittene Thema, aber über die Nachrichten, daß ein großer Teil der türkischen Lehrer ausgetauscht werden solle. Es hat sich dann herausgestellt, daß dies so gar nicht geplant ist, daß in diesem Umfang gar nicht ausgetauscht werden soll. Uns liegt natürlich auch daran, daß die türkischen Kinder hier eine entsprechende demokratische, aber auch ihrem eigenen Kulturbereich entsprechende Erziehung haben können. Kurz: Die Bundesregierung ist im Gespräch mit der türkischen Seite, und, ich glaube, Herr Kollege, die Dinge werden in dieser Beziehung einen vernünftigen Verlauf nehmen.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Zu einer Anschlußfrage der Herr Kollege Jäger ({0}).

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, wird die Bundesregierung nicht in eine außerordentlich schwierige Situation geraten, wenn sie ihre eigenen Maßstäbe zur Überprüfung . der Verfassungstreue von Lehrern, die sie bekanntlich vor einiger Zeit geändert hat, in Vergleich zu dem setzt, was nun möglicherweise gegenüber türkischen Lehrern in Anwendung gebracht werden soll?

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich kann einen solcher Widerspruch in keiner Weise erkennen. Die Antwort, die ich dem Kollegen Hansen gegeben habe, bezog sich auf das Gesamtgespräch über die türkischen Lehrer in der Bundesrepublik Deutschland. Ich glaube, dabei sollten wir es belassen.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Das Wort zu weiteren Zusatzfragen wird nicht gewünscht. Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Staatsminister. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Gallus zur Verfügung. Wir kommen zur Frage 37 des Herrn Abgeordneten Lambinus. - Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Dann wird die Frage 37 ebenso wie die von dem Herrn Abgeordneten Lambinus eingebrachte Frage 38 schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Die Fragen 39 und 40 des Herrn Abgeordneten Grunenberg und die Fragen 41 und 42 des Herrn Abgeordneten Eickmeyer sollen auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Dem wird in den Anlagen entsprochen. Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen für den guten Willen zur Beantwortung der Fragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf. Die Fragen 43 und 44 des Herrn Abgeordneten Kirschner, 45 und 46 des Herrn Abgeordneten Müller ({0}) sowie 48 und 49 des Herrn Abgeordneten Menzel sollen auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Dem wird in den Anlagen entsprochen. Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen. Die Frage 52 des Herrn Abgeordneten Dr. Blüm sowie die Fragen 53 und 54 des Herrn Abgeordneten Klein ({1}) sollen auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft auf und begrüße dazu den Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Engholm. Wir kommen zur Frage 55 des Herrn Abgeordneten Weisskirchen. - Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Dann wird die Frage 55 ebenso wie die von dem Herrn Abgeordneten Weisskirchen eingebrachte Frage 56 schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe die Frage 57 des Herrn Abgeordneten Dr. Schweitzer auf: Ist der Bundesregierung der jüngste programmatische Bericht des Präsidenten des Europäischen Hochschulinstituts in Florenz bekannt, und wie beurteilt sie diesen Bericht gegebenenfalls im Hinblick auf die Möglichkeiten, die Forschungstätigkeit dieser neuartigen europäischen Einrichtung noch gezielter in den Dienst des Integrationsprozesses innerhalb der EG zu stellen? Bitte, zur Beantwortung, Herr Staatssekretär.

Björn Engholm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000476

Herr Kollege Professor Schweitzer, ich habe in meiner Antwort auf Ihre Frage im April festgestellt, daß das Europäische Hochschulinstitut in Florenz in Zukunft stärker auf ein Forschungsinstitut mit interdisziplinärer Grundlage hin entwickelt und der Akzent vor allem auf die Durchführung von Forschungsprojekten gelegt werden soll, die es an anderen europäischen Hochschulen oder vergleichbaren wissenschaftlichen Einrichtungen nicht oder jedenfalls nicht in dieser Art gibt. Der Präsident des Europäischen Hochschulinstituts hat diese Leitlinie in seinem Bericht berücksichtigt und weiterentwickelt. In dem Bericht wird stärker als bisher das Bemühen deutlich, Forschung nicht mehr in der Form von Einzelvorhaben zu betreiben, die nicht miteinander verknüpft oder abgestimmt sind, sondern ein Forschungsprogramm für das Institut in seiner Gesamtheit festzulegen und bei seiner Durchführung die im Institut gegebenen Möglichkeiten zu Multinationaler und multidisziplinärer Forschung stärker zu nutzen. Das Forschungsprogramm soll . unter Beteiligung auch auswärtiger Wissenschaftler ausgearbeitet und dann auch regelmäßig überprüft werden. Nach meiner Auffassung sind damit jetzt die Rahmenbedingungen gegeben, die das Institut in die Lage versetzen könnten, entsprechend seiner Bestimmung seine Forschungsarbeit an den aktuellen Problemstellungen der Europäischen Gemeinschaft zu orientieren und auf wissenschaftliche Weise einen Beitrag zur europäischen Integration zu leisten.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Kollege Schweitzer zu einer Zusatzfrage.

Prof. Dr. Carl Christoph Schweitzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002131, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung im sogenannten Obersten Rat auf eine stärkere Schwerpunktsetzung bei der Forschungstätigkeit im Hinblick auf spezielle Themen der europäischen Integration gedrängt, oder wird sie verstärkt darauf drängen?

Björn Engholm (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000476

Herr Kollege Schweitzer, ich hatte bereits in meiner Antwort vom April darauf hingewiesen, daß sich der Oberste Rat schon Ende 1978 mit diesen Fragen beschäftigt hat und im Grundsatz analog der Auffassung der Bundesregierung darauf hingewiesen hat, daß die Chancen eines solchen Instituts wie in Florenz im Prinzip darin liegen, Schwerpunktsetzungen vorzunehmen. Eine anders angelegte Forschungsarbeit wird man auch in jeder beliebigen anderen europäischen Hochschule oder an einem vergleichbaren Institut durchführen können. Insofern kann ich Ihre Frage bejahen.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Keine weitere Zusatzfrage. Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Die zum Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit eingebrachten Fragen 58 des Abgeordneten Dr. Kunz ({0}), 59 der Abgeordneten Frau Fischer und 60 des Herrn Abgeordneten Höffkes sollen auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende der Tagesordnung angelangt. Ich berufe die nächste Sitzung auf Mittwoch, den 25. Juni 1980, 9 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.